- oe " . Er ir N % \ X RIES RE en x ? B RR alle) . NER, er . Be ar 2 X r ee NE 3 RE REN i CHEN REN - ‚ . . } % 2 . .. Er VERERIO j ; \ N es EEE RESET TREE 3% De WEN wen EHRRNUREN JRR ER i N lie rt I Fr “ a, & » ON RL 2 Be > x N kArs,> Pri = Tr ER ERDE BAR \ Y ee, Sn ER, IN. E ea: R N , > N N - en ee EN ERSTE s Se BE FRR x KRERT i Kor 5 RN ü ö) ä : N DREH ER SENT x I y EN : Be RR ee us . 4 . . ® .. * \ ya 2 Deere en 2 OR 5 Der IS at, N * “ RT \ va BEE ABHANDLUNGEN » BOWIE TEN ERBRMIE DER WISSENSCHAFTEN LU BERELM, IRiH, Ber) OR u } DEI %/ I ER ABHANDLUNGEN DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. % en m ee ur x Eu w nu PA Ye Bee DER vw Be, KÖNIGLICHEN freuten AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. AUS DEM JAHRE 1876. > BERLIN. BUCHDRUCKEREI DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN (G. VOGT) USIVERSITÄTSSTR. 8. IS COMMISSION BEI FERD. DÜMMLER'S VERLAGS-BUCHHANDLUNG. (HARRWITZ UND GOSSMASN.) Karin) HNrAHFR Y [ Rai Be ö # FIRE \ , i 2% i | 14: de f Fr RR ea A er 2 T BA . I vr F , MPN yes aha Ar Tune ae Br | Inhalt. | Physikalische Klasse. 1. Abtheilung. Seite > e VırcHow: Beiträge zur physischen Anthropologie der Deutschen, mit besonderer Be- 4 hu: rücksichtigung der Friesen. (Mit 5 Tafeln) . . . 2... 20. ' Br, Ex 2. Abtheilung. a Teber die Witterung den Jahres 1875 und Anfang 1876... 2 te. 1 u. . Kırcunorr: Ueber die Reflexion und Brechung des Lichts an der Grenze an RK R stallinischer Mittel . . 4 3 57 | VG. Rose & A: en Ueber die Krystallioation den a (Mit % Tafeln) 85 2 Fr Mathematische Klasse. Kunner: Neue Versuche zur Bestimmung des Angriffspunktes der Resultante des Luftwiderstandes gegen rechteckige schiefe Ebenen . A Werensträss: Zur Theorie der eindeutigen analytischen Funetionen . . ... 1 5 y Philosophisch-historische Klasse. 1. Abtheilung. , YHarus: Ueber die Lehre von Friedrich Heinrich Jacobi . » 2»: 22... 1 _ vZELLER: Ueber teleologische und mechanische Naturerklärung in ihrer Anwendung 5 auf das Weltganze . . . . ve EN Da a EEE EL ö Bruns: Die Unterschriften in den STERN ek A “Currius: Die Plastik der Hellenen an Quellen und Brunnen. . . .» 2... 139 , “Harus: Ueber den Begriff der Wahrheit . . . . 173 / p VBersavs: Die unter Philons Werken stehende Schrift er die Unserstörbarkeit zur des Weltalls nach ihrer ursprünglichen Anordnung wiederhergestellt und Ex inse Deutsche subertrapemn 5, Rural Ug j 2. Abtheilung. (genen: Ueber einige Tiernamen . . . 2 1 CHHOFF, Zur Geschichte des nahen Se else im fünften RE 21 ı% B8- ae 3 EN r if a 5 y P % u mr hr * 4 \ it ale en rare ver , chen DAR ALERT TIER ven, we u Bu: u i ‘ Äh 6 . j IE}, a4 2 IE 9 ri Ü ei f { N ur Ale um - tee JE Kane DENE 2) ‚N a wi ET Ä 2 : £ » er ke eve Br, ] mo N m a A Ik m Be . \ ’ UyaR Brio ihre ’ tale WOEr SAREREREE | nn br Nur \ un el learn. Au E CH NEL U EL?) han ar er} R UN | Een Bl are sh Rab rein; m, B or wre ur Er {entaıl) Sheidlasläg: - MED HRFS SIE 6 \r: . N: F fi kb *: 0a ee nr HMO Pe au { rn R sansah ul nl YuhaRH er nn es" ydh weh: ale il Bi Ilvntinhet dort Wu DAR A ZU % vr ’ \ hl R rl R u e g er j Lane EN Te 7, A; 4 F #- s bl LT Ge r . ‚ . ehrmalnnmeienedl as Tan En Bra! ok a nl 2 oral Enten to Hluekdi nis a Fa un ı. v R 4 Y h SE AT: 2, Abanbreihe ine Frau, ba ARE , aklanderisır si al il Yrrılar uhıynlale ma W ARE Az: - ‚ ER € 1% N j i x ft Ill aralsalatve "u mabtonA Kundgnleen ı yıılı Ham Yeah . Iargn de ee J l IL re VAREN i ö - „hate ya mail I; Al dar u rt Marne nnlantnunt A Mi or wirt ui . 2 f / ‘ Bu Jahr 1876. En BD + x ‘ D. Akademie der Wissenschaften feierte am 27. Januar den Ge- burtstag König Friedrich’s des Zweiten durch eine öffentliche a Sitzung, welche von dem an diesem Tage vorsitzenden Secretare, e : Herrn Curtius, mit einer Ansprache über die Feier des Geburts- E tags Lebender und Gestorbener eröffnet wurde. Dieselbe ist im Monatsbericht abgedruckt. Änr, Darauf berichtete Herr Curtius über die während des ver- | flossenen Jahres bei der Akademie vorgekommenen Personalverän- _ derungen. 2 Sodann las Herr du Bois-Reymond, als Vorsitzender des 2 "Curatoriums der Humboldt-Stiftung für Naturforschung und Rei- sen, den Jahresbericht dieser Stiftung vor. Derselbe findet sich im Monatsberichte abgedruckt. 52 Zum Schluss trug Herr Waitz eine Abhandlung des Herrn von Ranke vor, welche den Baseler Frieden zum Gegenstande hatte. Am 23. März hielt die Akademie eine öffentliche Sitzung zur Feier des Geburtstages Seiner Majestät des Kaisers und Königs, welche der an diesem Tage vorsitzende Sekretar, Herr - Mommsen, mit einer Festrede eröffnete. 1% lichen Arbeiten Ir Akademien so wie abas die Thätigkeit des gr derselben verbundenen archäologischen Instituts vorgetragen hatt erstattete er Bericht über die Fortführung des Corpus inscriptionum Latinarum sowie des griechischen enschrillenwerlos. und Graf Hertzberg. In der am 6. Juli gehaltenen Leibniz-Sitzung hielt der dieser Sitzung vorsitzende Sekretar, Herr du Bois-Reymond, die = BR Einleitungsrede. Dieselbe ist in dem Monatsbericht abgedruckt. _ er Hierauf hielten die seit der Leibniz-Sitzung des vorigen Jahres neu eingetretenen Mitglieder, die Herren Waitz, Schrader und von Sybel, ihre Antrittsreden, welche Herr Curtius, als Se- kretar der betreffenden Klasse beantwortete. Sodann verlas Herr du Bois-Reymond, als Sekretar de physikalisch- mathematischen Klasse, den Bericht über den Stei ner’schen Preis. Die in der Leibniz-Sitzung 1874 erneuerte Preisfrage über die Theorie der Polyeder ist abermals ohne Be werber geblieben und wird zurückgezogen. An ihre Stelle trit folgende: , „Um die Geometer zu eingehenden Untersuchungen über die Theorie der höheren algebraischen Raumeurven zu ver- anlassen, hat die Akademie beschlossen, zur Concurrenz um den im Jahre 1878 fälligen Steiner’schen Preis jede Arbeit zuzulassen, welche irgend eine auf die genannt Theorie sich beziehende Frage von wesentlicher Bedeutun vollständig erledigt.“ | Die ausschliessende Frist für die Emsendung der Bewerbungs- u ae eines FE Zettels, welcher den Namen des Verfassers enthält, zu wiederholen. Die Ertheilung des Preises von 1800 Mk. erfolgt i in der öffentlichen Sitzung am Leibniztage im Juli 1878. Den Statuten der Steiner’schen Stiftung gemäss hat ferner die Akademie den diesjährigen Preis derselben, um welchen sich kein Bewerber gefunden, dem Herrn Heinrich Schröter, ordent- lichem Professor an der Universität zu Breslau, als Anerkennung für seine Verdienste um Erhaltung, Verbreitung und weitere Aus- bildung der geometrischen Methoden Steiner’s zugesprochen. Hierauf verlas Herr du Bois-Reymond den von der vor- berathenden Commission der Bopp-Stiftung, bestehend aus den Herren Lepsius, A. Kuhn, Steinthal, Weber, abgestatteten Be- richt: „Die unterzeichnete Commission beehrt sich hiermit, gemäss $. 11 des Statuts der Bopp- Stiftung, für die bevorstehende Feier des Leibnizischen Jahrestages folgenden kurzen Bericht über die Wirksamkeit der Stiftung im verflossenen Jahre und den Vermö- _ gensbestand derselben zu erstatten. Für den 16. Mai ist die Verwendung des Jahresertrages der Stiftung als Unterstützung wissenschaftlicher Unternehmungen be- schlossen und der ganze Betrag derselben von 1350 Mk. dem Pro- fessor Dr. Aug. Fick in Göttingen verliehen worden. Das Vermögen der Stiftung belief sich am 10. Februar d. J. auf 11800 Thaler (35400 Mark) mit emem jährlichen Zinsertrage von 550 Thalern (1590 Mark).“ Herr Waitz, als Vorsitzender der Central-Direction der Mo- numenta Germaniae historica, verlas den Bericht über den Fort- gang des grossen Unternehmens, welcher in dem Monatsbericht abgedruckt ist. Zu wissenschaftlichen Zwecken hat die Akademie im Jahre 1876 folgende Summen bewilligt: 2500 Mark dem Herrn Dr. Deffner in Athen für Forschungen 1800 1800 6600 3000 600 3000 ” über die Dialekte der neugriechischen Volkssprache. dem Herrn Dr. Potthast in Berlin, als zweite Hälfte des Zuschusses zum Druck der Regesta pont. Rom. dem Mitgliede der Akademie Herrn Roth zur Unter- suchung des Monte Somma. dem Herrn Professor Boll in Rom, zu anatomischen Untersuchungen an Torpedo. dem Mitgliede der Akademie Herrn Duncker für die Sammlung der politischen Flugschriften aus der Zeit Friedrich’s II. den Mitgliedern der Akademie Herren Bonitz, Zel- ler, Vahlen für die Herausgabe der griechischen Commentatoren des Aristoteles. f den Mitgliedern der Akademie Herren Droysen, Duncker und von Sybel für die Sammlung und Herausgabe der politischen Correspondenz Königs Friedrich’s Il. dem Mitgliede der Akademie Herrn A. Kirchhoff für die Sammlung und Herausgabe der griechischen Inschriften. dem Herrn Dr. de Boor in Hamburg für die Heraus- gabe des 'Theophanes. den Mitgliedern der Akademie Herren Lepsius, Ols- hausen und Schrader zur Anschaffung assyrischer Keilschrifttypen. » N 2} pr HN, Ve) Yx u u Herm Bucl Be 0. Enslin in BR rl 2 5 ERFUR der‘ Herold’ schen Schrift über Pyrrho- soris und Musca vomitoria. dem Herrn Buchhändler W. Hertz in Berlin zur Herausgabe der geologischen Karte von Südtirol von Dr. G. Lepsius. dem Herrn Dr. Meyer in München als Beihülfe zur Herausgabe der Schriften des Procop. dem Herrn Buchhändler ©. Enslin in Berlin, zur Herausgabe des Werkes über Fischgehirn vom Prof. Dr. Fritsch. „ dem Mitgliede der Akademie Herın Mommsen zur Herausgabe des Corpus inscriptionum Latinarum. dem Herrn Professor E. Hübner zur Herstellung einer Paläographie der römischen Inschriften von Ju- lius Caesar bis Justinianus. dem Herrn Dr. Dohrn in Neapel zur Anschaffung eines Fischerei-Dampters. dem Herrn Professor Dr. Hartmann in Berlin zur Herausgabe seines Werkes über den Gorilla. Personalveränderungen im Jahre 1876. Die Akademie verlor aus der Reihe ihrer Mitglieder: 1. aus der physikalisch-mathematischen Klasse, Herrn Ehrenberg. 2. aus der philosophisch - historischen Klasse, die Herren Pertz, Petermann. Von auswärtigen Mitgliedern: 1. aus der physikalisch-mathematischen Klasse, Herrn Carl Ernst von Baer in Dorpat. 2. aus der philosophisch-historischen Klasse, Herrn Friedrich Diez in Bonn, „ Christian Lassen in Bonn. Von ihren Ehren -Mitgliedern: Hrn. Grafen Anton von Prokesch-Osten in Graz. Aus der Zahl der correspondirenden Mitglieder: für die physikalisch-mathematische Klasse Herr A. Brongniart in Paris, für die philosophisch-historische Klasse Herr Herrmann Köchly in Heidelberg, „ Julius Mohl m Paris, „.. Franz Palacky/m Prag, „ Friedrich Wilhelm Ritschl in Leipzig. Ku) Ye h ra A FE TE 2 AN Dre It, y nk ee a Sa N N N RE NEN A: Kuh A h ee j m s Verl He JulEres 1 . ae rb. 0 x j ; m 2 2 , Pr Andererseits wurden die bisherigen Correspondenten der Pr Be physikalisch- mathematischen Klasse i 2 die Herren Joseph Liouville und v7 | Michel Chasles in Paris zu auswärtigen Mitgliedern dieser Klasse gewählt. 65; Es wurden ferner gewählt zu correspondirenden Mitgliedern N der physikalisch - mathematischen Klasse: 2% f Herr Ole Jacob Broch in Christiania, „ R. Clausius in Bonn, der philosophisch - historischen Klasse: Herr Adolf Torstrik in Bremen, »„ Fr. Wilh. Carl Hegel in Erlangen, „ Theodor Siekel in Wien, 2, »„ Garein de Tassy in Paris. Ä Fr ae a Fe Zr 25 Verzeichniss der Mitglieder der Akademie der Wissenschaften am Schlusse des Jahres 1876. I. Beständige Seeretare. Herr Kummer, Secr. der phys.-math. Klasse. - du Bois-Reymond, Seer. der phys.-math. Klasse. - Curtius, Secr. der phil.-hist. Klasse. - Mommsen, Secr. der phil.-hist. Klasse. U. Ordentliche Mitglieder der physikalisch-mathematischen der philosophisch-historischen Datum der Königlichen Klasse. Klasse. Bestätigung. I REEER — Herr v. Ranke, Vet. SE sareRebraels8 HerrDowe ma a ne ee SZ a = EPO0geNAonI Net. er ee ei en ER Hne Drag Sl le ee = lOgeny ee ee Be un2 Rn ee en u no len DE. = Depsius 22 2.222.218507Mauzlle: = dur Bow-Reymond 2 2 Sale Manz" EN a N a a a MEZ. Di - Buschmann . . . . 1851 Mai 24. = 9 Braun u on N le Dre TU Te = Klepere 2... 0. lesarsdul2a: =. Beymich © 3 Ne ae ER ARTS. 2. BulS Datteln + 3 % CE lan Dir. 2. +} * + Bu". Ar. } “ a Klasse. Herr Ewaid . Rammelsberg Kummer . Borchardt Weierstrass . Reichert Kronecker Hofmann Auwers Roth Pringsheim . @G. R. Kirchhoff . Helmholtz Siemens . Virchow . Websky —_ ee — ee FIR erh ie A 9, a. 4 a “r rau dr ee Klasse. Herr Weber . Mommsen Olshausen . 4A. Kirchhoff Curtius Müllenhof . . . Droysen Bonitz . . Kuhn . Zeller . Harms . Duncker . Hercher Vahlen . Bruns . Waitz . Schrader von Sybel he Br. E j / ri der physikalisch-mathematischen der philosophisch-historischen Datum der Königlichen Bestätigung. 1853 Aug. 15. 1855 Aug. 15. 1855 Dec. 10. 1855 Dec. 10. 1856 Nov. 19. 1857 Aug. 24. 1858 April 27. 1859 April 4. 1860 März 7. 1860 März 7. 1861 Jan. 23. 1862 März 3. 1864 Febr. 3. 1865 Mai 27. 1866 Aug. 18. 1867 Febr. 9. 1867 April 22. 1867 Dec. 27. 1868 Aug. 17. 1870 März 19. 1870 Juni 1. 1872 März 11. 1872 Dee. 9. 1872 Dee. 9. 1873 Mai 14. 1873 Juli 14. 1873 Dec. 22. 1873 Dec. 22. 1874 Dec. 16. 1875 März 6. 1875 April 3. 1875 Mai 24. 1875 Juni 14. 1875 Dec. 20. ent; = b4 PORTn De! a Pr nn u Be ‘ + \ ) Paar LH 2) der physikalisch-mathematischen Klasse. der philosophisch-historischen Klasse. Sir Henry Rawlinson in London un enlaer ar. Herr’. WählertintGöttingen 1, =, 22 te ae Denen - Franz Neumann in Königs- bern. el ser.e ie Melt Noletsel tl - Ernst Heinrich Weber in eipzior.ı Menke Waufehrte oraefleiee - Robert Wilhelm Bunsen in Heidelbersunah.- 1a kn 5 Me) ueöge en Fe Bei Re Herr Franz Ritter v. Mik inä\Viene = Wilhelm Weber iin Göttingen « . ...ı. 02.0... Wer Srenmaulirin Paris. vu. agent. 1) Bee - Lebrecht Fleischer ın leipzig. (2, 2m - Hermann Kopp in Heidel- er DS Pa N RE AR. ee der. - Giovanni Battista de Rossi inuRom 2. 2.0 We losich Joseph Liowville in Paris WMecheln.Chaslesuın Paris iu 0 ce it Des gran I. Auswärtige i Mitglieder P Datum der Königl. Bestätigung. j; 1850 Mai 18. 1855 August 15. 1858 August 18. | 1859 August 5. 1862 März 3. 1862 März 4. 1863 Juli 11. 1863 Juli 1a 1874 April 20. 1874 Mai 13. 1875 Juli 9. 1876 März 15. 1876 März 15. IV. Ehren-Mitglieder. Datum der Königlichen Bestätigung. s he I Die Herren: Peter Merian in Basel... . . “4. ..32.,1845 März 8. Peter von Tschichatschef in Klose, at a 4805 Aupmatı 90, Graf Rudolph von Stillfried-Rattonitz in Berlin . 1854 Juli 22. Sir Edward Sabine mn London . . . . . .. . 1855 August 15. Graf Helmuth v. Moltke in Berlin . . . . . . 1860 Juni 2. Don Baldassare Boncompagni in Rom . .. . 1862 Juli 21. August von Bethmann-Hollweg in Berlin . . . 1862 Juli 21. Johann Jakob Baeyer in Berlin . . . .. ... 1865 Mai 27. Georg Hanssen in Göttingen . . » » » » . . 1869 April 1. Julius Friedlaender in Berlin. . . . .......1875 Febr. 10. XVII V. Correspondirende Mitglieder. Physikalisch-mathematische Klasse. Herr Hermann Abich in Tiflis George Airy in Greenwich Antoine Cesar Becquerel in Paris P. J. van Beneden ın Löwen George Bentham in Kew Claude Bernard in Paris B Theodor Ludwig Bischof in Müncheh Jean-Baptiste Boussingault in Paris . Johann Friedrich Brandt in St. Petersburg . Ole Jacob Broch in Christiania . Ernst Brücke in Wien 3 Hermann Burmeister m Buenos Aires Auguste Cahours in Paris Arthur Cayley in Cambridge . Michel- Eugene Chevreul in Paris Elvin Bruno COhristofel in Stralsburg Rudolph Clausius in Bonn James Dana in New Haven . Charles Darwin in London Alphonse De Candolle in Genf Ernst Heinrich Karl von Dechen ın Bonn . Franz Cornelius Donders in Utrecht . Jean-Baptiste Dumas in Paris Gustav Theodor Fechner m Leipzig . Louis Hippolyte Fizeau in Paris Edward Frankland in London Elias Fries in Upsala Heinrich Robert Göppert in Be Asa Gray in Cambridge, N. Amerika August Grisebach in Göttingen . Datum der Wahl. 1858 1834 1835 1855 1855 1860 1854 1856 1839 1876 1854 1874 1867 1866 1834 1868 1876 1855 1863 1874 1842 1873 1834 1841 1867 1875 1854 1839 1855 1874 Oct. 14. Juni 5. Febr. 1 Juli 26. Juli 26. März 29. April 27. April 24. Dechr. 19. Febr. 3. April 27. April 16. Decbr. 19. Juli 26. Juni 5. April 2. März 30. Juli 26. Febr. 26. April 16. Febr. 3. April 3. Juni 5. März 25. Aus. 6. Nov. 18. Juni 1. Juni 6. Juli 6. April 16. re Fe Er 6 ch aa AN Valle SR a AS Zain 257 Br Lg a 5 BE De a Me 4 ’ “ - v XIX Datum der Wahl. Herr Heinrich Eduard Heine in Halle 2 ER, er Juli7T6: - Friedrich Gustav Jacob Henle in Gotingen . . 1873 April 3. - Charles Hermite in Paris . .... - . .. 1859 August 11. - Wilhelm Hofmeister in Leipzig . . » . ... . 1874 April 16. - Joseph Dalton Hooker nKew ....... 1854 Juil. - Thomas Huzley in London . . . ..... 1865 Aug. 3. = Joseph Hyfil in Win . . 2... .... 0.0.1857 Januar 15. = August Kekuld in Bonn‘. „2... 2 2... .. 1875 Nov. 18. - Albert Kölliker in Würzburg : . . . ... . 1873 April 3. - Urbain-Joseph Le Verrier in Paris . . . . . 1846 Decbr. 17. # - R.Lipschitz in Bonn . . . Be TR. Aprib 18, 8 - Sven Ludvig Loven in Shockhlin N LESE alas rt = Karl Ludwig in Lapzig. .. . 2»: . 2... 1864 Oct.ı97. R - Charles Marignace n Genf . . . -» » 2... ...1865 März 30. > - William Miller in Cambridge . . . . . . . 1860 Mai 10. L - Henri Milne Edwards in Paris . . . . . . .. 1847 April 15. i leayMorın in Paris! ».)- . nn: 0% .... 1839 Juni 6. 1% - Ludwig Moser in Königsberg . . . 1843 Febr. 16. 4 - .J. @. Mulder in Bennekom bei Wageningen . 1845 Januar 23. u - Karl Nägeli in München . . .... SE Apnilkle 4 - Richard Owen in London . . . . »3.0...1836 März 24. B, - Christian August Friedrich Peters in Kiel nl: eh März. (; - Eduard F. W. Pflüger in Bonn... .... . 1873 April 3. Be - Joseph Plateau in Gent. . . . cd sn 1869, Aprıl»29. h - Friedrich August Quenstedt in Tübingen Hut. 41868, Apnulı2: ”. - Gerhard vom Rath in Bon . ....... 1871 Juli 13. : - Ferdinand Römer in Breslau. . . . .. ... 1869 Juni 3. b - Georg Rosenhain in Königsberg. . . . . . . 1859 August 11. - Henri Sainte-Claire-Deville in Paris . . . . . 1863 Nov. 19. ? - George Salmon in Dublin . . . ». 2.2. ....1873 Juni 12. \ - Arcangelo Scacchi in Neapel . . . . » ‚1872 April’ 18. , F - Ernst Christian Julius Schering in Göklhgen . 1875 Juli 8. Y - Ludwig Schläfi n Bm . ........ 1873 Jui 12. | - Hermann Schlegel in Leyden. . . . ..... 1865 Nor. 13. - Theodor Schwann in Lüttich. . . . ...... 1854 April 17. - Philipp Ludwig Seidel in München . . . . . 1863 Juli 16. - Karl Theodor Ernst von Siebold in München . 1841 März 15. c* xXX Herr Datum der Wahl. Japetus Steenstrup in Kopenhagen. . . . . . 1859 George Gabriel Stokes in Cambridge. . . . . 1859 OrtoN Struwe in Bulkowanı re les - Bernhard Studer mn Ben . . ......x. 1845 - James Joseph Sylvester in Woolwich . . . . . 1866 Sir William Thomson in Glasgow - » . ... .. 1871 Herr Pafnuti; Tschebyschew m Petersburg. . . . . 1871 Se Douns-Rene, Tulasneın Barisı. en 20227201869 - "Adolph Würtz in Paris... . ar. 2.002, Se non - Alexander William Williamson ın London . . 1875 Philosophisch-historische Klasse. Herr Theodor Aufrecht m Bonn. . . . ........ 1864 - George Baneroft in Washington. . . . . . . 1845 - "Theodor Benjey in Göttingen . ..... .. 2.1860 = ETiheodor: Bergk ın Bonner - Jacob Bermays in Bonn... .. We. u Air lab RSamiuel Birch in Ikondon 2. nn to -ı NO KBoehtangk..in Jena rtv u. AI ENTE en - Hermann Brockhaus in Leipzig . » .» . . . .„ 1868 - Marie-Fehieite Brosset m St. Petersburg . . . 1866 - Heinrich Brugsch in Göttingen . . . .... 187 - Heinrich Brunn in München . . . . .'... .. 1866 = Gouseppe Oanaler ın Genua 2. rel - Antonio Maria Ceriani n Mailand . . . . . 1869 - Charles Purton Cooper in London . . . . . . 1836 - Alexander Cunningham in London . . . . . 1875 - Georg Gurte in Deipzie Me 86H IE Veomold. Delislen ın® Paris NE - Lorenz Diefenbach in Darmstadt . . . . . . 1861 - Wilhelm Dindorf mn Leipzig » . .» 2.222. 1846 Bernhard Dorn in St. Petersburg . . . . . 1864 Juli 11. April 7. April 2. Januar 13. Juli 26. Juli 13. Juli 13. April 29. März 10. Nov. 18. Febr. 11. Febr. 27. April 26. Febr. 27. ann. April 10. Mai 10. Januar 16. Febr. 15. Febr. 13. Juli 26. März 13. Nov. 4. Febr. 18. Juni 17. Nov. 4. April 11. Jan ol. Dechr. 17. Febr. 11. "il Herr Emile Egger in Paris . BR: - Petros Eustratiades in Athen . - Giuseppe Fiorelli in Rom . - Karl Immanuel Gerhardt in Eisleben - Wilhelm v. Giesebrecht in München - Konrad Gislason in Kopenhagen Mu - Graf Giovanni Battista Carlo Giuliari in che ; - Aureliano Fernandez Guerra y Orbe in Madrid - Karl Halm in München . EIER - Emil Heitz in Stralsburg . - Wilhelm Henzen in Rom - Brör Emil Hildebrand in Suiekhahie, - Johann Joseph Hojimann in Leyden . ee: - Paul Hunfaley in Pesth. £ - Willem Jonckbloet im Haag P9 DRNEeT JRRNPRE - Hermann Koechly in Heidelberg . ....: - Ulrich Koehler in Athen e # - Sigismund Wilhelm Koelle in eritingnel - Stephanos Kumanudes in Athen BR. - Konrad Leemans in Leyden . - Karl Lehrs in Königsberg . an - Adrien de Longperier in Paris - Elias Lönnrot in Helsingfors . B, % - Hermann Lotze in Göttingen . 4 e>- - Giacomo Lumbroso in Turin - Johann Nicolas Madvig in hen - Henri Martin in Rennes RN: ' - @Giulio Minervini in Neapel - Carlo Morbio in Mailand Be; - - Max Müller in Oxford i - Ludvig Müller in Kopenhagen . - John Muir in Edinburgh - August Nauck in St. Petersburg - Charles Newton in London I - Julius Oppert in Paris a ae - August Friedrich Pott in Halle . - Karl v. Prantl in München . - Rizo Rangabe in Berlin . - Felix Ravaisson in Paris Datum der Wahl. 1867 1870 1865 1861 1859 1854 1867 1861 1870 1871 1853 1845 1875 1873 1864 1861 1870 1855 1870 1844 1845 1857 1850 1564 1874 1836 1855 1852 1860 1865 1866 1870 1861 1861 1862 1850 1874 1851 1847 April 11. Nov. 3. Jan. 12. Jan.: 31. Juni 30. März 2. April 11. Mai 30. Jan. 13. Juli 20. Juni 16. Febr. 27. Febr. 11. Febr. 13. Febr. 11. Jana. Nov. 3. Mai 10. Nor. 3. Mai 9. Febr. 27 Juli 30. April 25. Febr. 11 Nov. 3. Juni 23. Mai 10. Juni 17. April 26. Jan. 12. Juli 26. Nov. 3. Mai 30. Jan. 31. März 13. April 25. Febr. 12. April 10. Juni 10. XXH Herr Adolphe Regnier in Paris Ernest Renan in Paris Leon Renier ın Paris . Alfred von Reumont in Bonn . Georg Rosen in Detmold Rudolph Roth in Tübingen, Joseph Roulez in Gent Eugene de Roziöre in Paris Hermann Sauppe in Göttingen . Arnold Schäfer m Bonn ie alas: Adolph Friedr. Heinr. Schaumann in Hannover Wilhelm Scherer in Strassburg . Anton Schiefner ın St. Petersburg Georg Friedrich Schömann in Greifswald . 5 Leonhard Spengel m München Friedrich Spiegel in Erlangen . Aloys Sprenger in Bern . Adolf Friedrich Stenzler ın Bienen Ludolf Stephani in St. Petersburg Graf Carlo Baudi di Vesme in Turin Th. Hersart de la Willemargue in Paris Lowis-Vivien de Saint- Martin in Versailles Matthias de Vries in Leyden William Waddington ın Paris Natalis de Wailly in Paris William Dwight Whitney in New- Hisen Jean-Joseph-Marie-Antoine de Witte in Paris. William Wright in Cambridge K. E. Zachariae von Lingenthal ın Goran Datum der Wahl. ———.— 1867 1859 1859 1854 1858 1861 1855 1864 1861 1874 1861 1875 1858 1824 1842 1862 1858 1866 1875 1874 1851 1867 1861 1866 1858 1873 1845 1868 1866 Jan. 17. Juni 30. Juni 30. Juni 15. März 25. Jan. 31 Mai 10. Febr. 11. Jan. 31. Febr. 12 Jan. 31. April 8. März 25. Juni 17. Dechr. 22 März 13. März 25 Febr. 15: Juni 17. Nov. 12. April 10. Apnil 11. Jan. 31 Febr. 15 März 25. Febr. 13 Febr. 27 Nov. 5. Juli 26 +43 DER KÖNIGLICHEN DEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. AUS DEM JAHRE 1876. BERLIN. BUCHDRUCKEREI DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN (6. VOGD UNIVERSITÄTSSTR. 8. 127 IN COMMISSION BEI FERD. DÜMMLER'S VERLAGS-BUCHHANDLUNG. (HARRWITZ UND GOSSMANN.) WM DL a U 14 ER UNTER NE ZN ER‘ \ N > N [2 7 IMAF 5 P Yard AU. ML Ban mInT ERAN u KT LE NR N 8 v L ee De A Er 2 ne ln, t 1 Inhalt Physikalische Klasse. 1. Abtheilung. _ Vındmow: Beiträge zur physischen Anthropologie der Deutschen, mit besonderer Be- rücksichtigung der Friesen. (Mit 5 Tafeln) . . . . 2. Abtheilung. 23 Be: Ueber die Seraue des Jahres 1875 und Anfang 1976 . 2.2... ARE KırcHHorF: Ueber die Reflexion und Brechung des Lichts an der Grenze kry- stallinischer Mittel . . . . c RL: 2 A ‚® Rose & A. SADEBECK: Ueber die Erystallisatioh dep: Train. (Mit 4 Tafeln) x Rl # N 'e e \ fi 7 N ANTILLEN Be UN u A era ih PER IR LITE RIVER IE 75 Den nun: SIR " ara Anly an BIER N lukkatısy > F > j j Br BERG Grm u AT» hbilr Su YamechW HEN Er il 5; wer vu 0 En REN cha! Hin eat allen REIT X FERN j ‘ Dies FARRLAEE EN Re E had in . zn t KEIN sa a a yhrr ml rhlgi] ara Ch 4 Y Beiträge physischen Anthropologie der Deutschen, besonderer Berücksichtigung der Friesen. Von H”" VIRCHOW. [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 24. Februar 1876.] E. darf als ein besonderer Vorzug der modernen Anthropologie betrachtet werden, dafs sie den heimischen Bevölkerungen in immer gröfserer Ausdehnung ihre Aufmerksamkeit zugewendet hat. Viele Jahre hindurch waren die Blicke der Forscher, namentlich auf dem Gebiete der physischen Anthropologie, fast nur auf die fremden, namentlich die wilden Völker gerichtet, und noch jetzt giebt der Zustand der meisten anatomi- schen und ethnologischen Sammlungen in Deutschland Zeugnifs davon, dals man das fremde Material nicht nur höher schätzte, sondern es fast als den eigentlichen Gegenstand des Strebens betrachtete. Man wulste mehr von den Eigenthümlichkeiten und Unterschieden der Stämme Ost- Asiens und Polynesiens, als von den Besonderheiten der einzelnen Stämme des eigenen Vaterlandes. Die günstige Wendung ist zunächst hervorgerufen worden durch die zunehmende Vertiefung der wissenschaftlichen Forschungen, nament- lich durch die Einführung der genetischen und der comparativen Methode in das Studium der beschreibenden Naturwissenschaften. In dem Maafse, als die Entwiekelungsgeschichte in den Vordergrund der Betrachtung trat, mehrten sich die Gegenstände der Vergleichung zwischen scheinbar ganz getrennten Menschenarten. Je sorgfältiger man die Entwickelung des ein- zelnen Menschen von seiner ersten Bildung bis zum Greisenalter verfolgte, Phys. Kl. 1876. 1 2 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologie um so zahlreicher wurden bei den Einzelnen individuelle Verschiedenheiten bemerkbar, welche von dem bis dahin fast allgemein angenommenen mittleren Typus des Stammes abwichen. Bei den europäischen Oultur- völkern wuchsen diese individuellen Verschiedenheiten bald zu einer solchen Höhe, dafs es Vielen unmöglich erschien, überhaupt noch einen mittleren Typus für jedes dieser Völker aufzustellen. Und doch blieb das Bedürfnifs bestehen, solche Typen wiederher- zustellen. Sonderbarerweise ist dieses Bedürfnils selbst durch solche Rück- sichten, welche an sich der Wissenschaft ganz fremd sind, immer wieder neu angeregt worden, wie namentlich durch die Politik. Wer die Karte Europas nach Nationalitäten ordnen will, der setzt entweder voraus, oder er gelangt unwillkürlich zu der Annahme, dafs jede Nationalität ge- wisse Geburtseigenthümlichkeiten besitze, vermöge welcher sie ihre Sonder- berechtigung nachzuweisen vermöge. Die Muttersprache allein genügt dem practischen Bedürfnisse nicht, denn die Geschichte bietet eine grofse Fülle von Beispielen, welche darthun, dafs die Völker ihre Muttersprache än- dern. Der werbende Politiker wird daher gedrängt, für seine Zukunfts- pläne einen noch tieferen, einen noch mehr natürlichen , gewissermalsen körperlichen Hintergrund zu suchen. Es mag genügen, in dieser Bezie- hung an die wechselvollen Strebungen der „celtischen“ Gelüste zu er- Innern. Glücklicherweise ist die Wissenschaft diesen Strebungen nicht unter- thänig geworden. Im Gegentheil, sie hat auch die bestehenden politischen und linguistischen Einheiten mehr und mehr aufgelöst. In England und in Frankreich, in Deutschland und in Italien, ja sogar in Belgien und m Holland hat sich bei der individuellen Analyse ein solcher Gegensatz der anthropolosischen Typen innerhalb der einzelnen Nationalität herausge- stellt, dafs man mehr und mehr in die Nothwendigkeit versetzt worden ist, auch hier auf die genetische Methode zurückzugehen. Wie ent- stehen die in demselben Volke hervortretenden, verschie- denen Typen? Das ist die zu beantwortende Frage. Eine Antwort kann in zwei verschiedenen Richtungen gesucht wer- den. Es ist denkbar, dafs in einem Volke der ursprünglich einfache Typus sich nach und nach durch äufsere Einflüsse, durch Klima, Nahrung, Be- schäftigung, natürliche Zuchtwahl, sei es im Ganzen, sei es nur in ein- der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 3 zelnen Abtheilungen ändert, und dafs im letzteren Falle neben Stämmen, welche den ursprünglichen Typus bewahren, andere mit neuen Typen erscheinen. Es ist aber auch denkbar, dafs alle Aenderungen des Typus sich nur durch Vermischung verschiedener Völker erklären, wie bald die Eroberung, bald die friedliche Einwanderung und der gewöhnliche Ver- kehr der Menschen sie mit sich bringen. In beiden Fällen ergiebt sich für die wissenschaftliche Aufgabe die Forderung, den Urtypus des > Volkes zu suchen, gleichviel ob sich aus ihm durch Derivation neue Typen gestaltet haben oder ob er nur als ein Element der Mischung mit anderen Typen anzusehen sein sollte. 1 Man könnte meinen, eine solche genetische Forschung müsse sich am besten ausführen lassen, wenn man sie recht weit rückwärts in dem ke Entwickelungsgange der Völker begänne. Der unerwartet schnelle Fort- schritt der prähistorischen Untersuchungen und der erstaunlich anwach- Ö sende Stoff, welchen die einstmals bewohnten Höhlen, namentlich aber die Gräber der Vorzeit liefern, schien Vielen die erwünschte Gelegenheit zu bieten, die Feststellung der Urtypen in eine Zeit zurück zu verlegen, von welcher uns keine Traditionen Kunde geben. Welcher Fortschritt wäre es, wenn es gelänge, den Typus des Urgermanen, des Urcelten, des Ur- slaven aus den Höhlen- oder Gräberfunden herzustellen! Aber die Er- fahrung hat nur zu deutlich gelehrt, was man wohl hätte vorhersagen können, dafs man sich in einem Kreise bewegte. Aus einem wirklich prähistorischen Grabe läfst sich kein germanisches oder celtisches oder slavisches Skelet als ein solches erkennen, wenn man nicht schon vorher d. h. aus Skeletten der historischen Zeit die Merkmale des Germanen oder des Celten oder des Slaven ermittelt hat. Es giebt nur ein gewisses Grenzgebiet zwischen prähistorischen und historischen Gräbern, wo wir uns mit archäologischen Merkmalen durchhelfen können. Ich meine jene Fälle, wo allerdings die wirkliche Geschichte schon Streiflichter auf ein bisher verborgen gebliebenes Volk wirft, ohne jedoch seine Verhältnisse vollständig zu erhellen, oder wo sie schon einen Theil des Volkes erreicht, während ein anderer noch so weit abgelegen ist, dafs man kaum von seiner Existenz eine sichere Kunde gewinnt. So ist es möglich geworden, auch für Deutschland eine gewisse Kategorie von Gräberfunden archäologisch und osteologisch zu bestimmen, 1 4 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologie die sogenannten Alemannen- und Frankengräber. Nachdem schon vorher in Frankreich und Belgien gut constatirte Einzelfälle derselben nachgewiesen waren, wurden in Südwestdeutschland durch die Herren Ecker und Lindenschmit!) in den sogenannten Reihengräbern der- artige Vorkommnisse in gröfserer Zahl aufgefunden; bald nachher sind ähnliche am Mittelrhein, andere in Bayern, andere in Mitteldeutschland bis an den Nordrand des Harzes und das alte Stammland der Franken, Maurungania oder Mauringa?), bekannt geworden. Aber vorsichtige Unter- sucher haben es immer vorgezogen, als entscheidende Merkmale für die Annahme fränkischer oder fränkisch-alemannischer Gräber die archäolo- gischen Beigaben und nicht etwa allein die Schädelform oder den Skelet- bau zu betrachten. Nichtsdestoweniger muls zugestanden werden, dafs die Schädelform in diesen Gräbern eine sehr beständige ist, nämlich die dolichocephale und orthognathe. Darf man nun nicht einen Schritt weiter gehen und diese Schädel- form auch für diejenigen Gräber als entscheidend ansehen, wo keine ge- nügenden archäologischen Merkmale gefunden werden? Hr. Lissauer?), der ähnliche Schädel aus Gräbern mit Steinsetzungen in der Provinz Preufsen beschrieben hat, trägt kein Bedenken, sie mit den westdeutschen zu iden- fieiren. Meiner Meinung nach ist trotz aller Wahrscheilichkeit das Ur- theil noch zurückzuhalten. Ich habe ähnliche Formen nicht nur aus einem Gräberfelde von Bohlsen in der Nähe von Uelzen in Hannover #) und aus einem anderen von Platko bei Müncheberg in der Mittelmark ?), sondern auch aus einem solchen bei Wollin in Pommern ®) und einem 1) Alex. Ecker, Crania Germaniae meridionalis oceidentalis. Freiburg i. Br. 1865. 2) H. Leo, Böövulf. Halle 1839. S. 50. L. Ettmüller, Beowulf. Zürich 1540. S. 21. 3) Schriften der naturforschenden Gesellschaft zu Danzig. Neue Folge. 1872. Bad. III. Hft. 1. Die vierte allgemeine Versammlung der deutschen Gesellschaft für An- thropologie, Ethnologie und Urgeschichte zu Wiesbaden. 1874. S. 24. Zeitschrift für Ethnologie 1874. Bd. 6. S. 188. *) Verhandlungen der Berliner anthropologischen Gesellschaft. 1874. S. 32 (Zeit- schrift für Ethnologie Bd. 6). °) Ebendaselbst 1873. S. 159 (Zeitschrift für Ethnol. Bd. 5). 6) Ebendaselbst 1874. S. 210 (Zeitschrift für Ethnol. Bd. 6). der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 5 bei Pakosz in der Provinz Posen !) geschildert; ja, ich habe aus den Aus- grabungen, welche 1871 in dem Garten des Palastes Theodorichs des Grolsen in Ravenna gemacht wurden, einen Schädel aufgehoben, der ganz wohl in dieselbe Kategorie gebracht werden könnte?). Aber keiner dieser Fälle ist archäologisch ganz genau bestimmt; nur in dem Wolliner Grab- felde sind Münzen gefunden, welche auf das 11. Jahrhundert hinweisen, so dals sowohl Zeit als Ort der Annahme eines germanischen Gräberfeldes wenig günstig sind. In der That ist der Rahmen der Dolichocephalie und der Ortho- gnathie ein so weiter, dafs in ihm althellenische und römische, wie bas- kische und selbst ugrische Schädel Platz finden. Hat doch Hr. His?) für die Schweiz gerade diese Form (die von ihm und Rütimeyer als Hohberg-Form bezeichnete) als eine an die alten Römerstrafsen und Römerorte geknüpfte und daher römische genommen, und dem entspre chend es wenigstens sehr nahe gelegt, auch die sehr ähnlichen, von Hrn. Lisch #) in alten Gräbern Meklenburgs mit unzweifelhaft römischen Beigaben gefundenen dolichocephal-orthognathen Schädel für wirklich rö- mische zu halten. Es kommt noch eine andere, sehr grofse Schwierigkeit hinzu. Hr. Ecker selbst hat in Hügelgräbern derselben Gegenden Südwest- deutschlands, in denen die erwähnten Reihengräber lagen, brachycephale Schädel gewonnen, welche aller Wahrscheinlichkeit nach älter sind, als die dolicephalen der Reihengräber. Versucht man sich damit zu helfen, diese Brachycephalen für ungermanisch zu erklären, so steht der Umstand im Wege, dafs scheinbar dieselbe Brachycephalie unter einem grofsen Theile der Bevölkerungen nicht blofs von Südwestdeutschland, sondern auch von ganz Süd-, Mittel- und Norddeutschland heutigen Tages weitverbreitet ist. 1) Verhandlungen der Berliner anthropologischen Gesellschaft. 1872. S. 79 (Zeit- schrift für Ethnologie Bd. 4). °) Ebendaselbst 1872. S. 35 (Zeitschrift für Ethnol. Bd. 4). 3) W. His, Archiv für Anthropologie. 1866. Bd. I. S. 73. Vortrag über die Bevölkerung des rhätischen Gebietes (Separatabdruck aus den Verhandlungen der schwei- zerischen Naturforscher-Versammlung). *) Jahrbücher des Vereins für meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde. 1870. Jahrg. 35. S. 140. 6 VırcHnow: Beiträge zur physischen Anthropologie Hr. Hıs!), der dieselbe (Disentis-) Schädelform in der Schweiz fand, be- trachtet sie gerade als die alemannische. Hr. Hölder?) dagegen, der sie in Würtemberg studirte, nennt sie ligurisch. Wofür sollen wir uns Ange- sichts ihrer Häufigkeit in der Gegenwart erklären? Stammen alle diese Brachycephalen der Gegenwart von einer vorgermanischen Urbevölkerung ab, welche nur zeitweise von germanischen Einwanderern zurückgedrängt war, um sich nachher von Jahrhundert zu Jahrhundert in ihren Abkömm- lingen zahlreicher zu entfalten und in der fortschreitenden Cultur die Führung zu übernehmen? oder hat sich die germanische Dolichocephalie im Laufe der Zeit in eine wachsende Brachycephalie umgestaltet? Ganz ähnliche Fragen ergeben sich in Frankreich in Bezug auf die Celten. In Italien reicht die Mischung der Brachycephalen und Dolicho- cephalen bis zu den Etruskern rückwärts. In England knüpft sie sich an die verschiedene Form der alten Gräber, an die long barrows und round barrows, von denen die ersteren als die älteren, vielleicht iberischen Ur- sprunges, die letzteren, obwohl sie überwiegend kurzköpfige Schädel ent- halten, doch als celtische (belgische) gelten?). Am auffälligsten tritt sie bei den finnischen Stämmen hervor, von denen die Lappen ausgemachte Brachycephalie zeigen, während die Esten sich der Dolichocephalie zu- neigen *). Allerdings lassen sich innerhalb beider Schädelformen manche Unterschiede auffinden: es giebt verschiedene Arten der Dolichocephalie und verschiedene der Brachycephalie. Manche dieser Unterabtheilungen sind bekannt und bezeichnend genug, um darauf diagnostische Urtheile zu gründen. Aber es läfst sich nicht behaupten, dals unsere Kenntnils dieser Unterabtheilungen grofs genug sei, um überall auszureichen, und noch weniger, dafs sie vollständig genug sei, um Urtypen daraus abzu- ) W. His, Archiv für Anthropologie. 1866. Bd. I. S.70. L. Rütimeyer und W. His, Crania helvetica. Basel und Genf 1864. S. 43. 2) H. Hölder, Archiv für Anthrop. 1867. Bd. II. S. 56. ?) John Thurnam, Memoirs of the anthropological society of London. 1865. Vol. I. p. 120, 459. 1870. Vol. II. p. 41. C. Carter Blake, ibid. Vol. III. p. 114. *) Virchow, Verhandlungen der Berliner anthropologischen Gesellschaft. 1872. S. 81 (Zeitschrift für Ethnologie Bd. 4). Archiv für Anthropologie. 1870. Bd. IV. S. 74. Q - . der Deutschen, mit beesonderer Berücksichtigung der Friesen. 7 leiten. Vielmehr ist es die Aufgabe der nächsten Zeit, durch umfassende Localforsehungen für jede einzelne Nationalität die Zahl der überhaupt in ihr vorkommenden Unterabtheilungen festzustellen, deren besondere Merkmale zu ermitteln und die territorialen Gebiete, in welchen sie auf- treten, zu begrenzen. Verbindet man diese territoriale Kenntnifs dann mit dem historischen und prähistorischen Wissen, welches sich an Stamm und Ort knüpft, so läfst sich hoffen, dafs wir in kurzer Zeit zu einer klareren Darlegung der anthropologischen Elemente auch der gemischten Nationa- litäten gelangen werden. Die Vorstellung der klassischen Schriftsteller von der Originalität des germanischen Typus ist in so prägnanten Ausdrücken auf uns gekom- men, dafs wir Alle schon in unsere frühesten Anschauungen die Haupt- züge des Bildes aufgenommen und darnach einen lebendigen, aber zugleich ganz einheitlichen Eindruck gewonnen haben. Es sind hauptsächlich drei Züge, welche sowohl die römischen als die griechischen Schriftsteller immer wiederholen: die Gröfse des Körpers, das blonde oder eigentlich röthliche Haar und das rosige Gesicht. Rutili sunt Germanorum vultus et flava proceritas (Calpurnius Flaceus Deel. 2). Sonderbarerweise wird das blaue Auge ungleich seltener erwähnt, wie mir scheint, zum deut- lichen Zeiehen, dafs auch damals schon in Italien und Griechenland die Blauäugigkeit etwas weniger Ungewöhnliches war. Aber das germanische Haar erschien offenbar Römern und Griechen mindestens ebenso wirklich verschieden von dem eigenen, als uns das Negerhaar. War es doch nicht ein gelbes, sondern ein röthliches Haar: cüx ivras ZavScüs, &av angıßüs ris 89ERcı zareiv, @Ar« ruggeis (Galen. Comment. in Hippoer. libr. de diaeta. Opp- Basil. 1538. V. p. 31). Aber dieser Gegensatz mufste offenbar dem Auge des Südländers mehr auffällig sein, als dem Auge des westlichen oder östlichen Nachbarn. Auch die Slaven waren nach Procop nicht eigentlich ZavSei, sondern UreguSga!), und das gelbblonde Haar der Oelten 1) Die Stelle ist etwas dunkel. Sie heilst: »& d: swWuare zu res zonas oUrE \@) v ” & Q ’ > v > x ’ > Ey Sn ’ Im E.Q , Q , Asvzcı ES cyan Gavlor EITıv, OUTE mn 86 FO MEAUS MUTOS miwTeruis FErDETTR, AA UmEQUTgOr sis @reırss (Procop. IN, 14). Mir scheint daraus hervorzugehen, dafs die Haut der Slaven jenes Candor entbehrte, welcher den Stolz des Germanen ausmachte, und dafs ihr Haar nicht sowohl blond (gelbblond), als röthlich war. Wie man auf braun kommen konnte, ist mir nicht klar. Vgl. Roman St. Kaulfufs, Die Slaven in den ältesten Zeiten bis 8 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologre wird von nicht wenigen der alten Schriftsteller erwähnt!). Was endlich die Gröfse betrifft, so mochten immerhin die Germanen als die am mei- sten durch Körperwuchs hervorragenden Stämme erscheinen, keineswegs erschienen sie als die allein grofsen. Galater sowohl als Slaven werden ausdrücklich suunzeis genannt. Es läfst sich nicht bestreiten, dafs damit ein gutes Stück des dia- gnostischen Werthes der genannten Hauptmerkmale hinweggenommen wird. Denn diese Merkmale behalten nur mehr eine quantitative Bedeutung, in der Art, dafs das Haar der Germanen mehr röthlich, ihre Hautfarbe mehr weils und am Gesicht rosig, ihre Statur kräftiger, wahrschemlich auch das Blau ihrer Augen heller und mehr leuchtend (Xegorcs) war. Immerhin können wir demjenigen, was die Gräberfunde uns über die Osteologie der alemannisch- fränkischen Stämme gelehrt haben, diese Merkmale der unmittelbaren An- schauung, diese historischen Merkmale hinzufügen. Die flava cae- saries und der candor der Siecambern, die Körpergrölßse und das röth- liche Haar der Alemannen wird wiederholt hervorgehoben ?). Nichts scheint entgegenzustehen, dafs wir Dolichocephalie, Orthognathie, grolse Statur, blondes Haar, blaue Augen und helle Haut mit rosiger Färbung des Gesichtes als typische Eigenschaften dieser Stämme festhalten. Und wenn wir sehen, in welcher Ausdehnung noch heutigen Tages der ger- manische Norden, Skandinavien und das angelsächsische Britannien die- selbe physische Erscheinung ihrer Stammesangehörigen zeigen, so liegt sicherlich die Schlufsfolgerung nahe, dafs dies ın der That der allgemeine sermanische Typus war. Aufmerksame Beobachter, namentlich Fremde, welche durch Deutschland reisten, haben schon seit längerer Zeit ihr Erstaunen darüber Samo. Berlin 1842. S. 62. Rechnet man mit den slavischen Schriftstellern auch die Bu- dinen des Herodot zu den Slaven, so würde kein Zweifel bleiben. Denn er sagt von ihnen: &Svos yAavzov re mau Inyyons karı zu mup5ov (Herod. IV. c. 108). 1) Man vergleiche die Zusammenstellungen bei James Cowles Prichard (Researches into the physical history of mankind. Lond. 1841. Vol. III. p. 195. 392) und Roger de Belloguet (Ethnogenie gauloise. Introduction. Paris 1861. p. 73. 84). 2) Kaspar Zeufs, Die Deutschen und die Nachbarstämme. München 1837. 8.51. Prichard ].c. p. 392. der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 9 geäulfsert, dafs dieser Typus in grofsen Abtheilungen unseres Vaterlandes im Verschwinden zu sein scheine. Niebuhr und Bunsen werden als Gewährsmänner dafür angeführt!). Namentlich die grölseren Städte enthalten scheinbar in ihrer Bevölkerung nur noch gewisse Bruchtheile, welche den Charakter der reinen germanischen Rasse darbieten. Aber auch ländliche Bezirke, selbst solche, welche von den Verkehrsstrafsen abseits liegen, lassen in dem Maalse, als die Schädelform brachycephal wird, ein stärkeres Hervortreten, ja ein Ueberwiegen dunkler, brünetter Elemente erkennen ?). Während Haare und Augen braun werden, bleibt das Körperwachsthum häufig zurück, und namentlich bei dem weiblichen Geschlechte treten nicht selten die Zähne und Lippen so stark hervor, dafs der Eindruck eines wirklichen Prognathismus entsteht. Jedes der Hauptmerkmale wird in sein Gegentheil verkehrt. Nichts ist natürlicher, als der Gedanke, dafs dies keine germani- schen Elemente seien, dafs hier fremde, allophyle Abstammungen zur Erscheinung kommen. Im Westen unseres Vaterlandes ist man sofort ge- neigt gewesen, wallonische und damit celtische Einflüsse heranzuziehen; den Osten hat man angeschuldigt, von den Slaven inficirt zu sein. Aber wenn ursprünglich auch die Galater ZavSei und die Slaven vreguSgc: waren, wie kann man dann von ihnen eine brünette Nachkommenschaft ableiten? So ist man schliefslich auf die Finnen gekommen. In ihrer mongolischen Abstammung hat man alle diejenigen Merkmale vereinigt zu finden ge- glaubt, welche man zu erklären hatte: die gelbe Haut, das dunkle Haar, die braunen Augen, die kleine Gestalt, die Kurzköpfigkeit und den Progna- thismus. Leider war die Erklärung den Thatsachen vorbeigelaufen. Ich habe bei einer Reise durch verschiedene Provinzen Finnlands durchweg eine hellfarbige Bevölkerung mit weilser Haut, blondem oder hellbraunem Haar, blauen Augen, hohem und kräftigem Körperbau gefunden®). Nur die Kurzköpfigkeit trifft zu, aber nicht mehr der Prognathismus. Es ist 1) Prichard l.c. p. 192. Roget de Belloguet l.c. p. 194. 2) Ein ähnliches Verhältnils zwischen Schädelform und Hautfarbe wird auch von England angegeben. Vgl. Thurnam |.c. Vol. I. p. 127. %) Verhandlungen der Berliner anthropologischen Gesellschaft 1874. S. 185 (Zeit- schrift für Anthropologie Bd. 6). Phys. Kl. 1876. 2 „. 10 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologre also vielmehr die Thatsache evident geworden, dafs Kurzköpfigkeit an sich noch nicht den brünetten Charakter der Hautgebilde und der Iris mit sich bringt, gleichwie Langköpfiskeit keineswegs zu dem Schlusse auf helle Farbe der Haut, der Haare und der Augen berechtigt. Wissen wir doch, dafs die Mehrzahl der schwarzen Rassen langköpfig ist! Ein brachy- cephaler Gräberfund ist daher so wenig ein Beweis für die Angehörigkeit des Begrabenen zu einer dunkeln Rasse, wie ein dolichocephaler ein ge- nügendes Zeugnils für die Hellfarbigkeit desselben darstellt. Die deutsche anthropologische Gesellschaft hat es daher für noth- wendig erachtet, zur naturwissenschaftlichen Erforschung der ethnologi- schen Verhältnisse unseres Vaterlandes umfassende Territorial-Erhebungen über die physische Beschaffenheit der Bevölkerung in Angriff zu nehmen. Da es unmöglich ist, diese Erhebungen sofort in der ganzen Breite der zu verfolgenden Richtungen zu veranstalten, zumal da das Kriegsministe- rıum es abgelehnt hat, bei der Rekrutirung oder im stehenden Heere solche Erhebungen stattfinden zu lassen, so hat sich die Gesellschaft vor- erst darauf beschränkt, die gelehrten Forscher zu einer Sammlung und Veröffentlichung des wissenschaftlichen Materials aufzufordern und zugleich durch ganz Deutschland Erhebungen in den Schulen anzuregen, letzteres mit der besonderen Absicht, über das Vorkommen und die Verbreitung jener vorzüglichsten historischen Merkmale, der Farbe der Haare, der Haut und der Augen ein genaues statistisches Bild zu gewinnen, welches zugleich die Anhaltspunkte für die weitere Localforschung bieten könnte. Dank dem hülfreichen Entgegenkommen der meisten und namentlich der grölsten deutschen Regierungen und dem Eifer der Lehrer ist diese Vor- arbeit für den gröfsten Theil unseres Vaterlandes fast vollendet. Auf die Ergebnisse kann ich bei der mir gesteckten Aufgabe hier nur in einzelnen Punkten eingehen, indefs sind sie zu wichtig to] erwähnt zu werden. Gegenüber den sehr willkürlichen Annahmen ein- um nicht an erster Stelle zelner, wenn auch sehr hervorragender Gelehrten und den sehr mageren Zahlen mancher Reisenden gewähren sie zum ersten Male ein grofses und, wie ich glaube, sicheres Bild der gesammten jugendlichen Bevölkerung. Um jedoch hier nieht zu weit auszugreifen, so beschränke ich mich darauf, die preufsischen und die bayrischen Erhebungen in einigen Punkten zusammenzustellen, da sie die grölsten Landstrecken umfassen der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 11 und die Vergleichung des Nordens und des Südens unseres Landes voll- kommen gestatten. Die preulsische Erhebung!) betrifft im Ganzen 4,127,766 Schüler und Schülerinnen, die bayrische?) 760,379, beide zusammen umfassen demnach 4,888,045 Personen. Darunter zeigten 1) blonde Haare, blaue Augen, weilse Haut 33,11 pCt., 2) braune Haare, braune Augen, weilse Haut 9,09 3) braune Haare, braune Augen, braune Haut 2,86 4) schwarze Haare, braune Augen, braune Haut 1,12 n n n Es ergiebt sich daraus, dafs die historischen Merkmale des altger- manischen Typus sich allerdings nur noch bei einem Drittheil aller Schul- kinder in Preufsen und Bayern vereinigt finden. Rechnet man die Kate- gorien 2—4, welche die Kinder mit braunen Augen, braunen oder schwarzen Haaren und weifser oder brauner Haut umfassen, zusammen, so erhält man für den brünetten Typus 23,07 pCt., also nahezu ein Vier- theil aller Schulkinder. 43,82 pCt., mehr als 2 aller Schulkinder, gehören dem gemischten Typus an. Vergleicht man aber die Verhältnilszahlen für Preulsen und für Bayern in getrennter Berechnung mit einander, so erhält man folgendes Ergebnils: Preulsen Bayern 1) blonde Haare, blaue Augen, weilse Haut 35,47 20,36 2) braune Haare, braune Augen, weilse Haut 8,40 12,84 3) braune Haare, braune Augen, braune Haut 2,47 HN 4) schwarze Haare, braune Augen, braune Haut 0,76 3,08. Man ersieht auf den ersten Blick, dals die blonde Rasse im Nor- den, die brünette im Süden stärker vertreten ist. Denn die historischen Charaktere finden sich in Preufsen bei mehr als einem Drittheil, in Bayern nur bei einem Fünftheil der Schulkinder, und die drei Kategorien der brünetten Rasse ergeben in Preufsen 11,63, in Bayern dagegen 21,09 pÜt., also im Süden fast die doppelte Zahl. Dabei ist nicht zu übersehen, dafs 1) Correspondenzblatt der deutschen Gesellsch. für Anthropologie. 1876. Nr. 5. 2) Zeitschrift des Kgl. Bayrischen Statistischen Bureau. 1875. Nr. 4. J9# 12 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologie die rein braune Gruppe (Nr. 3) in Bayern mehr als doppelt, die schwarze (Nr. 4) sogar mehr als vier Mal so stark vertreten ist, als in Preulsen. Nur im Vorübergehen will ich erwähnen, dafs in Bayern selbst sich ein ähnlicher Gegensatz der nördlichen und südlichen Kreise heraus- stellt, wobei ganz besonders das Donaugebiet als die Verbreitungsstrafe der Braunen hervortritt. Das Gesagte wird aber schon hinreichen, um darzuthun, wie sehr berechtigt die Frage nach der territorialen Vertheilung der verschiedenen Kategorien ist. Immer noch ist der Norden, aus wel- chem dereinst die blonden Eroberer, die Cimbern, die Sueven, dıe Franken und die Sachsen hervorbrachen, am reichsten an hellfarbiger Bevölkerung, und es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, dafs die braunen Elemente, wenn sie anders einwanderten, vom Süden und nicht vom Norden gekom- men sind, oder dafs, wenn sie vor der hellfarbigen Einwanderung schon im Lande safsen, sie nicht nach Norden, etwa nach Finnland und Lapp- land, sondern nach Süden und Westen zurückgedrängt worden sind. Denn auch der Westen zeigt einen ähnlichen Gegensatz wie der Süden, jedoch mit zwei verschiedenen Culminationsgebieten der Braunen. Stellt man neben einander die sämmtlichen Regierungsbezirke Westfalens und der Rheinprovinz nebst der bayrischen Rheinpfalz, so erhält man folgendes Bild: | | =) en e) B) ) = = = © =. | (re EN g 3 = s = = & = > >= = 2 3 Re = = = ® oO © be) & a a < Aa < 1) (@) A a 1) Blonde Haare, blaue Augen, weilse Haut . |40,19 | 37,86 | 37,73 | 32,30 | 25,92 | 31,94 | 30,75 | 23,95 | 20,08 2) Braune Haare, braune Augen, weilse Haut . 6,65 | 6,75| 7,67 | 10,05 | 12,35 | 10,53 | 10,86 | 12,73 | 12,36 3) Braune Haare, braune Augen, braune Haut . 1,24 | 1,30| 1,40 | 2,07 | 2,79| %3,00| 2,38 | 3,76] 4,86 4) Schwarze Haare, braune Augen, braune Haut . 0,49 | 0,68) 0,57| 0,74| 1,28| 1,24| 1,34 | 1,67 | 3,73 5) Summe von Nr. 2—4. Brünette Rasse. . . 8,38 | 8,73 | 9,64 | 12,86 | 16,42 | 13,77 | 14,58 | 18,16 | 20,95 der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 13 Dieses Bild ist gewils von überzeugender Deutlichkeit. Während im Regierungsbezirk Minden, dem alten Lande der Cherusker und später der Sachsen, der ganz hellfarbige Antheil der Bevölkerung den rein brü- netten Antheil um das Fünffache überragt, stehen sich beide in der Rhein- pfalz mit fast gleichen Zahlen gegenüber. Geht man in ostwestlicher Richtung von der Weser bis an die belgische Grenze, so sinkt von Regie- rungsbezirk zu Regierungsbezirk das Verhältnils der hellfarbigen Schul- kinder und in noch stärkerem Verhältnifs steigt das der braunen und noch mehr das der schwarzen. Verfolst man in nordsüdlieher Richtung die rheinischen Regierungsbezirke von Düsseldorf bis zur Pfalz, so hat man eine analoge Aenderung im Charakter der Bevölkerung, nur noch in hö- heren Verhältnifszahlen. So bemerkenswerth diese Ergebnisse sind, so werden wir doch wahrscheinlich darauf verzichten müssen, ihre Analyse in eine so nahe Verbindung mit den historischen Ueberlieferungen zu bringen, dafs für jeden Landestheil das allmählige Werden der jetzigen Zustände ersichtlich gemacht werden könnte. In den acht Jahrhunderten von Augustus bis auf Karl den Grofsen haben die Völkerschaften Deutschlands so vielfach ihre Sitze gewechselt, dafs von vielen jede Spur verloren ist. Für den Beginn weitergehender Forschungen werden wir daher mit Vorsicht wählen müssen, wo wir den Hebel der naturwissenschaftlichen Untersuchung am sichersten auf den beglaubigten Untergrund historischer Ueberlieferung aufsetzen können. Solcher Gegenden giebt es in Deutschland unendlich wenige, vielleicht nur eine einzige, und das ist Friesland. Schon seit Jahren hatte dieses Land meine Aufmerksamkeit gefes- selt. Indem ich im Geiste die verschiedenen Möglichkeiten erwog, wie man wohl am sichersten dem Urtypus der Germanen sich nähern könne, stellte sich mir dieser entlegenste Winkel des deutschen oder, sage ich lieber, um keine nachbarliche Eifersucht zu erwecken, des germanischen Bodens als das günstigste Ziel der Forschung dar. Wenige Jahre später als der Name der Siecambern, dieses Kernvolkes des späteren Franken- bundes, erscheint auch schon der Name der Friesen. Aber die Sicambern sind, nachdem sie eine Siegeslaufbahn durchmessen haben, wie wenige unter den siegreichen Stämmen Germaniens, inmitten der durch sie erober- ten und unterjochten Völker verschwunden, und die Friesen sitzen nach 14 Vırcmow: Beiträge zur physischen Anthropologie zwei, wenn auch nieht unrühmlichen, so doch glanzlosen und arbeits- vollen Jahrtausenden noch immer an derselben Stelle, wo sie Drusus auf seinen nördlichen Kriegszügen im Jahre 12 v. Chr. zuerst antraf. Wäh- rend rings um sie herum die ganze germanische Welt wie in einem steten Wogen und Kreisen sich bewegte, waren sie gleichsam der feste Punkt, den nichts verrücken konnte. In stetem Kampfe gegen das Meer im Nor- den und gegen die Eroberer im Süden sind sie glücklich genug gewesen, Freiheit und Boden, Sprache und Recht, nur wenig geschädigt, in die neue Weltordnung herüberzubringen. Von den Sicambern sind uns nur die Gräber geblieben; die Friesen haben wir selber, und an ihnen können wir noch heute alle Künste der biologischen Wissenschaften erproben. Ich lasse die Frage unberührt, wie und von woher die Friesen an die Stelle gekommen sind, an der sie Tacitus und Dio Cassıus!) zu- erst erwähnen. Diese Frage hat viel Verführerisches, und die friesischen Ohronisten, deren es eine grolse Zahl giebt, haben nicht verfehlt, sie aus- führlich zu erörtern. Sonderbar genug sind sie dabei schon zu einer Zeit, wo von Indogermanen noch Niemand etwas wulste und wo fast alle an- deren Chronisten zufrieden waren, ıhr Volk bis auf die Trojaner oder die Juden zurückzuführen, auf Indien gekommen, und es ist nicht zu ver- wundern, wenn die erregte Phantasie in dem neuesten Werke friesischer Ohronistik, dem vielbesprochenen Oera Linda Buch ?), einen vollständigen ethnographischen Roman zu Tage gefördert hat. Vielleicht wird einst der Tag kommen, wo auch die Wanderzüge der Friesen aus einer älteren Heimath her ein Gegenstand naturwissenschaftlicher oder linguistischer Forschung werden können. Bis jetzt ist jedoch die Sonne dieses Tages nicht aufgegangen, und es wird genügen müssen, wenn wir mit dem rö- mischen Annalisten das Volk schon im Beginne unserer Zeitrechnung als ein fest angesiedeltes betrachten. Ohne Zweifel besalsen sie schon damals, als Drusus sie zuerst er- reichte, das Land zwischen dem Flie und der Laubach, das später so- genannte gemeine Vrieslant, welches früh in einen Öster- und einen 1) Tacitus, Annal. 4, 72. Dio Cassius, Hist. rom. 54, 32. 2) Historische Skizzen auf Grundlage von Thet Oera Linda Bok. Aus dem Holländischen von H. Otto. Norden 1875. der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 15 Westergau getheilt ist. Es entspricht im Grofsen der heutigen nieder- ländischen Provinz Friesland!). Ptolemaeus läfst die Friesen bis zur Ems wohnen, von wo bis zur Weser die „kleinen“ und von der Weser bis zur Elbe die „gröfseren“ Ohauken gefolgt seien. Zeufs?) hat gegen diese Aufstellung Zweifel erhoben, weil nach anderen Nachrichten es wahr- scheinlicher sei, dafs die Chauci majores westlich, die Chauci minores östlich von der Elbe wohnten. Meiner Meinung nach wäre zunächst die andere Frage zu entscheiden, ob überhaupt Friesen schon in jener frühen Zeit bis zur Ems wohnten. Es erscheint nämlich noch mehr als ein hal- bes Jahrtausend später, in dem Beowulf-Liede, der Namen der Hugas, eine weichere angelsächsische Form für Chauken ?), und gewils mit Recht bezieht Freiherr v. Richthofen*) auf dieses Wort den Namen des frie- sischen Gaus Hugmerki oder Humarcha. Mit Unrecht zeichnet Herr Menke) diesen Hugengau westlich von der Laubach, da doch in der Vita Liudgeri ©) ausdrücklich gesagt wird, dals Kaiser Karl 785 den h. Liudger als doctorem in gente Fresonum ab orientali parte fluminis Labeki super pagos quinque gesetzt habe; unter diesen fünf Gauen wird aber zuerst Hug- merchi genannt. Ebenso wird vom h. Willehad durch Anskar (F 865) er- zählt ?), er sei von Dockynchirica (Dockum) im friesischen Hostraga (Oster- gau) weiter über die Loveke gegangen und zu dem Ort Humarcha gekommen. t) In Deutschland besteht seit langer Zeit die Gewohnheit, diese Provinz West- friesland zu nennen. Unter diesem Namen führt sie z. B. Christ. Cellarius (Geogra- phia nova. Cizae 1687. p. 103) auf. Indels entspricht dieser Gebrauch weder dem älte- ren, noch dem neueren Sprachgebrauch der Bewohner. Der Westergau (Westrachia, Westergo) liegt allerdings am Ostufer der Zuiderzee und des Flie- Stroms, Westfriesland dagegen am Westufer, zwischen Zuiderzee und Nordsee. 2) Zeufs a.a. 0. S.139. °) Ludwig Ettmüller, Beowulf. Heldengedicht des achten Jahrhunderts. Zü- rich 1340. S. 41. Man vergleiche übrigens die Bedeutung des heutigen englischen Wortes huge — ungeheuer grols mit der Schilderung des Vellejus Paterculus von der Caucho- rum juventus, immensa corporibus (Hist. rom. II. 106). *) Monumenta Germaniae historica. Legum T. III. Hannov. 1863. Lex Frisio- num edid. Karol. de Richthofen. p. 640. °5) K. v. Spruners Hand-Atlas für die Geschichte des Mittelalters und der neueren Zeit. 3. Aufl. Bearbeitet von Dr. Menke. Gotha 1873. Nr. 31 und 33. 6) Monum. Germ. SS. II. p. 410. Vita S. Liudgeri auctore Altfrido. I. cap. 19. ?) Monum. Germ. SS. II. p. 380. Vita S. Willehadi auct. Anskario cap. 3. 16 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologie Noch in dem Groninger Vertrage!) vom 8. Septbr. 1361 stehen die Gauen in folgender Reihenfolge: Westergo, Ostergo, praepositura Hummercensis, Hunsingo, Fivelgo ete. Darnach wird es nicht zweifelhaft sein dürfen, dafs Hugen zwischen der Laubach und der Ems wohnten, und es scheint mir nichts entgegenzustehen, diese Hugen für die Chauci minores des Ptolemaeus zu nehmen. Schon Leo?) hat gezeigt, dafs der in dem Beowulf-Liede wiederholt erwähnte Kriegszug des Geaten-Königs Hygelaec gegen die Friesen ein historisches Ereignils war und dafs der Name dieses Königs in der härteren fränkischen Form Chochilaich sich um die Zeit von 512—520 bei Gregor von Tours?) findet. In diesen Kämpfen er- scheint unter den Friesen der Hugen-Kämpe Tagrabe (Däshrefn) und der Stamm der Hugen vermischt sich so sehr mit dem der Friesen, dafs man wohl ohne Bedenken annehmen darf, die kleinen Chauken seien schon damals in die Friesen mit aufgegangen, ja beide seien von Anfang an nahe verwandt gewesen. Die ursprüngliche Trennung aber wird wohl am besten dadurch bewiesen, dafs die Lex Frisionum für die ehemals so- genannte Frisia orientalis zwischen Laubach und Weser andere Bestim- mungen enthält, als für das „eigentliche“ Friesland westlich von der Lau- bach. Die alte Frisia orientalis umfafste aber nicht blofs das heutige Ostfriesland, sondern auch westlich davon die jetzige niederländische Pro- vinz Groningen, östlich den Gau Rustringen um den ‘Jadebusen und die Wesermündung und in noch späterer Zeit auch auf dem rechten Weser-Ufer das Land Wursten und wahrscheinlich auch Osterstade, also Theile von Ol- denburg, Hannover und Bremen. Alles dieses war ursprünglich Chauken- Gebiet. Aber nichts hindert, wenigstens grolse Theile des Öhaukenstammes in nächste Beziehung zu den Friesen zu setzen. Oft genug ist es aner- kannt worden, dafs die berühmte Schilderung, welche Plinius*) von 1!) Tileman Dothias Wiarda, Ostfriesische Geschichte. Aurich 1791. Bd. I, S. 320. (Ich bemerke, dals die gleichfalls von Wiarda S. 236 im heutigen Wester- quartier der Provinz Groningen genannten Humsterländer mit den Hummerzern iden- tisch sind.) ?2) H. Leo, Bäöwulf, dasz älteste deutsche, in angelsächsischer mundart erhal- tene, heldengedicht. Halle 1839. S. 4. 3) Gregorius Tur., Hist. lib. III. cap. 2. *) C. Plinius Secundus, Hist. natur. XV. 1. der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 17 dem Leben und den Wohnungen der Chauken, scheinbar nach eigener Anschauung, entworfen hat, ebenso gut auf Friesen zutreffen würde, Der Frisia orientalis steht die Frisia occidentalis gegenüber. Noch heutigen Tages haftet der Name Westfriesland an der Nordwestspitze von Holland, welche sich zwischen Nordsee und (Südsee) Zuiderzee, von der Zipe bis zum Helder erstreckt. Seine Einwohner tragen schon früh den Namen Westlinge. Nicht unwahrscheinlich ist es, dafs auf sie der Name der Frisii minores zutrifft, den Tacitus (Germ. cap. 10) gebraucht. Denn er sast be- stimmt, dafs der Name gewählt sei ex modo virium, und wenngleich seit je- ner Zeit wahrscheinlich dieses Land durch Verluste an die See stark gelitten hat, so muls es doch immer kleiner gewesen sein, als das gemeine oder das mittlere Friesland auch ohne Ostfriesland. Tacitus sagt zwar von den Friesen: ambiunt immensos lacus. Aber diese Angabe ist nicht so zu ver- stehen, als ob die Friesen zu seiner oder überhaupt in historischer Zeit jemals die Zuiderzee oder auch nur, da diese zu seiner Zeit noch nicht exi- stirte, den ingens lacus Flevo (Pomponius Mela) ganz umwohnt hätten. Schon Caesar, der die Friesen noch gar nicht nennt, erwähnt südlich von dem See die insula Batavorum, die jetzige Betuwe, zwischen Waal und Rhein, und noch in der fränkischen Zeit, als auch dieses Land dem grolsen Frankenreiche eingefügt war, und als salische Franken die Veluwe am Südumfange des Flevo-Sees erfüllten, reichte Westfriesland nur bis in die Gegend von Utrecht und Dorestad (Durstede). Die Schlacht, in welcher der friesische Herzog Ratbod von Pippin von Herestal besiegt und in Folge welcher Westfriesland (Frisia citerior s. eistlevana) unter- worfen wurde, fand 689 bei Durestad statt, quod in confinio Frisionum et Francorum situm est ad Rhenum, inde Trajeectum defluentem !). Plinius giebt für diese Gegend eine ganze Reihe von Völkernamen, welche in hohem Maalse verwirrend sind. In einer viel eitirten Stelle sagt er: In Rheno ipso nobilissima Batavorum insula, Cannenufatum, et aliae Frisiorum, Chaucorum, Frisiabonum, Sturiorum, Marsaciorum, quae sternuntur inter Helium ac Flevum. Ita appellantur ostia, in quae eflu- sus Rhenus, ab septentrione in lacus, ab oceidente in amnem Mosam se !) Contin. Fredegarii Chron. cap. 102. Beda, Hist. ecelesiast. Anglorum. V. cap. 10. $ 380. de Richthofen l.c. p. 642. Phys. Kl. 1876. 3 18 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologie spargit: medio inter haec ore modieum nommi suo eustodiens alveum!). Die geographische Angabe ist so bestimmt wie möglich; sie schliefst scheinbar jede Möglichkeit aus, die genannten Stämme oder auch nur ein- zelne derselben auf die Ostseite des Flevus zu versetzen, wie friesisische Schriftsteller thun 2). Die Abgrenzung durch die Rheinarme, namentlich die Erwähnung der Maasmünde (Helius) bei Hellevoet und des Flie-Stro- mes zwingen gewissermalsen zu der Annahme, dafs alle diese Völker- schaften westwärts von dem Nordrhein (Yssel) und Flie-Strom wohnten. Indefs gewährt die Erwähnung der insulae Chaucorum der Deutung Zu- lafs, dafs auch einzelne östlich vom Flie wohnende Stämme genannt seien. Chauken als westflingische Bewohner kommen sonst nirgends vor. Auch darf die Bezeichnung insulae nicht milsverstanden werden; gleichwie die Römer von der Insel der Bataver und Oaninefaten sprechen, so nennen die fränkischen Ohronisten bei Gelegenheit des Kriegszuges Karl’s Martell den Wester- und Ostergau (Austrachia et Wistrachia) Inseln, ja der Bio- graph des h. Liudger spricht von einer Insel Bandt. Alle diese Inseln waren Landestheile, welche durch grofse Wasserarme, die vielfach mit dem Meere eommunieirten, umschlossen und von einander getrennt waren ?). Hr. Watterich hat im Einzelnen eine etwas abweichende Deutung, aber in der Hauptsache stimmt er mit der eben entwickelten Auffassung überein. Er identifieirt den Helius mit dem Sinkfal*) und schiebt dadurch das friesische Gebiet schon in römischer Zeit weit nach Süden vor. An- dererseits hält er es nicht für auffallend, wenn Plinius hier, im höchsten Norden, ungenau werde. Wie Hr. Fockema, versetzt er die Sturii in die Gegend von Stäveren (an der Ostküste der Zuiderzee) und die Friesen 1) Plinius, Historiae naturalis. Lib. IV. cap. 15. 2) Daam Fockema, Schetzen van de Friesche geschiedenis. Leeuwarden 1840. I. Bl. 130. Er versetzt die Frisiabonen in die sogenannten Zevenwouden der Provinz Friesland an den Flufs Born (Boorn oder Boon gesprochen), wo noch ein Dorf Oldeboorn liege, dessen Bewohner Boonsters hiefsen. Die Sturier bringt er nach Stavoren und nur die Marsacier läfst er westlich von der Yssel wohnen, wo noch ein Dorf Marsen liege. 3) Ueber den Gebrauch des Wortes insula in alten Urkunden aus dem Weser- gebiete vergleiche man A. v. Wersebe, Ueber die niederländischen Colonien im nörd- lichen Teutschlande. Hann. 1815. I. S.89 Anm. #) Watterich, Die Germanen des Rheins im Kampfe mit Rom und der Bundes- gedanke. Leipzig 1872. S. 26. R: der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 19 - und Frisiavonen „zu beiden Seiten des Flie*, also zum Theil nördlich von den Vollenhovener Seen; nur die Marsacii, sagt er, „haben in der Stadt Marssen am Vecht, unterhalb Utrecht, ihre unverkennbare Spur zurückgelassen.“ Wenngleich ich gegen die letztere Möglichkeit nichts einzuwenden habe, so scheint mir das Hervorkehren einzelner Ortsnamen für die Erklärung so weit zurückgelegener Verhältnisse doch einigermalsen bedenklich, und zwar um so mehr, als das hier in Frage kommende Land sich seit der Römerzeit in seiner Configuration in hohem Grade verändert hat. Nicht nur sind durch Sturmfluthen grofse Landstriche verloren ge- gangen, sondern es sind auch sehr beträchtliche Stücke überflutheten Lan- des durch den Fleils des Menschen wieder gewonnen worden. Ich werde darauf noch zurückkommen, will jedoch schon hier bemerken, dafs ein grolser Theil des „ertrunkenen Landes“ in der Zuiderzee zur Grafschaft Staveren oder Stavoren (im Mittelalter Stauria) gehörte!) und dafs sicher manche der alten „Inseln“ in den Sturmfluthen des 12—14.Jahrh. vom Was- ser verschlungen sind. So lückenhaft unsere Kenntnifs dieser Veränderungen ist, so scheint doch so viel mindestens höchst wahrscheinlich, dafs die Südküste des alten Seebeckens, welches vor der Bildung der Zuiderzee vorhanden war, sich am wenigsten verändert hat, und dafs insbesondere der Gau Fletheti und die Veluwe (zwischen Yssel und Utrechtscher Vecht) schon zu römischer Zeit aller Berechnung nach so ziemlich dieselbe Küsten- bildung besafsen. Wohnten hier etwa Friesen? Hr. Watterich hat gerade diese Frage sehr sorgfältig erörtert und nachzuweisen versucht, dafs die Veluwe bis zur Einwanderung der salischen Franken (Sicambern) im Wesentlichen unbewohnt war?). Gewils mit Recht weist er die Meinung zurück, dafs der Versuch der Friesen, von dem Tacitus berichtet, unter Nero’s Regie- rung im Jahre 58 n. Chr. das von den Römern leer gehaltene Grenz- gebiet zu besetzen, sich auf die Veluwe bezog: derselbe war auf das Land am rechten Yssel-Ufer gerichtet. Aber auch in Bezug auf dieses Land, welches Theile des Hamalandes, des Ysselgaus und des Sallandes um- 1) Montanus de Haan Hettema, Het meer Flevum en het eiland Flevo, of Blikken in de oudere geschiedenis van Friesland. Met betrekking tot haren vroegeren en tegenwoordigen waterstaat. Leeuwarden 1854. Bl. 14, 18. Fockema l.c. III. Bl. 611. 2) Watterich a. a. ©. S. 104, 199, 203. 20 Vırcmow: Beiträge zur physischen Anthropologie falste, ersieht man aus dem Berichte des Tacıtus, dafs darin keine Friesen wohnten und dafs der Versuch einer Ansiedelung daselbst fehl schlug: die Friesen wurden trotz der Reise ihrer Führer Verrit und Malorich nach Rom, gleich den Amsivariern, deren Wünsche auf dasselbe Gebiet gerich- tet waren, zurückgewiesen, und als später die Römer das Land nicht mehr halten konnten, rückten dieselben Stämme wieder über den Limes ein, welche Tiberius daraus verdrängt hatte. Es waren dies Ohamaver (in Hamaland), Tubanten (in Twenthe) und Usipier. Nimmt man dieses Alles zusammen, so wird man zugestehen müssen, dals ein Zusammenhang der Westfriesen mit den eigentlichen Friesen nur im Norden über das später „ertrunkene Land“, aber keineswegs südlich um die Seen herum stattgehabt haben kann. Westfriesland hat die Linie Durstede-Utrecht nach Osten hin nie überschritten, meist nicht einmal erreicht. Die Erzählung des Tacitus!), dals, während des Aufstandes des Civilis, Olaudius Labeo die Caninefaten und Marsaker ?) überfallen habe, belehrt uns, welche Stämme damals das römische Gebiet von Westfries- land schieden. Auch aus der Aufzählung der Völker bei Plinius darf man wohl schliefsen, dals zu seiner Zeit noch kein eigentlich friesisch-ingävo- nischer Stamm südlich von der Maas sich angesiedelt hatte. Um die süd- liche und östliche Seite des grolsen Seebeckens wohnten nur hermionische Stämme. Hier haben wir die besten Zeugnisse für die dauerhafte An- wesenheit der Bataver und der Caninefaten ?), anerkannt chattischer Stämme; an sie schliefsen sich Chattuarier (die noch im Beowulf-Liede und im Travellers song als Hetwären erscheinen), Chamaver (im späteren Hamaland), Tubanten u. A. Damit wird zugleich dargethan, dafs in der Zeit nach Drusus und namentlich nach dem Kaiser Claudius unter denje- nigen Friesen, welche in Contact mit den Römern und später mit den Franken kamen, in erster Linie stets Westfriesen zu verstehen sind. Sie !) Corn. Taciti, Histor. Lib. IV. cap. 56. ?) Sonderbar genug ist es, dals sich in der Nähe der Nordfriesen in Holstein (Holtsati) die Thiedmarsi und Sturmarii finden, wie neben den Westfriesen in Holtland die Marsacii und Sturii. Man könnte versucht sein, in diesen Namen einen Hinweis auf alte landsmannschaftliche Beziehungen zu sehen. ?) So verführerisch der Name des pagus Kinhem oder des Kennemerlandes in Nordholland anklingt, so mufs ich doch Hrn. Lubach (Natuurlijke historie van Neder- land. Amsterdam 1868. Bl. 500) zustimmen, dafs der blofse Anklang nicht entscheidet. Per} 270 ae er 7 e TR fr i der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 21 sind es unzweifelhaft, von denen berichtet wird, dafs nach dem Kriegs- zuge des Kaisers Constantius gegen die Franken auf der batavischen Insel, neben Chamavern und Sicambern auch Friesen auf römisches Gebiet verpflanzt seien!). Im Uebrigen bleibt während der ganzen Zeit der Römer und im Beginn der Frankenherrschaft die Maas die Südgrenze des Friesenvolkes. Dagegen finden wir dasselbe in der späteren fränkischen Zeit auf den Nordseeinseln auch südlich von der Maasmünde, in dem späteren Seeland. Nicht nur die Lex Frisionum, sondern zahlreiche andere Zeugnisse setzen seine südliche Grenze gegen Flandern an den Sinkfal?), eine später durch Eindeichung und Schleusen bis auf einen geringen Wasserlauf, die Swene oder 't Zwin, zurückgebrachte Meeresbucht nördlich von Brügge). Wie sich diese Besiedelung vollzogen hat, und von wem vorher diese Inseln be- wohnt gewesen sind, läfst sich nicht genau beurtheilen. Jedenfalls beweisen die auf Walcheren in grolser Zahl gefundenen Ueberreste aus römischer Zeit, namentlich die Nehalennia-Altäre *), dafs die Inseln bewohnt waren, und zwar von germanischen Stämmen. Aber erst vom 7. oder 8. bis zum 11. Jahrhundert haben wir ganz Seeland zu Westfriesland und seine Bewohner, die Zeeuwen, zu den Friesen zu rechnen. Es hat Zeiten gegeben, wo der Name Friesland noch weiter süd- lich reichte. Ostende soll im 11. Jahrhundert eine friesische Stadt genannt sein?) und Hr. de Haan Hettema®) rechnet nicht nur Ost- flandern, sondern auch das Land zwischen Rijssel, Arras und St. Omer bis nach Calais zu Friesland. Indefs sind das eben solche Uebertreibun- gen, wie wenn derselbe Autor das Land zwischen Hamburg und Bremen zu Friesland zählt. Trotz seiner ursprünglich chaukischen Bevölkerung 1) Watterich a. a. O. S. 175. ?2) Unter den friesischen Inseln an der schleswigschen Küste hiels eine in der Nähe von Nordstrand gelegene Südfall. Sie verschwand in der Sturmfluth vom ®. Februar 1825 (A. Baudissin, Blicke in die Zukunft der friesischen Inseln und der schleswig- schen Festlandsküste. Schleswig 1867. S. 41). Man vergleiche Val van Urk. 3) de Richthofen |. ce. p. 634. *#) C. Leemans, Verslagen en mededeelingen der Koninkl. Akademie van We- tenschappen. Afd. Letterkunde. II. Reeks II. Deel. Amsterd. 1372. Bl. 63. °) Wiardaa.a.O.1I. S.127 (nach Jac. Meyer Annal. Flandr. ad. ann. 1011). 6) Hettema a.a. O. Bl. VII. 22 VırcHow: Beiträge zur physischen Anthropologie war dieses Land nie ein Theil von Friesland. Auch auf Seeland!), dessen Name erst im 13. Jahrhundert auftritt?), verliert sich schon seit dem 11. Jahrhundert der Name der Friesen wieder. Seit die Grafen von Holland ihre Macht ausbreiteten und schliefslich ganz Westfriesland unterwarfen, kam der Name „Erb-Friesland“ (Frisia hereditaria), im Gegensatze gegen das freie Friesland (Frisia libera) in Gebrauch®), als Bezeichnung für das letzte nördlichste Stück Landes, welches von dem alten westflingischen Fries- land übrig geblieben war. Aber auch diese Bezeichnung verschwand den ferner stehenden in dem, politisch gewils mehr berechtigten Namen Nordholland. Von dem freien Friesland würde die Welt verhältnifsmälsis wenig erfahren haben, wenn die Angriffe der Nachbarn nicht von Zeit zu Zeit die allgemeine Aufmerksamkeit erregt hätten. Wie die Grafen von Hol- land wiederholt versuchten, ihr Herrschaftsgebiet gen Osten über den Fliestrom hinaus auszubreiten, so gewannen an der Weser-Mündung die Grafen von Ammerland oder Oldenburg Theile von Rüstringen #), und was die Bischöfe von Utrecht mit im Ganzen geringem Erfolge im Westergau anstrebten, das errangen unter den blutigsten Kämpfen die Bremer Erzbischöfe in Österstade und im Stedinger Land. Trotzdem erhielt sich die Nationalität der Bevölkerung, und es blieb ein fester Kern bestehen in dem freien Friesland. Wie die schweizerischen Eidgenossen im Süden, so hielten die Seelande im Norden unter einer republikanischen Verfassung die Gemeinfreiheit aufrecht und gaben sich ihre Gesetze auf den Landtagen am Upstalsbaum bei Aurich und an anderen Orten. Trotz zahlreicher innerer Streitigkeiten bot ihr politisches Leben nach aufsen das Bild eines in sich ruhenden, starken und zugleich friedlichen Gemein- wesens°). Von ihnen konnte gesast werden, was Tacitus von den Chauken rühmt: populus inter Germanos nobilissimus, quique magnitudinem suam 1) Dieses westliche Seeland ist nicht zu verwechseln mit den „sieben friesischen Seelanden“, einer bis zum Jahre 1422 nachweisbaren Eintheilung des ganzen Friesland vom Bache Kinhem bis zur Weser. (Man vergleiche Wiarda I. S. 123—132.) ?2) de Richthofen |. ce. p. 635. SE WXardarar ax 0.10 8107. SE Wiiardaate 5322: °) Karl Türk, Altfriesland und Dänemark. (Forschungen auf dem Gebiete der Geschichte. Heft 5.) Parchim 1835. 8. 6. der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 23 malit justitia tueri. Sine cupiditate, sine impotentia, quieti secretique, nulla provocant bella, nullis raptibus et latrocinüis populantur. Promta tamen omnibus arma, ac si res poscat, exereitus. Man darf jedoch nicht übersehen, dafs die scheinbare Friedfertig- keit und Zurückhaltung der Friesen nur ihre Verhältnisse zu Lande be- trifft. Ihre Chronisten wissen von kühnen und weiten Seezügen viel zu erzählen, und dafs diese nicht erfunden sind, zeigt z. B. die Schilderung!) eines am Ende des 5. Jahrhunderts von ihnen ausgeführten Raub- und Eroberungseinfalls in der Domnonde, einem Landstriche an der Küste der Bretagne, sowie die fränkische Bezeichnung: gens dirissima maritima Frisionum?). Wahrscheinlich sind unter der Gesammtbezeichnung von Sachsen, der vielfach auf Seeräuber jener Zeit angewendet wird, gelegent- lich auch Friesen zu verstehen. So dürfte sich auch die Besetzung der eimbrischen Westküste und der schleswigschen Uthlande durch jene Abtheilung der Friesen erklären, welche seit Dankwerth den Namen der Nordfriesen trägt. Einstmals unterschied man hier Klein - Fries- land, Eiderstädtisch Friesland und Nordstrand oder Strand - Fries- land®?). Saxo*) nennt dieses Gebiet Frisia minor, und er sagt ausdrücklich: Hos a Frisionum gente conditos, nominis et linguae socie- tas testimonio est. Quibus novas quaerentibus sedes, ea forte tellus ob- venit, quam palustrem primum ac humidam longo duravere eultu. Durch diese sehr bestimmte Aussage wird sowohl Zeufs?) widerlegt, der die Nordfriesen für den nördlichen Rest der überelbischen Sachsen in der alten Heimath ansieht, als auch Weigelt®), welcher annimmt, dafs einst- mals Friesland von der Schelde bis zur Lister Tiefe sich als ein zusam- menhängendes Vorland erstreckt habe, von dessen Dasein an den meisten Örten nur noch ein Kranz kleiner Inseln mit weit hinausreichenden Sand- bänken Zeugnils gebe. Unzweifelhaft hat einmal ein solches Vorland !) Pierre I&Baud, Histoire de Bretagne. Paris 1638. ch. IX. p. 63 citirt von Lagneau, Revue d’anthropol. 1875. T. IV. p. 640. ?2) Cont. Fredegari Chron. cap. 109. 3) Westphalen, Monum. inedita I. 71. (Bei Wiarda I. 48. Anm. c.) #) Saxonis Grammatici, Danorum hist. Basil. 1534. p. 129. D. 5) Zeufs: a..a. O. 8.399. 6) Weigelt, Die nordfriesischen Inseln vormals und jetzt. Hamburg 1858. S. 83. 24 VırcHow: Beiträge zur physischen Anthropologie existirt, und noch in historischer Zeit hat die wüthende See grofse Strecken bewohnten, friesischen Landes verschlungen und zerrissen, aber keine Thatsache lälst sich dafür beibringen, dals jemals, sei es in historischer, sei es in vorhistorischer Zeit, das Friesenvolk diesen ganzen Landstrich ım Zusammenhange bewohnt habe. Ich lege keinen Werth darauf, dafs ım 8. Jahrhundert Fosetesland, das nachmalige Helgoland, welches damals noch als eine sehr grofse Insel geschildert wird, in confinio Fresonum et Danorum verzeichnet ist), denn schon damals waren wahrscheinlich die Nordfriesen den Dänen zinsbar. Aber es scheint mir unerweislich, wenn man anders nicht dem Zeugnisse der besten Schriftsteller widerstreiten will, dafs die Friesen von ihrem eigentlichen Heimathlande zwischen Maas und Ems, vielleicht sogar von einem noch kleineren Bezirke aus, sich allmählich, und zwar erst nach dem Beginn unserer Zeitrechnung, sowohl nach Süd- westen, als nach Osten und endlich auch nach Norden ausgebreitet haben, und dafs wir den Kern des Volkes, denjenigen, der bis auf Karl den Grofsen seine Unabhängigkeit unberührt bewahrte und der selbst bis auf die neueste Zeit als ein Muster zähester Anhänglichkeit an alte Freiheit und alte Sıtte sich erhielt, da zu suchen haben, wo noch jetzt der Name Friesland im engeren Sinne des Wortes angewendet wird. Es ist ein schmales und von Natur armes Küstenland, und es mag wohl sein, dafs es gerade von seiner Schmalheit den Namen trägt. Einer seiner besten Be- schreiber, Arends?), leitet denselben von Fries oder Frese —= Rand ab. Darf man irgendwo voraussetzen, dafs Klima, Boden und Lebens- art einen bestimmenden Einflufls auf menschliche Gestaltung ausüben, so mülte dies gewils für die Friesen zutreffen. Wir wissen freilich wenig Sicheres über ihre südlichen Grenzen. Manche, sonst sehr zuverlässige Schriftsteller sind geneigt, dieselbe ziemlich weit südwärts bis an den Niederrhein vorzurücken. Es mag dies für kürzere Zeiträume zutreffen. Aber als Regel werden wir annehmen müssen, dafs früh entwickelte Ge- wohnheit und Neigung sie auf das eigentliche Marschgebiet, also auf eimen schmalen Küstenstrich, und auf die vorliegenden Inseln anwies. !) Monum. Germ. SS. II. p. 410. Vita Altfridi. — Aleuini Vita S. Willibrordi e. 10. ®) Fridrich Arends, Erdbeschreibung des Fürstenthums Ostfriesland und des Harlingerlandes. Emden 1824. $. 1. % der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 25 Nur um die Zuiderzee erreichte ihr Gebiet eine etwas mehr südliche Ausdehnung, entsprechend der gerade hier sehr ausgedehnten Bildung von Marschen, Mooren und Seen. Sonst ist das Geestland ihre natür- liche Südgrenze, wie es scheint, weil die ganz veränderte Natur des Bodens und die dadurch bestimmte andere Lebensweise ihrer Weise widersprach. An der Ems bildete von jeher der pagus Leri, das jetzige Amt Leer in Ostfriesland, ihre südliche Grenze, und wenn man selbst Frisoithe im späteren Niederbisthum Münster noch als friesisches Gebiet anerkennt, wie manche wollen, so dürfte es sich damit verhalten, wie mit der in einem Diplome des 14. Jahrhunderts erwähnten Comitia Wischfrisonum in der Grafschaft Diepholz, von der schon Wersebe!) vermuthete, dafs sie einer späteren friesischen Colonie zuzuschreiben sei. In älterer Zeit grenzten die Friesen südlich an Tubanten, Chamaver, Marser, Brukterer, Amsivarier, Angrivarier, später an Sachsen. Es ist ferner ganz besonders zu betonen, dals zu keiner Zeit in das eigentliche Friesland irgend eine stärkere Einwanderung oder Colo- nisation stattfand. Der Contakt mit den Römern war ein ganz vorüber- gehender. Die Einfälle der Dänen und Normannen brachten nur kurz dauernde und wahrscheinlich wenig ausgedehnte Beherrschung, obgleich sie sich während einer Reihe von Jahrhunderten wiederholten ?). Die Unterwerfung durch die Franken geschah spät und ohne eine wesentliche Mischung. Die angelsächsischen Apostel, welche das Christenthum pre- disten, waren zum Theil selbst von friesischer Abkunft und sie führten keine grölsere Folge von Fremden mit sich; höchstens könnte man annehmen, dafs die Gründung zahlreicher Klöster), welche für die Einpolderung des Landes und für die Umwandlung ausgedehnter Was- sergebiete in bewohnbares und fruchtbares Land die höchste Bedeu- tung hatte, eine gewisse Menge von Einwanderern nach sich zog. Die Colonisation des 12. Jahrhunderts, welche namentlich Holländer in bre- misches Gebiet leitete*), betraf genau genommen gar nicht friesisches, 1) August v. Wersebe, Ueber die niederländischen Colonien, welche im nörd- lichen Teutschlande im zwölften Jahrhundert gestiftet wurden. Hannover 1816. II. S. 1028. 2) Fockema a.a. O. I. Bl. 142. II. Bl. 148. 3) Fockema a.a.0. III. Bl.8. Hettema a.a.O. Bl. 44. 4) v. Wersebe a.a. 0. I. S. 32. 174. Phys. Kl. 1876. . 4 26 Vırcmow: Beiträge zur physischen Anthropologie sondern sächsisches Land, namentlich den Gau Wigmodia. Ueberdiefs waren diese Holländer im alten Sinne wahrscheinlich selbst Friesen aus Westfriesland. Darauf deutet die Erzählung Helmold’s!) von der Be- siedelung Wagriens (um 1142). Er berichtet von Graf Adolf von Hol- stein: Quia terra deserta erat, misit nuncios in omnes regiones, Flan- driam et Hollandiam,, Trajeectum, Westphaliam, Frissam, ut quicungue agrorum penuria arctarentur, venirent. Hier stehen in erster Linie Fla- mänder und Holländer, also Westfriesen, und erst nachher werden die eigentlichen Friesen genannt, deren Zahl freilich, wie Wersebe?) gezeigt hat, sehr klein war und die nur einen Ort, Süsel in der Nähe von Eutin, dem Hauptorte der holländischen Niederlassung, anbauten. Auch in die Mark Brandenburg rief Albrecht der Bär solche Colonisten. Hel- mold?) sagt von ihm: misit Trajectum et ad loca Rheno contigua, in- super ad eos, qui habitant juxta Oceanum et patiebantur vim maris, vi- delicet Hollandos, Selandos, Flandros, et adduxit ex eis populum magnum nimis, et habitare eos fecit in urbibus et oppidis Slavorum. Aehnliches geschah in Thüringen und Sachsen, und es erklärt sich so, dafs friesische Descendenz und friesische Sprachformen sich in unser norddeutsches Volk weit und breit eingesenkt haben*). Wir werden uns daher auch nicht wundern können, wenn wir ethnische Merkmale der Friesen in weiter Entfernung von ihrem Mutterlande antreffen, aber wir können nicht um- gekehrt aus diesen versprengten Volkstheilen auf alte Stammsitze zurück- schliefsen. Innerhalb seiner eigentlichen Sitze stellte sich das Friesenvolk dem fremden Beobachter als ein durchaus einiges dar. Gens Fresonum inter- iacentibus aquis in multos agrorum dividitur pagos, ita ut diversis appel- lati nominibus unius tamen gentis proprietatem protendant®). Auch die Reste der alten Sprache, welche uns erhalten sind, zeigen eine gewisse 1) Helmoldi Chronica Slavorum. Lubee. 1659. I. cap. 57. 2) v. Wersebe I. S. 308. ®») Helmold ].e. I. cap. 88. 4) In wieweit Friesen an der Eroberung Englands Theil genommen haben und ob aufser Nordfriesen dabei auch Angehörige des gemeinen Frieslands betheiligt waren, will ich hier nicht untersuchen. Man vergleiche darüber Wiarda a.a. O. I. S. 43. 5) Vita S. Bonifacii cap. 34. Monum. Germ. II. p. 349. der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 27 Verschiedenheit, indem das Östfriesische mehr dem Angelsächsischen, das Mittelfriesische dem Sächsisch - Westfälischen und das Westfriesische dem Brabantischen sich anschliefst!), allein diese Verschiedenheiten sind mehr dialektische, und sie dürfen uns nicht hindern, die so häufig bezeugte und im Bewultsein des Volkes selbst mit so grolser Beständigkeit fest- gehaltene Zusammengehörigkeit der sämmtlichen Gaugenossenschaften an- zuerkennen. Leider sind uns über die physischen Eigenschaften des Volkes, soviel ich sehe, keine historischen Zeugnisse zugekommen. Da die Friesen aber, wenngleich nicht ausdrücklich genannt, zu dem von Tacitus und Plinius aufgeführten ingävonischen Stamme gehören und nächste Stam- mesgenossen der Chauken, Teutonen und Cimbern und vielleicht der Ambronen?) sind, so wird man wohl nicht fehlgreifen, wenn man auch ihre äufsere Erscheinung sich ähnlich vorstellt, wie nach dem Zeugnisse Plutarch’s diese Völker sich darstellten. Er erzählt von den Cimbern, welche in Italien einfielen, sie hätten den Germanen der Nordküste ge- glichen reis neyeSeri ruv sunarwv za rn Kagomoryri rav öuuarwv (Mar. 11). Von der Haarfarbe ist hier nicht die Rede, indefs werden wir sie wohl im entsprechenden Sinne hinzudenken dürfen. Das Ergebnils der jetzigen Erhebungen über die Farbe der Haare, der Augen und der Haut hat in den zu Preufsen gehörigen friesischen Gebieten ein sehr scharfes Resultat geliefert. Wenn man in einer geraden Linie von Norden nach Süden die Aemter und Kreise von Ostfriesland und dem Münsterlande längs der Ems bis zur Lippe im Süden zusammen- stellt, so erhält man folgendes Bild: !) de Richthofen |. c. p. 639. ®) Das oldenburgische Ammerland am linken Weser-Ufer trägt einen Namen von hohem Alterthum. Schon seit Karl’s des Grolsen Zeit erscheint der pagus Ammeri, Ambria, Amria in Urkunden. Nach Visbeck (Die Nieder-Weser und Österstade. Hann. 1798. S. 48) begriff es die ganze Geest, Ape, Rastedt, Zwischen Ahn, Oldenburg, War- deburg und Hatten, — ein nördlich durch die Jade, nach allen anderen Seiten durch ge- waltige Moore abgeschlossenes Gebiet. Die Nachricht des Festus, welche Zeufs (a. a. O. S. 149) eitirt, lautet: Ambrones fuerunt gens quaedam gallica, qui subita inundatione maris cum amisissent sedes suas, rapinis et praedationibus se suosque alere coeperunt. Vielleicht wäre hier auch die Insel Amrum zu erwähnen. der 28 VırcHow: Beiträge zur physischen Anthropologie Augen Ha ja,rlıe blau braun blond braun roth AUPICHN. re ni eye oe ee 52,40 13,53 81,44 17,23 0,42 Enden a) BIER INE 48,83 15,50 82,11 17,08 0,38 lieer)2 0 Auf ur 49,75 16,29 ueril 19,56 0,40 Meppen m... nem. 51,43 17,96 71,56 25,68 0,57 Dingene: 1ER 46,74 17,46 74,41 28,9 0,73 Mecklenburger 47,71 16,13 79,00 20,49 0,22 Münster (Landkreis). . . 52,64 19,85 81,11 16,26 0,67 Lüdinghausen ...... 42,86 20,81 68,94 27,86 0,68 Hammy.. Seas 47,79 22,04 79,10 19,50 0,44 oder nach Combinationen: | | | Tecklenburg, Münster (Landkreis) Lüding- hausen Meppen Lingen Hamm Aurich Emden Leer 1) blonde Haare, blaue Augen, weilse Haut . | 46,37 | 42,99 | 42,42 | 39,80 | 37,49 | 40,83 |-45,39 | 33,39 | 41,75 2) braune Haare, braune | Augen, weilse Haut . 4,36| 5,72 | 5,93| 7,01 | 6,33| 6,21| 4,78| 6,49| 6,14 3) braune Haare, braune Augen, braune Haut . 0,99 | 0,58 | 0,76| 0,91 | 1,30) 0,73. | 0,73 | 2,07.| 1,87 4) schwarze Haare, braune Augen, braune Haut . 0,25 | 0,22 | 0,16| 0,61| 0,29) 0,18! 0,69| 1,07 | 0,41 5) Summe von 2—4 .. 9,60 | 6,52 | 6,85 | 8,53) 7,92| 7,12| 6,20| 9,58 | 8,42 Brünette Rasse. Vergleicht man diese, nahezu auf demselben Meridian liegenden Kreise unter einander, so zeigt sich alsbald, dafs die mehr helle und die mehr dunkle Bevölkerung, jede zweimal, einen Culminationspunkt er- reicht. Für die helle sind dies Ostfriesland und Münster (Landkreis), für die dunkle Meppen und Lüdinghausen. Ganz besondere regelmäfsig der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 29 ist die Curve für die unter Nr. 5 aufgeführte Summe der brünetten Schüler, bei der auch die Nachbarglieder jedesmal eine entsprechende steigende oder sinkende Stellung einnehmen. Dies gilt aber nur für die Aufstellung nach Combinationen. Löst man die Elemente der Combinationen auseinander und berechnet man die Verhältnilzzahlen für die blauen und braunen Augen, die blonden, braunen und rothen Haare für sich, so zeigt sich eine auffällige Abwei- chung in Bezug auf den Landkreis Münster, der eine weit grölsere Zahl von Braunäugigen enthält, als man nach der Combinationszahl hätte er- warten sollen. Denn während dieser Kreis in der Combinationstabelle unter Nr. 5 in der zweitniedrigsten Stelle der Braunen steht, erhebt er sich in der Elementartabelle in Bezug auf die braunen Augen bis zur dritthöchsten Stelle. Trotzdem liefert er in Bezug auf die braunen Haare die allerniedrigste Zahl, — ein Zeichen, dafs hier trotz aller Prävalenz der rein hellfarbigen Bevölkerung doch starke Mischungsverhältnisse be- stehen. Den geraden Gegensatz dazu bildet Meppen mit seinen starken Contingenten von Blauäugigen und Braunhaarigen. Für die ostfriesischen Bezirke gilt durchweg, dafs in ihnen die hellfarbige Bevölkerung am stärksten vertreten ist, nicht nur in den Elementen, sondern auch in den Combinationen. Dabei ergiebt sich noch wieder die Gradation, dafs unter den eigentlichen Küstenbewohnern (Amt Aurich) die gröfste Zahl der Hellfarbigen vorkommt, während an der Ems aufwärts diese Zahl stufenweise sinkt. Gerade umgekehrt verhält es sich mit den braunen Augen. Bei den Haaren sind die Zahlen nicht ebenso übereinstimmend, und was namentlich die Brandrothen (mußgei) be- trifft, so steigt sogar deren Zahl jenseits der ostfriesischen Grenze nach Süden zu, auch in solchen Bezirken, in denen sich grofse Zahlen für die braunen Haare berechnen. Indels ist die Frequenz der brandrothen Haare an sich so gering, dafs die Differenzen der einzelnen kleineren Territorien fast verschwinden. Ich will daher nur erwähnen, dafs in ganz Preulsen 0,28 pCt. Brandrother gezählt sind. Danach würden allerdings Westfalen mit 0,56 und einzelne westfälische Kreise, wie Lingen mit 0,73, Lüding- hausen und Münster mit 0,68 und 0,67 eine merkliche Häufigkeit dieser Verhältnisse erkennen lassen, während dies in Ostfriesland nicht oder nur unbedeutend der Fall ist. 30 Vırcuow: Beiträge zur physischen Anthropologie Von Wichtigkeit dürfte es sein, die ostfriesischen Zahlen mit den Gesammtzahlen für Preulsen und Bayern zusammenzustellen, wenigstens . . ” . in Bezug auf die Haupteombinationen: = = = © 2 E “= = 5 37 = = [o) A [ae 1) Blonde Haare, blaue Augen, weilse Haut . 44,04 35,47 20,36 2) Braune Haare, braune Augen, weilse Haut . 9,29 8,40 12,84 3) Braune Haare, braune Augen, braune Haut . 0,79 2,47 5, 4) Schwarze Haare, braune Augen, braune Haut . 0,22 0,76 3,08 5) Summe von 2—4 .. 6,30 11,63 21,09 (Brünette Rasse.) Diese Zahlen lehren, dafs der früher hervorgehobene Gegensatz in der Vertheilung der hellen und dunklen Bevölkerung zwischen dem Norden und Süden sich nur noch mehr verschärft, wenn wir das äufserste Glied der nördlichen Bevölkerung für sich in die Vergleichung eintreten lassen. Die namentlich in Frankreich genährte Meinung, als sei der eigentliche Kern der germanischen Descendenz in Süddeutschland zu suchen, wird schon durch diese Aufstellung widerlest. Nicht minder auffallend ist es jedoch, dafs noch innerhalb des Ems-Gebietes sich so grolse Gegensätze ergeben, wie sie die Verglei- chung der ostfriesischen Bezirke mit den südlich daran stofsenden Kreisen Meppen, Lingen, Tecklenburg und Münster herausstellt. Während der Landkreis Münster in vielen Beziehungen eine Annäherung an die ost- friesischen Aemter erkennen läfst, bildet namentlich das Amt Meppen einen schroffen Gegensatz in Bezug sowohl auf die Haarfarbe, als auf die brünette Combination überhaupt. Lingen und Tecklenburg schliefsen sich ihm an. Da sich südlich von Münster ähnliche Differenzen finden, so könnte man leicht auf die Vermuthung kommen, als träten hier An- 24 der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. al zeichen einer ostwestlichen Schichtung verschiedener Stämme hervor, welche den geschichtlichen Wanderungslinien von der Elbe und Weser zum Rhein entsprächen. Indefs ist unter den wandernden deutschen Stämmen kein brünetter Stamm bekannt, am wenigsten im Norden, und so wird man sich gerade an dieser Stelle der weiteren Erforschung der Frage nicht entziehen können, ob an gewissen Stellen des Emsgebietes Reste älterer, vorgermanischer Bevölkerungen sitzen geblieben sind, oder ob die besonderen Lebensverhältnisse der Leute ihren Typus geändert haben. In letzterer Beziehung will ich, auch unter Hinweisung auf Hol- land, darauf aufmerksam machen, dafs das Amt Meppen das eigentliche Moorgebiet Hannovers umfalst, und insofern auf Eimwanderer wohl nicht eine grolse Anziehung ausübte. Nach der gewöhnlichen Annahme safsen hier, an der Mittel-Ems, im Beginn unserer Zeitrechnung die Amsivarier (Ampsivarier), ein politisch sehr zweifelhafter und namentlich zur Zeit Armin’s höchst verdächtiger Stamm, von dessen Vertreibung durch die Chauken und endlich völliger Vernichtung Tacitus erzählt. Indels ist diese Nachricht wenig glaubwürdig, da der Name der Amsivarier im 4. Jahrhundert, wo Kaiser Julian gegen sie einen Zug unternehmen mulste, als der eines fränkischen Stammes wieder erscheint !). Einer der besten Kenner der Östfriesen, Hr. Allmers?) äufsert sich über deren physische Eigenthümlichkeiten folgendermalsen: „Der erfahrene und aufmerksame Beobachter unterscheidet meistens sofort den Marschbewohner, namentlich den aus echtem Friesenblut entsprossenen, von seinem Geestnachbar. Eine derbe, breitschultrige, fleischige, oft stark ins Korpulente gehende Gestalt, mehr grofßs als klein, Hände und Fülse stark und breit, das Haar schlicht oder nur schwach gekräuselt und blond, der Bart röthlich und nicht sehr dicht, das Auge hellblau oder grau und das geröthete Gesicht von rundlichem Schnitte, — das ist der echte Frie- sentypus. Der niedersächsische Geestmann ist dagegen durchgehends magerer, schmächtiger und aufgeschossener, von kurzem Oberbau und lan- gen schmalen Beinen, wenn auch mitunter knochig, und sein Gesicht 1) Zeufls a.a.0. S. 341. Eduard v. Wietersheim, Geschichte der Völker- wanderung. Leipzig 1864. Bd. IV. S. 169. ?) Hermann Allmers, Marschenbuch. Land- und Volksbilder aus den Mar- schen der Weser und Elbe. Bremen und Leipzig 1361. S. 122. u 32 Vırcmow: Beiträge zur physischen Anthropologie häufig von schärferen und eckigeren Umrissen.“ Man sieht leicht, dafs die Schilderung der Friesen vollständiger ıst, als die der Niedersachsen. Wahrscheinlich hätte Hr. Allmers, wenn er weiter gegangen wäre, manche Züge der Friesen bei den Niedersachsen wiederholen müssen; was er als Gegensätze aufstellt, würde vielleicht zu sehr abgeschwächt sein, wenn er die vielen Aehnlichkeiten zwischen Friesen und Sachsen geschildert hätte. Aber, was sich aus seinem Bilde der marschbewoh- nenden Friesen festhalten läfst, das ıst unzweifelhaft der Typus jener uralten, ingävonischen Bevölkerung, von welcher leider die Alten keine genügende Körperbeschreibung hinterlassen haben (8. 27). In Bezug auf die nordfriesischen Bezirke hat die Schulerhebung eine nicht minder bemerkbare Häufigkeit der hellfarbigen Bevölkerung ergeben. Gegen Norden verwischt sich das Bild, indem im Kreise Ha- dersleben eine verwandte jütische Bevölkerung hervortritt; gegen Süden dagegen bietet schon der Kreis Eiderstedt, der von Alters her den Strand- friesen zugerechnet wird, einen schroffen Gegensatz. Ich stelle die nord- friesischen Inseln, die sogenannten Uthlande (Föhr, Sylt, Pellworm, Nord- strand, Amrum, Romoe), sowie die Kreise Tondern und Husum, welche die eigentlich friesischen Festlands- Bezirke nebst den Uthlanden !), um- fassen, mit den genannten Nachbarkreisen und der ganzen Provinz Schles- wig-Holstein zusammen: ee | | | ae er = re 0 N Bee 5) | ae El et | = 2 2 ei © = E = 2 15% > oe) A ae] [3] 102) | | | | 1) Blonde Haare, blaue Augen, weilse Haut ...... 52,81 | 52,22 | 50,83 | 46,64 | 39,43 | 43,35 | | 2) Braune Haare, braune Augen, weilse Haut ...... | 3,29 | 4,64| 4,02 | 4,27 | 5,25 | 5,45 \ | | | | I} 3) Braune Haare, braune Augen, braune Haut... ... 0,93 | 1,03| 0,69 | 0,63| 0,77| 721 4) Schwarze Haare, braune Augen, braune Haut... ... | 0,55| 0,15, 0,30, 0,26 | 0,26 | 0,24 5) Summe von 2—4 (Brünette Rasse)... ....... 4,77 | 5,82| 5,01 5,16 | 6,28 | 6,90 !) Die Uthlande kommen demnach in der Tabelle zweimal vor: einmal für sich, andermal als Zubehör der Kreise Tondern und Husum. der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 33 Wenn man diese Tabelle mit der oben (S. 30) für Ostfriesland im Verhältnils zu Preufsen und Bayern mitgetheilten zusammenhält, so sieht man sofort, dals die ganze Provinz Schleswig-Holstein, trotz der grölseren Zahl in ihr enthaltener Städte, ein ganz ähnliches Bild in Bezug auf die Vertheilung der Bevölkerung gewährt, wie Ostfriesland. Nimmt man die frühere Tabelle (S. 28) hinzu, welche die ostfriesischen Aemter einzeln darstellt, so stehen die Zahlen von Aurich denen von Tondern ziemlich gleich, allein während jene das höchste Procent-Verhältnifs hellfarbiger und das geringste brünetter Bevölkerung in Ostfriesland angeben, so werden die Zahlen von Tondern durch die von Husum und noch mehr durch die von Hadersleben und von den Uthlanden übertroffen. Noch deutlicher zeigt sich die Hellfarbigkeit der nordfriesischen Inselbevölke- rung, wenn man die Einzelergebnisse in Bezug auf Haar- und Augenfarbe zusammenstellt. Man erhält die folgenden Zahlen: Augen: blaue. . . 60,66 pCt. Draumer N. LITE. Haare: blonde . . 82,40 pCt. brauner nun Bi brandrothe . 0,55 „ Diese Verhältnisse werden durch keinen der ostfriesischen oder westfälischen Bezirke (S. 28) erreicht; nur in Bezug auf brandrothe Haare besteht eine leichte Prävalenz in einigen westfälischen Bezirken. Ueber die Bevölkerung in den Niederlanden berichtet Hr. Lubach!), dafs die blonde, rothe und lichtbraune Haarfarbe unter der Landbevölkerung von Nordholland, Friesland, Groningen, Drenthe und Overijssel durchweg die vorherrschende sei; auch in Gelderland, Utrecht und Seeland seien Schwarzhaarige nicht häufig, mehr in Nord-Brabant und Limburg. Das- selbe gelte von den Augen: die blaue und graue Farbe sei die meist verbreitete, zumal in den nördlichen Provinzen; südwärts nehme die An- zahl der Dunkeläugigen zu, und diejenigen, welche schwarzes Haar besitzen, 1) Lubach I. c. Bl. 420. Phys. Kl. 1876. 5 34 Vırcuow: Beiträge zur physischen Anthropologie hätten auch durchgehends braune Augen. Seiner Ansicht nach wäre die letztere Bevölkerung niederdeutsch, die erstere friesisch oder wenigstens stark mit friesischen Elementen gemischt. Darnach stellt er zwei Haupt- typen auf: 1) den friesischen Typus mit folgenden Merkmalen: langovale, am Scheitel mehr oder weniger flache, verhältnifsmäfsig nicht sehr breite Schä- del. Das Hinterhaupt nicht selten stark vortretend. Gesicht länglich oval mit wenig vorspringenden Jochbeinen. Sehr grolse, gerade oder auf dem Rücken mit einem Vorsprunge versehene, zuweilen auch krumme Nase, deren Spitze viel weiter nach unten tritt, als der Unterrand der Nasen- flügel. Ein sehr hoher, aber meist nicht stark nach vorn heraustreten- der, zuweilen selbst sehr zurückweichender, ziemlich breiter Unterkiefer. Das Kinn in der Regel sehr stark ausgesprochen, der Mund selten klein. Der Hals sehr lang, der Abstand zwischen den Schultern selten grols, der Körper im Ganzen lang und schlank. Hautfarbe vorwiegend hell, Haare und Augen von allen Farben, so jedoch, dafs eigentlich schwarze Haare und braune Augen viel seltener, als bei dem zweiten Typus, vor- kommen; 2) den niederdeutschen Typus: rundovale, am Scheitel gewölbte, öfters sehr breite Schädel. Hinterhaupt gar nicht oder wenig vorsprin- gend. Wegen der Höhe des Mittelkopfes erscheint der Vorderkopf oft höher, als er wirklich ist. Gesicht rundoval, breiter als in der vorigen Form, mit stärker vorspringenden Jochbeinen. Eine kleine, zuweilen gerade und schmale, öfter jedoch stumpfe und etwas dieke Nase ohne vorspringenden Rücken und mit einer, die Nasenflügel nicht überragenden Spitze. Manchmal, jedoch selten ist die Nase aufgestülpt. Die Kinn bald stark, bald wenig vortretend und im letzten Falle oft spitz. Der Mund von sehr wechselnder Gröfse. Der Hals kürzer, die Schultern breiter, der Körper kleiner, jedoch in der Regel breiter und mehr gedrungen als bei dem ersten Typus. Hautfarbe selten sehr hell, Haar und Augen von allen Farben; eigentlich schwarze Haare und braune Augen häufiger. Es mag dahin gestellt bleiben, ob dieser Typus in der That ein niederdeutscher ist. Jedenfalls ist es von Wichtigkeit zu merken, dafs auch von Hrn. Lubach, wenngleich mehr auf Grund allgemeiner Ein- drücke, die Zunahme des brünetten Typus in den südöstlichen Theilen der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 35 der Niederlande, in Nord-Brabant und Limburg, angegeben wird. Es schliefst sich diese Gegend einerseits an den preufsischen Regierungs- bezirk Aachen, dessen dunkelfarbige Bevölkerung aus den früher (S. 12) mitgetheilten Schulerhebungen folgt, andererseits an die belgischen Pro- vinzen Limburg und Lüttich, in denen Hr. Vanderkindere!) eine gröfsere Zahl von Brünetten nachgewiesen hat. Dieser Schriftsteller glaubt auch in Belgien die zwei germanischen Typen des Hrn. Lubach auf- finden zu können. Ich selbst kann wenigstens zu Gunsten des zweiten Typus anführen, dafs ich an den von mir untersuchten flamändischen Schädeln des anatomischen Museums zu Brüssel überwiegend brachyce- phale Formen fand ?). Die mitgetheilten Beobachtungen lassen eine verschiedene Deutung zu, aber sie lehren, dafs das Gebiet der hellfarbigen friesischen Bevölkerung überall an ihren Südgrenzen durch Bezirke mit mehr brünetter Bevölkerung begrenzt wird, sowohl in den Niederlanden, als ın Westfalen und in Holstein. Dafs hinter dieser brünetten Grenze später wieder andere hellfarbige Bevölkerungen auftauchen, hat uns hier nicht zu beschäftigen. Soweit unsere jetzige Kenntnifs reicht, können wir das als feststehend ansehen, dals der eigent- liche Kern der friesischen Stämme noch jetzt die historischen Haupt- merkmale des germanischen Aussehens bewahrt hat, während früher frän- kische und sächsische Gebiete den Braunen verfallen sind. Es hat daher um so gröfsere Bedeutung zu untersuchen, wie sich innerhalb des friesischen Gebietes die Schädelform im Verhältnils zu der aus den Frankenzeiten bekannt gewordenen darstellt. Ich habe mich seit Jahren bemüht, in dieser Richtung Material zu sammeln, und zwar, da es sich vor Allem darum handelt, frühere Perioden in Betrachtung zu ziehen, Schädel aus älteren Gräberstätten zu erlangen. Für Nordfries- land kann ich gar keinen Anhaltspunkt bieten, dagegen war ich glück- 1) Leon Vanderkindere, Recherches sur l’ethnologie de la Belgique. Bru- xelles 1872 p. 58. Belgique politique et sociale in Eug. van Bemmel, Patria Belgica. Eneycelopedie nationale ou expose methodique de tontes les connaissances relatives ä la Belgique ancienne et moderne. Premiere Partie. Brux. 1873. II. p. 10. 2) Virchow, Alt- und neubelgische Schädel. Archiv für Anthropologie 1873. Bd. VI. S. 112. = 36 Vırcuow: Beiträge zur physischen Anthropologie licher für das eigentliche oder gemeine Friesland, einschliefslich Ost- und Westfriesland. Kürzere Berichte über meine Erfahrungen habe ich schon früher mitgetheilt!). Ihr Hauptergebnifs lief auf den Nachweis einer eigenthümlichen Schädelform hinaus, von welcher ich Repräsentanten aus den verschiedensten friesischen Bezirken gesammelt habe. Der am meisten hervortretende Charakterzug dieser Schädel ist ihre Niedrigkeit: ich nannte sie defshalb chamaecephal?). Nachdem ich seitdem neue und sehr überraschende Beispiele davon erlangt habe, auch von anderen Beobachtern ähnliche Ergebnisse erzielt sind, nehme ich um so lieber die Gelegenheit wahr, darauf zurückzukom- men, als ich in der Lage bin, eine kleine Reihe, aus dem Museum Vrolik zu Amsterdam entlehnter Schädel von Inseln der Zuiderzee vorlegen zu können, die nur für kurze Zeit zu meiner Verfügung stehen. Bevor ich jedoch näher darauf eingehe, möchte ich einige allgemeine Bemerkungen über die Messungen voranschicken. Als ich meine ersten Schädelmessungen veröffentlichte), gab ich zwei verschiedene Höhenmaalse: A) den Durchmesser von der Mitte des hinteren Umfanges des Foramen magnum zur vorderen Fontanelle, 5) den Durchmesser vom vorderen Umfange des Foramen masgsnum zum höchsten Punkte des Scheitels. Das erstere Maafs hat den Vortheil, dafs es wenigstens annähernd auch beim lebenden Menschen und beim nicht skeletirten Körper ange- wendet werden kann: es entspricht der aufrechten und etwas nach hinten übergebogenen Stellung des Kopfes. Das andere Maafs, welches schon !) Die fünfte allgemeine Versammlung der deutschen Gesellschaft für Anthro- pologie, Ethnologie und Urgeschiehte zu Dresden (1874). Braunschweig 1875. S. 19. — Die sechste allgemeine Versammlung zu München. 1875. S. 49. ?) Zeitschrift für Ethnologie 1874. Bd. 6. Verhandl. der Berliner anthropolo- gischen Gesellschaft S. 247. 3) Würzburger Verhandlungen 1851. Bd. II. S. 250. Gesammelte Abhandlungen. Frankfurt 1856. S. 916. . ne 4 ‚der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 37 Anders Retzius!) gebraucht hatte, entspricht am meisten demjenigen Durchmesser des Schädels, welcher die Fortsetzung der spinalen Axe, freilich ohne Rücksicht auf die ausfüllenden nervösen Theile, bildet; es ist demnach besonders geeignet, für die vergleichende Betrachtung des Knochengerüstes zu dienen. Während das erstere Maafs den scheinbaren Vorzug hat, bestimmte anatomische Endpunkte zu verbinden, hat das zweite eine mehr graphische oder künstlerische Bedeutung, insofern der Ansatz am Scheitel eine wechselnde Stelle hat und nur der Ansatz am vorderen Umfange des grofsen Hinterhauptloches beständig ist. Allein bei genauerer Betrachtung ist der Vorzug des ersteren Maafses doch ein zweifelhafter. Denn die Stelle, wo die Pfeilnaht auf die Kranznaht stöfst und wo ursprünglich die vordere Fontanelle!) liegt, hat je nach der Ge- staltung der Scheiteleurve bei den verschiedenen Menschen eine sehr ver- schiedene Lage, bald mehr nach vorn, bald mehr nach hinten, und der an diese Stelle angesetzte Zirkelarm trifft ebensowenig einen fixen Punkt des Schädelumfanges, als der an die höchste Wölbung des Scheitels an- gesetzte. Daher habe ich in späterer Zeit das Maals B bevorzugt und in der Regel allein angewendet, wie diefs auch die Herren Weisbach und Zuckerkandl?) gethan haben. In nahezu ähnlicher Weise hat Hr. Welcker#) seine Höhenmes- sungen veranstaltet, nur dals er den oberen Mefspunkt dadurch genauer zu fixiren suchte, dals er als solchen die Kreuzungsstelle des Quer- umfanges und des senkrechten Längsumfanges des Schädels 1) A. Retzius, Müllers Archiv 1845. S. 90. Ethnologische Schriften. Stockh. 1864. S. 4. ?) Ich habe daher von Anfang an diese Stelle der Kürze wegen auch „vordere Fontanelle“ genannt, obwohl dieser Ausdruck nicht ganz correkt ist. Indefs ist er immer noch weit correkter, als der Ausdruck Bregma, welchen die französischen Craniologen für dieselbe Stelle anwenden (Broca, Bull. de la soc. anthropol. de Paris. 1862. T. III. p- 15). Keiner der alten Schriftsteller hat meines Wissens Agtyu« in diesem Sinne ge- braucht: das Wort bedeutet stets den behaarten Theil des Vorderkopfes. ®») A. Weisbach, Die Schädelform der Rumänen. (Aus den Denkschriften der mathem.-naturwiss. Klasse der kaiserl. Akademie der Wissenschaften.) Wien 1869. S. 5. E. Zuckerkandl, Reise der Novara. Anthropol. Theil. Wien 1875. S. VI. *#) Hermann Welcker, Untersuchungen über Bau und Wachsthum des mensch- lichen Schädels. Leipzig 1862. S. 24. 38 Vırcmow: Beiträge zur physischen Anthropologie wählte. Die Differenz beider Methoden ist eine sehr geringe; sie ver- schwindet nahezu in den berechneten Verhältnifszahlen. Anders verhält es sich, wenn man den unteren Ansatzpunkt we- sentlich verändert, wie es namentlich dann geschieht, wenn man die Ebene des grofsen Hinterhauptsloches selbst als unteren Ansatzpunkt des Melsinstrumentes wählt. Diese Art zu messen hat ihre grofsen tech- nischen Schwierigkeiten. Die Herren v. Bär und Ecker, und ganz ähn- lich Hr. Barnard Davis!), nehmen einen Stangenzirkel und legen „den einen Arm desselben der Länge nach auf die Ebene des Foramen ma- snum d. h. an den vorderen und hinteren Rand desselben, den anderen an den am meisten vorragenden Theil der Schädelwölbung“; das gewon- nene Maafls nennen sie die ganze Höhe. Leider giebt es Schädel, und zwar gerade unter den Ohamäcephalen, bei denen diese Art der Messung unmöglich ist: der obere Arm des Stangenzirkels kommt ganz weit nach hinten an der Schädelwölbung zu liegen, weil der hintere Rand des grolsen Hinterhauptsloches sehr tief steht, und man erreicht daher gar nicht die „Höhe“. Ueberdiefs ist der Stangenzirkel, wenn man den einen Arm desselben an zwei Punkte anlegt, der Art festgestellt, dafs man nur noch in einer auf die Ebene des Hinterhauptsloches senkrechten Richtung den Abstand des entferntesten Punktes, wo er auch liegen mag, messen kann; von einer Wahl des Ansatzpunktes des oberen Armes ist keine Rede mehr. Hr. v. Bär hat denn auch noch eine zweite Höhenmessung vor- geschlagen, die der „aufrechten Höhe“. Hier soll der untere Arm des Stangenzirkels an den hinteren Rand des Hinterhauptsloches und zwar so angelest werden, dafs er im Sinne der Horizontalen des Hrn. Lucae dem oberen Rande des Jochbogens parallel steht; der obere Arm wird an die Schädelwölbung gebracht. Diese Messung hat auch Hr. Ecker angenommen; die Herren Rütimeyer und His?) haben nur die Ab- 1) C. E. v. Bär, Crania selecta ex thesauris anthropologieis acad. imper. Pe- tropol. 1859. p. 4. Bericht über die Zusammenkunft einiger Anthropologen in Göttingen. Leipzig 1861. A. Ecker, Crania Germaniae meridionalis oceidentalis. Freib. i. B. 1865. 5.3. Joseph Barnard Davis, Thesaurus craniorum. Lond. 1867. p. XIV. ?) Ludw. Rütimeyer u. W. His, Crania helvetica. Basel u. Genf 1864. S. 7. der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 39 weichung eintreten lassen, dafs sie die Spitze des unteren Arms gegen den vorderen Nasenstachel richten. Diesem Verfahren liegt der Gedanke zu Grunde, eine bestimmte Horizontallinie, nicht des Hinterhauptsloches, sondern des Schädels überhaupt als Ausgangspunkt der Schädelmessung zu nehmen, und als eine solche Horizontallinie entweder den oberen Rand des Jochbogens, oder die Linie vom hinteren Rande des Hinterhaupts- loches zum vorderen Nasenstachel zu wählen. Mit vollkommener Consequenz hat diesen Gedanken Hr. v. Ihe- ring!) entwickelt. Indem er als Horizontale eine von der Mitte der äufseren Ohröffnung zum unteren Rande der Augenhöhle gezogene Linie nimmt, so gilt ihm nur diejenige Höhe als annehmbar, welche auf dieser Linie senkrecht steht. Er verwirft daher jeden anatomischen Punkt als Ansatzstelle für das Mefsinstrument und legt einfach „unten in der Me- dianebene an den tiefsten Punkt eine horizontale Tangente, oben an den prominirendsten Punkt eine tangirende Fläche.“ Es läfst sich nicht in Abrede stellen, dafs dieses Verfahren eine Berechtigung hat, aber es ist mehr berechtigt im Sinne einer individualisirenden Aufgabe, wie sie der darstellende Künstler verfolgt, als im Sinne einer comparativen Aufgabe, wie sie der Ethnolog zu lösen sucht. Diese letztere Aufgabe kann sich nicht blofs mit Horizontalen und Senkrechten beschäftigen, welche den Schädel als ein für sich zu betrachtendes Ganzes betreffen, sondern sie muls sich an gewisse Gegenden und Orte, also an Abschnitte des Schä- dels halten, und sie wird daher überall, wo es irgend thunlich ist, ge- wisse Hauptorte, gewisse bestimmende Stellen festhalten und nur da auf blofse Wölbungen eingehen dürfen, wo eben die Unmöglichkeit besteht, irgend einen fixen anatomischen Punkt oder eine physiologische Richtung zu finden. Hr. Busk?) hat die Schwierigkeiten dadurch zu umgehen gesucht, dals er das ganze System der Cranioskopie umgekehrt hat. Er nimmt als Verticale eine, seiner Angabe nach zuerst vom Abbe Frere vorge- schlagene Linie, welche den äufseren Gehörgang und den Kreuzungspunkt der Kranz- und Pfeilnaht (die vordere Fontanelle) schneidet. Die Hori- ı) H. v. Ihering, Zur Reform der Craniometrie. Zeitschrift für Ethnologie 1873. Bd.V. S. 160. 164. ?) Busk, The natural history review. 1362. p. 355. 40 VırcHow: Beiträge zur physischen Anthropologie zontale findet er, indem er unter rechtem Winkel zur Verticalen eine Linie durch das äufsere Gehörloch legt. Diese Horizontale ist seiner Mitthei- lung nach im Allgemeinen dem Jochbein parallel, trifft aber die Nasen- öffnung (Apertura pyriformis) in verschiedener Höhe über dem Boden der Nasenhöhle. An sich läfst sich natürlich die Projeetion des Schädels ebenso gut nach einer Verticalen, als nach einer Horizontalen entwerfen. Indefs ist es doch nicht zufällig, dafs man immer hauptsächlich nach einer Hori- zontalen gesucht hat. Schon die Linea facialis Camper’s, die vom äufse- ren Gehörgange zum Kieferrande gezogen wurde, hatte wenigstens den Nebenzweck, als Horizontale zu dienen. Der eigentliche Grund, weshalb man die Horizontale und nicht die Verticale als Schlüssel des Melssystems gebraucht, ist der, dafs man für die Horizontale bestimmte anatomische Punkte mit viel gröfserer Sicherheit wählen kann, als für die Verticale. Der Kreuzungspunkt der Kranz- und Pfeilnaht ist freilich ein anatomischer Punkt, aber er hat eine so unsichere Lage je nach der Form und Stel- lung des Stirnbeins, dals in der That die wirkliche Verticale meist hinter denselben fällt. Es läfst sich daher auch der Diametre basilo-bregmatique der fran- zösischen Öraniologen, der vom vordern Rande des Hinterhauptsloches zur „vordern Fontanelle“ geht, nicht als das eigentliche Höhenmaafs an- erkennen. Ich gestehe im Uebrigen die Berechtigung sowohl dieses Maafses, als der sogenannten Verticalen des Hrn. Busk zu, nur mufs man sie nicht als wahre Höhenmaafse betrachten. Daran freilich mufs ich nach wie vor festhalten, dafs die Mitte des vorderen Randes des grofsen Hinter- hauptsloches ein ungemein sicherer Punkt ist, der, gleich der Nasenwurzel, für die Gestaltung und Verbindung der eigentlichen Schädelkapsel mit an- deren Skelettheilen eine cardinale Wichtigkeit besitzt. Indem er sich in senkrechter (aufrechter) Fortsetzung der Reihe der spinalen Wirbelkörper anschliefst, andererseits den Anfang der cerebralen Wirbelkörper bezeichnet, bildet er in der That den Ausgangspunkt der osteologischen Betrachtung. Man könnte nur darüber im Zweifel sein, ob man nicht die Be- trachtung mit den Gelenkhöckern des Hinterhaupts (Processus condyloi- des, Coronae der älteren Schriftsteller), als denjenigen Theilen, welche mit dem ersten Wirbel in unmittelbare Berührung treten, beginnen müsse. der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 41 Dies hat Hr. Broca!) vorgeschlagen. Er fixirt den zu untersuchenden Schädel auf seinem Craniophor in der Art, dafs er ihn in eine Horizontal- ebene bringt, welche der horizontalen Sehaxe parallel ist. Die Richtung des Blicks ist nach seiner Meinung das einzige Merkmal, an welchem man beim Lebenden erkennen kann, dafs der Kopf horizontal steht. Die ho- rizontale Sehaxe sucht er, indem er vom Sehloch aus eine Linie zur Mitte der vorderen Orbitalöffnung zieht. Dieser Linie ist aber nach ihm die- jenige parallel, welche von der Grundfläche der Processus condyloides zur Mitte des Alveolarrandes des Oberkiefers gezogen wird. Errichtet man über dieser Horizontalen eine Senkrechte, welehe die Mitte des vorderen Randes des Hinterhauptsloches schneidet, so gewinnt man die verticale Höhe, indem man die Entfernung der Stelle der Schädelwölbung milst, wo diese Senkrechte die äulsere Fläche des Schädels trifft. Diese Betrachtungen haben viel Verführerisches, obwohl es sehr zweifelhaft ist, ob wirklich eine vom Foramen opticum zur Mitte der äufseren Orbitalöffnung gezogene Linie der horizontalen Augenaxe ent- spricht. Die Ränder der Augenhöhlen sind in Folge von Verlängerung und Vorschiebung, namentlich bei Männern, so grolsen individuellen Ver- änderungen unterworfen, dafs die Mitte der äulseren Orbitalöffnung keines- wegs immer der Sehaxe entspricht. Auf der anderen Seite sind die Gelenk- höcker des Hinterhaupts und der Alveolarrand des Oberkiefers scheinbar so natürliche Stützpunkte des macerirten und auf eine Platte gestellten Schä- dels, dafs Jedermann zuerst in die Versuchung kommt, den Schädel auch in einer solchen Stellung zu messen. Allein selbst Hr. Topinard?), der, mit Ausnahme des Hrn. Harting, auf welchen ich später zurückkommen werde, dieser Versuchung am meisten nachgegeben hat, sucht nach Cor- recturen: er ermittelt durch ein besonderes Verfahren die senkrechte Höhe der Gelenkhöcker, und er bringt diese Höhe von der Gesammtzahl, welche für die Verticale gefunden ist, in Abzug. Unglücklicherweise legt er sei- nen Messungen die Horizontale des Hrn. Broca zu Grunde, nämlich eine Ebene, welche durch die tiefsten Punkte der Gelenkhöcker des Hinter- 1) Bulletins de la soc. anthropologique de Paris. 1862. T. III. p. 518. Memoires de la soc. anthrop. de Paris. 1868. T. III. p. 111. Pl. VI. ?2) Topinard, Revue d’anthropologie. 1872. T. I. p. 472. 1873. T. II. p. 101. Phys. Kl. 1876. 6 42 VırcHmow: Beiträge zur physischen Anthropologie haupts und den unteren Alveolarrand des Oberkiefers gelest wird (plan condylo-alveolaire). Es liegt ja auf der Hand, dafs, je tiefer am Gesicht der vordere Ansatzpunkt der Ebene oder Linie gewählt wird, welche man als Horizontale benutzt, die Verhältnisse der Schädelkapsel in einem immer weniger richtigen Verhältnisse dazu stehen. Würde man das Kinn als bestimmenden Punkt für die Richtung der Horizontalebene wählen, so würde das Maxımum der Unsicherheit eintreten. Der Alveolarrand des Oberkiefers hat schon einige Unsicherheit weniger, der vordere Nasen- stachel noch weniger, der untere Orbitalrand noch viel weniger. Am nächsten der gesuchten Linie kommt offenbar die von mir als hervor- ragend wichtig dargeleste Schädelgrundlinie!), die an der Mitte des vor- deren Randes vom grofsen Hinterhauptsloche anfängt und vorn an der Nasenwurzel oder genauer an der Nasofrontal-Naht endigt (Nasobasilar- linie). Hr. Aeby ?) hat dieselbe auch für dıe Höhenmessung gewählt, und ich mufs ihm beistimmen, wenn es sich um eine Detailausmessung des individuellen Schädels handelt. Denn in Wirklichkeit bildet die Nasoba- silarlinie die Axe der Grundlage, über welcher sich die Schädelkapsel mit ihren verschiedenen Abtheilungen aufbaut. Vergleicht man diese Linie mit der Aurieulo-Orbitallinie oder mit der oberen„Jugallinie, so liest es ja zu Tage, dafs sie ganz unverkennbare Vorzüge besitzt. Ist doch die Stel- lung sowohl des Jochbogens, als auch die des Unter-Augenhöhlenrandes in erster Linie abhängig von der Höhe des Wangenbeins, also eines ganz aulserhalb des eigentlichen Schädelgefüsges liegenden Theils, und es kann wenigstens nicht als eine principiell richtige Forderung anerkannt werden, auf die zufälligen Verhältnisse des Wangenbeins die ganze Craniometrie zu bauen. Aber es ıst kaum ausführbar, die Nasobasilarlinie als gewöhnliche Horizontale zu benutzen. Es ist nicht leicht, ohne sagittale Durchsägung des Schädels diese Linie genau festzustellen. Für so eingreifende Opera- tionen haben wir aber noch zu wenig Rassenschädel; sie sind zu kost- bar, als dals wir sie beliebig zersägen könnten. Schon dieser äufsere !) Virchow, Entwickelung des Schädelgrundes. Berlin 1857. S. 69. ?) Ch. Aeby, Eine neue Methode zur Bestimmung der Schädelform von Men- schen und Säugethieren. Braunschweig 1862. S. 10. a ae =: : der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 45 Grund würde wohl noch auf lange Zeit hinaus die allgemeine Einführung der Methode des Hrn. Aeby hindern. Indefs läfst sich diese Schwierig- keit allenfalls überwinden. Aber es ist auch ein innerer Grund vorhan- den, der dagegen spricht. Wenn man die Nasobasilarlinie als Horizontale wählt, so entspricht keine einzige Verticale der natürlichen „aufrechten Höhe“. Keine einzige tritt also in den Kreis unserer gewöhnlichen Be- trachtung des Schädels ein, keine giebt uns für unsere (diagnostische oder künstlerische) Anschauung wissenschaftliche Maafse. Für mich hat dieser Umstand eine um so grölsere Bedeutung, als es mir stets als ein wich- tiges Criterium der Brauchbarkeit unserer Messungen erschienen ist, dafs sie sich für die Betrachtung nicht blofs der Schädel und Skelete, sondern auch der Lebenden practicabel erweisen sollten. Gerade deshalb hatte ich, wie schon erwähnt, früher ein zweites Maals vom hintern Rande des Hinterhauptsloches zur vorderen Fontanelle genommen, bei welchem natürlich die Horizontale ganz gleichgültig ist. Die „ganze Höhe“ entspricht der eben ausgesprochenen Forderung nur zum Theil. Sie gewährt genauere metrische Ausdrücke für Bezeich- nung und Vergleichung der Schädel, aber sie ist nicht anwendbar an Le- benden. Denn Niemand kann am Lebenden dem vorderen Rande des Hinterhauptsloches mit einem Melfsinstrument auch nur nahe kommen. Für die Längenmaalse haben wir eine Art von Ersatz in der äufseren Gehöröff- nung, und ich habe daher schon seit langer Zeit die Längenmaalse auch bei Schädeln immer doppelt, vom vorderen Rande des Hinterhauptsloches und vom äulseren Gehörgange aus, angegeben. Beide Punkte liegen ziemlich in derselben Frontalebene. Aber sie liegen sehr verschieden hoch, und daher läfst sich die „ganze Höhe“ vom Hinterhauptsloche aus in keiner Weise durch die „ganze Höhe“ vom Gehörgange aus ersetzen. Nichtsdestoweniger hat mich das Bedürfnifs, auch für die Lebenden Höhenmaalse des Kopfes zu nehmen, mehr und mehr dahin gedrängt, die äulsere Gehöröffnung als Ausgangspunkt für eine Höhenmes- sung zu nehmen. Thut man dies aber, so braucht man eine Hori- zontale, um darnach die Scheitelhöhe zu bestimmen, und als diese Ho- rizontale ist die Nasoaurieularlinie zu künstlich. Ich trage daher kein Bedenken, mit den Herren Lucae, v. Bär, Eeker und v. Ihering die nächst mögliche Horizontale, also die obere Jugallinie oder, was ich noch 6* H VırcHuow: Beiträge zur physischen Anthropologie vorziehe, die Auriculo-Orbitallinie, zu wählen. Indem ich den zu mes- senden Kopf (oder Schädel) in diese Horizontale bringe, führe ich den beweglichen Arm meines Stangenzirkels!) in dieser Horizontalebene, senk- recht gegen die Sagittalebene, in die äufsere Ohröffnung ein, stelle die Führungsstange des Zirkels senkrecht gegen die Horizontale und bringe alsdann den oberen Arm auf die Scheitelhöhe, freilich nicht, wıe Hr. v. Ihering will, auf den absolut höchsten Punkt der Sagittalebene oder ihrer nächsten Nachbarschaft, sondern auf den in senkrechter Richtung über der Ohröffnung höchsten Punkt. Dieser liest meist vor der Mitte der Pfeilnaht, aber in variabler Entfernung von der Kranznaht. Das so gewonnene Maals nenne ich die aurieulare oder Ohr-Höhe?). Für die Schädeluntersuchung hat dieses Maafs überdies die Bedeu- tung, dafs es in solchen Fällen, in welchen die Basis eranii defeet oder ganz zerstört ist, häufig noch anwendbar ist, dafs es also einen gewissen Ersatz gewährt, um auch defeete Schädel in Bezug auf ihre Höhe einiger- malsen bestimmen zu können. Natürlich behaupte ich nicht, dafs es die „ganze Höhe“ ersetzen könne, denn die Stellung der äulsern Ohröffnung bietet im Verhältnifs zum Hinterhauptsloche so viele Abweichungen dar, dafs nur eine approximative Vergleichung beider unter einander möglich ist. Eine solehe ist aber möglich, und schon deshalb mufs man den Werth dieser Maafse nicht unterschätzen. Später werde ich mehrere Ein- zelheiten darüber mittheilen. Ich bleibe trotz mancher, an sich zutreffender Einwände aufserdem dabei, dafs die „ganze Höhe“, von der Mitte des vorderen Randes des Hinter- hauptsloches aus gemessen, ein durchaus brauchbares Vergleichungsmaafs darstellt. Die Mitte des vorderen Randes des Hinterhauptsloches hat, wie schon gesagt (S. 40), als End- oder Anfangspunkt der Nasobasilarlinie und als nächste Fortsetzung der Axenlinie der Wirbelkörper eine hohe anato- mische Bedeutung. Es kann sich also nur darum handeln, schlüssig zu werden, wohin von diesem Punkte aus die Linie zu ziehen ist, welche das 1) Die fünfte allgemeine Versammlung der deutschen anthropologischen Gesell- schaft. 1875. S. 60. 2?) Zeitschrift für Ethnologie 1875. Bd. 7. Verhandlungen der Berliner anthro- pologischen Gesellschaft S. 177. der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 45 Maafs der ganzen Höhe ausdrückt. Meiner Erfahrung nach fällt die Linie, welche man erhält, wenn man eine Senkrechte von der Schädelwölbung auf die Aurieulo-Orbitallinie zieht, nahezu zusammen mit derjenigen, welche man erhält, wenn man den höchsten Punkt der Sagittal- Ebene vor der Mitte der Pfeilnaht aufsucht. Dieser Punkt ist aber derjenige, welcher auch für die äufsere Betrachtung des Schädels, falls derselbe nicht deformirt oder pathologisch ist, bestimmend ist, und ihn halte ich daher für die nachstehenden Erörterungen fest. Um indefs Vergleichungen mit den Angaben anderer Untersucher möglich zu machen, werde ich auch eine weitere Reihe von Messungen im Sinne dieser Untersucher mittheilen. Insbesondere werde ich die Ent- fernungen sowohl des vorderen!), als des hinteren Randes des Hinter- hauptsloches von der vorderen und hinteren Fontanelle, sowie die Ent- fernungen des äufseren Gehörlochs von der Stirn-, Scheitel- und Hinter- hauptswölbung geben. Leider ist es bei der grofsen Ungleichheit der Mefsmethoden sehr schwer, ohne zahlreiche Umrechnungen Vergleichungen zwischen den An- gaben der verschiedenen Forscher über die Höhe der Schädel anzustellen, zumal wenn es sich um berechnete Verhältnifszahlen handelt. Manche Differenz erscheint freilich in der theoretischen Erörterung grölser, als sie sich in der praktischen Ausführung herausstellt. Andere Differenzen oder Methoden dagegen liefern in der Praxis gröfsere Abweichungen, als man sie erwarten sollte. So hat gerade Hr. Ecker den Längenhöhen -Index (das Verhältnifs der Länge zur Höhe, die erstere — 100 gesetzt) nicht nach der ganzen, sondern nach der aufrechten Höhe berechnet, — ein Umstand, den ich früher übersehen habe?), der es jedoch unmöglich !) Hr. W. Krause (Archiv für Anthropologie. 1866. Bd.I. S. 258) nennt vor- deren Höhendurchmesser die Entfernung des vorderen Umfanges des Foramen magnum bis zum vorderen, und hinteren Höhendurchmesser die Entfernung von demselben Punkte bis zum hinteren Ende der Sutura sagittalis in der Medianebene. 2) Zeitschrift für Ethnologie 1374. Bd. 6. Verhandlungen der Berliner anthro- pologischen Gesellschaft S. 250. 46 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologie macht, seine Indices mit denen des Hrn. Welcker oder den meinigen in Vergleich zu stellen. Da er indels auch die ganze Höhe angegeben hat, so läfst sich die Differenz leicht nachweisen. Ich will in dieser Beziehung nur einige Beispiele von niedrigen Schädeln anführen, welche ich der Ta- belle I der Crania Germaniae meridionalis oceidentalis entnehme; ich füge denselben jedesmal in der vorletzten Öolumne den von mir aus der gan- zen Höhe berechneten Index (B) hinzu, da der von Hrn. Ecker berech- nete Index (A) sich auf die aufrechte Höhe bezieht. Nummer in der Tabelle Ganze Höhen - Index Differenz bei Fundort. al von HaaReker 6 A. B. A und B. 12 Westhofen 1 128 71,87 66,6 5,2 23 Oestrich 2 120 75,00 66,6 3,4 26 Oestrich 5 126 68,42 66,3 2,1 35 Windmühle bei Darmstadt 128 70,21 685,0 22 36 desgl. 129 76,70 1332 3,9 39 Castel 130% _ 68,0 = 41 Rheinzabern 124 74,07 65,6 8,4 43 desgl. 129 —_ 71,6 _ 44 Oberflacht 1 130 73,72 69,1 9,6 47 Feuerbach 2 128 71,35 69,1 2,2 51 Nordendorf 2 130 72,58 69,8 2,8 55 Altlusheim 2 124 72,52 68,1 4,4 59 Allensbach 1 77,84 72,7 5 65 desgl. 7 128 72,58 68,8 3,8 73 Wiesenthal 130 75,40 71,0 4,4 Es scheint mir, dafs diese Beispiele, wenn man dazu die von Hrn. Ecker gelieferten Abbildungen der entsprechenden Schädel in Betracht zieht, nicht nur die Differenz der beiden Höhenindices zeigen, sondern auch zugleich beweisen, dals die „gauze“ Höhe ein besseres Maals ist, als die „aufrechte“ Höhe, und dafs es sich entschieden empfiehlt, den Höhenindex nach der ersteren zu berechnen. Man sehe nur einmal den Schädel von Rheinzabern Nr. 41!) an, von dem Hr. Ecker selbst sagt, 1) Ecker, Crania Germ. mer. oce. Tab. XXI. der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 47 er sei „lang gestreckt, die Stirn niedrig, platt und sehr zurückweichend, der Schädel selbst flachgewölbt,*“ und man wird sich überzeugen, dafs der Index von 65,6 weit besser auf Beschreibung und Abbildung pafst, als der Index von 74,07. Eine weitere Berechnung war erforderlich, um den „ganzen “ Höhenindex für jene „Reihengräberform“ zu ermitteln, welche den Ale- mannen- und Frankengräbern vom Rhein, von Schwaben und Bayern ent- stammt. Hr. Ecker!) hat eine Reihe von alten Schädeln bezeichnet, welche er zu dieser Gruppe rechnet. Bei einer gröfseren Zahl derselben ist überhaupt kein Höhendurchmesser angegeben; ich mulste sie aufser Betracht lassen. Es bleiben mir folgende: Nummer in | | derEabelle Ganze | Höhen - Index 2 Fundort. | bei \ Höhe. A B. Hrn. Ecker. | | 1 | Ebringen 145 | 84,78 78,8 2 | desgl. AR ln, — 73,0 12 Westhofen 1 128 587 01 1.66,6 14 desgl. 3 140 76,96 | 73,2 17 Musbach 144 80,21 | 97,1 18 Abenheim 136 78,37 | 73,5 22 Oestrich 1 136 79,56 73,1 23 desgl. 2 120 75,00 66,6 24 desgl. 3 132 74,35 67,6 36 desgl. 5 126 68,42 | 66,3 36 Windmühle bei Darmstadt 129 76,70 | 13,2 37 desgl. 132 76,96 | 79,7 38 | desgl. 134 76,11 74,4 47 Feuerbach 2 128 71,35 | 69,1 49 desgl. 1 152 Aa, 50 Nordendorf 1 140 76,19 74,0 51 desgl. 2 130 12,58 | 69,8 52 desgl. 134 74,61 69,4 53 desgl. 135 75,26 |, 72,5 1) Ecker l.c. S. 79. 48 Vırcuow: Beiträge zur physischen Anthropologie Diese 19 Schädel ergeben nach meiner Berechnung (Columne B) einen Höhen-Index im Mittel von 72,2 und nach der directen Messung eine gerade Höhe im Mittel von 135 Mm.; der aus der aufrechten Höhe nach Hrn. Ecker berechnete Index dagegen beträgt im Mittel 75,9. Ich werde für unsere weitere Betrachtung die zuerst ge- nannten Zahlen als die für Franken- und Alemannen-Schädel vorläufig gültigen zunächst festhalten, bemerke dabei aber zugleich, dals unter den 19 Schädeln nicht weniger als 7 mit Indices unter 70 sich befinden. Im Uebrigen beträgt für die gerade Höhe den Höhenindex B das Maximum 152 10 das Minimum 120 66,3 die Differenz 32 13,4. Diese Differenz ist so grols, dals man ım Zweifel sein kann, ob diese sogenannten Franken- oder fränkisch-alemannischen Schädel wirklich zusammen gehören. Besonders fällt es auf, dafs die einzelnen Gräber- felder so merkbare Verschiedenheiten unter einander zeigen. So ergeben die vier Schädel von Oestrich im Rheingau eine ganze Höhe von 128 und einen Höhenindex von 68,4, dagegen die vier von Nordendorf bei Augsburg eine gerade Höhe von 134 und einen Höhenindex von 71,4. Wie diese territorialen Verschiedenheiten zu erklären sind, soll hier nicht verfolgt werden. Die archäologischen Merkmale mögen vorläufig als ent- scheidende angesehen werden, und wir wollen uns mit den genannten Zahlen für jetzt zufrieden geben. Dann würde sich immerhin als Eigen- schaft der alemannisch-fränkischen Schädel eine merkbare Niedrig- keit bei gleichzeitiger Länge und relativer Schmalheit ergeben. Denn nach den Berechnungen des Hrn. Ecker beträgt bei der Reihen- gräberform ım Mittel die grölste Schädellänge 191,0 Mm. die gröfste Schädelbreite 263% der Breitenindex use Ich habe im Jahre 1873 aus einem derselben archäologischen Gruppe angehörisen Gräberfelde bei Wiesbaden 18 Schädel untersucht, welche sich in dem dortigen Museum für heimisches Alterthum befin- der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 49 den!). Ihre Bedeutung ist gerade dadurch eine verhältnifsmälsig grofse, dafs von derselben Localität ein so reiches Material gesammelt ist. Die von mir gefundenen Zahlen differiren von denen des Hrn. Ecker einiger- malsen, insofern sie durchweg etwas höhere Indices ergeben, aber sie ent- fernen sich nicht so weit von ihnen, dafs sie einen erheblichen Zweifel an der Zusammengehörigkeit der Funde begründen. Ich fand im Mittel einen Höhenindex von 73,8, einen Breitenindex von 74,9, die grölste Schädellänge zu 179 Mm. die gröfste Schädelbreite zu 134,9 „ die gerade Höhe zu 133,6 „ Dabei stellte sich eine nicht geringe Verschiedenheit der Geschlechter heraus. Wenn ich nämlich die Schädel, soweit sich das Geschlecht der- selben nach den anatomischen, zuweilen auch nach den archäologischen Merkmalen erkennen liefs, in zwei Gruppen sonderte, so erhielt ich fol- gende Mittel-Zahlen: Männer Weiber Höhenindex 75,6 73,6 Breitenindex 75,6 74,6 Gröfste Schädellänge 186 176,3 Grölste Schädelbreite 140,7 1315 Gröfste Schädelhöhe 141,8 129,6. Für die Höhenverhältnisse fand ich a) für die gerade (absolute) Höhe Männer Weiber Maximum 148,2 139 Minimum 137 120 b) für den Höhenindex Maximum 79,1 76,5 Minimum 13,8 69,2. Ich muls jedoch bemerken, dafs der weibliche Schädel, der nur 120 Mm. in der Höhe mals, mikrocephal war, indem seine Öapaeität nur 1070 Oub. Centim. betrug, dafs jedoch unter 8 weiblichen Schädeln, deren absolute 1) Die vierte allgemeine Versammlung der Deutschen Gesellschaft für Anthro- pologie, Ethnologie und Urgeschichte zu Wiesbaden. 1574. S.11. Phys. Kl. 1876. 7 50 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologie Höhe überhaupt mefsbar war, aufser dem eben erwähnten noch je einer von 124, 125 und 127 Mm. Höhe sich befand. — Die Untersuchungen des Hrn. Hölder!) über die Schädel der württembergischen Reihengräber stimmen gleichfalls ziemlich gut mit dem bisher Mitgetheilten. Er fand für den „germanischen Typus“ folgende Oo Mittelzahlen: srölste Länge 186 Mm. srölste Breite 154 ,„ srölste Höhe 152018] Breitenindex 7239: Den Höhenindex hat er nicht berechnet, wie denn auch keine Angabe vor- liegt, aus welcher die Methode der von ihm angewendeten Höhenmessung zu ersehen ist. Nach den gelieferten Zahlen möchte ich annehmen, dafs er die „gerade* Höhe gewählt hat, denn er hat mehrfach niedrige Zahlen für die Höhe, wie 128, 126, 125. Wahrscheinlich würde sich darnach ein ähnlicher Index berechnen, wie in den bisher aufgeführten Unter- suchungen. N In dasselbe Gebiet gehören die von Hrn. Kollmann?) beschrie- benen Schädel aus den Reihengräbern von Feldaffing und Gauting am Starnberger See, bei denen freilich schon gewisse Mischungen deutlicher hervortreten. Aehnlich verhält es sich mit den von Hrn. Wiedersheim®) untersuchten Schädeln von Mädelhofen bei Würzburg. Endlich erwähne ich noch das Gräberfeld von Rosdorf bei Göt- tingen, über welches die Herren v. Ihering und Krause*) berichtet haben. Der erstere dieser Berichterstatter giebt als Mittel aus den Unter- suchungen von 12 Schädeln 1) Hermann Hölder, Archiv für Anthropologie. 1567. Bd. II. 5.79. 2) J. Kollmann, Sitzungsberichte der mathem.-phys. Classe der K. Bayrischen Akademie der Wissenschaften. 1873. 3. 8. 295. 3) R. Wiedersheim, Ueber altgermanische Schädel in Unterfranken. Würzburg 1874. Archiv für Anthropologie 1875. Bd. VIII. S. 225. #) v. Ihering, Fünfte allgemeine Versammlung der deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte. Braunschw. 1875. S. 20. W. Krause, Correspondenzblatt der deutschen anthropologischen Gesellschaft 1875. S. 39. der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 5l die gröfste Länge zu 191,2 Mm. die grölste Breite zu 141,8 die gröfste Höhe zu 140,4 den Breitenindex zu 74,2 den Höhenindex zu 738; Der Breitenindex schwankte zwischen 71,4 und 77,6, der Höhenindex zwischen 70,6 und 78,7. Von Hrn. Krause liest bis jetzt nur ein sum- marischer Bericht vor, der den Breitenindex bei 20 Fällen zu 71—75 angıebt. n n Das Mitgetheilte wird genügen, die Vorstellung zu bekräftigen, dafs die in verschiedenen Theilen Deutschlands aufgefundenen Gräberfelder, welche den archäologischen Beigaben nach der fränkischen oder der ale- mannischen Periode angehören, eine gewisse Gleichartigkeit der Schädel- bildung erkennen lassen, wenngleich auch die Hauptverhältnisse nicht unbe- trächtliche individuelle Schwankungen darbieten. Kleinere Differenzen wer- den gewils den Mefsmethoden zugeschrieben werden müssen, indels be- wegen sich selbst die gröfseren in hinreichend engen Grenzen, um die Mittelwerthe unbeeinflufst zu lassen. Wie es scheint, haben sich diese Schädelverhältnisse ziemlich lange erhalten. So habe ich ein Paar frän- kische Schädel von Schlofs Chevremont in Limburg aus dem Lütticher Mu- seum beschrieben !), welche wahrscheinlich kurz vor das 10. Jahrhundert zu setzen sind, und welche sich dieser Reihe recht gut einfügen. Für die modernen Verhältnisse besitzen wir durch die umfassenden Untersuchungen des Hrn. Welcker?) über die Schädelhöhe und ihre Be- ziehungen zur Schädelbreite ein ausgiebigeres Material, dessen Werth nur dadurch etwas geschmälert wird, dafs dieser Forscher bekanntlich die Ent- fernung der Scheitelhöcker von einander als Breitenmaals des Schädels gewählt hat und daher seine Breitenindices mit denen der anderen Unter- sucher nicht einfach vergleichbar sind. Ich beschränke mich daher darauf, die von ihm berechneten Mittelzahlen der Höhenindices für eine gewisse Zahl territorialer und nationaler Gruppen, der Reihenfolge der Zahlen nach geordnet, herzusetzen: 1) Archiv für Anthropologie 1873. Bd. VI. S. 95, 118. 2) Welcker, Archiv für Anthropologie 1866. Bd.1. 8. 152. 52 Vırcnmow: Beiträge zur physischen Anthropologie 74 Holstein Dänemark Schweden Holland 12 Hannover Schweiz (Sion) Hessen Thüringen Niederrhein 73 Franken England Schwaben Breisgau 74 Gegend von Halle Bayern 75 Oesterreich Polen Schweiz Frankreich Könnte diese Aufstellung als malsgebend angenommen werden, so würde sich daraus ergeben, dals die Niedrigkeit der Schädel in Deutsch- land im Norden und Nordwesten culminirt und dafs von da aus ein Zu- nehmen der Höhe in regelmäfsiger Reihenfolge nach Südwesten, nach Süden und nach Osten zu verfolgen wäre, dafs ferner dem entsprechend die nord- germanischen Länder (Dänemark, Schweden, Holland) sich dem niedrigen, die östlichen, südlichen und westlichen Nachbarländer dagegen dem hö- heren Schädeltypus anschliefsen. In dieser Allgemeinheit möchte ich diese Folgerung indefs als er- wiesen nicht anerkennen. Man darf nicht ganz Frankreich und Oester- reich, nicht einmal die ganze Schweiz oder die ganzen Niederlande zu- sammenwerfen; wir besitzen für die meisten dieser Länder positive Unter- suchungen, welche grolse territoriale Verschiedenheiten innerhalb eines jeden einzelnen derselben nachweisen. Nichtsdestoweniger möchte ich der Zusammenstellung einen gewissen Werth beilegen, schon deshalb, weil alle Einzeluntersuchungen des Hrn. Weleker nach derselben Methode ange- stellt worden sind. Nur darf man den einzelnen Indexzahlen keinen ab- soluten ethnognomonischen Werth beilegen. der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 53 Für die Untersuchung, welche ich hier verfolge, ist es nicht ohne grolse Bedeutung, dafs in den Tabellen des Hrn. Weleker gerade die Be- wohner eines an sich recht bemerkenswerthen Theiles desjenigen Gebietes, welches ich im Vorhergehenden besprochen habe, durch die Niedrigkeit ihrer Schädel eine Ausnahmsstellung einnehmen. Es sind dies die Be- wohner der Inseln Urk und Marken in der Zuiderzee. Hr. Welcker, der in der Lage war, 15 Schädel von daher zu messen, berechnet !) deren Schädelhöhenindex zu 69,8. Es ist dies das niedrigste, überhaupt von ihm gefundene Maals. Demselben zunächst kommen die Hottentotten mit 70,2, die Irländer mit 70,6, die Tungusen mit 70,9. Für den absoluten Höhendurchmesser erhielt er als kleinste Mittelwerthe Caraiben 125 Mm. Tungusen 1260%4 Urk und Marken 127 „ Lappen 127 15 Hottentotten 22yı © Juden 129 5 Auch diese Zusammenstellungen können darthun, dafs es nicht an- geht, auf Grund eines einzelnen Merkmals die Verwandtschaften eines ge- wissen Stammes oder eines Individuums zu bestimmen. Aber gewils lie- fern sie ein höchst auffälliges Ergebnils, und zwar ein noch weit mehr auffälliges, wenn man in Betracht zieht, dafs die auf der niedrigsten Stufe der Chamaecephalie stehenden Insulaner der Zuiderzee zugleich das nie- drigste Glied in der Reihenfolge der Höhenindices der germanischen Völker überhaupt darstellen, und dafs sie gewissermalsen den Mittel- und Aus- strahlungspunkt der germanischen Chamaecephalie bilden. Mit grofsem Scharfsinn hatte schon Blumenbach?) die Bedeu- tung dieser Insulaner erkannt. Auf der LXII. Tafel seines bahnbrechen- !) Archiv für Anthropologie I. S. 154. ?) Jo. Frid. Blumenbach, Nova pentas collectionis suae eraniorum diversa- rum gentium. Gotting. 1828. p. 8. 54 Vırcmow: Beiträge zur physischen Anthropologie den Werkes giebt er die vielbesprochene Abbildung des Schädels eines, wie er sagte, Batavus genuimus. Dazu bemerkt er Folgendes: Eorum, qui fixis sedibus inde a longo tempore adhaeserunt, memorabilia specimina nactus sum terna eaque singula reliquis quoad characterem gentilitium aequalia genuinorum inguam Batavorum ex insulis sinus australis (Zuyder- Zee) Marken, Urk et Shokland. Interim tamen illud hie exhibendum selegi quod eum characterem, praesertim frontem valde reclinatam, gla- bellam contra cum arcubus supereiliaribus, et maxillarıbus ossibus pro- minentem, maxime prae se fert. Diese merkwürdige Angabe hat erst dann eine gröfsere Beachtung gefunden, als die Streitigkeiten über den Neanderthal-Schädel "Veranlas- sung boten, anderweitige Schädel aufzusuchen, welche mit demselben ver- slichen werden könnten. Zu einer solchen Vergleichung forderte das Cranium Batavi genuini allerdings auf. Hr. Schaaffhausen!) selbst machte zuerst darauf aufmerksam, und obwohl Hr. Huxley?) seine grolse Autorität gegen die Analogie beider Schädel eingesetzt hat, so ist es ihm doch nicht gelungen, seine Ansicht allgemein anerkannt zu sehen. Vielmehr trat eine gewisse Neigung hervor, die Form des Batavus genui- nus als die typische Form der Holländer überhaupt anzusehen. Indels erfolgte sehr bald von einem niederländischen Craniologen Einspruch gegen diese Verallgemeinerung. Hr. Sasse?) erklärte den von Blumenbach abgebildeten Schädel für ganz exceptionell und für ganz verschieden von den sonstigen nordholländischen Schädeln. Er berief sich speciell auf das Zeugnils von Vrolik, der 5 Schädel von den Inseln Marken und Schok- land besäfse und der sich dahin geäufsert habe, dafs keiner dieser Schädel dem von Blumenbach abgebildeten gleiche. Diese Angabe mulste aller- dings sehr auffällig erscheinen, nachdem Blumenbach ausdrücklich an- gegeben hatte, dals seine 3 Schädel unter einander übereinstimmten, und 1) Schaaffhausen, Verhandl. des naturhist. Vereins für Rheinland und West- falen. Jahrg. XX. 1863. S. 133. Bullet. de la soc. anthrop. de Paris 1863. T. IV. p- 317. Die vierte allg. Versammlung der deutschen anthropol. Gesellschaft zu Wiesbaden. 1874. 8. 56. 2) Thomas H. Huxley, The natural history review. 1864. p. 439. 3) Bulletins de la societe d’anthropologie de Paris. 1865. T. VI. p. 275. ERSTEN 3 et ET I. % u I der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 55 nachdem auch J. van der Hoeven!) aus seiner Sammlung einen Schä- del von Urk und 3 von Schokland beschrieben hatte, von denen, wie ich noch zeigen werde, wenigstens drei offenbar denselben Typus in deut- lichster Weise darbieten. Schon aus diesen Thatsachen mulste gefolgert werden, dafs man über gewissen Aeulserlichkeiten, namentlich über der stärkeren Entwicklung der Stirnwülste und der Oberkiefer, die anderen wesentlichen Merkmale übersehen habe. Die schon (8. 55) erwähnten Messungen des Hrn. Welcker, der auf seinen Reisen 15 hierher gehörige Schädel aufgefunden hatte, legten auch thatsächlich den Ungrund jener Einwendungen, soweit sie sich auf die Deutung des Batavus genuinus als eines Ausnahmefalles bezogen, dar. Hr. Spengel?) hat endlich in einer zusammenfassenden Arbeit, in welcher er aufser dem Batavus ge- nuinus noch die anderen bezüglichen Schädel des Göttinger Museums, näm- lich noch drei andere von Marken, einen von Schokland und zwei von Urk, behandelt, das ursprüngliche Material von Blumenbach in seiner ganzen Ausdehnung in die Debatte gebracht. Obwohl ihm manche der vorher- gehenden Arbeiten unbekannt geblieben waren, er also als ein ganz un- befangener Zeuge anzusehen ist, so ist seine Bestimmung doch ganz in dem von mir betonten Sinne ausgefallen. Der einzige Autor, welcher scheinbar in dem Sinne der Herren Sasse und Vrolik, und zwar schon vorher, also ohne Beziehung auf die durch den Neanderthal-Schädel angeregten Fragen berichtet hat, ist Hr. Harting?) gewesen, der in seiner kleinen Monographie über die Insel Urk 3 Schädel von da beschreibt. Zwei derselben waren aus der Sammlung Vrolik, einer aus der Sammlung Sandifort*). Leider hat Hr. Harting ein Höhenmaals angewendet, welches sich jeder Ver- gleichung entzieht: er bestimmt dasselbe in der Art, dafs er den Schädel 1) J. van der Hoeven, Catalogus eraniorum diversarum gentium. Lugd. Batav. 1860. p. 14. 2) J. Wilh. Spengel, Archiv für Anthropologie 1575. Bd. VIII. S. 49. 3) P. Harting, Het eiland Urk, zijn bodem, voortbrengselen en bewoners. Utrecht 1853. Bl. 60 *#) Auch der Schädel N.24 in der Sammlung von J. van der Hoeven stammt aus der Sammlung Sandifort. Dafs es derselbe sei, den Hr. Harting meint, ist nach den mitgetheilten Maafsen nicht wahrscheinlich. 56 Vırcmow: Beiträge zur physischen Anthropologie ohne Unterkiefer auf den Tisch stellt und dann den Abstand des höchsten Punktes der Schädelwölbung von der Tischfläche mist. Hätte Hr. Har- ting nicht selbst eine Reihe anderer Schädel, namentlich 11 niederlän- dische, auf gleiche Weise gemessen, so würden seine Zahlen ganz ohne Parallele sein. So machen die Urker Schädel in seiner Zusammenstellung den Eindruck, als seien sie mindestens eben so hoch, vielleicht noch höher, als die anderen niederländischen Schädel, wenngleich er von dem einen derselben ausdrücklich angiebt, dafs der Vorderkopf sehr niedrig und stark zurückweichend sei. Unter diesen Umständen ist es von nicht geringem Werthe, die Schädel der Vrolik-Sammlung einer genaueren Betrachtung zu unterziehen. Ich bin glücklicherweise in der Lage, dies thun zu können. Diese Schä- del sind seitdem in den Besitz des Athenaeums zu Amsterdam übergegan- gen und Hr. Professor Berlin hat die grolse Güte gehabt, mir dieselben, 5 an der Zahl, und zwar 5 von Urk und 2 von Marken, leihweise für einige Zeit zu überlassen. Die alsbald mitzutheilenden Daten stimmen vortrefflich mit den früher für die Insulaner der Zuiderzee angegebenen und jede Discordanz wird somit beseitigt. Bevor ich jedoch auf die Verhältnisse der Schädel genauer ein- sehe, möchte ich einige Worte über die Inseln der Zuiderzee und ihre Bewohner sagen. i Die Insel Marken liest gegenüber von Monnikendam, nahe am Westufer der Zuiderzee, in welche sich hier in geringer Entfernung süd- lich ’t Pampus, der Ausfluls des Y, ergielst. Die Insel gehört, wie das Waterland der benachbarten Küste, zu der jetzigen Provinz Nordholland, muls jedoch im Sinne unserer Betrachtung als ein unzweitelhafter Theil des alten Westfriesland betrachtet werden. Nach einem Citat des Hrn. Lagneau!) wäre sie erst gegen das Ende des 13. Jahrhunderts vom Festlande getrennt worden; ihre Bewohner seien im Allgemeinen blond, arbeitsam, gesund, langlebig und trügen ein eigenthümliches Costüm. !) Bulletins de la soc. anthrop. de Paris. T. VI. p. 278 (Magasin pittoresque. 1864. p. 137). der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 57 In beträchtlicher Entfernung davon befinden sich die beiden an- deren Inseln, Urk und Schokland. Die letztere liegt nahe der Ostküste, gerade gegenüber der Mündung der Yssel, nachdem dieselbe Campen passirt hat. Etwas weiter westlich, fast in der Mitte der Zuiderzee, wenn man eine Linie von Campen nach Enkhuizen zieht, erhebt sich mit etwas be- trächtlicherer Höhe Urk, über welches wir, wie schon erwähnt, eine be- sondere Monographie von Hrn. Harting besitzen. Durch dieselbe ist die Meinung widerlegt, welche sich noch jetzt durch viele geographische Werke und Berichte zieht, dafs die Insel felsig sei; sie besteht vielmehr einfach aus einem höheren diluvialen und einem niedrigen alluvialen Theile. Ihre Entfernung von Enkhuizen beträgt 20280, von Campereiland in der Ysselmünde 17320, von Schokland 11400 Ellen. Im Jahre 1673 hatte sie 300, im Jahre 1851 dagegen 1232 Einwohner. Die Existenz derselben ist einzig auf den Fischfang gestellt. Sie leben fast nur von Brod, Kartofleln und Fischen; Fleisch wird sehr wenig genossen. Von den Frauen wird besonders erwähnt, dafs sie zwei silberne Nadeln mit grofsen Knöpfen durch das Haar stecken, jedoch keine Ohrplatten (oorijzers der Friesinnen) tragen. Im Allgemeinen sind es starke, wohl gebaute Leute mit breiten Schultern und Hüften, blondem Haar und blauen Augen. Unter den Frauen trifft man viele, welche Anspruch auf Schönheit machen kön- nen, namentlich zeichnen sie sich aus durch weilse Haut und grofse dunkel- blaue Augen mit langen Wimpern und zierlich gebogenen Brauen, we- niger durch ihren übrigen Körperbau, der etwas Plumpes und Männ- liches hat. Hr. Harting hält diese Bevölkerung für eine reine und fast ganz unvermischte Rasse, welche von den alten Bewohnern der Insel unver- ändert abstamme. Höchst selten heirathe ein Urker aufserhalb der Insel oder lasse sich ein Fremder auf derselben nieder. So erkläre es sich denn auch, dafs sie einander in allen Stücken in höchstem Maalse ähn- lich sehen. Hr. Harting spricht sich jedoch nicht darüber aus, zu welcher Rasse er die Urker stellt; er schlie(st nur aus dem Verhalten ihrer Schädel, dafs sie keine Celten seien !). Umgekehrt erklärt Hr. Lu- !) Harting, Het eiland Urk Bl. 68. Phys. Kl. 1876. 8 . 58 Vırcuow: Beiträge zur physischen Anthropologve bach!), dafs er noch sehr im Zweifel sei, ob die Urker, sowie die Schok- länder und die Marker als Friesen angesehen werden dürfen. In dieser Beziehung möchte ich zunächst bemerken, dafs die Cra- niologie ganz bestimmt für die Rassen-Uebereinstimmung der Bewohner der drei Inseln spricht und dafs daher das, was für die eine Insel ermit- telt wird, auch für die anderen gelten muls. Sodann will ich darauf hin- weisen, dafs es in höchstem Maafse auffällig sein würde, wenn die Insel Marken, welche tief im innersten westlichen Busen der Zuiderzee dicht an der westfriesischen Küste gelegen ist, keine friesische Bevölkerung be- sitzen sollte. Endlich kann ıch anführen, dals historische Gründe dafür sprechen, Urk und Schokland als friesische Inseln zu betrachten. Dies ergiebt sich aus folgender Betrachtung: Man ist allgemein darin einverstanden, dafs die Zuiderzee erst in historischer Zeit entstanden ist?). Eine Reihe mächtiger Sturmfluthen, deren Wirkung im Einzelnen freilich nicht genau bekannt ist, hat ım Laufe von Jahrhunderten immer grölsere Strecken bebauten und bewaldeten Landes in dieser Gegend hinweggerissen. Nicht nur liest zwischen den Hauptfluthen von 1170 oder 1173 und von 1395 eine grölsere Zahl schwerer Ueberflluthungen des 13. Jahrhunderts, sondern es sind auch sowohl nach, wie vor dieser Zeit nicht wenige, weitere Einbrüche des Meeres zu verzeichnen. Für unsere Untersuchung ist von besonderer Wichtigkeit, dafs die jetzigen Inseln Urk und Schokland nebst dem „er- trunkenen Lande“ in der Zuiderzee zur Grafschaft Stavoren (die auch Westerfle hiefs) und zu Westfriesland gehörten®). Noch im Jahre 1309, wo schon die Holländer bei einem Kriesszuge gegen die Friesen in Gaas- terland, südöstlich von Stavoren, landeten, schrieben die von Stavoren an die von Lemmer, Stellingwerf und Kuinre, sie sollten sich keine Rechte über das Land Urk und dessen Bewohner anmaalsen, vielmehr Stavoren in seinen Rechten unterstützen *). Daraus folgt, dafs Urk schon vor der 1) Lubacha.a.O. Bl. 433. ?) Friedr. v. Hellwald, Die Zuydersee. Mittheilungen der Wiener geogra- phischen Gesellschaft. 1870. Heft 6. (Im Einzelnen nicht ganz fehlerfrei). 3) Hettema, Het meer Flevum. Bl. 14, 18, 19. *) Winsemius, Kroniek van Friesland. Bl. 158 (bei Fockema a. a. O. Ill. Bl. 611.) der "eutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 59 grofsen Fluth von 1395, welche das Land um Medenblik und Enkhuizen, sowie den Busch von Kreil, westlich von Stavoren, verschlang, vom Fest- lande abgetrennt war, vielleicht schon durch die Sturmfluthen des 15. Jahr- hunderts. Die holländischen Schriftsteller haben diese Verhältnisse seit lan- gen Jahren besprochen, hauptsächlich in Verbindung mit der Frage nach der Lage des alten lacus oder mare Flevo, des Flusses Flevus, der Insel Flevo und des römischen Kastells Flevum. Die viel eitirte Stelle des Pomponius Mela!) lautet: Rhenus, ad dextram primo angustus et sui similis, post ripis longe ac late recedentibus iam non amnis, sed ingens lacus, ubi campos implevit, Flevo dieitur, ejusdemque nominis insulam amplexus, fit iterum artior iterumque fluvius emittitur. Im Vorübergehen möchte ich darauf aufmerksam machen, dafs die Worte ubi campos im- plevit darauf hindeuten könnten, dafs man schon damals Kenntnifs von einer auf Ueberfluthung zurückzuführenden Entstehung des Sees hatte. Aber wo lag dieser See und die in ihm befindliche Insel? Die am meisten abweichende Meinung hat Hr. Hettema, indem er annimmt, dafs der friesische Westergau die Insel Flevo gewesen sei und der See Flevo sich in der Richtung erstreckt habe, in der noch heutigen Tages das Tjeuke- meer, Slotermeer, Heegermeer und der Fliussen durch das eigentliche (mittlere) Friesland hindurchziehen ?). Es ist unzweifelhaft, dafs noch ziemlich spät an der Grenze zwischen Oster- und Westergau von der Nordsee her eine Seebucht tief durch das Land hinzog, die viel genannte Middelzee, welche bei Berlicum eintrat, bei Leeuwarden vorbeiging und bis Tjerkwert reichte. Aber der nördliche Eingang dieser Seebucht hiefs schon 1190 Boer- oder Borndiep und in ihrem weiteren Verlaufe im Lande wurde sie 1297 Burdena (Burdus, vielleicht identisch mit dem Vidrus des Ptolemaeus) genannt, während der Name des Vlie-Stromes stets an dem Stromlauf hing, welcher westlich vom Westergau, bei Stavoren und Harlingen vorüber, sich dem Meere zuwendet und welcher, früher zwischen Texel und Vlieland, jetzt zwischen Vlieland und ter Schelling sich in die Nordsee ergielst. Meiner Meinung nach steht wenig entgegen, !) Pomponius Mela, De chorographia III. 24. 2) Hettema, a. a. O. Bl. 24. ei 60 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologie die von den Herren Fockema und Hettema!) vertheidigte Ansicht als möglich zuzulassen, dafs die Seezüge der römischen Feldherrn gegen die Germanen durch die genannten Wasserstralsen bis zum Boerdiep gesan- sen seien und hier erst die Nordsee erreicht haben, aber man wird schwer- lich umhin können, wie übrigens auch Hr. Hettema zugiebt, den zu allen Zeiten so benannten Vlie-Strom für den Flufls Flevus zu halten. War dies aber der Fall, so entspricht es nicht nur der ganzen Anlage der rö- mischen Befestigungen, das Oastellum Flevo auf die linke Seite des Stromes zu setzen, sondern es ist auch die Insula Flevo in der Zuiderzee zu suchen. Die sogenannte Mittelsee ist im Laufe der Zeit zum gröfseren Theil verschwunden. Nach dem friesischen Chronisten Worp van Tha- bor begann das Meer hier seit 1220 allmählich zurückzuweichen in dem Maalse, als die Zuiderzee sich vergrölserte; gleichzeitig geschah, nament- lich seit 1190, in immer grölserem Styl die Eindeichung des Landes ?). Wahrscheinlich hing diese günstige Veränderung damit zusammen, dafs die Wasserstrafsen zwischen den friesischen Inseln überhaupt sich änder- derten. 1218 wurde auch das Land am Jadebusen durch eine mächtige Wasserfluth verwüstet?) und 1277 begann mit der Ueberfluthung eines srolsen Theils des Reiderlandes die Bildung des Dollart*). Längs der sanzen Küste hatte das Friesenvolk schwere Arbeit, und es begreift sich wohl, dafs in jenen Zeiten vielen von ihnen, wie einst den Cimbern, der Gedanke an Auswanderung kam und dafs sie die Anerbietungen der Mark- srafen in der Ostmark (S. 26) gern annahmen. Die verschiedenen grofsen Seebuchten des Friesenlandes, die Zui- derzee, der Dollart und der Jadebusen, in gewissem Maalse auch die Lauwerzee, bieten in ihrer allgemeinen Conformation viel Aehnlichkeit dar, obwohl sie in sehr verschiedenen Zeiten entstanden sind. Der Dol- 1) Fockemaa.a. O. Ill. Bl. 599. Hettema Bl. 24. ?2) Hettema a. a. O. S. 42, 44. Nach der Darstellung des Hrn. Hettema könnte es scheinen, als ob die Anlage von Deichen und Poldern verhältnilsmäfsig spät in Angriff genommen wurde. Allein an der Jade gab es schon im 10. Jahrhundert Deiche, Siele und Deichgeschworne (Visbeck S. 23), und an der Weser sollen erstere nach der Sturmfluth von 1012 angelegt sein (Allmers.a.a. O. S. 40). Dagegen behauptet freilich Hr. Schumacher (Bremisches Jahrbuch. 1868. III. S. 202), dafs die ersten Eindei- chungen an der Weser im Anfange des 12. Jahrhunderts stattfanden. 3) Visbeck.a.a. O0. S.20. 4) Wiarda.a.'a. O. I. S. 257. der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 61 lart entstand der Hauptsache nach durch die Weihnachtsfluth des Jahres 1287; die Jade erhielt ihre gegenwärtige Gestalt erst durch die Sturm- fluthen der Jahre 1509 und 1511, wo die „Insel“ Bandt zerstört wurde. Aber fast alle diese Buchten haben eine gleichartige Conformation. So- wohl da, wo grolse Ströme von Osten her einflielsen, wie die Yssel und die Ems, als auch da, wo solche Ströme fehlen, wie an der Jade, zeigen die Buchten ihre Hauptausweitung nach Westen hin. Man könnte daher geneigt sein, auch die grolse, nach Westen hin ausgeweitete Innenbucht der Zuiderzee als einen Einbruch der See anzusehen. Mag das sein, aber nichts berechtigt uns anzunehmen, dals dieser Einbruch in historischer Zeit erfolgt sei. Vielmehr scheint es mir unumgänglich, gerade diesen südwestlichen Theil als den ingens lacus Flevo des Pomponius Mela zu betrachten. Eine grofse Zahl holländischer Schriftsteller, denen dieselbe Vor- stellung vorschwebte, ist deshalb geneigt gewesen, die Insel Flevo an der Stelle zu suchen, wo jetzt Urk liegt, und entweder Urk und Schokland als früher zusammenhängendes Inselgebiet zu nehmen, oder Urk mit dem Enkhuizer Sand zu vereinigen !). Beides ist denkbar. Obwohl zwischen Urk und der grofsen Sandbank von Enkhuizen das sogenannte Val?) van Urk, die tiefste Wasserstrafse der Zuiderzee liest, so hat dieselbe doch nur eine Tiefe von 5,6 Ellen und Hr. Harting hält diese Tiefe, im Vergleich mit der Tiefe des Veenbodens unter Amsterdam, für keinen Gegengrund gegen einen früheren Zusammenhang. Trotzdem ist er offenbar dieser Hypothese abgeneigt, und mit Recht. Denn zwischen Urk und Schok- land hat die See nirgends mehr als 4 Ellen, durchschnittlich sogar nur 3,6— 3,8 Ellen Tiefe, und es wird hier sogar noch eine flache Stelle im Wasser gezeigt, welche den Namen des Urker Kirchhofs trägt. Darnach dürfte es nicht unwahrscheinlich sein, dafs eine alte Ausströmung des Flevo- Sees westlich durch das Val van Urk ging, während die Yssel ihren Lauf östlich von Schokland nahm, und wir hätten allen Grund, in den beiden Inseln die Ueberreste des alten Eilands Flevo zu sehen. !) Hartinga.a. O. Bl. 45. Anm. Acker Stratingh Aloude Staat en Geschie- denis des Vaderlands. I. Bl. 240. 2) Es ist dies dasselbe Wort, welches in Sinkfal und Südfall (S. 21. Anm. 2) ent- halten ist. 62 VırcHow: Beiträge zur physischen Anthropologie Die geologischen Untersuchungen des Hrn. Harting!) haben noch eine interessante Thatsache aufgedeckt. Während Marken und Schokland rein alluvialen Ursprunges sind, findet sich in Urk ein diluvialer Kern. Derselbe mufste schon vorhanden sein, als noch ringsumher das hollän- dische Land Meer war. An ihn hat sich allmählich eine alluviale Um- sebung angesetzt und zwar eine Süfswasserformation. Diese ist schliefs- lich zum Theil durch Meer-Alluvium bedeckt worden. Mit Recht schliefst der sorgsame Beobachter aus diesem Befunde, dafs die alte Insel, die man sich in ihrem diluvialen Theile als erheblich gröfser, als das jetzige Urk, vorzustellen hat, eine lange Zeit hindurch in emer vom Rhein ge- speisten, aber schon vom Meere abgetrennten Lagune gestanden haben müsse und dafs erst nach dem Durchbruch des Meeres durch die Aufsen- wand die letzte, marine Auflagerung angesetzt worden sei. Die Lagune aber war der Flevo-See der klassischen Schriftsteller. Das ist wohl nicht zu bezweifeln. Ob auf der weiteren Insel Urk auch jenes Castellum Fle- vum, dessen von den Friesen bedrängte Besatzung der Propraetor L. Apro- nius im Jahr 28 nach Chr. unter schweren Verlusten rettete?), und der Wald der Baduhenna®) gelegen hat, mufs ich dahingestellt sein lassen. Das aber scheint mir unbestreitbar, dafs diese einsamen und selten besuchten Inselchen für die anthropologische Forschung fast die Sicher- heit des Experimentes darbieten, und dafs ihre blondhaarige, blauäugige, hellfarbige und kräftige Bevölkerung als eine urgermanische die höchste Aufmerksamkeit verdient. Mir scheint der friesische Ursprung dieser Be- völkerung zweifellos, trotzdem dafs die Frauen keine „Öhreisen“ tragen. Ich würde daraus nur schliefsen, dafs die „Öhreisen* kein archaischer Schmuck sind. 1) Harting a.a. O. Bl. 44. 2) Tacitus, Annal. Lib. IV. 72. %) Stände nicht bei Tacitus lucus Baduhbennae, so böte sich die nächste Ana- logie mit Arduenna. Der Genitiv aber scheint auf eine Göttin Baduhenna hinzuweisen. Die ersten Sylben, welche freilich auch an Batua (insula Batavorum) anklingen, finden sich wieder in den von Hrn. Watterich (a. a. OÖ. S. 232) erwähnten Muttergöttinnen Vatuiae, von denen er den Namen der tungrischen Stadt Ad-uatica ableitet. Die Aduatuci aber waren nach Caesar ein cimbrischer Stamm, einst von Jütland in das niederrheinische Gebiet gezogen und dort zurückgeblieben. der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 63 Sehen wir jetzt die Schädel dieser Insulaner genauer an. Die 5 Schädel aus dem Museum Vrolik, welche ich zunächst zu besprechen habe, stammen von den Inseln Marken und Urk. Ich werde bei ihrer Besprechung zugleich das sonst über Schädel derselben Prove- nienz Bekannte anschliefsen, und auch hinzufügen, was mir über Schok- länder Schädel zugänglich geworden ist. 1. Schädel von der Insel Marken. (Hierzu Taf. I—II). Zwei von den Schädeln des Museum Vrolik sind Marker. Glück- licherweise ist nach allen Merkmalen der eine derselben (Nr. 15) ein männlicher, der andere (Nr. 16) ein weiblicher, so dafs auch die geschlecht- lichen Unterschiede einigermalsen erkennbar werden. Beide sind mit Unterkiefern und zwar mit erträglich passenden versehen. Nichtsdestoweniger läfst sich darüber streiten, ob diese Unter- kiefer zu den Schädeln gehören. Namentlich ist dies zweifelhaft bei Nr. 16, dem weiblichen Schädel. Trotzdem hat es einiges Interesse, auch diejenigen Maalse zu geben, welche den Unterkiefer mit betreffen. Man ge- winnt dadurch wenigstens ein annäherndes Bild des gesammten Kopfskelets. A. Der Schädel Nr. 15 (Taf. 1.). Ein wohlgebildeter Mannesschädel, zugleich der gröfste der ganzen Reihe. Seine Capaeität beträgt 1500 Cub. Cent., sein gröfster Horizon- talumfang 545, der grölste vertikale Querumfang 313 Mm. Diese Maafse werden von keinem der anderen Schädel erreicht. Das Verhältnifs von Längs- und Querumfang ist — 100 : 57,4; der Querumfang (von einem Öhrloch zum andern über die vordere Fontanelle gemessen) beträgt dem- nach etwas mehr als die Hälfte des gröfsten Längsumfanges. Nach der Beschaffenheit der Zähne zu urtheilen, gehörte der Schä- del einem älteren Manne an. Wenn man auch von dem Unterkiefer ab- sieht, der vielleicht nicht dazu pafst, so beweist doch die tiefe Abnutzung der Zähne des Oberkiefers ein höheres Lebensalter. Berechnet man aus der beigefügten Tabelle die Indices, so erhält man folgende Hauptzahlen: 64 Vırcmow: Beiträge zur physischen Anthropologie Längenbreiten-Index . . . . 76,0 Längenhöhen-Index . . . . 670 Breitenhöhen-Index . . . . 881 Auricularhöhen-Index . . . 56,7 Orbitalndes Hr It Nasen-Index +... Aiee AH Der Schädel ist also mesochamaecephal und steht an der äulsersten (niedrigsten) Grenze der Leptorrhinie (Broca). Diesen Verhältnissen entsprechend erscheint er in der Seitenansicht (Fig. 2) lang gestreckt und niedrig. Die Scheitelhöhe liest kurz vor der Kranznaht am Stirnbein, welches hier eine mediane Vorragung (Crista) besitzt. An der Stirn unterscheidet man eine niedrige, etwa 30 Mm. be- tragende, etwas schräge Vorderfläche und eine sehr lange, weit zurück- weichende, wenig gewölbte hintere Fläche. Beide zusammen haben einen Längsumfang von 134 Mm. Die Kranznaht greift in der Mitte weit rück- wärts und ist hier wenig, seitlich dagegen, oberhalb der Lineae semicir- culares stark gezackt, innerhalb des Planum temporale einfach und fast vollständig synostotisch. Hinter der Kranznaht geht die Scheiteleurve gleichmäfsig fort bis zur Mitte der Pfeilnaht; von hier an macht sie einen stumpfwinkligen Abfall nach hinten, der bis über die Spitze der Lambda- naht reicht. Die Sutura sagittalis zum grofsen Theil synostotisch (Fig. 3), nur an den Enden noch offene Ueberreste derselben. Beide Emissarien oflen, das linke aber verkleinert. Am Hinterhaupt starke Wölbung der Öberschuppe mit stärkster Prominenz zwischen dem ersten und zweiten Drittel, so dafs die Gegend der Protuberanz schon ziemlich weit nach vorn liegt. Die Protuberanz selbst ist nicht deutlich von der Linea nuchae superior abgesetzt (Fig. 4), welche einen sehr starken Wulst bis zur Sutura mastoidea bildet. Oberschuppe sehr glatt und dicht. Beiderseits schwache Spuren der Sutura transversa von den Seiten her. Die Unterschuppe mit starken Muskelinsertionen und einer sehr scharfen Crista perpendi- cularis. Links ein grolses Foramen mastoideum, rechts keines; Wangen- fortsätze seitlich abgeplattet, mit ungemein tiefer Incisur (Fig. 5). Tubera frontalia und parietalia ziemlich deutlich, die letzteren un- gefähr in der Mitte der Länge der Scheitelbeine. der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 65 Das Planum temporale beiderseits scharf begrenzt. Die Linea se- micireularis beginnt mit einer scharfen Crista am Stirnbein, geht jenseits der Kranznaht mit einer starken Biegung nach oben und nähert sich hier, einen Fingerbreit hinter der Kranznaht, mit ihrem unteren Schenkel der- jenigen der anderen Seite bis auf 147 Mm. Der innere oder obere Schen- kel entwickelt sich deutlicher erst hinter der Kranznaht, nähert sich dem der anderen Seite hin auf 140 Mm., kreuzt das Tuber parietale und erreicht, deutlicher auf der linken Seite, die Sutura mastoparietalis. Das ganze Pla- num ist sehr glatt, jedoch von zahlreichen, vertieften Linien durchzogen, welche von der Schuppennaht strahlenförmig anheben. Beiderseits ist die Ala temporalis mit dem Stirnbein vollständig, mit dem Scheitelbein grofsen- theils verwachsen. Diese ganze Gegend ist zugleich etwas hügelig und mit anomalen Gefälslöchelchen versehen. Weiter nach unten sind die Alae stark eingebogen. Rechts hat die Ala in gerader Horizontalrichtung, von der Su- tura zygomatico-frontalis aus gemessen, eine Breite von 16, links von19 Mm. Der Angulus parietalis ist beiderseits schmal, links überdiefs durch einen Schaltknochen, der sich von oben her 7 Mm. tief und 3 Mm. breit in die Schläfenschuppe einsenkt, zum grofsen Theil von der Ala geschieden. Die Schläfenschuppe ist trotzdem verhältnilsmälsig grofs: rechts hat sie in horizontaler Richtung, vom Angulus mastoideus aus gemessen, eine Länge von 74 Mm., über dem Tubereulum zygomaticum eine verti- cale Höhe von 50 Mm.; links mifst sie 76 Mm. in der Länge und 50 in der Höhe. Am hinteren Theil der Schläfenschuppe zieht sich vom Angu- lus mastoideus aus, hinter dem Ansatze der Linea semicireularis begin- nend, ein tiefer Eindruck gegen die Ohröffnung hin, an welchen sich die schon gedachte Abplattung des Warzenfortsatzes anschliefst. Das äufsere Gehörloch triehterförmig, jedoch von vornher etwas abgeplattet, nament- lich rechts. In der Oberansicht (Fig. 3) erscheint das Schädeldach eiförmig, vorn abgestumpft, im Ganzen etwas schief. Die Jochfortsätze des Stirn- beins sind etwas, die Jochbögen nur wenig sichtbar. Die ganze muskel- freie Fläche des Schädeldaches ist leicht hyperostotisch, mit zahlreichen Gefäfslöchelchen und von den Tubera parietalia ausstrahlenden Gefäfsfurchen. Die Hinteransicht (Fig. 4) zeigt den Schädel breit und niedrig, mit platter Basis, wenig vortretenden Seitenflächen und flach gewölbtem Phys. Kl. 1876. 9 66 VırcHow: Beiträge zur physischen Anthropologie Dach, an welchem die Sagittalgegend etwas erhabener ist. Die gröfste Breite liegt unter den Scheitelhöckern dicht an der Schuppennaht; die gröfste Enge in der Gegend der Warzenfortsätze. Die Querdurchmesser haben folgende Maalse: Tuberal--Durchmesserk IKT Id eh 203950; Gröfste Breite . . . : 148,6, Oberer Mastoideal- ihre (Bakiyı. 124,0, Unterer Mastoideal-Durchmesser (Spitze) 109,0. Die Lambdanaht beginnt an der Spitze, namentlich links, zu verwachsen. Ihre Seitentheile sind stärker zackig, namentlich. rechts mit gröfseren Zacken. In der Basilaransicht (Fig. 5) sieht man deutlich die linke Seite mehr nach rückwärts vortreten. Der Schädel erscheint verhältnifsmäfsig breit, das Hinterhaupt stark entwickelt. Die gerade Entfernung der Hinter- hauptswölbung von dem Hinterhauptsloche beträgt 68 Millim., etwas über + der Gesammtlänge (34,7 :100). Das Hinterhauptsloch ist grols; sein Index beträgt 81,5. Sein hinterer Umfang ist mehr gerundet, sein vor- derer etwas zugespitzt. Der ziemlich dicke Rand schliefst sich an die bedeutend hervortretenden und stark gewölbten Gelenkhöcker. Apophysis basılarıs breit und platt, zwischen den Hypoglossus-Löchern 39 Mm. breit. In der Gegend der Synchondrosis spheno-oceipitalis ein querer, wahr- scheinlich künstlicher Spalt. Die Gelenkgruben für den Unterkiefer tief. Die Flügelfortsätze schmal und hoch. In der Vorderansicht (Fig. 1) erscheint der Kopf niedrig, das breit gewölbte Dach in der Mitte schwach erhaben. Die Stirn ziemlich breit, mit starken Wülsten, welche an der Nasenwurzel zusammenfliefsen, nach aulsen dagegen sich schnell von den Orbitalrändern entfernen. Sie machen den Eindruck hyperostotischer Gebilde, ihre Oberfläche ist feinwarzig und mit vielen gröfseren Gefäfslöchern durchsetzt. In der Mitte sieht man einen sehr dicht gezackten Rest der Stirnnaht. Beide Supraorbital-Einschnitte durch Vorschiebung der Orbitalränder in geschlossene Löcher verwandelt. Das Gesicht mehr schmal und relativ hoch. Auch die Orbitae hoch (Index 95). An die stark vortretenden Jochtortsätze des Stirnbeins schliefsen sich wenig vorspringende Wangenbeine mit flach angelegten Joch- bögen. Die Nase mit wenig vertiefter Wurzel, sofort stark vortretend der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 67 (Fig. 2) und im Ganzen hoch (57 Mm.). Die Nasofrontalnaht springt in den breiten Nasenfortsatz des Stirnbeins mit einer Wölbung ein, welche der Ansatzstelle der Nasenbeine entspricht. Letztere sind hier breit, das rechte etwas breiter; dicht unter dem Ansatz verschmälern sie sich, so dals die Stirnfortsätze der Oberkiefer sich sehr einander nähern. Gerader Querdurchmesser der knöchernen Nase am Ansatze 12, tiefer herunter kaum 11, unten fast 16 Mm. Der ganz gerade, wenig scharfe Rücken 25 Mm. lang. Die Nasenöffnung schmal und hoch: Index derselben 64,4. Der Oberkiefer schmal. Die Fossae caninae sehr deutlich, aber nicht scharf abgesetzt. Infraorbitallöcher grofs. Starke Spina nasalıs, die auf eine kräftige Nasenscheidewand deutet. Das knöcherne Septum narium stark nach rechts verschoben. Alveolarfortsatz in der Mitte 15 Mm. hoch, wenig vortretend (Fig. 2). Längs seiner Ränder, besonders rechts, sieht man zahlreiche porotische, hyperostotische und usurirte Stellen, hier und da auch Durchbohrungen durch Caries der Zahnwurzeln. Die tief abgenutzten Zähne sind zum Theil defeet. Namentlich fehlen die hintersten Backzähne und der entsprechende Theil des Alveolarfortsatzes ist zu einer schmalen Leiste umgewandelt, welche gegen das Palatum hin steil ansetzt, dagegen aulsen mehr ausgerundet ist. Auch der harte Gau- men ist in seiner ganzen Ausdehnung verdickt und porotisch. Er hat eine sehr eigenthümliche, längliche, schmale Gestalt, mit fast vollständig parallelen Seiten (Fig. 4). Seine ganze Länge beträgt 50, die Breite am zweiten Backzahn 30 Mm. Das Foramen intermaxillare ist ungemein grols; nach der Nase zu sieht man dasselbe sich in zwei Canäle scheiden. Der in seiner Beziehung zu diesem Schädel etwas zweifelhafte Unterkiefer unterscheidet sich sowohl durch die Beschaffenheit seines Ge- webes, als durch den Zustand der Zähne. Diese haben, namentlich auf der rechten Seite, fast intacte Kronen, was gegenüber der tiefen Ab- nutzung der oberen Zähne sehr auffällig erscheint. Indefs wäre es mög- lich, dafs die Zähne des Unterkiefers falsch eingesetzt worden sind; wenig- stens palst der Unterkiefer sonst recht wohl und der sonstige Zustand des- selben spricht einigermalsen gegen den guten Erhaltungszustand der Zähne. Links fehlen nämlich nicht nur die drei unteren Backzähne, sondern ihre Alveolen sind auch vollständig geschlossen und der Alveolarrand eigent- 9* 68 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologie lich ganz atrophisch. Ebenso verhält sich rechts die Stelle für den ersten und dritten Backzahn. Im Uebrigen ist der Unterkiefer in allen seinen Theilen etwas zart. Der Ast ist 59 Mm. hoch und 30 breit. Der Processus coronoides platt, schwach und durch eine kurze Incisur von dem gleichfalls schwachen Gelenkfortsatz geschieden (Fig. 2). Seitentheile ziemlich dick. Schwach vorgeschobene Stellung des Zahnfortsatzes. Das Kinn dreieckig, aber schmal, kaum über dem unteren Rande erhoben (Fig. 1). Starke doppelte Spina mentalis interna. Die Zahncurve tritt hinten stark nach innen, so dafs die letzten Zähne durch den Rand des Astes gedeckt werden und dafs sich innen ein stark vortretender Knochenwulst bildet (Fig. 5). Distanz der Kieferwinkel 96, der Gelenkfortsätze 104 Mm. B. Der Schädel Nr. 16 (Taf. I). Ziemlich gut erhaltener, offenbar weiblicher Schädel mit geschlos- sener Sphenooccipitalfuge, ausgebildeten Weisheitszähnen, jedoch nur wenig abgeschliffenen Zähnen. Er dürfte einer Person in den zwanziger Jahren angehört haben. Die Basis zeigt in Folge beginnender Verwitterung an der Luft ein trockenes, weilses, splitteriges Aussehen. Der nach Form und Zahnbildung ganz gut passende Unterkiefer ist in Farbe und sonsti- gem Aussehen so abweichend, dafs es zweifelhaft erscheint, ob er der richtige ist. Dieser Schädel ist unter den fünf aus dem Amsterdamer Museum der kleinste und zugleich der niedrigste. Seine Capacität beträgt nur 1150 Cub. Centim., so dafs er sich der äufsersten Grenze gegen die Mi- krocephalie hin nähert. Der gröfste Horizontalumfang mifst 490, der ver- ticale Querumfang (über die vordere Fontanelle gemessen) 277 Mm. Letz- terer beträgt daher etwas mehr als die Hälfte des ersteren (56,5 : 100). Aus den in der Tabelle angegebenen Zahlen berechnen sich fol- gende Indices: der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 69 Längenbreiten-Index . 78,7, Längenhöhen-Index . . 63,2, Breitenhöhen-Index . . 80,2, Aurieularhöhen-Index . 55,1, Orbital-Index . . ... 85,3, Nasen-Index . . .. .. 50,0. Der Schädel ist also mesochamaecephal und zwar nähert er sich in Bezug auf den Breiten-Index der Brachycephalie, während er in Bezug auf den Höhen-Index der ausgemachten Chamaecephalie angehört. Der Nasenbildung nach wäre er als mesorrhin, der Kieferbildung nach als leicht prognath zu bezeichnen. Nach dieser allgemeinen Charakteristik wird das Einzelne der Be- schreibung leichter verstanden werden: In der Norma temporalis (Taf. Il. Fig. 2) erscheint der Schädel ungemein lang und niedrig mit fast ganz ebener Scheiteleurve und stark vorspringendem Hinterhaupt. Das Gesicht ist beträchtlich vorgeschoben, namentlich tritt das Kinn so weit vor, dals eine von der Stirn zum Kinn gezogene Profillinie fast genau mit der Medianfläche des Unterkiefers zu- sammenfällt. Es ist die von Hrn. L. Meyer!) mit dem Namen des Progenaeus bezeichnete Form. Die Stirn hat eine niedrige, kaum 30 Mm. in der Höhe messende, schwach nach rückwärts gerichtete Vorderfläche und eine sehr schnell und fast winklig nach hinten zurückweichende obere Fläche, deren hinterer, etwa 40 Mm. langer Theil ganz horizontal verläuft. Die Scheitelhöhe liegt senk- recht über dem Vorderrande des grofsen Hinterhauptsloches am Stirnbein vor der Kranznaht. Letztere bildet einen starken Aussprung nach rückwärts (Fig. 3) und ist an ihrem mittleren Theile wenig, an dem seitlichen stark zackig, innerhalb der Plana temporalia einfach und links im Beginn der Verwachsung. Hinter der Kranznaht trifft man zunächst eine seichte Ver- tiefung (Fig. 2), die gegen die Seiten verstreicht. Weiterhin macht die Scheiteleurve einen gleichmälsigen, flachen Verlauf bis über die Gegend der Scheitelhöcker hinaus. Von hier aus bildet sie einen schnell ab- fallenden, fast regelmälsig rundlichen Bogen bis zu der Gegend der Pro- !) Ludwig Meyer, Archiv für Psychiatrie. Bd. I. S. 96. 70 Vırcmow: Beiträge zur physischen Anthropologie tuberanz. Letztere ist nicht ausgebildet. Der stärkste Vorsprung nach hinten befindet sich dicht unter dem Lambdawinkel. Die Tubera parietalia liegen ungefähr in der Mitte der Länge der Seitenwandbeine. Sie sind nicht ganz symmetrisch gestellt, indem das rechte etwas tiefer und ein wenig weiter nach vorn steht. Der Schädel ist dem entsprechend etwas schief (Fig. 5). Das Planum temporale hat einen sehr grofsen Umfang, indem der obere Schenkel der Grenzlinie die Tubera kreuzt und bis nahe an die Lambda- naht reicht. Die Lineae semicireulares sind im Ganzen schwach. An der Kranznaht, am stärksten links, machen sie eine Einbiegung nach unten. Der Schläfentheil des Stirnbeins ist links rundlich vorgewölbt. Ein rhombischer Fontanellknochen von 18 Mm. diagonaler Länge und 8 Mm. verticaler Höhe scheidet auf dieser Seite den sehr kurzen Angulus parietalis von der Ala temporalis. Letztere ist 18 Mm. in gerader Horizontalrichtung breit und nur wenig eingebogen. Die Squama temporalis milst 64 Mm. in der Länge und 35 in der Höhe; sie ist verhältnifsmäfsig platt. Auf der rechten Seite, wo der Angulus parietalis gleichfalls kurz ist, läuft die Sphenoparietalnaht in einer Linie mit der Schuppennaht gerade fort bis zur Kranznaht; sie ist 10 Mm. lang. Die Ala dieser Seite hat eine gerade Breite von 19 Mm. und ist an ihrem vorderen Theile stark eingebogen. Die Squama temporalis hat 60 Mm. Länge und 36 Mm. Höhe. Die Spheno- temporalnaht unregelmäfsig, mit stärkeren Auszackungen gegen die Ala. Die Gehörlöcher weit und fast vollkommen rundlich. In der Scheitelansicht (Fig. 3) bildet das Schädeldach ein langes Oval mit merklicher Verkürzung der rechten Hälfte in ihrem vorderen Abschnitte. Sowohl der vordere, als der hintere Umfang sind breit ge- rundet. Die unteren Seitentheile der Parietalia treten stark vor und die gröfste Breite liest zwei Fingerbreit unter den Scheitelhöckern an der Schuppennaht. Sowohl die Jochbogen, als auch die Jochfortsätze des Stirnbeines und die Nase sind in der Oberansicht sichtbar. Die Pfeil- naht in ihren vorderen zwei Drittheilen stark zackig, zwischen den feh- lenden Emissarien einfacher, hinten wieder etwas mehr gezackt. Medianer Theil der Stirn etwas erhaben, jedoch nicht in Form einer sogenannten Crista, sondern in Form einer undeutlich dreieckigen, nach hinten sich verbreiternden Vorwölbung. der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 71 Norma oceipitalis (Fig. 4): der Schädel macht den Eindruck, als sei er von oben her zusammengedrückt und abgeplattet. Sein Contour bildet eine ganz flache Wölbung mit gerundeten Seitentheilen und breiter Basis. Der Lambdawinkel ist weit. Die Oberschuppe hat eine breite Fläche, begrenzt durch sehr zackige, gegen die Parietalia econvexe Nähte. Die Facies muscularis, obwohl durch Verwitterung etwas verändert, läfst kräftige Muskellinien erkennen. Die Norma basilaris (Fig. 5) zeigt ein sehr weit vortretendes, ver- hältnifsmäfsig breites Hinterhaupt und zugleich eine breite Vorwölbung der Schuppentheile oberhalb der Gehörgänge. Die gerade Entfernung der Hinterhauptswölbung vom Foramen magnum milst 67 Mm; das ergiebt 38,4 pCt. des gröfsten Längsdurchmessers des Schädels. Das Foramen magnum selbst ist etwas klein und länglich: Index 78,5. An seinem hinteren Umfange ist es durch zwei, seitlich vorspringende Winkel etwas verengt. Auch die, übrigens stark gebogenen Gelenkfortsätze springen über den Rand vor. Die Apophysis basilaris platt und breit; zwischen den Löchern für den Hypoglossus beträgt die Distanz 34 Mm. Die Löcher für den Bulbus jugularis sebr grofs, namentlich das rechte, welches 13 Mm. breit und 9 Mm. lang ist. Die weit von einander stehenden Warzenfort- sätze sind ungemein klein, kurz, zugespitzt, jedoch mit sehr breiter In- eisur. Kiefergelenkgruben tief. Flügelfortsätze niedrig und schmal. Norma frontalis (Fig. 1): Niedriger Vorderkopf. Ziemlich volle Glabella. Sehr schwache und glatte Stirnwülste. Dünne und scharfe Orbitalränder mit einigen gröfseren Gefäfslöchern und mit ganz verwisch- ten Supraorbitalineisuren. Die Augenhöhlen sehr breit und weit geöffnet: Index 85,3. Ungemein weite Fissurae orbitales. Das Gesicht, nicht sehr breit und (falls der Unterkiefer richtig ist) keineswegs niedrig, macht im Ganzen einen mehr rundlichen Eindruck. Der Nasenfortsatz des Stirn- beins kurz; die Nasofrontalnaht in ihrem mittleren Theil convex einsprin- gend. Die knöcherne Nase schmal und stark vortretend (Fig. 2), mit hohem, leider am Ende verletztem Rücken. Gegen ihren Ansatz hin verbreitern sich die Nasenbeine so sehr, dafs der Stirnfortsatz des Oberkiefers rechts das Stirnbein gar nicht, links nur mit einer schmalen Spitze erreicht. Alle betheiligten Nähte sind schwach zackig. Die knöcherne Nase hat an der Ansatzstelle einen geraden Quer- 72 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologie durchmesser von 15, etwas tiefer von 10 und am unteren Ende von 13 Mm. An der Wurzel setzt die Nase fast ohne Vertiefung an, dagegen ist der Rücken etwas eingebogen. Apertur verhältnifsmäfsig breit, ganze Höhe der Nase (Nasofrontalnaht bis Spina) kürzer, daher grofser Index von 50. Septum ziemlich gerade. Spina stark. ‚Jochbeine wenig vortretend. Oberkiefer eher niedrig. Ungemein schmale Stirnfortsätze. Fossae canınae deutlich. Infraorbitallöcher klein, von oben und hinten her abgeplattet. Alveolarfortsatz niedrig, wenig vortretend. Der harte Gaumen etwas kurz und schmal: Längsdurchmesser 40, Querdurchmesser 34 Mm. Reste der Sutura intermaxillaris. Die seit- lichen Theile der Alveolarfortsätze laufen fast parallel mit einander; sie stehen sehr gerade und setzen steil gegen die Gaumenfläche an. Unterkiefer von glattem, dichtem Aussehen. Die Aeste (Fig. 2) sind breit (35 Mm. horizontaler Querdurchmesser) und niedrig. Nament- lich bleibt der Processus coronoides, der überdiefs sehr zart ist, um 8 Spitze erreicht nicht einmal die untere Jochbogenlinie. Die Kieferäste sind 9 Mm. ın der Höhe hinter dem Gelenkfortsatze zurück, und seine zugleich ungemein schräg gestellt: ihr Ansatzwinkel beträgt 130°. Auch die Seitentheile des Unterkiefers verlaufen schräg von hinten und oben nach unten und vorn, so dafs das schwach dreieckige Kinn tief steht und weit nach vorn vortritt. Von unten her betrachtet, bildet der Unter- kiefer eine verhältnilsmälsig breit ausgelegte Curve (Fig. 5). Spina men- talıs interna stark. Die Zahneurve schiebt sich jederseits weit hinter den Kronenfortsatz und bildet daher nach innen einen starken Vorsprung. Hr. Spengel!) beschreibt aus der Göttinger Sammlung 4 Schädel von Marken, 3 männliche und 1 weiblichen. Darunter befindet sich in erster Linie der Batavus genuinus, dessen grolse Bedeutung aus den frü- heren Auseinandersetzungen (S. 54) genugsam hervorgegangen sein wird. Ich kann hier nur einige der Hauptpunkte der Beschreibung wiedergeben: a) Der Batavus genuinus von Blumenbach Nr. 269 (Taf. V — VII. Fig. 1). Der Schädel eines nicht mehr jugendlichen Mannes, an dem 1) Spengel a.a. 0. S. 50. " der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 73 - die Pfeilnaht, die temporalen Antheile der Kranznaht und die Lambdanaht in der Verwachsung begriffen sind!). Die Hauptmaalse sind folgende: Größste,. Länge sulılns oma 208 5M. ee Nuke DEM HGbEN Hau, ud ah 5 Längenbreiten-Index . . 74,7 Längenhöhen-Index . . . 65,3 Breitenhöhen-Index.. . . 874 Die Form erscheint also chamaedolichocephal oder, wie Hr. Spengel sagt, neanderthaloid bei mäfsig prognathem, ziemlich nie- drigem und mittelbreitem Gesicht. Ganz besonders betont dieser Untersucher die durch die starke Ausbildung der Stirnhöhlen bedingte mächtige Ent- wickelung der Augenbrauenwülste und das ungewöhnliche Zurücktreten der Stirn. Das Stirnbein ist sehr lang; es mifst 140 M. im Sagittalumfang — 36,8 pCt. des ganzen Sagittalbogens. Die Temporalfläche des Stirnbeins ist stark nach aulsen vorgewölbt, namentlich links, wo die Sutura sphe- noparietalis 10 Mm. lang ist, während sie rechts nur 4 Mm. mifst. Schlä- fenschuppen hoch, 55 Mm. Ungewöhnlich hohe Plana temporalia. Lam- bdawinkel sehr grols. Hinterhaupt sehr gewölbt; Protuberanz und Mus- kellinien stark. Der Sagittalumfang der Hinterhauptsschuppe (122 M.) grölser, als die Länge der Pfeilnaht (118 Mm.). Warzenfortsätze kräftig. b) Der Schädel Nr. 270 (Holzschnitt Fig. 3). Gleichfalls von einem männlichen und zwar älteren Individuum, an dem die Pfeil-, Kranz-, Sphenoparietal- und Sphenofrontalnaht zu verwachsen beginnen. Sehr flach und dem Neanderthaler ähnlicher, jedoch mit weniger ausgebildeten Stirnhöhblen und stärkerer Stirnwölbung. Gröfste Länge... . .. 200 M. E Breiter 3a Ada sm :Böhe,... uns HDi Längenbreiten-Index . 74,5 Längenhöhen-Index . 67,5 Breitenhöhen-Index . 90,6 !) In der Zeichnung des Hrn. Spengel (Taf. V. Fig. 1) ist durch das linke Parietale eine senkrechte Naht gelegt, die, soweit ich aus der Beschreibung ersehe, in Wirklichkeit gar nicht existirt. Phys. Kl. 1876. 10 a 2, ET hen nl ZZ ea ae Bi, 74 Vırcuow: Beiträge zur physischen Anthropologie Die Form erscheint gleichfalls chamaedolichocephal. Hinter- haupt ziemlich stark gewölbt und mit kräftigen Muskellinien. Niedrigere Schläfenschuppen, stärker gewölbte Schläfengegend. c) Der weibliche Schädel Nr. 271 (Holzschnitt Fig. 4), von sehr gewölbtem Bau und mit kaum angedeuteten Muskellinien, wahrschein- lich von einem erwachsenen Individuum. Nur die Sutura temporo-ocei- pitalis links ist obliterirt, dagegen die Stirnnaht offen. Gröfste Länge . . 180 M. breiter AU a a Hlöhe 40:17: MOOS Längenbreiten-Index a) Längenhöhen-Index . 66,7 Breitenhöhen-Index . 93,1 Der Schädel ist gleichfalls chamaedolichocephal und zwar „aulserordentlich niedrig“. Die Augenbrauenwülste fehlen, dagegen sind die Stirnhöcker gut entwickelt. Die Hinterhauptsschuppe wenig gewölbt: sie gehört fast ganz der Unterseite des Schädels an. Ihr Sagittalumfang beträgt nur 29,3 pOt. des Gesammtscheitelbogens. d) Der männliche Schädel Nr. 272 (Holzschnitt Fig. 2), offen- bar von einem schon bejahrten Individuum herstammend. Nur an der Pfeilnaht beginnende Verwachsung. Gröfste Länge . . 194 M. N NBreite Hl USERN 0 Alöhre. I... SU Saal Längenbreiten-Index 76,3 Längenhöhen-Index.. 72,7 Breitenhöhen-Index.. 95,3 Der Schädel ist demnach mesocephal mit mälsiger Niedrig- keit und leichtem Prognathismus. „Auch er zeichnet sich durch einen bedeutenden Grad der Flachheit aus.“ Die Augenbrauenwülste hängen in Folge mächtiger Entwickelung der Stirnhöhlen weit über das Gesicht vor, und über ihnen steigt das Stirnbein, dessen Höhe nur 56,7 der Gesammthöhe des Schädels beträgt, mit geringer Wölbung empor. „Der Schädel bietet typisch dieselbe Form dar, wie der Batavus genuinus.* Am Hinterhaupt ein ziemlich tiefer, querer Eindruck an der Grenze der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 75 zwischen oberer und unterer Fläche der Schuppe. Warzen- und Griffel- fortsätze lang und kräftig. Schläfenschuppen niedrig. Wenn Hr. Spengel bei der Vergleichung der Göttinger Schädel von Marken wiederholt die Uebereinstimmung derselben unter einander betont, so kann ich in Bezug auf die Hauptzüge dasselbe für die ganze Gruppe thun. Die Göttinger und die Amsterdamer Schädel zusammen- genommen ergeben ein durchaus einheitliches Bild, trotzdem dafs an ihnen eine nicht kleine Zahl individueller Besonderheiten zu Tage tritt. Leider sind viele der vorliegenden Zahlen nicht sicher vergleichbar, da Hr. Spengel nach der Methode des Hrn. v. Ihering (S. 39) in man- chen Beziehungen andere Richtungen des Messens, als sonst gebräuchlich sind, gewählt hat. Es gilt dies namentlich für die gröfste Höhe und, noch mehr störend, für die grölste Länge. Trotzdem will ich die Mit- telzahlen der ganzen Gruppe berechnen, da trotz dieser Verschiedenheit das Gesammtergebnils noch immer den Gegensatz der Marker Schädel gegen andere Schädel in deutlichster Weise darstellt. Für die Indices aller Marker Schädel erhalten wir folgende Mittelzahlen: Breiten, Höhen-, Breitenhöhen-Index 1) männliche Schädel 75,2 68,1 90,5 2) weibliche 5 76,0 64,9 85,5 Summa 75,5 67,0 88,7 Differenz — 0,8 + 5,2 —+ 48 Die Mittel der direkten Messungen sind folgende: Gröfste Länge Gröfste Breite Gröfste Höhe 1) männliche Schädel 197,8 149,1 134,7 2) weibliche E 177,0 154,0 115,0 Summa 190,9 144,2 128,1 Differenz 20,8 al 19,7 Es bleibt demnach auch in den Mittelzahlen die Chamaecephalie in unzweifelhafter Weise bestehen. Sowohl die direkten Maafse der Höhe, als auch der Längenhöhen- und der Breitenhöhen-Index sind ganz ungewöhnlich kleine. Die sexuellen Verschiedenheiten liegen zu Tage. Der Breiten-Index der Frauen ist eher etwas grölser, der Längen- und 10* 76 Vırcuow: Beiträge zur physischen Anthropologie der Breitenhöhen-Index erheblich kleiner, als die entsprechenden Indices bei den Männern. Darin stimmen die Amsterdamer und Göttinger Schä- del überein. Dagegen ergiebt das Gesammt-Mittel für den Längenbreiten- Index eine weit kleinere Zahl, als nach den Schädeln der Amsterdamer Sammlung erwartet werden konnte. Für diese erhalte ich einen Breiten- Index von 77,3, während die Zahlen des Hrn. Spengel für die Göttin- ger Schädel nur 74,7 berechnen lassen. Nach meiner Messung sind die Marker Schädel mesocephal, nach der des Hrn. Spengel erscheinen sie dolichocephal und nur einer der Göttinger, Nr. 272, ist gleichfalls mesocephal. Es erklärt sich diese Verschiedenheit zum Theil aus dem Umstande, dafs nach der Methode des Hrn. von Ihering die gröfste Länge in der Rich- tung der von ıhm gewählten Horizontalen genommen wird, wodurch die Stirnwölbung mit in die Messung eintritt, während ich ohne Rücksicht auf die Horizontale als gröfste Länge den Abstand des am weitesten rückwärts gelegenen Punktes des Hinterhaupts von der Mitte des Nasen- wulstes der Stirn zwischen den Augenbrauenwülsten bestimme. Mein Maals schliefst sich dem gebräuchlichen an; für den Index des Hrn. Spengel mülste man erst eine gröfsere Zahl neuer Messungen an Rassen- schädeln veranstalten. Jedenfalls darf man unsere gewöhnliche Termi- nologie nicht einfach auf seine Messungen anwenden. Anders verhält es sich mit den Umfangs-Messungen. Hier liegt keine Verschiedenheit der Methoden vor; die vorkommenden Differenzen sind also unmittelbar entweder als individuelle oder als sexuelle Abwei- chungen aufzufassen. Ich stelle zunächst die sagıttalen Umfangs-Maafse zusammen: ET | | | Schädel | Bezeichnung | Stirnbein Scheitelbein ee | Summe | bein a) männliche ee a 15 134 121 ' 127 382 Göttingen Ani.? HNEERNEN ER 269 137 118 | 122 \ 377 en 11.1270 130, | 180 123,400 \ "19888 = 272 122 | 138 122 382 Mittel, u .uneH u 130,5 126,7 | 123,5 380 . 2 wir #3 5; v ‚ " N ‘ | Im: Schädel Bezeichnung | Stirnbein | Scheitelbein nn Summe eın ı Tau | b) weibliche * Amsterdam . . | 16 | 117 | 118 | 108 343 N ee: te | a7 | 123 | 125 103 351 I I I Mittel | — 120° | 121,5 | 105,5 347 l | | | | co) Summe . 2. . ee 127 | 125 117 | 369 d) Differenz _ 10 | bi) | 18 33 | Darnach ist im Allgemeinen die Hauptentwicklung der Schädel- dachknochen am vorderen und zum Theil am mittleren Abschnitte zu suchen; das Hinterhaupt, trotz der verhältnifsmäfsigen Länge desselben und der Gröfse der Schuppe, bleibt in der Regel hinter den vorderen Schädelabschnitten zurück. Die sexuellen Verschiedenheiten liegen hauptsächlich in der Ver- schiedenheit der Gröfse der Schädel überhaupt, welche sich noch besser würdigen lassen würde, wenn Hr. Spengel auch die Capaeität der Göt- tinger Schädel bestimmt hätte. Innerhalb der Verhältnisse der einzelnen Schädeldach-Abschnitte zu einander zeigt sich eine scheinbare Bevorzu- gung des Mittelkopfes und ein Zurückbleiben des Hinterkopfes bei den - Frauen. Procentisch berechnet stellen sich nehmlich die Zahlen folgen- dermalsen: Stirnbein Scheitelbein Hinterhaupts-Schuppe Männliche Schädel 34,3 33,3 32,5 Weibliche > 34,5 35,0 30,4 Summe 34,4 33,8 31,7 Im Einzelnen sind die individuellen W@rschiedenheiten recht groß. So zeigt sich bei 2 Männern der Hinterhaupts-Umfang grölser, als die Länge der Pfeilnaht; bei einem anderen ist die Länge der Pfeilnaht grölser, bei einem dritten wenigstens ebenso grofs, als der Sagittalumfang des Stirnbeins. Die Messungen des gröfsten Horizontalumfanges ergeben folgende Mittel: 78 Vırcmow: Beiträge zur physischen Anthropologie a) männliche Schädel. . 554 b) weibliche 3 IS Mittel np. 1589 Differenz... 2... 56 Besonders interessant ist die für europäische Schädel ungewöhn- liche Höhe der Schläfenflächen. Obwohl Hr. Spengel keine Zahlen dafür angiebt, so geht doch sowohl aus seinen Abbildungen, als aus seinen Beschreibungen hervor, dafs die Lineae semicirculares so hoch heraufsteigen, wıe bei wilden Rassen. Zuweilen kreuzen sie die Scheitelhöcker und nähern sich der Lambdanaht. Ich maals die Distanz zwischen den oberen Schenkeln der Lineae semicirceulares bei dem männ- lichen Schädel zu 140, bei dem weiblichen zu 110 Mm. Gewisse Unregel- mälsigkeiten in der Bildung der Schläfengegend selbst, namentlich eine ungewöhnliche Kürze des Angulus parietalis und eine sehr beträchtliche Erhebung der Spitzen der Alae sphenoideales, das Vorkommen von Schalt- knochen und Verengerungen, gewisse Abweichungen in der Gestalt der Schläfenschuppen dürften damit zusammenhängen. Andererseits ist man berechtigt, die Entwickelung der Kieferknochen damit in Beziehung zu bringen. Hier besteht jedoch ein leichter Gegen- satz. Da die Göttinger Schädel keine Unterkiefer besitzen, so sind wir in Betreff dieses Knochens auf die, bezüglich ihrer Zugehörigkeit freilich zweifelhaften, Amsterdamer Unterkiefer angewiesen. An ihnen ist, wie schon erwähnt, ganz besonders die Bildung der Aeste, vorzugsweise die Kleinheit des Kronenfortsatzes, und die vorgeschobene Stellung der mitt- leren Theile zu erwähnen. Die Gelenkgruben sind tief und sie haben jedenfalls keine grofsen Exceursionen des Unterkiefers in der Richtung von vorn nach hinten gestattet. Noch mehr bemerkenswerth ist die eigen- thümliche, bei den einzelnen Fällen (S. 67 und 72) geschilderte Bildung der Oberkiefer, namentlich der Gaumentheile und der Zahnfortsätze. Der Gaumenindex (Länge — 100 : Breite) ist trotz dieser allgemeinen Aehn- lichkeit sexuell recht verschieden; er beträgt bei Nr. 15. 60 Nr. 16. 85 der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 79 Es entspricht diese Verschiedenheit der auch an anderen Gesichts- und Schädelabschnitten hervortretenden sexuellen Differenz. Ich erwähne als Beispiele den Nasen-Index (ganze Höhe — 100 : Breite der Apertur) 42,1 50,0 den Orbital-Index (Breite = 100: Höhe) . . . . .. 950 85,3 den Gesichts-Index (Jochbogenbreite = 100 : ganzer Höhe yon der. Nasenwurzel ‘bis Kinn) | .,..:.4- --.“ Yin 88,2... 93,3 den Index des Hinterhauptsloches (Länge —= 100: Breite). 81,5 78,5 den Nasoauricular-Index (gröfste Länge = 100 : Länge des Schädelgrundes vom Gehörloch zur Nasofrontalnaht) 56.2 54,0. Im Ganzen ist sowohl an dem Gaumen, als an der Nase und den Augen- höhlen die Breitenentwickelung bei dem weiblichen Schädel gröfser und zum Theil bestimmend, während am Gesicht, theils wegen der stärkeren Ausweitung der Jochbogen beim Manne, theils wegen der grölseren Me- dianhöhe des (vielleicht zu Unrecht angefügten) Unterkiefers bei der Frau, die Breite mehr zurücktritt, und der Schädelgrund sehr beträchtlich kür- zer ist, als beim Manne. Die ersteren Verhältnisse harmoniren am meisten mit der Stärke der Chamaecephalie bei der Frau. Auf weitere Vergleichungen kann ich an dieser Stelle verzichten, da das Mitgetheilte zunächst genügt, um die Stellung der Marker Schädel in der uns beschäftigenden Gruppe zu bezeichnen, und da die Zahlen des Hrn. Spengel kein ausgiebiges Material für weitergehende Zusammen- stellungen ergeben. Indels werde ich später auf einzelne Verhältnisse zu- rückkommen. 3. Schädel von der Insel Urk. (Taf. IT—V.) Zwei von den Schädeln aus dem Museum Vrolik tragen die aus- drückliche Bezeichnung Urk und die alte Nummer Il. 561. Es ist dies der weibliche Schädel Nr. 17 und der männliche Nr. 18. Beide hat schon Hr. Harting!) gemessen und beschrieben, den ersteren als Nr. 3, den 1) Harting, Het eiland Urk, Bl. 60. 80 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropolögie zweiten als Nr. 2. Der dritte, gleichfalls männliche Schädel Nr. 18 (alte Nummer I. 1064) trägt keine ausdrückliche Bezeichnung; offenbar ent- spricht er der Nr. 1 des Hrn. Harting, welche er als dem Museum Sandifort entnommen bezeichnet. Alle diese, übrigens gut erhaltenen Schädel sind ohne Unterkiefer. Offenbar hat man die nach der Angabe des Hrn. Harting früher vor- handen gewesenen, aber nicht passenden Unterkiefer seitdem beseitigt. Die Nasenbeine sind bei allen verletzt, die Zähne defect. In Bezug auf die Maafse des Hrn. Harting bemerke ich im Vor- aus, dals sie fast an keiner Stelle genau stimmen, obwohl ich verschie- dentlich nachgemessen habe. Indefs erkennt man doch an den meisten Stellen, worin die Abweichung liegt, und jedenfalls sind die Abweichungen der Mehrzahl nach ohne Bedeutung. A. Der weibliche Schädel Nr. 17 (bei Hrn. Harting Nr. 3). (Hierzu Taf. III.) Derselbe stammt offenbar von einem jungen Mädchen. Die Syn- chondrosis spheno-oceipitalis ist noch offen, ebenso das untere vordere Stück der Stirnnaht. Die Weisheitszähne sind eben durchgebrochen. Die Zähne im Ganzen gut erhalten, nur die vorderen (unter denen ein falsch eingesetzter Schneidezahn) etwas abgeschliffen. U Der Schädel ist verhältnifsmäfsis grofs. Seine Capacität beträgt 1360 Oub. Centim., sein Horizontalumfang 500, sein verticaler Querumfang (über die vordere Fontanelle gemessen) 302 Mm. Das Verhältnifs des Horizontalumfanges (100) zu dem Querumfang berechnet sich auf 60, offen- bar so hoch in Folge der grofsen Breitenentwicklung. Die Hauptverhältnifs-Zahlen sind folgende: Längenbreiten-Index . 77,1, Längenhöhen-Index . ._ 73,4, Breitenhöhen-Index . . 95,2, Auricularhöhen-Index . 62,1, Orbital-Inden u. nnH Eng: 089,4, Nasen-Index . . . .. 444. Der Schädel ist demnach mesocephal und kaum noch chamaecephal. Er steht vielmehr auf der Grenze zu der Form der platten Macrocephalie, der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 81 die ich noch später erwähnen werde. Immerhin ist er einer der nie- drigsten Schädel; seine „gerade“ Höhe beträgt nur 130 Mm. Seiner Nasenbildung nach gehört er zur leptorrhinen Gruppe. Seine hervor- ragend oceipitale Entwickelung ersieht man leicht aus den basilaren Ver- hältnifszahlen. Die gerade Länge des Hinterhaupts (vom hinteren Rande des Foramen magnum) beträgt 37,8 pÜOt., die Nasoauricularlinie 53,6, die Linie vom vorderen Rande des grofsen Hinterhauptsloches zur Mitte der Nasofrontalnaht 48,8 pCt. der gröfsten Länge. Sehr auffällig ist die starke Prognathie. In der Norma temporalis (Fig. 2) sieht man die Scheiteleurve lang- gestreckt, niedrig, namentlich mit abgeflachtem, gedrücktem und langem Hinterkopf. Die Scheitelhöhe liegt dicht vor der Kranznaht. Die Stirneurve ist ziemlich gleichmäfsig gewölbt, indem die Glabella voll und in der Richtung der ehemaligen Stirnnaht eine fortlaufende Hervor- ragung erkennbar ist. Die Vorderfläche der Stirn ist niedrig (etwa 32 Mm.), aber ziemlich gerade, die obere Fläche lang und flach gewölbt. Tubera frontalia gut entwickelt. Kranznaht (Fig. 3) weit zurücktretend, in der Mitte wenig, gegen die Seiten sehr stark gezackt, innerhalb der Schläfen- flächen einfach. Hinter der Kranznaht eine ganz schwache Einsenkung der Parietalia, die in der Mitte kaum merkbar ist. Tubera parietalia we- nig vortretend, ungefähr in der Mitte der Länge der Seitenwandbeine. Von da aus fällt das Hinterhaupt schräg ab. Seine stärkste Hervorragung liegt in der Mitte der Oberschuppe. Die Protuberanz fehlt. Schon zwei Fingerbreit oberhalb der Stelle, wo sie sitzen sollte, beginnt die untere, gegen das Foramen oceipitale ziehende, fast gerade Ebene. Die Lineae semicireulares erreichen mit ihren oberen, übrigens sehr schwer erkennbaren Schenkeln nicht ganz die Tubera parietalia, noch we- niger die Lambdanaht: sie sind im Ganzen schwach. Der Zwischenraum zwischen den Grenzlinien (hinter der Kranznaht) milst 140 Mm. verticalen Querumfang. Die Anguli parietales kurz, dafür die Alae sphenoideales breit und hoch. Letztere sind nur schwach eingebogen und schieben sich sowohl auf die Parietalia, als auf die Frontalia hoch herauf; letztere zeigen hier eine starke Wölbung ihrer Schläfentheile. Sutura sphenoparietalis jeder- seits 8 Mm. lang, Ala 24 Mm. in der Höhe der Sutura zygomatico-fron- talis breit. Squama temporalis sehr platt und steil, rechts 60 Mm. lang Phys. Kl. 1876. 11 82 Vırcmow: Beiträge zur physischen Anthropologie und 38 hoch, links 58,5 lang und 39 hoch. Ohröffnung beiderseits weit, der Gehörgang von vornher stark gedrückt. Norma verticalis (Fig. 3): Etwas unregelmälsiges, vorn und hinten flach abgerundetes und verschmälertes Lang-Oval, an dem die Jochbogen wenig vortreten, dagegen die Nasenspitze sichtbar ist. Sagittalis im vor- dersten Theile mit kleinen, im mittleren mit grofsen, aber wenig zahl- reichen, im hinteren mit sehr wenigen, breiten Zacken versehen. Emis- sarıen vorhanden, aber klein. Norma oceipitalis (Fig. 4): Breite und niedrige, etwas schiefe Curve. DasDach flach gewölbt mit schwacher Erhebung der Mitte (daher weiter nach vorn in der That dachförmig). Seitentheile wenig gewölbt; die gröfste Breite über dem Angulus mastoideus unter den Tubera. Lambdawinkel ganz flach, mit wenigen niedrigen und breiten Zacken. An den Seiten- theilen der Naht stärkere Zackenbildung: jederseits am hinteren Ende des oberen Drittheils eine breitere, gegen das Parietale einspringende Vor- schiebung. Grolse Breite der Oberschuppe. Schwache Muskellinien. Norma basilaris (Fig. 5): Breites und ziemlich langes Hinterhaupt mit etwas stärkerer Auslegung der linken Seite. Grofse Breite der un- teren Parietalgegenden. An der Facies muscularis der Squama oceipitalis starke Cerebellar-Wölbungen. Das Foramen oceipitale ‚srofs und länglich: Index 83,7. Am hinteren Umfange desselben jederseits ein querer Knochenwulst, der von der Mitte aus etwas schräg nach aufsen verläuft und hier nach vorn hin durch eine Furche begrenzt wird, welche in die sehr tiefe Grube hinter den Gelenkhöckern ausläuft. Links fehlt das Fo- ramen ceondyloideum posterius. Die langen, aber schmalen Coronae ver- engern den vorderen Theil des Hinterhauptsloches. Grofse Foramina ju- sularia. Die Warzenfortsätze überaus klein und platt, jedoch mit tiefer Ineisur. Apophysis basilaris platt, zwischen den Foramina condyloidea an- teriora 35 Mm. breit. Deutliches Tuberculum pharyngeum, starke seit- liche Muskelapophysen. Kiefergruben tief, aber nach vorn über das Tu- bereulum zygomatieum verlängert. Foramina ovalıa schmal, aber lang. Flügelfortsätze niedrig und klein. Norma frontalis (Fig. 1): Niedrige Vorderstirn bei scheinbar hoher Wölbung des Bresma. Keine Stirnwülste. Nasenfortsatz breit, mit einem 11 Mm. langen Rest der Stirnnaht. Orbitalränder glatt, überragend, ohne u 2 N va Ale WER IE PER DR TE a. Bar N A Eee ul, Saar Be 2 - B - 7 re da, 7 4 % der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 83 Ineisur, dagegen jederseits von einem engen Canale durchbohrt. Orbitae hoch: Index 89,4. Wegen starker Verlängerung des Diagonaldurchmessers gegen das Wangenbein nach unten und aulsen erscheint die Orbitalöffnung schief. Orbitalspalten sehr weit. Die Nase sehr schmal, ihr Rücken ziemlich scharf, dicht unter dem oberen Ansatze eingebogen. Nasofrontalnaht mälsig nach oben ausge- bogen. Nasenbeine schmal, dagegen die Stirnfortsätze des Oberkiefers breit: jeder von ıhnen milst 10 Mm., während die Breite jedes Nasenbeins am Ansatze nur 3,6 Mm. beträgt. Der gerade Querdurchmesser der knö- chernen Nase mifst oben 6, in der Mitte 5, unten 13 Mm. Spina sehr stark und doppelt. Wangenbeine im Ganzen zart. Jedoch besitzt das rechte am hin- teren Rande eine deutlich abgesetzte Tuberositas temporalis, von der links nur eine Andeutung vorhanden ist. Die Tuberositas malaris stark vorspringend; sie begegnet einer noch stärkeren Tuberosität des Oberkiefers. Letzterer ist schmal. Tiefe Fossae caninae. Grolse, etwas plattgedrückte Foramina infraorbitalia; über jedem derselben, dieht unter dem Orbitalrande, befindet sich eine kleine scharfe Exostose, welche durch eine anomale Nahtlinie halbirt wird. Zahnfortsatz sehr stark vor- springend, die Schneidezähne schaufelförmig nach vorn hervorstehend (Fig. 2). Palatum lang und schmal, 40 lang, 31 Mm. breit, sehr tief, mit stark vortretenden, nahezu parallelen Alveolarrändern. Sutura intermaxil- laris am Gaumen noch sichtbar. Zähne gut gebildet. Schneidezähne grols. Der erste Praemolare rechts mit doppelter Wurzel. Die Weis- heitszähne mit den Kronen ganz nach aufsen und hinten gestellt, so dals ihre Kauflächen gegen die Fossae sphenopalatinae gerichtet sind. B. Der männliche Schädel Nr. 18 (bei Hrn. Harting Nr. 2). (Hierzu Taf. IV.) Grofser und kräftiger Schädel mit gut erhaltenen, aber schon stär- ker abgeriebenen Backzähnen. Alter, geheilter Defeet des Eckzahns und der Schneidezähne rechts von wahrscheinlich traumatischer Entstehung. Öapaeität 1430 Cub. Centim. Horizontalumfang 533, vertiealer Quer- umfang 305, also bildet letzterer 57,2 pCt. des ersteren. Diese Zahlen r1* 84 Vırcnuow: Beiträge zur physischen Anthropologie nähern sich sämmtlich in hohem Maalse denen des Schädels Nr. 15 von Marken, mit dem dieser Urker Schädel die gröfste Aehnlichkeit hat. Die Indices haben folgende Werthe: Längenbreiten-Index . 76,8, Längenhöhen-Index . . 68,4, Breitenhöhen-Index . . 89,0, Aurieularhöhen-Index . 54,4, Orbital-Index . ". 7279258, Nasen-Index" . . REN AA: Auch diese Maafse stehen denen des Marker Schädels Nr. 15 so nahe (S. 64), dals ein Zweifel an der Identität der Rasse wohl nicht auf- kommen kann. Der Schädel ist meso -chamaecephal und le- ptorrhin. In der Seitenansicht (Fig. 2) macht der sehr lange und niedrige Schädel fast den Eindruck, als sei er von oben her niedergedrückt wor- den. Noch mehr ist dies freilich ın der Hinter-, am stärksten in der Vorderansicht (Fig. 1) der Fall. Die nur wenig zurückgehende Vorder- stirn ist niedrig (35 Mm.), die Hinterstirngegend steigt in flacher Wölbung an und ist ein klein wenig in der Mittellinie erhaben. Die Scheitel- höhe unmittelbar vor der Kranznaht. Letztere stark zackig mit Ausnahme des Anfangs des rechten Seitentheils und kurzer Abschnitte innerhalb des Planum temporale, von welchen der rechte einige gröfsere Zacken besitzt, der linke dagegen einfach ist und ein weites Uebergreifen des Parietale über das Frontale zeigt. Hinter der Kranznaht eine ganz schwache Einsenkung. Schwache Scheitelhöcker. Sagittalıs (Fig. 3) ım vorderen Drittel offen und stark zackig, im weiteren Verlauf zweimal durch längere Synostosen unterbrochen. Namentlich ist dies der Fall in der Gegend der Emissarien, von denen nur das linke vorhanden, und zwar auf das Aeufserste verkleinert und der Naht genähert ist. Der hintere Theil der Sagittalgegend etwas vertieft. Schon vor der Mitte der Sagit- talis beginnt ziemlich schnell der Abfall der Scheiteleurve bis zur Spitze der Oberschuppe, welche stark vorspringt. Die stärste Prominenz liegt etwas über der Mitte der Oberschuppe. Darunter beginnt sofort die zum Hinterhauptsloche ziehende Öurve, deren oberer Theil steil gewölbt, der \ der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 85 untere von der Linea nuchae superior an sehr flach ist. Protuberanz sehr schwach, liegt schon unterhalb der stärksten Vorwölbung. Die Plana semicircularıa sind hoch und nach oben durch eine leicht erhabene Grenze umsäumt, welche am Stirnbein mit einer zackigen Crista beginnt und hinter der Kranznaht plötzlich so hoch ansteigt, dafs hier die oberen Schenkel nur 110 Mm. von einander entfernt liegen, welche sodann die Tubera kreuzt und die Lambdanaht einen Fingerbreit vor deren unterem Ende erreicht. Sowohl die temporalen Theile des Stirn- beins, als die unteren Theile der Parietalia sind stark vorgewölbt. Die Anguli parietales ungemein kurz, die Alae sphenoideales hoch und weit nach rückwärts, aber auch nach vorn gegen das Stirnbein ausgreifend. Sphenoparietalnaht rechts 11, links 14 Mm. lang. Die rechte Ala nach vorn stark eingebogen, 28 Mm. breit; die Squama temporalis platt, mit sehr vertieftem Angulus mastoideus, 64 Mm. lang und 39 hoch. Die linke Ala 23 Mm. breit, die Squama sehr steil, 62 Mm. lang und 38 hoch. Auch hier der mastoideale Winkel sehr tief liegend. Ohrlöcher beiderseits von vorn her stark abgeplattet. Norma oceipitalis (Fig. 4): Der Schädeleontour erscheint nahezu querelliptisch mit breiter, leicht gerundeter Basis, niedrigen, etwas un- regelmälsigen Seiten und plattgerundetem, in der Mitte schwach erhabenem Dach. Der Schädel ist etwas schief, indem das rechte Parietale stärker heraustritt, die Sagittalis etwas aufserhalb der Mittellinie nach rechts liegt, der linke Schenkel der Lambdanaht mehr gerade verläuft, der rechte da- gegen mit breiten, in das Parietale einspringenden Zacken eine flache Curve bildet. Die Lambdanaht hat überhaupt grofse und mehr einfache Zacken. Rechts im ersten Drittel zeigt sich beginnende Synostose. Die Öberschuppe ist grols, sowohl breit, als hoch; sie hat von der Spitze bis zur Protuberanz einen Umfang von 70 Mm. An der Faeies museularis sind die Muskellinien scharf und die Cerebellarwölbungen deutlich. Bei- derseits in der Richtung der Linea nuchae superior, etwa 16 Mm. unter- halb der Casserischen Fontanelle (also nicht in der gewöhnlichen Rich- tung der Sutura transversa), eine kurze Knochenspalte von 6—8 Mm. Länge (Nahtrest?). Links ein kleines, rechts zwei grofse Emissaria mastoidea. Norma basilaris (Fig. 5): Verhältnifsmäfsig diekes und kurzes An- S6 Vırcuow: Beiträge zur physischen Anthropologie sehen des Schädels. Grolses und volles Hinterhaupt, stark vortretende Seitentheile. Foramen magnum etwas eckig, unverhältnilsmälsig breit: der Index von 86,8 ist der grölste unter den Amsterdamer Schädeln. Der Rand des Loches, namentlich auf der linken Seite, stark vortretend. Die Foramina condyloidea posteriora fehlen. Die Gelenkflächen der Coronae jederseits durch eine, etwas schräg nach vorn und aulsen gerichtete, mög- lieherweise der früheren Syncehondrosis intercondyloidea!) entsprechende (Querfurche in eine vordere und eine hintere Hälfte getrennt. Rechts ist die Trennung vollständig. Auch der vordere Raud des Hinterhauptsloches ist etwas erhöht. Die Apophysis basılarıs beginnt breit; die Distanz zwi- schen den Hypoglossuslöchern beträgt 35 Mm. Zwischen dem Rande des Hinterhauptsloches und dem schwachen Tubereulum pharyngeum liest jederseits eine tiefe Muskelgrube. Die Foramina jugularıa ungemein grols. Warzenfortsätze niedrig, etwas abgeplattet, mit tiefer Incisur. _Kiefer- gelenkgruben sehr tief. Niedrige und noch mehr schmale Flügeltfortsätze. Ungemein grolse Foramina ovalia des Keilbeins. Norma frontalis (Fig. 1): Sehr breite und gedrückte Erscheinung. Vorderstirn niedrig, Hinterfläche des Stirnbeins höher. Glabella vertieft. Tubera schwach, aber deutlich. Starke, etwas rauhe Stirnwülste, welche über der Nasenwurzel zusammenlaufen, aber seitlich sehr schnell die Or- bitalränder verlassen und auf der Stirnfläche auslaufen. An dem Nasen- wulst ein 16 Mm. langer, ganz dicht gezackter Rest der Stirnnaht. Orbitalränder scharf, besonders nach aulsen hin dachförmig vor- tretend, aber ganz dünn. Links eine grofse Incisura, rechts ein Canalis supraorbitalis. Augenhöhlen mehr breit als hoch, aber etwas schief durch Ausweitung nach aufsen und unten. Orbitalindex grols, 92,5. Wangen- beine klein und zierlich. Jochbogen zart und wenig abstehend. Am Stirnfortsatz des rechten Wangenbeins eine ungemein starke, fast exosto- tische Tuberositas temporalis?), als unterer Endpunkt der Crista semieircularis temporum. Links nichts Aehnliches. Die Nase stark vorspringend (Fig. 2) und schmal. Index 44. Sie setzt an dem vortretenden Nasenfortsatz des Stirnbeins mit einer Cbnvexen, !) Virchow, Entwickelung des Schädelgrundes S. 13. ?) Zeitschrift für Ethnologie 1875. Bd. 7. Verhandlungen der Berliner anthro- pologischen Gesellsch. S. 162. der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 87 weit über die Stirnfortsätze des Oberkiefers hinaufgreifenden Naht (Fig. 1) an. Die Nasenbeine sind am Anfange leicht verbreitert. Der gerade Durchmesser der knöchernen Nase oben 11, tiefer 9,5 breit (unten nicht melsbar). Der Nasenrücken ist ziemlich breit. (Die untere Hälfte der Nasenbeine ist leider abgebrochen.) Die Stirnfortsätze des Oberkiefers 9,5 Mm. breit. Fossae caninae ungemein tief und mit mehreren Seeundär-Ausbuchtungen versehen. In- fraorbitallöcher von aulsen her abgeplattet. Vorderzähne sehr defekt. Rechts fehlt der ganze Alveolarfortsatz bis zur Gaumenfläche innerhalb des Gebietes der Schneidezähne und des Eckzahns; man sieht hier eine tiefe, halbmondförmige, jedoch überall vernarbte Ausbuchtung. Prämolaren und Backzähne gut erhalten, mäfsig an den Kronen abgerieben. Palatum sehr kurz und breit, im hinteren Theil etwas defekt: Länge 41, Breite 42, Index 102. Schwache Spuren der Sutura intermaxillaris. C. Der männliche Schädel Nr. 19 (alte Nummer J. 1064, bei Hrn. Harting Nr. 19) (Hierzu Taf. V.) Ein sehr kräftiger und scheinbar grofser Schädel von durchaus männ- . liehem Habitus, aber von ganz anderem Aussehen, wie die übrigen Urker und Marker Schädel. Er ist mehr weils gebleicht, hat ein festeres Ansehen und seine Basis ist viel besser erhalten. Dafür fehlen sämmt- liche Zähne und die vorderen Wände der vorderen Zahnhöhlen; die Kie- ferränder machen den Eindruck, als seien sie von vornher abgerieben. Die wirkliche Capaecität entspricht nicht ganz dem äufseren Ein- druck. Sie beträgt nur 1345 Cub. Centim. Auch der Horizontalumfang von 519 ist geringer und nur der verticale Querumfang von 305 Mm. schlieist sich näher den männlichen Maafsen an. Trotzdem weicht das Verhältnifs beider Umfangsmaalse nicht weit von dem der Gruppe ab; der Querumfang beträgt 58,7 pCt. des Horizontalumtanges. Für die übrigen Hauptverhältnisse berechnen sich folgende Zahlen: s8 VırcHmow: Beiträge zur physischen Anthropologie Längenbreiten-Index . . . 77,5 Längenhöhen-Index.. . . . 70,2 Breitenhöhen-Index . . . . 90,6 Aurieularhöhen-Index . . . 58,9 Orbitaleindes 0 9580 Nasen-Irde HN IR AB Man kann daher den Schädel noch mesochamaecephal nennen. Indefs erhebt er sich durch die Höhe der Index-Zahlen ein wenig über die anderen Amsterdamer Schädel, mit alleiniger Ausnahme des weiblichen Urker Schädels Nr. 17. Merkwürdig genug tritt er den übrigen ganz nahe durch seinen Auricularhöhen-Index, der weit niedriger ist, als man nach dem aus der „geraden Höhe“ berechneten Längenhöhen-Index hätte er- warten sollen. Auch der Nasen-Index weicht insofern ab, als er die un- tere Grenze der Mesorrhinie (Broca) erreicht. In dieser Beziehung schliefst er sich am nächsten an den weiblichen Schädel von Marken Nr. 16. Er nimmt daher im Allgemeinen eine Art vermittelnder Stel- lung ein. Norma temporalis (Fig. 2): verhältnifsmäfsig hohe, sehr lange, nach hinten gedrückte Scheiteleurve. Volle Stirn mit ziemlich gerader, etwa 35 Mm. hoher Vorder- und langer, wenig ansteigender, mit medianer Er- höhung versehener oberer Fläche. Glabella schwach vertieft, Tubera fron- talıa deutlich. Kranznaht weit zurückliegend, mit sehr knrzen Zacken, innerhalb der Plana einfach, überall etwas klaffend. Gröfste Höhe des Schädels genau an dem Zusammenstols von Kranz- und Pfeilnaht, ein wenig nach links. Tubera parietalia stärker vortretend, in der Mitte der Länge der Seitenwandbeine. In der ersten Hälfte der letzteren macht die Scheiteleurve eine flachrundliche Wölbung, in der zweiten eine schräge Abplattung, die sich über die an der Spitze der Lambdanaht liegenden Schaltknochen hinweg bis auf die eigentliche Oberschuppe fortsetzt. Letztere ist sehr stark gebogen: ihr stärkster Vorsprung liegt dicht unter den Spitzenknochen. Protuberanz schwach. Linea nuchae superior kräftig. Facies muscularis fast geradlinig nach vorn verlaufend. Die Grenzen der Plana temporalia sind sehr undeutlich. Hinter der Kranznaht nähern sich die beiderseitigen oberen Schenkel der Lineae semieireulares bis auf 110 Mm. Die Schläfentheile des Stirnbeins sind der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 89 fast kuglig vorgewölbt. Auch die unteren Abschnitte der Seitenwand- beine treten innerhalb der Plana etwas stärker vor. Anguli parietales kurz. Alae sphenoideales sehr hoch und weit nach hinten reichend, rechts mit Stenokrotaphie. Die Sphenoparietalnaht ist auf dieser Seite nur 10 Mm. in gerader Ausdehnung lang; die stark eingebogene Ala 22 Mm. breit; die Squama temporalis 71 Mm. lang und 48 hoch. Links ist die Spheno- parietalnaht 12 Mm, lang, die nur nach unten hin stärker eingebogene Ala 26 Mm. breit, die Squama 71 Mm. lang und 45 hoch. Beide Squa- mae sind von abweichender Gestalt, indem sie in ihrem vorderen Ab- schnitte mit der Erhöhung der Alae gleichfalls heraufgerückt sind und etwas hinter dem Ansatze der Sphenoparietalnaht eine Art von Spitze zeigen; von diesem Punkte aus verläuft die Sutura squamosa fast gerad- linig nach hinten und abwärts, links ohne auch nur eine Spur von einem Angulus mastoideus zu bilden, rechts mit einer schwachen Einsenkung. Die Gestalt der Schläfenschuppen ist daher unregelmälsig dreieckig. Ihre Fläche ist etwas nach aulsen gewölbt. Beiderseits liegt gleich im Anfange der Schuppennaht ein kleiner Schaltknochen. Norma verticalis (Fig. 3): ziemlich breites und langes, beiderseits verschmälertes Oval, nach vorn stark abgestumpft, ja fast geradlinig, nach hinten von beiden Seiten her stärker zusammengedrückt. Jochbogen kaum sichtbar. Sagittalis im Ganzen wenig gezackt, am wenigsten hin- ten, wo die Emissarien fehlen und die Naht leicht vertieft liest. Norma oceipitalis (Fig. 4): Sehr breite und platte, etwas schiefe Wölbung mit breiter, leicht gerundeter Basis, austretenden, rechts stärker entwickelten Seiten und flachrundlichem Dache mit stärkerer Erhebung der Mitte. Die grölste Ausweitung liegt unter den Tubera parietalia dieht hinter der Schuppennaht. An der Spitze der Lambdanaht 3 grö- fsere Schaltknochen, von denen die beiden unteren überwiegend auf Kosten der Hinterhauptsschuppe, der obere auf Kosten des rechten Parietale ent- wickelt sind. Ihre mediane Höhe beträgt im Ganzen 16 Mm., ihre gröfste Querdiagonale 55 Mm. Die Nähte in ihrem Umfange sind stark zackig, jedoch mehr am oberen, als am unteren Umfange. Nach den in einer früheren Abhandlung!) von mir gegebenen Erläuterungen ist der obere !) Virchow, Ueber einige Merkmale niederer Menschenrassen. Abhandlungen der Königl. Akademie der Wissenschaften. Berlin 1875. S. 75. 77. Phys. Kl. 1876. 12 90 VırcHuow: Beiträge zur physischen Anthropologie dieser Knochen als ein Os sagittale s. interparietale zu betrachten, während die beiden unteren Spitzenknochen der Hinterhaupts- schuppe darstellen. Ich habe daher bei den Messungen die Grenze zwischen Sagittalis und Lambdanaht an der Stelle angenommen, wo das Os sagittale in der Mittellinie an den rechten Spitzenknochen stölst. Letzterer allein erreicht die Spitze, da, wie so häufig, die etwas schief verlaufende Naht zwischen den beiden Spitzenknochen etwas nach links von der Mitte ausläuft. Die Lambdanaht ist in ihrem ganzen Verlaufe stark gezackt. Ihr rechter Schenkel enthält überdiefs noch ein weiteres Schaltbein dicht vor dem unteren Ende. Die Oberschuppe ist ungemein breit und sehr stark vorgewölbt. Schwache Protuberanz, dagegen sind die Muskellinien, auch die Linea nuchae suprema deutlich. Links ein Schaltknochen ın der Öasserischen Fontanelle; von da ausgehend einige Spältchen in der Squama oceipitalis. Facies muscularıs mit bunter Zeichnung der Muskel- ansätze, von etwas sklerotischem Aussehen, mehr platt. Norma basilarıs (Fig. 5): Breites, etwas schiefes Oval mit stark ausgelegten Seiten. Das Hinterhaupt verhältnilsmälsig kurz. Der hori- zontale Abstand der Hinterhauptswölbung vom grofsen Hinterhauptsloche beträgt nur 61 Mm. — 32,9 pCt. der Gesammtlänge, das kleinste Maals unter den Amsterdamer Schädeln. Foramen magnum länglich oval, ver- hältnifsmälsig schmal: Index 81. Der Rand dick und etwas aufgeworfen, zumal an den hinteren Seitentheilen. Die Gelenkhöcker weit nach vorn stehend, hier sehr stark vortretend, mit sehr gekrümmten, mehr nach aufsen gerichteten Gelenkflächen. Links die Fossa und das Foramen condy- loideum posterius gänzlich obliterirt. Dem entsprechend ist jederseits die Gegend bis zum Foramen jugulare mit sklerotischer, höckeriger, weilser, stark porotischer Knochenmasse besetzt. Apophysis basıilarıs nach vorn schmal und gerundet, nach hinten mehr platt und mit tiefen Muskelgru- ben. Distanz der, Hypoglossus-Löcher 25 Mm. Sehr weite Foramina jugularıa. Warzenfortsätze kräftig, aber abgeplattet, mit sehr tiefer In- eisur. Gehörgänge von vornher etwas abgeplattet. Ungemein tiefe Ge- lenkgruben für den Unterkiefer. Sehr grolse Foramina ovalıa am Keil- bein. Hohe, aber schmale Flügelfortsätze von 21 Mm. Höhe, mit starken der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung: der Friesen. 91 hyperostotischen Verdiekungen ihrer unteren, an den Gaumen anstolsen- den Enden. Norma frontalis (Fig. 1): Volle Stirn mit nicht vertiefter Glabella und schwachen Wülsten ohne Einsenkung über der Nase. Orbitalränder nach aufsen zart, beiderseits mit offenen Incisuren. Augenhöhlen hoch und grofs; ihr Index ist der höchste, in dieser Gruppe neben Nr. 15 beobachtete: 95. Wangenbeine kräftig; Jochbogen wenig vorspingend, dagegen die Tuberositas malarıs am unteren vorderen Vorsprung breit und durch eine noch mehr hervortretende Tuberosität am anstolsenden Theile des Oberkiefers verstärkt. Die Nase in ihrem mittleren Theile schmal, dagegen oben und unten breit. Daher steht der Nasenindex (48) in zweithöchster Stelle unter den Amsterdamer Schädeln. Die Nasofrontalnaht bildet eine hohe, mit einem Radius von 6 Mm. über den Ansatz des Oberkiefers hinaus- greifende Curve. Beide Nasenbeine sind hier verbreitert, das linke stär- ker, so dafs die Naht von der Mittellinie nach rechts abweicht. Der gerade (Querdurchmesser der knöchernen Nase beträgt am Ansatz 12, tiefer 11, ganz unten 17 Mm. Die Nasenwurzel kaum vertieft, der Rücken plattrundlich, ziemlich gerade. Der vorderste Theil der Nasenbeine ist abgebrochen, ebenso die Spina nasalıs. Der Stirnfortsatz des Oberkiefers ist jederseits 7 Mm. breit. In- fraorbitallöcher grols. Fossae caninae wenig vertieft; die ganze Gegend eigenthümlich voll und plump, wie aufgetrieben. Schwacher alveolarer Prognathismus. Die Zahncurve (Fig. 5) ungewöhnlich breit und verhält- nilsmälsig kurz, fast hufeisenförmig: Palatum 41 Mm. lang und 40 am zweiten Backzahn breit, also Index von 97. Reste der Intermaxillarnaht. Die Zahlen des Hrn. Harting für die beschriebenen Schädel gebe ich, mit den meinigen zusammengestellt, in folgender Uebersicht, wobei ich seine Zahlen unter a, die meinigen unter b aufführe: 99 Vırcuow: Beiträge zur physischen Anthropologie Nr. 17 Nr. 18 Nr. 19 a b a b a b | Horizontalumfang (0) . 500 504 533 | 536 519 520 Gröfste Länge () . - Dad ale do 401).190%. | 188 185 182 HISHed (Hy MONI 130 144 130 142 130 148 Stimbreite () - . .» 93 94 I 2196, 96 BE: 92 Gröfste Breite (a) . . 136,5 136) | las, | 2126 143,5 145 Jochbogenbreite (2) . | 121 |, 122 | 138 | 134 126 133 halle es, 1,36 1,22 1,46 1,32 1,42 1,23 a:l=1: 1,29 1,29 | 1,30 | 1,29 1,28 1,26 vra=l: | 1,45 1,47 | 1,52 | 1,52 | 1,52 1,57 v:z=1: | 130 1,30 | 1,38 1,40 | 1,34 1,45 | | | | | | Sieht man von den Zahlen ab, welche dıe Höhe betreffen, für deren Bestimmung Hr. Harting, wie schon erwähnt (S. 55), eine ganz abweichende Methode gewählt hat, so stimmen die übrigen vortrefflich. Die kleinen Differenzen erklären sich durch die Wahl etwas verschiedener Ansatzpunkte für die Mefsinstrumente. So legt Hr.. Harting, um den Horizontalumfang zu bestimmen, das Maals über die Stirnhöcker, wäh- rend ich es unter denselben herumführe. Er bestimmt die grölste Länge von der Mitte der Stirn zwischen den Stirnhöckern, ich von der Mitte des Nasenwulstes zwischen den Augenbrauenrändern. Indefs sind die auf beide Weisen gewonnenen Zahlen von so geringer Verschiedenheit, dafs die daraus berechneten Verhältnifszahlen zum Theil identisch sind, zum Theil nahezu zusammenfallen. Von nicht geringem Interesse ist es, dafs sich bei der von Hrn. Harting gewählten Methode der Berechnung der Verhältnifszahlen, welche nicht, wie gewöhnlich, die Länge, sondern vielmehr die Breite oder die Höhe als Einheit annimmt, ein regelmälsiges Verhältnifs zwischen Länge, Höhe und Breite ergiebt, freilich genauer nur dann, wenn man die von mir eingehaltenen Richtungen des Messens und die dadurch erhaltenen Zahlen zu Grunde lest. Wenn man dıe Länge durch die Höhe dividirt, und mit 100 multiplieirt, so erhält man das Maafs der Breite, und umgekehrt, wenn man die Länge durch die Breite dividirt und mit 100 multiplicirt, so entspricht die der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 93 gefundene Zahl dem Maafs der Höhe. Oder anders ausgedrückt: die Länge /! ist = der Breite d, multiplieirt durch die Höhe A und dividirt durch 100, also I. Im Uebrigen hebt Hr. Harting die grofse Verschiedenheit der 3 Ur- ker Schädel unter sich hervor. Namentlich betont er die Grölse der Augen- brauenbogen bei Nr. 18 und 19 und die Verschiedenheit der Stirnwölbung, welche bei Nr. 19 sehr gering und zurückweichend, bei Nr. 18 schon etwas stärker, bei Nr. 17 noch höher sei. Er bemerkt, dals die Schädel länger, aber nicht breiter, als andere Schädel seien; ihre Stirnbreite sei geringer, so dafs in der Scheitelansicht der Schädel eine keilförmige Gestalt darbiete, wozu die platte Beschaffenheit (platheid) und geringe Auswölbung des Hin- terkopfes beitrage. Auch bewirke die geringe Stirnbreite in Verbindung mit der das Mittel etwas überschreitenden Gesichtsbreite, dafs das Gesicht etwas Volles und Rundes erlange, wie es sich an den beiden männ- lichen Schädeln (Nr. 18 und 19) zeige. Die Breite des Unterkiefers trage gleichfalls zu diesem Eindruck bei. Er habe dies auch bei der männ- lichen Bevölkerung von Urk selbst wahrgenommen. Endlich macht er noch besonders auf die schon (S. 91) erwähnte „flache“ oder eigentlich hohle (bol) Bildung der Fossae caninae bei Nr. 19 aufmerksam. — Der Schädel von Urk, welchen J. van der Hoeven aus der Sammlung Sandifort erstanden hatte, stammte nach seiner Angabe!) von . einem jugendlichen Individuum, dessen Zähne kaum abgerieben waren. Der Unterkiefer fehlte. Er sagt davon: Cranium depressum, elongatum, tubere oceipitali prominente (typus Suecorum). Prominent magnopere ossa squamosa versus oram superiorem supra meatum auditorium exter- num. Hie mensura ceranü transversa est 0,136. Er giebt sodann fol- gende Maafse an: A. Horizontalumfang (oberhalb der Orbitae) . . . 2 .......0,503 B. Sagittalumfang . . . . . NE ET a DAN BB Ü. Grölste Länge (von der Nasofrontalnaht bis zur Hinterhaupts- u, 0 N ee ne u na gar 20 1) J. van der Hoeven |. c. p. 16. 94 Vırcmow: Beiträge zur physischen Anthropologie D. Höhe (vom hinteren Umfange des Hinterhauptsloches bis zum höchsten Punkte der Schädelwölbung) . ». . . .2.......0,122 Er Grölste; Breite. 3%. Kran vl ae Me Rn a a SEE E. Länge des: Foramen oeeipitalen. N... 2... 032020005 @ Breite’ desselben 14. Sag RR ar TER EN re OR Das Höhenmaals von 0,122 hebt van der Hoeven ausdrücklich durch ein Ausrufungszeichen als ein ungewöhnliches hervor. Leider ist seine Methode der Höhenbestimmung wiederum eine von der aller anderen Beobachter abweichende und daher nicht ohne Weiteres vergleichbare. Ich habe daher die vorliegenden Amsterdamer Schädel auch nach dieser Methode gemessen. Die Ergebnisse sind folgende: Hinterer Höhen- Darnach berechneter Durchmesser Längen-Höhen-Index Marker Nr BERNER SE 69,0 2. NriRe Er Ste. Sn RD 70,1 Urker* NEÄu or. ER EN N La 74,0 Ad Nesigte, "Un nude RR SAUREN 69,7 a INTBALIG 1, SET NE DOREEN RA DR ET AR TUT 68,6 VETERAN: RT 70,2 Urk Nr. 24 bei v. d. Hoeven . . 122 70,5 Obwohl diese Zahlen unter einander erträglich stimmen, so ist doch der gewählte Durchmesser, wie schon der Augenschein bei Betrach- tung der Schädel ergiebt, nicht nur unbrauchbar, sondern sogar irrelei- tend. Es folgt dies einfach aus dem Umstande, dafs der Ansatzpunkt am Schädelgewölbe bald sehr weit nach vorn, bald weit nach hinten an der Sagittalis liegt, und dafs daher die Richtung der Höhenlinie eine ganz verschiedene ist. Es läfst sich daher aus diesen Zahlen eigentlich nur die absolute Zahl 122 verwerthen; sie entspricht dem Minimalmaafs des weiblichen Schädels von Marken, welches vielleicht überhaupt als Mini- malmaafs für den hinteren Höhendurchmesser angesehen werden kann. Berechnet man nach der vorher von mir entwickelten Formel die Höhe aus Länge und Breite, so erhält man für den Schädel Nr. 24 100 2 : - h=-,- — 127,2 (oder, wenn man das etwas kleinere Breitenmaaßs E nimmt, — 129). > Ti d F 2 i Grape ee hohes Maafs, welches jedoch auch alsh den Amsterdamer Schädel Nr. 17 erreicht und durch den Göttinger Schädel Nr. 273 über- _ schritten wird. Indefs kann ich nicht entscheiden, ob es ganz zutrifft; die Beschreibung van der Hoeven’s steht scheinbar in einem gewissen - Widerspruche dazu. In allen anderen Stücken entsprechen die Melsrichtungen von J. van der Hoeven nahezu den meinigen und unsere beiderseitigen ‚Maalse sind unmittelbar vergleichbar. Nur das Maafs für den Sagittal- umfang ist bei ihm so gering, dafs ich fast einen Irrthum vermuthen möchte. Ich stelle die Maafse des weiblichen Urker Schädels Nr. 17, der, von der Höhe abgesehen, am meisten Aechnlichkeit darbietet, mit denen des wahrscheinlich ebenfalls weiblichen Schädels Nr. 24 bei van der Hoe- ven zusammen: Urk Urk Vrolik Nr. 17 van der Hoeven Nr. 24 Horizontalumfang. . . . 500 505 Größte Länge. VIA ... 1 173 Gröfste Breite!) 2,4 ... . 136,5 156 (134) Erölste Höhe . Uhl)... 180 (127,2) Länge des For. oceip. . . 37 35 Breite desselben °. ‘7 .* ... 31 32 Längenbreiten-Index . . 771 78,6 (77,4) Eianenelrlee UMERREE N ZE (73,5) Breitenhöhen-Index . . . 95,2 (93,5) Man wird zugestehen müssen, dafs die Aehnlichkeit in vielen Punk- ten zutrifft, obwohl wahrscheinlich in Bezug auf die eigentliche Höhe grolse Verschiedenheit vorhanden sein dürfte. — Die zwei Göttinger Schädel von Urk hat Hr. Spengel?) kurz beschrieben. Von dem einen (Nr. 274) sagt er, er zeige durchaus den- selben Charakter, wie die Schädel von Marken. Derselbe habe einem !) Die eingeklammerten Zahlen bei der Breite beziehen sich auf die Angabe unter E bei van der Hoeven; die bei der Höhe auf die von mir berechneten. 2) Spengel a.a. ©. S. 57. BER = a “4 ur Li FETTE Br Bey er re FT. Br 96 Vırcmow: Beiträge zur physischen Anthropologie nicht mehr jugendlichen Manne angehört, zeige mälsig entwickelte Augen- brauenwülste und gebe folgende Maafse: Längen Stmunl89 M. Breiteus Alte a AH, Höhen nm an ad, Längenbreiten-Index.. . 76,2 Längenhöhen-Index . . 70,9 Breitenhöhen-Index . . 93,1 Dieser Schädel ist also mesochamaecephal, wenngleich von weniger auffälliger Niedrigkeit. Der andere (Nr. 273), gleichfalls ein männlicher, hat folgende Maalse: lange. ua Fe EN Breite 1a. pi AH klohert. tg leo Längenbreiten-Index . 81,9 Längenhöhen-Index . . 76,5 Breitenhöhen-Index . . 93,8 Dieser Schädel ist brachyhypsicephal, also recht abweichend, und es wäre sehr interessant gewesen, wenn Hr. Spengel eine genauere Beschreibung von ıhm geliefert hätte. Derselbe nımmt in der That eine ganz exceptionelle Stellung ein. — Vergleichen wir die sämmtlichen, uns bekannt gewordenen Schädel von Urk unter einander, so ergiebt sich, dafs es os aus dem Museum Vrolik, aus dem Museum v. d. Hoeven, [So aus der Göttinger Sammlung ım Ganzen ep) sind. Darunter sind zwei weibliche, Nr. 17 aus dem Museum Vrolik und Nr. 24 aus der Sammlung van der Hoeven. Die Hauptindices der eigentlichen Schädelcapsel sind folgende: \ der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 97 Längen-, Höhen-, Breitenhöhen-, Auricularhöhen-Index a) männliche Vrobk Nr. 18. . . 276,8 68,4 89,0 54,4 ee 19175, 702 90,6 58,9 Blumenbach Nr. 274 76,2 70,9 a Re Nr. 273 81,9 76,8 93,8 Mittel.yc.:... 78,1: wem 91,6 56,6 Bbne Nr.973.,....., 276,8 69,8 90,9 b) weibliche Srolik Nr. 173%... 71,102 73,4 95,2 62,1 v. d. Hoeven Nr. 24 78,6 (73,5) (93,5) Mittel . . 778 734 95.2 62,1 Gesammtmittel . . 78,0 71,9 92,3 58,4 Shue.Nr.279: 2% 24702 70,7 91,9 Wir können demnach auch die Urker Schädel in ihrer Gesammt- heit als im Mittel mesochamaecephal bezeichnen, selbst wenn wir den Göttinger-Schädel Nr. 273 und den Amsterdamer Nr. 17 einrechnen. Dabei ist es bemerkenswerth, dafs unter sämmtlichen Urker Schädeln kein ein- ziger eigentlich dolichocephal ist, während nach der Messung des Hrn. Spengel sich drei unter den Marker Schädeln befinden. Andererseits ist nach der Messung desselben Beobachters unter den Urkern ein geradezu brachycephaler, dieser freilich zugleich so hypsicephal, dafs die Frage berechtigt erscheint, ob nicht ein Specialgrund, vielleicht ein patholo- gischer, für diese Abweichung vorliegt. Leider fehlt die genauere Be- schreibung desselben. Betrachtet man die Verhältnisse der einzelnen Schädeldachknochen unter einander, so ergiebt sich Folgendes in Bezug auf die Scheiteleurve und ihre einzelnen Segmente: Stirnbein Scheitelbein Hinterhauptsschuppe Summe a) männliche Schädel TROUERNDHES. u. 198 125 119 372 p a Te 113 122 360 Blumenbach Nr. 273 123 122 112 362 5 Nr. 274 130 130 117 377 126,5 122,5 118,7 367,7 Phys. Kl. 1876. 13 S 98 VırcHow: Beiträge zur physischen Anthropologie Stirnbein Scheitelbein Hinterhauptsschuppe Summe b) weiblicher Schädel Vrolk. Nr; Lo: 2128 124 114 361 Gesammt-Mittel . . 125,8 122,8 117,8 366,4 Marken (S. 00) "0. 190 125 Dale 369 Oder in procentischer Berechnung: a) männlicher Schädel Vrolk-Nr181.08.00:.3454 33,6 3159 ARENTLELI N ELREN 3457 31,3 33,8 Blumenbach Nr. 273 33,9 Sa 32,3 4 Nr. 72910 84,.4 34,4 31,0 Mike, 2 °.' 1. Kanal 34,s 83.2 02 b) weiblicher Schädel Vrolik Nr.17n.; »..l0r3430 34,3 31,5 Gesammt-Mittel . . 34.2 33,4 32:1 Marken (8.77) . . 34,4 33,8 31,7 In der Gesammtbetrachtung der procentischen Mittel erscheint hier ein geringer Unterschied zwischen den Urker und Marker Schädeln, na- mentlich in Bezug auf das Hinterhaupt, dessen Sagittalumfang bei den Urkern gröfser, und auf das Mittelhaupt, dessen mediale Länge bei den Markern gröfser ıst. Indefs ıst die Zahl der Schädel doch nicht grofs genug, als dafs man in den berechneten Mitteln den Einflufs individueller Abweichungen nicht spüren sollte. Einen solchen Einflufs übt unter den Urker Schädeln der männliche Schädel Nr. 19 aus, der, wie erwähnt (S. 89), ein intercalares Os sagittale und zwei Spitzenknochen der Squama oceipitalis besitzt: trotzdem dafs ich das Os sagittale zum Mittelhaupt ge- rechnet habe, ist doch durch die Spitzenknochen eine ähnliche Vergröfse- rung der oceipitalen und eine ähnliche Verkürzung der parietalen Theile herbeigeführt, wie ich sie in einer früheren Abhandlung!) für das Os epactale s. Incae nachgewiesen habe. Ohne Nr. 19 beträgt das procen- tische Mittel der 4 Urker Schädel !) Ueber die Merkmale niederer Menschenrassen. Abhandlungen der Akademie 1379... 78.103. Pww 3 Ka An Fe rn er % ® en BE Ya. 27% zur WER - “n \ : al ze u: J er „ ’ ’ ı ar > r 1 der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 99 für die Parietalia . . . . 34,0 für die Squama occipit. . 31,6, also fast genau dieselben Zahlen, welche die Marker geliefert haben. Ganz anders und viel merkbarer erweisen sich sowohl die indivi- duellen, als die sexuellen Verschiedenheiten, wenn man die sagittalen Längen der einzelnen Schädelabschnitte in geradliniger Richtung, ohne Rücksicht auf die Wölbungen, nimmt. Ich gebe die Zahlen für sämmt- liche Schädel des Museum Vrolik im Zusammenhange: Gerade sagittale Länge Stirnbein Scheitelbein Hinterhauptsschuppe Nr. 15 Marken . 118,5 112,5 100 NE2TBN or Av ALOR 102 92 Nr» 172. Ur Ersr. 109 113 94 Nox Ts» 2 Ian Nele] 112,5 95 Re A Se 107 98 Mietern =. 1080. 11059 109 95 Männer... 11271 110,5 97,6 Weiner, - (2). 207 107 93 Dagegen lauten die Zahlen für die sagittalen Umfangsmaalse dieser 5 Schädel im Nirttel. an; 135 120 118 Männer . . . 129 119,6 122,6 Werberiireii.st., 120 121 Kata Man kann aus der Vergleichung dieser beiden Reihen ersehen, wo die gestreckten und wo die stark gekrümmten Theile der Schädelober- fläche liegen. Die niedrige und flache Stirn, die stark gebogene Hinter- hauptsschuppe, die mittlere Stärke der Wölbung der Scheitelbeine tritt sofort vor die Augen. Auch die sexuellen Differenzen lassen sich leicht ablesen. Der Horizontalumfang aller 6 Schädel von Urk beträgt im Mittel 515,5, der der 4 männlichen für sich 522,5. Er ist also etwas kleiner, als der der Marker, welcher 535 Mm. erreicht. Damit harmonirt auch die etwas geringere Capaeität der männlichen Urker Schädel. Ich möchte jedoch glauben, dafs auch hier ein individuelles Maafs in Betracht kommt, 13* 100 Vırcuow: Beiträge zur physischen Anthropologie nehmlich die ungewöhnliche Gröfse des Marker Schädels Nr. 15. Immerhin sind alle Urker grofse und kräftige Schädel. Selbst der weibliche Schädel Nr. 17 mit seiner Capacität von 1360 Cub. Cent. hat einen verhältnils- mäfsig grofsen Umfang, und er gestattet uns, gegenüber dem ungewöhn- lich kleinen weiblichen Schädel Nr. 17 von Marken, der nur 1150 milst, die Annahme, dafs auch dieses letztere Maafs als ein mehr individuelles zu betrachten ist. In keiner Richtung tritt die Gröfse der individuellen und sexuellen Verschiedenheiten jedoch stärker hervor, als in den basilaren Längen- maalsen und den daraus berechneten Verhältnilszahlen. Die Schädel des Museum Vrolik ergeben in dieser Beziehung folgende Zahlen: Marken Urk To E16 17 18 19 ö 2 1 1 a. Gerade Entfernung des Meatus auditorius ext. von der Nasofrontalnaht . . . ». .» al) 95 ı 101 105 b. Gerade Entfernung des Foramen oeceipitale | vonsder"Nasoftontalnaht or. 2222177104 | 91 | 86,5 98 98,5 e. Horizontale Entfernung des Foramen oceip. | (hinterer Rand) von der Hinterhauptswölbung | 68 67 67 66 61 d. Verhältnils von a : der gröfsten Länge | A0O)E | 56,2 | 54,0 53,6 53,1 56,7 | e. Verhältnifs von b : der gröfsten Länge eh! 52,2 48,8 51,5 53,2 f. Verhältnils von e: der grölsten Länge . . 34,7 |. 384 37,8 34,7 32,9 Für die weiblichen Schädel Nr. 16 und 17 ergiebt sich bei der absoluten Zahl eine merkliche Kürze der Basis eranii (a und b), dagegen eine beträchtliche, denen der Männer gleichkommende Länge des Hinter- kopfes (ec). Unter den männlichen Schädeln zeigt Nr. 18 eine verhältnils- mälsige Kürze der Basis, Nr. 19 eine bedeutende Kürze des Hinterkopfes. Letztere ist wiederum der anomalen Bildung der Squama oeceipitalis und ihrer weit gröfseren Höhe zuzuschreiben. der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 101 Bei den Verhältnifszahlen ändert sich die oben erwähnte Stellung von Nr. 18 und 19 nicht, sondern tritt eher noch stärker hervor, Da- gegen ändert sich die Stellung der weiblichen Schädel zu den männlichen vollständig, indem die oceipitale Länge weit über die männlichen Zahlen heraufrückt, während die vordere (basilare) Länge sich denselben beträcht- lich nähert. Bei den absoluten Zahlen unter b beträgt die Differenz zwischen dem männlichen Schädel Nr. 15 und dem weiblichen Nr. 17 mehr als 17 Mm., bei den entsprechenden relativen Zahlen unter e ist dieselbe auf wenig über 4 herabgekommen. Am besten erhellt dies aus einer Zusammenstellung der Mittel: Männlich Weiblich Summe Differenz a 1053 945 101 1708 b 100.41 88,7 95 Se e 65,0 670 65 ENT d 560 53,8 BEZ nr 99 e 5296 505 51 | E247634.1 4,01138.0 ei Beiläufig darf ich darauf aufmerksam machen, dafs die Messung | der imaginären basilaren Länge vom äufseren Gehörloche aus, so grolsen relativen Werth sie auch besitzt, doch keineswegs die Messung der wirk- lichen basilaren Länge vom Hinterhauptsloche aus ersetzen kann. Die individuellen Differenzen sind zu grols, indem die Stellung und Entfer- nung des Gehörloches zum vorderen Rande des Hinterhauptsloches selbst wechselt. Hier ergeben sich beispielsweise folgende Differenzen zwischen den entsprechenden Zahlen in a und b der vorher (S. 100) mitgetheilten Tabelle: Kr. 15ER ER ME: Ma ET FEN ‚u »— s5=85, inet ‚me, Als Ergänzung zu dem Bilde der Schädelgestaltung dieser Insula- ner füge ich ferner eine Uebersicht der vom äufseren Öhrloche aus zu 102 Vırcuow: Beiträge zur physischen Anthropologie den Wölbungen des Vorder-, Mittel- und Hinterkopfes gezogenen Radien an, wobei ich bemerke, dafs an jedem Schädelabschnitte die für ıhn mitt- lere Vorwölbung gewählt ist, also z. B. für den Vorderkopf die Gegend zwischen den Tubera frontalia und nicht etwa die Glabella oder das Bresma, für den Hinterkopf nieht die Spitze der Oberschuppe, auch wo sie am weitesten rückwärts liest, sondern die wirkliche Wölbung der Öberschuppe. Venen aeg Oeccipital- | Radius | UcKSNTSlolsn se 110 113 101 en (RER 3 DAT 9 Marken Nr. 17 7 2. | 102 | 113,5 98 a | TOO EG 100 Sk. 19 ae | ns 99 en TO | 114,6 | 97,8 Darunter männlich . ,| 106,5 | 114 100 5 weiblich | 98 114,2 94,5 Hier zeigt sich die stärkere Frontalentwickelung der Männer in sehr augenfälliger Weise. Die Hinterhauptswölbung erscheint bei den Frauen viel geringer, als man nach der vorletzten Tabelle (S. 100) erwar- ten sollte. Die Hauptmaafse aber fallen bei beiden Geschlechtern der Parietalwölbung zu, deren grölster Radius weit nach rückwärts von der geraden Höhe liegt. Endlich hat es vielleicht noch Interesse, der Vergleichung halber, die Radien vom Hinterhauptsloche zu den sagittalen Fontanellstellen zu übersehen. Es wird dadurch der vordere und der hintere Endpunkt der Pfeilnaht etwas genauer festgestellt. der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 103 Radius vom vorderen Rande | hinteren Rande des Foramen magnum oceipitale bis zur | vorderen | hinteren | vorderen | hinteren Fontanelle Neo, 0.20, 0:5 10 4001 RD 119 147 100 TO Er 3 | 111 113 121 | 9 2 et ee le TE 94 & ar NE REST TI ELITE 9» 140 95 RER | an arei|ı 98 Mittel RE N, 124,9 | 117,2 137.69 095,8 Darunter männlich . | 128,8 118,3. |: 143,0 97,6 5 weiblich. . | 119,0 | 115,5 | 129,5 | 93,0 Es ist ersichtlich, dafs die Lage der hinteren Fontanelle (oder des Lambdawinkels) zum vorderen Rande des Hinterhauptsloches am meisten constant ist; die gröfste beobachtete Differenz beträgt hier nur 6M. Ein wenig stärker, nehmlich um 8 Mm., variirt die Lage derselben Stelle im Verhältnis zum hinteren Rande des Loches. Dagegen schwankt die Ent- fernung der vorderen Fontanelle (des vorderen Endes der Pfeilnaht) vom Hinterhauptsloche ganz aulserordentlich: die Differenz zwischen Maximum und Minimum beträgt für den vorderen Rand des Hinterhauptsloches 21, für den hinteren 26 Mm. Dem entsprechend liegt auch die sexuelle Dif- ferenz hauptsächlich in dem vorderen Radius, wenngleich bei der grölseren Kleinheit des weiblichen Schädels sämmtliche Radien gegen die männ- lichen zurückbleiben. | Ich habe in diesen letzten Bemerkungen schon eine Reihe mehr zusammenfassender Erörterungen über die Schädel von Urk und Marken zusammen angestellt, welche vielleicht an eine spätere Stelle gehörten. Indefs schlossen sie sich hier am natürlichsten an und aufserdem bezogen sie sich nur auf die Schädel des Museum Vrolik, da entsprechende Daten von den sonstigen Urker Schädeln nicht veröffentlicht sind. Ich wende mich jetzt zu dem eigentlichen Gegenstande, den Eigenthümlichkeiten der Urker Schädel zurück. 104 Vırcmow: Beiträge zur physischen Anthropologie Zunächst will ich hervorheben, dafs auch bei ihnen, wie bei den Markern, sehr ausgedehnte und hohe Plana temporalia vorkommen. Die Lineae semicireulares, welche mindestens hinter der Kranznaht, wo sie schnell in die Höhe steigen, auf jeder Seite doppelt sind, erreichen mit ihren oberen Schenkeln meist sowohl die Scheitelhöcker, als auch die Lambdanaht. Bei Nr. 16 überschreiten sie sogar die Tubera. So ge- schieht es, dals bei dem weiblichen Schädel Nr. 16 und bei den männ- lichen Schädeln Nr. 18 und 19 die oberen Schenkel der Schläfenlinien sich einen Fingerbreit hinter der Kranznaht bis auf 110 Mm. nähern. Bei dem männlichen Schädel Nr. 15 und dem weiblichen Nr. 17 beträgt die Annäherung nur 140 Mm. Am Stirnbein erscheint die Schläfenlinie meist als eine wahre Leiste, und zweimal, bei dem männlichen Schädel Nr. 18 (S. 86) und bei dem weiblichen Nr. 17 (S. 83) findet sich auf der rechten Seite, gleichsam als Abschlufspunkt der Leiste, am hinteren Rande des Stirnfortsatzes vom Wangenbein jener starke Auswuchs, den ich vor einiger Zeit bei Botokuden-Schädeln unter dem Namen der Tuberositas temporalis beschrieben habe!). Alle diese Erscheinungen machen den Eindruck, als wäre der Kauapparat bei unseren Insulanern in ungewöhn- lich starker Weise entwickelt gewesen. Dem gegenüber ist es höchst bemerkenswerth und von nicht ge- ringer theoretischer Bedeutung, dafs die Seitentheile des Schädels keines- wegs abgeflacht oder abgeplattet sind, wie man nach gewissen herrschen- den Meinungen vielleicht erwarten möchte. Die Schläfenschuppen stehen wohl etwas steil, aber auch sie sind meist nicht ganz platt. Noch weit weniger gilt dies von den in die Plana fallenden Theilen der Stirn- und Seitenwandbeine. Im Gegentheil, die Schläfentheile des Stirnbeins zeigen sich durchgehends ungewöhnlich vorgewölbt, bei Nr. 19 sogar flachkuglig (S. 89), und die unteren Theile der Parietalia treten so sehr vor, dals in der Norma basilarıs dadurch jenes breite Aussehen der Mittelgegenden des Schädels bewirkt wird, welches ich bei jedem einzelnen Schädel an- geführt habe. 1) Verhandlungen der Berliner anthropologischen Gesellschaft. 1875. S. 162. Zeitschr. für Ethnologie. Bd. 7. der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 105 Zum Theil erklärt sich dieses Verhältnils aus der ungewöhnlich hohen Entwickelung der Alae temporales ossis sphenoidis, welche auch nach vorn ungewöhnlich weit über das Stirnbein herübergreifen. Dem entsprechend ist der Angulus parietalis fast immer sehr kurz und breit. Auch die Squamae temporales sind hoch, besonders in ihrem vorderen Abschnitte; zuweilen nähern sie sich dadurch der dreieckigen Form (S. 89). Irgend eine Disposition zur Bildung eines Processus temporalis squamae temporalis habe ich nicht wahrgenommen. Dagegen läfst sich bei den Frauen trotz der Breite und Höhe der Alae in der Sphenoparietalgegend Stenokrotaphie nachweisen. Die Einzelbeschreibungen enthalten das Nähere darüber. Von den männlichen Schädeln zeigt Nr. 15 Stenokrotaphie, aber diese ist bedingt durch eine ungewöhnlich ausgedehnte Synostosis sphenofrontalis et sphenoparietalıs. Am Hinterhaupt sind die Muskellinien mit Ausnahme der Linea nuchae -suprema gleichfalls meist recht deutlich entwickelt. Auch hier hat dieser Umstand nicht gehindert, dafs die den Fossae cerebellares ent- sprechenden Vorwölbungen an der Facies muscularis squamae oceipitalis leicht sichtbar hervortreten. Der Absatz der Facies museularis gegen die Facies laevis ist an den männlichen Schädeln Nr. 15 und 19 sehr tief, bei Nr. 18 schon nicht sehr kräftig, bei den weiblichen Schädeln unge- mein seicht. Damit stimmt, dafs die Protuberantia oceipitalis externa in der Regel ganz schwach ist, ja bei den weiblichen Schädeln ganz fehlt. Ebenso sind die Processus mastoides verhältnifsmäfsig niedrig, von aulsen her abgeplattet und bei den weiblichen Schädeln geradezu klein: nur die Incisura mastoidea ist immer scharf und breit. An allen genannten Theilen haben die Breitendurchmesser eine starke Entwickelung. Die gröfste Breite der Schädelcapsel liegt stets an den unteren und hinteren Abschnitten der Parietalia, unterhalb der Tu- bera und über dem Angulus mastoideus. In Bezug auf die Einzelheiten werde ich weiterhin das Nöthige zusammengestellt vorführen. Nur möchte ich darauf aufmerksam machen, dafs unter allen Breitenverhältnissen die der Schläfengegend das gröfste Interesse erregen, insofern sie eine com- pensatorische Verbreiterung der vorderen Schädelgruben er- kennen lassen. Auf die Gesichtsverhältnisse werde ich gleichfalls zurückkommen. Phys. Kl. 1876. 14 106 Vırcuow: Beiträge zur physischen Anthropologie 3. Schädel von der Insel Schokland. Es war mir selbst nicht vergönnt, Schokländer Schädel zu unter- suchen. Glücklicherweise besitzen wir für sie Angaben von van der Hoeven und Spengel, welche wenigstens für die Hauptverhältnisse Vergleichungsmaterıal liefern. In dem Kataloge des ersteren!) finden sich 3 Schokländer Schä- del aufgeführt, von denen ich den ersten seinen Maafsverhältnissen nach für einen weiblichen halten möchte: 1) Nr. 25. Forma eranii ovalis, supra planıuscula, depressa. Os oceipitis supra gibbum, plane ut in Suecorum cranio. 2) Nr. 26. Cranium viri mediae aetatis; dentes omnes adsunt. Maxillae magnae, angustae. Mentum prominulum, margine inferiori maxil- lae prominente et maxilla ipsa infra marginem alveolarem concava, satis profunde exsculpta. (Magnopere pleraeque mensurae conveniunt cum mensuris cranıi incolae insulae Urk Nr. 24). 3) Nr. 27. Aetas paullo provectior fuisse videtur quam viri, cujus cranium praecedit. Utriusque eranıı similis est forma, hujus tamen altitudo major. Aliquot dentes desiderantur. Deleta est postice sutura sagittalis. Die Maalse für diese 3 Schädel stelle ich der Bequemlichkeit wegen zusammen: Nr. 25 Nr. 26 Nr. 27 Mittel A. Horizontalumfang . . . . 499 500 505 501,3 B. Sagittalumfang . 2. .200.0340 346 345 343,6 Ei Grölstel Mängeln ka 17O 174 175 173,0 D: HinterelHöhelns. vun.) 128 122 () 136 128,6 Bil Gröfste: Breiten u.illdlasamanındia2 134 143 136,3 F. Länge des Hinterhauptsloches 37 33 36 35,8 G. Breite desselben . . ...1...832 28 31 30,3 1) J. van der Hoeven, Catalogus ceraniorum p. 15. der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 107 J. van der Hoeven selbst vergleicht damit das Mittel der ent- sprechenden Zahlen für sämmtliche in seiner Sammlung befindlichen Schädel von erwachsenen Männern germanischer Abkunft, einschliefslich der Urker und Schokländer. Er findet für A 528 C 181—182 E 137. Darnach wären die Schokländer Schädel durchschnittlich kleiner. Aus den obigen Zahlen berechnen sich für Nr. 25 Nr. 26 Nr. 27 Mittel den Längenbreiten-Index . . . . 77,6 77,0 81,6 78,7 den (hinteren) Längenhöhen-Index . 75,2 70,1 ei 76,3 den Index des Hinterhauptsloches . 86,5 84,8 86,1 85,8 Es sind daher diese Schädel mesocephal mit Neigung zur Bra- chycephalie, denn von den 3 Schädeln ist keiner dolichocephal, dagegen einer (Nr. 27) ausgesprochen brachycephal. Was die Höhe angeht, so läfst sich diese nur vergleichen mit den früher (S. 94) von mir mitge- theilten Zahlen, welche nach der Methode van der Hoeven’s gefunden worden sind. Darnach stimmt allerdings der Schädel Nr. 26, wie schon von dem holländischen Gelehrten angegeben ist, in hohem Maalse mit seinem Urker Schädel Nr. 24 überein, und er könnte sowohl nach der absoluten, als nach der berechneten proportionalen Höhenzahl chamae- _ cephal genannt werden. Dagegen gehen die beiden anderen Schädel in der proportionalen und der eine, Nr. 27, auch in der absoluten Höhe weit über das für diese Bezeichnung zulässige Maals hinaus. Berechnet 1001 = so erscheinen durchweg sehr niedrige Zahlen für die absolute Höhe, da- gegen relativ grofse für den Höhenindex. Man erhält nehmlich als Höhenmaals 120 129 128 Mittel 128 als Höhenindex 75,2 74,1 73,1 Mittel 74,1, wobei sonderbarerweise die berechnete Zahl für Nr. 25 mit der von van man die Höhe nach der früher (S. 93) entwickelten Formel Ah — der Hoeven für eine ganz andere Linie am Schädel gefundenen Höhen- oO o zahl übereinstimmt. Die berechneten Zahlen, deren Richtigkeit ich dahin- gestellt lassen muls, würden mit den Maafsen der Urker Schädel Nr. 17 I 108 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologie Vrolik und Nr. 273 Blumenbach (S. 80 und 96), sowie des Marker Schädels Nr. 272 Blumenbach stimmen und eine etwas höhere, jedoch immerhin noch nicht hohe Varietät, welche mehr dem vollkommneren Typus der Insulaner entspräche, darstellen. Der von Hrn. Spengel!) beschriebene Schokländer Schädel aus der Blumenbach’schen Sammlung Nr. 275 besitzt nach seiner Angabe bei einer Länge von 188 und einer Breite von 141 Mm. — also einem Län- genbreiten-Index von 75,0 — eine Höhe von 138 Mm., woraus sich ein Längenhöhen-Index . von 73,4 Breitenhöhen-Index . von 97,9 ergiebt. Die Höhe des Stirnbeins beträgt 65,2 pÜt. der Gesammthöhe. Die Augenbrauenwülste sind sehr stattlich, weit stärker, als bei dem Urker Schädel Nr. 274; ebenso ist die Stirn mehr fliehend. Dabei sind die die Keilbeinflügel begrenzenden Nähte ganz offen, während die Pfeil-, Kranz- und Lambdanaht zu obliteriren beginnen. Auch dieser Schädel, welcher einem älteren Manne angehört hat, zeigt nach dem Zeugnisse des Hrn. Spengel „durchaus denselben Charakter, wie die von der Insel Marken.“ Ich füge noch hinzu, dafs der Horizontalumfang desselben 522 Mm. mifst, während der obere Sagittalumfang 376 Mm. beträgt, wovon auf das Stirnbein, ..... .2..125 — 3552 pCt, dassscheitelbein, .... 2... 140, 2 die Hinterhauptsschuppe 111 = 295 ,„ fallen. Diese Verhältnisse sind in mehrfacher Beziehung von denen der meisten anderen, bis jetzt erwähnten Schädel abweichend. Während nehm- lich das Maafs des Gesammtscheitelbogens (der Sagittalumfang) bei dem Schokländer Schädel eher kleiner ist, und die Niedrigkeit der Hinter- hauptsschuppe von keinem der anderen männlichen Insulanerschädel er- reicht wird, so hat dagegen die Pfeilnaht eine so grolse Länge, wie sie überhaupt bei keinem der übrigen, hier angezogenen Schädel vorkommt. Da das Stirnbein sich mehr den sonst bei den Insulaner-Schädeln gefun- denen Gröfsen-Verhältnissen (S. 98) anschliefst, es sich also wesentlich um ein gegenseitiges Störungsverhältnils von Scheitelbeinen und Hinter- oO‘ te) 1) Spengel a.a. ©. S. 57. pengs der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 109 hauptsschuppe handelt, so ist es leicht möglich, dafs ganz individuelle Gründe dafür obwalten, namentlich, dafs die Obliteration der Nähte einen Einflufs darauf ausgeübt hat. Werfen wir jetzt einen zusammenfassenden Rückblick auf die drei Gruppen der Zuiderzee-Schädel, so ergiebt sich Folgendes: 1) der Längenbreiten-Index oder der kurzweg sogenannte Schädel-Index der sämmtlichen, in Betracht gezogenen Schädel beträgt für die 5 Schädel des Museum Vrolik nach meinen Messungen und Berechnungen . . . . N er u al Aikekl 1 ER nut La EB für die 7 Schädel des Museum Breenbach nach den Messungen und Berechnungen des Hrn. Spengel . . . . ri, für die 4 Schädel des Museum van der Hoeven, ber nach GBR DIERBEHEEN de Bemiizeru sn“ a 1. 1. ITET für 16 Zuiderzee-Schädel . . . 770 Hr. Welcker hatte für 15 Schädel von Urk und Marken (8. 53) einen Index von 75,9 angegeben. Obwohl diese Zahl sonderbarer Weise genau mit der des Hrn. Spengel stimmt, so ist sie doch nicht einfach damit zusammen zu werfen, da der erstgenannte Gelehrte der Berechnung des Index nicht, wie der letztere, die sröfste Schädelbreite, sondern nur die Entfernung der Tubera parietalia von einander, den sogenannten Tu- beral-Durchmesser, zum Grunde legt. Ich habe daher, um wenigstens für die mir zugänglichen Schädel eine Vergleichung mit den Zahlen des Hrn. Weleker möglich zu machen, für dieselben die entsprechenden Zahlen berechnet. Ich erhalte für Marken Nr. 15 . 71,0 i 7 GO Ückaseaı 5: E79, 8 = are el) du anslalE 03,6 Mittelis. : 12082 Dieses Maafs stimmt sehr wenig mit dem von Hrn. Welcker ge- fundenen; ich vermag jedoch eine weitere Aufklärung nicht zu geben. 110 Vırcuow: Beiträge zur physischen Anthropologie Beiläufig möchte ich aber auf die eigenthümliche Erscheinung hinweisen, dals die Tuberaldurchmesser und daher auch die daraus be- rechneten Breiten-Indices sich ziemlich genau mit den nach der Methode van der Hoeven’s gefundenen (hinteren) Höhen- durchmessern und den daraus abgeleiteten Höhen-Indices (S. 94) decken. Im Allgemeinen können wir also schliefsen, dafs die Zuiderzee- Schädel sich der meso- oder orthocephalen, auch wohl mesatice- phal genannten Form anschliefsen. Dabei ist zu bemerken, dafs nach meinen Messungen und noch mehr nach denen J. van der Hoeven’s diese Schädel sich mehr der oberen Grenze der Mesocephalie nähern und dafs einer von van der Hoeven (Schokland Nr. 27) und einer von Hrn. Spengel (Urk Nr. 275) geradezu brachycephal sind. Die von Hrn. Spengel als dolichocephal berechneten 3 Schädel von Urk (Nr. 269—71) und der eine von Schokland (Nr. 275) liegen wenigstens der oberen Grenze der Dolichocephalie näher. Soviel ich beurtheilen kann, sind unter den 16 Schädeln nur 5 weibliche. Diese ergeben denselben Index von 77,0, der sich auch für die Männer berechnet. Ich möchte jedoch auf dieses Ergebnils keinen zu grolsen Werth legen, da die Zahl der Weiberschädel auch gegenüber den Männerschädeln zu klein ist, um eine entscheidende Berechnung an- stellen zu können. Immerhin entfernt sich das mittlere Maafs des Breiten-Index der Zuiderzee-Schädel nicht unbeträchtlich von den früher (S. 483—51) mit- getheilten Mittelmaafsen der fränkisch-alemanischen Gräberschädel, und man wird nicht ohne Weiteres beide Formen zusammenbringen dürfen. Ueberall fanden wir den Breiten-Index der letzterwähnten Schädel inner- halb der Grenzen der Dolichocephalie, so zwar, dafs die Grenzen der alemanisch-fränkischen Schädelindices zwischen Mitteln von 71 und 75 schwankten. Hier jedoch liegen die niedrigsten Mittelzahlen schon über 75 und sie überschreiten die Zahl 78. Wie aber stellen sich die einzelnen Gruppen der Zuiderzee-Schädel unter einander? Die Antwort wird einigermalsen erschwert durch die Unsicherheit darüber, ob die von den verschiedenen Untersuchern ange- wendeten Mefsmethoden hinreichend ähnlich sind, um direkt verglichen der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 111 werden zu können. Ich habe mich darüber schon früher ausgesprochen: trotz der sicherlich vorhandenen Fehler bleibt uns nur der eine Weg übrig, die Vergleichung zu wagen. Indefs will ich der gröfseren Sicherheit wegen doch zunächst die von mir selbst untersuchten Amster- damer Schädel von den anderen trennen. Nach meinen Messungen berechnet sich der Längenbreiten-Index für Marken Nr. 15 zu en 77,3 A m RE ZT Urk ” Ft n 77,1 Bas, S I EIET, | Mittel . 17, - - Hr. Spengel findet für Marken Nr. 269 74,7 ‘ „ 270 745 | i z 971 En 14,3 x „ 3931.:76,3 Urk .. 213 N 79.0 » „214 || 76,2 Schokland „ 275 75,0 Mittel 75,9 Nach J. van der Hoeven berechnet sich Urk Nr. 24 78,6 (77,4) Schokland Nr. 25 77,6 A 26 77,0 | 78,7 A Fa } 81,7 Mittel . 18,7 In dieser Reihe findet sich nur eine wesentliche Abweichung, nehm- lich die 3 ersten Marker Schädel, welche nach den Messungen des Hrn. Spengel sämmtlich dolichocephal sind und daher das Mittel beträchtlich drücken. Ihnen schliefst sich, gleichfalls nach den Messungen des Hrn. Spengel, der Schokländer Schädel des Göttinger Museums an. Der vierte 112 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologie Marker Schädel und die Urker stimmen dagegen auch bei Hrn. Spengel mit den von mir und van der Hoeven ganz allgemein gefundenen Zahlen. Stellen wir nun die einzelnen Inseln für sich zusammen, so ändert sich natürlich das Bild. Wir erhalten alsdann 1) für Marken (S. 75). Museum Vrolik Nr. 15 - 5 „...16 5 Blumenbach „ 269 » n 0270 5 u Bl! 5 a 29 Mittel . 2) Insel Urk (S. 96—97) Museum Vrolik Ne 1% , ei P ie) e a N) Blumenbach „ 275 n a aA 5 v..d. Hoeven „ 24 Mittel . 76,0 78.7 74,7 74,5 73,3 76,3 75,5 zit 76,8 Tele) 81,9 76.2 78,6 78,0 3) Insel Schokland (S. 107—108) Museum Blumenbach Nr. 275 = v. d. Hoeven„ _25 h a 2:20 n . Alla; Mittel . Die Uebereinstimmung der Urker und Schokländer tritt sofort zu Tage. Auch die Marker schliefsen sich zur Hälfte an; die andere Hälfte zeigt abweichende Verhältnisse. Die erste Hälfte (Vrolik Nr. 15 und 16, Blumenbach Nr. 272) giebt als Mittel den Breiten-Index 77,0, also nahezu dieselbe Zahl, wie die Urker und Schokländer; 75,0 77,6 77,0 81,7 77,8 die zweite Hälfte (Blu- menbach Nr. 269—71) hat nur ein Mittel von 74,1. | E nur | Be dafs Hr. Spen- st kein Bedenken trägt, auch von dem Urker‘ Schädel, der einen A dex von 7 6,2 hat, auszusagen, er habe, gleich dem Schokländer, : denselben Charakter, wie die Schädel von Marken.“ Man wird also einer- its die Möglichkeit zulassen müssen, dafs die seinen Angaben nach doli- 2: ocephale Form eines Theils der Marker Schädel als eine individuelle Ab- FA weichung i in einer an sich nicht dolichocephalen Reihe erscheint, anderer- ee 6 ie aber festhalten müssen, dals die allgemeine Form mesocephal ist BR und Uebergänge zur ausgemachten Brachycephalie nicht ausschliefst. Dabei 2 Sa ist es bemerkenswerth, dafs, soweit sich beurtheilen läfst, die individuellen | re * R > Abweichungen bei beiden Geschlechtern vorkommen. m er 2) Die Länge des Schädels ist aufserordentlich verschieden. Sehr a bestimmt gilt für die weiblichen Schädel, dafs sie um ein Beträchtliches TR ‚kürzer sind!). Indels ist auch für die einzelnen Inseln eine entschiedene Ungleichheit vorhanden, in der Art, dafs die Schädel von Marken länger als die von Urk und diese wieder länger als die von Schokland sind. Männlich Weiblich Marken Nr. 15 195,5 Nr. 16 174 Es = ab 209 37.277280 N) ei »„.. 212 .194 Mittel . . 197,8 177 190,9 Urk Nr. 18° 190° “Mr. 17 177 Fi & u 28 Io 5 ne LIE IT. e „ 224. 189 Mittel . . 185,8 175 181,8 1) Ich betrachte den Urker Schädel Nr. 24 und den Schokländer Nr. 25 als weiblich, obwohl ich es nicht bestimmt nachweisen kann. Man wird aber sehen, dafs, or wenn man diese beiden aus der Rechnung lälst, die Ergebnisse nicht wesentlich Ehe. Kl. 1876. 15 114 VırcHow: Beiträge zur physischen Anthropologie Männlich Weiblich Schokland Nr. 275 188 Nr. 35 170 a „9812 R „97 105 Mittel... 27.7179 170 eg Darnach wäre das Gesammtmittel der Länge für die männlichen Schädel . . . 188,1 weiblichen a ee ARE Summa, 9. ans oder, anders ausgedrückt, die Urker Mittel wären als dieam meisten typischen anzusehen. Dieses Resultat wäre sicherer, wenn alle Schädel nach derselben Me- thode gemessen wären. Hier ergeben sich aber gerade sehr erhebliche Verschiedenheiten in Bezug auf van der Hoeven, wie aus nachfolgender Zusammenstellung hervorgehen wird. Es ergeben Männer Weiber Mittel die Messungen von mir . . 190,1 175 184,5 5 > „ Spengel. 191 180 190 2 R v.d.Hoeven 174,5 ale 173 Immerhin ist festzuhalten, dafs nur in einem Falle (v. d. Hoeven Nr. 25) die Länge bis auf 170 Mm. sinkt, während sonst 173—175 als Minimalmaals erscheint. Im Allgemeinen ist demnach die Länge beträchtlich. 3) Die gröfste Breite des Schädels bietet ähnliche Verschieden- heiten dar. Es wurden gefunden bei Männern Weibern Marken Nr. 15 148,6 Nr. 16 137 R ao ori 139 x „ 270 149 a „ 272 148 Mittel . „149,1 134,5 144,4 der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. Männern Weibern Urk Nr. 18 146 Nr. 17 146,5 r „19 148,5 „ 24 136 z EU PTRERL: er „ 274 144 Mittel . . 144,6 136,2 141,8 Schokland Nr. 275 141 Nr. 25 132 „ 26, 134 ‚ „27 143 Mittel. . 139,3 132 Gesammtmittel . 144,8 134,7 Kr Oder nach Beobachtern: Virchow . . 146,0 136,7 142,3 Spengel . . 146,3 132 144,2 v. d. Hoeven 138,5 134 Auch hier stehen die Urker Schädel dem Gesammtmittel und mei- nen Messungen am nächsten, während sich die Schokländer und die Mes- sungen van der Hoeven’s am meisten davon entfernen. Immerhin ist das Breitenmaals grofs. Es wird dies namentlich hervortreten, wenn wir die Zuiderzee-Schädel mit den fränkisch-alema- nischen (S. 48—51) vergleichen. Ich stelle die früher erwähnten Grup- pen kurz zusammen, indem ich zugleich die Mittelzahlen für die Länge hinzufüge: ii or * Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologie r 1. Fränkisch-alemannische Gräberschädel Ecker Virchow Hölder Länge ' 191,0: 179” 7'186 Breite 136,3 134,9 134 Ihering 191,2 141,8 2. Zuiderzee-Insulaner v. d. Hoeven Virchow Spengel Mittel Länge 173 184,5 190 185,1 Breite 136,2 142,3 1442 141,7 Hier kommen sich nur die Rosdorfer Gruppe nach den Messungen des Hrn. v. Ihering und die Zuiderzee-Schädel in Göttingen nach den Messungen des Hrn. Spengel nahe. Aber einerseits entfernt sich der Rosdorfer Typus gerade in Bezug auf die Breite der Schädel nicht un- beträchtlich von dem süddeutschen Reihengräber-Typus, andererseits geht die Breite der Zuiderzee-Schädel, auch nach den Messungen des Hrn. Spengel, dessen Methode die hier unmittelbar vergleichbare ist, beträcht- lich über die der Rosdorfer hinaus. Einiges Interesse bietet eine Ver- gleichung der sexuellen Mittelzahlen, wofür ich die von mir gemessenen Schädel aus dem Gräberfelde am Schiersteiner Wege bei Wiesbaden (S. 49) wähle; ich stelle damit (1) die Mittelzahlen für die von mir gemessenen Zuiderzee-Schädel (2), sowie die Gesammtmittel aller Zuiderzee-Schädel (3) zusammen: Länge Breite Männer Weiber Männer Weiber (1) Wiesbaden. 186 176 140,7 131,5 (2) Marken und Urk“* 190,1 . 175 146,977 186.7 (3) Zuiderzee 188,1 ET a 13 Die Differenz der Gruppen liegt klar zu Tage. Während die Män- ner von Marken und Urk in der Länge um 4,1, die der Zuiderzee über- haupt um 2,1 Mm. die Männer von Wiesbaden übertreffen, bleiben die Weiber um 1, beziehentlich 1,2 Mm. hinter den mittelrheinischen zurück. Dagegen in der Breite übertreffen die Männer von Urk und Marken um 5,3, die Weiber um 5,2 (in der Gesammtheit um 4,1 und 3,2) Mm. die Wiesbadener. Die Verschiedenheit der beiderseitigen Gruppen und na- mentlich die Verschiedenheit des Breitenindex resultirt demnach weniger der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 117 aus der Verschiedenheit der Längen, als aus der ungleich stärker hervor- tretenden Breitenentwickelung des Zuiderzee-Schädels. 4) Die übrigen Breitenmaafse der Schädelcapsel gewähren ein noch deutlicheres Bild von den Eigenthümlichkeiten des Zuiderzee- Schädels. Bei ihrer Darlegung mufs ich mich jedoch auf meine eigenen Messungen beschränken, da die anderen Untersucher, mit Ausnahme des Hrn. Harting, darüber keine Angaben gebracht haben. Marken Urk Mittel m. u —— m Nr.15 Nr. 16 Nr. 17 Nr.18 Nr.19 Männer Weiber Summe Oberer (tuberaler) Frontal- Baurchmesnern san - . - 0,000 60,5 61,1 56,5 59,8 Unterer Frontal - Durch- messer . . Be g8r 297 793 96. 94 96 92 94,4 Temporaler Durchmesser . 115 114 110 123 119 119 112 116,2 Tuberaler Parietal- Durch- Mer. un... 139 122 129 135 127 133,6 125,5 180,4 Oeccipital-Durchmesser . . 111 103 108 114 105 109,3 105,5 107,8 Oberer Mastoideal-Durch- Br ie. u. 124 118013196 124 . 124,6 PS I2I Unterer Mastoideal-Durch- Bea + 109-101 97-105 - 98-104 99-—102 Die entsprechenden Mittelzahlen für die Wiesbadener Reihengräber- Schädel lauten nach meinen Messungen: Männer Weiber Summe Oberer Frontal-Durchmesser 30". . 96,8. 57,7 Unterer „ E 9656. 91,8 93,6 Temporal-Durchmesser 19255: 11150 Parietal- % 121,8 120,6 Oberer Mastoideal-Durchmesser 126,5 119,5 122,1 Die Vergleichung beider Reihen lehrt, was schon der einfache Augenschein ergiebt, dafs der Mastoideal-Durchmesser der Zuiderzee- Schädel in allen Columnen geringer ist, als der der Wiesbadener, dafs 118 VırcHow: Beiträge zur physischen Anthropologie dagegen in allen anderen Durchmessern die Zuiderzee-Schädel den Vor- rang haben, ganz besonders im parietalen (tuberalen). Nur im Tempo- raldurchmesser prävaliren die männlichen Schädel von Wiesbaden. 5) Unter den weiteren Längenmaalsen des Schädels erwähne ich zunächst die basilaren. Eine Zusammenstellung sowohl der ab- soluten, als der proportionalen Zahlen für die von mir gemessenen Schä- del von Marken und Urk habe ich schon früher (S. 100) mitgetheilt; ich hebe daher hier nur die Mittelzahlen hervor, um eine Vergleichung mit den Wiesbadener Schädeln möglich zu machen: Direkte Messungen | Procente der Länge | | | an jr | a b | [0 a | b | {0 Zuiderzee-Schädel 'Gehörloch \vord. Rand hint. Rand Gehörloch vord. Rand hint. Rand | hi \desHinterhauptsloches| bis desHinterhauptsloches | I1S | s | \bis Nasen- bis Hinter-, bis Nasen-|bis Hinter- Nasen- wurzel | haupts- | Nasen- | wurzel | haupts- wurzel | | wölbung | wurzel | | wölbung | | | IMIERT To Ho We re 105,3 100,1 65,0 96,0 52,6 | 34,1 | | t | | | Wieiblieheg 3... 0. Ba 194850 ELSE HE JBLO 53,8 | 50,5 | 38,0 Mittel 0.2 2.0.5 222. 2 |2101 95 65 54,7°| 517 | 835,7 | | | | | Wiesbadener | | | | Reihengräber-Schädel | | | | | | | I | | a oo A | 104,8 57,4 | 583 | 554 30,5 werten | | 96 oe 54,7 32,9 55,0 31,5 Mittel ru a 103,3 Ehe IE el 57,1 Die Wiesbadener Schädel unterscheiden sich demnach recht er- heblich von den Zuiderzee-Schädeln. Die occipitale Länge ıst bei den letzteren sowohl im Ganzen, als bei den einzelnen Geschlechtern weit grölser: sie beträgt bei den Männern 3,6, bei den Weibern 5,1, im Gan- zen 4,2 pÖt. mehr, und nur das kommt beiden Gruppen gleichmälsig zu, dafs die Weiber eine grölsere oceipitale Länge besitzen, als die Männer. Die TB des vorderen Ran- m von der Nasokonkalpab beträgt bei den Wies- 3, pCt. mehr, als bei den Zuiderzee-Schädeln; vom äufseren Gehörloche aus gemessen, reduciren sich die Entfernungen ein wenig, denn die ent- ‘ sp echenden Zahlen lauten 2,3—2,5—2,4. 5 Si g Wenden wir uns nunmehr zu den Längenmaafsen des Schädel- En . Kr _ daches. Die geraden Längen der einzelnen Schädelknochen habe ich er Ben ie hon (S. 99) besprochen: ich hebe daraus hier nur das höhere Längenmaafs Br; $ des Stirnbeins, zumal bei den Männern, hervor. Für die sagittalen .: _ Umfangsmaalse steht ein etwas gröfseres Material zur Verfügung, da x AN r auch Hr. Spengel die entsprechenden Zahlen geliefert hat. Ich habe = davon bei den einzelnen Gruppen der Zuiderzee-Schädel schon Zusammen- RT 2 stellungen vorgelegt (S. 76, 97) und daran einige Betrachtungen geknüpft. . P.< Hier dürfte es daher genügen, einige zusammenfassende Zahlen zu geben. BER Es betragen die Mittel der sagittalen Umfangsmaalse - Kt R- A. der Zuiderzee-Schädel 2 a E h a) der männlichen Br Stirn- Pfeil- Hinter- ganzer er beiu naht hauptsschuppe Scheitel- re bogen ER l) nach meinen Messungen 129,0 119,6 122,6 371,3 ar 2) nach Hrn. Spengel . 127,8 129,6 118,6 376,3 Be Br zusammen 128,2 126,3 120,0 3745 vr d og u. b) der weiblichen a 1) nach meinen Messungen 120,0 121,0 111,0 352,0 VE 2) nach Hrn. Spengel . 123,0 125,0 103,0 351,0 a zusammen 121,0 122,3 108,3 351,6 % ve 1 - e) sämmtlicher 1) nach meinen Messungen 125,3 120,2 118,0 363,3 2) nach Hrn. Spengel . 127,1 129,0 116,4 379,5 zusammen 126,4 125,3 117,0 . 368,7 120°. Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologie B. der Wiesbadener Schädel Stirn- Pfeil- Hinter- ganzer bein naht hauptsschuppe Scheitel- bogen a) der männlichen . . . 15059 2 IE 20 7 b) der weiblichen . . . 12356 124;097 113993023608 zusammen 126,2 126,0 1959230947 Bei der Vergleichung dieser Zahlen im Einzelnen mufs ich darauf aufmerksam machen, dafs die sexuellen Verhältnisse gerade hier beson- dere Vorsicht in der Schlufsfolgerung erheischen. An sich ist die Zahl der weiblichen Schädel aus den Inseln der Zuiderzee, wenn wir von der Sammlung van der Hoeven absehen, sehr gering (3 unter 12), dagegen aus den Reihengräbern von Wiesbaden sehr grofs (10 unter 16). Das Gesammt- mittel für die Zuiderzee-Schädel entspricht daher mehr dem männlichen, das für die Wiesbadener Schädel mehr dem weiblichen Typus. Ferner hat Hr. Spengel überhaupt nur einen weiblichen Schädel gemessen, und die nach ihm mitgetheilten weiblichen Zahlen sind also überhaupt keine Mittelzahlen. Aus diesen Umständen erklärt sich die sonst widerspruchs- volle Thatsache, dafs die Weiberschädel aus der Zuiderzee einen gerin- seren Sagittalumfang der Hinterhauptsschuppe zeigen, als die Wiesbadener Weiberschädel, während sowohl im Ganzen, als auch in der männlichen Abtheilung die Zuiderzee-Schädel in diesem Punkte bei Weitem die Wies- badener übertreffen. Die procentische Aufstellung der sagittalen Maalse ergiebt folgende Zahlen: A. Zuiderzee-Schädel Stirn- Scheitel- Hinterhaupts- bein bein schuppe a) männliche 34,2 33,7. 82,0 b) weibliche 34,4 34,7 ..30,8 Mittel :,342 . 83;,834-131,7 B. Wiesbadener Schädel a) männliche 34,9 34,6 30,4 d) weibliche Se a) Mittel 834,5 34,4 31,0 Fe OR ach Messungen an den 5 Amster- | gewonnenen Zahlen gesondert auf, so ist der Gegensatz ae ı mehr bemerkbar, als bei den Zahlen des Hrn. Spengel, welche wegen der grölseren Summe der überhaupt von ihm gemessenen Schädel das Gesammtresultat stark beinflussen. Es berechnet sich nehm- lich für die Zuiderzee-Schädel Sr AN das Stirn- das Scheitel- die Hinter- 4 bein bein hauptsschuppe Br a) nach meinen Messungen . 34,4 33,0 32,6 S. b) nach Hrn. Spengel . . 341 34,6 31,2 e R Ich kann es natürlich nicht entscheiden, welche dieser Aufstellun- b gen der Form der Zuiderzee-Schädel im Allgemeinen am nächsten kommt. _ ringeren-für den parietalen Längsumfang dasjenige aus, was mir als das _ Charakteristische dieser Schädel erscheint. Im Ganzen läfst sich jedoch nicht verkennen, dals die sagittale Länge der einzelnen Abschnitte des Schädeldaches in keiner Weise einen genügenden Erklärungsgrund für die besondere Schädelform abgiebt. Nicht die Gröfse, sondern die Lagerung und die Biegung der Knochen entscheidet über die Gesammtform. Schon der _ Umstand, dals in fast allen Amsterdamer Schädeln die vertikale Obrhöhe vor der Kranznaht, mindestens an der Kranznaht liegst, sowie der andere, dals man bei mehreren Schädeln in der Vorderansicht die Kranznaht in ihren mittleren Theilen gar nicht mehr sieht, deutet auf die abnorme ‚Stellung des Stirnbeins hin. Der sagittale Längsumfang dieses Knochens an sich ist keineswegs so beträchtlich, dafs er das Zurückschieben der - Kranznaht erklärte. Weder das absolute, noch das relative Maals des _Stirnbeins ist grols genug, um diese so auffällige Erscheinung zu er- klären. Ein Bliek auf den Zahlen der Wiesbadener Messungen genügt, ‚um dies zu beweisen. f 6) Von höchster Bedeutung ist die Erörterung der Höhenver- 'hältnisse. Betrachten wir zunächst die Verhältnifszahlen. Für die Auf- stellung derselben dienen die schon mitgetheilten Berechnungen von Hrn. 'Spengel und von mir. Darnach erhalten wir folgende Gesammtzahlen: Phys. Kl. 1876. 16 _ Jedenfalls drücken die höheren Zahlen für den oceipitalen und die ge- 1 EB 122 Vırcnow: Beüräge zur physischen Anthropologie Längenhöhen- Breitenhöhen- Auricular- Index Index höhen-Index meine Messungen . 68,6 88,6 57,4 Dpengel. ce als 92,7 Mittel . 69,7 91,0 57,4 Obwohl auch hier eine gewisse Verschiedenheit in den Mefspunk- ten bestehen mag, so weichen doch die beiderseitigen Ergebnisse so wenig von einander und von dem Mittel ab, dafs man das letztere wohl der Betrachtung zum Grunde legen kann, und zwar um so sicherer, als auch die von Hrn. Welcker angegebene Zahl für den Längenhöhen-Index, 69,8, bis auf die Decimale übereinstimmt (S. 53). Nach den Geschlechtern vertheilen sich die Zahlen folgendermalsen: Längenhöhen- Breitenhöhen- Auricalarhöhen- Index Index Index Männer .. 70,2 Sl 56,6 Weiber °. 67,7 88,7 58,6 Darnach stellt sich, gleichwie in der früher (S. 103) gegebenen Zusammenstellung der Entfernungen der sagittalen Fontanellstellen von dem Hinterhauptsloche, für die Weiber ein ungleich geringeres Verhält- nifs der Höhe heraus. Nur bei der Ohrhöhe ist scheinbar das Umge- kehrte der Fall, indefs ist dabei nicht zu übersehen, dals dieses Maafs nur bei 5 Schädeln von mir genommen ist, während für die anderen beiden Indices 12 Schädel benutzt sind. Nimmt man nur die für die Öhrhöhe wirklich in Frage kommenden 5 Schädel des Museums Vrolik, so erhält man einen Männer Weiber Längenhöhen-Index von 67,5 68,4 Breitenhöhen-Index „ ler In dieser Aufstellung schwindet der Gegensatz nahezu und es bleibt nur ein geringer Unterschied, der auf eine etwas höhere Lage der Ohr- öffnung bei den Männern hinweist. Bei den Wiesbadener Reihengräber-Schädeln finde ich (S. 49) Männer Weiber Miittel den Längenhöhen-Index 75,6 73,6 73,8 „ Breitenhöhen-Index 97,9 99,4 98,9 ni var ÄR ne gung der. Fr sen. Brenz 2 zu een Ei Wiesbadener Schädel Be PR BR > % Männer Weiber "Mittel HR u; ? el bei de Längenhöhen-Index +54 + 59 + 41 RE ‚“ 000% 05 Breitenhöhen-Index + 6,2 + 10,7 + 7,9 FR ge Der Höhen-Index, welchen ich aus den Zahlen des Hrn. Ecker Br für die südwestdeutschen Reihengräberschäde! berechnet habe (S. 48), R / 2 nehmlich 72,2, sowie der des Hrn. v. Ihering für die Rosdorfer Schädel Lo b (8. 51), nehmlich 73,3, sind um ein Geringes kleiner, als der Wiesbadener ” ne E. Index, und um ebensoviel wird auch ihre Differenz gegen die Zuiderzee- Ey: Schädel geringer; immerhin beträgt dieselbe doch noch 2,5 und 3,6. Dabei ist nicht zu übersehen, dals die Berechnung der Mittel in diesem Falle in höherem Grade dazu beiträgt, die Gegensätze zu mildern, als sonst gewöhnlich. Unter 9 männlichen Schädeln von der Zuiderzee!) liegt bei 5 der Längenhöhen-Index über 70, bei 4 unter 70. Von den ersteren hat einer (Göttingen Nr. 273) den Index von 76,8: sonst erreicht keine Zahl das Mittel der Wiesbadener Schädel. Die 3 weiblichen Schä- del von der Zuiderzee bleiben sämmtlich unter dem Mittel der Wies- badener Weiberschädel, ja zwei erreichen die Zahl 70 nicht. 10 Se Freilich sind die Wiesbadener Zahlen allein nicht entscheidend. Be Ich habe schon früher (S. 48) darauf hingewiesen, dafs unter 19 von A Hrn. Eeker als der typischen Reihengräberform zugehörig bezeichneten Ba Sehädeln aus Südwestdeutschland 7 einen Index unter 70 hatten, indeßs Bi 2 ist dies doch nicht die Regel. So schwankten bei den Rosdorfer Schä- Br - deln des Hrn. v. Ihering (8. 51) die Extreme nur zwischen 70,6 Eee S & 2 . 3 a und 78,7. Ein Unterschied ist also nicht nur vorhanden, sondern er ist a _ auch recht grols. Trotzdem möchte ich noch einmal betonen, dafs auch er R q unter den ächten heihengräber-Schädeln Chamaecephalen mit Er BR n einem Längenhöhen-Index unter 70 nicht blofs ausnahms- 2 weise vorkommen. Ich thue dies deshalb, um nicht von vornherein A y a Vorstellung einer Allophylie für die Zuiderzee-Schädel zu erwecken. > 3 Was nun die einzelnen Inselgruppen betrifft, so stelle ich die t E Zahlen für dieselben in Folgendem zusammen: Er ph ze nn ar 1) Ich lasse hier die Schädel van der Hoeven’s aufser Betracht. - F) 16* u “x GA a. sk Y a Are) a Fr ze EA; 2) Urk (8. 96). Vrolik . E5 . 18 Blumenbach 273 2UAES Mittel 71,9 92,3 n Dazu käme noch der Schädel aus der Sammlung van der es Nr. 24, dessen Höhen-Index ich auf 73,5 berechnet habe (599 3) Schokland (S. 107—108). Blumenbach Nr. 275 73,4 9159 und, nach meinen Berechnungen, also ganz theoretisch gefunden, die I dices der Schädel aus der Sammlung van der Hoeven Nr. 25 132 90,9 „26 74,1 96,2 27 7a 89,5 Mittel 73,9 93,6 » Ich lasse die Bedeutung dieser letzteren Zahlen, welche nun Grund einer wiederholten Rechnung gefunden sind, dahingestellt. habe sie nur angeführt, um die Beschreibung J. van der Hoe welche an sich über die äufsere Erscheinung dieser Schädel sehr be we fr üher 8.94 und 107) das Nöthige mitgetheilt habe. Indefs je. uiftelbakei Zahlen van der Hoeven’s berechnete Index für die „hin- tere“ Höhe 74,2, dagegen der mittelbar durch Umrechnung aus seinen Zahlen für die Länge und Breite gewonnene Index für die „ganze* Höhe 74, 1 beträgt, beide also fast ganz zusammenfallen. e. Jemand, der ein Interesse daran hat, Unterschiede zwischen der Bevölkerung der einzelnen Zuiderzee-Inseln zu suchen, würde in den _ Zahlen der eben gelieferten Uebersichtstabellen Anhalt finden können. Wie weit eine gleichmälsige Mefsmethode die hervortretenden Unterschiede E beseitigen möchte, kann ich natürlich nicht sagen; ich will jedoch nicht _ verhehlen, dafs ich nicht vermuthe, es würden dabei grofse Verschieden- heiten herauskommen. Dagegen spricht die Uebereinstimmung der von Er Hrn. Weleker gefundenen Mittelzahl für die Höhe mit dem von mir aus F meinen Messungen und denen des Hrn. Spengel berechneten Mittel. _ Man wird also zugeben müssen, dafs gewisse Verschiedenheiten zwischen den Bewohnern der einzelnen Inseln vorhanden sind, und dafs namentlich die Chamaecephalie der Marker Schädel viel mehr ausgesprochen ist, als 4 die der Urker und Schokländer. Aber diese Verschiedenheit ist nicht # so grols, dafs sie auf eine Rassendifferenz bezogen werden mülste; im - Gegentheil, sie reicht nicht aus, um den Eindruck der Zusammengehörig- keit zu verwischen. 7) Zur weiteren Erörterung dieser Verhältnisse ist es von Wich- tigkeit, die direkten Messungen der Höhe in Betracht zu ziehen. Wir erhalten hier folgende Zahlen: 1) Marken. Ganze Höhe Öhrhöhe Hintere Höhe (8. 44) (5.43) (8.99) Sammlung Vrolik Nr. 15 131 111 135 | N E de u % 12 r Blumenbach ,„ 269 132 L n 5.90 ur E „Al 120 E u A Mittel 128,1 103,5 128,5 Höhe u Hin Kr ‚berechneten Index, kiorüber 126 VırcHow: Beiträge zur physischen Anthropologie 2) Urk Ganze Höhe Ohrhöhe Hintere Höhe Sammlung Vrolik Nr.lse. »o830 110 194 2 5 N ) 130 103,5 132,3 n x BR I) 130 109 16 e Blumenbach _ „273 136 n a DIA: elf 5 v..d..Hoeven!) „. 24 (129) 122 Mittel 132 107,5 128,1 (mit v. d. Hoeven Nr. 24 131,5) 3) Schokland Sammlung Blumenbach Nr. 275 138 2 v..d. Hoeven, „;; 25. (128) 128 - an nur Dr all 2) 122 " BES nee 22) 336 Mittel 138 132 (mit v. d. Hoeven Nr. 24—27 129,2) Im Ganzen» 18055 10591174298 (mit v. d. Hoeven Nr. 24—27 129,6) Darunter männliche 134,1 107,8 130,5 (mit v. d. Hoeven Nr. 26—27 132,5) weibliche 120,0, 103,0 : 127,0 (mit v. d. Hoeven Nr. 24—25 123,4). Auch hieraus erhellt, worauf ich schon (S. 125) hinwies, dafs die‘ Unterschiede zwischen der hinteren Höhe im Sinne J. van der Hoeven’s und der ganzen Höhe, wenigstens in den gemittelten Zahlen, geringer ausfallen, als sich voraussehen liefs. Es zeigt sich ferner, dafs die Ohr- R !) Die eingeklammerten Zahlen sind die von mir nach der früher entwickelten Formel (S. 92) berechneten. n u DE u FA De FE ee aus. Aral Weiter ergiebt sich, dafs die einzelnen Inseln Verschiedenheiten der Schädel in Bezug auf die Höhe zeigen, welche in einem gewissen Verhältnisse zu den Differenzen derselben in Bezug auf Länge und Breite stehen. Im Allgemeinen sind die Urker und Schokländer Schädel höher, die Marker breiter und länger, so dals also bald die Höhe, bald die Breite und Länge als Ausgleichung für die Beschränkung des Raumes in an- deren Richtungen dient. Im Einzelnen finden sich aber überall Ausnah- ‚men, welche die Regel durchbrechen. So ist der Marker Schädel Nr. 272 der höchste unter allen, und wenn meine Berechnung richtig ist, der Schokländer Schädel Nr. 27 einer der niedrigsten. Man wird also auf die Differenzen der Gruppen wenigstens keinen zu grolsen Werth legen dürfen. Hr. Welcker giebt als Mittel seiner Messungen für die Höhe 127 Mm. an (8. 53). Diese Zahl stimmt sehr nahe mit derjenigen, welche ich erhalte, wenn ich die nach der angegebenen Formel (S. 92) be- rechneten Schädel aus der Sammlung van der Hoeven mit in Betracht ziehe, nehmlich 129,6; noch mehr mit derjenigen, welche ich aus den von mir gemessenen Schädeln der Sammlung Vrolik ableite, nehmlich 126,2. Das Maafs, welches sich aus den Messungen des Hrn. Spengel an den Schädeln der Sammlung Blumenbach ergiebt, ist aus früher er- ‘örterten Gründen das höchste, nehmlich 133,7. Es läfst sich am we- nigsten der Vergleichung zum Grunde legen. Für die Geschlechter tritt eine bemerkenswerthe Verschiedenheit _ hervor, indem die weiblichen Schädel in jeder Beziehung und nach jeder Methode der Messung um ein Erhebliches niedriger sind, als die männlichen. Nur der vom äufseren Öhrloche aus genommene Parietal- Radius (S. 102) ist bei ihnen verhältnifsmälsig grofs, was darauf hindeutet, dafs in der Gegend, wo Mittel- und Hinterkopf an einander stofsen, eine gewisse Compensation stattfindet. Dieses ist aber auch die einzige Höhen- richtung, in welcher die weiblichen Schädel stark entwickelt sind; in allen übrigen bleiben sie hinter den männlichen zurück. Die Differenz beträgt bei der geraden Höhe 14,1 (oder 9,1) Mm., bei der Ohrhöhe 4,8, bei der hinteren Höhe 3,5 Mm. Nur der Schädel der Urkerin Nr. 17 macht 128 Vırcuow: Beiträge zur physischen Anthropologie eine Ausnahme, indem er, gleich den männlichen Urker Schädeln Nr. 18 und 19, eine gerade Höhe von 130 Mm. besitzt. Stellen wir dagegen die Wiesbadener Reihengräberschädel, so ergab sich aus meinen Messungen (S. 49) die ganze Höhe für die Männer zu 141,8 Mm. si ai Weiben, 1.8129; 6, 04, ım Mittel 133,6 Mm. Letztere Zahl ist verhältnilsig niedrig, weil, wie schon erwähnt, die Weiberschädel viel zahlreicher waren, als die männlichen. Indefs ist auch so das Mittel noch um 3,6 (oder 4) Mm. höher, als bei den Zuider- zee-Schädeln, ja, wenn ich nur meine eigenen, nach derselben Methode gemachten Messungen benutze, sogar um 7,4 Mm. höher. Nehme ich die Gesammtzahlen für die Zuiderzee-Schädel nach dem Geschlechte, so sind die männlichen um 7,7 (oder 9,3), die weiblichen um 9,6 (oder 8,2) Mm. niedriger, als die Wiesbadener. Ein analoges Ergebnifs erhalten wir, wenn wir die Zahlen anderer Beobachter zur Vergleichung wählen. Nach den früher mitgetheilten An- gaben berechnet sich aus den Messungen des Hrn. Ecker (S. 48) die ganze Höhe der Reihengräberschädel zu 135 Mm: Hr. Hölder hat 132 Mm. (S. 50), Hr. v. Ihering sogar 140,4 Mm. (8.51). Freilich finden sich auch bei diesen Untersuchern im Einzelnen viele niedrigere Zahlen. Allein das Gesammtergebnils wird dadurch nicht geändert. Die Chamaecephalie der Zuiderzee-Schädel bleibt daher nicht nur unangefochten, sondern sie erscheint als eine wirklich charakteristische und unterschei- dende Eigenschaft. Sie bildet ein, wenn auch nicht scharfes, so doch für größsere Gruppen genügendes Merkmal, welches namentlich den Schä- deln der Reihengräber gegenüber von Bedeutung ist. : 8) Die Gröfsenverhältnisse der Zuiderzee-Schädel sind zum srolsen Theil nur indirekt festzustellen. Aufser mir hat Niemand direkte Messungen des Schädelinhalts veranstaltet. Ich erhielt der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. für Marken Nr. 15 „in „ 16 „Urk 3 2m „+18 BEN ” 19 im Mittel Männer Weiber Diese Zahlen stimmen ungewöhnlich gut 1500 Cub. Cent. 1150 1560 1450 1345 1557 1418 1255 n - - ich für die Wiesbadener Reihengräber fand: Mittel Männer Weiber So niedrig die Zahl für trachten, wenngleich er diesem Zustande recht nahe steht. 1332 Cub. Cent. 1456 „ 1250 n - n n ” mit denjenigen, welche den weiblichen Schädel Nr. 16 von Mar- ken ist, so finden sich dafür unter den Wiesbadenern doch Analogien: er ist noch keineswegs als ein eigentlich microcephaler zu be- mehrfache Für den gröfsten horizontalen und für den grölsten sagittalen ‘Umfang haben auch die Herren van der Hoeven und Spengel An- gaben gemacht. Nur für den vertikalen Querumfang bin ich auf meine Maalse beschränkt: 1) Männer: M. Vrolik, . Urk $ n Phys. Kl. 1876. Marken Nr. N 7 15 18 19 Mittel Horizontal-, Sagittal-, Umfang 382 372 360 arl Quer- 313 305 305 307 17 ” f \ ar BEHM, PRTCR 130 VırcHuow: Beiträge zur physischen Anthropologie Horizontal-, Sagittal-, Quer- Umfang M. Blumenbach, Marken Nr. 269 560 377 x & omo 560r 0383 2 h; DDR WIHDDNNN 382 5 Urk >. 2.182,.2.505| 362 s a OT SI N ST 5 Schokland"”, 275” 322.7. 376 M. v. d. Hoeven R 2. 267850070346 SUCH = h ae Männliches Gesammtmittel 530 369 2) Weiber M. Vrolik, Marken Nr. 16 490 343 .'277 Urk ET, 500 61 302 Mittel 495 352 289 M. Blumenbach, Marken Nr. 271 507 351 „ v. d. Hoeven, Urkı 279422075032 173395 5 er Schokland „ 25 499 340 Weibliches Gesammtmittel 499 346 Gesammtmittel aller 520 362 300 b>] Bei der Vergleichung dieser Zahlen sieht man, worauf ich schon früher hinwies (S. 95), dafs die Zahlen von van der Hoeven, nament- lich für den Sagittalbogen, so klein sind, dafs man sich der Vermuthung nicht erwehren kann, es sei aus irgend einem Grunde hier ein Irrthum vorgefallen. Nichtsdestoweniger habe ich mich nicht für berechtigt ge- halten, sie zu unterdrücken. Bei der Vergleichung der männlichen und weiblichen Zahlen kommt es überdies weniger darauf an, da auf jeder Seite ein Paar solcher Zahlen stehen. Dagegen dürfte das Gesammt- resultat dadurch einigermalsen gefährdet sein. Man kann dies daraus ersehen, dafs eine Vergleichung der einzelnen Maafse unter einander für die Gesammtheit fast genau dasselbe Resultat ergiebt, welches die von mir für die männlichen Schädel des Museum Vrolik erhaltenen Zahlen liefern. Ich finde nehmlich bei einer Reduction der Zahlen auf Procente des Horizontalumfanges, dals für die Schädel des Museums Vrolik Be a a Be ip fi he ai Ah aa bei‘ Frauen rn Mittel der Sagittalumfang EITE 20 Er Querumfang 57,7 58,3 58,2 \ iin beträgt, während aus den Gesammtmitteln aller 16 Schädel > ws ‚sich für den Sagittalumfang 69,6 pÜt. e berechnen. Letztere Zahl ist wahrscheinlich zu klein. Erstere Zahlen da- gegen, welche durchaus sicher sind, lehren, dafs bei den Frauen mit der E ‚allgemeinen Abnahme des Horizontalumfanges, welehe durch die direkten Maafse der ersten Columne dargethan wird, eine relative Zunahme des e sagittalen und queren Umfanges eintritt, — eine Erfahrung, auf welche _ uns schon die Betrachtung der Querdurchmesser geführt hatte. Immerhin folgt für die Rasse, dafs trotz der Kleinheit einzelner Weiberschädel die Gröfsenverhältnisse der Schädel überhaupt keineswegs ungünstige sind, und dafs dieselben namentlich hinter der Gröfse der Schädel anderer germanischer Stämme der älteren Zeit nicht zurückbleiben. Bevor ich die allgemeinen Erörterungen in Bezug auf das Gesichts- skelet weiter verfolge, dürfte es gerathen sein, eine Frage zu besprechen, welche sich zunächst an die vorher dargelegte Niedrigkeit der Zuiderzee- . Schädel anknüpft, nehmlich die, ob wir es hier mit einer natürlichen oder mit einer künstlichen Eigenschaft zu thun haben. ws In der That ist die Erniedrigung einzelner dieser Schädel, nament- lich des Schädels der Markerin Nr. 16, so auffällig, dafs man unwill- _ kürlich versucht wird, an eine künstliche Deformation zu denken. Dieser Eindruck wird nicht unerheblich unterstützt durch die Vergleichung der Abbildung, welche Hr. Foville!) von einem in französischer Art verunstalteten Schädel (eräne deforme &ä la francaise) gegeben hat; der- selbe bietet eine ungemein grolse Aehnlichkeit mit dem Schädel der a 1) M. Foville, Trait& complet de l’anatomie, de la physiologie et de la pa- thologie du systeme nerveux cerebro-spinal. Paris 1844. Part. I. Anatomie. Atlas par Emile Beau et F. Bion. Pl. 22. Kr» 132 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologie Markerin dar. Leider ist der Werth dieser Abbildung nicht ganz aufser Zweifel. Denn der von Hrn. Foville abgebildete Schädel stammt nicht etwa von einer Person, an der nachweislich eine Deformirung des Kopfes geübt worden ist; vielmehr ist derselbe einfach auf einem Pariser Kirch- hofe gefunden !). Ich habe daher schon früher meine Bedenken über die etwas willkürliche Deutung ausgesprochen und die Vermuthung ausge- drückt, dafs der Schädel vielmehr durch vorzeitige Synostose der Schei- telbeine verändert sein möge?). Hr. Foville beschreibt diese Deformation als eine vorzügliche Eigenthümlichkeit der Einwohner aus der Gegend von Toulouse. Nach seiner Angabe wird sie in der Weise hervorgebracht, dafs man den Neugebornen eine runde Mütze aufsetzt, über welche man eine verschiedene Anzahl von Bindentouren lest, die von den Stirnhöckern zu den Scheitelhöckern laufen. Er stellt diese Methode einer anderen, in der Normandie ge- bräuchlichen gegenüber, wo man den Verband unmittelbar um den Kopf lest und erst darüber eine runde Mütze mit Flügeln (coulisses) setzt, deren Bänder man in derselben Richtung befestige. Einige nach dieser Methode verunstaltete Köpfe, deren Scheitel zuckerhutförmig in die Höhe gedrängt und durch eine über die Mitte des Kopfes gehende Vertiefung abgeschnürt ist, bildet er ab°). Schliefslich erklärt er, dafs dieser Ge- brauch nicht blofs in der Gascogne und in der Normandie, sondern auch im Limousin, in der Bretagne, im Norden und Nordosten von Frankreich zu finden sei. Hr. Gosse#) hat, auf eine frühere Arbeit des Hrn. Foville und eine des Hrn. Lunier’) gestützt, diese Mittheilungen noch erweitert. Er nennt die von dem ersteren beschriebene Deformation annulär; die von dem zweiten beschriebene classificirt er in mehrere Kategorien, in- dem er aufser der annulären Form noch eime zweilappige (tete bilobee) 1) Fovillel. ce. p. 635. Note. 2) Virchow, Gesammelte Abhandlungen. Frankfurt a. M. 1856. S. 921. 3) Foville l. c. ‚Atlas Pl. 23. Fig. 1—2. 4) L.-A. Gosse, Essai sur les deformations artificielles du cräne. Annales d’hygiene publique et de medeeine legale. Ser. I. T. III. 1855. Juill. p. 359. 378. 382. 5) Foville, Deformation du cräne resultant de la methode la plus generale de couvrir la tete des enfants. Paris 1834. Lunier, Annales medico-psychologiques. 1852. aan 2 er bei Ir verschiedener ra a Binden, entstehen Diese Formen wurden hauptsächlich im Departement des Deux- Si . sowie in der Charente, Charente-Inferieure und Vendee beob- ig acht htet. Sowohl von der annulären, als von der zweilappigen Form giebt | H . Gosse eine Abbildung): jede von ihnen zeigt an einem sehr ver- eu längerten und niedrigen Schädel eine starke Vertiefung der Scheiteleurve Fr nter der Gegend der Kranznaht. ee 50 Der Gedanke, dafs durch gewisse Bindeneinwicklungen bei Neu- gebornen und zarten Kindern eine Verlängerung des Schädels hervorge- . | bracht werden könne, ist schon von Vesal?) zur Erklärung der bel- Be an > gischen Schädelform ausgeführt worden. Er sucht die Erklärung, warum _ die Deutschen ein mehr abgeflachtes Hinterhaupt, die Belgier dagegen _ eine längliche Schädelform haben, in Einwirkungen, welche bald nach . der Geburt auf die Schädel der Kinder stattfinden. Germani compresso _ plerumque oceipitio et lato capite spectantur, quod pueri in eunis dorso semper incumbant ac manibus fere eitra fasciarum usum, cunarum late- ribus utrinque alligantur. Belgis oblongiora caeteris propemodum reser- uantur permanentue capita, quod matres suos puerulos fasciis inuolutos, in latere et temporibus potissimum dormire sinant. Der letzteren Form _ scheint die von ihm?) abgebildete erste unnatürliche Schädelform ent- ‚sprechen zu sollen, von der er sagt: ea, in qua anterior eminentia a Syneipite frontisue elatiori sede producta perit: posterior autem, quae N dokipitie est, reseruatur. 1 Es ist für unsere Erörterung nicht ohne Werth, aus dieser Stelle de grolsen Anatomen zu ersehen, dafs schon im 16. Jahrhundert die _ kürzere Schädelform bei den Deutschen als die herrschende anerkannt ‚wurde. In derselben Weise spricht sich zwei Jahrhunderte später ein Schüler Sandifort's, Insfeldt?) aus: Amat Belga caput oblongo ro- 1) Gossel. e. PI.I. fig. 3 et 6. 2) Andreae Vesalii Bruxellensis, De humani corporis fabrica libri septem. Basileae 1555. p. 23 B- 3). Vesalius 1. c. p. 21. fig. 2. b *) J. C. Insfeldt, Dissertatio anatomico-medica de lusibus naturae. Lugd. Batav. 1772. p. 20. 134 Vıronow: Beiträge zur physischen Anthropologie tundum; rotundior Germanis, maxima rotunda Turcis figura placet. Indefs warnt er nach dem Vorgange Oamper’s!) davor, den Binden keinen zu grofsen Werth für die Entstehung der Schädelform beizulegen. Ihm trat der vorsichtige Blumenbach?), unter besonderer Berufung auf die Abbildung eines Bataverkopfes bei Fischer, bei. Gewils mit Recht, denn das ungleiche Wachsthum der einzelnen Schädelknochen, namentlich bei vorzeitigen Naht-Verknöcherungen, bedingt eine grofse Anzahl von Abweichungen der Schädelgestalt, welche mit den durch künstliche Ein- wirkungen hervorgebrachten die gröfste Aehnlichkeit haben. So entspre- chen die Abbildungen, welche Hr. Gosse von „annulären“ und „zwei- lappigen“ Köpfen liefert, in hohem Maalse denjenigen, welche ich von synostotischen Dolichocephalen gegeben habe ?). Allein gerade für die Zuiderzee-Schädel lassen sich Gründe anfüh- ren, welche die Hypothese einer künstlichen Einwirkung stützen. Die Ver- gleichung der sagittalen Umfangsmaalse hat uns gelehrt, dafs die Länge der einzelnen Schädeldachknochen keine Erklärnng der abweichenden Form gewährt (S. 121). Es hat sich gezeigt, dafs vielmehr dasjenige, was den Schädeln an Höhe abgeht, wenigstens theilweise in der Breite wieder gewonnen wird (S. 105 und 131); namentlich ist es höchst charakteristisch, dafs selten eine so starke Vorwölbung der Schläfenabschnitte des Stirn- beins beobachtet wird, als sie hier bei einer so starken, gleichzeitigen Erniedrigung des Vorderkopfes besteht. Dabei ist es bemerkenswerth, dafs die vorkommenden Synostosen von geringer Ausdehnung sind, und dafs die stärkeren, z. B. die temporale Synostose des Marker Schädels Nr. 15 (S. 65), eine erkennbare Einwirkung auf die Gesammtform des Schädels kaum ausgeübt haben können. Endlich ist noch zu erwähnen, dafs, wie aus der Einzelbeschrei- bung der Schädel hervorgeht, bei der Mehrzahl derselben hinter der Kranznaht eine schwache Vertiefung der Oberfläche der Seitenwandbeine !) Camper, Zakelyke inhoud van twee lessen, over de merktekenen van het verschil des ouderdoms, en der verscheide Natien. N. Vaterl. Letteroef. IV Deel. II Stuk. p. 386. 2) Io. Frid. Blumenbach, De generis humani varietate nativa liber. Götting. 1776. p. 60. 3) Virchow, Gesammelte Abhandl. S. 906. Fig. 11—13. u u u u nn m # x Kat ae NE ruls a; mit ee Bertekschtigung der Friesen. a Gi | ‚handen ieh, freilich bei manchen in der Mittellinie nicht merkbar, dafür ‚aber zu den Seiten derselben leicht zu fühlen. ‘ vo Die ursprüngliche Beschreibung, welche Hr. Foville!) von den Tem _ deformirten französischen Schädeln geliefert hat, lautet folgendermalsen: % „Dans un cräne bien eonforme, le profil du front est TRRMEFHDNE par une ligne assez regulierement courbe, depuis le nez jusqu’a l’extre- ; nisse superieure de l’os frontal. Dans les eränes deformes, au contraire, eette courbure augmente subitement, forme un angle prononed, au-dessus duquel l’os du front se trouve abaisse et son extremite superieure re- _ portde d’autant en arriere. Par suite, les parietaux qui, par leur arti- eulation avec cette partie du frontal, constituent la voüte du cräne, se trouvent abaisses et reeulds sur l’oceipital, avec lequel ils s’engrenent en arriere comme avec le frontal en avant. Ils repoussent done en arriere Ä et en bas l'occipital. Celui-ei, presse dans l’intervalle des parietaux et ar de son artieulation avec la colonne vertebrale, c&de dans le sens de la eourbure, qui se trouve exagerde et offre ainsi & lextr@mite posterieure du eräne une flexion anguleuse proportionnelle a celle qu’a subie le fron- tal en avant. Ü’est cette courbure forcde de l’oceipital qui se prononce & la partie posterieure des cränes deformes sous la forme d’une saillie anguleuse. Le bord inferieur de cet angle va jusqu’a presenter une sur- face concave dans quelques cas de deformation extr@me. Il n’est pas rare qu’entre le frontal et l’oceipital, les parietaux eux-m&mes &prouvent dans leur eourbure une augmentation qui se dessine par une saillie an- guleuse au sommet de la tete.“ „Chez quelques tetes, cette saillie se dessine egalement A la flexion du frontal, ä celle des parietaux et ä celle de l’occipital. En m&me temps, les intervalles de ces angles sont mesures par des lignes droites. ll en resulte, dans le profil general du eräne, un aspect anguleux et rectiligne, que les formes normales n’ont pas coutume de presenter.“ „Dans les cas extr@mes, l’allongement du cräne est excessif, un etranglement eirculaire semble le partager en deux cavites distinetes pla- > 1) Gosse l. ec. p. 379. (Die erste Schrift des Hrn. Foville ist mir nicht i zugänglich). 136 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologie c&es l’une devant, l’autre derriere, et abouchees sur la ligne oblique de l’etranglement.*“ 2 „Toutes presentent cet allongement posterieur dont on a parle precedemment. Dans toutes, la face &tant placde suivant un plan ver- tical, une ligne verticale abaıssee sur le conduit auditif lasse un volume du cräne beaucoup plus considerable en arriere qu’en avant. Dans toute sa longueur, la ligne conduite du trou auditif externe a la protuberance de l’occipital est de beaucoup augmentee. Üette augmentation est telle chez plusieurs, que la distance du trou auditif & la protuberance oceipi- tale est devenue plus considerable que celle du trou auditif aux bosses frontales, et dans une conformation reguliere, c’est toujours l’inverse qui a lieu.* Hr. Foville läfst die Binde, durch deren Druck hauptsächlich diese Verunstaltung erzeugt werden soll, von der vorderen Fontanelle aus schief zum Hinterkopf herabsteigen, wo sich ihre Enden kreuzen, um schliefslich vor dem Kopfe befestigt zu werden. Hr. Lunier giebt das- selbe an, nur dafs die von hinten her nach vorn zurückgeführten Enden des Bandes über dem Scheitel zusammengeknüpft werden. Beide stimmen darin überein, dafs diese Behandlung bei den Mädchen länger, ja Jahre lang fortgesetzt werde, während sie bei den Knaben früher aufhöre, und sie erklären daraus die gröfsere Häufigkeit und Vollständigkeit der Ver- unstaltung bei den Frauen. Hr. Lunier fügt hinzu, dafs die Frauen in einem etwas vorgerückteren Lebensalter mit der an die Stelle der Binde tretenden harten Kappe einen eisernen Faden (arcelet) verbinden, um ihr mehr Festigkeit zu geben: die Enden dieses Fadens stützen sich auf das Ohr vor dem Tragus. Es kann nicht bezweifelt werden, dafs ähnliche Gebräuche sich auch in Deutschland finden. Der alte Rostocker Professor Lauremberg!) erzählt, nachdem er von den Makrocephalen des Hippocrates gesprochen, Folgendes: Macrocephalae fere etiam sunt Hamburgenses foeminae, quae ipsae ligationibus et nescio qua superstitiosa cura, a teneris capita in !) Petri Laurembergii, Pasicompse nova, id est accurata et curiosa deli- neatio pulchritudinis. Lips. 1634. p. 63. longum assuefaciunt, quod et turpe est et minime salubre. Nirgends ist wohl der Gebrauch, den Kopf dauernd einzuschnüren, häufiger als bei den Wendinnen in der Lausitz. Schon die kleinen Mädchen erhalten ein grofses Kopftuch, unter dem der Kopf mit einer fest angezogenen Binde ringförmig umgürtet wird, und die Frauen opfern einen grolsen Theil ihres Haares, um den Koptputz und unter ihm die Kopfbinde (serre-tete der Französinnen) genauer anpassen zu können. Ich habe daher die Frage aufgeworfen !), ob diese Sitte zu der Brachycephalie der Bevölkerung etwas beitrage. Indefs war ich nicht im Stande, einen wesentlichen Un- terschied in dem mittleren Längenbreiten-Index der Männer und Frauen zu constatiren. Ich fand an Lebenden bei den Männern die Zahl 84,92, bei den Frauen 84,01. Nichtsdestoweniger muls man, Angesichts der grolsen und auffäl- ligen Verunstaltungen, welche man an zahlreichen Orten der Welt sowohl in früherer Zeit, als gegenwärtig durch künstliche Druckeinwirkungen her- vorgebracht sieht, die Möglichkeit zugestehen, dals durch energische Einwickelungen des Kopfes bei Neugebornen dauernde Abweichungen der Schädelform erzeugt werden können. Die Mehrzahl dieser Abweichungen besteht freilich in Verkürzungen des Schädels, welche mit Erhöhung des- selben bald in der Mitte, bald am hinteren Umfange des Scheitels ver- bunden sind. So fand ich auch bei den Wendinnen eine gerade Auricu- larhöhe von 123 Mm. im Mittel, entsprechend einem Ohrhöhen-Index von 68,8, — Verhältnisse, die, auch wenn man die am Kopfe der Lebenden vorhandenen Weichtheile abrechnet, doch entschieden hohe Maalse dar- stellen. Eine Verlängerung mit auffälliger Erniedrigung der ganzen Schei- teleurve. wie sie sich bei den Insulanern der Zuiderzee findet, künstlich hervorzubringen, setzt ganz besondere Künste voraus, und ich vermag nicht zu beurtheilen, ob sie angewendet werden. Von Urk berichtet Hr. Harting ausdrücklich (S. 57), dafs die dortigen Frauen die „Ohreisen* der Friesinnen nicht tragen. Möglicherweise ist dies in Marken der Fall, und die grölsere Langköpfigkeit und Niedrigkeit der Marker Bevölkerung 1) Verhandlungen der Berliner anthropologischen Gesellschaft 1875. S. 132. Zeitschrift für Ethnologie Bd. 7. 2 Phys. Kl. 1876. 18 ee u N ET rt N i 138 Vırcuow: Beiträge zur physischen Anthropologie könnte sich durch einen solchen Unterschied erklären. Hr. Friedel!) beschreibt das in Nordholland, namentlich beim Helder verbreitete Ohr- eisen als eine breite Schiene, welche hufeisenförmig über die Stirn gehe und an den Schläfen in zwei grofse kreisrunde Rosetten oder ovale glatte Goldplatten, etwa so grofs wie ein Zweithalerstück, endige. Nach dieser Beschreibung scheint das friesische “Ohreisen von dem Arcelet der Fran- zösinnen doch nicht unerheblich verschieden und wenig geeignet zu sein, eine Erniedrigung des Schädels herbeizuführen, und man mülste zur Erklärung der letzteren jedenfalls auf andere und zwar frühere Einwirkungen zurück- gehen. Hr. Spengel?) hat an dem, übrigens als männlich bezeichneten Schädel Nr. 272 von Marken über der Protuberantia oceipitalis und der Linea nuchae suprema einen tiefen, etwa 40 Mm. breiten, queren Eindruck (8. 74) beschrieben, der auch ihn zu der Erörterung der Frage veranlalst, ob hier — und dann auch bei den anderen Schädeln — nicht eine künst- liche Deformirung stattgehabt habe. Er spricht sich jedoch schliefslich gegen eine solche Annahme aus, da alle Spuren von entsprechenden Eindrücken an Stirn- und Scheitelbeinen fehlen, und da aufserdem der Eindruck sich lateral nicht vorfinde, sondern nur die Mittellinie treffe. Ich möchte hin- zufügen, dafs gerade dieser Schädel am wenigsten chamaecephal ist; sein Höhen-Index ist der grölste unter den in Betracht gezogenen Marker Schädeln, nehmlich 72,7 (S. 74), und da auch sein Breiten-Index 76,3 beträgt, so würde man, falls bei ihm künstliche Deformation anzunehmen wäre, eher dahin gedrängt werden, als Wirkung derselben Verbreiterung und Erhöhung anzusehen. Manche Erscheinungen an den Schädeln der Zuiderzee deuten auf Unregelmäfsigkeiten der Verknöcherung hin. So findet sich in einer ge- wissen Häufigkeit Mangel an Emissarien, bald für sich, bald in Verbin- dung mit Obliteration der benachbarten Nahttheile?). Ich weils wohl, dafs man auch diese Erscheinung als die Folge künstlicher Einwirkungen gedeutet hat, und ich leugne keineswegs die Möglichkeit eines solchen 1) Zeitschrift für Ethnologie 1873. Bd. 5. S. 33. ?) Spengel a. a. O. $.55. Holzschnitt 2. 3) Man vergleiche S. 64, 66, 70, 71, 82, 83, 84, 85, 36, 89, 90. | | | | u) EHE Wk Dinar iEn dr ER BEA Pan Sa eg re 1 u f+ + nr A P) $ Kt r a u ? F . ’ = der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 139 « Zusammenhanges. Aber hier handelt es sich nicht blofs um die so häu- fige Unregelmälsigkeit der parietalen Emissarien, sondern es fehlen ge- legentlich auch die mastoidealen oder die condyloidealen, wenigstens auf einer Seite. Sogar die Incisura supraorbitalis ist fast immer abweichend gebildet. Nun wird man schwerlich so weit gehen können, alle diese Abweichungen auf äufsere Kunsteinwirkungen zu beziehen. Wie sollte die Anlegung einer Binde die Obliteration des Foramen condyloideum po- sterius bewirken? Und wenn man sich darauf beziehen wollte, dals bei den meisten von mir beschriebenen Schädeln die Processus mastoides an ihrer äufseren Fläche eine stärkere oder schwächere Abplattung zeigen, so will ich dagegen betonen, dafs gerade umgekehrt die Mittellinie des Sehädeldaches fast überall eine leichte Erhebung erkennen läfst und dafs am Stirnbein diese Erhebung ihre stärkste Ausbildung gerade gegen die Kranznaht, also in der Gegend der vorderen Fontanelle hat. Nimmt man dazu das theilweise Offenbleiben von Suturen z. B. des nasalen Endes der Stirnnaht, der palatinen Abschnitte der Sutura intermaxillaris, die Tren- nung der Processus condyloides oceipitis in zwei Hälften, die grofse Un- regelmälsigkeit in der Bildung des oberen Abschnittes der Nasenbeine, die bei einzelnen Schädeln nachgewiesenen temporalen Abweichungen, so wird man eher geneigt sein, eine vielleicht mit der Lebensweise der In- selbewohner zusammenhängende Störung der Knochenbildung zuzulassen. Schon bei einer früheren Besprechung!) habe ich hervorgehoben, dafs die Ohamaecephalie der friesischen Frauen nicht nur auf den Inseln der Zuiderzee, sondern auch auf dem Festlande die der Männer übertrifft, dafs aber auch sonst, wie schon andere Beobachter gefunden haben, der weib- liche Schädel, gerade bei den deutschen Stämmen, sich durch geringere Höhe und flachere Scheiteleurve auszeichnet. Ich will hier nicht noch einmal diese Erörterung wiederholen. Aber ich mulste an dieselbe erinnern, um die Bedeutung der Thatsache von der stärkeren Chamaecephalie der Weiber auf den Inseln der Zuiderzee nicht zu sehr zu Gunsten der De- formirungs-Hypothese hervortreten zu lassen. Ich will nicht so weit gehen, die Zulässigkeit dieser Hypothese auszuschliefsen; ich möchte nur 159] [27 oO !) Verhandlungen der Berliner anthropologischen Gesellschaft 1875. S. Zeitschr. für Ethnologie Bd. 7. 18* 140 VırcHnow: Beiträge zur physischen Anthropologie behaupten, dafs es zum Beweise ihrer Richtigkeit noch weiterer Gründe bedarf, und dafs, wenn solche Beweise gefunden würden, die künstliche Erniedrigung jedenfalls nur als Verstärkung einer an sich vorhandenen Eigenschaft anzusehen sein würde. Denn es ist kein Zweifel, dafs auch die Schädel der männliehen Insulaner in ausgesprochener Weise an dieser Eigenschaft theilnehmen, und dafs die Zuiderzee-Schädel überhaupt, wie schon van der Hoeven hervorhob, wegen ihrer Niedrigkeit viel mehr dem schwedischen, als dem südgermanischen Typus sich anschliefsen. Ich verweise in dieser Beziehung auf die früher (S. 52) mitgetheilten Auf- stellungen des Hrn. Welcker. Es läfst sich ferner auch annehmen, dafs die Versuche einer künstlichen Deformirung des Kopfes bei diesen In- sulanern, falls sie überhaupt existiren, weniger aus bewulster Absicht, als vielmehr aus Nachahmung unternommen werden, und dafs die Nachahmung sich auf alte Gewohnheiten stützt, welche ihrerseits recht wohl aus der Anpassung gewisser Trachten an die gegebenen Körperformen sich her- vorgebildet haben mögen. Bei der Vergleichung des Gesichtsskelets tritt leider der Umstand sehr hinderlich entgegen, dafs ıch hier auf meine eigenen Messungen ange- wiesen bin, dafs ferner nur zwei von den fünf Schädeln des Museum Vrolik mit Unterkiefern versehen sind, welche überdiefs in Bezug auf ihre Zugehö- riskeit nicht zweifellos sind, und dafs endlich bei fast allen diesen Schädeln die Vorderzähne fehlen und bei mehreren selbst die Kieferränder defekt sind. Gerade die interessantesten Verhältnisse müssen daher entweder ganz aulser Betracht bleiben, oder sie können höchstens als individuelle Vorkommnisse dargestellt werden. Es ist dies um so mehr zu beklagen, als, wie die nach- stehende Erörterung ergeben wird, selbst bei den wenigen Punkten, welche in einer gröfseren Vollständigkeit erörtert werden können, grolse indivi- duelle und sexuelle Abweichungen bemerklich werden. 1) Die Augenhöhlen lassen am meisten einen sexuellen Gegen-. satz hervortreten, indem bei den weiblichen Schädeln die Höhe geringer und daher auch der Orbital-Index (Breitenhöhen-Index) kleiner ist. Ich fand folgende Zahlen: u “2. - A| hi der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 141 Breite Höhe Orbital-Index Marken Nr. 15 40 38 95,0 ” DITe - Alr. Fan u Urk 8 34 89,4 18 39 36 92,3 RG: 40 38 95,0 Mittel 39,6 36,2 91,4 Männer 39,6 37,3 94,1 Weiber 39,5 34,5 87,3 - - n Bei den Reihengräberschädeln von Wiesbaden erhielt ich viel ge- ringere Differenzen der Mittelzahlen. Es betrug nehmlich der Index der Männer . . . 91,0 der Weiber .' . . 90,9 im Gesammt-Mittel 90,9. Freilich liegen innerhalb dieser Mittel gleichfalls grofse individuelle Abweichungen, so dals die Extreme 97,1 und 81,6 betrugen. Allein diese Extreme waren vereinzelt und fanden sich zugleich sämmtlich bei weib- liehen Schädeln, während die Extreme der männlichen nur zwischen 94,8 und 87,3 fielen. Ein Gegensatz zwischen den Marker und Urker Schädeln in Bezug auf die Bildung der Augenhöhlen ist nicht erkennbar. Nur der Schädel der Markerin Nr. 16 verdient insofern einer Erwähnung, als bei ihm der Querdurchmesser der Augenhöhle, 41, der höchste, hier überhaupt beob- achtete ist, und als diese Erscheinung in einem gewissen Parallelismus zu der relativen Gröfse der meisten Breitendurchmesser steht, welche dieser Schädel darbietet (S. 117). Es könnte dies gegen die Ansicht von einer künstlichen Deformirung sprechen, da man wohl schwerlich annehmen wird, dafs auch die Orbitae von oben her niedergedrückt worden seien. In Betreff der Form der Augenhöhlen ist ferner zu erinnern an die in mehreren Fällen hervortretende Neigung, nach aufsen und unten hin in der Richtung der Diagonale eine stärkere Ausbuchtung zu erfah- ren, was mit der etwas ausgebogenen Stellung des Wangenbeins zusam- menhängt. Tu Br S TE babe 5.77 Frl Kae a nn 5 er Ask Var BRENNT RUE LER A UN a 1.48 -t ER A ie j rn '4 Br. . us 142 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologie Der Gegensatz der männlichen und weiblichen Schädel ist endlich sehr grofs in Bezug auf die Bildung der Arcus supraorbitales. Während die weiblichen Schädel zarte und feine Orbitalränder zeigen, haben die Männer starke und zum Theil rauhe, bei Nr. 15 und 18 geradezu hy- perostotische Wülste. Gleiches haben auch die anderen Beobachter erwähnt. Schon Blumenbach sprach davon (8. 54); Hr. Spengel hat die mit der Gröfse der Stirnhöhlen zusammenhängende Stärke der Augenbrauenwülste wiederholt geschildert (S. 73, 74, 108) und daraus zum Theil das „nean- derthaloide* Aussehen der Göttinger Schädel erklärt. Ich werde darauf zurückkommen. Hier bemerke ich nur noch, dafs die früher (8. 139). erwähnte Unregelmäfsigkeit in der Bildung der Ineisura supraorbitalis mit der Gröfse der Stirnwülste nicht zusammenhängt. 2) Die Nase zeigt ungleich mehr beständige Eigenthümlichkeiten, wenngleich auch an ihr beträchtliche individuelle Verschiedenheiten her- vortreten. Ich gebe in Nachstehendem die Höhe der Nase a (gerade Entfernung der Nasofrontalnaht von dem Ansatzpunkte des vorderen Na- senstachels), die grölste Breite der Nasenöffnung 5 und den Nasen-Index c (berechnet aus 0:5 = 100: x). a b e Marken Nr. 15 57 24 42,1 = 168 24 50,0 Urk s Aılkltın 448 20 44,4 . „ins ae 32 44,0 “ „I. .19. 154 26 48,1 Mittel: .»50;8.23,2:.45;7 Männer 53,6 24,0 44,5 Weiber 46,5 22,0 47,2 Ich stelle dazu sofort die Zahlen für die Wiesbadener Reihengrä- berschädel: hier beträgt der Nasen-Index bei den Männern 45,7 » » Weibern 45,4 imelNitteleens 5,9: nr y . 4 © | IR der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 143 Alle diese Mittel der Nasen-Indices liegen nach der Aufstellung _ des Hrn. Broca!) innerhalb der Grenzen der Leptorrhinie, welche er von 42—47 rechnet. Dagegen sind die Schädel Nr. 16 und Nr. 19 me- sorrhin. Da der erstere weiblich und markisch, der andere männlich und urkisch ist, so folgt daraus schon, dafs es sich um individuelle Ab- weichungen handelt. der mesorrhine Index in beiden Fällen auf ganz verschiedene Weise ent- steht. Bei Nr. 16 ist es die relative Niedrigkeit der Nase, bei Nr. 19 die relative Breite der Nasenöflnung trotz grofser Höhe, welche die Gröfse der Verhältnifszahl bestimmt, — eine Erfahrung, welche recht lehrreich ist in Bezug auf den Werth solcher Zahlen im einzelnen Falle. Hr. Broca giebt folgende Mittel: Auch zeigt eine weitere Vergleichung alsbald, dafs a b e MEERE. KR TC B0PR Französische Basken . 23,1 49,5 46,8 Niederbretonen . . . 23,1 49,8 46,8 Elsässer und Lothringer 22,2 48,2 46,1 38 50,5 47,0 Franzosen Bayern und Schwaben . 2 Aus einer Vergleichung mit dieser Liste geht die grofse Schmal- heit der Zuiderzee-Nase deutlich hervor. Indefs darf man dabei nicht übersehen, dafs der Broca’sche Nasalindex sich hauptsächlich auf den . knorpeligen, unteren Theil der Nase bezieht und selbst für diesen kein ganz zutreffendes Maals gewährt, insofern er die ganze Höhe der Nase Ich würde es vorgezogen haben, nur den Index der Apertur zu berechnen, wobei ich als Höhe der Apertur die Entfernung des Nasenstachels von der Mitte des unteren Randes der knöchernen Nase gewählt hätte. Allein dies war nur bei einem Schädel möglich, da bei allen anderen, wie von der Nasofrontalnaht bis zum Nasenstachel heranzieht. gewöhnlich, der untere Rand der Nasenbeine verletzt ist. Bei jenem einzigen, dem männlichen Marker Schädel Nr. 15, beträgt die Apertur- höhe 37,5 Mm. und der Breiten-Index der Apertur berechnet sich danach auf 64,4 (S. 67). 1) Broca, Revue d’anthropologie 1872. T. I. p. 17. 144 Vırcmow: Beiträge zur physischen Anthropologie Gesichtsnasen-Index habe ich das Verhältnils zwischen Ge- sichtshöhe (= 100) und Nasenhöhe genannt!). Ich machte zugleich auf- merksam darauf, wie sehr gerade dieses Maafs den Antheil der Nase an der Gesichtsbildung bezeichnet. Als Gesichtshöhe nehme ich den gera- den Abstand der Nasofrontalnaht vom unteren Kinnrande. Leider haben aber nur die beiden Marker Schädel Unterkiefer und nicht einmal sichere. Läfst man sie zu, so erhält man einen Gesichtsnasen-Index für Nr. 15 von 47,5 bog atatteı Aeulkdeigt Nicht ohne grolses Interesse ist auch die Betrachtung der knö- chernen Nase für sich. Die Länge derselben liefs sich nur bei Nr. 15 bestimmen, wo sie 25 Mm. betrug (S. 67). Dagegen kann ich ein ziem- lich vollständiges Bild der Breitendurchmesser geben. Ich bemerke dabei, dafs als solche überall die geraden Querdurchmesser gemeint sind, und zwar sowohl am Nasenfortsatze des Stirnbeins (Nasenwurzel), als auch an der eigentlichen knöchernen Nase, bei der überall die Naso- maxillarnaht als Grenze genommen ist. Wir erhalten dadurch folgen- des Bild: Nasenfortsatz Knöcherne Nase ; : ee nn des Stirnbeins oben unter dem unten Ansatz Mm. Mm. Mm. Mm. Marken Nr. 15 22 12 11 16 = Alle 16 15 10 15 Urk a, Dil 6 5 15 r si 181,520 11 99 — 5 PR I 11 167 Mittel 20,3 112 93 14,7 Männer »21455411,69 105321655 Frauen. Iol8554 1059e7 Hier ergiebt sich durchweg eine erhebliche Verschmälerung der knöchernen Nase unter dem Ansatz, welche am auffälligsten bei der Mar- 1) Verhandlungen der Berliner anthropologischen Gesellschaft 1875. S. 176. Zeitschrift für Ethnologie. Bd. 7. Be kerin Nr. 16 ist. Es besteht jedoch kein eonstantes Verhältnifs zwischen a3 der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 145 der Breite des Nasenfortsatzes vom Stirnbein und der Breite der Nase selbst. Obwohl die männlichen Schädel Nr. 15 und Nr. 19 fast in allen Maalsen übereinstimmen, so hat doch der weibliche Schädel Nr. 16 eine viel geringere Breite des Nasenfortsatzes bei einer sehr viel gröfseren Breite des Nasenansatzes, und der weibliche Schädel Nr. 17 bei einer fast ebenso grolsen Breite des Nasenfortsatzes eine auffällig geringere Breite des Na- senansatzes. Nirgends tritt der Individualismus schärfer hervor. Dies lehrt in überzeugender Weise eine genauere Vergleichung der beiden weiblichen Schädel. Die Markerin Nr. 16 hat Nasenbeine, welche am Ansatze so breit sind, dafs der sehr schmale Stirnfortsatz des Ober- kiefers rechts die Nasofrontalnaht gar nicht, links nur mit einer schma- len Spitze erreicht (S. 71). Bei der Urkerin Nr. 17 dagegen sind die Stirnfortsätze der Oberkiefer sehr breit: ihr Flächendurchmesser beträgt jederseits 10 Mm., während die Breite jedes Nasenbeins auf der Fläche nur 3,6 Mm. milst (S. 83). Hier bestehen also gerade Gegensätze. Die verhältnilsmälsige Breite des Nasenfortsatzes vom Stirn- bein erklärt sich zum Theil durch die häufige Persistenz des untersten Stückes der Stirmnaht. Am deutlichsten ist dieses Verhältnifs bei der Urkerin Nr. 17, wo der Nahtrest eine Länge von 11 Mm. hat und ziem- lich einfach ist (S. 82). Bei dem Urker Nr. 18 hat der Nahtrest sogar eine Länge von 16 Mm., ist jedoch ganz dicht gezackt und zum Theil obliterirt (S. 86). Noch weniger deutlich, jedoch erkennbar, ist das Ver- hältnifs bei dem Marker Nr. 15 (8. 66). Diese partielle Persistenz eines Nahttheils und die Gröfse des Nasenfortsatzes überhaupt steht wohl in einem gewissen Zusammenhange mit der stärkeren Ausbildung des fron- talen Endes der Nasenbeine. Abgesehen von der nur bei einzelnen Schä- deln vorkommenden Verbreiterung der Ansatztheile, findet sich durchweg eine Verlängerung der Nasenbeine nach oben hin und eine in den Nasen- fortsatz einspringende Ausbiegung der Nasofrontalnaht, welche weit über das frontale Ende der Stirnfortsätze des Oberkiefers hinausreicht. Auch die sonst fast ganz einfachen Nähte dieser Gegend zeigen durch ihre mehr zackige Beschaffenheit, dafs der Ossifikationsvorgang in dieser Ge- gend eine ungewöhnliche Lebendigkeit erreicht haben muls. Phys. Kl. 1876. 19 146 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologie Erwägt man endlich, dafs die Nase, mit Ausnahme von Nr. 19, überall stark vortritt, dafs ihr Ansatz wenig vertieft, ihr Rücken scharf und unter dem Ansatz in der Regel schwach eingebogen, das untere Ende der knöchernen Nase weit vorspringend ist, so wird man nicht im Zweifel darüber sein können, dafs diese Bildung im Sinne des Hrn. Lubach (S. 34) dem friesischen Typus entspricht. 3) Der Antheil des Oberkiefers an der Bildung des Gesichts ist ein recht wichtiger, und er steht in einem unverkennbaren Verhältnisse zu der früher (S. 78, 104) ausreichend erörterten stärkeren Ausbildung der Kauapparate. Jeder einzelne Theil des Oberkiefers zeigt jedoch sehr srofse individuelle, dagegen ungleich geringere sexuelle Variationen, wenn man von der gröfseren Zartheit und Kleinheit der Bildung bei den Frauen absieht. Leider hindert der nachträgliche Verlust der meisten Zähne, namentlich der Schneidezähne, auch hier eine durchgreifende Vergleichung. Nur der Schädel der Urkerin Nr. 17 hat noch die Schneidezähne; diese sind gut ausgebildet, jedoch von mälsiger Grölse: sie überragen den Al- veolarrand um 8 Mm. Ich gebe zunächst die Höhenmaalse, und zwar a) die Kieferhöhe (eine nicht genau zutreffende, jedoch bequeme Bezeichnung) d. h. den geraden Abstand der Nasofrontalnaht von der Mitte des Alveolarrandes, b) die Alveolarhöhe, d. h. den geraden Abstand von‘dem Ansatze des vorderen Nasenstachels bis zum Alveolarrande. Kieferhöhe Alveolarhöhe Marken Nr. 15 70 17 2 sign: 17 Urk lei 202 18 R ver igakannud A)F Ai TEN 21 Mittel Ser Männer °72,0° 13,0 Weiber 635 17,5 Differenz 8,5 1) n Der Hauptunterschied der Geschlechter liegt hier, wie namentlich durch Vergleichung mit der Tabelle über die Nasenhöhe (S. 142) er- der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 147 ‚siehtlich ist, nicht in der Alveolarhöhe, sondern in der Nasenhöhe, wobei daran zu erinnern ist, dafs die Nasofrontalnaht sich nicht unerheblich über die oberen Grenzen der Stirnfortsätze der Oberkiefer erhebt (S. 145). Nur der männliche Urker Schädel Nr. 19 besitzt einen erheblich höheren Alveolarfortsatz. In Bezug auf die Breitenverhältnisse kommen 3 Querdurchmesser in Betracht: / a) der malare, d. h. die gerade Entfernung der Suturae zygo- matico-maxillares von einander, gemessen vom unteren Ende derselben an der Tuberositas malaris, y b) der maxillare, d. h. der gerade untere Querdurchmesser, ge- messen von dem Punkte, wo der Alveolarfortsatz über dem zweiten Back- zahn sich an den Körper des Öberkiefers anschliefst, c) der infraorbitale, d. h. die gerade Distanz der beiden Fora- mina infraorbitalıa. Ich erhalte hier folgende Zahlen: Marken Nr. 15 92 53 49 f iler , 860.7,56 4%45 Urk 85 53,5 44 18 87 58 49 & lt) 94 64 9 Mittel 88,4 56,9 47,6 Männer 91,0: 58,3 .49,6 Weiber 84,5 54,7 44,5 Differenz. 655 1.798,Bl.nS;l b>] n Die Differenzen sind nicht unbeträchtlich, aber im Einzelnen nicht constant. Nur die Distanz der Infraorbitallöcher zeigt sehr scharfe Ge- gensätze der Geschlechter und zwar zu Ungunsten des weiblichen Ge- schlechtes, was um so mehr zu bemerken ist, als die Zahlen für die In- fraorbitaldistanz keineswegs mit den früher (S. 142) mitgetheilten Zahlen für die Breite der Nasenapertur harmoniren. Nächstdem folgt in der Reihenfolge der Constanz der Malardurchmesser; am wenigsten regelmälsig ist der eigentlich maxillare Querdurchmesser. 19= 148 Vırcmow: Beiträge zur physischen Anthropologie Aus den absoluten Zahlen lassen sich verschiedene Verhältnifs- zahlen ableiten; ich beschränke mich darauf, das Verhältnifs von Kiefer- höhe (S. 146) zu dem Malardurchmesser oder der mittleren Kieferbreite, die letztere = 100 gesetzt, d.h. den maxillaren Breitenhöhen-Index zu geben: Marken Nr. 15 76,0 = 6 U) Urk a N ge R 19 + Aa Mittel 76,2 Männer 77,3 Weiber 75,1 Die Differenz ist gering. Im Allgemeinen beträgt die Kieferhöhe > der mittleren Kieferbreite. Dies stimmt mit der Angabe des Hrn. Har- ting, dals die Gesichter der Urker etwas Volles und Rundes haben (S. 93). Im Allgemeinen sind die Fossae caninae tief und die vorderen Theile der Alveolarfortsätze stark von dem Körper des Oberkiefers ab- gesetzt. Nur bei dem Schädel Nr. 19 zeist sich, wie schon erwähnt (S. 91, 95), diese Gegend sehr voll, gleichsam als wären die Sinus maxil- lares hier besonders stark ausgebildet. Die Foramina infraorbitalia sind ziemlich durchweg grols, jedoch von aulsen her abgeplattet. Bei der Urkerin Nr. 17 liegt über ihnen jederseits eine kleine Exostose (S. 83), welche durch eine anomale Nahtlinie senkrecht durchschnitten wird. In der Richtung nach vorn sind, mit Ausnahme des ungewöhnlich A to} stark orthognathen Schädels Nr. 19, die Oberkiefer aller dieser Schädel etwas vorgeschoben, so zwar, dafs die weiblichen Schädel wirklich pro- gnath erscheinen. Ich gebe hierfür unter @ ein Maals, welches ich bei einer früheren Gelegenheit!) in der Kürze als Oberkiefer-Index be- zeichnet habe, nehmlich das Verhältnifs der Entfernung des grofsen Hin- 1) Archiv für Anthropologie Bd. IV. S. 63. N deikelben Pooh von der Mitte der Bee hrata habt, letztere Entfernung = 100 gesetzt. Für weitere Vergleichungen setze ich unter b eine zweite Verhältnifszahl hinzu, bei der statt des Hinterhaupts- _ loches das äulsere ÖOhrloch als Ausgangspunkt benutzt ist. Ich er- halte dann: + a b Marken Nr. 15 97,1 105,4 A „16 94,5 1091 Uk „1 947 1021 % 5718997,9 97,0 » wiF,. 56,2 98,0 Mittel 94,0 100,9 Männer 93,7 100,1 Weiber 94,6 102,1 Wiesbaden Mittel 90,6 99,0 Männer . 88,9 97,7 Weiber 91,4 99,7 In beiden Reihen, sowohl bei den Zuiderzee-Schädeln, als bei den Wiesbadenern, erscheint die relativ prognathische Form der Weiber in allen Stellen. Allein ebenso entschieden zeigt sich auch, immer mit Aus- nahme des Marker Schädels Nr. 19, die viel mehr zur Prognathie hin- neigende Entwickelung der Zuiderzee-Schädel. Die Differenz in der Co- - lumne a beträgt für die Gesammtmittel 3,4, für die Männer 4,8 und für die Weiber 3,2 pÜt. Dem entsprechend ist auch der Gesichtswinkel bei den Zuiderzee- Schädeln kleiner, als bei den Wiesbadenern, und bei den Weibern noch kleiner, als bei den Männern, so jedoch, dafs die Zuiderzee-Männer noch nicht die Wiesbadener Frauen erreichen. Ich nenne hier übrigens Ge- _ siehtswinkel denjenigen Winkel, der gebildet wird durch eine von der Mitte des äufseren Ohrloches zum Ansatze des vorderen unteren Nasen- stachels und durch eine zweite, vom Ansatze des Nasenstachels zur Mitte der Nasofrontalnaht gezogene Linie. Die von mir gefundenen Zahlen sind iz . De ER EN TRETE ); ı we u. Eat, WER", ’ LG B . Er) ze en nn te u rn EN se ee « 2 2 v ee [3 wir ” er ar ITS FR ie Bi an ERR 150 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologie Zuiderzee Wiesbaden Männer . 74,3 76,1 Frauen ,. = 73,5 19.8 Mittel 74,0 75,6 Dafs auf diese Verhältnisse die Art der Bildung der Zähne und der speciell mit ihnen in Beziehung stehenden Kiefertheile keinen direkten Einflufs ausüben kann, liegt auf der Hand. Ich stelle in der folgenden Tabelle die entsprechenden Zahlen zusammen: Aeulserer Umfang Länge Breite Gaumen- des Alveolarrandes Ne Index Marken Nr. 15 140 50 30 60 Er ne na 40 34 85 Urk lit, 119 40 sl 7020 3 „18 (229 41 42 10 r Bro 128 41 40 97 Mittel 125,2 (124,6) 42,4 354 84,3 Männer 134,0 (150,0) 44,0 37,3 86,3 Weiber 116,5 40,0 325 812 Es ist also keineswegs der Umfang und die Grölse der dentalen Theile, welche den Grad der Vorschiebung der vorderen Theile des Ober- kiefers bestimmen; diese Theile sind durchweg bei den Weibern kleiner, als bei den Männern. Vielmehr liest der Grund hauptsächlich darin, dafs bei den Männern die Basilarlänge so viel beträchtlicher ist, als bei den Weibern, und dafs der Ansatz der Spina nasalis anterior, obwohl er von dem Hinterhauptsloche gleichfalls bei den Männern viel weiter entfernt ist, doch relativ zurücktritt. Die gröfsere Höhe der Nase bei den Män- nern reicht nicht aus, um die Differenz der Längendurchmesser auszu- gleichen. Dies ergiebt folgende Zusammenstellung hr R der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 151 j | Entfernung des Hinter- | £ | hauptsloches | | von der vom Ansatz | Nasenhöhe Nasofrontal- ; des Nasen- | naht | stachels Marken Nr. 15. . . 104 101 | 57 Urk ur ars} 0 5 86,5 | 82 Mittel: =.) 74, 95,6 90 | 50,8 Männer . . . | 100,1 | |" Weiber. . . | 88,7 | Differenz . . | 11,4 | Die Gestaltung des Gaumens selbst ist so mannichfaltig, dafs es in der That überraschend ist. Der Marker Schädel Nr. 15 mit einem Gaumen-Index von 60 und der Urker Nr. 18 mit einem solchen von 102 können als wirkliche Extreme gelten. Jener kann als zutreffendes Bei- spiel für Lepturanie, dieser als ein analoges Wir Brachyuranie be- zeichnet werden. Es ist endlich noch zu erwähnen, dals nicht weniger als 4 von den 5 Zuiderzee-Schädeln am Gaumen deutliche Ueberreste der Quer- naht des Intermaxillarbeins zeigen. 4) Ueber die Unterkiefer wage ich hier nicht eingehend zu sprechen; ich werde darauf zurückkommen, wenn ich die anderen paral- lelen Fälle heranziehen kann. Da überhaupt nur die beiden Marker Schädel Unterkiefer haben, die Zugehörigkeit derselben aber an sich zweifelhaft ist, so kann ich nur zweierlei hervorheben. Das Eine ist die weit vorgeschobene Stellung des Kinns, wodurch die sogenannte proge- näische Form entsteht. In dieser Beziehung kann ich mich, aufser auf die von mir selbst untersuchten Marker Unterkiefer, auf die sehr charak- teristische Beschreibung beziehen, welche J. van der Hoeven von dem Schokländer Unterkiefer Nr. 26 geliefert hat (S. 106). Das Andere ist der Querdurchmesser zwischen den Gelenkfortsätzen. Obwohl dieser nur an 152 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologie den beiden Marker Unterkiefern direkt gemessen werden kann, so läfst sich dies an den Urker Schädeln dadurch ergänzen, dafs man die Mitte der Gelenkgruben als Mefspunkt nimmt. Leider habe ich bei den Reihen- gräberschädeln von Wiesbaden die letztere Messung versäumt, so dals mir nur die Zahlen für 3 männliche und 4 weibliche Schädel von da zu Gebote stehen. Es ergiebt sich hier eine grofse Uebereinstimmung in Bezug auf die weiblichen, dagegen eine ziemlich starke Verschiedenheit in Bezug auf die männlichen Verhältnisse: Zuiderzee Wiesbaden Männer.. . 101,6 109 Weber. .1.2030 93,7 Mittel . .98,2 99,5 5) Endlich in Bezug auf das Gesicht überhaupt oder genauer auf die Vorderansicht des Kopfes (Norma frontalis) sind in hohem Maalse bestimmend die Querdurchmesser, von denen ich, nach dem sehr richtigen Vorgange des Hrn. Harting (S. 92), vorzugsweise den unteren frontalen und den jugalen, sowie das Verhältnifs beider zu einander ins Auge fasse. Stirnbreite Jochbreite Jugofron- tal-Index Marken Nr. 15 98 136 72,0 ee 123 73,9 Urk ln 208 121 76,8 A RS ge 133 72,1 4 or 126 74,6 Mittel... .94;4,., 127,8, 73.8 Männer 96,0 131,6 72,9 Weiber 92,0 mar) Wiesbaden: Mittel 93,6 1941 75,5 Männer 96,6 132,1 73,1 Weiber 91,8 118,8 771 Diese Zahlen stehen einander sehr nahe. Wenn man erwägt, was schon früher hervorgehoben, dafs unter den Wiesbadener Schädeln die a Fe Fe weiblichen prävaliren, so kann es "nicht überraschen, dafs auch in dem 2 Gesammtmittel die weiblichen Zahlen entscheiden. Die männlichen fallen fast ganz zusammen; unter den weiblichen zeigen die von der Zuiderzee eine etwas gröfsere Stirn- und eine sehr viel beträchtlichere Jochbreite. Die letztere harmonirt mit dem stärker entwickelten Kauapparat der Zuiderzee-Leute. Eine andere Gleichung, die ich leider aus Mangel an entsprechen- den Zahlen nicht für die Wiesbadener Schädel ausführen kann, betrifft das Verhältnifs von Kieferbreite (Malardurchmesser) zur Stirnbreite (letz- tere = 100): den Frontal-Malar-Index. Hier erhalte ich Marken Nr. 15 93,8 4 ar 94,5 Urk 17 nr N .18...:.90:6 2 „ 19 100,0 Mittel 93,6 Männer 94,8 Weiber 91,8 Der Malardurchmesser ist also fast durchweg erheblich gröfser, als der untere Frontaldurchmesser. Damit stimmt auch die verhältnifsmälsig starke Ausbildung der Tuberositas malarıs, an der sich gewöhnlich nicht blofs das Wangenbein, sondern auch der Oberkiefer betheiligen. Man kann daraus schlielsen, dafs dieser Theil auch an den Lebenden stark in die Erscheinung treten muls. Nimmt man dazu, dals die Fossae caninae in der Regel sehr tief, die Augenhöhlen mehrfach in der Richtung nach unten und aulsen stark ausgebuchtet, die Jochbogen weit ausgelegt sind, so ergiebt sich daraus, dals das Wangenbein im Ganzen mit seinen un- teren Abschnitten mehr nach aufsen, mit seinen oberen dagegen mehr nach innen gewendet sein muls. Einigermafsen dürfte diese Stellung zu- sammenhängen mit der Stärke der Kaumuskeln, welche sich am hinteren und oberen Umfange des Wangenbeins befestigen, und welche ganz be- sonders deutlich durch die in zwei Fällen bemerkte, ungewöhnlich starke Entwickelung der Tuberositas temporalis bezeichnet wird. Phys. Kl. 1876. 20 der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 153 154 Vırcmow: Beiträge zur physischen Anthropologie Diese ungewöhnliche Entwickelung der zur Befestigung der Kau- muskeln dienenden Knochentheile, welche in der früher (S. 104) erörter- ten Ausbildung der Plana temporalia ihre Analogie findet, dürfte wohl durch die Lebensweise der Insulaner erklärt werden können. Wie Hr. Harting berichtet (S. 57), leben die Urker fast nur von Brod, Kartof- feln und Fischen; Fleisch wird sehr wenig genossen. Wahrscheinlich wird weder der Fisch, noch das Brod stets frisch sein. Nach dem Schlusse des Fischfanges im November tritt an sich eine Periode der Entbehrung ein, wo in strengen Wintern nicht ‚selten die Hälfte der Einwohner auf Kosten der Provinzial-Kasse unterhalten werden muls!). Unter solchen Umständen wird wohl manch harter Bissen verarbeitet werden müssen, und wenn schon die Tiefe der Gelenkgruben für den Unterkiefer darauf hindeutet, dafs wir es nicht mit einer herbivoren Be- völkerung zu thun haben, so darf aus der Gesammteinrichtung des Kau- apparats wohl geschlossen werden, dafs auch eine vorwiegend ichthyo- phagische Bevölkerung starke Ansprüche an ihren Kauapparat zu machen genöthigt sein kann. Es ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, wo die craniologischen Ver- hältnisse der festländischen Friesen darzulegen sind, um auch nach dieser Seite hin die Grundlagen zu einer vergleichenden Anthropologie dieser Stämme zu gewinnen. Ich beginne mit der Bevölkerung des eigentlichen oder mittleren Friesland. Die ersten Nachriehten über friesische Schädel verdanken wir gleichfalls J. van der Hoeven?). Er besafs (aufser einem, an Hrn. Barnard Davis abgegebenen Exemplar) 4 Schädel von der Stadt Bols- ward im Westergau, von denen er eine kurze Beschreibung geliefert hat. ı) Harting, Het eiland Urk Bl. 71. 2) J. van der Hoeven, Catal. cran. p. 13. Ir ’ Kae 73 ee HEIRATEN A der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 155 Hr. Barnard Davis!) giebt, abgesehen von einem Nordhollän- der, die Maalse von 8 friesischen Schädeln. Einer davon ist ein ostfrie- sischer und ich werde später darauf zurückkommen. Zwei andere sind nicht weiter nach ihrer Provenienz bestimmt. Von den restirenden 5 ist der eine (schon erwähnte) von Bolsward, 2 andere stammen von Hinde- lopen, gleichfalls im Westergau, die letzten 2 aus der Provinz Groeningen. Hr. Sasse?) besals ursprünglich 19 Schädel aus dem friesischen Westergau, sämmtlich aus der Gegend von Bolsward. Nachdem er 2 davon an Hrn. Welcker abgegeben hatte, lieferte er von den übrigen ein- gehende Beschreibungen. Ich selbst erhielt aus der Gegend von Leeuwarden, also aus dem Östergau, 5 Schädel, von denen ich eine vorläufige Meldung gemacht habe ?). Das gesammte, zur vergleichenden Besprechung vorliegende, seiner Herkunft nach genau bestimmte Material umfalst demnach, wenn ich die Groeninger Schädel des Hrn. Davis mit in Betracht ziehe, 35 Exemplare. Ich werde sie zunächst, soweit dies möglich ist, im Einzelnen vorführen, und dann eine zusammenfassende Uebersicht geben. 1) Schädel aus dem Westergau. J. van der Hoeven macht über die in seiner Sammlung befind- lichen Schädel folgende Mittheilungen: 1) Nr. 20. Cranium viri juvenis 22 annorum. Duo tantum ad- fuere dentes incisivi superiores. Cranium satis amplum, ovale, supra depressum, occipite prominente. Ossa nasi magna, prominentia. 2) Nr. 21. Cranium Frisii. 3) Nr. 22. Cranium puellae Frisiacae aet. 4 annorum, elongatum. Os frontis gibbum. Ossa parietalia depressa pone suturam corona- lem. Os oceipitis supra gibbum (ut in cranüs Suecicis). !) Barnard Davis, Thesaurus eran. p. 104. ?) A. Sasse, Nederlandsch Tijdschrift voor Geneeskunde. 1874. Revue d’an- thropologie 1874. T. III. p. 653. °) Virchow, Verhandlungen der Berliner anthropologischen Gesellschaft 1874. S. 241. Zeitschrift für Ethnologie. Bd. 6. 20* Pr; 156 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologie 4) Nr. 23. Cranium senis 73 annorum, ponderosum. Sutura sa- sittalis postice fere deleta. Corona dentium ita trita est, ut dentes in- eisivi et caninı perfecte referant formam ıllam planam, quam in Aegy- ptiacis mumiis tanquam varietatem gentilitiam Ol. Autenrieth aliique falso descripserunt. Folgendes sind die von ihm angegebenen Maafse nebst dem von mir daraus berechneten Mittel, wobei natürlich der Schädel des 4 jährigen Mädchens ausgeschlossen ist. Nr. Nr. Nr. Nr. Mittel von 20 21 22 23 Nr. 20, 21u.23 A. Horizontalumfang 529 516 490 520 521,6 B. Sagittalumfang . 366 564 371 376 368,6 0. Gröfste Länge . 186 180 175 ‚184. 183,3 D:.WHintere Höhen Nun: 35 m 3 ee E. Gröfste Breite . 142 142 122 159 141,0 F. Länge des Hinter- hauptsloches . . _ 34 35 34 34,0 G. Breite des Hinter- hauptsloches . . — 32 25 31 3162 Daraus berechnen sich für ! Nr. Nr. Nr. Nr. Mittel von 20 21 22 23 Nr. 20, 21 u.23 der Längenbreiten-Index . . . 76,3 78,8 69,7 75,5 76,8 der (hintere) Längenhöhen-Index 72,5 73,8 70,2 76,6 74,3 der Index des Hinterhauptsloches — IHN TEAEHMILIEN AIR Dem Schädelindex nach haben wir es demnach auch hier — ab- gesehen von dem kindlichen Schädel Nr. 22, der ausgezeichnet dolicho- cephal ist — mit einer mesocephalen Form zu thun. Vergleichen wir die gewonnenen Zahlen mit den nach derselben Methode erhaltenen Zah- len für den Schädel von Urk (S. 94—95) und die 3 Schädel von Schok- land (S. 106—107), so finden wir hier einen etwas geringeren Breiten- Index. Die Differenz scheint aber hauptsächlich darin zu liegen, dafs wir hier nur männliche und zwar sehr grolse Schädel vor uns haben: nicht nur der gröfste Längendurchmesser übertrifft die Urker der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 157 ö und Schokländer im Mittel um mehr als 9 Mm., sondern auch der Brei- tendurchmesser ist um beinahe 5 Mm. gröfser. Dagegen ist der (hintere) Höhenindex geringer, als der bei den Schokländern gefundene (S. 107), aber nur der kindliche Schädel Nr. 22 hat den kleinen Index des Urker Schädels Nr. 24, der mit dem von mir aus den Zuiderzee-Schädeln des Museums Vrolik berechneten Index- Mittel (S. 94) zusammenfällt. Berechne ich die Höhe nach der früher (S. 93) aufgestellten For- mel, so erhalte ich Nr. 20 Nr. 21 Nr. 23 Mittel als Höhenmaals. . . 130 126 132 129,8 „ Höhen-Index . . 69,8 70 71,7 1082 „ Breitenhöhen-Index 91,5 88,7 94,0 91,4 Die Mittelzahlen beider Indices entsprechen sehr genau dem Mit- tel der männlichen Insulanerschädel aus der Zuiderzee (S. 122). Sollten sie sich bei direkter Messung bestätigen, so würde die Chamaecephalie auch dieser Schädel nicht zweifelhaft sein. Die Beschreibung J. van der Hoeven’s in Bezug auf Nr. 20 und 22 läfst an sich keinen Zweifel, dafs ihm diese Schädel ebenso erschienen, wie die Urker und Schokländer. ‘Für Nr. 20 haben wir aber noch einen anderen Beweis. Hr. Lubach!) hat nehmlich von diesem Schädel eine Abbildung geliefert, welche er zugleich als eine typische Darstellung der ersten, von ihm beschriebenen Form der niederländischen Schädel (8. 34), der friesischen nehmlich, be- zeichnet. Er fügt hinzu: De bijzonderheid van slechts twee snijtanden in de bovenkaak vindt men, schoon zeldzaam, enkele malen meer. De lang- werpige vorm des schedels, de geringe kromming van den schedelboog, en het uitpuilen des achterhoofds vallen bij deze afbeelding goed in het oog; de laatste bijzonderheid vindt men aan andere Friesche schedels nog sterker. So werthvoll diese Bemerkungen schon deshalb sind, weil sie für die allgemeine Beschreibung des Hrn. Lubach von der friesischen Schä- 1) Lubach I. ce. Bl. 447. Pl. V. Fig. 1. 158 Vırcuow: Beiträge zur physischen Anthropologie delform eine authentische Unterlage gewähren, so charakteristisch ist in der That die Abbildung. Sie zeigt die gröfste Aehnlichkeit mit den Zuiderzee-Schädeln: niedrige Stirn, lange flache Scheiteleurve, vorsprin- gende Oberschuppe des Hinterhaupts, fast horizontale Facies muscularis oceipitis, sehr niedrigen Angulus parietalis, breite Ala sphenoidealis, un- gemein hohe, fast dreieckige Squama temporalis, grofse Stirnwülste, sehr stark vorspringende Nase, orthognathe Stellung des Oberkiefers, weit vor- springendes Kinn, niedrigen Processus coronoides mit flacher Incisur. Zugleich belehrt sie uns darüber, dafs die langgestreckte (langwerpige). Schädelform des Hrn. Lubach keine dolichocephale ist, denn der Län- genbreiten-Index dieses Schädels beträgt 76,5; nur die Niedrigkeit des an sich mesocephalen Schädels hat ihm den Eindruck der vorwiegenden Länge gemacht. Sehr auffallend ist die Gröfse des Index des Hinterhauptsloches, welche hauptsächlich durch die grofse Kürze des Loches in diesen Schä- deln bedingt ist. Bei den 5 Zuiderzee-Schädeln des Museum Vrolik be- trägt der Index nur 82,3, bei den 3 Schokländern der Sammlung van der Hoeven 85,8, hier erreicht er 92,6. Es ist dies ein Beispiel für die srolse Variabilität dieses Loches in den europäischen Rassen, und zugleich ein Beweis mehr, wie unsicher die Vergleichung derjenigen Maafse wer- den muls, welche von dem hinteren Rande des Loches aus genommen werden. — Hr. Barnard Davis giebt von den in seiner Sammlung befind- lichen Friesenschädeln aus dem Westergau, welche sämmtlich als männ- liche, im (muthmafslichen?) Alter von 40, 60 und 55 Jahren bezeichnet werden, folgende Maalse an: Hindelopen Bolsward Nr. 93 Nr.365 Nr. 321 Aus Gapacitätiien sun vente 87 88 B.... Horizontalumfang, .... 1.4... 2209,21, 2Rz @.. Sagittalumfang na. nun en Ei N a) Stirnbeintt als l.Anikee Hl Did 5,4 b)/ Pfeilnahtı 1 Ener 5,0 5,6 5,0 c) Hinterhauptsschuppe . 4,6 4,7 5,0 iR ke; EneDR.ı u eniä der N 2 der Warzenfortsätze) . . . 1 1937,,1 15,5 ha Bi: EN ae Tänge, ., . -onin Al Tanne Br: ale Braiter na cnaze DE 6,2 6,2 a a) Frontalbreite (an der ’ f "2 A Sut. coronaria) . . 3,3 5,2 5,0 Bert b) Harletela Chüberale)Breite 9,5 28 6,0 2.70) e) Oceipitalbreite . ... 4,3 4,8 4,6 Ir Ki 2 GcrGeröde Höhe, - 41. 17 Yayılan 5,3 3,5 5,4 B: A a) Frontal-Radius . . . 4,8 4,7 4,8 br © | R b) Parietal- „ Arab 4,8 5,0 4,9 En vr e ce) Oeccipital- „ TE 3,9 4,3 4,3 > B. e“ B..:Gesichtshöhezan: - wuneres: = 4,8 4,7 Be I. Jochbogenbreite. . . . ..— a! 5,3 i iR h I. Breiten-Index 7 2 20.002 80.82: 88 RA | Beenden... mes 73 3 73 N Be i Demnach wären diese Schädel brachycephal. Hr. Davis selbst Mari. sagt von dem Schädel von Bolsward, dem einzigen, über welchen er eine BR R Bemerkung macht: A brachycephalie skull with unusually prominent pa- Bu _ rietal tubers, so as to convert the norma verticalis into a pentagonal form. 0 _ Die Höhe seiner Schädel erscheint als eine mittlere. m 2 Leider handelt es sich hier vielfach um Maafse, welche in abwei- R Ri chender Art genommen sind, und welche überdies erst einer Umrechnung | Br. bedürfen. Die Maafsstäbe waren in englische Zolle eingetheilt, und die 7 e Capacität wurde mit trockenem Sand von 1,425 specifischem Gewicht i, 2, bestimmt, dessen Menge durch Wägung gefunden und in Unzen avoir- EN _ dupois angegeben ist. Hr. Welcker!) hat deshalb besondere Reduk- ve tionstabellen aufgestellt, deren Zuverlässigkeit in Bezug auf die obener- Wr; “ wähnten Sandbestimmungen mir jedoch nicht ganz zweifelsfrei erscheint. h Rn) _ Mit Hülfe dieser Tabelle schreibe ich die Messungen des Hrn. Davis in Br; E Metermaafs um: RR; Ar 1) H. Welcker, Archiv für Anthropologie Bd. I. S. 269. BR > 6 > 160 Vırcuow: Beiträge zur physischen Anthropologie Hindelopen Bolsward Mittel Nr. 93 Nr. 365 Nr. 321 A. _ 1733,7 1753,6 1743,6 B. 520,7 551,2 943,5 998,4 GR 396,2 391,2 386,9 a) 129,5 134,6 137,2 1337 b) 127,1 142,2 127,0 132,0 e) 116,8 119,4 127,0 121,2 D.'' 380,9 398,8 393,7 391,1 BE. 1829 190,5 et ae 157,5 157,5 154,1 a) 134,6 132,1 127,0 131,2 b) 139,7 134,6 152,4 142,2 e) 109,2 121,9 116,8 115,9 CASA 139,7 137,2 137,2 a) 121,9 119,4 121,9 121,1 b) 121,9 127,0 124,5 126,7 ec) 99,1 109,2 109,2 105,8 a ei 121,9 119,4 120,7 I. m 129,5 134,6 132,1 Es geht zunächst aus diesen Zahlen hervor, dafs die Schädel der Sammlung Davis ungewöhnlich grofs sind, nicht blofs innerhalb der hier zur Verhandlung stehenden Gruppen, sondern auch absolut. Selbst wenn man von den Zahlen für die Capacität absieht, welche vielleicht wegen der Art der Umrechnung des durch Wägung bestimmten Sandes in ein Hohlmaafs einen Irrthum enthalten könnten, so zeigen doch auch die Linearmaafse auffallend hohe Angaben, namentlich für Nr. 365 und 321. Ganz besonders gilt dies für die Querdurchmesser, namentlich für die srölste Breite (F), den tuberalen Parietal- und den Occipitaldurchmesser (F b und ce), sowie für die vom Meatus auditorius externus aus zu den verschiedenen Wölbungen gezogenen Radien (G a—c). Ein Blick auf die entsprechenden Zusammenstellungen meiner bisherigen Erörterung (S. 102, 116 und 117) lehrt, wie beträchtlich die Maafse des Hrn. Davis über alles, früher mitgetheilte Maafs hinausgehen. Auch manche andere An- gabe, z. B. das unter C b aufgeführte Längenmaafs der Pfeilnaht von Ban Ihe EaHpeg, N ar et 5 . BR ET >»s Schäc eis. Nr. 365, ist von Hase auffälliger Gröfse. Indefs und vor, die Richtigkeit der Angaben des Hrn. Davis zu ang In, da keines seiner Maalse aufserhalb der Möglichkeit liegt und da andererseits seine Angaben über den Schädel Nr! 93 von Hindelopen innerhalb der uns geläufigen Grenzen bleiben. Gegenüber solchen Zahlen für Länge und Breite ist die Höhe ver- | hältnifsmälsig eine sehr geringe. Schon die von Hrn. Davis selbst be- _ rechneten Längenhöhen-Indices von 73 sind im Vergleich zu dem Mittel Bi) der direkten Höhenzahlen von 137,2 Mm. kleine. Noch viel auffälliger _ tritt dies hervor bei der Bestimmung der Breitenhöhen-Indices, welche ergeben für E: Nr. 93 91,3 E: BEE: 5 Ay ig im Mittel 89,0, eine Zahl, welche die von mir für die Schädel des Museum Vrolik ge- fundene (S. 97) von 92,3 (oder 91,9) nicht einmal erreicht, und ebenso _ unter dem für die männlichen Zuiderzee-Schädel berechneten (S. 122) Mittel von 91,7 zurückbleibt. In dieser Beziehung nähern sich die Angaben des Hrn. Davis den chamäcephalen Mitteln. Es scheint daher, dafs sich in den Händen dieses Sammlers zu- fällig Repräsentanten der macrocephalen Varietät des Friesen- typus gesammelt haben. Nirgends drängt sich diese Vermuthung so sehr hervor, als wenn man den Schädel von Bolsward Nr. 321 mit den _ von eben daher, wahrscheinlich sogar aus derselben Quelle stammenden _ Schädeln van der Hoeven’s ($. 156) vergleicht. Ich stelle nur einige u Maalse zusammen: Er. van der Hoeven Davis B* Maximum Mittel Horizontalumfang 529 521,6 543,5 R Sagittalumfang . 376 368,6 391,2 B: Gröfste Länge . 196 183,3 187,9 i & Breite . 142 141,0 157;D Be Phys. El. 1876. 21 ung der Friesen. Er as Er Nu r Ne Ra De 162 Vırcuow: Beiträge zur physischen Anthropologie Wir werden später Gelegenheit haben, auf diese Schädel zurück- zukommen, da auch an anderen Stellen des friesischen Landes maero- cephale Formen in recht auffälliger Weise hervortreten. Daraus geht aber, was ich schon hier bemerken möchte, hervor, dafs die Betrachtung der Mittel nicht der einzige und auch nicht der ganz sichere Weg zur Auffindung der typischen Formen ist. — Hr. Sasse hat seine Schädel bis auf einen aus einem „Terp“ zu Hartwerd bei Bolsward, der ursprünglich dicht am Meeresufer gelegen haben soll, jetzt aber ziemlich entfernt davon ist. Drei der Schädel erhielt er von Dr. Scriverius, der dazu bemerkt, dafs früher an der Stelle das Altkloster (Oldeklooster) gestanden habe, das im Jahre 1100 gestiftet!) und 1570 zerstört wurde. Er habe daselbst wohl 20, leider zum grolsen Theil beschädigte Schädel mit zahlreichen anderen Knochen, namentlich Becken- und Beinknochen, gefunden. Sie lagen 8—9 Fuls tief. Ein fast vollständiges Gerippe war in einer Steinkiste enthalten, welche aus Steinen von einigen Fuls Länge in Form eines Halbkreises aufgemauert war. Auch ein Theil einer Holzkiste aus sehr dicken, breiten Planken, die mit hölzernen Nägeln verbunden waren, wurde aufgedeckt. Hr. Scri- verius hält dies für den Friedhof der Mönche selbst. Etwa 4 Fuls über den Kisten traf man eine Masse von Knochen, die über einen grolsen Raum zerstreut waren, wahrscheinlich aus einer späteren Zeit stammend. Früher war schon eine Kiste mit 2 Köpfen aufgegraben, und in einer anderen hatte man bei einem Gerippe eine Börse mit 15 silbernen Mün- zen gefunden, welche letztere in der Mitte ein Kreuz mit der Umschrift Signum crueis zeigten. Die übrigen 15 Schädel erhielt Hr. Sasse durch Hrn. Simonsz, der dabei berichtet, es seien Hunderte von Schädeln gefunden, einige regelmälsig mit Spuren von Kisten, andere unregelmälsig in Haufen bei einander. Nach einer Angabe soll das Oudeklooster 1535 durch die Wiedertäufer eingenommen und diese wieder durch den Statthalter Schenk van Tautenburg besiegt und zum grofsen Theil erschlagen sein. Daher 1) Hr. Fockema (l. e. III. Bl. 10) giebt das Jahr 1191 als Stiftungsjahr des Oudekloosters onder Hartwerd an, en hein ich ‚d " große "Menge von Knochen in in den höchsten Zi elldehhrite Schädel stammt aus einem Terp!) bei Witmar- A 1, mitten in Friesland, nicht weit von Bolsward. Er ist nach der x ur ngabe des Hrn. Sasse den übrigen so ähnlich, dafs er ihn nicht weiter A er behandelt. r ya 0 Diese sämmtlichen 19 (oder nach Abgabe von 2 Schädeln an hr Hrn. Weleker 17) Schädel sind als männliche anerkannt; höchstens einer derselben erschien zweifelhaft. Es ist dies für die Vergleichung F zu berücksichtigen. Ob sie alle friesischen Ursprunges sind, läfst sich natürlich nicht nachweisen; abgesehen davon, dafs möglicherweise fremde Schädel von Wiedertäufern darunter sind, kann auch der rein i e friesische Ursprung der Klosterbewohner, namentlich in der frühesten Zeit, vielleicht in Frage gestellt werden. Die Schädel in den Steinkisten _ dürften wenigstens dem 12. oder 13. Jahrhundert angehören. Es ist daher sehr zu bedauern, dals Hr. Sasse die einzelnen Kategorien nicht _ unterschieden hat. Er giebt nur Mittel-, Maximal- und Minimalzahlen, so dafs eine Umrechnung oder gar selbständige Gruppirung der Schädel nicht möglich ist. Eine solche Prüfung wäre aber um so mehr von Be- _ deutung gewesen, als die individuellen Differenzen sehr grofs ausfallen. Die Hauptzahlen des Hrn. Sasse sind folgende: Mittel Maxima Minima 2 Capacität ....2....1519 Ip [ 1280 F 1675 | 1400 Horizontalumfang.. . . 531,8 ar En | 560 | 500 a Sagittalumfang . . . 381,3 a ; a) Stirnbein . ... . 131,3 148 | 119 142 | 120 b) Pfeilnaht. . . . 126,3 | 133 | 114 i 132 | 120 N e) Hinterhauptsschuppe 123,7 . - 1) Ein Terp heilst in den Niederlanden ein künstlicher Erdaufwurf, der in den _ ostfriesischen Bezirken Wurth oder Wurp (Warp) genannt wird. Hr. Sasse vergleicht ! diese Aufwürfe mit den schon von Plinius beschriebenen künstlichen Erderhöhungen der Chauken. 21* 164 Vom vorderen Rand des Foramen oceip. bis Sagittale Länge a) Stirn b) Scheitel c) Hinterhaupt Gröfste Länge INonate Fontanelle. |hintere Fontanelle . [Alveolarrand des Oberkiefers Vertikaler Querumfang Grölste Breite Tuberale Parietalbreite Untere Frontalbreite Oceipitalbreite . , Mastoidealbreite. Jugalbreite Malarbreite Infraorbitalbreite Grölste Höhe Hintere Höhe Gesichtshöhe Nasenwurzel, Breite Augenhöhlen, Breite Höhe b>] Gaumen, Breite 3 Länge Vırcnaow: Beiträge zur physischen Anthropologie Mittel Maxima Minima Hm 1 15} DD 8 Pr} ww oo» ou © „ [St © Hm nn © oO m TEEN ni x ö er . der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 165 Mittel Maxima Minima Kieferwinkelabstand . . . . 103,2 Gerade Höhe der Kieferäste . 67 Hinterhauptsloch, Länge . . 36,94 | a a 4 | 35,0 & Breite; >... 81;12 [ 8 PEN 86 28,0 Bei der Berechnung der Indices hat Hr. Sasse die Mittel nicht aus der Summe der Indices, sondern aus der Summe der absoluten Zah- len berechnet, was nicht ganz richtige Werthe ergiebt. Indefs fehlen die Einzelzahlen, um eine andere Rechnung aufzustellen, und ich muls mich daher darauf beschränken, die von ihm angegebenen Indices mitzutheilen. Ich wähle daraus folgende: Mittel Maxima Minima ’ : 823,5 [ 70,1 Längenbreiten-Index * . . . 775 BL 7 82,3 | 73,7 Längenhöhen-Index . . . . 72,7 Hinterer Höhen-Index . . . 75,6 Breitenhöhen-Index . . . . 97,6 Onbitsl-Indes ud. nik united Gauman-indesi au. aurinlcs „ni; Index des Hinterhauptsloches . 84,3 Für den Längenbreiten-Index giebt er noch einige weitere Zahlen an. Es hatten einen Index unter 75,00 4 Schädel zwischen 75,00 und 77,77 > TETSANNTRIT > 80,00 „ 83,33 n - Bo oı Daraus folgert er im Sinne der Nomencelatur des Hrn. Broca, dafs der Friesenschädel grofs, subdolichocephal auf der Grenze der Me- saticephalie, hoch, in sagittaler Richtung weniger stark und an der Basis sehr breit sei. Im Sinne der in Deutschland gebräuchlichen No- menclatur wären auch nach seiner Zusammenstellung die Schädel der 166 Vırcmow: Beiträge zur physischen Anthropologie | Hauptmasse nach mesocephal, und zwar gehört eine etwas gröfsere Zahl den höheren Graden der Mesocephalie an; 4 würden wir ohne Weiteres brachycephal nennen. Hr. Sasse sucht dieses Ergebnils dadurch ab- zuschwächen, dafs er auseinandersetzt, von diesen 4 Schädeln hätten 3 einen grolsen Index wegen ihrer grofsen Breite (zweimal 152, einmal 153 Mm.) und nicht wegen ihrer Kürze, da ihre Länge zweimal 186, ein- mal 187 Mm. betrage; nur einer sei wirklich kurz (171 Mm.) und nicht zugleich breit (141 Mm.). Allein eine solche Erwägung ist nicht von entscheidender Bedeutung. Das Mittel voh 77,5 ist immer eine hohe Zahl, und zwar gerade in der Reihe, die uns hiew beschäftigt. Es ent- spricht recht gut der Mittelzahl, die ich für die Insulanerschädel der Zuiderzee gefunden hatte (S. 109). Sie würde sofort um ein Merkliches erhöht werden müssen, wenn die 3 brachycephalen Schädel des Hrn. Da- vis mit in Betracht gezogen würden. Noch weniger trifft der Schlufs des Hrn. Sasse zu, dals seine Friesenschädel „beträchtlich hoch“ seien. Ein Index von 72,7 ist an sich noch nicht als hoch anzusehen, zumal wenn ıhm ein Breitenhöhen-Index von 97,6 zur Seite steht. Die Wiesbadener Reihengräberschädel ergaben das Mittel von 73,8 für den Höhen- und von 98,9 für den Breitenhöhen- Index, und doch hielt ich mich für berechtigt, sie als relativ niedrig zu bezeichnen. Bei einer solchen Vergleichung darf man nicht übersehen, dafs die sämmtlichen Schädel von Bolsward männliche sind, dagegen unter denen von Wiesbaden die weiblichen bedeutend überwiegen. Die Mini- malzahl von 126 Mm. für das absolute Höhenmaals ist schon eine recht niedrige, aber wir erfahren leider nicht, wie viele der Schädel dieses Maals haben oder ihm nahe stehen. Möglicherweise können einzelne Schädel, deren Höhe der Maximalzahl von 147 Mm. nahe steht, die ganze Reihe beträchtlich erhöhen. Die von mir für die Zuiderzee-Schädel mit- getheilten Zahlen (S. 119—120) sind in dieser Beziehung sehr lehrreich. Zur Vergleichung bemerke ich nur noch, dafs ich für die Wiesbadener Männerschädel 141,8, für die Weiberschädel 129,6 Mm. erhielt (S. 128), dafs also ein Mittel von 136, wie es Hr. Sasse für die Bolswarder Schä- del herausrechnet, keineswegs eine beträchtliche Höhe ausdrückt. In vielen Stücken gleichen seine Schädel, soweit sich das aus der Beschreibung ersehen läfst, den Schokländer Schädeln; ich verweise namentlich auf die hintere Pe Me » a 2 FR = » 3 . r tschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 167 , Be ER ar der Deu 2 Bi : ö he und-den daraus berechneten Index (S. 107). Endlich kommt noch in Betracht, dafs die Bolswarder Schädel ungewöhnlich grofs sind. Wenn ich auch von den Maafsen des Hrn. Davis ganz absehe, so haben doch die Bestimmungen des Hrn. Sasse ergeben, dals nur em einziger seiner Schädel eine Capacität von 1280 Cub. Cent. hat, dafs aber schon der nächstkleine 1400 Cub. Cent. falst, so dals sich sämmtliche anderen Schädel zwischen 1400 und 1725 halten. Schon daraus folgt, dals sie auch eine entsprechende Höhe haben müssen. Für die Beurtheilung der letzteren verweise ich übrigens besonders auf die Maafse der Entfernungen von dem Hinterhauptsloche bis zu den Fontanellstellen (S. 102). Weiterhin bemerkt Hr. Sasse in Bezug auf die Bildung der ein- zelnen Schädeltheile, 1) dafs der Vorderkopf bei grofser Breite und mäfsiger Länge recht hoch (vrij hoog), in sagittaler Richtung stark, in horizontaler recht stark gewölbt sei. Was man nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch Vorderkopf nenne, sei sehr schmal, und der tuberale Frontaldurch- messer klein. 2) dafs der Mittelkopf wenig kürzer, als der Vorderkopf, und in sagittaler Richtung sehr wenig gekrümmt sei. Die Scheitelhöcker liegen nicht hoch, aber beträchtlich weit von einander. Der Scheitel habe eine grolse Ausdehnung und sei nach vorn zu recht stark verschmä- lert, seitlich dagegen mehr gewölbt. Die Länge der Sphenotemporal- fläche sei sehr gering, die Seitenwand des Schädels eher klein und flach gewölbt; 3) dals der Hinterkopf sehr lang, sehr breit und sehr hoch, in sagittaler Richtung sehr stark gekrümmt sei und eine lange Ober- und Unterschuppe, sowie weit auseinanderstehende Warzenfortsätze zeige; 4) dafs die Schädelbasis sehr breit, aber beträchtlich kurz sei und ein grolses, recht breites Hinterhauptsloch zeige, während die Foramina stylomastoidea in grolsem Abstande von einander stehen; 5) dafs das Gesicht lang und zwischen den stark gekrümmten Jochbogen breit, nach oben einigermafsen verschmälert und leicht pro- gnathisch sei. Die Augenhöhlen seien nicht hoch, dagegen recht breit und tief, und durch eine nicht sehr breite Nasenwurzel geschieden. Der Gaumen 168 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologie lang und weniger breit, als bei den Zeeuwen, die Choanen höher und schmäler ; 6) dafs der sehr grofse Unterkiefer eine grolse unterste Gesichts- breite umschliefse und eine sehr flache»Krümmung, ein sehr breites Kinn und Aeste zeige, die mit dem Körper des Kiefers nur einen kleinen Winkel bilden. Zum Schlusse seiner Betrachtung bespricht Hr. Sasse das Ver- hältnifs der vorderen und hinteren „Schädelßälfte“, im Anschlufs an die grölste Länge in der Horizontalstellung. Ich mache hier zunächst darauf aufmerksam, dafs diese Länge im Mittel 181,7 Mm. betrug, während die grölste Länge, aus welcher der Schädel-Index berechnet wurde, 187,2 Mm., also um 5,5 Mm. gröfser war. Berechnet man nach der von Hrn. Sasse angewendeten Methode die Indices aus den gemittelten Zahlen, so erhält man auf Grund dieser horizontalen Länge, also eines der Messungsweise des Hrn. Spengel näherstehenden Maalses, einen Längenbreiten-Index von . 80,1 Längenhöhen-Index „ . 74,8. Ich verzichte darauf, diese Zahlen zum Ausgangspunkt weiterer Betrachtungen zu machen; ich glaubte sie nur nicht verschweigen zu sollen, da sie mehr als andere darauf hindeuten, wie wünschenswerth es ist, bald eine Einigung in den Methoden der Messung herbeigeführt zu sehen. Hr. Sasse giebt nun weiter an, dals von der gesammten Hori- zontallänge von 181,7 auf die „vorderste Schädelhälfte“ 87,29, auf die „hinterste* 94,41 Mm. kommen. Setze man die Schädelbasis (Schädel- axe), deren Länge 101,6 Mm. betrug, = 100, so berechnet sich nach ihm die vordere Schädelhälfte zu 86,1, die hintere zu 92,9 pCt.; setze man die Länge der vorderen Hälfte selbst = 100, so beträgt die Länge der hinteren Hälfte 108,2. In ähnlicher Weise ergiebt der Horizontalumfang in seiner vorderen Hälfte 248,4, ın der hinteren 283 Mm.; von dem Sagittalbogen (Nasenwurzel bis Protuberantia oceipitalis) fallen 39,7 pOt. auf das Stirnbein. Es geht daraus die trotz der beträchtlichen Grölse des Stirnbeins verhältnilsmälsig starke Entwickelung des Hinterhaupts hervor. Aehnliches habe ich für die Zuiderzee-Schädel nachgewiesen. Bei diesen betrug die Länge der Schädelbasis, vom Gehörloche aus ge- „r ‚ Mitte 2 01, vom rheknapieluchiehen Bu gemessen, AR SER BR den Männern 100,1, und ich erhielt i in Procenten der Ge- > a us). 51 ‚7. Nach den Zahlen des Hrn. Sasse berechnet sich für letzteres Verhältnifs 48,0. Die Zahlen für die hintere Abtheilung des Schädels, Er 3 welehe ich (S. 118) gegeben habe, sind mit denen des Hrn. Sasse nicht SR direkt vergleichbar, da mein Maals für die Länge des Hinterkopfes die Er gerade Entfernung der Hinterhauptswölbung vom hinteren Rande des Br; _ Hinterhauptsloches ausdrückt; um eine annähernde Parallele zu haben, e _ mufs ihm noch die Länge des Hinterhauptsloches zugerechnet werden. j Ich erhalte dann als horizontalen Abstand der Hinterhauptswölbung von dem vorderen Rande des Hinterhauptsloches für die 5 Schädel des Mu- - seums Vrolik im Mittel 102 (65 + 37) Mm.; daraus berechnen sich für die hintere Schädelhälfte 55,3 pCt. der Gesammtlänge, während die Zah- len des Hın. Sasse 51,9 ergeben. Die seinigen sind an sich richtiger, da von ihm auch die Maalse für die Länge des vorderen und hinteren Schädelabschnittes in der Horizontalen genommen worden sind, während die meinigen für den vorderen Schädelabschnitt der etwas aufgerichteten M Stellung der Nasobasilarlinie folgen. Immerhin ist die Differenz mälsig. 2) Schädel aus dem Östergau. - Vor etwa drei Jahren erhielt ich durch die freundliche Vermitte- Jung des Hrn. J. Rosenstein, damaligen Professors der medieinischen Klinik in Groeningen, 6 Schädel aus dem Dorfe Warga, eine Stunde von Leeuwarden entfernt. Davon kamen 4, leider ohne Unterkiefer, aus einem Grabkeller, in welchem die betreffenden Individuen laut Nachweis im Jahre 1500 beigesetzt waren. Die zwei anderen, mit Unterkiefern versehenen, hatte man aus Gräbern, die etwa 60 Jahre alt waren, ent- nommen. Sonderbarerweise überwiegen auch hier wiederum die weib- lichen Schädel, denn 4 von den 6 gehören diesem Geschlechte zu, und zwar 3 aus der älteren, 1 aus der jüngeren Abtheilung. Glücklicher- weise gehört von den beiden männlichen Schädeln je einer zu jeder Gruppe, so dafs eine gewisse Vergleichung möglich ist. & Phys. Kl. 1876. 22 tn Pe J 170 VırcHow: Beiträge zur physischen Anthropologie Im Ganzen bieten sämmtliche Schädel so viele übereinstimmende Merkmale dar, dafs ich kein Bedenken trage, Mittelzahlen aus ihnen ab- zuleiten. Nichtsdestoweniger werde ich. sie auch getrennt beschreiben, zumal da einzelne so erhebliche individuelle Variationen zeigen, dals es ein grolses Interesse hat, diese Variationen kennen zu lernen. Eine all- gemeine Zusammenstellung der Maafse werde ich am Schlusse geben. \ A. Die Schädel aus dem Grabkeller: a) Männlicher Schädel Nr. I. Sehr kräftiger und fester Schädel, der gröfste unter den Warga- Schädeln. Seine Capacität beträgt 1450 Cub. Cent.; sein grölster Hori- zontalumfang milst 539, der vertikale Querumfang 322 Mm. Keiner der anderen Schädel erreicht diese Maafse. Das Verhältnifs von Längs- und Querumfang ist —= 100 : 59,7, also verhältnifsmäfsig hoch. Da die Zähne stark abgerieben und selbst bei den Schneide- und Eekzähnen die verkalkte Pulpa blofsgelegt ist, ferner ausgedehnte Syn- ostosen am Schädeldach sich finden, so kann man auf ein höheres Le- bensalter des Mannes schliefsen. Die Hauptindices ergeben folgende Zahlen: Längenbreiten-Index.. . 75,5 Längenhöhen-Index . . 70,3 Breitenhöhen-Index . . 95,1 Aurieularhöhen-Index . 63,0 Orbital-Index,.. . ....,. 8944 Nasen-Index „2 ......2 521.0 Der Schädel ist also mesocephal und leptorrhin; zugleich steht er innerhalb der Chamaecepalie, und ist ungewöhnlich orthognath, fast opisthognath. In der Seitenansicht hat derselbe eine längliche, niedrige Gestalt; die Scheitelhöhe liest gerade an der vorderen Fontanellstelle. Die Stirn ist etwas schräg und niedrig, bis zur Umbeugungsstelle der Vorderfläche nach hinten 35 Mm. hoch. Die Scheiteleurve ist gestreckt. Das Hinter- Die Spitze der Se sn an dem Ve Lambdawinkel vor- nd. Die Facies muscularis fast horizontal. Die Plana temporalia hoch; ihre oberen Begrenzungslinien nähern sich ‚hinter der Kranznaht bis auf 130 Mm., kreuzen die Scheitelhöcker url R und erreichen die Lambdanaht. Die Sphenoparietal- und Sphenofrontal- 6. naht sind synostotisch, die Stirnschläfenwölbung voll, die Schläfenschuppe ES kurz, vorne hoch, im Ganzen fast dreieckig, mit tiefem Angulus mastoideus. Tiefe quere Einbuchtung dicht über dem Ansatz des Processus zygomati- VE _ eus. Am linken Wangenbein eine scharf abgesetzte Tuberositas tem- Bi poralis; das rechte Wangenbein fehlt. 5 In der Scheitelansicht sieht man den hinteren Theil der Pfeilnaht _ verwachsen und die parietalen Emissarien fehlen. Stirn- und Scheitel- höcker mälsig ausgebildet. Jochbogen wenig vortretend. Mi .Die Hinteransicht zeigt die kräftigste Bildung.- Der Schädel er- scheint ziemlich hoch, das Dach gewölbt, die Seitentheile und auch die Basis ziemlich gerade, die Lambdanaht stark zackig, der Lambdawinkel grofs. Die Basis im Ganzen etwas kurz und sehr breit. Starke Warzen- und Griffelfortsätze. Die Umgebung des Foramen magnum oceipitale liegt etwas tief. Die Fossa condyloidea posterior mit dem zugehörigen Loche fehlt beiderseits; rechts ist sie ganz ausgefüllt. Flügelfortsätze des Keilbeins hoch und mit grolsen Laminae externae. Tiefe Gelenk- - gruben für den Unterkiefer. Das Gesicht kräftig, aber schmal. Die Augenhöhlen tief, verhält- nilsmäfsig hoch und von rundlich viereckiger Form. Die Supraorbital- ränder glatt und wenig vortretend. Die Oberfläche des Stirnfortsatzes vom Stirnbein leicht hyperostotisch. Die Nase sehr stark vorspringend und schmal, die Nasofrontalnaht mit einer hohen Curve in den Nasen- fortsatz des Stirnbeins eingreifend, der Rücken ganz wenig eingebogen und gerundet, die Nasenbeine zum Theil synostotisch. Der Oberkiefer hoch, die Fossae caninae mäfsig vertieft, der Alveolarfortsatz hoch (24 M.) und massig. Die ungemein geraden, fast convergirend gegen die Gaumen- fläche gerichteten Zähne sind stark und in einer fast geraden Ebene ab- gerieben, so dafs selbst bei den Schneide- und Eekzähnen die Pulpa 22* re 172 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologie blofsgelegt ist. Der harte Gaumen liegt sehr tief; er hat eine Länge von 43, eine Breite von 36 Mm. und erscheint, ähnlich wie bei dem Marker Schädel Nr. 15 (8. 67) und dem Urker Schädel Nr. 17 (8. 83), lang, mit fast paralleler Richtung der Seitentheile. b) Der weibliche Schädel Nr. IV. ‘ Ein etwas defekter Schädel, dem aulser dem Unterkiefer der gröfste Theil der rechten Gesichtshälfte fehlt. Die Zähne sind sämmtlich verloren, jedoch sind sämmtliche Zahnhöhlen ausgebildet, auch die der Weisheitszähne. Die Synehondrosis sphenooceipitalis ist vollständig geschlossen. Das be- treffende Individuum muls also über die Pubertätszeit hinaus gewesen sein. Der Form nach steht der Schädel dem folgenden, Nr. V, am nächsten. Die Capaecität ist mälsig: 1305 Cub. Centim. Der Horizontalum- fang, 508 Mm., und der vertikale Querumfang, 303 Mm., sind nicht klein; sie stehen zu einander in dem Verhältnifs von 100 : 59,6, was den Ver- hältnissen der Zuiderzee-Schädel entspricht. Die Hauptindices haben fol- gende Maalse: Längenbreiten-Index . . 83,0 Längenhöhen-Index . . 72,0 Breitenhöhen-Index . . 86,7 Aurieularhöhen-Index . 693,2 Orbital-Index . . : - . 90,0 NasenIndex 7! 74 . 5: 402 Der Schädel, übrigens etwas schief, ist demnach brachycephal, ziemlich niedrig, jedoch an der oberen Grenze der Ohamaecephalie, und ebenso an der oberen Grenze der Leptorrhinie. In der Gesammt- erscheinung zeigt er sich als ein verhältnifsmälsig niedriger und zugleich platter Schädel mit grofsem Hinterkopf, stark vorspringender Nase und leicht vortretendem Alveolarfortsatz. Jedoch ist seine Form in der Ober- ansicht bei der verhältnifsmäfsig geringen Länge von 177 Mm. und der schwachen Entwickelung der Tubera eine länglich gerundete. Die Plana temporalia sind niedrig, die Protuberantia oceipitalis kaum angedeutet. Die Squama oceipitalis ist sehr gleichmäfsig gewölbt; ihre stärkste Pro- minenz liegt oberhalb der Linea semicircularis superior. Die seitlichen d nahezu synostotisch, Be trotzdem ar Schla- bre Bier 2% Bralladaht In der Hinteransicht erscheint der Schädel sehr breit und voll. BD; as, kant ist mäfsig hoch, das Dach flach gewölbt, die Seiten und die Basis eher platt, die rechte Seite etwas stärker ausgelegt. An der Basis ist die Apophysis basilaris sehr platt und breit. Die Foramina ‚eondyloidea posteriora fehlen. Die Flügelfortsätze niedrig. Kiefergelenk- A Be er gruben schmal und tief. N “a > ’ In der Vorderansicht macht sowohl der eigentliche Schädel, als R auch das Gesicht den Eindruck grolser Niedrigkeit. Die Stirn ist breit und flach, die Supereiliarwülste wenig ausgebildet und glatt, jedoch der - Nasenfortsatz voll. Orbitae mehr breit. Jochbogen sehr wenig abstehend; ER links eine Tuberositas temporalis des Wangenbeins. Die stark vor- _ springende Nase etwas breiter; die Nasofrontalnaht aufwärts winklig in ‚den Nasenfortsatz eingreifend. Alveolarfortsatz niedrig. Harter Gaumen Ekürz und breit, 41 Mm. lang und 56 Mm. breit. u, c) Der weibliche Schädel Nr. V. 2 Ein mehrfach defekter Schädel einer älteren Frau. Am linken _ Umfange des Hinterkopfes und an der rechten Schläfenschuppe sind Löcher, die offenbar erst bei der Herausnahme entstanden sind. Die “ Zähne fehlen und die Alveolen der hinteren Backzähne sind ganz obli- terirt. Zahlreiche Synostosen von Nähten des Schädeldaches: so sind links _ der untere Theil der Kranznaht, die Sphenoparietal- und zum Theil auch _ die Sphenofrontal-, rechts nur der untere Theil der Kranznaht verwachsen. E- Die Capacität von 1310 Cub. Cent. (nach Verschlufs der Löcher gemessen) ist ganz entsprechend. Der (nicht ganz sicher zu bestimmende) arrenteluming von 498 Mm. und der Querumfang von 297 Mm. sind gering, dagegen entspricht ihr Verhältnis von 59,6 pCt. genau dem des Schädels Nr. IV. Die Indices sind: Längenbreiten-Index . 80,5 Längenhöhen-Innex . 75,4 Breitenhöhen-Index . 93,6 174 Vırcuow: Beiträge zur physischen Anthropologie Auricularhöhen-Index . 62,8 Orbital-Inde& tr EI Nasen-Index". Mr Darnach ist der Schädel mäfsig brachycephal, von erheblicher Höhe und leptorrhin. Unter den Zuiderzee-Schädeln steht am nächsten der Urker Nr. 273 aus dem Museum Blumenbach (S. 96—97). Auffallend genug ist dabei die im Verhältnifs geringe Auricularhöhe. In der Gesammterscheinung macht dieser Schädel den Eindruck einer breiten, im Ganzen niedrigen Form, jedoch mit hohem, grolsem und breitem Hinterhaupt, zugleich mit sehr stark vorspringender, schmaler (Adler-) Nase und schwachem Prognathismus des niedrigen Alveolarfort- satzes. Die Scheitelhöhe liest an der Fontanellgegend. Die Tubera sind schwach, die frontalıa etwas stärker. Superciliarbogen nur mälsig vor- tretend und niedrig, dagegen der Nasenfortsatz dick und die Glabella tief. Stirn schräg und niedrig, vorn nur 35 Mm. hoch. Der Schläfen- theil des Stirnbeins etwas mehr vorgewölbt, die Alae temporales des Keilbeins stark eingebogen. Die im Ganzen schwer erkennbaren Plana temporalia nähern sich mit ihren oberen Grenzlinien bis auf 122 Mm. In der Hinteransicht sieht der Schädel breit und hoch aus. Die stark gerundete Squama oceipitalis hat ihre gröfste Prominenz oberhalb der Protuberantia. Facies muscularis fast horizontal. Das grofse Hinter- hauptsloch ist kurz und hat sehr stark vorspringende, weit nach vorn gerückte, ungleiche, kurze Gelenkhöcker, von denen der linke breiter und mehr gewölbt ist, auch tiefer steht, als der flachere, in seinem hin- teren Theile mehr nach aufsen gerichtete und durch eine Spur der alten Knorpelfuge gefurchte rechte. Starke Warzen- und Griffelfortsätze. Das Gesicht ist niedrig, Jochbogen und Oberkiefer schmal, die Augenhöhlen ungemein hoch und verhältnifsmäfsig schmal. Die Nase ist schon von oben her sehr schmal, denn sie mifst im geraden Querdurch- messer der knöchernen Nase oben nur 9, etwas tiefer sogar nur 8 und erst am Rande der Apertur 16 Mm. Der harte Gaumen hat 45 Mm. m der Länge und 35 in der Breite. Aälrgire sehr Aline Schädel mit ganz ee aller x: Ehen und fast gänzlich geschwundenen Alveolarfortsätzen, und j ar En höchst auffälliger Bildung. Wie schon erwähnt, ist ihm Nr. V, : De nächstdem Nr. IV am meisten ähnlich !). ra pie Er ist unter allen Warga-Schädeln der kleinste: sein Raum falst 3 DE For 1205 Cub. Cent. Sein Horizontalumfang beträgt freilich noch 499 Mm. “ _ und dem entsprechend seine Länge 175 Mm., wie bei Nr. V., dagegen ist s % _ der vertikale Querumfang mit 282 Mm. der kleinste, unter den Warga- 2 N ; Schädeln ermittelte, und ebenso die gröfste Breite mit 137 und die gröfste > Be: Höhe mit 120 Mm. Das Verhältnils von Horizontalumfang zu Querum- ei AP ang (100 : 56,5) ist daher dasselbe, wie bei dem Schädel der Markerin Nr. 16, mit dem auch der Längenbreiten-Index stimmt (S. 68). In Bezug _ auf die Höhenverhältnisse steht er zwischen diesem Schädel und dem Urker Nr. 18 (S. 84). Die Indices lauten: Längenbreiten-Index . 78,2 Längenhöhen-Index . 68,5 Breitenhöhen-Index . 87,5 ? Auricularhöhen-Index . 57,7 F Orbital-Index .. „...........106,6 Nasen-Index’. '. _ ”.. 43,8 Er ist demnach mesochamaecephal und leptorrhin, und steht ganz zu den Zuiderzee-Schädeln. Nur durch die ungemeine Höhe der Er Augenhöhlen entfernt er sich von der ganzen Gruppe (S. 141), indels steht er in dieser Beziehung auch unter den Warga-Schädeln einzig da. Nur Nr. V kömmt ihm nahe. In der Seitenansicht erscheint die Scheiteleurve überaus niedrig und in ihrem oberen Theile fast geradlinig. Die Scheitelhöhe liegt an ‚ der vorderen Fontanellstelle, eher etwas davor. Ganz überwiegend ist die occipitale Entwickelung, obwohl die Muskelinsertionen schwach sind _ und die Protuberanz gänzlich fehlt. Die stärkste Oceipitalwölbung liegt 1) Eine seitliche und eine vordere Abbildung dieses Schädels habe ich in den E Verhandlungen der Berliner anthropologischen Gesellschaft. 1874, Taf. XVII. Fig. II a und b. veröffentlicht. br | B F} 176 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthro ‚pologie am oberen Theil der Oberschuppe. Die extrem niedrige Stirn, deren vordere Höhe nur 29 Mm. beträgt, geht schon von den Tubera an in das fast ebene Schädeldach über. Dabei ist die Glabella voll und der Nasen- fortsatz geht tief herab. Keine Spur von Stirnwülsten. Die Plana temporalia sind sehr stark entwickelt. Sie nähern sich einander hinter der Kranznaht bis auf 105 Mm. Flächenabstand, überschreiten mit ihren oberen Linien die Scheitelhöcker und erreichen die Lambdanaht. Die Schläfengegenden selbst sind unregelmäfsig. Auf der rechten Seite unterbricht ein Fontanellknochen von 8 Mm. Höhe und 13 Mm. Länge die Verbindung zwischen Ala temporalis und Angulus parietalis; letzterer ist ganz kurz und die Ala tief eingebogen, jedoch nicht auffällig verkleinert, dagegen ist die Schläfenschuppe sowohl niedrig, als kurz. Sie milst 64 Mm. in der Länge und 36 in der Höhe. Der Schläfentheil des Stirnbeins ist dafür voller gewölbt. Auf der linken Seite sind die Nahtverhältnisse etwas undeutlich, indels ist auch hier der Angulus parietalis sehr kurz und die sehr stark eingebogene Ala greift mit einer schräg vorspringenden schmalen Spitze weit nach hinten. Trotz- dem ist die Schläfenschuppe 68 Mm. lang und 40 hoch. Jederseits zeigt sie über dem Ansatze des Processus zygomaticus einen schräg ovalen, Hachen Eindruck, der links stärker ist. In der Oberansicht sieht man die Tubera mälsig entwickelt, daher den Schädeleontour lang oval und nach hinten verbreitert. Die Emissaria parietalia von minimaler Kleinheit; zwischen ihnen die Pfeilnaht einfach und im Ganzen in ihrem hinteren Abschnitte vertieft liegend. Von hinten her erscheint der Schädel sehr niedrig, mit breitem Dach, niedrigen, etwas schrägen Seitentheilen und schmaler, fast gerader Basis. Das Hinterhaupt ist fast ohne alle Muskellinien, dagegen sind die Cerebellarwölbungen an der Unterschuppe sehr deutlich. Das Foramen oceipitale lang (36 Mm.), aber zugleich extrem schmal (26 Mm.). An seinem hinteren Umfange liegen vorspringende Knochenspitzen. Die Ge- lenkhöcker sind weit nach vorn gestellt, grols und stark gebogen; der rechte zeigt eine getheilte Gelenkfläche, wie der Urker Schädel Nr. 18 (S. 86) und der Warga-Schädel Nr. V (8. 176). Kräftige Warzen-, grolse Griffel- und Flügelfortsätze. Auffällig grofse Foramina spinosa. Aeufsere Gehörgänge von vornher zusammengedrückt. ray ra auf. Ihr unterer berderkinbeih von 85,5 Mm. ist der kleinste: unter allen Zuiderzee- und Warga-Schädeln. Auch die Jochbogen 4 ea ganz flach angelegt und die Wangenbeine zart. Dazu kommt die schon erwähnte, ganz ungewöhnliche Höhe der Augenhöhlen und die Sehmalheit der stark vorspringenden, am Rücken etwas eingebogenen Nase. Die Nasofrontalnaht springt gekrümmt in den weit herabreichen- En Nasenfortsatz des Stirnbeins ein, der Ansatz der Nasenbeine selbst ist jedoch so weit vorgerückt, dals der Anfang des Nasenrückens mit der Fläche des Nasenfortsatzes vom Stirnbein in einer Ebene liegt. Die j geraden Querdurchmesser der knöchernen Nase betragen oben am Ansatz 10, etwas tiefer 8, an der Apertur 13 Mm. Die atrophischen Zahnränder des Oberkiefers haben fast parallele Seitentheile und der Gaumen erscheint daher mehr länglich. Er ist 36 Mm. lang und 35 breit. B. Die jüngeren Gräberschädel. a) Der männliche Schädel Nr. Il. Dieser, übrigens sehr gut erhaltene und feste, auch seinem Aus- sehen nach frischere Schädel hat nach seiner Gröfse und der Stärke der Muskelinsertionen einem kräftigen Individuum angehört. Die Zähne, namentlich im Unterkiefer, sind ganz tief abgeschliffen. Für einen männlichen Schädel ist die Capacität von 1270 Cub. Cent. auffällig klein. Auch ist das Ergebnils der Messung in hohem Grade überraschend, da die äufsere Erscheinung auf einen viel gröfseren Rauminhalt hinweist. Allerdings steht dem verhältnifsmäfsig grolsen Horizontalumfang von 515 Mm. ein vertikaler Querumfang von nur 304 Mm. gegenüber, was ein Verhältnifs von 100:59 ergiebt, ähn- lich wie es die Weiberschädel Nr. IV und V. darbieten. Die Indices sind folgende: Längenbreiten-Index . . 77,7 Längenhöhen-Index . . 67,8 Breitenhöhen-Index . . 872 Phys. Kl. 1876. ara 178 Vırcuow: Beiträge zur physischen Anthropologie Auricularhöhen-Index . 60,7 Orbital-Index . . . . 880 Nasen-Indexrun Mi. 2 "4818 Dies ergiebt eine mesochamaecephale, leptorrhine Form, wie sie am meisten annähernd der Weiberschädel Nr. VI, der Marker Schädel Nr. 15 (S. 64) und die Urker Nr. 18 (S. 84) zeigten. Von be- sonderem Interesse ist es, dafs gleichzeitig, wie bei dem Schädel der Markerin Nr. 16 (S. 69), auch eine progenaeische Bildung des Unter- kiefers besteht. Der im Ganzen langgestreckte Schädel erscheint trotz seiner Länge von 182 Mm. höher, als man nach dem Maalse von 123,5 für die ganze Höhe erwarten sollte. Die Stirn, obgleich verhältnilsmälsig voll, ist doch nach vorn hin niedrig; ihre Vorderfläche hat eine Höhe von nur 32 Mm. und erst gegen die alte Fontanellgegend hin findet sich, als Zeichen einer frühen Störung, eine starke Hervorwölbung der Mitte, welche) sich noch eine kurze Strecke auf die Parietalia fortsetzt. Dem entsprechend liegt er der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 179 _ die Höhe der Scheiteleurve dicht vor der Kranznaht und die Scheitel- _ eurve fällt sehr langsam zum Hinterhaupt ab. Die Oberschuppe des letzteren tritt an der Lambdanaht etwas vor, und ist im Uebrigen voll gerundet; die sehr weit unter der eigentlichen Prominenz sitzende Pro- tuberantia oceipitalis ist ziemlich kräftig und die von Muskellinien viel- fach durchzeichnete Facies muscularis liegt fast horizontal. Die Plana temporalia sind sehr grofs und in ihrem frontalen und parietalen Abschnitte voll; ihre oberen Grenzlinien nähern sich hinter der Kranznaht bis auf 115 Mm., überschreiten die Scheitelhöcker und erreichen die Lambdanaht. Der untere seitliche Theil der Kranznaht inrrerhalb der Plana, besonders rechts, ist fast ganz verwachsen. Am hinteren Rande des Stirnfortsatzes vom Wangenbein tritt jederseits eine stark abgesetzte Tuberositas temporalis hervor. Auch bildet der Jochfortsatz des Stirnbeins jederseits dieht über der Sutura zygomatico- frontalis als Endpunkt der Linea semicireularıs einen starken Vor- sprung. Die Jochbogen selbst stehen wenig ab und sind kurz. Dage- gen sind die Wangenbeine sehr kräftig und ihre vordere Fläche ist durch eine unregelmälsige (Querleiste in hohem Maalse uneben. Die Bildung der Schläfengruben ist ungleich. Es beträgt nehmlich rechts links die Länge der Sphenoparietalnaht . 15 17 die Breite der Ala temporalis . . . 20 28 die Länge der Squama temporalis . 62 64 die Höhe der f . 1 33 Dabei ist überdiels die geringe Höhe und die sehr platte Beschaf- fenheit der Schläfenschuppen auffällig. Als Compensation erscheint auch hier eine stärkere Verbreiterung der vorderen Schläfengegend, abhängig von einer beträchtlichen Vorwölbung der Schläfentheile des Stirnbeins, die am stärksten in der Gegend der verwachsenen Kranznaht ist. Letztere Verwachsung muls also erst später eingetreten sein. In der Oberansicht sieht man die Pfeilnaht zwischen den sehr engen und einander sehr genäherten Emissaria parietalia zum Theil ver- wachsen, während der vordere Abschnitt derselben, gleichwie der fonti- euläre Abschnitt der Kranznaht, sehr einfach ist. Die vordere Hälfte des Schädels ist breiter und voller, die hintere schmäler. 23% Er 180 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologie In der Hinteransicht erscheint der Schädel eher niedrig, mit plat- ten Seiten und fast gerader Basis, jedoch mit höher gewölbtem Dach. Die Lambdanaht stärker gezackt. Die Linea nuchae superior ungemein dick und vortretend. Die Umgebung des Foramen occipitale ist stark eingesenkt gegen den Schädelraum, namentlich bilden die Fossae condy- loideae posteriores ganz tiefe Einschnitte. Das Loch selbst ist klein und nach hinten stärker gerundet. Die Gelenkflächen der sehr kräftigen, weit nach vorn stehenden und gegen das Loch einspringenden Coronae sind fast eben und kurz. Die Apophysis basilariıs sehr höckerig. Warzen- und Griffelfortsätze grols und knochig. Hohe Flügelfortsätze mit dicken Laminae externae. Grolse und tiefe Ohrlöcher. In der Vorderansicht zeigt die verhältnifsmälsig schmale Stirnfläche stark entwickelte Superciliarbogen, die in einen kräftigen Nasenwulst zu- sammenflielsen. Grofse Ineisurae supraorbitales. Die tiefen Augenhöhlen, von etwas breiter, oval eckiger Gestalt, haben stark vorspringende Rän- der. Die sehr weit hervortretende Nase ist ungemein schmal, zumal an ihrem Ansatz: die geraden Querdurchmesser des knöchernen Theils sind oben am Ansatz 5,5, tiefer herunter 6, an der Apertur 15 Mm., während die Stirnfortsätze des Oberkiefers sehr breit (jederseits 11 Mm.) sind. Die sehr kurze Nasofrontalnaht springt nach oben nur wenig ein. Der Nasenrücken ist schwach eingebogen. Die Spina nasalıs anterior inferior ungewöhnlich grofs und doppelt. Die Fossae caninae tief und die Tu- berositas malaris kräftig. Alveolarfortsatz sehr niedrig (14 Mm.), im grölsten Gegensatze zu dem Schädel Nr. I, bei welchem dieser Fortsatz 24 Mm. hoch ist. Die Zähne etwas unregelmäfsig, zum Theil defekt, über die des Unterkieters übergreifend. Palatum durum etwas kurz und die Zahneurve nach hinten leicht zusammengehend: Länge 44, Breite 38 Mm. Der Umfang des Zahnrandes beträgt 137 Mm. Besonders auffällig ist, wie schon erwähnt, der Unterkiefer mit dem ganz schräg vorspringenden Kinn. Letzteres, welches übrigens in der Vorderansicht eine dreieckige Gestalt darbietet, erscheint im Profil als direkte Fortsetzung einer, von der Nasenwurzel über die Unterkiefer- zähne gelegten, schrägen Linie, welche auch an der gleichfalls promi- nenten Medianfläche des Unterkiefers ohne Einsenkung an der wirklichen Oberfläche hinläuft. Der Unterkiefer ist sehr kräftig; sein unterer Umfang 2 4, mu = BER, rt 97 Mm Be ie Aeste sind verhältnifsmäfsig. ER FERIEN j ihre rfeizonäels Breite beträgt nur 29 Mm. Der Gelenkfortsatz hoch, "der Kronenfortsatz schwach und niedrig, so dafs er kaum den Jochbogenrand erreicht, die Incisur kurz. Die Kieferwinkel etwas nach innen gerichtet. Die Schneide- und Eckzähne des Unterkiefers lang und horizontal geriftt. x . b) Der weibliche Schädel Nr. III. Dieser, bis auf ein Paar kleiner Löcher an der Schläfe gleichfalls recht gut erhaltene, jedoch weniger frisch aussehende, an der Stirn durch eine grüne Metallfärbung ausgezeichnete Schädel ist im Ganzen _ zart. Die Zähne sind fast gar nicht abgeschliffen, jedoch die Weisheit- zähne vollständig herausgetreten. Es ist offenbar ein noch jugendliches, jedoch ausgewachsenes Individuum gewesen. Die Capacität von 1360 Cub. Cent. ist gleich der der Urkerin Nr. 17 und recht ausgiebig. Der Horizontalumfang von 507 Mm. verhält sich zu‘ dem Querumfang von 312 Mm. —= 100: 61,5: es ist also der ö letztere relativ grofs. Trotzdem ist dies mehr der Breite, als der Höhe zuzurechnen, denn die Indices betragen: der Längenbreiten-Index . 81,7 der Längenhöhen-Index . 69,1 der Breitenhöhen-Index . 84,6 der Auricularhöhen-Index . 64,0 der Orbital-Index . . . 79,2 der Nasen-Index. . . . 45,6 Der Schädel ist demnach brachychamaecephal und leptor- rhin. Ganz besonders charakteristisch für ihn ist der niedrige Breiten- höhen-Index, der niedrigste der ganzen Gruppe der Warga-Schädel. Im Vergleich zu dem männlichen Schädel Nr. Il. ist er besonders geeignet, die sexuellen Unterschiede zu zeigen. Nirgends treten diese stärker her- vor, als in der Kieferbildung: der Schädel Nr. III ist nicht progenaeisch, vielmehr auffällig prognath. Damit hängt offenbar der I RE =‘ 182 verschiedene Zustand anderer Gesichtstheile, namentlich der Nase und der Augenhöhlen zusammen. Bei der Einzelbetrachtung sieht man in der Norma verticalis einen breit-ovalen Contour, an dem namentlich die Stirn sehr voll hervortritt, der kurze Mittelkopf am stärksten sich ausbuchtet, jedoch auch das Hinterhaupt eine breite kuglise Wölbung darbietet. All& muskulösen und sonstigen bezeichnenden Knochenlinien sind schwach entwickelt: die Super- ciliarbogen fehlen, die Tubera treten wenig hervor, die Protuberanz am Hinterhaupt ist nicht vorhanden, die Jochbogen sind fast gerade. Da andererseits die Glabella voll, die Schläfentheile des Stirnbeins weit aus- gelegt, die Muskelfläche der Squama ocecipitalis inferior gewölbt und fast ohne Zeichnung durch Muskelinsertionen ist, so runden sich überall die Formen recht auffällig ab. Die Nähte sind dem entsprechend mälsig gezackt. Die parietalen Emissarien fehlen. In der Norma temporalis wird der Eindruck beherrscht durch die bei aller Kürze vorwiesende Höhe. Diese erscheint weit beträchtlicher, als sie in Wirklichkeit ist, weil in viel höherem Maafse der Breitenhöhen- Index, als der Längenhöhen-Index klein ist. Der auriculare Höhen-Index ist sogar grölser, als in irgend einem der anderen Warga-Schädel. Die gerade Scheitelhöhe liegt einen Fingerbreit hinter der Kranznaht. Die Plana temporalia nähern sich in dieser Gegend nur bis auf 125 Mm. Flächenabstand, und obwohl sie die Scheitelhöcker kreuzen, so erreichen sie die Lambdanaht nicht. Die unteren Schläfengegenden sind kurz und die Alae tief eingebogen, namentlich auf der rechten Seite, an der ein gewisses Maals von Stenokrotaphie vorhanden ist. Eine Zusammenstel- lung der Melsergebnisse macht dies leicht ersichtlich: rechts , links Länge der Sphenoparietalnahtt . . 95 iß, Breite der Ala temporalis . . . . 22 19 Länge der Squama temporalis . . 66 67 Höhe „ h 5 SE re 40 Dafür findet sich an der Schläfenfläche des Stirnbeins eine mälsige Compensation in stärkerer Wölbung. Auch zeigt das Wangenbein der linken Seite eine deutliche Tuberositas temporalis. In der Hinteransicht ist der Schädel breit und niedrig, das Dach flachrundlich gewölbt, die Seiten voll. Lambdawinkel grofs, Naht zackige. In der Unteransicht erscheint das Hinterhaupt kurz und breit, die War- zenfortsätze schwach, das Hinterhauptsloch breit, die Gelenkhöcker kurz und flach gewölbt, das Foramen condyloideum posterius sinistrum fehlend. Die Flügelfortsätze des Keilbeins hoch, aber mit sehr kleinen Laminae externae versehen. Die äufseren Gehörgänge von vornher abgeplattet. Grolse Foramina spinosa. In der Norma frontalis walten durchweg die Querdurchmesser vor, während sowohl das Ganze, als namentlich Ober- und Unterkiefer unge- mein niedrig ist. Die Augenhöhlen sind so niedrig, gleichsam von oben her zusammengedrückt, dafs der Schädel den niedrigsten Orbital-Index unter allen Warga-Schädeln darbietet und in der Gesichtsbildung als höchst auffällig erscheint. Bei der Zartheit aller Gesichtsknochen ist der glatte Zustand der Orbitalränder natürlich. Die Nase ist schmal, aber noch viel mehr kurz, kürzer als bei irgend einem der anderen Schädel: ihre Höhe beträgt nur 46 Mm., während die gerade Breite des knöcher- nen Theils am Ansatze 11, etwas tiefer 9 und an der Apertur sogar 14 Mm. erreicht. . Daher tritt die Nase, obwohl ihr Rücken gleich unter dem Ansatze tief eingebogen und doch scharf ist, nur wenig im Profil 184 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologie hervor; ja sie erinnert einigermalsen an die früher !) von mir beschriebene katarrhine Form. Der niedrige Alveolarfortsatz ist sowohl am Öber- als am Unter- kiefer so stark vorgeschoben, dals die vorderen Zähne schräg gegen ein- ander gestellt sind und negerartig vorspringen. Im Öberkiefer sind sowohl Schneide- und Eck-, als Backzähne sehr kräftig und namentlich erstere breit; im Unterkiefer dagegen sind die Schneidezähne schmäler, aber doch ungleich gröfser als gewöhnlich. Der harte Gaumen ist, wie bei Nr. I, mehr gestreckt mit geraden Seiten; seine Länge milst 51, die Breite 34 Mm. Man sieht an ihm Reste der Sutura intermaxillaris. Der Unterkiefer ist im Ganzen niedrig und klein, das Kinn zurück- tretend und der Kinnwinkel leicht ausgerundet. Die Aeste sind niedrig und breit (31 Mm.); namentlich auffällig ist die spitze und niedrige Be- schaffenheit des durch eine flache grofse Incisur vom Gelenkfortsatze ge- schiedenen Processus coronoides. Seine Spitze ist fast unter dem Joch- bogen sichtbar, dagegen schieben sich die hinteren Backzähne tief hinter seinen vorderen Rand, und es entsteht dem entsprechend innen ein starker Wulst. Wenn wir nunmehr ein Gesammtbild von dem Verhalten der Warga-Schädel aufzustellen versuchen, so darf dabei die Besorgnifs nicht hinderlich sein, dafs incongruente Dinge zusammengeworfen würden. Die Mittel der Indices für die Schädel aus dem Grabkeller des 15. Jahrhun- derts sind in den Hauptzahlen nicht verschieden von denen der Schädel des 18. Jahrhynderts, wie aus der nachfolgenden Zusammenstellung erhellen wird, wenngleich die kleine Zahl der letzteren das Mittel als ein einiger- malsen zufälliges erscheinen lälst. In der weiteren Auseinandersetzung werde ich daher von einer Scheidung der beiden Gruppen absehen; es scheint mir, dafs die Bevölkerung des Dorfes Warga im Laufe von 3 Jahrhunderten keine wesentliche Veränderung ihrer craniologischen Eigenschaften erlitten hat, und schon aus diesem 1) Denkschriften der Akademie 1875. S. 115. u u ne Fon TE de aan der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 185 Grohe bin ich geneigt, die Gesammtmittel in höherem Grade als typische Beispiele für die friesische Landbevölkerung anzusehen. Aus den schon mitgetheilten Einzelbeschreibungen ziehe ich nun zunächst die Haupt- Indices aus: | | | | | Horizon- | Länge: | Länge: | Breite: Länge: | Orbital- | Nasal- |talumfang: Breite Höhe Höhe Ohrhöhe | Index Index | Querum- | | | fang OT nn Nee ;3 7038| 931 63,0 | 85,7 4,0| 59,7 1} I | A EL #1 72,0| 867 | 63,2 ”0) 472 59,6 Be 6,0, 80,5 75,4 93,6 28 | 9611| 449 | 59,6 rg. u. 78,2 68,5 | 875 57,7 1066 | 438 | 56,5 Mittel aus I, IV— VI 79,3 | 71,5 90,2 61,6 94,6 N 44,2 | 58,8 7 I | at ern, 1; 11,7 67,8 | 8972| 60,7 38,01 43,8 59,0 ROLE" re Ar: 81,7 69,1 | 84,6 64,0 | 79,2 45,6 61,5 Mittel aus I und HD | 79,7 684 | 859 || | 4 60,2 —————— 1101000000100 Gesammtmittel . . 794 70,5 88,7 61,9 | 90,9 44,3 59,3 1 ee nee He een Ms EN Annie Ye hr ta are Mittel der Männer . 76,6 6,0 90,1 61,8 | 86,8 42,4 59,3 Mittel der Weiber . | | | 6 999 4,3 | 593 INHarenz s .. 0... — ;4,9 — 22| + 230| 0 | — 61 — 2,9 1) In ungewöhnlicher Schärfe tritt hier, was übrigens schon die äufsere Betrachtung ergiebt, ein sexueller Unterschied hervor. Zunächst in dem Längenbreiten-Index, der für die Weiber brachycephal, für die Männer mesocephal ist. Es ist dies um so weniger zurückzuweisen, als nur einer der Weiberschädel (Nr. VI) eine so grofse Abweichung von dem Mittel zeigt, dafs er in eine andere, als die brachycephale Gruppe gehört. Der Unterschied der Indices beruht auf der Verschiedenheit der Längendurch- messer, welche in deutlichster Weise den sexuellen Gegensatz ausdrückt, während die Breite keine entscheidenden Unterschiede ergiebt: Phys. Kl. 1876. 24 we 186 Vırcmow: Beiträge zur physischen Anthropologie Länge Breite Flut 145 AV az 147 | ba Lan rd) 141 VOM zn 137 Ja > 139, 5115 mu 17a 0.143 Mittel . . 1793 142,4 Männer ... 187,0 143,2 Weiber ... 17550 1420 Differenz + 11,5 + 1,2 Da nun die weiblichen Schädel der Zahl nach das Uebergewicht haben, indem von den 6 Warga-Schädeln 4 weibliche und nur 2 männ- liche sind, so mufs hier in ähnlicher Weise, wie bei den mehrfach ange- zogenen Reihengräberschädeln von Wiesbaden, das Mittel im weiblichen Sinne ausfallen. Es ist dies für die Vergleichung wohl zu beachten. Unter den Schädeln aus dem Westergau, welche ich vorher besprochen habe, befindet sich nur ein einziger weiblicher: der Kinderschädel Nr. 22 aus der Sammlung van der Hoeven (8. 155); dieser aber ist für die Berechnung der Mittel gar nicht in Betracht gezogen. ° Die Mittelzahlen für die Westergauer Schädel sind daher rein männliche, und es ist leicht verständlich, dafs das von mir für die Ostergauer Männerschädel gefun- dene Mittel von 76,6 mit dem Gesammtmittel der Westergauer Schädel in der Sammlung van der Hoeven, nehmlich 76,8 (S. 156), fast ganz und mit dem Gesammtmittel der Schädel des Hrn. Sasse, nehmlich 77,5 (S. 165), sehr nahe zusammenfällt. Nur die Schädel des Hrn. Barnard Davis erweisen sich, obwohl sämmtlich männlich, als ebenso brachy- cephal (S. 159), wie die Ostergauer Weiberschädel. Auch bei den Zui- derzee-Schädeln herrschten die Männerschädel vor, indem unter 16 Schä- deln nur 5 für weiblich gehalten wurden, indels trat hier überhaupt kem Unterschied der sexuellen Mittel hervor: beide Geschlechter ergaben die- selbe Zahl von 77 (S. 110). Um so schärfer ist der Gegensatz gegen die Wiesbadener Reihengräberschädel, bei welchen der Längenbreiten-Index im Mittel 74,9 und für die Weiber sogar nur 74,6 betrug (S. 49). rer ee a ee KT re cr “ der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 187 Noch ein anderer Umstand trägt dazu bei, den sexuellen Gegen- satz, den ich so eben erörtert habe, ins Licht zu stellen. Es ist keines- wegs die Gröfse der Schädel, welche die eine oder die andere Form her- vorbringt. Die Capacität der Warga-Schädel variirt aufserordentlich, aber viel mehr individuell, als sexuell: I 1450 III 1360 it 31220 IV 21305 V21310 VI 1205 Mittel 1360 1295 Gesammtmittel 1316 Die sexuelle Differenz der Mittel beträgt also 65 Cub. Üent., dagegen die individuelle Differenz der Männer 180, die der Weiber 155 Cub. Cent. Der kleinste Weiberschädel (VI) steht nicht nur dem kleinsten -Männerschädel (II), sondern auch dem grölsten (I) im Längen- breiten-Index am nächsten: er ist mesocephal. Der zweitgröfste Schädel (I) ist ein weiblicher und zugleich einer der am meisten brachycephalen. Es kann also darüber kein Zweifel sei, dals die Gröfsenverhältnisse des Schädels die Form nicht bestimmen. Ganz anders fällt die Betrachtung der Höhen-Indices aus: diesel- ben zeigen viel mehr constante Zahlen. Bei dem ÖOhrhöhen-Index ist überhaupt eine sexuelle Verschiedenheit nicht vorhanden; der Längen- höhen-Index ist bei den Weibern um 2,2, dagegen der Breitenhöhen-Index bei den Männern um 2,0 höher. Und auch diese Differenz führt wesent- lich auf einen einzigen Schädel, nehmlich den weiblichen Nr. V, zurück, dessen ganz individuell abweichender, hoher Index von 75,4 der einzige Grund für die Differenz der sexuellen Mittel ist. Läfst man ihn aus der Rechnung, so erhält man auch für die Weiberschädel von Warga einen mittleren Längenhöhen-Index von 69,8, also nahezu dieselbe Zahl, wie für die Männer, welche 69,0 ergaben. Man kann daher nicht umhin, trotz der einen Ausnahme die Warga-Schädel für ausgemacht chamae- cephal zu erklären. Die Zahlen für die drei, hier in Betracht kommen- den Indices sind nur um ein Geringes verschieden von denen der Zuider- zee-Schädel (S. 122). 24* 188 Vırcmow: Beiträge zur physischen Anthropologie Ziehen wir die direkten Zahlen für die Höhe in Betracht, so ge- schieht dies am besten in folgender Zusammenstellung, welche sämmt- liche Hauptrichtungen, auch die Ohrradien, in derselben Weise enthält, wie es früher für die Schädel von Urk und Marken erörtert ist (S. 100—103): I} = © oe 8 a Se: 2 IE ER „- 5. 5 = co [} [52 + a or) - - - o 2 8 Aa BE > = re je A) 21 Ku - - - r - sie EIS NE Sry ze = = 23:#& un oo = z u © © + a op) - Ne} > Je} [eo] = me I ee NT el Ge el eis re m) Am) Ze! ri - - - - au 32 A eo 8 ” Se, © = Zielals -55:8 aa ‚hen, a Er EC u Nee re DES ERDE RE N EBENEN joa} rei 3 - - r - - - - Su: = rs ae 7 7 1 1 - a = Wr KR Ei Ser = [e7) (2) (22) [er] (er) [er] QO a © 5 © o© [@} \ = u ze 3 3 Oo, mal xo ala ee © Bike, we Rn TR = E47 - -„ r - _ - - _ ri SEEN Au = a © = Do For Fame oo Ol es E - [73 [=) =} {er {er} (=) S) © So - -_ -_ - - - r © a © u R = | © - Hm eo la alla © = ae de a Ar _ - - „m - -_ - - - - {ae} 3 x 2 ın Dr > >} © n n 2 R = er bel oO Le) a a oO - & „ © © au - - - - „ © © - a Laul „m -„ - - - - -_ - EB =] — « en ——— —- m A nn a 1ın ın NS iD n [er) bau m a [} bie} = Ge) a a a a a a a a 8 _ - - - - - je) -_ - - > = © o ie] ce = P=] & = a 18 Sum E=] F 8 Ss E = & = P- x 8 - - r SI © = - -_ [=] & : Pe ur © a Ze) der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 189 Man ersieht sofort, dafs auch hier weniger sexuelle, als indivi- duelle Verhältnisse der Grund der Abweichungen zwischen den einzelnen Schädeln sind. Der männliche Schädel Nr. II liefse sich seinen Zahlen nach ganz leicht in die weibliche Gruppe einreihen, und hinwiederum der weibliche Schädel Nr. V steht in vielen Stücken dem männlichen Mittel näher, als dem weiblichen. Als gröfste individuelle Gegensätze erscheinen der männliche Schädel Nr. I und der weibliche Nr. VI: jener zeigt überall die gröfsten Zahlen, mit Ausnahme des’ Oceipital-Radius, wo er sowohl von dem männlichen Schädel Nr. Il, als auch von dem weiblichen Schädel Nr. VI übertroffen wird; dieser hat in der Regel die kleinsten Zahlen, mit Ausnahme des eben erwähnten Oceipital-Radius, wo er von allen Warga-Schädeln die gröfste Zahl hat, ferner mit Aus- nahme des Frontal-Radius, wo er die dritthöchste Stelle einnimmt und nur von den Schädeln Nr. I und III übertroffen wird, und endlich mit Ausnahme der Entfernung der hinteren Fontanellstelle vom vorderen Rande des Hinterhauptsloches, wo er an drittletzter Stelle steht, indem sowohl der männliche Schädel Nr. II, als auch der weibliche Nr. III noch kleinere Zahlen darbieten. Die Maximalzahlen liegen also stets auf der männlichen Seite, sonderbarerweise mit der einzigen Ausnahme des Oc- eipital-Radius, wo der kleinste weibliche Schädel Nr. VI die Maximalzahl ergiebt; die Minimalzahlen sind ohne Ausnahme weibliche, und zwar fin- den sie sich 6mal an dem Schädel der Greisin Nr. VI, 2mal (Oecipital- Radius und Entfernung der hinteren Fontanellstelle vom vorderen Rande des Hinterhauptsloches) an dem jüngeren Gräberschädel Nr. III und I mal (Frontal-Radius) an dem Schädel Nr. V aus dem Grabkeller. Hier läfst sich ein gewisser Einfluls der Gröfsenverhältnisse auf die Höhe der Ein- zelzahlen nicht verkennen. Die grölsten Differenzen betreffen die Maalse der vorderen Schä- delhälfte. Wenn man die Differenzzahlen ordnet, so erhält man folgende Reihenfolge: 1) Entfernung der vorderen Fontanellstelle a) vom vorderen Rande des For. magn. . 23 Mm. b) vom hinteren „ Am! = a Pisumenlare/ Höhe: >... Lan Re SaklinteresHökesikalst wi kr munichlanenn: Mais ERS RN urn 7 Se 190 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologie 4 A)AGanzei'Höhern. raal An a BR Me 5) Frontal-Radius . . . R Ä I lee 6) Entfernung der irn Fontanellstelle vom vorderen Rande des For. magn. . . 2»., 12, 7): Parietal-Radinsd ala] ar ren MG. MDRRSR LONG, 8) Oecipital-Radiusislosy, all. uniniem Jul „Ai 10ME Vergleicht man die Warga-Schädel mit den Schädeln der Zuider- zee-Insulaner, so findet sich die gröfste Differenz bei der Ohrhöhe (S. 126), welche bei den letzteren im Mittel nur 105,9 Mm. betrug, hier dagegen 111 Mm. erreicht. Indefs wird ein grofser Theil dieser Differenz durch den männlichen Schädel Nr. I bedingt; läfst man ihn weg, so beträgt das Mittel der Ohrhöhe nur 109,1. In Bezug auf die hintere Höhe stim- men beide Gruppen gänzlich überein, in Bezug auf die „ganze“ Höhe entspricht das Gesammtmittel der Warga-Schädel dem Mittel der Zuider- zee-Männer. Was die Ohrradien betrifft, so gilt auch für die Warga- Gruppe dasselbe, was ich über die Zuiderzee-Gruppe gesagt habe (S. 102), namentlich die durchweg stärkere Entwickelung des Parietalradius und die verhältnifsmälsig geringe des Occipitalradius. Die Zahlen selbst sind für beide Gruppen sehr ähnlich; das hohe Maafs für den Oecipitalradius an dem weiblichen Warga-Schädel Nr. VI (100 Mm.) findet seine Analogie in den männlichen Schädeln Nr. 15 von Marken und Nr. 18 von Urk. Im Ganzen ist der Oceipitalradius der Warga-Schädel kleiner (im Mittel um 3,6 Mm.). Dem entsprechend ist auch die Entfernung der hinteren Fontanellstelle vom vorderen Rande des Hinterhauptsloches, welche bei den Zuiderzee-Schädeln 117,2 Mm. ergab (S. 103), hier nur 111,3 Mm. ım Mittel lang, also um 5,9 Mm. kürzer; die Compensation liegt eben in der etwas gröfseren Ausbildung des Vorderkopfes. Indels sind doch alle diese Differenzen sehr untergeordnet, wenn man die ethnognomonischen Merkmale der Rasse festzustellen sucht. An diese Erörterung schliefst sich zunächst am natürlichsten die Vergleichung der basilaren Längenmaalse, wie ich sie früher (S. 118) schon für die Zuiderzee - Schädel begonnen habe. Wir erhalten hier folgende Zahlen: der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 191 Direkte Messungen | Procente der Länge a b C | a | b e Warga-Schädel |@ehörloch \vord. Rand hint. Rand|Gehörloch 'vord. Rand hint. Rand | 54 desHinterhauptsloches bis (desHinterhauptsloches bis Nasen-/bis Hinter-) bis Nasen- bis Hinter- Nasen- | wurzel | haupts- | Nasen- wurzel | haupts- wurzel wölbung | wurzel | | wölbung nme: alas ai AA I Tr 5 112 107 62 58,3 55,7 32,2 DE te. 95,5 95,4 64 7 a er a Mittel der Männer . . 103,7 101,2 63 55,3 | 54,8. | 33,6 BEER WRE AllırTon,sui 196 au U ae 1064;8 27,4 Rt 103,6 | 100 Daun 17 58,5 56,4 29,3 See 62 56,0 | 530 | 352 MEER ., riet ‚495 93 61,5 55,7 | 53,1 35,1 Mittel der Weiber . . | 100,4 | 950 | 55,8 | 522 | 540 | 31,7 5 | } | r | Gesammtmittel. . . » 101,5 | 97,0 | 58,2 56,5 | 54,2 | 32,3 Diese Zahlen bezeichnen einen nicht geringen Unterschied zwischen den Warga- und den Zuiderzee-Schädeln, wodurch die ersteren sich den Wiesbadener Reihengräberschädeln annähern. Insbesondere zeigen sie eine viel geringere oceipitale Länge bei gleichzeitiger Zunahme der Ba- silarmaalse des Vorderkopfes. Die procentischen Zahlen sind in dem Gesammtmittel von den Wiesbadenern (S. 118) kaum verschieden: die oceipitale Länge der Wargaschädel ist nur um 0,8 pCt. gröfser und die Entfernung des Hinterhauptsloches von der Nasenwurzel giebt in beiden Gruppen sehr ähnliche procentische Zahlen. Bei den Männerschädeln von Warga ist die occipitale Länge um eben soviel (3,1) länger, als die sineipitale (vom Öhrloche aus gemessen) kürzer. Dagegen sind die Wei- berschädel von Warga ein wenig kürzer in den Verhältnissen des Vor- derkopfes und bleiben in Bezug auf das occipitale Mittel hinter denen von Wiesbaden um ein Geringes zurück. Andererseits zeigen die Zuider- zee-Schädel durchweg grölsere Oceipitalzablen, als die Warga-Schädel, bei den Männern freilich nur um 0,5, dagegen bei den Weibern um 6,3, im Ganzen um 3,4; umgekehrt sind die Sineipitalzahlen, wenigstens für 192 Vırcuow: Beiträge zur physischen. Anthropologie die Weiber um 3,4, beziehungsweise (für das Maafs vom Hinterhaupts- loche an) um 2,3 höher bei den Warga-Schädeln. Indels möchte ich doch schon hier darauf aufmerksam machen, dafs bei den letzteren die Einzelzahlen sehr grofse Abweichungen unter einander darbieten, und dafs daher bei ihnen am wenigsten ein constantes Verhältnils angenom- men werden darf. Was das Schädeldach betrifft, so stelle ich gleichfalls sofort die Zahlen für die sagittalen Umfangsmaalse und für die sagittalen Bogen- längen zusammen: Sagittalumfang Sagittale Bogenlängen Warga-Schädel | | Hinter- Ga | | n ® ı , Stirnbein Pfeilnaht | haupts- | Sagittal- || Frontal- | Parietal- | Oce ipital- | schuppe bogen | | 1 | | I || 135 | 135 115 388 | 121 121 94 TI SDR 2G 118 368 || 11a 110 92,5 Mittel der Männer 132,5 | 127,5 118 378 I 117,5 115,5 93,2 INS REN 192 199 1066 | 350 || 106 109 91 IRRE EINEN TO 108,5 230, 114 345,5 98 109 95 V 116 | 135 104 355 || 105 114,5 88 EL HALS AL NETT 115 ET 340 || 102 102 88 Mittel der Weiber 3% 115,3 | 123,5 | 108,7 347,6 | 102,7 108,3 90 Gesammtmittel . 2... | 121,0 | 124,8 | 111,8 |. 357,7 || 107,6 1109 | 9 I | | | | I Vergleichen wir damit die früher (S. 119—120) mitgetheilten Zah- len für die Zuiderzee- und Wiesbadener Schädel, so findet sich, dafs das Maals für den ganzen Sagittalbogen (von der Nasenwurzel bis zum Hin- terhauptsloch) sowohl im Gesammtmittel, als auch bei den Weiberschädeln in der Warga-Gruppe hinter den entsprechenden Maalsen in der Zuider- zee-Gruppe!) und in der Wiesbadener Gruppe zurückbleibt. Dasselbe gilt in Bezug auf den Sagittalumfang der Squama oecipitalis, mit der Beson- !) Ich spreche hier zunächst nur von den Schädeln des Vrolik-Museums, die ich selbst gemessen habe. dener Schädeln Ba der Sagittalumfang des Stirnbeins ist gleichfalls BE ner bei den Warga-Schädeln, mit Ausnahme der männlichen, aber un ist die Differenz gröfser bei den Wiesbadenern, als bei den Zuider- zee-Schädeln. Die Compensation liegt wesentlich in der grölseren Länge der Pfeilnaht bei den Warga-Schädeln, welche freilich die Länge der _ Wiesbadener nicht ganz erreichen, dafür aber die der Zuiderzee-Schädel beträchtlich überragen. ö Die Sehnen der einzelnen Sagittalbogen-Abschnitte geben ein ähn- liches abweichendes Resultat. Die parietale Sehne ist bei den Warga- Sehädeln durchweg länger, als bei den Zuiderzee-Schädeln, dagegen ist die occipitale Sehne in allen Kategorien kleiner. Die nachstehende Zusammenstellung zeigt, um wie viel die Mittel- zahlen der Warga-Schädel grölser oder kleiner sind gegenüber den Zui- derzee-Schädeln (a) und den Wiesbadener Schädeln (b): Sagittalumfang | Bogensehnen E Warga- en nn ne er Bea daı Stirnbein Pfeilnaht Hinterhaupt Gesammtcurse | = e | 3 AA E ao\.lutıb | a 2 lesib a | db a b ı Eu ER | | | | | | | | | ß | | Männer ..u . u. l+ 3,51 2,0|+# 7,9 1,9— 4,6 sol 657) 4, 1j+ 5,4 5,01 4,4 I Weber learn 23-45 44 13,2 I-43l+ 13-30 / | | | | | | | ” | | | | Gesammtmittel . . > 4,31 — 5,2)+ Auler 1,2] — 6,2) — 1,7) — 5,61 — 8,01|— 2,7/+ 0,11— 4,0 | re | | Folgendes ist eine Berechnung der procentischen Werthe der ein- zelnen Abschnitte des Sagittalbogens, zur Vergleichung mit der früher (S. 120) mitgetheilten Uebersicht: 0 Phys. Kl. 1876. 25 lafs Differenz größser | Ef den TAsezE äls bei den Wies- 194 Vırcuow: Beiträge zur physischen Anthropologie Hinter- Warga-Schädel | Stirnbein | Pfeilnaht | haupts- schuppe TAN EN 34,7 34,7 30,4 IR TEN 35,3 32,6 32,0 bir fa. u EL N er ron u Beil Se el 2 TEE Mittel der Männer . . 35,0, 14083;6 Nye3142 TEE EN 348 | 348 30,2 | IV 31,1 | 35,6 32,9 v 32,6 38,0 29,2 VI e 33,8 33, 32,6 | | Mittel der Weiber . . | 330 | 35,4 312 Gesammtmittel | 33,7 | 34,8 | 31,2 Die Prävalenz der parietalen Länge bei den Weiberschädeln, welche zugleich die Verhältnisse der Gesammtmittel bestimmt, war uns schon bei den Marker Schädeln (8. 77), in geringerem Grade auch bei den Urkern (8. 98) entgegengetreten. Hier erreicht sie eine bemerkenswerthe Stärke. Gerade entgegengesetzt verhält sich die occipitale Länge, die trotz aller sonstigen Abweichungen in der Conformation des Hinterkopfes sich doch nur wenig von dem procentischen Mittel der Zuiderzee- und Wiesbadener-Schädel, welches 31,7, beziehungsweise 31,0 beträgt, entfernt. In beiden Beziehungen besteht eine gröfsere Verschiedenheit gegen- über den von mir gemessenen Schädeln des Museum Vrolik, als gegen- über den von Hrn. Spengel gemessenen Schädeln des Museum Blumen- bach (8. 121). Bei letzteren stimmen sogar die gemittelten Zahlen für die Länge der Pfeilnaht und für den Sagittalumfang der Hinterhaupts- schuppe genau mit den Zahlen der Warga-Schädel, und nur in Betreff des Stirnbeins ist das Gesammtmittel der letzteren ein wenig kleiner. Das höhere Maafs des parietalen Mittels bei den Warga-Schädeln ist aber hauptsächlich dadurch herbeigeführt, dafs die brachycephalen Weiber- schädel Nr. IH, IV und V eine gröfsere Länge der Pfeilnaht haben, wäh- rend zugleich Nr. III und namentlich Nr. V die niedrigsten Maalse für y E +3 . der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 195 den Sagittalumfang der Hinterhauptsschuppe zeigen. Es wäre daher wohl möglich, dafs auch hier eine gewisse Ausgleichung zwischen mehr und weniger entwickelten Abschnitten des Schädeldaches vorliege. Für die Umfangsmaafse (S. 129—131) erhalten wir folgende Zahlen: Direkte M | Procente des te Mess | - ee \ Horizohtalumfanges I Schädel von Warga — | Hori- |Vertikaler) «.: || Vertikaler| „_.: | Sagittal- | Sagittal- \ zontal- | Quer- 3 Quer- | umfang |) umfang , umfang umfang | umfang | | | I] | I RAM. 0. E58 322 | 388 || 59,7 | 71,9 II 7515 304 | 368 || 59,0 71,4 } Mängel Ha Sıaaılm gramılı 59:3 71,6 I | 1 aa BR EA Kl 1 A) PS 211 Leer Br LEE 2 Iv ' 508 203 | 3455| 596 | 680 V | 498 297 | 35 | 5896| 712 vI | 49 2341, 340, | 5651 684 Werbara gan ss 3 00 | 503 298,5 347,6 | 593 | 69,0 | | Gesammtmittel . . . | 511 | 303,5 | 357,7 59,3 | 69,9 Hier besteht nur, wie schon aus den Einzelbeschreibungen hervor- geht, ein geringer Unterschied von den Zuiderzee-Schädeln in Bezug auf den vertikalen Querumfang und dessen Verhältnifs zum horizontalen Längs- umfang, welche beide, entsprechend den eben erörterten Verhältnissen des Mittelkopfes, höhere Zahlen ergeben. Auch in diesem Falle sind es die brachycephalen Weiberköpfe, welche, in Verbindung mit dem grolsen Männerschädel Nr. I, die Sache entscheiden. Immerhin ist das procen- tische Verhältnils für den Querumfang nur um 1,1 gröfser bei den Warga- Schädeln, als bei den Zuiderzee-Schädeln des Museum Vrolik, welche hier allein in Vergleich gezogen werden können. Die Zahlen für das pro- ceentische Verhältnifs des Sagittalumfanges für die hier mit in Betracht kommende Gesammtgruppe der Zuiderzee-Schädel stimmen bis auf einige Decimalen mit den Warga-Zahlen, während die direkten Melszahlen sowohl für den Horizontal-, als für den Sagittalumfang bei den Warga-Schädeln 25* 196 Vırcmow: Beiträge zur physischen Anthropologie erheblich niedriger sind, nehmlich für den Horizontalumfang um 9, für den Sagittalumfang um 4,3 Mm. Endlich stelle ich auch hier, wie früher (S. 117) die hauptsäch- lichen Breitenmaalse zusammen: | | | | | | I [| | Schädel von Warga ERHÄLT IE N my v vr || Männer | ‚Weiber | | | e |! | mittel | Il 1 | | | Oberer (tuberaler) Fron- | | | tal-Durchmesser . | 63,2 46 3) 64,1 58,5 48 | 54 | 54,6 | 56,1 55,6 Unterer Frontal-Durch-| | h | messer. .» . » & 105 96 95 104,2 99 85,2 100,5 95,8 97,4 Temporaler Durchm. . | 129,6 | 122 1210 18 118 109,5 || 125,8 116,6 119,6 | Tuberaler Parietal - | | Durchmesser. . . | 132 130 131 | 132,5 126 128 || Ja oo 129,9 | | Oeccipitaler Durchm. . 120 120 11:22 12211278 103 109 | 120 109,7 113,1 [ Oberer Mastoideal- | | | Durchmesser . . 132 oe 126,5 | 129 123 115 | 129,5 123,3 125,4 Unterer Mastoideal- | | | | Durchmesser. . .! 106 | 107 ! 100 | 106,5! 1046 91,5 | 106,5 | 100,6 || 103,6 | | | Jugal-Durchmesser . — lorson| 124,2 126 125 118,5 == 123,4 124,2 | | | | | Malar-Durchmesser | 97 | 93 835 | — | 87 Base] 95 SD 89 | I Der mehr brachycephale Charakter der Warga-Schädel tritt hier in deutlichster Weise hervor. Mit Ausnahme des oberen (tuberalen) Fron- taldurehmessers, der bedeutend zurückbleibt, und des (tuberalen) Parie- taldurchmessers, der fast gleich ist, sind die Mittel aller Breitendurch- messer gröfser, als bei den Zuiderzee-Schädeln, und noch mehr, als bei den Wiesbadenern. Es gilt dies namentlich von den tieferliegenden Durchmessern: dem unteren frontalen, dem temporalen, dem oceipitalen und dem oberen mastoidealen, und zwar nicht blofs von den weiblichen, son- dern auch von den weniger brachycephalen männlichen Schädeln. Am grölsten ist die Differenz von den Zuiderzee-Schädeln im oceipitalen Querdurchmesser, der bei den letzteren um 5,3 Mm. im Mittel geringer ist. Allerdings sind auch grofse sexuelle und individuelle Verschieden- heiten zu notiren. In ersterer Beziehung sind dieselben so erheblich, dafs ohne die stärkeren Maafse der Männerschädel ein gutes Stück der ze Fl . N der Deutschen, mn Udonddrer Berückoieliärnihe,; der ER Eigenschaften, Aisch welche sich die Warga-Schädel von den anderen beiden Gruppen unterscheiden, verschwinden würde. Immerhin über- wiegen auch die Weiberschädel von Warga in den genannten Durchmes- sern die Weiberschädel der Zuiderzee-Inseln und von Wiesbaden, so jedoch dafs die Differenz größser ist in Bezug auf die Zuiderzee-Schädel im Mastoideal-Durchmesser, in Bezug auf die Wiesbadener Schädel im unteren frontalen, temporalen und parietalen. Die individuelle Differenz ist am meisten anschaulich bei dem weiblichen Warga-Schädel Nr. VI, der, auf- fallend wegen seiner allgemeinen Kleinheit, in der Mehrzahl der Quer- durchmesser hinter den anderen Schädeln zurückbleibt, und sonderbarer- weise nur im tuberalen Stirndurchmesser das Mittel beinahe erreicht. Es verlohnt sich der Mühe, am Schlusse dieser Erörterungen über die Schädelcapsel der Warga-Leute noch einmal auf die, bei den Zuider- zee-Schädeln eingehend (S. 131—139) besprochenen Frage von der Mög- lichkeit einer künstlichen Deformation zurückzukommen. Eine be- sondere Veranlassung dazu bietet der Schädel der alten Frau von Warga, Nr. VI, nicht nur wegen seiner ausgezeichnet chamaecephalen Form und seiner hauptsächlich occipitalen Länge, sondern ganz besonders wegen der schon in seiner Einzelbeschreibung (S. 176) erwähnten flachen Ein- drücke über dem Öhransatze der Jochbogen. Dieselben liegen auf der Fläche der Schläfenschuppe genau so, wie sonst und an anderen Stellen die sogenannte Druckatrophie der Knochenoberflächen sich zeigt, und ihre Lage pafst recht gut auf die Stelle, wo die „Ohreisen“ der Friesin- nen ihre Endplatten haben (S. 158). Als meine Aufmerksamkeit sich dieser Erscheinung zugewendet hatte, habe ich wiederholt die ganze Reihe sowohl der Zuiderzee-, als der Warga-Schädel darauf geprüft, aber ich habe bei keinem anderen derselben etwas Aehnliches gefunden. Nur der grolse männliche Schädel von Warga Nr. I hat über dem Tubereulum zygoma- ticum eine ungewöhnlich tiefe Rinne oder Ineisur, jedoch liegt diese so tief zwischen dem Ansatze des Jochbogens und der Fläche der Schläfen- schuppe, und sie ist zugleich so wenig abgegrenzt uud so wenig den oben erwähnten Eindrücken ähnlich, dafs ich sie nicht damit zusammen- stellen möchte. Jedenfalls handelt es sich also bei dem Schädel Nr. VI um eine singuläre Erscheinung, und ich bin um so weniger geneigt, ihre Bedeutung abzuschwächen, als dieser Schädel sich durch den ganz un- Pr 198 Vırcuow: Beiträge zur physischen Anthropologie gewöhnlich kleinen Temporaldurchmesser von 109,5 Mm. (10 Mm. kleiner als das Mittel der Weiberschädel von Warga) auszeichnet. Freilich sind auch mehrere andere Querdurchmesser ungewöhnlich klein, nicht blofs der untere frontale, der durch das Schienenblatt des Öhreisens gedrückt sein könnte, sondern auch hintere, wie die mastoidealen. Ueberdiefs be- stehen in der Sphenoparietalgegend tiefere Abweichungen der Bildung, wie früher geschildert ist (S. 176). Indefs darf das Alles nicht abhalten, die Eigenthümlichkeit der temporalen Eindrücke anzuerkennen. Von dieser Anerkennung bis zu der Entscheidung der Frage, ob die Schädelform überhaupt, ob namentlich die Chamaecephalie eine künst- liche sei, ist noch ein weiter Schritt. Ich bin eher geneist, diese Frage zu verneinen. Wenn ein Ohreisen, das über die Stirn läuft und dessen Endplatten an den Schläfen liegen, einen eingreifenden Druck ausübt, so kann daraus nicht wohl eine Erniedrigung des Scheitels hervorgehen. Eine um den Kopf gelegte Binde könnte allenfalls die Schädelcapsel brachycephal machen, aber wahrscheinlich nur, indem sie dieselbe zugleich hoch machte. So liefse sich allenfalls die abweichende Gestalt des weib- lichen Schädels Nr. V mit seinem Breiten-Index von 80,5 und seinem Höhen-Index von 75,4, also mit fast hypsibrachycephalen Verhältnissen, deuten, aber schwerlich der durchgehende niedrige Typus, der auch nm dem Männerschädel Nr. II mit seinem Höhen-Index von 67,8 so deutlich ausgesprochen ist. Es erübrigt jetzt noch, über das Gesichtsskelet der Warga- Schädel zu sprechen. Ich halte dabei die Reihenfolge inne, welche ich bei Erörterung der Zuiderzee-Schädel gewählt habe: 1) Die orbitalen Verhältnisse sind, wie schon aus der Mitthei- lung der Indices (S. 185) hervorgeht, von so grofser Mannichfaltigkeit, dafs es schwer werden dürfte, daraus eine Regel abzuleiten. Die mäch- tigen und hohen Augenhöhlen der alten Frau Nr. VI mit ihrem Index von 106 und die niedrigen und breiten der jungen Frau Nr. III mit ihrem Index von 79,2 lassen sich nicht wohl in einen einzigen Typus bringen. Das Gesammtmittel von 90,9 stimmt freilich ganz scharf mit ’ dem ERIEERN der Wiesbadener Schädel und es trifft auch mit dem Bi der Zuiderzee-Schädel von 91,4 sehr nahe überein, aber während in diesen beiden Gruppen (8. 141) die männlichen Indices gröfser, die weiblichen ‚kleiner waren, so ist hier gerade das Umgekehrte der Fall. Die Bildung der Supraorbitaltheile ist bei den Weibern durch- gehend zart und fein; bei den Männern sind kräftige Stirn- und Nasen- wülste vorhanden, jedoch erreichen sie nicht die Stärke und Ausbil- dung, wie bei den Zuiderzee-Insulanern. { 2) Die Nase zeigt eben so viel Beständigkeit in der Form, als die Augenhöhlen Unbeständigkeit. Ich gebe hier zunächst eine ähnliche Zusammenstellung, wie bei den Zuiderzee-Schädeln (S. 142): Schädel Höhe | Breite | von der gan- | der Index Warga zen Nase | Apertur Je, 56 | 23 41,0 II 57 25 43,8 Ü Männer 56,5 24 42,4 III 46 21 45,6 2 IV 55 26? 47,2 v 54,5 24,5 | 44,9 | VIE 54 DIT. 43:8 ‚Weiters... - .; | 52,3 23,8 | 45,3 Ä Gesammtmittel . . | 53,6 | 23,8 44,3 Wir finden hier eine Leptorrhinie von so niedrigem Mittel, dafs sie nicht nur die der Zuiderzee- und Wiesbadener Schädel, sondern die der europäischen Schädel überhaupt übertrifft. Nur einer der 6 Warga- Schädel, Nr. IV, erreicht die obere Grenze der Leptorrhinie, wie sie Hr. Broca aufgestellt hat; dagegen liegt der Index von 41, welchen der Schädel Nr. I besitzt, sogar jenseits der unteren Grenze. Dabei finden sich die niedrigsten Zahlen bei den Männern. x : « ’ v S N A Theo N “ N en 3", D > SIR Ne = 200 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologie Es hängt dies wesentlich mit der grolsen Höhe dieser Nase zu- sammen, welche das Mittel der nächst in Betracht kommenden euro- päischen Stämme (8. 143) erheblich hinter sich läfst. Nur in einem Falle, bei dem weiblichen Schädel Nr. III, ıst die Nasenöffnung unge- wöhnlich schmal, und gerade in diesem Falle ist wegen der gleichzeitigen Niedrigkeit der Nase der Index grofs. Das Umgekehrte zeigt der chro- nologisch am nächsten verwandte männliche Schädel Nr. I. Leider sind auch hier die Nasenbeine an ihrem vorderen Ende fast überall etwas verletzt, so dafs die Höhe der Apertur nur zweimal, bei I mit 40,5, bei IH mit 29 Mm. bestimmt werden konnte. Daraus berechnet sich der Breiten-Index der Apertur für I auf 56,7, für II auf 72,4. Auch der Gesichtsnasen-Index läfst sich nur bei den beiden Grä- berschädeln, Nr. II und Ill, bestimmen, da nur sie Unterkiefer haben. Er hat bei beiden trotz der nicht unbeträchtlichen Verschiedenheit des „Nasen-Index“ fast genau dasselbe Maafs: bei II 46,7, bei III 46,1, was gewils sehr bezeichnend ist. Von den beiden Zuiderzee-Schädeln, die, freilich in unzuverlässiger Weise, mit Unterkiefern versehen sind, kommt der männliche Marker Nr. 15 mit 47,5 am nächsten, während der weib- liche Nr. 16 mit 42,8 ganz verschieden ist. Die Verhältnisse der knöchernen Nase für sich (8. 144) ersieht man aus folgender Zusammenstellung der Querdurchmesser: | Nasen- Knöcherne Nase | fortsatz | des Stirn-| x “ unter dem beins obenun | ana unten Te 18,5 12,5 11 18 II | 5,5 6 15 Fr | | Männer =... =... 19,7 9,.% 8,5 16,5 111 GENERIERT BE DEITELE Do), 0,1 IV sa] 15 —- —_ V TER) 9 | N 16 4 | ya 15 | 10 8 15 = f | | Weiber a. I. 7.08 18,6 | 11,2 8,3 14,3 Mittel DES STE: 19,0 10,5 | s,4 15,2 2 kn Prienen. Se} Die Achnlichkeit Biegen Maafse mit deuen der Zuiderzee-Schädel st ‚so sehr ins Auge springend, und die Uebereinstimmung der Bildung so auffällig, dafs ich mich enthalte, darauf weiter einzugehen. Nur das ER : will ich noch bemerken, dals bei den Warga-Schädeln die Breite des Nasenfortsatzes vom Stirnbein im Allgemeinen etwas geringer und die 4 Einbiegung des Nasenrückens etwas stärker ist. AV, A) . 3) Für den Oberkiefer stelle ich in der früher (S. 146—148) B= erörterten Weise Maalse und Verhältnifszahlen sofort zusammen: Höhendurchmesser Querdurchmesser Breiten‘ * e \ ie DToazari Hesuasapin ne höhen- F x Maxillar | Alveolar | Malar Mäxillar | orbital | Index x ale Wal, 77 24 97 | 69 55 79,3 ER a | 1 | 9 | 6234 57 74,1 s Mämer . . . 73 19h 95 | 65,7 56 76,7 { L | ” IT 58 16 85 64 46 68,2 e Iv 351 u = 63 eb a i v 71 — | 87 57 au ‚BuG vI part: 2 „EET 1 Weiber 6074| 165 85 57,61 466 | 70,9 1 6927| ım7| 60,3 50,4 75,8 | Für den so interessanten Schädel der alten Frau Nr. VI fallen sämmtliche Höhenmaafse des Gesichts, mit Ausnahme der Nase, aus, da r durch senile Atrophie die Kieferränder gänzlich geschwunden sind; dürfte e. man die Analogie der Nase heranziehen, so würde man ein ähnliches % Höhenmaals des Gesichts, wie bei Nr. IV und V, annehmen und einen Breitenhöhen-Index über 80 erschliefsen können. Bei Nr. IV fehlt der A gröfsere Theil des rechten Oberkiefers; die erhaltene Seite weist auch r für diesen Schädel auf eine Malarbreite, wie bei den übrigen Weiber- schädeln. Denkt man sich danach die Gruppe completirt, so würden ni nicht nur die Mittel für die Kieferhöhe, sondern auch die für den Index . “ höher ausfallen und der Gegensatz der Geschlechter würde sich wesentlich 2 Phys. Kl. 1876. 26 \ 202 Vırcmow: Beiträge zur physischen Anthropologie mindern. Jedenfalls würde die gröfsere Malar- und Intraorbitalbreite der Männer als durchgehende Besonderheit bestehen bleiben. Eine besondere Aufmerksamkeit verdienen die beiden am meisten von einander abweichenden Schädel: der männliche Nr. I und der weib- liche Nr. II. Ihre Indices differiren um 11,1, ihre Kieferhöhen um 19 Mm., ihre Alveolarhöhen um 8 Mm. Da nun aulserdem Nr. I grofse Zähne besitzt, welche vorn 9 Mm. lang ganz gerade herabsteigen, so läfst sich für die Profilbetrachtung kein grölserer Gegensatz denken, als ihn das lange, starke, fast opisthognathe Gesicht von Nr. I gegen das kurze, feine, prognathe und ganz zusammengedrückte Gesicht von Nr. III darstellt. Letzteres erscheint in jedem einzelnen seiner Abschnitte eingebogen (S. 182), ersteres im Zustande der höchsten Streckung. Trotzdem läfst sich nicht anders sagen, als dals der weibliche Schädel dem Bildungstypus der Gruppe näher steht. Ein Vergleich mit den Zuiderzee-Schädeln zeigt sofort, dafs die Niedrigkeit des Alveolarfortsatzes die Regel ist; nur der auch sonst in vielen Beziehungen abweichende Urker Schädel Nr. 19 nähert sich dem Warga-Schädel Nr. I durch seinen hohen Alveolarfortsatz, wie er dem- selben auch sonst vielfach ähnlich ist (S. 146). Die übrigen Verhält- nisse beider Gruppen entsprechen sich in der Hauptsache, zumal wenn man den vorher erörterten Mängeln Rechnung trägt. Namentlich gilt dies für den Breitenhöhen-Index. Die weiteren Verhältnisse der Kieferränder und des Gaumens (S. 150) drücken sich in folgenden Zahlen aus: ‚ Aeulserer | Umfang | Länge Breite | Gaumen- des Kie- |des harten Gaumens| Index ferrandes | | | LEG 36 83,4 Te an ugaalıllmas anal 9 Mäpnenitlad. ol) amade 38,5 | 89,8 I ne u aR 51 | 35. | 68,6 ee EN 41 362 | 7a Va | 128° | 45 35 ME Te VL. | .— 37 35 94,5 Weiber . „2 ..|.182 43,5 35,2 82,1 Mittel | ıs 43,8 36,3 84,5 ferenz din Gbechlechter, welche an Hejot durch die gröfsere SER > igkeit ‚der männlichen Bildung in Bezug auf die Gröfse des Kiefer- x umfanges begreiflich ist, tritt im Einzelnen mehr in den Hintergrund, - 5 namentlich in Bezug auf die Gestaltung des Gaumens, wegen der grolsen u individuellen Schwankungen, zumal bei den Weibern. Läfst man auch Er den Schädel der Greisin Nr. VI bei Seite, bei welchem der Schwund der — Zahnränder vielleicht eine tardiıve Zunahme der Gaumenbreite herbeige- 2 8 : e 2 a ‘ 7 4 führt hat, so bleibt doch zwischen Nr. III und IV immer noch eine Dif- £ 27 ferenz im Gaumen-Index von 19,2. Wie bei den Zuiderzee-Schädeln, 2 g treffen wir neben einander lepturane und brachyurane Formen, erstere RR © in ausgesprochener Weise mit jenem, auch bei den Zuiderzee-Schädeln er- 22: wähnten Parallelismus der fast gerade verlaufenden Seitentheile der Zahn- Die curve. Der am meisten prognathe weibliche Schädel Nr. III besitzt trotz y der Zartheit und Kleinheit seiner Knochen doch den längsten Gaumen, A | zum Beweise, dafs seine Prognathie nicht eine blofs alveolare ist. Im- er \ merhin ist zu bemerken, dafs der Querdurchmesser des Gaumens eine £ : grolse Constanz zeigt und dafs dem entsprechend auch der hintere Ab- . r ” ” ” * * * h 4 schnitt der Zahncurve weniger differirt, als die Gaumen-Indices anzudeu- Ye h ten scheinen. Nur der männliche Schädel Nr. II macht eine Ausnahme. b Das Bild der Oberkiefer-Conformation vervollständigt sich durch = die Betrachtung der Entfernungen der Profilpunkte vom Hinterhauptsloche ‚2 ] K z L = 7% E und vom Öhrloche, sowie des Gesichtswinkels (S. 148—151): Pr < % ———— } Direkte Messungen N Procente Ss \ Selmadel Entfernung y des Hinterhaupts- | des Ohrloches | b:a | ac Gesichter. ” 3 zon loches von \ von en — Sinkel In r Warga der Naso- |der Sp der Naso-| dem Na- ob vr re frontaln. | nasalis | frontaln. |senstachel | - | a b | © | d | | \ f | | f | RA It 107 9,5 | 112 | 109 91,2 9738| 70 a 10 34| 9 95,5 | 101 996 | 105,7 | 66 F4 E: Männer 1012| 972| 103,7 | 205 95,4 | 101,5 68 x 1 III 96 91 | 103,6 | - 102 94,7 99,4 75 . Re. IV 100 | 9 | 103,6 | 101,5 90,0 97,9 7 hr n v a.) ss | ss | 100 91,2 | 102,0 73 7 vI 4.298 97,5) 9 87,0 93,3 so $ Weiber 95,01 86,2 100,4 | 98,6 %,7| 981 76 En Mittel . 97,0 89,9 | 101,5 | 100,6 9,21 el 73 6% 26* . Fr un r 2 Ss De % 2 ER 204 Vırcmow: Beiträge zur physischen Anthropologre Hier erscheint gegenüber den Zuiderzee-Schädeln eine durchgehende Reduktion der Entfernung des Ansatzes des Nasenstachels von dem Hin- terhauptsloche und dem Öhrloche, selbst bei dem weiblichen Schädel Nr. III, dessen Prognathismus sich in dieser Beziehung als ein, wenn auch nicht rein alveolarer, so doch ganz dem dentalen Abschnitte des Kiefers angehöriger erweist. Besonders auffällig ist der Gegensatz dieses Schä- dels zu dem aus derselben Zeit stammenden männlichen Schädel Nr. II, der die höchsten Procentzahlen unter allen Warga-Schädeln und zugleich den kleinsten Gesichtswinkel giebt. Läfst man ihn aus der Rechnung, so sind die übrigen Schädel nur mäfsig von einander verschieden, denn selbst der grofse Mannsschädel Nr. I bietet ganz ähnliche Zahlen, wie die weiblichen Schädel. | Auch die Wiesbadener Schädel haben etwas grölsere Verhältnisse, als die Warga-Schädel. Die Mittel der letzteren stehen ungefähr gleich den weiblichen Mittelzahlen von Warga. 4) Unterkiefer haben, wie erwähnt, nur die beiden Schädel aus jüngeren Gräbern, und ihre grofse Verschiedenheit ist in den Zeichnun- gen (S. 178 und 182) deutlich erkennbar. Dabei habe ich schon darauf aufmerksam gemacht, dafs der Unterkiefer der Markerin Nr. 16 (Taf. I Fig. 2) in hohem Maafse dem progenaeischen Unterkiefer des Mannes von Warga gleicht. Umgekehrt steht der Marker Manriesschädel Nr. 15 (Taf. I Fig. 2) näher dem Schädel der Frau von Warga, welcher von den andern beiden ganz erheblich abweicht. Ich stelle nachstehend die haupt- sächlichen Zahlen zusammen, indem ich zugleich die Maalse für die Ent- fernungen des Kinns von den Hauptpunkten hinzufüge: Unnitlerrk Treten IERATert/eh aeete npirele Entfernung | Diagonal- des Kinns vom durch- Schädel her | . Distenzu Zum | messer | Unterer | Mediane der Ge- R . Hinter- da Wiafete Hehe | der | Teak Höhe Breite a ? es | isn | | Winkel | Be = Öhrloche | haupts- Kopfes | | . sätze loche | Marken 15 & I 29 9 | 104 59 30 136 124 237 16 9 ..| 168 | 28,5 90 93 52 35 111 108 232 Warga II & | 197 | 30,5 | 95 103 65 29 133 120 238 >, 101759 | 170 | 25 84 92,5 49 31 120,6 109 218 Br nd re weiblichen Unterkiefer überhaupt. Der progenaeische weibliche Un- terkiefer von Marken Nr. 16 erscheint dem prognathischen weiblichen Unterkiefer von Warga Nr. II mehr ähnlich, als dem progenaeischen männ- lieben Unterkiefer von Warga Nr. III. Nur in Bezug auf die Entfernung des Kinns vom Öhrloche und in Bezug auf die vordere mediane Höhe sind die beiden weiblichen Unterkiefer unter einander wesentlich ver- schieden und zwar ist die erstere grölser bei dem prognathischen, als bei dem progenaeischen, die zweite umgekehrt gröfser bei dem proge- naeischen, als bei dem prognathischen. Auch der Diagonaldurchmesser ‚(Kinn bis Scheitel) läfst den Gegensatz hervortreten. Ich habe noch einige andere Maafse genommen, von denen ich hoffte, dafs sie ein deutlicheres Bild der individuellen Verschiedenheiten gewähren würden. Es sind dies: a) die gerade Entfernung des Kinns (genauer der Mitte des un- teren Randes des Unterkiefers) vom Kieferwinkel, b) die gerade Entfernung des Kinns (am unteren Rande des Kie- fers) von der Mitte einer zwischen beiden Kieferwinkeln gezogenen Linie, e) die gerade und horizontale Entfernung des vorderen Randes des Hinterhauptsloches von dem am meisten vorspringenden Punkte der vorderen Medianlinie des Unterkiefers, d) den Winkel, welchen der hintere Rand des aufsteigenden Astes des Unterkiefers mit dem unteren Rande des Seitentheils macht. | Maalse Schädel | | -a | b | c d I I Mm Mm. Mm. | Marken 15 5 ..| 8 | 93,5 | 1350 a (a ee 1 88 | 1300 Warg U & ... 90 81 98 125° EI Sara 80,5 73 91 1300 Auch diese Maafse drücken in keiner Weise deutlich das aus, was in der Betrachtung so auffällig hervortritt. Nur die durchweg hohen 206 Vırcuow: Beiträge zur physischen Anthropologie Maafse des Mannesschädels von Warga bei gleichzeitig steilerer Stellung des Gelenkfortsatzes, also ein mehr individuelles Verhältnifs, ist ersicht- lich, aber weder erscheint dieses als deutlich männliche Eigenschaft, da der Marker Schädel Nr. 15 ganz andere Zahlen ergiebt, noch ist es der Ausdruck der Progenie, da der Weiberschädel von Marken Nr. 16 davon gänzlich abweicht. Letzterer stimmt am meisten mit dem prognathischen Weiberschädel von Warga. Ich habe daher schliefslich einige Verhältnilszahlen aufgesucht, nehmlich: a) das Verhältnifs der Kieferwinkel-Distanz (= 100) zu der me- dianen Länge des Unterkiefers, b) das Verhältnifs der geraden Entfernung des Hinterhauptsloches vom Kinn (= 100) zu der Entfernung desselben Loches vom Ansatze des Nasenstachels, c) das Verhältnifs der geraden Entfernung des Ansatzes des Na- senstachels vom Hinterhauptsloche (= 100) zu der horizontalen Entfer- nung des Kinns von demselben Loche. Diese Verhältnisse drücken sich in folgenden Zahlen aus: a b e Marken Nr. 15 72,9 81,4 92,5 N ve em gr N es Warga „ I‘ 9552 82,9 98,4 ! El: 95,7 Das erstere Verhältnifs (a) ist ohne allen Einflufs auf die Erklä- rung der Progenie, denn der prognathische Unterkiefer des weiblichen Warga-Schädels steht mitten inne zwischen den beiden progenaeischen Schädeln (Marken Nr. 16 und Warga Nr. I). Das zweite Verhältnils (b) ist insofern eigenthümlich, als der pro- gnathische Warga-Kiefer die bei Weitem gröfste Zahl ergiebt. Indelfs steht der stark progenaeische Warga-Kiefer Nr. II doch noch über dem leicht prognathischen Marker Kiefer Nr. 15. Dagegen findet sich ein annähernd guter Ausdruck in den Ver- hältnifszahlen der dritten Reihe (ec). Hier überragen die beiden proge- naeischen Kiefer in merkbarer, bei der Markerin sogar sehr erheblicher SE BR We Bi J ‚de Pa ie er anderen. Es dürfte: ren Kdidse Verhältnifszahl. ah 1 kunft als die wichtigste festzuhalten sein. ee Hr. Ludwig Meyer!) glaubt die Vorschiebung des Kinos der Nun nn Progenaeen durch die verhältnilsmälsig geringere Vorschiebung des Na- i senstachel-Ansatzes genügend ausdrücken zu können. Er stellt die Maafse a für die direkte Entfernung des Kinns vom Hinterhauptsloche (5A) und des BE Nasenstachels von demselben Loche (bx) folgendermaalsen zusammen: bk bx i Progenaeus .. ..ı x... 101: 83 ’ | 3 Er; Sonstige Erwachsene . 110 94 . 1%: , Daraus ergiebt sich für die von mir berechnete Verhältnifszahl b bei = wir \ J dem Progenaeus . u RD Aa “ den Erwachsenen . . 85,4, ar re £ 7 welehe Zahlen ungefähr mit den beiden Warga-Schädeln stimmen (Pro- re 5 _ genaeus 82,9, Prognathus 87,1). Aber auch der Marker Schädel Nr. 15, Be der die eigentlich progenaeische Form nicht hat, ergiebt eine Verhält- a nilszahl von nur 81,4, und obwohl es bei ihm fraglich ist, ob der Un- A terkiefer zu dem Schädel gehört, so scheint mir doch aus dem Mitge- ss _ theilten hervorzugehen, dals das dritte der von mir aufgestellten Ver- x hältnisse gröfsere Zuverlässigkeit beanspruchen darf. De Hr. Meyer findet den eigentlichen Grund der Progenie in der I ° grölseren Kürze der Kieferwinkeldistanz, welche nach seiner Auffassung = = 5 ein mehr kindliches Verhältnifs darstellt. In dem Maafse, als die Kiefer- n Ri: winkel weniger auseinander treten, müsse das Kinn auch bei gleicher ER Länge der wachsenden Seitentheile vorgeschoben werden. Nach seiner =T # Angabe betrug die Kieferwinkeldistanz seines Progenaeus 68 Mm., wäh- ’ ER rend er bei anderen Erwachsenen 98 Mm. fand. Ich habe schon ange- a führt, dafs bei meinen Messungen andere Resultate herausgekommen sind. > Der Warga-Schädel Nr. Il hat eine Distanz von 85 Mm., allerdings ein re _ kleines Maals, aber doch nicht entfernt so klein, wie es der Göttinger iM | Schädel zeigt. Der progenaeische Kiefer der Markerin hat aber 90 Mm., Den iR e E “ EI A u Behr ni Päyekiaiie tn BA9LLIS.H119, = 208 Vırcmow: Beiträge zur physischen Anthropologie während der weibliche Kiefer von Warga, der nicht progenaeisch ist, nur 84 Mm. hat. Für diese Betrachtung ist es gleichgültig, ob der Marker Kiefer zu dem betreffenden Schädel gehört oder nicht; er bleibt proge- naeisch, auch wenn man ıhn nur für sich betrachtet. Bei einer Vergleichung der verschiedenen Schädel fiel mir schon ohne Messung auf, dafs die hauptsächliche Differenz der progenaeischen und der nicht progenaeischen Kiefer in der Bildung des Mittelstückes beruhe. Dieses ist bei den progenaeischen Kiefern schmäler und stärker gebogen, die Mittellinie bildet eine hervorragende Leiste und während das Kinn stark heraustritt, bleibt der Zahnrand zurück. Dadurch ent- steht die schräg von oben nach unten vorspringende, ganz gerade Linie, welche, im Profil gesehen, das Kinn spitzig erscheinen läfst, obwohl es, von vorn gesehen, eher breit ist. Denn in Wirklichkeit bildet es eine dreieckige Fläche, deren untere Basis fast gerade ist, während die Spitze bis an den Alveolarrand heraufreicht. Bei den nicht progenaeischen Schädeln (Warga III und Marken 15) ist das Kinn auch dreieckig, aber die Basis ist schmal, die Spitze liegt in der Mitte der Höhe und die Mittellinie ist eingebogen, so dafs der Zahnrand nach aufsen vortritt. Soviel ich aus der Vergleichung der 4 Unterkiefer unter einander entnehmen kann, liegt der Grund dieser Verschiedenheit in einer Ver- schiedenheit der Zahnbildung. Denkt man sich bei dem progna- then Warga-Schädel Nr. III und bei dem gleichfalls zum Prognathismus neigenden Marker Schädel Nr. 15 den oberen Theil des Mittelstückes vom Unterkiefer, einschliefslich des Zahnrandes, fort, so verschwindet ein srofser Theil der Differenz. Bei dem Warga-Kiefer Nr. II sind die Al- veolen für die Schneidezähne sehr schmal und die Scheidewände zwischen ihnen sehr dünn. Bei dem Marker Kiefer Nr. 16 scheinen sogar nur 3 Schneidezähne vorhanden gewesen zu sein. Wenigstens läuft die Mittellinie, welche vom Kinn aufsteist, nicht in den Zwischenraum zwischen zwei Alveolen aus, sondern sie endigt gerade auf der Mitte der vorderen Fläche einer kleinen Alveole. Jederseits von dieser liest noch je eine kleine Alveole. Dann folgt rechts ein kleiner Eckzahn, links eine offene, gröfsere Alveole, welche einem Eckzahn zu entsprechen scheint. Leider läfst sich das Sachverhältnifs nicht genau feststellen, da links hinter dieser Alveole, deren Zahn fehlt, eine gröfsere Lücke folgt, in % > j 4 “ ., de BEER ENTE FIR EEE ZIERT URMEEN der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 209 deren ganzer Ausdehnung der Alveolarfortsatz atrophisch und die Zahn- höhlen geschlossen sind (Taf. II. Fig. 1). Jedenfalls spricht Alles für eine ursprüngliche Bildungsanomalie, und die Beobachtung van der Hoe- ven’s (S. 155), der an einem Schädel von Bolsward nur zwei obere Schneidezähne fand, darf wohl zur Vergleichung herangezogen werden. Ganz anders verhalten sich die beiden anderen Kiefer. Bei dem Marker Schädel Nr. 15 sind die Alveolen der Schneidezähne nicht nur grölser, sondern auch durch dicke Septa von einander getrennt; bei dem Warga-Kiefer Nr. III sind die, leider ganz leeren Alveolen von sehr be- trächtlicher Grölse. Diese Verschiedenheiten drücken sich sehr deutlich aus, wenn man die geraden Querdurchmesser dieser Gegend nimmt. Ich gebe a) die Entfernung der Foramina mentalia externa von einander, b) die Distanz der beiderseitigen Septa zwischen äufserem Schneide- und Eckzahn (den Querdurchmesser des Schneidezahn-Stückes), ? ec) die Distanz der beiderseitigen Septa, welche die Eckzahnalveole von der Höhle des ersten Prämolaren trennen. a b c Warga II . 43 Mm. 18 Mm. 29 Mm. Marken 16. 41 „ 22 Le DEN 1% Mittel . 42 Mm. 20 Mm. 28,5 Mm. WarSa NEE AREN S2I ul ]; Wk ig 321 GEB 15 A. 12 Ba nl ei ES IE FE 7 Mittel . 46 Mm. 25,7 Mm. 35 Mm. Die Schmalheit des Mittelstückes, welche möglicherweise mit einer frühzeitigen Synostose der Knorpelfuge zwischen den beiden Kieferhälften zusammenhängt, wird nun um so wirkungsvoller, als gleichzeitig eine grölsere Höhen- und Dickenentwickelung dieses Stückes eintritt. Am meisten wird dies in dem Gegensatze der beiden weiblichen Unterkiefer bemerkbar, bei denen die Differenz in der Höhe 3,5 Mm. beträgt. Die Gröfse des Winkels, unter welchem der Gelenkfortsatz an den Seitentheil ansetzt, steigert das Ungewöhnliche des Eindrucks. Mit Recht nennt Hr. Meyer auch diese Erscheinung eine kindliche. Aber er legt ihr wahrscheinlich eine zu grofse Bedeutung für die Geschichte Phys. Kl. 1876. 27 210 Vırcmow: Beiträge zur physischen Anthropologie der Progenie bei. Unter unseren 4 Unterkiefern hat gerade der am meisten progenaeische Wargakiefer den kleinsten Winkel, dagegen der nicht progenaeische Marker den gröfsten. Es dürfte sich daher hier viel- mehr um eine Rasseneigenschaft handeln. Noch viel weniger möchte ich der Meinung des scharfsinnigen Psychiaters beistimmen, dafs die Progenie an sich eine geradezu patho- logische und, nicht genug damit, sogar eine psychopathologische Erschei- nung sei. Ich werde auf diese Frage noch zurückkommen, möchte jedoch schon hier darauf aufmerksam machen, dafs nach seinen eigenen Anga- ben!) die von ihm untersuchten Männer aus der unteren Weser- und Elbgegend stammten, dafs die Köpfe durch „relativ geringe Höhe, vorzugsweise aber grolse Breite des Vorderkopfes, welcher überhaupt durch die Vorwölbung der Stirn sehr in die Augen springt“, sich aus- zeichneten, und dafs bei den Frauen die vorwiegende Kopfbreite auffallend hervortrat. Alles dieses scheint darauf hinzudeuten, dafs Hrn. Meyer mehr ein ethnisches, als ein pathologisches Element entgegengetreten ist, dasselbe, welches schon J. van der Hoeven in dem Mentum prominu- lum des Schokländers antraf (S. 106), und welches wir auf Marken und in Warga wiederfanden. Die Abbildung des Hrn. Lubach beweist, dafs es sich auch unter den Schädeln von Bolsward zeigte (S. 158), wie er denn in seiner allgemeinen Beschreibung des friesischen Schädels angiebt, dals „das Kinn in der Regel sehr stark ausgesprochen sei“ (S. 34). Nur Hr. Sasse scheint im Westergau keine Spur davon angetroffen zu haben: die von ıhm, freilich nur summarisch beschriebenen 10 Unterkiefer von Bolsward müssen diese Bildung entweder gar nicht, oder doch nur in sehr geringem Grade dargeboten haben. Dagegen wird sie uns noch an anderen Orten beschäftigen. 5) Die allgemeinen Verhältnisse des Gesichts bei den Warga- Schädeln berechne ich, wie früher bei den Zuiderzee-Schädeln (S. 152—53). Die Zusammenstellungen über die Breitendurchmesser habe ich schon 1) L. Meyer a.a. ©. S. 107. \vergefühirt;’i as sind er nur did’ ah POREBER k De Aufserdem stelle ich noch die Maafse für die Höhe des ganzen Fr Bi er chts. (Nasofrontalnaht bis Kinn) und des Obergesichts (Nasofrontal- * ae nal bis Alveolarrand), sowie die daraus berechneten Gesichts-Wangen- Van u Be Indices (Gesichtshöhe = 100) und Wangen-Obergesichts-Indiees (Malar- en. DB _ durehmesser — 100) zusammen: Ca Ur 7 N Bir» IRRE afae wur Tee eg et og Te Paper ereeen Be, va RR 4 i Höhe RR Wangen j um ra Schäde ugo- | Frontal- Her esichts- | per. Pit: Er} von frontal- | Malar- Wangen- akt: Syn ? Warga Index | Index | Sanzen Sur Index |” x a rar ch | Gesichts | gesichts Index ar un [ | iR 7 ’ EL. = 92,3 es Li A ae 79,3 m) u RAN 75,2 96,8 | 122 | 795 74,1 Männer: ...., : Er 94,5 os EMMA 76,7 Er er III | 76,4 89,4 99,6 | 58 93,3 68,1 4 k VA IEEN 82,7 — = 73,5 a “ ar? , v. 79,1 86,8 _ | 71 _ 81,6 - ont > win 71,9 U er E* AR Weiber. . . . 77,5 91,2 en 67,5 74,8 us Mi Gesammtmittel . | 77,0 92,5 | 110,8 69,7 86,4 75,7 ER: Der Frontal-Malar-Index, welcher das Verhältnifs der beiden wich- er. _ tigsten Breitendurchmesser des Gesichts darstellt, stimmt in allen Mittel- zahlen auffällig mit dem der Zuiderzee-Leute. Dagegen ist der Jugo- ° frontal-Index durehgehends bei den Warga-Schädeln viel gröfser, als bei , #) ‚den Zuiderzee-Schädeln: die Differenz beträgt bei den Männern 2,3, bei Ka den Frauen 2,2, im Gesammtmittel 3,2. Der Grund liest darin, dafs Re einerseits die (untere) Frontalbreite bei den Warga-Schädeln gröfser, ae andererseits die Jugaldistanz kleiner ist. Letzteres Maafs hängt wohl 3 ach _ mit der etwas schwächeren Entwickelung des Kauapparates zusammen, na N wobei überdiefs der Umstand von Bedeutung ist, dafs unter den Warga- au — Schädeln die weiblichen überwiegend sind. Die Flächendistanz der oberen Br Schläfenlinien von einander ist nur bei der alten Frau Nr. VI, wo sie = 105 Mm. beträgt, und bei dem männlichen Schädel Nr. II, wo sie N B 115 Mm. beträgt, sehr klein; alle übrigen übertreffen die Mehrzahl der . BC Zuiderzee-Schädeln, wo dieses Maafs 3mal nur 110 Mm. lang ist ($. 104). B Jedenfalls stimmt der Jugofrontal-Index der Warga-Frauen sehr gut mit Me I7* © I BER Re "9 By a At Kun: 12 pi “3 Mehr als ein Dritttheil aller Schädel aus Mittelfriesland hat vi also einen Schädel-Index von 80 und darüber; nur 4 haben einen Index Pu Bi: unter 75, und von diesen steht nicht einmal ganz fest, ob sie nicht frem- } KR den Wiedertäufern angehört haben. Mehr als die Hälfte, 18, haben In- ie dices zwischen 75 und 80, sind also mesocephal, und von ihnen gehört ) “ 2 wiederum die Hälfte, nehmlich 8, der höheren Abtheilung der Mesocephalie ER an. Wie man also auch die Betrachtung anstellt, man kommt immer zu % demselben Ergebnils. “M Die Höhenverhältnisse ergeben für die sechs Schädel des Hrn. - Davis einen EROSTERE Längenhöhen-Index von . . 72,5 Breitenhöhen-Index von . . 89,4, .. also entschieden niedrige Zahlen. Die von mir gefundenen Zahlen (S. 216) e h sind ein wenig niedriger, 70,5 und 88,7, die von Hrn. Sasse (S. 215) etwas BE höher, FT und 97,6, wobei namentlich die letztere Zahl auffallend hoch \ ' e erscheint, zum Zeichen, dafs auch in dieser Gruppe die Breite erheblich E # niedrigere Maalse ergeben hat. Berechne ich die Schädel des Hrn. Davis Pr, “ und die meinigen zusammen, so erhalte ich im Mittel für train F 8 Männer 4 Frauen 12 Schädel ve E einen Längenhöhen-Index von 71,6 71,2 71.5 he einen Breitenhöhen-Index von 89,6 88,1 89,1 2 Phys. Ki. 1876. 28 “ r 4 : n* » > E : 218 Vırcuow: Beiträge zur physischen Anthropologie Diese Zahlen stehen den früher (S. 122) von mir mitgetheilten Zahlen für die Zuiderzee-Insulaner ganz nahe, näher, als irgend einer der anderen, zur Vergleichung gezogenen Gruppen. In Bezug auf den Län- genhöhen-Index nähern sie sich am meisten den Urker, in Bezug auf den Breitenhöhen-Index den Marker Zahlen (8. 124). Ungleich gröfser sind die Differenzen zwischen den einzelnen Beob- achtern, wenn man die Mittel aus den absoluten Zahlen berechnet. Ich finde dann die Länge Breite Höhe aus 3 Schädeln v. d. Hoeven 183,3 Mm. 141,0 Mm. — Mm. Sao R Davis 0:0. Rn 18340 Da 184,975 Er 5 Virehow..:... 1198, 5. FRIA2A5 126,5, EN 182,515, 111448,6..0, EA, „142 5 E — 230,0085 si Fa A Sassersa haut, BORE2- IH 145,1 (5 136:0, 7% Lasse ich jedoch die weiblichen Warga-Schädel aus der Rechnung, so stellen sich die Zahlen viel mehr gleichartig. Ich erhalte dann als Gesammtmittel aus den 11, beziehentlich 8 männlichen Schädeln von Davis, van der Hoeven und mir Länge Breite Höhe 185,1 Mm. 146,9 Mm. 133,6 Mm. also Zahlen, welche denen des Hrn. Sasse sehr viel näher stehen, nur dafs bei ihm sowohl die Länge, als die Höhe gröfser sind. Für die Gesammtheit der Schädel kann ich, da bei Hrn. Sasse keine Einzelangaben existiren, nur die Maxima und Minima zusammen- stellen: n: $2 _ nt rel gr RT j Jr Pl gung der Friesen. 219 ir Ei & ” R u E18 Be: u: Re: Ben Mittel-Friesland = = & = > "A \ = = = = 3 = | und ui ' | A; Br: 198 171 153 135 = SE 147 126 Eu 196 174 153 135 | 3 1, | nu D van der Hoeven . 186 | 180 142 139 — _ ur ! | | PA 190,5 182,9 158,1 139,7 139,7 | 129,5 Dame ee ).7% % 190,5 | ı828,9| 1575| 1478| 137,2 | 192,2 hr | ‘ er 192 175 147 1377 | 135 120 Re. Virchow | air 132 175 145 11 | 132 121 h | | ; ‚ Ä Diese Zusammenstellung lehrt auf das deutlichste, dafs die indi- a viduellen Verschiedenheiten der Schädel des Hrn. Sasse um Vieles grölser 5 n sind, als die irgend einer der anderen Gruppen, ja um so viel grölser, a ? x ‘ wi dals in den anderen drei Gruppen zusammengenommen keine gleich ER h grofsen Differenzen herauskommen. Ich glaube daher auch weitere, ins £ Einzelne gehende Vergleichungen bei Seite lassen zu dürfen, zumal da 2a h> meine zusammenfassende Betrachtung der Warga-Schädel die verschiedenen us ; Gesichtspunkte schon in eingehender Weise gebracht hat. a $ \ = a = Bi > ah: f ER | Aus denjenigen Gebieten, welche dem alten Westfriesland, wie ag i es sich im Beginn des Mittelalters darstellt (S. 17—21), angehörten, haben Dr 3 mir selbst keine Schädel vorgelegen. Hr. Davis!) giebt die Maalse für ei r den Schädel eines 53jährigen Mannes aus Nordholland an. Derselbe (Nr. 748) hat einen Längenbreiten-Index von 85, einen Längenhöhen-Index Ei F - s 3 e : E are je von 73 und einen Breitenhöhen-Index von 85,9, ist also ein niedriger Fi N Brachycephalus. Die Mehrzahl der Einzelmaafse ist eher klein. Ich in, u , !) Barnard Davis, Thesaurus eraniorum p. 105. Era & ’ e 28* 8 & 2 ER 2 % dp 220 Vırcuow: Beiträge zur physischen Anthropologie gebe sie unter Vorsetzung der von Hrn. Davis gewählten Buchstaben- Zeichen (S. 158 und 212) und unter gleichzeitiger Umrechnung in Me- termaals: B. . . 20,1 = 510,5 Mm. ONE EIERN a) 46 —= 116,8 „ b) . 48 — 121,9: ec) 46. 116,8 , a se Bro ne a a) 47 11947, b) 5,1 1995, co) 45 ='1143 , NN Met A TOHRSN a) 13 > 1090, b) 46 = 1168 „ c) 4,2 = 106,7 e EI 29 gr a 3BMo In sehr entschiedener Weise erscheint hier überall das Mittelhaupt bevorzugt, trotzdem dafs die gerade Höhe (124,5 Mm.) von ungewöhn- licher Kleinheit ist. Eine sehr grofse Zahl von Untersuchungen westfriesischer Schädel verdanken wir Hrn. Sasse, der zu wiederholten Malen auf dieses Gebiet, innerhalb dessen er selbst wohnt, zurückgekommen ist. Ich gebe zunächst eine kurze Uebersicht seiner Ergebnisse in ihrer historischen Entwickelung: 1) Seine ersten Mittheilungen !) betrafen 50 Schädel von Zaan- dam, einem Orte ın der Nähe des Y, nicht allzufern von der Insel Marken. Er erwähnt dabei, dafs die Zaanländer noch viele Eigenthüm- keiten bewahrt haben, dafs blaue Augen und blonde Haare noch die 1) Verslagen en Mededeelingen der Koninkl. Akademie van Wetenschappen. Afd. Natuurkunde. Amsterd. 1865. D. XVII. Bl. 385. nn bilden und das braune Iris und den Balkan bis schwarzes R j Haar beträchtlich selten seien. Er findet nun im Mittel die gröfste Länge . . . zu 184 Mm. * Si ra Fa den Längenbreiten-Index. „ 80,8 „ Weitere Mittheilungen über diese Schädel macht er nicht. Indefs folgert er aus den von ihm erhaltenen Zahlen, dafs der Schädel-Index mehr an Brachycephalie, als an Dolichocephalie denken lasse. Nur 36 pCt. der Schädel (18) ergaben im Mittel 77,6, was nach deutscher Termino- logie der Mesocephalie entspricht. Als Maximum findet Hr. Sasse 91,0, als Minimum 70,7. Ich bemerke, dafs der Index von 80,8 genau dem Breiten-Index der Weiberschädel von Warga und dem Breiten-Index der Männerschädel des Hrn. Davis entspricht, dagegen gröfser ist, als der Index der Zuiderzee-Insulaner. In 6 Fällen wird die Persistenz der Stirnnaht angegeben. 2) Kurz nachher!) untersuchte Hr. Sasse 18 Schädel aus Rijp und 11 aus Broek op Langendijk: der Schädel-Index der ersten war 81,9, der der letzteren 79,2. 3) Nächstdem berichtete?) Hr. Sasse über 10 Schädel aus der Provinz Seeland und zwar von der Insel Zuid-Beveland, über 2 Schä- del von Langeraar in Nordholland, etwas nordöstlich von Leyden, über 28 Schädel von Geertruidenberg im westlichen Theile von Nord-Bra- brant und über einen Schädel von Kolhorn, einem Dorfe im nördlichen Theile der Provinz Nordholland, der im engeren Sinne noch jetzt Westfries- land genannt wird. Von letzterem Schädel sagt er sofort, er sei lang und etwas niedrig. In der That stellte sich hier ein auflfälliger Gegensatz der Seeländer Schädel gegen alle übrigen, nicht blofs gegen den Kolhorner, sondern auch gegen die Langeraarer und die (3 allein genauer bespro- chenen) Geertruidenberger heraus. Die Zahlen des Hrn. Sasse lauten folgendermaalsen: 1) Ebendaselbst Bl. 401. 2) Archiv für Anthropologie 1867, Bd. II. S. 101. 222 Vırcuow: Beiträge zur physischen Anthropologie SEHR as. dem 10 Zee- Langeraar Geertruidenberg uwen |_ Kolhorn alten Westfriesland 4 Mittel it 28 4. 11. 24. Gröfste Länge . . . . 171,6 198 195° | 184 188 187 186 2 Breiten 146 147 143 140 138 129 140 Aufrechte Höhe. . . . 140,9 128 130 122 129 134 125 Ganze Hohe... 132,1 127 127 120 123 126 117 Breiten-Index . . „ . 85,1 74,3 | 73,4 76,1 73,4 69,0 75,3 Höhen-Index . . . . 81,1 64,7 66,6 66,3 68,6 71,7 67,2 Auffälliger kann der Gegensatz nicht wohl sein. Gegenüber der Hypsicephalie der Zeeuwen tritt eine starke Chamaecephalie aller übrigen Schädel, ganz besonders der Langeraarer und Kolhorner her- vor, freilich gepaart mit Dolichocephalie. Rechnen wir die sämmt- lichen Schädel mit Ausschlufs der Zeeuwen zusammen, so erhalten wir einen Breiten-Index ım Mittel von 73,4 und einen Höhen-Index von 67,5. Diese Zahlen kommen denen der Marker am nächsten, denn diese lauten 75,5 und 67,0 (8. 75). 4) Die folgende Mittheilung!) des Hrn. Sasse, obwohl nicht genau hierher gehörig, betrifft 29 Schädel aus Amsterdam, die an der Stelle eines alten Ursulinerinnen Klosters aufgegraben und deren Alter auf das Jahr 1400—1596 gesetzt wurde. Indefs waren nur 15 davon deutlich weiblich, 11 männlich. Er erhielt folgende Zahlen: Gröfste Länge . 177 Mm. 5 Breiter 2 Age Höhe. u 2 ara Breiten-Index.. . 81,0 „ Höhen-Index, #%2..175;6 5 Ein wesentlicher Geschlechtsunterschied im Breiten-Index wurde nicht gefunden. 5) Es schliefst sich nun eine ausführliche Erörterung der seelän- dischen Schädel an.?) Es sind 10 Schädel von Süd-Beveland und einer !) Nederlandsch Tijdschrift voor Geneeskunde. 1871. ?) Archiv für Anthropologie 1873. Bd. VI. S.75. Nederl. Tijdschr. 1874. Fe Pi Nord-Beveland. Erstere stammen von einem früher stark bevölker- ten Theile der Insel, der in den Jahren 1530—32 von der Fluth über- strömt wurde, so dafs 2 Städte und 25 Dörfer verschlungen sein sollen. Die Aufgrabung selbst konnte nur während der Zeit der Ebbe vorge- nommen werden. Nur 2 von diesen Schädeln sind als weibliche, 7 da- gegen als ausgeprägt männliche bezeichnet. Zu den schon vorher (S. 222) angeführten Zahlen füge ich hier das Maafs des Schädel-Inhalts hinzu: es betrug im Mittel 1323 Cub. Cent., im Maximo 1545, im Minimo 1215. Letzteres ist ein weibliches Maafs, indels kommen zwei männliche Schädel mit 1225 und 1280 ihm sehr nahe. Vom Unterkiefer speciell wird ge- sagt, er sei klein, umschliefse eine kleine, untere Gesichtsbreite, habe eine sehr flache Krümmung, ein breites Kinn und kleine Aeste, die mit dem Körper einen Winkel von durchschnittlicher Gröfse (115° im Mittel) ein- schlielsen. “ 6) Gleichzeitig kam Hr. Sasse auf die Geertruidenberger Schädel zurück, wovon er 25 (3 deutlich weibliche, 20 männliche) beschreibt. Er giebt unter vielen anderen folgende Zahlen: Gröfste Länge . 184,92 Mm. & Breite 1uh1442;6 ui, 3 Habe u, 118253: % Breiten-Index . 771 „ Höhen-Index.. . 715 ” Capaeität . . .. 1442 Cub. Cent. Ueberblickt man diese Untersuchungen !), so darf man sich nicht mit Hrn. Sasse auf den engen Standpunkt der neueren politischen Ein- theilung des Landes stellen, welche nur der nördlichsten Spitze von Nordholland, jenseits Alkmar, noch den Namen Westfriesland belassen hat. Ich will ebenso wenig so weit gehen, dafs ich Westfriesland bis Östende rechne (S. 21), aber die Schädel von Geertruidenberg, welches 1) Nachträglieh bemerke ich, dafs Hr. Sasse (Archiv für Anthropologie 1376. Bd. IX. S. 1) so eben weitere Mittheilungen über 11 Schädel von Broek auf Langendijk und 7 von Kolhorn veröffentlicht hat. Er erkennt jetzt selbst an, dafs „namentlich die 224 VırcHuow: Beiträge zur physischen Anthropologie schon südlich von der Maas, gegenüber dem Verdronke Waard van Zuid- Holland liest, zeugen dafür, dals die Grenze bis zum Sinkfal (8. 21) reichte. Denn man mag einen höheren Grad von Chamaecephalie in Kolhorn und Broek finden, aber die Verwandtschaft der Geertruidenberger ist so augenfällig, dafs Hr. Sasse, wenngleich von einem ganz anderen Gesichtspunkte aus, gleichfalls auf dieselbe kommt. Ueberall finden wir hier mesocephale Schädel, mit mehr oder weniger Hinneigung zur Brachy- cephalie (im deutschen Sinne) und stets mit groflser Niedrigkeit. Hiervon machen nur die Amsterdamer und die seeländischen Schä- del eine Ausnahme, die ersteren in mälsigem, die letzteren im stärksten Maafse. Die hypsibrachycephalen Schädel der Zeeuwen wage auch ich nicht als friesische anzusprechen. Nun sind Süd- und Nord-Beveland die süd- lichsten der seeländischen Inseln, und man könnte glauben, hier schon auf ein flamändisches Element zu stolsen. Aber ich erhielt?) bei der Untersuchung flamändischer Schädel ım Mittel nur einen Breiten-Index ‚von 76,1 und einen Höhen-Index von 70,9, also Zahlen, welche viel besser zu den friesischen, als zu den seeländischen Schädeln passen. Auch auf friesischem Boden sind wir auf Brachycephalen gestolsen, aber sie hatten doch keine Breiten-Indices von 85 und noch weniger Höhen- Indices von 81. Selbst die 6 Schädel des Hrn. Barnard Davis ergaben nur einen Breiten-Index von 80,8 bei einem Höhen-Index von 72,5; nur sein Schädel aus Nordholland erreicht den Breiten-Index von 85 bei einem Höhen-Index von 73 (8. 219). Um so mehr bemerkenswerth ist es, dafs der einzige seeländische Schädel, welchen Hr. Davis aus seiner Samm- Kolhorner sich als ausgezeichnete Chamaecephali ausweisen.“ Ich berechne aus seinen Zahlen für Broek Kolhorn die gröfste Länge . . 186,4 Mm. 185,4 Mm. SMHRS Breiten 22 2746,00 Salat ame hr Höhe, 15151. 212953, 2, 212 582% den Breiten-Index . . 783 „ 10,300 den Höhen-Index . . 70,8 die Capacität . . . . 1495,9 1404,2 Cub.-Cent. Cub.-Cent. 2) Archiv für Anthropologie 1873. Bd. VI. S. 112. 2 } FEN ; | EN A ra öiten-Index von 86 ‚und einen. Höhen-Index NOTE OR Pix er j k r n „Yu By Trotzdem scheint Bach ausschliefslich. Bihahyeäphäht in Seeland standen zu haben. Wenigstens erwähnt Hr. Sasse selbst Untersuchun- gen des Dr. de Man, aus welchen hervorgehen soll, dafs der Küsten- u saum der Insel Walcheren einstmals von Dolichocephalen besetzt gewesen [ " gei. Immerhin wird man zugestehen müssen, dafs die Brachycephalen der beiden Beveland-Inseln mehr Analogien in der nicht friesischen Be- völkerung der Niederlande haben. ON Hr. Harting?) hat, leider ohne weitere Angabe, die Maafse von 14 niederländischen Schädeln gegeben; ihr Längenbreiten-Index betrug 82. u Der Höhen-Index ist aus den früher (S. 55) aufgeführten Gründen leider _ nicht zu vergleichen. Neuerdings hat er, bei Gelegenheit einer Unter- suchung über die Anwendung des Hutmacher-Conformateurs zur Schädel- messting von Lebenden ?), 512 Maaflse von männlichen Köpfen aus Utrecht mitgetheilt und dabei nach Abzug der Weichtheile dieselbe Zahl erhalten. M Hr. Barnard Davis hat nur einen Schädel von Utrecht, Nr. 1326, der von einem 110 Jahre alten Weibe herstammt; derselbe zeigt einen _ Breiten-Index von 80 bei einem Höhen-Index von 69. Dagegen besitzt er 7 Schädel aus Gelderland; dieselben ergeben folgende Verhältnifszahlen: Längenbreiten- Längenhöhen-Index Nr. 368 2 - gaNTAR BUN 76 B on TR 70 2 „ 1325 84 79 B 1397, 287 74 a 5 Männer 79,8 74,6 Bi: Nr.. ‚363, „76 64 A 1394. 274 65 R 2 Weiber 75,0 64,5 { Gesammtmittel 78,4 7152 4 1) Barnard Davis, Thesaur. cran. p. 107 Nr. 1320. 2) Harting, Het eiland Urk Bl. 62. ®) Harting, Le plan median de la tete neerlandaise masculinee Mem. de — Vacademie Royale Neerlandaise des sciences. Amsterd. 1874. p. 14. Phys. Kl. 1876. 29 226 . Vıronow: Beiträge zur physischen Anthropologie Diese Zahlen nähern sich viel mehr den friesischen. Namentlich ist dies der Fall bei den Weibern, während die Höhen-Indices der Män- ner mit einer einzigen Ausnahme höhere Zahlen ergeben. Noch viel mehr tritt dies bei den Amsterdamer und den ganz allgemein als holländisch bezeichneten Schädeln des Hrn. Davis hervor: Längenbreiten- Längenhöhen-Index Nr.#1327%% 84 76 Tag 79 aa 72 Saar: 74 BRETT 78 BE 76 „1322779 78 7 Männer 78,5 76,1 Nr. 360%.=9279 72 PN I76 72 SUISSE 70 ENT, WS 13 SLWSCINN SZ 72 5 192909280 77 6 Weiber 79,1 72,6 (Gesammtmittel 78,8 74,5 Hier ist ein einziger dolichocephaler Schädel verzeichnet, dagegen 6 brachycephale (Index 80 und darüber). Das Mittel der Breiten-Indices verträgt sich mit dem friesischem Maalse, dagegen sind die Höhen-Indices bei den Männern mit emer einzigen Ausnahme hoch, bei den Frauen freilich durchschnittlich niedriger, aber doch nur in einem Falle bis auf 70 zurückgekommen. Indefs nennt Hr. Davis mehrmals Schädel von einem Höhen-Index von 72 schon platycephal; einmal, bei dem Schädel Nr. 566, von einem 57 jährigen Amsterdamer Fischweibe, sagt er: A small, low, prognathous skull of an Amsterdam poissarde. In einem anderen Falle, bei einem 35jährigen Manne von Am- sterdam (Nr. 749) wirft Hr. Davis die Frage der künstlichen Defor- mation auf. Er sagt: This peculiar brachycephalie thin skull, which . i der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 227 has a flat, low frontal bone and an unusual intertemporal diameter, bears marks of artificial deformation, in a depressed groove, about an inch wide, across the fore part of the parietals, following the course of the coronal suture. Sollte diese Auffassung richtig sein, was sich ohne genauere Kenntnifs des Schädels nicht wohl entscheiden läfst, so ist doch zu bemerken, dafs der Schädel einen Breiten-Index von 82 und einen Höhen-Index von 79 hat, also mit den Friesen in gar keiner Bezie- hung steht. Aufserdem erörtert Hr. Davis bei mehreren Schädeln, namentlich bei den gelderländischen Nr. 747, 1324 und 1326 die Frage ihrer pla- stischen Deformation, eine Frage, auf welche ich später noch zurück- kommen werde. Die von Hrn. Lubach!) mitgetheilten Zahlen für 20 niederlän- dische Schädel sind leider weder auf bestimmte Verhältnisse berechnet, noch- so weit im Einzelnen mitgetheilt, dafs man sie zu sicherer Ver- gleichung verwerthen kann. Er findet als Mittel für die Länge . 184 Mm. Breite . 138 „ kone -, 181 Jedenfalls kann man zugestehen, dafs der zweite Typus des Hrn. Lubach (S. 34), der mehr runde, sich auch nach unseren Zahlen in grölserer Ausdehnung auf nicht friesischem, als auf friesischem Gebiete findet, und es mag daher wohl zutreffen, dals derselbe überwiegend bei der mehr brünetten Bevölkerung der mittleren und südlichen Theile der Niederlande vorkommt. Ob man ihn jedoch mit Hrn. Lubach als den eigentlich niederdeutschen dem friesischen entgegenstellen soll, ist mir um so mehr zweifelhaft, als seine schärfste Erscheinung bei den Zeeuwen von Beveland hervortritt und die Frage des Hrn. Sasse hier gewils berech- tist ist, ob als Träger dieser Eigenschaft nicht ein viel älteres, vorger- manisches Volkselement aufzusuchen sei. Der niederdeutsche Schädel ist der sächsische und dafs dieser noch wieder von dem fränkischen, wie 1) Lubach I. c. Bl. 421. 29* 228 Vırcnmow: Beiträge zur physischen Anthropologie von dem friesischen getrennt werden kann, dürfte vor der Hand eher bestritten, als zugestanden werden können. Man mülste sonst auf. die historisch eben so wenig, als ethnologisch beglaubigte Geschichte!) von der slavischen Abkunft der Wilten zurückgehen, und die Bataver, Chat- tuarier und Chamaven, sowie die salischen Franken in der Betuwe, in der Veluwe, in Gelderland u. s. w. schon früh durch Wilzen-Blut verunreimigt werden lassen. Schon seit langer Zeit ist die Aufmerksamkeit der Forscher auf die grolse Zahl prähistorischer Funde gerichtet, welche diese Gegenden bieten. Am längsten sind die grolsen „Hünenbetten“ der Provinz Drenthe bekannt ?), mächtige megalithische Monumente, ähnlich denjenigen, welche sich durch Hannover und Westfalen verfolgen lassen. Im Jahre 1847 wurden ihrer noch 5l in Drenthe und 1 in Groningen gezählt?). Allein soviel ich habe ermitteln können, sind niemals menschliche Schädel aus ihnen gesammelt worden, und es läfst sich daher keine Anknüpfung an das Volk, welches sie errichtete, gewinnen. Sehr alt sind auch die „Heerd- stätten“, wie sie neuerlich bei Hilversum in Gooiland in grofser Zahl aufgedeckt worden sind *); sie wären um so wichtiger, als die Vermuthung besteht, dafs dieser, am Südwestrande der Zuiderzee gelegene Landstrich früher mit der Insel Urk und weiterhin mit Gaasterland, dem südwest- lichsten Theile des mittleren Friesland, in Zusammenhang gestanden hat. Diese Heerdstätten enthalten, glich den Trichtergruben in verschiedenen anderen Landestheilen, zahlreiches Steingeräth, namentlich geschliffene Steine, aber auch sie sind bis jetzt stumm in Bezug auf die Menschen, welche dort gewohnt haben. In Friesland selbst hat die in der letzten Zeit in immer grölserer Ausdehnung erfolgende Abtragung der alten Erd- aufwürfe (terpen), wie sie namentlich im Umfange der alten Mittelsee in grolser Zahl vorkommen, vielfache Ueberreste der Vorzeit, namentlich !) Richard Andr&e, Wendische Wanderstudien. Stuttg. 1374. S. 161. 2) Nicol. Westendorp, Verhandeling ter beantwoording der vrage: welke volkeren hebben de zoogenoemde hunebedden gesticht? Groningen 1822. Bl. 49. L.J.F. Janssen, Drenthsche Oudheden. Utrecht 1848. ®) Verslagen en Mededeelingen der koninklijke Akademie van Wetenschappen. Amsterd. 1869. Afd. Letterkunde. D. XII. Bl. 168. #) L. J. F. Janssen, Hilversumsche Oudheden. Arnhem 1856. ae: zu Tage gefördert 3 allein mit Ausnahme des schon er- wähnten (S. 162) Terp von Bolsward, scheinen nirgends menschliche _ Gebeine daraus gesammelt zu sein. Ueberdies ist es schwer, aus der "blofsen Anwesenheit gewisser Arten von Geräthen gerade hier einen sicheren Anhalt für das Alter des Fundes zu gewinnen, da Ausgrabungen ’ unterhalb Hervelt und zu Wijk bei Duurstede unmittelbar neben Stein auch Metallgeräthe zu Tage gefördert haben ?), die Scheidung zwischen Stein- und Metallzeit hier also nicht zutrifft. - Der einzige ältere Gräberschädel, von dem ich Kunde habe, ist | von Hrn. Harting®) beschrieben worden. Er stammt aus einem grö- (seren Gräberfeld am Berg von Wageningen, in dem leider aufser Topf- scherben „von germanischer Form“ nichts von Beigaben entdeckt wurde. h Hr. Harting, der den Schädel für celtisch hielt und seinen grofsen Unterschied von den Urker Schädeln betonte, giebt folgende Maafse davon an: o Umfang. . . ,. 539 Mm. w Sagittalllne . . 334 „ IEänge/ 00 19a Donche, 2... rl2 >. v. Surnhreitä „.. . ‚1200... a Hinterhauptsbreite 144 „ 4, Basilarbreite .. . ‚118 _ 02 W-——Hl : 0,62 3 11T: 1,37 a1 1:1,34 a SA In der Oberansicht erscheine der Schädel schön oval, nach vorn verhältnilsmälsig breit, die gröfste Breite mehr nach unten und vorn gelegen, das Hinterhaupt merklich länger und mehr gewölbt. In der 1) Dirks, Congres international d’anthropologie et d’archeologie pr£historiques. Sess. V. Bologna 1871. p. 210. Sess. VI. Stockholm 1874. p. 836. h 2) Janssen, Hilversumsche Oudheden. Bl. 50. 3) Harting, Het eiland Urk. Bl. 61, 65. N, u eier Berücksichtigung der Bien. 2 230 Vıronow: Beiträge zur physischen Anthropologie Länge übertreffe der Schädel alle anderen, während die Höhe und die Breite sowohl am Hinterhaupt, als an der Basis etwas unter dem Mittel blieben. Das Vorhaupt sei ziemlich niedrig und seine Wölbung nicht mehr als mittelmäfsig; dafür trete das Hinterhaupt stark nach rückwärts hervor. Die Vorder-Fontanellgegend liege ungewöhnlich weit nach vorn, 55 Mm. hinter dem Scheitelpunkte, so dafs eme von da gefällte Senk- rechte 45 Mm. aulserhalb (buiten) des Vorderrandes des Foramen magnum, und nicht, wie sonst, innerhalb (binnen) dieses Randes falle. Das Fo- ramen magnum, welches eine mehr längliche Form (40 Mm. Länge und 28 Mm. Breite) besitze, liege viel weiter nach rückwärts, als bei den Urker Schädeln. Aus dieser Beschreibung geht hervor, dafs wir es hier mit einem dolichocephalen Schädel zu thun haben, dessen Längenbreiten-Index von 74,6 ıhn viel mehr zu den fränkischen Schädeln stellt. Jedenfalls unterscheidet er sich ungleich mehr von den Zeeuwen, als von den Zui- derzee-Schädeln. Indefs muls er doch auch von diesen recht verschieden sein, da ein so erfahrener Beobachter, wie Hr. Harting, ihn davon aus- führlich unterscheidet und sogar angiebt, er sei von den Schädeln aller europäischen Völker verschieden. Nichtsdestoweniger möchte ich glauben, dafs er der Reihengräberform angehört. Zum mindesten ist er nichts weniger als brachycephal. ; Obwohl ıch die Möglichkeit einer primitiven reinen Brachycephalie der Urbevölkerung in den Niederlanden nicht zurückweise, so scheint mir der Nachweis derselben doch noch erst zu liefern zu sein. Ich wende mich nunmehr zu Ostfriesland. Wie schon früher erwähnt, hat Hr. Barnard Davis!) einen Schädel von Emden kurz be- schrieben. Er bezeichnet ihn als den eines etwa 30jährigen Weibes: a globular brachycephalie cranıum. Breiten-Index 80, Höhen-Index 77. Nach der Capacität von 1634 Cub. Cent. (= 82 Unzen Sand) zu ur- !) Barnard Davis, T'hes. cran. p. 104. a x n. f e F “ D Zi Bi . Tue a} re 5 RT are R theilen, gehört dieser Schädel schon der macrocephalen Varietät an. Jedenfalls ist er nichts weniger als chamaecephal. Weitere Beschreibungen moderner Östfriesenschädel sind mir nicht bekannt. Um so mehr muls ich .den sehr merkwürdigen Moorfund von Friedeburg hervorheben, über welchen ich selbst!) schon früher einmal berichtet habe. Der Fund hat seiner Zeit grofses und verdientes Aufsehen erregt und ist sehr viel besprochen worden. Indefs scheint er frühzeitig eine mehr mythische Behandlung erfahren zu haben. Denn in der einen Tradition war die Leiche eines Mannes, in einer anderen die einer Frau daraus geworden, während ich in den wirklichen Resten die eines Kindes erkannte. Bereits Arends?) beklagte sich über die vielen Unrichtiskeiten, welche (schon 7 Jahre nach der Auffindung) über die Kleidungsstücke, mit denen die Leiche bekleidet war, verbreitet waren. Ich folge seinen Aufzeichnungen: - Im Jahre 1817 fand ein Tagelöhner beim Torfgraben in einem kleinen, zur Feldflur des Dorfes Etzel gehörigen, 4 Stunde östlich von Marx gelegenen Moore ein menschliches Gerippe. Dasselbe lag ungefähr 6 Fuls unter der Oberfläche auf festem Sandgrund, bedeckt von etwa 3 Fuls schwarzem und dann von braunem Torf. Kreuzweis darüber lagen 4 (nach Anderen 2) Pfähle aus Birken- (nach Anderen Eichen-) Holz, welche an beiden Enden in die Erde gesteckt zu sein schienen. Bekleidet war die Leiche mit einem Wamms oder Rock, einem Mantel, einer Hose und Schuhen. Jeder der letzteren bestand aus einem Stück, dem An- schein nach ungegerbten Leders, war ohne Sohlen, oben der ganzen Länge nach offen, hinten mit einer Naht, an den Seiten mit Schnürlöchern, in denen Riemen steckten, versehen, die Spitze schaufelförmig aufgerichtet. Länge 94 Zoll. An der einen Seite ist das Leder an den Seitentheilen unter den Schnürlöchern mit einer Reihe kleiner eingedrückter Dreiecke ver- sehen, in deren jedem sich ein Sternchen befindet; weiter nach hinten sind Figuren von Laubwerk, Sternchen u. s. w. symmetrisch eingeprelst, 1) Verhandlungen der Berliner anthropologisehen Gesellschaft 1874. S. 34. Zeitschrift für Ethnologie. Bd. 6. 2) Friedr. Arends, Erdbeschreibung des Fürstenthums Ostfriesland und des Harlingerlandes. Emden 1824. S. 161. Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 231 232 Vıronow: Beiträge zur physischen Anthro pologie die sich auch um den Hinterrand fortsetzen. (Abbildung in Spangen- berg’s Neuem vaterländischen Archiv Bd. 2. Heft 1.) Die übrigen Klei- dungsstücke bestanden aus braunem, geköpertem Wollengewebe. Am besten erhalten war das 3 Fuls 2 Zoll (Groeninger Maals) lange, unten 3 Fufs, oben 2 Fufls 94 Zoll breite Wamms, welches oben mit einem Zoll langen Einschnitt versehen war, der, so wie der obere und untere Rand, ordentlich umsäumt war. Vom Mantel waren nar einige ganz zerrissene Lappen da, welche ein Futter von demselben Zeug hatten. Die eben- falls ganz zerrissene Hose war zum Theil auch mit gleichem Zeug ge- futtert, ohne Knöpfe, jedoch oben mit einem weiten Saum eingefalst, „durch welchen ein Riemen zum Zuschnüren wird gesteckt gewesen sein“; sie ist oben 2 Fufs weit, an den Schenkeln 12 Zoll, im Ganzen 3 Fufs lang; einige Stellen sind gelappt (geflickt) und die Lappen, welche eine noch dunklere Farbe haben, sind mit sehr groben Stichen angeheftet. Uebrisens war Alles ordentlich mit grobem wollenen Garn genäht und umsäumt, einige Stellen mit feinerem, welches wie geflochten erschien, bei näherer Untersuchung aber ganz geköpertem Garn glich. Hr. Arends schliefst, dals das „Grab“ angelegt sein. müsse, als das Moor erst die Hälfte seiner jetzigen Höhe hatte, denn brauner Torf verwandle sich nicht in schwarzen und die Leiche sei 3 Fufs hoch mit schwarzem Torf bedeckt gewesen, während das übrige Moor aus braunem Torfe bestand. Ich will auf diese Rechnung nieht eingehen, nachdem die verschiedensten Archäologen sich dahin geeinigt haben, die Art der Be- kleidung und Verzierung höchstens bis zum 8. Jahrhundert rückwärts und etwa bis zum 10. Jahrhundert vorwärts zu rechnen. Immerhin hätten wir einen wahrscheinlich ächt friesischen Schädel vor uns, vielleicht den ältesten bekannten, und obwohl an den Knochen selbst keine deutlichen Spuren einer vor dem Tode zugefüsten Verletzung zu bemerken sind, doch ein wahrscheinlich auf gewaltsame Weise getödtetes Individuum. Ob dasselbe lebend im Moore versenkt sei, kann dahin gestellt bleiben, nachdem wir das historische Zeugnils besitzen, dafs die quade Fölke !) Visbeck (Die Niederweser und Österstade. 1798. S. 28, 100) bringt Be- rechnungen bei, wonach an der Niederweser der Marschboden sich in jedem Jahrhundert um etwa 9 Zoll erhöht. } “ * - r k Sl a a 1 ey 2 . Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 233 Fa noch im Jahre 1409 zwei adlige Jünglinge verhungern liefs und dann # Auftrag ertheilte, ihre Leichname in einem Moraste zu verscharren !). 2 Meine Untersuchung des jetzt in der Sammlung des historischen 2 Vereins für Niedersachsen zu Hannover befindlichen Schädels führte mich zu dem Schlusse, dafs es sich um ein Kind von höchstens 3—4 Jahren gehan- delt habe. Es ist dies einer der Widersprüche, wie sie in der Erörterung des Falles schon früher bemerkt worden sind. Die geflickte Hose palst nicht zu dem zierlich gepreisten Schuh, die Hose überhaupt nicht zu dem „Frauenrock“. Am wenigsten pafst aber ein 4jähriges Kind dazu. Ich würde daher das gröfste Bedenken tragen, den Schädel für den ächten zu halten, wenn nicht Hr. Studienrath Müller nach genauen Nachfor- schungen sich für seine Aechtheit verbürgte, und er aufserdem ein aus- gezeichneter Moorschädel wäre. Er hat einen Breiten-Index von 81 bei einem Höhen-Index von 59,2. und einem Breitenhöhen-Index von 73. Ersteres Maafs erklärte ich durch die grofse Distanz der in kindlicher Weise vorspringenden Schei- telbeinhöcker und ich liefs die Möglichkeit zu, dals der Volksstamm mehr schmalköpfig gewesen sei. Die geringe Höhe liefs sich zum Theil auf eine Verletzung der Basis cranii beziehen, wodurch die Gegend des Hin- terhauptsloches etwas eingedrückt und eine Fissur entstanden war, — eine Verletzung, die ich übrigens für eine posthume zu halten veranlafst war. Die Stirn ist niedrig, die Glabella voll, das Stirnbein hinter den Höckern sehr lang. Die Scheiteleurve durchweg niedrig. Die Oberschuppe stark nach rückwärts vorspringend. Im Wesentlichen finden wir also chamaecephale Merkmale, und ich konnte mich dahin aussprechen, dafs „dieser Kinderschädel mit neueren friesischen Schädeln, die ich un- tersucht habe, manche Aehnlichkeit bietet.“ Von einer Wiederholung der Zahlen im Einzelnen sehe ich hier ab. Schliefslich bemerke ich, dafs diese Gegend im Mittelalter zu der Landschaft Oestringen gehörte. ?) Südlich vom Amte Friedeburg liegt das Amt Stickhausen, welches sich unmittelbar an das jetzt oldenburgische Saterland anschliefst. Aus » 1) Wiarda, Östfriesische Geschichte. I. S. 377. 2) Arends a.a.0©. S. 150. Phys. Kl. 1876. 30 254 Vırcuow: Beiträge zur physischen Anthropologie dem südöstlichen Theil dieses Amtes von einem alten Warf (terp) bei dem Dorfe Potshausen erhielt ich durch meinen Assistenten, Hrn. Dr. Jürgens eine Reihe, leider vielfach beschädigter, menschlicher Knochen und zerbrochener Thongeräthe!). Letztere bestehen aus einem blau- grauen, schwach gebrannten und nicht geglätteten, jedoch sehr dichten und klingenden Thon; es sind theils Bruchstücke von Kochtöpfen, theils Trümmer grofser Pfannen mit langen Stielen und dicken Fülsen. Die Pfan- nen sind ungemein diek; manche der Töpfe dagegen haben nur dünne Wandungen. Im Ganzen zeigen sie den Charakter früh-mittelalterlicher *) Der Bericht des Hrn. Jürgens lautet folgendermafsen: Jever, 30. August 1874. Während der Rückreise von Norderney erfuhr ich in dem ostfriesischen Dorfe Stickhausen, dafs bei Gelegenheit eines Sielbaues an der jimmiger Ems Urnen gefunden seien. Ich erhielt hier die übersendeten Scherben; nach der Aussage der Arbeiter seien alle Urnen zerbrochen gewesen. Das besagte, neu gegrabene Sieltief hat das Westende eines 60 Fuls langen und breiten, flachen Sandhügels berührt, und um diesen Hügel herum ungefähr 3—4 Fuls tief im Moore finden sich die Urnen in grolser Anzahl, vielleicht alle zerbrochen, wie ich mich selbst an verschiedenen Stellen überzeugte. Ungefähr eine Stunde von Stiekhausen (Bahnstation) entfernt liegt das Dorf Potshausen. Diese beiden Dörfer liegen an der Grenze des sog. jümmiger Hammerichs, weiter grüner Moorflächen, die im Sommer gemäht, im Herbst und Winter überschwemmt werden. Fast inmitten dieser stundenweit sich ausdehnenden grürmen Wiesen liegt ein grolser Hügel, aus welchem ich die Schädel und Knochen ausgraben liels, die ich nach dem Institut schickte. Die Sage meldet, früher habe auf dieser Anhöhe eine Kirche ge- standen, welche zu einem ungefähr 2 Stunden entfernt liegenden Dorfe Filsum gehörte; eine Chronik Ahrends’ von 1789 sagt darüber, der Sage nach hätten die Filsumer die Kirche abgebrochen, sich dann vom Dorfe bis zum Kirchhofe in eine Reihe gestellt und, indem sie gegenseitig sich die Steine zugereicht, den Transport nach Filsum über Moorboden er- möglicht; darauf sei die Kirche in Filsum wieder aufgebaut. Ich liefs auf diesem sog. „Filsumer Kirchhofe* zwei Tage graben. Der Hügel besteht aus Sand- und Lehmboden mit schr vielen und grofsen Ziegelsteinen, die oft 5 Fuls tief sitzen. Nach vielem ver- geblichen Suchen stiefsen wir bei 7 Fuls Tiefe eben über dem Moorboden auf die grolsen Röhrenknochen. Indem wir nach der Richtung gruben, wo der Schädel dazu liegen mulste, fanden sich ungefähr 4 Fuls tief neben einander die übrigen übersandten Schädel, die trotz der grölsten Vorsicht nicht vollständiger zu erhalten waren; daneben die dazu gehörenden Skelettheile bunt durcheinander, aber so fragmentarisch, dafs ich keinen Werth darauf legte. Der in der Tiefe sich vorfindende, zu den Röhrenknochen gehörende Schädel war total zertrümmert; die Fragmente sind besonders eingepackt. Auffallend war, dals das Skelet auf dem Bauche und Gesichte lag. Daneben Spuren eines Holzsarges mit vollständig verrostetem Nagel. ee u FL 1 . ED 3 i der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 235 “ j } Geräthe. Von den Schädeln hat sich kein einziger ganz restauriren las- sen. Nur einer derselben war so vollständig mit festem Schlick erfüllt, dafs der letztere einen förmlichen Abgufs bildete. Man sieht daraus, dafs es ein ungemein langer und verhältnifsmäfsig niedriger Kopf war. Mit einiger Wahrscheinlichkeit maafs ich die Länge zu 213, die Breite zu 141 (?), die auriculare Höhe zu 110 Mm. Indefs ist der Kopf doch zu F sehr verdrückt, als dals man mit Bestimmtheit Indices berechnen könnte. 7 Unterkiefer sind sehr zahlreich, indels sämmtlich zerbrochen; mehrere y von ihnen zeigen deutlich progenaeische Bildung und sehr kleine Schnei- dezähne. Das merkwürdigste Stück, dessen Herstellung wenigstens in der ganzen Ausdehnung des Schädeldaches gelungen ist, war ein verhältnils- mälsig dünnwandiger Schädel von äufserster Länge und Niedrigkeit. Seine gröfste Länge (Nasenfortsatz des Stirnbeins bis Wölbung der Oberschuppe) beträgt 260 Mm.; die gröfste Breite läfst sich auf der einen Seite (Hälfte) zu 71 Mm. bestimmen, dürfte also zu 142 Mm. geschätzt werden können, was einem Längenbreiten-Index von kaum 52 entsprechen würde. Auch hier 3» ist wohl etwas posthume Verdrückung anzunehmen. Indels ist die Form sehr regelmäfsig und auch die einzelnen Theile sind in der Länge stark ent- wickelt. Das Stirnbein hat eine untere Breite von 2 > 50 = 100 Mm. und einen sagittalen Umfang von 118 Mm.; die Pfeilnaht mifst 130 Mm. Die 236 Vırcmow: Beiträge zur physischen Anthropologie sagittale Stirnsehne hat 108, die Mittelkopfssehne 115 Mm. In der seitlichen Ansicht ist die Scheiteleurve ganz flach, das Hinterhaupt vor- springend, mit einem Absatz am Lambdawinkel, die Stirn fliehend und fast ohne Höcker. Stark vortretende, sehr scharf abgesetzte, förmlich eckige und über der Nase zusammenfliefsende Stirnwülste geben ihm ein einigermalsen wildes Ansehen. Die Glabella liegt tief. Die Nasofrontal- naht greift mit einer hohen Curve in den Nasenfortsatz des Stirnbeins ein; die Nasenwurzel setzt tief an und der Rücken der fast ganz zerstör- ten Nasenbeine beginnt mit einer ziemlich scharfen und stark vorsprin- genden Erhebung. Die Kranznaht liegt weit zurück. In ihrer Mitte, sowie an der Pfeilnaht und der Spitze der Lambdanaht zeigt sich. begin- nende Verknöcherung. Die Protuberanz des Hinterhaupts ist von mäfsiger Stärke, dagegen die Linea nuchae superior sehr stark. Mag man der posthumen Veränderung auch einen Antheil an der Hervorbringung der Eigenthümlichkeiten dieses Schädeldaches zuschrei- ben, so bleibt doch eine grofse Aehnlichkeit nielrt nur mit den von Hrn. Spengel (S. 73) als neanderthaloid bezeichneten Schädeln von Marken, sondern auch mit dem eigentlichen Neanderthal-Schädel übrig. Letzteren habe ich nach einer eingehenden Untersuchung des Originals genauer be- schrieben !). Ich setze zur Vergleichung einen in gleicher Verkleinerung, 1) Verhandlungen der Berliner anthropologischen Gesellschaft. 1872. S. 157. Zeitschrift für Ethnologie Bd. 4. der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 237 wie bei dem Saterländer, nach einer geometrischen Zeichnung gefertigten Holzschnitt her. Daraus ergiebt sich allerdings keine Identität, aber eine hinreichend grofse Aehnlichkeit in den Hauptformen. Nächstdem lasse ich eine Ineinanderzeichnung der beiden Schädel folgen, wobei ich be- merke, dafs ich nicht einen einzelnen Punkt als Fixirungsstelle benutzt, sondern vielmehr die verschiedenen homologen Stellen (Glabella, Lambda- winkel) in gleichartige Position gebracht habe. Es ergiebt sich daraus leicht die gröfsere Länge, die flachere Scheiteleurve (und die geringere Breite) des Saterländers, dagegen die stärkere Entwickelung der Stirnwülste und der in ihnen verborgenen Stirnhöhlen bei dem Neanderthaler. Die gröfste Differenz tritt in der Länge der Pfeilnaht hervor, welche bei dem Saterländer ungleich beträcht- licher ist, während umgekehrt der Sagittalumfang des Stirnbeins bei dem Neanderthaler überwiegt. Ich fand bei dem Saterländer Neanderthaler den Sagittalumfang des Stirnbeins zu 118 Mm. 130 Mm. die Länge der Pfeilnahtt . . .. „ 130 „ 10 Indefs sind uns ähnliche Verschiedenheiten in der Länge der Pfeil- naht schon bei den friesischen Schädeln mehrfach aufgestofsen, namentlich auch bei denen der Zuiderzee-Insulaner, und man wird keinen entschei- u, NEV z e.% Er 238 Vırcuow: Beiträge zur physischen Anthropologie denden Werth darauf legen dürfen (S. 121, 192). Die gröfsere Länge des Sagittalumfanges des Stirnbeins bei dem Neanderthaler aber erklärt sich aus der Gröfse des Nasenwulstes. Ich würde dieser Vergleichung eine nur mälsige Bedeutung bei- lesen, wenn es sich um einen isolirten Fall handelte. Allein das Vor- kommen „neanderthaloider* Formen ist nirgends in gleicher Häufigkeit in einer Rasse constatirt, als in der friesischen. ‘Schon der erste bekannt gewordene Schädel dieser Herkunft, der Batavus genuinus von Blumen- bach hatte Hrn. Schaaffhausen selbst Veranlassung gegeben, eine Ver- gleichung anzustellen (S. 54). Die Einwendungen des Hrn. Huxley, welcher vielmehr die australoide Natur des Neanderthal-Schädels betonte, hat schon Hr. Spengel durch eine corrigirte Zeichnung des Marker Schädels abgeschwächt; noch viel mehr würde dies der Fall sein, wenn es möglich wäre, eine geeignete Vorder- oder Hinteransicht des Neander- thaler Schädels herzustellen und die grofse Verschiedenheit seiner breiten und flachen Scheitelwölbung gegenüber der schmalen, hohen und dach- förmigen Erhebung der Australier zu zeigen. Ich habe dargethan, dafs der Mann, welchem der Neanderthaler Schädel zugehörte, vielfachen krankhaften Einwirkungen ausgesetzt war und dafs speciell sein Schädeldach von solchen Einwirkungen in mannich- facher, aber sehr fühlbarer Weise betroffen worden ist. Es schien mir daher nothwendig, ihn vorläufig nur als eine merkwürdige Einzelerschei- nung gelten zu lassen und ihn als eine durchaus individuelle Bildung zu betrachten, „ehe wir nicht durch parallele Funde weitere Aufklärung er- langt haben.“ Gegenwärtig stehe ich nicht an, den Parallelismus der friesischen Chamaecephalen als einen höchst bedeutungsvollen anzuerken- nen, und obwohl das Neanderthal weder jetzt zu Friesland gehört, noch jemals dazu gehört hat, so ist es doch nicht so entfernt davon, dafs die Möglichkeit eines wirklich ethnischen Zusammenhanges von der Hand gewiesen werden könnte. Nichts steht übrigens der Möglichkeit entgegen, dals die Friesen vor dem Einbruche späterer erobernder sermanischer Stämme einen ungleich grölseren Bezirk von Nordwest-Deutschland be- setzt hielten. Die Aemter Friedeburg und Stickhausen enthalten zahlreiche alter- thümliche Einrichtungen. Aufser Hünenbetten finden sich daselbst jene =, n - s - der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 239 sonderbaren, uralten Wege, an denen Friesland reich ist und die unter dem Namen der Conrebberswege bekannt sind!). „Man zeigt“, sagt Arends?), „noch die Stelle, wo die alte Potshauser Kirche gestanden, 4 nordseits des Dorfes im Hamrich, auf einem Warf, dem Amelsbarg, “ Die Conrebberswege und die Warfen setzen sich auch in das Amt Leer fort, welches westlich von dem Amt Stickhausen an der Ems liest. Ganz in der Nähe der Grenze dieser beiden Aemter, bei der Eisenbahnstation Ihrhove, wurde eine alte Begräbnifsstelle aufgedeckt. Sie befindet sich auf einem schmalen Sandrücken, der sich von der Geest in die unmittelbar an der Ems belegenen niederen Landstriche abzweigt. Hr. Dr. Kirchhoff zu Leer hatte die Güte, mir im Jahre 1867 einige Schädelstücke und ein Paar stark patinirte Bronzesporen aus einem der Gräber zu schicken, welches aulserdem Urnenfragmente und eine Denkmünze des Kaisers Augustus enthalten haben soll. Es lag ım Alluvialboden nahe dem Ausflusse der Ems in den Dollart unter einem uralten Gehöfte. Leider liefs sich nur der vordere Theil eines Schädels und der grölsere Theil eines Unterkiefers wieder zusammenfügen; das Gesicht selbst fehlt gänzlich. Die Knochen sind dick, aber sehr brüchig. Nach der Gröfse der Stirnwülste und der Stirnhöhlen zu urtheilen, mufls der Schädel ein männlicher gewesen sein. Die Stirn selbst ist schmal, niedrig und flach gewölbt: auch die Scheiteleurve ist niedrig. Mefsbar sind aulser dem Längsdurchmesser der Stirn (sagittaler Umfang — 126 Mm., gerader sagit- taler Längsdurchmesser = 111 Mm.) nur einzelne Querdurchmesser: der obere frontale mit . 63 Mm. eaunterer N, er SPANE „ temporale er, ze „ parietale a Dem Unterkiefer fehlen die oberen Theile der Aeste. Die Zähne sind sehr abgeschliffen, das für die Schneidezähne bestimmte Mittelstück ist schmal, das Kinn dreieckig und leicht progenaeisch. 1) Arends a.a.O. S. 161, 175. ?) Ebendas. S. 191. 240 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologie Die Sporen sind ziemlich vollständig und mit reichlicher, grau- grüner Patina bedeckt. Sie haben kurze, kegelförmige Stacheln von 25 Mm. Länge und sehr lange Arme, welche jederseits am Ende in eine nach innen abgeplattete, nach aufsen mit ein Paar Querwülsten versehene Anschwel- lung auslaufen. Der mittlere Längsdurchmesser ihrer Ausbuchtung be- trägt 95 Mm. — Ueber die jetzt oldenburgischen Theile des alten Friesenlandes, namentlich über die Kreisgruben in den Watten und über die Altfunde im Jeverland, besitzen wir ausführliche Darstellungen des Hrn. von Al- ten!). Leider berühren dieselben die eigentlich anthropologischen Fra- gen nur nebensächlich. Und doch ist gerade in diesen Landestheilen, welche zum grofsen Theil dem alten Rustringen angehören, eine nicht kleine Zahl gut bestimmter Schädelfunde vorhanden, welche eine beson- dere Aufmerksamkeit verdienen. Schon vor längerer Zeit?) habe ich aus ihnen die in alten Stein- särgen gefundenen menschlichen Schädel hervorgehoben, zumal deshalb, weil unter ihnen eine eigenthümliche grofsköpfige Varietät vorkommt, welche als eigentliche Kephalonen bezeichnet werden kann. Obwohl man die Zeit nicht genau bestimmen kann, in welche diese Steinsärge zu setzen sind, so sprechen doch zahlreiche Umstände dafür, dals sie der ersten christlichen Zeit, etwa dem 9. bis 11. Jahrhundert angehören. Sonderbarerweise haben wir bis jetzt keine Gegend in Deutschland, wo sie häufiger angetroffen sind, als das alte Rustringer Land, das doch an Steinen so arm ist. Offenbar sind letztere von weit her eingeführt, sei es über See, sei es aus den oberen Weser-Gegenden. Fast alle diese Särge sind gegenwärtig im Oldenburger Museum vereinigt, wo sich auch die Mehrzahl der zu ihnen gehörigen Schädel findet. Ich habe daher im !) Fr. v. Alten, Archiv für Anthropologie 1874. Bd. VII. S. 157. 2) Verhandlungen der Berliner anthropologischen Gesellschaft 1872. 5. 78. (Zeit- schrift für Ethnologie Bd. 4). Ebendaselbst 1874. S. 244. (Zeitschr. f. Ethnol. Bd. 6). Die fünfte allgemeine Versammlung der deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Eth- nologie und Urgeschichte. Dresden 1874. S. 18. der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 241 "ae Jahre 1874 eine Reise dahin unternommen, um die Sachen an Ort und Stelle zu untersuchen und namentlich die Schädel mit einem, in meinem Besitze befindlichen Schädel von dort zu vergleichen. Die meisten der Oldenburger Steinsärge stammen von dem Kirch- hofe des Dorfes oder, wie sie schon früh heifst, der Insel Bandt, welche durch die Sturmfluthen des 16. Jahrhunderts zerstört wurde (S. 61). In- defs mufs man, wie gesagt, die Särge in eine ungleich frühere Zeit zurück- versetzen; sie entsprechen einer Gruppe sogenannter merovingischer Gräber in Frankreich !), und man kann sie wohl kaum bis über die karolingische Zeit hinausrücken. Ein ganz ähnlicher Steinsarg wurde schon 1829 zu Dangast am Jadebusen gefunden, und ein anderer ist erst in letzter Zeit auf der Domsdüne zu Bremen ausgegraben worden. Lassen wir den letzteren Fund zunächst aufser Betracht, so bleiben 5 Schädel von Bandt und 1 von Dangast zur Vergleichung. Ich gebe eine kurze Beschreibung derselben: 1) Der in meinem Besitze befindliche Schädel von Bandt ist bis auf den Unterkiefer und die Jochbogen vollständig erhalten. Als ich ihn erhielt, war er ganz mit blauem Schlick erfüllt. Die Zähne des Oberkiefers sind bis auf die wahrscheinlich erst nachträglich ausgebro- chenen Weisheitszähne ganz vollständig und von blendendem Weils: der linke Weisheitszahn steht noch weit zurück. Sämmtliche Backzähne sind mit stark hügeligen und fast gar nicht abgeriebenen Kronen versehen, dagegen die Schneidezähne fast his auf die Pulpa abgerieben. Die Farbe der Knochen ist durchweg hellbraun oder gelblich, das Gefüge fest. Der Schädel ist makrocephal; seine Capacität beträgt 1700 Cub. Cent. Der Horizontalumfang milst 550, der sagittale 388, der vertikale Querumfang 332 Mm. Ersterer ist demnach, obwohl sehr grofs, doch verhältnilsmälsig nicht beträchtlich: der Sagittalumfang beträgt 70,5, der Vertikalumfang 60,3 pCt. des Horizontalumfanges. Der Vertikalumfang beträgt 85,6 pCt. des Sagittalumfanges. 1) Cochet, Revue archeologique. 1373. Nouv. Ser. Vol. XXV. Phys. Kl. 1876. 31 » N VircHow: Beiträge zur ph s2$: Die Haupt-Indices sind folgende: ER Längenbreiten-Index . . 82,0 TRIRRE RER Längenhöhen-Index , . 72,7 iR = Breitenhöhen-Index . . 88,6 PETER Aurieularhöhen-Index . 61,5 ; ; t Orbital-Index... "=. 20 187.8 SI Nasen index: es sei Der Schädel ist also brachycephal, ziemlich niedrig und lep- hi torrhin. Die „ganze“ Höhe (140,5 Mm.) ist erheblich gröfser, als die senkrechte Höhe (136), nach welcher hier der Höhen-Index berechnet ist, während früher nach der ganzen Höhe ein Index von 75,1 angegeben war. Der Oberkiefer ist hoch und fast opisthognath. Der Gesammtein- druck des Kopfes ist massig, mehr breit und flach bei mälsiger Höhe. Er verdient in gewisser Weise den Namen eines Platycephalus. In der Seitenansicht steigt die Stirn bis zu den Höckern 38 Mm. gerade aufwärts, biegt dann sehr schnell in eine fast flache Curve um, die jedoch schon vor der durch die Scheitelhöcker gelesten Queraxe sich wieder senkt und sehr langsam bis zur Mitte der Oberschuppe abfällt. Letzterer Punkt liegt sehr tief. Von da ab erstreckt sich eine ganz flach gewölbte Curve über den ganzen unteren Theil der Hinterhauptsschuppe bis zum Hinterhauptsloche. Die gerade Höhe über dem vorderen Rande = des Hinterhauptsloches (136 Mm.) liegt an der Kranznaht, die über dem | Ohrloche (115 Mm.) dicht hinter der Kranznaht. Die Plana temporalia sind nur schwach begrenzt; ihre oberen Grenzlinien haben eine Flächendistanz von 135 Mm., kreuzen die Schei- = 4 telhöcker und erreichen die untersten Abschnitte der Lambdanaht. Sehr j abweichende Bildung der Sphenoparietalgegend. Rechts ein unregelmäfsig dreieckiger Fontanellknochen von 11 Mm. horizontaler Breite und 15 Mm. schräger Höhe, welcher sowohl den Angulus parietalis, als de Ala beschränkt. Ersterer ist so schmal, dafs die vordere Spitze der Schläfenschuppe der Coronaria bis auf 4 Mm. genähert ist; die Ala hat gar keine hintere Spitze, vielmehr schiebt sich zwischen den Fontanell- knochen und die Sphenotemporalnaht noch ein ganz schmaler, aber hoher Schaltknochen ein. Die Ala selbst ist stark eingebogen, 22 Mm. im Re; ro EHER ‚den Querdurchmesser breit. Die Squama eher 66 Mm. lang, Bl 46 hoch; dicht neben dem Ansatze des Jochfortsatzes ein fast daumen- erg E breiter, flacher, quer liegender Eindruck, wie bei dem Warga-Schädel 2 Nr. Vl (8. 176, 197). Ein ähnlicher findet sich auch auf der linken u Seite, wo die Schläfenschuppe 65 Mm. lang und 51 hoch ist. Die Ala Ks 5 ist hier gleichfalls tief ausgebogen, 21 Mm. breit; an ihrer Spitze liegen er 2 zwei kleinere Fontanellknochen, von denen der eine, 8 Mm. lange I . und 4 Mm. hohe, noch an der Sphenofrontalnaht liegt, aber auf Kosten 45 der Ala entwickelt ist, während der andere, 4 Mm. in der Horizontal- = A ER linie breite und um eine Kleinigkeit höhere, gerade in der Spheno- . parietalnaht liegt und fast wie eine Verlängerung des sehr schmalen An- gulus parietalis aussieht. Zwischen beiden Schaltknochen schiebt sich von der Ala her eine schmale, jedoch mehr gegen das Stirnbein gerichtete Spitze herauf; eine zweite, kaum 1 Mm. breite, aber fast 1 Cent. lange , Spitze erstreckt sich zwischen dem hinteren Fontanellknochen und der Sphenotemporalnaht, wo auf der anderen Seite der schmale Schaltknochen liegt; sie ist der einzige Theil der Ala, welcher überhaupt mit dem An- gulus parietalis direkte Fühlung erreicht. Letzterer ist kurz und schmal; die Entfernung der Schläfenschuppe von dem Stirnbein beträgt nur 5 Mm. y Diesen Verhältnissen entsprechend sind die Schläfenschuppen beiderseits ziemlich abgeplattet, dafür aber die Schläfentheile des Stirnbeins ecompen- y satorisch ungemein stark vorgewölbt. ‘ 12 In der Oberansicht erscheint der Schädel überaus breit, namentlich in der Stirn- und Schläfengesend; der Querdurchmesser, welcher an der Stelle genommen wird, wo Kranznaht und obere Schläfenlinie sich schnei- .. | den, beträgt 138 Mm. Nach hinten bildet die horizontale Curve ein sich verjüngendes Oval. Die Jochbogen sind von oben her nicht zu sehen. ... Die vorderen Nähte sind, mit Ausnahme der Fontanellgesend, stark . zackig. Das Emissarium parietale sinistrum fehlt, das rechte ist minimal | und der hintere Theil der Sagittalis liegt dem entsprechend etwas tief. In der Hinteransicht macht der Schädel einen sehr breiten und eher niedrigen Eindruck. Das Dach ist flach gewölbt, die Seiten fast h gerade; nur die Sagittalgegend ercheint am Scheitel schwach erhaben. . Die Lambdanaht hat grolse Zacken und mehrere gröfsere Schaltknochen. 31* 244 Vırcuow: Beiträge zur physischen Anthropologie Keine deutliche Protuberanz, schwache Muskellinien an der Unterschuppe, dagegen sehr grolse Öerebellar-Wölbungen. Die Basis ist breit, mit starker Vorwölbung der Schläfengegend. Das Hinterhaupt macht einen vollen und keineswegs kurzen, aber etwas schiefen Eindruck. Das Foramen magnum sehr breit, mit stark höckeri- gem Hinterrande und ungemein grofsen, mit stark gebogener Gelenkfläche versehenen Coronae; an seinem vorderen Umfange liegen jederseits vor und neben der Corona auf einer erhöhten Stelle dreieckige Vertiefungen, die in der Mitte aneinanderstolsen, scheinbar zur Aufnahme von Atlas- theilen bestimmt. Apophysis basılarıs stark und gerundet, mit sehr kräftigen Muskelzeichnungen, namentlich sind das Tubereulum pharyngeum und die Seitenvorsprünge stark entwickelt. In der Gegend der Synchon- drosis sphenooceipitalis ein ganz feiner, querer Spalt. Warzenfortsätze platt, aber kräftig, mit sehr tiefen Incisuren. Griffelfortsätze abgebrochen, aber mit ungewöhnlich kräftigem Anfange. Die Gelenkgruben für den Unterkiefer sehr tief, der Gehörgang nur wenig abgeplattet. Flügelfort- sätze hoch, mit ziemlich kräftigen Laminae externae. Sehr grolse Fora- mina spinosa. In der Vorderansicht erscheint die Stirn sehr breit, jedoch im Verhältnifs nicht hoch. Auch hier dominirt die Schläfengegend. Die Stirnwülste wenig ausgebildet, aber deutlich von den Orbitalrändern ge- trennt; letztere zart und wenig vortretend. Nasenfortsatz des Stirnbeins sehr breit, mit einem zackigen Nahtrest versehen; seitlich ist er durch sehr tief liegende Stirnhöhlen aufgetrieben. Die Nasofrontalnaht mit einer steilen Curve einspringend. Nasenbeine etwas ungleich, indem das an sich schmalere linke oben weit zurücktritt und die Naht ganz nach links abweicht. Die Breite der knöchernen Nase beträgt oben 13, tiefer her- unter 11, an der Apertur 15 Mm. im geraden Querdurchmesser; ihre Wurzel liegt nicht tief, ihr Rücken ist ganz schwach eingebogen und nur wenig prominent. Starker Nasenstachel. Orbitae, obwohl hoch, doch mehr den Eindruck der Breite und Tiefe machend. Tiefe Fossae caninae. Hoher Alveolarfortsatz. Mittlere Schneidezähne sehr grols, ebenso die Eekzähne. Gerader Querdurchmesser der Portio incisiva 21 Mm., der Portio intermaxillaris (bis zur äufseren Wand der Ecekzahn-Alveolen) 37 Mm. Die Gaumenplatte etwas verletzt, daher nicht zu messen. Die ’ E 0 a en a - Zahnreihe schief erscheint. 2) Wahrscheinlich weiblicher Schädel aus einem Steinsarge von “Bandt (in der Tabelle Nr. II) im grofsherzoglichen Naturalien-Cabinet zu Oldenburg (Nr. 13). Sutura frontalis persistens. Altes Individuum: hinterer Theil des Alveolarfortsatzes atrophisch. Lang, niedrig und breit. Grofser hinterer Fontanellknochen. Hohe Orbitae. Kurzer Öberkiefer. Haupt- Indices: Längenbreiten-Index . 73,6 Längenhöhen-Index . . 69,3 Breitenhöhen-Index . . 94,1 Nasen-Index. . . . . 43,3. Der Querumfang beträgt 57,1, der Sagittalumfang 70 pOt. des Horizontalumfanges. Der Schädel ist demnach chamaedolichocephal und leptorrhin. 3) Männlicher Schädel aus einem Sandsteinsarge von Bandt (in der Tabelle Nr. III) im grofsh. Naturalien-Cabinet (Nr. 14). Lang und niedrig, mit mälsigen Stirnwülsten, vollen Schläfen und grofsen Schuppen. Oberkiefer niedrig und prognath. Unterkiefer sehr stark, mit steilen senkrecht gestellten Aesten von 38 Mm. Breite, die Zähne einwärts gerichtet und stark abgeschliffen. Längenbreiten-Index.. . 74,2 Längenhöhen-Index . . 69,2 Breitenhöhen-Index . . 93,2 NasenÄindex-e. .. 0,0 r Querumfang beträgt 61,6, der Sagittalumfang 71,0 pCt. des Rn Auch dieser Schädel ist chamaedolichocephal, möglicherweise auch etwas progenaeisch. 4) Männlicher Schädel aus einem Steinsarge von Bandt (Nr. IV) im grolsh® Naturalien-Cabinet (Nr. 15). Lang, breit und ganz niedrig, mit mälsigem Stirnwulst. Die Umgebung des Hinterhauptsloches + un a TR Vet BR BE RE Sr re steckt ganz tief ren den. Mare Hoher Ki Vorspringendes Kinn. Schiefe Kieferäste von 31 Mm. Breite. Längenbreiten-Index . 76,3 Längenhöhen-Index . . 66,3 Breitenhöhen-Index . . 86,3 Nasen-Index= .) . #. 2 Der Querumfang beträgt 60,5, der Sagittalumfang 68,9 pCt. dus N Der Schädel ist also chamaemesocephal und zwar von a beträchtlicher Niedriskeit. ir (Aufserdem befindet sich im grofsh. Naturalien-Cabinet zu Olden- burg noch ein vierter Schädel von Bandt, scheinbar etwas höher und voller, mit mälsig ausgebildetem Hinterhaupt; er ist jedoch vorn ganz verletzt.) 5) Vielleicht weiblicher Schädel aus einem Steinsarge von Bandt En (in der Tabelle Nr. XI) im grofsh. Cabinet für Alterthümer zu Oldenburg. Er ist dem meinigen (S. 241) ganz ähnlich und auch innen ganz mit Klei gefüllt. Sehr grofs und breit, mit hoher, voller, fast bombenförmiger Stirn und sehr mächtigem Hinterhaupt. Die Stirnwülste sind nicht stark. Sehr schmale und nur wenig vorspringende Nase. Niedriger Oberkiefer. Orthognath. \ ? ” Längenbreiten-Index . . 81,8 Längenhöhen-Index . . 76,3 Breitenhöhen-Index . . 93,2 Nasen-Index . . . 41,7. Der Querumfang beträgt 61,7, der al talnlang 68,7 pCt. des Horizontalumfanges. Der Schädel ist demnach hypsibrachycephal und zugleich im höchsten Grade leptorrhin. "s 6) Scheinbar weiblicher Schädel aus einem Sandsteingrabe von Dangast (in der Tabelle Nr. I), im grofsh. Naturalien-Cabinet zu Oldenburg. = Sehr grols und platt, mit sehr breitem und grofsem Hinterhaupt, hohen Orbitae, kurzem, orthosnathem Oberkiefer, stark abgeriebenen Back- . zähnen, vorspringendem Kinn und eigenthümlich kahnförmigem Un- terkiefer. Ar der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 247 Längenbreiten-Index.. . 79,2 Längenhöhen-Index . . 72,1 Breitenhöhen-Index . . 91,8 Nasen-Index.:. "2.-1:.2439 Der Querumfang beträgt 59,4, der Sagittalumfang 70,9 pCt. des . Horizontalumfanges. Letzteres, ungewöhnlich hohes Maafs erklärt sich durch die auffällige Länge des Sagittalumfanges sowohl des Stirnbeins, als der Hinterhauptsschuppe. Der Schädel ist also mesocephal, jedoch an der Grenze der Brachycephalie, und zugleich niedrig, an der Grenze der Chamaecephalie. Zugleich ist er ausgezeichnet leptorrhin. — “ Bei der Kürze der Zeit, welche mir in Oldenburg zur Verfügung stand, habe ich nur kurze Notizen über die einzelnen Schädel gesammelt und nur die Hauptmaalse genommen. Ohne die gütige Unterstützung des Hrn. Dr. Finsch von Bremen würde ich selbst diese Arbeit nicht haben vollenden können. Ich gebe die Zusammenstellung der Maalse in nachstehender Tabelle, wobei ich zugleich die entsprechenden Maalse für den in meinem Besitze befindlichen Bandter Schädel, sowie für einige andere Oldenburger Schädel hinzufüge: Aus Steiner von Bandt II 5 Horizoutaler Umfang . . . . . Daome 518 | 524 Jako) Tan a a ale, N 136 129 133 | langen a Der: 187 136 192 % Sagittalumfang des Stirnbeins . . 129 125 127 j Länge der Pfeilnaht . . ... . 130 130,5 238 N Hinterhauptsschuppe . . . . - 129 115 120. g Ganzer Sagittalbogen . . . .» 388 363 372,5 367. Meatus auditorius bis Nasenwurzel 109 108 110,5 ) sy } “ Foramen oceipitale bis Nasenwurzel 102 97 106,5 } S Foramen occeipitale bis Hinterhaupts- 4 wölbunge 2 Ar eurer 55 64 57 Ze Gröfste. Breite, ann a ee 153,5 | 137 14 y Temporaldurchmesser. . .» . . 130 119,9 122 Parietaldurchmesser . . . . .» 139 128 * Mastoidealdurchmesser . . . . 127 128 Jugaldurehmesser . . ni... 119? — = / Qlferumtan or 332 296 323 Y Breite der Nasenwurzel . . . . 24 20 Breite der Nasenöffnung. . . - 21 24,3 = Hohexder# Nase Der Beer 52 56 Höhe’ des/Gesichts 2 Ka 2 —_ 104 : Unterer Umfang des Unterkiefers . _ 132 205 S Entfernung der Kieferwinkel . . _ 933 „98 ‚fa Haddien | Varel Grabhügel Schlofsplatz Kirchhof wmol|ve| vI8 mom | xö 506 | 507 — 519 515 529 136 1335| — 130,5 | 139 134 1835 | ı68 | ıss 176,6 | 183 185 126 128 135,5 | 130 130 123 123 112 128 121 120 127,5 116 111 “4 106 1155| 115 365 | 31 se 357 365,5 | 365,5 101,5 | 101 ES 105,6 | 105 108 98 ae | 97 102 103 64 47 er 53 59 68 135 149 143 146 140 148 11 128 Di 129 118 118 129 142 131 138 119 132 134 1905| — 120 125 132 135 128 ze 197 197 135 295 315 = 317 307 310 20 6 21 26 92 28 24 35) 215| 25 22 51 52 4,5 || 55 54,5 | 58 124,5 | 107 115 2 =. 139 193.) 177 a<ı09) — — 185 105 3 |aexs)| — au 98 Phys. Kl. 1876. 32 Es ist dies gewils eine seltene und höchst bed von Schädeln. Freilich scheinen wenig Beigaben in den Sarko gefunden zu sein, welche als Anzeichen für die Zeit der Beerdigung < nen könnten. Nur von einem männlichen Gerippe wurde mir gesagt, dafs es über den Hüften einen Ledergurt mit einer Schnalle gehabt habe. Indefs genügen die Sarkophage selbst, um die Zeit zu bestimmen, und. wir können wohl annehmen, dafs alte Friesen, in der ersten Zeit nach der Gründung der Bandter Kirche, in denselben niedergelegt sind. Stellen ; wir nun zunächst die Haupt-Verhältnifszahlen zusammen: Er | 3 ! Ken Längen- | Längen- | Breiten- | Nasen- - Rn e- Mr Er Schädel aus breiten) Höhen: Hanns orizontalumfanges 3 ostfriesischen Steinsärgen | "7 > Vertikal- | Sagittal- Rz Index Umfang 2 te Bandt (Samml. Virchow) 5 | 83,0 73,7 88,6 40,3 60,3 70,5 ONITO RK ur, RE RT 336 69,3 94,1 43,3 57,1 70 R eur BR re 69,2 93,2 ge 61,6 71 a en ee nz 66,3 86,3 = 60,5 68,9 we; ARTRE m em 16,3 93,2 41,7 61,7 68,7 N Dangast, 9 rl 72,1 91,8 42,9 59,4 70,9 | - Mittel... @. Bu a8 70,9 91,2 42,0 60,1 70 Nach diesen Mittelzahlen sind die Steinsarg-Schädel chamaeme- socephal und in hohem Grade leptorrhin, und sie bieten in der Hauptsache keine Abweichung von dem früher dargelesten Friesentypus. Wenn ich, um nicht incongruente Zahlen zusammenzustellen, mich nur auf die von mir gefundenen Verhältnilszahlen beschränke, so finde ch 1) den Längenbreiten-Index der Steinsarg-Schädel . 77,8 der Zuiderzee-Schädel . 77,2 der Warga-Schädel . . 79,4 2) den Längenhöhen-Index % der Steinsarg-Schädel . 70,9 der Zuiderzee-Schädel . 68,6 der Warga-Schädel . . 70,5 ‚der Steinsarg-Schädel .. der Zuiderzee-Schädel . 88,6 DEnM der Warga-Schädel . . 88,7 0.04) den Nasen-Index BR < Pr Fr Re der Steinsarg-Schädel . 42,0 Pr Ber der Zuiderzee-Schädel . 45,7 Fe er der Warga-Schädel . . 44,3 BR i 5) das Verhältnifs des Vertikal- (Quer-) Umfanges zum h FE Horizontalumfang (= 100) vr bei den Steinsarg-Schädeln . 60,1 A bei den Zuiderzee-Schädeln . 58,2 ce bei den Warga-Schädeln . 59,3 6) das Verhältnils des Sagittalumfanges zum Horizontal- Umfang (= 100) bei den Steinsarg-Schädeln . 70,0 bei den Zuiderzee-Schädeln.. 70,2 bei den Warga-Schädeln . 69,9. Die gröfsten Verschiedenheiten zeigt in dieser Zusammenstellung der Nasen-Index, bei dem die Differenz bis zu 3,7 ansteigt. Indefs blei- ben doch alle diese Differenzen innerhalb der Grenzen der Leptorrhinie und die Steinsarg-Schädel zeichnen sich nur durch die gröfste Schmal- A heit der Nase aus. Im Uebrigen sind die Schwankungen so geringfügig 00) — dafs sie, zumal bei der relativ geringen Zahl der Schädel der einzelnen Gruppen, nicht in das Gewicht fallen können. Das gilt von den Mittelzahlen. Etwas anders liegt es, wenn man s, die individuellen Zahlen ins Auge fafst. Schon bei den individuellen Verhältnifszahlen ist dies sehr deutlich. Schwankungen des Breiten-Index von 8,4 sind gewifs sehr bemerkenswerth, und man kann fragen, ob ein brachycephaler Schädel mit einem Index von 82 und ein dolichocephaler mit einem Index von 73,6 noch zu derselben Rasse gerechnet werden _ dürfen. Indefs Hr. Spengel hat auch für die Zuiderzee-Schädel der Göttinger Sammlung Extreme des Breiten-Index zwischen 73,3 und 81,9, j 32* 252 Vırcuow: Beiträge zur physischen Anthropologie also eine Differenz von 8,6 (S. 111), und bei den Warga-Schädeln erhielt ich Schwankungen zwischen 75,5 und 83,0, also von 7,5 (S. 185). Es mag sein, dafs in diesen Schwankungen uralte Mischtypen zum Vorschein kommen, aber es scheint mir, dafs wir vorläufig noch wenig Hoffnung haben, sie in ihre Elemente aufzulösen. Finden wir nun, dafs gegenüber dieser Variabilität des Längen- breiten-Index der Längenhöhen-Index eine ungleich gröfsere Beständigkeit zeigt, und dafs die Abweichungen einen mehr singulären Charakter haben, so dürfte damit von Neuem der Beweis geliefert sein, dafs die Niedrig- keit des Schädels eın viel mehr bezeichnendes Merkmal ist, als die Länge oder die Breite. Unter den 6 Steinsargschädeln ist nur einer (Nr. XD), der einen hohen Längenhöhen-Index, nehmlich 76,3 besitzt. Rechnen wir ıhn ab, so erhalten wir ein Mittel von 69,9, also eine ähnliche Zahl, wie sie die von mir gemessenen Zuiderzee-Schädel haben, nehmlich 68,6 (S. 122). Dasselbe Verhältnifs trafen wir früher bei den Warga-Schädeln (S. 187). Auch die Umfangsmaafse haben sich als viel mehr beständig er- wiesen, als die Längen- und Breitenmaalse, und es dürfte wohl gerecht- fertigt sein, ihnen eine höhere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Indefs mag das Gesagte genügen, um die Bedeutung dieser Erwägungen darzulegen. Dagegen ist es nöthig, die Gröfsenverhältnisse der Steinsargschädel überhaupt in Betracht zu ziehen. Leider hatte ich keine Gelegenheit, in Oldenburg Bestimmungen des Schädelraums zu machen; die einzige direkte Messung, die ich vornehmen konnte, die an dem mir gehörigen Schädel ergab die hohe Capacität von 1700 Cub. Cent. Um so mehr hat es Bedeutung, die direkten Maaflse kennen zu lernen und zu vergleichen: % 1 : Entfernung j i y Hori- Quer- | Sagittal- des Hinterhaupts- | des Ohr- : SR s chädel Länge Breite Höhe Aue 31; loches von der loches Kali RI Tee Umfang Hinter- | ER der haupts- Nasen- Ye; ? R | wölbung wurzel wurzel Steinsarg Bandt 1 187 153,5 | 136 550 332 388 55 102 109 ge De I 186 137 129 518 296 363 64 97 108 N 5 I 192 142,6 ! 133 524 323 372,5 57 106,5 | 110,5 ja ” IV 190 146 | 126 532 322 367 61 100 110 E Er xI 181,5 | 148,5 | 138,5 | 528 326 363 53 103,5 | 106,5 Be 1! 190,5 151 137,5 547 325 388 70 97 102,3 E deramnikiitiel 187,8 146,4 133,3 533,1 320,6 373,5 60 | 101 107,7 _ Warga-Schädel 1793| 1224| 1265| 5u 303,5 | 357,7 58,2 97 101,5 4 männliche . 187,0 143,2 129,2 527 313 378 63 101,2 103,7 - Zuiderzee-Schädel | 184,3 142,3 | 126,2 517,4 300 363,3 65 95 101,0 männliche „190,1 146,0 _ 532 307 371,3 65 100,1 105,3 Br je Die überwiegende Grölse der sämmtlichen Maafse bei den Schä- deln aus den Steinsärgen tritt sofort hervor; ihnen entsprechen bei den Warga- und Zuiderzee-Schädeln eigentlich nur die männlichen Zahlen, und auch diese bleiben in einzelnen Rubriken, namentlich bei dem Quer- umfang, der Höhe und der basilaren Länge, hinter den Zahlen der Stein- sarg-Schädel zurück. Nun ist aber mit Sicherheit höchstens die Hälfte ‘der letzteren Schädel als männlich zu bestimmen, während doch auch von den anderen, wahrscheinlich weiblichen, die meisten grolse Maalse, wenigstens in einzelnen Richtungen zeigen. Schon bei einer früheren Gelegenheit, als ich die Schädel von Bolsward in der Sammlung des Hrn. Davis besprach (S. 161), habe ich von einer makrocephalen Varietät des Friesenschädels geredet. Hier tritt uns diese Varietät von Neuem und in sehr auffälliger Weise entgegen. Wenn ich sie eben nur für eine Varietät und nicht für einen Rückstand alter Rassenverhältnisse halte, so bestimmt mich zu dieser Annahme vor allen Dingen die Uebereinstimmung der Typen, wie sie aus der Index-Tabelle auf das deutlichste hervorgeht. Dazu kommt, dafs % Ba 3 3. 2 iz Per Fr ee = a “ rt w N DH RE ae er a Er a kn y - En fe" rk 5 Wo a ’ Ars E 254 VırcHow: Beiträge zur physischen Anthropologie an den verschiedensten Theilen des friesischen Gebietes sich sowohl sehr kleine, als sehr grofse Formen finden, ohne dafs doch die Grölse auf die Form selbst einen Einflufs ausübte (S. 129). Man kann freilich die Frage aufwerfen, ob hier nicht pathologische Verhältnisse vorliegen. Es ist dies eine schwierige Frage, welche an blofsen Schädeln schwer zu entscheiden ist. Ich werde darauf noch zurückkommen, und zwar in Verbindung mit der Erörterung der von Hrn. Barnard Davis aufgestellten plastischen Deformation, wofür der Bandter Schädel Nr. IV ein Beispiel darbietet. Jedenfalls wird dar- über kein Zweifel herrschen können, dafs diese Form keine physiologische im engeren Sinne ist, auch wenn sich herausstellen sollte, dals sie sich erblich fortsetzen kann. Wir befinden uns hier schon auf altem Chauken- Gebiet, und leicht könnte Jemand vermuthen, dafs etwas von der Immen- sitas dieses Stammes (S. 15) sich auf die späteren Nachkommen vererbt habe. Indefs weils ich darüber nichts Weiteres zu sagen. \ 5 Gleichfalls im alten Rüstringen, etwas mehr nördlich als Bandt, an der Strafse von Jever nach Hoocksiel am Jadebusen, liest ein künst- lich aufgeworfener, uralter Hügel zwischen Haddien und Waddewarden. Hr. v. Alten!), der denselben beschrieben hat, nennt ihn eine Wurp. Es ist dies derselbe Begriff, wie Warf, Warp, Wurth und Terp. Bei der Abtragung des Hügels fand man nicht nur Urnen mit gebrannten Menschenknochen, von Steinen umsetzt, mit Bronzen, Eisensachen und Glaskorallen, sondern auch Reihen von menschlichen Gerippen und selbst Düngerstätten und Küchenabfälle mit Muschelschalen und Thierknochen. Es handelte sich also sowohl um Wohnplätze, als auch um Begräbnils- stellen verschiedener Zeitperioden. Von den , Skeletten wurde festge- stellt, dafs sowohl Eisen, als Bronze (Messing?) an den Leichen vorhan- den gewesen war; ein eiserner Ring war mit dünnen, aufgelesten Silber- streifchen verziert. Es läge an sich näher, anzunehmen, dafs die Skelette einer jüngeren Zeit angehören, als die Urnen vom Leichenbrand, indefs ; !) Archiv für Anthropologie 1374. Bd. VII. S. 180. Be ; PE e I En h £ 1 E 4 2 x = Ich ie zwei PERS leuchte; 1) Ein von Hrn. v. Alten selbst ausgegrabener weiblicher Schä- sn neben welchem eine Urne stand, (in der Tabelle Nr. V) hat zierliche Formen und stark abgeschliffene Zähne. Sutura frontalis persistens. Grofse, > bombenartig vortretende Schläfen. Volles und breites, aber ziemlich steiles "Hinterhaupt. Niedrige Orbitae. Schöne Nase von stark aquiliner Form. 'Grolse Spina nasalis ant. infer. Oberkiefer schwach prognath. Schmales, schwaches Kinn. Längenbreiten-Index . . 88,6 Längenhöhen-Index . . 79,4 Breitenhöhen-Index . . 89,5 Nasentindegr EN “ Der vertikale Querumfang beträgt 62,1, der Sagittalumfang 69,2 pCt. des Horizontalumfanges. Der Schädel ist also ausgezeichnet hypsibrachycephal und von mittlerer Leptorrhinie. Er entfernt sich in den Formen der eigent- lichen Schädelcapsel auch von den brachycephalen Friesen; ja, er geht noch über die Mehrzahl der Zeeuwen hinaus. 2) Ganz anders gebildet ist ein männlicher Schädel (in der Ta- belle VI), der zu einem Skelet gehörte, welches einen Messinggürtel mit Flachsfasern darin führte. Er ist lang und schmal, mit kräftigen Stirn- wülsten versehen. Orbitae hoch. Stärkerer, jedoch rein alveolarer Pro- gnathismus. Unterkiefer grols, Aeste steil, 33 Mm. breit, das Kinn vorspringend. Zähne grols, stark abgeschliffen. Längenbreiten-Index.. . 76,0 Nasen-Index . . . . 44,3 Die Höhe konnte leider nicht bestimmt werden, da die Basis cranü verletzt ist. Ebensowenig konnte der Horizontal-, der Quer- und der Sagittalumfang festgestellt werden. Die ungewöhnliche Länge des Stirn- beins (135,5 Mm.) läfst auf verhältnifsmälsige Gröfse schliefsen. Der Schädel ist mesocephal und leptorrhin, ganz innerhalb der friesischen Maalse. “ Vırcuow: Beiträge zur physischen Anthropologie 3) Ein dritter Schädel, der nicht weiter gemessen wurde, war relativ lang und schmal, eher niedrig, und hatte ein langes Hinterhaupt, hohe Kiefer und grofse Zähne. Die Verschiedenheit dieser Schädel ist so grols, dals man allen- falls auch hier an eine stark gemischte Rasse denken könnte. Indefs möchte ich doch daran erinnern, dals wir bei den jüngeren Warga-Schä- deln ganz ähnliche Verschiedenheiten getroffen haben: auch dort war der weibliche Schädel brachycephal, der männliche mesocephal (S. 178, 181). Ich möchte daher eher glauben, dafs wir es mit Geschlechts-Unterschieden zu thun haben. Weiterhin erwähnt Hr. von Alten!) des Fundes von Dedersdorf, am rechten Weserufer im Lande Wührden. Daselbst wurden 1870 beim Thurmbau unter dem alten Fundamente des Kirchthurms, 15—20 Fuls tief, im blauen Thon zahlreiche Skelette in sitzender Stellung, sowie ein- zelne Skelette in ausgehöhlten Baumstämmen (Todtenbäumen) gefunden. Einer davon befindet sich im grofsherzoglichen Naturalien - Cabinet von Oldenburg (in der Tabelle Nr. VID). Derselbe sieht einem Torfschädel nicht unähnlich. Es ist ein schöner, männlicher, langer und hoher Schä- del mit mäfsigen Stirnwülsten. Schöne Stirn; am Scheitel eine Protu- beranz; Hinterhauptsschuppe sehr vorspringend. Sehr aquiline Nase. Hoher Alveolarrand. Mäfsiger Prognathismus. Kinn vorspringend; starke Spina mentalis interna. Zähne stark abgenutzt. Längenbreiten-Index . 73,6 Längenhöhen-Index. . 74,1 Breitenhöhen-Index. . 100,7 Nasen-Indes: x; .0 5 5... 24200 Der Querumfang beträgt 58,3, der Sagittalumfang 72,1 pCt. des Horizontalumfanges. 1) v. Alten a.a..0. S. 194. BE r E. 4 er N , »Dei "Schäd 2 ih doliehodephal3),. von nicht nbeträchtlicher | N FR i % BB (öhe, die. sogar die Breite übertrifft, und zugleich steht er an der obersten A. EN. £ Erenze der Leptorrhinie. Er ist seinen Formen nach den süd- und ” _ - mitteldeutschen Reihengräberschädeln unter den bisher aufgeführten am Be; IR _ nächsten ($. 49, 122). Dals man ihn noch als friesisch ansehen darf, ist X Be ‚wahrscheinlich. Allmers?) sagt ausdrücklich von den Bewohnern des Lan- Pa e“ des Wührden: „das Friesische tritt im Gesichtstypus, im=Charakter und AR N in den Namen der Bewohner ungleich mehr und merklicher hervor*, a als in Österstade. Der Name des Landes stammt von Wurth und zeigt, A) | dals wir uns immer noch auf dem Boden derselben Lebensgewohnheiten X e s befinden, welche ganz Friesland gemacht haben. Die Kirche in Deders- Be; dorf war die einzige im Lande; ihre Erbauung fällt in das zwöltte Jahr- Br hundert. Es ist also anzunehmen, dafs die unter ihr, tief im Boden der nA Wurth, gefundenen Skelette aus vorchristlicher Zeit stammen. Sowohl EN _ die Bestattung in sitzender Stellung, als die Beisetzung in Einbäumen Br beweisen, dafs hier eine der ältesten Gräberstellen des Landes aufgefun- den ist. Weitere Nachforschungen mögen feststellen, wie der Fund zu N u 5 deuten ist. Für jetzt möchte ich nur darauf hinweisen, dals der Nasen- on. Index ungewöhnlich grols ist, — eine Erscheinung, die um so mehr be- merkenswerth ist, als die relative Niedrigkeit der Nase (51 Mm.) sehr auffällig von der Höhe des Gesichts (124,5 Mm.) absticht. Letztere ist allerdings sehr wesentlich abhängig von der Gröfse des Unterkiefers, von E44 - De Dre Er dem ich die vorspringende Beschaffenheit des Kinns besonders notirt habe. Ne je r rt i in | ei ’ % en R nr = dr Die letzte Gruppe von Schädeln stammt aus der Stadt Varel am Bl F 4 Ä SER Fa südwestlichen Umfange des ‚Jadebusens. Zwei davon wurden gefunden, in 14 f als vor wenigen Jahren das dortige Schlofs abgebrochen wurde). Unter eg ;» « Y a ee De z DEN RZ wu were v “ 1) Hr. v. Alten giebt die gröfste Länge zu 179, die grölste Breite zu 136, Zire e die Stirnbreite zu 89 Mm. an. Dies würde einem Breiten-Index von 75,9 also einer schon a k mesocephalen Form entsprechen. Ich möchte jedoch meine Zahlen für richtiger hatten. ) % - 2) Allmers, Marschenbuch S. 190. KA 3) Verhandlungen der Berliner anthropologischen Gesellschaft. 1372. S. 240, Er ® , Zeitschrift für Ethnologie Bd. 4. he 3 Phys. Kl. 1876. 33 wi R 4 “ den 6 L PER) = m IE “ A 258 Vırcaow: Beiträge zur physischen Anthropologie dem Fundamente fanden sich alte Grabstätten, welche, ähnlich der einen aus dem Terp von Hartwerd bei Bolswaard (8. 162), aus Steinen von ungewöhnlich grofsem Formate (114 Zoll lang, 54 Zoll breit und 33 Zoll stark) aufgemauert waren; je 3 Mauersteine, die auf den losen Sand gepackt waren, lagen über einander, und das Dach war giebelartig ge- schlossen. Das Mauerwerk fügte sich genau der Körperform an. In dem einen Grabe stand der Kopf aufrecht auf dem Brustkasten. Auch hier scheint es sich also um recht alte Gräber zu handeln, wenngleich es fraglich sein kann, ob sie nicht schon der christlichen Zeit angehören. Von den beiden Schädeln vom Schlofsplatze zu Varel ist der eine (in der Tabelle als Nr. VIII bezeichnet) ein weiblicher und er stammt von einer alten Person. Die Kieferränder sind sehr atrophisch. Er erscheint niedrig, fast platt, dabei aber breit und sehr voll. Namentlich ist die Stirn gewölbt und ohne Wülste. Jederseits findet sich eine Syn- ostosis spheno-parietalis et spheno-frontalis. Die Augenhöhlen sind hoch, die Nase vorspringend. Der Unterkiefer fehlt. Längenbreiten-Index.. . 82,6 Längenhöhen-Index . . 73,8 Breitenhöhen-Index . . 89,3 Nasen-Index 1.7027 4950: Der Querumfang beträgt 61, der Sagittalumfang 68,7 pÜt. des Horizontalumfanges. Der Schädel ist demnach brachycephal, von mälsiger Höhe und mesorrhin. Er steht einigen der weiblichen Schädel von Warga (S. 172 und 175) nahe. Der andere Schädel (in der‘ Tabelle als IX aufgeführt) ist ein männ- licher, gleichfalls von eimem alten Individuum. Die Zähne sind stark ab- geschliffen. Obwohl er eine volle Stirn zeigt, ist er doch schmal und lang, indem das Hinterhaupt stark vorspringt. Längenbreiten-Index . 76,5 Längenhöhen-Index . . 75,9 Breitenhöhen-Index . . 99,2 Nasen-Index . .©.1..45,8 Der Querumfang beträgt 59,6, der Sagıttalumfang 70,9 pÜt. des Horizontalumfanges, ganz entsprechend den Indexzahlen. Der Schädel ist We { ’ ind eh #6) yrr hın ERURERR, RR en weiblichen Schädel, als von der Mehrzahl der x Der dritte Schädel (in der Tabelle Nr. X) wurde im Jahre 1872 in einem Ziegelsteingrabe auf dem alten Kirchhofe zu Varel ausgegraben. Er ist ein männlicher mit stark abgeschliffenen, sehr geraden Zähnen. vo Er ist 'grols, lang und breit, mit stark vorspringendem Hinterhaupt. In . der Hinteransicht erscheint das Schädelgewölbe sehr flach. Die Stirn ist f RT niedrig, die Augenhöhlen gleichfalls. Die überaus lange und schmale Be Nase springt sehr weit vor; ihre Wurzel liegt hoch. Oberkiefer hoch, ebenso der Unterkiefer (36 Mm. Medianhöhe), der steile Aeste und ein "sehr vorspringendes Kinn besitzt. Bis n 3% Längenbreiten-Index.. . 80,0 pl Längenhöhen-Index . . 72,4 Bi: Breitenhöhen-Index . . 90,5 r R Nasep-Index .. : „wen 959 4 Der Querumfang beträgt 58,6, der Sagittalumfang 69 pCt. des - u 'Horizontalumfanges. Der Schädel ist demnach brachycephal, fast chamaecephal und zugleich von extremer Leptorrhinie. Durch die Höhe des ee Gesichts (139 Mm.) überragt er alle anderen Oldenburger Schädel; die Jochbreite (135 Mm.) bleibt um 4 Mm. hinter der Höhe zurück. Da hr Eeneleioh die Kıieferwinkeldistanz (98 Mm.) klein ist, so dominirt in der Vorderansicht trotz der Brachycephalie der Eindruck der Schmalheit. - Darin liegt ein nicht zu unterschätzender Unterschied von den Bandter j Schädeln, mit denen er sonst manche Aehnlichkeit hat. Am nächsten _ unter den Steinsargschädeln steht ihm der Dangaster (S. 246) und der * Bandter aus meiner Sammlung (S. 241). Unter den beiden anderen Schä- deln von Varel hat in Bezug auf die Schädelcapsel der erste (S. 258) : manche Achnlichkeit, dagegen ist er in der Gesichtsbildung ganz verschieden. Re Im grofsherzoglichen Naturalien-Cabinet zu Oldenburg werden noch einige andere Schädel aus friesischem Gebiet aufbewahrt, zu deren ge- nauerer Untersuchung mir die Zeit gebrach: 33° eingewickelt, gefunden ei zwischen ho lagen Una Be & Kohlenrest Er giebt von ihnen folgende Maafse: Ei Grölste Länge . 190 Mm. '179 Mm. " Breite. 140 „. 140 „ Stirnbreite . . 105 „ „9., Daraus würde sich ein Längen-Index von 78,6 78,2 N berechnen, also für den zweiten Schädel ein mesocephaler Index. kann im Augenblick die Differenz nicht aufklären. 2) Am Rodenkirchener Oberdeich wurde eine Urne und nicht weit davon ein in Stroh erde Skelet, 6 Fuls tief, Be Nach v. Alten?) giebt als Maals für die gröfste Länge . 186 Mm. a Sy Breite)... 1odıga „u Stiinbreiters. ROSEN Daraus berechnet sich ein Breiten-Index von 74,7, also dolichoceph: 3) Sechs Oldenburger Schädel, die ich als grofse, ziemlich brei Dolichocephalen mit starker Nase notirt habe. " 4) Vier Schädel aus einem Steingrabe (vielleicht nicht mehr au friesischem Gebiet). Darin wurden 2 polirte Feuersteine und ein schöner $ polirter Meifsel aus grünem Serpentin in der Form eines Gufsstückes aus gegraben. Von den 4 Skeletten hatte das eine einen dolichocephalen, das andere einen brachycephalen Schädel. I) vs Alltensa.a.20.29. 197: 2) v. Alten a.a. ©. S. 194. - ih if % BR iedenheit der en Fundstellen ia j 3% s RR Indices ya Fe ernlheketelien. Hoffentlich wird die jetzige Anregung BR für eine weitere Erforschung dieser wichtigen Verhältnisse nicht verloren Br sein, und dann wird sich auch an diese Zahlen wieder anknüpfen lassen. Br: e ] B vi nu ER | B Procente des EM “ rt = Längen- | Längen- reiten- | Nasen- b CH ’ Schädel aus dem breiten- | höhen- | höhen- | Horizontalumfanges u N} Ksunen Oldenburg 1 -—— user Sorgen rn Ne | Sagittal- er "Yn Index e de "oe BET a Untang EB 1 f “ ie Haddien N.VQ ... 88,6 7934| 895 | s1| 6,1 69,2 . BR ERENTO 76,0 | _ -— 1043| — = R Dedersdorf Nr. VI & . 73,6) 741 100,71 470 58,3 72,1 Fr Varel Schlofspl. Nr. VIILQ 26 | 738) 89,3 | 49,0 | 61,0 68,7 - - Nr.IX 5 76,5 | 75,9 99,2 | 45,8 59,6 70,9 Au nr - » Kirchf X& .. 80,0 | 72,4 | 90,5 | 379 58,6 69,0 f Br Ä Ä Ä Beer. rg 79,5 1 3,8 | 44,8 59, | 69,9 w l a 1} A e Männer . ... 76,5 74,1 96,8 43,7 58,8 70,6 R fa Weiber . . . 85,6 76,6 | 89,4 47,0 61,5 68,9 Bi; | | ur . . . . = . f Der sexuelle Gegensatz, der hier hervortritt, ist immerhin über- ee raschend. Er erinnert einigermalsen an die Geschlechtsunterschiede der 4 jüngeren Warga-Schädel. Die ausgezeichnete Brachycephalie der weib- liehen Schädel bei gleichzeitiger Höhe und bei relativ breiter Nasenbil- dung gegenüber der Mesocephalie mit geringer Höhe und ausgemachter Leptorrhinie bei den Männern ist gewils bemerkenswerth. Die männ- ne De Ye; “ liehen Schädel stehen den sonstigen germanischen Formen entschieden näher. Auf alle Fälle ist es wichtig, dafs wir unter so vielen Schädeln, ‚deren Mehrzahl um Jahrhunderte, ja um ein Jahrtausend zurückgreift, als mittleren Ausdruck durchweg eine zur Brachycephalie neigende Me- ‚socephalie antreffen. Ordnen wir die Schädel aus dem friesischen Olden- burg noch einmal nach der Weise des Hrn. Sasse (S. 165 und 217), so erhalten wir folgende Liste: 3 I. 5, $ » IR 3 + j 2 2 unter 75,00 . 75,00 — 77,77. 77,78 — 79,99. 80,00 — 83,33 . über 83,33 . und in nächster "Nähe der niederen Stämme befinden. So) wir zur rung de a so vieler Östfriesen land (S. 917) unter 54 Schädeln nur 4 dolichocephale — 11,7 a 1, 'c Ostfriesland dagegen unter 12 Schädeln schon 3 dolichocephale — —2 t 2 vorhanden sind, so wird man doch eher den umgekehrten Gang der E wirkungen annehmen müssen. über die Grenzen der rein friesischen Bezirke hinaus noch Uebergang Ich erwähne in dieser Schon im ‚Jehre 1872 erhielt ich durch die Güte des Hrn. Realschul Direktors Debbe 5 Schädel, welche im Jahre 1864 beim Bau der neu Börse gefunden waren. Letztere sei auf dem Abhange einer alten Düne angelest, und in letzterer habe sich in einer Tiefe von etwa 6 M. em grofse Menge von Gebeinen gefunden. er ar (seren Untersuchung, über die ich gegenwärtig berichte. u: 2 Br, j BaRE schen, mit Pe a der Friesen. 263 Ein Sasführliöher Bericht über diese Ausgrabungen findet sich von ae a ” den Herren Barkhausen und Focke!). Es wird darin zunächst nach- r gewiesen, dals die Altstadt Bremen auf einer Dünenkette?) liegt, welche ’3 sich in nordwestlicher Richtung von Achim nach Lesum hinzieht, und x - deren höchster Punkt in der Stadt der vom Domsumgange umschlossene | E Klosterhof ist. Barkhausen nennt sie deshalb die Domsdüne. In . £ nicht grofser Entfernung vom Dom wurde eine gewisse Häusermasse be- v seitigt, um dem Börsenbau Platz zu machen. Hier stiefs man unter An- derem auf die Fundamente des längst von der Oberfläche verschwundenen Thurmes der alten Willehadi-Kirche und in halbzirkelförmiger Richtung um denselben zunächst 3 Fufs unter dem Strafsenpflaster auf 2, auf einander gesetzte Reihen viereckiger, meist mit Holznägeln zusammengefugter Holz- särge mit menschlichen Gebeinen und zwischen denselben auf viele, nicht von Särgen umschlossene menschliche Knochen. Die untere Reihe der Särge stand auf einer, nach Art eines Knüppeldamms angeordneten Lage roher Holzstämme. Dann folgte eine 2 Fuls dieke Schicht blauen Thons, in welcher nur wenige, sehr diekwandige Särge standen; dann wieder ein Knüppeldamm und erst unter diesem die tiefste, bis auf den Ursand rei- chende Thonschicht mit Todtenbäumen aus Eichenholz. Es waren dies grob aus einem Baum gehauene rundliche Mulden mit je einem Ge- ; rippe, geschlossen durch eine zweite, ganz ähnliche Mulde. Zwei der- Ä selben waren noch gut erhalten. . Barkhausen erzählt, dafs er etwa 300 Schädel in Händen hatte, \ welche sämmtlich orthognathe Dolichocephalen, zum Theil mit sehr ent- wickeltem Hinterhaupt waren. Der Längendurchmesser habe zwischen 9 und 7 Zoll, der Breitendurchmesser zwischen 64 und 6 Zoll geschwankt. Doch habe es manche gegeben, deren Längsdurchmesser den queren nur wenig, um 4 Zoll, übertraf. „Die einzige Deformität, welche er ein paar Mal fand, war ein seitlich stark platt gedrückter und nach hinten ver- San Georg Barkhausen und W. O. Focke, Bremisches Jahrbuch. 1864. Bd. 1. S. 12. en Nach der Beschreibung palst der Name einer Düne nicht ganz, da ein grolser v Theil der Erhöhung nicht aus Sand, sondern aus blauem Thon bestand. Hr. Focke hält diesen jedoch für eine künstliche Auftragung. NEE ER TR N A ran 264 VIRcHow: zur physischen Anthropologie längerter Schädel, wie er auch jetzt zuweilen vorkommt.“ Die Gröfse der Skelette sei nicht von der jetzigen verschieden gewesen; nur hätten 2 Oberschenkelknochen von 2 Fufs Länge auf einen riesigen Inhaber schliefsen lassen. Die zwei Skelette der Todtenbäume seien besser erhalten, wie die oberen, und ihre Schädel auffallend kleiner gewesen: die Längendurch- messer hätten nur 64, die queren 5 und 54 Zoll betragen, während die Länge der Körper ungefähr 54, die der Todtenbäume 6 Fuls gewesen sei. Das eine Skelett hielt Barkhausen für ein unzweifelhaft weib- liches; es soll eine grobe Kette von ganz verrostetem Eisendraht um den Hals gehabt haben. Das andere hielt er für männlich. Beide Abtheilungen seien offenbar von sehr hohem Alter und nur die besondere Natur des Erdreiches erkläre ihre gute Erhaltung. An einer Stelle wurden auch 4, neben einander stehende Urnen aus grauem, ins Bläuliche ziehendem Thon, an einigen anderen einzelne Thongefälse, darunter ein bauchiger Topf mit Handgriff und drei kurzen zapfenartigen Fülsen, sowie 3 platte, runde, graue, gebrannte Thonsteine mit eimem Loche in der Mitte gefunden (also ähnliche, wie die 5. 234 erwähnten Gefälse von Potshausen). Bei späteren Ausgrabungen wurden noch in viel gröfserer Aus- dehnung Gräber und die Fundamente der Willehadi-Kirche selbst, sowie Thierknochen, namentlich von Pferden und Schweinen, aufgefunden, ebenso Spuren verwitterter Todtenbäume. Die ausgezeichnete Gelegenheit, eine grolse und wahrhaft grund- legende altbremische Schädelsammlung anzulegen, wurde leider versäumt. Aulser den zwei Todtenbäumen mit ihrem Inhalte, die ım Bleikeller des Domes beigesetzt wurden, stellen die 5 (oder mindestens 4) Schädel, welche ich durch die gütige Vermittelung des Hrn. Debbe erhielt, den ganzen beglaubisten Rest des grofsen Fundes dar. Sie verdienen daher um so mehr, durch eine genauere Beschreibung in dem Gedächtnils der Nachkommen bewahrt zu bleiben. Hr. Buchenau!) hat freilich eine Thatsache ermittelt, welche ihre Bedeutung zu schmälern geeignet scheint; 1) Bremisches Jahrbuch I. S. 36. ee Battle Verordnung die "Dompropstes von 1387 gefunden, welche TR ‘ bestimmt, dafs gerade auf dem Willehadi Kirchhofe die Leichname der in 7 Cn e eh emen verstorbenen Fremden, welche nicht Kaufleute waren, bestattet TE B- werden sollten. Man kann also nicht dafür einstehen, dafs die 5 Schädel wir. Se gerade der einheimischen Bevölkerung angehört haben. Indefs ist wohl Sr FE anzunehmen, dafs die Zahl der Fremden, welche in Bremen starben und a} nicht Kaufleute waren, in alten Zeiten nicht sehr grofs war und dafs die Mehrzahl der Leichen des Willehadi Kirchhofes bremischen Insassen zu- zuschreiben ist. Was aber viel mehr entscheidet, das ist der Umstand, dafs von den 5 Schädeln 4 weibliche sind; die Fremden, welche in jenen älteren Zeiten, da der Kirchhof noch benutzt wurde, in Bremen starben, waren gewils fast ausschlielslich Männer. Dagegen darf man wohl an- nehmen, dals gerade derjenige Kirchhof, den man den Fremden öffnete, der weniger vornehme war, und dafs wir hier den Typus des „gemeinen ö Volkes“ von Bremen am reinsten antreflen. . Ich gebe daher zunächst eine Beschreibung der Schädel vom Willehadi Kirchhofe: - 1) Weiblicher Schädel (Nr. J). Gut erhaltener Schädel ohne Unterkiefer. Die vorderen Zähne sind (nachträglich) ausgefallen. Jederseits sitzen nur noch 2 Backzähne, deren Kronen wenig abgenutzt sind. Der rechte Weisheitszahn ist (nach- sr träglich) ausgefallen, die Höhle des linken obliterirt. Die Knochen sind hart und dunkelgelbbraun. Die Mehrzahl derselben ist mit ihrem Namen beschrie- ben, so dals man einen gewöhnlichen Studienschädel vor sich zu haben glaubt. Ich mache darauf besonders aufmerksam, weil der Schädel sich in mehrfacher Beziehung von den anderen unterscheidet und weil der Verdacht wohl nicht ganz abgewiesen werden kann, dafs derselbe zufällig im Hause des Dr. Barkhausen unter die anderen gekommen ist. Der Schädel ist verhältnifsmälsig klein. Seine Capaeität beträgt nur 1205 Cub. Oent., sein Horizontalumfang 486 Mm. Auch der verti- pp. kale Querumfang (296 Mm.) und der Sagittalumfang (340 Mm.) sind sehr r niedrig; nichtsdestoweniger beträgt der erstere 60,9, der letztere 69,9 püt. des Horizontalumfanges. Phys. Kl. 1876. 34 & EEE REN " ee re Fl 266 VırcHow: Beiträge zur physischen Anthropologie Längenbreiten-Index . . 83,8 Längenhöhen-Index . . 75,4 Breitenhöhen-Index . . 90,0 Auricularhöhen-Index . 64,6 Orbital-Index . . . . 89,6 Nasen-Index . . ... 40,7 Gaumen-Index !. 7... 2.7 98,0: Der Schädel ist also recht brachycephal, von beträchtlicher Höhe und leptorrhin. Seine Länge ist unter allen Bremer Schädeln die geringste (167 Mm.), so klein, dafs er trotz seiner geringen Höhe (126 Mm.) doch in der Rechnung fast hypsicephal erscheint. Auch die auriculare Höhe ist gering, indefs liegt der Auricularhöhen-Index doch schon jenseits der bis jetzt gefundenen Grenzen der friesischen Schädel. In der Seitenansicht erscheint die Stirn stark zurückgelehnt, der hintere Theil des Stirnbeins höher, die Scheitelhöhe bald hinter der Kranz- naht, von der Gegend der Scheitelhöcker an ein schneller Abfall bis zur Mitte der Oberschuppe, die stark vortritt. Von da an bis zum Hinter- hauptsloche eine fast ebene Linie. Die Plana temporalia sind hoch, nähern sich hinter der Kranznaht bis auf 118 Mm., überschreiten die Parietalhöcker und erreichen die Lambdanaht. Schläfen voll, Alae sphe- noideales breit, Squama temp. verhältnilsmäfsig kurz und hoch, Angulı parietales niedrig, besonders der rechte, wo überhaupt Alles enger ist. Scharfe Crista temporalis ossis frontis, links mit Tuberositas temporalis ossis malarıs. In der Oberansicht erscheint der Schädel länglich rundlich, vorn breit, hinten schmaler, die Nähte stark zackig, nur nicht an der vorderen Fontanelle und innerhalb des Planum temp. Das linke Emissarıum pa- rietale fehlt, das rechte ist ganz fein; die Pfeilnaht in dieser Gegend ein- fach. Vor der Spitze der Pfeilnaht ein Os sagittale. Tubera parietalia kaum erkennbar, frontalia schwach. In der Hinteransicht ist der Schädel etwas hoch, namentlich in der Mitte; die Seiten gleichmäfsig gewölbt, Basis eher breit. Oberschuppe breit und niedrig. Grofser Lambdawinkel. Schwache Protuberanz, starke Linea nuchae superior. Sehr flache Unterschuppe mit grolsen Cerebellar- wölbungen. \ - verdicktem, Sue tie hohen "and stark eh onae. R Die -Fossa condyloidea posterior dextra fehlt. Breite Apo- s. Grolse PB. Flügelfortsätze mit sehr weiten Laminae _ externae. Ds In der Norma frontalis breite Stirn und Schläfe, volle Glabella, NY Stirn- und Nasenwülste glatt und wenig vortretend, mit einem sehr zacki- gen Rest der Stirnnaht von 6 Mm. Länge. Hohe und tiefe Orbitae mit _ grolsen supraorbitalen Incisuren. Nasenfortsatz glatt und schmal. Naso- ET frontalnaht nach oben vorspringend, Nasenwurzel voll und hoch, Nase selbst schmal. Rücken schwach eingebogen, Grofser Nasenstachel. Kur- ; er zer und vorspringender Alveolarfortsatz. Tiefe Fossae caninae. Kurzer er _ und breiter Gaumen mit hufeisenförmiger Zahneurve. Sehr grofse Vor- Pe derzähne. Bi 2. Weiblicher Schädel (Nr. II.) Vollständiger, mit Unterkiefer versehener Schädel. Zähne ziemlich y stark abgeschliffen. Grüne Metallfürbung an den Warzenfortsätzen und ; e an der linken Seite des Hinterhaupts (Ohrringe). Die Capacität beträgt 1310 Cub. Oent., ist also eine mittlere. Dem entsprechend ist der Horizontalumfang mit 517 Mm. ziemlich grofs, _ auch im Verhältnifs zu dem Querumfang (298 Mm.), weniger im Ver- hältnifs zu dem Sagittalumfang (362 Mm.), denn der erstere beträgt 57,6, der letztere 70 pCt. des Horizontalumfanges. Längenbreiten-Index . . 76,2 E Längenhöhen-Index . . 66,6 . Breitenhöhen-Index . . 87,1 Auricularhöhen-Index . 58,4 ' n. Orbital-Index -.. # ... .9%1 E Nasen-Index . . . .. 56,0 B; Gaumen-Index. . . . 86,6. E Dieser höchst sonderbare Schädel ist demnach chamaemeso- eephal; sein Gesicht ist ganz abweichend, namentlich sind die Kieferränder Blark prognath; die Nase platt, ihr Index gröfser, als der irgend eines 34* 268 Vırcmow: Beiträge zur physischen. Anthropologie anderen Schädels dieser Gegenden, nehmlich 56,0. Dieses Maafs fällt schon in das Gebiet der Platyrrhinie des Hrn. Broca. In der That ist das Gesicht ganz negerartig. In der Seitenansicht erscheint der Kopf lang und niedrig, mit be- sonders langem und gedrücktem Hinterhaupt. Die Stirn steigt zunächst 38 Mm. etwas schräg in die Höhe und biegt dann in die Scheiteleurve um. Das Stirnbein ist sehr lang; sein sagittaler Umfang (124 Mm.) ist der zweithohe unter den Willehadi Schädeln. Die Schläfentheile des Stirnbeins sehr voll ausgelest, dafür jederseits temporale Schalt- knochen, welche die schmale Ala von dem niedrigen Angulus parietalis trennen. Hohe und platte Schläfenschuppe. Die sehr starken Lineae semicireulares, die sich bis auf 135 Mm. Flächenabstand nähern, kreuzen die Parietalhöcker und erreichen die Lambdanaht. In der Oberansicht sieht man, dafs der Schädel schief, nehmlich vorn links und hinten rechts abgeflacht ist. Im Uebrigen erscheint er fast gleichmälsig breit, nahezu cylindrisch, nur ganz hinten etwas enger. Die Nähte sind mälsig gezackt, nur in der Gegend der vorderen Fonta- nelle und der Emissaria parietalia, welche nicht vorhanden sind, einfach. Tubera parietalia undeutlich, frontalia stark ausgebildet. Die Hinteransicht zeigt eine ziemlich hohe Wölbung, indem die mittlere Sagittalgegend sich stärker erhebt. Die gröfste Breite liegt an den Schläfenschuppen. Die Oberschuppe ist niedrig, der Lambdawinkel grols, die stärkste Prominenz weit nach oben. Die Protuberantia externa fehlt. Die Unterschuppe zeigt eine lange, flache Wölbung. Von der Basis aus sieht das Hinterhaupt sehr lang aus. Das Foramen magnum ist schief, sehr lang und schmal, mit dieken Rand- wülsten, hohen und stark gebogenen Coronae. Die Fossae condyloideae posteriores sind grofsentheils durch Knochenwucherung geschlossen. Die Warzenfortsätze stark, aber platt, die Griffelfortsätze lang, die Flügelfort- sätze stark und mit sehr weiten Laminae externae. In der Vorderansicht ist der Kopf niedrig. Die Stirn ist sehr breit, mit schwachen, glatten Stirnwülsten, voller Glabella und sehr breitem Nasenfortsatz. Letzterer stellt mit 28,5 Mm. das höchste Maals des Querdurchmessers des Nasenfortsatzes dar. Die Orbitae hoch. Die Wangenbeine stark, die Jochbogen anliegend. Sehr breite Nase. Die 7) er yo des Sei. Be. mit ‚weiter Ausrundung Be oben: er ar Nasenöffnung I1:8; Starke Spina nasalis. Tiefe Fossae caninae. Kräftiger prognather Al- Y RR veolarfortsatz. Rechts defekte Backzähne. Weniger kurzer, breiter Gau- 7% ; men: Index 86,6. | Der Unterkiefer ist ähnlich dem des weiblichen Warga-Schädels Fee (5. 184). Sowohl der Zahnrand, als das Kinn springen vor, die f _ Medianlinie vorn ist eingebogen. Die Kieferwinkel stark ausspringend. ’ Er. Breite Aeste von 35 Mm. Querdurchmesser. Hohe Gelenkfortsätze, nie- | drige Processus coronoides. Grolse Eckzähne, kleine Schneidezähne. Br: 3) Weiblicher Schädel (Nr. IN. ü Zarter, an der rechten Seite stark verletzter Schädel ohne Un- terkiefer. Zähne bis auf den vorletzten rechten Backzahn ausgefallen, dieser mit ganz frischer Krone. Es ist also eine jugendliche Person : gewesen. % In der Capaeität (1320 Cub. Cent.) stimmt dieser Schädel nahezu Pa mit dem vorigen. Sonst hat er aber sehr verschiedene Eigenschaften. Sein Horizontalumfang ist etwas kleiner (508 Mm.), ebenso der Querum- fang (292 Mm.), dagegen ist der Sagittalumfang (364 Mm.) gröfser. Der Querumfang beträgt daher nur 57,4, der Sagittalumfang dagegen 71,6 pCt. des Horizontalumfanges. Der Hauptgrund der Länge des Sagittalumfanges liegt in der ungewöhnlichen Länge der Pfeilnaht, welche 127 Mm. beträgt. E- Dem entsprechend ist auch die gerade Länge des Mittelkopfes verhältnifs- mälsig grols (117 Mm.). E: Längenbreiten-Index . 79,4 E Längenhöhen-Index . 71,0 i Breitenhöhen-Index.. . 101,9 e { Auricularhöhen-Index . 60,5 P er Orbital-Index . . . 886 ö Nasen-Index . . . .: 42,4 Gaumen-Index . . . 782. 270 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologie Der Schädel ist chamaemesocephal, jedoch hart an der Grenze der Brachycephalie, und leptorrhin. Für die einfache Betrachtung sieht er sehr schmal und lang aus. In der Norma temporalis erscheint er verhältnilsmäfsig lang und niedrig. Die Stirn mälsig niedrig, bis zu der Höhe der Tubera 34 Mm. messend. Scheitelhöhe an der Kranznaht. Die Scheiteleurve beginnt schon vor der Mitte der Parietalia sanft abzufallen. Stark heraustretendes Hin- terhaupt. Plana temporalia hoch, hinter der Kranznaht bis auf 120 Mm. Flächenabstand genähert; die Schläfenlinien kreuzen die Scheitelhöcker und erreichen die Lambdanaht. Alae sphenoideales unten stark einge- bogen. Ebenso der vordere Theil der Squama temporalis, über welchen sich eine flache, fingerbreite Rinne von vorn und unten nach hinten und oben erstreckt. Schläfentheile des Stirnbems compensatorisch ausgelest. Rechts eine Tuberositas temporalis ossıs malaris. In der Norma verticalis macht der Schädel einen mehr langen und schmalen Eindruck. Die Nähte sind zackig. Das linke Emissarıum parietale fehlt, das rechte ist sehr klein. In der Norma oceipitalis ist der Schädel mehr schmal, mit flacher geraden Seiten. Grolser Lambdawinkel. Wölbung des Scheitels und fast Starke Oerebellarwölbungen. An der Basis grofses, schiefes, längliches Hinterhauptsloch mit stark vorragendem, an den Üoronae in je einen Höcker angeschwollenem Rand und stark gebogenen Gelenkhöckern. Apophysis schmal. Griffel- fortsätze stark. Gelenkgruben des Unterkiefers tief. Am Gesicht, welches schmal erscheint, tritt die Nase stark vor und der Kiefer ist sehr prognath. Die Stirn niedrig und glatt, ohne Wülste, mit zarten Orbitalrändern. Die Augenhöhlen selbst sehr hoch und tief. Der Nasenfortsatz des Stirnbeins reicht weit herab. Schmale, stark eingebogene Nase mit hoher Wurzel. Sehr eng anliegende Joch- bogen. Mälsig tiefe Fossae caninae. Palatum durum ziemlich lang; die Zahncurve hufeisenförmig. Grolse Schneide- und Eckzähne, daher die Portio ineisiva des Oberkiefers 28 Mm. breit (gerader Querdurchmesser); die Portio intermaxillaris (von dem äufseren Septum der Eckzahn-Alveole der einen bis zu dem entsprechenden Septum der anderen Seite) 40 Mm. 5 a ARE See Ns A [= E Männlicher Schädel (Nr. IV). Dale 3) a ME grols und kräftig, ohne Unterkiefer, mit geheiltem ruche des linken Nasenbeins. "Stark abgeschliffene grofse Zähne. r Die Capaeität von 1550 Cub. Cent. hebt diesen Schädel über die ar ve übrigen erheblich hinaus. Nur der nächstfolgende (Nr. V) steht ihm Rn N > _ näher. Auch der Horizontalumfang von 534 Mm. ist beträchtlich, jedoch w. bleibt der Querumfang von 307 Mm. hinter dem Maalse von Rör V zurück. ER: _ Der Sasittalumfang von 381 Mm. ist dem Maafse von Nr. V gleich. Der . Be erstere beträgt 57,4, der letztere 71,3 pCt. des Horizontalumfanges. a Er e; Längenbreiten-Index.. . 77,0 ER % Längenhöhen-Index . . 69,5 er er - Breitenhöhen-Index . . 90,3 h : Auricularhöhen-Index . 59,2 ee: . Oxbitalindex. ..... =, 8Lsl E d Nasen-Index . . . . 43,8 B ” Gaumen-Index... :, ....... 754.5. R Der Schädel ist chamaemesocephal und leptorrhin. Er er- scheint im Ganzen lang und niedrig, mit weit ausstehendem Hinterhaupt, stark vorspringender, schmaler Nase und opisthognathem Oberkiefer. Bi. Die Stirn liegt etwas zurück, die Kranznaht steht weit nach hin- ten, entsprechend der ungewöhnlichen Gröfse des Sagittalumfanges des Stirnbeins (132 Mm.). Der Abfall des Mittelhauptes nach hinten beginnt zwischen den Höckern, die in der Mitte der Länge der Parietalia liegen. An der Lambdaspitze ein Absatz; stark gebogene Oberschuppe. Plana _ temporalia hoch, jedoch hinter der Kranznaht nur bis auf 135 Mm. ge- nähert: die oberen Schläfenlinien kreuzen die Scheitelhöcker, erreichen jedoch die Lambdanaht nicht. Untere Theile der Kranznaht im Ver- streichen. Schläfentheile des Stirnbeins vorgewölbt. Alae sphenoideales beiderseits eingebogen, jedoch hauptsächlich links, wo auch der Angulus parietalis daran Antheil nimmt. Norma verticalis: Lang oval mit gröfster Breite in der hinteren Schläfengegend, nach vorn und hinten enger. Jochbogen nur schwach vortretend. Nähte stark zackig. Hinterer Theil der Pfeil- und Spitze DE NEE ER ERRUN N Mr 272 Vırcuow: Beiträge zur physischen Anthropologie der Lambdanaht im Verstreichen. Das linke Emissarıum parietale fehlt, das rechte ist grols und lest dicht neben der hier verwachsenen Pfeilnaht. Norma oceipitalis: breit, mit schwach aufgerichtetem Dach, ge- wölbten Seiten und Hlacher Basis. Grofser Lambdawinkel. Starke Linea nuchae superior. Flache Cerebellarwölbungen. Basis breit und nach hinten verlängert. Starke Warzenfortsätze. Grolses Foramen oceipitale. Ungemein breite Apophysis mit sehr starkem Tubereulum pharyngeum. Grofse Ohrlöcher und tiefe Kiefergelenkgruben. Hohe Flügelfortsätze mit sehr breiten Laminae externae. Links findet sich durch Verwachsung mit der Spina angularıs ein Foramen Civinini, rechts statt der Verwachsung zwei lange, sich fast berührende Spitzen. Auch an der Ala temporalis, am hinteren Umfange der Fissura orbitalis inferior, in der Fossa sphenopalatina starke stachlige Zackenbildung. Norma frontalis: Schmale, sehr zurückgeleste Stirn mit schwachen Höckern. Starke, in der Mitte confluirende, ganz vom Orbitalrande ge- trennte Stirnwülste mit zackigem Stirnnahtrest. Sehr unregelmäfsige Bildung der Foramina supraorbitalia: links durchbohrt em wirk- licher Kanal den Orbitalrand von innen nach aufsen und erscheint aufsen erst in einer Entfernung von 5 Mm. oberhalb des Randes; rechts sieht man die Eintrittsöffnung 10 Mm. hinter dem Rande an der Decke der Orbita, die Austrittsöffnung sogar erst 14 Mm. oberhalb des Randes. Jederseits setzt sich von der Austrittsöffnung aus eine lange, flache Ge- fälsrinne über das Stirnbein fort. Orbitae hoch. Wangenbeine vortre- tend. Grofse Infraorbitallöcher mit starken Fossae canınae. Nase sehr schmal, hoch in das Stirnbein eingreifend. Links ein mit Eindruck geheilter Bruch des Nasenbeins und des Stirnfortsatzes vom OÖberkiefer, der sich bis zum Thränenkanal fortsetzt. Allgemeine Synostose der anstolsenden Knochen. Mäfsig hoher Alveolarfortsatz. Sehr lange Zähne. Tiefer, langer (Gaumen. 5) Wahrscheinlich weiblicher Schädel (Nr. V). Schädel mit Sutura frontalis persistens und sehr abweichen- der Nasen- und Gesichtsbildung, ohne Unterkiefer. Zähne ziemlich stark abgenutzt. Links am Foramen jugulare ein nicht unbeträchtlicher, in das Hinterhaupt eingreifender Defekt. ee u Zi 5 a ni oz "hr nn (535 Mm.), ar dei der Querumfang 316 Mm.) und namentlich der Sagittalumfang (381 Mm.) sind großs. Der erstere beträgt 59,0, der letztere 71,2 pCt. des Horizontalumfanges. Längenbreiten-Index.. . 78,3 Längenhöhen-Index . . 68,1 Breitenhöhen-Index . . 86,9 Auricularhöhen-Index . 60,8 Orbital-Index . . . . 871 Nasen-Index . . . . 47,0 Gaumen-Index. . . . 875. Der Schädel ist chamaemesocephal und leptorrhin. Norma temporalis: sehr unregelmäfßsig. Die Stirn steigt zuerst 40 Mm. senkrecht an, macht dann eine hohe Curve bis zur Kranznaht; hinter letzterer folgt ein starker, bis zu den oberen Schläfengegenden rei- chender, querer Eindruck, dann schon vor der tuberalen Axe ein schnel- ler Abfall bis zur Spitze der Lambdanaht. Die Oberschuppe springt stark nach rückwärts vor. . Die sehr schwache Protuberantia oceip. externa liegt schon an der fast horizontalen Unterfläche der Hinterhauptsschuppe und zwar weit nach vorn. Links vollständige Verwachsung der Sphenofrontal-, fast vollständige der Sphenoparietalnaht. Norma verticalis: verhältnifsmäfsig sehr breit, mit sehr vollem Vorderkopf und relativ langem, sehr verjüngtem Hinterkopf. Alle Nähte sehr stark zackig, mit Ausnahme des hinteren Theils der Sagittalis. Emissarien einander sehr genähert. Norma oceipitalis: der Schädel erscheint breit und niedrig, zugleich undeutlich fünfeckig. Das Dach ist breit und in der Sagittalgegend erhoben. Basis breit. Das Hinterhaupt sehr ausgeschoben und schief. Kräf- tige Warzenfortsätze. Stark vortretende Gelenkhöcker. Das Hinterhaupts- loch -länglich-elliptisch, sehr schief, mit dickem Rand; der hintere Theil des Randes nebst der Mitte der Unterschuppe, besonders rechts etwas gegen den Schädel eingedrückt. Weite Kiefergelenkgruben. Hohe Flügelfortsätze. Norma frontalis: Breite und hohe Stirn mit schwachen Wülsten. Sehr unregelmäfsige Foramina supraorbitalia: jederseits liegen 2 besondere Phys. Kl. 1876. 35 274 Vırcuow: Beiträge zur physischen Anthropologie Löcher an dem lateralen Theil der Stirnhälfte, von denen die hintersten zu ganz tiefen, stark verästelten Gefälsrinnen führen, die sich bis auf die Parietalia erstrecken. Da, wo sie die linke Hälfte der Sutura cononaria erreichen, etwas oberhalb der oberen Schläfenlinie, liegt ein gröfserer Schaltknochen in der Naht. Nasenwurzel sehr breit, 26 Mm. Nasofrontalnaht mälsig aufwärts gebogen. Ungewöhnliche, Tförmige Verbreiterung der Nasen- beine an ihrem Ansatze, fast um das Doppelte, nehmlich bis auf 22 Mm. In Folge dessen erreicht der Nasenfortsatz des Oberkiefers nur am äufsersten Seitentheil in einer ganz kurzen Strecke das Stirnbein. Die Naht zwischen beiden Nasenbeinen etwas unregelmälsig, namentlich oben nach rechts abweichend. Hohe Orbitae. Mäfsig vortretende Wangenbeine. Mälsig tiefe Fossae canınae. Niedriger Alveolarfortsatz. Grolse Infraor- bitallöcher. Grofse Schneide- und Eekzähne. Kurzer Gaumen. Stellt man in ähnlicher Weise, wie bei den Warga-Schädeln (S. 185 und 195), die Verhältnifszahlen zusammen, so erhält man folgendes Bild: I} | | | I | Bremische Schädel | | | { | Horizontalumfang: PEN | Länge: Länge: Breite: | Länge: Orbital- | Nasal- | Gaumen- | ER u she ‘höhe | nr ax x uer- Sagittal- Willehadi Kirchhof Breite Höhe Höhe | Ohrhöhe | Index Index Index Q 'S | | | umfang umfang Nr. I 83,8 | 75,4 90,0 64,6 89,6 | 40,7 | 33,0 | 60,9 69,9 At 76,2 | 66,6 87,1 58,4 ganz 56,0 | 86,6 | 57,6 | 70,0 = IH: 79,4 | 71,0 | 101,9 60,5 88,6 | 42,4 | 78,2 | 57,4 | 71,6 RI VaR 78,3 | 68,1 86,9 | 60,8 | 87,1 47,0 87,5 59,0 | 71,2 | | Mittel der Weiber 79,4 | 70,2 | 91,4 | 61,0, | 89,3 | 46,5 36,3 | 58,7 70,5 | | | Mann Nr. IV | 77,0 69,5 | 90,3 59,2 57,1 43,8 75,5 57,4 71,3 | | Gesammtmittel 73,9 70,1 | 91,2 60,7 | 88,9 45,9 84,2 58,4 70,8 | ; I Mittel ohne Nr. V | 77,7 68,8 90,6 | 59,7 88,7 47,3 81,9 57,8 71,0 Der chamaemesocephale Charakter tritt schon mit Nr. I, sehr viel und zwar noch mehr ausgesprochen, deutlicher ohne Nr. I hervor, bei jen Warga-Schädeln. Von den letzteren kommt das Mittel der Ir 4 2 ar * EEE, ” a u - u Pre u de MEREE ner dem Gesammtmittel der Willehadi Schädel ohne Nr. I am nächsten. Jedenfalls sind die Differenzen so gering, dals sie keine Be- deutung haben. Der Höhen-Index von 68,8 stimmt genau mit dem von mir (S. 122) gefundenen von 68,6 für die Zuiderzee-Insulaner. Nachdem ich zu der Ueberzeugung gekommen war, dafs eine nicht zu verkennende eraniologische Verwandtschaft zwischen diesen altbre- _ mischen und den friesischen Schädeln bestehe, begab ich mich selbst nach Bremen, um den Versuch zu machen, grölseres Material zu sam- meln. Dies gelang mir allerdings nicht, da von den Willehadi Schä- deln nichts weiter zu erlangen war, indefs war meine Reise doch nicht ohne Ergebnisse. Zunächst fand ich in dem berühmten Bleikeller der Domkirche einen der Todtenbäume, welche in der tiefsten Schicht des Willehadi Kirchhofes ausgegraben worden waren. In demselben waren, wenngleich durch das Eintrocknen vielfach verändert, die beiden von Barkhausen erwähnten Schädel enthalten. Indefs stimmten die von mir gefundenen Maafse nicht mit denen, welche Barkhausen angab. Neuerlich hat Hr. Gildemeister!), ohne des zweiten Schädels überhaupt zu erwähnen, Maalse von einem Schädel gegeben, welche sowohl von denen Bark- hausen’s, als von den meinigen abweichen. Ich kann den Grund dieser Differenzen nicht ermitteln, sondern nur die Zahlen mittheilen: Schädel Nr. I. Barkhausen Virchow Gildemeister Länge . . . 64 Zoll= 170 Mm. 183 Mm. 180 Mm. Breiten oh, mundh rn, er, 1370454 138m bg Hokew! anzu en VB re Breiten-Index 80,5 18, 70,4 „ Höhen-Index . — 69,9 „ GT, ss Schädel Nr. I. Länge . . . 64 Zoll= 170 Mm. 176 Mm. Basler tanbiudean 180, IB4r.B; Breiten-Index 76,9 5 Re 1) Correspondenzblatt der deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte. 1376. Jan. Nr. 1. S.7. 35* N INA HM x > \ NEAR TELLER 14 N 8% LIVASEN Ko BR ee MEN N RT el SEN ENTIRT Re er an BF TERN N VERA UrRBEL ER a u? y ; } 4 Ku \ N TERN era 276 Vırcmow: Beiträge zur physischen Anthropologie Da Barkhausen den einen Schädel für männlich, den anderen für weiblich hielt, so dürfte wohl angenommen werden können, dafs Nr. I nach seiner beträchtlichen Gröfse dem männlichen Schädel entspricht. Indefs ist derselbe nach meiner Bestimmung, noch mehr nach der des Hrn. Gildemeister, vorausgesetzt, dals wir denselben Kopf vor uns hatten, dolichocephal, nach der von Barkhausen brachycephal. Bei dem kleineren Schädel erhalte ich, ziemlich nahe übereinstimmend mit Bark- hausen, einen mesocephalen Index. Der Höhen-Index von Nr. I ist sowohl nach meiner Bestimmung, als nach der des Hrn. Gildemeister entschieden chamaecephal. Sein Index von 69,9 steht dem Mittel der Willehadi Schädel von 68,8 ganz nahe. Da die von mir untersuchten Schädel ihrer sehr leichten Beschaffenheit nach mit der Beschreibung von Barkhausen stimmen, so kann ich nicht glauben, dafs bei mir eine Verwechselung vorgegangen ist. Alle sonst ım Bleikeller befindlichen Schädel hatten eine ganz andere Beschaffenheit, und die alte Schliefserin, welche bald nach meinem Besuche ihr Amt verlassen hat, bezeugte be- stimmt ihre Herkunft. Ich halte mich daher auch für berechtist, auf Grund dieser Thatsachen zu schliefsen, dafs schon in der ältesten, mindestens nahe an die Heidenzeit heranreichenden Gräber- schicht eine chamaecephale, theils meso-, theils dolichoce- phale Bevölkerung vertreten ist. Nehmen wir ferner an, dals der Schädel von Dedersdorf (S. 256), der gleichfalls in einem Todtenbaum gefunden wurde, derselben Zeit angehört, so würde nach den wieder ab- weichenden Maafsen (Breiten-Index 73,6, Höhen-Index 74,1) geschlossen werden können, dafs schon damals eine sröfsere Breite der individuellen Variationen in dem Schädelbau der Bevölkerung vorhanden war. Zur Zeit meines Besuches traf ich im Bleikeller noch 2 makro- cephale und 5 niedrige, zum Theil sehr lauge Schädel, deren Herkunft nicht mehr zu ermitteln war. Aufserdem stand frei auf einem der dort beigesetzten Särge ein nicht dazu gehöriger Schädel, dessen Herkunft eben so wenig bekannt war, der aber, wie die anderen, offenbar aus einem benachbarten Grabe genommen sein muls, und in dem ich ein ausgezeichnetes Beispiel der makrocephalen Varietät, und zwar aus- gestattet mit der Besonderheit einer „plastischen Deformation“ im Sinne des Hrn. Davis, erkannte. Es ist mir später durch die gütige Vermit- e A ner; E Finsch und W. ©. Focke gelungen, Anrelben zu erwerben. Endlich stellte es sich heraus, dafs in nächster Nähe des Doms, an dem zum Markte abfallenden Abhange der „Domsdüne“, wo zum Zwecke der Erweiterung des Rathskellers eine ausgedehnte Abtragung stattfand, zahlreiche Gräberstellen blofsgelest waren. Die dabei gefun- denen Gebeine waren leider nicht gesammelt worden. Indefs wurde die Aufmerksamkeit der bremischen Forscher auf diese Stelle gelenkt, und ich erhielt bald nachher einen vortrefllichen Schädel von da. Später ist nicht nur eine gröfsere Zahl gesammelt worden, sondern auch, was von besonderem Interesse ist, ein ganz ähnlicher Steinsarg gefunden, wie ich sie von Bandt und Dangast erwähnt habe (S. 240). Bevor ich auf diese Verhältnisse eingehe, will ich zunächst die beiden, in meinen Besitz übergegangenen Schädel beschreiben: 1) Der Schädel aus dem Bleikeller. Es ist ein, wahrscheinlich männlicher, jedoch in seinen Geschlechts- verhältnissen nicht ganz sicherer Schädel eines sehr alten Individuums, der mannichfache Abnormitäten darbietet. Die Zahnränder sind höchst defekt, vorn bis nahe an die Gaumenplatte geschwunden. Der Unter- kiefer fehlt. Zahlreiche Synostosen sind nicht blofs am Schädeldach, son- dern auch am Gesicht vorhanden: die Wangenbeine, namentlich das rechte, sind mit dem Oberkiefer, die Alae sphenoideales mit Stirn- und Scheitelbeinen verwachsen; die hintere Hälfte der Pfeilnaht und der obere Theil der Lambdanaht sind synostotisch. Der ungemein grolse, breite und platte Schädel ist besonders auf- fällig durch die eigenthümliche, fast rückwärts gebogene Stellung des Gesichtsskelets. Es hängt dies zusammen mit der Bildung des Os tribasilare, welches einen ganz kyphotischen Eindruck macht. Ueber- dies finden-sich am vorderen Umfange des Hinterhauptsloches 2 grofse Condyli tertii. Die Capacität beträgt 1725 Cub. Cent., ein Maafs, welches noch den makrocephalen Schädel von Bandt (S. 241) überragt und einigen der Schädel der Herren Davis und Sasse von Bolsward (S. 160, 163) gleich- w == 2 { x 278 VırcHow: Beiträge zur physischen Anthropologie kommt. Der Horizontalumfang beträgt demgemäfs 565, der Querumfang 338, der Sagittalumfang 395 Mm., — die gröfsten Maafse unter allen, von mir in dieser Gruppe zusammengestellten Schädeln, wenn ich von einigen der von Hrn. Davis mitgetheilten. Maafse absehe. Der Querum- fang beträgt 59,8, der Sagittalumfang 69,9 pCt. des Horizontalumfanges. Längenbreiten-Index . 87,2 Längenhöhen-Index . . 65,2 Breitenhöhen-Index TAT Auricularhöhen-Index . 62,3 Orbital-Index ,.7 00.778859 Nasal-Index 01... An Gaumen-Index . . . 104,8 Der Schädel ist demnach, den Verhältnifszahlen nach betrachtet, ausgezeichnet chamaebrachycephal und leptorrhin. In der Seitenansicht, von der ich früher eine Abbildung gegeben habe), ist die Stirn ziemlich steil und der hintere Theil derselben hoch gewölbt. Unmittelbar hinter der Kranznaht findet sich eine schwache Vertiefung der Mediangegend, dann folgt eine starke Wölbung der Schei- telgegend. Schon an der Tuberal-Axe, wo auch die Synostose der Pfeil- naht beginnt, tritt ein schneller Abfall der Curve mit Vertiefung der Sagittalgesend bis zum Lambdawinkel hin ein. Darauf folgt eine schwache Wölbung der Oberschuppe bis zu der sehr kräftigen Protuberanz. Unter der starken Linea nuchae superior beginnt die sehr flache, fast horizon- tale Facies muscularis mit starken, besonders links sehr gerundeten Oe- rebellarwölbungen. Ungemein hohe Plana temporalia, welche sich hinter der Kranz- naht bis auf 115 Mm. nähern, die Gegend der kaum erkennbaren Tubera parietalia überschreiten und in grolser Ausdehnung die Lambdanaht er- reichen. Trotzdem sind diese Flächen stark gewölbt; ihre stärkste, fast bombenförmige Ausweitung liegt hinten am Angulus mastoideus und an der Sutura squamosa. Die eigentliche Schläfengegend ist, namentlich im !) Verhandlungen der Berliner anthropologischen Gesellschaft. 1874. Taf. XVII. Fig. IIla. Zeitschrift für Ethnologie. Bd. 6. an 279 eiche der SEEN Stellen, ganz te mit zahlreichen Me Br _ Höckern, Vertiefungen und gröfseren Gefäfslöchern versehen, dabei von RN, Er sklerotischer Beschaffenheit. Der untere Theil der Alae ist tief einge- % bogen und die sehr langen Squamae temporales greifen weit nach vorn. Ai % Es ist demnach mäfsige Stenokrotaphie vorhanden. im R. In der Oberansicht tritt die Vergröfserung des Umfanges haupt- ur ix sächlich am Mittelkopf hervor, der aufserordentlich breit ist. Die Stirn i " \ erscheint verhältnifsmäfsig stark, der Hinterkopf eher schwach. Jochbogen z A: { von oben her nicht sichtbar. Emissarien fehlen. WR. : Die Hinteransicht zeigt eine extreme Breite des Kopfes, auch der „ 5 Öberschuppe. Das etwas schiefe Dach ist flach gewölbt, die Seitentheile 3 | sind weit ausgelegt. Der Lambdawinkel grofs; starke Schaltknochen an % der Spitze und in den Seitentheilen der Lambdanaht, sowie in den Sei- ® tenfontanellen, von wo aus beiderseits, namentlich rechts, längere per- E sistirende Abschnitte der Sutura transversa zu erkennen sind. 2 | Jederseits zwei, noch dazu ungewöhnlich gro/se Emissaria ma- ai; stoidea, von denen das mediale rechts schon in der Squama occipi- N ü talis liest. ee Auch die Unteransicht ist überwiegend breit. Namentlich ist das | | Hinterhaupt, obwohl kurz, sehr breit. Am auffälligsten ist, wie schon he erwähnt, die Rückwärtsbiegung des Gesichts!) und des harten Gaumens, Ye dessen Ebene verlängert in schräger Richtung gegen den Vorderrand des | 2 Hinterhauptsloches treffen würde. Innen fühlt und sieht man einen sehr ML | steilen, jedoch nirgends gebogenen Clivus. Das Foramen magnum ist RL | lang, aber nach vorn durch die stark einspringenden und unregelmäfsigen Kein. Gelenkhöcker verengt. Beide haben fast ebene und zugleich sehr kurze 1A 5 Gelenkflächen. Die Fossae condyloideae posteriores fehlen beiderseits; Re; . dafür findet sich links, wo der Gelenkhöcker an und für sich tiefer steht, fr an der Stelle der Fossa noch eine besondere kleine Gelenkfläche. Dem Hr 1 entsprechend bildet auf dieser Seite das Tubereulum jugulare nach innen 7 | einen sehrsstarken Vorsprung. Nach vorn geht jeder Gelenkhöcker in a‘ eine etwas rauhe, schräge Fläche über, welche nach vorn gewendet ist Fi Ri; 1) Dieselbe ist in der oben (S. 278) citirten Abbildung sehr deutlich zu erkennen. 280 VırcHmow: Beiträge zur physischen Anthropologie und nahe der Mittellinie in einen nach abwärts gerichteten rundlichen Knopf von 2—3 Mm. Dicke und 7 Mm. Höhe übergeht. Zwischen beiden Knöpfen bleibt ein schmaler, 3 Mm. breiter Spalt. — Starke Griffelfort- sätze. Sehr weite Kiefergelenksgruben. Abgeplattete Gehörgänge. Schräg rückwärts stehende Flügelfortsätze. In der Vorderansicht, welche gleichfalls früher abgebildet ist!), erscheint die Stirn breit und niedrig. Der ganze Eindruck wird beherrscht durch die extreme Breite der hinter den Ohren gelegenen Schädeltheile. Schwache Stirmhöcker. Kräftige Stirnwülste, die in emen, die Nasen- wurzel weit überragenden Mittelwulst zusammenfliefsen. Zackiger Naht- rest an der Sut. frontalis in diesem Wulst. Augenhöhlen hoch und sehr schief nach unten und aulsen. Wangenbeine vortretend. Infraorbital- löcher etwas verdeckt. Fossae caninae voll. Nase leider stark verletzt, im Ganzen sehr schmal. Alveolarfortsatz ganz niedrig. Gaumen kurz und sehr breit. 2) Der Schädel vom Rathskeller (Domkirchhof). Seniler weiblicher Schädel mit stark vorspringender Nase, progna- them Oberkiefer, ungemein grofsen Augenhöhlen und schwach einge- drückter Basis. Der Unterkiefer fehlt. Am linken Ohr stark grüne Me- tallfärbung (Ohrringe). Die übrige Farbe ist ungemein weils, fast kreidig. Der Schädel ist leicht. Die Capacität von 1240 Cub. Oent. ist gering; sie ist die zweit- kleinste unter den Bremer Schädeln meiner Sammlung. Nahezu ähnlich verhält es sich mit dem Horizontalumfang von 510 Mm., dem Querum- fang von 284 und dem Sagittalumfang von 343 Mm. Ersterer ist der kleinste unter den Bremer Schädeln. Der Querumfang beträgt nur 55,6, der Sagittalumfang 67,2 pÜt. des Horizontalumfanges. Beides hängt wahr- scheinlich zusammen mit der geringen Entwickelung der Parietalia: die Sasittalis ist nur 110 Mm. (Flächenmaals) lang, und der gerade Abstand der vorderen und hinteren Fontanelle von einander beträgt 99 Mm., — ex- trem kleine Maalse. DAAD Bat RVILIMRTEAINTD: der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 281 Längenbreiten-Index. . 83,8 Längenhöhen-Index . . 68,9 Breitenhöhen-Index . . 82,1 Auricularhöhen-Index . 58,7 Orbital-Index . . . .: 102,9 Nasal-Index 5 wich Gaumen-Index. . . . 91,3. Der Schädel ist also chamaebrachycephal und leptorrhin bei extremer Höhe der Augenhöhlen. In der Seitenansicht erscheint die Stirn sehr flach mit einer höheren Wölbung vor der Kranznaht. Unmittelbar an letzterer liegt eine tiefe, aber scharfe Einsenkung. Dann folgt eine erneute Erhöhung am Scheitel, die jedoch sehr schnell, schon vor der tuberalen Axe, wieder abfällt. Das Hinterhaupt ist kurz und hoch. Plana temporalia extrem hoch, so dals -die oberen Schläfenlinien sich hinter der Kranznaht bis auf 68 Mm. nähern, die Tubera parietalia überschreiten und in langer Erstreekung die Lambdanaht erreichen. Trotzdem besteht eine starke Auswölbung der Schläfentheile des Stirnbeins, der unteren Theile der Scheitelbeine und namentlich der Schläfenschuppen. Die Kranznaht ist rechts innerhalb des Planum ganz synostotisch, links offen, aber einfach. Alae ziemlich breit, aber stark eingebogen. Rechts eine schwache Tuberositas tem- poralis des Wangenbeins. In der Oberansicht sehr weit zurückliegende Kranznaht, deren mittlere Theile fast ganz synostotisch sind. Ebenso ist die ganze Pfeil- naht und der obere Abschnitt der Lambdanaht verstrichen. Das rechte Emissarium parietale ist minimal, das linke liest nahe an der Mittellinie. Die hintere Sagittalgegend ist vertieft. Das Hinterhaupt erscheint kurz. Die Hinteransicht zeigt den Schädel etwas schief und verhältnifs- mälsig hoch; zwischen Seitentheilen und Dach, welches erst in der mitt- leren Sagittalgegend steiler ansteigt, ist keine rechte Grenze. Die stärkste Ausweitung liegt an dem hinteren Theil der Schläfenschuppen. Schwache Protuberantia oceip. externa. Starke Öerebellarwölbungen. Basis breit und lang. Hinterhauptsloch verhältnilsmäfsig breit, mit stark einspringenden Gelenkhöckern. Die Fossae condyloideae po- steriores zum grolsen Theil mit Osteophyten gefüllt. Apophysis basilaris Phys. Kl. 1876. 36 . E’ae, , 282 Vırcnuow: Beiträge zur physischen Anthropologie breit und sehr unregelmäfsig, scheinbar etwas eingedrückt. Grofses Tu- berculum pharyngeum mit starken Vertiefungen davor und daneben. Steiler Clivus mit unregelmälsig höckerigen Exostosen am Ephippium. Linkes Tuberculum jugulare grofs, dafür das rechte Foramen jugulare stark vergrölsert. Starke Griffelfortsätze. Tiefe Kiefergelenkgruben. Platter Gehörgang. Schmale Flügelfortsätze mit zackigen Laminae externae. Vorderansicht: Stirn sehr niedrig, fliehend. Die Schläfenlinien greifen sehr weit über und erreichen fast die Tubera. Volle Glabella. Schwache Stirnwülste. Dagegen stark vortretender Nasenfortsatz. Un- gemein hohe und tiefe Orbitae, welche den Gesichtsausdruck ganz be- herrschen. Anliegende Wangenbeine. Nasenfortsatz des Stirnbeins voll. Nasofrontalnaht wenig einspringend. Nase schmal, stark vorspringend, wenig eingebogen. Kurzer, schräg vorspringender Alveolarfortsatz, in dem noch ein einziger kurzer, tief abgeriebener Zahn steckt. Zahnfort- satz bis auf die Gaumenplatte geschwunden, verhältnifsmäfsig breit. In letzter Zeit ist durch weitere Aufgrabungen an der Domsdüne eine neue Reihe von Schädeln gewonnen worden. Ein Theil derselben ist von Hrn. J. Gildemeister!) beschrieben und durch Abbildungen erläutert worden. Darunter befindet sich, was ganz besonders wichtig ist, einer, der in einem ganz ähnlichen Steinsarge lag, wie wir sie von Bandt und Dangast kennen gelernt haben (S. 241). Nach den Mitthei- lungen des Hrn. Gildemeister, der übrigens die Güte gehabt hat, mir Gypsabgüsse der am meisten charakterischen Exemplare zu senden, um- falst der von ihm gesammelte Gesammtfund nahezu 30 Schädel, von denen ein Theil nach seiner Angabe höhere Formen darstellt, dagegen fast die Hälfte, nehmlich 13, ausgezeichnete Chamaecephalen sind. Indefs sind doch auch bei der „höheren“ Gruppe die Höhe und der Höhen-Index so gering, dafs ich keinen Grund sehe, sie von den Chamaecephalen auszu- schliefsen. Von 8 Schädeln dieser Art hat der eine männliche eine Höhe 1) Abhandlungen des naturwissenschaftlichen Vereins zu Bremen. 1875. S. 519. Taf. I-VIM. der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 283 von 120 Mm. und einen Höhen-Index von 66,8, der andere 126 Mm. und 69,2, der höchste weibliche einen Höhen-Index von 69,4. Bei 4 weiteren Schädeln liegen die berechneten Werthe zwischen 66,1 und 67,8; sie fallen also unzweifelhaft in die gleiche Betrachtung, wenn auch vielleicht andere Erscheinungen ihnen in anderer Beziehung eine gesonderte Stel- lung anweisen mögen. Hr. Gildemeister hat aus der niedrigsten Gruppe 6 Schädel ge- nauer beschrieben und die Mehrzahl derselben in Abbildungen dargestellt. Ich erwähne aus seinen Angaben ganz kurz die Hauptpunkte: 1) Männlicher Schädel von 1480 Cub. Cent. Inhalt, einem älteren Individuum angehörig, ohne Unterkiefer. Die Nähte grofsentheils ver- strichen. Flacher Scheitelbogen mit mächtigem, kuglig gewölbtem Hin- terhaupt. Die stark zurückgeneigte niedrige, ziemlich schmale Stirn hat zwei mächtige, in der Mitte zusammenflielsende Wülste. Das Dach er- scheint in der Oberansicht birnförmig oder pyramidal, indem es sich nach hinten zu beträchtlich verbreitert. Schläfen vorgewölbt. Ungemein breiter Nasenfortsatz des Stirnbeins. Die starken Nasenbeine springen kräftig vor. Der Kiefer orthognath. Die Augenhöhlen hoch und grofs, mit nach unten convergirenden, inneren Rändern. Oberkiefer schmal. Jochbein nicht breit. Längenbreiten-Index . . 75 Längenhöhen-Index . . 59,5 Breitenhöhen-Index . . 79,1. Der Schädel ist demnach chamaemesocephal. Er wurde gefunden an dem abschüssigsten Theile der Düne, dicht über dem Sande in einem schliekartigen Boden, über 15 Fufs unter der jetzigen Oberfläche. Hr. Gildemeister hält ihn daher für einen der ältesten. In seiner Nähe lagen einige andere Exemplare, die zum Theil’ gar nicht, zum Theil keineswegs in ähnlicher Weise ausgesprochen nie- drig waren. 2) Männlicher Schädel von 1350 Cub. Cent. Inhalt, von einem älteren Individuum mit ganz geschwundenen Alveolarfortsätzen, bis auf die Bildung des Gesichts, welches breitere Jochbeine und eigenthümlich nie- drige Augenhöhlen besitzt, dem ersten in allen Verhältnissen vollkommen ähnlich. Die Stirn ist so stark zurückgebogen, dafs eine Verlängerung 36* 284 Vırcmow: Beiträge zur physischen Anthropologie ihres Profils, wenn man von den Stirnwülsten absieht, etwa auf den An- satz der Nasenwurzel trifft. Längenbreiten-Index.. . 76,5 Längenhöhen-Index . . 62,7 Breitenhöhen-Index . . 82,0. Er ist also gleichfalls chamaemesocephal. Er lag auf der Höhe der Düne, nur etwa 4 Fuls hoch mit auf- geschütteter Erde bedeckt, aufserhalb des von dem Kreuzgange des Doms umschlossenen Kirchhofareals, und war von Gebäuden gedeckt gewesen, die mindestens dem 15. oder 16. Jahrhundert angehörten. Hr. Gilde- meister hält ihn daher für jünger, als den ersten, jedoch für älter, als das 15. oder 16. Jahrhundert. 3) Männlicher Schädel von 2050 Cub. Cent. Inhalt aus dem schon erwähnten Steinsarge, dem unter Nr. I aufgeführten in seiner Form und in einzelnen charakteristisch scheinenden Zeichen noch näherstehend, als Nr. 2. Unterscheidend ist der noch kräftigere Ausdruck des Gesichts, namentlich die Stärke der mächtig vorgelagerten Augenbrauenwülste, die tiefer eingezogene Nasenwurzel und die energisch vorspringenden Nasen- beine. Die Wölbung des Schädels ist fach und an der vorderen Fon- tanelle am höchsten, indels liegt die Kranznaht so weit nach hinten, dafs eine in der Horizontalstellung von da gefällte Senkrechte ganz nahe vor die Ohröffnung fällt. Das Gesicht ist lang und schmal. Die Augenhöhlen sind nicht grols, dagegen kantiıg und gleichen schräg abwärts gestellten Rechtecken. Das Kinn stark prominent (an einer anderen Stelle heifst es: scharf vorspringend). Längenbreiten-Index.. . 77,6 Längenhöhen-Index . . 62,8 Breitenhöhen-Index . . 81,0. Der Schädel ist also chamaemesocephal. 4) Männlicher Schädel, durch die niedrigen Augenhöhlen am meisten Nr. 2 ähnlich, mit stark zurückweichender, niedriger Stirn und ungewöhn- lich stark vorspringenden Nasenbeinen. Das Hinterhaupt platt abfallend und zugespitzt, die Schläfen ausgewölbt. der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 285 Capaeität .... . . 1340 Längenbreiten-Index . 70,3 Längenhöhen-Index . 64,8 Breitenhöhen-Index . 92 Dieser Schädel ist chamaedolichocephal. 5) Weiblicher Schädel von 1290 Cub. Cent. Inhalt, aus dem höhe- ren Theile der Düne. Flacher, fast platter Scheitel, Hinterhaupt lang und vollgewölbt. Verhältnifsmälsig steile Stirn, wenig vorstehende Nase mit wenig vertieftem Ansatz. Oberkiefer schmal und lang. Dieser Schä- del, dessen absolute Höhe (110 Mm.) unter allen das niedrigste Maafs hat, ist nach Hrn. Gildemeister in seiner Bildung dem unter Nr. 1 erwähn- ten am ähnlichsten. Längenbreiten-Index . . 73 Längenhöhen-Index . . 61 Breitenhöhen-Index . . 78 Er ist chamaedolichocephal. 6) Weiblicher Schädel von nur 1270 Cub. Cent. Inhalt, dagegen von stärkerem Knochenbau, im Uebrigen Nr. I sehr ähnlich. In der Öberansicht ist die Verbreiterung nach hinten besonders auffällig, jedoch ist das eigentliche Hinterhaupt etwas zugespitzt und platt abfallend. Längenbreiten-Index . . 753,7 Längenhöhen-Index . . 61,8 Breitenhöhen-Index . . 83.9. Er ist chamaedolichocephal. Berechnet man für diese 6 Schädel die Mittel der Indices, so er- hält man einen Männer Frauen Mittel Längenbreiten-Index von 74,8 73,3 74,3 Längenhöhen-Index „ 62,4 61,4 62,1 Breitenhöhen-Index „ 83,5 80,9 82,6 In Bezug auf die Hauptfrage, nehmlich die Niedrigkeit der Schä- del, läfst dieses Ergebnils keinen Zweifel. Indefs liest es auf der Hand, dafs der Werth der Mittel ein sehr geringer ist. Wenn man aus einer gröfseren Zahl von Schädeln eine kleine Gruppe auswählt, so setzt man 286 VırcHuow: Beiträge zur physischen Anthropologie sich dem Zufalle aus, es seı denn, dafs man sehr streng auswählt. Man ersieht dies hier am besten aus dem Längenbreiten-Index, der ım Mittel 74,3 beträgt. Darnach wären diese Schädel dolichocephale. Allein es genügt, den Schädel Nr. 4 auszulassen, um das Gesammtmittel auf 75,1 und das der Männer von 74,8 auf 76,3 zu erhöhen und so das Maals der Mesocephalie zu erreichen, welches wir anderweitig gefunden haben. Der Schädel Nr. 4 unterscheidet sich durch seine geringe Breite ganz auffällig von allen übrigen. Er besitzt nehmlich eine gröfste Breite von nur 130 Mm., während selbst der kleinste weibliche Schädel (von 1270 Cub. Cent. Inhalt) 137, der andere weibliche 140, dıe anderen männlichen 145, 150 und 163 Mm. messen. Er nimmt demnach eine ähnliche Stel- lung unter den Schädeln des Hrn. Gildemeister ein, wie der Schädel Nr. III (8. 269) unter den meinigen. Denn auch dieser hat nur eine Breite von 128,5 und einen Längenbreiten-Index von 69,4, und er allein drückt das Gesammtmittel der in meinem Besitze befindlichen 6 Schädel von der Bremer Domsdüne, welches ohne ihn 79,8 betragen, also ein eigentlich brachycephales Maals ergeben würde, auf 78,1. Ja, in der Zusammenstellung der zuerst gefundenen Schädel wird das Mittel, wenn man den seiner Herkunft nach zweifelhaften Schädel Nr. I auslälst, bis auf 72,7, also in das Dolichocephale herabgedrückt. Es ist daraus er- sichtlich, dafs man den Werth der Mittel bei verhältnilsmälsig so kleinen Summen nicht ohne genaue Kenntnils aller Vordersätze schätzen darf. Hr. Gildemeister hätte das Urtheil sehr erleichtert, wenn er wenigstens die Hauptzahlen für alle seine Schädel mitgetheilt hätte. In- dels zeigt das, was er mittheilt, dafs die von ihm untersuchte Schädel- gruppe in der Hauptsache mit derjenigen übereinstimmt, welche ich vor- her genauer beschrieben habe. Denn auch die Höhen-Indices der ihrer gröfseren Höhe wegen von ihm vorläufig nicht weiter berücksichtigten Schädel sind so niedrig, dafs sie ihrer grofsen Mehrzahl nach der COha- maecephalie angehören. Der einzige, mit Unterkiefer versehene Schä- del (Nr. 3, S. 284) zeigt in deutlicher Weise den progenaeischen Typus, nur ein wenig gemildert durch eine schwache Auswärtskehrung des Al- veolarfortsatzes !). Wir gewinnen damit eine gewisse Sicherheit des Ur- DEAF2. ON Tata. der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 287 theils sowohl für die altbremischen Schädel an sich, als auch für ihr Verhältnifs zu den friesischen Formen. Denn einerseits stimmen die Schädel der Leute, welche am Dom bestattet worden sind, mit den Schä- deln der Leute überein, welche ihre Begräbnilsstätte auf dem Willehadi Kirchhof gefunden haben, und der Zweifel, ob die letzteren vielleicht überwiegend Fremde waren, wird damit beseitigt. Anderseits wird da- durch sichergestellt, dals, obwohl Bremen nicht mehr dem friesischen Gebiete, wie es sich uns im Mittelalter darstellt, angehörte, doch in seiner ältesten Bevölkerung dieselben Elemente vorherrschten, welche wir im eigentlichen Friesland kennen gelernt haben. In dieser Beziehung ist es von besonderem Werthe, dafs auch der Steinsargschädel vom Bremer Domkirchhofe, der doch aller Wahrscheinlichkeit mit den Steinsargschä- deln von Bandt und Dangast synchronisch ist, eine extreme Chamaece- phalie darbietet, so dafs er sogar die letzteren Schädel in dieser Bezie- hung- übertrifft. Eine Vergleichung mit der früher (S. 250) mitgetheilten Tabelle lehrt dies auf den ersten Blick. Auf die Verschiedenheit der Zahlen möchte ich nicht zu viel Gewicht legen, da die Schwierigkeit, sich über die Methode der Höhenmessung zu verständigen, leicht gewisse Differenzen zum Vorschein bringt, welche sich bei einer gleichartigen Methode von selbst beseitigen. Wir wissen leider zu wenig über die erste Besiedelung der Stadt Bremen und über die Elemente der Bevölkerung, welche von vornherein zusammentrat. Man wird kaum bezweifeln können, dafs sächsische Ele- mente dazu gehörten. Indefs wird man schwerlich fehlgreifen, wenn man annimmt, dafs auch Theile der friesischen Landbevölkerung, welche so- wohl das westliche, als das östliche Ufer der Weser-Mündung bewohnte, frühzeitig in die Stadt hineingezogen wurden, wenn man nicht selbst an- nehmen will, was an sich keineswegs unwahrscheinlich ist, dals schon vorher das nachmalige Stadtgebiet eine friesische Bevölkerung besals. Eine bestimmte Beantwortung dieser Frage wird dadurch sehr erschwert, dals wir keineswegs mit Sicherheit wissen, wie der niedersächsische Schä- deltypus beschaffen war. Nach den früher (S. 52) mitgetheilten Zahlen des Hrn. Welcker beträgt der Längenhöhen-Index in Holstein im Mittel 71, in Hannover, gleichwie in Hessen und Thüringen, 72, ist also immer noch niedrig, während schon in der Gegend von Halle das Mittel 74 288 Vırcmow: Beiträge zur physischen Anthropologie beträgt. Meinen Erfahrungen nach erstreckt sich die Zone der niedrigen Schädel in der That nach verschiedenen Richtungen tief in das Land hinein, wie die nachfolgenden Mittheilungen darthun werden. Man könnte daher die Frage aufwerfen, ob nicht die Chamaecephalie gerade eine nie- dersächsische Eigenthümlichkeit gewesen sei. Allein der Umstand, dafs auch solche Gebiete von Friesland, welche nie eine sächsische Bevölkerung erhalten haben, ausgezeichnete Ohamaecephalen besitzen, ja dafs die Cha- maecephalie sogar zunimmt, je mehr wir uns den Küsten nähern, spricht meiner Meinung nach durchaus für die gegentheilige Auffassung, und man wird daher eher annehmen dürfen, dafs die „niederköpfige* Bevölkerung, welche sich im Innern des Landes findet, älteren Stämmen angehörte, welche zur Zeit, als der grofse Sachsenbund sich bildete und der Name der Sachsen sich auf immer weitere Kreise von Nordwestdeutschland übertrug, sich zum Theil mit südlicheren und östlicheren Stämmen von etwas abweichender Bildung vereinigten. Denn man darf nıcht vergessen, dafs der Name der Sachsen eine viel mehr politische, als ethnische Grund- lage hat, und dafs es durchaus willkürlich wäre, wenn man voraussetzen wollte, dafs das spätere Sachsenvolk einen durchgreifenden Gegensatz in der physischen Beschaffenheit aller seiner Glieder gegen das Friesenvolk darstellen müsse. Wie die &renzen zwischen friesischer und säch- sischer Sprache sich durch zahlreiche Uebergänge verwischen, so verhält es sich auch mit den Grenzen zwischen friesischem und sächsischem Körperbau. Zum Belege für das Gesagte beziehe ich mich zunächst auf eine Gruppe von Schädeln, welche von dem Kirchhofe des Marktfleckens Ankum im Gebiete des ehemaligen Bisthums Osnabrück und zwar aus dem nördlichsten Theile desselben herstammen. Der Ort liegt nordwestlich von der Stadt Osnabrück in der heutigen preufsischen Provinz Hannover an der Hase. Ich verdanke die Schädel der gütigen Fürsorge des Hrn. Dr. Carl Meyer in Damme. Da sie nach ihrer äufseren Beschaffenheit den Ein- druck machen, dafs sie durchweg einer und derselben Zeit, vielleicht dem Anfange dieses Jahrhunderts, angehören, und da sie sämmtlich von der- RT: BR Ka Be uR, euts chen, mit b n derer Berücksichtigung der Friesen. 289 ;, Orte herstammen, so eignen sie sich in hohem Maalse für eine verglei- chende Betrachtung. Ich gebe zunächst eine kurze Uebersicht der ein- zelnen Schädel: % . I. Alter, männlicher Schädel von stark braungelber Farbe, mit Er E etwas verwitterter, vielfach abblätternder Oberfläche. Er hat eine mäfsige Capaeität von 1400 Cub. Cent. Sein Horizontalumfang beträgt 525 Mm., während der vertikale Querumfang 306, der Sagittalumfang 362 Mm. milst. Der Querumfang beträgt daher 58,2, der Sagittalumfang 68,9 pCt. des Horizontalumfanges. Längenbreiten-Index. . 77,9 Längenhöhen-Index . . 67,2 Breitenhöhen-Index . . 86,2 Auricularhöhen-Index . 57,8 Orbital-Index . . . . 972 Nasen-Index "',. '#yl" 17 MIse Der Schädel ist demnach ausgemacht ch amaemesocephal und leptorrhin. Zugleich stellt er ein schönes Beispiel mälsiger Progenie dar. ; h: Phys. Kl. 1876. 37 290 VırcHnow: Beiträge zur physischen Anthropologie Die Seitenansicht zeigt eine recht typische lange und niedrige Form. Die mit kräftigen Wülsten versehene Stirn steigt etwas schräg an; dann folgt eine lange, fast ebene Linie bis etwa‘ zu der tuberalen Axe, von wo an ein ziemlich schneller, gleichmälsig bis auf die Ober- schuppe fortgehender Abfall stattfindet. Das Hinterhaupt steht weit vor. Die Nähte sind gut erhalten. Die Plana temporalia sind mälsig ent- wickelt, indefs lassen sich die oberen Begrenzungslinien schwer erkennen. Die Alae sphenoideales schmal, besonders rechts; links finden sich längs der Sutura squamosa mehrfache Defekte, indem die Knochenränder ab- gebrochen sind. (Die in der Zeichnung hervortretende Stelle am vor- deren oberen Umfange der Schläfenschuppe ist kein Fontanellknochen). Beide Alae sind sehr tief eingebogen, so dafs sie nach unten eine flache Rinne darstellen. Rechts ıst auch die Squama temporalis etwas einge- drückt und sonst ganz platt; links fehlt die Einbiegung, dagegen besteht dieselbe Plattheit. In der Basilaransicht erblickt man ein langes Hinterhaupt. Das Foramen magnum ist verhältnifsmäfsig rund; an seinem hinteren Umfange tritt links ein kleiner Knochenvorsprung hervor. Die Fossae condyloideae posteriores sind fast ganz ausgefüllt durch eine Verlängerung der Coronae nach hinten. Schmale, besonders nach vorn seitlich zusammengedrückte Apophysis basilariıs mit grolsem Tubereulum pharyngeum. Warzenfort- sätze von mälsiger Gröfse. In der Vorderansicht erscheint die Stirn etwas eckig, jedoch von mälsiger Breite. Am Nasenfortsatz ein kurzer Rest der Stirnnaht. Das Gesicht schmal und hoch; der Höhendurchmesser von 124 Mm. ist der gröfste in der ganzen Reihe der in der gegenwärtigen Abhandlung be- sprochenen Schädel. Orbitae hoch und tief. Nase stark vortretend und von äufserster Schmalheit; der Rücken hat eine aquiline Form, indem die Spitze leicht gekrümmt ist. Mäfsig hoher, sehr gerader Alveolarfort- satz. Die Zähne sowohl im Ober- als im Unterkiefer sind lang und etwas unregelmäfsig. Ihre Schmelzoberfläche zeigt überall, besonders an den Schneide- und Eckzähnen quere, parallele Riffelung. Die Schneide- zähne und der Eckzahn links oben stehen aufserdem abnorm, indem der zweite Schneidezahn rückwärts, der erste und der Eckzahn vorwärts ge- drängt sind; zugleich ist .der erste Schneidezahn etwas um seine Axe Sa vu 4 s “u Es esonderer Bereinigung den en. ER Ai: innen gedreht. Obwohl die mittleren. Zähne im Profil I leicht vortreten, so sind sie doch keineswegs prognath. Dagegen tritt _ das Kinn stark vor und der Winkel, unter dem die Aeste ansetzen, ist sehr grols (145°). Von vorn gesehen, erscheint die Kinngegend nicht eigentlich dreieckig, aber sie ist nach unten durch eine fast gerade Linie begrenzt. Die Progenie ist um so mehr auffällig, als der Knochenbau des Unterkiefers an sich nicht stark ist. Die mediane Höhe (30 Mm.) ist sehr mälsig, dagegen der untere Umfang (174 Mm.) sehr beträchtlich, namentlich im Verhältnifs zu der geringen Distanz der Kieferwinkel (89 Mm.). II. Grofser männlicher Schädel mit stark abgeschliffenen Zähnen und völlig obliterirten Alveolen der mittleren Schneidezähne. Capacität 1440 Cub. Cent. Horizontalumfang 535, vertikaler Quer- umfang 342, Sagittalumfang 379; es beträgt daher der Querumfang 63,9, der Sagittalamfang 70,8 pÜt. des Horizontalumfanges. Längenbreiten-Index.. . 79,1 Längenhöhen-Index , . 68,9 Breitenhöhen-Index . . 87.1 Auricularhöhen-Index . 59,8 Orbital-Index . : . .85,7 Nasen-Index . . . . 484 Der Schädel ist demnach chamaemesocephal, an der Grenze der Brachycephalie, und mesorrhin. Zugleich ist er progenaeisch mit leichtem Vortreten des Alveolarrandes. In der Oberansicht erscheint er breit und lang. Die gröfste Breite liegt in der unteren Parietalgegend. Aber auch die anderen Breiten- durchmesser sind sehr großs. Der untere frontale (104 Mm.), der tem- porale (129 Mm.) und der coronale (119 Mm.) sind sogar die grölsten in der ganzen Reihe der Ankum-Schädel. Der mastoideale Durchmesser (128 Mm.) ist der zweithohe. Sehr schmale Alae, platte Squamae tem- porales, jederseits eine Tuberositas temporalis ossis malaris. Hohes Gesicht mit niedrigen Augenhöhlen. Stark vorspringende, zugleich sehr eingebogene, niedrige und mälsig breite Nase (an der un- tersten Grenze der Mesorrhinie). Sowohl der Nasentortsatz des Stirn- beins, als die Nasenöffnung sind von ungewöhnlicher Breite. Mäfsig hoher ie a N De 1 RE LE SE iR NE N r 1 292 Vırcnow: Beiträge zur physischen. Anthropologie Alveolarfortsatz des Oberkiefers. Ungemein grolser und hoher Unter- kiefer mit einer Medianhöhe von 38 Mm., dagegen ganz schmalen Schneide- zähnen, besonders den mittleren. Gerader Querdurchmesser der Portio ineisiva 19, der Portio incisivo-canına 32 Mm. Die Höhe des Kieferastes (70 Mm.), die Distanz der Kieferwinkel (128 Mm.) und die der Kiefer- gelenkgruben (105 Mm.) ergeben, ebenso wie der Diagonaldurchmesser (239 Mm.), die höchsten Zahlen in der ganzen Reihe der chamaecephalen Schädel. Der Kieferastwinkel (135°) ist nicht grols, dagegen die hori- zontale Entfernung des Kinns vom Hinterhauptsloche (95 Mm.) recht be- trächtlich. III. Zarter, weiblicher Schädel mit zahlreichen grünen metallischen Stellen (vom Kopfschmuck?) am Mittelkopf und mit stark abgeschliffenen Mittelzähnen. Capacität 1300 Cub. Cent. Horizontalumfang 520, vertikaler Quer- umfang 295, Sagıttalumfang 360 Mm. Es beträgt also der Querumfang 56,7, der Sagittalumfang 69,2 pCt. des Horizontalumfanges; ersterer ent- spricht den geringen Maalsen der weiblichen bremischen Schädel. Längenbreiten-Index.. . 81,3 Längenhöhen-Index . . 61,5 Breitenhöhen-Index . . 75,6 Auricularhöhen-Index . 54,5 Orbiral-Index 22002229001 NasenAmdex 2... 220: Der Schädel ist also chamaebrachycephal und mesorrhin, und zwar steht er nach der Terminologie des Hrn. Broca an der ober- sten Grenze der Mesorrhinie. Zugleich zeigt er Progenie mit leichter Vorschiebung der Zahnränder. Er ist sehr niedrig und breit. Sein Längenhöhen- und sein Brei- tenhöhen-Index sind die niedrigsten in der ganzen Reihe. Die Stirn gleichfalls niedrig, dafür grofse Breite der temporalen Theile des Stirn- beins. Schmale Alae sphenoideales. Grolses, langes und breites Hinter- haupt. Der Occipitaldurchmesser (gerader Abstand von einer Casserischen Fontanelle zur anderen) beträgt 122 Mm., mehr als bei einem der an- deren Schädel. Ebenso übertrifft der horizontale Abstand der Hinter- ze, we E mit RR Birsekeig ker Friesen. hmuptoväbung vom hinteren Rande des Hinterhauptsloches mit 68 Mm. das entsprechende Maafs bei allen anderen Schädeln; der Oceipitalradius (vom Meatus auditorius externus bis zur Hinterhauptswölbung) erreicht mit 101 Mm. nahezu das höchste Maals. Dagegen ist das schmale Gesicht niedrig: die Distanz der Naso- frontalnaht vom Kinn hat das geringste Maafls (108 Mm.). Die Orbitae sind schief und ungleich. Die Fossae caninae tief. Die Nase hat unter allen die geringste Höhe (50 Mm.), dagegen steht sie, was die Breite der Apertur anbetrifft, mit in erster Stelle. Die knöcherne Nase für sich ist schmal. IV. Grolser und schwerer männlicher Schädel ohne Unterkiefer. Seine Capacität (1550 Cub. Cent.) ist die gröfste unter den Ankum-Schä- deln. Dasselbe gilt von dem Horizontalumfange, der 545 Mm. beträgt, und von dem Sagittalumfange, der 385 Mm. milst, während der vertikale Querumfang mit 320 Mm. erst in dritter Linie unter den Ankum-Schä- deln steht. Letzterer beträgt daher nur 58,7, ersterer 70,6 pCt. des Horizontalumfanges. Längenbreiten-Index . 78,0 Längenhöhen-Index . . 71,2 Breitenhöhen-Index . . 91,2 Auricularhöhen-Index . 60,2° B Orbital Index . . „ . 06 _ h Nasen-Index '. .:. „A491. Der Schädel ist demnach mesocephal, jedoch nicht sehr niedrig, leptorrhin und leicht opisthognath. | Breites, langes Schädeldach mit sagittalem Wulste und langem Hinterhaupt. Schmale Anguli parietales. Beträchtliche Parietal- und $' Mastoidealbreite; erstere nimmt mit 136 Mm. den höchsten Platz unter ' den Ankum-Schädeln ein. Ebenso ist, der grofsen hinteren Höhe von | 144 Mm. entsprechend, der gerade Sagittaldurchmesser der Hinterhaupts- schuppe mit 104 Mm. der höchste in der Reihe. Auch die vorderen ba- silaren Längenmaalse sind beträchtlich, und in der Gröfse der Distanz der sagittalen Fontanellen von dem vorderen Rande des Hinterhauptsloches wird dieser Schädel von keinem der anderen übertroffen. UT 4 5 ANNBLRSN, Wan RR a une Da N da a DT EL TEE SAH ÄNR ARE LASOR THE N aka 294 VırcHow: Beiträge zur physischen Anthropologie, Schmales und hohes Gesicht: der Abstand der Nasofrontalnaht vom Oberkieferrande (76 Mm.) stellt die höchste Zahl unter den Ankum- Schädeln dar. Hohe Orbitae. Die Nase hat einen geringen Index, aber ihr knöcherner Theil ist trotzdem ungemein breit, ja am Ansatze der breiteste in der ganzen Reihe. Die Kleinheit des Index erklärt sich haupt- sächlich durch die grolse Höhe der Nase (57 Mm.), welcher die Länge der Nasenbeine (26 Mm.) entspricht. Aber der Rücken ist platt, der Ansatz tief und die Nase erscheint nach unten aufgeworfen. Der Alveo- larfortsatz erreicht mit 22 Mm. die gröfste Höhe unter den Ankum-Schä- deln. Der Gaumen ist schmal, aber nicht lang. V. Ziemlich schwerer, aller Wahrscheinlichkeit nach männlicher Schädel mit kräftigen Muskellinien und tief abgeschliffenen Zähnen, von denen die mittleren ungemein starke (Querriffelung zeigen. Wegen einiger Verletzungen läfst sich die Capacität nicht ganz senau bestimmen. Sie erreicht jedoch mindestens 1525 Cub. Cent. Der Horizontalumfang (538 Mm.) und der vertikale Querumfang (332 Mm.) sind die zweitgrölsten in der Reihe der Ankum-Schädel; auch der Sa- sittalumfang von 379 Mm. steht mit dem gleichen Maalse des Schädels Nr. II in der zweiten Stelle in dieser Reihe. Es beträgt der Querumfang 61,7, der Sagittalumfang 70,4 p©t. des Horizontalumfanges. Längenbreiten-Index.. . 77,8 Längenhöhen-Index . . 73,1 Breitenhöhen-Index . . 93,9 Aurieularhöhen-Index . 61,6 Orbital-Indexı »1 92.1 122485;0 Nasen-Index.. 30. .0%41147,0: Der Schädel ist demnach mesocephal, mäfsig hoch und eben noch leptorrhin. Auch in seiner Erscheinung macht er einen breiten und hohen Eindruck, wie denn in der That sowohl seine gerade, als auch seine Ohrhöhe die beträchtlichsten in der Reihe der Ankum-Schädel sind. Zugleich hat er die gröfste temporale (127 Mm.) und mastoideale (129 Mm.) Breite. Die Tubera parietalia, die Stirnwülste, die Tuberositas temporalis ossis malarıs sind kräftig ausgebildet. Die schmale und auf dem Rücken etwas eingebogene Nase springt sehr stark vor. Der Oberkiefer ist schwach prognath und der harte Gaumen "schmal. Der ehe Anden von 72 „7 ist ik kleinste der ganzen E eihe. Der Unterkiefer ist mehr progenaeisch. Die Entfernung der » - Kieferwinkel von einander (91 Mm.) ist gering, dagegen die Distanz der Gelenkgruben die gröfste (105 Mm.) in der Reihe. VI. Etwas leichter männlicher Schädel mit abgeriebenen Zähnen, ohne Unterkiefer, von nur 1470 Cub. Cent. Inhalt. Horizontalumfang 532, vertikaler Querumfang 313, Sagittalumfang 377,5 Mm. Es beträgt dem- nach der Querumfang 58,8, der Sagittalumfang 70,9 pCt. des Horizontal- umfanges. Längenbreiten-Index.. . 79,0 Längenhöhen-Index . . 62,9 Breitenhöhen-Index . . 79,5 Aurieularhöhen-Index . 58.0 Orbital-Index . . 2.92; Nasen-Index . . .. 445. Der Schädel ist chamaemesocephal und leptorrhin. Er hat einen sehr niedrigen Breitenhöhen-Index. Er ist ausgezeichnet durch die Länge und Breite des Hinterhauptes. Der Horizontalabstand der Hinter- hauptswölbung vom hinteren Rande des Foramen magnum (64 Mm.) ist der zweitgröfste in der Reihe, und der Horizontalumfang der Hinterhaupts- schuppe (165 Mm.) steht mit Nr. II und IV in erster Stelle. Noch viel auffallender ist die starke Rückwärtsbiegung des Gesichts, welche so stark ist, dafs, wie bei dem Schädel aus dem bre- mischen Bleikeller (S. 279), die Verlängerung der Gaumenfläche nach rückwärts schief gegen den vorderen Rand des Foramen magnum stöfst. Letzteres ist sehr lang. Zugleich erscheint die ganze Gegend etwas gegen den Schädelraum eingedrückt. Auch der Clivus ist auf seiner Fläche etwas eingebogen. Dem entsprechend sind sämmtliche, vom Öhrloche und vom Hinterhauptsloche aus zu Punkten des Mittelgesichts genom- menen Maalse die kleinsten unter allen Ankum-Schädeln, und es ist be- sonders hervorzuheben, dafs auch die eigentliche Basilarlinie (Nasoauri- eularlinie) an dieser Verkürzung Theil nimmt. Örbitae mälsig hoch und schief. Nase, obwohl im Ganzen hoch und schmal, doch in ihrem knöchernen Theile recht breit. Sie springt ef 7 296 . Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologie stark vor und ist auf dem Rücken eingebogen. Nasenbeine synostotisch. Oberkiefer niedrig und schmal: sowohl der Malar-, als der untere Maxil- lardurchmesser sind die kleinsten in der ganzen Reihe, und auch der Abstand der Foramina infraorbitalia ist gering. VII. Zarter weiblicher Schädel mit sehr ausgedehnter grüner Fär- bung der Stirn und der Gesichtstheile, namentlich rechts. Der Schädel ist der kleinste unter den Ankum-Schädeln: er hat nur 1250 Cub. Cent. Inhalt. Ebenso hat er den geringsten Horizontal- und Sagittalumfang: 504 und 344 Mm. Der vertikale Querumfang, 302 Mm. ist der zweitniedrigste. Er beträgt 59,9, der Sagittalumfang 68,2 pCt. des Horizontalumfanges. Längenbreiten-Index . 80,1 Längenhöhen-Index . . 70,3 Breitenhöhen-Index . . 87,7 Aurieularhöhen-Index . 61,6 Orbitalndex 2 2.2.2 925 Nasen-Index mem 1802: Der Schädel ist also chamaebrachycephal und mesorrhin. Der Gesammteindruck ist breit, kurz und niedrig, namentlich nach hinten. Der Abstand der hinteren Fontanelle vom grofsen Hinterhaupts- loche (97 Mm.) ist der geringste in der ganzen Reihe. Ein Schaltknochen in der Lambdanaht ist zum Theil Grund davon; seinetwegen erscheint auch die Länge der Pfeilnaht (102 Mm.) so geringfügig. Sutura frontalis persistens: in Folge davon hohes, sehr breites und fast kuglig abgerun- detes Vorderhaupt; der tuberale Querdurchmesser (64,4 Mm.) ist der sröfste in der ganzen Reihe, der untere Frontaldurchmesser (100 Mm.) wenigstens der dritthöchste, — ein Ergebnils, welches um so mehr be- zeichnend ist, als es sich hier um einen weiblichen und überdiels kleinen Schädel handelt. Breite Alae, niedrige Squama temporalis. Etwas breites, niedriges Gesicht mit mälsig hohen Orbitae und verhältnilsmäfsig breiter Nase; letztere ist namentlich nach oben breit und springt von da an nur wenig vor. Die Kieferränder sind schwach prognath; trotzdem springt das Kinn stark vor. Die Kieferwinkel sind ausgelest; ihre Distanz beträgt 100 Mm., mehr als bei irgend einem FEAR IR, 2; N der Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 297 der anderen Schädel, und um so auffälliger, als die Distanz der Gelenk- ‚gruben nur 92 Mm. mifst. Auch der untere Umfang des Unterkiefers (164 Mm.) ist beträchtlich. VII. Ziemlich grofser männlicher Schädel mit tief abgeschliffenen, übrigens stark quergerifften Zähnen. Seine Capaecität beträgt 1410 Cub. Cent. Der Horizontalumfang hat 530, der quere Vertikalumfang 300, der Sagittalumfang 369 Mm. Der Vertikalumfang ist der kleinste in der ganzen Reihe; er stellt nur 56,6 pCt. des Horizontalumfanges dar, während der Sagittalumfang 69,6 pCt. beträgt. Längenbreiten-Index.. . 77,7 Längenhöhen-Index . . 71,6 Breitenhöhen-Index . . 92,2 Auricularhöhen-Index . 56,1 Orbita-Index . . . ,8[L7 Nasen-Index . . . . 481. Der Schädel ist also chamaemesocephal und mesorrhin. Er erscheint mälsig kurz, hoch und nach hinten sehr breit. Links ist eine untere laterale Synostose der Coronaria. Mälsige Stirnwülste mit einem Nahtrest. Der gerade aurieulare Querdurchmesser (128 Mm.), sowie der oceipitale (117 Mm.) sind die sröfsten unter den Ankum-Schädeln, der obere mastoideale (128 Mm.) der dritthöchste. Dagegen hat der hori- zontale Abstand der Hinterhauptswölbung vom hinteren Rande des Hinter- hauptsloches nur eine mittlere Länge (60 Mm.). Gesicht hoch und schmal. Orbitae sehr niedrig; ihr Index (81,7) ist der kleinste der ganzen Reihe. Nase oben sehr schmal und etwas eingebogen, unten breit. Starke Progenie mit ganz rückwärts stehen- den Zähnen. Eckzähne ungewöhnlich grofs. Portio ineisiva 21 Mm., Portio incisivo-canina 34 Mm. Der Unterkiefer im Ganzen ist sehr kräftig: der Horizontalumfang seines unteren Randes (190 Mm.) ist bei Weitem der gröfste in der Reihe, ebenso sind die Distanzen der Kiefergelenke (108 Mm.) und der horizontale Abstand des Kinns vom Vorderrande des Hinterhauptsloches (111 Mm.) ungemein grols. Dem entsprechend ist auch der Diagonaldurchmesser grofs (235 Mm.). Der Winkel des Kieferastes, Phys. Kl. 1876. 38 Ar PÜhge‘ 11 ß Ba Er “ Va we j w f } j j ? . 2 Y En! Ye) AUIERT RS IM PR R. Fi j N 2 Nora 298 _ Vırcuow: Beiträge zur physischen Anthropologie der 140° beträgt, ist kleiner, als bei den männlichen Schädeln Nr. I VI und dem weiblichen Schädel Nr. IH. Wir haben es hier also mit 8 Schädeln derselben Provenienz zu thun, von denen 2 weiblich, 6 dagegen aller Wahrscheinlichkeit nach männlich sind. Trotz zahlreicher sexueller und individueller Verschieden- heit tritt der gemeinsame Charakter sowohl bei der Betrachtung, als bei der Berechnung deutlich hervor. Ich gebe zunächst eine Uebersicht der Verhältnilszahlen. Procen te Längen- | Längen- | Breiten- |Auricular-| Orbital- | Nasal- | Gaumen- I \ > > des AN Schädel von Ankum breiten- | höhen- höhen- höhen- Horisoraltne e nn Im —— Index Qner- | Sagi Männlicher Schädel Nr. I . . - 77,9 67,2 86,2 57,2 972 38,3 83,1 5 4 INTHITg zub- | 79,1 68,9 87,1 59,8 85,7 48,4 80,0 > 5 Ne 78,0 a 9152 60,2 90,6 42,1 81,3 4 ® NIAV se 77,8 | 73,1 93,9 61,6 85,0 47,0 72,7 n 5 NERV ES 79,0 | 62,9 79,5 | 58,0 92,3 44,5 84,2 5 5 NIC VIE Ne dert 71,6 92,2 56,1 81,7 48,1 88,3 n | Mittel der männlichen Schädel . 78,2 69,1 88,3 58,8 88,7 44,8 81,6 Weiblicher Schädel Nr. II. . . 81,3 61,5 75,6 54,3 91,1 52,0 80,0 a = INTAVERSENR: 80,1 70,3 87,7 61,6 92,5 48,2 97,4 Mittel der weiblichen Schädel. . 80,7 65,9 81,6 57,9 91,8 50,1 88,7 Gesammtmittel . . . 78,8 68,3 86,6 58,6 89,5 46,1 83,4 Darnach wäre die Bevölkerung von Ankum als chamaemeso- cephal und leptorrhin zu betrachten. Die so eben mitgetheilten Mit- telzahlen stimmen am meisten mit denen der Zuiderzee-Insulaner (S. 250 — 51), wenngleich auch die Warga-Schädel, die ostfriesischen Steinsarg- schädel und die altbremischen Schädel (S. 274) nicht weit davon ab- a in der früheren Weise gruppirt, stellen sich die Ankum-Schädel folgen- - dermaafsen dar: Indices | Männer | Weiber | Summe Dez 25,00—71,77 . 1 — | 1 77,75—79,99 . ER = 5 30.00-83.39 2 5 - | STE ı Gegenüber den Zusammenstellungen für die Schädel von Friesland (S. 217) und Bremen (S. 274) tritt hier der höhere Grad der Meso- cephalie und die Neigung zur Brachycephalie noch stärker hervor, namentlich auch, dafs die Weiber mehr brachycephal sind, als die Männer. Nicht ein einziger dolichocephaler Schädel ist unter den Schädeln von Ankum. In einem gewissen Parallelismus zu der Schädelform steht die Na- senbildung. Der mittlere Index von 46,1 bezeichnet eine höhere Stelle innerhalb der Leptorrhinie, als wir in irgend einer der früheren Gruppen ge- funden haben. Ganz besonders hoch ist das weibliche Mittel von 50,1, welches schon mitten in der Mesorrhinie steht. Betrachten wir die individuellen Schwankungen, so ergiebt sich, dafs von 6 männlichen Schädeln 2 me- sorrhin sind, und da beide weibliche Schädel in dieselbe Kategorie ge- hören, so ist eigentlich genau die Hälfte der Ankum-Schädel mesorrhin. Dafs trotzdem das Gesammtmittel noch leptorrhin ausfällt, erklärt sich daraus, dafs einer der männlichen Schädel, Nr. I, ein ungewöhnlich nie- driges Maals der Leptorrhinie, nehmlich 38,8, zeigt. Lälst man ihn fort, so ergeben die männlichen Schädel im Mittel statt 44,8 einen Nasen- Index von 46,0, und das Gesammtmittel berechnet sich auf 47,1 statt auf 46,1. Es mag sein, dafs sich in dieser Erscheinung schon ein Zeichen stärkerer Vermischung oder anderer Einflüsse bemerkbar macht (S. 143). leh möchte jedoch besonders hervorheben, dafs Ankum ganz aulserhalb des Gebietes liegt, wohin noch slavische Einflüsse gereicht haben. Seine Lage jenseits der Weser weist ihm, soweit historische Anhaltspunkte vor- handen sind, eine rein germanische Stellung an. 38* u NT. TER E TWrar KR N) BEE BRENNT EEE ER E SS NS RL 300 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologie Die Höhenverhältnisse der Ankum-Schadel lassen zahlreiche Schwan- kungen erkennen, welche mehr individueller, als sexueller Natur sind. Das Gesammtmittel ergiebt sowohl für den Längenhöhen- und Breiten- höhen-, als auch für den Aurieularhöhen-Index so niedrige Zahlen, dafs diese Schädel der chamaecephalen Gruppe im strengeren Sinne zugerechnet werden müssen. Im Einzelnen zeigen sie jedoch erhebliche Differenzen, indem mit einem Längenhöhen-Index zwischen 61,5—70,0 3 männliche, 1 weiblicher 70.02 Ge IRRE über 71,6 1 = — > Schädel gezählt werden. Immerhin erreicht selbst die höchste Zahl von 75,1 für den Längenhöhen-Index nicht das Maafs, welches einzelne frie- sische Schädel uns dargeboten haben. Auch stimmt die Zahl 59,3, welche sich als Gesammtmittel für das Prozentverhältnifs von Vertikal- zu Ho- rizontalumfang berechnet, genau mit dem Mittel der Warga-Schädel (S. 185) überein. Obwohl die beiden weiblichen Ankum-Schädel durch grüne Färbung einzelner Theile auf den Gebrauch von metallischen Bestandtheilen des Kopfputzes hinweisen, so habe ich doch nichts an ihnen bemerkt, was eine künstliche Verunstaltung andeutete. Nur der männliche Schädel Nr. I zeigt eine eisenthümlich platte, rechterseits „eingedrückte“ Beschaffenheit der Schläfenschuppe, indefs wage ich aus diesem einen Falle um so we- niger einen bestimmten Schlufs abzuleiten, als die Schädel Nr. Il und VI, welche viel niedrigere Indices besitzen, dieses Merkmal nicht darbieten. Auch der Umstand, dafs sich an dem Schädel Nr. VI jene mit „Ein- drückung* der Gegend des Hinterhauptsloches verbundene kückwärts- biegung des Gesichts findet, welche in das von Hrn. Barnard Davis als plastische Deformation bezeichnete Gebiet gehört (8. 954 276), kann nicht als entscheidend angesehen werden, da dieser Fall in der Ankumer Gruppe als ein ganz vereinzelter auftritt. Um die Verhältnisse des Gesichts übersichtlich darzulegen, gebe ich, ähnlich wie für die Zuiderzee- und Warga-Schädel (S. 152—53, 211), eine Zusammenstellung der Indices und der Gesichtshöhen: > es h ’ Deutschen, mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 301 R 7 Wa = - Jugo- | Frontal Höhe des Gesicbts- per Schädel von Ankum frontal- | Malar- | ganzen | ÖOber- | Wangen- Re £ r \ gesichts- Index Index | Gesichts | gesichts Index | | Index ; | | | | Mänmnlicher Schädel Nr. I. . * . —_ l. 90,8 | 1%4 72 68,1 | 85,2 n Ha ENdEE 74,8 98,5 120 e, g5;0lüheh x N A E90) | A has nl Ih _— | 844 £ N NA ER 70,0 1,1933 |. 115, | 68 Re A R 1 79,5 85,5 _ 68 -- 83,9 5 P INEHIMILK 00 73,2 98,9 | 117 68 81,1 71,5 | | | Mittel der Männer . ..2 2... 74,6 92;34,.|.119 70,4 ABIT NE 80,7 1} I I Weiblicher Schädel Nr. IT . . . 71,0 | 100,5 108 64 83,3 1 $ s NrvImUhn, 77,8 gro WATTE N 5% MbRgR,9 65,9 tel der Weiber . 2... . 74,4 98,7 115 64 | 83,7 68,5 - | I BeRAmmnamittel. 74,6 ga, ST 68,5 ı 79,6 76,8 Zuiderzee-Schädel. . . 2. 73,8 93,671 _ 67,7 E= | 76,2 Warga-Schädl . . - 2.2... 77,0 92,5 | 110,8 69,7 864 | 75,7 Auch hier macht es den Eindruck, dafs im Allgemeinen die Schä- del von Ankum denen der Zuiderzee-Inseln näher ständen, als den Schädeln von Warga. Indefs ein grolser Theil der Verschiedenheit ver- schwindet, wenn man in Betracht zieht, dafs die Schädel von Ankum und von den Zuiderzee-Inseln ihrer Mehrzahl nach männliche, die von Warga dagegen weibliche sind. Namentlich erklären sich so die grölsere Niedrigkeit des Gesichts und die davon abhängigen Gesichts-Indices. Denn in dieser Beziehung besteht zwischen den männlichen und den weiblichen Schädeln von Ankum derselbe Gegensatz, wie zwischen dem Gesammt- mittel von Ankum und dem von Warga. Der stärkste Unterschied der Ankum-Schädel von den Friesenschädeln liegt in der grölseren Gesichts- höhe, während die beträchtliche Frontalbreite durch das ganze Gebiet der Chamaecephalen in gleicher Weise hindurch geht. Ich lasse eine Reihe anderer Betrachtungen bei Seite, welche sich für die Vergleichung darbieten, und beschränke mich darauf, der grofsen Ausdehnung zu gedenken, in welcher die Progenie in dieser Bevölkerung auftritt. Die Untersuchung ist in diesem Punkte besonders begünstigt 302 Vırcuow: Beiträge zur physischen Anthropologie durch die grofse Zahl von Unterkiefern, welche erhalten worden sind. Von den 8 Schädeln haben nehmlich 6 Unterkiefer, 4 männliche und 2 weibliche. Diese zeigen sämmtlich, bald mehr, bald weniger, das vor- springende Kinn. Bei einigen ist die Erscheinung durch eine stärkere Vorschiebung des Alveolarfortsatzes gemildert, so dals sogar stellenweise eine leicht prognathe Erscheinung zu Stande kommt. Bei dem weiblichen Schädel Nr. VII allein überwiest der Prognathismus. Indefs ändert dies nichts in der Gemeinsamkeit der Kinnbildung, welche überall da, wo zugleich die Schneidezähne weniger ausgebildet sind, in Form der wahren Progenie zu Tage tritt. Man wird daher nicht umhin können, diese Erscheinung, als eine ethnognomonische anzuerkennen, womit natürlich nicht gesagt wie ich schon früher auseinandergesetzt habe (S. 210), sein soll, dafs sie nur dieser Bevölkerung zukommt, sondern nur, dafs sie eines derjenigen Merkmale ist, welche in besonderer Häufigkeit in dieser Bevölkerung vorkommen. Zur vergleichenden Uebersicht gebe ich, ähnlich wie früher (S. 206), eine Zusammenstellung: a) der geraden Abstände des Nasenstachels von dem vorderen Rande des Hinterhauptsloches, b) der geraden Abstände des Kinns von demselben Punkte, c) der horizontalen Abstände des Kinns von demselben Punkte, d) das Verhältnifs von a: b, wobei b = 100, e) das Verhältnis von c:a, wobei a—= 100. m —— = —————— = - Schädel von Ankum a b e d e Männlicher Schädel Nr. I. . . BON ET Sr az H > NEHTEE MINE REBENDN | ARE gar] N79j2 104,9 x ® Nie Sal ar. 377 89 91,7 100 2 5 Nr. VO . 80,5 | 108 OB 82 121,7 Mannhches Mintel 0 So EOS en 83:02 01035 Weiblicher Schädel Nr. IM . . | 870 | 103,6 ne r Neal VIER) erg 80,5 95 67 | 84,7 70,9 Weibliehes Mittel . . . | 88,7 99,3 | 77,5 84,3 36,0 Gesammtmittel . . . | 36,0 105,1 | 89,0 85,4 101,2 BE Di se Zahlen stehen in der Mitte zwischen denen, welche Hr. Lud- 17 AR ER i G Meyer für progenaeische und für normale Erwachsene giebt (S. 207), A ih so jedoch, dafs sie den progenaeischen näher sind. Sie würden sich ni Pi aber sofort von ihnen entfernen, sobald man den kleinen weiblichen nn 2 Schädel Nr. VII, der zugleich prognath ist, aus der Rechnung läfst. Jeden- Sa \ falls ergiebt sich aus einer Vergleichung der Colonnen d und e unter RL einander, dafs die Zahlen unter e das progenaeische Verhältnifs aus- 7 drücken, während die unter d es verdunkeln. ru A Was die Kieferwinkeldistanz betrifft, so ist dieselbe ungemein ver- i MR ar schieden. Sie beträgt im Mittel 99,3 Mm., also noch mehr, als Hr. Meyer 2, bei normalen Erwachsenen antraf. Bei den Männern berechnet sich sogar A = ein Mittel von 100,7, wobei freilich der Schädel Nr. II mit einer Distanz von ER IR 128 Mm. entscheidend ist. Auch der prognathe Frauenschädel Nr. VII hat 13 E. eine Distanz von 100 Mm. Lälst man diese beiden Schädel aus der Rechnung, A E so erhält man ein Mittel von nur 92 Mm., während Hr. Meyer bei seinem IV Progenaeus 68 Mm. angiebt. Es scheint daher ziemlich sicher zu sein, dals N R: die Gröfse der Kieferwinkeldistanz, wenngleich sie eine gewisse Bedeutung Kalt für die Entstehung der Progenie haben mag, keineswegs bestimmend ist. Bi er 2 Wieweit sich chamaecephale Schädelformen in Westfalen verfolgen ke lassen, vermag ich nicht zu sagen. Indefs habe ich schon früher!) er- RL wähnt, dals mir auch noch weiter südlich sehr niedrige Formen vorge- a kommen sind. Ich fand sie in dem Museum zu Münster. Abgesehen er | von einem, der geologischen Abtheilung angehörigen Schädel, der in einer Ans A scheinbar intakten Lehmschicht bei einer Ziegelei in der Nähe von Roxel ?) et Ya ausgegraben wurde und der einen IE J ® Längenbreiten-Index von. . 73,9 R FL R- Längenhöhen-Index „ 220.9 nr 1 Breitenhöhen-Index ,„ DI BnLE vo Nasen-Index J 140 < j 1) Verhandlungen der Berliner anthropologischen Gesellschaft 1874. S. 248. ö Yu Die fünfte allgemeine Versammlung der deutschen anthropologischen Gesellschaft zu Ye iR Dresden. Braunschweig 1575. S. 19. (Archiv für Anthropologie Bd. 7.) v" ?) Verhandlungen der Berliner anthropologischen Gesellschaft 1872. S. 192. Eis Zeitschrift für Ethnologie Bd. 4. 304 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologie besitzt, traf ich in der von Tourtual angelegten anatomischen Abthei- lung eine Reihe moderner Schädel, auf welche die Bezeichnung van der Hoeven’s: typus Suecorum vollständig zutreffen würde. Zwei dieser Schädel hahe ich seitdem durch die Güte des Hrn. Professor Landois zur Untersuchung erhalten, und es ist hier der Ort, über sie zu berichten: 1) Grofser männlicher Schädel!) von ungemein starkem und dich- tem, fast sklerotischem Knochengefüge und ganz ungewöhnlichem, wildem Aussehen. Von der Gegend der Tubera, welche fast ganz verstrichen sind, laufen zahlreiche tiefe radıäre Gefäfsrinnen beiderseits über die Pa- rıetalıa. Die Alveolarränder sind durch Verlust der meisten Zähne in hohem Maalse atrophisch. Der Unterkiefer fehlt. Die Capacität ist sehr beträchtlich, 1575 Cub. Cent. Horizontal- umfang 548, vertikaler Querumfang 303, Sagittalumfang 392,5 Mm. Es beträgt daher der Querumfang 55,2, der Sagittalumfang 71,6 pÜt. des Horizontalumfanges. Längenbreiten-Index . 73,2 Längenhöhen-Index . 66,1 Breitenhöhen-Index.. . 90,3 Aurieularhöhen-Index . 55,8 Orbital-Index "2 ..1.0081,8 Nasen-Indesı ner 2772 77443 Der Schädel ist also ausgezeichnet chamaedolichocephal und leptorrhin. Er erscheint in der Seitenansicht ungemein lang und nie- drig. In der That beträgt seine Länge 204 Mm., die gerade Höhe 155, die auriculare jedoch nur 114 Mm. Die Stirn ist fliehend und das Hin- terhaupt sehr bedeutend verlängert. Der horizontale Abstand der Hinter- hauptswölbung vom hinteren Rande des Hinterhauptsloches beträgt 77 Mm., das höchste Maals, welches mir je vorgekommen ist, und der gerade Ab- stand der Lambdaspitze von dem vorderen Rande des Hinterhauptsloches 154 Mm., gleichfalls em ganz extremes Maals. In der That macht er den Eindruck, als sei er gewaltsam niedergedrückt und in demselben !) Abgebildet in den Verhandlungen der Berliner anthropologischen Gesellschaft 1574. Taf. XVII. Fig. I. Zeitschrift für Ethnologie Bd. 6. Fläc ebahötand.: von LADEN nur » 120 Mm. a ie min wo ihre obere Ri; x "Begrenzungslinie die Kranznaht schneidet, macht die letztere eine wink- EN lige Ausbiegung nach vorn; der gerade Querdurchmesser an dieser Stelle beträgt 120 Mm., gleichfalls das höchste Maafs, welches in der ganzen _ Reihe vorkommt. Die Alae sphenoideales sind äufserst schmal, dagegen die Squamae temporales lang und hoch. Beide erscheinen in ihren vor- deren Theilen wie eingedrückt. u “Die mit sehr starken, in der Mitte zusammentliefsenden Stirnwülsten versehene Stirn ist sehr breit. Der untere Frontaldurchmesser hat 105,5 Mm. Auch der Sagittalumfang des Stirnbeins mifst 129 Mm., ein recht | beträchtliches Maals, welches jedoch gegen den Sagittalumfang des Mittel- B und Hinterhaupts beträchtlich zurückbleibt, denn die Länge der Pfeilnaht beträgt 131 und der Sagittalumfang der Hinterhauptsschuppe 132,5 Mm. Das. ergiebt, auf 100 berechnet, für das Stirnbein die Pfeilnaht die Hinterhauptsschuppe A 32,8 33,4 34,2 en N, Ri je Etwas anders gestaltet sich das Verhältnifs der Bogensehnen. Es beträgt nehmlich die Stirnsehne Scheitelsehne Hinterhauptssehne h 117 119,5 108 Mit anderen Worten das Stirnbein ist verhältnifsmälsig am meisten gestreckt, die Hinterhauptsschuppe ganz stark gebogen. Das Ohrloch liegt verhältnifsmäfsig weit nach hinten, so dafs die Maalse von da zu den vorderen Profilpunkten des Gesichts viel gröfser sind, als die Maafse für den Abstand des Vorderrandes des Hinterhaupts- loches von denselben Punkten: s Ohrloch Hinterhauptsloch E: Nasofrontalnaht . 109,5 100 = Nasenstachel . . 103 89 je Alveolarrand . . 115 89 B In der Vorderansicht erscheint daher der Schädel niedrig und breit. Die grölste Breite liegt sehr tief, denn der tuberale Parietaldurchmesser = hat nur 126 und der Temporaldurchmesser 120 Mm., dagegen beträgt Phys. Kl. 1876. 39 DE EL HE A u eu MT u }y ar EL HRS A, N a Aa: A ‚ h RA: 306 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologie der Auriculardurchmesser 133 und der obere mastoideale 139 Mm. Auch sind die Jochbogen sehr stark ausgelegt: die Distanz ihrer Wölbungen milst 148 Mm. Die Pfeilnaht ist stark zackig, nur in der Gegend der (fehlenden) Emissarien verstrichen. Lambdawinkel sehr flach; mehrere grofse Schalt- knochen in der übrigens sehr zackigen Naht. Sehr starke doppelte Pro- tuberantia oceip., ungewöhnlich kräftige Linea nuchae sup. Tiefer Ein- druck jederseits in der Gegend der Casserischen Fontanelle. Das Foramen magnum ist, der Schädelform entsprechend, lang und schmal; sein Index beträgt 80. Die Gelenkfortsätze sitzen weit nach vorn, sind stark gebogen, und laufen gegen den vorderen Rand des Loches in niedrigere Vorsprünge aus, die sich jederseits bis gegen die Mitte erstrecken und hier knopfförmig endigen. Das Gesicht breit und niedrig. Der Stirnfortsatz (Nasenwurzel) von mälsiger Breite, 23 Mm., aber er tritt stark vor und ist mit einem doppelten Nahtrest versehen, indem sich zwischen die zwei unteren Schenkel der Stirnnaht ein Intercalarknochen von 7 Mm. Breite und etwa 8 Mm. Höhe einschiebt. Die Nase selbst ıst schmal, aber stark vorspringend, mit schwach eingebogenem und gerundetem Rücken und stark vortretender, aber umgebogener Spitze. Die Nasenbeine sehr lang, 33 Mm. Sehr niedrige, wie gedrückte, eckige Augenhöhlen. Vorsprin- gende Wangenbeine mit grofser Malarbreite (92 Mm.). Die Tuberositas malaris sitzt 16 Mm. entfernt von der Sutura zygomatico-maxillaris. Ver- hältnifsmäfsig niedriger, stark zurückliegender Alveolarfortsatz des Ober- kiefers. Kurzer Gaumen mit schwach hufeisenförmiger Zahncurve. 2) Grofser, sehr fester männlicher Schädel mit stark abgenutzten Zähnen und theilweiser Obliteration der malaren Alveolen. Der Unter- kiefer fehlt. Capaeität 1505 Cub. Cent. Horizontalumfang 533,5, vertikaler Querumfang 317, Sagittalumfang 381 Mm. Es beträgt demnach der Quer- umfang nur 59,4, dagegen der Sagittalumfang 73,2 pCt. des Horizontal- umfanges. Längenbreiten-Index.. . 77,7 Längenhöhen-Index . . 71,2 Breitenhöhen-Index . . 86,5 j RUN BED ER ENT N tschen, init besonderer Berüc Orbital-Index . . . . 89,7 Nasen-ndex . . . . 41,8. Der Schädel ist also chamaemesocephal und leptorrhin. Er erscheint lang und zugleich breit, mit fliehender Stirn, starker, vor der tuberalen Axe gelegener Scheitelerhebung, und breitem, hervorragendem Hinterhaupt. Doppelseitige Synostosis eoronaria lateralis inferior. Rechts ein kleiner länglicher, sehr niedriger Schläfenfontanellknochen, der die Verbindung der Ala mit dem Angulus parietalis in den hinteren 3 unterbricht; links ein sehr grolser von 38 Mm. Länge und 12 Mm. Höhe, der rückwärts weit an der Sutura squamosa fortgeht, vorn dagegen in die allgemeine Synostose dieser Gegend hineingezogen ist. Absolut und relativ kurze Squama temporalıs sinistra: sie milst bis zum Angulus ma- stoideus nur 65 Mm., während die rechte 71 Mm. hat. Hohe Plana tem- poralia, die sich bis auf 118 Mm. nähern. Beiderseits eine, mit einem stachligen Fortsatz nach oben endigende Tuberositas temporalis des Wan- genbeins. Die Bildung der Schädelcapsel weicht in vielen Stücken von der des vorigen Schädels ab, namentlich in den Breitendurchmessern. So ist R der tuberale Parietaldurchmesser sehr grofßs, 135 Mm., während der auri- = eulare, oceipitale und mastoideale verhältnifsmäfsig zurücktreten. Auch h ist das Hinterhaupt bei Weitem nicht so weit herausgeschoben. Die grölste Länge des Schädels beträgt nur 191 Mm., der horizontale Abstand der Hinterhauptswölbung vom hinteren Rande des Foramen magnum 68,5 Mm., der gerade Abstand des Lambdawinkels von dem Vorderrande des- selben Loches 123 Mm. Indefs sind auch das grolse Maalse, und ich kann nicht umhin, die Unterschiede beider Schädel für blofs individuelle zu halten. Ganz übereinstimmend ist die Stellung des Ohrloches, sehr ähnlich das Verhältnils der einzelnen Knochenabschnitte: Frontale Parietalia Oceipitale Sagittalumfang . . 31,4 32,8 36,6 Bogensehne . . . 107 112 114 Sehr langes Hinterhauptsloch: Index 75,6. Die stark vorsprin- genden Gelenkhöcker sind vorn durch eine breite Leiste verbunden, 39* UT RE ksichtigung der Friesen. 307 Fr NET ANTEN MEY \2 ET u Pa Pak: EN NT REN NEBEN SORTE ) BUNINNTUNG RUN METER DR BER RARITÄT ERRE D H 2 y - x # x x 308 Vırcuow: Beiträge zur physischen Anthropologie welche etwas vor dem vorderen Rande verläuft. In der Mitte dieses Randes ein kleiner Knochenvorsprung gegen das Loch. Am Olivus, na- mentlich am Dorsum ephippiü, rauhe Exostosen. Apophysis basilaris mit sehr starken Muskelvorsprüngen. Warzen- und Griffelfortsätze kräftig. Das Gesicht ist niedrig und verhältnifsmäfsig schmal. Mäfsige Stirnwülste, gleichfalls mt doppeltem Nahtrest. Beiderseits grofse Foramina supraorbitalia, namentlich rechts; von da gehen tiefe. Gefäls- rinnen über die Oberfläche des Stirnbeins nach rückwärts. Niedrige und etwas eckige Orbitae. Nase sowohl oben, als im Ganzen schmal, nur in der Mitte etwas breiter, mit stark vortretendem, wenig eingebogenem, ziemlich langem Rücken und beginnender unterer Synostose der Nasen- beine. Oberkiefer etwas prognath. Gaumen kurz, schwach hufeisenför- miger Alveolarfortsatz mit grofsen, aber leeren Alveolen. Ich füge hieran die Angaben über einen Schädel, den ich im Rath- hause zu Hameln fand und der bei einem Bau in beträchtlicher Tiefe ausgegraben war. Es ist ein grofser und schwerer, männlicher Schädel mit stark ab- geschliffenen Zähnen, ohne Unterkiefer. Uapaeität 1505 Cub. Öent. Ho- rizontalumfang 538,5, vertikaler Querumfang 328, Sagittalumfang 374 Mm. Der Querumfang beträgt 60,9, der Sagıttalumfang 69,4 pCt. des Hori- zontalumfanges. Längenbreiten-Index . . 78,9 Längenhöhen-Index . . 69,2 Breitenhöhen-Index . . 87,6 Auricularhöhen-Index . 57,8 Orbital-Index nu. ram ash Nasen-Index 4: ml 2024 52,0! Der Schädel ist also chamaemesocephal und mesorrhin. Er erscheint lang, breit und niedrig. Die Stirn ist weniger fliehend, die Schläten voll, die Alae grofs, das Hinterhaupt grofs, sowohl breit, als lang. Indefs unterscheiden sich die Verhältnisse der eimzelnen Schädel- theile beträchtlich von denen der Münster-Schädel. So beträgt für ? FADEN ee v INSTEN Parietalia _Oceipitale ur 2 Sagittalumfang . 36.0 32,8 31,0 die Bogensehne . . . 121 114 95 wi Sa Die vorwiegend sineipitale Entwicklung zeigt sich auch darin, dafs B der Abstand der Nasofrontalnaht vom Ohrloche (109,4 Mm.) ebensoviel, Y v2 Hr der des Nasenstachels (112 Mm.) sogar mehr beträgt, als bei dem gewal- tigen Schädel Nr. 1 von Münster, während der Horizontalabstand der Hinterhauptswölbung vom Hinterhauptsloche nur 61 Mm., also 16 weni- ger milst. Die Scheitelhöhe liegt an der Kranznaht, welche stark hervortritt. Hinter derselben eine quere Depression oder genauer, ein schneller schrä- ger Abfall. Nähte sehr zackig, nur die Pfeilnaht in der Gegend der Emissarien, von denen das rechte fehlt, einfach. In der Lambdanaht Schaltknochen. Schwache Protuberanz. Sehr hohe Plana temporalıa, welche die Scheitelhöcker überschreiten. Breite Alae, kurze Squamae tem- porales, von denen die linke fast dreieckig ist. Stark grubige Oberfläche beider Knochen. Basis breit, mit kräftigen Muskelansätzen. Hinterhauptsloch läng- lich, nach vorn zugespitzt. Sehr tiefe Kiefergelenksgruben. Unterer Rand der Jochbogen zackig. Wie die Stirn, so ist auch das Gesicht im Ganzen breit und nie- drig. Der malare und der maxillare Durchmesser sind grölser, als bei dem Münster Schädel Nr. I, dagegen der Abstand des Alveolarrandes von der Nasofrontalnaht erheblich kleiner. Man ersieht die Verschiedenheit am besten bei der Vergleichung der Obergesichts-Indices, welche in der früher (S. 211) bezeichneten Weise gewonnen sind. Dieselben ergeben für den Schädel von Münster Nr. 1. . 777 Bde x % a NT (a0. 2,8158 NEN = „ „Hameln vi u 2.677826, Mälsige, confluirende Stirmwülste mit kurzem Rest der Sutura frontalis. Die Orbitae sind eckig und niedrig. Auch die Nase ist niedrig, verhältnifsmäfsig breit, namentlich oben, der Rücken schwach einge- bogen und wenig vortretend. Nasofrontalnaht mit grolser Curve in den Nasenfortsatz des Stirnbeins eingreifend. Der Oberkiefer im Ganzen nie- 310 VırcHnow: Beiträge zur physischen Anthropologie drig, kaum prognath, mit grofsen Zahnlöchern. Gaumen breit, Zahneurve hufeisenförmig. Diese Mittheilungen können bei der geringen Zahl der zur Unter- suchung gelangten Schädel keine andere Bedeutung haben, als dafs sie einerseits den Nachweis von dem Vorkommen chamaecephaler Formen tief ım Innern des Landes liefern, andererseits an diesen Schädeln wichtige Abänderungen der übrigen Merkmale lehren, wie wir sie bei den nördlicheren Stämmen nicht fanden. Möglicherweise ist darin der fort- schreitende Mischungsprocefs mit anderen Stämmen angedeutet. Nament- lich der Schädel von Hameln kann recht wohl als ein solches Mischungs- produkt angesehen werden. Weitere Untersuchungen mögen darüber ent- scheiden. Leider ist die Zahl der bekannten Schädel aus Gräberfunden der Provinz Hannover sehr klein. Aufser dem schon erwähnten Reihengräber- felde von Rosdorf bei Göttingen (S. 51) ist noch ein anderes von Bohl- sen bei Uelzen zu erwähnen, über welches ich!) früher berichtet habe. Wie es scheint, stimmen beide in Hauptstücken, wenigstens was den Schädelbau der Bestatteten betrifft, mit einander überein. Es sind doli- chocephale Formen mit mäfsiger Höhe der Schädel, welche weder den westfälischen, noch den friesischen gleichen. Höhen-Indices unter 70 sind weder in Rosdorf, noch in Bohlsen beobachtet worden. Ihr Typus gleicht viel mehr demjenigen der fränkischen Reihengräber. Möglicherweise macht in dieser Richtung die Weser eine Grenz- linie aus. Ankum, welches bis jetzt der südöstlichste Punkt ist, bis wohin wir die friesische Form verfolgen können, liest zwischen Weser und Ems, südlich nicht weit von Frisoithe und westlich ziemlich nahe an der Graf- schaft Diepholz, bis wohin historische Nachrichten friesische Ansiedelun- gen verlegen (S. 25). In anderen Richtungen mögen sich, im Anschlusse an die Coloni- sationsbewegung des 12. Jahrhunderts, ungleich weiter reichende Bezie- !) Verhandlungen der Berliner anthropologischen Gesellschaft. 1874. $. 32. Zeitschrift für Ethnologie Bd. 6. Man vergleiche auch J. H. Müller in der Zeitschrift des historischen Vereins für Niedersachsen. Hann. Jahrg. 1573. 8. 331. weise Serendiee Gebiet habe ich 1) die hamburgischen Vier- ande bezeichnet. Leider ist urkundlich über die Besiedelung der Elb- Er nichts bekannt, indefs stimmen alle Localforscher darin überein, ‚dals sie wahrscheinlich gleichfalls in das 12. Jahrhundert fiel und dafs die noch jetzt von allen übrigen hamburgischen und holsteinischen Land- bevölkerungen verschiedenen Bewohner Nachkommen westlicher Einwan- derer seien.?) Durch die besondere Unterstützung des Dr. Th. Simon ist es mir gelungen, 2 Vierländer Schädel von Kurslack, einem wahr- scheinlich zuerst 1162 oder 1178 erwähnten Dorfe zu erlangen; sie haben trotz mancher grolser Verschiedenheiten doch so viel Uebereinstimmendes, dafs aus ihnen wohl ein typisches Bild abgeleitet werden kann. v- 1) Wahrscheinlich weiblicher, zarter Schädel mit grünen Flecken am linken Stirnbein. Ganz senile Kieferränder. Unterkiefer fehlt. Er - Capacität 1250. Grölster Horizontalumfang 504, vertikaler Quer- umfang 290, Sagittalumfang 351,2. Es beträgt daher der Querumfang 57,5, der Sagittalumfang 69,6 pOt. des Horizontalumfanges. e. Längenbreiten-Index.. . 80,4 % Längenhöhen-Index . . 71,8 hi Breitenhöhen-Index . . 89,2 e: Auricularhöhen-Index . 60,6 Br. Orbital-Index‘. . . . 89,4 ü Nesen-Index’!. .'. ... 541 b: Gaumen-Index. . . . 82,5 Der Schädel ist also brachycephal, von geringer Höhe und platyrrhin. Alle Verhältnisse gehen stark in die Breite. Sowohl das Hinter- x haupt, als die sehr niedrige und platte Stirn erscheinen mehr breit. Nie- Be. drige Plana temporalia: rechts ein Schläfenfontanellknochen, der den Angulus parietalis bis auf eine kurze Strecke vorn von der Ala trennt. % 1) Verhandlungen der Berliner anthropologischen Gesellschaft. 1874. S. 243. ?2) H. A. Schumacher, Bremisches Jahrbuch. 1868. Bd. II. S. 225. EA ARE En Bi: ar ein ae b N Jen _ N NIE ee AR FM) Na Ayers AN: eM ER TERN TRAUN ARSTER DR Sb A RAN RN RN RER NT RR Ha 15 t a a \ \ 312 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologie Letztere ist schmal, besonders rechts, und tief eingebogen. Auch die Squama temporalis ist platt. Sehr breite Bis mit grolsem Hinterkopf. Rundliches Foramen oeeipitale mit stark gewölbten Gelenkhöckern und einer vorderen Quer- leiste. Sehr breite Apophysis basılaris. Clivus mit Exostosen am Ephippium. Breites, niedriges Gesicht mit niedrigen Augenhöhlen und kurzem Gaumen. Sehr stark abstehende Jochbogen. Die Nasenbeine fehlen. Al- veolarfortsatz kurz und wenig vortretend. 2) Seniler kleiner weiblicher Schädel mit vollständiger Atrophie der Kieferränder. Capaeität 1215. Grölster Horizontalumfang 503, vertikaler Quer- umfang 313, Sagittalumfang 351 Mm. Es beträgt der Querumfang 62,2, der Sagittalumfang 69,7 pCt. des Horizontalumfanges. Längenbreiten-Index . . 85,8 Längenhöhen-Index . . 73,5 Breitenhöhen-Index . . 85,6 Aurieularhöhen-Index . 67,2 Orbital-Indes@ 7. 22020229856 Nasen-Index: 1... u.2902:1,246,0 Gaumen-Indessn nr ra Der Schädel ist demnach brachycephal, von mälsiger Höhe und leptorrhin. Er besitzt eine Sutura frontalis persistens und in Folge dessen eine breite, hohe Stirn. Grofse tuberale und oceipitale Breite. Daher sehr breites, flachgerundetes Mittel- und sehr volles, stark gewölbtes Hinterhaupt. Nicht sehr hohe Plana temporalia: schmale Alae,_ ganz schmale Angulı parietales. Basis breit und kurz. Rundliches, nach vorn etwas enges Hinter- hauptsloch. Sehr grolse und stark gewölbte Gelenkhöcker ohne Fossae condyloideae posteriores. Ungemein grofse Kiefergelenkgruben. Sehr ge- ringe Schläfenbreite. Hohe und sehr geräumige Orbitae. Sehr schmale Nase mit schar- fem, langem Rücken und sehr schmalen Nasenbeinen. ET } eide S >hädel Ya RR and ihre Hoterlindiees FIR R ten es nicht mehr, sie einfach den chamaecephalen zuzurechnen. Namentlich ist dies bei Nr. 2 der Fall. Wenn ich sie dennoch: hier erwähnt habe, ‚so ist es geschehen, weil sie an sich niedrige Höhendurchmesser haben, nmehmlich 125 Mm. Diese Zahl ist so niedrig, dafs sie mit denen der % — Zuiderzee- und der Warga-Schädel vortrefflich stimmt (S. 125, 188). Wenn sich trotzdem ein verhältnifsmälsig hoher Index berechnet, so folgt dies eben aus der sehr geringen Länge, welche 174 und 170 Mm. milst. + Der am meisten charakteristische Index ist daher in diesem Falle der Breitenhöhen-Index, dessen geringe Zahl mit denen der friesischen Schädel (S. 122, 185) harmonirt. An sich sind also auch die . Vierländer Schädel niedrig, und sie finden einzelne Parallelen auch unter den früher aufgeführten (S. 96, 172, 175). Trotzdem würde ich sie kaum erwähnt haben, wenn nicht ihre auffällige Brachycephalie sie weit von‘ der dolichocephalen Gruppe der Reihengräber entfernte und den e: Friesen näherte. Sie zu den Zeeuwen zu stellen, wäre wohl nach dem — — Längenbreiten-Index zulässig (S. 222), aber letztere haben einen so grofsen Höhen-Index (81,1 im Mittel), dafs schon aus diesem Grunde die Mög- lichkeit wegfällt, die Vierlande etwa für eine seeländische Colonie anzusehen. Auch die von mir gemessenen flamändischen Schädel (S. 224) pas- sen nicht, da sie im Mittel einen Höhen-Index von nur 70,9 ergaben. Ich kann daher nur sagen, dafs die Schädel von Kurslack trotz ihres 5 Längenhöhen-Index, der sie von den Chamaecephalen entfernt, den frie- HE | sischen Schädeln näher stehen, als irgend einer anderen Nachbargruppe, gi und ich möchte daher glauben, dafs die Einwanderung in die Vierlande, y 2 wenn auch nicht durch Friesen selbst, so doch durch einen nahe ver- er, wandten oder gemischten Stamm des Westens gestellt worden ist. Für 3 x & die allgemeine Betrachtung der Schädel aber geht daraus hervor, dafs 7. 4 die Berücksichtigung der absoluten Zahlen für die Höhe neben "he den berechneten Indices ihren wohl berechtigten Werth hat. . E Weitere Kreise des deutschen Bodens will ich nicht in die gegen- RR. % wärtige Erörterung hereinziehen. Es mag genügen, zu erwähnen, dafs der & v" erste, ausgezeichnet chamaecephale Schädel, der in meine Hände kam und N B: der meine Aufmerksamkeit auf diese Verhältnisse wachrief, bei Neustettin en 2 in Hinterpommern aus dem Schlamm des Streitzig-Sees gehoben wurde. Be Phys. Kl. 1876. 40 Ba“ N SATA NUN MANS LER SEIPINR T Da al Ne a ENT a Rh 1ER Er a la le a An RR, er an BERN ER TRRT } | IR, ” ' N BUN NERENN EU AN L { h R } Y 314 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologie | SE Es ist dies eine Gegend, welche sonderbarerweise bei unserer Schulerhe- N bung in Bezug auf diyFarbe der Augen, der Haare und der Haut nahezu das grölste Contingent an hellen Individuen geliefert hat. Denn der e Kreis Neustettin ist mit 51 pÖt. blonder, blauäugiger und hellfarbiger Schulkinder in unseren Listen eingetragen. Leider fehlen bis jetzt die entsprechenden eraniologischen Erhebungen, und ich kann nur sagen, dafs ich selbst aus den Grüften der alten Klosterruine Marienthron bei Neu- stettin 4 Schädel ausgegraben habe, welche in ausgesprochener Weise den chamaecephalen sich annähern. Ich beschränke mich darauf, die Haupt- Indices kurz anzugeben: Schädel aus dem Schädel von Streitzig-See Marienthron I II IM IV Längenbreiten-Index . . 74,7 18,1 70,6 ul. 10923 Längenhöhen-Index . . . 70,3 131002 ES ON Breitenhöhen-Index . . . 94,0 94,0 87,6 9217893 Beim Rückblick auf das Mitgetheilte scheint es mir passend, auf ein Paar Vorkommnisse zurückzukommen, welche in ungewöhnlich aus- geprägten Formen und in auffälliger Häufigkeit uns entgegengetreten sind: 1) Ich habe zu wiederholten Malen von einer grolsköpfigen Varietät gesprochen. Leider ist ein grofser Theil der angeführten Schä- del nieht auf die Capacität des Innenraums untersucht worden; ich selbst habe von der Mehrzahl der ostfriesischen Steinsargschädel keine direkte Bestimmung machen können, und nur die Umfangsmaalse und die Durch- messer gestatten das Urtheil, dafs auch unter ihnen wirkliche Makroce- phalen (in dem einfachen Sinne dieser Bezeichnung) vorkommen. Indels fehlt es nicht an gemessenen Beispielen. Ich selbst maafs den Inhalt des bremischen Schädels aus dem Bleikeller (S. 277) zu 1725 Cub. Cent. Dann folst ın der Reihe der Steinsargschädel von Bandt (S. 241) mit 1700. Dann an- dere Schädel von Bremen (8. 271, 273) mit 1550 und 1510, von Ankum (S. 293, 294) mit 1550 und 1525, von Marken (S. 63) mit 1500. Die gleich- falls grofsen Schädel von Münster (S. 303) und Hameln (S. 308) will ich zunächst aufser Betrachtung lassen. önielopanz zu ; Hr. Sasse giebt ir die N seiner Bolsward-Schädel zu 1795 and 1675, das Mittel zu : ven 1519 an (S. 163). Das höchste Maafs, 2050 Cub. Cent., erhielt Hr. Gil- Tan — demeister bei dem Steinsargschädel von Bremen (8. 284). 8 RB‘: Es sind dies ganz ungewöhnlich hohe Maalse, zumal wenn man Auf BE erwägt, dals unmittelbar daneben, namentlich weibliche, Schädel von so & - 4 u geringem Inhalt vorkommen, dafs man sie (im weiteren Sinne des Wortes) - Jast mierocephal zu nennen geneigt sein könnte. Der Schädel der Mar- E E. - ir N kerin hat nur 1150, der Warga-Schädel Nr. VI und der Willehadi-Schädel EN N Nr. I nur 1205, der AnkumSchädel Nr. VII nur 1250 OCub. Cent. &) - Wan N , % Er ” an U 9 Er. Es besteht demnach in beiden Richtungen eine gewisse Abnormität. f Aber ist diese Abnormität eine krankhafte? Mit anderen Worten, ' . 7 liest eine bestimmte Krankheit diesen Abweichungen, namentlich der Ma- Bi E krocephalie zum Grunde? Die Zahl der möglichen pathologischen Fälle ist Be mr nicht grols. Zunächst wird man immer an Hydrocephalie denken. Indefs f IL‘ Br habe ich früher!) gezeigt, dafs die interstitielle Hyperplasie des Gehirns er. % ganz ähnliche Folgen hat, wie die Ansammlung von Flüssigkeit in den MR ke Hirnkammern. Nichtsdestoweniger unterscheiden sich beide Zustände durch k u ® mancherlei Merkmale, insbesondere durch die geringere basilare Ausbildung AR; des hydrocephalischen Schädels. Insbesondere wächst das Os tribasilare \ en nicht in dem Maalse bei Steigerung des inneren Druckes, wie die Schädel- | Rx - dachknochen. Nun sehen wir aber durchweg bei den makrocephalen Schä- deln, die uns hier beschäftigen, eine grofse Länge der Basilarknochen, zum Bi. Beweise, dafs auch sie an der Grölse des Schädelraums betheilist sind. - u 7 REDE: De‘ == Können wir daher das Wasser als Motiv der Vergröfserung aulfser a Berechnung lassen, so entsteht die Frage, ob die auffällige Vergröfserung Ber n des Schädelraums durch wahre oder durch falsche Hypertrophie des Ge- En — hirns zu erklären ist. Diese Frage läfst sich ohne den Besitz der Ge- a hie nicht mit Zuverlässigkeit beantworten, und in dieser Beziehung steht unser Wissen erst am Anfange. Ich will keineswegs behaupten, dafs die tem - grolsen Friesenschädel wahre Kephalonen seien und dafs die Gröfse ihres k 2 Sehädelraums allein durch eine grölsere Anhäufung nervöser Substanz B 1) Entwickelung des Schädelgrundes $. 99. 40* 316 Vırcuow: Beiträge zur physischen Anthropologie } hervorgebracht sei, indefs ist die Vergröfserung eine so harmonische, dafs diese Schädel der Äsentlichen Kephalonie mindestens sehr nahe kommen., Dabei mufs ich überdies bemerken, dafs wir einen histologisch sicheren Nachweis von dem Vorkommen einer rein oder wenigstens wesentlich nervösen Hirnhyperplasie überhaupt noch gar nicht besitzen, und dafs sehr leicht die Erfahrung ergeben könnte, dafs auch die wahre Kepha- lonie zum grofsen Theil durch Zunahme der Neuroglia bedingt ist. Meine Aufmerksamkeit auf diese grolsköpfigen Formen wurde in bestimmterer Weise zuerst rege durch Erfahrungen, welche ich bei dem Studium der altbelgischen Schädel machte.!) Es waren vor allen die Schä- del aus der merkwürdigen Höhle von Sclaigneaux, die ich in Namur sah, und die sich zugleich durch ihre auffällige Brachycephalie von den an- deren belgischen Höhlenschädeln unterschieden; sodann traf ich einzelne, gleichfalls brachycephale Gräberschädel der älteren historischen Zeit, und schliefslich auch einen modernen Schädel von Herstal, dem alten Meier- sitze der Franken. Schon damals habe ich an die Steinsargschädel von Bandt angeknüpft. Allein für eine Entscheidung reicht auch gegenwärtig das Material nicht aus. Unter den Schädeln von Selaigneaux finden sich auch niedere Formen: bei einem derselben berechnete ich einen Höhen- Index von nur 70,6 und einen Breiten-Index von 81,6. Aber ein anderer ergab einen Höhen-Index von 73,7 bei einem Breiten-Index von 88,1. Am wenigsten stimmte der Schädel von Herstal mit den friesischen Chamaece- phalen, denn sein Höhen-Index berechnete sich auf 76,1. Hr. Dupont?) hat den Werth dieser Erfahrungen dadurch zu schmälern gesucht, dafs er die Abflachung des einen Schädels von Selai- gneaux auf eine künstliche Deformation bezogen hat; die Gröfse des Schä- dels war er später nicht abgeneigt, der Hydrocephalie zuzuschreiben. Letzteres ist wohl nur ein Mifsverständnils. Aber auch Merkmale einer künstlichen Druckwirkung habe ich an den Schädeln von Scelaigneaux nicht bemerkt. „Jedenfalls würde man durch kemen Druck eine Ver- srölserung des Schädelraums herbeiführen können; das Aeufserste, was 1) Archiv für Anthropologie. 1873. Bd. VI. S. 96. 2) Congres international. 6”° session. Bruxelles 1877. p. 559. 7° session. Stockholm p. 316. “ HELGE EA 19 der Friesen, a er: uskommen könnte, wäre eine Dielönahen) Heid Birntheile, lie eine etwas andere Lage im Verhältnifs zum Schädeldach erlangen könn- ten. Die Thatsache der Grofsköpfigkeit bleibt also bestehen, und damit die Möglichkeit, dafs auch die grolsen Schädel in Friesland und Bremen einer erblichen Uebertragung ihre Entstehung verdanken. Da die Höhlenschädel von Sclaigneaux mit polirtem Steingeräth gefunden sind, so könnte man in ihnen einen Anhalt für die Annahme sehen, dafs von einer alten, der neolithischen Periode angehörigen Vor- bevölkerung die Neigung zur Brachycephalie und, im geringerem Grade freilich, zur Chamaecephalie in germanische Stämme hineingekommen- sei. Ich möchte jedoch, obwohl ich die Möglichkeit eines solchen Verhältnisses anerkenne, doch noch nicht die Existenz desselben ohne Weiteres anneh- men. Das Gesagte wird jedoch dazu führen, solchen Verhältnissen gröfsere Aufmerksamkeit zu widmen, und namentlich zu untersuchen, ob durch blofs individuelle Einwirkungen derartige makrocephale Formen zu erklären sind. 2) Wir haben unter den Schädeln von Nordwestdeutschland und Niederland eine verhältnilsmälsig grofse Zahl solcher Schädel kennen ge- lernt, bei welchen eine eigenthümliche Veränderung des Schädelgrundes, namentlich eine Art von Eindrückung der Umgebung des Hinterhaupts- loches gegen den Schädelraum stattfindet. Es sieht eben aus, als wenn auf mechanische Weise ein von der Wirbelsäule her wirkender Druck den ganzen Knochenring um das Foramen magnum oceipitale aufwärts gedrängt habe, oder als ob umgekehrt ein von dem Scheitel her wirkender Druck den Schädel sgniedergedrückt habe, dafs er um den durch die Wirbelsäule unter- stützten Theil der Basis herum vorgedrängt worden sei. Eine solche Verän- derung ist schon seit langer Zeit beobachtet worden, und ich habe bei Gele- genheit einer Untersuchung über den Cretinismus zuerst eine Uebersicht der vorhandenen Beobachtungen gegeben !), auf welche ich verweisen kann. Ich habe dazu noch einen sehr charakteristischen Fall von Lobstein?) 1) Virchow, Gesammelte Abhandlungen. S. 972. 2) J. F. Lobstein, Traite d’anatomie pathologique. Paris 1829. Atlas. PI. II. Fig. I. ihr r NT NOLTE EEE Hi EN Be 318 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropooge hinzuzufügen, der durch eine Abbildung erläutert ist. Er behandelt dn- selben als ein Beispiel von seniler Atrophie, wobei das Hinterhauptsloch verengert, die Gelenkhöcker abgeplattet und die Apophysis basilarıs ver- kleinert und so eingedrückt werde, dals sie so zu sagen in den Schädel eindringe (rentre pour ainsi dire dans le cräne). Hr. Barnard Davis, der diesen Zustand zum Gegenstande einer besonderen Abhandlung!) ge- macht hat, nennt ihn plastische Deformation, im Gegensatze zu der künstlichen und zu der posthumen Deformation, welche an Schädeln vor- kommen. Es mag ein Zufall sein, dafs unter den bis jetzt beschriebenen Fällen ein auffallend grofser Antheil den Nachbarprovinzen desjenigen Gebietes zufällt, welches die gegenwärtige Abhandlung hauptsächlich ins Auge gefalst hat. Hr. Davis selbst beschrieb den Schädel eines 45 jäh- rigen Mannes aus Gelderland ?), später noch 2 andere Schädel sehr alter Frauen, nehmlich Nr. 1324 seiner Sammlung, von einer 106jährigen Frau aus Gelderland und Nr. 1326, von einer 110jährigen Frau aus Utrecht ?). Ein vierter holländischer Schädel dieser Art ist von Hrn. Gerard Vrolik ®) geschildert worden. Hr. Bogstra°) hat 3 weitere Beschreibungen ge- liefert, eine von dem Schädel eines 62jährigen Mannes in Leiden, eine von dem Schädel einer bejahrten Frau ebendaselbst, die dritte von einem nicht weiter bestimmten Schädel. Endlich fand Hr. Boogaard 6) noch zwei, wahrscheinlich holländische Schädel der gleichen Beschaffenheit ın dem anatomischen Museum zu Leiden. Von den Schädeln, welche ich in der Begenwännigen Abhandlung genauer beschrieben habe, zeigen nicht weniger, als 6, das fragliche Ver- 1) Barnard Davis, Memoires de la societe d’anthropologie de Paris. 1560—63. T.I. p. 379. Pl. VII—IX. 2) Barnard Davis |. c. p. 357. Thesaurus eraniorum p. 106. Nr. 747. ®») Davis, Thesaurus eraniorum p. 108. ?) G. Vrolik, Speeimen anatomico-pathologieum inaugurale de hyperostosi eranii. Amstelodami 1848. p. 10. °?) J. N. Bogstra, De schedel met ingedrukte basis. Akademisch Proefschrift. Leiden 1564. 6) J. A. Boogaard, Nederlandsch Tijdschrift voor Geneeskunde. Amst. 1365. Tweede Reeks Jaarg. I. Afd. II. Bl. 92. Schädel. Ye Es sind dies folgende: 1) der männliche Schädel von Warga Nr. II (S. 180), 2) der männliche Steinsargschädel von Bandt Nr. IV (S. 245), 3) der wahrscheinlich weibliche bremische Schädel vom Wille- hadı Kirchhof Nr. V (8. 275 4) der wahrscheinlich männliche bremische Schädel aus dem Bleikeller (S. 277, 279), 5) der weibliche bremische Schädel vom Rathskeller (S. 282), 6) der männliche Schädel von Ankum Nr. VI (8. 295). Gegenüber den sonst bekannt gewordenen Fällen ist dies eine auf- fällig grofßse Anzahl. Trotzdem will ich daraus um so weniger einen Schlufs auf die besondere Bedeutung dieses Verhältnisses für die ethno- genetische Stellung der fraglichen Schädel ziehen, als aus den verschie- densten Theilen von Deutschland, Schweden, England, Frankreich, Italien und Oesterreich ähnliche Beobachtungen vorliegen. Nur könnte es sein, dafs, in Verbindung mit anderen Erscheinungen, der grölseren Frequenz doch eine gewisse Bedeutung zuerkannt werden mülste. Schon Hr. Boogaard hat nachgewiesen, dafs die Eindrückung des Schädelgrundes, abgesehen von ihrem Grade, in verschiedenen Formen auftritt. Nicht ganz selten ist sie asymmetrisch, indem hauptsächlich die eine Seite gegen den Schädelraum hineintritt. In den gleichmälsig aus- gebildeten Fällen unterscheidet Hr. Boogaard eine allgemeine und eine partielle Form, je nachdem der Eindruck sich weiter ausbreite oder nur die nächste Umgebung des Hinterhauptsloches betreffe. Im ersteren Falle erlange der Clivus eine mehr horizontale Stellung, im letzteren bleibe seine Stellung an sich unverändert, dagegen rücke das ganze Os triba- silare weiter nach oben in den Schädel hinein. Vielleicht läfst sich dieser Gegensatz noch anders bezeichnen. Mir scheint nehmlich eine merkliche Verschiedenheit dadurch zu entstehen, dals in einem Theile der Fälle der Eindruck mehr an den seitlichen und hinteren Umgebungen des Hinterhauptsloches stattfindet, in einem anderen dagegen der vordere Umfang, also die Apophysis basilaris, hauptsächlich Bay de A a N EN N NE ER RE TE ET RRR N BAT de Y ya k ii I a ER WR Ze Tr Ver R AR u NE NENNE RT ARE 320 Vırc#ow: Beiträge zur physischen Anthropologie getroffen wird. Dieser letztere Fall oder nach Hrn. Boogaard die par- tielle Impression scheint im Ganzen seltener einzutreten, weil die Wölbung der Gelenkhöcker etwas mehr nach hinten gerichtet ist und ein in ihrer Riehtung wirkender Druck zunächst wenigstens die Apophysis basilaris freiläfst. Nichts ist, auch bei den nicht mit Impression versehenen Schädeln meiner Gruppe häufiger, als eine Verlängerung der Gelenkhöcker nach hinten, welche bei stärkerer Ausbildung einen Verschlufs des Fora- men condyloideum posterius oder gar eine Obliteration der Fossa con- dyloidea posterior ım Gefolge hat. Besonders häufig ist dies auf der linken Seite der Fall, wenigstens bei meinen Schädeln, während Hr. Boo- saard die rechte Seite als die häufiger eingedrückte bezeichnet. Unter den 5 Zuiderzee-Schädeln des Vrolik-Museums fehlt dem einen (Nr. 17) das linke Foramen condyloideum posterius, einem (Nr. 19) sowohl das Foramen, als die Fossa linkerseits, bei einem (Nr. 18) fehlen die Fora- mina beiderseits. Von den 6 Warga-Schädeln hat einer (Nr. III) links kein Foramen, einem (Nr. IV) fehlen beide Foramina, einem (Nr. I) so- wohl die Foramina, als die Fossae. Von den 7 bremischen Schädeln hat der eine (Nr. 1) rechts keine Fossa, dem anderen (Nr. 2) fehlen beide grolsentheils, zugleich ist rechts kein Foramen eondyloideum vorhanden, bei dem dritten (Rathskeller) sind beide Fossae mit Knochenmasse gefüllt, bei dem vierten (Bleikeller) sind sie nicht nur gefüllt, sondern es ist links auch noch eine besondere kleine Gelenkfläche an der Stelle entstanden. Von den 8 Ankum-Schädeln hat Nr. I keine Foramina und beide Fossae sind ver- strichen; bei Nr. III fehlt rechts sowohl das Foramen, als die Fossa, während links die Grube mit Knochenwucherung gefüllt ist, dagegen das Loch persistirt; Nr. V hat beiderseits keine Gruben, bei Nr. VI und VII fehlt Grube und Loch links. Diese Erscheinungen lassen, wie mir scheint, keinen Zweifel dar- über, dafs der die Gelenkhöcker treffende Druck häufiger nach hinten hin wirkt, oder, anders ausgedrückt, dals er mehr bei aufgerichteter Stel- lung des Kopfes eintritt. Nicht selten flachen sich dabei die Gelenk- höcker ab, und wenn gleichzeitig die Gruben hinter ihnen mit Knochen- masse erfüllt werden oder wenn gar noch, wie an dem Zuiderzee-Schädel Nr. 19 und mehreren der Warga- und bremischen Schädel, ausgedehntere, rauhe Knochenmassen im Umfange erscheinen, so macht es den Eindruck, i Edeka gereienn ER und seitlich aus- Natürlich“ meine ich nicht, dafs der Vorgang wirklich so zu deuten. sei; ich gebe nur die erste Vorstellung wieder, welehe die Be- 33 trachtung hervorruft. Zuweilen findet sich auch am hinteren Umfange But: des Hinterhauptsloches eine halb- oder viertelringförmige Rinne zur Auf- er nahme eines Theiles des Atlas. Am stärksten ist dies bei dem Schädel BET, aus dem Bremer Ratbskeller der Fall, dessen Grundbein zugleich durch * 3a ungewöhnliche Abplattung sich auszeichnet. In geringerem Grade und Kle.'; mehr auf die rechte Seite beschränkt zeigt dieselbe Rinne der Ankum- Se Sehädel Nr. VII. u Be BR ' Wird der Eindruck stärker, so tritt eine doppelte Veränderung ar ein. Einerseits neigen sich die Gelenkhöcker, welche übrigens in der en % Er. Mehrzahl der Schädel weit nach vorn gestellt sind, mehr nach innen ag (medialwärts), so dafs das Hinterhauptsloch in seinem vorderen Abschnitt Ian Ya dadurch verengert wird. Andererseits wird der ganze Ring des Hinter- Ei E hauptsloches aufwärts gedrängt, so dals sich besonders nach hinten und aufsen E Mr A von den Gelenkhöckern, im Zusammenhange mit den hinteren condyloidea- N en 3 len Gruben, eine tiefe laterale Furche bildet, gegen welche sich die Wölbung vor Kar der Cerebellargruben von hinten und den Seiten her einsenkt. Die Apo- en “ physis selbst nimmt an dieser Bewegung Antheil, jedoch in geringerem Aa Grade. Dagegen findet öfters eine stärkere Biegung an der Stelle statt, %r- wo die frühere Knorpelfuge zwischen dem Bogenstücke und dem oceipi- fg u Be talen Wirbelkörper (der Apophysis basilaris) liest, und es entsteht dadurch ®© Br eine stärkere Entwickelung des Tubereulum jugulare seu anonymum. IM „ R. Der Einfluls, welchen diese Vorgänge auf das ganze Tribasilarbein I, W ausüben, zeigt sich am besten in der veränderten Stellung des Gesichts, 2) = jener eigenthümlichen Rückwärtsbiegung, welche ich bei einigen Schä- i Ki: Br deln besonders geschildert habe (S. 277—79, 295). In der Seitenansicht ‘ Ir rt erscheint der Oberkiefer im Ganzen schräg nach rückwärts gestellt, die a i 7 Gaumenfläche schief nach hinten erhoben, nach vorn gesenkt, und das Na Verhältnifs des Gesichtsskelets zum Schädelgrunde so verändert, als wäre u durch eine starke Gewalt der ganze Kopf in seinen unteren Theilen von ER E vorn nach hinten zusammengedrückt. So entsteht eine wirkliche Kyphose rg des Schädelgrundes, und zwar jene Form, die ich, im Gegensatze zu vs er Phys. Kl. 1876. 41 A Ba Be AP av = var ER Um alt Dr 322 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologie der sphenoidealen, die oceipitale genannt habe.1) Sie hat keineswegs den Einflufs auf die Erzeugung einer prognathen Kieferstellung, wel- chen ich von der sphenoidealen Kyphose beschrieben habe. Wesentlich anders gestaltet sich das Verhältnifs, wenn die haupt- sächliche Druckrichtung vor die G@elenkhöcker fällt. Alsdann wirkt der Druck der vorderen Theile des Atlas und noch mehr der des Zahn- fortsatzes vom Epistropheus unmittelbar gegen die Apophysis basilaris und zwar zunächst auf den hintersten Theil derselben bis etwa zum Tubereulum pharyngeum hin. Hier entsteht zunächst keine Biegung, son- dern eine wirkliche Usur oder Druckatrophie. Es bildet sich nach und nach eine Grube, und zwar auf Kosten der corticalen Knochen- substanz; später wird daraus eine tiefe Aushöhlung, welche so weit in den Knochen vorrücken kann, dals zuletzt von der dicken Masse der Apophysis nur noch ein Knochenblatt von der Stärke eines Papierblattes übrig bleibt. Spät erst wölbt sich diese Stelle wirklich gegen den Schä- delraum empor, die Fläche des Olivus erhebt sich, und der ganze Olivus nimmt mehr und mehr die Form eines flachen, fast horizontal gestellten Gewölbes an. In diese Kategorie gehört die Mehrzahl der Leidener Fälle, welche ganz ausgezeichnete Beispiele der progressiven Usur (concentrischen Atro- phie) darstellen. Hier entspricht die Usurstelle genau der Druck- stelle. Bei der hinteren Impression haben wir dafür, aufser der er- wähnten Rinne zur Aufnahme des hinteren Bogenstückes des Atlas, welche jedoch eine nur mälfsige Tiefe zu erreichen pflegt, keine andere Analogie, als an den Gelenkhöckern selbst, welche, wie gesagt, zuweilen ganz ab- geplattet, ja in extremen Fällen sogar ausgehöhlt werden. Der übrige Eindruck im Umfange des Hinterhauptsloches ist nur eine mittelbare Druckwirkung, indem diese Theile genöthigt sind, der veränderten Stel- lung der Gelenkfortsätze und der Ränder des Hinterhauptsloches sich an- zupassen. Dies sind also ganz verschiedenartige Vorgänge, welche von einander getrennt werden müssen. Ohne eine solche Trennung gelangt man nicht zu einem Verständnifs der Vorgänge selbst. 1) Virchow, Entwiekelung des Schädelgrundes S. 75. Her y. W sich, lie Aufmerksamkeit ihnen zuerst uwendete, war man 5 > ee Schon Portal!) sagt: Tr retreeissement du trou Boni qui a j manifestement lieu dans quelques maladies, et encore par l’effet de la, vieillesse, n’a-t-il pas produit divers effets fächeux par la compression de la partie superieure de la moelle &piniere qui en a et& Ja suite? Lob- ‚stein?), der sich ihm anschlielst, ist geneigt, der „Wirkung eines sehr vorgerückten Alters“ die Hauptschuld beizumessen und den ganzen Vor- gang als eine Form der senilen Atrophie anzusehen. Allein die Erfah- rung widerstreitet dem. Der ausgezeichnete Fall, welchen Berg und Retzius®) beschrieben haben, betraf einen Mann von 32 Jahren. Hr. Barnard Davis*#) schätzt das Alter des Irländers, dessen basilaren Schädeleindruck er beschreibt, auf ungefähr 35; das des schon erwähn- ten Gelderländers giebt er auf 45 an. Ein Wiener Fall wird einer Frau von 36 Jahren zugeschrieben’). Von meinen Schädeln hat der von Ankum Nr. VI jedenfalls einem Individuum vor der Mitte des Lebens angehört. Man mag also immerhin zugestehen, dafs hohes Alter in einem gewissen Sinne prädisponirend sei, aber man wird festhalten müssen, dafs auch schon das mittlere Lebensalter die gleiche Veränderung zeigen kann. Und zwar gilt dies sowohl für den hinteren, als für den vorderen Eindruck. Ebensowenig, wie das Alter, haben sich diejenigen Krankheiten, welche man als Ursache beschuldigt hatte, als constante oder auch nur häufige Ereignisse während der Zeit der ersten Entwickelung dieser Zustände er- weisen lassen. Es gilt dies namentlich von den sogenannten Allgemein- krankheiten. So hat Hr. Lucae®) den basilar eingedrückten Schädel einer 53jährigen Frau beschrieben, welche 10 oder 15 Jahre vor ihrem Tode die ersten Spuren von Osteomalacie darch allmählich zunehmende 1) Ant. Portal, Cours d’anatomie medicale. Paris 1803. T.I. p. 94, 122. 2) J. F. Lobstein, Lehrbuch der pathologischen Anatomie. Deutsch von Neu- rohr. Stuttg. 1334. Bd. I. S. 58. 3) Museum anatomicam Holmiense. Sectio pathologica. Holm. 1545. Fasc. I. Tab. I. 4) Davis, Revue d’anthropologie T. 1. p. 386. 5) Boogaard |. c. Bl. 82. Anm. 4. 6) Joh. Christ. Gust. Lucae, Schädel abnormer Form in geometrischen Ab- bildungen. Frankf. a. M. 1855. S. 21. Taf. VII. 41* TR SR ih EN ı MN IN / } ; - r y N“ 324 Vırcnow: Beiträge zur phys ischen Anthro ‚pologie Krümmung ihrer früher gesunden Beine gezeigt hatte und deren Skelet in allen seinen Theilen die Charaktere dieser Krankheit darbietet. Die Fettde- generation der Knochen, welche die Herren Berg und Retzius als Ur- sache der Impression bei dem 32jährigen Manne angaben, ist im Grunde auch nichts anderes, als ene’Form der Osteomalacıe. Ich selbst habe niemals etwas Aehnliches gesehen !), obwohl mir namentlich in Würzburg Osteomalacie bei Männern und bei Frauen wiederholt vorgekommen ist. Dasselbe gilt von der Rachitis, welche ganz besonders häufig angeklagt worden ist. Es war Ackermann?), der bei Gelegenheit seiner For- schungen über den Öretinismus zuerst diese Frage aufwarf. Kurz vorher hatte Malacarne?), auf Veranlassung des Philanthropen Bonnet, ver- sucht, die Anatomie der Cretinen zu studiren, und es war ıhm gelungen, die Körper von 3 solchen Kranken aus dem Augster Thal zu erlangen. Er hatte daran die veränderte Stellung des Grundbeins und des Hinter- hauptsloches erkannt. Zwei dieser Schädel gelangten nach Pavia an Frank und kamen durch diesen zur Kenntnifs Ackermann’s, der von einem derselben eine recht gelungene Abbildung geliefert hat. Sowohl diese Abbildung, als die eingehende Beschreibung *) lassen keinen Zweifel darüber, dafs diese Schädel einen höheren Grad basilarer Impression dargeboten haben. „Der Grundfortsatz des Hinterhauptsbeins*, sagt Ackermann, „liegt ganz horizontal und der Körper des Keilbeins mit dem genannten ganzen Fortsatze in einer wagerechten Linie.“ „Das grolse Loch des Hinter- hauptes, anstatt dafs es sich mehr nach der Horizontalen neigen und nur in etwas schief im die Höhe vorwärts steigen sollte, liegt in einer verti- kalen, mit der Zentrallinie des Körpers parallelen Lage.“ „Auf der äulseren unteren Fläche des Schädels entsteht eine sehr beträchtliche Vertiefung, welche nach vorn zu von den am hinteren Theil des Oberkiefers herunter- steigenden Keilbeinfortsätzen, nach hinten aber von dem steil nach oben sich drehenden Hinterhauptsbein gebildet wird. Den oberen Grund dieser 1) Virchow, Gesammelte Abhandlungen S. 972. 2) J. F. Ackermann, Ueber die Cretinen, eine besondere Menschenart in den Alpen. Gotha 1790. S. 54. 3) Fodere, Essai sur le goitre et le eretinisme. Turin 1792. p. 104. Die hier gegebene Beschreibung ist fast ganz unverständlich. *#) Ackermann a.a. ©. 8. 33. c# ig IR TR - tiefung, in welcher sonst der grolse Gehirnknoten und die Anfänge des Rückenmarks zu liegen kämen, und die Höhle fürs kleine Gehirn ist um = Aa u . . ryv . sehr viel kleiner, und kann kaum den dritten Theil der Masse enthalten.“ So vortrefflich diese Beschreibung ist, so wenig hat sie sich doch als allgemein gültig für den Uretinenschädel erwiesen. Ich selbst habe ganz entgegengesetzte Resultate erhalten !): statt der oceipitalen Kyphose fand ich eine sphenoideale. Indels beweist diese Differenz nichts gegen die Richtigkeit der Angaben von Malacarne und Ackermann, aus denen hervorgeht, dafs die basilare Impression bei Cretinen vorkommen kann, wenngleich sie nicht immer, ja vielleicht nur ausnahmsweise bei ihnen vorkommt. Noch weniger trifft es zu, wenn Ackermann diese Verän- derung als eine rachitische ansieht. Auch hat er nur theoretische Gründe dafür beigebracht. Dagegen hat schon Iphofen?) mit vollem Recht die Erfahrung geltend gemacht, dals die Öretinen an sich nicht rachitisch sind. Ich habe neuerlich alle Schädel rachitischer Kinder und Erwachsener in unserer Sammlung nachgesehen, namentlich die mit Craniotabes behafteten, und ich habe, wie früher, keinen einzigen Fall von ausgemachter basilarer Impression darunter entdecken können. Auch ist mir, mit alleiniger Aus- nahme eines von Autenrieth und eines von Prohaska°) berichteten Falles bei Erwachsenen, nicht bekannt, dafs irgendwo eine sichere Beob- achtung über die rachitische Entstehung solcher Veränderungen gemacht wäre. Es dürfte daher wohl kaum noch als zulässig erscheinen, sie all- gemein mit Rachitis in Beziehung zu bringen. In einer anderen Rücksicht scheint mir jedoch der Gedankengang Ackermann’s ein richtiger zu sein. Er ging davon aus, dafs der von 1) Virchow, Ueber die Physiognomie der Cretinen. Würzburger Verhand- lungen. 1857. Bd. VII. S. 210. Entwickelung des Schädelgrundes S. 83. Taf. IV. 2) Aug. Ernst Iphofen, Der Cretinismus, philosophisch und medieinisch un- tersucht. Dresden 1817. Th. II. S. 179. 282. 3) Iphofen a.a. ©. S. 500. En ) ; RER N Vert liegende Fortsatz des ıterhauptsbeins aus. Betrachtet man die innere Seite des Schädel- {% rundes, so findet man dieselbe eben so sonderbar verändert. Der völlig _ wagerecht laufende Fortsatz des Hinterhauptsbeins tilgt ganz jene Ver- 326 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologie ihm an den Cretinenschädeln von Aosta beobachtete basilare Eindruck auf eine primäre Erweichung der Knochen hinweise, welche der Art sei, „dafs durch die Schwere und das Hinunterwiesen des Kopfes, wegen dem Widerstand der unterstützenden Rückensäule, eine merkliche Ver- tiefung des Schädelgrundes entstanden sei. Diese Wahrscheinlichkeit*, sagt er!), „wächst zu einem Grad von Gewifsheit, wenn wir betrachten, dafs just diejenigen Stellen, welche am Schädelgrunde die weichsten, die uachgiebigsten sind, bei den Öretinen zurückgewichen angetroffen werden; denn 1) beugt sich der Knochen gerade da nach oben, wo der Hinter- hauptstheil (pars oceipitalis) und die beyden Gelenktheile (partes condy- loideae) des Hinterhauptsbeins bei Kindern noch durch eine knorpelartige Haut verbunden wurden, in der Gegend nämlich, wo nach hinten das grofse Hinterhauptsloch anfängt; 2) wird eben dieser Knochen noch ein- mal gekrümmt und in die Höhe gedrückt, wo die beyden Gelenktheile nach vorne hin durch eine ähnliche knorpelichte Verbindung den Grund- fortsatz dieses Beins (prosessus basilarıs) aufnehmen.“ Wäre diese Vorstellung, ganz abgesehen von Cretinismus und Ra- chitis, für alle Fälle von basilarem Schädeleindruck richtig, so würde es sich bei dem letzteren nicht um einen senilen, sondern vielmehr um einen infantilen Vorgang handeln; es würde also gerade das Gegen- theil von dem zutreffen, was Portal und Lobstein angenommen hat- ten. Diesem Widerspruch gegenüber möchte ich daran erinnern, dafs ich schon aus der blofs anatomischen Betrachtung die Nothwendigkeit abgeleitet habe, zwei verschiedene Formen der Impression, eine hintere und eine vordere, zu unterscheiden (S. 319), und dafs die hintere Form recht gut der infantilen, beziehungsweise juvenilen, die vor- dere der senilen Periode angehören könnte. Denn die hintere Form charakterisirt sich überwiegend durch Verschiebungen der ein- zelnen Knochenabschnitte gegen einander, wie sie der Wachsthums- periode zukommen; die vordere dagegen ist mehr durch Erscheinungen der Usur (peripherischen Atrophie) ausgezeichnet, wie sie im höheren Lebensalter reichlicher und häufiger vorkommen. Dabei ist es durchaus 1) Ackermann a.a 0. S. 55. 2-7 ” BERE ii ER ” nen Sashe die des Schwundes, sich mit einander vergesellschaften; im Gegen- G AL heil, es ist eine gewöhnliche Erscheinung, dafs zu Dislokationen wach- a tz "sender Knochen Usuren und zu senilen Usuren Dislokationen hinzutreten. S Es handelt sich in diesen complieirten Fällen nur darum, festzustellen, welcher von beiden Vorgängen der zeitlich frühere und zugleich der maalsgebende war. Ich möchte jedoch besonders davor warnen, die senile Atrophie "ir nieht in dem Sinne von Lobstein als ein einfaches Glied in einer Reihe pr = g: 2 s x © allgemeiner Veränderungen des Körpers oder auch nur als eine essentielle Erscheinung der betroffenen Theile anzusehen. Den besten Gesenbeweis oO ko} gegen diese Auffassung liefert die Veröffentlichung des Stockholmer Mu- seums, in welcher die erste Tafel die basilare Impression bei dem 32 jäh- rigen Manne, die zweite und dritte dagegen die basilare Atrophie ohne Impression bei einer 70jährigen syphilitischen Frau darstellen. Auch ist die Zahl der Fälle von basilarer Impression nicht gering, im denen durch- aus keine Erscheinungen allgemeiner oder eranieller Atrophie erwähnt sind. Hr. Gerard Vrolik!) hat sogar einen Fall von colossaler Hyper- , ostose der Schädelknochen beschrieben, in welchem trotzdem basilare Im- pression vorhanden war. Pars condyloidea, sagt er, ossis oceipitalis in- trorsum sive potius sursum est pressa, unde pone condylos fossa transversa _ profunda est orta. Hacce oceipitis depressione fossae ad cerebellum re- eipiendum valde angustantur, praesertim in diametro longitudinali. Bine tota eraniı forma mutatur; brevius nempe redditur, et oceiput quasi ad faciem accedit. Diese Annäherung des Hinterhaupts an das Gesicht, welche aus der Abbildung sehr deutlich hervorgeht, entspricht dem, was ich, wie ich denke, correkter. Räekwärtaliennpe des Gesichts genannt habe. Ich erkenne den Fall daher als ein gutes Beispiel hinterer Im- pression an, und, wenngleich ich zugestehe, dafs die Hyperostose erst nach der Zeit der Entstehung der Impression eingetreten sein wird, so mufs ich doch betonen, dals keine Spur von Atrophie an dem Schädel bemerkbar ist. In gleicher Weise ist der Schädel aus einem Steinsarg der 1) G. Vrolik, De hyperostosi eranii p. 10. Tab. I—-II. RE) N Sarah dr n N NEN ISIN VER UN UT RTLRFÄN 328 Vıronow: Beiträge zur physischen Anthropologie Abtei Llanthony bei Glocester, welchen Hr. Davis!) beschrieben hat, trotz starker basılarer Impression hyperostotisch: das Stirnbein ist 10 Mm. dick, die Scheitelbeine sind noch etwas dicker?). Hr. Boogaard?) er- wähnt aus dem Leidener Museum einen, freilich als hydrocephalisch be- zeichneten Fall, wo das Gewicht des Schädels 1154 Gramm beträgt und die Dicke des Schädeldaches an einzelnen Stellen 14 Mm. erreicht. Es ist möglich, wie Hr. Davıs annimmt, dafs diese Fälle mit Osteoporose und Erweichung anfingen, indels wird man sie niemals unter den Begriff der Atrophie einordnen dürften. Wenn auf der anderen Seite manche und gerade die am meisten ausgezeichneten Schädel mit basilarer Impression sehr leicht und dünn- wandig sind, wenn, wie Hr. Boogaard ermittelt hat, ihr Gewicht ohne Unterkiefer bis auf 455, 455, 427, ja bis auf 250 Gramm herabsinken kann, so ist diese Thatsache gewils nicht gering zu veranschlagen, da es sich von selbst versteht, dals ein an sich zur Atrophie neigender Schädel durch besondere Ursachen, welche ihrerseits Atrophie hervorbringen, viel stärker beeinflulst werden wird, als ein normaler. Aber nirgends ist bis jetzt dargethan, dafs Atrophie allein, also ein innerer Vorgang in den Knochen, genügt, um die basilare Impression zu erzeugen. Auch die Anhänger der Lehre von der primären Atrophie haben sich daher immer geneigt gezeigt, Hülfsmomente, namentlich den Muskeldruck (Zug) oder den Gravitationsdruck, heranzuziehen. Nur Hr. Davis#) ist auf äufseren Druck zurückgegangen. Er meint, dafs die plastische Deformation bei Kindern, welche genöthigt 1) Barnard Davis, Mem. de la soc. d’anthropologie de Paris. T.1. p. 381. Pl. IX. Fig. 1. Thesaurus eraniorum p. 38. Nr. 96. ?) Hr. Davis (l. e. p. 390. Note 2) bezieht sich auch auf die Beschreibung eines dicken Schädels bei Huschke (Ueber Cranioselerosis totalis rachitica und verdickte Schädel überhaupt. Jena 1558. S. 7). Es ist möglich, dafs dieser Schädel ähnlich ist, aber die Basis eranii desselben ist defekt und der Zustand der einzelnen Theile daher schwer zu bestimmen. Jedenfalls ist es ein Milsverständnils, wenn die Worte von Huschke: „Die Gelenkfortsätze sind sehr eben und zusammengedrückt und kleiner als gewöhnlich“ übersetzt werden: Les condyles sont tres-aplatis, refoul&es l’un vers l’autre, plus petits que d’habitude. Statt refoules l’un vers l’autre mülste es heilsen comprimes. >») Boogaard |. c. Bl. 92, 106. =); Dayisal. ze. 1p3390: RR Basten auf er Re zu Häfen? in einem er wo die 2: ; hen "noch beweglich sind, eintreten könne, auch ohne dafs irgend Be cine Knochenkrankheit vorhanden sei. Dies sei an den Schädeln der _ Fleischerjungen in Edinburgh beobachtet worden. Mir ist, so wenig wie Hrn. Boogaard, über diese letztere Beobachtung etwas Genaueres be- kannt; sie verdiente wohl, besonders bewiesen zu werden. Ich will die Möglichkeit nicht in Abrede stellen, möchte aber vorläufig den Werth dieser Thatsache für das uns hier beschäftigende Gebiet in Zweifel ziehen, weil es meines Wissens innerhalb desselben nicht gebräuchlich ist, dafs Be Kinder schwere Lasten auf dem Kopfe tragen. Wohl habe ich bemerkt, Fi dafs Fischerfrauen der westholländischen Küste auf ihre grolsen Stroh- . hüte Gefäfse mit Fischen stellen und damit fortwandern, aber diese Last ie ist sicherlich nicht so großs, als die Lasten, welche in Süd- und West- 5 deutschland, und zwar auch schon von zarteren Kindern, auf dem Kopfe - getragen werden, ohne dafs basilare Impressionen daselbst häufig zu sein Bi scheinen. e Die drückende Last wird also in der Regel nur der Kopf sein. Je gröfser und schwerer der Schädel, je reichlicher der Schädelinhalt wird, um so leichter wird man sich die Entstehung einer basilaren Im- pression vorstellen können. Dies palst am besten auf den chronischen Hydrocephalus. In diesem Sinne hat sich Hr. Rokitansky in einer “4 viel eitirten Stelle!) ausgesprochen, welche in der ersten Auflage seines Werkes noch den später unterdrückten Zusatz enthielt, dafs der Hydro- - | cephalus höchst wahrscheinlich aus der Fötusperiode sich datire. Dage- RG. gen hat schon Hr. Boogaard?) erwähnt, dafs er bei keinem der zahl- er reichen hydrocephalischen Kinderschädel, welche er untersucht habe, eine basilare Impression habe antreffen können. Ich mufs ihm für mein Beobach- tungs-Gebiet vollständig beistimmen. Auch an älteren Schädeln mit chro- nischem Hydrocephalus vermisse ich die Impression, der Kopf mag noch so grols geworden sein. Wie mir scheint, erklärt sich diese Immunität auch recht gut durch den hohen Grad von Spannung, welche alle Nähte und Fon- 1) Carl Rokitansky, Lehrbuch der pathologischen Anatomie. Dritte Auf- lage. Wien 1856. Bd. II. S. 149. 2) Boogaard I. c. Bl. 98. Phys. Kl. 1876. 42 330 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologie tanellen, sowie selbst die Knochen des Schädels bei Hydrocephalie er- leiden: diese Spannung gestattet nicht, dafs der Schädel sich, wie eine schlaffe Blase, um den Atlas herunter senkt. Die Gröfse der Last ist hier jedenfalls ohne Bedeutung; das Gewicht des Kopfes ist auch ohne Hydrocephalus und ohne Hyperostose ausreichend, um einen starken Druck auszuüben, und es wird daher immer auf besondere Bedingungen des Einzelfalls ankommen, ob Senkung der Seiten- und Umfangstheile des Schädels eintritt oder nicht. Dies wird wohl am sichersten bewiesen durch das faktische Verhältnifs der Schädelcapacität. Nach der Zusam- menstellung des Hrn. Boogaard betrug der Schädelinhalt von 6 im Leidener Museum befindlichen Schädeln mit basilarer Impression 1290 — 1370—1450—1450—1680-—1790 Cub. Cent. Dies ergiebt im Mittel 1505 Cub. Cent., während das Mittel aus 4 hydrocephalischen, nicht einge- drückten Schädeln, die derselbe Gelehrte untersuchte, 2852, das Minımum 1890 Cub. Cent. betrug. Die von mir erwähnten eingedrückten Schä- del haben eine Capacität von 1240—1270-—1470—1510—1725 (der eine Bandter ist nicht gemessen worden), also im Mittel von 1443 Cub. Cent. Es sind also unter 11 eingedrückten Schädeln höchstens 3, welche den Verdacht der Hydrocephalie erregen könnten. Diesen steht aber eine gleiche Anzahl gegenüber, bei denen die Capacität geringer als 1300 ist, deren Gewicht also auch im lebenden Zustande lange nicht das mittlere Gewicht eines gewöhnlichen Kopfes erreichen konnte. Leider fehlt es uns fast ganz an brauchbaren Sektionen solcher Fälle. In dem Stockholmer Falle fand man in den Hirnhöhlen fast 6 Unzen klarer Flüssigkeit und an der rechten Kleinhirn-Hemisphäre in der Gegend der Tonsille einen Eindruck, entsprechend der Erhebung des Hinterhauptsbeins. Es handelte sich um einen Gewohnheitssäufer, von dem freilich erzählt wurde, dafs er als Knabe einen ungewöhnlich grolsen Kopf gehabt habe. In dem einen Leidener Falle!), der einen 62jährigen, kräftigen, aber kleinen Mann betrifft, wird berichtet, dafs der Mann bis zu seinem 40. Lebensjahre keine ernstliche Krankheit gehabt habe; von dieser Zeit an begannen die willkürlichen Bewegungen zu leiden, zuerst nur an den Unterextremitäten, dann am Schlund und der rechten Gesichts- 1) Boogaard |. c. Bl. 88. , , endlich folgte Erschwerung des Shrechinh. B& a Autopsie fand : man die Seitenhöhlen des Grofshirns weit und mit heller Flüssigkeit ge- füllt, am Pons Varolii einen tiefen Längseindruck, am rechten Nervus opticus und am linken N. abducens Atrophie u. s. w. Aufserdem ist nur noch von einem der Leidener Fälle!) bekannt, dals die alte Frau an zunehmender Lähmung der Extremitäten und der Sprache gelitten hatte. Erwägt man, dals die paralytischen Symptome offenbar der zu- nehmenden Veränderung des Schädelgrundes und dem dadurch hervor- gebrachten Druck auf basilare Hirntheile zuzuschreiben sind, so wird man dem an sich unleugbaren, aber doch sehr mälsigen Hydrocephalus internus, selbst wenn dessen Präexistenz dargethan werden könnte, schwerlich einen hervorragenden Einfluls auf die Veränderung des Tribasilarbeins beilegen können. Viel stärkere und sicherlich congenitale Formen von Hydroce- phalus bestehen ohne allen Schädeleindruck. Ueberdies handelt es sich in den Leidener Fällen um vordere Impression, und wenn wir erfahren, dafs in dem am besten beobachteten Falle der Mann bis zu seinem 40. Lebensjahre gesund war, von da ab aber bis zu seinem erst 22 Jahre später erfolgten Tode eine langsam zunehmende Zahl paralytischer Stö- rungen zeigte, so folgt daraus ganz bestimmt, dafs die Veränderung des Tribasilarbeins auch erst vom 40 Jahre ab eine zunehmende Ausdehnung erlangt hat, dafs sie also einen mehr senilen Charakter gehabt haben mufs. Infantile und juvenile Formen werden sich auch nach meiner An- sicht überwiegend an den Gelenkhöckern selbst und an den ihren vor- dersten Abschnitt kreuzenden intracondyloidealen Synchondrosen, nächst- dem an der hinteren oeccipitalen und endlich an der sphenooceipitalen Synchondrose äulsern, und zwar in der Art, dals innerhalb der Knorpel selbst Biegungen eintreten, wodurch die Stellung der einzelnen oceipitalen Wirbelstücke zu einander und zur Nachbarschaft sich ändert. Erfahrungs- gemäls zeigen sich an solchen anomal gebogenen Stellen später sehr ge- wöhnlich Verdiekungen, Knochenvorsprünge, Stacheln und Höcker, und das ist das, was ich auch bei meinen Schädeln unverhältnifsmälsig häufig bemerke, nicht nur bei eingedrückten, sondern auch bei nicht eingedrückten. Dabei ist jedoch nicht zu übersehen, dafs manche sehr 1) Boogaard |. c. Bl. 90. 42* 332 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologie ähnliche Veränderungen der Knochenoberfläche durch Reizungen und ent- zündliche Prozesse hervorgerüfen werden, welche mit dem Wachsthum an sich nichts zu thun haben. Diese im engeren Sinne krankhaften Wucherungen von den freilich auch pathologischen, aber doch mit der Entwickelungsgeschichte der Knochen eng verknüpften Bildungen zu tren- nen, ist die Aufgabe einer feineren Diagnostik. Zu den letzteren Bildungen rechne ich folgende: A. An den Gelenkhöckern (Coronae, Processus condyloides). 1) die Trennung der Gelenkflächen in zwei gesonderte Abschnite, wie sie bei dem Urker Schädel Nr. 18, sowie den Warga- Schädeln Nr. V und VI beschrieben ist (S. 86, 174, 176). Allerdings kann ich nicht behaupten, dafs diese Trennung der früheren Synchon- drosis intracondyloidea entspricht, von der ich nachgewiesen habe!), dals sie mehr nach vorn liegt und dafs die Halbirung der Gelenkflächen in eine vordere und hintere Hälfte nichts mit ihr zu thun hat. Auch in den erwähnten Fällen befindet sich die Trennungsstelle etwas weiter nach rückwärts, als nach der Lage der Synchondrose erwartet werden sollte. Dies spricht gegen die unmittelbare Beziehung der Trennung auf die Synehondrose, aber jedenfalls ist sie auf eine Störung der Entwickelung zu beziehen. 2) die stärkere Entwickelung des Tubereulum innomi- natum ?), wie sie der Schädel aus dem bremischen Bleikeller (S. 279) zeigt. B. Am hinteren Umfange des Hinterhauptsloches: 1) mediane Knochenvorsprünge in der Gegend des früheren Manubrium squamae oceipitalis®). Sie erscheinen in Form kleiner Knochen- spitzen an dem Ankum-Schädel Nr. I (8. 290). 2) laterale Knochenspitzen in der Gegend der alten Syn- chondrosis posterior, wie sie bei dem Marker Schädel Nr. 16 (8. 74) und !) Virchow, Entwickelung des Schädelgrundes Ss. 12% ?) Ebendaselbst S. 14. 3) Virchow, Merkmale niederer Menschenrassen. Denkschriften der Akademie 1375. S. 67. Ze \ 12 or Se Eee a a % { h 1 Nr. VI . 176) erwähnt sind. Genetisch gehören wahrscheinlich auch die queren Wülste des Urker Schädels Nr. 17 Dr En ; Am seitlichen Umfange des Hinterhauptsloches!): er 1) Knochenvorsprünge hinter den Gelenkhöckern. Als solche sind erwähnt bei dem Bremer Schädel Nr. 3 jederseits ein Höcker an den Coronae (S. 270). Auch die Bremer Schädel Nr. 1 und 2 be- sitzen solche Höcker. ’g Eur: > 19 2) Verdiekungen der Ränder, ziemlich häufig, namentlich in Verbindung mit den genannten Höckern und Spitzen. En... IN D. Am vorderen Umfange des Hinterhauptsloches: Br * ” ” E 5 Hier hat zuerst Joh. Friedr. Meckel?) den dritten mittleren Gelenkfortsatz (Condylus tertius oceipitis) beschrieben. Er fand ihn unter 400 Fällen nur einmal, legt aber einen besonderen Werth auf ihn wegen der Aehnlichkeit der Anordnung dieses Gelenkes bei den Vögeln, j: den meisten Reptilien und den Fischen, wo sich nur ein einfacher Ge- lenkfortsatz am Hinterhauptsbein findet. Eine vortreffliche Abhandlung darüber hat Halbertsma°) gelie- _ fert, der unter 876 Schädeln 7mal einen gut entwickelten Condylus ter- _ tius antraf, jedoch 6mal bei Schädeln aus dem ostindischen Archipel und nur Imal bei einem europäischen und zwar schwedischen Schädel. Häu- figer fand er unvollständige oder approximative Formen. Er glaubt die- selben genetisch in zwei Reihen zerlegen zu können. In der einen Reihe entstehe der Fortsatz aus einem medianen Knochenauswuchs, in der an- deren durch Verschmelzung zweier, ursprünglich getrennter, seitlicher Auswüchse, die sich von den vordersten Enden der lateralen Gelenkfort- “ —. !) Diese Gruppe ist am meisten zweifelhaft; ich weils keine rechte Grenze gegen die krankhaften Formen zu ziehen. 2) Meckel, Deutsches Archiv für die Physiologie. Halle und Berlin 1815. Bd.I. S. 644. Taf. VI. Fig. 37. >) H. J. Halbertsma, Nederlandsch Tijdschrift voor geneeskunde. 1865. R. II. - Jaarg. I. Afd. II. Bl. 222. Pl. VI-VIII. Man vergleiche auch C. F. W. Uhde, Archiv _ für klinische Chirurgie. 1867. Bd. VIII. S. 25. v FE Een a AT . NEE Ka x h TIERE: TERITEEN: 354 Vırcmow: Beiträge zur physischen Anthropologie sätze entwickelten. Er nennt diese Auswüchse, welche Hr. Wenzel Gru- ber!) als doppelte mittlere Gelenkfortsätze bezeichnete, mit einem recht zutreffenden Worte Processus papillares. Ich lasse es dahin gestellt, ob die Scheidung der zwei Reihen ganz zutreffend ist, möchte aber sofort bemerken, dals die an den hier in Frage stehenden Schädeln von mir beobachteten Auswüchse sich mehr der zweiten Reihe anschliefsen. Dabei finde ich, dafs sich eine fortschreitende Entwickelung in der Art construiren läfst, dals zuerst von dem vorderen inneren Ende jedes der beiden Gelenkfortsätze aus eine breite, zuweilen aus zwei, gegen die Mitte hin zu einer Spitze zusammentretenden Armen bestehende und dann unregelmäfsig dreieckige Erhebung erscheint, welche an oder meist etwas vor dem vorderen Rande des Hinterhauptsloches etwas schräg nach vorn und innen verläuft. Manchmal bleiben beide Vorsprünge von einander getrennt, andermal fliefsen sie zu einer queren Leiste zusammen. Beispiele dafür liefert der Steinsargschädel von Bandt (S. 244) und der Münster Schädel Nr. 2 (S. 307). Auch der Schädel Nr. 2 von Kurslack kann hier angezogen werden. Der Münster-Schädel besitzt zugleich einen kleinen, medianen, gegen das Hinterhauptsloch vor- springenden Fortsatz, der also der ersten Form von Halbertsma ent- sprechen würde. N Bei weiterer Entwickelung erheben sich am medialen Ende der erwähnten Vorsprünge, etwas vor der Mittellinie, knopfförmige, zuweilen sogar gestielte Anschwellungen, die Processus papillares von Halbertsma. Dieselben können später mit einander verschmelzen, aber auch dauernd ge- trennt bleiben. Unter den von mir aufgeführten Schädeln befinden sich 2, mit dieser Bildung versehene. Am vollständigsten zeigt sie der zugleich stark eingedrückte Schädel aus dem bremischen Bleikeller (8. 279), wo ich sie genauer beschrieben habe; etwas weniger ausgebildet hat sie der Münster Schädel Nr. 1 (S. 306). Ihnen nahe verwandt ist die Form U von Halbertsma?), die er am Schädel einer 22jährigen holländischen Frau 1) Wenzel Gruber, Neue Anomalien.. Berlin 1849. S. 4. Man vergleiche J. G. Tesmer, Dissertatio anatomica sistens observationes osteologicas. Berolini 1812. Barnard Davis, Thesaurus eraniorum p. 29. Nr. 260. 2), Halbertsmal. c. Bl. 224. BI VI. Rıe..2: ET, PIEREN: 7 ix % m Hr ” ; AR 3 nr a ei und h ihrer medialen Verse melzung als bezeichnet.) | | j - Einen seeländischen Schädel mit wahrem Condylus tertius beschreibt ce E. An der Synostosis spheno-oceipitalis: Hier kommt zuweilen, wie bei dem Ankum-Schädel Nr. II, eine allgemeine, quere Knochenanschwellung der unteren Fläche vor. An der _ oberen Fläche entspricht ihr die Bildung von Exostosen?), wie sie der Münster-Schädel Nr. 2 (S. 308) und der Kurslack-Schädel Nr. 1 (S. 312) zeigen. Br Diese Uebersicht lehrt in bestimmter Weise, dals eine ansehnliche Zahl von Abweichungen im Umfange des Hinterhauptsloches, welche mit Störungen der Entwickelung zusammenhängen, nachweisbar ist, und dals . a x . . en . D gerade einzelne Schädel mit eingedrückter Basis in hervorragendem Maalse davon betroffen werden. Auf der anderen Seite ist es unverkennbar, dafs keine dieser Abweichungen beständige oder ganz besondere Störungen der Conformation nach sich zieht, und ich mufs namentlich betonen, dals, soweit ich zu erkennen vermag, keine von ihnen einen entscheidenden / Einfluls auf die Grölse und auf die Gesammtgestalt des Hinterhaupts- loches ausübt. Ich gebe zur besseren Uebersicht eine Zusammenstellung der betreffenden Maalse aller von mir beschriebenen Schädel und der daraus berechneten Indices: weder die absoluten, noch die relativen Zah- len gewähren irgend einen Anhalt für die Beurtheilung der jedesmaligen © Gestalt. 1) Noch näher steht vielleicht der eine Fall von Hrn. W. Gruber, wo bei einem Individuum von beiläufig 20 Jahren ein doppelter Höcker vor dem Hinterhaupts- _loche hervortritt und zugleich die Pars basilaris flacher, als gewöhnlich, von unten nach oben etwas eingedrückt und mehr horizontal gelagert ist; auch die Gelenkhöcker sind sehr flach. 2) Barnard Davis, Thesaurus eraniorum p. 107. Nr. 1320. 3) Virchow, Entwickelung des Schädelgrundes S. 51. Taf. VI. Fig. 14, 15. 1923) Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologie Länge Breite Index Schädel des Hinterhauptsloches Zuiderzee 15 33 31 81,5 16 3 27 78,5 : 1 37 31 83,7 & 18 38 34 86,8 5 19 37 30 81,0 Warga I 35 27 zent nl 3 31 100,0 e 1001 37,9 32 85,3 „N IV 36 30 83,3 BAHN 33 0 | 909 EHER 36 26 72,2 Bandt 35,5 83 92,9 Bremen I 3) 27 en! = II 36 27 75,0 r III 35 30 73,9 a IV 36 31 86,1 BEN 32 26 81,2 ” Bleikeller 40 34 | 55,0 a Rathskeller 37 34 91,8 Ankum I 35 29 82,8 n\ 1I 37 36 97,2 nn 35 29 82,8 IV 39 sl | 76,9 V | 38 33 86,8 Eye ir 4 3 78,5 VII I BO 33 82,5 VIII 42 33 78,5 Münster 1 40 32 50,0 - 2 | 37 28 75,6 Hameln HS 29 32 | 800 Kurslack 1 . | 85 Ba aan In. Migal 29 35,2 Gesammtmittel | 36,3 30,7 83,4 Männer (17) | 37,7 1,6 83,9 Weiber (15) | 35,: 29,6 82,8 e ad a AUSFRE ‚den Männern länger na N ist, als bei den Weibern, i.der Breitendurehmesser jedoch um so viel mehr vorherrscht, dafs Kenktäer: männliche Index etwas grölser ist, als der weibliche. Bei den ? ‚aingedrückten Schädeln ergeben sich folgende Zahlen: P Länge Breite Index des Hinterhauptsloches f. Pe Warge I... 0081 3l 100,0 ia 9) Bremn V . 2,2 96 912 En SR 3) Br. Bleikeller . . 40 34 85,0 HR 5 4) Br. Rathskeller . . 37 34 91,8 Br 5) Ankınm VI EN. 49 33 78,5 Bes ae rg NBTS. yı Was hier am meisten in das Auge fällt, das ist der Mangel einer zahlenmälsig darzulegenden Verengerung des Hinterhauptsloches. Die h beiden unter I und 2 aufgeführten Schädel haben freilich ein schmales, aber zugleich auch ein so kurzes Loch, dafs ihre Indices keineswegs niedrig sind. Der Warga-Schädel giebt sogar den höchsten Index der ganzen p Reihe. Aber dies ist offenbar ein ursprünglicher Zustand und kein er- AR worbener. Als solchen könnte man höchstens das Verhältnifs des Ankum- Schädels bezeichnen, bei dem eine grolse Länge mit einer mäfsigen Breite Br; zusammentrifft. Indels beweist dieser Fall wenig, da die Gesammtzahlen der eingedrückten Schädel vielmehr über dem Mittel der sämmtlichen F Schädel stehen, ja der mittlere Index von 87,3 weit über das Mittel hinausgeht. - Es muls dabei bemerkt werden, dafs die Breite des Hinterhaupts- loches jedesmal dicht hinter den Gelenkhöckern gemessen ist, und dafs daher die Gröfse des Raumes zwischen den Gelenkhöckern selbst weder durch das Breitenmaals, noch durch den Index ausgedrückt wird. Es kann also hier immerhin eine beträchtliche Verengerung statthaben, und in der That ist sie bei einigen der eingedrückten Schädel vorhanden. ö Man muls sich nur nicht vorstellen, dafs die durch die Impression her- vorgebrachte Verengerung eine allgemeine sei oder dafs man die bei ein- zelnen Schädeln erkennbare Kürze des Loches irgendwie auf Rechnung Phys. Kl. 1876. 43 , A 338 Viremow: Beiträge zur physischen Anthropologie des Eindruckes setzen dürfe. Symptomatologisch kommt es natürlich hauptsächlich auf den Raum hinter den Gelenkhöckern an, da hier der eigentliche Platz für das Rückenmark ist. Eine blofs vordere Verenge- rung des Loches kann daher während des Lebens ganz latent bleiben. Die Verengerung des hinteren Abschnittes, welche schwere Folgen für die Funktion des Rückenmarkes nach sich zieht, kommt viel häufiger auf Rechnung einer Dislocation des Atlas, als auf eine das Hinterhauptsloch selbst betreffende Veränderung. Es scheint mir aber, dafs jede der vorher unter A—D aufgezählten Veränderungen, sie mag so theromorph, als irgend möglich, sein oder noch so sehr ım Zusammenhange mit natürlichen Entwickelungsvorgän- gen stehen, als ein pathologisches Erzeugnils zu betrachten ist, welches bestimmte Reizungen der betreffenden Theile voraussetzt, und zwar Rei- zungen, die einer mehr oder weniger frühen Zeit des Lebens angehören. Denn die betreffenden Synchondrosen schliefsen sich früh, wenngleich sehr verschieden: die Syncehondrosis sphenooceipitalis bleibt noch manches Jahr, nachdem die Synehondrosis intracondyloidea längst geschlossen ist, krank- haften Reizungen ausgesetzt. Eine solche Reizung pflegt aber Wucherung des Knorpels und diese wiederum verminderte Widerstandsfähiskeit zu be- dingen; in Folge davon können sich die Knorpel biegen und die benachbarten Knochenabschnitte veränderte Stellungen einnehmen. Finden wir daher gleichzeitig mit basilarer Impression erhebliche Deviationen derjenigen Theile, welche das Hinterhauptsloch begrenzen, so läfst sich die Wahr- scheinlichkeit, dafs beide Erscheinungen in einem ursächlichen Zusammen- hange stehen, nıcht wohl ablehnen. Wir besitzen freilich nicht viele so auffällige Beispiele, wie das- jenige, welches ein von Hrn. Friedlowsky!) beschriebener Fall dar- bietet: in demselben fanden sich zwei Processus papillares vor dem Hinterhauptsloche und zugleich eine bedeutende Vergröfserung und De- vıation des linken Gelenkhöckers, der sich bis auf eine Entfernung von 2 Linien der Medianlinie genähert hatte. Indefs scheint es mir, dafs die Fälle von Impression, wie sie von Hrn. Gruber (8. 335 Anm.) und von mir 1) A. Friedlowsky, Wiener Medieinische Jahrbücher. 1368. Bd. XV. S. 241. ar ve Bis. UV: \ eben RP OEE haider beinahe sind. Sie deuten Fr ner Meinung nach bestimmt darauf hin, dafs sehr frühzeitige Ab- Re, hatten in der Stellung des Kopfgelenkes als veranlassende Ursachen der veränderten Kuochenbildung aufzufassen sind. Es wird dies um so weniger abzuleugnen sein, wenn zugleich nachweisbare Veränderungen in dem Verhalten der nächstbetheiligten Muskeln vorhanden sind. Die Geschichte des Caput obstipum und der Torticolles un- r terstützt diese Auffassung. Ich habe in unserer Sammlung zwei Präpa- Sy rate davon aufgestellt, welche die allmählichen Veränderungen gut erken- nen lassen. Beide stammen von erwachsenen, jedoch im Alter nicht sehr vorgerückten Personen, bei denen zugleich halbseitige Störungen in der ‚Gesichts- und Schädelbildung sehr auffällig sind. In dem einen Falle !), wo der rechte Musculus sternocleidomastoideus fibrös entartet und ver- kürzt war, sind die Coronae ganz platt, nach hinten und aufsen verlän- gert und sehr ungleich. Die rechte ist länger und mehr gestreckt, die linke breiter und mehr nach aufsen gerichtet. Dem entsprechend ist auch die rechte Fossa condyloidea posterior grolsentheils verstrichen. Am hin- Er teren Rande des Hinterhauptsloches und zwar auf der äufseren Fläche der Schuppe findet sich eine breite, überknorpelte Gelenkfläche. Die Ce- rebellargruben sind Nach, dagegen die Knochen sehr verdünnt und hinter = Ne, „ den Gelenkhöckern stark eingebogen. Die sehr kräftigen Warzenfort- I sätze ragen weit über die Ebene der Gelenkhöcker hervor, indem die j 2 x ganze Basilargegend tief eingedrückt erscheint. Trotzdem ist der Olivus ‚ steil. — In dem zweiten Falle?), der von einem 3ljährigen Manne stammt, dessen rechter Musculus sternocleidomastoideus gleichfalls fibrös 5 degenerirt und stark retrahirt war, und bei dem die Halswirbelsäule eine Curve mit der Concavität nach rechts bildete, sind die Gelenkhöcker des Hinterhauptsbeins nach hinten abgeflacht, die Gruben dahinter fast ver- strichen, die Foramina condyloidea posteriora sehr klein. Der Atlas ist leicht disloeirt. Sein hinterer Bogen schiebt sich etwas in das Hinter- hauptsloch hinein, und man sieht, dem entsprechend, jederseits hinter der Corona den Rand des Loches mit einer schmalen Rinne versehen, !) Präparat Nr. 9a vom Jahre 1871 in der Sammlung des Pathologischen Instituts. 2) Präparat Nr. 58b vom Jahre 1868 ebendaselbst. 45* 15 ”r NE RT EARRES E SR RS EN ER NL a u re: Wen VEN e ul TbaT, NN k & x f Ahr, FW x RR: rw \ g x\ A '. A 340 VırcHuow: Beiträge zur physischen Anthröpologie und an dem hinteren Umfange desselben eine schräg nach oben und innen gerichtete, kleine glatte Fläche. Die Cerebellargruben flach, die Unter- schuppe verdünnt und in der Mitte hinter dem Loche mit einer starken Grube versehen. Vorn, besonders links, sieht man von den Gelenkhöckern aus sich eine niedrige Knochenwucherung auf die Apophysis basilaris er- strecken, welche gegen die Mittellinie hin kleine, den Processus papillares Sa ähnliche Erhebungen trägt, von denen die linke gröfser (etwa hanfkorn- an srols) ist. Auch hier ist der Clivus steil. Bei der Autopsie wurde das K Gehirn im Ganzen unverändert, jedoch die Ventrikel weit gefunden. x Noch mehr bedeutungsvoll sind die Fälle von Anchylose des Atlas mit und ohne Luxation. Schon in meiner ersten Mittheilung über diese Verhältnisse!) habe ich ein Präparat der Würzburger Sammlung erwähnt, bei dem eine fast horizontale Stellung des Grundbeins und ein “A Eindruck an seiner unteren Seite durch eine Luxation und Anchylose des Atlas nach vorn bedingt ist, und bei dem aufserdem die Synchondrosis sphenooceipitalis noch ganz offen ist. Später?) habe ich darauf hinge- wiesen, dals diesem Falle andere gegenüberstehen, in denen ich den Clivus ziemlich steil fand; ich schlofs daraus, dafs der Zeitpunkt der Luxa- tion von Bedeutung sei, und dafs, wenn einmal die Synehondrosen ge- schlossen sind, keine sehr wesentlichen Veränderungen in der Stellung des Olivus und in der Bildung des Tuberculum innominatum mehr vor- kommen möchten. Dafür scheinen auch die Fälle von Anchylosis atlantıco- oceipitalis nach Caries syphilitica zu sprechen, in welchen in der Regel keine solche Veränderungen zu bemerken sind. Indefs spätere Erfahrun- sen haben mir doch gezeigt, dafs man in der Negation leicht zu weit gehen kann. Wiederholt habe ich Schädel mit eingedrücktem Tribasilar- bein und Anchylose des Atlas gesehen, ohne dafs ich nachweisen konnte, dafs es sich um Krankheiten der Entwickelungsperiode handelte. Indels möchte ich besonders betonen, dafs, wenn ich allerdings diesen Nachweis nicht führen konnte, eben so wenig der Nachweis des Gegentheils zu führen war. 1) Virchow, Gesammelte Abhandlungen S. 972. 2) Virchow, Entwickelung des Schädelgrundes 9. 68. \ er is je , SON ih a le ueber, erairn die, fötalen und infantilen Formen der Atlas-Anchy- ose die ı man gern als congenitale zusammenfalst, von denen der späteren ve ebenszeit, den erworbenen, zu trennen. Meist finden sich die Köpfe mit A _ Atlas-Anchylose in den Macerirgefälsen der Anatomen und es läfst sich en wenig oder nichts über die Lebens- und Leidensgeschichte der früheren Besitzer ausmachen. Wo wirklich die Besitzer ermittelt werden, da wird häufig genug erzählt, das Leiden sei ohne Symptome verlaufen, N ‚oder es werden Symptome erst aus einer späten Zeit des Lebens an- gegeben. Diese Symptome beziehen sich aber meist nicht sowohl auf ’ die Krankheit der Knochen, als vielmehr auf die durch die zunehmende - Deviation, namentlich Elevation des Clivus hervorgebrachte Pression, welche auf den Pons, die Medulla oblongata und die Nerven dieser Ge- gend ausgeübt wird. Die Deviation aber ist, wie wir sahen (S. 322), zu einem grofsen Theil von der Usur der unteren Fläche der Apophysis basilaris abhängig, und es ist daher leicht möglich, dafs eine schon seit der Entwickelungszeit bestehende Anomalie erst in höheren Lebensjahren y zu tieferer Usur führt, möglicherweise erst dann, wenn durch die Deere- pitität des höheren Lebensalters, durch Osteomalacie oder vielleicht selbst durch Lues universalis atrophische Zustände in den Knochen sich ein- stellen. Indefs ist die Elevation des Olivus doch nicht immer blofs von der Usur der Unterfläche der Apophysis basilaris abhängig. Ich finde vielmehr, dafs zuweilen unzweifelhafte Beweise dafür vorliegen, dafs eine _ Biegung an den Synchondrosenstellen eintritt. Daraus läfst sich mit nicht geringer Wahrscheinlichkeit folgern, dafs die Biegung in den Synchon- drosen selbst stattfindet, also zu einer Zeit, wo dieselben nach dem natür- - liehen Gange der Entwickelung noch offen sind. Die nachfolgenden Bei- spiele mögen dies erläutern. r j Das anatomische Museum besitzt zwei sehr ausgezeichnete Fälle von Atlas-Anchylose mit Usur und Elevation der Apophysis basilaris. Der eine (Nr. 3568) stammt von einer 50—60jährigen Frau, die bis vor ihrem Tode gesund gewesen sein und nur gestottert haben soll. Das u ist leider an dem vorderen Umfange des Hinterhauptsloches und Ass Atlas verletzt, so dals nicht genau entschieden werden kann, ob DIN RE TI a re ee iv Fr EN ONE N halt ITEM Sr 342 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologre Caries vorhanden war. Soviel ich erkennen kann, war es nicht der Fall. Der Atlas ist sowohl an den Gelenkstellen als hinten gänzlich verwachsen mit dem Hinterhauptsbein, dagegen an den Seitentheilen hinter den Ge- lenkhöckern frei. Er liegt in einer ringförmigen Aushöhlung des Hinter- hauptsbeins. Das Foramen magnum ist so tief gegen den Schädelraum eingedrückt, dafs die unteren Theile der Unterschuppe geradezu in die Höhe gerichtet sind und dafs hinter dem Rande des Foramen magnum der Grund der hinteren Schädelgrube eine Art von Querrinne bildet, grols genug, um einen Daumen hineinzulegen. Der Olivus ist so weit gehoben und so horizontal gestellt, dafs seine Ebene der oberen Kante der Felsenbeine fast gleichkommt. Zugleich ist die Apophysis basilarıs so verdünnt, dafs sie hinten nur noch ein feines Knochenblatt bildet. Auf der linken Seite, wo das Präparat besser erhalten ist, sieht man, dafs die Erhebung just über dem Condylus beginnt: von hier nach vorn beginnt schon die zu dem Olivus hinziehende Ebene, rückwärts dagegen fällt der Knochen ganz steil in die hintere Schädelgrube ab. Der andere Fall (Nr. 10604) stammt nach dem Kataloge von einem an einer Brustkrankheit gestorbenen, nach der Beschaffenheit seiner Zähne noch jungen Manne, der aufser Unbeweglichkeit des Kopfes keine krank- haften Symptome, namentlich keine Seitens des Gehirns oder Rückenmarkes dargeboten haben soll. Wie es scheint, ist der Schädel aus Kopenhagen er- worben worden. Die Ebene des Foramen magnum ist ganz steil nach vorn aufgerichtet. Die Synostose des Atlas mit dem Hinterhaupt ist bis auf den hinteren Umfang vollständig, dagegen ist der Epistropheus ganz frei. Die Halswirbel haben eine lordotische Stellung: ihre vordere Fläche nähert sich dem hinteren Gaumenrande und die Lamina interna der Flügelfortsätze ist an ihrer Spitze eingedrückt. Der Atlas ist stark nach Imks gedreht, wobei auf dieser Seite die Seitenmasse fast ganz geschwunden, der Pro- cessus transversus grofsentheils verkümmert, namentlich von der Corona oceipitalis keine Spur übrig geblieben ist. Zugleich ist der Atlas so weit nach vorn gerückt, dafs der hintere Theil des Hinterhauptsloches durch die Vorschiebung des hinteren Bogens des Atlas verengt und un- reselmäfsig geworden ist. Für den Zahnfortsatz des Epistropheus findet sich vorn eine sehr grofse Gelenkfläche am Atlas; diese steht aber so weit nach vorn, dafs sie nicht mehr dem Hinterhauptsloche, sondern der EN“ s Gr et s neigen = x x ana und dieser Fortsatz selbst tritt mit seiner hinteren Partie nackt Ri en die innere Schädelfläche herauf. Der Olivus ist breit und fast Pe v „platt; seine Fläche erreicht beinahe die Oberkante der Felsenbeine. Diese Mn Ebene beginnt genau über den Gelenkhöckern oder, anders ausgedrückt, re in der Gegend der früheren Synchondrosis intracondyloidea. Von da an RS fallen rückwärts die Bogenstücke des Oeceipitale steil ab. Die untere Be 7, Fläche der Apophysis ist von einer tiefen und weiten Grube eingenom- men, in welcher der vordere Theil des Atlas knöchern angewachsen ist. Sämmtliche Schädelknochen sind von derber, dichter Beschaffenheit, vorn und hinten recht diek, nur an der Basis etwas verdünnt und mit tiefen Impressiones digitatae versehen, jedoch nicht porotisch. Auch die Herren Bogstra und Boogaard!) haben einen Fall von Atlas-Anchylose mit Usur der Apophysis basilaris, jedoch angeblich ohne Luxation, beschrieben. Derselbe fand sich an dem Schädel eines Spaniers; er ist dadurch von Interesse, dafs nur der hintere Bogen des Atlas mit dem Hinterhaupt verwachsen ist, und dafs der Olivus trotz _ der tiefen Usur der Unterfläche des Grundbeines keine veränderte Stel- lung hat. — Ebenso schildert Hr. Friedlowsky?), der geneigt scheint, alle solche Fälle auf fötale Vorgänge zurückzuführen, eine unvollständige ar. u 2 — Anchylose des Atlas, dem übrigens am hinteren Bogen rechts ein 2—3 I Linien langes Stück fehlte, bei einer „ausgezeichneten Elevation des Kr e Schädelgrundes. “ Wir haben hier also 5 Fälle von Anchylose des Atlas mit Usur der Unterfläche des Grundbeins, ‚die meisten zugleich mit ausgezeichneter _ Erhebung des Clivus. Die Annahme, dafs sie als congenitale anzusehen seien, hat manche Schwierigkeit: am wenigsten begreift man, wie ein syn- ostotischer, also immobilisirter Atlas Ursache einer Usur werden sollte. Es scheint in der That nichts übrig zu bleiben, als die Annahme, dals die Anchylose erst in einer späteren Zeit eingetreten, also WERTRLLMARN 1) Boogaard |. c. Bl. 91. ?2) Friedlowsky |. c. S. 242. 344 Vırcmow: Beiträge zur physischen Anthropologie im engeren Sinne des Wortes erworben ist. Es wäre dann im- mer noch denkbar, dafs irgend ein anderer Zustand z. B. Luxation oder Subluxation oder partieller Defekt der Bogenstücke schon früher, viel- leicht sogar als Fehler der ersten Bildung bestand. Aber ich halte auch noch eine andere Erklärung für zulässig, nehmlich die Annahme einer Arthritis chronica deformans. Es ist dies jener sonderbare Prozels, welcher so häufig an den Gelenken auftritt und an den eigentlichen Ge- lenkflächen tiefe, bis zu einer Art von Luxationszuständen fortschreitende Usuren, im Umfange der Gelenke aber Knochenwucherungen und Syno- stosen hervorbringt. Für das Auftreten solcher Prozesse im Umfange des Hinterhaupts- loches haben unsere Schädel manche Anhaltspunkte dargeboten. Ich er- innere namentlich an jene Osteophytbildungen um die Gelenkhöcker, welche ich mehrfach beschrieben habe und wovon der Zuiderzee-Schädel Nr. 19 das am meisten ausgezeichnete Beispiel liefert (S. 90). Hier war jederseits die Gegend zwischen den Coronae und den Foramina jugularia mit sklerotischer, höckeriger Knochenmasse belest und erfüllt. Derartige Prozesse begleiten ungemein häufig die chronischen Deviationen der Ge- lenktheile, auch wo ursprünglich gar kein Gelenkleiden bestand; ich er- innere nur an die secundären Veränderungen der Knochen bei inveterirten Luxationen und an die progressiven Milsstaltungen, wie sie bei der durch Stiefeldruck erzeugten Subluxation der grofsen Zehe sich ausbilden. Wenden wir eine ähnliche Interpretation auf die Articulatio atlan- tico-oceipitalis an, so würden sieh sowohl die Fälle mit Anchylose des Atlas, als auch die mit freier Artieulation, bei denen jedoch allmäh- liche Verschiebungen dieser Flächen stattfinden, ungezwungen erklären. Denn auch bei freier Articulation kann eine Druck-Usur der Unterfläche des Grundbeins nicht eintreten, ohne dafs der Atlas in eine vordere Luxationsstellung und sein vorderes Bogenstück der Unterfläche des Grundbeins näher gerückt ist. Diese Stellung kann ganz langsam durch Atrophie der Gelenktheile, ohne eigentliche Verrenkung, herbeigeführt werden, aber sie ist unmöglich, ohne dafs der Atlas ungleich dichter an die Apophysis basilaris rückt, als ihm bei gewöhnlicher Haltung des Kopfes gestattet ist. Aehnlich verhält es sich bei der Form mit hinterem Eindruck, wo der Atlas gleichfalls eine veränderte Stellung zum Hinter- Ihm A ich die Verdiekung der Ränder des Hinterhauptsloches 1% zu, welche manchmal förmliche Knochenwülste erzeugt und welche, ähn- lich wie ich es von den tieferen Wirbelkörpern gezeigt habe!), Verenge- rungen der Lichtung hervorbringen kann. Endlich ist es bei der Ar- thritis deformans durchaus nicht ungewöhnlich, dafs auch die dem Gelenk benachbarten Knochen atrophisch werden und unter der Atrophie Ge- staltsveränderungen erleiden. Diese verschiedenen Umstände treffen für eine grölsere Zahl von i « ‘ Fällen der basilaren Impression zu. Die Gesammterscheinung vieler der ein- A gedrückten Schädel könnte freilich auf eine allgemeiner wirkende Verän- “ ‚derung bezogen werden. Hr. Davis hat die eigenthümliche Schädelform, welche in den extremen Fällen solcher Veränderungen entsteht, schei- : benförmig (discoid) genannt. In der That fällt mit der fortschreiten- den Erniedrigung eine solche Verbreiterung des Schädels zusammen, dals der Ausdruck einer Scheibe oder eines Kuchens darauf wohl passen möchte. Ein Patholog würde vielleicht den klassischen Ausdruck der Mole am liebsten dafür anwenden: molenförmig. Am vollständigsten 2 zeigt dieses Bild unter den von mir geschilderten Schädeln der Macro- 3 cephalus aus dem bremischen Bleikeller. Indefs haben doch auch die meisten anderen Schädel mit eingedrückter Basis etwas davon. Diese Erscheinung erklärt sich durch das Zusammenwirken zweier erniedri- F gender Momente: der Chamaecephalie und der basilaren Im- pression. Dies wird sich am besten erläutern lassen, wenn wir die B Zahlen der eingedrückten Schädel mit den Mittelzahlen derjenigen Lokal- Gruppen vergleichen, denen die Schädel ihrer Provenienz nach angehören. Die nachstehende Tabelle giebt die Uebersicht, wobei ich bemerke, dafs das Bremer Mittel sich nur auf die 5 Schädel vom Willehadi-Kirchhofe er bezieht, da wir mit der Hinzunahme der Schädel aus dem Bleikeller und dem .Rathskeller unter 7 Schädeln 3 mit eingedrückter Basis gehabt hät- 4,2 ZA ; 1) Virchow, Archiv für pathologische Anatomie und Physiologie. 1869. Bd. ES ALVIE S. 299. | Phys. Kl. 1876. 44 5 PER 7 ru ne a Van, I Ne Di hi ; ten. und das“ so gewonnene M te] Er ae EN 2 ' en: Längen- Breiten- Auricula rölste erade |Aurieular-| Hintere ä höhen höhen- höhen- INNEN Breite | Höhe | Höhe | He u Warga II. 141,5 | 1235 ! 110,5 122 Meran |, 187.2 60,7 Bandt IV ; 66,3 N Bremen lol nalen 145 126 1125| 197 68,1 ; »„ Bleikeller . . 168 125,5 120 65,2 » Rathskelleor . . 148,5 2 104 68,9 Ankum avi. 62,9 82,1 79,5 Mittel der eingedrückten Schädel . Mittel der Warga-Schädel Mittel der ostfriesischen Steinsarg-Schädel . Mitteld.Willehadi-Schäd. Mittel d. Ankum-Schädel del tritt hier on klar zu Mose, Alle Höhenmaalse, oral n absoluten, als die Indices, sind bei den eingedrückten Schädeln geringer, die Bra maalse grölser, als bei den normalen Schädeln. Allem auch bei den Höhenmaalsen zeigt sich ein grolser Unterschied zwischen den auricularen und den basılaren: jene ergeben eine so geringe Differenz gegen das Normalmaafs, dafs sie nahezu — 0 zu erachten ist, während sowohl die hinteren, als gie worderen Höhrumasss; vgghe vom ee. aus blend Darane folgt, dafs di scheibenförmige Gestalt der Schade wenigstens in der Regel, nicht noch durch eine dritte Art der Verände- AR rung zu erklären ist, sondern dafs das Zusammentreffen von Ohamae- cephalie und basilarer Impression zur ihrer Hervorbringung genügt. Ich. ve will damit aber nicht in Abrede stellen, dals, wie in dem Falle des Hrn. r alt Aineeise‘ a Fall. Mai ‘könnte freilich auch hier wieder auf die Mitwirkung künst- Ye eher Deformations-Mittel zurückkommen, zumal da die Mehrzahl B u der eingedrückten Schädel jene bald mehr, bald weniger ausgesprochene Vertiefung hinter der Kranznaht besitzt, welche von den französischen Beobachtern als charakteristisches Zeichen der Einschnürung des Kopfes betrachtet wird (S. 133). Namentlich findet sich diese Vertiefung bei ‘den 3 bremischen Schädeln mit eingedrückter Basis. Indefs ist diese Vertiefung sehr \rering. Man vergleiche nur die Abbildung, welche Hr. Broca!) von der Deformation toulousaine gegeben hat, um den ganzen Unterschied wahrzunehmen. Der Eindruck, oder genauer der Absatz, wie er sich an den bremischen Schädeln und in gleicher Weise an mehreren der Zuiderzee-Schadel findet, ist auch sonst ungemein häufig und als einfache Folge einer langsamen und etwas unregelmäfsigen Ossifikation der v@rderen Fontanelle zu betrachten. Ich kenne lebende Personen, an denen man ihn sehr bequem fühlen kann und die als Kinder niemals irgend einer Bindeneinwickelung oder sonstigen Druckverbänden am Kopfe ausgesetzt gewesen sind. Aus diesen Gründen und nach dem, was ich früher (S. 131—40) über die künstlichen Verunstaltungen des Koptes beigebracht habe, glaube ich auch für die basilar eingedrückten Schädel äufsere Druckmittel der Hauptsache nach ausschliefsen zu können. Dagegen möchte ich noch einmal besonders aussprechen, dafs ich fern davon bin, jeden einzelnen der von mir abgehandelten Schädel als einen typischen oder aus natürlichen Entwickelungsverhältnissen gerade so, wie er sich darstellt, hervorgegangenen anzusehen. Es ist wohl mög- lich, dafs bei einzelnen derselben äufsere Druckmittel mitgewirkt haben und dafs etwas an ihnen künstlich deformirt ist. Nur kann ich nicht sagen, dals es mir gelungen wäre, sichere Anhaltspunkte für eine solche Annahme aufzufinden. Es ist ferner möglich, dafs bei manchen der Schädel krankhafte Verhältnisse mitgewirkt haben, ja ich trage keinen 1) Broca, Bulletins de la societe d’anthropologie de Paris. 1872. T. VI. Ser. I. p. 116. Fig. 3. 44* - = wi 43 u le - £2 I BD DE ER ee | u WE E * y- PA ar 348 VırcHow: Beiträge zur physischen Anthropologie Anstand, einzelne dieser Verhältnisse, z. B. die basilare Impression geradezu als eine krankhafte anzuerkennen. Aber wie weit sich der Einflufs krank- hafter Verhältnisse erstreckt, wird schwerlich ohne Kenntnifs der Lebens- geschichte der einzelnen Menschen ganz zu ermitteln sein. Denn selbst da, wo gewisse, deutlich erkennbare, ja sehr grobe Abweichungen der Gestaltung vorliegen, ist es nicht immer thunlich, sie mit einer bestimmten Krankheit in Verbindung zu bringen. Wir haben dies bei der Erörterung der Progenie in ihrer Beziehung zu Geisteskrankheiten gesehen (S. 210); es liefsen sich ähnliche Betrachtungen über das Verhältnifs der Veren- gerung des Hinterhauptsloches und der Elevation des Olivus in Bezug auf Cretinismus, Epilepsie, Manie und progressive Lähmungen anstel- len. Ich verzichte darauf. Das, was ich beigebracht habe, wird ge- nügen, um darzuthun, dafs wir es hier mit keiner ätiologischen Einheit zu thun haben. Die basilare Impression ın ihren an sich so verschie- denen Formen und namentlich in ihren so verschieden wirkenden Graden kann auf sehr verschiedene Weise entstehen und sie hat keine ethnische Bedeutung im engeren Sinne des Wortes. Der einzige Punkt von ethnologischem Interesse bei ihrer Betrach- tung ist der, dals wir sie an Schädeln aus Niederland und Nordwest- deutschland in ungemeiner Häufigkeit angetroffen haben, und zwar, was besonders wichtig ist, nicht nur bei modernen, sondern auch bei ganz alten Schädeln, selbst bei solchen, die, wie der Steinsargschädel von Bandt und die Gräberschädel von den ältesten Kirchhöfen Bremens, wahrschein- lich schon 8 900 Jahre unter der Erde gelesen haben. Ganz ähnlich ver- hält es sich mit der grofsköpfigen Varietät. Darin liegt die Möglichkeit, dafs wir hier allerdings auf ein relativ anhaltendes und vielleicht erbliches Moment gestolsen sind, mag es auch immerhin ein pathologisches sein. Es ist auf das Aeulfserste zu bedauern, dafs nirgends andere Ske- lettheile erhalten worden sind. Möglicherweise hätten sie uns, wie die Knochen des Neanderthal-Mannes, weitere Anhaltspunkte für das Urtheil geboten. Vielleicht wird diese Bemerkung dazu helfen, dafs spätere Ge- lesenheiten besser benutzt werden. Ich kann nur einen, vielleicht nicht ganz unwichtigen Punkt hervorheben; das ist das Verhalten der Zähne. Bei verschiedenen Schädeln, namentlich aus der Ankum-Gruppe (S. 290, 297), ist mir das Vorkommen querer Absätze, einer Art von vr BEN . dals ende Mare N wenn sie zur "Zeit des sten oder zweiten Zahnens bestanden, dauernde Veränderungen in der Rh gewesen zu sein. Dieselben Dyskrasien könnten aber auch auf die Bildung Br en und Ernährung der Knochen einen bestimmenden Einflufs ausüben. | 3) Die Bildung der Nase verdient gleichfalls noch eine beson- B: dere Erwähnung, namentlich wegen der ausgezeichneten Schmalheit der- selben. Leptorrhinie in ihren höheren und höchsten Graden kann in der That als eine ethnische Eigenthümlichkeit des friesischen Stammes Bene; und seiner nächsten Nachbaren bezeichnet werden. Betrachten wir zu- r nächst den Nasal-Index: ® + ” Schädel Mittel en A Männer | Weiber Se % $; "Ol Zalerzee sn ilBade Ma, ee: 44;,5.,|\ 147,2 45,7 En, - VERTRETEN CN OR ES 42,4 45,3 44,3 Ber Östfriesland (Steinsärge) . . 2. 2... 40,3 42,6 42,0 nn Bremen: Willehadi Kirchhof . . . Mr. 43,8 46,5 45,9 N Bremen: Summe der 7 Schädel . . . . | 45,1 48,7 47,7 u. AU IE rn. RT nd iaa;s 50,1 46,1 ri: Mitten: MEAN ra ARTE | 41,5 — r Vierlander U. 12a een erndlu _ 50,15 Br; Be. Die gemittelten Indices sämmtlicher Gruppen liegen demnach in- - nerhalb der Grenzen der Leptorrhinie (42—47), nur die Bremer Gesammt- . gruppe greift etwas darüber hinaus. Hier liegt aber die Ursache in einem einzigen Schädel, dem vom Rathskeller ($. 281) mit seinem Index von BD: 82,5: Besser übersieht man den Einfluls der Einzelverhältnisse auf das \ _ Gesammtergebnils, wenn man die Schädel nach den Indices in Gruppen stellt, wie folgende Tabelle ergiebt: Ostfries- x Zui Warga land i E Sl NER: IE Nasen-Index Ei | ln le u = A | = len eieıs)sj2 alsle sıaejs a siares|s ea, ENDEN REN EN BU BE ae es rel eu Beulen siEl2l3/ 2/2 = el 3] E 2 2 EB 2 = ee 2 => | het IB | unter 41 . on 11 —ı RE). 12. —ı A — 1l1)—|1j11|—|1|— 42—47 (leptorrhin). - 2 12] 81 al 38 2274 BB 1 | 48—52 (mesorrhin). . Nele er 2 | 2|4|l—-|—!i— || — 53—58 (platyrrhin) . — |— a — 1-1 |1— = 2 | 21-1 —- | — 5 | l Von den in dieser Tabelle benutzten 34 Schädeln gehören 25 der leptorrhinen Gruppe an, und zwar befinden sich darunter 5, welche eigentlich noch auf einer niedrigeren, sagen wir kurzweg, einer sublep- Be % torrhinen Vorstufe stehen. Nur 9 Schädel haben einen höheren Nasen- Index, und zwar fallen 6 davon der mesorrhinen, 3 der platyrrhinen Ya Gruppe zu. Die reine Leptorrhinie umfalst also nahezu sammlung u Schädel. R Sehr auffällig tritt dabei der Geschlechtsunterschied hervor. Wäh- rend von den 9 nicht leptorrhinen Schädeln 6 weibliche sind, finden wir \ unter den 5 subleptorrhinen 4 männliche. Innerhalb der reinen Leptor- rhinie stehen sich die Zahlen beider Geschlechter fast gleich, denn von 16 männlichen Schädeln gehören 9, von 18 weiblichen 11 dieser Gruppe an. Nimmt man aber die Nachbarkategorien hinzu, so neigt ER die Wage auf der männlichen Seite zur Subleptorrhinie, auf der weib- lichen zur Meso- und Platyrrhinie. Die Broca’sche Terminologie drückt diese Verhältnisse nicht scharf aus, wie es denn überhaupt zu über- 8% legen sein wird, ob die Grenze der Leptorrhimie nicht weiter herab- gerückt werden muls. Zerschneide ich nehmlich die rein leptor- v rhine Abtheilung der obigen Tabelle in der Art, dafs ich nur die Indices bis 45,5 zur Leptorrhinie, die über 45,5 zur Mesorrhinie (und Platyr- A rhinie) rechne, so fallen 19 Schädel zur ersteren, und nur 15 zu der letzteren, und es befinden sich unter den 19 leptorrhinen Schädeln 2,3 Er Fu > r 4 Die. überwiegende rorkinis der Männer BR sich in nicht _ minder deutlicher Weise bei der Betrachtung der vorletzten Tabelle, wo die gemittelten Indices zugleich nach den territorialen Abtheilungen un- terschieden sind. Die weibliche Mittelzahl ist in jeder einzelnen Abtheilung gröfser, als die entsprechende männliche, und der Unterschied kann so grols sein, dafs, wie in der Ankum-Gruppe, das männliche Mittel lep- torrhin, das weibliche mesorrhin wird. Man sieht daraus, wie sorgfältig auch bei der Aufstellung der ethnologischen Typen die Geschlechtsunter- schiede ins Auge zu fassen sind. Die territorialen Gruppen bieten nicht ganz unbedeutende Unter- schiede dar. Am meisten eigenthümlich erscheinen die ostfriesischen Steinsargschädel, welche in allen Columnen die niedrigsten Indexzahlen darbieten. Es ist dies schon insofern besonders bemerkenswerth, als gerade diese Schädel chronologisch ziemlich sicher bestimmt werden kön- nen und unzweifelhaft ein sehr hohes Alter besitzen. Die altbremischen Schädel, welehe ihnen chronologisch am nächsten stehen, ergeben, auch wenn wir die eingedrückten Schädel auslassen, ungleich höhere Mittel. Indefs tritt hier der sehr abweichend gebaute, platyrrhine Schädel Nr. II mit einem Index von 56 (8. 267) als ein höchst störendes, aber ganz individuelles Phänomen hervor, wie bei den Zuiderzee-Schädeln der Mar- ker Schädel Nr. 16 mit einem Index von 50 (8. 71). Bei der Beschrei- bung der einzelnen Schädel habe ich diese Specialverhältnisse eingehend gewürdigt, und die Zahlen der angehängten Schlufstabelle ergeben für jeden einzelnen Fall eine vollständige Uebersicht der besonderen Bildung jedes Abschnittes der Nase. Ich will darauf hier nicht weiter ein- gehen, da ich sonst auch auf das gegenseitige Verhältnils zwischen Ge- sichts- und Nasenbildung noch weiter eintreten müfste, worüber ich schon früher (S. 152, 211, 301) die nöthigen Nachweise geliefert habe. Hier wird es genügen, festzustellen, dals sowohl die mittelfriesischen und die Zuider- zee-Schädel, als auch die altbremischen in Betreff der Nasenbildung sich sehr nahe stehen, und dafs nur die weiter abliegenden Territorien, wie die Vierlande und Ankum, eine mehr ausgesprochene Neigung zu brei- teren und kürzeren Nasenformen erkennen lassen. N NE RE a NE EN Rage ARE FE a AT 352 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologie Eine andere Erörterung kann ich jedoch hier nicht übergehen. Hr. Broca!) hat eine Reihe von Untersuchungen darüber angestellt, wie sich der Nasen-Index im Laufe der Jahrhunderte bei den Völkern ge- staltet hat, welche den französischen Boden bewohnt haben. Er findet, dafs schon in der Zeit des polirten Steins eine leptorrhine Bevölkerung mit einem Index von etwa 46—47 in Frankreich vorhanden war und dals dies Verhältnifs im Wesentlichen bis zur gallorömischen Zeit fort- bestand. Dies habe sich mit dem Eintritt der Franken geändert. Die merowingischen Schädel zeigten einen Nasen-Index von 48,87 im Mittel, mit Schwankungen zwischen 47,58 und 51,52, und man könne anneh- men, dals die Franken im Durchschnitt nicht leptorrhin, wie die Völker von Westeuropa, sondern mesorrhin, wie die mongoloiden Völker, gewesen seien. Er schliefst daraus, dafs eine frühe mongoloide Kreuzung den Na- sen-Index der Sicambern erhöht habe. Jedenfalls sei die Mesorrhinie eines Volkes von weilser und blonder Rasse eine einzige Ausnahme. Erst nach und nach habe sich der Nasen-Index bei den Franzosen wieder er- niedrigt: bei den jetzigen Parisern seit er auf 46,80 zurückgegangen. Hr. Sasse?) hat diese Untersuchungen für die niederländischen Schädel, mit besonderer Rücksicht auf die salischen Franken, aufgenom- men. Auch er gelangt zu dem Schlusse, dafs es eine Gruppe nieder- ländischer Schädel gebe, welche einen höheren Nasen-Index zeigen und eine Zumischung mongoloiden Blutes vermuthen liefsen; es scheine, dafs gerade diese Leute die mehr oder weniger reinen Abkömmlinge der Ger- manen seien. Dagegen gebe es im Westen des Landes eine leptorrhine Bevölkerung, welche wohl die Reste vorgemanischer Stämme darstellen könne. Zum Beweise dafür berichtet er, dafs er aus 82 niederländischen Schädeln einen Nasen-Index von 47,21 berechnet habe, dals jedoch die einzelnen territorialen Gruppen grofse Verschiedenheiten dargeboten hät- ten, indem 11 Schädel aus Friesland einen Index von. . . . 47,16 15 Friesenschädel aus Nordholland einen Index von 49,19 1) Broca, Revue d’anthropologie T. I. p. 30. ?) A. Sasse, Revue d’anthropologie 1573. T. I. p. 416. REN. einen- ae Yon eu a: N ne Nand einen Index von . sı ne merk aus Zeeland einen Index von . . . . 45,20, letztere Zahl allerdings nur nach einer Wahrscheinlichkeitsrechnung, er- . geben hätten. % ‚ Jel möchte hier zunächst bemerken, dafs die Zahlen für die erst- genannten Kategorien um so auffälliger sind, als Hr. Sasse überwiegend Ei ei r männliche Schädel untersucht hat (S. 163, 225). Sodann erscheint es N einigermalsen merkwürdig, dals die Schädel aus dem Kennemerland, wel- fie HR TR ches doch zwischen Westfriesland und Nordbrabant eingeschoben ist, Far zwei sonst so nahe verwandte Gruppen trennen sollten. Aber noch viel TER F mehr mufs ich im Hinblick auf das von mir gelieferte Material die Rich- v Zi, tigkeit des Ergebnisses überhaupt in Frage stellen. Es kann doch un- möglich ein Zufall sein, dafs ich von so verschiedenen Gegenden des friesischen Landes Schädel erhielt, welche alle darin übereinkommen, dafs % >» 2 en as EEE) . sie in ihrer Hauptmasse nicht nur leptorrhin, sondern noch viel mehr Ne leptorrhin sind, als die jetzigen Pariser. Br‘ Zur Verstärkung meiner Thatsachen will ich noch die Maalse der Lan Ri ostfriesischen Schädel von Haddien, Dedersdorf und Varel (S. 255 fl.), IuERz welche ich in den früheren Zusammenstellungen aufser Rechnung gelassen A ey habe, hinzufügen. Sie ergeben re Männer Weiber n, 2 %% Haddien . . 44,3 45,1 Eu 2 Dedersdorf . 47,0 — ? Varel ..... ....45,8 49,0 e.. a — 4 Mittel . 43,7 47,0 e Gesammtmittel . 44,8. Und auch dies sind keine modernen, sondern sehr alte Schädel, die min- destens bis in die Karolinger-Zeit zurückreichen dürften. Man wird doch schwerlich die Beschaffenheit der Franken- und 4 Germanenschädel blofs nach den Funden auf französichem Boden beur- theilen dürfen, zumal da sicherlich nicht alle Schädel aus merowingischer ' Zeit einfach als Frankenschädel registrirt werden dürfen. Ich habe schon früher angeführt, dafs ich bei den Schädeln aus den Reihengräbern von Phys. Kl. 1876. 45 RANNUU FREIEN BIO SE ARE AN Y . ' / ers, an. 354 Vırc#ow: Beiträge zur physischen Anthropologie Wiesbaden einen Nasen-Index von 45,5 (bei den Männern 45,7, bei den Weibern 45,4) fand (S. 142). Bei den Schädeln aus dem Reihengräber- felde von Ranis in Thüringen erhielt ich einen mittleren Index von 44,9, und nur bei denen von Camburg an der Saale, wo ein Oretinenschädel mit ausgegraben ist, stieg der Index auf 48,7 oder nach Ausscheidung eines stark prognathen Weiberschädels, dessen Nasen-Index 57,7 erreichte, auf 46,9. Das Gräberfeld von Bohlsen bei Uelzen in Hannover ergab 44. Sprechen diese Zahlen wenig zu Gunsten der von den Herren Broca und Sasse aufgenommenen Mongoloiden-Theorie, so findet sich in der Argumentation des ersteren noch ein schwacher Punkt, den der zweite recht wohl gefühlt hat. Der mesorrhine Index der mongolischen Stämme resultirt überwiegend aus der gröfseren Breite der Nasenöffnung, welche sich nicht selten mit geringerer Höhe der Nase verbindet. Der mesorrhine Index der Schädel aus merowingischer Zeit bei Hrn. Broca resultirt aber, wie ein Blick auf seine Tabelle !) lehrt, aus der geringeren Höhe der Nase, deren Breite in keiner Weise auffällig ıst. Denn es be- trägt danach bei Breite der Nasenöflnung Höhe der Nase den Merowingern . . 23,76 Mm. 48,61 Mm. den jetzigen Parisern . 23,53 „ O2 + 0,23 Mm. — 1,65 Mm. Hr. Sasse erklärt, dafs bei den niederländischen Mesorrhinen ein anderes Verhältnifs bestehe, indem bei denselben die Länge der Nase sehr beständig, dagegen die Breite sehr veränderlich sei. Wäre es wirk- lich so, so läge in der That etwas von mongoloider Bildung vor, obwohl damit noch nichts für die mongolische Abstammung bewiesen wäre. Aber ich leugne die Thatsache, und ich denke, jedermann, der meine Tabellen durchsieht, wird sich von der grofsen Variabilität der Höhe der Nase in den friesischen Gebieten leicht überzeugen. Ich beschränke mich darauf die im engeren Sinne friesischen Gruppen herauszuheben, und füge nur Ankum hinzu: Männer Frauen Zuiderzee (5 Schädel) . 53,6 Mm. 46,5 Mm. Warga (6 Schädel) . . 56,5 „ 92,3, 1) Brocal. c. p. 32. 5 RE REN m. Ostfriesland ca Schädel) 53,4Mm. 53,8 Ei et Ankum (8 Schädel) . . 54,2 „ 50,5, Be ; _ Dabei kommen unter den einzelnen Frauenschädeln von Warga Differenzen En von 46 und 55 Mm., unter den ostfriesischen Männerschädeln solche von ER 48,5 und 58 vor. Es ist richtig, dafs im Allgemeinen die friesische Nase a, = hoch ist, und da sie zugleich stark vortritt, so macht sie einen sehr x = En. kräftigen, sicherlich nichts weniger, als mongoloiden Eindruck. Hr. Sasse, 2 2 der selbst in einem friesischen Lande wohnt, mülste dies doch wohl an- BEN; R. erkennen. Sagt doch sein Landsmann, Hr. Lubach (S. 34) von der Me 2 friesischen Nase: Vrij groote, regte of op den rug van eene verhevenheid R j 5 voorziene, soms (schoon niet dikwijls) kromme neus, waarvan de punt BA h vaak lager naar beneden daalt dan de onderrand der neusvleugels. !) K A Derselbe giebt ferner Auszüge?) aus der schon im vorigen Jahrhundert er- {* E. schienenen Natuurlijke Historie van Holland des Leidener Arztes Dr. oe } " J. Le Franeg van Berkhey, den er besonders schätzt. Darnach zeich- 5 y nen sich die Westfriesen und die Waterländer aus door eene vrij groote Nie, gestalte, door hun langwerpig gelaat, doorgaans vrij langen neus etc. ni 2 4 Auch in der Provinz Friesland sei das Gesicht oval, mehr oder weniger (v# ir schmal, de neus vooruitstekend, vaak groot, en niet zelden aan de spits R j = lager dalend dan aan de neusvleugels. Aber, sagt der scharfsinnige Beob- . 4 achter, bij de vrouwen is veelal het gelaat merkelijk korter en ronder en 1 R. de neus kleiner. re E Ich denke, diese Anführungen werden wohl genügen, um die Be- Zn y E deutung der „mongoloiden“ Friesennase etwas zu beschränken. Selbst " die weibliche Nase, deren gröfsere Kleinheit schon der Leidener Arzt be- i r merkt hat, und deren zuweilen mongoloide oder gar negroide Bildung = 2 (S. 183, 267) ich gern anerkenne, berechtigt nicht, Rückschlüsse auf ur- iR alte Blutsvermischungen mit fremdartigen Stämmen zu ziehen. Nicht als 5 ob ich die Möglichkeit solcher Vermischungen bezweifelte, — im Gegen- t 2 theil, ich halte sie für diseutabel. Aber die erste Aufgabe des Unter- We Be suchers ist es, die einzelne mongoloide oder negroide Nase darauf zu r 2, F da (a 6: ji 1) Lubach I. c. Bl. 423. 48 / 2) Lubach I. c. Bl. 426, 428. a; 45* 1 Mr % $ een ob sie ihre Gextalk Sucht ehe ‚durch ei Einflüsse und Besonderheiten erlangt habe. Diese Prüfung | jedesmal angestellt, und wenn ich auch nicht jedesmal damit zum Ziel gelangt bin, so habe ich doch in den meisten Fällen eine genügen Analyse geben können. Es sind meist weibliche Schädel, welche diese abweichende Nasenform zeigen, und manche Einzelheiten an ihnen deuten » auf besondere Störungen der Entwickelung hin. Die vorstehenden Untersuchungen haben für den nordwestlichen Theil des altgermanischen Bodens eine Bevölkerung kennen gelehrt, welche, wenngleich in Hauptzügen dem klassischen Bilde der Germanen gleichend, doch manche höchst auffällige Verschiedenheiten in Bezug auf ihre PByT, sische Bildung, namentlich in Bezug auf Schädelbau, erkennen Jlälst. Diese Verschiedenheiten sind keineswegs neueren Ursprunges; sie a sich vielmehr bis wenigstens zu den Anfängen des Christenthums in diesen Gegenden zurückverfolgen. Die Analogieen mancher dieser Schädel mit dem Neanderthaler sind so grols, dals die Frage berechtigt ist, ob der- selbe nicht wirklich dieser Gruppe angehört (S. 54, 73, 236). Am meisten ausgesprochen sind diese Besonderheiten in den verschiedenen friesischen Provinzen, nicht nur im eigentlichen Friesland (Mittel-Friesland), sondern auch in West- und in Ostfriesland. Ja, sie lassen sich noch weiter, na- mentlich nach Osten und Süden verfolgen, bis in Gebiete, welche schon in vorkarolingischer Zeit als sächsische genannt werden. Was den Schädelbau anbetrifft, so habe ich eine Reihe von Be- sonderheiten nicht blofs in Bezug auf die Gestalt der Schädelcapsel, son- dern auch in Bezug auf die Gesichtsbildung, namentlich an der Nase und den Kiefern, nachgewiesen. Es würde leicht sein, diese Verhältnisse in Mittelzahlen, welche aus der Gesammtheit der zur Erörterung gezogenen Schädel berechnet worden sind, darzulegen. Ich verzichte auf diese Be- rechnung, nicht blofs deshalb, weil die verschiedenen Beobachter ver- schiedene Methoden der Messung angewandt haben, sondern auch des- ht riesen. er Ar >i iR \ r eine a die, der andere ‚gegen jene, | einsamen. ie erheben wirdh Es ante mir a Anforderun- vr gen strenger Wissenschaftlichkeit mehr zu entsprechen, alle Einzelheiten i vorzuführen und die localen Gruppen in möglicher Isolirung von den _ anderen zu schildern. So ist ein durchaus klares Bild gewonnen wor- den, welches keine Eigenthümlichkeit des Einzelnen verschwinden läfst und welches doch für eine Vergleichung aller einzelnen Gruppen unter Er einander ein unparteiisches Material darbietet. Die reiche Mannich- EL. faltigkeit der einzelnen Formen, welche uns dabei entgegengetreten ist, eine Mannichfaltigkeit, welche nicht blofs auffällige Geschlechtsunterschiede, 7 sondern noch mehr weit auseinandergehende Besonderheiten der Indivi- ER _ duen erkennen liefs, hat nicht gehindert, dafs sich gewisse Gesammtergeb- can nisse mit, wie ich denke, zwingender Gewalt hervorgedrängt haben. | ° Als ein solches Gesammtergebnils kann ich zunächst hervorheben, dals gegenüber der seit Retzius gangbaren Betrachtungsweise, wonach die Aufmerksamkeit der Ethnologen sich am Schädel wesentlich auf die Verhältnisse von Länge und Breite concentrirt hatte, die Höhenver- 2 hältnisse und zwar sowohl das Verhältnifs von Länge und Höhe, als auch das von Breite und Höhe als die wichtigeren erschienen sind. Wo wir anch die Untersuchung anstellten, auf an- ( erkannt friesischem Boden, wie in den im strengeren Sinne nicht mehr friesischen Nachbarbezirken, überall trafen wir in überwiegendem Maalse or niedrige Schädelformen, so dafs ich nicht anstehe, diese Formen als die am meisten charakteristischen zu bezeichnen. = Eine Zusammenstellung, bei welcher ich die Angaben der Herren Spengel, Davis und Gildemeister mit herangezogen habe, welche jedoch die Schädel von Münster, Hameln und Kurslack nicht mit umfalst, % . ergiebt, dafs von 56 Schädeln einen Längenhöhen-Index hatten LU j Männer Weiber Summe “R F 2 unters6530 7:0 DIN”. a6 4 10 I j zwischen 65,0 und 69, 9 Sakl 7 18 En ; 70,0 21 6 » T50..44019,9 a 4 7 358 Vırcmow: Beiträge zur physischen Anthro ‚pologre Die grölsere Chamaecephalie der Weiber ist hier sofort ersichtlich. Ueber 75, ein sehr mälsiges Maafs, erheben sich überhaupt nur 7 Schädel. Alle anderen sind unter 75, ja 28 sogar unter 70, und 10 davon sogar unter 69. Der Auricularhöhen-Index, berechnet aus 26 Schädeln von Inseln der Zuiderzee, von Warga, Bremen und Ankum, lautet: Männer Weiber Mittel UNTEREN DA DISSEIEN RE Sn Dun 1 il 2 zwischen 55,0 und 59,9 . U 4 bil ni GO EN HA 5 5 13 Unter 60 sind also eben so viele Fälle, als über 60. Indels ent- steht dies Resultat überwiegend durch die weiblichen Schädel, von denen 8 (gegen 5) einen höheren Index, als 66, haben. Es geht daraus her- vor, dafs das weibliche Ohr im Ganzen tiefer sitzt, als das männliche. Die Frage, ob an dieser Niedrigkeit künstliche Deformation bethei- list sei, habe ich weitläufig erörtert (S. 151—140, 347), und obwohl ich nicht so weit gehen konnte, die Möglichkeit der Emwirkung gewaltsamer Druckmittel für jeden einzelnen Fall auszuschliefsen, so glaube ich doch nachgewiesen zu haben, dafs die Chamaecephalie dieser Bevölkerung an sich nichts mit äufseren Druckwirkungen zu thun hat. Ebensowenig kann der Gedanke Platz greifen,. dafs diese Erschei- nung Ausdruck einer Krankheit sei. Allerdings haben wir gefunden, dafs innerhalb des Gebietes der Chamaecephalen in einer überraschenden Häu- tigkeit jene basilaren Impressionen (S. 317—348) vorkommen, welche zu der Verstärkung einer schon bestehenden Chamaecephalie sehr wesentlich beitragen. Indefs sind dies doch nur seltene Einzelfälle, und so wenig es mir zweifelhaft erscheint, dals sie einen pathologischen Charakter haben, so unzulässig ist es doch, aus ihnen einen pathologischen Ursprung der Uhamaecephalie überhaupt abzuleiten. Auch der Umstand, dafs in einer nicht zu verkennenden Häufigkeit eine groflsköpfige Varietät von Schädeln (S. 314—17) von mir nachgewiesen ist, welche den Verdacht einer nicht gerade physiologischen Entstehung erweckt, hat für das Gesammturtheil keine Bedeutung. Niedrige Schädelformen finden sich ohne Ma- er 3 x 30% er . Kun Po ; a4 ln ohne Naht-Synostos | Knochenkranl ER offenbar A eboncen. e Die Längen- und Breitenverhältnisse dieser Schädel sind ziemlich R en Schwankungen unterworfen, und die Längenbreiten-Indices der F einzelnen Gruppen variiren nicht unerheblich. Nichtsdestoweniger kann RR man sagen, dafs der durchgreifende Charakter eine stark zur Brachy- vw eephalie neigende Mesocephalie ist. Zur Erläuterung will ich hier noch eine Zusammenstellung der specifisch friesischen Schädel geben: Mittelfriesland | Ostfriesland 7 n Zuiderzee r Summe - (8. 217) (8. 262) PR ” Längenbreiten-Index = | 5 ER Ahr z T RX h 8 | eı= = ‚so | = = \ a re = Xa) = aA|?|j]3@|?7|?7|=]> | a unter 75 slıla a PIE IE DR REN DE ER IR Ab 207; 81. %| 8 |ıo | — 1.101,31 | 8.) 180: | ax . 77,78 — 79,99 4 WW It a LA Zu Be ee ae a 80,00— 33,33 . Sl tar Io rg | a Wr | 4113| 5 a8 über 83,33 . ee | PR | Te | | I Berechnet man die letzten 3 Columnen auf 100, so erhält man Ei Männer Weiber Mittel "RE Enter Na 2)... ALS Z ART { T—TT,T .. 5 2 R u. et LEN a 151,5 er. 77,78—79,99 14,5 28,41 178 rt > A B, ze 83,33 ‚0 f 7\an,8 e 30,6 %, über 83,33 . — 1,1 1,6 E: Auch hier tritt die schon mehrfach erwähnte Neigung der weib- lichen Schädel zur Brachycephalie sehr deutlich hervor. Allein auch bei B: den männlichen Schädeln steht mehr als die Hälfte in der Mesocephalie (nach deutscher Terminologie), und von dem Rest ist ein gröfserer Theil brachycephal (über 80), als dolichocephal (unter 75). Von 62 friesischen Schädeln sind in Wirklichkeit 32 mesocephal, 19 brachycephal und 11 dolichocephal befunden. 360 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologie In den einzelnen Gruppen zeigen sich gewisse Schwankungen, von denen ich nicht behaupten möchte, dafs sie dem Zufalle entzogen sind. So tritt bei den Mittel- und Östfriesen die Brachycephalie stärker, bei den Zuiderzee-Insulanern dagegen die Dolichocephalie ein wenig mehr in den Vordergrund. Gerade bei den Mittelfriesen und den Zuiderzee-In- sulanern ist die Mesocephalie bei Weibern überwiegend über die anderen Schädelformen. Hätte ich die Bremer und Ankumer Schädel ebenfalls heranziehen wollen, so würde dies Ergebnifs noch viel stärker zu Gunsten der Brachy- cephalie ausgefallen sein, der Vierländer gar nicht erst zu gedenken. Zugleich würde der prävalirend brachycephale Charakter der Weiber- schädel durch diese Gruppen in ein noch helleres Licht gestellt sein. Die früher (S. 275, 299) mitgetheilten Uebersichten werden genügen, um auch dieses Material anschaulich zu machen. Das Zusammentreffen von Chamaecephalie und Neigung zur Bra- chycephalie ist kein zufälliges. Wie ich an verschiedenen Stellen hervor- gehoben habe, so zeigt die Vergrölserung der Querdurchmesser geradezu die Richtung derjenigen Compensation an, welche der Schädelraum bei abnehmender Höhe nothwendig erfahren mufßs. In der That legt sich der Schädel seitlich, und zwar nicht blofs an den Parietalia, sondern fast noch auffälliger an den temporalen Theilen des Frontale (S. 105) aus, — eine Erscheinung, welche schon in der Vorderansicht, noch mehr in der Ober- und Unteransicht auffällig, dagegen in der Seitenansicht wenig be- merklich ist. So erklärt es sich, dafs die chamaecephalen Schädel in der Norma temporalis den Eindruck langer machen, selbst wenn sie einen brachycephalen Index haben, und dafs Hr. Lubach, wie ich früher ge- zeigt habe (S. 157), einen Schädel aus dem friesischen Westergau, der einen rein mesocephalen Index von 76,3 besitzt, als das Muster eines langen Schädels hat abbilden lassen. Nehmen wir zu der Chamaecephalie, welche überdies zur Bra- chycephalie tendirt, noch die ausgeprägte Leptorrhinie und die häufige Progenie dieser Schädel, so erhalten wir, ganz abgesehen von manchen anderen Eigenthümlichkeiten, eine gewisse Zahl charakteristischer Merk- male, durch welche sich die nordwestgermanischen Stämme vor den mittel- und süddeutschen auszeichnen. Sicherlich darf man nicht so weit _ men vorkommen. Aber sie sind mehr vereinzelt, so viel wir bis jetzt RENTEN I | is km ‚dieser Stämme wissen, und sie verschwinden bis zu einem erheblichen Grade in der Summe der übrigen. Wie sollen wir nun diese Thatsache erklären? Sollen wir anneh- men, dafs eine Bevölkerung, welche, im Lichte der geschichtlichen Ueber- lieferung betrachtet, als die verhältnifsmälsig reinste, ja als eine nahezu ganz unvermischte erscheint, im höheren Maafse durch allophyle, sei es mongoloide, sei es ligurische Beimischungen verunreinigt sei? Wenn Hr. Broca schon den merowingischen Franken das mongoloide Blut an der Nase ansieht (S. 352), so mülsten wir dasselbe den Friesen noch in einer viel reicheren Menge nach ihrem Schädel-Index zuschreiben. Oder sollen wir- annehmen, dals die Friesen durch die Verhältnisse ihres Lebens, durch Klima, Nahrung, Beschäftigung und was sonst auf ihre physische Beschaffenheit einwirken konnte, von der dolichocephalen Schädelform der Urgermanen allmählich zur Mesocephalie, ja selbst zu einer fast mon- goloiden Brachycephalie gekommen sind? Eine solche Annahme wäre noch schwieriger, als die erstere. Denn wenn auch einige der ältesten Friesenschädel aus den Todtenbäumen der uralten Warpen und Wurthen mehr dolichocephale Formen (S. 256, 275) zeigen, ja wenn wir in dem Schädelfragment vom Amelsbarg bei Potshausen (S. 235) eine ganz „nean- derthaloide* Bildung kennen gelernt haben, so hat doch die Mehrzahl der Schädel, welche wir bis an die Grenzen der heidnischen Zeit zurück- datiren können, vielmehr meso- und brachycephale Indices ergeben. Wir mülsten also annehmen, dafs schon in dem ersten Jahrtausend unserer Zeitrechnung sich eine so grolse Veränderung vollzogen hätte, dafs ein merkbarer Unterschied von den gleichzeitigen Franken zu constatiren wäre. Indefs scheint es mir, dafs es noch eine dritte Möglichkeit giebt. Die Annahme eines einfachen, urgermanischen Typus ist bis jetzt durch- aus willkürlich. Niemand hat den Nachweis geliefert, dafs alle Germanen dieselbe Schädelform besalsen, oder, anders ausgedrückt, dals die Ger- manen eine von Anfang an ganz einheitliche Nation waren, als deren reinsten Typus wir die Sueven und Franken anzusehen haben. Sind Phys. Kl. 1876. 46 stammes, hindert die slavische Bra He die Kuna einer Slaven und die dolichocephalen Germanen gemeinsamen Abstammung nicht, so sollte man meinen, dafs das Auffinden mesocephaler oder gar brachy- cephaler Germanen, welche keinen Verdacht slavischer Vermischung auf- kommen lassen, eher ein günstiger Umstand wäre. Der grofse Hiatus wird dann doch ausgefüllt, das Verständnifs der ursprünglichen Verwandtschaft durch das Auffinden thatsächlicher Mittelglieder erleichtert. Gab es ein- R mal im fernen Osten ein allgemeines Stammland der germanischen Nation, so scheint mir die Möglichkeit sehr nahe zu liegen, dafs schon dort eine gewisse physische Verschiedenheit zwischen den einzelnen, neben einander wohnenden Stämmen sich ausgebildet hat, und es kann recht wohl zuge- standen werden, dafs schon von daher solche Verschiedenheiten ın das spätere Heimathsland mitgebracht sein mögen. Warum sollten nicht phy- sische Verschiedenheiten sich ebenso ausbilden, wie sprachliche? % Etwas der Art sehen wir bei den finnischen Stämmen. Die im Allgemeinen brünetten Lappen, ein zugleich ausgemacht brachycephaler Stamm, grenzen mit den gleichfalls brachycephalen, aber durchweg blon- den!) Finnen; auf diese folgen die nicht mehr brachycephalen, sondern mit niedrigen und längeren Schädeln ausgestatteten, aber gleichfalls blon- den Esten, und wenn wir die Reihe der finnischen Stämme bis zum Ural verfolgen, so treffen wir endlich auf solche, welche rein mesocephal oder fast dolichocephal sind. Wenigstens gilt dies nach den Messungen des Hrn. Kopernicki?) von den Tscheremissen und Tschuwaschen. Die Zahlen dieses zuverlässigen Beobachters sind folgende: Längenbreiten- _Längenhöhen- Index Finnen (Finnland). . 78,9 75,6 Bisten 20 van 72,6 Tscheremisen . . . 770 74,8 Tschuwaschen . . . 75,4 70,3. 1) Virchow, Verhandlungen der Berliner anthropologischen Gesellschaft 1874. S. 188. Zeitschrift für Ethnologie Bd. 6. Vgl. Verhandlungen 1872. S.83. Zeitschrift für Ethnologie Bd. 4. Verhandl. 1873. S. 163, 171. Zeitschr. f. Ethn. Bd. 5. 2) Kopernicki, Bullet. de la soe. d’anthrop. de Paris. 1869. Ser. II. T. IV. p. 630. ieki Bar. an, Se die östlichen. Böinen Ber, | u mal meinen ueren bezweifeln, da ieh von glaubwür- > digen Zeugen, welche die Ural-Finnen in ihrer Heimath gesehen haben, Bin. _ die Versicherung erhalten habe, dals blonde Leute dort sehr häufig seien. !) Jedenfalls geht aus den mitgetheilten Zahlen hervor, dafs Hr. Koper- = nieki nicht nur in dem Längenbreiten-, sondern auch in dem Längen- Bo höhen-Index die gröfsten Variationen unter den finnischen Stämmen ge- d 7 funden hat, und dafs die Esten und noch mehr die Tschuwaschen ihm E: eine solche Niedrigkeit des Kopfes darboten, dals die letzteren sich schon »ars der Chamaecephalie näherten. Nun wissen wir aber, dals die finnischen Stämme zu sehr ver- SA ie ey schiedenen Zeiten in ihre heutigen Wohnsitze eingerückt sind?) und dafs ra mamentlich die eigentlichen Finnen ihre Einwanderung in das heutige =. Finnland erst seit dem 8. Jahrhundert unserer Zeitrechnung bewerkstelligt 3 ä haben. Sind die Lappen, wie kaum zu bezweifeln ist, der ältere Stamm, DR % so würde hier ein sicheres Beispiel für die Thatsache vorliegen, dals von Tank 4 einem östlichen Centrum aus im Laufe sehr langer Zeiträume sich eine “ Los “Rn keihe aufeinanderfolgender Stämme abgelöst hat, von denen ältere brachy- Fi f :: cephal und braun, jüngere brachycephal und blond sind, während von den - r= dem ursprünglichen Centrum näher wohnenden Stämmen die einen me- ke # socephal und vielleicht braun, die anderen fast chamaedolichocephal und RB - wahrscheinlich überwiegend blond sind. Welcher von diesen Stämmen ER dem Urstamme ähnlicher ist und welche besonderen Ursachen die weniger Tal ähnlichen so verändert haben, das lälst sich bis jetzt schwer bestimmen. ee e Manches spricht dafür, dafs die Lappen am meisten von der ursprünglichen > > k. Beschaffenheit bewahrt haben. Aber wer kann sagen, wodurch die Fin- - e men, die Esten und manche der Uralstämme blond geworden sind? oder ar welche Ursache die Köpfe der Esten und der Tschuwaschen erniedrigt hat? Jedenfalls berechtigt uns nichts, einen dieser Stämme als den eigent- lieh finnischen und alle anderen nur als Mischvölker zu betrachten. * _ m _ — ee _— - - 1) Man vgl. Maliew über Wogulen und Wotjaken in den Arbeiten der natur- wissenschaftlichen Gesellschaft an der K. Kasanschen Universität. 1873. Bd. II. Nr. 2. Balls 1874, Bd.1IV.. Nr. 2. p.15. 2) Yrgö Koskinen, Finnische Geschichte. Leipzig 1874. 46* Fa Re auffassen. Die Friesen und ihre nächsten Voandken Kahn Ss cher Br" eben so viel Anrecht darauf, wie die Lappen, als ein älterer Stamm a FR gesehen zu werden. Während noch in historischer Zeit von suevischen, | fränkischen und sächsischen Wanderungen in der Richtung von Osten nach Westen berichtet wird, halten sich die Friesen mit grofser Bestän- | } R digkeit in dem Gebiete, in welchem die Römer sie fest angesiedelt n- BERUTR. treffen, als sie zuerst diese Gegenden berührten. Nichts ist wahrschein- Bi licher, als dafs vor der Römerzeit das friesische Gebiet ausgedehnter war, namentlich nach Süden, und dafs die Friesen, wie die Lappen, durch nach- ix € rückende und erobernde Stämme endlich bis auf den äufsersten Küstensaum und die vorliegenden Inseln zurückgedrängt sind, wohin ihnen zu folgen RS wegen der Unwirthlichkeit des Landes die Eroberer keinen Anreiz empfanden. So finden wir die Friesen schon im Beginn unserer Zeitrechnung und so treten sie später in den grofsen politischen Verband des fränkischen Rei- 2 ches ein. Da, wo die Sümpfe und Marschen endigen, wo die sandige ER Geest die Grenze gegen das eigentliche „Festland“ bezeichnet, da hört ihr Gebiet auf, da sitzen sächsische und fränkische Stämme. | Eine andere Frage ist die, ob die Friesen die Urbewohner des Landes waren. Möglicherweise waren vor ihnen schon andere Völker da, welche von ihnen unterworfen wurden, und deren Blut sich mit dem ihrigen Be Sr vermischte. Wir können darüber bis jetzt wenig aussagen. Die leiblichen Reste der alten Bewohner, welche der Boden bewahrt hat, sind so spärlich und zugleich so stumm, dafs bis jetzt auch eine sehr freie Interpretation nichts Entscheidendes daraus abzuleiten vermag (S. 229, 254). Die ä- testen Nachrichten, welche zum grolsen Theil auf Pytheas zurückgehen, hat neuerlich Hr. Müllenhof!) einer genaueren Prüfung unterzogen. ; j Nehmen wir seine Ergebnisse als richtig an, so würde daraus hervor gehen, dafs schon im 4. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung die Nord- seeküste von Teutonen (so liest Hr. Müllenhof statt Gutonen) bewohnt, und nur das Rheindelta im Besitze der Kelten war.?) Was sonst be- richtet wird, bezieht sich hauptsächlich auf den Bernsteinhandel und “ — = !) Karl Müllenhof, Deutsche Alterthumskunde. Berlin 1870. Bd.I. 5.473,483 2) Müllenhof a.a. ©. S, 479, 486. altia AERERER wird. Die Kirsch über ihre 8 werden kaum zu einer ganz sicheren Lösung führen, indefs möchte ieh doch glauben, dafs die heutige Insel Baltrum allen Anforderungen recht gut entspräche. Schwerlich dürfte ihre heutige Gröfse als Maals- stab für das, was sie vor zwei Jahrtausenden war, dienen können. Wis- sen wir doch, dafs die benachbarte Insel Borkum, die Burchana des Pli- nius, durch Sturmfluthen zuerst in 4 Inseln zerspalten wurde, von denen 2 ganz verschwanden und nur noch das jetzige Borkum und Juist über- geblieben sind.!) Baltrum selbst?) schwindet durch Abspülung seiner Küste zusehends dahin. Hecataeus nennt nach dem Zeugnisse des Pli- nius?) das Küstenland selbst Amalchium; seine Lage möchte ungefähr dem oldenburgischen Ammerland #) entsprechen. Auf den Inseln werden Oeonen (Eieresser), Hippopoden und Panotier genannt, für uns gleich- gültige Namen, da der erstere eine an sich zutreffende Bezeichnung für die Bewohner der durch ihren Reichthum an Seevögeln noch jetzt aus- gezeichneten Inseln ist, die beiden anderen wahrscheinlich Rur fabelhatfte, vielleicht von der Bekleidung der Leute mit Thierfellen und Stnrmkappen hergenommene Ausdrücke darstellen. Wir bleiben daher im Wesentlichen in unserem Wissen darauf beschränkt, dafs an einem Theile der deutschen Nordseeküste schon zur Zeit des Pytheas Teutonen wohnten. | Waren diese Teutonen von den nachmaligen Friesen verschieden? Ich möchte es kaum glauben. Tacitus erzählt bekanntlich, dafs nach alten germanischen Volksliedern von dem Sohne des der Erde entspros- senen Tuisco, Mann, 3 Stämme der Germanen ausgegangen seien: die Ingaevonen, die Hermionen und die Istaevonen. Erstere, sagt er, seien die nächsten am Ocean, die Hermionen wohnten in der Mitte. Plinius in einer dunkeln und offenbar verderbten Stelle nennt neben diesen drei 1) Arends, Erdbeschreibung des Fürstenthums Ostfriesland S. 367. °2) Arends a.a.O. S. 432. 3) Plinius, Historia natur‘ Lib. IV. cap. 13. *) Man vergleiche die Anmerkung auf S. 27, auch mit Bezug auf die so oft neben den Teutonen genannten Ambronen. Hr. Müllenhof (a. a. O. S. 484 Anm.) er- innert bei der Besprechung von Abalus an die Insel Ameland (Ambla). Vielleicht hän- gen alle diese Bezeichnungen zusammen. 3 re n er" FL ” Pe Id f [4 Ben ER x 5 ’ M ; Be er n, ar Wa E72 A Kaner, Beiträge zur ‘ ale ARE Stämmen noch andere, aber sehr bestimmt bezeichnet er als ee der Ingaevonen die Cimbern, Teutonen und Chauken. Von letzteren == sagt er ausdrücklich: Chaucorum gentes. Es kann darnach wohl nicht N, beanstandet werden, die Friesen als einen Theil des ingaevonischen Stam- \ mes zu betrachten. Wie das alte Land der Chauci minores später Ost- Fa friesland wurde (8. 15), so mögen wohl in den Gentes Chaucorum die pe F Friesen mit enthalten sein. Zeuss!) stützt diese Auffassung auch lin- guistisch. Er sagt: „Von der alten Grundlage der oberdeutschen Zungen ist schon für das Alterthum die Sprache der Küstenvölker zu unterschei- = den, deren alte schwachformigen Mannsnamen nicht 0, wie die ‚ober- 2 deutschen, sondern, wie die gothischen, a zeigen. Aus der Reihe dieser | Völker haben die Angelsachsen und Friesen noch Sprachdenkmäler, die mehrere Jahrhunderte hinaufreichen und unter sich in naher Verwandt- schaft, ferner dem Oberdeutschen oder Gothischen stehen. Angelsächsisch und Altfriesisch sind als spätere Fortbildungen aus gemeinschaftlichem Grunde, dem ingaevischen Sprachzweige, zu betrachten.“ Diese Ingaevonen sind es, welche, wenigstens in Westdeutschland, noch jetzt als die Hauptträger der klassischen Merkmale der Germanen, als der hellste Stamm erscheinen (S. 35). Sie sind es, von denen offen- bar in den Nachrichten des Pytheas die früheste Kunde äber ein ger- manisches Volk erhalten ist. Sollen wir nun gerade sie als ein Misch- volk ansehen, das einen grofsen Theil seiner physischen Charaktere durch Aufnahme von allophylem Blut eingebüfst hat? Ich meine, hier läuft die I Schlufsfolgerung den Vordersätzen vorauf. Warten wir ruhig die weitere Forschung ab. Vielleicht wird sich dann ergeben, worauf meiner Mei- n nung nach das Ergebnifs unserer Schulerhebung (S. 12) hindeutet, das in der That von Alters her in Deutschland verschiedenartige Stämme der Germanen existirten und zwar so, dafs sie sich von Osten nach Westen neben einander vorschoben, nach Westen sich breiter entfaltend. Offen- bar ging der Zug der Einwanderung nördlich von dem Lausitzer und Erzgebirge; von einem südlicheren Zuge ist bis jetzt nichts nachgewiesen. Aber die Einwanderung war keine gleichzeitige. Die Ingaevonen, der Seeküste folgend, waren schon früh auf ihrem Platze, und wir wissen 1) Zeuss, Die Deutschen und die Nachbarstämme 8.79 vgl. S. 393. ; Takirhendekte Baar fort. Sie sind es, welche zuerst den Römern begegnen, und von ihnen sind uns Zeugnisse über Aussehen und Be- schaffenheit der Germanen erhalten. An sie auch knüpfen sich die ersten _ eraniologischen Studien, zu welchen die Reihengräber von Südwestdeutsch- land, Mitteldeutschland und Frankreich das Material lieferten. Während in Deutschland gerade diese Gräberschädel als der Aus- druck des urgermanischen Typus betrachtet werden, finden unsere west- lichen Collegen in der Nasenbildung mongoloide Züge. Ich habe über diesen Einwand schon gehandelt (S. 353); hier möchte ich nur noch hin- zufügen, dafs Hr. Broca selbst in höchst ungewöhnlicher Einseitigkeit seine Erörterung an den Nasen-Index geknüpft hat. Seine eigenen Zah- len*) für den Schädel-Index (Längenbreiten-Index) ergeben das gerade Gegentheil: Gallo-Römer (3. und 4. Jahrhundert) 78,55 Merowinger (7. Jahrhundert) . . . 76,36 Pariser (12. Jahrhundert) . . . . 79,18 MELLE: j Yu run 79h Gh n ) 79,44 Vor und nach den Merowingern Re Kr Rn Schädel aufgeführt mit so hohem Index, dafs er sich dem (im deutschen Sinne) brachy- _ eephalen stark annähert; nur die Merowinger stehen der Dolichocephalie näher. Sollte man darnach das mongoloide Blut nicht vielmehr bei den Galliern und den modernen Parisern suchen? Der Schädel-Index hindert die Annahme eines reingermanischen Typus bei den Franken nicht. Da- gegen halte ich es allerdings für berechtigt, vorläufig wenigstens die Frage zurückzustellen, ob der niederdeutsche oder der mittel- und ober- deutsche Typus reiner ist. Aelter scheint mir der niederdeutsche zu sein, wenigstens auf deutschem Boden. Nicht ohne grolse Bedeutung ist für die Beurtheilung dieser Frage die Beziehung auf die Nordgermanen. Ich will nicht darauf Werth 1) Brocal. c. p. 32. R\ 20.d " a ches von Yngvi Abaleiie wird, den een der a. wie« zugeben scheint: es mag dies ein Zufall sein, der in der Bedeutung. des Wortes seine Erklärung findet. 1) Allein in Bezug auf die Hellfarbigkeit von Haut, Iris und Haar stehen die Skandinavier sicherlich den Nieder- deutschen näher, als den Oberdeutschen, und was den Schädelbau anbe- trifft, so haben wir schon gesehen, dafs ein so erfahrener Kenner, wie J. van der Hoeven, gerade die niedrigsten Schädel der Zuiderzee-In- seln und des friesischen Westergaus auf den Typus der Schweden bezog (S. 93, 106, 155). In der That läfst sich die Aehnlichkeit nieht verken- nen, wenngleich vielleicht die Niedrigkeit der skandinavischen Schädel nicht ebenso bedeutend ist. Hören wir, was Anders Retzius, gewils ein berufener Zeuge, darüber sagt.?) Nach ihm beträgt der Schädel- Index der Schweden 77,3, die gröfste Länge 190, die gröfste Breite 147, die Höhe 135. Darnach berechnet sich ein Höhen-Index von 71. Die Schädelform wäre also mesocephal und an der Grenze der Chamaecephalie. Ganz besonders betont der berühmte Ethnologe, dafs die Hirnschale sich hinter der gröfsten Breite nach dem Nacken hin verschmälert und ver- längert durch die Anwesenheit eines, in der Form eines gerundeten Ab- satzes stark hervorstehenden Hinterhauptshöckers. Er sagt: „Auch wenn man die Hirnschale von der Seite ansieht, zeigt sich der Hinterhaupts- höcker ausgezeichnet grols, wie ein Absatz, oben von einem Eindruck über der Spitze der Lambdanaht oder der Stelle, an welcher sich die srofse Fontanelle befand, begrenzt, welches einen wesentlichen Charakter für die Schädel von dieser Form abgiebt.“ Das Knochengerüst des Ge- sichts springt wenig über den Umrifs der Hirnschale vor. Das Antlitz ist lang: das Obergesicht mifst bei Männern 74 Mm. Der Alveolarfort- satz des Oberkiefers ist hoch, tritt aber wenig vor. Dagegen ist der Unterkiefer hoch und von starkem Bau, das Kinn stark nach vorn aus- stehend und kantig. Diese Züge mögen genügen, um das allgemeinste Bild zu geben; wegen weiterer Einzelheiten verweise ich auf das Original. Nun beruft 1) Zeuss a.a. ©. S. 73 2) A. Retzius, Müllers Archiv 1845. S. 89. Hr. Eckert) Rn die eh von SL) um die Me & bereinstimmung der Schwedenschädel mit den Schädeln der Reihen- en . gräher zu beweisen. Er giebt zugleich die Maalse von 4 schwedischen - -Schädeln, deren Längenbreiten-Index im Mittel 71,5, deren Längenhöhen- A dagegen 73,9 beträgt. Es ist leicht ersichtlich, dafs hier ein ge- wisser Widerspruch vorliegt, und dafs diese Zahlen in keiner Weise mit denen von Retzius stimmen. Indefs bezweifle ich nicht die Richtigkeit der Angaben des Hrn. Ecker in Bezug auf die von ihm untersuchten Schädel; ich möchte nur bemerken, dafs schon die äulsere Betrachtung der heutigen Bevölkerung Schwedens sehr bestimmt ein Gemisch mehrerer Typen erkennen läfst und dafs daher leicht ein blofser Lokaltypus gefunden werden kann, wenn man nur eine kleine Anzahl von Schädeln zu Rathe zieht. Bei einer früheren Gelegenheit?) habe ich schon nachgewiesen, dafs alle übrigen Beobachter einen höheren Breiten-Index berechnen: Hr. v. Düben hat 77,1, Hr. Welcker 77,3, Hr. Pruner-Bey 77, die Herren Davis und Thurnam 78. Daraus ergiebt sich ein mesocephaler Typus, wie bei den Niederdeutschen. Von erheblichem Interesse scheint mir endlich der Umstand zu En sein, dafs die von mir veranstaltete Untersuchung der altnordischen Grä- — _ berschädel aus Dänemark die merkwürdige Thatsache ergeben hat, dafs niedrige und lange Schädelformen erst im sogenannten Bronze- und noch mehr im Eisenalter auftreten, während die Gräberschädel der Steinzeit überwiegend kurz und hoch sind.?) Namentlich die berühmten Schädel von Borreby sind geradezu hypsibrachycephal, und sie stehen in ihrer = Art den Schädeln der Zeeuwen von Beveland (S. 221—23) nahe, wenn- gleich sie weder so kurz, noch so hoch sind, wie diese. Ich möchte also keineswegs die Identität beider Rassen behaupten. Indefs möchte ich die Aehnlichkeit um so mehr betonen, als in dem Vorkommen dieser nn E- hypsibrachycephalen Schädel ein viel schärferer Gegensatz gegen die zur Brachycephalie neigenden, chamaecephalen Schädel der Friesen und an- derer Niederdeutschen gelegen ist, als in dem Vorkommen dolichocephaler R Br 1) A. Ecker, Crania Germaniae meridionalis BE ne S. 90. ?2) Virchow, Archiv für Anthropologie 1870. Bd. IV. S. 50. j >) Ebendaselbst S. 62. B‘ Phys. Kl. 1876. 47 370 Vırcnow: Beiträge zur physischen Anthropologie Schädel der Reihengräber. Es ist das aus dem Grunde von Bedeutung, weil sonst leicht die Meinung entstehen könnte, es seien sowohl die Zeeuwen, als die Dänen der Steinzeit Theile einer ausgedehnteren, vielleicht einmal auch über Norddeutschland verbreiteten, kurzköpfigen Bevölkerung, aus deren Mischung mit langköpfigen Germanen die Friesen hervorgegangen seien. Meiner Ansicht nach wäre eine solche Annahme eine gänzlich willkürliche. Die Schädel von Beveland sind an sich chronologisch un- bestimmt; aller Wahrscheilichkeit nach gehören sie einer jüngeren Be- völkerung an, und ihr Vorkommen genügt in keiner Weise, um zu be- weisen, dals auch auf den einst westfriesischen Inseln der Maasmünde in dem Steinzeitalter eine kurzköpfige Bevölkerung gewohnt hat. Es mufs daher auch noch dahingestellt bleiben, ob die friesische Öhamaemeso- cephalie erst auf friesischem Boden aus einer langen und verhältnifsmäfsig hohen Schädelform sich entwickelt hat, oder ob sie schon von einem älteren, vielleicht von einem aufserhalb Deutschlands gelegenen Stammes- centrum eingebracht worden ist. Soviel meine ich dargethan zu haben, dafs sie innerhalb der Grenzen des germanischen Gesammttypus liest. Daraus würde weiterhin folgen, dals dieser Gesammttypus nıcht in dem Maafse ein einheitlicher ıst, wie man es bis da- hin angenommen hat. rn ee EEE RR Nachträgliche Verbesserungen. ji, e “ Bei einer Reise durch die Niederlande, die ich so eben gemacht Br. Bi habe, stellte sich zu meinem Bedauern heraus, dafs trotz aller Sorgfalt, : or welche ich angewendet hatte, um eine möglichst strenge Sonderung des (or : Materials nach den einzelnen Oertlichkeiten herbeizuführen, mir ein Irr- H He a H thum untergelaufen ist. Ich beeile mich, denselben hier zu verbessern, Pag. x damit nicht eine weitere Verbreitung desselben stattfinde. u e' Unter den Schädeln von Zuiderzee-Insulanern, welche ich aus dem AO E Museum Vrolik entliehen hatte, befand sich einer, Nr. 19, von dem ich We; E 2 nach den mir gewordenen Mittheilungen annehmen mulfste, dafs er, gleich 7; DE ‘ Nr. 17 und 18, von der Insel Urk stamme. Bei einer solchen Voraus- RR A setzung lag es sehr nahe, in diesem Schädel den von Hrn. Harting in PR q seiner kleinen Monographie über die Insel Urk unter Nr. 1 beschriebenen . var } Schädel zu vermuthen, da Nr. 17 und 18 den dort unter Nr. 2 und 3 Re? X beschriebenen entsprechen. Obwohl ich den Mangel einer genaueren Az % Bestimmung erwähnte (S. 80) und die Beziehung auf Hrn. Harting durch ein beigefügtes Fragezeichen als eine unsichere bezeichnete (S. 87), so schien doch Alles so sehr zusammenzutreffen, dafs ich im Texte (S. 92— 95) von meinen Zweifeln absah und den Schädel als einen Urker be- 2. handelte. Es hat sich jedoch gezeigt, dals ich in zwei ganz verschiedenen Punkten fehlgegangen war. Zuerst fand ich bei einem Besuche des Museum Vrolik in Amsterdam, dafs in dem mir bis dahin unbekannt gebliebenen Katalog desselben der Schädel Nr. 19 als von einem Kirchhofe der Insel 47* BR BER SON BERLIN NER area eb an nA (4 r % ABEL RZ: 2... 04:9 372 Vırcuow: Beiträge zur physischen Anthropologie Schokland stammend aufgeführt ıst.!) Sodann erfuhr ich in Utrecht von Hrn. Harting selbst, dafs der von ihm als Nr. 1 beschriebene Urker Schädel aus der Sammlung Sandifort (S. 55) sich in dem dortigen ana- tomischen Museum befinde. Hr. Harting hatte die grofßse Güte, den- selben für mich herauszusuchen und ich konnte wenigstens die Haupt- maalse an demselben nehmen. So sehr ich diese Verwechselung bedauere, und so nothwendig es ist, sie zurechtzustellen, so ist glücklicherweise der Schaden nicht sehr grofls. Einerseits ist der Schädel Nr. 19, obwohl ein Schokländer und kein Urker, doch ein Zuiderzee-Schädel, und alle diejenigen Erörterungen, welche sich auf die Gesammtheit dieser Schädel beziehen, werden durch den Nachweis der wahren Provenienz in keiner Weise alterirt. Anderer- seits wird durch das Eintreten des Schädels Nr. 19 in die Schokländer Gruppe (S. 106) an dem Gesammtbilde dieser Gruppe wenig geän- dert; wir gewinnen für sie sogar einen ikonographischen Anhaltspunkt (Taf. V). Auch für die Urker Gruppe ergeben sich im Mittel so unwe- sentliche Abweichungen, dals es kaum nöthig wäre, darauf näher ein- zugehen. Indefs ist es richtig, die Sache ganz zu klären. Ich werde daher zunächst eine kurze Beschreibung des Utrechter Schädels nebst den von mir gewonnenen Maalsen geben, und dann diejenigen Correkturen anführen, welche in den Zahlen der Urker Gruppe vorzunehmen sind. Es ist ein verhältnifsmälsig grofser und schwerer, derber, männ- licher Schädel mit tief abgeschliffenen Zähnen, an welchem die sämmt- lichen Nähte des Daches (Kranz-, Pfeil- und Lambdanaht) verwachsen und alle Muskellinien und Fortsätze stark entwickelt sınd. Der Unterkiefer fehlt. Längenbreiten-Index . . 80,0 Längenhöhen-Index . . . 67,0 Breitenhöhen-Index . . . 895,7 Auricularhöhen-Index . . 57,8 Orbrsal-Indexs se ea Nasen-Index . mul RS Gaumen-Index were 190! 1) Musde Vrolik. Catalogue de la collection d’anatomie humaine, comparee et pathologique de M. M. Ger. et W. Vrolik par J. L. Dusseau. Amsterdam 1865. p. 12. u 8 a th OERRETNR a und im höchsten. Maafse leptorrhin. 0 Seine allgemeine Form erscheint in der Seitenansicht länglich, die Stirn fliehend, der Scheitel ziemlich hoch, mit schnellem Abfall nach hinten, das Hinterhaupt trotzdem vorspringend. Der Eindruck der Länge erklärt sich theils aus der Niedrigkeit des Schädels, theils aus der stär- keren Entwiekelung des Hinterhauptes. Dr Die Plana temporalia sind sehr hoch; sie nähern sich hinter der jet Kranznaht einander bis auf 90 Mm., überschreiten die Tubera parietalia und reichen bis zur Lambdanaht. An den Schläfen ungemein tiefe Furchen. B Die Alae sphenoideales von sehr ungleicher Breite: rechts links Breite der Ala sphen. . .: .. ...19 Mm. 35 Mm. Länge der Sphenoparietalnaht Ba 1 33 „ Be; Länge der Schläfenschuppe . . 68 „ Th.DR u Höhe „ R BEN. 1: WU SI ‘; Die Stirnwülste von mälsiger Stärke, von den Orbitalrändern ge- trennt. Am Nasenfortsatz des Stirnbeins ein Rest der Stirnnaht. Keine Tubera frontalia, dagegen eine Spur von Crista mediana. Stirn im Gan- zen schmal. — Am Hinterhaupt sowohl die Protuberanz, als die Linea D* nuchae superior stark. K: In der Basilaransicht erscheint der Schädel sehr breit, die Warzen- K fortsätze großs. Das Hinterhauptsloch klein, fast rautenförmig, mit ganz tief eingedrückten Gelenkhöckern, und auch in der Umgebung mit Spu- ren basilarer Impression, namentlich mit jäher Einbiegung gegen die hinteren Gelenkgruben. Fossa condyloidea posterior dextra geschlossen. } Schwache Höcker im Umfange der Coronae. Foramen jugulare links sehr weit. Apophysis basilaris sehr höckerig. Flügelfortsätze hoch, mit grolsen Laminae externae. Sehr tiefe Kiefergelenkgruben. Entsprechend Ei der Impression ist auch das Gesicht etwas rückwärts gebogen. Das Gesicht selbst ist schmal. Die Augenhöhlen hoch und etwas schief nach unten und aufsen. Nase sehr vorspringend, mit hoch ein- greifendem Ansatz und starkem, geradem Rücken, im Ganzen hoch und verhältnifsmäfsig schmal, jedoch recht kräftig. Der gerade Querdurch- FE ker; k 2} Br RE ERS . ne A uk ” ag. w 2 in 7 A Grölste N N N SR PS Ne vi NO vn’ TBREIDES 6 5 0, RA nen A Gerade Hohe er, 1° 877)... On RER Aurieulare Hohe... 7 ma, ee re Hintere, Höher... wen Re Unterer Frontal-Durchmesser . . 90 „ Goronal-Durehmesser .- .... v2... . 3er F Tuberaler Parietal-Durchmesser . 133 „ it, er Oeeipital-Durehmesser . . . . . 16 „ ar Mastoideal-Durchmesser Basis . . 156 „ Bi { > s Spitze Mu’ (13 7, \ ei Jugal-Durchmesser ., . . 2.14.0270,.0132,50% a Br 3 Malar- R RE EI £ Infraorbital-Durchmesser . . 58 Entfernung der ER ln vomKor.maen... .. en „unbe > Länge des Foramen magn. . . . 34 ,„ Brewerdesselben ne Du SV Höhe, des, Übergesichts"* „2, Ton 27 2 der, Orbatal, vu a2 80, 2 Breite derselben, 9 au 7 Poume IDER Hohe..der. Nase nn 7... ea Sr Breite ‚der Nasenöfnune .. . 20.22.28, Gerader (uerdurchmesser der knö- Chernen Nasevoben „, - m ia desgl. Mikte, 221, = 0 ee Rue desgl. Unten Kı-scme ne ee Lanze des, Gaumens, 2 a. MA, Breite desselben «7. en... : eat Rechnet man unter Heranziehung der Zahlen des Utrechter Se dels, welcher an die Stelle des Schädels Nr. 19 gestellt werden at 1 does um, so erhält man slefnde Tistet alte neue I _—— Rechnung a) männliche Schädel Längenbreiten-Index . . 78,1 78,7 Längenhöhen-Index . . 715 70,7 Breitenhöhen-Index . . 91,6 89,9 Aurieularhöhen-Index . 56,6 56,1 b) weibliche Schädel unverändert e) Gesammtmittel Längenbreiten-Index . . 78,0 78,4 Längenhöhen-Index . . 71,9 71,3 Breitenhöhen-Index . . 92,3 90,0 Auricularhöhen-Index . 58,4 58,1 Der Unterschied beider Reihen ist, wie leicht ersichtlich, ein sehr ‚geringer. Die Höhen-Indices sind in der neuen Rechnung etwas kleiner, der Breiten-Index etwas gröfser. Es tritt daher, besonders bei den Män- nern, der chamaemesocephale Gesammthabitus etwas deutlicher hervor. Was die Schokländer Schädel (S. 112, 124) betrifft, so erhalten wir, wenn wir nunmehr den Schädel Nr. 19 unter sie einreihen !), einen mittleren Längenbreiten-Index von 77,7 statt früher 77,8, also gleichfalls eine ganz gleichgültige Abweichung. Für den Längenhöhen- und Breiten- höhen-Index, wofür bisher genau genommen nur eine einzige direkte Beob- achtung, die des Hrn. Spengel, vorlag, erhalten wir eine nicht zu unter- schätzende Correktur, indem eine starke Verminderung der Zahlen ein- tritt und schon dadurch in der Zusammenstellung der Gegensatz gegen die Urker und selbst gegen die Marker Schädel fast ganz verschwindet. Freilich kann man aus 2 Zahlen kaum ein brauchbares Mittel ziehen, indels lassen sich 1) In der Schlufstabelle ist er schon ordnungsmälsig aufgeführt. %“ = a u. BRETT AG +. 2 PL ET PPE2S: En . = a re" gefunden habe, die, soviel ich sehe, noch nicht beschrieben sind. Ich kann hier nicht auf ihre genauere Beschreibung eingehen; nur ihre In- dices will ich angeben. Dieselben betragen weiblich männlich? männlich ra Längenbreiten-Index . . 78,0 17,3 83,9 } | Längenhöhen-Index . . 69,5 TOLL RT Fo Breitenhöhen-Index . . 89,0 90,7 90,4 Aurieularhöhen-Index.. . 60,9 60,8 65,0. Rechnet man diese Zahlen mit den früher (S. 75) gegebenen zu- sammen, so wird das Marker Gesammtergebnifs ein wenig verändert, und Be zwar so, dafs die gemittelten Zahlen ganz schlank das chamaemesocephale Verhältnifs ausdrücken. Ich will diese Gesammtzahlen sofort mit denen e der anderen Inseln zusammenstellen: b Schok- | Alle Zui- Marken Urk ie 2 land derzee- s Eniah efeis 2, Sehadel 6 Schädel [5 Schädel Inseln (20) männl. weibl. männl. weibl. 77,0 76,6 Er OR Namen einen? mn m —— Längenbreiten-Index . 76,9 78,4 77,8 77,5 69,6 66,4 70,7 73,4 j nen ne? —— ———— Längenhöhen-Index 68,6 71,3 71,8 69,8 h 90,4 87,4 89,9 9542 De nn oo en — 1 Breitenhöhen-Index . 89,4 90,9 94,2 90,5 60,8 58,0 56,1 62,1 = —, nn - ; Auricularhöhen-Index . 59,7 58,1 58,9 59,0 ji den Ben der BEN ne immer mehr verkleinern und die re N agial er mit den ehenden iR en; es a sich aan Fe leicht überzeugen, dafs der gleiche re a durch die ganze Reihe verfolgen läfst. Dasselbe gilt aber w‘ lich” für die Mittelzahlen von Bremen (S. 274) und von Ankum (S. 298), llerding mit kleinen Localabweichungen, jedoch läfst sich noch nicht erkennen, ob diese Abweichungen mehr der Individualität einzelner Schädel n oder einer wirklich beständigen Localeigenthümlichkeit zuzuschreiben sind. 3 I der Hauptsache erscheint überall ein niederer mesocephaler Ty- | _ pus als der dominirende, und das war es, was ich beweisen wollte. Phys. Kl. 1876. Druckfehler ER Zeile 2 von unten Nr. 10 statt 5. =s » A) » 2) oben Weser statt Elbe. aan loan 3. 8 Aal. 3 174 statt 176. Zuiderzee. Tabelle I. | | Marken | Urk Schok- | #13 | land | SE ER I NEE Nr. 15 | Nr. 16 | Nr. 17 | Nr. 18 | Nr. 19 Ban ©. * 1500 | 1150 Tach 1430 |1345 | urchmesser (Kinn bis Scheitel) | 237 232 — — =. Be esttainnifang 545 | 490 | 500 | 533 | 519 | r Querumfang (Gehörgang über 2 sı3 | 277 | 302 | 305 | 305 | ang des Stirnbeins 134 | 117 | 123 | 128 | 135 | 1aK 1 uEL28. 1184 196 111870 | 127 108 114 | 119 122 | Ö 2 382 | 343 361 372 360 ng der canchupye* 145 | 156 165 | 150 145 | ; „ Stirn (Glab, Crista) . 108 102 104 | 105 106 | ste Entfernung der Plana tem- | | von einander 140 | 110 | 140* | 110 | 110 | 131 | 110 | 130 | 190 | 130 | 111 96 110 103,5 | 109 R . | 135 | 122 | ısı | 1335| 197 nteren Rande Ne Roanish ; im bis zur grossen Fontanelle 147 121 | 138 140 | 142,2 | rderen Rande des Foramen | | m bis zur grossen Fontanelle 132 111 127 125 129,5 | deren Rande des Foramen | im bis zur hinteren Fontanelle 119 113 ; 118 117 119 seren Gehörgang bis zur Stirn- 110 94 102 100 | 109,5 || äuss BE ehörgäng biszur Glabella 105 | 88,5) 90 94 | 101 äusseren Gehörgang bis zur Schei- | | ‚ölbung 113 115 113,5) 116 113 ‚seren Eehörgang bis zur ‚ Spitze | | interhanptsschuppe . . . \ 104 100 101,5 | 107 101 | eren Gehörgang bis zur Hin- | | | hmptswölbung . . - . . . | 107 | 91 | 98 | 100 | fe Länge . . . . 1955| 174 | 177 | 190 | 186 | der Glabella bis zur jiterhaupt- | | | | bung ER, u 3 | 194 174 | 178 185. | N | Friesland (Warga). ö Q or] Nr. U | Nr. IH| Nr. I |Nr. IV | Nr.V | | 1270 |1360 |1450 |1305? | 1310? 238:.| 218 —_ u en 515 | 507 | 539 | 508 ! 498? 304 | 312 | 322 | 308 | 297 130 | 122 | 135 | 1085| 116 120 | 122 135 |! 123,51 186 {ist | 106 | 118 114 | 104 368 | 350 | 388 | 345,5| 355 163 | 146 | 151 140 | 138 112 104 | 121 121 97 115 125 | 130 | 130 | 122 123,5) 121 | 185 | 127,5| 132 110,5| 112 | 121 112 110 122 130 | 141 130 | 132 134 | 143 | 150 | 141 | 135,5 128,5| 122° | 189 125,5 | 124 I 110 104,5 | 116,5 Bu 113 99 108 113 9 | 9 93,5| 100 | 105 95 90 1} 113 | 102 mad | 1a I 103 96 | 101 97 | 97 99 90 94 9 91,5 182 175 192 177 | 175 \ 179 175 189 | 176 171 Zuiderzee. Marken | Urk Schok- land ö 2 2 ö ö ö 2 Nr. 15 | Nr. 16 | Nr. 17 | Nr. 18 | Nr. 19 || Nr. Nr. UI| Nr. I | Nr. IN Direkte Stirnlänge (Nasenwurzel bis zur grossen Fontanelle) 118,5 | 106 109 111 107 114 106 12H Direkte Scheitelbeinlänge 112,5 | 102 113 112,5 | 107 110 109 121 Direkte Länge der Hinterhaärtigchuipe 100 92 94 95 98 92,5 91 I4 Vom äusseren Gehörgang bis zur Na- BEnwunzelsenee.E SA REe Ea. BR 110 94 95 101 105 95,5 | 102,6| 112 Vom äusseren Gehörgang bis zum Na- senstachel . ER 116 96 97 98 103 101 102 109 Vom äusseren Gehörgang bis zum Al- veolarrande des Oberkiefers . 118 99 104 —_ 106 108 110 114 Vom äusseren Gehörgang bis zum Zahn- rande des Oberkiefers . ‚ar _ _ 109 _ _ _ _ 117 Vom äusseren Gehörgang bis zum Kinn 136 124 — _ _ 133 120,6 _ Vom Hinterhauptsloch bis zur Nasen- wurzel . ahle 104 91 86,5 98 98,5 95,4 96 107 Vom Hihlerhaupidloch. bis zum Nasa stachel.a.) . » DE 1 OR 0 101 86 82 96 85 95 91 99,5 Vom Eiterhanpteloch bis zum Alveo- larrande des Öberkiefers . . 5 105 83 87 _ 85 98 99 100 Vom Hinterhauptsloch bis zum Zahn- . rande des Oberkiefers . af —_ = 92,5 —_ _ _ _ 98,4 Vom Hinterhauptsloch bis zum Kinn . 111 108 —— —_ —_ 120 109 —_ Horizontale Entfernung des Foramen oceipitale vom Kinn . . . k 99 87,9 _ — — 98 91 _ Horizontale Entfernung des Foramen oecipitale v. d. Hinterhauptswölbung 68 67 67 66 61 64 48 62 Länge der Sutura sphenoparietalis rechts 0) 10 8 11 10 13 9,5 0 Länge der Sutura sphenoparietalis links (0) o 8 14 12 17 14 0 Breite der Ala temporalis des Keil- beinsirechts . . . o 16 19 24 28 22 18 20 31 Breite der Ala Fonporaik eh Keil. beins links 5 > 19 18 24 23 26 28 27 31 Länge der Schlatenschuppe ehe 6 74 60 60 64 71 62 66 65 » a links 76 64 58,5 62 al 64 66 63 Höhe 5 5 rechts . 50 36 38 39 48 35 39 43 a) r links 50 35 39 38 45 33 40 41 Länge des Foram. magn. oceipit. . 38 35 37 38 37 31 37,5 35 Breite desselben 31 27 31 34 30 31 32 27 Grösste Breite 148,6 | 137 136,5 | 146 143,5 || 141,5 | 143 145 Oberer Frontaldurchm. (Tubera a ) 63 56 57 60 60,5 46 64,1 63,2 Unterer 5 (Crista tempor.) 98 91 93 96 94 96 95 105 der Deutschen, mit Vsonderr Berücksichtigung der Prien. er ARE | RE N, =u ep f J j x z hr a > i Zuiderzee | Friesland (Warga). y Marken ee Urk Schok- land | ö Q q ee (6) a a Er Be a Nr. 15 | Nr. 16 | Nr. 17 ne 18 | Nr. -, Nr. II | Nr. IT| Nr.I |Nr.IV | Nr. V |Nr. VI ‚ der Processus frontales ossis | | | | von einander, innen . 98 97 90 96,5 | 94, , | 97 94 99 | 96,4 | 92 85,5 ung der Processus frontales ossis | \ | . von einander, aussen 106 100 97 102 99,5 || 105,5 | 101 107? | 102,5) 99 96 raldurchmesser . 110, | a11E 912110751,.123: °1..119° || 182° 121 129,6 | 118 | 118 | 1095 durchmesser enraniankte | | “in. semieirc.) . ee 119 105 110 111 106 || 108 110,5| 1185| 113 106 | 108 Idurchmesser (Tubera parietalia) 139 | 122 129 | 135 127 || 130 131 | 132 132,5 | 126 | 128 a durchmesser (äussere Gehör- | | | | SR EP WE N RR 108 108 | 119 113 | 114 105,5 116,5 | 118 | 118 | 106 durchmesser (hint. seitl. Kohl.) | 103 | 108 114 103 |} 120 114 120 112,8 | 105 109 j idealdurchmesser Basis 124 | 118 113 126 124 127 126,5 | 132 | 129 | 123 | 115 e:; Spitze 109 | 101 97. | 105 98 || 107 | 100 | 106 | 1065| 1046| 91,5 des Gesichts (Nasenwurzel bis | | 120 112 _ _ | 122 99,6 _ — — = \ . keichts (bis Me N 70 65 62 - 74 || 69 58 17 73,9 71 = ie der Augenhöhle 38 35 34 36 38 34,5| 31 | 36 36 | 9375| 40 te derselben 40 41 38 39 40 3932| 39 | 42 40 39 37,5 rchmesser 136 123 121 133 126 || 127,5 | 124,2 | _— 126 | 125? 118,5 rdurchmesser . 92 | 86 83 87 94° | 93 | 85 97 — NACH 83 rdurchmesser 53 56 53,5 58 64 || 62,4 64 69 12x31,5 57 | 465 bitaldurchmesser 49 | a0 ARE | 40 || Bu. || Ahsclrgün, vu: Aa der Nase. 57 48 45 50 54 | 57 46 56 55 54,5 | 54 er Nasenwurzel . 22 16 21 20 22,5 21 20 18,5 1 18,6| 18 der knöchernen Nase oben . 12 15 6 11 12 55| 1 125| 15 9 10 2 = » Mitte 11 10 5 9,5 11 6 9 11 8 b A Br, = „ unten 16 13 13 _ 17 15 14 18 — | 16 13 je der Nasenbeine 25 _ _ _ _ 20 18 20 _ 19 20 der Nasenöffnung . 37,5) — _ _ _ 29 4005| — _ = > derselben 24 24 20 | 22 26 | 25 21 23 |(2X13)j 24,5 23,7 @ des oberen A renlafonienduce 17 17 18 | | 21 14 16 24 17 _ — ıtalumfang desselben . - 140 114 119 1:1229 |: 128 | 137 132 142 136 128 — (des harten Gaumens. . .. | 0| 0 0 al al 3) 57 | a | A | s | 37 desselben . . ph 30 34 31 I 42 40 || 4 35 36 36 35 35 htswinkel eaurkel, Ban | | | stachel, Ohr) . . . 70 7 | 70 78 75 | 70 so 78 so 78 83 izontalumfang d. Unterkiefers unten | 183 168 | — — _ | 197 170 _ _ | _ _ he des Unterkiefers median . . . 29 28,5 —_ _ —_ 30,5| 25 _ — — — des Kieferastes . .... . 59 52 — | _ —_ 65 49 _ —_ _ = mung der Kieferwinkel . . . 96 90 En — Ta 85 84 - _ —_ — » Kiefergelenke . J p 104 93 93 103 98 | 103 92,5 99 97 93 89 Bee de > le 185 4 | 190 —_ _ — || 125 | 130 _ _ - —_ Capacität. . - - Diagonaldurchmesser (Kinn bis Scheitel) Grösster Horizontalumfang 5 Grösster Quermfang (Gehörgang über Hiontanellejen-.. ee. Sagittalumfang des Stirnbeins _ Länge der Pfeilnaht Sagittalumfang der Hinerhauötäschugpe Grösster Sagittalumfang . 5 Querumfang der Hintorhaupteschufhen &, „ Stirn (Glab. Crista) . Geringste Entfernung der Plana tem- poralis von einander . Grösste Höhe Auriculare Höhe Hintere Höhe nr Vom hinteren Rande des Foramen magnum bis zur grossen Fontanelle Vom vorderen Rande des Foramen magnum bis zur grossen Fontanelle Vom vorderen Rande des Foramen magnum bis zur hinteren Fontanelle Vom äusseren Gehörgang bis zur Stirn- wölbung 3 @ B Vom äusseren Gehörgang bis zur Glabella Vom äusseren Gehörgang bis zur Schei- telwölbung . . EL RERER Vom äusseren Gehörgang bis zur Spitze der Hinterhauptsschuppe e Vom äusseren Gehörgang bis zur Hin- terhauptswölbung . . Grösste Länge . c E15 Von der Glabella bis zur Binterhuupe- wölbung a q Direkte Stirnlänge Süden, bis zur grossen Fontanelle) Direkte Scheitelbeinlänge 187 190 112 121 Blei- keller ö Raths- keller 2 91,5 177 174 109 99 Tabelle II. mBirtenmleen IQ 112 167 166 102 103 Willehadi Kirchhof NEO Mei 183 111 112 IV& | vo 1550 | 1510 107 118 118 änge der Hinterhauptsschuppe eren Gehörgang bis zur Na- sseren hehe bis zum ir ande des Öberkiefers . £ eren Gehörgang bis zum Zahn- @ des Öberkiefers . eren Gehörgang bis zum Kinn interhauptsloch bis zur Nasen- de terhauptsloch bis zum Nasen- nterhauptsloch bis zum Alveo- nde des Oberkiefers . linterhauptsloch bis zum Zah. des Oberkiefers . o Be auptsloch bis zum Kinn e ale Entfernung des Foramen le vom Kinn e Entfernung des EN ale v. d. Hinterhauptswölbung 3e der Suturasphenoparietalis rechts ze der Sutura sphenoparietalis links ite der Ala temporalis des Keil- der ‚Ala eetieihe as Keil. s links ® der Schläfenschuppe neh links rechts . links - - ontaldurchm. (Tubera- front) 5 (Crista tempor.) ng der Processus frontales ossis von einander, innen . ig der Processus frontales ossis m. von einander, aussen > Er Per oe en en E. Bir 5 “ > > 4 u. .- r ? ’ u a 2 a ee at x nn An ar 2 ie + RI 4 BERTER s it u [ x h % eo: m : „ Be LORER En, z Da Di N en BB Ra Berücksichtigung der Friesen. 8 u er. E a et E Maris Evi EN rk BAR TR i = 208 Bremen muss g Blei- | Ratlıs- N NA: | (Kurslack) u keller Fee Willehadi Kirchhof | j ö 2 19 | IIQ | m? | Wwö | vor Io an i | | N ” ("4.93 92 91 94 96,5 Dr a = 89 94,5 94 106,5 | 104 101 102 101,2| 108 100 || 95,6) 92 | 98 dor 7, 98 102,6 | 100,5| 106 9 || 95 |. 965 1 | | | | 98 | 111 | 102 | 111 | 108 [oa 103 || 105 [u | | _ _ =) ' — —_ 116 _ _ | _ — = Se Etre = — N | | 90 98 se | so | 10051 98 | 80.1 121. 9 | so 91 775| 888] 89 9% ,| 81° MB 84,8 1 | so == 81 96 95 945| 8 82 84 | | — Be = — = 96 —z —- — _ — _ 107 _ _ — ‚|| = _ | I = > — sı —i 4 u || —- — | 68 57 62 70 66 72 6 || 63 57 0 16 10 OraEKoE |» 10 u; ol" 14 0 13 12,0, 40 1a | | 20 21 a en 24. [mag a5] v19 16 | 20 | » 20 | 97 21 22 18,5| 16 “ Ziy6 za 65 66 0 62,6| 6 62 70 73 73 65 70 67 71 64 | 58 69 43 46 4 4 46 44 41,6 38 36 46 48 46 | 4 46 44 42 36,4| 375 40 37 35 36 38 36 | 32 35 34 34 34 27 27 0230, 17 81... 1% 08 33 29 168 | 1485| 140 | 1395 128,5 | 1495| 145 140 146 70 57 55 635) 61) 64 69 6005| 712 106 | 6 | 9332| 9,5| 95 93,5 | 103 | 101,6) 93 | | 104 101 90 100 92 | 96 | 100 100 95 112,5 | 106 | 100 | 109 100 104,5 | 107 || 107,5 98 EEE, Temporaldurchmesser B E ä Coronaldurchmesser rcähhgepiniite der Lin. semieire.) . Parietaldurchmesser (Tubera närietalia) Aurieulardurchmesser (äussere Gehör- gänge) . Oceipitaldurchmesser hin. seitl, Font.) Mastoidealdurchmesser en £,] Höhe des Gesichts (Nasenwurzel bis Kinn) Höhe des Obergerichts bis Alveolkerand Höhe der Augenhöhle Breite derselben Jugaldurchmesser Malardurchmesser Maxillardurchmesser Infraorbitaldurchmesser Höhe der Nase . Breite der Nasenwurzel Breite der knöchernen Nase oben . n ” n » » 2 Länge der Nasenbeine Höhe der Nasenöffnung Breite derselben Höhe des oberen AIrSolarförtshtzes Horizontalumfang desselben . Länge des harten Gaumens . Breite desselben Gesichtswinkel A eruzel; stachel, Ohr). Horizontalumfang d. Unterkiefers unten Höhe des Unterkiefers median . Länge des Kieferastes Entfernung der Kieferwinkel 5 » Kiefergelenke Kieferastwinkel . ©& Bandt Blei- keller ö 19 | 19 120 124,5 107 115 114 112? 114 110 112 107,5 121 117 105 103 zu 112 68 69 34,5| 35 38,5| 38 125 126 96 100 63 66,5 50 56 54 50 20 28,5 11 15,3 8 14 15 22,3 — 21 — 30,5 22 28 17 21 121 142 43 45 40 39 70 72 a 173 =" 29 — 68 =. 95 100 101 Willehadi Kirchhof IQ | IV | 120 | ® ;E% a a er Nr.I Nr. — Nr. V |Nr. VEINT. VILNVII 5 & & % l L | | | | | : 2 172118 Be ı21ı | ı24 | 127 | 127 | 194 | 185 120 | 1165|] 132,5 : messer aha | | £ ze (La dr 1.1132 1° 109° 17 109° | 1167| 110 120 | 111,51 111 inenser. (Lubera parietalis) 134 | 128 | ısı 136 | 131 | 129 | 127 197 126 | 135 I 135, « rdurchmesser (äussere Gehör- | x er ern 116,5| 119 | 126 | 119 | 106 | 128 || 133 | 119 || 180 Ditaldurchmesser (hint. seitl. Font.) | 112 | 108 | 122 | ıın | 115 | 115 | 108 | 117 || 115 | 12 || 118 idealdurchmesser Basis . . . | 115 | 128 117 |.125 | 129 | 123 — | 126 || 139 | 117 || 128 A Spitze . . 93,5 | 105? | 108 — | 108 | 108 | — | 108 || 116 94,5 | 108? e des Gesichts (Nasenwurzel bis | | Il | 1 ee 124 120 LuRn 115 — | 118 117 _ _ | _ e Obergesichts bis. Applet 72 _ 64 76 68 68 | 68717068 71,5 74,5 || 67 e der Augenhöhe . . .....| 36 36 34 39 sa | 36 | 37 | 3351| 36 35 || 33,5 Be... lu| 0 3783| 43 40 39 | 40 Ian || 44 39 || 38 Bäldurchmesser . . » 2...) — | 189 26 | 133 | 137 | 192 128,5 | 131 | 148 29 | 136 idurchmesser . . » . » . .| 845| 1035| 90 90 895| 81 97.| 5. 92 | 9 93 durchmesser . . -» 2...) 62 66 53 | 58 5 | 53| es | 62 2 | 59.1 87° aorbitaldurchmesser . . . . . 53 54 52 | 50 55 | 52 51 6 || 56 44 | 53 Ne. 0566| 557 51 55 Di De al WE: 55 50 j der Nasenwurzel - .. . .1...1..26° | 326 1.28 25,51 24 | 22 25 | 24 | 23 al 24 te der knöchernen Nase oben. . 9 9,5 HN dA 11 13 11 3 RR 15 Br „ » Mitte . 7 10 7,5| 10 8 12 10 alle Bl a8 11,6 -„ mtn . 16 | 20 15,5 | 18 17,5 19 16 177 I LE) IE 18 21 | 19 = 26 _ 20 21 -— | 8) 4 || — «| -| -ı 3| | | 0 — | | sat 3 | 22 | 25 26 | 24 24 245| 246| 26 24 23 26 | es oberen la forlankres x 17 19 16,2 22 20 18 20 | 20 18 talumfang desselben . . . . | 138 125 123 138 _ 110 127 135 || 185 | 135 || 150 es harten Gaumens . . . . 48 50 40 43 44 38 39 | 4 47 41 | 50 esselben . . . .| 40 40 32 35 32 32 38 40 || 40 | 34 43 nkel anal, RR i | Om)... . . | mo] 6850| 680] 73 Tan ıl0 :80 9 | 68 660 | 740 || 750 ME obang d. Unterkiefers unten | 174 | 164 | 173 — | 154 — /ıs | 0 | — | — 1. ‚des Unterkiefers median . . . | 30 38 | — 30 _ 30 a | — _ - BersRüefernstes . 2... . 63 70 2 | — 60 _ 51 59 | — _- | — : Risferwinkel . . .| 80 | 128 ee 9 - Jo| | - | - I — » Kiefergelenke . . .| 99 | 106 96 | 102 | 105 a 92 | 108 || 112 | 101 | 106 Beeren 10146 1186. | 160 — 1 148 — | iso laser ir Sm re ae 49* , J e R Mn « y Y = : Erklärung der Abbildungen. Tafel I. Männlicher Schädel von einem Kirchhofe der Insel Marken in der Zuiderzee ‚ RE Nr. 15 des Museum Vrolik zu Amsterdam (Catalogue de la Collection d’anatomie Ar de MM. Ger. et W. Vrolik. Amsterdam 1865. p. 11). Vgl. S. 63. RK; Tafel II. Weiblicher Schädel von ebendaher. Nr 16 des Museum Vrolik. Vgl. S. 6 Tafel II. Weiblicher Schädel von einem Kirehhofe der Insel Urk in der Zuiderz a r- Nr. 17 des Museum Vrolik, dahin geschenkt dureh Dr. van Ree von Zaanda Er Vgl. S. 80. = } f \ Tafel IV. Männlicher Schädel von ebendaher. Nr. 18 des Museum Vrolik, gleichfa N, durch Dr. van Ree geschenkt. Vgl. S. 83. Y ER Tafel V. Männlicher Schädel von einem Kirchhofe der Insel Schokland in der Zuider zee. Nr. 19 des Museum Vrolik (Catalogue p. 12). Im Text S. 57 irrthümliclh Aa als von der Insel Urk stammend angegeben. Vgl. S. 87, 371. SE = 5 ib. Schätze ur Stein geök. Arm Reli s J Ni N Bi y re U % f * e \ ö N N ‘ . { ( . D I J b f T » 1) » © “ I ir ® ‘ A a nn e- 7 j Prai Mb. Behnikger inv Stein gesk. Am nehm. Taf. Alb. Schüuge Am Stein gesk- Tal To Le BEER er: cr el mit besonderer Berücksichtigung der Friesen. 389 ” F R Inhalt. Anthropologische Typen: Der mittlere Typus S. 2. Der Urtypus, der abgeleitete und der Mischtypus S. 3. Der germanische Typus: Franken- und Alemannengräber S. 4. Brachycephalie und Dolichocephalie S. 5. Der klassische Typus der Germanen: Körpergrölse, Haare, Augen, Haut S.7. Allophyle Abstammungen S. 9. Die Schulerhebungen der deutschen anthröpologischen Gesellschaft S. 10. Friesland S. 13. Sitze und Abtheilungen der Friesen. S. 14. Reinheit des Volksstam- mes S. 25. Colonisation S. 26. Physische Eigenschaften der Friesen: äufsere Erscheinung S. 27. Nordfriesland S. 32. Bevölkerung in den Niederlanden S. 53. Schädelform derselben S. 35. Höhenmessung des Schädels S. 36. Die- alemannisch-fränkische Schädelform: Reihengräber S. 46. Die nordwestdeutschen Schädel S. 51. Die Schädelform der Insulaner der Zuiderzee S. 53. Die Inseln Marken, Urk und Schokland S. 56. Die Veränderungen der West- und Nord- küste durch Sturmfluthen S. 58. Die Schädel von Marken S. 63. Uebersicht der Ergebnisse der Schädeluntersuchung S. 75. Die Schädel von Urk S. 79, 372. Kritische Erörterung der Ergebnisse S. 97, 375. Die Schädel von Schokland S. 106, 371. 375. - Gesammtbetrachtung der Schädel von den Zuiderzee-Inseln (vgl. S. 376): Schädelindex S. 109. Länge S. 113. Breite S. 114. Basilare Länge S. 118. Schädeldach S. 119. Höhe S. 121. Gröfse S. 128. Künstliche Deformation S. 131. Gesichtsskelet: Augenhöhlen S. 140. Nase S. 142. Oberkiefer S. 146. Unterkiefer S. 151. Gesichtsform S. 152. Schädel aus Mittelfriesland S. 154. Westergau S. 155. Ostergau: Warga S. 169. Schädel vom Jahre 1500 S. 170. Jüngere Gräberschädel S. 179. Uebersicht der Schädel von Warga S. 185. Progenie S. 204. Schädel von Groeningen S. 212. Allge- meine Betrachtung der mittelfriesischen Schädel S. 213. Schädel aus Westfriesland S. 219. Schädel der Seeländer (Zeeuwen) S. 221. Andere niederländische Schädel S. 225. Prä- historische Funde S. 228. Schädel aus Ostfriesland S. 230. Der Moorfund von Friedeburg S. 231. Das Gräberfeld auf dem Amelsbarg von Potshausen S. 234. Vergleich mit dem Neanderthaler Schädel S. 236. Gräberschädel von Ihrhove S. 239. Die Steinsargschädel von Bandt und Dangast S. 240. Die Gräber auf der Wurp von Haddien S. 254. Der Schädel aus dem Todtenbaum von Dedersdorf S. 256. Schädel von Varel S. 257. Uebersicht der Schädel aus dem friesischen Oldenburg S. 260. Par zer Schädel vom Rathskeller (Domkirehhof) S. 280. Schädel von Ankum (Bisthum Osnabrück) S. 288. Gesammtübersicht S. 298. Schädel von Münster S. 503, von Hameln S. 308. Vierländer Schädel S. 311. Schädel von Neustettin $. 313. R Grolsköpfige Varietät (Kephalonen) S. 314. ü Basilare Impression (plastische Deformation) S. 317. Abweichende Bildung des Hinter- hauptsloches 8.332. Caput obstipum $. 339. Anchylose des Atlas mit Elevation des Clivus S. 340. Arthritis deformans S. 344. Diskoide Schädelform S. 345 Indices der eingedrückten Schädel S. 346. Künstliche Deformation S. 347. Dyen krasie: Verhalten der Zähne S. 348. Bildung der Nase. Leptorrhinie der Friesen S. 349. Behauptete Mesorrhinie und des halb Annahme mongoloider Mischung bei den Franken S. 352. Physiognomie 2 der friesischen Nase S. 355. Schlufsdarstellung: Chamaecephalie in Nordwestdeutschland und den nördlichen De u 2 der Niederlande S. 357. Allgemeine Bedeutung der Höhenverhältnisse in der = Craniologie S. 357. Die Friesenschädel mesocephal, mit "Neigung zur Brachy- en cephalie S. 359. Ist der friesische Typus ein Mischtypus? S. 361. Urspründ- un liche Verschiedenheit der germanischen Stämme S. 361. Vergleich mit den fin- Bi: nischen Stämmen $. 362. Die Friesen als der älteste germanische Stamm ver- 5 a schieden von den späteren Erobererstämmen S. 364. Die Teutonen des Pytheas +3 S. 364. Die Ingaevonen des Taeitus und Plinius 8. 365. Vergleich mit den BE AR Ra Nordgermanen (Skandinaviern) S. 367. Die Brachycephalen der Steinzeit in Dä- Br, LH nemark und die Zeeuwen 9. 369. A we; A, BB. Nachträgliche Verbesserungen $. 371. Ein weiterer Schädel von Urk $. 372. Drei weitere Schädel von Marken S. 375. Corrigirte Uebersicht der Haupt-Indices der Zui- derzee-Schädel S. 376. Fr Sehlufstabellen: I. Die Schädel der Zuiderzee und von Warga S. 379. II. Die Schädel von Bandt, Bremen und den Vierlanden $. 332. III. Die Schädel von Ankum, = Münster und Hameln S. 385. wi i Erklärung der Abbildungen S. 388. ar NT N \ ‚ £ ii | vr N 7 er 1 fi en. ; EWR FR Ai ET, “ N u FE Verbesserung. Auf S. 11. Z.5 v. oben 4,888,145 statt 4,338,045. ’2 Auf S. 11. Z.15 u. 16 v. oben muss es heissen: so erhält man für den brünet- _ ten Typus 13,07 pCt., also wenig mehr als ein Achtel aller Schulkinder. 53,82 pCt., also mehr als die Hälfte aller Schulkinder, gehören dem gemischten Typus an. “el Phys. Kl. 1876. i Dt N 1 Fies, eh rd N Dh 3 RE EWR. a" Eur: Y BR Pe ER Ale RAWa Yu, Ne on. a AR TRRRRAL RL a ü FRE a ae Bu 3; N N Lues A, " DR TE A Hu Hrn Ser. Fire u ke PR Ha 3 Ay poll, KPAn Kinn a Rr San a Ks en Er ne RN a ER BERNER. gar Y% ei. angehs au a Aa ON RB Rita! DR a a Miftunns RE E Rt ‚ Me De I GN u ss vn Sek Dapa N Re e Ehk.SB2, 6 gede ER, uni nah 107 Naben dh or men Be are. 4, BR ie an he hi ‚ou SEHEN ‚rahuihkiloeh tie tahelhuf Nerlanı al, Ahead ara Dale ET | aa mt al IapehOON seroerüllrd ol nl anib a M N a oh PR ER. N rl wi Ai A WA ‘ Na Urn TRahN Basen Ein“ re - - m Er j ‚ ! er a ‚Y f en ge Mr ah: BYYr * Mark Bi A De TE KA a Yu PR 3 ber, Zar gt SIR N HS | A Ve ea TH, Aka BRD ’ ] | an 4 13 f \ iM a E° x Sue Kae 2: rü ur Be ER ee Al pen reger : t u ; SR TRIBR. aut Über die Witterung des Jahres 1875 und Anfang 1876 R u% sr [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 11. Mai 1876.] MW eröiiche man die Witterungsverhältnisse eines bestimmten Zeitabschnitt des Jahres mit dem normalen Werthe der Temperatur, des Barometer- standes, der Feuchtigkeit und der Regenmenge, wie sie sich aus einer langen Reihe von Jahren für diesen Zeitabschnitt ergiebt, so findet man, dass sie denselben entweder übertrifft, oder unter ihm zurückbleibt. In diesem Sinne spricht man von strengen und milden Wintern, von trock- nen heissen und kühlen feuchten Sommern. Da dieselbe Witterungs- eigenthümlichkeit aber selten länger als emen Monat anhält und wenn dies geschieht, nicht grade mit Anfang desselben beginnt, so unterschei- det man in Beziehung auf den Zeitpunkt, an welchem die intensiveste andauernde Kälte eintritt, Winter, in denen diese sich um die Zeit zeigt, wo die Temperatur in der Regel am niedrigsten; Frühwinter, wo sie früher erfolgt; Nachwinter, wo dies später geschieht. Auch kommt es vor, dass in demselben Jahr zwei dieser verschiedenen Formen sich an einander anschliessen, wo die zweite Form als Rückfall bezeichnet wird, der sich als nicht mit der ersten Kälte zusammenhangend dadurch kennt- lich macht, dass die ganze Kältedauer in der Mitte durch geringere Kälte oder eine wirkliche Temperaturerhöhung über den Thaupunkt unterbrochen ist. In zwei im Jahr 1870 und 1873 erschienenen Abhandlungen!) habe ich dies an auffallenden Beispielen nachgewiesen. 1) Über die Zurückführung der jährlichen Temperaturcurve auf die ihr zum Grunde liegenden Bedingungen Monatsbericht 1370 pag. 365 und 1373 pag. 616. Phys. Kl. 1876 (2 Abthl.). 1 er ‘ SAL F ARE < E N 4a nr DD Dove: Indem ich die einzelnen Jahrgänge einiger Orte, für welche eine sehr lange Beobachtungsreihe vorhanden war, mit dem mittleren Werthe derselben verglich, erregte es mein Erstaunen, dass unter den auffallenden Jahren eine Übereinstimmung hervortritt, welche dazu anregte, die zu warmen in eine besondere Betrachtung zusammenzufassen und ebenso die zu kalten. Lorenz m seinem „Lehrbuch der Klimatologie mit besondrer Berücksichtigung auf Land- und Forstwirtschaft Wien 1874 pag. 326 —327 hat die Bedeutung derartiger Untersuchungen hervorgehoben ebenso Gustav Karsten in Kiel in einem eben erschienenen Aufsatz (neues Reich 1876 pag. 386). Da die höchsten Gebirge nur als Untiefen in das Luftmeer hinein- ragen und daher in den höhern Regionen der Atmosphäre von der Luft überströmt werden, so wird man natürlich nicht voraussetzen können, dass die Luftströme in so unveränderlichen Betten fliessen als die Wasser- ströme. Aber eben wegen des gruppenweise Eintretens der Phänomene ist es wahrscheinlich, dass Jahre ungewöhnlicher Witterung in kürzere Zeiten aufeinander folgen und dann längere Zeit gewöhnlichern Verhält- nissen Platz machen. Bei der Breite der Ströme ıst das Terrain, welches von den ungewöhnlichen Verhältnissen betroffen wird, ein relativ ausge- dehntes umfasst aber natürlich nicht gleichzeitig eine ganze Erdhälfte, da wenn an bestimmten Stellen die Luft der heissen Zone in die ge- mässigte sich ergiesst, an andern nothwendig das entgegengesetzte statt- finden muss, da der unveränderliche jährliche barometrische Druck am Äquator zeigt, dass im Allgemeinen das Quantum der Luft in der heissen Zone dasselbe bleibt. Doch treten freilich in sehr seltnen Fällen Aus- nahmen hervor, wo auch in der gemässigten Zone eine bestimmte Wit- terungseigenthümlichkeit ungewöhnlich lange fortdauert. Das Jahr 1875 und die Witterung der ersten vier Monate von 1876 geben einen Beleg davon, so auffallend, dass näher darauf einzugehen gerechtfertigt erschei- nen wird. Nach einem besonders in Süddeutschland Ende November und December 1874 strengen Vorwinter trat ein besonders in der Mitte des Monats verhältnissmässig sehr milder Januar ein. Im Februar und März folgte dieser milden Witterung eine äusserst intensive Kälte, dann aber nach einem warmen Mai und Juni heftige Gewitter im Juli. Eine drei | 1 > er =” Ka Wi a no Er un SRTaR & 1} j = pe vor £ ‚ > +2 .. b - Über die Witterung des Jahres 1875 und Anfang 1876. 3 Wochen hindurch ununterbrochen herrschende Heiterkeit des Himmels mit entsprechender hoher Wärme erniedrigte den Wassergehalt der Quel- len in Thüringen so stark, dass der Wassermangel grosse Besorgniss er- regte. Diese Verhältnisse veränderten sich Mitte und Ende October be- deutend. Heftige Niederschläge erfolgten. Mit intensiver Kälte begann das Jahr 1876 und mächtige mit kurzer Unterbrechung sehr warmer Witterung bis Ende April eintretende Schneefälle und Graupelschauer veranlassten beim Schmelzen der gefallenen Schneemassen ein Anschwel- F len der Donau, des Po und der Etsch und aller von Süd nach Nord und von SO nach NW fliessenden Ströme, wie es seit 40 Jahren nicht erlebt worden war. Grossartige Überschwemmungen, veranlasst dadurch dass das Schmelzen des Schnees bei steigender Jahreswärme vorzugsweise durch Regen vermittelt wurde, verwandelten in Ungarn, Österreich, der Schweiz, Sachsen, Westphalen, Rheinland, Belgien und Frankreich die frühere . Wassernoth in eine Wassersnoth, an welcher sich auch England und Schottland betheiligten. Obgleich die Stationen des preussischen meteo- rologischen Instituts mit den Stationen der deutschen Lande, welche sich an dasselbe angeschlossen haben, erlaubten, zwischen Memel an der russi- schen Grenze und Friedrichshafen am Bodensee an 95 Stationen die 73 fünftägigen Mittel des Jahres 1875 mit den normalen Werthen derselben, bestimmt aus vieljährigen Beobachtungen (1848 — 1867), zu vergleichen, YH so zeigte sich doch nach Zeitungsberichten, dass über die Grenze des deutschen Gebietes hinaus analoge Erscheinungen sich gezeigt hatten. b Dies veranlasste mich daher, auch auf zunächst benachbarte Länder die Untersuchung auszudehnen. Ich habe dies gethan in Beziehung auf Österreich und die Schweiz. Für Österreich sind die normalen Werthe auf dieselben zwanzigjährigen Mittel bezogen, für die Schweiz sind eben- falls die normalen Werthe aus langjährigen Reihen ermittelt. Die Origi- E nalbeobachtungen sind veröffentlicht in „10 Stationen in Österreich“ und n „Schweizerische Beobachtungen“. Wegen der Vergleichung der Beobach- tungen dieser ausländischen Stationen mit den Abweichungen des preussi- schen Instituts sind die in der Centesimalscale ausgedrückten Werthe Y derselben auf die Reäumursche Scale reducirt worden. Die im europäischen Russland und Sibirien erhaltenen Resultate 1 ni 4 Dove: der Beobachtungen konnten nicht mit aufgenommen werden, da jetzt erst der Jahrgang 1874 derselben publicirt ist. Alle Zahlen, wo die Abweichung 24, übertraf sind mit fetter Schrift gedruckt, um das Andauern der Witterungseigenthümlichkeit anschaulicher zu machen. Die strenge Kälte schloss nicht mit dem Jahre 1875 ab. Unge- heure Schneefälle bei fast ununterbrochen bedecktem Himmel setzten sich in den vier ersten Monaten des Jahres 1876 fort. Ich habe die Arbeit daher bis in diesen Zeitraum fortgesetzt und hege die Hoffnung, dass endlich die so sehr verspätete Vegetation bei günstigern Witterungsver- hältnissen das nachholen wird, was bisher versäumt worden war. Meine Untersuchung über die durch fünftägige Mittel dargestellten Abweichungen der Temperatur eines bestimmten Jahresabschnitts von seinem vieljährigen normalen Werthe beginnen mit dem Jahre 1781, um- fassen also einen Zeitraum von 95 Jahren. In diesem Zeitraum zeichnet sich das Jahr 1785 durch ungewöhnlich andauernde niedrige Wärme aus. Ein Analogon zu 1785 bildet 1875. In meiner persönlichen Erinnerung war die langdauernde Kälte vom Jahr 1812—1813 und die von 1838 intensiver, ebenso die von 1858, aber einer so anhaltend ungünstigen Witterung weiss ich mich nicht zu erinnern, da selbst der eisige Winter von 1812 auf 1813 eine etwas kürzere Dauer zeigte, für deren genaue Untersuchung aber umfassende meteorologische Beobachtungen fehlen. In dem hier betrachteten Zeitabschnitt ist aber noch ein Factum zu erwähnen, welches Aufmerksamkeit verdient. Es sind dies die schnell aufeinander folgenden ungewöhnlich hohen und niedrigen Barometerstände, welche fast die Grenzen überschritten, welche wir in Beziehung auf die Schwankungen des Luftdrucks an demselben Ort zu sehen gewohnt sind. Von den nicht zu dem preussischen meteorologischen Institut ge- hörigen Stationen, wo besonders in der Schweiz erhebliche Höhendiffe- renzen vorkommen, ist die geographische Lage folgende: As» Orr in Österreich: Stationen Breite ; Sagapk 1 Ehe Beobachter Länge v. Gr. | in Metern 1 | 298 Dr. Stanecki | 217 Sternwarte 455 Dr. Stainhaussen 354 Dr. Reslhuber, Fritsch 234 J. Castellitz 424 Dir. Fritsch 197 K. K. Centralanstalt 24 Dr. Farolfi Meteorologische Station 32 Kriegsmarine 19 Graf Buchich 23 Academia di Marina Mrogen er Ih; 47° 23 | 9° 35' 470 | Wanner : Altstätten. ... . 47 25 9 35 478 Wehrli Zieht = 2 Se CAT ERE | 8 35 470 Observatorium Alto anne 46 53 8 35 454 Nager Aftoltern . . u % 47256 7 35 795 Kuhn ET er N 47.33 2235 278 Preiswerk Chaumont. ... . ir 6 50 1150 Sire Neuenburg ....| 47 0 6 50 488 Observatorium Kant ae on 46 12 645 408 Sternwarte St. Bernhard ... | 45 52 2 45 2478 Hospiz Graechen . . .. . 46 12 7 50 1632 Tscheinen Sils Maria ....1 46 26° 94,50 1810 Joh. Caviezel. % Castasegna .... | 46 20 9 35 700 Garbald x 1874 ‚ 1875 Monat Novbr. Decbr. Januar Febr. März April 28—1 2—6 7—11 12—16 17—21 22—26 27 —1 26 it 12—16 eo 22—26 gl 15 Sl) 11215 16—20 91--25 26—30 31—4 3—9I 10—14 15—19 20—24 25—1 2—6 7—11 12—16 17—21 22—26 27— 81 1—5 6—10 11—15 16—20 21—25 26— 30 rn nn nn nn mn > Memel 1.91 1.90 3.83 0.39 2.50 1.30 0.64 2.25 1.77 0.75 0.22 3.21 6.31 5.83 2.72 0.65 3.15 0.23 1.88 1.71 1.88 2.29 4.86 3.12 6.24 3.04 1.28 0.18 1.96 3.76 0.94 1.58 0.92 1.86 2.33 3.68 1.74 Tilsit Claussen 0059 1.09 1.72 2 _ 1.28 — 1.81 0.78 1.94 2.66 2.18 2.10 — 0.15 — 9.44 — 6.80 — 5.86 — 0.81 3.03 1.22 — 0.66 0.45 — 0.06 — 2.46 — 6.06 — 9.16 — 9.24 — 2.75 — 1.68 0.10 |— 1.69 — 9.68 — 0.9 |— 0.79 0.51 — 2.78 — 1.94 \— 4.28 — 0.62 Königs- - berg — 0.38 1.32 1.87 — 1.47 — 1.60 — 0.72 0.57 1.00 1.61 0.21 0.57 = 1.46 — 5.88 — 5.37 — 4.03 1.80 4.70 0.72 0475 1.71 75 — 2.16 — 4.77 — 4.30 \— 7.41 \— 3.44 — 0.56 — 0.07 \— 1.93 — 497 — 1.14 |— 1.04 1.52 — 3.09 — — 3.16 — 1.98 Hela 1.49 1.45 1.96 1.91 0.44 0.84 0.67 0.44 0.72 0.02 0.14 0.82 3.04 2.16 1.84 1.22 3.74 0.45 0.46 1.59 1.38 2.20 3.30 3.06 4.79 0.76 0.14 0.07 1.59 2.83 0.43 0.76 0.72 1.92 1.19 2.81 0.71 Danzig 0.54 0.59- 0.88 — 2.58 — 0.37 — 0.77 — 0.01 — 0.31 0.53 — 0.74 — 0.49 — 1.46 — 4.79 — 9.35 — 3.91 0.90 4.49 0.20 — 0.63 132 — 1.70 — 3.66 — 4.95 — 4.70 — 7.59 — 3.10 — 114 — 0.74 \— 2.57 — 4.10 — 1.23 — 1.01 0.76 — 3.01 — 1.75 — 3.70 — 1.08 Conitz 0.46 0.52 1.52 ee 0.25 0.36 1.36 0.74 2.00 1.02 0.33 0.35 — 2.89 — 8.94 — 1.54 2.92 6.55 1.66 0.31 — 1.45 — 1.48 — 2.82 — 4.00 — 4.07 — 7.48 — 2.87 0.25 — 0.81 — 1.97 — 4.43 — 0.07 0.24 1.73 — 2.33 — 0,98 — 3.32 — 0.55 Cöslin 0.06 = 002 0.22 or al 00 0.40 — 0.34 0.38 — 0.01 — 0.61 — 1.29 — 9.61 — 4.82 — 1.28 2.28 9.25 0.74 — 0.94 1.25 ı—: 1.20 — 3.28 — 4.32 — 3.09 — 6.69 — 1.98 — 1.78 — 0.09 — 19:33 — 3.34 — 0.97 — 049 2.28 — 19:05 — 0.90 — 83.90 = 2102 | RT en Ra are a ner ) . 7 2 % 2. N - PIE np np) £? m... \ ur? o ei - ji er r dt, re SE Re ® | eF ‚pP ar Kr - h“, Mn Bi R tn . ® Übe > die Witterung er Jahres 1875 Pr Kofi; 1876. 7 "Abweichungen 1874. 1875. Rostock Poel Schwerin Schönberg) Kiel ne Altona ER] Lübeck Eutin münster | } 1.01 0.91 ol — 7.461 904.37 1.66 2.36 1.18 1.47 — 0.05 0.39 |— 0.36 0.05 1.07 0.51 0.43 1.07 0.50 0.61 1.05 0.57 0.34 0.53 1.21 0.88 1.40 1.87 0.97 1.32 — 4125 |—10.75 |" 1.82) |" 1.20 0.09 |— 0.55 0.05 |— 0.35 |— 0.79 |— 0.32 0.51 149 |— 0.21 |— 0.33 |— 0.36 | — 0.90 1.44 0.26 |— 0.01 0.32 — 34 |— 291 |— 410 |— 401 |— 2.25 |— 038 |— 2.63 |— 2.85 0.48 0.15 0.33 0.14 0.48 0.10 0.72 0.17 1.13 0.59 0.94 1.23 0.40 0.56 0.77 1.01 1.32% 1006.1:00 1.14 0.48 0.74 0.69 — 049 |— 0.19 |— 0.62 |— 0.67 |— 0.06 |— 0.27 0.40 0.76 |— 0.36 | — 0,57 — 1.08 |— 1.04 |— 1.59 |— 142 |— 0.30 0.97 1.31 | 1.151 | 087 108 — 2.66 |— 2.19 |— 2.76 |— 3.88 |— 2.37 |— 458 |— 3.63 |— 3.90 _ — 4.01 — 182 |— 2.48 |— 247 |— 259 |— 175 |— 334 |— 185 |— 2.32 |— 2.64 | — 2.00 — 3.48 |— 4.53 |— 4.23 | — 4.80 |— 3.92 |— 6.59 Fr 4.85 | — 5.15 |— 4.84 17 4.63 se Enge ital aier era ea tnan) or naad eo] 2 1.09 \— 0.55 0.90 0.69 1.25 0.00 1.98 0.56 0.79 |— 0.28 3.69 3.84 4.54 4.03 4.53 449 | 5.64 4.57 4.59 4.17 5.87 5.84 6.13 5.46 5.67 6.73| 6.86 6.06 | 6.08 6.05 0.50 0.32 1.27 0.21 0.95 0.20 | 1.75 0.94 | 1.52 0.38 — 1.22 |— 0.54 |— 1.78 |— 0.32 0.03 |— 1.09 |— 0.30 |— 138 |— 0,55 |— 0,50 0.95 0.93 0.81 |, 0.61 1.20 0293| 142 | 016 0.62 |— 115 — 2.63 |— 1.97 |— 2.52 |— 2.18 |— 184 |— 2.00 !— 1.70 |— 1.96 |— 0.42 |— 1.30 — 3.15 |— 2.68 | — 3.73 |— 3.18 |— 1.76 |— 3.17 |— 1.76 |— 2.76 |— 2.83 | — 3.25 — 2.22 |— 2.09 |— 2.26 |— 1.84 |— 0.58 |— 183 |— 1.00 |— 2.02 |— 1.89 |— 1.28 — 3.88 | — 4.35 —LIB 134 2.45 |— 3.20 |— 3.00 | — 3.89 |— 3.61 | — 3.04 — 6.16 |— 5.49 ae — 5.50 |— 5.90 |— 6.39 | — 6.83 | — 5.27 — 240 |— 2.53 |— 3.17 | 3.04 |— 1.74 \— 0.45 |— 2.08 |— 2.63 |— 2.96 |— 2.76 0.77 0.71 1.32 1.51 TA0N WE DT50. TE EI TA 0.48 1.39 1.25 — 1.0.07 0.04 | — 0.09 0.36 | 0.13 0.07 | 0.09 |— 0.17 |— 0.46 |— 0.74 — 2.65 |— 0.67 |— 3.02 |— 215 |— 2.01 |— 2.52 |— 247 |— 3.16 |— 2.57 | — 2.66 — 179 |— 1.22 IF 1.46 0.40 |— 1.01 |— 3.31 |— 1.45 |— 2.59 _ — 1.35 0.51 | 0.06 0.40 0.07 0.97 0.40 |— 0.19 |— 1.14 — 0.55 0.66 0.72 0.83 | 0.60 1.25 |— 0.07 0.19 0.27 _ 1.06 0.44 gr 0.68 |— 0.10 |— 0.30 015 | 028 | 039 _ — 046 — 134 |— 102 |— 1.20 |— 0.35 |— 040 |— 1.06 |— 0.75 |— 1.35 |— 1.11 |— 0.7 —=.r0.88 0.26 0.03 |— 0.45 |— 0.67 |— 0.64 |— 047 |— 1.05 |— 0.10 0.11 — 2.96 | — 2.94 |— 3.12 |— 2.52 |— 2.39 |— 3.37 |— 2.90 |— 3.74 |— 3.23 | — 3.42 0.52 1.11 0.92 0.64 1.10 |— 0.02 |— 0.44 |— 0.58 0.70 |— 1.15 1874 1875 Monat Novbr. 283—1 2—6 7—11l 12—16 17—21 22—26 27—1 Decbr. 2—6 7—11 12—16 17—21 22—26 27—31 Januar 1—5 6—10 11—15 16—20 21—25 26—30 Febr. 31—4 5—9 10—14 15—19 20—24 25—1l März 2—6 7—11 12—16 17—21 22—26 27—31 April 1-5 6—10 11-15 16—20 21—25 26—30 Öttern- dorf I 3 wre > Dose: ol an Abweichungen 1874. 1875. Lüneburg 0.77 \— 0.19 0.34 — 0.64 0.07 — 3.95 0.32 0.14 0.01 — 12.08 — 18.97 — 2.82 — 5.40 — 0.34 1.23 9.28 6.64 Dach | > Oo 7 DD rn Mm | SS Don po {er} —ı BESONDERS EDETI 1% now oO m & [e7) » °o e) 2.36 — 1.06 0.10 — 1.97 — 0.38 Hinrichs- hagen 0.03 0.35 1.14 — 1.45 0.57 — 3.55 1.12 0.29 0.76 — 0.77 — 1.23 — 1.86 — 4.82 — 2.62 0.96 4.15 6.66 1.36 — 1.08 0.58 2.92 — 4.32 — 3.97 | — 5.24 — 9.68 — 4.27 0.24 — 0.62 — 2.83 — 2.63 — 3.32 0.19 0.86 — 1.88 0.03 — 2.17 0.11 Berlin — 0.05 — 0.23 1.00 — 0.84 0.91 — 1.51 2.11 0.58 1.25 — 0.06 — 1.37 — 1.34 — 3.57 — 1.24 — 1.62 4.59 7.16 1.04 | e © a aoapmwwvo DS AU OO © 0 or Wo So ©‘ Frankfurt 2.d.O. | — 1.04 — 1.36 0.93 — 2.29 0.55 — 1.84 1.03 — 0.19 1.14 — 0.03 — 1.06 — 1.22 — 3.60 — 12.69 — 9.81 4.15 7.1 2.28 ee) 0.53 2.60 — 5.42 — 4.56 5.26 _ 6.93 — 4.06 0.44 1.52 —_ 3.12 — 0.26 © -ı MHeo © empor» os a m mn a [0 >] [371 Posen —. en 1.36 —ı Ri 0.32 — 1.27 0.69 1.70 0.67 — 0.45 — 0.43 — 3.40 — 3.62 — 1.36 3.36 7.01 2.83 0.00 1.37 |=.12.06 — 3.97 — 4.44 \— 9.67 — 7.51 — 4.16 0.76 — 0.74 — 1.85 — 3.97 — 0.12 0.05 1.83 — 1.76 — 0.40 — 2.75 Bromberg | Krakau — 0.88 — 0.413 0.80: — 2.06 — 0.72 — 1.0.76 0.59 — o1 1.55 0.68 — 0.53 — 1.05 — 4.08 — 4.80 — 3.52 2.49 6.11 7.74 0.31 1.55 — 1.34 — 3.44 — 5.54 — 5.98 — 8.08 — 3.51 — 0.17 — 0.66 — 2.07 — 5.17 — 1.45 — 0.38 1257 — 2.25 — 0.81 — 3.37 — 1.32 lat j FE S> u ß FTSE ee; a Ce f ze 4 5 u: > ir jur BE] NT ET Box FREE ® ee Sale RE YV 1 Be 4 I: ee BE NE ra Fi, Ben Anfang 2 Da > h ui 2 ‚rs 4 F SR heilen 1874. 1875. EEE NEHER u Eichberg | Wang Görlitz Zittau Bautzen a Dresden | Rehefeld | Genen“ 1 Freiberg Hermsdorf | | burg — 13.12 | 1.23 | — 1.92 I 2.00 | 2.13 |— 1.70 las 341 | — 2.92 [= 3.50 1a 286 |— 1.53 — 3.15 | 147 |— 0.96 |— 1.50 j& 2.17 |— 2.08 |— 2.84 — 3.35 |— 2.83 |— 1.55 |— 1.52. 0.62 | 213 0.26 |— 0.64 |— 0.06 0.09 |— 0.97 0.56 1.14 1.02 1.47 — 4.09 | 4.06 |— 3.26 |= 3.32 |— 3.29 | — 3.68 | 3.94 | = 3.74 |— 3.56 |— 2.08 |— 2,99 — 0.59 0.00 | 010 | 012 |— 032 | 028 |— 0.60 0.07 |— 0.18 | 011 |— 0.04 — 210 |— 3.02 |— 244 |— 2.04 |— 3.10 |— 219 |— 3.30 |— 3.32 |— 3.10 |— 3.17 | — 2.96 — 2,50 1.14 |= 0.29 |— 0,59 | 0.19 |— 0:70 |— 0,34 |— 181 | 0.82 0.38 0.39 — 1.46 |— 047 | 0.15 |=0.86 0.32 |— 1.30 |— 0.91 — 0.70 I— 220 |— 1211-09 0.64 |— 2.16 1.08 1:96 (84.02, | UT 1.24 0.03 | 0.66 | = 2.50 0.39 0.85 |— 0.77 0.46 0.70% | 10.52 [Wr ogg || =0,80 | 0 | el ro een — 149 |— 242 |— 0.86 |— 0.65 |— 1.27 |— 087 |— 182 — 1.26 |— 117 |— 193 |) — 2.15 = 40.44. 7a | 1077 | | 30 || Eroaı IF Er — 3.15 | — 4.63 |— 3.49 = 3.42 |— 4.13 | — 3.97 | — 4.04 ar 3.59 1 — 6.81 | — 7.47 | — 4,83 u N | a ne: [> 152er 0.93 0.17 Sa 1.24 |— 0.12 0.89 0.73 0.7 | 058 |— 0.01 | "0.65 0.38 0.93 1.07 4.03. 10= 19.75 2.69 2.040 |mE43 237 | 1.74 1.31 1703.59 4.60 | 3.38 4.07 6.44 | 6.01 6.28 5.18 5.56 5.44 5.38 | 5.27 5.96 | 6.70 5.92 3.46 | 1.86 2.58 2.79 3.54 3.45 2.78 | 2.32 3.32 |" 3.07 2.50 3.12 I 2.33 |— 145 |— 1.65 |— 2.16 |— 124 |— 3.12 5 2.94 |— 2.94 |— 1.69 | — 2.61 0.27 | 057 0.26 | 0.97 045 | 2.11 |— 0.89 |— 0.69 |— 0.33 |— 0.22 |— 0.35 — 3.23 !— 4.06 !— 3.55 |— 3.54 | — 3:91 !'— 3.48 | — 4.97 ı— 4.80 |— 4.54 | — 3.26 | — 4.75 — 6.26 I- 4.47 |— 6.36 |— 7.53 |— 6.92 | — 7.14 | — 7.63 | — 7.07 |— 698 |— 7,55 |— 5.5 — 5.17 — 3.88 |— 4.94 |— 5.58 | — 4.47 | — 4.04 |— 4.83 — 227 |— 4.10 | 4.79 | — 3.67 — 5.14 |— 3.34 | — 6.53 | — 8.60 |— 5.92 |— 6.61 | — 7.11 \— 5.92 |— 6.93 | — 6.84 | — 6.09 — 4.62 1 2.68 |— 6.32 | — 6.29 | — 6.74 | — 5.66 | — 6.10 — 4.15 = 5.25 — 6.54 | — 4.65 — 4.77 lo 2.95 |— 4.42 | — 4.69 | — 4.67 | — 4.47 |— 9.41 = 5.03 | — 5.62 |— 5.37 | — 4.65 — 0.46 1.23 |— 0.55 |— 151 |— 0.37 |— 0.83 |)— 042 | 033 0.70 |— 0.09 0.46 0.49 | 1.76 |— 0.9 |— 125 |— 0,55 ® 091 | 0.7 |= 1.10 0.03 |— 0.49 | — 0,66 — 2.29 |— 3.26 |— 2.72 |— 3.52 |— 3.36 |— 4.87 |— 4.13 — 4.01 | — 3.70 |— 3.71 | — 4.20 — 9.12 | — 4.82 |— 4.06 | — 4.69 |— 5.11 | — 5.22 |— 4.98 | — 4.00 |— 4.63 | — 3.96 | — 3.77 Zoos |= 00 |— 073 |= 1.3 |— 146 |— 196 |— 1.05 | 0.03 |— 0.59 |— 0.76 |— 1.23 I I I 057 | 0.87 0.04 | 0.56 |— 0.40 |— 0.95 |— 0.54 — 0.32 |— 0.5 | 023 |— 066 2.28 | KT 1.85 0.77 | 0.99 0.84 1.21 0.11 0.42 | 1.00 | — 0.39 — 1.12 Ina 2.30 |— 193 |- 188 | 2,52 |— 1.4 |- 326 —- 1.0 |—- 299 |- 296 |— 2.397 =340:67 | — 0:80 | = 0.84 || = 1.17 | 21.60 | 1.25 | 17T | 70598 Is 1.14 |— 1.10 1 — 0.98 — 199 |— 2.30 | 2.38 | 1.43 = 2.57 |— 2.66 — 315 ERBEN Er nen = 010 |—- 0.8 Ba re er 097 & 2.038 |— 0.84 |— 055 |— 0.21 FT PETER EN f re SM & nr 3 MM 10 VER RE RERHIN 4 \ Se: ee ö 1 er ie ; Abweichungen 1874. 1875. . . ä Ober- 3 Monat Riesa en: Chemnitz | Annaberg | Wiesen- WERE Zwickau Seeger Leipzig | Zwen hain dorf grün £ thal : 1874 Novbr. 23—1 — 2.03 — 211 |— 2.63 |— 1.28 2.99 |— 2.45 | — 2.38 0.35 |— 2.56 2—6 |— 2.07 |— 3.01 |— 2.49 |— 1.01 |— 2.58 |— 1.83 |— 244 |— 0.19 |— 1.95 7—11 1.33 1.28 0.91 1.71 2.34 1.03 oa 53 0.88 12—16 |— 1.73 |— 341 |— 3.08 |— 3.19 |— 3.71 |— 2.81 |— 276 |— 3.78 |— 2.66 17—21 | — 0.17 | — 0.49 — 0.11 |— 0.97 | — 0.77 0.14 0.06 | — 0,99 0.40 22—26 |— 2.85 |— 462 |— 0.15 |— 4.23 |— 442 |— 3.08 |— 4.02 | — 5.44 |— 3.43 27—1 0.67 |— 0.44 | — 0.77 | — 0.07 | — 0.63 1.22 0.90, — 0.18 0.64 Decbr. 2—6 0.42 0.24 |— 0.27 |— 0.59 — 0.80 |— 041 | — 0.88 |— 0.58 | — 0.76 7—11 1.37 0.48 1.13 0.01 | — 1.34 1.11 0.92 | — 0.70 1.0i 12—16 0.54 |— 044 |— 057 |— 0.23 |— 1.26 0.038 | — 0.83 | — 0.77 |— 0.18 17—21 | — 0.8 |— 143 |— 1.37 |— 1.87 |— 2.14 |— 1.30 |— 1.50 |— 1.64 |— 1.79 22—26 |— 2.31 |— 0.80 |— 2.35 |— 1.37 |— 434 |— 132 | — 1.60 |— 1.84 |— 1.76 27—31 |— 4.55 |— 441 |— 4.82 | — 4.97 | — 5.90 |— 4.48 |— 5.25 |— 5.47 |— 4.98 1875 Januar 1-5 0.64 0.66 0.38 0.66 | 1.68 |— 0.02 0.07 0.01 |— 0.09 6—10 1.10 0.28 2.49, 10.062053 1.54 1.35 | 0.18 as 11-15 4.47 4.58 3.45 3.82 3.53 4.01 3.78 3.21 3.49 16— 20 5.87 5.53 5.88 4.70 4.55 6.32 5.37 4.22 6.52 21—25 3:30 2.10 2.56 1.49 1.02 2.19 |= 2.45 legt 2.78 26-3001 340.99 2 39 ea oa 20:98 | eo DISS oT nen: Febr. 31—4 Dos oe oe on oe 0:01 120.26 59. | 2.22 | 5.06 |= 4.16 5.49) 5,85. — 4.00) = 4:81 12 57797 22232 10—14 |— 6.43 | — 6.36 |— 7.03 | — 6.60 — 5.81 | — 6.39 | — 7.72 |— 6.25 — 6.95 15—19 |— 3.79 | — 3.00 1 — 3.49 |— 3.41 | — 3.50 | — 3.77 | — 3.92 |— 3.24 | — 3.86 20—24 |— 5.69 |— 6.15 |— 6.42 |— 6.15 ‚— 5.40 | — 6.00 | — 7.89 |— 4.57 |— 6.91 4.95 \— 6.12 |— 5.02 |— 3.41 | — 6.40 es a mr % (2470 =,4.10 12440) 256 ea esse ae 7—11 0.06 0.55 0.74 0.72 1.04 0.60 0.81.) == 71:33 0.44 12—-16 I— 0.38 |— 1.13 |— 0.82 | — 0.70 | — .0.95 0:52. 2770:68 0.28 | — 0.97 17—21 !— 2.89 |— 5.95 |— 4.16 | — 3.18 |— 4.42 3.62 — 4.05 |— 417 — 1.92 22—26 |— 3.27 |— 3.32 | — 3.98 | — 3.86 | — 4.02 3.68 |— 3.93 | — 3.90 | — 3.51 27 311, 0.56. | — .0.202| —20:952 10:53. 1 1031412 (0:83, 2 Kos Ep rien: April 1-5 0.37 |— 0.09 |— 0.52 |— 0.46 |— 1.26 |— 0.14 |— 0.39 |— 0.27 0.16 6—10 0.89 0.01 0.86 0:06. 20:08. = 220.251 2.098 0.71 0.48 5122,04 1 — 1:98.19 57 220 170.02 139062472329 EZ ereg 1620-1 —. 2.71 |—.0.76 | — :0.93 | —-1.08 | 0.5L | 0.96 = 71.63. | 0.62 = 00m 21-25 || — 1.89 | — .2.15 | 0.29: | —ı 2.99) = 2.15: | 9.342 12 244 7 901 722883 26—30 I— 0.03 |— 0.63 0:03 | — 0.41 11043 | 70.292 7 7 0:8607 106021 200 Sonders- 2 mo Sin w foren N ao Wernige- hausen ‚rode 2.00 |— 1.57 1.40 |— 0.38 0.89 | 0.87 1.17 |— 1.68 1.11 |— 0.15 | 2.89 |— 3.95 0.75 | 0.75 1.12 |— 0.69 | 0.88 |— 0.34 | 0.62 — 0. 1.51 ı— 3.10 2.09 |— 2.47 599: 7,291] 1.12 | —_ 2193 +] —_ 4.98 | _ 6.42 — PH - 0.63 — 0.44 — 4.55 _ 5.87 _ 1.78 . 3.65 _ 3:22 _ 4.65 _ 4.96 _ 0.76 —_ Sal — 2.69 —_ 0.17 _ 1.07 _ 0.13 = 1.87 _ 0.45 — 2.57 _ 0.35 | _ FRE £ i Re ER DER BER N a Na Une ARE La - 2 a ? Er H RA 04 ; Abweichungen 1874. 1875. | Ka EN Monat Göttingen | Hannover | Elsfleth |Oldenburg| Jever Emden Lingen | Löningen | Münster 1874 Novbr. 28—1 — 1.831 |— 0.97 1.48 1.25 are 0.78 0.19 9.28 |— 0.25 Ay 2—6 — 1.63 | — 0.56 0.97 0.59 1.24 0.07 1.06 0.90 0.91 7—11ı— 0.01 0.62 1.31 1.37 1.40 | — 0.09 1.00 | 0.99 | — 0.09 12—16 |— 1.64 | — 1.61 0.15 0.08 0.25 |— 0.14 |— 043 |— 0.25 |— 1.61 17—21 0.32 0.15 1.25 0.24 0.61 0.97 0.24 0.41 |. 1.09 22—26 |— 3.95 |— 351 |— 3.94 |— 452 |— 3.47 |— 2.385 |— 3.18 | — 4.32 | — 3.88 27—1 1.08 0.85 0.18 0.01 |— 0.16 | — 0.69 |— 0.23 |— 0.15 0.22 Decbr. 2—6 — 0.36 |— 0.30 ı— 0.08 0.06 0.27 | — 0.72 | — 0.64 |— 0.39 |— 1.16 7—11 2.25 |— 044 |— 0.24 |— 057 |— 0.58 |— 0.53 |— 0.29 | — 1.02 |— 0.37 12—16 0.17 | — 1.80 |— 2.16 |— 2.52 | — 3.06 |— 2.52 |— 1.93 |— 1.95 |— 0.93 17—21 | — 1.79 |— 3.33 |— 2.95 |ı— 3.05 |— 2.57 |— 2.36 |— 2.15 |— 242 | — 1.98 22—26 I — 1.86 |— 2.61 |— 2.36 |— 2.99 |— 2.24 |— 2.20 |— 2.39 |— 2.04 |— 1.83 27—31 I!— 5.68 | — 6.20 6.58 | — 7.53 — 6.01 !— 5.66 | — 6.62 ' — 6.38 | — 5.43 1875 Jammar 1—5 0.15 Ka ee ro ee 0.12 |— 0.26 0.22 6—10 2.35 1.72 1.05 0.92 0.61 0.87 1.88 1.82 2.80 11—15 4.21 3 5:98 5.74 5.31 3.73 4.81 5.04 4.76 16—20 6.30 6.59 BASIERT 5.48 4.34 5.31 5.88 5.98 21—25 2.31 1.79 1.69 1.28 1.45 1.81 1.74 1.93 2.08 26—30 |— 1.11 |— 0.57 |— 0.32 | — 0.34 0.00 |— 0.40 |— 0.16 |— 0.34 — 0.52 | | Febr. 31—4 0.00 0.40 1.06 1.03 1.09 | — 0.29 0.62 0.60 | — 0.27 5—9 |— 4.04 | — 3.85 |— 3.09 | — 3.37 | — 2.92 |— 2.85 |— 3.46 | — 3.40 | — 3.84 10—14 | — 4.95 |— 4.68 |— 3.45 | — 3.95 |— 3.16 |— 2.91 | — 3.03 |— 3.52 | — 3.44 fo op on Bose Ko | Koran oe | 0 Te oa 20—24 |— 5.13 | — 5.67 |— 3.41 | — 3.56 |— 2.96 |— 3.41 | — 3.64 | — 3.70 | — 431 2a el Br ee | Sale ae = 392 März 2-6 |— 4.02 |— 3.84 | — 2.88 | — 3.39 |— 2.31 |— 2.99 | — 3.18 | 302 | — 3.21 711 1.52 1.69 1.91 ROSE 72:04 1.48 2.69 2.09 2.96 aloe oa oo oa 0) 0.07.) — 1.49 1 0.939 — 006 0:08 or 337 | 329123021 aloe oe ge ru 99 In Pose Se Kose| 095050 |— 0.08 |— 0.59 |— 0.78 |— 1.65 27 sl 0192| 20.082 20:39) 057.1 20814) 0.66 a 0 Aa le April 1-5 0.04 0.90 0.94 0.66 | 0.99 0.40 0.18 0.79 0.68 Sl) 0.13 0.84 0.38 0.05 0.29 0.13 ker | 11-15 | — 1.33 | — ;0:83 | — 20.75 |. 0849| 0,58] — 101937 | 1.87 EIS oO 16—20 I— 0:19 |— .0.49 |— .0.66 |— 1.09 |— .0.49 |— ‚048 |— 1.47 | — .0.99 | — 7040 2 35 277 | 222 | — 3240| 2.631 346 | — 72:02 — 2776 | 3.031 Ep 26—30 0.61 1.01 0.83 0.92 0.90 1.37 1.22 1.14 1.21 Crefeld Cöln Boppard | Trier |Birkenfeld | DE Le ER £ | | | x GE h | 1 br. 28—1 0.44 |— 0.66 |— 057 |— 1.755 = 1,161 |— :0.73 | — 4.07 |—. 4.37 | — 408 | 9,78 4.26 0.32 0.887 15.0.9985 11.91 en eg | 2.90 |— 351 )— 3.10 |— u it 0,33 0.18 0.57 0.83 N 1.20 1.65 | 0.28 | 0:00% [7.0.80 081 16 |— 122 |— 1.80 .|— 1.77 |— 2.0 — 1.266 |- 2351 I— 257 |—- 815 |— 2381 = 3.67. ..—231 1.61 1.32 0.93 | 1.72 a 2.34 2.64 1.51 1.16 1.20 0.64 26 |— 4.19 |— 3.87 |— 3.38 |— 3.17 — 1 3.68 |— 3.51 |— 3.66 | — 4.46 |— 4.69 | — 5.65 . Be 0,28 0.95 0.16 | 0.34 ne 0.62 0.90 | 0.50 | 040 |— 0.14 | 1.02 | | | 2-6 |— 0.88 |— 0.38 |— 1.33 | — 0.96 _ Kr 116 |— 1.26 |— 0.97 |— 2.02 8 1.17 ne 1.19 11 I 00.43 |—..0.16 |— 0.47 | 0.30 — 0.05 0.55 073 | 0.06 | 0.90 1.19 m-16 |— 1.54 |— 0.75 |— 0.15 | 0.28 = (oe00ä8 1.01 | 09 | 046 |, 0.98 0.64 17-21 SU6U | = 61.93, [751.33 0.02 — — 40.735 — 40:687 | = 40:50 | 1.154 90 1.78 02226 2.77 |— 236 |— 2.91 | 1.77 = am 138 | 17 |— 248 |— 215 Be 2.84 27-31 7.46 |— 7.41 | — 7.97 | — 6.2] — . 1 6.58 |— 6.49 |— 6.32 | — 6.87 | — 7.52 6.78 Januar 1—5 0.61 1.17 20.23 |. 0,30 |— 0.38 |— 0.98 0.62 |— 1.24 ee 1.39 |— 0.93 I 0.68 6-10 2.10 2.60 DE | 2.37 1.72 1.27 2.63 1.86 1.48 1.09 1.34 ans 4.53 4.59 4.36 273. | r2 4297 2471.39 2.22 | 2.20 | 3.08 3.15 Eis 20 5.55 6.22 5.57 6.03 4.94 5.82 6.57 19 | 5.45 6.10 5.97 21-25 1.76 2.37 2.17. 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BOLTH SENT ER 1.47 1.44 0.32 1.58 1.49 0.98 5.30 5.20 1.28 1.07 1,50 — 1.15 — 3.86 — 3.44 1.49 3.49 0.11 2.26 4.05 1.86 — 2.10 0.83 — 1.30 - — 2.10 - — 1.70 — 114 0.43 1.66 2.27 2.43 0.35 0.40 0.59 — 3.49 — 141 — 0.48 0.38 > 1.14 Phys. Kl. 1876 (2 Abthl.). 3 18 2 ak Darm wo Abweichungen 1875. Monat Memel Tilsit Claussen nn Hela Danzig Conitz Cöslin 1875 Mai en 21530 0.75 | 0.92 |— 0.54 0.05 |— 0.45 0.17 0.68 6—10 4.62 4.16 3.03 4.48 3.63 3.58 Bam 2:89 ee 1.08 | 00:66 | lo. 0:52 0.49 1.18 0.90 - 0.01 non) || a Do I 0.14 | 0:35 0.14 21—25 0.96 0.58 0.95 1.60 log 2.10 1.88 1.28 Sl 55 | 2a | 195 | 2.10 | — 2937| = sen Bo 2.04 Juni 31—4 0.98 1.03 1.05 0.38 |— 0.33 0.74 0.95 1.48 5-9 |— 021 |— 0.47 0.22 |— 0.53 0.42 |— 0.10 0.15 |— 0.65 10 al: 549.| 2 901. 1803 |. aR89 | =. 177 | — 403) 0.94 ee 15—19 1.69 1.37 3.45 1.83 0.89 1.59 2.00 1.50 20—24 1.99 2.04 2.28 1.88 1.33 1.32 2.70 1.60 25—29 3.55 2.60 3.40 2UUD 1.92 1.70 4.11 1 Juli 30—4 1.44 1.85 Dal 1.66 1.92 1.54 3.48 3.18 5—9 0.89 1.36 2.41 2.04 1.93 1.76 2.09 0.23 10—14 023 |— 046 |— 0.69 |— 0.43 0.64 |— 0.655 |— 0.45 |— 1.33 15—19 0.66 0.86 0.57 1.57 0.65 0.68 til 0.40 20—24 2.58 |, Po | 72.10 2.55 1.18 1.14 1.68 0.61 25—29 0.30 0.39 | 0.66 |— 027 |— 0.97 |— 1.317 | — 0.697 78 | August 30—3 |— 1.04 — 0.62 |— 0.85 0.32 |— 0.04 |— 0.65 0.77 0.05 4—8 2.83 | 1.41 2.51 2.41 1.65 1.80 2.67 2.06 9—13 0.12 | 0.99 0.90 0.74 1.55 1.41 1.82 1.35 14—18 0.60 1.25 1.22 1.48 0.75 1.79 1.45 1.26 Tg os or 0.83 0.47 |— 0.09 0.73 0.21 1.06 |— 0.19 24—28 0.54 | 1.04 or) 0.90 1.60 1.67 2.70 1.86 Septbr. 29—2 |— 0.87 |— 0.88 |— 0.36 |— 0.20 |— 0.22 |— 0.16 | — 0.21 |— 0.50 3 | a en aa oa | | > = Bil Oz | 0.68 1.05 0.82 | 1.05 1.64 2.18 0.81 a 0.19 |— 0.24 |— 0.85 |— 0.06 | 1.02 0.12 0.26 0.23 ie 99 Oral 0t 1.07 0.06 | 1.42 0.36 2.13 0.25 Bes] > 402 ae age | a 3a Bor Anal os | 0:53, 0a 10:90 014: |E- 10:337 2 0:53) —al:6r 3—7 0.20 0.18 0.38 0.49 0.94 |— 1.37 0.70 | — 0.39 Sole Joa a8 | — 210) |— 11990 | — oAsr | Tarar ST Er Elal6 13—17 |— 3.18 |— 2.57 | — 0.17 | — 2.69 |— 2.30 |— 2.59 |— 2.33 | — 2.09 18291 640 | = 613 | 7.03 | 640) | - A970 58I | AR 2.53 23—27 |— 7.08 |— 3.68 |— 2.91 |— 3.58 |— 2.87 |— 3.26 |— 2:29 | 12.43 , Per Re FR ERTETERR EN Er 5 £ "x 2 Er Ai are N SE ni‘ 3 rn y m 2, a Pr Ir Yy - u. Re w L ie Witrung des Jahres 1875 ae fs 1876. Sa? Abweichungen 1875. Rostock | Poel | Schwerin |Schönberg Kiel a ee et Lübeck " Eutin | münster | | | r I 1.75 | 2.63 2.18 4.55 2.53 2.34 2.10 1.94 O5 232 3.33 3.60 9.87 4.43 3.18 4.09 | 2.30 2.12 3.09 3.69 2.1 | 1.38 1.37 1.23 1.69 1.16 051 | 06 1.46 1.61 — 0.49 | 0.25 |— 051 |— 028 |— 0.73 |— 1.02 |— 1.15 |— 0.89 0.05 | — 0.60 0.39 | 0.99 0.18 |— 0.12 | 0.86 0.98 0.03 0.81 0.41 0.20 — 2.07 | 145 | 2.23 |— 1.91 |— 2.017 | — 2.18 | — 3.61 | — 0.72 2171 — 192 1.65 | 2.60 1.25 2.50 1.39 3.74 1.16 2.05 1.77 1.85 0.56 | 1.26 0.33 0.86 0.66 0.60 0.14 0.99 0.70 0.57 =02.31 | 1.04 |— 2.59 |— 2.91 1 — 1.05 |— 159 |— 2.46 |— 1.05 Ui — 1280 1.07 | 1.39 | 0.92 1.70 0.54 0.94 0.12 1.29 4 0.96 0.73 2.0 | FO 0.28 1.09 |— 0.66 1.00 \— 0.56 0.71 0.95 0.66 0.60 | 1.18 0.73 1.62 1.25 121 | 048 | 2.05 | 1.08 3.04 2.70 | 3.55 3.64 4.36 2.88 3.63 2.99 420 | 330 3.84 0.64 1.32 1:37 2.35 1.04 1.82 1.30 2.10 | 1.15 1.98 119,34 106 |. ts | > 5 | Sr | IB Earl dr rer 1.41 0.51 0.98 | 3.10.87 0.06 |— 0.73 0.99 0.36 1 — 0.47 0.12 1.29 0.60 1.61 0.66 |— 0.44 0.09 0.80 0.72 |— 0.20 — 0.26 100 | 2t0isk 0.58 Dr | Eio.se | Ei | Fo — 0.04 1.08 0.01 1.04 0.45 |— 0.39 |— 1.10 |— 0.15 |— 0.27 |— 0.07 2.13 2.89 2.58 2:57. 28:65 3.13 2.31 2.70 | 2.32 2.80 3800| 374! 3.16 341 | 3.89 3.28 2.56 3.75 3.59 3.13 2.27 3.41 2.71 2.84 | 3.37 2.67 2.12 229 | 2.96 2.57 2.37 1.16 0.61 0.51 1.12 0.43 0.60 | 1.05 | 0.38 0.82 2.30 B27, 2.20 3.08 | 2.69 1.54 1.75 2.03 1.81 1.70 I Al, 0.11 |— 1.24 |— 0.24 |— 0.53 |— 0.53 |— 1.06 Im 0.15 - 0.54 |— 0.73 0.06 0.88 0.17 0.94 0.80 0.80 0.05 | 086 | 0.11 0.11 2.98 3.74 3.16 4.20 4.68 4.68 2.90 3.24 | 3.15 3.48 0.95 1.49 1.18 | 1.84 2.43 2.43 1.15 | 1.45 1.44 1.08 032 | 072 1.71 1.19 1.40 1.40 1.04 1.85 | 1.02 1.06 — 2.40 1.72 |— 2.59 |— 1.73 |— 144 |— 144 |— 208 |— 1788| — — 2.53 | | | | N ine era | ers | Mo | | > or) Di Sr 0.30 0.02 |— 0.32 | ' 0.42 0.15 0.56 0.14 1.25 | 0.21 0.32 0.31 | 016 |— 0.11 | 0.01 | 0.26 0.66 0.13 | 1.15 | 039 0.08 209.197 25 | | rg | ee Ei, | eo er — 4.07 — 4.30 | — 4.83 |— 3.80 | — 3.67 |— 4.07 — 4.33 — 3.37 - 3.31 | — 3.90 — 3.08 3.19 |— 3.65 | 3.54 |— 3.51 | 4.13 \— 4.06 |— 2.35 |— 3.08 | — 3.29 | | | ) 1875 Monat Mai Juni Juli August Septbr. Octbr. 1—5 6—10 11—15 16—20 21—25 26—30 31—4 5—9I 10—14 15—19 20—24 25—29 30—4 9—9 10—14 15--19 20—24 25—29 30—3 4—8 9—13 14—18 19—23 24—28 29—2 3—7 8—12 13—17 18—22 23—27 28—2 3—7 8—12 13—17 18—22 23—27 Öttern- dorf 3.23 2.59 1.18 0.29 0.00 2.34 2.29 0.36 1.23 0.15 0.57 1.83 3.47 1.77 1.36 1.96 0.32 0.44 0.59 3.32 2.95 1.22 0.30 1.65 0.31 0.57 3.52 1.46 0.97 1.04 0.99 0.35 0.67 ao! 4.20 3.82 Lüneburg 2.96 3.31 1.51 — 0.30 0.24 — 2.91 1.79 0.81 — 1.22 1.36 0.53 1.45 4.30 1.98 — 1.58 2.20 — 0.11 — 0.29 — 0.56 2.93 3.80 2.99 0.64 2.20 — 0.68 0.17 2.93 0.11 0.80 — 1.50 — 1.04 0.41 0.48 — 1.91 — 4.88 — 3.86 Hinrichs- hagen 1.17 3.74 1.04 — 0.26 1.24 — 2.66 1.19 0.60 — 1.88 2.45 1.12 0.91 4.08 1.29 — 1.64 1.48 0.46 — 0.99 — 0.23 2.60 2.92 2.08 2.54 2.78 — 2.15 — 0.28 1.83 — 0.13 1.15 — 3.43 — 1.44 0.18 — 0.48 — 2.46 — 4.81 — 3.28 Berlin 1.60 3.44 0.72 0.33 2.11 — 2.57 1.07 1.14 — 0.42 2.51 1.30 0.99 4.21 1.96 — 1.47 1.74 0.46 — 0.82 — 0.14 2.61 3.23 2.89 1.89 3.26 — 0.56 0.44 2.74 0.81 2.36 — 2.61 — 1.16 0.08 0.07 — 2.13 —_ 3.58 Abweichungen 1875. Frankfurt 8.50.10; 1.52 3.33 0.18 0.71 1.97 28 1.63 0.20 — 0.08 2.73 1.96 2.01 4.37 2.10 — 1.36 2.16 — 0.26 — 1.29 — 0.38 2.34 2.68 2.69 1.62 2.78 — 0.74 — 0.03 0.00 — 0.04 2.07 — 3.28 — 1.18 0.31 — 0.14 — 1.67 — 5.07 — 3.51 Posen 0.12 3.52 0.36 0.54 2.08 — 1.34 0.91 0.74 0.21 3.02 3.05 2.48 4.24 2.08 — 1.02 1.65 0.20 — 2.14 — 0.31 2.21 2.07 1.46 1.12 2.68 — 0.78 — 0.36 1.34 | — 0.51 2.23 — 3.23 — 0.82 0.43 — 0.54 — 1.70 — 4.99 — 3.84 Bromberg — 0.99 2.75 0.72 | - — 0.08 1.58 — 1.84 0.91 0.28 — 0.13 3.00 2.00 2.71 3.39 1.96 — 1.07 1.57 0.69 — 1.33 0.00 2.99 1.67 1.49 0.97 2.10 | — 0.58 — 0.78 1.11 1— 0.79 1.23 — 3.36 — 0.37 0.46 — 1.96 — 2.18 — 5.29 Krakau Ratibor I A RE Te i TR Rs “ . a EIER G » er, ae 1,2077 IN y DR ee} Kr. Le Re N, ne kn Kar el. Ad " rung ( ahres 187 und 2 fang < 76. ; 21 i% en ir I Kt h " BZ } ra AR x 1 Abweichungen 1875. Wang Görlitz. Zittau Bautzen Ban «| Dresden | Rehefeld ag = Freiberg | | 1.01 1.48 0.54 1.29 1a 0.65 0.94 |— 0.22 0.45 1.01 1.67 2.91 3.21 2.41 2.79 | 2.42 2.05 2.90 3.25 3.05 2.67 0.22 - 0.12 0.17 1— 0,39 |— 0.90 |— 083 |— 1.25 |— 0.06 0.15 |— 0.16 0.86 0.40 0.57 0.09 1 — 0.16 |— 0.44 | 0.70 0.27 0.30 0.34 3.80 2.96 1.40 2.65 1.48 2.0.1 9.81.75 100 49.10 2.40 1.45 1.37 |— 1.61 |— 110 |— 245 |— 2.32 |— 3.13 |— 2.10 |— 2.63 |— 3.00 | — 2.98 1.64 1.48 0.36 0.40 | 0.77 0.53 | 1.10 | 0.72 0.90 0.98 0.61 0.35 1.22 |— 0.38 er 0.15 |— 0.38 090 | 042 |— 0.29 0.34 1.00 0.72 |— 10.01 |== 0,32 | — 0.27 |— 0,32 |—= 0.05 | 0.39 |— 0.88 0.37 4.43 | 3.18 | 2,53 2.35 || 1.48.07 | bi 8.08 |1m.2.77 | 01.92.50 2.13 1.47 2.85 2.85 2.08 1.62 | 1.92 | ah 1.79 1.24 1.36 0.89 2.51 2.01 1.54 0.94 | 1.77 | 0.98 2.06 1.43 1.05 1.18 I 4.92 4.78 2.84 3.84 | ı 3.34 3.26 3.47 3.86 3.74 4.12 3.37 3.26 2.11 2.38 2.25 1.36 1.83 1.32 1.57 2.68 1.93) 1331.19 0.10. 163.%0.75 11 =.11,38: | &1.49| | =.10.79, | =A1.32 1) a7 ES 1.44 0.92 |— 0.12 0.55 0.76 0.62 1.04 0.74 0.80 0.31 1.04 | —=.0.79 | 10.47 2,861 |==.10.88:)1 = 21.16.) | == 10:35 || = 70.584 Pos nn 02 = 11.3741 01.31 1.388 | 2.29 | = 2.53 |=.2.81 | = 12.817) 186 | — 65 0.34 [= 044 |= 0.89 | — 10.87 | = 11.06 | = 1.30 |= 11.05 |= 00.71 0.01 |— 2.21 1.13 1.58 0.73 1.29 | 1.34 1.00 0.48 0.98 2.06 0.36 4.30 3.23 177 2.39 | 2.18 | 2.93 2.04 2.62 A) 1.78 3202| 3323| 2065| 3235| 2353| 2270| 158 | 3.20 1 213 2.31 3.04 2.57 1.94 1.58 1.25 1.31 0.81 0.82 1.33 0.59 2.51 3.01 2.23 2.43 1.18 | 1.75 1.06 1.10 3.55 0.25 0.86 | = 0.42 0.35 | — 11.07 | = 11.20 | = 1.19 |=.:0.69 | = 0.30 | = 0.48’ 1.62 144 |— 0.65 0.14 |— 0.86 |— 1.13 |— 1.29 |— 1.58 |— 1.06 |— 0.82 | — 0.96 0.63 1.89 0.96 1.05 0.89 0.90 0.12 0.06 1.35 0.03 0.61 |—=.:0.29 | = 10.38 | = 01.04 | = 01.49 | = 01.67 | = 02.06. | = 9.31! 0.83 | —= 082 2.64 2.60 2.20 2.08 1.54 1.25 | 20.22.00 2.43 | 1.56 2.21 8.10:|— 3.47 | — 2.66 |— 4.03 |= 4.34 | = 3.68 |= 3.83 (= 2.81 [= 2:04 | — 2.89 \ 8.44 |— 1.37 |— 2.36 |— 2.31 |= 2.68 |= 152 |= 24 |— 225 |— 1.94 | — 2.57 0.88 0.02 0.58 0.24. )| 22.00.70 |=300.16 | 23.00,38..| 0.90 | 0.09 | — 0.22 0.30 |— 08 0:98: 1=340.28. | ==.40:78.1| = 10.23 0.12 |— 055 | 0.00 | — 0.59 0.18 | 1.43 0.27 |— ı72 | 139 |— 2.29 |— 2.18 |— 228 |— 185 |— 2.54 4.28 |— 4.68 | — 3.05 |— 4.30 | — 4.91 |— 4.66 |— 4.13 |— 4.48 |— 2.68 | — 4.55 8.99 194.341 3 8.18: 12 4.68 224,67 1.4.39 | 5.07 — 4.27 = 445 | — 5.37 Abweichungen 1875. Rei Do Werms Georgen - Monat Riesa BE Chemnitz | Annaberg | Wiesen- Zwickau 8 Leipzig hain dorf grün thal 1875 Mai 1—5 1.24 |— 0.96 1.95 1.33 1.26 1.97 1.26 1.85 2.10 6—10 3.03 2.79 2.65 2.68 2.65 3.11 2.57 | 2.68 2.59 11—15 0.16 |— 1.33 |— 0.35 |— 1.07 | — 0.73 0.1251 021609 0.77 16—20 | — 0.08 0.12 |— 0.05 0.40 0.31 0.13 0.11 0.17 0.48 N) 2.63 2.16 2.21 2.74 2.56 2.18 1.55 2.76 2.36 26—30 |— 2.81 |— 3.29 |— 2.68 |— 3.11 | — 3.44 |— 2.86 | — 2.93 | — 3.32 ı— 2.91 Juni 31-4 1.11 0.45 0.91 261622 3.60 0.389 0.97 0.31 1.35 5—9 0.73 0.65 0.17 0.25 Sl 0.44 0.47 |— 0.60 0.53 10-1491 20.37. =280:05 | 70.741 0.05 3.02 | = 0.67 |— 00.05 | = 0:53 | — 0.40 15—19 2.43 2.60 2.64 2.19 5.54 2.20 2.51 1.53 1.93 20—24 1.10 1.70 1.62 1.05 4.20 1.51 0.90 0.70 0.98 25—29 0.96 1.95 1.29 1.50 4.47 1.19 0.70 |— 0.18 0.30 Juli 30-4 3.67 3.28 3.32 2.47 3.28 4.44 3.35 3.57 3.73 5—9 1.76 1.74 2.10 2.58 2.30 2.04 1.06 1.83 2.14 10—14 |— 2.30 | = 11.93 |— 1.67 | — 194 |= 2.80 | = 134 |= 1.66 |— 2.32 | 11.70 15—19 0.35 0.30 0.87 0.270 ==80:060 | or 0.63 0.61 0.72 Po DAR ae | zero, ea En, 1.08 | =.0.55 || 29.71.02 | 0.62 2 ee 3 | ee le 0.32) 1950 or Auenst30 3 | 00:32 33) 0.99 ea ee | 05 0.11 4—8 1.49 0.51 0.90 0.84 0.68 1.57 0.69 0.46 1.78 9218 1.68 3.63 3.34 3.69 3.30 3.49 2.95 2.26 2.72 14-18 2.63 2.96 3.24 3.02 3.13 2.81 2.98 351 2.43 19—23 1.73 0.89 1.29 1.14 1.12 1.29 0.82 1.39 1.41 24—28 2.33 2.08 2.50 2.26 2.37 2.50 2.37 2710 (201 Septbr.029 22 | 370.59 | = 01.34 | — 10.31 || =2 11.092 | 11.632 200.78 | =0046 | 1.337 200.87 3—7. | /0.28. | =.11.69: | =.10.89. | 11.67 | = 91.96 | 1.00 | =R0.79 | 21,30 W076 BD 1.45 1.92 1.95 1.67 1.85 1.51 0.58 2.95 1.48 13—17 | — 3.77 | = 00.54 | — 0.47 | = 00.39 |=r0.21 | = 1.40 | = 1.50 Sale 18—22 2.34 2.05 1.78 1.92 2.96 1.83 1.48 2.01 1.41 23—27 |22.9:96 | 98.38 et a1 1 re een ee are Octbr. 23—2 — 048 034er near BT — Ko] 050 or ro 0.34 0.26 |— 1.08 0.11 8—12 = =0.75, | 280.12 | 200.931 2200:96. 1 >02 Er ee ed 13—17 _ — 8.03 248 | = 3.401 273.42) 7208497272601 Bro 5 18— 22 e — 4.97 | — 4.87 |— 4.78 | — 4.59 | — 6.54 |— 4.53 |— 4.46 | — 4.85 en BEE u a een: ERS j i a Du "vw N a PR RL, RTL ri ra Be “; Der 7% re ir a > Pt, y d E , es N =. 7 die Witterung des Böse ns Ara 2 a Ber E Sbiesiehiningicht 1875. Langen- | Sonders- | Wernige- | Heiligen- Torgau | Bernburg | Halle Erfurt Gotha een ne Ru Be, Clausthal 2.47 — 3.68 2.01 — 1.83 2.00 ei 2.59 3.84 3.41 — 2.80 2.19 — 2.12 2.05 - 2.08 2.59 0.51 — 1.72 0.84 pr 1.07 0.81 = 1.13 1.29 0.94 — 1.13 0.30 — 0.58 0.19 = 044 |— 0.57 2:95 _ 3.66 2.54 _ 3.43 1.74 En 2.29 1.41 — 3.04 — Bee i80: Eee 9a3 — = #980: 09:81 _ — 2.82 | — 3.49 2.48 — 2.94 1.25 _ 1.92 1.35 = 1.92 2.11 0.28 —_ 1.63 1.35 —_ 2.41 1.39 — 1.77 |— 0.18 — 0.62 — 001 jr 0:82 — 0.54 |— 0.61 — = 071 = 1.680 2.54 _ 2.178 2.12 — 1.45 0.22 — 1.78 0.99 1.76 —: 1.54 0.75 — 0.32 0.96 — 08 | 10417 1.42 | Er 0.82 |— 0.05 — 1.19 0.25 = 0.62 0.52 4.55 = 4.4] 3.23 _ 3.55 3.25 — 4.12 4.28 2.69 — 2.82 1.43 — 1.66 1.84 = 2.40 ON — 1.99 — |—- 160 |— 1.93 _ — 3.11 | — 2.69 _ — 2.06 | — 3.77 1.08 — 1.85 1.09 — 0.65 1.11 — 1.33 0.71 0.03 - 0.18 | 0.66 — [08 \)—- 09 | — |- 03 |— 015 — 1.00 — — 0.17 | 2.43 —_ — 1.93 |— 1.82 —_ — 111 — 1.63 I — 0.98 _ 0.01 | 0.95 e- — 0.98 0.99 = = 0B3alER 078 2.39 —_ 2.39 1.14 = 1.53 180 | — |) 2.02 2.00 3949| — 3.34 nv. 2290 base 2.97 3:12 6.2: "41-381 3.75 FIT N 3.50 3.41 In0.& 3.23 2.51 | 2 4.10 3.13 2.28 — 2.11 0.50 — 1.48 0:95 | 1.19 0.77 3.10 — 3.23 2.40 en 9.78 dA at 3.12 244 0:36 — 0:18) |=.0178 _ ILLEI ENT — 0.02 es 1.28 — 0.06 —_ ,0:122 |e>u0.45 _ — 1.55 I 0.72 _ — 050 | — 0.56 3.00 2.33 1.78 _ 0.44 1.10- | = 2.93 4.74 0.08 0.28 | 11.24 = _— 001-138 | — o40.01 0.80 1.91 -_ 1.59 1.28 N 1.56 1.36 =. 2.13 2.09 42323 = 41,62 |== 41:55 — = 17T | 42.80 — a eh ==,1.46 _ — 1.11 |= 1.90 — —= 2.00 |— 1.61 = —- 097 =} 2.35 4047 _ 0.89 0.67 — 1.38 0.47 — 617 1 008 — 0.05 — 0.50 0.40 re 0.30 0.21 = 27 0.67 — 41:85 —_ rohe es == 11,87% = 81:30 _ 183 | — 2:83 — 4.43 — 344,40) | 4.52 en eg 7 er =.:350: | — 3316 — 4.01 _ — 18.92: |= 18!92 = — 3.19 r 3.14 - =. gu A | Fe, A a Pe “ y - h Y “x p } f h rad es Kr u a I | Abweichmeend81&. 2.00. Monat Göttingen | Hannover | Elsfleth |Oldenburg) Jever Emden | Lingen | Löningen | Münster =. 771825/% Mai 1—5 2.63 3.23 3.96 2.93 3.47 3.64 3.13 3.36 2.98 Aa RE 6—10 2.18 3.03 3.06 2.74 2.54 4.79 3.15, 00 22:89 2.94 11—15 1.45 2.10 1.86 1.82 2.41 2.17 1.49] 19.01.63 2.02 16—20 |— 0.25 0.27 0.38 1— 0.44 |— 0.27 |— 0.13 |— 1.22 |— 0.53 0.00 21—25 1.46 1.16 0.91 0.48 0.94 1.56 0.51 0.53 1.10 26-30 | — 3.29 |— 3.52 | — 2.63 |— 2.62 |— 2.32 |— 2.76 |— 3.13 |— 3.08 |— 0.72 Juni 831—4 2.19 1.62 2.88 2.31 2.43 2.08 1.57 |— 2.62 2.42 5—9 1.24 0.71 0.64 0.26 0.40 |— 0.07 |— 0.31 0.22 0.57 10—14 |— 0.53 |— 0.75 |— 0.58 |— 1.21 |— 0.94 |— 0.92 |— 1.47 |— 1.34 |— 1.21 15—19 1.08 1.58 0.46 | — 0.27 | — 0.15 |— 0.54 | — 0.25 0.21 0.84 20—24 | — 0.90 0.00 | — 2.39 0.58 1.26 0.16 0.37 0.59 ' 0.66 25—29 0.45 1.19 |— 1.88 1.22 1.46 1.28 0.70 1.44 0.64 - Jui 30-4 3.80 2.64 3.11 3.23 4.28 3.44 3.18 3.34 3.37 5—9 1.95 Fl 1.53 1.23 1.74 1.05 1.80 1.93 2.83 10-1421 2.5172 81:04 | 7.9940 |— 2.82 2.06 | 253-9320 eerree 15—19 1.35 2.27 1.80 edle 2.09 2.30 1.81 2.47 2.14 | 20—24 1.06 0.71 0.83 0.05 0.74 1:05. | 0.24 29002 E04 25—29 |— 1.63 |— 0.01 075 | 0.42 | 70.08 1.80 |— 0.72 |— 0.51 |— 0.02 August 30—3 |— 0.60 | — 0.18 |— 1.66 |— 1.53 |— 1.37 FR N I — 0 4—8 2.33 2.60 3.13 Bel 3.40 4.62 2.65 2.97 3.21 9—13 3.56 3.68 3.48 2.84 3.26 3.41 2.55 Balld5 3.70 als 3.27 3.35 Sl 3.07 Ba 3.22 2.56 3.28 2.84 19—23 0.53 0.21 0.30 0.21 0.15 0.18. | — 0.58 |==%0.07 0.54 24—28 2.14 2.56 1.94 1.73 1.88 2.11 1.01 1.40 3.00 Septbr. 29-2 |— 0.10 |= 0.73 | 114 |- 197 | 0.58 0.86 | — 1.27 | —00.98 |=70.93 Baal 0:99, 20009 0.41 | — 0.04 0.60 0.37 0.30 0.02 |— 0.58 Sr 12 2.24 2.91 313) 2.69 3.01 3.48 3.40 3.50 Bas) 13—17 |— 0.99 0.10 0.65 |— 0.01 1.92 hat oil 0.39 0.87 18—22 115 1.62 1.02 0.69 117 |00loss 1.69 | 1.29 2.50 2327| — 1.97 | = 21.81 | .01.36° es oa 509 es en Oeibr. 028—2 | — 0.98 |— 1:26 | = %0.80.|—- 1.25 01413 | 41.19 | — 200. 109 es ol 0.66 0.79 0.38 1.11 0.66 0.37 0.61 1.08 0.28 8-12 1.15 0.54 0.67 0.73 0.27 |— 0.03 0.02 0.44 |— 0.23 1317 — 2.27 | = 2,597 | 0188 0 Fe ee ea A 18—22 |— 3.49 | — 4.97 |— 4.91 |— 4.80 |— 4.38 |— 4.60 |— 4.12 |— 4.39 | — 9.88 23—27 |— 3.21 | — 4.12 | — 3.84 3851. BOT RBB 3 21er | Cöln | Boppard | Brüssel”) | Birkenfeld, Yin Darmstadt | Mannheim | Carlsruhe | I | ! 2.88 2.75 2.48 2.71 2.81 1.64 1.59 | 1.26 | — 0.18 2.28) | ., 3.44 2489 | x. 2.08 1.47 2.23 2.34 1.94 1.00 1.13 | 1.78 2.04 2.19 2.82 1.81 1.28 1.17 0.43 0.21 | 0.76 120 | . 1.06 1.15 0.09 0.48 0.52 0.24 0.73 IK 0.80 1.97 |... 147 1.94 2.03 1.60 2.03 1.80 — 2.90 | 1.01 |— 1.16 |— 2.01 |— 1.50 |— 1.29 |— 2.41 |— 2.72 |— 2.66 1.55 I 8 0:84 |... 2:39 | , 3:01 | . 218 2.06 3.50 2.22 |— 0.04 1.48 1.46 1.75 |. 2.08 2.13 2.31 1.47 2.13 [= 1.10 |— .0.30 |— ‚08 |— 0.59 |— 0.7 |— 1.97 |— 0399| — oze | om | 0.01 | 0.48 |— 1.10 | 0.07 0.64 2.20 0.55 1— 0.99 | — 1.00 _ 1.35% | 48.0.2308 | — 1.199 |. 0.34 0.48 0.60 |— 0.47 |— 077 |— 058 | 114 |. 010 |— 008 |— 0397 | 045 |— 021 |— 0.67 |— 118 |— 090 I | | ’ 2:25 2,32 2.30 2.00 | 2.32 1.82 2.43 1.94 0.56 1.37 2.35 0.88 1.76 2.11 1.97 1.41 0.32 0.22 _ 2.72 — 018 |— 2.37 |— 239 |— 3.02 |— 2.90 ı- 3.08 |— 3.48 | — 2.93 0.21 0.62 |— 034 |— 044 |— 0.06 |— 0.05 |— 0.89 |— 1.99 |— 1.80 — 0.88 |— 1.19 |— .0.50 |— 0.683 | — .0.32 |— 1.75 |— 152 |— 1.50 |— 1.77 = 0.95 | — ‚1.27 |— 1.09 |— .0.64 |— 0.29 |— 0.72 [" 2181| — 090° | 188 — 1.75 1.0.97 |— 132 |— 082 |— 0.10 |— 1.18 |— 1.98 |— 1.61 |— 2.30 0.70 | 0.60 | 0.44 0.00 | 09% | 097 0.09 |— 0.60 | — 1.88 A 9—13 "To | 4: 2.22 | 2.69 | 3.18 | 2.50 | 2.87 | 3.08 3.02 3.24 2.13 . 14—18 49 | £ 2.61 2.87 2.76 3.09 3.99 | 3.39 3:29 3.42 2.10 19—23 h F 0.09 0.82 |— 0.27 REN Er ol. |. 1.09 1.06 0.73, 24—28 ; 2.05 0.22 | 2.14 2.16 |... 3.10 1.76 1.79 | 0.77 1.60 I \ \ 1 ptbr. 29—2 | ‘ Es 1.21% | 5.1069 | — 01624 | —.0:84 | 0770| 0.25% 0550 Ton en 3—7 } = 014 | 00 006-015 1.09 | — 0771| — 081 7 1.082) = J008 s—ı2 : 80 7.279 1.97 | 2.20 2.93 | 3.76 225 | 254 2.44 0.83 ST 93 | 1809| 06 |. .009|. 1.8 1416| 259| 04| os2|. 121 | 08 TER? 93 |. , 8. 2.30 2.37 | 4.06 313 |. 325 |.-.108%|' sales 1.06 427 } a 01890 | 0414 | 0058 0.21 | . 0.02 |— 1.20 |— 0.64 Ir 1.06 | — 0.89 En | | | I | | - otbr. 23—2 43 | 20 |— 161 |— 1.10 |— 0.72 |— 1.96 |— 1.64 |— 181 Its 1.833 —' 080 | 2076 9-7 f su | 0,064 1 2.0188 | 0.48 017 | 03| 002] 001— oz] — 048 3—12 N 10 |— 0.12 |— 0.24 |— 0.26 |— 0.37 |— 0.12 |— 0.08 |— 0.14 . 0.62 |— 1.97 ir as |— 2.22 |— 1.98 | 2.54 |— 2.70) 2.38 |— 1.73 |— 1.9 | 219 | — 198 ...18—22 R: a |— 0.73 |— 071 |— 047 0.11 |— 0.75 |— 148 |— 1.27 = 035 |— om .23—27 : — 2.39 |— 272 |— 1837 |— 1.38 |— 240 |— 1.96 |— 3.78 17 2.32 |— 2.20 |— 2.18 | 1 | ibweichungen vom 50jährigen Mittel. ‚Phys. Kl. 1876 (2 Abthl.). 4 Monat Paris Mont souris Mai 1—5 0.58 6—10 1.55 11—15 2.26 16—20 0.80 2125 1.50 26—30 1.47 Juni 31—4 TA 5—9 2.08 10—14 |— 1.09 15—19 | — 2.74 20—24 | — 2.13 25—29 |— 0.27 Juli 30 —4 — 0.70 j 5—9 — 0.42 10—14 | — 2.75 15—19 | — 1.74 20—24 | — 2.14 35—29 |— 1.02 August 30—3 |— 1.12 4—8 — 0.84 9—13 2.21 14—18 302 19—23 | — 0.53 24—28 1,5% Septbr. 29—-2 | 1.74 a 3—-7 |— 0.18 8—12 1.58 13—17 2.35 18—22 2.42 23—27 1.25 Octbr. 28—2 — 1.12 3—-7 |— 0.22 | | 13—17 0.75 Ma 9201 9:09 03-271 |\— 9:14 Abweichungen 1875. Hechingen 0.66 2.36 0.36 1.45 2.65 — 1.92 2.08 1.39 0.64 1.45 — 0.15 — 0.4 2.19 2.56 0.29 — 0.90 — 1.79 — 1.35 — 1.42 — 1.03 3.02 3.55 1.99 2.55 — 1.07 — 0.95 2.43 1.27 2.77 0.26 — 1.09 — 0.22 — 0.04 — 1.27 — 0.12 — 3.09 Hohen- zollern 1.78 1.78 1.56 1.10 3.11 — 1.70 1.41 — 0.02 0.18 0.82 — 0.19 0.27 2.31 2.26 — 1.59 — 1.76 — 1.04 — 1.36 — 1.48 — 1.98 3.18 4.35 2.71 3.19 — 2.01 0.45 3.27 1.15 2.93 — 0.12 — 2.60 — 0.90 — 1.38 — 2.40 — 0.81 — 3.47 Stuttgard 1.08 1.57 0.27 1.16 2.07 — 2.57 1.85 1.46 — 0.31 0.38 — 0.54 — 1.46 1.56 1.26 — 2.71 — 2.04 — 1.64 — 2.24 — 2.18 — 1.75 2.27 3.11 3.63 2.03 — 2.81 — 1.07 1.70 0.35 1.78 — 124 — 2.83 — 0.81 — 1.58 — 2.70 — 1.75 — 3.17 Heilbronn 0.45 1.16 — 0.06 0.40 1.47 alorlz 0.85 — 0.87 0.83 — 0.51 — 1.05 1.72 0.68 — 2.41 — 1.73 — 1.44 — 1.46 — 1.93 — 1.05 1.23 1.51 0.80 0.76 — 2.33 — 1.02 1.20 — 1.37 0.57 — 1.40 — 2.03 — 0.22 — 1.16 — 2.00 — 0.83 — 2.00 Calw 1.26 2.16 0.11 2.05 1.96 — 2.58 1.70 0.85 0.28 0.92 0.26 — 0.7 2.29 2.01 — 1.69 — 0.58 — 1.46 — 1.56 — 2.05 0.03 2.33 3.10 2.07 1.91 — 1.59 — 0.52 1.86 — 0.18 1.56 — 0.38 — 1.56 — 0.11 — 1.20 — 1.12 — 0.26 — 1.77 Freuden- stadt a RR aa Lemberg | Salzburg Be Triest Lesina Rom Pola münster | t 1.399 |— 2.36 1.29 0.66 I- 0.68 0.32 0.01 0.45 |— 0.72 2.37 1.30 2.80 2.49 2.57 | 1.72 0.37 |— 0.63 0.56 0.89 |— 1.54 0.28 0.51 041 |— 0.60 0.29 | 0.58 0.99 1.06 1.37 2.21 0.92 1.96 | 1.96 1.94 1.88 0.41 310 | .058 |. 325 |. 2551 4233| 2s| 3297|. 315| 1% —.1.80 |— 1.71 |— 1.28 |—,2.18 |— 0.94 |— ‚147 |— 1.16 1.52 1.65 1.92 0.37 1.92 | 0.76 | 1.05 0.33 0.25 1.27 1.50 0.61 1.03 0.36 0.89 | 0.22 0.89 | 1.56 | 1.58 0.87 0.28 0.09 0.81 0.17 | 0.29 | 1.24 2.26 2.81 0.94 Pe) 4.26 2.65 2.69 4.33 1.83 0.99 2.79 2.02 0.66 4.76 1.39 | 1.68 2.60 | 0.62 |— 047 | 0.63 0.00 1.22 4.36 |— 1.23 |— 0.59 0.12 |,, , 0.02 |—, 1.26 [Fr 0.88 |— 1,79 | 10| 3201 289! 20|. 3090| a0| on! osıl- os 2.27 2.14 2.56 1.55 1.80 2.22 1.73 | 1.81 | 1.62 ee en Be: 0.09 | 1.15 IT: 0.16 0.03 1.18 |— 0.79 |— 0.73 |—. 0.77 |— 196 |— 2.85 |— 1.67 |— 2.11 — 0:97 0.30 |— 183 |— 148 |— 0.67 1 — 0,56 — 1.9 |— 0.74 I- 131 BER | s TR | 1.43) | 11.04] | ,.0:99| | 957 | — 1.08 [= inB 0.33 | — 0.60 |— 1.85 |— 1.61 |— 1.50 |— 2.04 |— 2.86 |— 1.71 |)— 0.98 % 0.27 50,91 |— 11.24 |— ‚1.54 |. 0.90 |— 1.28 |— 1.90 |— 3.79 |, 3:09, | 98 3.38 0.07 1.82 1.48 249 | 0.61 ,— 0.97 |— 0.39 0.35 3.33 |— 0.52 1.60 1.66 1.77 0.72 1.87 | 1.36 1.63 2.60 0.89 | 1.84 1.28 1.04 | 0,7 2.11 | 0.82 0.62 2.78 1.13 2.09 1.53 1.68 |—. 0.34 0.83 | 0.12 1.76 | — 0.36 |— 0.72 |— 212 |— 1.03 |— 0.834 |— 2.06 |— 1.31 0.08) | — 0,48 —,055 |— 2.57 | ‚1.52 |— 1.34 |— 1.01 |— 1.89 |— ‚0.81 [| 1.70) | 208 1.36 |— 1.02 | 0.40 0.24 | 1.63 |— 1.61 0.36 |— 1.17 0.28 1317 0:24 |. 72.96: |- 20.801 | 00775: | ,0.94 | 93.54 | 0.85: | 2.07 2 ums ...18—22 0.31 | 1.76 0.02 | 0.17 0.44 | 1.23 |—. 1.18: |— 0.22 !— 2.57 0.51 0.61 re 2.43 |— 4.09 |— 1.58 |— 0.64 |— 3.38 [= 2.78 |— 1.82 |— 2.56 1.35 | 1.52 |— 1.84 |— 2.46 |— 1.70 |— 2.39 |— 3.38 |— 2.16 |— 142 |— 0.22 0.21 |— 0.89 | — 0.30 0.83 0.08) |. 0,74 | — 0407| 1.326 | 203% 0 1 20 7a oe 0:6 103 0.10 | — 0.59 0.53 — 947 0:8 1.3.84 1 — 2:59, | — 7 1.78, | — 0,88% 1 1,018 1 17a — 4.67 |— 5.63 |— 3.38 |— 2.99 | — 4.40 | — 2.94 0.19 | 046 0.90 ol al all 917 309 | 2.09 Ir 2.09 |— 3.12 |— 0.14 | | | N 1875 Monat Mai Juni Juli 1—5 6—10 11—15 16— 20 21—25 26— 30 31—4 5—9 10—14 15—19 20—24 25—29 30—4 9—9 10—14 15—19 20— 24 25—29 August 30—3 4—8 9—13 14—18 19—23 24—28 Septbr. 29—2 Oetbr. 3—7 8-12 13—17 18—22 23—27 28—2 3—7 8—12 13—17 18—22 23—27 RN Er 5. Altstätten 0.11 2.30 1.98 1.94 2.64 — 1.25 3.04 2.00 1.07 — 0.32 — 1.50 — 1.42 1.01 1.68 — 2.30 — 1.71 — 2.11 — 0.45 — 0.96 ln 3.47 3.66 2.54 1.92 — 1.02 — 0.06 2.69 1.38 2.02 0.88 1.17 0.19 — 0.74 — 2.13 0.59 — 1.60 Altdorf Zärich Affoltern 0.82 2.58 2.00 1.78 3.20 — 0.48 2.75 2.48 0.38 1.46 1.52 — 1.65 — 0.18 0.62 — 2.61 — 2.76 — 2.51 — 0.96 — 0.70 — 9.04 2.62 3.34 1.97 2.29 — 1.83 — 0.43 2.48 2.13 — 2.94 1.63 — 0.86 0.90 — 0.18 — 1.58 1.65 — 1.71 Basel 1.22 2.69 2.16 1.50 3.28 — 0.72 3.36 3.15 1.46 — 1.06 — 1.10 — 0.82 0.42 0.56 — 1.97 — 2.38 — 1.62 — 1.18 — 0.59 — 1.78 3.10 3.84 1.82 2.85 — 0.61 — 0.05 2.94 2.13 3.31 1.42 — 0.02 1.31 0.06 — 0.74 0.59 — 1.10 Neuen- burg 0.64 2.08 2.46 - 1.22 2) — 0.13 2.74 2.38 0.40 — 2.06 — 1.82 — 1.26 — 0.26 0.50 — 2.99 — 3.33 — 2.13 — 1.14 — 0.59 — 3.68 1.31 2.62 1.71 1.44 — 1.22 — 0.27 1.60 1.34 2.16 1.73 — 0.53 1.31 — 0.67 — 1.41 1.09 — 1.23 1.88 2.75 2.83 1.54 3.07 0.19 3.38 3.14 0.40 — 1.60 — 1.31 — 1.52 0.13 — 0.94 — 2.67 — 2.56 — li! — 0.40 — 0.19 3.23 4.28 2.34 2.85 — 1.55 0.54 3.18 3.14 3.28 2.61 — 0.94 0.67 — 1.01 — 2.42 2.40 — 1.98 li nn —— — — — — — — ——————— ZZ Monat Memel Tilsit Claussen ee Hela Danzig Conitz 1875 Novbr. 28—1 1 744 |— 7.82 | 7.02 |— 7.98 |— 4.90 |— 6.02 | — 5.27 | — a6 1— 494 |— 5.01 |— 5.84 |= 5.23) — 469 | — 16.40.) 5.93. gr 11 0.24 |— 0.21 |— 4.07 0.73 0.21 |— 0.39 1.40 12—16 0.68 1.21 |— 1.93 1.14 0.52 0.59 2.27 17—21 |— 0.45 0.98 1.09 0.46 0.24 |— 0.09 0.72 Do 350 | erg 7er | 02.9301 21697 2:01 ze 7-1 |— 9.02 |—- 9.08 |— 9.90.|— 9.26 | — 5.99 | — 8.47 |— 8.05 | — ee sa 2.863 | 77 | 831 | — A66 | — 6.130 462 En 71.1.7401 \25.37 | 733 | 5:52 | 8.19) — 0022 | 0.20 joe 3:09 | 5.18 | 06.48 | 15.28) — 7202| 38.04) 2199 17—21 1.42 2.99 2.64 1.96 0.20 0.47 1.52 22—26 1.97 3.99 396 | 3.02 2.90 2.61 3.98 27-31 |— 9.28 |— 9.37 |— 8.99 | — 7.63 | — 4.99 | — 5.25 |— 3.89 | — Abweichungen 1875. BERND Rn en 1 MB N men m Be N Fe ae — Monat Wustrow | Rostock Poel Schwerin Schönberg| Kiel 2 Altona | Hamburg | münster 1875 Novbr. 28—1 |— 4.20 — 4.05 |— 4.49 | -- 5.07 | — 4.00 | — 3.76 | — 3.71 | — 3.59 2.76 0-6 | 438 |— 3.38 |— 3.85 |— 3.75 |— 3.62 | 2.94 | 3.72 | 2.77 1.98 Tl 20450 0:09102..038 0.00 0.23 '— 0.30 |— 0.14 1.52 1.65 12—16 os 008 | 198 0.59 0.57 1.13 1.59 2.32 2.20 17—21 0:25 .20:95 1.49 1.58 1.95 lese 2.25 2.74 2.79 2228 |— 1.47 |— 1,180) — 1.28 |— 1.16 ||, 1.20, | —y 1:06, E07 1 1.04 27—1 |— 4.66 I 5.28 |— 5.57 |— 5.84 |— 5.19 |— 1.09 |— 2.84 | — 4.20 5.06 Decbr. 2-6 |— 2.81 | 2.61 | 2.58 |— 3.22 |— 2.81 |— 0.19 |— 243 |... 2.68 |— 3.43 711 | 4.29 4,68.) 3,58 | — 3.12 |- 5:19.) A205 3.24 2.97 wei a, | 0.09 |— 0.47 0.46 0.76 0.73 0.70 17—21 030 | 057 | 1.08 0.61 0.06 0.89 1a 1.26 0.87 | 2022| 3244| 252 | 341) 8341| 331| 3.80 |, 4.28 |. 4.06 971 | 1.886 |— 1.11 |— 1.35 |— 1.08 |— 0.86 0.34 | 2.08 1.06 0.76 EL PER, Er A Ba er ER 2 iv Art Auer a FERN 4 en ee = aa? TUR 07 ung des Jah Hi ud Many 1076. N ’ I. de . a7” fi Be ’ Ich > * K u » Br nr Abweichungen 1875. F Se Lüneburg ee Berlin . a Posen |Bromberg | Krakau Ratibor Breslau Guhrau | 4.35 MP 4.09 |— 5.23 Is 4.76 — 5.10 la Dal Is 5.41 Ih: 5.14: | — 3.54 x 5.17 1— 4.69° 2:37 | — 3.41 |— 4.26 |— 3.85 | — 4.54 |— 4.78 | — 5.48 I— 4.49 |— 3.81 1 — 5.04 | — 4.67 0.18 0.85 0.86 | 1.62 1.84 | 7 12.15 1.33. |m.13.97 2.68 2.25 2.05 1.66 1.88 150 3.07 2.74 | 2.87 | 1214 | 2.51 | 3.44 2.51 3.08 1.81 2.68 1.077 12/55 2.58 | 42.11 028 | 0900| 3.63 2.87 2.86 1.33 [20.93 | 1.98 |= 0.07 Z1ag | 2.77 |= 2.87 |= 0.28 | 0.02 |2800 | 248 4.25 | — 5.20 a 6.51 45.99: 1296.42 a 6.47 |— 7.85 ka 4.82 |— 2.811 — 5.83 | — 6.64 | | | 8.30 | — 4.68 |— 5.70 |— 5.85 | — 6.68 |— 6.33 | — 7.21 |— 0.98 ee 2.75 | — 6.02 | —' 6.42 3.92 |— 4.87 |— 4.86 | 5.51 | 6.66 I- 6.72 |= 7.05 |= 9.31 | 7.59 |— 9.60 | — 8.76 0.10 0.06 0.03 0.90 0.27 | 0.88 | 2.83 | '0.60 0.50 |— 9.39 | — 0.30 0.62 0.61 1.03 1.28 | 0.89 | 0.90 1.02 |— 0.28 1.00 0.71 0.04 3239| 454 | 408 | 458 | 452) 438 | 340 | 510| 455 |) A58| 446 062 3.47 | 1.84 |= 0.96 |= 2.02 |=. 8.57 |= 4.93 |= 5.62 |— 3.81 |= 428 | — 3.18 Abweichungen 1875. u a — — — Eichb w Görli | Zi | ne | er || anhetere | PR: h | Freibe Ic erg ang =örlitz ıttau | autzen | Hermsdorf resden | e e | burg | r sc Tg | \ | | 1 | | | | AS FEAT MB [= 2.90 |= 4.93 | 8.74 | — 5.13 | 5.01 | 4.70 ke 4.99 | _ 4.48 — 4.83 |— 149 |— 4.04 | — 3.42 bo 5.12 | 4.42 | — 4.38 | 4.50 | == 4.05 | = 5.27 | — 2.90 E-9,81 2.80 226 | 165 1.79 D6E| 1:88 1.04 2.64 | 2.38 2.34 3.09 1.34 2.54 3.25 |) 92.34 2.52 2.36 | 2.26 2.45 | 3.23 2.21 9.04: 208.67 2.97 3.74 3.01 3.22 2.46 3.21 | 8.32 2.83 CR Pa 2.20 | — 2.68 | 2.23 | — 0.06 |—= 19.61 | 11.39 | — 2.33 |— 12.41 2.62 |=-198 | — 2,16 445 |— 4.29 | 6.06 |— 3:64 | — 6.4 |— 4.42 | — 6.49 |— 5.04 | 4.25 |— 5.94 | — 5.84 I — 5.99 |— 5.59 | 6.66 | — 5.09 |— 7.52 |— 6.60 | — 7.36 |— 5.79 [2.8.08 | Re 7.85 —11.35 48.00 | 8.75 | — 7.86 7.68 | 9,35 | — 9.22 | 17.51 | 7.65) | 8.68 | — 8.17 — 043 | 16 0.26 0.56 0.69 047 | —— 0,76 0.62 0.90 |— 0.39 0.09 18 rd 049 | 0.64 0.55 025 — 0.30 1.91 1.43 0.23 0.39 5.36 3.48 4.37 3.76 4.75 4.00 465 | 6.16 8:19 2.98 3.85% 2,75 | 14.21 |&r 2.04 | —ı.88 [202.24 [0248 | 1.94 [er | 08.21) je | 100 ne ee it : ee a ae en IP OR EI Abweichungen 1875. Kris . & nn —— 2 -—_ . — R Ober- f Monat Riesa ger Chemnitz | Annaberg | Wiesen- Wer Zwickau Gar Leipzig hain hal dorf grün 1875 Novbr. 28—1 = 8 5.34 |. 4.93 | 5.41 |— 4.96 | 4.89 |= 417 | — 5.19 | — 4.29 2—6 — 3.72 = 241 |—= 2.60 |= 2.96 | = 3.34 |== 3.02) 1.81 | 4.14 Till — 1.67 2.47 1.91 1.57 1.80 2.98 2 Mi 1.61 12—16 == 2.02 2.18 1.59 0.83 972 2.56 1.21 2.68 A 1 — 3.10 3.39 2.68 2.32 3.20 3.56 2.40 2.83 22—26 — 095 |. | BB = 3042102728602 eg 27—1 — _ 574 |= 540 |— 4.86 |= 5.30 |= 5.95 | = 5.36 |— 5.32 | = 16.25 Deebr. 2—6 — —_ 5.61 | = 6.90 | = 16.96 |=E 16:35 | 17.66 | 1.07 a2) re Zailil = er ee | ir 12—16 e 1.04 | 00:35 0.23 120 |= 051 |= 0.53 |— 0.32 | — 0.62 or — 0.57 0.94 0.87 1.24 0.48 0.62 0.72 |— 0.38 22—26 - — 25%) 3.48 4.49 1.29 4.51 4.89 4.07 4.37 27—31 — — nr | 1.87 22 a0 al 04 004 er Abweichungen 1875. BREBE N NZ. 1 Un en. Su nn Monat Plauen Torgau | Bernburg Halle Erfurt Gotha Langen. | Bondes "| WESEEE salza hausen rode 1875 Novybr. 28—1 |— 3.46 ak 4.62 e — Au _ — 4.13 — 447 — De 9:03 9.52 — As. 05 —_ = Swöl => 240% — 7—ı1 Be 2.17 — 2.06 2.12 — 1.64 1.73 — 12—16 2.57 2.18 — 3.09 3.03 _ 2.20 3.09 _ oh 4.04 3.31 —_ 4.20 3.44 — 2.15 3.49 — 22—26 |— 1.40 1.42 — — 11,39. 2 01.67 — 92.30 E80 — 1 E51 70544 — — u I _ le — Deebr. 2-6 |— 6.62 |— 6.58 — — ee er _ — 5.98 | — 7.00 _ 711801 | 0.24 — — len = — — 6.16 |— 8.73 _ 12—16 0.34 |— 0.26 — 0.24 |— 1.25 —_ — 0.30 = DD 0.26 0.74 — 0.07 0.15 — ST ED — 22—26 4.88 4.77 — 4.70 5.32 _ 5.40 4.83 — 27—31 0.88 |— 0.09 _ 0.39 | 0.97 _ 2.07 | 1.50 en Abweichungen 1875. ! Elsfleth Oldenburg! Jever ' Emden | Lingen | Löningen | Münster | Gütersloh i Göttingen Hannover | | Nr 4.11 |— 4.52 | — 3.92 pe 3.75 > 4.01 — 4.56 | — 3.08 12 3.37 |— 3.58 E 3.86 | — 3.85 | | x — 2.75 — 2.60 I— 1.77 |— 2.04 141 |— 2.32 0.04 |— 0.63 | — 0.69 1.00 | — 0.20 rw 711 1.40 1.67 | 0.90 119 | — 1.18 |— 0.91 | 1.88 1.67 0.55 0.95 1.52 12-16 2.60 2.29 | 2.58 |0,12.49 |— 12.23 | » 11.40 | 2.34 | > 2.50 1.48 1.68 2.04 om-a 2.85 2438| 231 | 259 — 215 | 234 | 2.65 |. 2,51 2.86 2.60 2.29 2226 |— 1.88 2.07 |— 2.36 — 2.34 2.09 |— 1.57 |— 123 |— 2.32 |— 1.76 |— 2.32 |— 2.31 — 6.00 | — 6.86 en |— 5.68 |— 5.81 | — 5.73 |— 5.85 |— 4.54 |— 4.95 |— 5.59 |— 6.01 |— 5.35 ER | br. 2-6 | 7.44 — 6.60 | — 4.29 | 4.81 |— 3.35 |— 428 |— 6.12 5 6.06 |—.6.73:| = 73411 76.98 u le 7.75 |. 4.84 | 3.30 | 3.07 |— 2.60 |— 2.71 |= 3.05 |— 3.31 | 440 |— 5.11 | 644° I 12-16 |— 0.19 0.43 |— 0.42 |— 0.32 0.27 | 041 |—:0.13 |:» 0.02 | — 0.98 0.73 | — 1.86. 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S1.54 7201.64 | 00.10.7271 110.41.88 10.245 2.29 1.87 328 | 264 | 8.66 | 272 | 3853| 354 | 349 | 3.50. |. 108 2.01 1.94 |— 2.43 |— 1.56 1 3.72 |=r1.59 | 1.42 |— +1,54 | 11.0811 )2:58 | — 296 — 5.53 |— 4.68 |— 4.71 \— 4.91 | — 4.79 |— 4.05 ,— 4.56 | — 4.44 |— 4.92 | — 5.71 6.78 |\— 6.59 | 5.76 lau S.41 9” 5.85 |— 5.65 (2a 5.87 |— 6.00 |— 5.82 | — 7.27 1— 3.81 = 5.15 |— 6.00 | 4.78 | —= 6.15 | 6.15 |— 17.67 |— 7.79 | — 713 | — 7.71 0.17 |— 0.38 |— 0.36 |— 1.27 |— 2.44 — 0.75 |— 0.52 |— 0.90 |— 1.05 | — 1.94 1.49 |.1.01.35 0.35 | 0.58 \ 0.00 | 70.24 I— 0.83 |— 0.95 |— 1.73 | — 2.68 5,38 | 14.53 5.42 | 4.17 4.72 4.172 | 4.52 451 | 4.09 3.68 r 3.46 | 3.08 3:02 |* 2.72 | 3.13 | 2.40 | 1.93 1.15 135 | 0.89 Ab, eichungen vom 50jährigen Mittel. Phys. Kl. 1876 (2 Abthl.). 5 Br a Pi 9, v Abweichungen 1875. $: % Monat ER. Hechingen Rt Stuttgard | Heilbronn Calw m No e 1875 Novbr. 28—1 — —.2,95 | = 3.10 | 4.06 | — 3.52. 12.46 — — 4.67 |— 8.54 Ah 2—6 — — 1:01 0.38 | gan n53 0.06 — ler) | 160 Bi Ze Il — 2.62 2.33 2.10 2.53 1.48 — 2 2.16 en ro, 12—16 — 2.27 1.92 2.02 1.59 | 2.00 — 1.00 0.97 |. RK ur 3.50. | 1.89 | 2.25 226 |. 272 | = 2.040. 34oN 0R8 BE 22—26 — =3930 |=.456 | 3.48 | 02.37 1.02.21 — — 479 | — 195 | — YrLL 27—1 — = A.49 25.95 | 25.296.531 13.6 —_ = 5.55 |— 4092, — WIN { Decbr. 2—6 = As ln oral :80 _ — ke 4.69 | — ill — — 645 | 775 |— 8.04 |— 8.94 | — 5.43 _ ale (le || — 12—16 — — 226 |— 0.50 |— 2.85 |— 1.75 |—. 1.60 — = 7077 2-0 17—21 — 0.28 | 13.62 | =21.35 | =.1245 | — 01.37, — 2.59 |— 3.70 | — 22—26 — 4.36 2.61 3.63 2.46 3.55 — 2.83 3.28 anal = 252 0:23 0.09 1.14 —= El 1.01 ? ; Abweichungen 1875. Frie- Monat drichs- Eger Lemberg | Salzburg ag Wien Gilli Triest Lesina I \ hafen . | münster X nn 1875 Novbr. 28-1. | 3:60 \= 3.43 | — 6.18 |= 3.42 |—- 3:33 |— 411 |— 3.97 |— 0.51 |— 2.99 IN 26 | 155 | 225 |= 5.83 |= 3.97 |— 8:76 |— 3.96 |— 3.96 | 2.73 |— 4.12 alt 1.72 2.34 0.68 2.91 2.33 ital 2.40 1.04 jlortal 12—16 1.20 2.24 1.67 2.37 252, 2.97 2.21 1.23 0.30 / & 1721 2.45 3.25 0.48 2.11 2.89 2.44 0.81° 0.14 0.49 | 2226 | — 3.50 | — 2.10 0.03 |— 198 |— 026 |— 0.87 |— 140 |— 1.90 |— 1.08 { n—1 _ 12417 = 621 |— 3.09 | = 2.89 — 3.20 |— 2.40 |— 3.62 |— 0.69 Dechr. 2—6 - = 4:56 1.59 |— 4.63 | — 3.75 |— 2.86 |— 0.42 |— 0.54 0.74 u DR a 1220.06 2.7.88 | ar eg | ra aa 55 f 12—16 _ — 0.14 |— 2.59 |— 0.93 | 0.70 0.23 | — 4.74 |— 0.81 |— 2.20 Rn 17 21 = = 20:62 a | a I le) 0.05 0.16 1.37 0.99 Sn 22—26 — 4.88 3.70 3.870 = 9112 6.30 1.86 eraaıl 1.43 b 2731 = 4.30 | — 8.38 0.09 | N a ze! ‚ des Jahres 1875 und Anfang RER NUN INN RR Abweichungen 1875. y Bernhard Altdorf | Zürich | Affoltern Basel R Hospitz Chaumont| Genf N Trogen Altstätten — — 142 1 — 067 |— 0.9 048,1 —..0.781 1-— 10.0861 — 1.66 _ ig}: = 0.37 1.10 0.69 1.36 0.94 1.26 0.56 _ 3.60 _ 3.68 3.18 4.46 3.07 2.08 3.72 0.99 — 2.37 —: 1.79 1.97 2.10 1.90 2.69 2.02 1.27 Bun 2.05 — 2.18 1.55 2.45 1.73 0.67 1.31 |— 0.69 — —111 = — 1.92 |— 2,30 |— 1.74 |— 1.89 |— 3.74 |— 2.1977 — 467 ea. Zora ei + 4.22 |— 642 — 3.98 |— 5.03 — |— 5.12 — 1 5.78 | — 6.37 | — 5.58 | — 5.38 |— 7.10 | — 4.22 | — 4.62 — | 6.10 — 1 6.02 | — 5.79 |— 6.96 |— 4.22 | — 5.10 | — 474 — 3.93 — |— 291 — | 104 |— 2.22 |— 134 |— 1.10 0.08. |— 1.35 1.08 — | 3.92 |— 259 |— 21 0.45 0.94 |— 0.99 1.831 |— 0.21 1.22 — 2.93 - 3.04 3.15 2.51 |— 2.48 2.96 2.95 3.46 _ 0.05 |— 0.82 |— 0.34 |— 0.32 |— 0.02 |)— 04 | 014 0.86 |— 0.08. Abweichungen 1875. | Casta- Sils Maria segna “ — 1.60 8 2.16 — 1.42 1.31 j 0.86 0.27 fr. 0.88 1.28 1.12 2.34 . 437199166 . — 2.83 | — 2.50 — 2,35 0.82 L 7—11 | — 5.14 4.82 ai l— 0:35 0.18 17-21 |— 1.36 |— 1.39 2226 2.98 2.61 22731 |— 0.05 1.79 5* 36 Dove: Da die Witterungserscheinungen in England nicht in fünftägigen sondern in monatlichen Mitteln von Hr. Glaifher publieirt werden, so müssen wir uns auf einige in dem (@Quaterly Journal of the Meteorological Society of England enthaltene Notizen beschränken, um uns zu überzeu- gen, dass die auf dem mittleren europäischen Continent hervortretende Witterundseigenthümlichkeit auch in England sich zeigte. Am 21" Novem- ber 1874 erniedrigte sich nach einer 42 Tage andauernden sehr warmen Witterung (1°.92 R. über den Normalwerth) die Temperatur erheblich. Eine bis Anfang 1875 für England ungewöhnliche sehr intensive Kälte trat ein. Sie geht aus der folgenden Tafel hervor, welche für die ein- zelnen Stationen die an denselben beobachteten grössten Kältegrade in Reäumurschen Scala ausgedrückt enthält. December 1874 22 23 29 30 31 | Guernsey: See 2.00 | — 2.00 | — 2.22 Heltton a 2,22 3.56 | 3.56 | 1.78 3.11 Truron ee 0.00 0.00 1.78| 2.22 0.00 Osborne. Ar .. — 2.93 | — 3.96 | — 0.54 | — 2.04| — 3.07 Bournemouth . . . 2.22 4.40 0.58 | — 1.51| — 2.67 Portsmouth .... |— 4.27 | — 6.67| — 2.22 |— 4.09 | — 4.98 Wortbins2e.2222.0® — 427 | — 4389| — 1.91 | — 3.60 | — 2.49 Hastings ..... = 449791), —59.208| 35 — 3.02 | dien Mannton u. . — 2.00 | — 3.331 — 111!-— 2.7|— 6.67 Salisbury ..... 556 | Bl 267 = A890 600 Barnstaple .... | — 1.56 | — 3.56 1.022220 1,=— 0.89 | — 2.67 Aldershot.. . . . . — 6.67 | — 6.13 | — 3.38 | — 6.67) — 8.09 Ramsgate ..... a6 ler 3158 | aaa rg Struth Turyss .. |— 6.76 | — 5.87 | — 3.11 | — 7.564 — 9.69 Weybridge ....1— 5.781 — 756 | — 3.87 | — 83.53 — 8.00 Marlborough ... 1 — 6.80 | — 7.87) — 3.78 — 5.56 | — 10.31 Greenwich ....|— 3.91 | — 5.82| — 5.33 | — 5.42 | — 6.00 Streatley 2: 0.. — 6.7! — 5.69 | — 3.02 | — 6.09 | — 7.56 BrietolE re RN. 3.11 | 4.36 2.27 | 3.82 | — 8.09 Camden Town .. |— 4138| — 6041 —- 2.93|— 5.23 | — 5.78 Chiswick ..... — 6.00 |— 6.00) — 2.89 | — 6.44 | —ı 16.67 Leicester ..... — 5.38 |— 5,78 |— 8.49 | — 7.02 | — 9.47 Oxtard See — 622) — 622 | — 613 | — 6.49| 7.56 Gloueester ....|— 453 | — 489 | — 1.91 | — 9.11|— 8.58 BRoystones ee. — 4.71 | — 6.13 | — 4.530) — 8.09 | 76.71 Cardington .... |— 6.22 | — 5.78 — 3.56 | — 11.56 | — 9.78 Somerleyton ...1— 3.56 | — 444 | — 9.22 | — 9.78) — 117.64 Birmingham... . |— 3.56 | — 6.22 | — 3.38 | — 547 | — 5.33 Norwich ..... — 2.22 |— 444 |— 756 | — 9.78 | — 7.56 v # B ER EINETITRER S et Ne % “ ‚ 2 t .“ ner f ud 4 N «id N ar, Über die Witterung des Jahres 1875 und Anfang 1876. 37 December 1874 | 22 | 23 | 29 | 30 | 31 Wolverhampton . . 6.13 | — 5.29 | — 3.11 — 5.11 — 7.24 Wisbeh . =... 347|— 6.67) — 8.001 — 7.78| — 6.13 Llandudno 2.58 |— 436 — 0.84 — 2.67) — 4.62 Noltingham . . . - 3,871 — 6.50 — 4.00,— 4.84) — 8.67 Holkham .. . . - 4.80 |— 5.11) — 9.02 | — 10.80 | — 7.11 Sheffield ... - » 1.37 |— 5.33 |— 3.56 |— 7.69 | — 7.38 Caleethorpe . . . - 6.531 — 4.09 | — 7.29 | — 8.40 — 10,62 Hawarden. ... . 2.22 | — ‚4.00 | — 2.22 | —. 4.00 Mer; 6.89 Liverpool... ... 4.00 | — 3.781 — 3.78 |— 6.41 — 6.22 re 4.13 | — 5.82 | — 4.53 | —. 6.67 | — ,7.78 Moorside .. . - . 413 | — 5.78) — 5.111 — 6,67 |— 7.73 Bermerside .. . . 4.09 |— 6.001 — er r :78 a en! 7.11 | — 9.33 | — 10.22 | — 12.00 | — 10.22 Stonyhurst ... . 844 | — 724|— 6.931 — 8.36 | — 7.91 Bradford ..... 2.27 | — 489 |— 533 | — 7.47 — 7.56 RL RN PR BEER 2.671 — 4.001 — 5.33 | — 9.33. | — 7.56 Cockermouth . . 3.82 |— 2742| — 8.84 | — 8.80 | — 7.96 Allenheads .. . . 422 |— 8.44 | — 10.44 | — 6.44 | — 10.67 Sn ER RE 644 |— 9.11 | 8.04 |— 9.16 | — 9.33 Carlile...... 8.27) — 3.11|— 11.16 | — 9.24 | — 8.89 Sunderland ... .. 1.56 |— 356 | — 7.56 | — 9.33 | — 4.89 BETEN TH nad a 3.11) — 5.33 |— 9.78 _ 1092| — 4.89 North Schields . . 3.84 |— 5.56 — 8.76 | — 11.20 |— 4.39 Auf diese bedeutende Kälte folgte eine am zweiten Januar 1875 beginnende bis zum 30" Januar fortdauernde ungewöhnliche Wärme mit einem Überschuss über den aus den letzten 104 Jahren bestimmten nor- malen Werth von 3°.11 R. Die Temperatur des Januar 1875 war im ganzen englischen Beobachtungsgebiet 5°.07. Die folgenden Monate geben folgende Temperaturen und Abweichungen vom Normalwerth der letzten 104 Jahre. Febr. März April Temperatur 1.33 3.64 6.36 Abweichung — 1.60 — 0.42 0.09 Mai Juni Juli 10.22 11.96 12.04 1.11 0.31 — 1.38 Aug. 13.78 0.98 Sept. Oct. Nov. 12.44 7.33 4.49 1.56 — 0.49 — 0.09 Dee. 2.98 — 0.18 Monat Januar Febr. März April Mai Juni 1—5 6—10 11—15 16—20 21—25 26— 30 31—4 5—9 10—14 15—19 20—24 25—1 2—6 7—11 12—16 17—21 22—26 27—3l 1—5 6—10 11—15 16— 20 21—25 26— 30 1—5 6—10 11—15 16—20 21—25 26— 30 31—4 9—9 10—14 15—19 20—24 25—29 Memel Tilsit — 10.80 6.21 2.715 4.38 2.87 2.61 3.77 0.93 2.44 0.06 3.98 2.04 3.25 2.64 4.25 1.67 1.08 1.70 2.19 2.48 0.51 4.00 3.75 0.50 0.10 2.38 3:95 9.64 2.95 2.85 2.83 2.61 5.85 KOT 0.79 0.66 Claussen — 10.36 — 6.16 — 1.62 1.93 2.47 0.81 — 8.32 — 0.36 2.94 — 1.37 — 2.63 — 2.63 2.43 3.25 9.52 1.24 — 0.18 3.12 2.27 2.81 1.38 3.42 9.31 1.10 1.09 — 2.24 | — 3.834 — 5.76 _ 2.51 | — 298 2.90 | 1.69 3.67 | 1.57 — 0.74 0.36 Hela 9.74 3.43 2.23 2.10 1.94 0.84 1.51 0.56 1.65 0.61 2.50 0.89 1.88 2.06 3.29 1.26 0.49 0.81 2.03 2.29 0.59 2.83 1.81 0.67 0.68 1.61 1.81 2.47 1.02 2.44 0.96 3.44 4.95 1.64 1.31 1.68 - Danzig 8.70 6.09 3.83 1.82 1.42 0.32 0.61 1.30 4.44 0.10 2.95 0.40 1.64 1.43 2.87 0.55 1.03 0.18 0.87 2.38 0.57 2.22 1.68 1.68 0.49 3.03 3.79 3.70 1.74 0.88 1.47 3.00 4.45 1.15 0.44 0.83 Conitz — 6.82 — 9.47 — 2.36 2.96 1.56 — 0.10 0.75 0.02 — 2.15 2.46 4.31 1.14 3.04 2.28 3.86 0.51 — 0.24 1.86 2.38 2.17 — 0.44 2.96 2.83 — 0.92 0.46 — 3.18 — 4.14 — 4.16 — 147 — 2.37 1.44 3.14 4.04 1.00 — 0.63 0.63 Cöslin 5.60 5.55 2.91 2.11 0.21 0.67 0.09 0.43 1.98 1.06 3.34 0.36 2.12 1.24 2.76 0.35 0.83 1.23 2.12 1.67 1.59 3.14 1.57 1.24 0.40 3.58 4.21 3.96 1.83 2.25 0.55 2.58 2.82 0.47 0.03 0.39 I AET abe ” oe y Hige n2 Be N ker: EN _Wustrow | Rostock Poel Schwerin |Schönberg' Kiel Net Altona Lübeck Eutin Qtiern-, “ münster | dort 7% | , 0.41 | 017.047 0,18 1 #0.03 | 1.48 0.61 | 0.47 059 — 4.12 | 4.84 | 4.34 |— 2.53 |— 3.56 |— 3.14 |— 1.97 |- 3.21 | — 388° 030 | LOL || 009 I- 0.08 |— 0.07 |— 061 |— 1.90 1.83 1.69 1.68 | 142 | 2.41 2.54 1.93 1.91 1.41 0.12 0.01 |— 0.14 0.27 |— 0.25 | 1.07 0.35 0.14 | — 0.17 0.49 |— 0.20 |— 0.19 |— 0.18 041 | - 0,76 0.34 0.67 |— 0.37. | | | cr 010 ont 040 0.01 | 0115 | ;0.20 045 jr — 128 |— 188 |— 1.84 |— 135 |— 191 |— 095 |— 131 |— 1.22 |— 1.9 — 150 |— 1.69 |— 1.72 |— 2.08 |— 282 — 1.00 |— 152 | 1.68 |— 248 2.73 3.24 3.01 2.16 259 | 3.94 3.03 | 3.03 2.62 3.26 3.16 Bl 2.70 | 1.76 3.98 3.37 3.14 2.67 1.50 | 1.30 1.46 0.84 |. 0.87 1.81 15937 ©1081 1.327. | y% 3.56 2.97 2.87 PR Be (1) 3.79 3-50 |: 1.3.44 424 1.66 1.40 1.98 1.39 1.70 1.90 142 |: 155 T.9B0R 1.94 1.44 1.07 0.85 | 0.93 1.42 133 | 1.40 2.53 — 049 |— 0.85 |1— 045 |— 1.06 |— 1.19 |— 0.7 !— 074 |— 0.03 |— 0.35 — 101 |— 149 |— 1.23 |— 1.39 |— 1.58 |— 1.30 |— 1.31 |— 188 0.58 1.68 1.66 1.82 1.11 1.65 1.53% 61:94 1.80 321 2.24 1.94 3.68 1.43 1.38 2.16 | 2.25 2.12 1.97 j 2.49 2.28 1.64 1.73 1.82 1.4 | 2299| 2.66 LAT — 139 |— 213 |— 156 |— 2.05 |— 2.68 |— 2.0 |— 1.62 |— 199 | — 1.54 2.23 1.82 1.65 0.72 0.37 0.71 | 1.77 1.19 1.14 — 0.06 0.11 1— 0.25 0.17 |— 0.28 |— 0.09 | 0.71 | 0.06 0.38 1.34 0.70 | 1.52 0.20 0.18 0.44 12s3U 408“ 0.70 j — 0.55. | 1.13 |* 0.56 |— 0.78 |— 0.64 |— 1.78 |— 0.20 |— 0.53 |— 044 — 3.36 |— 3.40 |— 0.87 |— 2.26 |— 2.35 |— 2.88 |— 2.58 — 230 |— 151 — 3.24 |— 413 | — 2.93 |— 3.05 |— 3.48 |— 4.37 |— 3.15 |— 3.32 1 — 2.84 ° — 2.69 |— 2.96 |— 1.71 |— 2.93 | — 2.78 |— 3.22 |— 2.02 != 258.) — 3197 — 0.90: | — 72.02 |— 1.63 | = 12.07 |— 1.23 | 2.15 |= 1.67 1— 198 | 10 — 0.79 |— 2.11 |— 1.65 |— 2.04 |— 1.93 |— 2.80 |— 2.69 — 1.9 |— 1.81 | | | PCR ES SAH TERN). | ESOAM.N)] PERBR EP, DEREEN Hu 1.20 0.83 (== 0.52 |— 0.53 |— 0.29 |— 0.54 — 1.029 — 0,83 | — 0.27 140.394 E50.77. 150.38 0.00 |— 1.06 — 1.0.09. | = 0% 0.87 0.54 | 1.29 0.43 1.45 0.35 — 1117 20.64 0.59.95 1.190 90.07 1.06 0.21 0.49 0.05 — 0.47 1.77 — 0.89 2.89 0.88 1.53 0.43 —_ | 1.87 | — 0.48 2 “ x ill 1.86 1.22 1.98 1.83 | 2.09 1.92 2.25 1.68 12—16 1.06 203 2.54 2.383, 404 3.74 4.73 4.37 17-21 )— 055 |— 0.73 |— 0.33 | — 1.02 0.01 0.01 0.00 |— 0.21 | — oe | oe ot era Te 30 0.45 0.69 27—31 2.16 1.17 2.03 1.95 0.27 1.52 3.83 | = 3.57 7% April 1-5 3.58 2.77 3.07 2.37 2.41 2.45 — 2.64 REN, 6—10, 2.62 2.12 2.11 1.96 1.63 1.94 _ 1.49 ar. a ns er 2) 00.660 — 0.23 — — 080 | — Ehre 16—20 1.47 3.13 2.04 2.42 DE) 22 — 2.27 FR 21—25 0.15 0.92 1.32 2.05 3.96 3.26 _ 6.38 ER 26—30 0.19 0.63 1.31 1.67 0.05 !— 0.38 0.32 | 00.56 te | Mai 1—5 058 | 047 | 02 |— 057 0.46 0.53 0.01 |— 0.42 |— EYE 1e_20 | 2.76 |— 3.74 | 321 | 4.05 | 4.85 | 487 | — 5.03 |— 0.87 | — Ban, as eo | ae o | ne. 2.0702 RER RO RT a ge | = Bo | ae 2 Joe 2.62 |— 0.35 | — or | CHE? ma a | 7098, | = N0.57| — 20:34 | 30.83 0.81 0.63 | 0.16 |— 0.14 ar 5—9 0.61 1.55 2.40 2.46 2.80 2.45 4.75 1.76 PARe-; 10—14.|— 0.16 1.18 2.23 2.11 3.72 4.01 2.40 1.78 E 15—19 0.77 1.03 0.35 0.63 0.18 0.82 0.67 | —- 0.32 | 20—24 0.811 0083 0.24 1.44 |— 0.19 |— 0.70 0.48 | — 0.69 25—29 1.06 0.64 1.04 0.75 0.79 0.25 0.15 |— 0.67 ro ee 22.60, srao | ost en 5.38 |— 5.73 |— 743.|— 6.32 | — nee | or an a BISSL ZA a 16—20 1.66 215 1.53 | 1.26 1.52 1.57 0.46 | — 0.21 21—25 0.71 0.34 1.09 0.88 1.22 1.01 1.12 1.95 26— 30 0.05. |2o.51 | = NolsıL | = #1.452 | — 1.20, — 10.99 17 3.32 |— 2.62 | — N Febr. 31—4 0.89 | 20.10. | olo2 | No.91 | = 0386 t| —No.45 | NS Bl BT eg nor je h120 | Rorad 8046| ROT I DE 6% en ya a Le Er a le te 15—19 4.65 2.15 3.89 3.68 | 47 2.36 3.99 | — 3.50 m 20—24 3.74 3.61 4.70 4.46 4.51 3.93 4.77 4.24 nYsE 25—1 9.12 0.87 2.44 1.88 2.05 1.17 3.27 2.86 "Abweichungen 1876. BE. Guhrau Lüneburg ns Berlin a Posen |Bromberg | Ratibor Krakau ° | hagen a..d.0: Januar 1-5 a nlep eo ei 1 BBUD) |= 17.98 | — 3.36 4.27 März 2-6 3.92 3.66 4.09 3.93 3.83 3.05 4.06 3.12 eye 5g || al 20:29 — 3.39 |— 237 |— 0.33 | — 125 12237712235 | 4.08 3.92 14.97 — 450 |— 497 |— 047 |— 24 Böriur: * k N j Br, A ai a ee x N a Brrh . RE EUER EL Re 2 ER BRASN r - j f . , 3 Ka Sor 2 y Pi 0.000 Abweichungen 1876. ee 3 Wang Görlitz | Gohrisch | Leipzig | Dresden | Zwenkau ee Bautzen | Zittau | Zwickau | | | | | _ — 095 1— 2.34 |— 046 |— 1.07 |— 1.60 |)— 22% |— 0.23 - I— 7.44 |— 7.18 |— 7.17 |— 7.22 |— 6.33 |— 5.07 |— 8.36 = — 12.76 | = :246 | =, 2.17 | +2,30 |—11.84 |— 057. | — 315 | 0.18 |— 0.56 Z 0.52 |— 0.19 |— 0.63 0.07 |— 0.40 2.42 0.67 1.50 0.39 | 0.54 | 0.03 1.60 | 2.02 0.39 1.56 | 2.01 |— 3.03 |— 2.61 |— 1.95 |— 4.00 |— 274| 222 — 230 |— 3.16 | — 191 11.283 |— 1.83 | 2,63 |— 5.36 I a 0.82 |— 0.61 | — 1.62 |— 1.78 | — 1.01 1.1.24 1 3.05 | 3.53 | 4.79 (> 5.53 |— 441 |— 3.52 |— 3.40 |— 2.62 |— 413 — 0.07 |— 2.02 |— 3.53 |— 3.55 |— 3.77 |— 235 |— 2.62 |— 2.61 )— 225 | — 3.12 3.91 4.14 | 420 4.04 3.72| 448| 424 4.36 3.99 4.14 4.55 411 3.98 4.16 | 4.07 | 4.6 4.76 4.74 3.27 4.03 3.29 4.26 2.69 2.51 || 259 | 3.34 | 4.68 | 2.83 1.92 3.36 4.35 |— 3.48 | 3.97 3.64 | 3367| 46 3.86 4.09 3.50 3.81 0.53 1.24 1.03 1.08 Ir? 0.28 jun 41:32 0.30 0.91 0.82 1.04 3.16 | 2.85 2.37 | 19 2.22 1.91 1.36 ar 2.69 1.87 —a1.67 521.25. | 4 2.08. 1 ,02.87 141.79 b-01.60 [0178 BB | ge | — 0.88 |— 2.00 |— 2.35 |— 2.11 |— 3.01 |— 2.46 |— 2.22 |— 3,26 |— 1.26 |— 2.83 3:92 1.98 1.19 1.02 | 1.54 1.55 1.77 2.18 2.24 1.69 2.74 248 | 2.9 1.21 1.87 0.93 1.68 | 2.19 2.46 1.1 1.66 1.55 | 0.12 0.84 0.45 1.08 0.06 | 118 2.14 0.86 — 166 |— 147 |— 2.02 |— 1.88 |— 1.96 |— 1.87 |— 2.23 |—: 1.70 |— 0.78 |— 240 4.66 3.42 2.47 1.38 2.04 | 1.27 1.90 || 2.35 3.38 1.52 5.09 2.97. 1.96 0.30 | 1.26 0.86 0.87 2.40 3.62 1.39 | 0.21 062 | 0881 085 | 0831 1.16 Hm. 1:06 0.84 | 0.46 0.40 | | j— 127 |— 06 |— 1.37 aus Ic 1.19 = 1.13 |— 0.68 12 |— 159 |— 2.46 I— 4.27 |— 3.18 |— 3.29 | — 3.96 |— 3.42 Z 3.92 |— 3.44 a 3.72 — 3.57 | — 4.31 | 5.38 |— 4.13 |— 4.64 |— 4.82 |— 434 — 4.62 |— 4.90 |— 4.48 \— 4.00 | — 5.70 ur I #71 1=13:80 5.11 [=13.61 - 4.54 |— 3.19 | — 2.71 I 4.04 — 3.58 | — 3.86 21-25 27 | 0.00 |— 1.09 |— 1.18 |— 1.69 |— 2.04 |— 2,04 |— 1.27 |— 1.90 |— 181 |— 1.66 ..26—30 37 | 216 |— 2.26 |— 0.53 |— 142 |— 2.71 | 134 |— 0.26 |— 3.09 |< 2.24 |— 2.9 £ | | | | | | |—1 0,37 |— 0.07 |— 1.07 |— 1.36 | 1.56 |—: 1.38 | 1.07 | 1.99 '— 139 |— 151 3832| 355 237 | 217 | 168 | 2288 1.98 | 1.90 2.25 2.63 2.61 2.36 |— 2.24 |—' 1.21 | 0.30 0— 1.54 |— 1.34 | 1:17 } 1.21 | — 1.08 0227| 0689| 071 1— 016 |— 053 | 0.20 0.81 )— 0.57 |— 0.34 0.12 1760 0:68 1.15 1% 1.37 [4.7 0.70 |— 0.10 |. 1 0.77 1.47 | *u0.44 | — 041 0.91 0.62 | 0.55 0.69 | 1.31 | | 1.39 + 0.35 |— 0.75 0.48 0.32 > 1.29 | 048 | N ) | Phys. Kl. 1876 (2 Abthl.). 6 8 Di Abweichungen 1876. ; Hinter- üllen- ven Monat Chemnitz | Plauen Hann za een Freiberg Elster Hermsdorf) burg grün ee near arte ln e Januarı 5 | 1.42 | 0.82 | 02,88, 261.49, aan 01.02 ng 6-10 | 5.67 | = 8:46 | — 4.71 = 626 |\= 7.01) — 398 | — 6.95 len ron 0,98 oa BA lee 2:39r > 16 00 | 0.38 | lo 8200.22 | 00.13-11.50) 0267 0.44 21—25 1.85 1.22 3.167 | 2.09 1.29 | 2.01 1.55 96-30 |— 0.85 |— 1.87 |— 2.42 ei ee I ST! Febr. 31-4 |— 0.69 |— 2.01 051 01.07 0.52 | 0.62 |— 3.44 5 h2igg7 = 457 | — 2.70 |— 4.01 |— 3.64 313 122:4;51 1014 | 975 \— 8.16 |— 3.26 | — 2.17 | 2.34 1.72 23:69 15—19 4.13 4.26 4.14 4.42 3.80 4.22 4.81 20—24 3.98 4.23 3.45 459 | 3.37 4.44 4.23 25—1 3.12 3.69 1.98 | 3.24 2.80 3.38 3.64 März 2—6 3.92 3.80 8:862 0.24.06 0.36 | 3.92 3.83 7—1l 0.84 0.95 0.95 0.77 0.39 0.79 0.69 12—16 1.55 1.78 1.81 248 | 0.99 1.74 1.50 1721 | 2.54 | 12.57 |— 3.14 | 1.54 2.16 |— 2.34 |— 2.84 Ben 19,53 3102.98. | = 210 | 92.037 2:22 27—31 2.40 1.34 1.68 | 1.56 3.08 2.13 1.78 April 1-5 1.99 | 1.76 DH 2.25 2.32 2.39 2.63 6—10 0.33 1.20 1.05 | 117 1.21 0.52 0.97 sets aa | 1.9, 2a LT) 2:06 16—20 1.59 1.50 3.63 2.55 1.62 2.24 1.67 21—25 |— 0.92 1.59 326 244 No) | 1.16 2.18 26— 30 0.27 0.30 0.23 0.855 |— 0.51 1.22 , — 0.10 Mai el | De El la a 6-10 | 5.01 | 4.59 |— 3.76 |— 4.30 | — 4.69 |— 4.69 |— 3.69 ea ee Ba — 6:67. 1.5.20). —46.25 16—20 1.4.79 |— 3.44 |— 4.26 |— 4.07 | — A N 258 313 1654. E30 Era EB SE TABE ELBN 2.31 2a 232 3.7 8 2.70) 02:48 0 2.97 | 83.69 a 4 61.98, 16er 1.8 130 EE0n |. Koll 5—9 1.81 2.64 2.69 | 2.28 2.71 2.24 2.56 10—14 |— 0.96 |— 1.02 1.01 ee te) re 15—19 | — 0.80 0.23 \— 043 |— 0.40 0.15 |— 0.64 0.16 20— 24 0.76 lea 1.20 |— 0.21 1.46 0.03 1.65 25—29 0.04 |— 0.67 |— 0.27 |— 0.08 0.53 |— 0.17 0.08 - Halle Erfurt I her 042 '— 9.03 3:07 rot 1.380 1,70 — 2.01 — 4.80 : e y —'3.91 ? e l 5.40 a 4.38 5.87 \ 1.18 | 2.08 |— 1.62 19:84 | 1.02 | 1.51 2.01 =! 2.34 | 1.20 0.65 | 1.07 ==Y 2:01 eu3:52 — 4.88 a 1.17 N — 1.60 1.41 — 1.36 0.75 1.01 — 0.31 3.89 | Langen- salza Sonders- hausen Heiligen- stadt 0.09 1.03 3.00 0.19 | 1.57 0.69 0.72 3.95 2.76 4.94 4.19 3.82 3.76 1.24 1.55 1.39 1.57 3.20 1.77 2.11 1.34 1.32 1.21 1.13 1.62 | 3.26 4.10 2.91 0.64 1.75 2.23 1.88 1.37 1.15 1.56 0.28 Clausthal ' Göttingen , Hannover 0.64 6.98 1.61 1.41 1.07 0.34 0.04 4.00 2.183 4.57 3.98 4.71 4.60 1.15 1.84 1.10 0.72 2.14 1.46 2.20 1.01 1.09 0.79 1.61 0.25 4.91 1.61 0.69 0,01 0.64 0.28 3.09 2.74 3.70 3.52 1.90 3.64 1.47 1.25 1.45 1.42 2.09 2.02 2.00 2.17 1.06 0.85 1.06 1.46 2.09 3.77 2.82 1.83 2.00 2.13 0.22 1.60 0.92 2.20 0.41 — — Elsfleth | Oldenburg £ 2 5. EN Monat RN 1876 Januar Febr. März April Mai Juni 15 6—10 11—15 16—20 21—25 26—30 31—4 9—9 10—14 15—19 20— 24 25—1 2—6 7—11 12—16 17—21 22—26 27—31 1—5 6—10 11—15 16—20 21—25 26—30 1—5 6—10 11—15 16—20 21—25 26— 30 31—4 5—9 10—14 15—19 20—24 25 —29 Jever 0.31 4.38 1.22 1.19 1.02 0.00 0.85 2.23 2.43 3.46 3.19 2.00 3.70 1.82 1.10 0.00 0.70 3.08 1.21 2.50 1.79 1.08 alaokz/ 1.28 0.48 0.44 2.39 1.93 1.40 1.24 1.87 0.13 0.79 1.61 2.82 2.02 Emden 0.43 4.89 2.41 0.17 0.32 0.80 0.52 2.66 2.46 2.36 2.45 1.64 3.54 1.34 1.43 0.67 0.93 1.47 1.80 1.97 1.22 1.24 0.93 1.34 0.13 0.39 2.68 2.21 1.74 1.82 2.68 0.81 1.96 0.02 1.97 0.71 Abweichungen 1876. Löningen — 0.20 — 5.65 — 2.45 0.07 — 0.08 — 1.07 — 0.09 \— 3.44 _ 2.68 3.93 3.46 2.97 3.43 0.86 1.14 — 1.55 — 1.66 2.07 1.48 1.94 —ı 1.7 0.84 0.98 0.48 a) — 2.17 — 3.75 — 2.69 — 1.82 — 1.32 — 2.78 — 0.30 — 1.45 0.61 2.51 1.81 Münster 0.10 _ 3.56 0.03 0.98 0.07 — 0.81 Gütersloh | Olsberg — 0.05 — 6.22 — 3.78 0.15 0.68 0.86 — 0.49 —- 2. 82 4.48 3.33 3.58 3.39 0.64 0.78 — 1.9 — 1.34 2.08 1.68 1.71 — 2.00 0.89 0.91 1.00 — 2.37 — 2.74 — 4.04 — 2.09 — 1.19 — 1.59 — 2.29 0.03 — 1.07 1.19 2.81 1.40 Cleve —6.0% — 3.70 — 2.18 — 1.29 — 1.44 — 2.07 — 2.87 — 3.73 — 2.09 — 0.95 — 115 — 1.82 — 0.43 — 0,82: Crefeld 0.93 0.42 0.86 0.55 N — 83.68 — 5.04 4.00 4.38 3.72 1.07 1.16 3.28 2.01 2.22 0.46 1.56 1.48 ‚1.08 2.94 1.84 Trier Abweichungen 1876. j Birkenfeld Rrkeert Darmstadt Mannheim Carlsruhe en Bi ern," | | | | | 0.10 — 0.89 0.16 | 0.14 3.28 — 6.07 | — 7.12 |— 5.87 | — 5.64 | — 4.08 — 2.95 |— 3.72 De 2.66 | — 3.96 |— 3.52 — 049 |— 1.20 |— 0.58 |— 1.68 0.48 —.1.412 |—.,0.08 |; ..0.89 | 0.32 2.16 | — 2.4 008 1 454 | 381 | 2.08 | I = | re 12339 | 202 | — 3.34 |— 4.04 |— 3.14 |— 3.44 | — 3.90 | = 4.25 |- 456 | 3.89 |= 4.61 | 7.95 | 4.79 |, 434 | 475 | 5.10 |: 4.38 | 4.31! 191.43:88 4.50 4.48 | 3.68 3.30 3.76 3:77 00.283,30 2.85 | ı 13.76 340 | 2.48 — 0.15 1.11. [nu 0:64 | 0.42 0.27 150 | 141) 00.98 | Pr 3.39 |— 2.91 | — 3.66 | I— 3.05 |— 198 | 4.99 | 2.08 | 2.47 3.26 5.69 | 1.84 | ! l — 119 | 258 |. 208 | 181] 0.76 2.62 | 1.84 3.23 | 12.85 |—2.12 | 3.11 [4.10 | = 0:80 en 10 jer re en] 0.19 |— 0.01 |— 038 | 048 | — 0.26 | 0.30 1— 1.01 1— 0.34 | — 3.09 |— 5.22 | — 3.47 | — 3.04 | — 5.16 \— 3.92 | — 3.12 | ...0.00 | — 1.92 I— 2.62 | — 2.71 —,1.10 | —ı 1.89 =: 1.38 2.26 — 1.09 = 9,39 —ı 2.24 0.75 — 0.58 2.43 1.74 | — 1.99 1.74 Hechingen Hohen- zollern ne 1876 Januar Febr. März April Mai Juni 1—5 6—10 11—15 16—20 21—25 26—30 31—4 5—9 10—14 15—19 20—24 25—1 2—6 A—ı1 12—16 17—21 22—26 27—31 1—5 6—10 11—15 16—20 21—25 26— 30 1—5 6—10 11—15 16—20 21—25 26—30 31—4 5—9 10—14 15—19 20—24 25—29 Freuden- stadt Heilbronn 1.17 6.82 3.15 0.90 0.01 3.44 3.85 4.72 6.21 4.85 4.23 | 3.97 | 3.10 1.01 1.70 3.71 2.36 ESIU lyzat 0.26 1.85 0.13 0.59 1.38 2.15 3.28 9.26 2.48 2.43 9.99 1.65 1.35 2.07 0.53 1.69 0.05 Calw 0.58 — 6.21 — 2.02 0.73 | 2.49 — 9.24 4.54 4.00 2.53 3.74 1.85 2.18 — 1.64 2.75 0.73 — 2.10 \— 3.53 \— 1.32 0.31 — 2.89 — 1.64 — 3.04 — 4.59 — 2.15 — 1.34 — 3.78 — 4.50 — 0,85 — 2.92 — 1.78 — 0.24 — 3.97 Ulm 0.48 — 5.13 = 1.26 0.80 — 0.10 — 93.32 — 3.66 — 2.55 — 3.37 4.78 5.31 3.26 3.45 1.10 1.90 \— 3.04 — 1.65 3.37 2.93 1.28 — 3.19 0.59 0.79 — 0.78 — 2) —EAAI — 4.76 2908 I 0 9.30) 0.51 3.94 — 131 0.06 1:93 — 0.44 Schopf- loch — 0.78 —. 7.36 — 3.07 0.11 0.64 — 0.34 — 1.09 — 3.99 \— 3.03 4.00 2.56 3.17 0.28 1.89 — 4.44 — 2.38 4.00 2.99 2.31 — 4.19 0.10 — 0.02 ı— 1.57 — 3.38 — 5.34 — 9.89 — 2.52 — 0.70 — 9.40 — 1.31 2.61 — 2.77 0.03 1.90 — 0,35 Heiden- heim 0.25 — 5.32 — 1.28 0.60 — 0.27 — 3.70 — 3.50 — 3.10 5.54 5.43 3.66 3.82 1.65 2.96 — 3.05 — 1.79 2.95 2.89 0.62 — 3.63 2.22 1.00 152 — 1.29 — 4.79 — 5.76 — 2.58 — 1.76 — 3.79 — 1.01 2.84 — 1.81 — 0.74 1.83 — 0.44 Frie- drichs- hafen — 0.78 — 5.98 — 2.20 — 0.69 — 1.03 — 3.25 — 3.60 — 3.67 — 4.96 3.81 3.22 1.79 2.60 020 0.14 — 4.95 — 2.95 1.28 0.26 0.77 — 4.98 — 1.22 — 1.51 — 2.86 — 3.68 — 4.80 — 950 — 2.81 2.34 — 3.48 — 114 0.53 — 2.70 — 1.50 1.45 — 1.92 Issny — 8.06 4.83 4.71 3.47 3.14 1.11 2.90 — 2.37 0.48 Ass 3.52 2.91 — 3.20 0.41 0.85 — 1.44 — 2.64 — 4.61 — 5.00 — 0.90 — 0.93 — 2.92 0.38 Ball — 3.55 3.20 Eon Lesina Buda Zürich Triest Pola —=41.95.1=13.83 |— 2:85 | — 441 |—:2.61 _ ZRH 0.62 —- 6.3 |-521- 7.5|-—452|-28| — |-635|-489'-5 —_ 21,74 1.10 |— 1.29 0.14 | 1.94 _ — 048 |— 2.13 — 0.25 |— 125 — 3.27 |— 1.26 |— 1.50 _ — 2.06 |— 0.53 1.85 144.00) | 01.7 | —-. 0.40 =) 0.30 = — 11.39 [#030 0.10 0.76 — — 14.45. 8279,53 | > Ne] [N2) | ai [0] 1 | » = [0 «] | 04.39) + 9.08: 9.6 0.64 039 | 0.09 |— 3.60 |— 2.70 | — 5.32 | — 3.42 | — 4.96 | — 3.04 |— 1.70 |— 041 1—- 275| 224 — 5.93 |— 6.75 |— 7.34 |— 218 |— 193 |— 141 |— 5.68 |— 4.24 | 1.61 |—, 0.26 0.50 0.64 1.60 | 1.75 0.27 | 5.38 3.41 2.59 3.00 1.69 1.21 > 1.97 1.86 4.36 — 50.13 1.56 >10, 0.18 1.20 3.57 3.74 | 1.83 1.63 — 2.21 1.18 = 2.11 1994| 1.01 0.77 — 1.32 OA En - 0.51 0.72 3.03 2.13 _ 1.89 1.62 — 2.10 0.72 = 23.217 11:94 _ — 1.52 | — 12.35 vn — 1.97 |— 411 0.13 |— 1.46 _ — 1.12 |— 0.06 = 1.98 |— 3.30 4.02 2.54 _ 2.19 1.62 _ 4.62 2.27 1} , | 2.13 2.83 3.30 3.65 2.46, nn ao E-51.48 3.39 2.82 2.98.77 | 0.85 1.23 | 1.78 |— 0.19 |— 0.70 0.47 |— 4.91 2.24 2.7 3.93 \— 0.99 2.26 !— 0.53 .|— 0.70 0.00 148 | = 3.50 | 8.95: | 344 | 82 2.01 |— 2.21 1:05) |E=91:09 | Hr 047 01067 179.01 0.06%; = 1.34 | 143 5.53 1.94 4.60 2.03 0.86 3.49 |= 2.43 |— 0.43) | 096 0.17 le 0.68 0.22 1.00 |— 0.56 |— 0.89 |— 0.15 |— 5.10 |— 1.47 |— 154 | 14 I — 0.21 0.24 0.48 |— 0.37 | 0.02 1.06 |— 0.22 |— 4.16 |— 2.78 | — 2.28 7 3.69 ka 4.99 33.86) 5:10) |r= 12.90: |=4.16..1==45.52/ 4.46 330.1 an — 6.25 | — 5.82 | — 5.78 | — 5.68 | — 4.11 — 6.00 | — 7.58 |— 5.01) — 3.66 | — 2.00. = 4.52 |— 4.42 |— 4.09 |— 4.52 |= 5.15 |= 5.22 |— 6.02 |= 1.20 | .040 0.16 E01 | 1.02 51, — 3.45 |— 2.93 |— 3.57 |— 1.60 |— 0:58 |— 1.09 — 3.34 |— 2.85 |— 275 |— 9.38 — 3.10 |— 493 | — 5.18 |— 221 I 191 |— 1.68 4.65 0:72. 100.37 1:58 |283:08 I- 0.61 - 1.01 | 0.27 | 0.99 1.20 6.59 2.93 2.02: |—. 2.13 0.32 0.38 0.80 | 3.18 | 1.99 2.18 2.88 |— 0.05 035 |— 1.73 | — 4.07 |— 1.19 0.88 | — 3.66 0:62 | — 2.08 1.43 0.16 0:38. |-— .0.887 | =,#1:35 0.11 |—= 10.06 |-—- 12.53 1.70 |— 1.54 2.23 0.18 0.50 1236: | 10,32 0.882 |11.01 1.25 1.26 1.74 ON BHO E38 | — 31384 | 12.38) 1==00:807 | 39.98 5 da Dove: BR | Abweichungen 1876. BR, Monat Graechen |Sils Maria| Chaumont Bi Trogen | Altstätten | Altdorf | - 1876 Januar 1—5 1.70 | 0.83 0.30 0.38 — N oe) | Bl AB ati) _ — 4.03 |— 0.32 . hl nh) ee re a) _ — le I er 16-200] © 0014 0.46 | — 0.355 | — 0.88 _ — 051 |— 1.20 } 21—25 2.43 |— 0.46 1.70 \ =. 0.32 = A 0.82 26—30 3.87 1.10 Aalen _ ee | R Febr. 31—4 0.83 | — 0.37 1.65 |— 2.45 _ — 3.84 |— 2.54 59. 25. a ee NN) 10—14 |— 2.61 \— 3.47 | — 3.26 |— 3.04 _ — 8:60. -13:38 15—19 4.02 5.09 4.46 | 4.27 _ 5.17 1.90 20—24 2.96 4.00 3.49 4.02 _ 3.84 2.24 25—1 2.26 3.46 2.86 3 = 3.92 2.56 März 2-6 2.35 3.54 2.08 2.70 2.67 DD 2.18 Tea 7a 0.16 0.62 0.46 0.45 0.85 1.61 12—16 0.50 | 0.46 0.05 0.98 0.74 1.09 0.77 17—21 5.64 |— 5.09 |— 5.28 | — 3.74 | — 3.47 | — 4.29 | — 4.22 22—26 0.97 |— 1.30 |— 1.68 |— 3.62 |— 0.82 |— 1.82 |— 2.13 27—31 1.62 1.42 2.30 0.838 | 2.90 3.97 3.82 April 1-5 2.83 2.66 | 3.60 3.17 |) 3.04 3.38 3.79 6—10 2.67 1.74 3.87 2.86 | 3.36 3.09 2.42 11 15.1. 279.80) | 22.05 | — 4.82 | 23.65 | 4.14 12278.26°) 2.56 I | le Ne a ok) 0.62 1.22 2125 |— 11.06 0.70. 12280.24, | 21010. .2.2009 0.16 | 10.30 26—30 |— 149 — 1.57 |— 125 |— 2.43 |— 1.09 |— 1.76 |— 1.10 | Mai N TE I ee > _ — 3.95 |— 3.60 Se) Bes — — 3.95 |— 3.68 io 22394 2 5,44 25.04 2.430 a ei ee ger) | org enken: 0.0 1-02 — |— 154 |— 1.66 a || De I ER er le ee 26-30 |— 0.18 |— 2.21 |— 2.03 |— 2.37 _ — 2.93 | — 2.04 Juni 31-4 1230. 2200480 4021709 0.43 = 0.54 0.29 5—9 3.54 1.62 | 3.42 | 1.57 — 2.96 2.64 10 14, le 2340 eo -- — 246 258 15-19, 992.40. 2 22.91.30. | 01 .a7 2210.06 = 02:051 | 42:94 20—24 1.52 1.15 2.58 1.25 = 1.10 0.11 25—29 |— 1.87 |— 1.65 |— 0.59 | — 1.63 — — 1.39 |— 1.07 Memel ui 30-4 .5—9 10—14 2.98 1.13 0.86 1.07 0.48 Bein 0.96 0.36 0.04 1.20 0.66 0.78 Wustrow 30—4 0.34 5—9 3.01 10—14 | — 0.10 15—19 |— 0.47 20—24 0.72 25--29 0.72 it 30—3 2.09 4-8 0.22 9—13 0.76 14—18 1.63 19—23 2.45 21—28 |— 1.58 Phys. Abweichungen 1876. | rem Ei | Rrlknl 1 anier- Hela Danzig berg 1.48 1.80 1.69 2.11 1.06 2.39 3.lor ne 108 2.94 LT 0.50 0.14 0.64 e07 0.45 rd are 08 0.03 |— 0.28 et) — 0.38 0.72 0.45 1.12 0.93 0.61 0.73 1.01 1.58 0.81 1.34 1.39 0.74 1.18 | 4.42 | — 0.15 0.47 0.02 0.79 0.27 0.91 |— 0.98 0.21 0.39 | — 0.04 0.83 1.71 1.30 2.16 1.97 — 1.890 | — ,,0.62 | 1.50: | — ;0.08° | = 11.25 Abweichungen 1876. Rostock Poel Schwerin ‚Schönberg! Kiel | 0.21 095 | 156 1.31 2.54 3.28 — 101 0 rl ne — 1.08 |— 0.34 — 0.19 0.27 1.37 0.35 0.64 | 041 2.03 | 1.08 2.72 1.44 | : 2.63 | — 0.18 1.23 0.15 | 0.23 | 0.52 | 0.68 0.67 2.02 | 0.91 2.04 1.3701 3.28 | 2.28 3.28 2.54 | 3.29 | — Bl NS 285] 1.36 Kl. 1876 (2“ Abthl.). > Any Conitz 1.67 0.85 0.44 0.05 | 1.79 2.28 | 1.87 | 1.52 0.35 3.46 1.04 Neu- | münster 7 g Cöslin 1.00 3.08 0.10 1.42 0.82 0.04 1.03 0.32 0.06 1.22 2.05 1.22 Altona ne hy ‚ 1876. A > u Hegan: Stettin walde | 1.00 | 0.99 3.08 | 3.78 0.10 0.37 1.42 I 0.58 0.81 0.23 0.04 1.35 0.87 2.23 1.32 1.71 0.47 1.55 0.62 1.50 3.42 3.51 0.04 |— 0.92 Lübeck Eutin | 1.28 2:95 — 0.58 — 1.07 — 0.16 0.20 1.14 0.39 0.81 239 DAT — 12.42 Putbus Öttern- dorf 123° 2.47 0.38 0.32 0.50 0.37 1.32 0.03 0.86 2.81 2.00 — 2.06 = en. ’ BA oh R Abweichungen BTE KENN Tdneburg | ichs | Yan. | BERREEET ee | meanberg| HRaiBeR | Kama Tee hagen a.d. 0. : 0.62 |-- 0.03 0.80 1.48 0.99 0.38 0.03 0.44 | — 2.70 3.39 3.50 3.89 3.87 3.56 1.94 » Ale 3.24 £2 0.49 -)4.00.99 0.06 |— 0.31 0.65 0.25 0.79 0.24 0.68. | = 10.38 | #2 4.08 | ENor75l| ehoiro | FErtoise 0.50 eo 0.00 0.29 |— 0.36 002. 2a ar erg BERND. 0.71 1.12 1.67 2.61 1.07 0.54 1.70 1.1808 Yo August 30—3 |— 1.88 2.11 1.66 1.58 1.28 |— 0.99 1.34 0.75 | 4—8 0.84 0.80 1297. 1.35 1.48 1.90 1.74 1.187) 9-13 0.77 0.45 1.63 1.15 1.19 1.46 1.33 0.87 14—18 2.15 0.74 1.44 1.24 0.15 [200.14 || 2200.70 Zeige 19—23 2.22 3.13 3.26 3.28 3.12 9.61 2.00 2.16 Ey a4 280005 |. rar | 2878| En || 80:97 || 20o;or 2 62 BR Abweichungen 1876. Monat Eichberg Wang Görlitz Torgau Halle Erfurt Langen: | |; Benäbes | al | salza hausen stadt | | - 1876 Juli 30—4 0.57 0.37 0.68 0.81 0.59 0.23 0.32 fi 5—9 2.60 4.17 Be erkei 3.60 3.68 3.33 10-14 1.23 0.49 070 1 Non oe | 0.00 &) ne) Ge I I ee ae et OB £ I ee a a I a 270083 j 25—29 2.26 1.85 2.65 — 1.75 1.65 1.45 r August 30—3 1.51 2.56 2.24 | 2.29 2.29 1.48 1.61 A 1.15 1.04 232 | 2.05 0.91 0.71 1.06 00% 9—13 0.67 2.29 1.74 1.87 2.26 0.68 1.80 =... Jar 15. | — 1.98 0.24 1.39 2.69 3.20 1.19 2.99 u 19—23 1.86 3.58 2.92 3.02 2.83 1.35 2.52 24—28 |— 1.67 |— 2.85 |— 225 |— 215 | — 2.49 3.24 — 2. En ve rm | Hannover Elsfleth PETT Ju IR TACH 0 Abweichunge re r BER en 3 nn | Oldenburg, Jever Emden Lingen | 2.29 | 1.20 |. 1.28 8:04 |»1.,2.83: | 15 12,54 — 0.28 |— 0.56 |— 1.19 0.27 |— 0.38 | 1.24 1.07 | 0.29 | 0.53 [1° 11.20 | 0.858 | 0.64 | HE. A1.B8} 1560,78 | 1.14 "900.17 |— 0.08 | 018 9-13 1.73 Lt 2.18. 17.12.00 [700.73 |17 21.04 ai 18 |<) 3.93 3.27 4233| 4083| 342 | 3.03 .19—23 2.11 1.71 | 2 2.39 1.56 | 1.40 2428 |— 2.84 |— 2.78 |— 2.09 |— 2.40 |— 2.64 le 3.46 Abweichungen 1876. | | Crefeld | Brüssel Cöln | Boppard | Trier Birkenfeld | | | l 0.61 | — 1.98 | 0.8 40.67 10.69 0.77 3.06 0.20 | 2.197 | 1,98 1822.77 | 2.43 10-14 |— 1.13 — 031 1.27 |— 046 |: 057 |— 0.85 .0415—19 0.04 — 2.66 | 0.93 0.14 | 0.64 | 0.86 20—24 0.87 |— 2.57 0.05 | — 1.00 0.26 | 1.41 a: 39 |. 147 |— 201 116 I um | 208 | 2,59 | | st 30-3 1.34 096° 1.31 1.24 1.67 48 1.77 232 | 06 | 0.88 1.12 9-13 2:97 | 3.16 | 2.89 | 3.67 | 4.28 14—18 3.59 4.44 345 | 438 5.41 2.32 2.11 219 | 2.54 2.00 24-28 | 2.99 2.16 |— 2.59 |— 2.87 |— 3.46 N 1876. ar U PET Frankfurt 8. .M. Münster | Gütersloh | Olsberg Cleve 2 | = 1.54 0.78 1.29 3.26 2.40 3.20 = 0,62 |— 1.04 4418: — > 0,01 1==n0.81 0.74 j 0.48 |—11.16 0.16 R 1.72 1.04 2.11 ? 2.02 1.63 2.01 1.04 1.52 0.59 1.27 0.95 2.36 2.31 3.05 239° 4.27 4.54 4.16 5.31 2.53 2.34 4.54 NORFERE — 2.14 |—.'3.30 3.20 |— 2.71 ” 3 » l BEER | « arıs Er Carlsruhe Bee — 0.28 030 1.90 1.90 e31.38 07ER — 0.54 3.04 — 0,56 1.28 2.18 1.184% 2.21 “” 0.68 n 2.94 391 1.60 — 3.97 PR mr F PR Be Biken % re, 1876 Juli 30—4 0.14 029 — 0.24 0.18 |— 0.18 0.79 0.18 0.18 ee 5—9 2.66 31040 \erkesb 2.21 1.48 3.41 2.88 3.03 10—14 |= 1.00 |— 1.21 |— 151 |— 124 |— 2.01 |— 1.09 |— 045 |— 1.60 15—19 0.28 022 |— 0.64 |— 5.14 | — 0.73 | — 0.38 046 |— 0.17 en. 2024. | — 10.55 0.25 |ı— 0.64 |— 0.35 |— 1.14 |— 0.86 0.02 |— 0.43 25—29 12 0.01 0.38 |— 0.16 1.04 1.29 1.32 x August 30—3 2.00 0.27 112 1797| 20:03 1.25 0.53 1.57 PB Li 1.24 |— 0.35 1.038 |— 0.65 0.63 1.64 1.13 9—13 2.40 Ser 1.17 DR 0.93 1.13 2.56 3.32 14—18 3.54 3.85 2 2.08 2.31 2.00 23.99 4.06 19—23 3.05 3.25 1.93 2.38 0.10 1.62 2.66 2.87 ; Dane 5922491097 er el Abweichungen 1876. Monat Eger Lemberg | Salzburg En Knasen- Gilli Triest Pola münster furt 1876 Juli - 30—4 0.13 0:847 | — Ko 2a E08 Dee ol 5 5—9 2.52 0.96 2.11 1.28 2.05 |— 2.00 0.399 | — 0.34 10 0:06 0,88 | 11.97 [ee a eo eos | | ee eo | N 0.41 |— 0.98 1.66 20 DA 78834122 31:502 ea or 0.86 |— 0.47 DRIN, 25—29 2.03 |— 0.83 0.99 al | 2) 0.49 1.40 «i August 30—3 — 0.88 > a8 0.01 x 9—13 — 1.06 : 14—18 or] De 19—23 eu I 24— 28 TA AN ‚| Hechingen Hohen- zollern Freuden- stadt Calw | Schopf- loch Lesina RL ec RS AP ey veichungen 1876. Fekken | Hal n Far NER 2 ri ara Sils Maria Be felatten | Alert |, - Hospitz Chaumont burg segna 1.50 |— 0.12 “ 0.48 |— 051 Be 0.35 I 0.82 | 0.37 1.63 1.99 2.05 2.02 1338| 17 | 1.18 — 1.02 0.62 |— 0.50 |— 0.46 |— 0.42 e 1.18 | — 0.18 1.84 1.70 11997] 41290 1.66: | 2.13 | 0.96 0.69 1.26 256 | ‚16 0.88 | 1.95 0.74 0.05 1.22 0.84 | 042 0.14 1.22 | 0,38 0.90 1.49 1.49 2.81 9-13 2.67 3.22 14-18 3.95 3.20 ..19— 23 1.26 0.58 — 4.08 | — 3.06 5 Abweichungen 1876. ‘ = Affoltern j 184 E 1.70 . — 1.52 1.15 0.58 . 0.03 Bei dem Besinn des Druckes dieser Abhandlung hatte ich die Absicht die Untersuchung des merkwürdigen Witterungsverlaufes vom November 1874 nur bis Juni 1876 fortzusetzen. Der Juli und August 1576 zeigten aber im südwestlichen Europa so auffallende Witterungs- erscheinungen, dass ich beschloss, so weit das Beobachtungsmaterial mir zuginge, diese Monate noch mit in die Untersuchung aufzunehmen. Bei ununterbrochener Klarheit des fast wolkenlosen Himmels erreichte in Deutschland, Frankreich, Spanien, Niederland und England die Wärme eine ungewöhnliche Höhe. Dieser hohen Wärme folgte unmittelbar be- sonders in Baden Baden eine mit den heftigsten Niederschlägen und schweren Gewittern verbundene Abkühlung der Luft welche an vielen Orten zu Schneefällen Veranlassung gab, welche um diese Zeit besonders in ebenen Gegenden nicht einzutreten pflegen. Diese Temperaturernie- drigung setzte sich fast ununterbrochen bis Ende September fort. Um eine einfache Anschauung von diesen ungewöhnlichen Witte- rungsverhältnissen in Deutschland zu geben, wird es genügen in der folgenden Übersicht die absoluten Maxima und Minima der Temperatur und den Tag an welchen sie eintraten anzugeben. Die mit kleinen Ziffern gedruckte Zahl bezeichnet das Datum der beobachteten Extreme in Graden Reäumur. Die Regenmenge ist in Pariser Linien angegeben. 1576 Juli 1876 August Mittlere | Höchste |Niedrigste| _, Mittlere | Höchste |Niedrigste| _, Stationen Tempe- | Wärme | Wärme Ber Tempe- | Wärme | Wärme Resau ratur | am | am | 2 ratur am | am er 1 7 1 T 14.31 | 22.5 s| 104 Fi 13.06 | 219 ı| 701 14.42 | 249 s| 9512| 25.07 13.12 | 2161| 651 | 41,9 Claussen 14.43.) 249 9| 7.9 6 | 49.19 13.57 | 2381| &8ı1s | 94.39 Königsberg 14.47 25.4 9 9.7 6 | 20.65 13.3 24.0 ı 6.8 27 | 54.36 14.62 | 2052| ı1lım| 14.49 | 18.82 | 10.6 % Danzig . 14.32 | 2427| 9429| 21.83 13.91 | 252 ı s29| 25.84 14.90 | 24.027 | 911| 1023 14.30 23015| 64% Lauenburg . 14.05 23.78) 5521| 12.90 13.22 | >2.02| 301 | 13.06 | 220 s| 98w| 3453 12.90 ı 23421 | 7.318] 30.838 Regenwalde | 14.49 | 242 | 8621| 31.50 14.07 | 2332| 808 15:61 | 232 s| 10.31 | 24.06 15.24 | 23521 | 9.6 % Wustrow 14.50 1.0832 sı | 90 3 | 17:68 14.13 | 240 u | 8451| -18.08 Stationen | Tempe- | Wärme | Wärme BERN Tempe- Wärme | Wärme HeRpr De NEHM menge | ' menge u Be gi ratur am am ratur am am | u 0 14.08 | M0sı| 78%) 25.01 1424 | 2.03 | 9.0 3 | 13.63 Rostock. . . 14.23 | 2301| 82 2| 18.50 13.80 | 2405| 70% | 10.20 Schwerin . 2. 14.33 23.4 3 678| 21.15 13.356 | 42 aı| 50% | 22.09 Sehönberg . . - 14.93 | 22.6 7.2 3 9.81 1455 | 24511 59% | 15.52 jr a 13.93 22.5 31 6.0 8 18.03 13.44 | 23:7 15| 60% |. 16.73 Otterndorf . . . 13.89 | 24.0 31 9590 | 13.86 13.44 2475| 72m]| 9198 Lüneburg 3 14.05 | 242 8.5 1 19.90 13.64 | 245 2 76%) 2481 Hinrichshagen . 13.86 | 3360| 6498| 19.67 13.27 | Maaı| 6385| 667 % END 15.69 24.6 8 9.8 8 20.73 15.33 2431| 7820| 1418 an Frankfurt a. d. O. 15.55 | 25.7 8 | 10.418 10.87 14.87 24.6 21 7.02 | 10.86 Landsberg a. d. W. 14.81 | 2472 9.818 19.58 14.42 24.021) 609% 8.91 u a N 15.36 | 24327 | 1002 9.03 14.83 2402| 7027| 919 Bromberg . . 15.00 | 25.0 9% 7.6 18 8.90 14.40 2452 52% | 17.20 _ Ratibor . : 15.13 | 2398| 1041| 49.63 14.90 2424| 749 45.46 F Guhrau . ä 15.07 246% 93» | 21.54 14.38 235%2| 5720| 18.96 - Breslau . 14.86 | 26.2 9 8.70 | 22.86 14.63 2490| 669| 41.58 7 Eichberg . 13.74 24.2 97 8.0 12 33.34 12.69 22.6 21 3.8 27 | 32.88 Wang... 11.60 | 2108| 62 2) 5487 11.30 | 02 ı| 52%| 57.87 -Schreiberhau . 12.84 | 22.7 s| 50m | 5053 12.24 | 25 m| 1820| 42.61 Görlitz . . f 15.08 55% 9.02 | 26.02 14.69 | 4151| 6090| 1467 _ Bunzlaun. . 14.51 245 9 8.8 12 | 29.92 13.78 23.7 21 60 | 14.68 Tarzan... -,..0' 15.19 26.3 7 6.6 13 14.48 1546 | 2445| 6.7%| 6.34 Gardelegen. . 14.50 24.3 31 7.0 22 27.66 14.14: 10256 31 | "5.5987 158188 Gr. Breitenbach . 12.25 | 21.0 2 39 18 | 27.56 11.95 2301| 203% | 23.28 Hört 5. m. 14.70 | 25.0 31 9228| 23.83 1396 | 44a | 6798| 1712 Heiligenstadt . 14.17 22.6 8 8.4 28 | 30.02 13.77 24.0 15 7.2 27 | 20.97 Göttingen 14.27 23.1 31 8.1 28 21.14 | Er Elgusthal . . . 12.12 20.4 31 4729| 38.18 12.19 2125| 342% | 42.08 - © Hannover . . 14.70 24.2 31 9.2 22 21.16 14.70 25.215| 752 | 21.30 "u BEaRBalr . . -. 15.14 25.7 31 6.2 22 26.78 14.85 27.2 15 | u _ Marburg . 14.31 24.3 31 5.02 | 21.09 14.17 2605| 40% | 22.36 Fulda 14.74 24.38 7| 512% | 29.66 14.05 27.11 | 3.62 | 23,93 Elsfleth . .. 13.72 | 31u| 64% | 22.38 13.638 | 4235| 57% 6.30 Oldenburg . 13.69 | 232 ı | 9439| 18.97 13.15 | 24.0 15 79% | 28.17 Du ever e 14.50 23.8 31 9727 13.79 14.16 | 2465| 783% 33.69 Emden . . . 14.27 25.8 31 72»| 11.325 13.62 | 8515| 6238| 46.25 Lingen . Sr 14.30 24.5 31 9.2 10 14.81 13.638 | 235.815| 67. 33.02 Löningen . . 13.94 41a) 8722| 31.96 13.4 | 25.015| 872 | 38.61 Münster. . . 14.97 2331| 9220| 10.12 14.82 2595| 752% | 30.52 Gütersloh 14.41 2371| 82% | 48.21 14.45 | 591%| 58% | 35.72 Dr Olsberg . 13.56 23.2 31 5.022) 53.42 13.34 | 2485| 4290| 24.77 - Osnabrück . . . 14.79 24.0 31 6.098 | 35.11 14.54 2628 5.9 5 | 28.02 : 13.83 25.2 31 7.02% | 39.78 13.75 258151 522% | 26.67 Arnsberg Br Mittlere | Höchste | Niedrigste Mittlere Höchste Niedrigste Niedupnte| 9 Zul BR Regen- Höchste Wärme | Wärme Tempe- | menge 5 am . am ' ratur, 02 Cleve RR 7.0 32.72 14.43 Grefela®: u. % j 37.40 © 15:81 Aachen . nr 9.6 22.41 15.45 | COlnyre ee 7 33.12 15.69 | Godesberg SO 6.9 48.94 14.52 Boppard . ... . 7.8 44.03 14.89 IRTIiOr nn ur 9.2 16.04 15.56 Diedenhofen 3.0 8.10 15.59 MBinkentelde. male 7% 11.98 Wiesbaden . . . » R 23.61 Hanau. 3 36.78 Darmstadt . - 5 . 17.07 Hechingen . . . - 16.36 Hohenzollern E B 21.58 Stuttgard . - - E 23.98 Heilbronn Kuna. x 21.42 Freudenstadt . . d 27.42 Galwan .ı mes. See: 15.75 Umesn Eh R 14.59 Schopfloch . Aue & 30.83 Heidenheim SER ü 24.63 ISsuy 7.0: 5 5 .54.69 Friedrichshafen . . 4 43.96 Mergentheim . 18.01 Biherache are R 19.50 an der Grenze krystallinischer Mittel. Von H" G. KIRCHHOFF. [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 29. Juni 1876.) D.: Gesetze der Fortpflanzung des Lichts in einem krystallini- schen Mittel, die Fresnel theils durch Versuche, theils durch Speeulation aufgefunden hat, sind aus den. Differentialgleichungen der Theorie der Elastieität fester Körper zuerst von Hrn. Neumann abgeleitet!); Hr. Neumann hat auch zuerst Formeln für die Intensitäten der an der Ober- fläche eines Krystalls refleetirten und gebrochenen Lichtwellen entwickelt und ihre Uebereinstimmung mit der Erfahrung in vielen Fällen nachge- wiesen ?). Derselbe Gegenstand ist später in anderer Weise von Mac Cullagh behandelt?). Der einzige Unterschied in den Resultaten der beiden Forscher ist der, dals, während nach Hrn. Neumann die Schwin- gungsrichtung einen kleinen Winkel mit der Wellenebene bildet, nach Mac Cullash dieselbe genau parallel dieser ist; ein Unterschied, der aber in sofern wenig Erheblichkeit besitzt, als die Neumann’sche Theorie leicht so modificirt werden kann, dafs er fortfällt, wie auch Hr. Neumann 1) Pogg. Ann. Bd. 25. 2) Abh. der Berl. Akad. 1835. ®) Trans. of the Irish Acad. Vol. XXI. Phys. Kl. 1876 (2" Abthl.). 8 58 G. Kırcnnorr: Ueber die Reflexion und Brechung selbst bemerkt hat. Dagegen scheinen beim ersten Anblick die Ausgangs- punkte der beiden Theorien wesentlich verschieden, ja entgegengesetzt, zu sein. Hr. Neumann geht nämlich von der Annahme aus, dafs der Aether in Bezug auf die Lichtschwingungen sich wie ein elastischer fester Körper verhält, auf dessen Theile keine anderen Kräfte wirken, als die durch ihre relativen Verschiebungen erzeugten; und Mac Öullash stellt für das Potential der auf ein Aethertheilchen ausgeübten Kräfte einen Ausdruck auf, der nıcht übereinstimmt mit dem Potential der durch die relativen Verschiebungen der Theile eines elastischen Körpers hervorgeru- fenen Kräfte; auch bei der Theorie von Mac Cullash kann man den Aether als einen elastischen Körper betrachten, man muls ihn aber be- trachten als einen, der noch anderen Kräften unterworfen ist, als den durch seine Elasticität bedingten. Von diesen anderen Kräften läfst sich indessen aus dem von Mac Öullash aufgestellten Potentialausdruck be- weisen, dafs sie, bezogen auf irgend einen Theil des Aethers in einem homogenen Körper, sich auf Druckkräfte reduciren, die auf die Oberfläche dieses Theiles wirken. Man kann daher sagen, dafs auch die Theorie von Mac Cullagh auf der Annahme beruht, dafs auf die Theile des Aethers keine Kräfte wirken aufser den durch seine Elastieität bedingten, auf die Flächen aber, die die Grenzen heterogener Mittel bilden, Druckkräfte ausgeübt werden, die anderen Ursprungs sind. Solche Druckkräfte setzt nun aber auch die Neumann’sche Theorie voraus; ihre Annahme ist es, die dazu berechtigt, die longitudinalen Wellen aufser Acht zu lassen, wie es bei dieser Theorie geschieht; sie müssen bewirken, dafs longitu- dinale Wellen bei der Reflexion und Brechung der Lichtwellen nicht ent- stehen. Die beiden genannten Theorien dürfen daher als vollkommen übereinstinimend angesehen werden. Ich erlaube mir eine Behandlung des Gegenstandes dieser Theorien der Akademie vorzulegen, die, wie ich glaube, allgemeiner und übersichtlicher ist, als die bisher gegebenen es sind. Es werden zuerst die partiellen Differentialgleichungen aufgestellt, denen die transversalen Bewegungen des Aethers in einem krystallinischen Mittel genügen, und die Bedingungen, die dieselben an der ebenen Grenze zweier verschiedenen krystallinischen Mittel erfüllen müssen. Es wird dann eine partieuläre Lösung jener Differentialgleichungen gebildet, die dr “IE u = = r des Lichts an der Grenze krystallinischer Mittel. 1.9 diesen Bedingungen entspricht. Diese Lösung stellt ein System ebener Wellen dar, die theils in dem einen, theils in dem anderen Mittel sich bewegen. Eine von diesen Wellen kann beliebig gegeben sein: beliebig in Bezug auf ihre Richtung und in Bezug auf das Gesetz, welches die Gröfse der Verrückung eines Punktes mit der Zeit verbindet; die Rich- tungen der anderen Wellen sind dann durch die Wurzeln zweier biquadra- tischen Gleichungen bestimmt, von denen die eine auf Wellen in dem einen, die andere auf Wellen in dem anderen Mittel sich bezieht. Eine Wurzel der einen dieser Gleichungen führt auf die gegebene Welle zurück; es besteht daher das ganze System aus acht Wellen, von denen vier dem einen, vier dem anderen Mittel angehören. Für jede dieser Wellen ist mit ihrer Richtung die Richtung der Verrückung vollständig, und die Grölse der Verrückung in jedem Augenblick bis auf eine multiplicative Constante bestimmt. Nennt man diese Constante die Amplitude der Welle (indem man einen bei Sinusschwingungen üblichen Ausdruck auf Schwingungen allgemeinerer Art überträgt), so bestehen zwischen den Amplituden der acht Wellen vier lineare, homogene Gleichungen; neben der Amplitude der gegebenen Welle können also noch die Amplituden von drei anderen willkührlich gewählt werden. Haben die beiden biquadra- tischen Gleichungen nur reelle Wurzeln, so sind in jedem Mittel zwei einfallende Wellen vorhanden und zwei, die refleetirt oder ge- brochen sind; um Fälle zu erhalten, die durch das Experiment verwirk- licht werden können, hat man dann im Allgemeinen die Amplituden von drei einfallenden Wellen gleich Null zu setzen, so dals nur eine einfal- lende Welle übrig bleibt. Aber die biquadratischen Gleichungen können auch complexe Wurzeln haben; das Entsprechende tritt bei isotropen Mit- teln ein, wenn totale Reflexion stattfindet. Um dann auf Fälle zu kom- men, die der Beobachtung zugänglich sind, hat man die Constanten, die die Bedingung, dafs nur eine einfallende Welle da sei, noch unbestimmt läfst, so zu wählen, dafs die Verrückung nirgends unendlich wird; es ist dabei die Aufgabe zu lösen, eine Function eines complexen Arguments zu finden, deren reeller Theil für reelle Werthe des Arguments gegeben ist, und die nicht unendlich wird für Werthe des Arguments, deren ima- ginärer Theil gleich Y—1, multiplieirt mit einer positiven Gröfse, ist. = 60 G. Kırcanorr: Ueber die Reflexion und Brechung » Bei der Ableitung der Gleichungen zwischen den Amplituden eines Systems von acht zusammengehörigen Wellen ist von dem Begriff der Strahlen kein Gebrauch gemacht; es scheint mir das ein Vorzug des eingeschlagenen Weges zu sein wegen der Schwierigkeiten, welche der ge- nannte Begriff darbietet. Bei der Entscheidung der Frage, ob eine Welle eine einfallende ist oder eine reflectirte oder gebrochene, kann derselbe aber nicht umgangen werden; aus diesem Grunde ist bei den einleitenden Betrachtungen auch auf den Begriff des Strahles, der zu einer gegebenen ebenen Welle gehört, eingegangen, und es ist eine Definition für ihn auf- gestellt, die, wie ich glaube, Vorzüge vor der gewöhnlichen darbietet. Die für den Fall zweier krystallinischer Mittel entwickelten For- meln können eine unmittelbare Anwendung bei der Reflexion und Bre- chung des Lichts an einer Zwillingsfläche eines Krystalls finden; mit Leichtigkeit ergeben sich aus ihnen die Formeln für den einfacheren Fall, dafs nur das eine von den beiden Mitteln krystallinisch, das andere iso- trop ist. Wir betrachten einen homogenen, elastischen, festen Körper, auf dessen Theile keine andern Kräfte wirken, als dıe durch die relativen Verschiebungen erzeugten. Die Dichtigkeit sei = 1 und u, v, w seien die Componenten der unendlich kleinen Verrückung, die ein Punkt, dessen Coordinaten bei der Ruhe x, y, 2 sind, zur Zeit t erfahren hat. Man hat dann die Differentialgleichungen 0? u 0X, 0X, oX, u, mann dt: dx 0 Y 02 o?v ou: OF, OH 1) SAETOR me are —— + ——— ot? 0% oY 023 0? w 02. 0Z oz a u Dre 7 de a az ist und F eine homogene Function zweiten Grades der sechs Argu- > mente &,, Y 2 Yo, 2, %, mit constanten Coefficienten bedeutet. Diese Coeffieienten, 21 an der Zahl, sind die Constanten der Elastieität des r Körpers und F ist das auf die Volumeneinheit bezogene Potential der durch die relativen Verschiebungen hervorgerufenen Kräfte. Sk Es handelt sich zunächst darum, festzustellen, wie man die Con- 22 stanten der Elasticität zu wählen hat, wenn der elastische Körper der | Aether in einem krystallinischen Mittel sein soll; hierzu führt die Betrach- N tung einer particulären Lösung der angegebenen Differentialgleichungen, “rn die ebene Wellen darstellt. Es seien /, m, n die Cosinus der Winkel, Ua welche eine Richtung (die der Wellennormale), «, ß, y die Cosinus der ee E Winkel, welche eine zweite Richtung (die der Verrückung) mit den Coor- dinatenachsen bildet; man setze EN ’ let-my—tnz=s‘ 3) u u=ar,v—=ßr, w=yr und nehme r als Function von £ und s an; aus jeder der drei Differen- 14 tialgleichungen für «, v, w findet man dann eine für #; sind /, m, n be- | liebig gegeben, so lassen sich «, @, y so bestimmen, dafs diese drei Glei- Mr 62 G. Kırcunorr: Üeber die Reflexion und Brechung chungen für a identisch mit einander werden. Die linken Seiten der- selben sind 0? ß 0? 0 Um ihre rechten zu bilden, hat man zu beachten, dafs Q> 0 dc z.=al — SE Bas: y.=(@n-+ym) 7; Q Le 2 N x Y, Fl Z d r ch Emmi 2 Sales « n) ds dr or & —yn, EN u): 2 Y Ds Y ( + ß N) 2 5, und dafs jeder der Differentialquotienten von F nach x, Yy,„, .. eine lineare, homogene Function dieser Argumente ist. Jeder dieser Differen- Ä Mad oc: BR! u. tialquotienten ist daher gleich > multiplieirt mit einem constanten os Factor, einem Factor, der gleich dem Werthe ist, den er selbst annımmt, wenn man in ıhm ee Y: —=en+tym y„=Pm 2, =yl+tan 4) ee) 2, =aem--ßl Y setzt. Diese Werthe von x, y,, .. mögen durch x, %,, .. bezeichnet werden und der Werth, den F bei ihnen erhält, durch F'. Man hat dann oF oF' de 7 NT az, dx, ds und fünf andere Gleichungen, die dieser ähnlich sind. Hiernach ergiebt sich aus der ersten der Gleichungen 1) er (' of’ of oFı\ 02 a-— =II-—- +m nr) = or ow, as 0% 5 dw ) 082 oder ist. Auf ähnlichem Wege findet man aus der zweiten und dritten der Gleichungen 1) Die drei für r abgeleiteten Gleichungen werden erfüllt durch jede Lösung der Gleichung 0? r 0? 5 Sur — pm 0 X 05?’ j falls oF' oF' oF' Sie! it! 2 rs. en 6) ist, wo V? eine zu bestimmende Constante bedeutet. Die allgemeine Lö- sung der Gleichung 5) sagt aus, dafs r die Summe einer willkührlichen Function von s— Vt und einer willkührlichen Function von s-+FVt ist; die Gleichungen 3) stellen daher zwei ebene Wellen dar, deren Normalen die Richtung (/, m, n) haben, die mit der Geschwindigkeit V, die eine in dieser Richtung, die andere in der entgegengesetzten, sich fortpflanzen, und in denen die Verrückungen in der Richtung («, &, y) stattfinden. Die Gleichungen 6), welche in Verbindung mit der Gleichung + pi zur Bestimmung von «, @, y und V dienen müssen, sind dieselben, wie _ diejenigen, die man aufzulösen hat, um die Hauptachsen der Fläche zwei- ten Grades zu ermitteln, deren Gleichung n = - ag wir er 4a Rx a + re Per Fi} 3, LA 64 G. Kırc#Horr: Ueber die Reflexion und Brechung 1 y2 —al ist, wenn ” die Länge des Radius vector bedeutet, der die Richtung («, ß, y) hat. Diese Fläche zweiten Grades ist ein Ellipsoid, da F nicht negativ werden kann, widrigenfalls das Gleichgewicht, das stattfindet, wenn , v, w verschwinden, labil sein würde. Die Richtung der Ver- rückung kann die Richtung einer jeden der Halbachsen derselben sein; die Fortpflanzungsgeschwindigkeit ist immer gleich dem Reciproken der- selben Halbachse. Wenn das betrachtete Mittel ein isotropes ist, so ıst das bezeich- nete Ellipsoid ein Rotationsellipsoid, dessen Rotationsachse die Wellen- normale ist; eine von den drei Wellen, die in irgend einer Richtung sich fortpflanzen können, ist eine longitudinale, die beiden andern, die gleiche Fortpflanzungsgeschwindigkeit besitzen, sind transversale; die letzteren allein sind Lichtwellen. Bei allen Krystallen, die es giebt, ist die Doppel- brechung nur eine kleine; hierauf gestützt, darf man annehmen, dals bei jedem Krystall die Constanten der Elastieität des Aethers nur wenig von den Werthen abweichen, die sie in einem isotropen Körper haben können, und dafs daher von den drei Wellen, die m ihm in einer Richtung sich fortpflanzen, die eine nahezu longitudinal ist, die beiden andern nahezu transversal sind, und dafs die letzteren die Lichtwellen ausmachen. Das (Quadrat der Fortpflanzungsgeschwindiskeit, also V?, ist im Allgemeinen aus einer kubischen Gleichung zu bestimmen; nach Fresnel sind aber die Werthe von V? für die beiden Lichtwellen die Wurzeln einer qua- dratischen Gleichung. Nach der ursprünglichen Theorie des Hrn. Neu- mann hat man bei passend gewähltem Coordinatensystem D) 2F=4’ + By +0: +rary be} ca +2a?y,2.,+2b?’2,2,+2ec’2,y, und zwischen den Constanten A, B, C, a, b, c die Relationen (B? — a?) (0? — a?) —=4 a? (02 — 52) (A? — 2) —=4b4 (A? — c2) (B? — 02) —4 ct. = EITEETE ee a ee ee 4% + A > ' u et a ee u. A?RE + B?m? + (ll? —V?—=0, die sich auf die nahe longitudinale Welle bezieht, und die quadratische 1? m? n? a? — V? b2 — V? Te die für die nahe transversalen Wellen gilt. Die letztere ist dieselbe, die Fresnel für die Quadrate der Fortpflanzungsgeschwindigkeiten der bei- den Lichtwellen aufstellt. Die Richtungen der Verrückung in diesen, die die Theorie ergiebt, stimmen mit den von Fresnel angegebenen nahe, nicht genau, überein, wenn man Schwingungsrichtung und Polarisations- richtung als gleichbedeutend annimmt. Aber es giebt, wie Green!) gefunden hat, einen Ausdruck für 2F, der zu Resultaten führt, die in Bezug auf die Fortpflanzungsgeschwin- digkeiten und die Schwingungsrichtungen genau mit den Fresnel’schen Gesetzen übereinstimmen. Man gelangt zu demselben, wenn man die Be- dingungen dafür aufsucht, dafs von den drei Wellen, die in einer Rich- tung fortschreiten können, die eine ihre Verrückung genau parallel der Wellennormale hat. Es ergiebt sich so für ein beliebiges Coordinaten- system 2 F=a,@,+y,+ 23)? +4] (y— 4y,2,) — Ay9 (— 4 2,%,) — gg (3 —4 2,y,) 7) +2a,;, 2y,2,—y,2,)+ 2a3ı (2 N Pr 2% 2,)+2 a], (2 U, 2, U, Y.); wo die Öonstanten «a beliebige Werthe haben können. Es ist leicht dieses Resultat zu verificiren und nachzuweisen, dafs, wenn die Gleichung 7) besteht, in jeder Richtung genau longitudinale, ebene Wellen sich fort- pflanzen können. Substituirt man nämlich in 7) die Werthe von x, y,, - aus 4), so erhält man nach leichter Umformung 1) Transactions of the Cambridge Philos. Soc. 1839. Phys. Kl. 1876 (2 Abthl.). 9 66 G. KırcHnHorr: Ueber die Reflexion und Brechung ZRIG, (alI+Bm-+-yn)? +4, vm— En)? +a,, (an — yl)? + az; (B1— am)? +2a,, (an — yl) (@l—am)+ 2a, (l— am) (ym— Rn) +2a,, ym—Bn)(en—y)); da 2? —-m? +-n?=]1 und da jede der sechs Gröfsen «,,, 4a, -. in dem Ausdrucke von 2 F' mit zwei, in Bezug auf «, £, y linearen Factoren, die für «|, £=m, y=n verschwinden, multiplieirt ist, so ergiebt sich hieraus für e—ı,ß=my=n oF' oF' oF' an do d, I@ — dog ß, er = Ag Y. Die Gleichungen 6) werden daher durch die genannten Werthe von a, @, y erfüllt, wenn V? —= a, gemacht wird; eine von den drei Wellen ist eine longitudinale und Y a, ist ihre Fortpflanzungsgeschwindigkeit. Die beiden andern Wellen sind daher genau transversale und für sie ist | al+-Bm+yn=0; 8) aus dieser Gleichung in Verbindung mit den Gleichungen 6) sind ihre Schwingungsrichtungen und Fortpflanzungsgeschwindigkeiten zu bestimmen. Man setze a=ym—Bn b=an —yl 9) e—=Bl—um, d. h. man bezeichne durch a, b, c die Cosinus der Winkel, welche eine Richtung, die senkrecht auf den Richtungen (7, m, n) und (a, ß, y) ist, mit den Coordinatenachsen bildet; man setze ferner 28° =a,,9° +45, 0?—+a,,0?+2a,,bc+2a,,ca+2a,sab, 10) so dals bei Rücksicht auf 8) a Da KRRERWRRN, BR j } RE ir a=Ihn —cm uudrarialoi Anal nie W . B=cl—an Ye y=am—bl folgt, so werden dann die Gleichungen 6) 5 )m— {eb} 67 da 08 ob [>b) [o > ur 2; Pr >] wo a eine zu bestimmende Gröfse bedeutet. Diese Gleichungen in Ver- bindung mit | | ++ 0-1 Aal und la-mi+nc=0 dienen zur Bestimmung von a, b, c, V?, u. Es sind das dieselben Glei- ehungen, wie diejenigen, die man aufzulösen hat, um die Hauptachsen der Ellipse zu finden, in der das sogenannte Elastieitäts-Ellipsoid, das Ellipsoid nämlich, dessen Gleichung 14) 68 G. Kırcunorr: Ueber dıe Reflexion und Brechung ist, wenn r die Länge des Radius vector bedeutet, der die Richtung (a, 6, ©) hat, von der durch seinen Mittelpunkt gelegten Wellenebene ge- schnitten wird. Es sprechen diese Gleichungen die Fresnel’schen Ge- setze in Betreff der Fortpflanzungsgeschwindigkeiten und Polarisations- richtungen der beiden Lichtwellen aus, wenn man die Polarisationsrichtung und die Schwingungsrichtung als zusammenfallend annimmt. Die in 13) vorkommende Grölse u steht in einer gewissen Bezie- hung zu der Richtung des Strahles, der zur Wellennormale (/, m, n) gehört; es soll diese Beziehung abgeleitet und daher zunächst eine Defi- nition der Strahlenrichtung gegeben werden. In dem Mittel, in dem eine ebene Lichtwelle fortschreitet, denke man sich eine beliebige Ebene und nenne p, g, r die Cosinus der Winkel, die ihre Normale mit den Coordinatenachsen bildet; man fasse die auf die Zeiteinheit bezogene Arbeit des auf die Flächeneinheit bezogenen Druckes ins Auge, der auf ein Element dieser Ebene von der einen Seite her ausgeübt wird. Diese Arbeit ist OU (p X,+ q 9. —+r X.) a ß) a a a 57 B ow Te Fe ou dv dw Berechnet man —, —, -— aus 3) und benutzt, dafs de 08 Qu oF'd Ro 3 a . o2ds oF'dr a ner e oF'dr «Z,+BZ, +32, = onds ist, wie aus einer Rechnung sich ergiebt, die derjenigen genau entspricht, re A % #4 E. » mn R) Big j 5 nr rk: a a # j r aA “a Be. ” ” % 23 Be e2 A Abe, Er a Ro ke, . ar © Rn + EN Gleichung 5) durchgeführt ist, so wird ea drde BEN. (Par Haan +73 gg B re r 5 i Seine Richtung, die dadurch bestimmt ist, dafs . E: aF', aF' aF' 5 h SEN wer aut BEER N u cos (S x): cos (Sy): cos (S2) = ae Fre 2 die genannte Arbeit verschwindet dann, falls die Ebene, deren Normale A,‘ die Richtung (p, q, r) hat, der Richtung S parallel ist, erhält aber in wo jedem andern Falle von Null verschiedene Werthe. Der Erfahrung zufolge Er | kann die gedachte Liehtbewegung auf der einen Seite einer Ebene be- ab. ; stehen, während auf der andern Ruhe stattfindet, falls die Ebene dem u Strahle parallel ist, der der Wellenebene entspricht. Es kann die Rich- F tung des Strahles keine andere sein, als die Richtung S. > Aus 11) und 9) folgt nun | 2 3 208 ß o° . NEHCHELR $ Erg R d re ne kw 2 ee ß 7 j an a0. > = hieraus, aus 13), 9) und den Gleichungen I=Bc—yb a mMm—=ya—ac + we n=ab— Pa wi folgt weiter er 70 G. KırcuHorr: Ueber die Reflexion und Brechung a en ae ee ae ER re Multiplieirt man diese Gleichungen mit /, m, n oder quadrirt sie und ad- dirt jedesmal, so erhält man On Be) ABl Veh ARE a wit. Aus made, Jokpayımı De 2 oF\N? oF' ? _ ya 5 ar) Ist e der Winkel, den der Strahl mit der Wellennormale bildet, so ergiebt sich hieraus V2tee—u. 15) Nachdem durch die Betrachtung einer ebenen Welle die Funetion F für den Fall, dals der Körper, auf den sie sich bezieht, der Aether in einem krystallinischen Mittel ist, gefunden ist, sind auch die allgemeinen Ditferentialgleichungen für die Bewegung dieses Aethers bekannt. Es haben dieselben particuläre Lösungen, bei denen %,+4y,+2,=0, r*: en Fu . ” r, des Lichts an der Grenze krystallinischer Mittel. zı d.h. die Aenderung der Dichtigkeit gleich Null ist. Nur diese Lösungen sollen hier in Betracht gezogen werden; es soll nämlich angenommen werden, dafs bei der Lichtbewegung immer die Dichtigkeit ungeändert bleibt, und dafs auch bei der Reflexion und Brechung des Lichts keine Bewegungen entstehen, bei denen die Dichtigkeit des Aethers sich ändert. Die Berechtigung zu dieser Annahme liegt darin, dafs sie auf keinen in- neren Widerspruch führt und Resultate giebt, die mit der Beobachtung näherungsweise übereinstimmen. Da das mit a, behaftete Glied in dem Ausdrucke von 2 F, der in 7) aufgestellt ist, mit dem (Quadrate von 2%, +y, +2, multiplicirt ist, so hat es bei allen Bewegungen, bei denen die Dichtigkeit ungeändert bleibt, keinen Einflufs auf die Werthe aller Differentialquotienten von F; man darf daher hier setzen 2 F F=@yj y— 49,2.) 095 (2 — 42,2,)+ a3; (,— &2,%,) Fr 2 a,5,(2 Yu ED) Ar, 2a, 1 2 2, Y,—2,%,) 4 2 dia (2 U, 2,Y,)- Dieser Ausdruck soll umgeformt werden. Es sei RC, Fra Is TR: 6 De. 8% ov du er d.h. es seien &, r, & die doppelt genommenen Componenten der Drehung eines unendlich kleinen Theiles des Aethers. Man mache ferner 2G—=d,1E RN 0, 2 +2a,3n8+ 2a, gE+ 2a, En. Dann ergiebt sich dv dw dv dw ( Boy id :) d “ dw gu dw gu +20, (5; en 72 G. Kırcuuorr: Ueber die Reflexion und Brechung g [: udv gdudv dudw du a as deu oz no oy 9y dx gv dw gvdaw dAvdu dv a 9ydz dady Aydz dzdy | 9 e gu dw u gw ov wo a imma zogen) 2 zdx 9292) Hierdurch ist F dargestellt, nicht als Function der sechs Argumente % Yyp -., Sondern als eine der neun Differentialquotienten von u, v, nach x, y, 2. Bei der Bildung der Gleichungen 1) sind daher statt der Gleichungen 2) die folgenden zu benutzen: oF oF oF Ber Ein I: N or oF oF Y—= „9v Z,= „um „dw Fr Sl 9: or oF or Z= ,„iw X= „dv= du Fr en & 0G dw d dw X en len 1 '315 —— 129 y 0G dw u du dw BER en In NONERU) ARRLSER Y= Ber EN rn A235, 2 ayı2 2 A125, 16) CB) u u v 120 % DI D re pe Er “Aıdy aaa a und auch NE = u ul d B 077 Bar Benutzt man die letzten Gleichungen, um die dritte der Gleichungen 1) zu bilden, so wird diese re 1) 2 _ 320 a6 ae 3a92 IzdE Diese Differentialgleichungen sind aus der Theorie der Elastieität bei an- derer Bezeichnung und auf anderem Wege schon von Lam&!) abgeleitet. Die Function @ ist dieselbe, die Mae Cullagh als Ausdruck des Poten- tials der auf ein Aethertheilchen ausgeübten Kräfte annimmt. Nun sollen die Grenzbedingungen, die an der Berührungsfläche zweier verschiedener krystallinischer Mittel zu erfüllen sind, aufgestellt werden. Die Dichtigkeit des Aethers in ihnen soll als gleich angenommen und, wie bisher — 1 gesetzt werden. 20 sei die Gleichung der Grenze; das Mittel, in dem z negativ ist, werde das erste, das, in dem z positiv ist, das zweite genannt. Für das erste Mittel mögen die schon einge- führten Zeichen beibehalten werden; auf das zweite sollen dieselben Zeichen, mit Strichen versehen, sich beziehen. Als Bedingungen, die für 2=0 zu erfüllen sind, stellen wir zu- nächst die Gleichungen 1) Legons sur la theorie mathematique de l’elasticit€ des corps solides. Phys. Kl. 1876 (2“ Abthl.). 10 4 74 G. Kırcnnorr: Üeber die Reflexion und Brechung N — nn" 18) auf. Aus der letzten von ihnen, der Gleichung 17) und der dieser ent- sprechenden für w’ geltenden ergiebt sich ga 9G ELBE ECI(CH 0 .0G' 0yodE dei din. Haynd.e 929m” woraus weiter folgt, dafs nn = Ihe 0G — ] em.ae (m) das vollständige Differential einer Function von x und y ist; es möge diese Function, in der eine unbestimmt bleibende, additive Constante vor- kommt, Q genannt werden, so dafs 0Q __09G 9@' die, SE g£& Q 0@G 0@' 07) on or, 19) ist. Wenn auf die Elemente der Fläche = 0 keine fremden Druck- kräfte wirkten, d. h. keine andern, als die von der Elastieität des Aethers herrührenden, so mülste für z=0 auch Dr re sein. Diese Gleichungen sind aber nicht verträglich mit den Gleichungen 18) und der Annahme, dafs die Dichtigkeit des Aethers stets ungeändert bleibt. Wir nehmen daher an, dafs dıe Differenzen a für 2=0 nicht verschwinden; sie sind die Componenten des fremden Druckes, der auf ein Element der Fläche z2=0 wirkt, des Druckes, der, wie man zu sagen pflest, von den Kräften herrührt, die die wägbaren Theile der beiden Mittel auf den Aether ausüben. Es soll die Arbeit dieses Druckes aufgesucht werden; bezogen auf die Einheit der Zeit und der Fläche ist diese yon x DEE A - zy du E I, u pP Bilder n man "diesen Ausdruck mit Hülfe der Gleichungen 16), so zeigt er « 5. sich zusammengesetzt aus zwei Theilen, von denen der erste nach 19) TER eQdu oQav es se v du gvd ‘) ? I du gv ns a a3) day 8 0 Bey Gas as) \a5 37 — Ihr ist. Der letzte Ausdruck hat das Eigenthümliche, zu verschwinden, so- bald u, v», w fir 2=0 Functionen einer Function von x, y, £ sind; und das findet statt bei den particulären Lösungen, die hier allein betrachtet zu werden brauchen. Als vierte Grenzbedingung soll angenommen wer- den, dals für = 0 . e Q = const. - ist; dann verschwindet in dem eben bezeichneten Falle die Arbeit der fremden Druckkräfte und es gilt der Satz von der lebendigen Kraft, der eine der Grundannahmen bei der Theorie des Hrn. Neumann bildet. Statt der einen Gleichung Q= const. können nach 19) auch die beiden L ar g9@' 8G g@' f re Wieser —ıu 20) gesetzt werden, welche aber zusammen mit der Gleichung «= w’ nur > zwei von einander unabhängige Gleichungen ausmachen. 10* 76 G. Kırcnuorr: Ueber die -Köflexion und Brechung Nun soll eine particuläre Lösung der Gleichung 17) und der ent- sprechenden Gleichungen gesucht werden, die den Bedingungen 18) und 20) genügt, und die ein System solcher Wellen darstellt, wie sie einzeln im ersten Abschnitt betrachtet worden sind. Die Zahl der Wellen, welche das System bilden, bleibt vorläufig unbestimmt. Die Zeichen, welche auf die einzelnen Wellen sich beziehen, sollen die Indices 1, 2, .. erhalten, die ungestrichenen Zeichen aber, wie früher, für das erste, die gestriche- nen für das zweite Mittel gelten. Wir setzen ER le am ytnmz ) v, H a ee zu ) 21) 1 er nn er) Zu ) e r i und ebenso N — a, A, j D ES ame SM ZIRE ) Wu V ; 14 eo le BE rl Ne, Pr ee ee DT Yu A, dl, e I nn T = — ): 1 wo / eine willkührliche Function des hinzugefügten Arguments ist, A,, A’ Constanten bedeuten. Den Differentialgleichungen wird dann genügt durch las wa Be Br Sn VE I 2000. u—Er zw, Br EKD: Um die Grenzbedingungen erfüllen zu können, setzen wir fest, dals die Argumente der Function f für z=0 alle einander gleich werden, d.h. dafs LEE m vr, a en. Bi Ma, 9, Me F Be u und v, re ‚ee =, = v = y, —— ist; die Gleichungen 18) sind dann die Gleichungen —— 5 ’ ’ 2.0, A) — 304, 0,4, ==3ß,4, 23) Sy4,=3y,Ä4, und die Gleichungen 20) werden bei Rücksicht auf die Gleichungen, durch welche @, &, n, &, a, b, ce und & definirt sind, Bin I _ N 2: Pan, Br 0m 24) > 2 2 En, BE NRN.r A 7 Dafs die drei letzten von diesen fünf Bedingungen nicht unabhängig von einander sind, lälst sich leicht verificiren. Man multiplieire die einzelnen Glieder der ersten der Gleichungen 24) mit den entsprechenden Gröfsen pr die einzelnen Glieder der zweiten mit den entsprechenden Gröfsen I y A e e y, was nach 22) erlaubt ist; zieht man die Resultate von einander ab, so erhält man die letzte der Gleichungen 23), da aus den beiden ersten der Gleichungen 13) 1 09% ,9% ES Teer ra Multiplieirt man die einzelnen Glieder der ersten der Gleichungen folgt. 24) mit den entsprechenden Grölsen er die einzelnen Glieder der zweiten mit den entsprechenden Grölsen 7 so erhält man bei Rücksicht auf die Gleichungen 13) und 15) 78 G. Kırcauorr: Ueber die Reflexion und Brechung zsAh vu ge) =-rAUumw+ltge,) ZA,m, (b,+m,tge,)= 3A, m, (b, +mitge\,), wo die Vorzeichen der Gröfsen tge so gewählt sein müssen, wie es 15) erfordert. Diese Form der Gleichungen 24) hat das Eigenthümliche, dafs in ihr ebensowenig, wie in den Gleichungen 23) die Constanten der Ela- sticität des Aethers explicite vorkommen. Von dieser. Form sind die von Mac Cullash aufgestellten Grenzbedingungen. Jetzt handelt es sich noch darum, zu ermitteln, welche Richtungen die einzelnen Wellen haben müssen, damit die Gleichungen 22) erfüllt werden. Bisher ist von den Coordinatenachsen nur die z Achse bestimmt; es sollen die andern nun so gewählt werden, dafs für eine Welle m — 0 ist; es ist dann für alle Wellen m=0 und es kann für jede einzelne I —sın MV n = C0S d a— cos Icosh P=sn$ y=—cosIsin® 25) a=—sn9cs® b=cos$ c=sinSsind gesetzt werden. Aus den Gleichungen 13) folgt, da m=0 ist, O8 2a) LS : ) So AD ee ROSE La ir eo AR V?e)1 0 setzt man noch so ergiebt sich hieraus (an, —2a,3tg$+ (az; —h?)tg?e) (a5 + (a9, — h’)tg?e) — (d)9 Az, tg pP)? (1 +tg’9)—=0 26) und EB 807.010) ee Q9,95— h? sin?$ 97) Aj9 COS $ — Ay, sin @ eg. tg 9’ + (day, — h?)tg?P')(ay,a-+ (ay9, — h?)tg?P) — (aa —Aazstgp) (IL Htg’9)—= 0 28) und a 29) Wir nehmen eine von den einzelnen Wellen als gegeben an; dann ist h gegeben, die Gleichung 26) bestimmt die Werthe von $,, Pa, .., die Gleichung 28) die Werthe von ®/, ®,, .. und die Gleichungen 27) und 29) geben die entsprechenden Werthe von S,, I9, .., 9,5 955 Sehen wir nun zu, wie viele verschiedene Wellen in jedem der beiden Mittel vorhanden sein können. Die Gleichungen 21) werden bei den jetzt eingeführten Zeichen uU) = 0089, c0sd, A, a: ee =) u — sin I ee aaa =. N JEW een — ). sPı ' Hebt man aus jedem dieser Ausdrücke cosS, cos, als Factor heraus und setzt für tg, den aus 27) sich ergebenden Werth, so sieht man, dals ,, v,, ww, bis auf einen gemeinschaftlichen, eonstanten Factor ein- deutig durch tg #, bestimmt sind; einem jeden der Werthe von tg 9, die aus 26) sich ergeben, entspricht also nur eine Welle; da diese Glei- chung eine biquadratische ist, so können also vier verschiedene Wellen in dem ersten Mittel vorhanden sein. Dasselbe gilt offenbar von dem zweiten Mittel. ‚Jede der Summen in den Gleichungen 23) und 24) ist daher aus vier Gliedern zusammengesetzt zu denken und die Zahl der Gröfsen A, A’ ist acht. Die genannten Gleichungen enthalten vier von einander unabhängige; die letzte der Gleichungen 24) ist in Folge davon, dals die Gröfsen m gleich Null sind, identisch mit der letzten der Glei- 80 G. Kırcauorr: ÜDeber die Reflexion und Brechung chungen 23); vier von den Gröfsen A, A’ können daher beliebig gewählt werden, die vier andern finden dann ihre Bestimmung durch 23) und 24). Um auf Fälle zu kommen, die der Beobachtung zugänglich sind, muls man im Allgemeinen gewisse drei von den Gröfsen A, A’ gleich Null annehmen. Es sei tg 9, eine reelle Wurzel der biquadratischen Gleichung 26); dann kann die Welle im ersten Mittel, auf die der Index 1 sich bezieht, bezeichnet werden entweder als eine einfallende oder als eine reflectirte oder gebrochene; als eine einfallende, wenn sie angesehen werden kann als herkommend von einem unendlich entfernten Erschütterungsmittelpunkte, der in dem Mittel liegt, in dem sie sich be- west, der also eine unendlich grofse negative z-Ordinate hat; als eine reflectirte oder gebrochene, wenn das nicht der Fall ist. Ist das Mittel ein isotropes, so ist diese Alternative leicht zu entscheiden, da dann der Erschütterungsmittelpunkt auf der rückwärts gezogenen Wellennormale liest. In diesem Falle ist die Welle eine einfallende, wenn Atg$, po- sitiv ist, eine reflectirte oder gebrochene, wenn htg@&, negativ ist. Das- selbe gilt auch bei einem krystallinischen Mittel, wenn sin ?®, unterhalb einer gewissen Grenze liest, einer Grenze, die wenig kleiner als 1 bei allen Krystallen ist, die nur eine kleine Doppelbrechung besitzen. All- gemein wird hier aber die Natur der Welle in der genannten Hinsicht durch den Strahl bestimmt, der zu ihr gehört, danach, ob dieser Strahl einen spitzen oder stumpfen Winkel mit der z-Achse bildet. Durch Be- trachtungen, die an die Wellenfläche zu knüpfen sind, läfst sich beweisen, dafs, wenn die Gleichung 26) vier reelle Wurzeln besitzt, zwei von ihnen einfallenden Wellen, die beiden andern refleetirten oder gebrochenen ent- sprechen, und dafs, wenn die genannte Gleichung nur zwei reelle Wur- zeln hat, eine einfallende und eine reflectirte oder gebrochene Welle vorhanden ist. Das Gleiche gilt von der Gleichung 28). Verwirklicht können im Allgemeinen allein Fälle werden, in denen nur eine einfallende Welle existirt. Haben die beiden biquadratischen Gleichungen lauter reelle Wurzeln, so muls man daher die Amplituden von dreien der vier einfal- lenden Wellen, welche die aufgestellten Gleichungen ergeben, gleich Null annehmen. In dem Mittel, in dem die übrig bleibende einfallende Welle sich bewest, hat man dann neben dieser noch zwei reflectirte Wellen, in dem andern Mittel zwei gebrochene. die den für tg ® ER es p' RE ad imaginäre) Wurzeln haben, so ist neben der Rücksicht, dafs nur = eine einfallende Welle vorhanden sei, noch eine andere zu nehmen. Wenn solche Wurzeln da sind, so kann man Ausdrücke für «, v, w, u, v', w' genau auf demselben Wege bilden, wie wenn die beiden biquadratischen Gleichungen nur reelle Wurzeln haben, vorausgesetzt, dafs die Function f nicht allein für reelle, sondern auch für complexe Werthe ihres Arguments bekannt ist. Diese Ausdrücke sind complex; setzt man aber ihre reellen Theile den Zeichen w, v, w, «, v', w' gleich, so erhält man wieder eine reelle Lösung der Differentialgleichungen und der Grenzbedingungen. Wir nehmen die einfallende Welle als gegeben an; dann ist der reelle Theil der Function / für reelle Werthe ihres Arguments auch gegeben; es han- delt sich zunächst darum / selbst allgemein zu finden. Diese Aufgabe ist unbestimmt; wir machen sie zu einer bestimmten (abgesehen davon, dafs eine additive, rein imaginäre Öonstante in / willkührlich bleibt), indem wir festsetzen, dals / für keinen Werth seines Arguments, dessen imagi- närer Theil =rmal einer positiven Gröfse ist, unendlich werde. Noth- wendig wird / dann unendlich für einen Werth seines Arguments, dessen imaginärer Theil =:mal eimer negativen Gröfse ist, oder für mehrere solcher Werthe. In Folge dessen werden die Ausdrücke von w, v, w, w', v', w' im Allgemeinen für gewisse Werthe von x, z, £ unendlich; um das zu verhindern, müssen gewisse von den Grölsen A, A’ gleich Null angenommen werden. Gesetzt, es sei tg $, eine complexe Wurzel der Gleichung 26); da diese Gleichung reelle Coeffieienten hat, so mul sie eine zweite complexe Wurzel haben, die jener conjugirt ist; diese sei tg 5. In den Ausdrücken von vu, v, w, kommt der Factor x IE Pee, =) in den Ausdrücken von 45, v,, w, der Factor « 2 f = ARE = vor. Da tg®, und tg&, conjugirt sind, so sind es auch Phys. Kl. 1876 (2 Abthl.). 11 a, 7 Sach 2 IN {i ee had dr „ PL EV es sei der Coeffieient von 7 in er ersten dieser Ausdrücke | dem zweiten negativ; da in dem Mittel, von A, sein möge. Um zu verhindern, dafs v, v, w unendlich wer: hat man also A,—=0 zu setzen. Sind tg®, und tg ®, zwei conjugi te complexe a der biquadratischen Gleichung für tg #', und ist dei imaginäre Theil von 1 htgp, —= mal einer positiven Gröfse, so muls man A,— 0 machen, damit w', v', w' nicht unendlich werden, da in dem a Mittel z positiv at den, so muls man die Constanten der Elastieität des Aethers Be durch die Längen der Hauptachsen des Elastieitätsellipsoids und die Win kel, die diese mit den Coordinatenachsen bilden. te folgende Tafel sebe die Cosinus der Winkel an, die diese mit den Da 2 natenachsen machen: Der in 14) aufgestellten Gleichung Elasticitätsellipsoids dann 2; Kar q +8 r3te?r; Ag, = er 7, +5? g5r5 +6? g3 73 a3, mar, Ppı +b?rzpate?rzp3 aa? p, Yı +5? Pa 9a+ €? Pa 13- Ist das Mittel optisch einachsig und die c-Achse die optische Achse, so ergiebt sich hieraus a1 =me+(ld—a)p ar —a)gzrz a, =a+(— a) 4,7 =(®—a)r,Pp5 A, = a + (® — a) 1. a9 =(® —a®)p; 93- Ist das Mittel isotrop, so hat man Bun a Tg Tits + Gy, =A;, =, —=0 _ und als Richtungen der Hauptachsen des Elasticitätsellipsoids können ir- “gend welche drei aufeinander senkrechte Richtungen angenommen werden. ; Es soll der Fall, dafs das erste Mittel ein isotropes ist, noch etwas näher betrachtet werden. Es sei $ eine Wurzel der Gleichung, in welche 26) in diesem Falle übergeht; man kann dann setzen et Pa — UP a ee P m Tr x 0) 90 en ‚o | cp ® 7 IF R Ist # reell, so sind entweder die Wellen 1 und 2 einfallende und die Wellen 3 und 4 reflectirte oder gebrochene, oder es findet das Umgekehrte statt; die Wellen 1 und 3 schwingen parallel zur Einfallsebene, die Wellen 2 und 4 senkrecht zu dieser. Bei Rücksicht auf 25) werden die Glei- chungen 23) und 24), wenn man noch den gemeinsamen Werth von a, ,, @,, und a,, durch a bezeichnet, 1 Sy 84 G.Kırcnuorr: Ueber die Reflexion und Brechung des Lichts etc. (A, —4,) cs = > A cos $\, cos 9, (A,+4,) sung = A’, sin ®/ cos $, A,—+ 44 == ) | A, sin S a cos & A' —— 1 ’ ’ = Q' ’ ’ (A,—4,) — > — (a), c08 $\ sin 9, + a), cos 9, sın ® sin P\ — d/, ; sin ®/, sin 9). Oft wird man von hier aus die Rechnung am bequemsten in der Weise weiterführen, dafs man zunächst diese Gleichungen für die vier Fälle auf- löst, dals eine von den Gröfsen A’ gleich 1 ist, während die drei andern verschwinden; mit Hülfe der vier Werthsysteme, die man dabei für die Gröfsen A,, Ay, A,, A, findet, kann man dann leicht die Amplituden der reflectirten und gebrochenen Wellen finden, die sich bilden, wenn in dem einen oder in dem andern Mittel eine gegebene einfallende Welle vor- handen ist. RER) Rn: die IR akkation des Diatänten. , a ‘ Nach hinterlassenen Aufzeichnungen von v GUSTAV ROSE, bearbeitet von ALEXANDER „SADEBECK. EM N [Vorgelegt in der Akademie der Wissenschaften am 11. December 1876.) 4. Rose hat sich in den letzten Jahren seines Lebens vornehm- lich mit dem Studium des Diamanten beschäftigt. Er strebte darnach, in die Kenntnifs dieses in vieler Hinsicht noch räthselhaften Körpers mehr Licht zu bringen. Den ersten Theil seiner Studien, die Unter- suchungen über das Verhalten des Diamanten und Graphits bei der Er- hitzung, brachte er zu einem Abschlufs und las darüber den 27. Juni 1872 in der Gesammtsitzung der Königlichen Akademie. Die Vollendung der Abhandlung über die krystallographischen Eigenschaften war ihm ‚jedoch nicht mehr vergönnt. Eine grolse Anzahl eingehender Beobachtungen über diesen Gegen- stand fand sich in seinem Nachlals vor, zu deren Ordnung und Sichtung er jedoch noch nicht gekommen war, so dafs nur einige wenige Seiten das Resultat angeben, zu welchem er gelangt war. Mit grofser Freude übernahm ich von der G. Rose’schen Familie die Papiere, um die begonnene Arbeit zum Abschlufs zu bringen. So- gleich bei Inangriffnahme der Arbeit wurde es mir klar, dafs das in den Museen und Sammlungen vorhandene Material nicht ausreichte, um den richtigen Einblick zu erlangen, welchen Wandelungen die einzelnen For- men unterworfen sind und welche Formen am häufigsten wiederkehren. Ich suchte deshalb Gelegenheit, möglichst viele rohe Diamanten zu stu- diren, und fand diese in Hamburg und Amsterdam. In Hamburg zeigte mir Herr Gutruf (Firma Brahmefeld und Gutruf) mit der gröfsten Bereit- 86 G. Rose und A. SADEBECK: Er io I N willigkeit seine reichen, aus Süd-Afrika stammenden Schätze und Herr Dia- manteur Winter verschaffte mir einen Einblick in zahlreiche Brasilianische Diamanten. In Amsterdam bekam ich durch die Bemühungen des Herrn Fles grofse Massen von Diamanten zu sehen und Herr Daniels, Chef der Koster’schen Diamantschleiferei gewährte auf das bereitwilligste seine Unterstützung. Eine zwar kleine aber ausgelesene Reihe von Diamanten legte mir Herr Jos. Jetta vor. ” Sehr belehrend war ferner die Sammlung des Herrn G. Selig- mann in Coblenz. Für das Kieler Museum hatte ich Gelegenheit gefunden, interessante Stücke zu erwerben. Durch die Güte des Herrn Professor Websky wurde mir die Sammlung des Berliner Museums zugänglich, was von besonderer Wich- tiskeit war, da dieselbe den meisten Beobachtungen G. Rose’s zu Grunde lag. Allen den genannten Herren sage ich hiermit für die Förderung der vorliegenden Arbeit meinen Dank. Die Diamantkrystalle würden für einen rein bestimmenden Krystal- lographen, welcher darauf ausgeht, möglichst viele Flächen durch scharfe Messungen und genaue Berechnungen festzustellen, wenig fruchtbar wer- den, da die Flächen meist gewölbt sind. Trotzdem ist es mir gelungen, einige Formen krystallographisch festzulegen, wie sich aus ‚dem ersten Theil, welcher von den vorkommenden einfachen Formen handelt, ergiebt. Im zweiten Theile werden die äulserst mannigfaltigen Zwillingsbildungen abgehandelt. Die Bedeutung des Studiums des Aufbaues der Krystalle tritt beim Diamant besonders hervor und auch die Aufzeichnungen G. Rose’s zeigen, dals er auf diesen Punkt ein grofses Gewicht gelegt hat. Die Krystallo- tektonik des Diamanten, welche den dritten Theil bildet, läfst die ein- zelnen Formen in ihrer wahren Bedeutung erkennen und gewisse, die Krystallisation beherrschende Gesetze bestimmen. Daran fügt sich eine Darstellung der Typen. Als Einleitung ist die geschichtliche Entwickelung der Kenntnils der Diamantkrystalle sowie eine kurze Uebersicht der Litteratur voran- geschickt und zum Schlufs sind die Resultate zusammengestellt. Bet... Einleitung, Die älteste Angabe über die Form des Diamanten findet sich bei Plinius !), welcher dieselbe folgendermalsen beschreibt: „Indieus, non in _ auro nascens, sed quadam cerystalli cognatione, si quidem et colore trans- lueido non differt, et laterum sexangulo laevore tribinatus in mucronem, aut, quo magis miremur, duabus cecntrariis partibus, ut si duo turbines latis- simis suis partibus jungantur ete.‘“ Diese Beschreibung pafst vollkommen auf die Form des Bergkrystalls, welcher meist nur an einem Ende 6 flächige Zuspitzungen zeigt und, wie Plinius richtig hervorhebt, seltener an beiden Enden. Demnach hat Plinius die wirkliche Form des Diamanten nicht ge- kannt, sondern einfach die des Bergkrystalls auf denselben übertragen. Anders wird die Stelle des Plinius von M. de Rome de TIsle ?) gedeutet, welcher darin die Beschreibung eines Oktaöders zu erkennen glaubt, indem er die Worte „laterum sexangulo laevore“ auf die sechs Ecken ‚des Oktaöders bezieht. In den darauf folgenden Worten „turbinatus in mu- eronem“ ist jedoch nur von einer Spitze die Rede und eine solche zeigt beim Oktaöder nie die Sechszahl. Es kommen aber beim Diamant die Oktaöder meist um und um ausgebildet vor und die Vereinigung von zwei Pyramiden erwähnt Plinius erst in zweiter Linie. Dafs Plinius der Bergkrystall vorgeschwebt hat, ist aus den Worten „sed quadam erystalli cognatione‘* ersichtlich, die Verwandtschaft mit dem Bergkrystall bezieht sich auf die Durchsichtigkeit und Form. Die eben ausgeführte Deutung der Plinius’schen Beschreibung haben auch die älteren Autoren des Mittelalters, Agricola ®),, Encelius *), 1) Plinius, naturalis historia, lib. 37. Caput 4. 2) M. de Rome de !’Isle, erystallographie ou description des formes propres ä tous les corps du rögne mineral, 2. Ed. Paris 1783. T. I. p. 189. 3) Agricola, de natura foss. lib. VI. p. 620: „Adamas dodeca@dros Plinü sexangulus turbinatus in mucronem duabus contrariis partibus. 4) Encelius, de re metallica, Frankof. 1551 L. I. „solidae massae ad saxa ad- haerescunt . ...... interdum in forma sexangulari, ut adamas.“ 3 Kirn: Me „hr DR; Ye «5; a ri BA - gr! PR “ Fe - ‘ W oe und A. SADEBECK: i Boötius des Boot’) angenommen. Dieselben beschränkten sich in Ihren Angaben über die Form des Diamanten überhaupt lediglich auf die Pli- nius’sche Beschreibung. Eine richtige Erkenntnifs der Form tritt erst mit dem Zeitpunkt ein, wo die direkte Beobachtung an Stelle der Benutzung der Schriften der Alten tritt. Am Anfang des 17. Jahrhunderts führt Kepler‘) als die Form der Diamanten das Oktaöder auf, desgleichen später Gassendus’”). Jean de Laöt®) fügt zu dem Oktaöder, von den Portugiesen „Naiffos“ genannt, welches nicht immer vollkommen regelmässig ausgebildet ist, Krystalle mit deutlich schaligem Bau, „Lasques“ und die rundlichen Kry- Bi 8 q Y26 stalle, „Reboludos“ und „Malaccenses“. Von einem Diamantkrystall, welcher zu den Lasques Jean de Laöt’s zu gehören scheint, sagt R. Boyle), dafs er ihn in seiner Sammlung hatte, 5) Boötius de Boot, postea Andr. Tollius, Lugd. Bat. 1647. I. 10. p.120. „Adamantes hexagonae*. 6) Joh. Kepler, C. Donavii Amphitheatr. Sapient. Socr. joco-seriae. Hannov. 1619 p. 756. „Ajunt gemmarii, naturalia in adamantibus inveniri octa@dra perfectissimae et limatissimae formae.“ A ?) Viri illastris Nieolai Claudii Fabricii de Peireccii. Parisiis 1641 p. 346. 3) Jean de Laät, de gemmis et lapidibus. Lugduni 1642. I. L. p. 3. Forma naturalis, sive figura huie gemmae diversa est, alia enim sexangularis est, et aequali octo triangularıum laterum laevore undique turbinata; interdum tam perfecte, ut arte factae videantur. Sed saepius paullum in hune vel illum angulum inelinant et nonnihil com- pressae sunt et a symmetria illa exaeta deviant: priores illae, quae jam raro comparent, a Portugallis appellantur Naiffos. His proximae sunt, quae tabellae in modum sternuntur varia figura et crassitudine, quo autem quadratiores et crassiores sunt, eo meliores et magis experitae, vocant Lasques. Tertia denique species rotundior est et multis veluti tessulis variegata, vocant Reboludos et Malaccenses a loco natali. ?») R, Boyle, speeimen de gemmarum origine et virtutibus. Genevae 1680, p- 4. „adamantem inter collectionem meam mineralium satis amplum eundemque impolitum habui, percepique superficiem ejus compositam esse a diversis planis triangularibus, quae quidem non erant exacte plana, sed inter se quasi minutiora triangula continebant, quae maximam in partem in unum concurrebant punetum, videbanturque quasi obtusissimum angulum solidum constituere. Ibidem p. 7. Et has bactreas parallelas cum suis commissuris poteram in gran- diore Adamante satis elare nudis oculis discernere. Plenioris vero satisfactionis caussa accessi peritum gemmarum et sculptorem seu politorem gemmarum, qui asserebat, se saepe N Unter den Autoren des 17. Jahrhunderts ist dann noch Steno’s 19) Fe Ir ach zuglei ch auf, die deutliche le FETT ohne jedoch Spaltungsgestalten zu beschreiben. - _ Erwähnung zu thun, welcher 24 Flächner anführt, allerdings aber auch die krystallographisch unmöglichen 9 Flächner und die wenig wahrschein- lichen 18 Flächner. Ferner betont er die Streifung und hebt noch die Krümmung besonders hervor. Im 18. Jahrhundert schreitet die Kenntnils der Diamantformen nur langsam vorwärts, eine Bereicherung der bekannten Formen giebt Cappeller!!), indem er das Dodekaöder aufführt, während Linne@!?) sich auf das Oktaöder beschränkt. Demeste!?), welcher verschiedene For- men beschreibt, fügt keine neuen hinzu. Dagegen wird von Wallerius!#) als neue Form das Hexaöder angegeben. Einen wesentlichen Fortschritt macht Rom& de l’Isle (2), welcher ÖOktaöder in Combination mit Dodekaöder, Triakisoktaöder, gewölbte Hexakisoktaöder, Dodekaöder aufführt und unter dem Namen „Diamant triangulaire“ niedrige Zwillinge nach dem Spinellgesetz zusammenfafst. Im 19. Jahrhundert wird die Kenntnils der Krystallisation in zwei Punkten gefördert. Einerseits werden Krystalle beschrieben, welche nach reiterata et firma experientia edoetum rem in sua arte notam, impossibile penitus esse findere Adamantes per traversum grani in modum crueis, sed non admodum difficulter illud perfiei uno icta ope instrumenti chalybe durati, cum jam repertum fuerit ex qua parte lapidis et quam partem versus instrumentum fissorium sit impellendum. 10) N. Stenonis, Dissertationis Prodromus de Solido intra Solidum naturaliter eontento. Florent. 1669 „Cetera, quoad figuram variam illam esse, cum quidam octo, alii novem, alii oetodeeim, alii viginti quattuor planis includantur, ubi pleraque plana striata erant, nunnulla etiam laevia. Quidam angulati licet essent, quasdam tamen super- fiecies gibbas potius, quam planas habebant. 11) Cappeller, Prodromus erystallographiae. Luc. 1723. p. 29. Adamantes, quos ego observavi, orientales dedocahedri. 12) Linee, de crystallorum generatione, Upsalae 1747 und Museum Tessianum, Holm. 1753. 13) De&meste, Lettres au docteur Bernard. Paris 1779. 14) Wallerius, Systema mineralogicum. Vindobonae 1778, T. I. p. 242. Ada- mas hexaödrus, tabellatus. Phys. Kl. 1876 (2= Abthl.). 12 ‚. De et yr Te 2, Sur ue eg ne KR en ee; ae . ur 3 nt . Ehe) 1,02 # P 90 G. Rose und A. SADEBECK: G. Rose Zwillinge nach dem Gesetz „Zwillingsaxe eine prismatische Axe“ sind, und daraufhin wird die hemiödrische Natur des Diamanten ange- nommen. Andererseits wird erreicht, für dıe Formen mit veränderlichen Coöfficienten der Axenabschnitte einige Coöfficienten zu bestimmen. Gerade diese beiden Punkte sind die, welche noch ein genaueres Studium erheischen. Bei der folgenden Litteraturübersicht dieses Jahrhunderts ist auf solche Handbücher und Cataloge Rücksicht genommen, in denen die Dia- mantformen ausführlicher behandelt oder um neue Gestalten bereichert sind, und auf Schriften, die sich lediglich auf den Diamant beziehen. 15. Bournon, Comte de, Catalogue de la Collection Mineralogique, Lon- dres 1813. 16. Brewster, Philosophical Magazine 1863, On the pressure cavities in Topas, Beryll and Diamond ete. 17. Brewster, Philosophical Magazıne Vol. Il. 4. ser. 1852 p. 284. On a remarkable property of the Diamond; desgleichen Poggend. Ann. Bd. 58, $. 450. 18. Cohen, Neues Jahrb. f. Mineral. 1876. Ueber Einschlüfse in Süd- Afrikanischen Diamanten. 19. Dana, a System of Mineralogy. London 1872, p. 21. 20. Descloizeaux, Poggend. Ann. Bd. 39. S. 447. Ueber Asterismus beim Diamant. 21. Descloizeaux, Manual de Mineralogie. Paris 1862. 22. Dufrenoy, Poggend. Ann. Bd. 94. S. 475. Ueber einen Diamant- krystall aus dem Distrikte Bogagem in Brasilien. 23. Dufrenoy, Traite de Mineralogie, Paris 1844—45. 24. Glocker, Journal f. prakt. Chemie 35. und 38. Bd. Ueber brasi- lianısche Diamanten. 25. Göppert, Ueber Einschlüsse im Diamant, Natuurkundige Verhande- lingen van de Hollandsche Maatschappij der Wetenschappen bi Haar- lem, 1864. 26. Haidinger, Handbuch der bestimmenden Mineralogie. Wien 1845. 27. Haidinger, Beschreibendes Verzeichnils einer Sammlung von Dia- manten etc. Wien 1852. er. 30. Be 3 RE A Er 4 33. e: R: 35. ; 36. a7. u m 1 0 Ms A u Ze ae 38. 39. 40. 41. 42. 43. Kenngott, Sitzungsberichte der Wiener Akadmie der Wissensch. Bd. X. S. 182. Diamant als Einschlufs in Diamant. Levy, Deseription d’une collection des minereaux formee p. H. Heu- land. Londres 1837. John Mawe, a treatise on Diamonds ete. London 1823. Mohs, Anfangsgründe der Naturgeschichte des Mineralreichs. 2. Aufl. herausgeg. von Zippe. Wien 1836—1839. John Murray, a memoir on the diamond. London 1831. Parrot, m&moires de l’Akad. imper. d. sc. de St. Petersbourg. X. Ser. Tom. I. p. 22 im Auszuge Neues Jahrb. für Mineral. 1838 p. 540. A. Petzhold, Beiträge zur Naturgeschichte der Diamanten. Dresden u. Leipzig 1842. Phillips, elementary introduction to Mineralogy. 9. Ed. By Brooke and Miller. London 1852. G. Rose, Deutsche geol. Ges. Bd. IX. S. 14. Berichte d. Verh. d. Kgl. Akad. in Berlin 1853, S. 633 und Monatsberichte 1856, neue Diamanten des Berliner Museums (Löwenstimm’sche). G. Rose, Monatsber. der Kgl. Akad. d. W. in Berlin 1872. S. 516. Verhalten der Graphits und Diamants bei Erhitzung. G. Rose u. A. Sadebeck, das mineral. Museum der Univ. Berlin 1874. A. Sadebeck, Angewandte Krystallographie. Berlin 1876. Sartorius v. Waltershausen, Nachr. d. G. A. Univ. u. d. Ges. d. Wissensch. zu Göttingen 1863 p. 135 u. 136. v. Spix u. v. Martius, Reise in Brasilien. München 1828. Vogsey, Frorieps Notizen 1827, Bd. XVI. Nr. 9. Ind. Diamanten. ER 28. Peer Traite de klagte” ee 1801 und 1822, übersetzt von Weils und Karsten. Paris und Leipzig 1806. 92 G. Rose und A. SADEBECK: I. Krystallformen des Diamanten. A. Einfache Formen und Combinationen. Beim Diamanten kommen sämmtliche 7 holoödrische Formen theils für sich allein, theils in Combinationen vor, die Ikositetraäder sind die ein- zigen Formen, welche bis jetzt weder selbständig noch vorherrschend beob- achtet sind. 1. Oktaöder!), ausgezeichnet durch glatte und glänzende Flächen, welche sämmtlich untereinander gleichartig sind. Ein Unterschied in der Beschaffenheit der abwechselnden Flächen, wie ihn z. B. G@. Rose?) bei dem Borazit, A. Sadebeck°) bei der Blende nachgewiesen hat, ıst beim Diamanten nicht wahrnehmbar. 2. Hexaöder*), die Flächen sind immer drusig, in Folge dessen weniger eben, meist gekrümmt, häufig im Mittelpunkt vertieft und wenig glänzend. Mit dem Oktaöder kommt es in den verschiedensten Combi- nationsverhältnissen vor. 3. Die Dodekaöder (Fig. 5) sind zweierlei Art, theils gestreift, parallel den längeren Flächendiagonalen, theils gewölbt. Die gestreiften Dodekaöder 5) kommen selbständig oder in Combinationen mit Oktaöder und Hexaöder®) vor, in letzterem Falle ist das Hexaöder meist herrschend. Sie führen mitunter zu Triakisoktaödern und Deltoödern über. Die gewölbten Dodokaäder?) sind nur in seltenen Fällen reine Do- dekaöder, da die Flächendiagonalen meist als flache Kanten hervortreten, 1) (28) Haüy’s primitiver Diamant; (30) Fig. 2; (2) Taf. III, Fig. 1. 2) G. Rose u. P. Riess, Abh. der Kgl. Akad. d. Wissensch. zu Berlin, 1843, physik. Kl. üher Pyroölektrieität der Mineralien. 3) A. Sadebeck, Zeitschrift der Deutsch. geol. Ges. Bd. XXI., 1869 S. 620. 4) (28) Weiss beschreibt einen Krystall des Berliner Museums und stellt die angezweifelte Angabe von Engström in der Uebersetzung der Cronstedt’schen Mineralogie ausser Frage. 5) (2) Taf. III. Fig. 7. Octaedre rectangulaire u. Taf. IV., Fig. 106. 6) (30) Fig. 7 u. 8. 7) (2) Taf. II. Fig. 17 u. 18. i > K ’ 4 F ei = 2 & ” a > T Nee nur. bei Eu kürzeren Diagonalen der Fall, so (neakah sie in K Tetrakishexagder über, sind beiderlei Diagonalen als Kanten ausgebildet, so hat man es im Grunde genommen mit Hexakisokta@dern zu thun. Diese Dodeka@der kommen meist selbständig, seltener in Combinationen vor. Eben- und glattflächige Dodekaöder fehlen. 4. Ikositetraäder finden sich nach G. Rose (38) beim Diaman- ten als Krystallflächen gar nicht, waren ihm wenigstens nicht bekannt. Sie treten auch allerdings nur untergeordnet auf, sind zum Theil glatt und glänzend, zum Theil nach den symmetrischen Flächendiagonalen gewölbt. Glatte Flächen sind bei einem eigenthümlich treppenartig ausge- bildeten Krystall aus Süd-Afrika, welcher sich im Kieler Museum befindet, ausgebildet (Fig. 12). Fig. 9 stellt die ideale Ausbildung der Combination von Oktaöder mit Tetrakishexaöder dar, bei welcher die an der Treppe auftretenden Ikositetraöderflächen mit gestrichelten Linien eingezeichnet sind. Zwischen diesen Ikositetraäderflächen, welche dem rechten unteren Öktanten angehören und der rechten oberen Oktaöderfläche findet eine treppenartige Intermittenz statt, bei welcher je zwei sich schneidende Iko- sitetraöderflächen einspringende Winkel bilden, indem die rechts liegenden Flächen von Fig. 9 bei Fig. 12 links liegen und umgekehrt. Die Treppen- bildung erschwerte zwar die Messung, aber durch mehrfache Wieder- holungen wurde der Winkel, welchen die Ikositetra@derflächen mit der rechten unteren Oktaöderfläche bilden, im Mittel = 140° 30’ gefunden und der mit der rechten oberen Oktaöderfläche — 125°. Diese Winkel weisen auf das Ikositetraöder (a:a:4a) hin, bei welchem sie nach der Rech- nung 141° 5’ und 123° 44'30" betragen. Die Differenzen zwischen den ge- messenen und berechneten Winkeln sind in Betracht der etwas ver- schwommenen Bilder leicht erklärlich und auf die wahrscheinlichen Fehler der Messungen zurückführbar. Auf der linken oberen Oktaöderfläche desselben Krystalls kommt in Form von schmalen und glänzenden Absätzen das Ikositetra@der (a:a:4.a) zur Erscheinung, dessen Flächen mit der Oktaöderfläche den scharf mels- baren Winkel von 161° bilden. Die gewölbten Ikositetraöderflächen sind bei Brasilianischen Kry- stallen vorhanden und finden sich schon unter G. Rose’s Zeichnungen (G. Rose hat dieselben jedenfalls erst nach der Publication seiner Abhand- kat NR N $'' bar FR a % 94 G. Rose und A. SADEBECK: lung (38) beobachtet). Sie erschienen als Abstumpfungen von Hexakisok- taöderkanten und sind so gewölbt, dafs sie allmälig in die Hexakisok- taöderflächen übergehen (Fig. 36 und 36a). Wegen der Wölbungen sind keine Messungen mit Erfolg ausführbar. Sind die Hexakisoktaöder, wie es meist der Fall ist, Tetrakisdode- kaöder, so müssen die Flächen dem Ikositetraöder (a:a:4 a) angehören, da sie als gerade Abstumpfungen der längsten Hexakisoktaöderkanten er- scheinen. Aufser der Wölbung parallel den Combinationskanten mit dem Hexakisoktaöder ist noch eine andere parallel den Combinationskanten mit dem Oktaöder nach der Hauptaxe hin wahrnehmbar, was auf Ikosite- traöder mit kleinerem Coöffieienten hindeutet. Fig. 40 zeigt Ikositetraöderflächen in Combination mit Triakisok- taöder regelmäfsige Eindrücke auf den Oktaöderflächen begrenzend. Bei den Aetzeindrücken (Fig. 48) hat G. Rose (38) das Ikosite- tra@der (a:a:4a) bestimmt, neben welchem aber noch andere vieinale Iko- sitetraöder vorhanden sind. 5. Triakisoktaöder treten selbständig auf mit Flächen, welche parallel den längeren Seiten gestreift sind, zuweilen auch in Combination mit gestreiftem Dodekaöder. Miller (36) giebt ihr Zeichen als (a:4 a: 4a) (Fig. 3) an. Untergeordnet erscheinen sie als ganz schmale glänzende Flächen innerhalb der regelmäfsig dreiseitigen Eindrücke auf den Oktaeder- flächen (Fig. 49). Es sind vieinale Flächen, deren Zeichen ich jedoch nicht bestimmen konnte, ihre Grenzform ist das Dodekaöder. 6. Die Tetrakishexaöder!) sind dreierlei Art, «a) selbständig auftretende, mit glänzenden, aber immer gewölbten Flächen, besonders ın Brasilien. Ihr Zeichen läfst sich der Wölbungen wegen nicht ermitteln, aber es sind spitze Formen, welche dem Dodeka@der nahestehen und mit zunehmender Wölbung nach den Flächendiagonalen in Hexakisoktaöder hinüberspielen. b) Die Tetrakishexaöder in Combination mit dem Okta&der (Fig. 9) kommen besonders in Süd-Afrika vor, sie sind uneben durch unregelmäfsige drusige Erhabenheiten und Knötchen, so dafs die Flächen 1) (2), Taf. IV, Fig. 66; (30) Fig. 5, 9, 15. nn x U7% I,‘ ‚heit gestattet der schon oben erwähnte treppenartige Krystall (Fig. 12) durch einen scharf hervortretenden Zonenverband die sichere Bestimmung des Zeichens. In dem rechten oberen Oktanten sind die Combinationskanten des Oktaöders mit dem Tetrakishexaöder denen mit dem Ikositetra@der der ' Treppe parallel. Man ist nun in der Lage, die Fläche in eine Linear- projeetion einzutragen und erhält das Zeichen (a:3 a:© a), wodurch die Angabe von Miller (36) bestätigt wird. Die auf den ersten Blick als vierflächig erscheinenden Zuspitzungen der Oktaöderflächen erweisen sich bei näherer Betrachtung meist als acht- flächige, also auf Hexakisoktaöderflächen zurückführbare. Tritt dabei die mittlere Kante des Hexakisoktaöders sehr zurück, so kann man die Zu- spitzungen als gewölbte Tetrakishexaöder betrachten, welche sich durch Streifen parallel den Flächendiagonalen als Zwischenformen der Hexakisok- taöder erweisen. Das Zeichen zweier derartiger Tetrakishexaöder hat G. Rose nach annähernden Messungen als (a:}a: oa) und (a: 4a: a) bestimmt. Die erstere dieser Formen giebt schon Levy (30) an. Man hat es hier jedenfalls mit einer ganzen Reihe vieinaler Tetrakishexa@der zu thun, deren Zeichen zu dem der Hexakisoktaöder in inniger Beziehung steht, wie später gezeigt werden soll. c) Die Tetrakishexaäder in Combination mit dem Hexaöder (Fig. 6) sind nicht recht glänzend, ihre Flächen erscheinen senkrecht gegen die Combinationskanten gestreift und bilden meist nur schmale Zuschärfungen der Hexaöderkanten. @. Rose machte Winkelmessungen, indem er die ganzen Flächen reflektiren liefs und erhielt so Zuschärfungswinkel von 152°— 156° und Combinationskantenwinkel von 147°—148°, welche Win- kel auf das Tetrakishexaöder (a:4a:00a) mit 150° 9'29" und 147° 55' 30" hinweisen. Mit den Zeichen (a:$a:o0a) und (a:3a:00a) lassen sich die gemessenen Winkel nicht in Einklang bringen, da hier die Zuschär- fungswinkel 163° 44’ und 143° 31’ betragen. Ferner kommt noch (a:}a:&©a) vor, wie sich aus den Zwillingen mit Sicherheit ergiebt. Das verschiedene Zeichen der Tetrakishexaöder, welche mit dem ÖOktaöder auftreten, und derjenigen, welche an das Hexaöder gebunden sind, ist sehr bemerkenswerth und hängt mit dem verschiedenen Bau der oktaödrischen und hexaödrischen Krystalle zusammen. 96 G. Rose und A. ee a als 7. Hexakisoktaäder (Fig. 2 u. 8)!) sind beim Diamant aufser- ordentlich häufig, ihre genaue Bestimmung stölst jedoch auf grolse Schwierigkeiten, da die Flächen nie eben, sondern immer gekrümmt sind. Die Krümmung der Flächen erstreckt sich auch auf die dreierlei Kanten. Die längsten Kanten sind die schärfsten und regelmälsigsten, sie erschei- nen als Bögen, deren Sehnen die Dodekaöderkanten sind. Die Bögen haben eine sehr verschiedene Krümmung, sind zum Theil sehr flach und fallen fast mit den Dodekaöderkanten zusammen. In diesem Falle hat man es mit Hexakisoktaödern zu thun, welche auf solche aus der Abtheilung der Tetrakisdodekaöder zurückzuführen sind. Die kürzesten Kanten haben einen unregelmälsigen Verlauf und liegen wohl nie in einer Ebene mit den kürzeren Diagonalen der Dode- kaöderflächen, sondern sind vielfach gekrümmt und geknickt (Fig. 44). Zwei, bei den idealen Formen sich in den Endpunkten einer prismatischen Axe schneidende Kanten treffen bei den Krystallen meist nicht in einer Ecke zusammen, sondern sind mehr oder weniger gegeneinander ver- schoben. Sie kommen aber immer scharf zur Erscheinung. Die mittleren Kanten treten weniger scharf hervor, in ihnen gehen die Flächen der benachbarten Oktanten durch Wölbung allmälıg inein- ander über (Fig. 44). Je mehr dies der Fall ist, desto mehr erhalten die Krystalle das Aussehen von Tetrakishexaödern, oder auch von Dode- kaödern, wenn zugleich die kürzesten Kanten sehr zurücktreten. Y Die Wölbungen der Flächen sind auf den verschiedenen Flächentheilen verschieden, nicht gleichmäfsig über die ganze Fläche ver- laufend. Am wenigsten sind die Flächen an den mittleren Kanten ge- wölbt, am meisten an den Endpunkten der rhomboädrischen Axen. Die Krümmungsceurven sind keine bestimmten, sondern bei den verschiedenen Krystallen verschiedene, wefshalb sich kein Gesetz für dieselben feststellen läfst. Diese Ansicht hatte schon Haüy, welcher sagt (28): „übrigens be- haupte ich nicht, dafs in Rücksicht der genannten Curven etwas con- stantes gelte, denn sie rühren von den Perturbationen her, welche die Krystallgesetze hier erleiden.... Wollte man, wie ich es gethan habe, 1) (2) Taf. IV. Fig. 65; (28), Uebersetzung, Taf. 62, Fig. 11; (30) Fig. 11 etc. es Pf » I Ueber die Krystallisation des Diamanten. es versuchen, eines der variablen Gesetze, die sphaeroidische Formen her- vorbringen können, dem Caleül zu unterwerfen, so wäre dies eine von denjenigen Untersuchungen, welche man sich erlaubt, blofs um seine Neu- gierde zu befriedigen.“ Man kann zwei Arten von Hexakisokta@dern unterscheiden je nach ihren Grenzformen, oktaödrische und sphaeroidisch dodekaädrische. Die oktaödrischen Hexakisokta@der £ (Fig. 2) sind meist mit dem Oktaöder combinirt (Fig. 4) und treten besonders bei den Süd-Afrikanischen Diamanten auf. An ihnen habe ich den Versuch gemacht, goniometrische Messun- gen anzustellen, wobei eine ausserordentlich grofse Anzahl von Bildern erschien, die reihenförmig dicht nebeneinander lagen. Bei einer derartigen Messung, welche sich auf die in einer mitt- leren Kante zusammenstossenden Hexakisoktaöderflächen bezog, stellte ich auf die Endreflexe ein und erhielt den mittleren Kanten zunächst Winkel von 160°—170°, die auf (a:4a:4a) hindeuten, bei welcher Form dieser Winkel 165° 25’ beträgt. An dem anderen Ende zunächst den Endpunk- ten der rhomboädrischen Axen habe ich mehreremals 150° gemessen, was mit (a:Ja:4a) übereinstimmt, indem hier der Winkel = 149° ist. Es ist dies diejenige Form, welche überall, wohl auf die Autorität Millers (36) hin in den Hand- und Lehrbüchern angeführt wird. Zugleich ist es die dem Oktaöder am nächsten stehende Form unter den Tetrakisdodekaödern, bei welchen in dem Zeichen (e: — Be «) m — 1 und m eine ganze m — m Zahl ist, da die nächste Form mit m—2 ein Ikositetraöder ergiebt. Zwischen den beiden Hexakisoktaödern (a:4a:}a) und (a: La:ta) q (Fig.1) liegen noch zwei Tetrakisdodekaöder mit einfachem Zeichen (a: a:4a) und (a:ta:}a). Messungen an verschiedenen Krystallen haben ergeben, dafs (a:4a:}a) nicht die Form mit den flachsten mittleren Kanten ist, aus einzelnen Messungen lassen sich noch Formen berechnen, bei denen m > 6 ist. Ueberhaupt zeigen die Krümmungscurven in der Zone der mittleren Kanten grofse Verschiedenheiten. Die Combinationskanten mit dem Oktaöder sind in den meisten Fällen geradlinig, nur selten gekrümmt, bei Süd-Afrikanischen Krystallen Phys. Kl. 1876 (2° Abthl.). 13 98 N i habe ich nie eine Krümmung der Kanten beobachtet. Sie bilden auf den ÖOktaöderflächen symmetrische Sechsecke, deren schärfere Ecken immer an den Oktaöderecken liegen (Fig. 39), nie ist von G. Rose oder mir ein reguläres Sechseck beobachtet worden. Ein solches müsste es sein, wenn das Hexakisoktaöder das Zeichen (@:4«@:}«a) hätte, oder überhaupt das allgemeine Zeichen (« ; an a: 2 .) Derartige Hexakisoktaöder sind also hier ausgeschlossen. Die oben angeführte Messung von 150° lälst sich mithin nicht auf (a:4a:4a) beziehen. Führt man sie auf den Reflex wirk- licher Flächen zurück, so können diese nur einem Hexakısoktaöder ange- hören, welches zwischen (a:4a:4a) und (a:4a:4a) liegt. Wahrschein- licher ist es jedoch, wie sich aus der Betrachtung der Tektonik ergeben wird, dafs die Reflexe von Flächentheilen herrühren, die von intermittiren- den Hexakisoktaöderflächen gebildet sind. Da der spitze Winkel der Sechsecke auf den Oktaöderflächen immer an den Oktaöderecken liest, so sind sämmtliche Hexakisokta&der hier ausgeschlossen, welche zwischen (a:Ja:la) und (a:a:}a) liegen. G. Rose hat sich bemüht die ebenen Winkel der regelmälsigen Sechsecke unter dem Mikroskop oder durch Auflegen einer Karte und Ausschneiden aus derselben zu messen. Es gelang ihm jedoch nicht, scharfe Resultate zu erlangen, da die Schenkel der zu messenden Winkel zu klein waren. Jedenfalls sind bei den verschiedenen Krystallen die Winkel öfters verschieden, indem verschiedene Hexakisoktaäder zu Grunde liegen. Bei den Süd-Afrikanischen Diamanten lassen sich zwei ver- schiedene Sechsecke bestimmen, bei dem einen betragen die Winkel im Durchschnitt 80° und 160°, bei dem anderen 88° und 152°. Die er- steren stimmen mit den Winkeln bei einem rothen Zwilling des Berliner Museums (39), welcher wahrscheinlich aus Brasilien (Bahia) stammt, überein, so dafs sie von einem weiter verbreiteten Hexakisoktaöder her- zurühren scheinen. Zur Bestimmung des krystallographischen Zeichens des Hexakisoktaöders genügen natürlich die Winkel des Sechsecks nicht, es wäre dazu mindestens noch ein körperlicher Winkel erforderlich. Da ein solcher für die Rechnung nicht genügend mefsbar ist, kann man nur durch Vergleichung mit Winkeln von bekannten und berechneten Hexakis- oktaädern auf das Zeichen schliefsen. Legt man bei dieser Vergleichung RD Ten 7 ir mit, Ban! durch (a: la: 4a) hervorgebrachten eine solche, wie man sie nur bei den ungenauen Messungen erwarten durfte, die Winkel betragen I nämlich hier 81°46’ und 158° 14. Des Da also die Messungen der ebenen und körperlichen Winkel auf 2% S dieselbe Form hinweisen, so dürfte (a:4a:la) als eine vorkommende 67 Form angenommen werden, welshalb ich auch diese Form bei den Zeich- ne Y% “ nungen zu Grunde gelegt habe. . " Auch das andere Sechseck mit 88° und 152° führt auf ein Hexa- h x kisoktaöder aus der Reflexreihe, indem das Sechseck, welches die Com- hir, _ binationkanten von (a:+a:4a) auf den Oktaederflächen bilden, Winkel von R R’ 87° 47’ und 152° 13’ hat, was aufserordentlich gut stimmt. b C: 2 ° Von Interesse sind die Beziehungen der aufgefundenen Hexakisok- a 2 taöder zu den mit dem Oktaöder zusammen auftretenden Tetrakis- y: «21° . . . . 1 » Er hexaödern, (a:2a:ooa), (a:$a:ooa) u. (a:4%a:o0a), da diese Formen *,% . . . . .r sämmtlich die geraden Abstumpfungen der mittleren Kanten von Tetrakis- % “ N dodekaödern bilden, mithin diesen ihrem Vorkommen und krystallographi- schen Verhalten nach sehr nahe stehen. Sie bilden eine den Tetrakis- x Pt dodekaödern entsprechende Reihe, welche dadurch charakterisirt ist, dals ae $- der Coäfficient von a = en. ist. Diese einfachen Beziehungen fehlen Be den mit dem Hexaöder auftretenden Tetrakishexaödern. x nr 2 Die ebenen Winkel der Sechsecke, welche die Tetrakishexaöder £ E obiger Reihe auf den Oktaöderflächen hervorrufen, sind dieselben, wie die ” R von Tetrakisdodekaödern herrührenden, da je ein Tetrakishexaöder mit er F je einem Tetrakisdodekaöder und Oktaöder in eine Zone fällt, wie es bei 2 "a folgenden Formen der Fall ist. Br! j 1. (a:ta:la) und (a:4a:o0a) bilden Sechsecke von 120° und 120°. kr = 2. (a:la:l1a) „ (a:$a:o0a) „, N „ 89°12', 141948’ ee Be 3. (a:la:la) „ (a:$a:o0a) „ R u BIST 52T ae 6. i 4. (a:la:la) „ (a:$a:0a) „ e „: 5817 46,44, 1584 2 2% Diese Reihe läflst sich beliebig weit fortführen und allgemein so $ ausdrücken, dafs Hexakisoktaöderflächen von (e: a: La) und Tetra- . 13* Br B Be ;. Bei; BR , BRH s 100 G. Ross und A. Sapessck: m—1 kishexaöderflächen von («: 5 DU Öktaöderflächen gleiche Sechsecke bilden. Trägt man die Flächen der beiderlei Formen in eine Linearpro- jeetion (Fig. 45) so ein, dafs die Axenabschnitte der Tetrakisdodekaöder m sich wie ma: a verhalten und die Sectionslinien der Tetrakishexaäder ; © m—1 . = : die Axen in der Entfernung —- @ scheiden, so erhält man Reihen von U Zonenpunkten, welche in den Sectionslinien des Oktaöders liegen. Je srölßser m wird, desto mehr nähern sich die Zonenpunkte dem Kanten- zonenpunkte des Oktaöders, in welchem die Sectionslinie des Dodekaöders diejenigen der Tetrakisdodekaöder und- hexaöder ersetzt, das Dodekaöder ist also nach dieser Seite hin die Grenzform. Verfolgt man die Zonenpunkte auf der Sectionslinie des Oktaöders nach der anderen Seite hin, also über den von (a:Ja:ta) hinaus, so } ; \ Ä 1 1 ; h wird in dem allgemeinen Zeichen (« a a) m<5, bıs es schliefs- mM m lich — 2 wird und die Sectionslinie, dem Oktaöder parallel, dem Ikosite- traöder (a:a:} a) angehört. Da derartige Formen beim Diamanten nicht vorkommen, wie ich oben gezeigt habe, habe ich ihre Sectionslinien in die Projeetion nicht eingetragen. Auch das Zeichen der Ikositetraöder, deren Sectionslinien in die auf den Sectionslinien der Oktaöderfläche gelegenen Zonenpunkte fallen, steht zu dem der Tetrakishexaäder in einer ganz bestimmten Abhängig- keit. Sie erhalten als allgemeines Zeichen, bezogen auf das m der Tetra- 2 kisdodekaöder, («: en «), so dafs ihre Zeichen für die oben angege- Mm benen Zonen folgende sind: für die 1. Zone (a:a:4a) . al a. le) ER EE A 02109) . 2 4... 05.07 (a a): Je grölser m wird, desto mehr nähern sie sich dem Oktaöder. Für die Triakisoktaöder, welche die kürzesten Kanten der Tetra- kisdodekaöder gerade abstumpfen, ist das allgemeine Zeichen a:000) bei gleicher Gröfse von m auf den | “n ER, : i TR N eh ‚ber die zen. des Diamant. y j i LE. Be = also für die bee der Tetrakisdo- A = a der 1. Zne=(a:3a:%a) nn$ 2 n 2 n n (a : 3 @: 7 a) y a g RECENT | Re EURE. RES RIERE SER € 6-5 Ele, nl) Es ist anzunehmen, dafs Triakisokta@der dieser Reihe als Begren- \ zung der gleichseitig dreiseitigen Eindrücke auf den Oktaöderflächen beson- ders eine Rolle spielen. Das Combinationsverhältnils zwischen Hexakisokta&öder und Oktaöder , ist ein sehr verschiedenes, von kleinen Zuspitzungen der Okta@derecken an bis zu kleinen Abstumpfungen der sechsflächigen Ecken des Hexakisok- taöders. Letzteres tritt zuweilen auch allein mit sphaeroidischen Flächen auf, wie Fig. 2 zeigt, der Habitus ist dann im Allgemeinen ein oktaödrischer, da durch den später zu besprechenden Schalenbau die Formen nur Schein- formen sind, so dafs ihre rhombo&@drischen Axen niedriger sind, als sie RE es bei reinen Tetrakisdodekaödern sein müssten. Je mehr die Dodekaöder- zn n kanten sich herausheben, desto mehr gehen die Formen in die sphae- £ roidisch dodekaädrischen $ (Fig. 8) über. Diese sind selbständig besonders in Brasilien (Bahia) häufig, haben glatte und glänzende Flächen und nähern sich zuweilen auffallend der Kugelform, indem die Flächen nach verschiedenen Zonen gekrümmt sind. Während bei der ersten Art der Hexakisoktaöder die Flächen zumeist pa- rallel den Combinationskanten mit dem Oktaöder gekrümmt sind und auf + diese Weise in Tetrakishexaöder übergehen (Fig. 42), läfst sich hier noch eine zweite Krümmungscurve beobabachten, welche bei einigen Krystallen auf das Ikositetraöder (@:a:4«) hinüberführt, Fig. 36a. Eine derartige Krümmung tritt deutlich hervor, wenn die Hexakisoktaöder mit dem Öktaöder combinirt sind, wie es zuweilen auch bei Brasilianischen Kry- stallen der Fall ist, die Combinationskanten haben dann nämlich einen etwas krummlinigen Verlauf. Wegen der deutlich hervortretenden dop- pelten Krümmung setzen diese Hexakisoktaöäder den Messungen noch grölsere Schwierigkeiten entgegen, als diejenigen der ersten Art. indie 102 G. Rose und A. SADEBECK: . Schliefslich kommen die Hexakisoktaöder noch als sechsflächige Zu- spitzungen von Hexaöderecken vor s (Fig.37). Sie gehen dann bei den rein hexaödrischen Krystallen in die schon oben erwähnten Tetrakishexa@der über, deren Zeichen darauf schliefsen läfst, dafs die Hexakisokta@der an- dere sind, als die der 1. und 2. Art. Eine Messung war hier durchaus nicht ausführbar. Das Oktaöder kann noch als dritte Form zu der Combination hin- zutreten, wie die Individuen des Zwillings (Fig. 27) zeigen. Damit sind die beim Diamant bekannten einfachen Formen und Combinationen erschöpft, die Mannigfaltigkeit der Formen wird aber noch durch verschiedene Ausbildungsformen erhöht. B. Ausbildung der Krystalle. Sehr häufig ist beim Diamant eine Ausbildung, welche sich der vollkommen regelmäfsig gedachten holoädrischen sehr nähert und nur durch sehr geringe Abweichungen von derselben unterscheidet. Die Oktaöder aus Süd-Afrika stellen fast vollkommen ideale Formen dar, bei den sphaeroidisch-dodekaödrischen Krystallen aus Brasilien sind häufig die Flächen so gleichmäfsig ausgebildet, dafs sich die Krystalle der Kugel- form nähern. Daran schliefsen sich dann Formen, welche geringe Verschie- bungen der einzelnen Flächen gegeneinander haben, ohne dafs sich dabei irgend welche Gesetzmälsigkeit erkennen lieflse, so dafs dieselben kein weiteres allgemeines Interesse darbieten. Als Seltenheit kommen tetraödrisch-hemiädrisch ausgebildete Krystalle vor. Hexakistetraäder mit gewölbten Flächen habe ich aus Süd- Afrika bei Herrn Gutruf gesehen, auch in Brasilien sind sie gefunden worden. Ein Deltoöder aus Brasilien befindet sich im Berliner Museum, dasselbe ist stark gestreift in der Richtung der Oktaöderkanten und muls als eine componirte Form angesehen werden. Triakistetraöder sind nicht bekannt, bei Fig. 36 treten etwas die längeren Kanten eines solchen hervor. Tetraäder fehlen, jedoch kann man leicht bei der deutlichen Spaltbarkeit nach den Oktaöderflächen tetraödrische Spaltungsstücke er- } önken gegen die Aukakkane des Diamanten als hemiödrisch erwecken. h Diese Bedenken werden dadurch erhöht, dafs man nie einen Unterschied in der Beschaffenheit der Flächen der abwechselnden Oktanten wahrneh- men kann und dafs in den meisten Fällen in sämmtlichen Oktanten die- ‘selben Flächen auftreten. Eine Verschiedenheit in der Ausbildung der abwechselnden Oktanten würde Fig. 36 zeigen, wenn man dieselbe als Durchwachsungszwilling auffafst, die erste Stellung wäre hier durch das Auftreten von Triakistetraöderflächen bezeichnet. Andere Beispiele fehlen. Dagegen kommen unter den Süd-Afrikanischen Diamanten eigen- thümliche hemimorphisch ausgebildete Formen vor und zwar zu- nächst in Bezug auf eine krystallographische Grundaxe. Fig. 10 stellt einen derartigen Krystall dar, welcher an dem oberen Ende vollkommen holo&- drisch Oktaöder und Hexakisoktaöder zeigt, an dem unteren nur die Hexa- kisoktaöderflächen aus den abwechselnden Oktanten, also Hexakistetraöder. Dieses Zusammenvorkommen von holo@drischer und hemiödrischer Ausbil- dung an demselben Krystall spricht sehr dafür, dafs die seltenen hemie- drischen Krystalle überhaupt nur als Ausbildungsformen zu betrachten sind. Noch bei anderen Mineralien, deren holo@driche Natur nicht anzu- zweifeln ist, kann man hemiödrische Ausbildungsformen beobachten, z. B. beim Spinell von Ceylon. Beim Schwefel kommt nach G. vom Rath!) zuweilen das Oktaöder (a:b:4c) hemiödrisch vor, ohne dafs man da- durch gezwungen wäre, den Schwefel für hemiödrisch zu halten. Anderweitige hemimorphisch ausgebildete Krystalle habe ich unter den Süd-Afrikanischen beobachtet, der Pseudohemimorphismus findet hier an einer prismatischen Axe statt (Fig. 7). An dem einen Ende der Axe ist der Krystall vollkommen regelmälsig ausgebildet, an dem an- deren dagegen ist nur eine drusige, vielfach gekrümmte Dodekaöderfläche vorhanden, der Krystall erscheint gewissermafsen durch eine Dodekaöder- fläche halbirt. Schliefslich kann auch eine rhombo&drische Axe die Axe eines Pseudo- hemimorphismus sein, was jedoch bei einfachen Krystallen bisher noch nicht beobachtet ist, dagegen bei einem Zwilling aus der Seligmann’schen 1) Poggend, Ann. Erg. Bd. VI. S. 337. ee > A en DRAN KIRER, Ba ER: 104 G. Rose und A. SADEBECK: Sammlung der Fall ist. Denkt man sich bei Fig. 17 die dicke einge- schaltete Lamelle fort, so hat das Individuum I an dem vorderen Ende der Zwillingsaxe Oktaöder und Hexakisoktaöder, an dem hinteren dagegen nur Tetrakishexaöder. In ähnlicher Weise, wie bei der pseudohemimorphen Ausbildungs- form machen sich auch bei den vorkommenden Pseudosymmetrieen die dreierlei krystallographischen Axen geltend. Unter diesen ist die rhombo&ödrische die häufigste und zwar meist in der Art, dafs die Kıystalle in der Richtung einer rhombo&drischen Axe verkürzt sind. Dies ist besonders bei dodekaödrischen Krystallen aus Brasilien der Fall, das Dodekaöder erscheint dabei als ein niedriges hexagonales Prisma 2. Ord- nung mit Rhomboöder, die Hexakisoktaöder bilden 12 seitige Prismen mit flacher skalenoödrischer Endigung und 2 dazwischen liegenden steileren Skalenoödern, wie es Fig. 11 bei einem in der Richtung einer rhomboe- drischen Axe verlängerten Hexakisoktaöder aus Brasilien zeigt. Fig. 43 stellt denselben Krystall mit eigentbümlicher Verkümmerung an dem einen Ende der verlängerten Axe dar, wodurch der Krystall ein keulenartiges Aussehen (27) erhält. Verkürzungen sind noch besonders bei Zwillingen nach dem Spinell- gesetz in der Richtung der Zwillingsaxe häufig. Durch Hervortreten einer prismatischen Zwischenaxe entsteht rhombische Pseudosymmetrie, John Mawe!) zeichnet einen derartig ver- längerten dodekaödrisch-sphaeroidischen Krystall. Selten macht sich eine Grundaxe besonders geltend, so dafs pseudo- quadratische Formen sehr zurücktreten. ©. Zwillinge. G. Rose nahm zwei Gesetze beim Diamanten an, Zwillingsaxe eine rhomboädrische Axe und Zwillings-Axe eine prismatische Axe. I. Zwillingsaxe eine rhomboäödrische Axe. Es ist dies das im regulären System verbreitetste Gesetz, welches beim Diamanten in sehr mannigfaltigen Verwachsungen vorkommt. 1) Citat (31), Taf. II. Fig. 10. a) Aneinanderwachsungszwillinge mit der Zwillingsebene. 1. Der gewöhnliche Oktaöderzwilling (Fig. 13), wie er beim Spinell, Magneteisenerz so häufig vorkommt, ist beim Diamant seltener, da die Zuspitzungen der Oktaöderecken durch Tetrakishexaöder oder Hexakis- oktaöder fast nie fehlen. Nur wenn diese Formen sehr zurücktreten, er- halten die Krystalle ein spinellartiges Aussehen, was sowohl bei Süd-Afri- kanischen, wie Brasilianischen der Fall sein kann. Durch starke Ver- kürzung in der Richtung der Zwillingsaxe erscheinen besonders in Bahia die Zwillinge als dünne dreiseitige Tafeln. Bei allen diesen Zwillingen verhalten sich die beiden, auf der Zwillingsaxe senkrechten Oktaöderflächen vollkommen gleich, während sie zum Beispiel bei der unzweifelhaft hemiödrischen Blende verschieden sind, indem die eine dem 1., die andere dem 2. Tetraöder angehört. -2. Die Hexakisoktaäderzwillinge (Fig. 15) haben grolse Aehnlichkeit mit den Dodekaöderzwillingen (Fig. 23), da es meist Tetra- kisdodekaöder sind, deren vierkantige Ecken nur wenig über den Dode- kaöderflächen erhaben sind. Fig. 15 stellt einen idealen Hexakisoktaöder- zwilling dar, dessen beide Individuen die Hälften eines Individuums sind. Vergleicht man diesen Zwilling mit dem gleichgezeichneten Dodekaöder- zwilling (Fig. 23), so findet man sämmtliche Kanten des letzteren bei dem ersteren wieder und beide Zwillinge zeigen eine deutliche rhombo&drische Pseudosymmetrie. Der Dodekaöderzwilling bildet, da je zwei an der Zwil- lingsgrenze zusammenstofsende Dodekaöderflächen in eine Ebene fallen müssen, ein hexagonales Prisma, welches in Bezug auf die die Endigung bildenden Rhomboäderflächen zweiter Ordnung ist. Diese sind an beiden Enden auf denselben Prismenkanten gerade aufgesetzt, wie es bei den Zwillingen des hexagonalen Systems nach dem Gesetz „Zwillingsaxe die Hauptaxe“ der Fall ist. Bei dem Hexakisokta@derzwilling erscheinen an Stelle jeder Prismenfläche zunächst zwei Flächen aus der Zone der Zwil- lingsaxe, durch deren Mitten die Zwillingsebene hindurchgeht. Sie bilden ein symmetrisch zwölfseitiges Prisma, von welchem jedodh nur die einen abwechselnden Kanten als Kanten erscheinen, die anderen abwechselnden in Ecken liegen würden, welche die Prismenflächen mit steilen Skaleno&der- flächen bilden. Die Rhomboäderflächen der Dodekaöderzwillinge zerfallen in zwei Skalenoöder, von denen das flachere an den Enden der Zwillingsaxe liegt. Phys. Kl. 1876 (2 Abth.). 14 x Qt ie 106 G. Rose und A. SADEBECK: Die bei dem idealen Zwilling an der Zwillingsebene in eine Ebene fallenden Flächen können wegen der Wölbung der Flächen bei den Kry- stallen nicht genau zusammenfallen, ebensowenig wie die der Zwillings- axe parallelen Kanten gerade Linien darstellen. Die Zwillingsebene tritt nun dadurch hervor, dafs sich von ihr aus die Flächen und Kanten nach entgegengesetzten Seiten krümmen. Durch Verkürzung in der Richtung der Zwillingsaxe werden zunächst die Pseudoprismenflächen und die an dieselben grenzenden steilen Pseudoskalenoäderflächen immer kleiner und kleiner, so dafs sich letztere in Kanten treffen und die Zwillingsebene als symmetrisches Zwölfeck mit geraden Abstumpfungen der stumpferen Ecken erscheint. Verschwinden dann die kleineren Pseudoprismenflächen ganz, so dals die Zwillingsebene durch die Endpunkte von drei rhomboö- drischen Axen geht, so bleibt ein symmetrisch sechsseitiges Prisma übrig, von welchem jedoch nur drei abwechselnde Kanten vorhanden sind, an Stelle der drei anderen abwechselnden Kanten liegen Pseudoskalenoäder- flächen und die Zwillingsebene ist wieder ein Zwölfeck, aber mit dreierlei verschiedenen Ecken. Reicht die Zwillingsebene noch weiter nach dem Endpunkt der Zwillingsaxe hin, so schneidet sie auch die oberen Skaleno@der- flächen und bildet ein Achtzehneck. Schliefslich schneidet sie nur die Flächen des stumpfen Pseudoskalenoöders am Ende der Zwillingsaxe, bildet dann ein symmetrisches Sechseck, welches die Basis einer doppelt sechsseitigen Pyramide mit abwechselnd stumpferen und spitzeren Endkanten (vgl. Fig. 16) ist. Ganz ähnlich sehen stark verkürzte Tetrakishexaöder aus. Sind die stumpferen Kanten sehr stumpf, so erscheinen die Zwillinge wie doppelt dreiseitige Pyramiden, welche aus Triakisoktaädern entstehen können. Bei dem Hexakisoktaöder (a:4a:4a) und dem Tetrakishexaöder (a:4a:o0a) ist die doppeltsechsseitige Pyramide ein Pseudohexagondo- dekaöder, was ich jedoch beim Diamanten nie beobachtet habe. 3. Zwillinge der Combination von Oktaäder und Hexa- kisoktaäder (Fig. 14) sind bei weitem am häufigsten, besonders in Süd- Afrika. Die Hexakisoktaöderflächen tragen hauptsächlich dazu bei, die ein- springenden Winkel des gewöhnlichen Spinellzwillings zu verdecken, indem sie an diesen Stellen vornehmlich ausgedehnt sind. Dagegen treten die Öktaöderflächen, welche die ausspringenden Winkel bilden, gewöhnlich - 24% Pr} Ueber die Krystallisation des Diamanten. 107 stark hervor und je mehr sie sich ausdehnen, desto mehr erhalten die ‚Zwillinge eine allgemein dreiseitige Gestalt, welche durch Verkürzung in der Richtung der Zwillingsaxe noch mehr hervortritt. Bei allen diesen Aneinanderwachsungszwillingen mit der Zwillings- ebene ist die Zwillingsgrenze deutlich zu erkennen und erscheint gewis- sermafsen wie eine Naht, welshalb sie auch von den Amsterdamer Dia- mantarbeitern „Nahtsteine“ genannt werden. Nach der Zwillingsebene lassen sich die beiden Individuen leicht trennen, so dafs bei der Verar- beitung jeder Zwilling zwei Steine liefert, welche sich bei starker Ver- kürzung nur zu Rosetten eignen. 4. Wiederholte Zwillingsbildung findet zunächst in der Weise statt, dafs sämmtliche Individuen parallele Zwillingsebenen haben, also immer die abwechselnden I. und III., I. und IV. ete. eine gleiche Lage. Eine derartige Verwachsung von drei Individuen zeigt Fig. 17, welche einen Krystall aus der Seligmann’schen Sammlung darstellt. Alle drei Individuen sind verschieden ausgebildet, Individuum I, in der Figur das vorderste, stellt Oktaöder mit Hexakisoktaöder dar und entspricht dem vorderen Individuum bei Fig. 13; Individuum III, welches auf der Hinter- seite liegt, zeigt nur die einem Tetrakishexaöder angehörige symmetrisch sechsseitige Pyramide; das Il., mittlere Individuum ist nach der Zwillings- ebene tafelförmig, seine der Zwillingsebene entsprechenden Oktaöderflächen ragen über die Flächen der beiden anderen Individuen hinaus und zwar vorn an den Stellen, wo bei dem idealen Zwilling die ausspringenden Zwil- lingswinkel der Oktaöderflächen liegen, an der Stelle der einspringenden Winkel der einfachen Oktaöderzwillinge fallen die Hexakisoktaöderflächen am Individium I und II vorn zusammen, während hinten die Oktaöderfläche am Individuum II nur zum Theil von der sechsseitigen Pyramide III be- deckt wird, also an den abwechselnden Stellen mit der vorderen Oktaö- derfläche hervorragt. Fafst man Individuum I und III als ein Individuum auf, so ist dafselbe in der Richtung der Zwillingsaxe hemimorph (vergl. oben S. 104) und Individuum III stellt eine etwas dicke eingeschaltete Lamelle dar. Derartige Lamellen hat schon @. Rose bei dodeka@drisch sphae- roidischen Krystallen beobachtet, wie sich dergleichen aus Brasilien und Süd-Afrika auch im Kieler Museum befinden (Fig. 24). 14* A a a a nr a wr 4 r 7 m ar Au % aa BE ind he) 4 Re re N Um Er N 108 G. Rose und A. SADEBECK: Stellt man ein Dodekaöder mit einer rhombo&drischen Axe vertical und ist diese Axe zugleich Zwillingsaxe, so fallen die verticalen Flächen einer Lamelle mit den verticalen des Hauptindividuums natürlich in eine Ebene und man kann die Lamelle nur an der abweichenden Streifung und Wölbung erkennen. Die Zwillingsgrenzen stehen senkrecht auf den Dodekaöderkanten, schneiden also zwei gegenüberliegende Seiten im Ver- hältnifs von 4:2 ihrer Länge. Die Streifung, welche die Lamellen be- sonders hervortreten läfst, geht parallel den langen Diagonalen der Dode- kaöderflächen und bildet an der Zwillingsgrenze Winkel von 70° 32'. Die Lamellen sind mitunter äulserst dünn und erscheinen nur als feine Streifen, welche sich zum Theil über den ganzen Krystall verfolgen lassen, zum Theil aber auch plötzlich abbrechen, immer aber von der Flächenstreifung, abgesehen von der Lage, durch die vollkommene Gerad- Iinigkeit unterschieden sind. Diese Streifen sind ganz analog denen der triklinen Feldspäthe, des Kalkspaths, des Leucits, der Blende ete. Die diekeren Lamellen lassen die Zwillingsgrenzen nicht immer geradlinig hervortreten, indem an denselben noch Flächen auftreten, welche den am Ende der Zwillinssaxe liegenden angehören. Diese Flächen erscheinen als kleine dreieckige Erhöhungen, durch welche die Zwillingsgrenze einen etwas sägenartig begrenzten Verlauf erhält. Gehen die Lamellen nicht durch die der Zwillingsaxe parallelen Dodekaöderflächen, sondern durch die am Ende derselben liegenden, so erscheinen sie als Streifen parallel den längeren Diagonalen der Flächen, also der Flächenstreifung parallel. Derartige Lamellen sind jedoch im All- gemeinen selten. D. Brewster (17) fand bei Untersuchung einer planconvexen Platte die ganze ebene Oktaöderfläche bedeckt mit 100 kleinen parallelen Bändern, welche das Licht mehr oder weniger stark reflectirten Bei Aen- derung der Beleuchtung wurden die dunklen Bänder lichter, die lichten dunkler. Diese Erscheinung findet ihre einfache Erklärung darin, dafs in der Platte zahlreiche parallele Zwillingslamellen eingeschaltet sind, wobei ja die benachbarten Lamellen immer eine verschiedene Lage haben. Treten die Zwillingsstreifen auf einer und derselben Dodekaöder- fläche nach verschiedenen Richtungen auf, so ist das. eine Folge der Ueber die Krystallisation des Diamanten. 109 wiederholten Zwillingsbildung mit geneigten Zwillingsebenen. Da eine Oktaöderfläche Zwillingsebene ist, so können nach 4 verschiede- nen Richtungen Zwillingslamellen eingeschaltet sein, welche Streifen her- vorrufen, von denen zweierlei auf den beiderlei Kanten einer Fläche senk- recht stehen und zwei der Richtung nach den längeren Diagonalen der Flächen parallel gehen, so dafs dreierlei Streifensysteme vorhanden sein können. Die Streifen verschiedener Systeme setzen zuweilen quer durch- einander, zuweilen ist der eine Streifen durch einen anderen in zwei gegeneinander verschobene Theile getrennt. Theoretisch müssen bei sich kreuzenden Lamellen im Innern des Krystalls hohle Canäle entstehen, in ähnlicher Weise, wie solche G. Rose!) beim Kalkspath beschrieben hat. Je zwei Lamellen, welche auf einer Dodekaöderfläche Streifen hervor- rufen, die auf den beiderlei Kanten senkrecht stehen, mülsten sich in Ca- nälen ‘treffen, welche die Gestalt von rhombischen Prismen mit dem Ok- taöderwinkel von 109° 28° haben. Derartige Canäle habe ich jedoch direct nie beobachten können. Den nach verschiedenen Richtungen eingeschalteten Lamellen liegt die symmetrische Wiederholung der Zwillingsbildung zu Grunde, wobei ein Individuum der Stock ist und die Zwillingsaxen gegeneinander geneigt sind. Die andere Art der Wiederholung ist die kreisförmige, bei welcher die Zwillingsaxen sämmtlich in eine Ebene fallen und die Indivi- duen III wohl gegen II, aber nicht gegen I in Zwillingsstellung stehen. Eine derartige Wiederholung von 5 Individuen, welche G. Rose beim Golde?) (Fig. 18) nachgewiesen hat, wurde von Sartorius von Walters- hausen (41) bei einem Brasilianischen Krystall (Fig. 21) gefunden, wel- cher sich im Besitze des Herrn Koster in Amsterdam befindet. Die Zeichnung habe ich nach einem, mir gütigst von Herrn Sar- torius von Waltershausen übersendeten Modell angefertigt. Dieser, Fünfling unterscheidet sich nur dadurch von dem des Goldes, dafs die Hexaöderflächen fehlen und dafs die Oktaöderflächen, welche an den 1) G. Rose, Abh. der Kgl. Akad. d. Wissensch. in Berlin 1868, S. 57. 2) G. Rose, Poggend. Ann. Bd. 23, S. 166. BRNO PLA Ira PET Sat Dre che ud a 5 WER Du a RE DET in Nu DR EIERN We kan si "5 ET 110 G. Rose und A. SADEBECK: Zwillingsgrenzen einspringende Winkel bilden, sehr verkümmert sind, so dafs die unter den ausspringenden Winkeln zusammenstofsenden herrschen und jedes Individuum eine tetraödrische Ausbildung in der Art zeigt, dafs sämmtliche sichtbare Tetraöderkanten in einer Ebene liegen. Zwischen Individuum IV und V bleibt dann ein Spalt übrig, gebildet von 2 unter 7° 22' 43" sich schneidendem ÖOktaöderflächen. Dieser Spalt ist jedoch kaum zu sehen, da er theilweise von Diamantsubstanz ausgefüllt ist. Die Zwillingsgruppe erscheint demnach als eine doppelt fünfseitige Pyramide mit kleinen einspringenden Winkeln an den Seitenecken. Die Seitenkantenwinkel sind die Tetraäderwinkel (70° 32'), die Endkanten- winkel die doppelten Tetraöderwinkel (141° 30'), mit Ausnahme des zwischen IV und V, welcher 137° 30' beträgt. Diese Winkel konnte Sartorius von Waltershausen bei den spiegelnden Flächen genau messen. Je zwei gegeneinander in Zwillingsstellung befindliche Tetra&der sind mit einer Fläche derartig verbunden, dafs sie für sich eine doppelt dreiseitige Pyramide bilden. Nimmt man zwei Tetraöder gleicher Art und Stellung, so kann durch Zwillingsbildung nie eine derartige Doppelpyramide entstehen, da es keine Axe giebt, in welcher das eine Individuum gegen das andere um 180° gedreht werden kann, so dafs eine derartige Stellung hervorgeht. Dieselbe liefse sich nur auf die Art erklären, dafs das eine Tetraöder ein l., das andere ein 2. wäre. Eine derartige Verwachsung zweier ver- schiedener Tetraöder ist jedoch bisher nicht beobachtet und würde auch eine verschiedene Beschaffenheit der abwechselnden Flächen der fünfseiti- gen Pyramide voraussetzen. Demnach liefert die tetra@drische Ausbildung der Individuen die- ses Fünflings keinen Beweis für die Hemiödrie des Diamanten, spricht im Gegentheil mehr gegen dieselbe und zeigt recht deutlich, wie die tetraö- drische Ausbildung ohne Hemiödrie möglich ıst. In diesem Fall erklärt sie sich aus dem Bestreben der Individuen, die einspringenden Winkel zu verdecken, eine Erscheinung, welche bei den Zwillingen überaus häufig ist, z. B. beim Fahlerz !), Flufsspath ete. 1) A. Sadebeck, Zeitschr. d. Deutsch. geolog. Ges. XXIV. Bd. S. 427. b) Durchwachsungszwillinge. 1. Hexaäderzwillinge (Fig. 26) kommen bei Brasilianischen Diamanten vor und haben grofse Aehnlichkeit mit den bekannten Eng- lischen Flufsspathzwillingen, indem aus einem herrschenden Individuum Zwillingsecken herausragen. Das Hexaöder ist häufig combinirt mit Tetra- kishexaöder, welches mehr oder minder breite Zuschärfungen der Kanten bildet. An den Endpunkten der Zwillingsaxen spiegelt deutlich je eine Tetrakishexaöderfläche des einen Individuums mit je einer des anderen zusammen, diese Flächen fallen also in eine Ebene und müssen dem Tetrakishexaöder (@a:4a@:00a) angehören. Denn nur bei dieser Form bilden die Flächen an den Enden der rhomboe@drischen Axen gleichkan- tige sechsflächige Pyramiden, bei allen anderen Tetrakishexaödern Pyra- miden mit abwechselnd schärferen und stumpferen Kanten, so dafs in Zwil- lingsstellung die schärferen Kanten des einen Individuums da zu liegen kommen, wo bei dem anderen die stumpferen liegen. Die Art und Weise der Ausbildung dieser Zwillinge ist wie beim Flufsspath eine sehr verschiedene, mehr oder minder regelmäfsige. Durch grolse Regelmälsigkeit ist ein Brasilianischer Krystall aus der Seligmann- schen Sammlung (Fig. 17 und 18) ausgezeichnet. Dieser Krystall hatte schon G. Rose vorgelegen und war von ihm folgendermafsen gedeutet worden. Ein hexaödrischer Durchkreuzungszwilling, wie ihn Fig. 26 mit verticaler Zwillingsaxe darstellt, ist in der Weise ausgebildet, dafs jede freie Ecke als besonderes Individuum hervortritt, so dals das obere und untere gegeneinander Zwillingsstellung haben und ebenso je zwei in der horizontalen Zwillingsebene einander gegenüberliegende Individuen. Fig. 27 stellt den natürlichen Krystall in der Fig. 26 entsprechenden Stellung dar und Fig. 28 ist eine Horizontalprojection auf die Zwillingsebene. Die Einzelindividuen sind Combinationen von Oktaöder, Hexaöder und Hexa- kisoktaöder, letzteres im Allgemeinen vorherrschend und wegen der Aehn- lichkeit mit sphaeroidisch dodekaödrischen Formen mit $ bezeichnet. Die Oktaöderflächen sind glatt und glänzend, die Hexaöderflächen rauh durch unregelmäfsige Vertiefungen und Erhabenheiten. Ausgehend von dem oberen Individuum ist die Ausbildung folgende: Die Hexaöderflächen sind bei diesem stark entwickelt, die Ecken re“ s r A N N Le} u fe: a) FEN or Per BAR 12 G. Rose und A. SADEBECK: durch Hexakisoktaöder zugespitzt, am Ende der Zwillingsaxe liest eine Öktaöderfläche. An die Hexaöderflächen grenzen unter einspringenden Winkeln Oktaöderflächen der drei sich gegen das obere Individuum in Zwil- lingsstellung befindlichen Krystalle und zwar auf der Zwillingsaxe senk- rechte Oktaöderflächen. Die Hexakisoktaöderflächen bilden treppenförmige Absätze, indem die Flächen, welche an die beiderlei Ecken einer Kante gehören, alterniren und so einspringende Winkel bilden, wodurch die Kanten eingeschnürt erscheinen und die drei Individuen an der horizontalen Zwillingsgrenze, welche mit dem oberen eine gleiche Stellung haben, als besondere Individuen hervortreten. Sie bilden mit den drei in Zwillings- stellung befindlichen einen Kranz. Die untere Hälfte ist der oberen voll- kommen gleich und erscheint nur gegen dieselbe um 60° gedreht, so dafs die an der Zwillingsebene sich treffenden Individuen gegeneinander in Zwillingsstellung stehen und ebenso das untere gegen das obere. In den Figuren haben die weils gelassenen Individuen untereinander eine gleiche Stellung und ebenso die schwarz angelegten. Die horizontale Zwillingsgrenze der sechs oberen und sechs unteren Individuen ist deutlich erkennbar, obgleich die Hexakisoktaäderflächen der beiderlei Individuen fast genau in eine Ebene fallen. Diese eigenthümliche Krystallgruppe repräsentirt eine Verwachsung von 14 Individuen. Da jedes Individuum bei vollständiger Ausbildung 485 -8-+6=62 Flächen hat, so sind von der Natur 14 x 62 = 868 Flächen angelest! Die meisten Hexaöderzwillinge zeigen eine geringere Regelmälsig- keit, indem nur kleinere Ecken aus einem herrschenden Individuum heraus- ragen. Die Grenzen der Individuen sind dann nicht scharf, da an den- selben vornehmlich eine Anlagerung von Diamantsubstanz stattgefunden hat, ganz in ähnlicher Weise, wie es auch beim Flufsspath der Fall ist. Es kehrt also hier die Erschemung wieder, dafs die Natur gewissermalsen bestrebt ist, die einspringenden Winkel zu verdecken. 6. Oktaödrische Durchwachsungszwillinge sind in voll- kommen regelmäfsiger Ausbildung, wie sie Fig. 19 darstellt und wie sie beim Bleiglanz vorkommt, beim Diamanten nicht bekannt. Hier findet immer eine Verkürzung in der Zwillingsaxe statt und besonders in Süd- Afrıka kommt eine eigenthümliche, Fig. 22 dargestellte Verwachsung vor, Fahr. Man erhält dieselbe, wenn man 2 einfache, spinellartig ausgebildete AN Zwillinge parallel nebeneinander legt und den einen gegen den anderen e in der Zwillingsebene oder senkrecht gegen dieselbe um 180° dreht, es 7 steht dann das obere und untere Individuum des einen Zwillings gegen das obere und untere des anderen in Zwillingsstellung, das obere des x einen hat dieselbe Lage, wie das untere des anderen und umgekehrt. ” Zwei derartig gestellte Zwillinge sind nun senkrecht gegen die Zwillings- . ebene, also mit einer Fläche des Ikositetraöders (a:a:};a) verbunden, so dafs en die der Zwillingsebene parallelen Okta@derflächen einen Rhombus bilden. Lt Die seitlichen Oktaöderflächen, welche an dem stumpfen Winkel des Rhombus liegen, stolsen in einer stumpfen Zwillingsecke zusammen, | die von den spitzen Winkeln ausgehenden dreieckigen Flächen in einsprin- “ genden Winkeln an der Zwillingsgrenze. Während also bei Fig. 19 die 2 der Zwillingsebene parallelen Okta@derflächen sich symmetrisch durch- dringen, liegen sie hier nur nebeneinander, indem die Durchwachsung nur an einer Oktaöderkante stattfindet, nicht an allen dreien, wie es der Symmetrie des regulären Systems entsprechen würde. Die durch diese Art der Durchwachsung entstehende Pseudo- symmetrie ist eine rhombische, welche besonders hervortritt, wenn die an den spitzen Rhombenwinkeln liegenden einspringenden Winkel verdeckt sind. Unter der Voraussetzung, dafs nur Oktaöderflächen vorhanden sind, stellt der Zwilling ein Rhombenoktaöder mit gerader Endfläche dar. Reine Oktaöderzwillinge kommen jedoch nicht vor, die hinzutretenden Hexakisok- taöder sind sogar meist herrschend. ww Diese Durchwachsungszwillinge sind nun durch allmälige Ueber- gänge mit den einfachen Aneinanderwachsungszwillingen in der Art ver- bunden, dafs bei letzteren neben der Zwillingsebene noch eine darauf senk- rechte Fläche Zusammensetzungsfläche ist, so dafs Ineinanderwach- sungszwillinge entstehen. 3 Fig. 22 stellt einen gewöhlichen spinellartigen Zwilling aus Süd- 1 Afrika dar, bei welchem das hintere Individuum (I) sich unten über die E Zwillingsebene hinaus so weit nach vorn ausdehnt, bis die der Zwillings- wi E ebene parallele vordere Oktaöderfläche mit der gleichen vorderen Oktaöder- ‘ > fläche des anderen Individuums in eine Ebene fällt und die beiden Ok- Phys. Kl. 1876. (2 Abth.). 15 114 G. Rose und A. SADEBECK: taöderflächen einen Rhombus bilden, ganz wie bei Fig. 22. Aus dieser Figur kann man den vorliegenden Zwilling in der Weise ableiten, dafs das untere hintere Individuum fehlt und so das obere hintere und untere vordere ein zusammenhängendes Individuum bilden. Das vordere Indi- viduum (II) ist also in das herrschende (I) gewissermafsen zwillings- artig eingedrückt. Dehnt sich das untere Individuum eines einfachen spinellartigen Zwillings nicht nur unten, sondern auch oben zu beiden Seiten aus, so dafs seitlich die Zwillingswinkel ganz verschwinden, so wird die vordere Oktaöderfläche des vorderen Individuums an allen 3 Kanten von der Ok- taöderfläche des unteren umgeben und erscheint in derselben als einge- schriebenes Dreieck (Fig. 25, Horizontalprojeetion auf die Zwillingebene), Individuum II also gewissermafsen in Individuum I eingekeilt. Bei Fig. 25, welche einen Brasilianischen Krystall (39) darstellt, liegt die der Zwil- lingsebene parallele Oktaöderfläche von Individuum II etwas höher, als die von I, so dafs letztere mit den seitlichen Oktaöderflächen des I. ein- springende Winkel bildet. Wären die beiden Oktaöderflächen genau in einem Niveau und kämen an der Zwillingsgrenze keine anderen Flächen zur Erscheinung, so wäre äufserlich die Zwillingsbildung nur an der ver- schiedenen Lage der Zeichnungen und regelmälsigen Eindrücke auf den beiderlei Oktaöderflächen zu erkennen und im Innern würde sie durch die verschiedene Spaltung sichtbar werden. Die der Zwillingsebene parallele Oktaöderfläche des II. Individuums kann auch über die des ]J. hinausgreifen, ähnlich wie es bei dem Durch- wachsungszwilling (Fig. 19) der Fall ist. Alle die verschiedenen Arten der Ineinanderwachsung, welche vor- kommen, wiederzugeben, ist ohne weiteres Interesse, da die Erscheinungen immer auf dasselbe hinauskommen. Fafst man die Hauptpunkte obiger Darstellung zusammen, so ergiebt sich, dafs die okta@drischen Krystalle hauptsächlich Aneinanderwachsungs- zwillinge mit der Zwillingsebene bilden, dafs ihnen aber meist die durch Wiederholung entstehenden Lamellen fehlen. Diese sind dagegen beson- ders ausgebildet bei den sphaeroidisch dodekaödrischen Krystallen. Ferner kommen bei den oktaödrischen Krystallen zwar Ineinanderwachsungen und zum Theil auch Durchwachsungszwillinge vor; aber vollkommen Sy elkiige kenn sind bei ihnen noch nicht beobachtet. Diese sind nun wieder gerade charakteristisch für die hexaödrischen Kıy- stalle. Die äufsere Form ist also hier, wie auch bei anderen Mineralien, für die verschiedene Art der Zwillingsverwachsung bestimmend. II. G. Rose’sches Gesetz. Das Il. Gesetz ist nur bei hemiödrischen Krystallen möglich, da bei holoödrischen nach vollzogener Drehung um 180° in einer prismatischen Axe beide Individuen ihre parallele Lage wiedererhalten. Nimmt man dagegen ein Tetraöder, schneidet es parallel eine Dodekaöderfläche in der Mitte durch und dreht die eine Hälfte gegen die andere um 180°, so er- hält man Fig. 29, bei welcher je zwei Tetraöderkanten der beiden Hälf- ten sich in einer Hexaöderfläche unter 90° schneiden. Derartige An- einanderwachsungszwillinge mit der Zwillingsebene kommen jedoch bei keinem Mineral vor und auch beim Diamanten hat G. Rose nur Durch- wachsungszwillinge beobachtet, wie sie Fig. 30 und 31 darstellen. Bei den Durchwachsungstetraödern sind theoretisch zwei Fälle denkbar, die Individuen sind gleicher oder verschiedener Art. Nach G. Rose ist beim Diamanten immer nur das erstere der Fall und nur in diesem Falle kann man überhaupt von Zwillingsbildung sprechen, da zwei Individuen ver- schiedener Art schon in ihrer richtigen krystallographischen Stellung so stehen, dafs sich ihre Kanten unter 90° schneiden und nach vollzogener Drehung die parallele Stellung erhalten. Von Zwillingsbildung könnte dann also nur bei paralleler Stellung die Rede sein, in ähnlicher Weise wie beim Quarz, wo auch nach dem Gesetz „Zwillingsaxe die Hauptaxe* die Hauptrhomboäderflächen des einen Individuums mit den Gegenrhom- bo&derflächen des anderen zusammenfallen und umgekehrt. Die Verwach- sungen rechter und linker Quarze sind auch nicht als Zwillinge zu be- trachten (40). Denkt man sich nun bei Fig. 30 die sämmtlichen Ecken durch Flächen der Gegentetraöder abgestumpft, so sehen die Krystalle wie Ok- taöder mit eingekerbten Kanten aus und je kleiner die Kerben werden, desto mehr erhalten die Krystalle die Gestalt eines einfachen Oktaöders, welche sie vollkommen haben, wenn die Kerben ganz überwachsen sind. 15* 116 G. Rose und A. SaDEBEcK: Derartige Oktaöder sind dann also nur von Flächen der Gegentetraöder a B gebildet. Falst man alle holo@drischen Diamantkrystalle als derartige ver- steckte Zwillinge auf, so erklärt es sich leicht, dafs man keinen Unterschied zwischen den Flächen erster und zweiter Stellung wahrnehmen kann. Ein soleher Unterschied könnte nur zwischen den Flächen an den einspringenden Kanten und den äufseren Flächen wahrnehmbar sein, ist jedoch hier weder von G. Rose noch mir jemals beobachtet worden. Dieser Umstand ist wohl geeignet, Bedenken gegen die hemiödrische Natur des Diamanten zu erwecken. Die Diamantkrystalle haben nie Kerben, welche von glatten Okta&- derflächen gebildet werden, sondern es treten an den Kerben immer Hexakisoktaöder auf (Fig. 34), welche nie scharfe Kanten bilden, sondern gewissermalsen ineinander verschwimmen. Demnach würde das Haupt- tetraöder beim Diamanten ganz fehlen und alle Oktaöderflächen mülsten dem Gegentetraöder angehören. Dagegen würden die Hexakisoktaöderflächen in solche 1. und 2. Stellung zerfallen und nach Krystallen, wie sie Fig. 36 und 36a aus Brasilien darstellen, bei denen die Ikositetraäder vorherr- schend hemiödrisch als Triakistetraöder erscheinen, könnte man sagen, dafs die Ikositetraöderflächen die 1. Stellung bezeichnen. Aber auch dies Verhalten der Ikositetraöderflächen kann man auf eine gewisse Neigung zu hemiödrischen Formen zurückführen , besonders da bei den Süd-Afri- kanischen Diamanten etwas ähnliches fehlt. Hier findet man entweder rein holoödrische Formen oder solche, welche in der Richtung der Okta&- derkanten ganz unregelmälsige abgerundete Rinnen zeigen, deren Erklä- rung durch Zwillingsbildung eine sehr gezwungene wäre. Schliefslich kommen in Brasilien noch Hexaöder in Combination mit Hexakisoktaöder vor, bei denen die Hexakisoktaöderflächen ungefähr in der Mitte der Hexaöderkanten Einschnürungen bilden (Fig. 37), so dafs man auch hier Durchwachsungshexakistetraöder annehmen könnte. Jedoch auch diese Krystalle sind bei der vielfachen Krümmung der Flächen nicht entscheidend. Schwierig ist es jedenfalls die sphaeroidisch - dodeka@drischen Kry- stalle, welche keinen Unterschied in den verschiedenen Oktanten und keine Andeutung von Kerben erkennen lassen als Durchwachsungszwillinge zu betrachten. \ wu Diamanten. y 117 I ee zu geben und diese erhält man, wenn man die Krystal- _ lotektonik des Diamanten untersucht. Für das Gesetz „Zwillingsaxe eine prismatische Axe“ fällt mit dem Diamanten das Hauptbeispiel bei tetraödrischen Krystallen weg. Da es auch bei Fahlerz und Wismuthblende äufserst zweifelhaft ist, indem bei dem ersteren keine derartigen Zwillinge gemessen sind, bei der letzteren die hemiödrische Natur nicht feststeht, so blieben nur die von P. Groth!) beschriebenen Durchwachsungstetraöder des chlorsauren Natriums übrig. Das chlorsaure Natrium ist tetarto@drisch, so dals jedes der beiden Tetra&der 1. und 2. Stellung wieder in ein rechtes und linkes zerfällt. Die rechten drehen die Polarisationsebene rechts, die linken links. Nach P. Groth kommen nun immer rechte und linke Tetraöder oder Deltoöder nach Art von Fig. 30 verwachsen vor. Derartige Verwachsungen kann man jedoch nur dann mit Bestimmtheit Zwillinge nennen, wenn er- wiesen ist, dals die beiden Tetraäder gleicher Stellung sind, ist z. B. das eine ein |. rechtes, das andere ein 2. linkes, so haben beide Indivi- duen die ihnen gegenseitig krystallographisch zukommende Lage. Während also bei den tetraödrisch hemiödrischen Krystallen das vorliegende Gesetz nicht mit völliger Sicherheit vorhanden ist, zeigt es unter den parallelflächig hemiödrischen der Eisenkies aufserordentlich deutlich. II. Doppelzwillinge. Einzelne Zwillinge nach dem Spinellgesetz lassen schwache Ein- kerbungen an den Oktaöderkanten erkennen, so dals man nach G. Rose dieselben als Doppelzwillinge betrachten muls. Da nun bei allen oktaö- drischen Zwillingen die Flächen der beiden Individuen an den Endpunk- ten der Zwillingsaxe sich gleich verhalten und ebenso die an der Zwil- lingsgrenze zusammenstoflsenden und diese Gleichheit der Flächen nach G. Rose eine Folge der Zwillingsbildung nach dem II. Gesetz ist, so mülsten alle Zwillinge nach dem I. Gesetz Doppelzwillinge sein. Diese 1) Poggend. Ann. Bd. 158, S. 116 118 G. Rose und A. Sapeseex: Auffassung bereitet einige Schwierigkeiten, z. B. bei den dünntafelförmigen Zwillingen, deren einzelne Individuen für sich schon Durchwachsungszwil- linge sein müssen, ferner bei dem Fünfling Fig. 21, bei welchem jedes Individuum einen oktaödrischen Durchwachsungszwilling mit tetraädrischer Ausbildung darstellen mülste. Eine derartige Auffassung aller Zwillinge nach dem I. Gesetz als Doppelzwillinge setzt einen sehr complicirten Bau des Diamanten voraus und fordert auf, die Krystallotektonik desselben einem genaueren Studium zu unterwerfen. 1. Krystallotektonik. Schon mehrfach habe ich Gelegenheit genommen, darauf hinzu- weisen, dafs die einfache geometrisch-krystallographische und physikalische Betrachtung der Krystalle nicht genügt, um einen vollständigen Einblick in die Krystallisationsgesetze einer Substanz zu erlangen. Die einfache Bezeichnung, Oktaöder, Dodekaöder, Hexaöder läfst die wahre Natur dieser Formen nicht erkennen, da dieselben je nach der Art und Weise ihres Aufbaues sehr verschieden sein können, wie gerade der Diamant es vorzüglich zeigt. Dem Studium des Aufbaues des Diamanten hatte G. Rose eine ganz besondere Aufmerksamkeit gewidmet, wie aus den zahlreichen, darauf bezüglichen Skizzen und Aufzeichnungen hervorgeht. Eine aufser- ordentlich grofse Anzahl von Diamantkrystallen zeigt deutlich den sucees- siven Aufbau der Krystalle, was auch schon den älteren Autoren, Rome de l’Isle, Haüy nicht entgangen ist. Die kleineren, einen Krystall zu- sammensetzenden Individuen habe ich im Gegensatz zu dem Hauptindivi- duum Subindividuen genannt. Derartige Subindividuen treten theils als Hervorragungen und Zeichnungen auf den Flächen deutlich hervor, theils erscheinen sie erst, wenn man den Krystall einer langsamen Auflösung unterwirft. Da die Subindividuen gewissermalsen die Bausteine sind, aus denen ein Krystall sich aufbaut, so handelt es sich zunächst darum, die- f>% ‚ 4 r Fi = z or; tür St 1. Gestalt der Subindividuen. In der „angewandten Krystallographie“ habe ich Subindividuen höherer und niederer Stufe in der Art unterschieden, dafs diejenigen höherer Stufe in der Gestalt mit vorkommenden Hauptindividuen überein- stimmen, diejenigen niederer dagegen eine von den Hauptindividuen abwei- chende Gestalt haben, indem sie zum gröfsten Theil von Endformen !) mit vieinalen Flächen begrenzt sind, was bei den Hauptindividuen im Allgemeinen nur in seltenen Fällen und dann als die Folge eigenthümlicher Bildungs- verhältnisse stattfindet. So haben beim Quarz die Subindividuen höherer Stufe die gewöhnliche Quarzform, Prisma mit beiden Rhombo&dern, die- jenigen niederer Stufe dagegen zeigen vornehmlich vieinale Trapezoäder- flächen, welche theils als Erhabenheiten besonders auf den Rhombo&der- flächen, theils in Aetzeindrücken zur Erscheinung kommen, nur einzelne, sogenannte zerfressene Quarze sind äulserlich von solchen Flächen be- grenzt. Beim Diamanten kann das Auftreten von Hexakisoktaädern mit vicinalen Flächen nicht zur Unterscheidung von Subindividuen höherer und niederer Stufe dienen, da die meisten Hauptindividuen selbst schon derartige Flächen haben, man diese also auch bei den Subindividuen höherer Stufe erwarten mufls. Derartige Subindividuen kann man häufig auf den Öktaöderflächen beobachten (Fig. 40) und zwar in Form von Streifen und treppenartigen Absätzen, zu mehr oder minder grofsen Scha- len geeinigt. Als ihre Zwischenformen treten meist vieinale Triakisoktaöder allein oder in Combination mit dem Dodekaäöder auf. Diese bilden haupt- sächlich die Begrenzungsflächen von regelmäfsig dreieckigen Vertiefungen, welche gegen die Oktaöderfläche die Lage von eingeschriebenen Dreiecken haben (Fig. 49). Die Hexakisoktaöderflächen treten bei diesen Eindrücken " 1 1 1) Als Endformen bezeichne ich solche, deren allgemeines Zeichen («: 3 bY’— °) ist, also im regulären System die Hexakisoktaäder. G. Bo und’ A. SADEBECK: .: zurück, dagegen erhalten dieselben häufiger durch das Hinzutreten von lkositetraädern eine regulär sechsseitige Gestalt auf den Okta&derflächen ja | (Fig. 40). Obgleich die Triakisoktaöderflächen recht glattflächig sind, geben sie doch wegen ihrer Schmalheit keine mefsbaren Reflexe. Die Ikosite- traöderflächen stimmen vollkommen mit den gewölbten überein, welche bei den Krystallen selbst auftreten. Es ist bemerkenswerth, dafs die glatten Triakisoktaöderflächen nur als Begrenzung der Subindividuen erscheinen. Auf den gewölbten Flächen der Tetrakishexaöder und Hexakisok- taöder (Fig. 44) kann man die Subindividuen zwar erkennen, aber es ist nicht möglich, ihre Gestalt genau festzustellen, da sie nur in Form von zitzenartigen Hervorragungen oder Schmissen erscheinen, ganz in ähnlicher Weise wie beim Gyps auf den gewölbten Flächen der Grundform. Da Triakisoktaöder und Ikositetraäder die Zwischenformen der 23° Hexakisoktaöder sind, so sind die prismatischen Axen die Axen der tek- tonischen Hauptzonen. Die Hexakisoktaöder gehören vieinalen Zonen an. Auch auf den Hexaöderflächen machen sich diese Zonen geltend, da die Subindividuen (Fig. 47) Ikositetraödern angehören, welche vier- seitige Eindrücke bilden und deren Kanten mitunter allein als Streifen nach den Diagonalen der Flächen hervortreten. Dals auch diese Formen nur Zwischenformen sind, geht aus Hervorragungen von Hexakisoktaöder- artigen Ecken hervor. Wie durchgreifend die Zonen der prismatischen Axen sind, ergiebt sich auch daraus, dafs die durch Verbrennung des Diamanten bei Zutritt der Luft auf Oktaöderflächen (Fig. 48) und sphaeroidisch-dodekaödrischen Flächen (Fig. 50) entstehenden regelmäfsigen Vertiefungen nach G. Rose 3 (38) Ikositetraöderflächen angehören, von welchen er (a:a:4.«) messen konnte. Die durch diese Flächen hervorgebrachten Dreiecke gehen den Oktaöderkanten parallel, haben also gerade eine entgegengesetzte Lage, wie die natürlichen dreieckigen Vertiefungen. Die Flächen der beiderlei Vertiefungen fallen jedoch in die tekto- nischen Hauptzonen, während diejenigen, welche äulfserlich, als Erhaben- heiten zur Erscheinung kommen, vornehmlich vieinalen Zonen angehören. Es ist also hier das eigenthümliche Verhalten, dafs die Subindividuen niederer Stufe, wenn man dieselben auf die natürlichen und künstlichen Eindrücke beschränkt, von vicinalen Zwischenformen, . die höherer Stufe RR das. reechen euer Endformen. bei den REE - haben die Diamantkrystalle Aehnlichkeit mit gewissen Quarzen, welche in der Schweiz vorkommen, und lediglich von vieinalen Trapezo&@dern } begrenzt, eine konische Form haben. Diese Aehnlichkeit mufs in Betracht _ gezogen werden, wenn man aus der Art und Weise der Tektonik der Br Krystalle Schlüsse auf die Bildungsart ziehen will. ir Eine ganz andere Gestalt nahm Haüy (28) für die kleinsten, die ee nanikrystalle eonstituirenden Theile, das ist als Grundform, an, näm- lich wie bei allen anderen Mineralien die Spaltungsform, also hier das Br: Oktaöder, und leitete daraus für die integrirenden Molecüle das Tetra- der ab. “ Graf Bournon (15) diseutirt darüber, ob das Tetraöder oder Ok- taöder die Gestalt der integrirenden Molecüle wäre und neigt sich schliels- Jieh mehr zu der Ansicht hin, dafs es das Oktaöder ist. | Dafs die Haüy’schen Grundformen im Allgemeinen nicht der Ge- — stalt der Subindividuen entsprechen, habe ich in der „angewandten Kry- ir 2 'stallographie“ weiter ausgeführt. RY- 2. Stellung der Subindividuen gegeneinander. Oktaöderflächen theils auf den gewölbten Flächen der Hexakisoktaöder # erkennt (Fig. 39 und 40). Auch bei der parallelen Stellung kommen 2 Die einfachste gegenseitige Stellung der Subindividuen ist die pa- rallele, welche man an den parallelen Kanten derselben theils auf den Abweichungen vom Parallelismus der Combinationskanten in der Art vor, dals sich auf die Oktaöderfläche, welehe von Hexakisoktaöderflächen aus demselben Oktanten begrenzt ist, ein Subindividuum auflegt, dessen Hexa- kisoktaöderflächen den benachbarten Oktanten angehören, also als Hexa- kistetraöderflächen erscheinen, wie es bei den Zwillingen nach dem G. Rose’schen Gesetz der Fall ist (Fig. 35). Es kann dann weiter eine Intermittenz zwischen diesen verschiedenen Flächen stattfinden, so dals die Streifen bald parallel sind, bald divergiren, wie weiter hin noch aus- geführt werden soll. Phys. Kl. 1876. (2= Abth.). 16 122 G. Rose und A. SADEBECK: Ri Hi, NR i Fig. 35 stellt einen Brasilianischen Krystall aus dem Berliner Mu- seum dar, dessen Kern ein Hexakisoktaöder ist, auf welchem in jedem Öktanten Hexakistetraäderecken aufgesetzt sind, so dafs der Kerystall wie ein Durchwachsungshexakistetraäder aussieht. Bei paralleler Stellung der Subindividuen ist mithin ein Parallelis- mus der Combinationskanten nur vorhanden, wenn die Flächen demselben ÖOktanten angehören, vorausgesetzt, dafs die Subindividuen von Hexakis- oktaöderflächen begrenzt sind. Haben dagegen Subindividuen höherer Stufe eine oktaödrische Form (Fig. 38), so wird durch die Flächen aus verschiedenen Oktanten der Kantenparallelismus. nicht gestört, da die Combinationskanten eines Tetraöders und Gegentetraöders den Oktaöder- kanten parallel sind. Eine zweite Art der gegenseitigen Stellung der Subindividuen ist. die zwillingsartige nach dem Spinell-Gesetz. Sind die Subindi- viduen seitlich von Oktaöder- oder Dodekaöderflächen begrenzt, so dals sie eine dreiseitige Gestalt haben, so erkennt man diese Art der Stellung daran, dafs sich die tafelförmigen Subindividuen wie gleichseitige Dreiecke und deren ein- oder umschriebene verhalten, wie aus der Horizontalpro- jektion eines Dodekaöders auf eine Oktaöderfläche (Fig. 41) ersichtlich ist. Die Ecken der einen Subindividuen ragen dann vielfach über die Seiten der anderen hinaus. Bei seitlicher Begrenzung der Subindividuen von Hexakisoktaöderflächen kommen die spitzen Winkel des symmetrischen Sechsecks auf den Oktaöderflächen bei den einen Subindividuen da zu liegen, wo bei den anderen die stumpfen liegen. Die dritte Art der gegenseitigen Stellung der Subindividuen ist die hypoparallele, welche beim Diamanten mit geringem Hypoparallelismus häufig ist, dagegen sind starke Abweichungen vom Parallelismus, durch welche bei anderen Mineralien bündel-büschel- blumenähnliche Gruppi- rungen entstehen, z. B. beim Desmin, Eisenglanz etc. selten. Deshalb läfst sich auch hier kein Unterschied zwischen totalem und partiellem Hypoparallelismus, wie ich ihn in der „angewandten Ery- stallographie“ festgestellt habe, machen. Auf Hypoparallelismus zurück- führbar sind die divergirenden Streifen auf den Flächen von sphaeroidisch dodekaödrischen Krystallen und die damit verbundenen Flächenwölbungen. Ne E 7 Aue 3. Einigung der Subindividuen. Eine Einigung der Subindividuen in tektonischen Axen, wo- durch z.B. bei den gediegenen Metallen die sogenannten -regelmälsigen Verwachsungen entstehen, ist beim Diamanten nicht vorhanden. Dagegen lassen sich bei den von @. Rose dargestellten Aetzfiguren zuweilen reihen- förmige Anordnungen beobachten, so bei Fig. 50 auf den Dodekaäder- flächen in der Richtung der Oktaöderkanten, also parallel oder nahezu parallel den prismatischen Axen, Fig. 48a zeigt eine ähnliche Einigung, wozu ‚noch die auf den Oktaöderkanten senkrechte Richtung hinzukommt. Besonders ausgebildet ist beim Diamanten die Einigung in tekto- . nischen Flächen, wobei die Oktaöderflächen unzweifelhaft als tekto- nische Hauptflächen erscheinen. Der vollkommenen Einigung der Subindividuen in denselben verdanken die Oktaöderflächen ihre ebene und glänzende Beschaffenheit. Ihnen parallel findet eine deutliche Schalenbildung statt, welche den Bau der meisten Krystalle beherrscht und deren Art und Weise der Auflagerung vornehmlich für die äufsere Erscheinungsweise der Krystalle bestimmend ist. Geht man von einem, durch Einigung der Subindividuen entstan- denen Kern aus, so kann man verschiedene Arten des regelmälsigen Aut- baues unterscheiden. | 1. Der einfachste Fall ist der, dafs die neuen Schalen gleich- mälsig alle Oktaöderflächen bedecken und sich sämmtlich über die unter- liegende Fläche bis zur Berührung mit den angrenzenden Schalen aus- dehnen. Auf diese Weise entstehen reine Oktaöder, welche jedoch beim Diamanten äufserst selten sind. 2. Die Schalen bedecken eben nur die Oktaöderflächen, auf wel- chen sie ruhen und dehnen sich über dieselben nicht aus. Es entstehen dann an den Okta&derecken sich rechtwinklig kreuzende Tetraöderkanten und an den Oktaöderkanten Kerben mit einspringenden Winkeln (Fig. 31). 16* chen immer gröfser und grölser werden und es entstehen schliefslich Formen wie die Durchwachsungstetraöder nach dem G. Rose’schen Zwillingsgesetz (Fig. 30). Auf diese Weise erklären sich derartige Gestalten leicht aus dem Schalenbau. Diese Auffassung gewinnt noch dadurch an Gewicht, dafs einfache Durchwachsungstetraöder beim Diamanten nicht bekannt sind, auch nicht solche, bei welchen die Tetraöderflächen an den Kerben scharf ausgebildet sind, sondern dafs immer Hexakisoktaäderflächen als Begrenzung der schalig geeinigten Subindividuen erscheinen. 3. Die aufliegenden Schalen sind stets etwas kleiner, als die Oktaöderflächen (Fig. 38). Es entsteht dann eine Intermittenz der Okta&- derflächen, welche in einer Kante zusammentreffen, also von Oktaöder- flächen aus verschiedenen Oktanten. Bei regelmäfsiger Ausbildung in der Art, dals die einzelnen Schalen eine gleiche Dicke haben, fallen die pa- rallelen Oktaöderkanten in eine Ebene und bilden eine, dem Dodekaäder angehörende Scheinfläche, ganz in ähnlicher Weise wie bei den Magnet- eisenerzkrystallen von Traversella in Piemont. Diese Scheinflächen sind dann parallel den längeren Diagonalen gereift oder gestreift, je nach der Dicke der Schalen. Derartige Dodekaöder kann man häufig unter den Brasilianischen Diamanten finden. Treten die Kanten aus den Dodekaäderflächen heraus und nähern sich immer mehr dem Mittelpunkt der Oktaöderflächen, was die Folge einer immer zunehmenden Verdünnung der einzelnen Schalen ist, so ent- stehen Triakisoktaöderflächen als Scheinflächen, welche nach den längeren Kanten gestreift sind. In ähnlicher Weise erklären sich als Scheinformen auch Combinationen von Dodekaöder und Triakisoktaöder. Ist schliefs- lich die Intermittenz eme sehr rasche, so sind gewölbte Dodekaäder- flächen die Folge. Die Schalen können sich nach aufsen immer mehr und mehr ver- dicken, wodurch einspringende Kanten zur Erscheinung kommen, gebildet von Scheinflächen, welche die Lage der Deltoöderflächen haben, so dafs der Krystall wie zwei nach dem G@. Rose’schen Zwillingsgesetz durch- einandergewachsene Deltoöder aussieht. PEN Pi Guse e RAR Wr k Se 25 DIR ee + per: BISHER NW. hR T enden Oktanten en ande en ee enkeetend, wodurch Scheinflächen Babildet werden, If _ welche dem Deltoöder angehören. Alle derartigen Deltoöder sind dann deutlich parallel den unsymmetrischen Diagonalen der Flächen gestreift. © Diese, als Beweis für die Hemiödrie herbeigezogenen Formen erklären ee sich also auch leicht aus dem Schalenbau und sind durch allmälige Ueber- _ gänge mit Dodekaödern und Triakisoktaödern verknüpft, so dals sie wie die Triakisoktaöder kein bestimmtes krystallographisches Zeichen haben. “ Die Begrenzung der Schalen bilden beim Diamanten meist Hexakis- er okta@derflächen und deren Zwischenformen Ikositetraäder und Triakisok- | E- taöder, wie schon oben bei der Gestalt der Subindividuen gesagt wurde. Diese Art der Begrenzung ermöglicht Verschiedenheiten des Baues, die durch -okta@drische Begrenzung ausgeschlossen sind. Bei letzterer müssen # alle Schalen, welche kleiner, als ihre Unterlage sind, oder dieselbe eben bedecken, von Flächen aus den angrenzenden Oktanten begrenzt sein, während bei derjenigen durch Hexakisoktaöderflächen die Begrenzungs- flächen auch demselben Oktanten angehören können. Hier sind also zwei Fälle der Begrenzung möglich, welche auf das Aussehen des Krystalls r Kurt, ya ı 2 > einen wesentlichen Einfluls ausüben und die man als holoödrische und _ hemiödrische Begrenzung unterscheiden kann. Sowohl bei der holo&@dri- 2 schen, wie hemiödrischen bilden die Kanten der Schalen symmetrische 5 Sechsecke, wie schon bei der Gestalt der Subindividuen auseinanderge- : setzt wurde. a E_ Der Aufbau nach der ersten Art, demzufolge die Schalen der angren- DE, zenden Oktanten sich in Kanten treffen, ist als ein rein okta&drischer hier nicht möglich, da eine Vergröfserung des Krystalls nur stattfinden ? kann, wenn die Schalen sich seitlich über die Oktaöderflächen ausdehnen, K wie später geschildert werden soll. „ Baut der Krystall nach der zweiten Art, so dals jede neue Schale ge- ; nau die unterliegende bedeckt, so ist nur holo@drische Begrenzung möglich | und es entstehen Oktaöder mit zugespitzten Ecken, wobei die Zuspitzungs- EN flächen sehr zurücktreten oder sich bis zum Verschwinden der Okta@der- flächen ausdehnen können. Bei dieser Art des Baues müssen die Hexa- N x x Y ‚126 | G. Rose und A. Saneneox: NAT kisoktaöderflächen vollkommen glattflächig sein und der Schalenbau darf äufserlich nicht durch Streifen zur Erscheinung kommen. Er kann den sphaeroidisch-dodeka@drischen Krystallen aus Brasilien zu Grunde liegen. Bei dem Aufbau nach der dritten Art ist holoödrische und hemie- drische Begrenzung möglich. Ist dieselbe lediglich eine holoödrische, so wer- den holoödrische Krystalle entstehen, deren Hexakisoktaöderflächen Schein- flächen sind (Fig. 42) und bei fortgesetztem Schalenbau den Krystall allein begrenzen. Die Flächen derartiger Hexakisoktaöder sind parallel den Combinationskanten gestreift und nähern sich in ihrer Gestalt immer dem Oktaöder (Fig. 2). Dies ist um so mehr der Fall, je rascher die Schalen an Grölse abnehmen und je dünner sie sind. Durch die Inter- mittenz erscheinen die Flächen parallel den Combinationskanten mit dem Oktaöder gekrümmt und zwar desto gleichmäfsiger, je regelmälsiger die Intermittenz stattfindet. Ist die Intermittenz eine unregelmäfsige, indem die Schalen bald dicker, bald dünner sind, so werden auf den Flächen schwache Einkerbungen hervortreten, wie sie bei Süd-Afrikanischen Dia- manten sehr häufig sind. Bei sehr grofser Dünne der Schalen und rascher Verkleinernng nach dem Mittelpunkt der Oktaöderfläche hin treten die Scheinflächen zurück und die Schalenbildung ist auf den Oktaöderflächen an Streifen kenntlich, welche in Form eines symmetrischen Sechseckes mehr oder weniger dicht nebeneinanderliegen. Sind die Schalen hemiödrisch begrenzt, so entstehen an den Ok- taöderkanten einspringende Kanten und an den Oktaöderecken Hexakis- tetraöderkanten, welche zuweilen durch Triakıstetraäderkanten ersetzt sind (Fig. 34, 36, 36a). Das Endresultat sind Durchwachsungsformen von tetraödrischen Gestalten nach dem @. Rose’schen Zwillingsgesetz. Alle derartigen Krystalle lassen aber an den, die einspringenden Winkel bil- denden Flächen, welche immer gewölbt und gestreift sind, den Schalen- bau deutlich hervortreten. Die einspringenden Kanten selbst sind nie scharf sondern wülstig und zum Theil unregelmälsig verlaufend. Hemiödrische und holoädrische Begrenzung treten vielfach zu- sammen auf, indem die Schalen bald holoödrisch, bald hemiödrisch, bald durch beiderlei Flächen begrenzt sind. Einen derartigen Fall stellt fe; anti auf wöleber este eine dicke Schale aufsitzt, welche A om unterst von £' aus den benachbarten Oktanten oben von £ und Ok- taöder begrenzt ist, also vollkommen vollflächig. Dieser Wechsel von holo@drisch und hemiödrisch begrenzten l Schalen ist nach G. Rose eine Folge der Zwillingsbildung. Eine der- TEE ‚artige Auffassung ist jedoch etwas künstlich, da auch bei unzweifelhaft ur X holo@drischen Krystallen in einem Oktanten Flächen aus den benachbar- ap: a ten Oktanten auftreten. Bei einfachem Bau mit Oktaöderflächen allein J Bir mufs dies immer der Fall sein und auch der Treppendiamant aus dem Kieler Museum zeigt eine Intermittenz von Oktaöder und Ikositetra@der B, aus benachbarten Oktanten, ohne dafs dabei irgend eine Hemiödrie im ar Spiele ist. j Wenn schliefslich, wie beim Bau nach der vierten Art, die Begren- zung der Schalen in den abwechselnden Oktanten eine verschiedene ist, so entstehen Hexakistetraöäder, welche man zuweilen bei Brasilianischen und Süd-Afrikanischen Diamanten beobachten kann, durch Wölbung und starke Kniekungen erweisen sie sich leicht als Scheinformen. Im Vorhergehenden wurde eine gleichmälsige Schalenbildung vor- ausgesetzt, in der Art, dals die einzelnen Schalen bei symmetrischer Aus- bildung sich einfach überlagerten. Diese gleichmälsige Auflagerung er- leidet jedoch vielfache Ausnahmen und zwar zunächst in der Art, dafs die einzelnen Schalen nicht vollkommen symmetrisch ausge- bildet sind. So befindet sich im Berliner Museum ein Krystall, dessen Schalen auf den Oktaöderflächen eine quadratische Pseudosymmetrie zei- gen, ähnlich wie die oberen bei Fig. 40, so dafs an einer Pseudohaupt- axe die spitzen Winkel hervortreten und diesen gegenüber, also gewisser- malsen an der Pseudobasis die Schalen sich am meisten bedecken. Eine andere Ungleichmälsigkeit des Baues besteht darin, dafs der Mittel- punkt der Oktaöderfläche nicht Bildungscentrum ist, sondern dieses an irgend einer anderen Stelle, so bei der Fig. 40 dargestellten Fläche in der linken Ecke liest. Es entsteht auf diese Weise eine Erhöhung und 128 G. Rose und A. Sapunnox: ee un derartige Erhöhungen können an verschiedenen Stellen der Oktaöderflächen i auftreten. Berühren sich drei Erhöhungen mit ihren Ecken, so entstehen die schon oben erwähnten dreieckigen, oder sechseckigen Vertiefungen (Fig. 49, 40). Derartige Vertiefungen sind sehr häufig und ganz allgemein die Folge davon, dafs sich die Schalen wegen Mangels an Malse nicht über die ganze Oktaöderfläche fortsetzen konnten. Auf einen Mangel an Mafse kann man auch die bei dem Schalenbau entstehenden Einkerbungen an den Oktaöderkanten zurückführen, eine Auffassung, für welche später noch Beweise beigebracht werden sollen. In den Vertiefungen selbst tritt die Schalenbildung durch mehr oder minder regelmälsige treppenartige Absätze deutlich hervor. Diese Intermittenz im Innern ist der Bestimmung der Flächen besonders hinder- lich. Die Vertiefungen sind zum Theil dicht gedrängt, zum Theil spär- licher und die gröfseren Vertiefungen zeigen in ihrem Innern wieder kleinere. Sie nehmen jedoch selten so überhand, dafs die Flächen ein so- genanntes zerfressenes Aussehen haben, wie z. B. die Flächen der Quarz- krystalle von Schemnitz in Ungarn, oder dafs skelettartige Krystalle entstehen, wie z. B. Hexaöder bei dem künstlichen Bleiglanz. Der einzige mir bekannte, etwas an Skelettbildung erinnernde Krystall ist der Treppendiamant aus dem Kieler Museum (Fig. 12), die Skelettbildung ist jedoch hier auf einen ÖOktanten beschränkt und auch in diesem keine symmetrische, da nur zwei Ikositetraöderllächen und zwar solche aus einem benachbarten Ok- tanten mit der Oktaöderfläche intermittiren. Die unvollständige Bedeckung der Oktaöderllächen findet zuweilen in der Weise statt, dafs die Schalen scheinbar unregelmälsig begrenzt allerhand Zeichnungen, landkartenartige etc. zeigen, wie man häufig bei den geraden Endflächen der Eisenglanztafeln vom Vesuv beobachten kann. Die nähere Betrachtung derartiger Schalen lehrt jedoch, dafs dieselben in ihren einzelnen Theilen regelmäfsig begrenzt sind, indem man am Rande die Subindividuen erkennen kann. Wenn die Schalen die Oktaöderflächen nur theilweise bedecken, kann auch der Fall eintreten, dafs die neuen Schalen über die unterlie- genden übergreifen, über diese wieder andere und so fort, so dafs die Auflagerung eine schuppen- und dachziegelartige ist. Eine derartige a“ 04 H Tu br n .’ I v ; “ » & . N RT & y s E 3 We . i SER 4 FR , A Fr BE R ur ; x er E Ei igung ist besonders bei Brasilianischen Krystallen, welche die allgemeine PER Be Form von Dodekaödern haben, vorhanden und zwar mit Zwillingsstellung EEE VRR der schaligen Subindividuen; die aus den componirten Dodeka&öderflächen & Bi hervorragenden Ecken (Fig. 41) lassen die Flächen stark drusig erscheinen, Er ’ so dafs mitunter die dodekaödrische Form zurücktritt und eine unregel- An - mälsig begrenzte Form entsteht, was besonders dann der Fall ist, wenn ‚Hypoparallelismus hinzukommt. Neben den tektonischen Hauptflächen mufs man noch tektonische N $ Nebenflächen unterscheiden und dies sind die gewölbten Flächen, welche Br”: in ihrer gröfsten Allgemeinheit als Hexakisoktaöderflächen zu bezeichnen “ sind. Die Subindividuen sind hier weniger zu zusammenhängenden Scha- ie len geeinigt, sondern zu schmils- und zitzenartigen Gestalten, welche Y nur von gewölbten vieinalen Flächen begrenzt sind und keine bestimmte > R krystallographische Form erkennen lassen (Fig. 44). Dieselben sind in a der Richtung der Oktaöderkante ausgedehnt, liegen nebeneinander, bedecken a sich zum Theil und lassen die gewölbten Dodekaöderflächen nach den ; Ri längeren Diagonalen gestreift erscheinen, wobei jedoch in Folge hypo- ei paralleler Stellung die Streifen vielfach divergiren und zwar am meisten hi nach den Endpunkten der rhombo&drischen Axen hin. Tritt diese Eini- Br gung in Nebenflächen bei okta@drischen Krystallen auf, so erscheinen die k Zuspitzungsflächen aufser der oben erwähnten Wölbung parallel den Com- ir binationskanten mit dem Oktaöder auch noch parallel den rhomboädrischen ’ Axen gewölbt. Die diese zweite Wölbung hervorrufenden Subindividuen EL reichen aber meist nicht bis an die Oktaöderflächen heran (Fig. 42), so er dafs die Combinationskanten mit dem Oktaöder vollkommen geradlinig Br: erscheinen, wie es bei den Süd-Afrikanischen Krystallen der Fall ist. N. Schon oben wurde erwähnt, dafs eine Einigung von Subindividuen | in den Zuspitzungsflächen nöthig ist, damit ein von Oktaöder und Hexa- er. kisokta@der begrenzter Krystall sich vergröfsert. Durch diese Einigung Rs wird aber auch der oktaödrische Bau verdeckt, indem die Subindividuen iy in den tektonischen Nebenflächen die Begrenzung der unterliegenden Br Schalen nicht mehr erkennen lassen, was besonders bei Brasilianischen Be : Krystallen der Fall ist. Bei solchen reichen nämlich zuweilen die Sub- Mk individuen auf den gewölbten Flächen bis an die Combinationskanten mit . Phys. Kl. 1876 (2 Abthl.). 17 En 2 2" f Ar } I 4 A 1 ; 130 6. Rost und A. Sapeseor: dem Oktaöder heran und lassen in Folge dessen dieselben krummlinig erscheinen (Fig. 36). Besonders entwickelt ist auch die Einigung in den Nebenflächen bei okta@drischen Krystallen mit eingekerbten Kanten, wo- durch eine Verdeckung und Ausfüllung derselben gewissermafsen erstrebt wird. Diese Anhäufung von Subindividuen erklärt es auch, dafs die ein- springenden Kanten nie scharf und die sie begrenzenden Flächen vielfach wülstig sind. Das Endresultat ist dann die völlige Verdeckung der ein- springenden Winkel. Für die Erscheinungsweise der Krystalle kommt es auf eines heraus, ob okta@drische und dodekaädrische Bildung gleichzeitig, stattgefunden haben oder ob die oktaödrische zuerst herrschend einsprin- gende Kanten bildete, welche dann durch die dodeka@drische verdeckt wurden. Die dodekaödrische Einigung bewirkt nicht nur unregelmäfsig ge- streifte und gewölbte Flächen, sondern hat auch Furchen und Knickungen der Flächen zur Folge, in ähnlicher Weise, wie dieselben bei säuligen Krystallen, z. B. des Turmalins, Berylis vorkommen. Diese Furchen und Knickungen, welche besonders bei Süd-Afrikanischen Krystallen häufig sind, erweisen sich leicht als eine Folge der ungleichmälsigen Einigung der Subindividuen, so dafs man sie nicht als eine Folge des G. Rose’schen Zwillingsgesetzes betrachten darf. Mit ihnen im direkten Zusammenhange stehen die vielfach gebogenen kürzesten Hexakisokta@derkanten. Dafs diese und die längsten scharf ausgebildet sind, die mittleren aber wenig oder gar nicht als Kanten hervortreten, läfst sich dadurch erklären, dafs die Oktaöderkanten oder ihre vieinalen Oombinationskanten mit dem Hexa- kisoktaöder tektonische Hauptaxen sind, wie sich auch schon aus der Be- trachtung des okta&ödrischen Baues ergeben hat. Während bei den oktaödrischen Krystallen der Schalenbau parallel den Oktaöderflächen immer deutlich hervortritt, so ist bei den sphaeroi- disch dodeka@drischen Krystallen mitunter nur dodeka@drischer Bau er- kennbar. Dafs jedoch auch bei ihnen oktaödrischer Bau zu Grunde liegt, kann man an Streifen erkennen, welche nahezu der langen Diagonale pa- rallel sind (Fig. 44), und daran, dafs die Wölbung der Flächen nach den Endpunkten der rhombo&@drischen Axen hin am stärksten ist. Die Einigung der Subindividuen in den sphaeroidischen Flächen ist bei einzelnen Kry- stallen aus Brasilien, welche durch Zurücktreten der mittleren Hexakis- x RR wie Teac! Fotzekishezabder SEN eine so vollkom- n 16, dafs die Flächen ganz glatt und glänzend erscheinen. RE yo} Eine dritte Art tektonischer Flächen sind die Hexaöderflächen, bei denen die Einigung der Subindividuen eine sehr unvollkommene ist, so dafs sie drusig erscheinen. Fig. 46 stellt eine theoretische Horizon- p talprojeetion dar, bei welcher die Hexaöderfläche aus Oktaödereeken auf- gebaut ist. Die Subindividuen haben jedoch meist die Gestalt von Ikositetraö- dern, welche als kleine vierseitige Pyramiden von verschiedener Grölse theils als Erhöhungen, theils als vierseitige Vertiefungen (Fig. 47) zur Erscheinung kommen; G. Rose hat (@:a:};a) gemessen. Ein von G. Rose angefertigter Hausenblasenabdruck einer Hexaöderfläche läfst auf den Iko- sitetraöderflächen noch Kanten hervortreten, woraus sich als die den Sub- individuen zu Grunde liegende Grundgestalt Hexakisoktaöder ergiebt. Die Begrenzung der Subindividuen ist vielfach verschwommen, und indem die- selben oft verschiedene Höhen haben, erscheint die Hexaöderfläche uneben, sind die Subindividuen andererseits inniger geeinigt, so sind sie noch an Streifen parallel den Diagonalen der Hexaöderflächen erkennbar. Voll- kommen glänzende und glatte Hexaöderflächen kommen beim Diamanten nie vor, dies ist ein wesentlicher Unterschied vom Bleiglanz, mit welchem der Diamant in der Gestalt der Subindividuen übereinstimmt. Eine gröfsere Häufung von Subindividuen findet an den Stellen - statt, wo aus den Flächen Zwillingsecken herausragen. Es ist dies ein Be; ganz ähnliches Verhalten wie bei den Durchwachsungszwillingen des vo Flufsspaths. > 9 Die an den Hexaöderkanten liegenden Subindividuen einigen sich in denselben zu Scheinflächen, welche dem Dodekaöder oder Tetrakishexaö- dern angehören und parallel den Combinationskanten mit dem Oktaöder . pe ice gestreift sind, wie Fig. 47 bei vier Dodekaöderflächen zeigt. Bei diesen 2 Flächen macht sich neben dem hexaödrischen Bau der oktaödrische gel- 3 u; Br #.XT tend. Andererseits giebt es Krystalle, bei welchen zum hexaödrischen er Bau der dodekaödrische hinzutritt, wodurch die an den Hexaöderkanten f auftretenden Flächen gewölbt und häufig durch die rundlichen Subindivi- duen stark drusig erscheinen. Br DRK a De 2 ss “x a Re LI Er EEE 132 G. Rose und A. ee : " wi N uk. j Die Tetrakishexaöder haben scharfe Hexaöderkanten, wodurch sie sich von den selbständigen sphaeroidisch dodekaödrischen unterscheiden. Bei hexaödrischen Krystallen mit zugespitzten Ecken tritt zuweilen oktaödrischer Bau dadurch hervor, dafs die Zuspitzungsflächen an den Mitten der Hexaöderkanten einspringende Winkel bilden, wie @. Rose’s Zwilling Fig. 37 zeigt. Der Krystall scheint gewissermalsen zusammen- gesetzt aus sechs Individuen, indem jede Hexaöderecke sich als selbstän- diges Individuum entwickelt, ganz in ähnlicher Weise, wie bei dem Fig. 27 dargestellten Zwilling. Die Einschnürung erklärt sich leicht auf dieselbe Weise, wie bei den okta@drischen Krystallen die Kerbung der Kanten. Mit dem Schalenbau sind immer Absätze in der Bildung ver- bunden, welche dann sehr deutlich zur Erscheinung kommen, wenn die jüngeren Bildungen eine andere Form haben, als der fortgebildete Kry- stall, wie es sehr häufig beim Kalkspath der Fall ist, (Skaleno@der sind z. B. von Prisma umgeben und die Endecken ragen aus den Endflächen heraus), Fig. 35 stellt einen Diamantkrystall aus dem Berliner Museum dar, wie ihn auch schon John Mawe (31) abbildet. Der Kern ist ein Hexakisoktaöder, auf welchem in jedem Oktanten Hexakistetraöderecken aufgesetzt sind, so dafs der Krystall das Aussehen eines G. Rose’schen Zwillings erhält. Der Umstand, dafs die okta@drischen Kanten des Kerns deutlich zur Erscheinung kommen, dafs die Hexakistetraöderflächen durch die Schalenbildung gekrümmt und durch Absätze parallel den Oktaöder- flächen geknickt sind, beweist, dafs man es hier lediglich mit einer eigen- thümlichen Fortbildungserscheinung zu thun hat. Anderweitige Umhüllungen kommen in der Art vor, dafs deutlich schalige Oktaöder nur mit einer Ecke aus einer durch Hypoparallelismus der Subindividnen entstandenen kugligen Diamantmasse herausragen. Ferner stehen mit dem Schalenbau in innigster Beziehung die re- gelmäfsigen Hohlräume im Innern des Krystalls, welche entstehen, indem sich über vorhandene regelmäfsige Vertiefungen neue Schalen aus- dehnen, ohne dafs die Vertiefungen ausgefüllt wurden. Es müssen also die Vertiefungen eine mit den regelmäfsigen Eindrücken übereinstimmende Form haben, wie es auch G. Rose bei kleinen Süd-Afrikanischen Dia- manten gefunden hat, deren Hohlräume die oben beschriebene sechsseitige Gestalt zeigten. MN 2 ehe SH ebehs nicht beobachtet. Al Die Farbe der Diamanten rührt vielfach nur von mechanischen er Beimengungen her, z. B. die der grünen von einer chloritischen Sub- Rs N i en In den Süd-Afrikanischen kommt nach Cohen (18) Eisenglanz Br vor, sowie Eisenoxydhydrat, welches nach dem Glühen roth wird, ferner “nach einer Mittheilung des Herrn Gutruf eine schwarze klebrige Masse, Re welche wohl Asphalt sein könnte. Eine Schilderung derartiger unregel- ” mälfsig vertheilter Einschlüsse geht über den Rahmen dieser Abhand- lung hinaus. Gestörte Einigung. der Subindividuen kann man beim Dia- manten nur selten wahrnehmen. Die gegenseitige Störung zweier, gewisser- mafsen’ auf denselben Raum Anspruch machender Individuen, welche sich in den sogenannten Druckflächen (40) äufsert, kommt zuweilen vor, ohne dafs die Druckflächen irgend welche krystallographische Beziehungen darböten. Von gröfserem Interesse sind solche Störungen, welche man als die Folge der umgebenden Malse und der Lage des Krystalls während der ‚ai Bildung betrachten mufs. Hier ist zunächst ein hemimorphisch ausgebil- IR deter Krystall aus der Seligmann’schen Sammlung (Fig. 32 und 33) be- merkenswerth. Die hemimorphische Ausbildung findet in der einen Grund- _ axe statt und äufsert sich darin, dafs an dem einen Ende derselben (Fig. 32) Öktaöderflächen mit gekerbten Kanten auftreten, an dem andern dagegen (Fig. 33) eine vierseitige Vertiefung, neben welcher nur noch schmale Oktaöderflächen erscheinen. Die Flächen der Vertiefung haben die Lage von Ikositetraöderflächen, welche sich jedoch nicht bestimmen lassen, da 2 sie aulserordentlich stark drusig sind in Folge einer unvollkommenen und gestörten Einigung der Subindividuen. Dieselben lassen selbst keine be- stimmte Form erkennen, sondern sind rundlich, zitzenartig gestaltet und zum Theil parallel den Combinationskanten der Ikositetraäderflächen mit dem ÖOktaöder in die Länge gezogen. % Die Vertiefung erklärt sich in der Art, dafs der Krystall mit der- selben aufgelegen hat, so dafs die Zufuhr eine gehinderte war. Ganz “ 134 G..Rosz und A: Sinus: 0,0. analog; ist ein von mir beschriebenes triklines Oktaöder beim Quecksilber- tolyl.!) Auch der Fig. 7 dargestellte, in Bezug auf eine prismatische Axe hemimorphisch ausgebildete Krystall läfst sich in der Weise erklären, dafs er mit der stark drusigen und gekrümmten Dodekaöderfläche auf- gelegen hat. Eine unregelmäfsige Auflagerungsfläche mit erkennbaren Subindividuen zeigt ein tafelartiger Krystall des Kieler Museums. Alle durch gestörte Einigung der Subindividuen entstandenen Flä- chen ähneln sehr den stark drusigen sphaeroidischen Flächen, so dals man auch für die freie Einigung der Subindividuen in diesen eine Stö- rung durch die umgebende Mafse voraussetzen kann. Diese Annahme hat nach Analogieen mit anderen Mineralien ihre Berechtigung. Beim Gyps z. B. erklären sich dıe Flächenrundungen der schiefen Prismen durch eine Störung, welche die umgebenden Malse ausübte, weshalb sie auch vor- nehmlich bei den eingewachsenen Krystallen vorhanden sind, nur selten bei aufgewachsenen. Mit den bekannten Zwillingen aus dem Gyps vom Montmartre, welche sich nach einer Seite stark verjüngen, lassen sich einzelne keulenförmige Bahia-Steine (Fig. 43) in Parallele stellen, welche sich ihrer Form nach am besten zu Glaserdiamanten eignen. Die Ver- jüngung findet hier in der Richtung einer rhomboädrischen Axe statt, bei anderen in einer prismatischen und ist häufig mit Kniekungen verbunden, sowie mit einer tropfenartisen Endigung des zugespitzten Endes. Die stark gerundeten, sog. geflossenen Krystalle haben auch grofse Aehnlich- keit mit den in dem Pallaseisen eingeschlossenen Olivinkrystallen, deren unvollkommene Entwickelung jedenfalls eine Folge der umgebenden Eisen- masse ist. Die Annahme, welche man zuweilen ausgesprochen findet, dafs die Rundung der Krystalle die Folge mechanischer Einwirkung sei, indem die Krystalle vielfach im Sande herumgerollt und auf diese Weise abge- rieben seien, in ähnlicher Weise, wie die Rubine, Sapphire, Zirkone etc. ist durch die glatten Flächen und die darauf erkennbaren Subindividuen, sowie durch die scharfen Kanten, vollkommen ausgeschlossen. 1) Ann. der Chemie 173. Bd. S. 163. Ik, KL I alt n Hari 22 AR 2 kan. orte Sabindiriduen. 1x; hin bei kn der Einigung der Subindividuen wurde nase) dals eine Einigung in tektonischen Axen nur selten er- vn _ kennbar ist, dafs aber eine solche parallel den prismatischen Axen Br in manchen Fällen deutlich hervortritt. Auf dieselben Axen deutet ein B von Descloizeaux (20) beschriebener, eigenthümlicher Asterismus. Auf wi: einer Oktaöderfläche beobachtete er einen festen Stern mit sechs breiten, braun gefärbten Armen, welche sich bei anderen Exemplaren zu je zweien in drei halbelliptische Segmente vereinigen. Der Lage nach fallen die sechs Arme und die äufseren Begrenzungen der elliptischen Segmente in die prismatischen Axen. Dieses Hervortreten der Axen beweist, dafs die _ prismatischen Axen bei der Tektonik der Diamantkrystalle eine Rolle ge- E spielt haben, wie auch bei anderen Mineralien, z. B. beim Andalusit auf diese Weise bestimmte Axen zur Erscheinung kommen. Der Umstand, dafs die tektonischen Axen so wenig direkt hervortreten, läfst auf eine ruhige und langsame Bildung schliefsen bei spärlicher Zufuhr an Masse. Die Bedeutung der prismatischen Axen als tektonische zeigt sich e auch darin, dafs sie die Axen der tektonischen Hauptzonen sind und dafs bei den Hauptindividuen die durch sie bestimmten Zonen oder doch wenigstens vicinale den Formenkreis beherrschen. Die durch die prismatischen Axen bestimmten Ebenen sind zweier- lei, solche in denen sich die Axen unter 60° schneiden, also gegen die auf ihrer Ebene senkrecht stehende rhombo&drische Axe sich wie Neben- axen des hexagonalen Systems verhalten, und solche, in denen die Axen er x auf einander rechtwinklig stehen, also Ebenen senkrecht zu den Grundaxen. Beim Diamanten herrschen in den meisten Fällen die ersten Axenebenen, welche den Oktaöderflächen parallel gehen und in ihnen geht die Krystallo- tektonik nach den rhomboödrischen Axen hin vor sich, die demnach als erste tektonische Nebenaxen zu bezeichnen sind. Je mehr die Ebenen der i tektonischen Axen zur Geltung und Ausbildung kommen, desto mehr treten die tektonischen Nebenaxen zurück und es bilden sich okta@drische Kry- >, . . stalle. Je mehr umgekehrt die Bildung nach den Endpunkten der rhom- bo@drischen Axen hin stattfindet, desto mehr treten die Oktaöderflächen zurück, dagegen dodekaödrische Kanten hervor, es entstehen dann dode- ji kaödrische Formens® 136 G. Rose und A. ne : Zuweilen kommen beim Diamanten auch die den Hexaöderflächen parallelen Axenebenen zur Geltung und je mehr dann die anderen Axen- ebenen zurücktreten, desto mehr entwickeln sich die Hexaöderflächen und. die, Grundaxen sind tektonische Nebenaxen. Da dieselben seltener, als die anderen tektonischen Nebenaxen, die Bildung beherrschen, bezeichne ich sie als zweite tektonische Nebenaxen. In tektonischer Beziehung hat der Alaun grofse Aehnlichkeit mit dem Diamanten, indem auch bei diesem eine deutliche Schalenbildung parallel den Oktaöderflächen stattfindet und die tektonischen Zonen der Subindividuen in die Zonen der prismatischen Axen fallen, wobei nur der Unterschied besteht, dafs die Aetzeindrücke beim Alaun von Tria- kisoktaödern und diesen vicinalen Hexakisoktaödern herrühren, also mit den natürlichen Eindrücken beim Diamanten übereinstimmen. Auch beim Alaun ist die Einigung der Subindividuen in den Hexaöderflächen weniger vollkommen, da dieselben keine deutlichen Subindividuen durch Aetzung erkennen lassen. Dagegen ist das Zurücktreten der rhombo&@drischen Axen als tektonische Axen ein wesentlicher Unterschied. Zwei andere Mineralien, Flufsspath und Bleiglanz fordern noch zu einem Vergleich mit dem Diamanten in tektonischer Beziehung auf. Einen dem oktaädrıschen Bau des Diamanten sehr verwandten zeigen die oktaödrischen Krystalle des Flufsspaths von Kongsberg, Andreas- berg, Striegau, deren Oktaöderflächen vollkommen glattflächig über Tria- kisoktaöder zum Dodekaöder überführen, jedoch sind einfache Anein- anderwachsungszwillinge ähnlich denen des Spinells nicht bekannt. Bei weitem häufiger ist beim Flufsspath der hexaödrische Bau, welcher glatt- flächige Hexaöderflächen zur Folge hat, während beim Diamanten diese Flächen immer drusig sind, da die Einigung in ihnen weniger vollkom- men ist. Es findet also in der Tektonik beider Mineralien ein gewisser Gegensatz statt, indem die beim Diamanten herrschende die untergeord- nete beim Flufsspath ist und umgekehrt. Während beim Flufsspath der oktaödrische Bau sehr vollkommen sein kann, ist beim Diamanten ein vollkommener hexaödrischer noch nicht beobachtet. Den drusigen Hexae- dern desselben entsprechen die rosenrothen Oktaöder des Flufsspaths aus der Schweiz, den Oktaödern des Diamanten mit deutlich und zahlreich N P ih>, Br A Ber Pt 1% ” % a 3 ; AAN IN an, Pe er, = ee BR . 2 u - .. Er Be, , ” u Be Ir. wi BR Er MAN" @ e |] v7 S fall S \ D mo ten. h,, 137 ” des Rabiheiaien‘ ähnliche He des Flubepeihe von nwald. Der Bleiglanz steht tektonisch gewissermalsen zwischen Diamant - en und Flufsspath, da bei ihm in den meisten Fällen der oktaödrische und hexaödrische Bau mit prismatischen tektonischen Hauptaxen vereinigt ist, wodurch glattflächige Mittelkrystalle zwischen Okta@der und Hexaöder er entstehen, welche theils mehr in Oktaöder, theils mehr in Hexaöder über- gehen. Diese Zwischenstellung des Bleiglanzes tritt auch in den Zwillin- gen hervor, indem sowohl einfache Spinellzwillinge, wie beim Diamanten, nn hi als auch Durchwachsungshexaöder, wie beim Flufsspath, vorkommen. Flufs- in: spath und Bleiglanz sind aber wieder dadurch vom Diamanten unterschie- F den, dafs bei ihnen der dodekaödrische Bau sehr zurücktritt und in dieser Hinsicht hat der Diamant eine Analogie mit Granat und Amalgam, bei welchen Mineralien der dodeka@drische Bau gerade der herrschende ist. III. Krystalltypen. Aus dem Studium der Krystallotektonik ergeben sich als drei na- türliche Typen der oktaödrische, dodekaödrische und hexa&drische, welche durch vielfache Uebergänge mit einander verknüpft sind. I. Der okta@drische Typus ist charakterisirt durch den deut- lichen und vollkommenen Schalenbau parallel den Oktaöderflächen. Hierher gehören: 1. Reine Oktaöder, aufserordentlich selten. 2. Oktaöder in Combination mit Dodekaöder, letzteres nach den langen Diagonalen der Flächen gestreift. 3. Dodekaöder, gestreift in derselben Weise (Fig. 38). 4. Triakisoktaöder, gestreift nach den Oktaöderkanten. Mi 5. Deltoöder. Phys. Kl. 1876. (2“ Abth.). 18 138 G. Rose und A. SaDEBeor: Hieran schliefsen sich dann Formen mit vicinalen Hexakisoktaöder- flächen, in welchen Flächen auch eine Einigung der Subindividuen statt findet. 6. Oktaöder mit Hexakisoktaöder, mit geradlinigen Combinations- kanten (Fig. 4). 7. Oktaöder mit Tetrakishexaöder, mit geradlinigen Combinations- kanten (Fig. 9). 8. Oktaöderähnliche Hexakisoktaöder (Fig. 1 und 2). 9. Hexakistetraäder. Durch unvollkommenen Schalenbau erklären sich 10. Oktaödrische Krystalle mit eingekerbten Kanten (Fig. 31 und 34), deren Endglieder 11. Durchwachsungs-Hexakistetraöder sind (Fig. 35). Die folgenden Typen zeigen Hexaöder. 12. Oktaöder mit Hexaöder. 13. Oktaöder mit Hexaöder und Dodekaöder (Fig. 46). Schliefslich bilden die Zwillinge nach dem Spinellgesetz Subtypen. 14. Einfache Spinellzwillinge mit herrschendem Oktaöder (Fig. 13). 15. Hexakısoktaöderzwillinge mit Oktaöderflächen. (Fig. 14). 16. Hexakisoktaöderzwillinge ohne Oktaöderflächen, meist doppelt sechsseitige Pyramiden (Fig. 15 und 16). 17. Durchwachsungszwillinge (Fig. 22). 18. Ineinanderwachsungszwillinge (Fig. 20). 19. Dodekaöder, durch herausragende Zwillingsecken drusig (Fig. 41). U. Der sphaeroidisch dodekaödrische Typus. Die hierher gehörigen Krystalle stehen zum Theil denen unter Nr. 6 bis 10 aufgeführten des I. Typus nahe, charakteristisch sind die stark ge- wölbten Flächen und der mehr zurücktretende oktaödrische Schalenbau, dagegen ist eine Einigung in den gewölbten Flächen vorherrschend. Je nach der Wölbung der Flächen kann man unterscheiden: 1. Hexakisoktaöder, zum Theil stark kuglig (Fig. 8). 2. Tetrakishexaöder, mit Hachen hexaödrischen Kanten. 3. Dodeka@der, mit gewölbten Flächen und ohne deutliche Strei- fung nach den längeren Flächendiagonalen (Fig. 44). 4. Combinationen mit Öktaöder, mit gekrümmten Combinationskanten. \ Na Oktaöder Be en in ae mit sphaeroidisch-dode- kaödrischen Flächen. 7. Sphaeroidische Formen mit nach dem Spinellgesetz eingeschal- Ja? teten Zwillingslamellen (Fig. 24). wu II. Der hexaödrische Typus ist bezeichnet durch vorherr- schende Einigung in den Hexaöderflächen, 2 Br 1. Hexaöder, Oktaöder und Dodekaöder mit deutlich parallel den Combinationskanten mit dem Okta&der gestreiften Dodekaöder- flächen, wodurch eine Beziehung zu den Krystallen des I. Typus B Nr. 13 gegeben ist (Fig. 47). Ir: 2. Hexaöder mit Tetrakishexaöder (Fig. 6). Mi 3. Hexaöder mit Hexakisoktaäöder. R 4. Hexaöder mit Hexakisokta@der, die hexaödrischen Kanten ein- in. geschnürt, dadurch verwandt den okta@drischen Krystallen mit Ki | eingekerbten Kanten (Fig. 37). Rs. 5. Durchwachsungszwillinge nach dem Spinellgesetz (Fig. 26—28). Ein scharfer Unterschied der einzelnen Typen in Bezug auf ihr Vorkommen läfst sich nicht erkennen, so dals es schwer ist, aus der Form der Krystalle auf ihren Fundort sichere Schlüsse zu ziehen. Im Allgemeinen kann man jedoch gewisse Verschiedenheiten besonders zwischen den Süd-Afrikanischen Diamanten und Brasilianischen feststellen. Bei den Süd-Afrikanischen Steinen, welche sich in einem tuffarti- gen Gestein (Diabastuff) in den Umgebungen des Vaalflusses finden, herrscht der I. Typus entschieden vor und zwar besonders Nr. 6 bis 8 und 14 bis 15, von denen 6 bis 8 zum Schleifen am meisten geschätzt - „werden, weil sie am reinsten sind. Deutliche Einkerbungen der Oktaöder- kanten kann man hier nur selten beobaebten. Die reichste Mine ist die zuletzt entdeckte „Mine de Beer new roche“, welche nach einer brief- lichen Mittheilung des Herrn Gutruf in Hamburg 30 englische Meilen vom Vaalflufs landeinwärts liegt. Die Diamanten finden sich hier, wie in Süd-Afrika überhaupt, in einem Kessel, welcher von festem Gestein um- 18* 140 G. Rose und A. SADEBECK: geben ist. Dieser besteht nach Cohen!) aus Thonschiefer und einem Grünstein, welcher Olıvin-Gabbro sehr ähnlich ist. Aufserhalb des Kessels werden die Diamanten nur spärlich gefunden. Unter den schlechteren Steinen, dem Diamantbort, habe ich vielfach den I. Typus beobachtet, sowie kuglige Aggregationen von Krystallen und ungestaltete, den zerfressenen Quarzen ähnliche Formen. Krystalle, welche den III. Typus zeigen, habe ich aus Süd-Afrika nie gesehen und nur äufserst selten kommen solche nach dem ]. Typus mit Hexaöder- flächen vor. In Brasilien (42) wurden die ersten Diamanten zuerst bei der Stadt Tijuca (Diamantina) im sogenannten Diamantendistrikt auf secundärer Lagerstätte gefunden, später nördlicher in der Provinz Minas Geraes nach Claussen ?) eingewachsen im Itacolumit und zuletzt in Bahia in den Minen von Sincora und Chapada. Aus den letzten habe ich eine ganze Anzahl Diamanten zur Ansicht gehabt, welche hauptsächlich dem 1. Ty- pus angehörten, besonders häufig kuglige und keulenförmige sphaeroi- dische Krystalle, dann aber auch dünn tafelartige Spinellzwillinge. Die oktaödrischen Krystalle zeigten meist mehr oder weniger deutliche Kerben. Dieselben Formen des II. Typus sind auch in Minas Geraes die häufigsten, hier aber kommen daneben die Formen des I. Typus, Nr. 1 bis 5, 11 bis 19 vor, sowie diejenigen des III. Typus, welche sich nur ganz im Norden der Provinz finden sollen. Schon von Spix und von Martius (40) heben das Vorherrschen der sphaeroidisch dodekaödrischen Formen hervor. Unter den indischen Diamanten (45) sind wie in Süd-Afrika die oktaödrischen am häufigsten, jedoch fehlen die sphaeroidisch dodeka&- drischen nicht. Diese kommen auch auf Borneo (27) vor. Von Bissersk im Ural befindet sich im Berliner Museum ein Spinellzwilling mit ge- wölbten Flächen. 1) N. Jahrb. f. Mineral. ete. 1872 S. 857. 2) Bull. de l’acad. de Bruxelles 1841, VIII, Nr. 9. handelte, war die, ob der Diamant als hemiödrisch oder holo@drisch zu Schlufs. Eine Hauptfrage, um deren Lösung es sich in dem Vorhergehenden betrachten ist. Vor allem ist hierzu eine Feststellung des Begriffes der Hemiödrie erforderlich. Zur Annahme der Hemiödrie wurde man zuerst durch tetra&@drisch ausgebildete Krystalle geführt, wie sie z. B. besonders deutlich beim Fahlerz auftreten. Bei diesem Mineral ist die hemiödrische Ausbildung eine so allgemeine, dafs es wohl kaum Krystalle giebt, bei denen sie nicht direkt zur Erscheinung käme. Die tetraödrischen Krystalle zeigen eine verschiedene Ausbildung an den beiden Enden der rhomboädrischen Axen. Dasselbe mufs auch bei den Subindividuen stattfinden, so dafs die durch ihre Einigung ent- stehenden Flächen einer Form in den abwechselnden Oktanten verschieden gebaut, mithin auch eine verschiedene Oberflächenbeschaffenheit haben müssen. Dieser Schlufs, welchen man a priori machen kann, hat auch eine unzweifelhafte Bestätigung gefunden, der Gegensatz der beiden Enden der rhombo&drischen Axen thut sich z. B. beim Borazit und der Blende dadurch kund, dafs die an dem einen Ende der Axen liegenden Tetraöder- flächen glänzend, die an dem entgegengesetzten dagegen matt sind. Die Öberflächenbeschaffenheit der Krystalle ist der Ausdruck ihres Baues und es dürfte wohl kein Mineraloge dieselbe bei frischen Krystallen als von zufälligen Umständen herrührend bezeichnen. Borazit und Blende zeigen nun ferner aufs deutlichste, dafs bestimmte Triakisoktaöder und Hexakis- oktaöder neben den glatten, bestimmte neben den matten Tetraöderflächen auftreten, dals also die Formenentwickelung an den beiden Enden der rhombo&drischen Axen eine verschiedene ist, ganz in ähnlicher Weise, wie bei den hemimorphen Krystallen an den beiden Enden der hemimor- phen Axe. Diese Analogie findet physikalisch vollkommen ihre Bestäti- Me NR, IR RN WERDE BORD ER UPS a aa ih en? A ” En an ua 1 y 142 G. Rose und A. SADEBECK: sung, indem beim Borazit die an den entgegengesetzten Enden der rhom- boödrischen Axen liegenden Flächen sich auch pyro&lektrisch verschieden verhalten, wie die an den beiderleı Enden der Hauptaxe beim Turmalın und Kieselzinkerz. Untersucht man nach den eben angegebenen Gesichts- punkten die Diamantkrystalle, so sind zunächst tetra&drisch ausgebildete Krystalle äufserst selten und reine Tetra&öder fehlen, dann ist kein Unter- schied in der Oberflächenbeschaffenheit der Flächen in den abwechselnden Öktanten, sowie keine Verschiedenheit der Formenentwickelung in den- selben wahrnehmbar. Das elektrische Verhalten lälst sich leider nicht prüfen, da der Diamant nicht leitet. Die Annahme der Hemiödrie kann also nur auf die tetraädrische Ausbildung einzelner Krystalle begründet werden und zwar besonders auf solche, die, indem die Oktaöderkanten gekerbt sind, wie zwei durcheinander- gewachsene tetraödrische Krystalle erscheinen. Da nun aber diese Kerbung der Kanten eine einfache Erklärung in dem deutlich wahrnehmbaren schaligen Bau der Krystalle findet, ist man durch derartige Krystalle nicht mehr zur Annahme der Hemiödrie gezwungen, besonders da auch bei unzweifelhaft holoödrischen Krystallen, z. B. Oktaödern des Bleiglan- zes, des Rothkupfererzes Kerbungen der Kanten vorkommen. Nimmt man keine Hemiödrie an, so ist man der grofsen Schwie- rigkeit überhoben, alle Diamantkrystalle, auch die so häufigen ohne Ker- bungen, mit Ausnahme der tetraödrisch ausgebildeten, für Zwillinge zu erklären und die Zwillinge nach dem Spinellgesetz als Doppelzwillinge. Der ausgezeichnete Schalenbau der Diamanten kann auch dazu dienen, den Umstand zu erklären, dals die Krystalle optisch sehr häufig Doppelbrechungserscheinungen zeigen. Aulser dem Schalenbau sind für dıe Krystallisation des Diamanten die sphaeroidischen Flächen so charakteristisch, dals sie ihm eine ganz besondere Stellung unter den Mineralien des regulären Systems zuweisen, indem bei keinem anderen Mineral eine derartige Culmination von vici- nalen Hexakisoktaödern bekannt ist. Während bei anderen Mineralien Abstumpfungen und Zuschärfungen einfacher Kanten und von Üom- binationskanten gewissermalsen die Flächen miteinander verbinden, so ge- schieht dies hier durch Flächenwölbungen, woraus sich das Fehlen zonen- reicher Formen erklärt. ıte man ur RER, gleichmäfsige Bildung in einer breiartigen schliesen, 144 ernaurm N ig. 10. „bl: . 12. G. Rose und A. SADEBECK: Erklärung der Tafeln. I. Tafel. Seite Hexakisoktaäder g = (a:ta:ta) 5 : ß B : ; 97 do. &, den Oktaöder ähnlich ; : : : e el Et Triakisoktaöder 20 = (a: 4a: 4a) £ 94 Combination von Oktaöder o mit dem Hexakisoktaöder q 97 Dodekaöder ö 5 i & > e i i ; 5 92 Combination von Hexaöder a mit dem Tetrakishexaöder 1 d= (a:ta:o0a) 95 Combination der Fig. 4, in der Mitte getheilt durch eine Dodekaäderfläche 103 Hexakisoktaöder S, dem Dodekaöder ähnlich ß ! ; ; . 96, 101 Combination von Oktaöder o mit Tetrakishexaöder 3 d (a:2a: oe a) und zwei in den rechten untern Oktanten eingezeichneten Flächen des Ikosi- tetraöders t0o=(a:a:ta) . . 3 ® 8 : ® : 93, Combination Fig. 4 am obern Ende, unten nur Hexakistetraöder q 103 Hexakisoktaöder $, nach einer rhombo&drischen Axe verlängert 104 Treppendiamant des Kieler Museums, natürliche Ausbildung der idealen Fig. 9 h : 3 : £ 5 b 5 5 E - sen Bn 125 II. Tafel. . Idealer Oktaöderzwilling nach dem Spinellgesetz 105 . Desgleichen der Combination Fig. 4 106 . Desgleichen des Hexakisoktaäders q E : : ® R 105 . Zwilling nach dem Spinellgesetz, stark verkürzt in der Richtung der Zwillingsaxe, Hexakisoktaöder E und Oktaöder o ; > ; 106 . Parallele Wiederholung der Zwillingsbildung, das vordere Individuum ist gleich dem vorderen von Fig. 14, das mittlere tafelartig mit denselben Flächen und das hintere eine einem Tetrakishexaöder angehörige sechs- seitige Pyramide . : : i . 104, 107 . Fünfling des Goldes von Verespatak 109 . Durehwachsungsoktaöder des Bleiglanzes 112 . Ineinanderwachsungszwilling des Oktaöders 113 . Fünfling, entsprechend Fig. 18 109 . Durchwachsungszwilling des Oktaöders 112 111 . Idealer een von zwei Tetraöderhälften nach dem G. Rose’schen Gesetz ; 115 g. 30. Idealer Durchwachsungszwilling zweier Tetraöder, ach de see wie bei Fig. 29 e . 115,124 . 31.. Desgleichen, mit Flächen des ker hre .115,123 Fig. 32. Horizontalprojeetion zu Fig. 31 2 : - 133 Fig. 33. do. zu Fig. 31 mit ebneikfger, von Tronrlätuaee her- rührender Vertiefung und Subindividuen, das eine Ende des hemimorph ausgebildeten Krystalls der TR Sammlung, das andere Ende entspricht Fig. 32 E 133, Fig. 34. Idealer Zwilling, wie Fig. 31, statt der "Oktaöderflächen an en Karben Hexakisoktaöder & . . .116,126 Fig. 35. Hexakisoktaöder S mit einer N EATEN in etc Oktanten . 122 Fig. 36 und 36a. Horizontalprojeetion zu Fig. 34 mit Ikositetraöderflächen 40 . 94,101, 102, 126 Fig. 37. Horizontalprojeetion eines Hexaöders mit Hexakisoktaöder r, eingekerbte Kanten . 102, 116, 132 IV. Tafel. Fig. 38. Dodekaöder, aufgebaut aus Oktaöderschalen . 122,124 Fig. 39. Oktaöderfläche, mit Streifung durch schaligen Bau, die Schalen von Hexakisoktaöderflächen £ gebildet . 98, 121, 127 Fig. 40. Desgleichen mit regelmäfsigen Vertiefungen 94, 119, 121, 127 Fig. 41. Dodekaäder, projieirt auf eine Oktaöderfläche, mit Zwillingsecken .122,129 Fig. 42. Oktaöder mit Hexakisoktaöder £ und Tetrakishexaöder d, projieirt auf eine Hexaöderfläche . > 5 - . 101, 126, 129 Fig. 43. Hexakisoktaöder S, verlängert sich nach einer Fhärhberkäesunih Axe und an dem einen Ende derselben sich ee . 104,154 Fig. 44. Fläche des Hexakisoktaöders S 96, 120, 129 Fig. 45. Linearprojection für die Br von Here und Tetra- kishexaödern : 100 Phys. Kl. 1876 (2“ Abth)). 3 von Big. 97 auf die eineehens. 111 ammlung). . 102,111 19 vr u, ‚ Inhalt. Vorrede . Einleitung F I rallknen A Bikhanten .A. Einfache Formen und Combinationen 1) Oktaöder, 2) Hexaöder, 3) Dodekaöder #) Ikositetraäder . 5) Triakisoktaöder, 6) Tetrakishexadder 7) Hexakisoktaöder h } B. Ausbildung der Krystalle C. Zwillinge : £ I. Zwillingsaxe eine höknbodäbigälle Axe 5 - a) Aneinanderwachsuugszwillinge mit der Zwillingsebene 1) Oktaäderzwilling, 2) Hexakisokta@derzwillinge 3) Zwillinge der Combination von Oktaöder und Hexakis- oktaöder 4) Wiederholte Zwillingsbildung b) Durchwachsungszwillinge 1) Hexaöderzwillinge > . 5 2) Oktaödrische Durchwachsungszwillinge ll. G. Rose’sches Gesetz Ill. Doppelzwillinge . ll. Krystallotektonik i 1) Gestalt der Subindividuen 2) Stellung der Subindividuen Beben 3) Einigung der Subindividuen R e ’ : r Regelmäfsige Einigung zu Schalen in sie Hauptflächen (Oktaöderflächen) Ungleichmälsigkeit des Baues e e Einigung in tektonischen Nebenflächen, SER ELRN dodekad- drischen Flächen 19* " Absätze in der | Einschlüsse Gestörte Einigung 4) Gesetze der Anordnung der Subindividuen > 5 I. , "Krystalltypen ne. NER I. Der oktaödrische Typus 5 II. Der sphaeroidisch dodekaödrische Menu Ill. Der hexaödrische Typus : B B Typen der verschiedenen Fundorte Schlufs ’ . . . . Taf.l. MEIN. A ED :@ IIEND: SERIEN : \ SOG N DS N a Va N @ “ & Q \ Be: i 6.Rose u.A.Sadebeck Krystallisation N 3 7 K 2 T \ N G.Rose u.A.Sadebeck .Krystallisation des Diamanten . Phys. Kl.1876 Aigti AL \g/ m Fig. 1. af | \ AN FEN (2 % \ 6.Rose u.A.Sadebeck. Krystallisation des Diamanten. Phys.Kl.1876. Taf.I. A x 7 — x m I \ 6. Rose u.A.Sadebeck . Krystallisation des Diamanten. Phys.Kl.1876. Taf. IV. dA Sadebech: gex k BD: AN oo rt Ve A Ve a Fr ir ne ee is er en” % h 1 AN X BOY: tt DLUNGEN DER MEN, Du [A 7 in e ) N KÖNIGLICHEN Ben) AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. 3 . AUS DEM JAHRE v 1876. in. E Pa} b en Bi BERLIN. 2. BUCHDRUCKEREI DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN Br (6. VOGT) ö in. UNIVERSITÄTSSTR. 8. 4 1877. IN COMMISSION BEI PFERD. DÜMMLER'S VERLAGS-BUCHHANDLUNG. (HARRWITZ UND GOSSMANN.) RR \ A Ni F a a RT ALTE Bl Ka RER RAT N RL r } RT ET or 0 NT UHR, } oh il f Her ER rn Dun ER aa N RR mh MRPRNET, i RABEN. Irhark Seite Kunuer: Neue Versuche zur Bestimmung des Angrifispunktes der Resultante des Luftwiderstandes gegen rechteckige schiefe Ebenen . . . 2 2.2... 1 WEIERSTRASS: Zur Theorie der eindeutigen analytischen Funetionen . . . .. 1 rn ia Az Mala: der? ne Ua Hleakleeel | aa le Panne a RE y 3 ai u ee A ee a yigg dd Deo vahnle Y Fa ÄR h * “ u 708 des i | Im, gri fspunktes der Resultante des Luftwiderstandes gegen rechteckige schiefe Ebenen. [Zusatz zu der Abhandlung: Ueber die Wirkung des Luftwiderstandes etc., v Jahrgang 1875 der Abhandlungen.] Vo H” E. E. KUMMER. Be [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 26. October 1876.] Se H. der Abhandlung über die Wirkung des Luftwiderstandes auf Körper Bi; von verschiedener Gestalt, in’s besondere auch auf die Geschosse, Jahr- gang 1875 der Abhandlungen der mathematischen Klasse der Akademie pag. 1 ete., deren experimenteller Theil sich nur auf die Bestimmung des ——— Angriffspunktes des Luftwiderstandes beschränkt, habe ich die rechteckige 5 Ebene, als denjenigen Körper, bei welchem die in Betracht kommen- den besonderen Umstände der Wirkung des Luftwiderstandes in der _ grölsten Reinheit und Einfachheit auftreten, von pag. 37 bis 48 eingehend behandelt, und mehrere Versuchsreihen gegeben, durch welche für ver- schiedene Reehtecke die Abhängigkeit des Angriffspunktes der Resultante h von dem Winkel, unter welchem sie vom Luftwiderstande getroffen wer- den, bestimmt wird. Die Platten, mit welchen ich die Versuche ange- stellt habe, litten aber, wie ich daselbst schon bemerkt habe, an gewissen —— Unvollkommenheiten, durch welche die Genauigkeit der Resultate beein- _ trächtigt werden mufste. Sie waren der Leichtigkeit wegen aus dünnem Zänkblech oder auch aus dünner steifer Pappe hergestellt, mit recht- winklig umgebogenen Längsrändern, welche den Zweck hatten durch eine Reihe in denselben angebrachter runder Löcher der durch eine Stahlnadel gebildeten Drehungsaxe eine Reihe verschiedener Lagen geben zu können, und zugleich auch das Verbiegen der Platten unter der Wirkung des Luftwiderstandes zu hindern. Der eine der daraus entspringenden pag. 41 Mathem. Kl. 1876. l Wt Mn t on N iR ; Kun FL A 14 rd 2 Kumner: Neue Versuche zur Bestimmung erwähnten Nachtheile, dafs bei dieser Vorrichtung die Drehungsaxe der Platte nicht in der Ebene selbst, sondern derselben parallel liegt in einer Entfernung von etwa 1,5 Mm., dafs also, wenn der Luftwiderstand nicht vollkommen normal gegen die Platte drückt, sondern auch eine tangen- tiale Componente hat, welche als das Maals der Reibung der Luft gegen die Platte angesehen werden kann, ist, wie ich mich aus mehreren hier- über angestellten Versuchen überzeugt habe, zu unbedeutend, um auf die Bestimmung des Angriffspunktes der Resultante bei der hierbei überhaupt zu erreichenden Genauigkeit einen merklichen Einflufs zu haben. Dagegen habe ich mich bei wiederholten Versuchen überzeugt, dafs die Verbie- gungen der von mir gebrauchten Platten, gegen welche die umgebogenen händer keinen genügenden Schutz gewährten, sowohl die durch den Luft- druck selbst bewirkten, als auch die zufälligen Verbiesungen, welche namentlich durch das Aufkleben der zur Aequilibrivung nöthigen Gegen- gewichte verursacht wurden, die Genauigkeit der gefundenen Resultate so stark beeinträchtigt haben, dafs der Fehler in der Bestimmung der Winkel @ in einem Falle sogar bis 12° aufsteist. Aus diesem Grunde habe ich die Versuche mit der Ebene wiederholt und zwar mit Platten, welche gegen alle zufälligen, dauernden Verbiegungen vollständig geschützt sind und zugleich leicht, aber stark genug, um auch durch den Luftwider- stand selbst nicht in ihrer Gestalt verändert zu werden, auch habe ich eine möglichst vollkommene Aequilibrirung derselben nicht durch an die Platte selbst angeklebte, sondern an der (Jueraxe angebrachte, leichter zu regulirende Gewichte hervorgebracht. Die Platten, mit denen ich die hier folgenden genaueren Versuchs- reihen ausgeführt habe, sind aus Spiegelglas geschnitten, dessen geringe Dicke von 1,25 Mm. hinreichend ist, um jeder merklichen Verbiegung durch den Luftwiderstand selbst zu widerstehen, während sie vermöge der Elastieität des Glases keinen zufälligen, dauernden Verbiegungen aus- gesetzt sind. Auf jeder solchen Rechtecksplatte ist an ihren beiden Längs- seiten, von der Mitte aus nach einer und derselben Richtung hin eine Millimetertheilung angebracht, welche zur Bestimmung der Lage der Queraxe namentlich ihrer Entfernung & vom Mittelpunkte der Platte dient. Die Queraxe, an welche die Platte zu befestigen ist, und mit welcher sie sich frei drehen kann, wird durch einen Messingeylinder von 5 bis 6- eh Ne olcher m zwei genau eentrirten Zap- De ne et sind, Sch, frei drehen kann. EEE: mittlere Theil dieser Queraxe, in der Ausdehnung, welche durch die «rn Breite der an sie zu befestigenden Glasplatte bestimmt wird, ist aber 2 nicht eylindrisch, sondern wird durch eine Stahlplatte von 1,25 Mm. Dicke | und 12 Mm. Breite gebildet, welche die beiden eylindrischen Theile fest Ku _ mit einander verbindet und so in dieselben eingelassen ist, dals wenn die nn Glasplatte mit Klebwachs darauf befestigt ist, die Axe der cylindrischen Be Theile in der vorderen Fläche der Platte liegt. Die zum Aequilibriren nöthigen Gegengewichte werden nun an dem einen Ende der eylindrischen — Axe angebracht. Um sie zugleich fest und leicht verstellbar an dieselbe zu befestigen dienen eylindrische Ringe, welche auf die Axe aufgeschoben und durch Klemmschrauben in jeder Lage festgestellt werden können. H In jeden Ring ist ein dünner Cylinder von Stahl von etwa 50 Mm. Länge fest eingelassen, welcher, wenn der Ring auf die Axe gesteckt ist, zu derselben senkrecht steht und in seiner ganzen Länge mit einer engen Schraubenwindung versehen ist, auf welche ein Gewicht von Messing auf- geschraubt und durch weiteres Schrauben in jeder beliebigen durch die Länge der Schraube gestatteten Entfernung von der Axe festgestellt werden kann. Die richtige Stellung des an den Ring befestigten Stahl- ? stabes mit der Schraubenwindung und des kugelförmigen oder cylinder- förmigen Gegengewichtes auf demselben, bei welcher der Schwerpunkt des ganzen aus der Glasscheibe der eylindrischen Axe mit der Stahlplatte und aus den an dieselbe angeschraubten Gewichten bestehenden festen Systems genau in der Axe liegt, und auch bei der Drehung des Systems in der Axe bleibt, ist experimentell leicht zu finden, besonders weil die enge Schraubenwindung, in welcher das Messinggewicht geht, jede noch so geringe Aenderung der Entfernung von der Axe mit grolser Sicherheit zu bewirken gestattet. Das Gegengewicht ist aber so dem direeten Wider- stande der Luft mit ausgesetzt, welcher auf die zu ermittelnde unter der Einwirkung des Luftwiderstandes gegen die Platte allein statthabende Gleichgewichtslage störend einwirken würde. Um diese störende Einwir- kung zu compensiren, bringe ich noch ein zweites ebenso gestaltetes Ge- gengewicht von Kork an, welches so gestellt wird, dafs es mit der Rich- li: 4 Kuuuer: Neue Versuche zur Bestimmung tung des Luftwiderstandes, also mit der Horizontalebene, auf der entge- gengesetzten Seite derselben liegend, denselben Winkel macht, als das schwere Messinggewicht, mit welchem es symmetrisch gegen die Richtung des Luftwiderstandes liegt. Es versteht sich, dafs nach Anbringung dieses Korkgewichts das Gleichgewicht wieder regulirt werden mufs, denn die Genauigkeit der Beobachtungen hängt wesentlich davon ab, dafs wenig- stens in der Nähe des zu untersuchenden Winkels « die Wirkung der Schwerkraft auf Drehung des Systems vollständig aufgehoben werde. Dagegen ist eine genaue Compensation des Luftwiderstandes, welchen das Messinggewicht erleidet, durch das Korkgewicht weniger erforderlich, weil die Widerstände, welche beide Gewichte in ihrer Bewegung durch die Luft erleiden, überhaupt nur kleine Gröfsen sind und wegen der Nähe an der Axe nur geringe Drehungsmomente haben. Bei dieser Einrichtung des Apparates ist die zu untersuchende rechteckige Platte sowohl von den umgebogenen Rändern als auch von den angeklebten Gegengewichten auf der Rückseite frei und hat nur an der (ueraxe einen erhöhten Streifen von 1,25 Mm. Höhe und 12 Mm. Breite, welcher die vollständige Ebenheit unterbricht, und durch die auf der hinteren Seite liegende Stahlplatte gebildet wird. Da diese an sich nur unbedeutende Erhöhung ganz in der Nähe der Axe liegt, so wird sie, wenn diese Rückseite statt der vollkommen ebenen Vorderseite dem direeten Luftwiderstande ausgesetzt wird, nur einen sehr geringen Einflufs auf Drehung und mithin auch auf die zu untersuchende Gleichgewichts- lage ausüben können. In der That haben die in dieser hücksicht von mir angestellten Versuche gezeigt, dafs diese hintere Seite zur Bestim- mung des Winkels « für ein jedes gegebenes d eben so gut zu gebrauchen ist, als die vordere, vollkommen ebene, da die sich ergebenden geringen Unterschiede bald positiv bald negativ ausfielen, und darum nicht auf eine einzige bleibende stets in demselben Sinne wirkende Ursache, sondern nur auf allerlei zufällige Störungen deuteten. Man kann daher bei diesem Apparate ebenso wie bei den Rotationskörpern für eine jede bestimmte Lage der Queraxe, d.i. für jeden gegebenen Werth des Z, vier verschie- dene, zusammengehörende Beobachtungen des Winkels « anstellen, näm- lich sowohl für die obere, als auch für die untere Gleichgewichtslage und sodann für beide noch einmal, nachdem man die Axe umgelegt hat, und des Angriffspumktes der Resultante des Luftwiderstandes etc. 5 weil diese verschiedenen Beobachtungen von gleichem Werthe sind, so können sie sich gegenseitig controliren und zur Compensation der zufäl- ligen Ungenauigkeiten benutzt werden. Mit dem beschriebenen Apparate habe ich nun zunächst die pag. 39 gegebene mit dem alten Apparate angestellte Versuchsreihe für ein Recht- eck von 180 Mm. Länge und 90 Mm. Breite wiederholt, weil diese Di- mensionen der ebenen Platte für die Gröfsenverhältnisse des an dem Ro- tationsapparate angebrachten viereckigen Rahmens besonders gut geeignet sind. Unter Beibehaltung der in der genannten Abhandlung gebrauch- ten Bezeichnungen $ und « für die Entfernung der Drehaxe von der Mitte der zu untersuchenden Platte und des Winkels, welchen dieselbe mit der Richtung der Horizontalebene bildet, wenn sie unter der alleini- gen Wirkung des Luftwiderstandes im Gleichgewichte ist, habe ich fol- gende genauere Versuchsreihe erhalten. Rechteck von 180 Mm. Länge und 90 Mm. Breite. = 0Mm. «= 90° | e—.19, @=-805, Agy 5, | e=24NMm. «=355, *Au—=9, &— 4, GO SU — EL: | li DON 26, ae=68, AA=10, | 2 = 28, u >28, Bun N 2 =i58 , Aa 10. ea 228, Ba==n, uw, a == 59, Ab Ib Ver nd nllgı Va“ Kr 12, WA Au — IE a} Do N — er 2 14, == #0, Ad. Ion 105200, ==, ma: £=1T6, 243: Bar= MC en £ © 18, eh. Ba | Cu e—= 8 Kl, ge —=20, 2=.3J, Ad SINE —=A4, ea—= 1, Aal, e—='22, e=3, A—=%, | =44, unbestimmt. Die gröfste Abweichung der Resultate dieser Versuchsreihe von den früheren findet für & = 30 statt, wo sie für den Winkel « 12° be- trägt, um welche derselbe mit dem verbesserten Apparate kleiner gefun- den ist. Ueberhaupt ergiebt sich, dafs die Werthe des « mit den un- vollkommneren Vorrichtungen durchgängig zu grofßs ausgefallen sind, wel- ches darin seinen Grund hat, dafs die Verbiegungen, welche die Platten von Zinkblech oder von dünner steifer Pappe, sowohl durch den Wider- 6 Kummer: Neue Versuche zur Bestimmung stand der Luft selbst, als durch die hinten angeklebten Gewichte zu er- leiden hatten, nur von der Art waren, dafs die Ebene cylindrisch. ge- krümmt wurde und die convexe Seite der Krümmung stets die dem Luft- widerstande ausgesetzte war. Bei einer solchen Verbiesung muls aber der vordere Theil der Fläche, vom Luftwiderstande unter einem grölseren Winkel getroffen werden, als der hintere Theil, und darum der Winkel « gröfser ausfallen, als für eine richtige Ebene. Darin, dafs in der Nähe von &= 8 und von & = 32 die Werthe der Differenzen des « sehr auf- fallende Maxima haben, stimmen diese genaueren Beobachtungen ganz mit den früheren überein. Die auf pag. 43 aus den Versuchen mit einer solchen Ebene ge- zogene Folgerung, dafs eine Windfahne von 180 Mm. Länge und 90 Mm. Breite, deren Drehungsaxe die Fläche in zwei Theile von 120 Mm. und 60 Mm. Länge theilt, um nicht weniger als 35° falsch zeigt, mufs nach diesen genaueren Beobachtungen dahin modificirt werden, dafs bei einer solchen Windfahne der Fehler regelmälsig 23° betragen wird. Mittelst der verbesserten Vorrichtungen habe ich auch den Einflufs der Breite der rechteckigen Ebenen auf die Lage des Angrifispunktes der kesultante des Luftwiderstandes für die verschiedenen Neigungswinkel « der Ebene vollständiger untersucht, indem ich für “eine Anzahl von Ebenen, welche alle dieselbe Länge von 180 Mm. aber die verschiedenen Breiten von 90 Mm., 60 Mm., 30 Mm., 20 Mm. und 10 Mm. haben, voll- ständige Versuchsreihen ausgeführt habe. Die Lage des Angrifispunktes der Resultante würde bei derselben Länge für alle verschiedenen Breiten der Platten dieselbe sein, wenn der auf der Ebene von vorn nach hinten sich bewegende Luftstrom keinen seitlichen Abflufs hätte. Je schmaler aber die Platte ist, desto stärker wird verhältnifsmälsig der seitliche Ab- Huls dieses Luftstromes sein, und desto weniger wird die stets neu hin- zutretende Luft diesen Luftstrom von vorn nach hinten zu stets verstär- ken. Bei einer unendlich schmalen Platte würde em solcher Luftstrom überhaupt gar nicht entstehen können, der Druck der Luft würde also an allen verschiedenen Stellen derselbe sein, der Angriffspunkt der Re- sultante würde alsdann für alle verschiedenen Neigungswinkel « stets nur in dem Mittelpunkte der unendlich schmalen Platte liegen. Je geringer nun die Breite der Platte ist, desto mehr wird die Lage des Angrifts- des Angriffspunktes der Resultante des Luftwiderstandes etc. 7 punktes der Resultante sich diesem Grenzzustande nähern und desto weniger wird sich die Lage dieses Punktes für verschiedene Werthe des a von dem Mittelpunkte der Platte entfernen. Dieses leicht vorherzu- sehende Resultat wird durch die folgenden Versuchsreihen durchaus be- stätigt, welche ich, um die Vergleichung zu erleichtern, hier zusammenstelle. Rechtecke von 180 Mm. Länge: 90 Mm. br. | 60 Mm. br. | 30 Mm. Bi Mm. br. | 10 Mm. br. a Aa a a a Aa a Au [) Aa 90°, 90°, 90°, 90°, 90°, tan rar: Ita; 4 ENTE RTE (BEE RETTEN BETT GUTRGB, 105 168; .11, 177,067, EB, 10,7 582.10, 69, 75 774, a, BEREITS, 0, TER, ae A052, 1163, 35], >, I I 0 1 an De a Ber 16 | 43, 2,150, 1, | 59, _2, | 60, 1, | unbestimmt. 18 [41, 2,|49, 1,|57, 2,]59, 1, 201.39, 92 1A8 >1, (555. ME, Ba\ 37. 8.146,79. 58,2, 155,3, 24 | 35, 2, |43, 3, | 50, 3, |wnbestimmt. 2033. 9,.1:38.,8,. 045.5, 28 | 28, 5, | 27, 11, |undestimmt. 30°193, 5, 19, 1A, sarrTte, 7, 1711, 09 sl: 3, 36 10. 8, unbestimmt. 38 Als 40 A IR Bee 1, 44 | unbestimmt. r Vera WR PN LaBRe BE DENE: 30 AETISST N FE Eh Ener A ntisc Ku eine EST TADSEUHENHAERBEEN % ' N )) AN. BEER VENTO NE SIR ER APR NEED [eo ) Kummer: Neue Versuche zur Bestimmung Diese Beobachtungen zeigen, dafs der Spielraum, innerhalb dessen bei veränderlichem Winkel « der Angriffspunkt der Resultante sich be- wegt, nur auf eine bestimmte Entfernung vom Mittelpunkte der recht- eckigen Ebene sich erstreckt, welche bei dem Rechtecke von 90 Mm. Breite weniger als 44 Mm., von 60 Mm. Breite weniger als 36 Mm., von 30 Mm. Breite weniger als 28, von 20 Mm. Breite weniger als 24 und von 10 Mm. Breite weniger als 16 Mm. beträgt. Dieser Spielraum, in- nerhalb dessen zu einem gegebenen Werthe des $ ein bestimmter realer Werth des « gehört, über welchen hinaus aber keine realen Werthe des « statthaben, es sei denn der Werth « = 0, für welchen der Widerstand der Luft gleich Null ist, wird also bei abnehmender Breite der Recht- ecke in der That immer kleiner. Aulser diesen Rechtecken habe ich noch ein Quadrat genauer un- tersucht, und zwar ein Quadrat von 90 Mm. Seite, da für ein Quadrat von 180 Mm. Seite, welches ich vorgezogen haben würde, weil es sich ganz an die untersuchte Reihe von hechtecken würde angeschlossen haben, die Dimensionen des rechteckigen Rahmens an der Rotations- maschine nicht ausreichten. Die Werthe des Z, für welche die zugehö- rigen Werthe des « einzeln beobachtet sind, haben in dieser Versuchs- reihe die Differenz von 1 Mm. j (JQuadrat von 90 Mm. Seite: = .0,NMmis er =4902, al ei 184. Auch, 1a; a. 21. ‚Ace @ 2; Mill, A =. Ti, GA, a — 1), An 9). & 3, ee ONEENGaE un, ia) u. —- 1.8, 7A Gr A, a — ei er, G@— 46, = 6A er 252, Ba —- 0, ls a.—:14,, Auen er a er AA ar ae Be le u — Or ARE ee u ad, Al), @— u—,12,, "Ace = 8, DSH AG 9 — 908 ©. 10, "Au ee N BR, aa — 7, — 2 © —18,..Aaı DR 10} er, Nele ee a —— le A a Sllil; NK — Il: a), WW —_ 19,7 Aue SI PN gan unbestimmt. von Ei Mm. Seite. Man kann en diese Traiolinteihe mit zu den oben gegebenen hinzufügen, wenn man die Werthe des £ verdoppelt. Mathem. Kl. 1876. 12 OHNE hl AR an r of Bi ar RR eitaahe BOY "ET, . WR af Rh Da un N BURN 8 ee IR BR Ri DR WERE AN j at Ma Ir: Zur Theorie der eindeutigen analytischen Funetionen. Von H"" WEIERSTRASS. (Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 16. October 1876.] 1. Vorbemerkungen. Bi: den eindeutigen analytischen Functionen einer Veränderlichen bilden die rationalen eine in sich abgeschlossene Klasse, deren charak- teristische Eigenthümlichkeit zunächst festgestellt werden soll. Ich will von einer eindeutigen Function f(x) -sagen, sie verhalte sich in der Umgebung einer bestimmten Stelle « regulär, wenn sie für alle Werthe von x innerhalb des Bezirks, in welchem der absolute Be- trag von (@«— a) kleiner als ein gewisser Grenzwerth ist, in Form einer Reihe A, +A,@— )+A, (a — a)’ -+..., deren Coöfficienten bestimmte, von x unabhängige Werthe haben, darge- stellt werden kann. Dies gilt auch, wenn @« —= ist, indem ich in die- sem Falle der Formel X& — 00 a 1 die Bedeutung von — gebe. 4 Ich will ferner im Gebiete der Grösse x jede Stelle «’, in deren Umgebung /(«) sich nicht regulär verhält, eine singuläre nennen, da- bei aber unterscheiden, ob f(x) durch Multiplication mit einer gan- zen Potenz von (© — da) in eine in der Umgebung von «a regu- lär sich verhaltende Function verwandelt werden kann oder 9% 12 WEIERSTRASS: nicht; im erstern Falle betrachte ich « als eine ausserwesentliche, im andern als eine wesentliche singuläre Stelle. Hiernach hat für x —= a die Function f(x) einen bestimmten Werth nicht nur, wenn f(x) in der Umgebung von a sich regulär ver- hält, sondern auch wenn die Stelle « eine ausserwesentliche singuläre ist. Denn in beiden Fällen lässt sich f(x) für hinlänglich kleine Werthe von («e — a) in der Form Id) = a — "(A +A@— )+A,@— a)’ +...) so darstellen, dass m eine ganze Zahl ist und A, einen von Null ver- schiedenen Werth hat; und es ist also, wenn m > 0, für jeden unendlich kleinen Werth von («— a) der entsprechende Werth von /(x) unendlich gross, und für © = a ergiebt sich (a) = ©. Aus dem vorstehenden Ausdruck von f(x) ergiebt sich zugleich, dass innerhalb des Oonvergenzbezirkes der eingeklammerten Reihe eine singuläre Stelle nicht existirt, wenn m 0, und nur die eine a, wenn m>>0 ist. Daraus folgt weiter, dass eine Stelle, von der sich nachwei- sen lässt, dass auch in einer unendlich kleinen Umgebung derselben von ihr verschiedene singuläre Stellen existiren, nothwendig eine wesentliche singuläre Stelle ist. Dies vorausgeschickt lässt sich nun dıe Klasse der rationalen Func- tionen einer Veränderlichen (x) definiren als die Gesammtheit der- jenigen eindeutigen Functionen von &, für die es im Gebiete dieser Grösse nur ausserwesentliche singuläre Stellen giebt. Ist nämlich erstens f(x) eine rationale Function — im gewöhn- lichen Sinne — und « irgend ein bestimmter Werth von x, so kann man /(x) zunächst als Quotient zweier ganzen Functionen von (w@— a), die für & = a nicht beide gleich Null sind, darstellen und sodann, wenn von den nicht verschwindenden Gliedern des Divisors das niedrigste von der mten Ordnung ist, bei hinlänglich kleinen Werthen von (2 — a) (2 — a)" fa) in eine Reihe von der oben angegebenen Form entwickeln; d.h. es exi- stiren für die Function f(x) nur ausserwesentliche singuläre Stellen. Angenommen zweitens, es sei /(x) eine irgendwie definirte eindeu- tige Function, man wisse aber, dass für dieselbe wesentliche singuläre a & 2 kit \ er bei ; angenommenen Stelle a die Function in der vorhin Aa SEN (A, +A,(@ — a) +A,(@ — a)’ +...) N Ban ist. Nimmt man zunächst @a—= &, so giebt es nach dem Obigen im Innern des Convergenzbezirkes der eingeklammerten Reihe ent- v. weder gar keine singuläre Stelle, oder nur die eine ©, wenn m > 0 ist. Sämmtliche singuläre Stellen — ausser © — sind also in einem ganz a im Endlichen liegenden Bereiche zu suchen. In demselben kann es aber ie nur eine endliche Anzahl solcher Stellen geben. Existiren nämlich für wi irgend eine eindeutige Function im Innern eines begrenzten Bereichs un- a endlich viele ausserwesentliche singuläre Stellen, so giebt es im Innern oder an der Grenze des Bereichs wenigstens eine Stelle, welche sich da- dureh auszeichnet, dass in jeder Umgebung derselben von ihr verschie- dene singuläre Stellen vorhanden sind, und die somit nach dem vorher Bemerkten eine wesentliche singuläre Stelle für die Function ist. Es ergiebt sich also aus der angenommenen Beschaffenheit der betrachteten Funetion f(&) mit Nothwendigkeit, dass es für sie nur eine endliche Anzahl singulärer Stellen geben kann. Es ist nun zunächst der Fall möglich, dass /(«) in der Umgebung g jeder ım Endlichen liegenden Stelle sich regulär verhält, also durch eine für jeden endlichen Werth von x convergirende Reihe von der Form A, +A,. +4, —+ dargestellt werden kann. Da die Stelle ©, wenn sie überhaupt eine sin- guläre Stelle ist, nur eine ausserwesentliche sein kann, so muss sich eine ganze, nicht negative Zahl m so bestimmen lassen, dass OWi) für jeden unendlich grossen Werth von x unendlich klein ist. Dies aber ist nach meinem bekannten Satze nur möglich, wenn in der vorstehen- den ‚Reihe alle Coöfficienten, deren Index > m ist, verschwinden. In dem Falle ferner, dass auch im Endlichen singuläre Stellen vor- handen sind, mögen dieselben mit 14 WEIERSTRASS: bezeichnet werden, sowie mit m, die kleinste ganze Zahl, durch welche be- wirkt werden kann, dass die Function @— a)" fl) in der Umgebung der Stelle a«, sich regulär verhält. Dann ist 2 my \ m Z («—a,) ...(@— a) "f(@) eine Function, welche in der Umgebung jeder ım Endlichen liegenden Stelle sich regulär verhält, woraus nach dem Bewiesenen folgt, dass f(x Oo 2 ’ in der Form G(&) dargestellt werden kann, wo G@(x) eine ganze rationale Function von & bedeutet. Hiermit ist bewiesen, dass in der gegebenen Definition wirklich die charakteristische Eigenthümlichkeit der rationalen Functionen einer Veränderlichen ausgesprochen wird. Durch die vorstehenden Erörterungen ist aber auch für die Be- handlung der eindeutigen transcendenten Functionen eines Arguments ein Fingerzeig gegeben, und namentlich der Weg bezeichnet, welcher zu einer Eintheilung derselben in Gattungen nach einem sachgemässen Prineip führen muss: die Untersuchung der Möglichkeiten, welche bei ihnen ın Betreff des Vorkommens der wesentlichen singulären Stellen vorhanden sind. Aber auch ohne diese Möglichkeiten — welche, wie ich später zeigen werde, zahlreicher und mannigfaltiger sind als man, die bisher un- tersuchten Functionen überblickend, anzunehmen geneist sem möchte — vollständig zu übersehen, wird man in den eindeutigen Functionen mit einer endlichen Anzahl wesentlicher singulärer Stellen die den rationa- len Functionen am nächsten stehenden erkennen, und als Einer Gattung angehörend alle diejenigen betrachten, bei denen die Zahl solcher Stellen dieselbe ist. Man überzeugt sich leicht, dass es Functionen dieser Art mit be- liebig vielen, und zwar vorgeschriebenen wesentlichen singulären Stellen wirklich giebt. Wie oben bemerkt worden, wird durch jede unendliche Reihe Zur Theorie der eindeutigen analytischen Functionen. 15 A, +4. +4. + ..., deren Coöfficienten gegebene Constanten und so beschaffen sind, dass die Reihe für jeden endlichen Werth der Veränderliehen x convergirt, eine Function mit der einen wesentlichen singulären Stelle & dargestellt. Dasselbe gilt, wie in ganz ähnlicher Weise gezeigt werden kann, wenn @,(&), @,(x) zwei solche Functionen sind — wobei jedoch eine von ihnen auch eine ganze rationale sein darf — für den Quotienten @,(2) @,(&) in jedem Falle, wo derselbe nicht auf eine rationale Function reducirt werden kann. Dies vorausgesetzt seien nun G, (2,) 2 G, (2,) er Ga) 9 G,(@,) irgend n Paare solcher Funetionen, ®, ...x, aber lineare Functionen von x, welche an n verschiedenen, im Übrigen willkürlich anzunehmenden Stellen unendlich gross werden; so ist ar ale J@) = 11 G,,(2,) eine eindeutige Function von x, für welche RT: wesentliche singuläre Stellen sind, während sie in der Umgebung jeder andern Stelle sich wie eine rationale Function verhält. Zusammengesetztere Ausdrücke solcher Functionen kann man bil- den, indem man in einer beständig convergirenden unendlichen Reihe von der Form Do Pi EN. oder auch in einer rationalen Verbindung mehrerer solcher Reihen für X, %,,...%, beliebige rationale Funetionen der Veränderlichen & substi- tuirt: die so sich ergebende Function von x hat dann keine andere we- IR N 16 WEIERSTRASS: sentliche singuläre Stellen als diejenigen, an denen eine der Grössen &,...x, unendlich wird. Nun ist im Vorhergehenden gezeist worden, dass man von einer Function f(x) nur zu wissen brauche, sie sei eine eindeutige Function ohne eine wesentliche singuläre Stelle, um sicher zu sein, dass sie als (Quotient zweier ganzen rationalen Functionen von & (von denen sich eine auf eine Constante reduciren kann) dargestellt werden könne; mit ande- ren Worten, es ist nachgewiesen worden, dass durch die beiden ange- nommenen Eigenschaften der Function auch die Art der arithmetischen Abhängigkeit ihres Werthes von dem Werthe der unabhängigen Veränder- lichen bedingt und bestimmt ist. Dadurch ist die Frage nahe gelegt, ob für die eindeutigen Functionen mit einer endlichen Anzahl wesent- licher singulärer Stellen etwas Ähnliches gelte — ob es möglich sei, arithmetische, aus der Veränderlichen x und aus unbestimmten Constan- ten zusammengesetzte Ausdrücke aufzustellen, welche sämmtliche Func- tionen einer bestimmten Gattung — und nur diese — umfassen. In der vorliegenden Arbeit findet diese Frage, in der ein den Ele- menten der Functionenlehre angehöriges, allgemeines und zugleich wohl- begrenztes Problem ausgesprochen ist, ihre vollständige Erledigung. Das Resultat ist einfacher als die Mannigfaltigkeit der Formen, in denen, wie die gegebenen Beispiele lehren, Functionen der in Rede stehenden Art auftreten können, es erwarten liess. Unter den fraglichen Functionen — die rationalen jetzt eingeschlos- sen — sind die einfachsten diejenigen, für welche es im ganzen Gebiete der unabhängigen Veränderlichen nur eine Stelle giebt, in deren Umge- bung sie sich nicht regulär verhalten. Liegt diese Stelle im Unendlichen, so kann, wie bekannt, eine solche Function stets dargestellt werden durch eine Reihe von der Form A,+42: +4,82 +..., in der & die unabhängige Veränderliche, die Coöfficienten A,, A,, A, ... aber constante (gegebene oder doch eindeutig definirbare) Grössen bedeu- ten; so wie anderseits jede Reihe von dieser Form, wenn sie für jeden endlichen Werth von x convergirt, der Ausdruck einer eindeutigen Fune- tion von x mit der einen singulären Stelle © ist. Eine solche Function " R r DEREN ERS Fo 14 Ka die Stelle © eine ausserwesentliche singuläre ist, und die 2 Reihe aus einer endlichen Anzahl von Gliedern besteht, und transcen- pi: denten, für welche & eine wesentliche singuläre Stelle ist, und die Reihe t ; „unendlich viele Glieder hat. Als Funetionszeichen für eine unbestimmte, x j in der in Rede stehenden Form ausgedrückt gedachte Funetion verwende a ‚ich auch im Folgenden den Buchstaben G, und unterscheide, wenn meh- ‚rere solche Functionen zu bezeichnen sind, die einzelnen durch hinzuge- Yin fügte Indices. B Dies vorausgesetzt ist nun die Beantwortung der gestellten Frage in folgenden Sätzen enthalten. F A. Der allgemeine Ausdruck einer eindeutigen Function von x mit ; nur einer (wesentlichen oder ausserwesentlichen) singulären Stelle (e) ist (): ‘ A 1 . wo der obigen Festsetzung gemäss, wenn c=w, — die Be- 2 —c deutung von x hat. Die singuläre Stelle ist eine wesentliche Fr oder ausserwesentliche, jenachdem @ eine transcendente oder eine rationale ganze Function von x ist. B. Der allgemeine Ausdruck einer eindeutigen Function von x mit n (wesentlichen oder ausserwesentlichen) singulären Stellen (e, ... c,) kann in mannigfaltiger Weise aus n Funetionen mit je einer singulären Stelle zusammengesetzt, am einfachsten aber in den nachstehenden Formen aufgestellt werden: n 36(2,) 9 Aal)wo. | wo R*(x) eine rationale Function bedeutet, welche nur an den wesentlichen singulären Stellen Null und unendlich gross wird. C. Jede eindeutige Function von «, welche n wesentliche singu- - läre Stellen (c,...c,) und ausser diesen noch beliebig viele Mathem. Kl. 1876. 3 18 WEIERSTRASS: (auch unendlich viele) ausserwesentliche hat, kann in jeder der beiden nachstehenden Formen: ausgedrückt werden, und zwar dergestalt, dass Zähler und Nen- ner für keinen Werth von x beide verschwinden. Umgekehrt stellt, wenn die Functionen @,...@,, willkür- lich angenommen werden, jeder dieser Ausdrücke eine eindeu- tige Function von x dar, welche im Allgemeinen n, in speciel- len Fällen auch weniger als » wesentliche singuläre Stellen hat — welchen Beschränkungen die Wahl der @ unterliegt, wenn das Erstere stattfinden soll, wird später angegeben — während die Anzahl der ausserwesentlichen singulären Stellen, an denen die Function unendlich wird, unbeschränkt ist. Von dem Verhalten der eindeutigen Functionen mit einer endlichen Anzahl wesentlicher Stellen in der Umgebung einer solchen Stelle wird weiter unten die Rede sein. Von diesen Sätzen war bisher nur der unter (A) angeführte be- kannt, und der unter (B, 1) aufgestellte aus bekannten Sätzen leicht ab- zuleiten. Die übrigen aufzufinden war nicht schwer, nachdem einmal die Aufgabe, um die es sich handelt, gehörig präcisirt war. Um sie allge- mein beweisen zu können, hatte ich jedoch, wie sich alsbald ergab, zu- vor eine in der Theorie der transcendenten ganzen Functionen beste- hende, sogleich anzugebende Lücke auszufüllen, was mir erst nach man- chen vergeblichen Versuchen vor nicht langer Zeit in befriedigender Weise elungen ist. Für jede eindeutige Function f(x) gilt, dass in einem Theile des Gebiets von x, der weder im Innern noch an der Grenze eine wesent- Oo Zur Theorie der eindeutigen analytischen Functionen. 19 liche singuläre Stelle enthält, Werthe, für die f(x) = x, und ebenso Werthe, für die f(z) = 0 ist, stets nur in endlicher Anzahl vorhanden sind. Das Erstere ergiebt sich unmittelbar aus dem oben (S. 13) Bemerkten, und das Letztere ebenfalls, wenn man beachtet, dass die Funetion 1 JS) dieselben wesentlichen singulären Stellen hat wie /(x) selbst. Ist insbesondere f(x) eine ganze Function, so giebt es also unter den Werthen von x, deren absoluter Betrag eine willkürlich angenommene Grenze nicht übersteigt, stets nur eine endliche Anzahl solcher, für die f(&) gleich Null ist. Dies gilt auch noch, wenn in Übereinstimmung mit dem bei ganzen rationalen Functionen Gebräuchlichen festgesetzt wird, dass bei Bestimmung der in Rede stehenden Zahl jeder Werth, für wel- chen ausser der Function /(x) selbst auch die (a — 1) ersten Ableitungen derselben verschwinden, die #te aber nicht, als ein #-mal zu zählender betrachtet werden soll. Hieraus folgt, dass aus den Werthen von &, für die eine bestimmte eindeutige und ganze Function dieser Grösse verschwindet, mag die An- zahl derselben unendlich gross oder endlich sein, in jedem Falle eine Reihe a a a TE VE in der Art gebildet werden kann, dass 1) in derselben jeder Werth so oft, als er nach der gemachten Festsetzung zu zählen ist, vorkommt; 2) für je zwei auf einander. folgende Glieder der Reihe (a, , @,,,) el lal”; 3) im Falle, dass die Reihe nicht abbricht, Em Le, 1 — © n=x ist. *) Ich bezeichne, wenn «, reelle Grössen sind, den absoluten Betrag von «+ £i, d. h. den positiven Werth der Quadratwurzel aus (a? + 2*?), mit | e+Pi | 2 5% BEE CE er TOT PO en ‘ . Mi # ‚ et a ® N er Ar 230 WEIERSTRASS: Die so gebildete Reihe (a, ‚a, , a, ...) möge die Reihe der „Null-Stellen“ der betr. Function heissen. Dies festgestellt, ergeben sich nun zwei Fragen: | 1) In wie weit ist eme Function @(x) durch die Reihe ihrer Null- Stellen bestimmt ? 2) Existirt, wenn eine Reihe bestimmter Grössen von der im Vor- stehenden unter (2, 3) angegebenen Beschaffenheit gegeben ist, stets eine Function @(x), für welche sie in dem festgestellten Sinne die Reihe der Null-Stellen bildet? Die erste Frage beantwortet sich leicht. Es giebt unendlich viele ganze Functionen, welche dieselben Null-Stellen haben wie eine gegebene @(&); sie sind sämmtlich enthalten in dem Ausdruck Gay, wo unter @(&) eine willkürlich anzunehmende ganze Function zu ver- stehen ist. Was dagegen die zweite, bis jetzt unerledigt gebliebene Frage an- geht, so werde ich im folgenden $. nachweisen, dass dieselbe unbe- dingt zu bejahen ist. Mit Hülfe des so gewonnenen fundamentalen Satzes lassen sich dann von den im Vorstehenden unter (A, B, ©) aufgestellten Theoremen zunächst die auf Functionen mit einer wesentlichen singulären Stelle sich beziehenden leicht beweisen. Sodann wird ein Hülfssatz eingeschaltet. Es sei k, k ... Tr — 9a) h+ = — 6 2 —C, wo die (ce, k) Constanten bedeuten, welche keiner andern Beschränkung unterworfen sind, als dass von den Grössen %k,...%, keine gleich Null, und von den ce, ...c, keine zwei einander gleich sein sollen. Ferner seien F(y) , F,@y) --- F,_,(y) eindeutige Functionen der Veränderlichen y mit der einen wesentlichen singulären Stelle ©. Alsdann stellt nicht nur der Ausdruck re ER y=$() ‚ stets eine eindeutige Function mit den wesentlichen singulären Stel en €,... c, dar, sondern es lassen sich auch für jede gegebene Fune- tion f(x) dieser Art die Funetionen F,(y)... F,_,(y) so bestimmen, dass I) = ER) (I) BG ‘ u ist. Dabei werden F,(y) ... F,_,(y) sämmtlich ganze Functionen von y, wenn die Function /(x) keine ausserwesentliche singuläre Stelle hat. Dieser Satz führt dann zu dem unter (B, 1) gegebenen Ausdruck einer Function mit n (wesentlichen oder ausserwesentlichen) singulären Bi Stellen. eiY. Eine solehe Function kann so beschaffen sein, dass sie an keiner 4 . . . . Ir. von den c,...c, verschiedenen Stelle verschwindet; in diesem Falle er- giebt sich für sie der Ausdruck h N M n 6,\2-%, R Re ne). ’ v=1 E Ist nun /(x) eine beliebige eindeutige Function mit den n wesent- liehen singulären Stellen e, ... c,, so hat man das Gebiet der Veränder- liehen x in n Theile dergestalt zu zerlegen, dass im Innern eines jeden eine der genannten Stellen liegt, und zugleich an der Grenze zwischen je zwei Theilen f(x) überall einen endlichen und von Null verschiedenen j 7 _ Werth hat; was auf unendlich viele Arten geschehen kann. Dann giebt es, wenn unter c irgend eine der Stellen c,...c, und unter Ü der zuge- hörige Theil verstanden wird, unter den zu (© gehörenden Werthen von x, für welche A NE: ist, wo 9 eine beliebig klein anzunehmende positive Grösse bedeutet, nur eine endliche Anzahl solcher, für die f(x) verschwindet; was auch noch gilt, wenn auch jetzt festgesetzt wird, dass bei der Zählung dieser Werthe so verfahren werde, wie vorhin für eine ganze Function angegeben wor- den. Es kann demnach, wenn es überhaupt in © Werthe giebt, für die f@) = 0 ist, aus der Gesammtheit derselben eine Reihe [S>) [59] WEIERSTRASS: U A in der Art gebildet werden, dass in derselben jeder einzelne Werth so oft vorkommt, als er der Festsetzung gemäss zu zählen ist, ferner für je zwei aufeinander folgende Glieder Ken] = ke,— e] ? und ım Falle, dass die Reihe nicht abbricht, Lim. |a,—c]| = 0 n=%x ist. Dann ist die Reihe 1 1 1 E) 5 w079, AU a4, — € a, — C a C, N so beschaffen, dass eine Function @(a') existirt, für welche sie die Reihe X . . . 1 . der Null-Stellen bildet; und wenn man in dieser @ = — — setzt, so ist eine Function von x, welche nur die eine wesentliche singuläre Stelle c hat und zu der Function /(x) in der Beziehung steht, dass die vollstän- dige Reihe ihrer Null-Stellen identisch ist mit der Reihe der dem be- trachteten Theile angehörenden Null-Stellen von f(x). (Sind Werthe von x, für die f(x) verschwindet, in Ü nicht vorhanden, so ist die definirte Function @ in den folgenden Formeln durch die Zahl ı zu ersetzen.) Ebenso giebt es, da die Function 7@ dieselben wesentlichen singulären 1 Stellen wie /(x) hat, eine Function @' ne ,„ welche zu — in dersel- /@) x Ä 1 : ben Beziehung steht wie ea ) zu NE). & —C . Bezeichnet man nun diese beiden Functionen für die Stelle c, mit fen) Bar Genf I ; 2=c, R 2—c,) und setzt atv) P- Er MICH er BE an a Gebiets ...C„, einen endlichen und von Null \ a; | Drückt man sodann diese Function /,(&) in der vorhin angegebe- R nen Weise aus, so ergeben sich die unter (B, 2) und (C, 2) aufgestellten Formen von f(2). Aus der letztern erhält man dann schliesslich mit _ Hülfe des Theorems (B, 1) den unter (0, 1) gegebenen Ausdruck dersel- "ben Function. Fr Die im Vorstehenden zusammengestellten Ausdrücke einer eindeu- tigen Function mit einer endlichen Anzahl wesentlicher singulärer Stellen können nun noch weiter entwickelt werden, so dass die arithmetische Abhängigkeit des Werthes der Function von dem Werthe ihres Arguments _ unmittelbar in Evidenz tritt. In den Formeln (B, 1) und (C, 1) ist es ce. . . 1 . für diesen Zweck am angemessensten, jede Function @ (= ) in der R j 1 “ Ä | Form einer Potenzreihe von ar darzustellen. Es lässt sich aber, wie in $. 2 nachgewiesen wird, jede Funetion @(x) auch darstellen als Pro- _ duet unendlich vieler Factoren, welche ebenso wie die Potenzen von ® bestimmt charakterisirte Functionen sind; diese Ausdrucksform der Func- v5 ” tionen (-,) wird man am zweckmässigsten zur weitern Entwicklung der Formeln (B, 2) und (C, 2) verwenden. h Ist - SL HE © die Reihe der Null-Stellen einer ganzen rationalen Function G(x), und «, irgend ein in dieser Reihe nicht enthaltener Werth, so hat man EN (: =) G(&%) 1 To — 4, Man hat schon früh versucht, diesen Satz auf transcendente ganze Func- tionen auszudehnen, wobei sich jedoch erhebliche Schwierigkeiten darbo- ten. Man erkannte, dass es im Allgemeinen nöthig sei, dem Ausdruck auf der Rechten noch einen Factor von der Form e® (x) hinzuzufügen (Cauchy, Exereises de Math@matiques, III); aber dies reicht, 94 WEIERSTRASS: wenn von dem Falle, wo Null-Stellen der Function nur in endlicher An- zahl vorhanden sind, abgesehen wird, nur aus, wenn die Reihe und mit ihr das Product Il Le) convergirt, was im Allgemeinen nicht der Fall ist. Bei manchen Functionen gelingt es zwar, durch Festsetzung einer bestimmten Aufeinanderfolge der Factoren, oder überhaupt durch Vor- schrift einer bestimmten Ausführungsweise der unendlich vielen Multipli- cationen das Product zu einem bedingt convergenten zu machen; im All- gemeinen indess ist auch dies nicht möglich, wie unter andern das Bei- spiel der Function zeigt, bei welcher das in Rede stehende, aus den Factoren An KL USeun ER iasrt: zu bildende Product unter allen Umständen divergirt. Aber eben diese Function weist auf den Weg hin, der zum Ziele führt. Nach der von Gaufs gegebenen Definition ist der Ausdruck der- selben das beständig convergirende unendliche Product I (G+2).)} ICH); a 5 d. h. die Function ist darstellbar als Product unendlich vieler Factoren, oder welche zwar nicht ganze lineare Functionen von &, aber doch gleich die- sen eindeutige Functionen mit nur Einer singulären Stelle (&) und auch nur Einer Null-Stelle sind. Von dieser Bemerkung ausgehend legte ich mir die Frage vor, ob sich nicht jede Funetion G@(x) aus Factoren von der Form ME y ES eindeutigen Funetionen mit einer endlichen Anzahl wesentlicher singulä- a ver Stellen einen befriedigenden Abschluss erhält. e-; Ich nenne „Primfunetion“ von x jede eindeutige Function die- ser Grösse, welche nur Eine (wesentliche oder ausserwesentliche) singu- _ läre Stelle und entweder nur Eine oder gar keine Null-Stelle hat. Der allgemeinste Ausdruck einer solchen Function ist, wenn die singuläre Stelle mit c bezeichnet wird, Br ur 5 (re, a: wo k,!l Constanten bedeuten, und zu beachten ist, dass % auch gleich Null und (=) eine Constante sein kann. Es erweist sich aber für den in’s Auge gefassten Zweck als ausreichend und zweckmässig, aus- . . B . . Ir E 1 . schliesslich solche Primfunetionen einzuführen, bei denen e(—) eine rationale ganze Function von 5, \st; was also im Folgenden überall, wo von Primfunctionen die Rede ist, stillschweigend angenommen wird. a Dies festgestellt ergiebt sich zunächst, dass jede eindeutige Func- tion (x) mit Einer (wesentlichen oder ausserwesentlichen) singulären Stelle entweder selbst eine Primfunetion ist oder ein Product von Primfunctionen mit derselben singulären Stelle; und lassen dann die unter (B, 2) und (C, 2) angegebenen Ausdrücke unmittelbar erkennen, dass und wie eine beliebige Function der hier betrachteten Art aus Primfunctionen durch Multiplieation und Division zu- sammengesetzt werden kann. Bun; Ich lasse dieser Analyse des wesentlichen Inhalts meiner Arbeit und der Darlegung der leitenden Gesichtspunkte nunmehr die erforder- Jiehen Entwickelungen in mehr synthetischer Form folgen, wobei ich be- merke, dass ich bei denselben mit Vorbedacht nur einige elementare Sätze der Reihen- Theorie und die Eigenschaften der Exponentialfunetion als bekannt voraussetze. Be Yaihem. Ki. 1876. 4 26 WEIERSTRASS: 2. Zur Theorie der ganzen eindeutigen Functionen Einer Veränderlichen. Ist eine unendliche Reihe gegebener Grössen Eee von denen keine den Werth Null hat, so beschaffen, dass Im. la] — eo% Nn=» so lässt sich derselben auf mannigfaltige Weise eine Reihe ganzer Zahlen I LS ib) von denen jede > 0 ist, so zuordnen, dass die Summe 1 a Nm a, \d, bei jedem Werthe der Veränderlichen © einen endlichen Werth hat. Dit Dies ist z. B. stets der Fall, wenn man m =0,m, =1,m, =2..m—=v—1 annımmt. Setzt man dann FG) = % a r (2)”, v=1 so ist F(x) eine für jeden endlichen Werth von x definirte eindeutige Funetion von der Beschaffenheit, dass sich F(a—+ k), wenn «a irgend ein bestimmter Werth von x ist, bei hinlänglich kleinem Werthe der Verän- derlichen k in der Form m x +2” *) Ich bediene mich zur Bezeichnung einer Reihe von der Form Ar Leer 0° + in Fällen, wo es auf die Werthe der von x nnabhängigen Coöffieienten Ay, A, » 4a ».: nicht ankommt, sondern nur angedeutet werden soll, dass eine Function von & sich in eine solche Reihe entwickeln lasse, des Zeichens P(x), auszusprechen „Potenzreihe von «*. Zur Theorie der eindeutigen analytischen Functionen. 27 darstellen lässt, wo m eine ganze (nicht negative) Zahl ist, welche an- giebt, wie oft der Werth a in der Reihe a,,a,,a,... vorkommt. Nach einem früher (Crelle’s ‚Journal, Bd. 52, S. 333) von mir bewiese- nen Satze existirt also eine Function @ (x), welche der Gleichung d@G (x) 1 Y — = Foc@ genügt und die Eigenschaft besitzt, dass für sie die Reihe RR PR re in dem oben angegebenen Sinne die Reihe der Null-Stellen bildet. Dies lässt sich aber noch einfacher als am a. O. folgendermassen beweisen. Für diejenigen Werthe von «, deren absoluter Betrag kleiner als Eins ist, hat man N 2 a — u — = —_ 1—ı > dı r+1 r=0 r=0 woraus 2.) 1 ie Az r+1 folgt. Man setze nun E@,0, = 1—r, E@,) = 1—- De, E@,2) = i— Jet!” , 2.) E(z r m) —— (1 er =) er=! Bar: so ist unter der Bedingung, dass |x|< 1, x mtr: ae P-7 E(« , m) —e r=zı m+tr Fasst man nun die Gesammtheit der Grössen ins Auge, welche aus der Formel 4* 38 WEIERSTRASS: 1 x rm, r+m, le, dadurch hervorgehen, dass man r—=1,2,..o,v=n,n-+1l,...o setzt, so ist ersichtlich, dass die Summe dieser Grössen einen endlichen Werth hat, wenn der Veränderlichen x nur solche Werthe gegeben wer- den, die dem absoluten Betrage nach kleiner sind als jede der Grössen GN a denn dann ist sie kleiner als x © x rtm, oo 1 x m, ri >> lalı a var ven vr —ı ’ 4, also, wenn man mit %k den kleinsten der Werthe L In+1 BD ... N : w = bezeichnet, kleiner als das Product aus a und der Summe 00 1 x m, le ven 4, a, welche der Voraussetzung nach einen endlichen Werth hat. Daraus folgt, dass die Doppelsumme © eo) 1 aN\rtm, ee, 2) yenv=i für die angegebenen Werthe von x nicht nur unbedingt convergirt, son- dern auch dadurch, dass man alle Glieder, welche dieselbe Potenz von & enthalten, in Eins zusammenzieht, in eine Potenzreihe von &, die mit P(z,n) bezeichnet werden möge, verwandelt werden kann. Nimmt man nun zunächst « dem absoluten Betrage nach kleiner als jede der Grössen a, ,@,... an, so convergiren sämmtliche Reihen N RE CHEND und man hat Zur Theorie der eindeutigen analytischen Funetionen. 29 x rm, \ N ee ‚ 5 Da,) Pan +ı) = ee an (:) woraus sich n * ern = IE ( ; ’ m.) . ePw@n+n a, ergiebt. Es lässt sich aber jede der Funetionen FH k(; [| m.) a, in eine für jeden endlichen Werth von x convergirende Reihe von der Form 1+ A + AM’ +: entwickeln, und e Pa,n-+1) in eine Reihe von derselben Form 1 + bi" x + Bi" a® u welche jedenfalls eonvergirt, wenn © dem SER hten Betrage nach kleiner als jede der Grössen @,,,, @,4,... ist. Nimmt man daher eine positive Grösse y beliebig, rn aber so an, dass |w]>g ist, wenn v>n; so geht aus der Entwicklung des Products n (1 + Bi” a + Ba +.) (1 + Aa + Aa? +) v=1 eine Reihe x RE 1+A2. +4,’ + hervor, welche sicher für diejenigen Werthe von x, deren absoluter Be- trag nicht grösser als y ist, convergirt. Die Coefficienten dieser Reihe sind aber, da der vorstehenden Gleichung gemäss für hinlänglich kleine Werthe von x Q Nr 1+A2 +4,04. EP ist, unabhängig von der willkürlich anzunehmenden Grösse g; woraus 30 WEIERSTRASS: folgt, dass die Reihe für jeden endlichen Werth von x conver- girt, und somit eine ganze eindeutige Function G@(@) darstellt. Diese Function verschwindet nun für einen bestimmten Werth («) von x nur in dem Falle, wo a in der Reihe «a, ‚a, .... enthalten ist; wie aus der Gleichung = n x ern N G Da A m,\e ]) ÜN+1) F ( ) II E a, ) 1! ohne Weiteres erhellt, wenn man n so gross annımmt, dass a innerhalb des Convergenzbezirks der Reihe P(e,n +1) liest, und beachtet, dass die Exponentialfunetion für keinen endlichen Werth ihres Arguments verschwindet. Man sieht aber auch, dass wenn a in der Reihe a, ,a, ... #-mal vorkommt, 1 G(&) auf die Form (x — a)" f(&) in der Art gebracht werden kann, dass f(x) für © = «a einen von Null verschiedenen endlichen Werth hat. Die gegebene Reihe te} UERUSRUR Er 1 - ist also die Reihe der Null-Stellen für die Function @ (x), welche nach dem Vorstehenden dadurch hergestellt werden kann, dass zunächst die o © 1 Ne, ah a x in welcher die Zahlen m, die oben angegebene Bedeutung haben, auf die Summe Form P(z, 1) gebracht, und dann (AT P (2,1) nach Potenzen von x entwickelt wird. Multiplicirt man @(x) noch mit a*, wo A eine ganze positive Zahl bedeutet, so erhält man eine Function, für welche die Reihe der Null- Stellen ausser den Grössen «a, ,@,,a,..“noch A Glieder, die gleich Null 1 ’ sind, enthält. Es ist also stets möglich, eine ganze eindeutige Function G@(x) g g g mit vorgeschriebenen Null-Stellen Zur Theorie der eindeutigen analytischen Functionen. al ER zu bilden, wofern nur die nothwendige Bedingung Lin. |a,|= nn erfüllt ist. Es giebt aber nicht bloss eine solehe Function, sondern unend- lich viele. Setzt man nämlich N (m 96 (&) Ga) = GW e®, so hat oflenbar die Function @, (&) dieselben Null-Stellen wie @(x), wie auch die Function @(x) angenommen werden möge. Umgekehrt ist, wenn zwei Functionen @(x), @, (x) dieselben Null-Stellen haben, der Quotient G,(&) G (a) der mit @,(«) bezeichnet werde, eine Function, die für jeden endlichen Werth von x einen von Null verschiedenen endlichen Werth hat. Es lässt sich deshalb 1 dG, (x) &%(2) de in eine beständig convergirende Reihe ce, +%0+c,2?—+ entwickeln, und man erhält, wenn man Ga) = te +4,24 +... setzt, und die Constante c, so annimmt, dass G,(0) = e* ist, 1 dl) _ dGle) G,(2) de 7 NR G,@) = e%. Die Formel y (i (x) e® (z) giebt also alle ganzen eindeutigen Functionen von x, welche dieselben Null- Stellen wie @(x) haben. 32 WEIERSTRASS: Jetzt bedeute @(x) irgend eine gegebene ganze Function von X, so können drei Fälle eintreten: 1) sie hat keine Null-Stellen — dann ist sie eine Function wie die eben mit @,(x) bezeichnete, und kann in der Form ee ® ausgedrückt werden; 2) sie hat Null-Stellen in endlicher Anzahl — dann ist sie in der Form Yan Wo Gil) G, (2). e darstellbar, wo @,(x) eine rationale ganze Funetion bedeutet; 3) sie hat unendlich viele Null-Stellen — in diesem Falle kann sie auf die Form CD gebracht werden, wo A Null oder eine ganze positive Zahl, @,(&) aber in der beschriebenen Weise aus den von Null ver- schiedenen Null-Stellen (a, , @,, «a, ...) der Function, einer Reihe ganzer Zahlen (m, ,m,,m,...) und der Veränderlichen x zu- sammenzusetzen ist. Dieser Function G,(x) kann man nun nach dem Vorstehenden für einen bestimmten Werth von & die Gestalt % Bi -Na,n-+1) Te(, 5 m.).e 2 v=1 Gy geben, wenn man n so gross annımmt, dass x dem absoluten Betrage Aus dem oben be- nach kleiner ist als jede der Grössen qa,,,; @, n+1 n+2 °** stimmten Ausdruck der Grenze, unterhalb welcher der absolute Betrag von Dr, n) stets liegst, ergiebt sich aber B IN Lim. Pa, na) =0, n=x indem T; 2 1 N yet? im. % a) I: N=® Eh Q, a, ist, wenn die Zahlen m,, wie angenommen worden, so bestimmt sind, dass Zur Theorie der eindeutigen analytischen Functionen. 33 Hay - la,\a, vo] einen endlichen Werth hat. Folglich ist — für jeden Werth von x — G,() = IIE (; ’ m.) . v1 v Der Function G(x) kann man ferner in mannigfaltiger Weise die Gestalt E60) + 25,@) v=1 geben, in der Art, dass die 7,(x) sämmtlich rationale, für x —= 0 ver- schwindende ganze Functionen werden. Setzt man dann 2. = HÜ+L:(E)' so ergiebt sich Igıh E y, En) 7) x 9,0) b Geyer 0. In LE | wo (' eine Öonstante bedeutet. Da man nun auch im Falle (@9) Y 9,@ G (2) = CIHe D = und im Falle (2), wenn a,... a, die von Null verschiedenen Null-Stellen der Function @,(x) sind, G (x) NE II ((i SE >) a ö II PA. v1 = y=m+1 hat, so ist hiermit der Satz begründet: Jede ganze eindeutige Function von = kann dargestellt werden in der Gestalt eines Products, dessen Factoren sämmtlich Primfunetionen von der Form (ka + De m sind, wo 9(2) eine rationale, für @=0 verschwindende ganze Function, und k,/! Constanten bedeuten. (Dabei ist zu beachten, dass g(x) sowohl als eine der Grössen k,/ auch den Werth Null haben können, also auch eine Constante als Primfunction zu betrachten ist.) Mathem. Kl. 1876. oo. ‚ > a rd 34 WEIERSTRASS: Hierzu ist noch Folgendes zu bemerken. Das Product, durch welches @(«) dargestellt wird, eonvergirt — wenn es aus unendlich vie- len Factoren besteht — unbedingt und zugleich für alle Werthe von x, deren absoluter Betrag eine willkürlich anzunehmende Grenze nicht über- steigt, gleichmässig, vorausgesetzt, dass bei der angegebenen Zerlegung der Funetion @(&) so verfahren wird, dass die Reihe > g, () v=1 unbedingt und für die in Rede stehenden Werthe von x gleichmässig con- vergirt; was unter allen Umständen möglich ist. Denn unter dieser Voraussetzung braucht man nur nachzuweisen, dass das Product Se ME(2.®) die angegebene Beschaffenheit besitzt, was der Fall ist, wenn die folgende Bedingung erfüllt ist: Nach Annahme zweier positiven Grössen £,d, von denen die erste beliebig gross, die andere beliebig klein sein kann, muss es möglich sein, eine Zahl r so zu bestimmen, dass das Produet aus be- liebig vielen derjenigen Funetionen DH B(> i m.) > Q, in denen v>n, für jeden Werth von x, dessen absoluter Betrag klei- ner als £ ist, von der Einheit um eine Grösse abweicht, die ihrem abso- lutem Betrage nach kleiner als 8 ist. Dies ist aber in der That möglich. Nimmt man nämlich n so gross an, dass || > 2 ist, sobald v > n, so hat man für jeden Werth von v, der > n und jeden Werth von x, des- sen absoluter Betrag nicht grösser als £ ist, a RN 2(2,m) = Bez v und es ist daher, wenn man von diesen Functionen beliebig viele aus- wählt, und das Product derselben gleich setzt, | f(x) | stets kleiner als N LE EAN) De Un e P Zur Theorie der eindeutigen analytischen Functionen. 35 von welcher Grösse gezeigt worden ist, dass sie für einen unendlich grossen Werth von 2 unendlich klein wird; woraus das Behauptete so- fort sich ergiebt. Es ist ferner zu beachten, dass die in den Primfaetoren der Func- tion @(x) vorkommenden Exponentialgrössen nicht vollständig bestimmt sind. Nimmt man nämlich eine Reihe rationaler ganzer Functionen g/(x) so an, dass für jeden Werth von x x N ve ist — was auf unendlich viele Arten geschehen kann — so ändert der Ausdruck von @(x) seinen Werth nicht, wenn man in jedem seiner Factoren 3ER Für g,@) setzt. Umgekehrt erhellt, dass man auf diese Weise alle möglichen Dar- stellungen von @(x) in der Form eines aus Primfunetionen gebildeten Products erhält. Endlich möge noch bemerkt werden, dass in dem häufig vorkom- menden Falle, wo für eine bestimmte ganze und positive Zahl u u 1 : - Re = : ff einen endlichen Werth hat, die in den Functionen E(*-, ,) vorkom- v menden Zahlen m, , m alle gleich (u — 1) gesetzt werden können.” PR * Die in diesem und dem folgenden $. enthaltenen Sätze habe ich bereits im Herbst 1874 in meinen Universitäts-Vorlesungen ausführlich vorgetragen. 5* 36 WEIERSTRASS: 3. Eindeutige Functionen von « mit Einer wesentlichen singulären Stelle. Ist f(x) eine eindeutige Function von x mit der einen wesentlichen singulären Stelle ©, so lässt sich in dem Falle, wo sie ausserdem belie- big viele (auch unendlich viele) ausserwesentliche singuläre Stellen hat, eine Function @,(x) herstellen, für welche die Reihe der Null-Stellen identisch ist mit der Reihe der Null- Stellen der Function 1 Io) Dann ist @,(&) f(x) ebenfalls eine ganze Function von x, und man hat, wenn diese mit @,(x) bezeichnet wird, NE ACH) Ja) = ER ON Zugleich sind diese Functionen @,(&) , @,(x) so beschaffen, dass sie nicht für denselben Werth von x beide verschwinden. Und umgekehrt, wenn man zwei ganze Functionen von dieser Beschaffenheit willkürlich annimmt, und wenigstens eine von ihnen transcendent ist, so stellt der Quotient 61) (le) eine eindeutige Function von ® mit der einen wesentlichen singulären Stelle © dar. Ist ferner /(x) eine eindeutige Function mit einer (wesentlichen oder ausserwesentlichen) singulären Stelle (c), so verwandelt sich, wenn man setzt x) ın eine Function von « mit der einen sinsulären Stelle &; Te Oo ’ woraus sıch ergiebt. Dabei ist @ eine transcendente oder rationale Function, jenach- dem die singuläre Stelle ce eine wesentliche oder ausserwesentliche ist. Zur Theorie der eindeutigen analytischen Functionen. 37 Ebenso ergiebt sich als allgemeiner Ausdruck einer eindeutigen Funetion von x, welche ausser einer wesentlichen singulären Stelle (e) beliebig viele ausserwesentliche hat, der Quotient wo die Functionen (@,, @, nicht beide für denselben Werth von x ver- schwinden, und wenigstens eine von ihnen transcendent ist. 4. Ein Hülfssataz. Ist F(y) eine eindeutige Function, welche nur die eine wesentliche singuläre Stelle © hat, und $(x) eine rationale Function nten Grades, welche an n verschiedenen Stellen (e, ... c,) gleich © wird, so verwan- delt sich F(y), wenn man y= $(«) setzt, in eine eindeutige Function von x mit den wesentlichen singulären Stellen (ec, ...e,). Man überzeugt sich indessen leicht, dass man auf diese Weise nur besondere Funetionen dieser Art erhält. Wohl aber ist es möglich, wie bereits in $. 1 angegd ben worden und jetzt bewiesen werden soll, jede eindeutige Funetion /@), deren wesentliche singuläre Stellen (ec, ... c,) sind, in der Form ni E 1.3.13 3 LF,(plX))-| — vo «(ol ) (+) darzustellen, wo c irgend eine der Grössen e, ... c, bedeutet. Ich will zuerst annehmen, dass eine der wesentlichen singulären Stellen von f(x) den Werth habe, so dass k kx kg kn Ihrer mern 2 Cy ist, wo von den Constanten %k, ... k%, keine den Werth Null hat. Nimmt man dann zwischen x und einer andern Veränderlichen y die Gleichung PR) —y 38 WEIERSTRASS: an, so gehören zu jedem endlichen Werthe der letztern n ebenfalls end- liche und zugleich von den c,... c, verschiedene Werthe von x, welche mit x... x, bezeichnet werden mögen; und man kann, wenn von den- jenigen speciellen, nur in endlicher Anzahl vorhandenen Werthen von %, für die unter den Grössen «,... x, sich gleiche finden, vorläufig abgese- hen wird, 2 von y abhängige Grössen F),F, ... F,_, dergestalt bestim- men, dass n—1 SR — IE) ISCHNFRDE en. Mae Setzt man =. (2) = (a —8) .-..(@—8,) , 7a) = ; so ist Sn gie oe, Ele) Bi, woraus sich, wenn aa) = "+ Xi Kar... +, gesetzt wird, so dass a = IE H+HX) HL HÄ) ET + + +X,% HN, ) ist, ee) "ER =. > 7 (&,) ’ ; Sr) Sy 2, /(8,) a er ee a , Fr I Aa at ae) e nen) r 8,18) 2, (@,) F Fa X >23 T 5 X Kr EST D n—3 = 7 (&) u x& 7 U) 3 Tr (2,) a LN 2 De Se) e oe Riley) 1 ®,) vi #(%,) ergiebt. Von diesen Ausdrücken F),F, ... F,_, ist nun zu zeigen, dass n—1 sie eindeutige Functionen von y mit der einen wesentlichen singulären Stelle © sind. Zur Theorie der eindeutigen analytischen Functionen. 39 Setzt man (8 — 6,) ... (0 — c,) = Ya), so ist Val —y) — kır@) , und es sind demnach A, ... A, , sämmtlich ganze lineare Funetionen von y. Die Ausdrücke \ fa) „a/@) Sm fe.) Y — aa var) us FR) v=ı ”(@,) ferner, in denen die Grössen @, ... x, ebenso wie in X, ... X, symme- trisch vorkommen, haben gleichfalls eindeutig bestimmte Werthe für jeden Werth von y, der nicht zu den vorläufig ausgeschlossenen gehört; es reicht dies aber nicht aus zu dem Nachweise, dass sie — und mit ihnen F,... F,_, — Functionen der angegebenen Art von y sind, sondern es muss auch gezeigt werden, dass sich dieselben, wenn y in der Umgebung irgend eines bestimmten endlichen Werthes 5 angenommen wird, entwe- der unmittelbar oder doch, nachdem sie mit einer gewissen ganzen posi- tiven Potenz von (y — b) multiplieirt worden, in der Form Py—h) darstellen lassen. Wird zunächst 5 so angenommen, dass unter den Wurzeln der Gleichung $(x) = b, welche mit a, ... a, bezeichnet werden mögen, keine zwei gleiche sich finden, so ist »' (a) (=1...n) nicht gleich Null, und es hat also die Gleichung IWW) =yY; welche, wenn « in der Umgebung von «@, angenommen wird, auf die Form 9 la,).c— a)—+ 49" (a). a — a” +. = y—b gebracht werden kann, für hinlänglich kleine Werthe von (y — 5) eine in der Form ,+y—)P,y—b) darstellbare Wurzel. Wird diese mit x, bezeichnet, so hat man, da 7'(a,) 40 WEIERSTRASS: nicht gleich Null, und «, nicht eine der wesentlichen singulären Stellen der Function f(«) ist, für A—=1...n, a," f@,) Ber (x #(e,) wo m, Null oder eine ganze positive Zahl ist, jenachdem (x) in der Um- gebung von a, sich regulär verhält oder nicht. Bedeutet also m die grösste der Zahlen m BERN. 0 ®, (x, 2 a,) J SON Ist WE De Hat aber b einen solchen Werth, dass die Gleichung = weniger als 2 von einander verschiedene Wurzeln besitzt, so sei a eine derselben, und x die Ordnungszahl der niedrigsten Ableitung von $(X), welche für & = a nicht verschwindet. Dann lässt sich die Gleichung Pa)—y, wenn « in der Umgebung von a angenommen wird, auf die Form 1 Ik = 4 [77 1 M+1 S “+1 - mi ’(a).(& — a) Aa ra). a —- a" ey—b bringen, und es giebt, wenn man 1 2. (y — b) Z Bu m) =" setzt, eine Reihe von der Form a—+nY(n ; welche für & gesetzt bei hinlänglich kleinen Werthen von (y—b) die Gleichung 9) —y befriedigt; wobei zu beachten ist, dass P(n) für „ = 0 nicht verschwin- det. Fixirt man also einen der x Werthe von 7, und setzt 2, = a+nPd0), y=atendlen) .. a, = a+e den), Zur Theorie der eindeutigen analytischen Functionen. 41 so sind 2,,%,,... 2, diejenigen » Wurzeln der Gleichung, welche für y=b den Werth a annehmen. Man hat dann, da die niedrigste Ablei- tung von (2), welche für y=b,x=a nicht verschwindet, die ute net vv —t.cH (a) En nm — IE... + X, = (N) Dein wo P(e'r) für „= 0 nicht verschwindet, und wenn für Werthe von x in der Umgebung der Stelle a ala — (@— a)"(A, a A, — a) —+ +--) ist, iM: %— 1 IE) — oma, ZetyP, (et). # (2) | mr! Aus der Reihe auf der rechten Seite dieser Gleichung müssen nun, da L Ser- 1)k =1 nur für solche ganzzahlige Werthe von k, die durch « theilbar sind, einen von Null verschiedenen Werth hat, alle Potenzen von , deren Exponent nicht ein Vielfaches von « ist, fortfallen; und es ist daher > = 16.) er (y Eh by" Pr ly n. . b) , Hat also die Gleichung P(x) —h r von einander verschiedene Wurzeln «a, ....a,, und haben u, ‚m, für a, dieselbe Bedeutung wie im Vorstehenden u, m für a, so ergiebt sich für hinlänglich kleine Werthe von (y — b) z aa 2'f@,) a 4 (y — 5)" P9 (y — b) ; v=1 ”(2,) “mL 3 und somit, wenn jetzt m die grösste der Zahlen m, bedeutet, ganz so wie in dem Falle, wo unter den Wurzeln der Gleichung $(«) = b sich keine zwei gleiche finden, (y — b)" 3= = de *) un = Pıly— b). Mathem. Kl. 1876. 6 Nine AR ZRUM AN . 42 WEIERSTRASS: Hiermit ist bewiesen, dass die Ausdrücke na fla,) ver elle.) und daher auch die Grössen F,...F,, welche jetzt mit HN Fa) bezeichnet werden mögen, für jeden endlichen Werth der Veränderlichen A —lren) y definirt und eindeutige Functionen derselben mit der einen wesentlichen singulären Stelle © sind. Zugleich geht aus dem Vorstehenden hervor, dass F,(y) ... F,_,(y) in dem Falle, wo es für die Function f(x) ausser- wesentliche singuläre Stellen nicht giebt — die Zahl m also stets gleich Null ist — sämmtlich ganze Functionen von y sind. Der Definition dieser Functionen gemäss besteht nun die Gleichung Zr, ao), wenn für irgend einen endlichen Werth von y die Grösse x der Gleichung #(2) = y genügt. Versteht man also unter «’ irgend einen endlichen, von den e,...c, verschiedenen Werth, und setzt y=d(A)), so kann man @==.«' nehmen, und erhält dann ne ZREE) — fe): d. h. es gilt für jeden Werth von x, der nicht in der Reihe (, c,...c,) enthalten ist, die Gleichung n-1 = MIO) te): Es ist angenommen worden, dass c, gleich © sei, weil dann einem endlichen Werthe von y stets endliche Werthe der Grössen x, ... x, ent- sprechen, und somit bei dem Beweise des vorstehenden Satzes das Ver- halten der Functionen F,(y) in der Umgebung der Stelle oo nicht beson- c„ sämmtlich end- 1 ders untersucht zu werden braucht. Sind aber e liche Grössen, so setze man 1 Mn Ci aller J zZ und bezeichne mit $(2) , f(z) die Funetionen, in welche sich $(x) , f(x) dadurch verwandeln. Dann hat man a A re ar ar a Se a s . s Er # ’ « Zur Theorie der eindeutigen analytischen Functionen. 43 3 ’ ’ k; k, 9 (2) == +rkz+ 2, .. + Frag ’ — wo die (k', c') wieder Constanten bedeuten — und es sind (», e}...c)) die wesentlichen singulären Stellen für die Function f(z). Man hat also, wenn man jetzt die Functionen F,(y)... F,_,(y) für die Funetion f(z) ebenso bestimmt wie im Vorhergehenden für f(x), n n—1 TOTER = oder = F,(®(&)) . ( a — /(2).. In dieser Form, welche in die vorher aufgestellte übergeht, wenn man c, = x setzt, kann also die Function f(x) stets dargestellt werden, wenn (x) eine beliebige rationale Function nten Grades ist, welche an jeder der n wesentlichen singulären Stellen der erstern unendlich gross wird.” 5. Eindeutige Functionen von x mit einer endlichen Anzahl (wesentlicher oder ausserwesentlicher) singulärer [® tellen. Eine rationale Function /(x) mit den singulären Stellen (ce, ... c,) lässt sich bekanntlich in der Form darstellen, wo @,...@, rationale ganze Functionen bedeuten. Es soll nun gezeigt werden, dass jede eindeutige Function /(z) mit einer end- *) Es lassen sich leicht auch ähnliche Ausdrücke von /(z), in denen die Grös- sen €, ... c„ symmetrisch vorkommen, aufstellen; es genügt aber der vörstehende für den zunächst ins Auge gefassten Zweck. 6* 44 WEIERSTRASS: lichen Anzahl (wesentlicher oder ausserwesentlicher) singulärer Stellen (ce)... c,) in derselben Form ausgedrückt werden kann, und zwar derge- stalt, dass unter den Functionen en) so viel transcendente vorkommen, als (x) wesentliche singuläre Stellen hat. Es möge zunächst /(x) nur wesentliche singuläre Stellen haben. Dann sind, wenn man f(x) auf die im vorhergehenden $. auseinanderge- setzte Weise in der Form darstellt, die Functionen F,(y), wie nachgewiesen worden ist, sämmtlich ganze Functionen von y, so dass man F(9@) = 3 Pa 0r@) hat, wo die F,, von x unabhängige Grössen sind. Für alle Werthe von x, bei denen der absolute Betrag von («—e,) unterhalb einer bestimmten Grenze bleibt, ist nun 1 oe) — Da rn < 1 3] = = A ($@) = EF,@— 9) Bo); und somit, wenn man Plz co) 2A, f (u — co) R=0 u setzt, > 24,00] = 9PG-5)° also 2, > 7,.4.@ 2 Dat < 2| F,;| : Per > \ - woraus sich das Behauptete sofort ergiebt, indem die Summe z| F,,| 2 y* für jeden endlichen Werth von y einen ebenfalls endlichen Werth hat. Die Doppelsumme, durch welche F,(®(x)) ausgedrückt worden, convergirt also unbedingt, und es ist daher gestattet, in ihr alle Glieder, welche dieselbe Potenz von («— e,) enthalten, in eins zusammenzuziehen. Geschieht dies in den Ausdrücken sämmtlicher Functionen F($(®) , so ergiebt sich für alle Werthe von x, bei denen der absolute Betrag von («— c,) klei- ner als 9 ist. Die Reihe convergirt hiernach für beliebig grosse Werthe von — — , und ist also 1 - E . . 1 . eine ganze Function dieser Grösse, welche mit @, (—) bezeichnet ı werden möge. Man hat dann 46 WEIERSTRASS: I.) = Med) —cı d. h. die Differenz verhält sich in der Umgebung der Stelle (c,) regulär. 1 j 5 Versteht man nun unter %l—.) die Function, welche in Be- v ziehung auf die singuläre Stelle c, dieselbe Bedeutung hat wie Gl ) 2°—6 in Beziehung auf die Stelle ce, so ist ’®-84(—,) 2 —c, eine eindeutige Function von x, welche sich in der Umgebung jeder be- . » A . . . 1 liebig angenommenen Stelle regulär verhält. Denn die Function @, (—) 2—, verhält sich regulär in der Umgebung jeder von c, verschiedenen Stelle; es könnte also jene nur die singulären Stellen (ce, ... c,) haben, was nach dem eben Bewiesenen nicht der Fall ist — woraus, wie schon in $.1 gezeigt worden, folgt, dass sie einen constanten Werth hat, der mit C bezeichnet werde. Es ist also Io) = +26 = oder auch, wenn man zu den Functionen @,...@ Glieder, deren Summe gleich © ist, hinzufüst I)= 236 (—) v=1 constante n Hat ferner f(x) m wesentliche singuläre Stellen (c, ...c,), und (n—m) ausserwesentliche (c,,,---€,), so lässt sich, wenn v eine der Zahlen (m +1)... n ist, und « in der Umgebung von c, angenommen wird, /(«) in der Form (© — ce)". [0 + 0” (& — ce) + "-} darstellen. Setzt man also Zur Theorie der eindeutigen analytischen Functionen. 47 G, (--) — 30” (x erg a x « A u 2 Y EN RO FOn EI rg E so ist /,(x) eine eindeutige Function, welche m wesentliche singuläre Stellen (ec, ... c,, dem Vorhergehenden in der Form ,„ aber keine ausserwesentliche hat, und deshalb nach dargestellt werden kann. Man hat also auch in diesem Falle ee 3 @) = 36(— ) a \z—o, mit dem Unterschiede, dass jetzt unter den Functionen @, nur m transcendente sich finden. Hiermit ist der in $. 1. unter (B,ı) angegebene Satz vollständig bewiesen.” 6. Eindeutige Functionen von x, welche » wesentliche singuläre Stellen besitzen, an jeder andern Stelle aber einen endlichen und von Null verschiedenen Werth haben. Ist f(x) eine Function dieser Art, so hat man, wenn x in der Umgebung irgend einer nicht singulären Stelle « angenommen wird, Io) = 4, +A,a@ —)+A, (a —a)’—+... , *) Es bedarf kaum der Erinnerung, dass unter Voraussetzung einiger Sätze, die nicht den ersten Elementen der Functionenlehre angehören, der im Vorstehenden ent- wickelte Ausdruck von f(x) auf kürzerem Wege hätte hergeleitet und dabei der im vorher- gehenden $. bewiesene Hülfssatz hätte entbehrt werden können. Indess giebt der letztere, auch abgesehen von dem Gebrauch, der von ihm gemacht worden ist, einen an sich be- merkenswerthen allgemeinen Ausdruck der untersuchten Funetionen, den ich nicht über- gehen mochte. 48 WEIERSTRASS: wo A, nicht gleich Null ist. Daraus folgt, wenn a nicht & ist, REN /@) dr Pe) dagegen, wenn in dem Falle, wo die singulären Stellen (ec, ...c,) von m 1 also er — a =- f(x) alle im Endlichen liegen, « = © genommen wird x ’ zu setzen ist, ı de) 1 gfi Ind Ö) Die Function 1 df@) Ne) hat also nur die n singulären Stellen (ec, ... c,), und kann daher, wie im vorhergehenden $. gezeigt worden, in der Form = 2—C, dargestellt werden, so dass in den Functionen @, kein constantes Glied vor- kommt. Ist c, nicht ©, und %k, der Coöfficient von SE in @,, so lässt v sich 6(—) auf die Form Ai 77 & a : ) — Cl, Wei 5 & h ohne con- 5 Ze : 1 bringen, wo auch Gl ) eine ganze Function von — v v stantes Glied ist. In dem Falle, wo die c, sämmtlich endliche Werthe haben, ist ferner, wenn & dem absoluten Betrage nach grösser als jeder dieser Werthe ist, v=1 ce, C+26(——.) _ C+:.36+39(2): es muss also sein, und man hat 7 ET a vl or Zur Theorie der eindeutigen analytischen Functionen. 49 KA anf SR? Fer zer er Wenn dagegen eine der Grössen c, den Werth © hat, so möge c, diese sein; dann ist | u 1 v +6,(-) = +0,09) = 40,@, wobei man @,(0) = 0 annehmen kann; man hat also in diesem Falle 1 df(z) __ dx 2 >%(; ı h ) +5 u k, i@) da 7 02 5 =—c, au 2—c, Es ist nun zunächst zu zeigen, dass in beiden Fällen die %, sämmtlich ganze Zahlen sind. Man setze, unter 9 eine constante, und unter r eine veränderliche reelle Grösse verstehend, = c5-+oee", wo A im ersten Falle eine der Zahlen ı...n und im zweiten eine der Zahlen 1... (a — 1) bedeutet. Dann lässt sich, wenn man ö hinreichend klein annimmt, in beiden Fällen die Summe der Grössen k,daı, 0. —c, auf die Form k,idr + dP (ir — c,) bringen; und es ist . da) _ dal N y u VaNdar.,.n md, ee, da — ah; Daraus folgt, wenn man 2 6, (2-)+Pa-0,) Bin. ar setzt: f@) = ÜF@).es", wo Ü eine von r unabhängige Grösse bedeutet. Vermehrt man in dieser Gleichung r um 2r, so bleibt x; unge- ändert; es muss also Mathem. Kl. 1876. 7 50 WEIERSTRASS: ud nl und somit k, eine ganze Zahl sein. Setzt man jetzt, unter (©, eine Constante verstehend, a) —— 0A Da er c,)” 2 v=1 wo e= 0 oder 1 zu nehmen ist, jenachdem c, einen endlichen Werth hat oder nicht, so ist IT ER) = ANFER R*’(e) | da ini CH und es ergiebt sich bei gehöriger Bestimmung der Constante (, Ya) Rka).t 9). Da nun in dem Falle, wo die Grössen c, sämmtlich endliche Werthe haben, ist, so ist für = © die Function AR*(x) weder Null noch unendlich gross; sie ist also eine rationale Function von x, welche an jeder Stelle, die nicht zu den singulären Stellen von f(x) gehört, einen endlichen und von Null verschiedenen Werth hat. Für 2» = ı reducirt sich dieselbe auf eine Oonstante. Es lässt sich also jede Function f(x) von der oben angegebenen Beschaffenheit in der bereits in $. 1 aufgestellten Form ausdrücken. Umgekehrt stellen die vorstehenden Formeln stets eine Function dieser Beschaffenheit dar, wenn man die Grössen ec, ...c, und die Function @, = ) willkürlich, die Function R*(x) aber so annimmt, dass sie 2 — ct, die angegebene Eigenschaft besitzt. Hierzu ist noch Folgendes zu bemerken. Wenn von einer ein- deutigen Function f(x) feststeht, dass nieht nur sie selbst, sondern auch -„, in der Umgebung jeder Stelle, welche nicht zu einer Reihe gegebener /@) = Stellen (ec, ... c,) gehört, sich regulär verhält, während über ihr Verhalten “u u En - A Br a ri Ri N% n » A 2 Au > z — Zur Theorie der eindeutigen analytischen Functionen. 5l in der Umgebung einer der letzteren Stellen nichts bekannt ist; so ergiebt sich ebenso wie im Vorstehenden u \ df(z) ERRETFe x n 1 ee x KR, £ d x = 1 Play .der 7, ( +26, (- ) 6, Sr ir a x -) : n GG na ra) == Rka)lüe 6-3) ne) = 6 Ua — 6)”, v1 v=1 mit dem Unterschiede, dass jetzt die Functionen G@, zum Theil oder auch alle gleich Null sein können. 7. Eindeutige Funcetionen von x mit » wesentlichen und beliebig vielen ausserwesentlichen singulären Stellen. Das Verfahren, durch welches man mit Hülfe der in den $$. (2—6) entwickelten Sätze zu den in der Einleitung unter (B, 2) und (0, 1 u. 2) aufgestellten Ausdrücken einer eindeutigen Function f(x) mit einer end- lichen Anzahl wesentlicher singulärer Stellen gelangt, ist der Hauptsache nach bereits in $. I so vollständig auseinander gesetzt worden, dass nur Weniges hinzuzufügen bleibt. Hat die darzustellende Function keine Null-Stellen, so sind die a.a. O. mit @ bezeichneten Functionen sämmtlich durch die Zahl ı zu ersetzen. Hat sie Null-Stellen in endlicher Anzahl, so kann man die- selben in beliebiger Weise den wesentlichen singulären Stellen zuordnen; 5 1 5 i es werden dann die @” rationale Functionen, welche zusammen- . c I v genommen dieselben Null-Stellen wie f(x) haben. Am einfachsten ist es in diesem Falle, eine der Functionen @° so zu bestimmen, dass die Reihe ihrer Null-Stellen mit der von f(x) übereinstimmt, und die übrigen dann durch die Zahl ı zu ersetzen. In dem Falle endlich, wo f(x) un- endlich viele Null-Stellen hat, giebt es unter den wesentlichen singulären Stellen mindestens eine sie möge mit (c,) bezeichnet werden — die so liegt, dass in jeder Umgebung derselben unendlich viele Null-Stellen m%* d 52 WEIERSTRASS: von f(x) vorhanden sind. Ist dann (c,) irgend eine der übrigen wesent- lichen singulären Stellen, und versteht man unter Ü, diejenige Umgebung derselben, in welcher le—-.|=2 ist, so kann man g so klein annehmen, dass Ü, nur die eine wesentliche singuläre Stelle (e,), und Null-Stellen nur in dem Falle enthält, wo in jeder Umgebung von c, sich solche finden. Wenn man dabei g auch so annimmt, dass an der Grenze von Ü, keine Null-Stellen liegen, und dann unter ©, denjenigen Theil des Gebietes von x versteht, der nach Ausscheidung von (,,C, ... übrig bleibt, so ist das ganze Gebiet derge- stalt in Theile C,,C, ... zerlegt, dass sich in der a. a. O. beschriebenen (—.) i ee): bilden lassen, deren Null-Stellen beziehlich die in ©,,(, ... enthaltenen Null-Stellen von /(&) sind. Dabei ist, wenn es in einem dieser Theile keine Null-Stellen von f(«) giebt, die entsprechende Function C“” durch 1 zu ersetzen; woraus erhellt, dass man auf die angegebene Weise ver- Weise Functionen fahrend die geringste Zahl von Functionen 0 (—.) erhält, für welche die Gesammtheit ihrer Null-Stellen identisch ist mit der Reihe der Null- Stellen der Function (2). Hat nun f(x) — wie in $. 5. angenommen worden — n (wesent- liche oder ausserwesentliche) singuläre Stellen (ce, ... c,), so sind wieder drei Fälle zu unterscheiden. Die singulären Stellen können sämmtlich wesentliche sein — dann ist, wenn man N a NIE He) — wG (; >.) A) setzt, f(x) eine Function von der im vorhergehenden $. vorausgesetzten Beschaffenheit, so dass sie sich, da jede ihrer wesentlichen singulären Stellen in der Reihe e, ... c, enthalten ist, in der Form R* (a) 1 eG) nt u sc a 3 an 1 rei Ze | Zur Theorie der eindeutigen analytischen Functionen. 53 darstellen lässt — wobei zu beachten ist, dass nach dem am Schluss d.a. $. Bemerkten die Functionen @, zum Theil oder auch alle gleich Null sein können. Setzt man also a Fe a FE fo — 6, ( ):R@. = —c, so ergiebt sich Hat ferner f(x) m wesentliche singuläre Stellen (ec, ... c,) und (n — m) ausserwesentliche (e,,, ..- €„), so möge — für v —=m-+1..n — die kleinste positive ganze Zahl, durch welche bewirkt wird, dass @— ec)" fe) für ©== c, einen endlichen Werth erhält, m, sein. Setzt man dann G, (—) — (— ” * r =m-+1..n) f® = Fo .16(——) v=-m+1 und so ist f(x) eine Function, welche m wesentliche singuläre Stellen (ec, ... €), aber keine ausserwesentliche hat, mithin in der Form ausgedrückt werden kann. Sind endlich (e, ... c,) sämmtlich ausserwesentliche singuläre Stellen für die Function, und hat m, dieselbe Bedeutung wie oben, so ist, wenn von den Grössen c, ... c, keine den Werth & hat, PER G (x) een: ; (@—%) "...(2— 6.) wo G(&) eine ganze rationale Function von nicht höherem als dem (m, + ...—+m,)ten Grade bezeichnet — dagegen, wenn c,— x, G( fd a — CR N 1 54 WEIERSTRASS: wo der Grad von @(x) den des Nenners um m, Einheiten übertrifft. Man kann daher in beiden Fällen f(x) auf die Form 56(.) v=1 % —Cy 5 ö 1 5 . . bringen, in der Art, dass @, (- —) eine ganze rationale Function Ihre: m,ten Grades von PS ist. HN Hiernach kann also jede eindeutige Function von & mit n singu- lären Stellen in der in $. 1 unter (B, 2) aufgestellten Form 1a(2,).m0 v=1 ausgedrückt werden. Dabei ist zu beachten, dass R*(x) — wie a. a. 0. angegeben worden — nur an solchen Stellen, welche sich unter den wesentlichen singulären Stellen der darzustellenden Function finden, Null und unendlich gross wird; so wie auch, dass keine der Funetionen 1 ; 2 ß G, (—,) ,‚ wenn dieselben in der beschriebenen Weise gebildet werden, 2 —c, = an einer der Stellen (c, ... c,) verschwindet und sich auch nicht auf eine Öonstante reducirt. Zugleich erhellt, dass, wenn die Functionen @,, R* diesen Bedingungen gemäss, im Übrigen aber willkürlich angenommen werden, die vorstehende Formel auch stets eine eindeutige Function von x mit n singulären Stellen dargestellt. Jetzt sei /(x) eine beliebige eindeutige Function mit n wesent- lichen singulären Stellen (e, ... c,),. Dann ist wieder, wenn man unter 2 1 Gar —.) Gy (>) . . o 1 . . die Functionen versteht, welche zur Function To derselben Bezie- hung stehen wie Zur Theorie der eindeutigen analytischen Functionen. 55 zu f(2)*” — so dass die Gesammtheit ihre Null-Stellen identisch ist mit der Reihe der Null-Stellen von = — und lee IH. 0) en v1 setzt, f(x) eine Function von derselben Beschaffenheit wie die im Vor- stehenden so bezeichnete. Man erhält also, wenn man für dieselbe den angegebenen Ausdruck setzt und ara 3 1 Gi & a 1 [ei] ( a ) = G s) mit (@, ( - ) wen, 2 — C, bezeichnet Dies ist der in $. 1 unter (C, 2) gegebene Ausdruck von f(x). Die in diesem Ausdrucke vorkommenden Functionen @, ... @,, sind so beschaffen, dass nicht zwei derselben eine gemeinschaftliche Null- Stelle haben, und auch keine von ihnen an einer der Stellen e, ... c, ver- schwindet. Ferner ist von den Factoren des Nenners jeder, welcher nicht unendlich viele Null-Stellen hat, eine rationale Function, und der ent- sprechende des Zählers dann nothwendig eine transcendente. Dabei darf angenommen werden, dass die Anzahl derjenigen Factoren des Nenners, welche nicht gleich ı sind, ein Minimum sei; dann ist in dem Falle, wo /(&) unendlich viele ausserwesentliche singuläre Stellen hat, jeder dieser Factoren eine Function mit unendlich vielen Null-Stellen, während im entgegengesetzten Falle der Nenner sich auf eine rationale Function von x mit Einer — in der Reihe e, ...c, enthaltenen — singulären Stelle, oder *) Es ist zu beachten, dass die zur Definition der Functionen @,,, erforder- liche Zerlegung des Gebietes von « in n Theile den in Beziehung auf die Function f(x) gegebenen Bestimmungen gemäss auszuführen ist, so dass diese Theile nicht nothwendig dieselben werden wie die vorhin mit (',, ©, ... bezeichneten. 56 WEIERSTRASS: auch auf eine Constante reducirt. A*(x) hat dieselbe Bedeutung wie im vorher betrachteten Falle. Zugleich ist klar, dass der vorstehende Ausdruck stets eine ein- deutige Funetion von x mit n wesentlichen singulären Stellen (e, ... c,) darstellt, wenn die Functionen (u), le) ) ; FO so, dass sie die angegebene Beschaffenheit haben, im Ubrigen aber will- kürlich angenommen werden. Die Function R*(x) kann in der Form wo c, eine beliebige der Grössen c, ... c, bedeutet, dergestalt ausgedrückt B 8 1 werden, dass @*,@% rationale ganze Funcetionen von —— ohne ge- RN meinschaftlichen Theiler sind. Es lässt sich der allgemeinste Aus- druck einer eindeutigen Function von x mit den n wesent- lichen singulären Stellen (ec, ... c,) auch in der Form darstellen, wo die Funetionen @, ... G,, dieselbe Beschaffen- heit wie in dem vorhergehenden Ausdruck haben, mit der Modification, dass jetzt auch ein Factor des Zählers und der entsprechende des Nenners an einigen der Stellen (e,...c,) ver- schwinden können. Übrigens erhellt, dass beide Ausdrücke, wie auch die Functionen @G,... G,, angenommen werden mögen, stets eine eindeutige Function von x darstellen, deren wesentliche singuläre Stellen sich sämmtlich in der Reihe c, ... c, finden; so wie auch, dass (c,) wirklich eine wesentliche singuläre Stelle dieser Function ist, wenn unter den übrigen Grössen @, keine ihr gleiche sich findet, und der Quotient Be! sich nicht auf eine rationale Function reducirt. Der zweite Ausdruck von (2) kann nun auf doppelte Weise noch weiter entwickelt werden. Setzt man Jay = He J) Yo =16 (—) ro = U6.() so sind f,(&), f,(®) Functionen von x, welche sich in der Umgebung jeder von (ec, ... c,) verschiedenen Stelle regulär verhalten, und deshalb nach $. 5 in der Form > u > Au, (X Ze c,) 9 v=1e.=1 | je M LAG) AS BZ 2 Bu, (& — c,)* 1 v=1 dargestellt werden können, wo die Coöfficienten A , B ’ Au» ’ Bu» Constanten und so beschaffen sind, dass die Reihen für jeden von €, ».. €, verschiedenen Werth der Veränderlichen « unbedingt convergiren. So ergiebt sich der in $. 1 unter (C, 1) aufgestellte Ausdruck von f(x). Wenn „man ferner das in $. 2 auseinander gesetzte Verfahren zur Zerlegung einer ganzen eindeutigen Function in Primfactoren auf die Functionen @, ... @G,, anwendet, so erhält man jede der Funetionen Fı@) ,F,(@@), wofern sie nicht selbst eine Primfunetion ist, als Produet von (rationalen oder transcendenten) Primfactoren dargestellt, und zwar so, dass die singuläre Stelle jedes einzelnen eine der wesentlichen singulären Stellen von /(x) ist, und das Product, falls es aus unendlich vielen Fac- Mathem. Kl. 1876. 8 58 WEIERSTRASS: toren besteht, in jedem Theile des Gebiets von x, der weder im Innern noch an der Grenze eine der Stellen (ec, ... c,) enthält, unbedingt und gleichmässig convergirt. Hiermit ist vollständig nachgewiesen, wie sich jede eindeutige Function /(x) mit einer endlichen Anzahl wesentlicher singulärer Stellen aus den einfachsten Functionen mit Einer (wesentlichen oder ausserwesent- lichen) singulären Stelle durch arithmetische Operationen zusammensetzen lässt. Es bleibt aber noch übrig zu ermitteln, wie eine solche Function sich in der Umgebung einer ihrer wesentlichen singulären Stellen verhält. 8. Verhalten der untersuchten Functionen in der Umgebung einer ihrer wesentlichen singulären Stellen. Ist f(x) eine ganze eindeutige Function, so weiss man, dass es unendlich grosse Werthe von x giebt, für welche der Werth von f(x) ebenfalls unendlich gross ist — mit andern Worten, dass sich, wenn a,b zwei willkürlich angenommene positive Grössen sind, unter den Werthen von x, die ihrem absoluten Betrage nach grösser als a sind, stets solche finden, für die der absolute Betrag von f(x) grösser als 5 ist. Dasselbe gilt für jede eindeutige Function von x mit der einen wesentlichen singulären Stelle ©. Man denke sich nämlich eine solche Function so, wie in $. 3 angegeben worden, in der Form ausgedrückt, so hat man zwei Fälle zu unterscheiden. Ist der Nenner eine transcendente Function, so verschwindet derselbe für unendlich viele Werthe von x; unter diesen giebt es also nothwendig unendlich grosse, und in einer unendlich kleinen Umgebung eines solchen Werthes ist der Werth von /(&) unendlich gross. Ist aber @,(x) eine rationale Function, so kann Er auf die Form en) oraus sich, da der Quotient G,(2) y G,(8) für jeden unendlich grossen Werth unendlich klein ist, die Richtigkeit des Behaupteten auch in diesem Falle ergiebt. e; Dies vorausgeschickt bedeute jetzt f(x) wieder eine beliebige ein- Pt deutige Function mit einer endlichen Anzahl wesentlicher singulärer Stellen, so kann dieselbe, wenn (c) irgend eine dieser Stellen ist, nach dem vorher- gehenden $. in der Form u: 3 2 () u 2z—c = Er, R ST 2 j Gn+ (—) dergestalt ausgedrückt werden, dass F(&) in der Umgebung der Stelle (c) sieh regulär verhält, aber für © —= ce nicht verschwindet. Es giebt also, } _ wenn 9, positive Grössen sind, von denen die erste beliebig klein und - F(a) die andere beliebig gross angenommen werden kann, Werthe von «, für die a le—clR Best. ‘ Nun hat aber, wenn ( eine willkürlich anzunehmende Grösse be- _ deutet, die Function STE AEN nn J@a— € dieselben wesentlichen singulären Stellen wie f(x); es existiren also auch —_ Werthe von x, für die | jee|<: , > 8 > W@—-Cl HARMS: liche persönliche Ueberzeugung und Gesinnung. Die Polemik richtet sich gegen alle systematische Philosophie und gegen den theoretischen Idea- lismus. Der Polemik liest aber selbst keine Philosophie, sondern eine eigenthümliche persönliche Ueberzeugung zu Grunde. Enthielten seine Schriften nur seine persönliche Ueberzeugung, so würden wir keinen Grund haben sie zur Philosophie zu rechnen. Jacobi gehört der Philo- sophie und ihrer Geschichte vielmehr an durch seine Polemik gegen den theoretischen Idealismus und die systematische Philosophie. Jacobi ist Polemiker. Er bestreitet die Philosophie als eine mögliche Wissenschaft vom Standpunkte des eigenthümlichen Bewusstseins. Mit grosser Innig- keit der Rede kämpft Jacobi gegen einseitige Richtungen der Philosophie seiner Zeit. Die Bestreitung der systematischen Philosophie ist gerichtet gegen Spinosa, gesen Fichte und gegen Schelling. Durch seine Briefe über die Lehre des Spinosa hat Jacobi seinem Zeitalter das Verständniss dafür zuerst aufgeschlossen. Viele lernten erst aus seiner Darstellung den Spinosa kennen. Ohne diese Schrift Jacobi’s würde schwerlich die Lehre des Spinosa einen so grossen und mächtigen Einfluss auf die Entwicklung der deutschen Philosophie gewonnen haben. Persönlich hegte Jacobi gegen Spinosa grosse Verehrung. Er schreibt: „Sei Du mir gesegnet grosser, ja heiliger Benedietus! Wie Du auch über die Natur des höchsten Wesens philosophiren und in Worten Dich verirren mochtest, Seine Wahrheit war in Deiner Seele und Seine Liebe war Dein Leben.“ Aber angezogen fühlte er sich nicht von der Lehre des Spinosa, vielmehr sah er sich davon zurückgestossen. Und den Grund dafür findet Jacobi in der systematischen Form der Demonstration, welche Spinosa anwandte zur Darstellung seiner Lehre. Der Weg der Demonstration, die blosse Form des systematischen Erken- nens, führe zum Fatalismus, zum Nihilismus und zum Atheismus. Die Philosophie als Wissenschaft könne vermöge der Form der Demonstra- tion nicht zur Wahrheit gelangen. Durch ihre Form verwandele die Wissenschaft Alles in ein Noth- wendiges, und die Lehre des Fatalismus, dass Alles nothwendig ist, sei daher ein unvermeidliches Ergebniss der Philosophie, die Alles demon- striren will. R Ueber die Lehre von Friedrich Heinrich Jacobi. 3 Der Form nach sei alles Wissen Demonstration, d. h. Ableitung der niederen Sätze aus den höheren. Leiten wir aber aus den höheren Sätzen die niederen ab, so stellen sie sich dar als nothwendige Folge ihrer Prämissen. Durch die Form der Demonstration verwandele die Wissenschaft daher Alles in ein Nothwendiges uud erzeugt damit den Glauben an ein unabänderliches Verhängniss. Konsequent endet daher die Philosophie mit dem Fatalismus. Ebenso sei der Nihilismus eine nothwendige Folge der Wissen- schaft, welche ihrer Natur nach Alles demonstrirt. Denn in der Demon- stration muss die Wissenschaft ausgehen von dem Abstrakten und daraus das Besondere ableiten. Die abstrakten Begriffe muss sie daher ansehen als die Quelle der Wahrheit. Allein was aus den abstrakten Begriffen abgeleitet werde, sei selbst nur ein Abstraktes. Alles Abstrakte ist aber ein Todtes und Lebloses, an sich ein wahres Nichts. Die Wissenschaft der blossen Demonstration führe daher zum Nihilismus. Das konkrete und persönliche Dasein kann sie nicht erkennen und was sie erkennt, ist nichts Existirendes, sondern nur ein Nichts. Zu einer solchen Abstraktion macht die Wissenschaft durch ihre Form der Demonstration auch Gott. Sie nennt ıhn das Sein, die Sub- stanz, die Urmonade. Diese Begriffe sind aber nur Abstraktionen, nur Hülfsbegriffe des Denkens, welche sie an die Stelle von Gott setzt. Die demonstrative Wissenschaft könne Gott nicht erkennen, denn was sie er- kennt, sei an sich nur ein Abstraktes und nichts Reales. In der Form der Demonstration liegt nach ‚Jacobi der Mangel der Philosophie des Spinosa, welche er als die vollendete Gestalt der Philo- sophie ansieht. Was nach Jacobi ein Mangel der Philosophie ist, der Fatalismus, Nihilismus und Atheismus, darin besteht nach Arthur Schopen- hauer das wahre Wesen der Philosophie. Lange vor Schopenhauer hat Jacobi den Fatalismus, Atheismus und Nihilismus als einen Mangel der Philosophie hervorgehoben, welcher aus ihrer Form der Demonstration entspringt. Es war Schopenhauer vorbehalten in diesem Mangel das Wesen der Philosophie zu erkennen. Wegen dieser Folgen verwarf Jacobi anfänglich alle wissenschaft- liche Form, alle systematische Philosophie, welche für sich nicht zur T Kal 4 HARMS: Wahrheit gelangen könne. Später hat er eine bedingte Nothwendiskeit der Form eingeräumt. Diese Polemik hat Jacobi aber auch gerichtet gegen Fichte, der eine neue Form der Wissenschaftsbildung lehrte. Nach Fichte hat die Philosophie ihr Wesen in der Selbsthervorbringung ihres Gegenstandes. Wir begreifen nur was wir ım Denken können entstehen lassen. Wis- senschaft ist Erkenntniss wie die Dinge im Bewusstsein werden. Was wir nicht hervorbringen können, verstehen wir nicht. Alle Erkenntniss muss hervorgehen aus den Thathandlungen des Ichs. Alle Begriffe sind Produkte des Ichs. In jedem Wissen sei nur soviel Wahrheit als Freiheit des Denkens darin enthalten ist. Allein Jacobi bekämpft diese neue Form der Wissenschaftsbildung ebenso wie die alte in der Form der Demonstration. An Fichte schreibt Jacobi: Ich sage es bei jeder Gelegenheit und bin bereit es öffentlich zu bekennen, dass ıch Sie für den wahren Messias der speculativen Vernunft, den wahren Sohn der Verheissung einer durchaus reinen in und durch sich selbst bestehenden Philosophie halte. Aber auch diese Form meint Jacobi führe nicht zur Wahrheit. Wenn die Philosophie ihr Wesen hat in der Selbsthervorbringung ihres Gegenstandes wie Fichte annimmt und Jacobi einräumt, so kann die Wissenschaft, sagt Jacobi, Gott nicht begreifen, denn er kann nicht ein Produkt des Ichs sein, was aber der Fall sein müsste, wenn die Wissenschaft ihn in Gedanken könne entstehen lassen. Der Mensch ver ehre einen Gott, dessen Geschöpf er ist, die Wissenschaft führe zu einem Gott, der ihr Produkt ist. Wissenschaft giebt es nur von dem, meint Jacobi, was wir zusam- mensetzen können, aber nicht von den Dingen, die wir nicht zusammen- setzen können. Wissenschaft gäbe es daher nur von der mechanischen Natur. Von dem was nicht zur mechanischen Natur gehört, gäbe es keine Wissenschaft, sondern nur einzelne Erkenntnisse, kein allgemein- gültiges Bewusstsein, sondern nur eine persönliche Ueberzeugung, nur ein einzelnes aber kein Wissen ım Zusammenhang. Jacobi beschränkt daher den Begriff der Wissenschaft auf den der Naturwissenschaft. Endlich hat Jacobi diese Polemik auch geltend gemacht gegen Schelling. Denn auch die Naturphilosophie lehre einen unpersönlichen Ueber die Lehre von Friedrich Heinrich Jacobi. 5 Gott, der einem blinden Schicksal unterworfen sei. Den Beweis für diese Behauptung entnimmt Jacobi wiederum aus der wissenschaftlichen Form. Denn die Naturphilosophie suche Gott und die Schöpfung aus Gründen zu begreifen, sie suche in Gott einen Grund der Schöpfung, woraus sie hervorgehen soll. Der Beweisgrund aber stehe höher als das was aus ihm bewiesen wird. Nehme die Naturphilosophie aber in Gott einen Grund an, der ihn zum Schaffen nöthigt, so unterwerfe sie Gott selbst einem Werden und einem blinden Schicksal. Die Wissenschaft, welche Alles ins Unendliche demonstriren, vermitteln und begründen will, und ausserdem kein unmittelbares Wissen annimmt, führe daher durch ihre Form zum Fatalismus und Atheismus, da nicht Gott sondern das blinde Schicksal darnach das Höchste sei. Alle demonstrative und spe- eulative Wissenschaft führe also durch ihre Form, sowohl in der alten Gestalt bei Spinosa, aber auch in der neuen bei Fichte und Schelling nicht zur Wahrheit. Jacobi richtete seine Polemik aber auch gegen den theoretischen Idealismus von Kant und Fichte. Jacobi hat das Verdienst, dass er den Widerspruch in Kant's Lehre hervorgehoben hat, den sie selbst nicht lösen kann, ohne entweder ihr Endergebniss, dass wir nur Erscheinungen sollen erkennen können, oder ihre Voraussetzung, dass es Dinge an sich giebt, aufzuheben. Ohne die Voraussetzung von Dingen an sich als Ursachen unserer Empfindungen giebt es, wie Jacobi sagt, keinen Eingang in Kant's Kritik der reinen Vernunft und mit dieser Annahme kein Bestehen in derselben. Denn sind die Dinge an sich Ursachen unserer Empfindungen, so sei die Lehre der Kritik der reinen Vernunft, dass die Kategorie der Causalität nur von Erscheinungen gilt, nicht richtig und gilt diese Lehre, so sei die Annahme unzulässig, dass es Dinge an sich giebt, die Ursachen unserer Empfin- dungen sind. Erkennen wir Erscheinungen, so müssen wir auch daraus die Gegenstände erkennen können, welche erscheinen, können wir aber die Dinge an sich nicht aus ihren Erscheinungen erkennen, so erkennen wir auch keine Erscheinungen, sondern nur einen Schein, der uns täuscht, wenn wir ihn auf die Dinge an sich beziehen und die Annahme, dass es Dinge an sich giebt, ist mehr als zweifelhaft. Ist die Annahme aber gewiss, so müssen auch die Dinge an sich aus ihren Erscheinungen er- ea 4 6 HARrMmSs: kannt werden können. Erkennen wir nur Erscheinungen, so bin ich selbst auch nur eine Erscheinung meines Sehens und Denkens, selbst nur eine Form der Formen meines Anschauens und Denkens. Der transscen- dentale Idealismus Kant’s sei daher eine nicht durchführbare Lehre, er enthalte einen Widerspruch, den er selbst nicht lösen kann, ohne ent- weder das Endergebniss oder die Voraussetzung dieses Idealismus auf- zuheben. Fichte hat den Idealismus von Kant noch weiter dahin ausge- bildet, dass wir von allen Dingen ausser uns nur wissen können, sie seien Nieht-Ich, also nur Verneinungen des Ichs, welches allein die Po- sition ist. Dagegen bemerkt Jacobi, wenn man die Realität der Aussen- welt bezweifle, so hebe man auch die Realität des Ichs auf, welches sich nur im Gegensatze mit der Aussenwelt entwickeln kann. Ohne Du kein Ich. Alles Denken werde zu einem blossen Schein, zu Lug und Trug, zu einem leeren Blendwerke, wenn man die Realität der Dinge leugne und nur die Realität des Ich annehme, das nur im Verkehr mit der Aussenwelt lebe. Dieser Polemik Jacobi’s gegen alle systematische Philosophie und den theoretischen Idealismus legt nun aber nicht selbst eine Philosophie zu Grunde, da Jacobi alle Philosophie als Wissenschaft bestreitet. Er lehrt positiv keine Philosophie, seine Lehre sei eine „Unphilosophie, welche im Nichtwissen ihr Wesen habe.* Der Polemik liegt zu Grunde eine persönliche Ueberzeugung, welche sich nur in einzelnen Erkenntnissen ausspricht ohne einen wissenschaftlichen Zusammenhang. Jacobi verthei- diet das Recht des eigenthümlichen Bewusstseins gegen das allgemeingül- tige Bewusstsein der Wissenschaft, der persönlichen Erfahrung gegen die Ansprüche eines endlos vermittelnden Denkens. Seine Polemik ist gerichtet gegen ein bloss mittelbares und gegen ein bloss ideales, gegen- standsloses Wissen, das nur von sich, dem Wissen, Vorstellen und Den- ken weiss. Dem gegenüber behauptet er, es gäbe nicht bloss ein mittel- bares, sondern ein unmittelbares Wissen, das aller systematischen Philo- sophie vorhergehe und der wissenschaftlichen Erkenntniss zu Grunde liege, und es gäbe ein Wissen, welches direet der Realität seines Gegen- standes gewiss sei. Diese Lehre von einem unmittelbaren Wissen welches Realität hat, bildet die Ueberzeusung Jacobi’s, welche seiner ne Ba NT ur = Ueber die Lehre von Friedrich Heinrich Jacobi. 7 Polemik gegen den Idealismus und die Demonstration ins Unendliche zu Grunde liegt. Ein solches unmittelbares Wissen muss es geben, weil jeder Erweis schon Erwiesenes voraussetzt. Die Ueberzeugung aus Gründen sei nur eine Gewissheit aus zweiter Hand, es müsse auch eine Gewissheit aus erster Hand geben. Wie können wir nach Gewissheit streben, wenn uns Gewissheit nicht schon im Voraus bekannt ist, und wie kann sie uns bekannt sein anders, als durch etwas, das wir mit Gewissheit schon er- kennen. Dies führe zu dem Begriffe einer unmittelbaren Gewissheit, welche nicht allein keiner Gründe bedarf, sondern alle ausschliesst, und einzig und allein die mit dem vorgestellten Gegenstande übereinstimmende Vorstellung selber sei. Dies unmittelbare Wissen sei enthalten in der Wahrnehmung, in der Anschauung, in der Empfindung. Die Wahrnehmung ist eine un- mittelbare Erkenntniss, welche allem Denken und Vorstellen vorhergeht, und worauf alle Begriffe und Vorstellung sich zurückbeziehen. Sie ist die erste Erkenntniss einer Sache, und vermittelt jede andere. Alle Anschauung enthüllt und oflenbart ein Dasein. „Dass Wahrnehmung im strengsten Wortverstande sei und dass ihre Realität und Wahrheit schlechthin angenommen werden müsse, unterscheide seine Ueberzeugung von der Kant’schen in den Schulen uralten Voraussetzung, ‚dass Wahr- nehmung im eigentlichen Verstande nicht sei, sondern bloss ein Vorstellen und Denken.“ Diess sei der Grundirrthum in der Philosophie seit dem Cartesius, dass Alles bloss ein Vorstellen und Denken sei und dass keine Wahrnehmung stattfinde. Jacobi behauptet demnach, dass das Bewust- sein der Realität primär ist und nicht seeundär, ein ursprüngliches und kein abgeleitetes Bewusstsein, ein unmittelbares Bewusstsein in Anschauun- gen und Wahrnehmungen, und kein mittelbares in Vorstellungen und Begriften. Die unmittelbare Erkenntniss der Wahrnehmung sei direet ent- gegengesetzt der mittelbaren der Vorstellungen und der Begriffe. Alle Vorstellungen sind nur Copien der unmittelbar wahrgenommenen wirk- lichen Dinge. In der Wahrnehmung sei die Sache selbst enthalten, in der Vorstellung aber nicht. Das Wirkliche lasse sich daher auch in blossen Vorstellungen nicht darstellen. Was die Vorstellungen erklärt, 8 Harms: kann keine Vorstellung sein. Die Welt der Vorstellungen sei ein Inbe- griff von lauter Bedingten, wofür der Grund nicht wieder liegen kann in einer Vorstellung. Wahrnehmung und Vorstellung sind wohl in einem Punkte identisch, in einem anderen aber verschieden; identich sofern sie dieselben Beschaffenheiten der Dinge enthalten; verschieden aber, sofern in der Anschauung das Wirkliche selbst enthalten ist, in der Vorstellung aber nicht. Es sei daher auch nichts ungereimter als das Verfahren der Phi- losophie, das Reale aus den Beschaffenheiten herzuleiten, während die Beschaffenheiten aus dem Realen der Anschauungen erkannt werden müssten. Denn das Sein und Leben ist nicht selbst eine Eigenschaft und eine Beschaffenheit, sondern das, was alle Eigenschaften trägt. Die Eigenschaften sind des Seins und nur an ihm als seine Modifikationen und Aeusserungen, diese müssen aus dem Realen erkannt werden, nicht aber das Reale aus den Beschaffenheiten. Da alles Wissen und Denken nach Jacobi ruht auf der unmittel- baren Erkenntniss der Wahrnehmung und eine Folge davon ist, so lehrt Jacobi auch, man habe nie mehr Verstand als man Sinne hat. Die reinsten und reichsten Empfindungen haben den reinsten und reichsten Verstand zur Folge. Abgetrennt von der Empfindung und Wahrnehmung verlieren wir den Verstand. Wir erfahren nur mit dem Verstande und mit der Vernunft, nicht aber durch sie als wären sıe besondere Kräfte. Weil alles Wissen sich gründet auf der unmittelbaren Erkenntniss der Wahrnehmung, sagt Jacobi, alle Erkenntniss ruhe auf einen Glauben, auf einer unmittelbaren Gewissheit. Unter Glauben versteht Jacobi aber nicht einen religiösen Glauben, noch weniger aber den Glauben eines bestimmten Bekenntnisses, dem „Jacobi sehr fern stand, sondern wie er selbst sagt den praktischen Glauben Hume’s. Wir glauben an unser eigenes Dasein, dessen wir unmittelbar empfindend gewiss sind; wir glauben an das Dasein der Dinge ausser uns, weil wir sie wahrnehmen, wir glauben an ein Uebersinnliches, weil wir es in uns empfinden. Wirk- liches Dasein kann nur erfahren, nicht aber aus Begriffen erschlossen werden. Wenn Jemand spricht, er wisse, so fragen wir mit Recht woher? und da muss er sich zuletzt auf Wahrnehmungen berufen. Ueber die Lehre von Friedrich Heinrich Jacobi. 9 Da Jacobi alles Wissen gründet auf der Wahrnehmung und ihrer Gewissheit, welche sie in sich selber hat, so bestimmt er auch dem ge- mäss über die Realität. Nur das Besondere und Individuelle hat Rea- lität, nicht aber das Abstrakte und Allgemeine, das nicht wahrgenommen werden kann. In dem Besonderen, dem Individuellen und Persönlichen liege die Quelle des Lebens und der Wahrheit, nicht aber in dem Allge- meinen und dem Abstrakten. Es giebt nun aber nach ‚Jacobi eine doppelte Wahrnehmung. Die Wahrnehmung durch die Sinne von der körperlichen Welt, und die innere Wahrnehmung durch die Vernunft von dem Uebersinnlichen. Wie der Mensch einen Sinn habe für die körperliche Welt des Endlichen und Bedingten, so habe er auch ein Auge für die geistige Welt des Unbe- dingten und des Unendlichen. Ohne zu Grundelegung der sinnlichen Wahrnehmung gäbe es keine Naturerkenntniss, und ohne die zu Grundelegung der inneren Wahrneh- mung durch die Vernunft keine sittliche und keine religiöse Erkenntniss. Das sei der Mangel der früheren Philosophie gewesen, dass sie nur auf der Thatsache der sinnlichen Wahrnehmung alle Erkenntniss habe grün- den wollen, was ohne die Annahme einer zweiten Art der Wahrnehmung durch die Vernunft nicht möglich sei. Jacobi nennt alle Philosophie einäugig, welche bloss auf der Thatsache der sinnlichen Wahrnehmung sich gründet und alle Philosophie sei bisher, mit der Ausnahme von Soerates und Platon, einäugig gewesen. Auf der sinnlichen Wahrnehmung können wir zur Wissenschaft gelangen, auf der inneren aber, meint Jacobi, sei dies nicht möglich. Er exceludirt die Möglichkeit der Wissenschaft auf dem einen Gebiete der inneren Erfahrung. Nur Naturwissenschaft sei möglich; von den Gegen- ständen der inneren Wahrnehmung durch die Vernunft giebt es nur einzelne Erkenntnisse, aber keine allgemeingültige und systematische Er- kenntniss der Wissenschaft. Jacobi exceludirt die Wissenschaft von den Gegenständen der in- neren Wahrnehmung, weil er in dem Vorurtheile befangen war, dass der Begriff der Wissenschaft, welcher der Ethik der Spinosa zu Grunde liegt, und der Begriff welcher in Fichte’s Wissenschaftslehre und in Schelling’s Philos.-histor. Kl. 1876. 2 10 HrArRIMIS.: Naturphilosophie sich findet, der wahre und der allein richtige Begriff sei, der aber, wie ‚Jacobi meint, doch zum Fatalismus, Nihilismus und Atheismus führe, weshalb die Wissenschaft auf diesem Gebiete des Er- kennens nicht möglich sei, da sie das unmittelbare Bewusstsein in sein Gegentheil verkehre. So richtig Jacobi über den logischen Dogmatismus geurtheilt hat, der in diesem Begriff der Wissenschaft liegt, so hat doch Jacobi diesen Begriff selbst nicht weiter untersucht, sondern ihn nur wegen seiner unvermeidlichen Folgerungen bekämpft. Er ist bei dieser Negation stehen geblieben. Er excludirt die Wissenschaft von den Ge- genständen der imneren Wahrnehmung, weil er den logischen Dogmatis- mus, den er selbst verwirft, doch für das wahre Wesen der Wissenschaft hält. Aus diesem Widerspruch ist er nicht herausgekommen. Da Jacobi von dem Gebiete der inneren Erfahrung durch die Vernunft die Möglichkeit der Wissenschaft exeludirt, so sind die An- sichten und Meinungen, welche er darüber aufstellt, nur Behauptungen eines persönlichen Bewusstseins, einer individuellen Lebenserfahrung. Sie überschreiten aber doch auch zugleich ihr Gebiet, da sie als allgemein- gültige Urtheile hervortreten und in diesen Erkenntnissen, wie sie Jacobi ausspricht, doch mehr enthalten ist als blosse Wahrnehmungen, weil sie zugleich Entscheidungen geben, wie sie nur durch Begriffe möglich sind. Jacobi hebt nur hervor, dass auch auf diesem Gebiete alle Erkenntniss durch Erfahrung, durch die innere Wahrnehmung der Vernunft bedingt ist und dass diese innere Erfahrung nicht weniger Rea- lität habe als die äussere. „Wen die Gefühle des Schönen und des Guten, schreibt Jacobi, der Bewunderung und der Liebe, der Achtung und Ehrfurcht nicht über- zeugen, dass er in und mit diesen Gefühlen ein von ihm Unabhängiges wahrnehmen, gegen den sei nicht zu streiten.“ Jacobi meint solche Ge- fühle offenbaren ebensowohl eine objektive Welt wie das Auge eine Welt der Farben und des Lichts. Alle Gewissheit und aller Glaube ruhe zuletzt auf Thatsachen, er gründet sich auf eigener oder fremder Erfah- rung, daher müssen auch alle, um den negativen Ausdruck zu gebrauchen, nicht naturwissenschaftliche Erkenntnisse auf der Erfahrung der inneren des Geistes sich gründen. Ueber die Lehre von Friedrich Heinrich Jacobi. 11 Durch die innere Wahrnehmung der Vernunft sollen wir ur- sprünglich wissen von dem Wahren, Guten und Schönen, von Gott und der Vorsehung, von der Persönlichkeit und der Freiheit. Alle diese Er- kenntnisse sollen direkt aus der inneren Wahrnehmung entspringen und durch sie gegeben sein. Wir empfinden das Göttliche in uns, und denken nicht bloss Gott. Der Glaube an Gott sei Instinkt, dem Menschen natür- lich, wie seine aufrechte Gestalt. Gott lebe in uns und unser Leben sei verborgen in Gott. Wäre er uns nicht auf diese Weise gegenwärtig, un- mittelbar gegenwärtig durch sein Bild, was ausser Ihm sollte Ihn uns kund thun? Ebenso ruhe auf innerer Erfahrung die Annahme einer wirklichen und wahrhaften Vorsehung und Freiheit in dem höchsten und jedem vernünftigen Wesen. Freiheit und Vernunft sei dasselbe, Erkennen und Handeln müssen in Einem Punkte eins sein. Die Intelligenz habe nicht bloss das Zusehen bei dem Handeln, sondern die Handlungen entsprin- gen aus der Intelligenz. Die Freiheit sei daher auch mit dem Prineipe der Endursachen dasselbe. „Wenn es lauter wirkende und keine End- ursachen gäbe“, sagt Jacobi, „so habe das denkende Vermögen in der ganzen Natur bloss das Zusehen, sein einziges Geschäft sei den Mecha- nismus der wirkenden Kräfte zu begleiten. Der Erfinder der Uhr erfand sie im Grunde nicht; er sah nur ihrer Entstehung aus blindlings sich entwickelnden Kräften zu.“ Es gäbe aber nicht bloss wirkende, sondern auch Endursachen, ich thue, was ich denke, und ich denke nicht bloss, was ich gethan habe. D. h. aber Jacobi sucht doch zu beweisen, was er ohne alle Beweise für unmittelbar gewiss hält als dureh blosse Erfahrung gegeben. Warum aber etwas aus der Erfahrung Bewiesenes nicht ein Be- weis sein soll, dafür hat Jacobi keinen Grund, sondern nur das Vor- urtheil, dass nach ihm der Begriff der Wissenschaft mit dem der De- monstration und der Speculation apriori zusammenfällt. Er hat nicht den Begriff der Erfahrungswissenschaft auf das Gebiet der inneren Er- fahrung durch die Vernunft zu extendiren versucht. Die Vernunft offen- bart die Freiheit, indem wir sie in uns erleben. Die Freiheit sei daher auch nicht bloss ein Postulat der praktischen Vernunft, wie Kant lehre, sondern in der Erfahrung selbst gegeben. Die Postulate Kants nennt er 9* 2 112 HARMS: blosse Wünsche, woraus keine Erkenntniss entspringe, denn alle gründet sich auf Erfahrung. Für die Annahme der Freiheit beruft sich aber Jacobi auch auf seine Unterscheidung zwischen Grund und Folge einerseits und Ursache und Wirkung andererseits, oder zwischen dem Prineipium Compositionis und dem Principium Generationis. Grund und Folge succediren nur in unsrem Denken, in der Sache sind sie zumal, das Dreieck zumal mit seinen drei Winkeln und nur im Denken unterscheiden wir eins von den anderen. Das Princip des Grundes und der Folge oder der Composition besagt nur, dass das Ganze früher ist als seine Theile und nur im Denken eines auf der anderen folge. Ein bloss denkendes Wesen wisse daher nichts vom Geschehen, von Ursache und Wirkung, sondern wisse nur von Grund und Folge, welche in der Sache zumal sind. Aber wir sind nicht bloss denkende, sondern wir sind auch handelnde Wesen. Und nur aus dieser Erfahrung haben wir den Begriff von Ursache und Wir- kung. Ohne die lebendige Erfahrung in uns selbst von einer solchen handelnden Kraft, deren wir uns in einem fort bewusst sind, die wir auf so mannigfaltige willkürliche Weise anwenden, und, ohne sie zu ver- ändern, auch von uns ausgehen lassen können: ohne diese Grunderfah- rung würden wir nicht die geringste Vorstellung von Ursache und Wir- kung haben. Jede Wirkung sei That, jede Ursache eine frei handelnde Kraft. Die verhängnissvolle Nothwendigkeit existire daher nur in dem Verhältnisse von Grund und Folge, in der Causalität des Geschehens sei Freiheit. Jacobi meint daher auch, dass alle Begriffe apriori nicht aus dem Denken stammen und dann nur Vorurtheile des Verstandes seien, sondern aus der Erfahrung hervorgehen. Die Begriffe, welche aus jeder Erfahrung stammen, seien die Begriffe apriori, ohne welche kein Objekt, Gegenstand eines Begriffes sein kann. Alle Erkenntniss will Jacobi gründen auf der Erfahrung, der in- neren der Vernunft und der äusseren der Sinne. Er gründet darauf auch die ethische Erkenntniss. Alle wahre Tugend ruhe auf einen leben- digen eigenthümlichen Trieb zum Guten. Liebe sei mehr werth als der Hochmuth der kalten Vernunft. Die Liebe ist nicht schaffend nach einem Ideale, sondern schaffend das Ideal. Das sittliche Handeln entspringe 20 F. ı u Er e Ueber die Lehre von Friedrich Heinrich Jacobi. 13 daher nicht aus allgemeinen Gesetzen und Normen; sondern aus per- sönlichen und eigenthümlichen Trieben und Gefühlen. Jacobi verwirft daher den kategorischen Imperativ von Kant. Es gäbe keine allgemeine Normen des sittlichen Handelns, sondern jede Handlung entspringt aus dem sittlichen Gefühle des Einzelnen. Jeder handele nach seiner Indi- vidualität und Persönlichkeit und müsse der daraus entsprechenden Ueber- zeugung folgen. Der Mensch sei nicht um des Gesetzes willen, sondern das Gesetz um des Menschen willen. Alle Gesetze sind despotisch, und das Gesetz könne nie das Herz des Menschen werden. Tugend und Pflicht, Liebe und Gerechtigkeit sind systemlos. Alle Gemüthsbewegun- gen, wenn wir sie billigen und Jemand darum, weil er sie hat, hoch- achten sollen, müssen etwas freiwilliges an sich haben; wir wollen, dass der Mensch seine Liebe und seinen Hass erzeuge. Indem Jacobi alle allgemeinen Gesetze, Normen und Grundsätze des sittlichen Handelns verwirft und will, dass jeder nach seiner Per- sönlichkeit handelt, hebt er damit zugleich die Ethik als Wissenschaft auf, welche nicht auf blossen persönlichen Gefühlen, die schlechthin ver- schieden sind, ruhen kann, worin Jacobi consequenter ist als die schot- tischen Moralphilosophen, wenn sie die Ethik als Wissenschaft auf Ge- fühlen gründen wollen, denn jedes Gefühl ist in der That seinem Wesen nach eigenthümlich und persönlich. Aber Jacobi meint, es komme auch nicht darauf an, ob es eine Ethik als Wissenschaft giebt oder nicht, son- dern es sei nur nöthig, dass man im Einzelnen richtige sittliche Ein- sichten habe. Der Standpunkt Jacobi's führt zur Genialität des sitt- lichen Handelns aus individuellen Gefühlen. Er verwirft alle Grundsätze, hat aber doch den Grundsatz, dass Jeder nach seinem Gefühle handele. Indem Jacobi die Persönlichkeit in allen sittlichen Handeln hervorhebt, übersieht er doch, dass jede Person ein Mitglied ist in der Gemeinschaft des sittlichen Handelns und daher doch gebunden ist in gewisser Weise zu handeln. Dennoch bleibt das Verdienst Jacobi’s bestehen, wenn er hervorhebt, dass in allen sittlichen Handeln mehr enthalten ıst als eine blosse Illustration des kategorischen Imperativs, von allgemeinen Normen und Grundsätzen, dass sie aus der ganzen Persönlichkeit des Menschen hervorgehen müssen. 14 HARMS: Wir heben nur noch einen Punkt hervor, der zur Charakteristik von Jacobi’s Lehre dient. Alle Erfahrung und Geschichte lehre, dass des Menschen Thun viel weniger von seinem Denken, als sein Denken von seinem Thun abhängt, dass seine Gedanken sich nach seinen Handlungen richten und sie gewissermaassen nur abbilden. Jacobi macht die Bildung und Beschaffenheit des Intellektuellen abhängig von dem Moralischen, des Theoretischen von dem Praktischen. Wie wir handeln und leben, so erkennen wir. Wer nicht in sich wahrhaft ist, erkennt auch nicht die Wahrheit. Wir müssen selbst freie Wesen sein, um die Freiheit erkennen zu können. Denn der Verstand des Menschen habe sein Leben und sein Licht nicht in sich selber, und der Wille ent- wickle sich nicht durch den Verstand, sondern im Gegentheil entwickle sich der Verstand des Menschen durch seinen Willen, der ein Funke sei aus dem ewigen reinen Lichte und eine Kraft der Allmacht. Wer mit diesem Lichte gehe, aus diesem Vermögen handle, der werde aus einer Klarheit in die andere geläutert, der erfahre seinen Ursprung und seine Bestimmung. Denn Jacobi hat ım praktischen Leben bemerkt, dass die Ansichten, wozu die Menschen sich bekennen, von dem Leben abhängig sind, das sie führen. Das positive Element in Jacobi’s Lehre ist ein Empirismus, das negative die Polemik gegen die Philosophie als Wissenschaft und den theoretischen Idealismus, gegen ein bloss mittelbares Wissen des Denkens und gegen ein gegenstandsloses Wissen, das nur von sich, dem Wissen, Vorstellen und Denken weiss. Allein der Empirismus Jacobi’s ist doch eigenthümlicher Art. Er betrachtet die Erfahrung, wenigstens die innere durch die Vernunft nicht als eine Grundlage der Wissenschaft, sondern als für sich genügend. Sein Empirismus ist ein Empirismus vor und ausser der Wissenschaft. Sein Empirismus ist ein Empirismus des Lebens und nicht der Wissenschaft. Jacobi will alle die einzelnen Erkenntnisse, welche durch die innere Erfahrung des Geistes gegeben sein sollen, für sich und nur um des vernünftigen Lebens willen festhalten, denn er fürchtet, sie könnten durch die Form der demonstrativen und speculativen Wissenschaft in ihr Gegentheil verkehrt werden, sodass dabei kein ver- nünftiges Leben mehr bestehen könne. Jacobi steht auf dem Stand- Ueber die Lehre von Friedrich Heinrich Jacobi. 15 punkte des praktischen Lebens, und giebt der Erfahrung einen unbeding- ten Vorzug vor aller wissenschaftlichen Erkenntniss. Ihre Realität sei gewiss und ihr Werth unschätzbar. Er will seine eigene Lebenserfahrung um allen Preis festhalten. Alle Erfahrung sei aber auch persönlich und individuell, denn ich erfahre nur, was ich erlebe, mein eigenes Leben bedingt meine Erfahrung. Das eigenthümliche Bewusstsein vertheidigt Jacobi gegen das allgemein-gültige der Wissenschaft und er weiss nicht, wie sich beides sollte verbinden lassen können. Die Stellung, welche Jacobi zu Kant hat, ist auch durch seinen Empirismus bestimmt. Hegel hat Recht, wenn er sagt, dass die Kant’sche Philosophie Jacobi bereits fertig antraf. Die kritische Philosophie Kant's hat keinen Einfluss gehabt auf die positiven Ansichten ‚Jacobi's, welche er im Widerstreite mit der kritischen Philosophie Kant’s behauptete. Zwei Schriften Kant’s haben allerdings einen grossen Einfluss auf Jacobi, wie er selbst hervorhebt, gehabt: die Untersuchung über die Deutlich- keit der Grundsätze der natürlichen Theologie und Moral, und die Schrift: Einzig möglicher Beweisgrund zu ‚einer Demonstration von dem Dasein Gottes, wodurch er erst zum selfständigen Denken angeregt und zur Klarheit gelangt sei. Aber beide Schriften gehören der Periode an, wo Kant selbst noch in der Untersuchung begriffen war, vor der Gründung des Kritieismus. Die Differenz zwischen Jacobi und Kant liegt vor Allen in der Auffassung und der Werthschätzung der Erfahrung, welche bei Jacobi eine ganz andere ist als bei Kant. Nach der kritischen Philosophie Kant’s ist alle Erfahrung, sofern darunter verstanden wird eine Sammlung und ein Innbegriff von Wahrnehmungen nur ein Illustrations- und Exemplfi- cationsmittel einerseits der Kategorien des Verstandes, wodurch sie selbst erst Realität empfangen sollen, und andererseits des kategorischen Im- perativs, der von allem Inhalte des Handelns absieht, und nur in ihrer Form ein sittlichen Werth erkennt, welche alle Handlungen, was sie auch bezwecken mögen, in gleicher Weise zum Ausdruck bringen sollen. Dem widersetzt sich Jacobi und zwar auf beiden Gebieten der Empirie, sowohl auf dem Gebiete der physischen Erfahrung durch sinnliche Wahrnehmung, als auch auf dem Gebiete der sittlichen Erfahrung durch die innere 16 HARMS: Wahrnehmung der Vernunft oder des handelnden Lebens. Zwei Punkte sind es worin Jacobi Kant widerspricht. Einerseits behauptet Jacobi, dass die Wahrnehmung Realität habe ın sich und keine Realıtät zum Lehn empfange von den Begriffen des Verstandes, welche ihr keine Realıtät geben können, wenn sie keine in sich selber besitzt. Daher sagt Jacobi, alle Anschauung enthüllt und offenbart ein Dasein, er nehme Wahrneh- mung im eigentlichen und strengsten Verstande an. Wir wissen von Gegenständen durch die Wahrnehmung und wissen nicht bloss von un- serem Anschauen und Denken. Der zweite Punkt der Differenz zwischen Jacobi und Kant in der Auffassung und Werthschätzung der Empirie betrifft die Speecifikation ihres Inhaltes. Jede Erfahrung, die ich mache, ist eine besondere und hat einen besonderen Inhalt, keine kann durch die andere vollständig er- setzt werden. Jede Anschauung entsteht originaliter und keine ist eine blosse Copie und Wiederholung der andern. Die Erfahrung hat daher einen besonderen ins Unendliche specifieirten Inhalt. Darin besteht die Lebendigkeit der Anschauung und ihre belebende Kraft für das Erkennen, ihr unendlicher Vorzug vor allen Begriffen und Vorstellungen. Diesen Inhalt können die Kategorien des Verstandes, welche er aus seinen For- men des Denkens schöpft, so wenig durchdringen, wie der kategorische Imperativ den besonderen Inhalt der praktischen Erfahrung zu bestimmen vermag, er bleibt daher in beiderlei Beziehung unerkannt. Das Apriori der theoretischen und der praktischen Vernunft Kant’s ist diesem Aposte- riori der Erfahrung nach ihrem besonderen und specifieirten Inhalte nicht gewachsen, und kann nieht durch den Schematismus der Kategorie und des kategorischen Imperativs erkannt werden. Dieser besondere und spe- cifieirte Inhalt der Empirie, worauf Kant nur nachträglich in der Kritik der Urtheilskraft einen Blick geworfen hat, und wodurch er im Grunde die Grenzen seiner Philosophie, die er sich selber gezogen, überschreitet, ist das Moment der Erfahrung, welches Jacobi am Herzen liegt und das er wieder den Apriorismus der Philosophie zu vertreten sich aufgefordert fühlte. Sollte dieser Inhalt auch nicht durch die Wissenschaft auf dem Wege der Demonstration erkennbar sein, sondern vielmehr aussen vor liegen bleiben, so sei er doch, meint Jacobi, ein erkennbarer und zwar Ueber die Lehre von Friedrieh Heinrich Jacobi. 17 auf dem persönlichen Wege des Erkennens, durch das Gefühl und die Anschauung selber. Es giebt mehr Erkenntnisse, als alle Wissenschaften zusammen umfassen, wildwachsende Erkenntnisse, woraus ursprünglich alle Wissenschaften entstanden sind und die sie, so lange sie das ab- solute Wissen noch nicht haben, doch beachten müssen als fortgehende Anlässe der Wissenschaftsbildung. Diese wildwachsenden Erkenntnisse des Lebens in persönlicher Erfahrung zu vertreten war die Aufgabe, womit ‚Jacobi sich beschäftigte. Philos.-histor. Kl. 1876. 3 4 EM FERN UNNSCENURG Te Br 3.“ BT; PraNLıe anal er, nf ROUTE een r { ar { j { t Ah ” , . en eur. STE nn ie hy M &, As TR TE ie ws Re) are ut a Se cl ee Bere Re e E ee ee an) a ih DL 3 Teer 2 L iv A Fu N 5 E en LT ee ee Ana Eur Pe In A | Br: = re Wntieane, mia) Aa, Mr a ah E ' ee N n ea TaoRr r ge A vers vg rg ae NE a ei. a ae T ER H x Se Nr DU AD MER ER er b m 271 SAP ® fr anche Vrintare OR | BR en, we arme # ji u en ne re s; sion En EN km he re Ba Sm | a Di PN ei N Du e u er ah ink Men Über " teleologische und mechanische Naturerklärung in ihrer Anwendung auf das Weltganze, v H'"* E. ZELLER. [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 6. Januar 1876.] W en der Mensch über die Gründe der Dinge nachzudenken beginnt, wenn ihm zuerst einzelne auffallendere Erscheinungen und mit der Zeit deren immer mehrere die Frage nach dem Warum aufdrängen, und zur Beantwortung dieser Frage die ersten Causalbegriffe gebildet werden, so leitet ihn hiebei zunächst durchweg die Analogie seines eigenen Wollens und Thuns. Denn wir selbst sind die einzige Ursache, deren Wirkungs- weise uns unmittelbar, durch innere Anschauung, bekannt ist; von allem andern dagegen können wir wohl die Wirkungen wahrnehmen, über die Art und Weise dagegen, wie diese Wirkungen zu Stande kommen, und über den Zusammenhang derselben mit ihren Ursachen können wir uns nur durch Schlüsse aus den Thatsachen, nicht unmittelbar durch die Wahrnehmung der Thatsachen unterrichten. Daher kommt es, dass die Kinder alle Dinge, deren Wirkungen sie erfahren oder wahrnehmen, vor- übergehend oder auch dauernd personifieiren, jene Wirkungen so gut wie die willkührlichen Bewegungen des menschlichen Leibes für eine Willens- äusserung halten; und dass ebenso auch die Menschheit in ihrem viel- tausendjährigen Kindesalter die wirkenden Kräfte sich nur persönlich vorzustellen wusste, die ganze Natur sich von menschenähnlichen Wesen erfüllt und beseelt dachte, die Himmelskörper und die Elemente, die Naturkräfte und die sittlichen Mächte als Götter anschaute. 3* un 20 Zrurer: Über teleologische und mechanische Naturerklärung Diese ältesten Causalvorstellungen mussten aber mit der Zeit nach zwei Seiten hin eine Umbildung erfahren, zu der die fortgesetzte Selbst- und Weltbeobachtung mit Nothwendigkeit hinführte. Einestheils nämlich liess sich der Unterschied zwischen den lebendigen und den leblosen Wesen unmöglich verkennen, mochte auch die Grenze zwischen beiden im einzelnen vielfach so unbestimmt bleiben, dass z. B. die Gestirne selbst unter den griechischen Philosophen von der Mehrzahl den ersteren zuge- zählt werden; und wenn man die Selbstbewegung des Lebenden von einer Seele herleitete, die der menschlichen mehr oder weniger ähnlich sein sollte, so stellte sich dagegen das Leblose als eine unbeseelte Masse dar, die nur mechanisch, theils durch ıhre eigene Schwere oder Leichtigkeit, theils von aussen durch Druck oder Stoss bewegt werde. Je mehr an- dererseits die Menschen sich gewöhnten, ihr Leben einer festen Ordnung zu unterwerfen, ihre Handlungen mit vernünftiger Überlegung auf be- stimmte Ziele zu lenken, um so undenkbarer musste es ihnen erscheinen, dass die menschenähnlichen Wesen, von denen man die Einrichtung der Welt herleitete, bei derselben nicht gleichfalls bestimmte Zwecke im Auge gehabt und alles Einzelne mit überlegener Weisheit auf diese Zwecke be- rechnet haben sollten; doppelt undenkbar, wenn alle jene Wesen zu Einer absoluten Intelligenz, Einem höchsten Gott zusammengefasst, oder einem solchen als die Organe seines Willens untergeordnet wurden; und auch bei denen, welche an die Stelle der Gottheit die Natur setzten, blieb doch in der Regel von dem Begriff, unter welchem die einheitliche Welt- ursache zuerst aufgefasst war, so viel zurück, dass der Natur gleichfalls die vollkommenste Weisheit zugeschrieben, und die Bethätigung dieser Weisheit in der vollendeten Zweckmässigkeit ihrer Werke erkannt wurde. So traten die zwei Richtungen der Naturerklärung, die mechanische und die teleologische, sich gegenüber; und wenn in der unwissenschaftlichen Betrachtung der Dinge beide Standpunkte ohne eine klare Grenzbestim- mung und Unterscheidung durch einander und neben einander her liefen, musste sich die Naturwissenschaft und die Philosophie eine bestimmtere Stellung zu diesem Gegensatz geben: sie musste entweder die eine auf Kosten der andern bevorzugen, oder beide in der Art verknüpfen, dass der Naturmechanismus nur das Mittel für die Erreichung der Naturzwecke sein sollte; oder sie konnte auch, wie Plato und Aristoteles, einen Theil in ihrer Anwendung auf das Weltganze. der Erscheinungen teleologisch, einen andern mechanisch erklären, so dass , die blinde Naturnothwendigkeit in der Regel zwar der zweekthätigen welt- hetorischön Vernunft dienen, ein andermal aber ihr auch widerstreben und die volle und reine Verwirklichung der Naturzwecke verhindern sollte. So lange nun in einem Bildungskreise das theologische und theo- logisch-metaphysische Interesse überwiegt, der Sinn für Naturforschung AR dagegen verhältnissmässig schwach und die Naturkenntniss gering ist, Pr | wird die mechanische Naturerklärung von der teleologischen verdrängt . iR. werden; in demselben Masse dagegen, wie ein selbständiges naturwissen- ei schaftliches Interesse erwacht, wird auch die Berechtigung und Bedeutung zZ der mechanischen Naturerklärung stärker betont werden. Dem Mittelalter a mochte es genügen, in der Welteinrichtung den Spuren der göttlichen ” Weisheit bewundernd nachzugehen: die Erklärung der Erscheinungen aus . Br ihren matürlichen Ursachen lag ihm wenig am Herzen, und um in dieser fe Richtung etwas nennenswerthes zu leisten, fehlten ihm die Mittel. Kaum I ist dagegen durch den Humanismus und die Reformation der Bann der er. mittelalterlichen Auktoritäten gebrochen, so sehen wir die Philosophen wa und Naturforscher aus Einem Munde eine streng physikalische, mechani- ; er sche Naturansicht verlangen. Ein Baco vergleicht die Endursachen iro- “ ca nisch mit geweihten Jungfrauen, die ebenso heilig als unfruchtbar seien, und stellt den Materialimus Demokrit’s hoch über die Teleologie des Arı- u stoteles. Gassendi erneuert die atomistische Physik Epikur’s und seiner Fe Vorgänger. Hobbes zieht aus einer sensualistischen Erkenntnisstheorie Ri die Consequenz des Materialismus mit solcher Rücksichtslosigkeit, dass er { selbst den Geist und die Gottheit für Körper erklärt, selbst die Empfin- ; dungen, und mittelbar alle Bewusstseinserscheinungen ohne Ausnahme, a rein physiologisch, aus der Reaktion des Herzens gegen die äusseren Ein- Ag, drücke ableitet. Aber auch ein Descartes hält trotz seinem psychologi- \ schen und theologischen Spiritualismus den Grundsatz der mechanischen > Naturerklärung in solcher Ausschliesslichkeit fest, dass er sogar in den £ Thieren nur unbeseelte empfindungslose Maschinen zu sehen weiss; auch - ein Spinoza ist der abgesagteste Feind aller Teleologie, und von der 2 Körperwelt und den Vorgängen darin sagt er, sie dürfen nur aus körper- = lichen Ursachen erklärt werden; auch der fromme Robert Boyle ist ein “Tr Bewunderer Epikur’s und Gassendi’s, der das Weltgebäude als ein . 92 ZELLER: Über teleologische und mechanische Naturerklärung grosses Uhrwerk, einen kunstreich zusammengesetzten Mechanismus auf- fasst. An diese Vorgänger hat sich die neuere Naturwissenschaft ange- schlossen, und jede von ihren zahlreichen und eingreifenden Entdeckungen war ein neuer Triumph der Überzeugung, dass sich alles natürliche Ge- schehen schliesslich auf räumliche Bewegungen zurückführe und aus ge- wissen natürlichen Ursachen nach den allgemeinen Gesetzen der Bewegung mit unabänderlicher Nothwendigkeit hervorgehe. Der bisherige Verlauf scheint daher die Zuversichtlichkeit vollkommen zu rechtfertigen, mit welcher die Freunde einer rein mechanischen Weltansicht den Sieg ihrer Sache als wissenschaftlich entschieden zu betrachten gewohnt sind. Bei genauerer Untersuchung zeigen sich aber doch manche Beden- ken, die uns abhalten müssen, mit diesem Urtheil voreilig abzuschliessen. Für’s erste nämlich ist der Grundsatz, um den es sich hier han- delt, bis jetzt mehr eine heuristische Voraussetzung, als ein allseitig be- gründetes constitutives Princip der Naturforschung. Denn das zwar er- giebt sich aus allgemein methodologischen und metaphysischen Erwägun- gen, dass alles, was ist und geschieht, aus seinen natürlichen Gründen nach dem Gesetz des Causalzusammenhangs hervorgehe; und es kann insofern mit apriorischer Gewissheit behauptet werden, dass alle Erschei- nungen ihrer Natur nach eine streng physikalische Erklärung zulassen, gleichviel, ob wir diese Erklärung zu geben im Stande sind oder irgend einmal im Stande sein werden, oder nicht. Dagegen ist es durchaus kein a priori gewisser Satz, dass sich alle Erscheinungen in räumliche Bewegungen auflösen und auf körperliche Ursachen zurückführen lassen; dieser Satz könnte vielmehr, wenn er überhaupt bewiesen werden kann, seinen Erweis nur dadurch finden, dass er an der Erfahrung bewährt, dass für die verschiedenartigen uns bekannten Erscheinungen wenigstens mit annähernder Vollständigkeit die Möglichkeit einer mechanischen Er- klärung aufgezeigt würde. Dieser Forderung vermag aber die Wissen- schaft unseres Jahrhunderts, so bewundernswürdig ihre Fortschritte auch sein mögen, noch lange nicht zu genügen. Es ist wohl gelungen, eine Reihe von Erscheinungen, die man früher als qualitative Eigenschaften oder qualitative Veränderungen von allen räumlichen Bewegungen unter- schied, als solche zu erkennen: so die Wärme, das Licht, den Schall, die elektrischen und magnetischen Strömungen. Selbst die Bildung unseres - in ihrer Anwendung auf das Weltganze. 23 Sonnensystems ‘ist von Kant und Laplace als ein mechanischer Vor- gang begriffen, und ebendamit von diesem Einen Punkt aus für alle Welt- körper und Weltensysteme die Möglichkeit dieser Erklärung eröffnet wor- den. Pflegte man endlich früher in den Stufen- und Artunterschieden der organischen Wesen eine Art ideell präexistirender Formen zu sehen, welche durch die schöpferische Zweckthätigkeit der Natur oder der Gott- heit in die materielle Welt eingeführt wurden, so sind von der Darwin’- schen Theorie auch diese Unterschiede in Fluss gebracht, als die Produkte einer Entwicklung aufgefasst worden, die nach rein physikalischen Ge- setzen verlaufend, nur desshalb das Zweckmässige hervorbrachte, weil aus der Fülle ihrer Erzeugnisse blos die lebensfähigen sich erhalten und fort- pflanzen, nur sie zu einer solchen Dauerhaftigkeit gelangen konnten, dass der langsame Gang der Veränderungen, denen sie unterliegen, den Schein unveränderlicher Formen erzeugt; und es ist damit die Hoffnung begründet, dass es der fortgesetzten Forschung gelingen werde, mit der Entstehung aller andern lebenden Wesen auch die des Menschen als ein nothwendiges Ergebniss aus ihren natürlichen Bedingungen zu begreifen, oder doch diesem Begreifen immer näher zu kommen. Aber wie bedeu- tend und vielversprechend in diesen und in vielen anderen Fällen die Leistungen der mechanischen Naturerklärung immer sind: die allgemeine Anwendbarkeit ihres Princips ist damit noch nicht dargethan; und es sind namentlich zwei Aufgaben, die sich ihr bis jetzt ganz unzugänglich erwiesen haben: die Fragen nach der ersten Entstehung organischer We- sen und nach der Entstehung des Bewusstseins. Die erste von diesen Fragen wird durch die Darwin’sche Abstammungstheorie ihrer Lösung zwar etwas näher gebracht, sofern sie durch dieselbe — ihre Richtigkeit zugegeben — auf die einfachsten Organismen beschränkt wird, aus denen alle zusammengesetzteren im Laufe der Zeit hervorgegangen sein sollen; aber wirklich beantwortet wird sie desshalb nicht, weil jene Theorie selbst nicht allein das Dasein solcher einfachen Organismen, sondern auch in denselben die Fähigkeit voraussetzen muss, sich zu erhalten, sich den wechselnden Bedingungen ihrer Existenz anzupassen, ihre erworbenen wie ihre ursprünglichen Eigenschaften zu vererben. Was aber zur Ausfüllung dieser Lücke bis jetzt geschehen ist, hat zwar ohne Zweifel einige weitere Anhaltspunkte für die Annahme geliefert, dass sich organische Wesen der ya R 24 Zuuuer: Über teleologische und mechanische Naturerklärung einfachsten Art aus unorganischen Stoffen gebildet haben oder noch dar- aus bilden; aber die Erklärung dieser Thatsache — wenn man von einer Thatsache reden darf, wo erst Vermuthungen vorliegen — bleibt noch ganz und gar der Zukunft überlassen. Noch weniger ist es, wie unbe- fangene Naturforscher selbst unter den ersten erklärt haben, der Natur- wissenschaft gelungen, die Entstehung des Bewusstseins begreiflich zu machen; die Versuche dazu sind vielmehr bis jetzt nicht über die ober- flächlichsten Analogieen hinausgekommen, bei denen gerade die unter- scheidende Eigenthümlichkeit der Bewusstseinserscheinungen übersehen, die ungleichartigsten Dinge, »wie Ausscheidung von Stoffen und Bildung von Gedanken, sich gleichgesetzt werden mussten. Diese Aufgabe ist aber nicht blos bis jetzt nicht gelöst worden, sondern es ist auch über- haupt keine Aussicht, dass sie sich auf dem Wege der mechanischen Physik, ohne eine eingreifende Änderung ihrer Voraussetzungen, lösen lasse. Zwischen den Vorgängen, die wir als geistige zu bezeichnen pfle- gen, — Empfindungen, Vorstellungen, Gedanken, Gefühlen und Willens- akten — und den räumlichen Bewegungen, auf welche die Physik alle Naturerscheinungen zurückführt, findet kein solches Verhältniss der Ver- gleichbarkeit statt, dass wir die ersteren als blosse Modifikationen oder Combinationen der letzteren betrachten könnten. Alle räumlichen Bewe- gungen bestehen darin, dass die Körper oder die Theile derselben ihren Ort oder ihre Lage ändern. Alle Körper sind aber aus einer Mehrheit räumlich getrennter, ausser einander befindlicher Theile zusammengesetzt. Auch das körperliche Atom, wenn es noch ein körperliches sein soll, be- steht aus einer Vielheit von Theilen; und gesetzt auch, diese Theile seien untrennbar mit einander verbunden, so bleiben sie doch immer ausser einander, sie befinden sich in verschiedenen Räumen. Es ist daher jede Veränderung eines Körpers, bis auf’s Atom herab, nur die Summe der Veränderungen, jede Bewegung desselben nur die Summe der Bewegun- gen seiner sämmtlichen Theile; und hierin wird durch den Umstand, dass diese Theile mit einander in Zusammenhang stehen, die Lage und die Bewegung eines jeden durch die aller andern bedingt ist, nicht das ge- ringste geändert: es ist nicht Eine Bewegung, welche sich in dem Kör- per vollzieht, sondern eine Vielheit von Bewegungen, und wollen wir auch diese vielen Bewegungen absolut gleichartig setzen (was sie in der ü U \ SR freilich nie sein a), so hat doch jede ER eigenes Sub- strat und ihre eigene Bahn. Ein bewegter Körper ist daher, wie klein er auch sein mag, nie das einheitliche Subjekt Einer und derselben Be- _ wegung, sondern nur eine Masse, in deren Theilen sich gewisse Bewe- gungen vollziehen; jede von diesen Bewegungen hat aber zu ihrem näch- sten Subjekt nur den Theil des Körpers, in dem sie vor sich geht; und wenn wir uns dieselben mit Bewusstsein verknüpft denken, so erhalten wir ebensoviele selbstbewusste Subjekte, als der Körper Theile hat, d. h. unbestimmt viele. Das Subjekt des Selbstbewusstseins kann somit in kei- nem körperlichen Atom und keinem System solcher Atome, sondern nur in einem streng einheitlichen, aus keinen räumlich aussereinanderliegenden Theilen zusammengesetzten Wesen gesucht werden. Denn auch davon kann keine Rede sein, dass jenes Subjekt erst durch das Zusammen- treffen aller in den einzelnen Theilen eines körperlichen Systems sich vollziehenden Bewegungen entstände; da dieses Zusammentreffen viel- mehr, wenn es ein reales, ein Zusammen wirken sein soll, das Eine Sub- jekt schon voraussetzt, auf welches die vielen Bewegungen gleichzeitig einwirken können. Und ebensowenig lässt sich annehmen, die Einheit des Selbstbewusstseins und des selbstbewussten Wesens sei ein blosser Schein, der aus der Gleichzeitigkeit gewisser Gehirnprozesse entstehe; denn dieser Schein könnte nur dadurch entstehen, dass das gleichzeitig gegebene Mannigfaltige zur Einheit der Vorstellung, also zur Einheit des Bewusstseins, zusammengefasst würde, und diess ist nicht möglich, wenn nicht ein streng einheitliches Wesen vorhanden ist, in welchem und durch welches diese Zusammenfassung erfolgt. So lange man daher unter der Materie dasselbe versteht, was bisher allgemein darunter verstanden wurde, die raumerfüllende Masse, und unter einer mechanischen Bewegung eine Änderung in dem Ort oder der Lage einer solchen Masse, ist die mecha- nische Erklärung der Bewusstseinserscheinungen nicht blos ein noch un- gelöstes, sondern ein an sich selbst unlösbares Problem, und man kann nicht mit Strauss!) sagen: so gut unter gewissen Bedingungen Bewe- gung sich in Wärme verwandle, könne es auch Bedingungen geben, unter denen sie sich in Empfindung verwandle. Dort handelt es sich um die 1) Der alte und der neue Glaube, Seite 210. Philos.- histor. Kl. 1876. 4 26 Zeuuer: Über teleologische und mechanische Naturerklärung Umsetzung einer Massenbewegung in eine Molecularbewegung, und diese ist gerade so begreiflich, als es die Mittheilung der Bewegung überhaupt ist; hier dagegen wird die Umsetzung räumlicher Bewegungen in Vor- stellungen behauptet, und dafür fehlt es nicht allein an jeder zutreffenden Analogie, sondern es liegt auch der klare Widerspruch vor, dass die Zu- sammenfassung des Mannigfaltigen zur Einheit des Bewusstseins ohne ein einheitliches Subjekt des Bewusstseins erklärt werden soll. Damit ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass die Räthsel, vor denen wir zur Zeit noch stehen, früher oder später ihrer wissen- schaftlichen Lösung näher gebracht werden. Aber dazu wird, wie ich bereits angedeutet habe, eine durchgreifende Revision der gewöhnlichen Vorstellungen von der Materie und den letzten Gründen der räumlichen Bewegung nöthig sein. Diese Vorstellungen sind ja nicht, wie diess noch der Materialismus des vorigen Jahrhunderts auf’s unbefangenste voraus- setzte, etwas unmittelbar gegebenes und unantastbares. Es hat vielmehr seit Leibniz und Kant unter Naturforschern und Philosophen die Ein- sicht immer mehr Boden gewonnen, dass sie nichts anderes sind, als Causalbegriffe, unter denen wir unsere Empfindungen, das einzige, was uns unmittelbar gegeben ist, nach den Gesetzen unseres Anschauens und Denkens zusammenfassen; von denen aber ebendesshalb erst untersucht werden muss, was ihnen Reales zu Grunde liest. Jene Vorstellungen haben aber auch wirklich durch die naturwissenschaftlichen Fortschritte der letzten Jahrhunderte schon sehr erhebliche Änderungen erfahren. Die Lehre von der allgemeinen Anziehung der Materie geht über die ältere rein mechanische Physik so weit hinaus, dass nicht blos ein Huyghens und Johann Bernoulli, sondern sogar ein Leibniz ihr aus diesem Grunde, als einer irrationalen, mit den Grundsätzen der mechanischen Naturerklärung unvereinbaren Hypothese, entgegentraten; ja dass Newton selbst weit davon entfernt war, sie dogmatisch behaupten zu wollen, sich vielmehr die Ableitung der Attraction aus den Anstössen vorbehielt, welche den Körpern von einem feintheiligen Stoffe gegeben werden. Und doch hat es nur diese Hypothese einem Kant und Laplace möglich gemacht, die Entstehung des Sonnensystems mechanisch zu erklären. Die Atomistik unserer Tage lautet ganz anders, als die eines Demokrit, Epikur und Gassendi, welche die Atome ohne Anziehungs- und Ab- in ihrer Anwendung auf das Weltganze. 27 stossungskräfte nur durch Häkchen an einander zu befestigen wussten, und an der widerspruchsvollen Vorstellung keinen Anstoss nahmen, dass sie alle durch ihre Schwere in dem unendlichen Raume sich nach unten bewegen; so scharf auch schon Aristoteles nachgewiesen hat, dass es im unendlichen Raum kein Oben und Unten und daher auch kein natür- liches Streben nach unten geben könnte. Diejenigen von unsern Physi- kern ohnedem, welche die körperlichen Atome durch punktuelle Kraft- centra ersetzen, machen ebendamit die Raumerfüllung und den raumer- füllenden Stoff zu etwas abgeleitetem, als das ursprüngliche dagegen setzen sie immaterielle Wesen, welche erst in ihrem Zusammensein und Zusammenwirken die Materie und ihre Bewegungen hervorbringen. Die allgemeine Voraussetzung der mechanischen Physik, die vollkommene Ge- setzmässigkeit alles Geschehens, wird dadurch allerdings nicht ange- tastet; aber die näheren Bestimmungen über die letzten Ursachen und (Gesetze desselben werden gründlich verändert. Wenn ferner Leibniz die cartesianische Behauptung, dass die Summe der Bewegung im Universum sich gleich bleibe, durch die Lehre von der Erhaltung der Kraft ersetzte, so war diess die richtige Folgerung aus einer Metaphysik, welche den Be- griff der Substanz in den der Kraft aufhob; wenn andererseits die_heutige Naturforschung jenes grosse Prineip neu entdeckt, physikalisch begründet, genauer und richtiger gefasst, und dadurch erst wissenschaftlich verwerth- bar gemacht hat, so lag darin allerdings keine Rückkehr zu der leibnizi- schen Ansicht von der Materie: aber die cartesianische Vorstellung, als ob dieselbe ein todter, nur von aussen bewegbarer Stoff sei, war verlassen, und die Kraft für ebenso unzerstörbar erklärt, wie der Stoff. Wenn die Aufgabe, das Leben und das Bewusstsein erklärbar zu machen, zu noch weiter gehenden Abweichungen von der älteren mechanischen Physik führen sollte, könnte man sich für dieselben immerhin auf die Thatsache berufen, dass sich jene auch bisher schon keineswegs unverändert hatte festhalten lassen. Gesetzt aber auch, es wäre gelungen oder es gelänge jemals, alles Einzelne in der Welt streng physikalisch zu erklären, so entstände immer noch die Frage nach der Erklärung des Ganzen; und hier gerade liegt der Punkt, wo die mechanische Naturansicht, so wie sie gewöhnlich ver- standen wird, am wenigsten ausreicht. Betrachten wir die Welt in einem Are 4 28 Zeuner: Über teleologische und mechanische Naturerklärung gegebenen Zeitpunkt, so besteht sie auf diesem Standpunkt in der Ge- sammtheit der eben jetzt vorhandenen Stoffverbindungen und der durch sie bedingten Bewegungen. Fragen wir: woher diese Stoffverbindungen und Bewegungen? so werden wir zunächst auf frühere Stoffverbindungen und Bewegungen, d. h. auf einen früheren Weltzustand, und von diesem wieder auf einen ihm vorangehenden verwiesen und so fort. Schliesslich werden wir aber auf die ursprüngliche Beschaffenheit der Stoffe, bezie- hungsweise der Elemente und Atome, zurückgehen müssen. Denn wenn alles rein mechanisch erklärt werden soll, so muss alles aus ihnen nach unabänderlichen Gesetzen, ohne ein Eingreifen anderweitiger Ursachen, hervorgegangen sein. Wie kommt es dann aber, dass die Urstoffe gerade so beschaffen waren, wie sie beschaffen sein mussten, dass sie sich gerade mit den Qualitäten und in dem quantitativen Verhältniss zusammen- fanden, wie sie sich zusammenfinden mussten, wenn diese Welt sich aus ihnen bilden sollte? Die Antwort auf diese Frage wird der Vertheidiger einer streng mechanischen Weltansicht ablehnen, und die Frage selbst als ungehörig zurückweisen. Wie die Urstoffe beschaffen waren, wird er sagen, darauf hat die Rücksicht auf das, was aus ihnen werden würde, in keiner Beziehung eingewirkt: die Welt und alles, was von Ordnung, von Schön- heit und Vollkommenheit in ihr ist, die Gesetze des Naturlaufs, das Leben der organischen, die Intelligenz und die Sittlichkeit der vernünftigen We- sen — dieses alles ist zwar eine Folge derselben, aber es war nicht ihr Zweck. Aber was soll das heissen, die Welt sei nicht der Zweck, son- dern nur die Folge ihrer Ursachen? Soll es bedeuten, dass sie aus den- selben nur zufällig, nur als ein Nebenprodukt ihrer auf anderes gerich- teten Wirkungen hervorgegangen sei? Dieses gewiss nicht. Der Zufall findet ja gerade in dem System eines durchgängigen Naturmechanismus am wenigsten eine Stelle. -Jener Satz wird demnach zwar bestreiten, dass der Hervorgang der Welt aus ihren Ursachen durch eine zweckthätige Vernunft vermittelt sei, aber er wird nicht behaupten, dass er auch ganz hätte unterbleiben oder anders ausfallen können: die Welt ist nicht blos eine Folge, sondern auch eine nothwendige Folge ihrer Ursachen. Ebenso ist sie aber auch ihre einzige Folge, die überhaupt möglich war: wenn einmal diese Urstoffe oder Atome gegeben waren, so mussten sie sich in dieser Weise verbinden und bewegen, sie konnten nur diese Welt und dere SR RDTEIEER -Die Welt war, mit anderen Worten, von Anfang an in ihren Ursachen angelegt. Mit welchem Recht können dann die letzteren noch ausschliesslich mechanische Ursachen genannt Re werden? Unsere Begriffe von den Ursachen bilden wir uns doch ledig- : lich aus ihren Wirkungen: wir legen in jene alles das hinein, was uns u nöthig zu sein scheint, um diese zu erklären. Eine mechanische Ursache wi; ist diejenige, deren Wirkungen in räumlichen Bewegungen bestehen, eine . a rein mechanische diejenige, deren Wirkungen sich auf solche Bewegungen Ba beschränken: die Ursachen, aus welchen ihrer Natur nach das Leben und die Empfindung, das Bewusstsein und die Vernunft, das Gefühl des af N et! Schönen und das Wollen des Guten hervorgeht, würden nur dann den 2 E Namen mechanischer Ursachen verdienen, wenn es möglich wäre, alle % diese Erscheinungen als Bewegungen der Körper im Raume zu begreifen. e Macht man nun aber andererseits den Versuch, die Welt und die \ - Welteinrichtung teleologisch, aus Zweckbegriffen, zu erklären, so geräth N, man in keine geringeren Schwierigkeiten. Die Vorstellung der Natur- Pie v- zwecke und des Einen Weltzwecks, in dem sie alle sich zusammenfassen, ; beruht ursprünglich darauf, dass die Analogie des menschlichen Handelns Be auf die Entstehung der Welt und ihrer einzelnen Theile angewandt wurde. Auf den Menschen wirkt die Vorstellung des Erfolgs, den eine bestimmte Thätigkeit hervorbringen werde, als Motiv, er setzt sich diese Thätigkeit a zum Zweck. Je mehr er sein Leben mit seiner Einsicht beherrschen er} | lernt, um so mehr ist sein Thun von Zweckbegriffen geleitet, und alle diese Zwecke vereinigen sich schliesslich in dem allgemeinen Zweck der - möglichsten Vollkommenheit seines Daseins, seiner Glückseligkeit. Ebenso \ denkt er sich nun auch das Wirken der weltschöpferischen Vernunft. / Als die höchste Vernunft muss sie alles auf's zweckmässigste eingerichtet, sie muss sich die vernünftigsten Zwecke gesetzt und für dieselben die ge- Be eignetsten Mittel gewählt, sie muss mithin diese Zwecke so vollkommen, Fra £ als sie überhaupt verwirklicht werden können, verwirklicht haben. Treibt a a man nun freilich hiebei die Ähnlichkeit jener weltschöpferischen Wirk- | samkeit mit dem menschlichen Thun so weit, dass auch sie sich mit ver- $ einzelten Mitteln auf einzelne Zwecke gerichtet, und ihren letzten Zweck 3 ebenso, wie wir es gewohnt sind, in dem Wohle des Menschen gesucht | haben soll; bemüht man sich mit Sokrates, von allem Einzelnen in der 30 ZeuLer: Über teleologische und mechanische Naturerklärung Welt zu zeigen, dass es diesem Zweck diene, so bedarf eine so äusser- liche und unwissenschaftliche Teleologie heutzutage — auch abgesehen von der Geschmacklosigkeit und Kleinlichkeit, durch welche sie sich in der Physikotheologie des vorigen Jahrhunderts um allen Kredit gebracht hat — kaum noch einer Widerlegung. Denn so viel ist nachgerade doch wohl allgemein anerkannt, dass das Einzelne nicht in dieser Weise aus dem Zusammenhang des Ganzen herausgenommen und unbekümmert um diesen aus einer ihm eigenthümlichen Zweckbeziehung erklärt werden kann; und dass es nicht minder unerlaubt ist, einen verschwindend klei- nen Theil des Universums, wie dıe Menschheit, zum Zweck des Ganzen zu machen, die allgemeinsten Naturgesetze und die Einrichtung des Welt- gebäudes zu einem blossen Mittel für das Wohl einer einzelnen Gattung von lebenden Wesen herabzusetzen; davon nicht zu reden, dass die that- sächliche Beschaffenheit der Welt mit diesem anthropopathischen Opti- mismus keineswegs übereinstimmt, und uns in dem vermeinten Herrn und Endzweck der Schöpfung vielmehr ein Geschöpf zeigt, das zwar alle an- deren unserer Erfahrung bekannten durch seine Vernunftanlage und Ent- wicklung hoch überragt, das aber trotzdem mit viel zu vielen Schwächen zu kämpfen hat und von zu vielen Übeln gedrückt wird, als dass es dar- an denken könnte, sich für das Ziel und den Gipfel aller Dinge zu halten. Es giebt aber allerdings auch eine würdigere und wissenschaftlichere Auffassung der teleologischen Weltansicht. Der Zweck der Welt, kann man sagen, ist nur sie selbst als Ganzes, nur die Vollkommenheit dieses Ganzen, und ebendamit die Verwirklichung der grössten unter den Be- dingungen des endlichen Daseins erreichbaren Summe von Vollkommen- heit und Glückseligkeit. Diesem letzten Zweck hat alles Einzelne in der Welt zu dienen. Die ursprünglichen Stoffe und Kräfte sind so beschaffen, ihre Gesetze so bestimmt, ihr Verhältniss ist so abgewogen, wie jener Zweck es verlangte. „Jedem Wesen ist daher seine Eigenthümlichkeit und ihre Entwicklung, das Mass und die Richtung seiner Kräfte, durch sein Verhältniss zum Ganzen vorgezeichnet: es ist und wird das, was es an dieser Stelle sein und werden musste, wenn die Welt die beste Welt sein sollte. Und wie alles Einzelne um des Ganzen willen da ist, so ist auch alles nur durch das Ganze: da die Welteinrichtung von Anfang an mit. vollendeter Weisheit auf die Erzeugung einer vollkommenen Welt be- 2 u - 4 in Une mendung auf das‘ Weltganze. A -_.. un - mn [o} Oo &, eg -- ® a N = = = [e) Bi» ie} = be] Bi. ga & = © 'Qn o u N. 2 [«)] (< m u = > m © 9 > 8 un - © Eu © des Eingreifens einer besonderen, auf das Einzelne als solches gerichteten Thätigkeit; die Welt ist eine so vollkommen gebaute Maschine, dass sie durch e En ihren eigenen Gang alles das leistet und hervorbringt, was sie leisten und 2 hervorbringen soll; gerade weil die Zweckmässigkeit ihrer Einrichtung = eine absolute ist, genügt zur Erzeugung alles dessen, was aus derselben Be | hervorgeht, der Naturmechanismus: das Weltganze ist teleologisch, alle einzelnen Dinge und Vorgänge sind mechanisch zu erklären, und dieses 2 beides verträgt sich desshalb mit einander, weil der Naturmechanismus =u selbst nur ein Mittel zur Verwirklichung des Weltzwecks ist. e Diess ist der Standpunkt, welchen Leibniz in verschiedenen Wen- 5 dungen ausgeführt hat. Und wir werden zugeben müssen: diese Umbil- 3 dung der teleologischen Naturansicht war eines so grossen Denkers wür- 24 dig. Sie beseitigt nicht allein die Kleinlichkeit der gewöhnlichen Vor- RR stellungen von den Naturzwecken, sondern auch den Conflikt derselben nr mit der Naturwissenschaft; sie erlaubt alle Erscheinungen rein physika- 5 lisch zu erklären, sie weiss auch diejenigen, welche wir als Übel und d Unvollkommenheiten empfinden, als die unerlässliche Rückseite und Be- £ dingung des endlichen Daseins zu begreifen; sie will auf die Zweckthätig- keit der weltschöpferischen Vernunft nur das Weltganze, und daher zu- N nächst nur die Zahl und Beschaffenheit der einfachen Wesen zurückführen, die in den mannigfaltigsten Verbindungen dieses Ganze bilden; nachdem aber einmal die Urbestandtheile der Welt in’s Dasein gerufen waren, und * jedes mit den Eigenschaften, Kräften und Bewegungen ausgerüstet war, die es als Bestandtheil der besten Welt haben musste, soll alles andere 2 aus denselben auf dem natürlichen Wege einer in ihnen präformirten, auf . allen Punkten durchaus gesetzmässigen Entwicklung entstanden sein. Aber könnte sich vielleicht auch die Naturforschung bei dieser Vorstellungsweise beruhigen, so kann es doch die Metaphysik nicht. Und zwar zunächst desshalb nicht, weil sie selbst, sobald man sie genauer untersucht, zu einer anderen hintreibt. Soll es auch nur Ein Punkt sein, an welchem die Zweckthätigkeit in den Weltlauf eingreift, so ist doch auch schon die- j 7 ser Eine Punkt für ein folgerichtiges Denken viel zu viel; und er ist diess 2 doppelt, weil es gerade der über alles entscheidende Anfangspunkt ist. | Diese Beschaffenheit der ursprünglichen Wesen einmal gesetzt, musste die 5 h 2 os R ni 32 Zuuuen: Über teleologische und mechanische Naturerklärung Welt und der Weltlauf sich nothwendig so gestalten, wie sie sind. Aber wie verhält es sich mit jenen ursprünglichen Wesen selbst? waren sie und ihre Beschaffenheit nothwendig, oder waren sie es nicht? Sie waren nothwendig, antwortet Leibniz, aber nicht unbedingt: ihre Nothwendig- keit war nur eine moralische, keine metaphysische. D. h. sie waren nur dann nothwendig, wenn diese Welt entstehen sollte. Allein diese Welt soll ja nach Leibniz die beste, die vollkommenste Welt sein; und diese Welt soll das Werk der höchsten Vernunft, der vollkommenen Güte und Weisheit sein. Ist es nun denkbar, dass das vollkommenste Wesen etwas anderes schaffe, als das Beste und Vollkommenste? Wäre diess nicht ein unmittelbarer Widerspruch gegen seinen Begriff, eine logische und meta- physische Unmöglichkeit? Spricht daher nicht umgekehrt der Satz, dass Gott nur das Beste thun könne, eine unbedingte, eine metaphysische Nothwendigkeit aus? Wenn mithin überhaupt eine Welt geschaffen wurde, so kann die Weltschöpfung nur unbedingt nothwendig gewesen sein; und ebenso unbedingt nothwendig war es, dass dieselbe nur die Schöpfung der besten Welt sein konnte. Das gleiche gilt aber auch von der Frage, welche Welt die beste, und wie hiefür das Weltganze und seine Theile, und schon seine ersten Elemente beschaffen sein mussten. Leibniz stellt die Sache freilich nicht selten so dar, als hätte sich Gott vor der Welt- schöpfung alle die zahllosen möglichen Welten vergegenwärtigt, um aus ihnen die vollkommenste zur Verwirklichung auszuwählen, als hätten alle diese möglichen Welten im göttlichen Verstand, so zu sagen, einen Kampf um’s Dasein geführt, in welchem die vollkommenste Siegerin blieb. In- dessen leuchtet die Unhaltbarkeit dieser Vorstellung sofort ein, wenn man sich erinnert, dass es der Verstand des absoluten allwiıssenden Wesens ist, in dem dieser Kampf geführt, von dem jene Wahl getroffen worden sein soll. Einem solchen müsste ja von Anfang an zweifellos feststehen, welches die beste Welt ist, und dass nur diese die Bedingungen der Ver- wirklichung in sich trägt; sie allein müsste ihm von Anfang an als eine mögliche, alle andern dagegen als unmöglich erscheinen; es könnte daher gar nicht zur Vergleichung der verschiedenen Welten und zur Wahl kom- men, der Streit derselben wäre vor seinem Beginn schon entschieden. Geht aber aus dem Wesen des Weltschöpfers die Erschaffung einer Welt mit Nothwendigkeit hervor, folgt ebenso nothwendig aus demselben, dass elt erschaffen ae kann, ie endlieh, die a His, elkoanee sei und wie sie eingerichtet werden müsse, je so wie sie vorliegt, sich selbst auf, una es bleibt von ihr nur der Ge- Re, danke, dass aus der Natur der absoluten Weltursache die Welt, so wie nr sie ist, als die allein mögliche Form ihrer Offenbarung, mit absoluter w Nothwendigkeit hervorgehe. Was aber absolut nothwendig ist, das ist £ nicht blos als Mittel für ein anderes nothwendig; wenn die Gottheit ver- A möge der Vollkommenheit ihres Wesens eine Welt schaffen musste, und nur diese Welt schaffen konnte, so ist die Welt und die ganze Einrich- L tung derselben nicht erst durch einen von Zweckbegritfen geleiteten Willens- i akt entstanden. Will man daher dennoch von einer Zweckmässigkeit der Welteinrichtung reden, so muss man ihren Begriff doch anders fassen, und ihr Zustandekommen anders erklären, als diess auch noch Leibniz gethan hat. Da nur diese Welt möglich war, so war sie auch nur als das aus diesen bestimmten Theilen bestehende Ganze möglich; die Welt, oder die Vollkommenheit der Welt, kann daher nicht in der Art zum ı Zweck der weltschöpferischen Thätigkeit, und die einzelnen Bestandtheile f der Welt können nicht in der Art zu Mitteln für diesen Zweck gemacht werden, als ob es sich bei der Weltschöpfung nur um die Erreichung des Zweckes, gleichviel mit welchen Mitteln, gehandelt hätte; da vielmehr die Theile in dem Ganzen mit enthalten sind, dessen Vollkommenheit als Zweck der Schöpfung gesetzt wird, und da diese seine Vollkommenheit nur darin besteht, dass es diese Theile in dieser bestimmten Verbindung und Thätigkeit derselben in sich schliesst, so lässt sich ebensogut die Gesammtheit der Theile, wie das Ganze, als Zweck bezeichnen, keiner von jenen ist mithin blosses Mittel, und die Unterscheidung der Mittel und des Zweckes führt sich schliesslich auf die der Theilzwecke und des | Gesammtzwecks zurück. Die Erreichung dieser Zwecke könnte ferner , r | nicht aus einer der Zweckthätigkeit vorangehenden Überlegung abgeleitet, b | die Zweekvorstellung nicht als das Motiv dieser Thätigkeit betrachtet wer- ) den, wie diess beim menschlichen Handeln der Fall ist. Bei uns vertheilen | sich die Momente der Handlung: die Bestimmung des Zweckes, das Auf- j suchen der Mittel, die Ausführung, an verschiedene aufeinanderfolgende j Philos.-histor. Kl. 1876. 5 34 Zeuuer: Über teleologische und mechanische Naturerklärung Akte. Bei dem Weltschöpfer müssten sie in Einen zeitlosen Akt zusammen- fallen, es könnte daher hier an ein Früher oder Später im zeitlichen Sinn nicht gedacht werden; und da in dem Wirken des absoluten Wesens alles von der gleichen unbedingten Nothwendigkeit beherrscht sein muss, kann auch keines jener Momente von dem andern sachlich abhängig gemacht werden, sondern alle drei lassen sich nur als verschiedene Ansichten Einer und derselben absoluten Thätigkeit auffassen, so dass demnach auch die logische Priorität des Bedingenden vor dem Bedingten hier keine Anwen- dung findet; wo es sich dann aber fragt, in welchem Sinn bei dieser Thätigkeit überhaupt noch von Mitteln und Zwecken geredet, inwiefern sie als eine Zweckthätigkeit bezeichnet werden könnte. Für die Beantwortung dieser Frage kommt aber noch ein Punkt in Betracht, den sowohl die Freunde der mechanischen, als die der teleo- logischen Weltauffassung in der Regel zu wenig beachten. Die Causal- begriffe, deren die einen wie die andern sich bedienen, sind von Vor- gängen abstrahirt, durch welche Dinge hervorgebracht, verändert oder zerstört werden; nur dass ihre nähere Bestimmung dort von der Bewe- sung der leblosen Körper, hier vom menschlichen Handeln hergenommen ist. Diese Begriffe sollen die Art bezeichnen, auf welche das Gewordene zu dem geworden ist, was es ist. Auch in ihrer Anwendung auf das Weltganze pflegen sie nicht anders verstanden zu werden. Die mechani- sche Welterklärung behauptet, es sei durch die räumliche Bewegung der Körper oder ihrer ursprünglichen Bestandtheile, die teleologische, es sei durch eine von Zweckbegriffen geleitete Thätigkeit entstanden. Aber ehe man untersucht, wie die Welt entstanden ist, müsste man doch erst dar- über im reinen sein, ob sie überhaupt entstanden ist. Die Bejahung dieser Frage ist nämlich so wenig selbstverständlich, dass vielmehr für ihre Vernei- nung alle die Gründe sprechen, welche von Aristoteles bis auf Schleier- macher und Strauss herab dafür geltend gemacht worden sind. Wie man sich auch die weltbildende Kraft oder die weltbildenden Kräfte den- ken mag: die Vorstellung, dass die Wirksamkeit derselben in irgend einem Zeitpunkt begonnen habe, führt immer zu unlösbaren Schwierigkeiten. Wenn keine Kraft ohne ihre Äusserung sein kann, wie ist es denkbar, dass die weltschöpferische Kraft jemals gewesen sei, ohne sich in der Her- in ıhrer Anwendung auf das Weltyanze. 35 _ vorbringung einer Welt zu äussern? Die einfachste Antwort auf diese Frage giebt in ihrer Art die gewöhnliche Vorstellung von der Schöpfung. Gott hätte allerdings, sagt man, von Ewigkeit her eine Welt schaffen können, aber er habe sie nicht früher schaffen wollen. Hiebei wird in- dessen der Unterschied des göttlichen Willens vom menschlichen, des ab- soluten vom endlichen, verkannt. Der Mensch kann allerdings das, was er thun sollte, auch unterlassen oder verschieben. Aber diess ist nicht ein Vorzug, sondern eine Schwäche, wenn auch vielleicht eine von der Individualität unzertrennliche Schwäche des menschlichen Wollens. Denken wir uns einen vollkommenen Willen, so fällt in diesem das Wollen mit dem Sollen, ebendamit aber auch mit dem Können, durchaus zusammen; denn er kann seiner Natur nach nichts anderes wollen, als das absolut Beste. Ein solcher Wille ist daher von der objektiven Nothwendigkeit der Sache nicht verschieden, er ist nur die Form, in der sie sich voll- bringt. Lässt sich mithin für etwas kein sachlicher Grund aufzeigen, so wird es dadurch nicht denkbarer, dass man sagt, Gott habe es so ge- wollt; denn ein Gegenstand des göttlichen Wollens könnte es eben nur dann sein, wenn es an sich selbst begründet wäre. Welchen sachlichen Grund sollte es nun haben, dass die Welt erst in einem bestimmten Zeit- punkt in’s Dasein getreten wäre? Mag man sich die Ursache ihres Da- seins vorstellen, wie man will: immer zeigt sich doch, dass die Wirk- samkeit derselben, und daher auch die Welt als das Ergebniss dieser Wirksamkeit, keinen Anfang gehabt haben kann. Setzt man als das Erste und Einzige die körperlichen Stoffe oder die Atome, so muss man diesen die Bewegung als ursprüngliche Eigenschaft beilegen, da sich schlechter- dings nicht absehen lässt, wie ein Stoff, zu dessen Natur die Bewegung nicht gehörte, durch sich selbst in Bewegung gekommen sein sollte; ist aber die Bewegung ebenso anfangslos, als der Stoff, so lässt sich kein Zeitpunkt denken, dem nicht eine Bewegung von unendlicher Dauer vor- angegangen wäre; und eine solche müsste alle die Stoffverbindungen, aus denen das Universum besteht, in jedem Moment schon bewirkt haben. Durch diese Voraussetzung wird daher die Annahme, dass die Welt als solche jemals entstanden sei, ausgeschlossen. Das gleiche ergiebt sich, wenn wir statt des Stoffes vom Begriffe der Kraft ausgehen. Wollte man A* 9} Pr 36 Zeuver: Über teleologische und mechanische Naturerklärung die Kräfte, deren Erzeugniss die Welt ist, ihrerseits wieder für ein Er- zeugniss anderer Kräfte halten, so würde sich sofort die Frage wieder- holen, ob nun diese geworden sind oder nicht; und am Ende würde man unvermeidlich zu der Annahme solcher Kräfte geführt werden, welche selbst ungeworden die letzte Ursache alles Gewordenen bilden. Waren aber diese Kräfte immer vorhanden, so müssen sie auch immer gewirkt haben; denn das Dasein einer Kraft besteht eben nur in ıhrer Wirksam- keit: sie ist, was sie ist, als Ursache eines bestimmten Seins oder Ge- schehens. Haben sie aber immer gewirkt, so muss auch immer solches gewesen sein, das durch ihr Wirken hervorgebracht wurde; und wenn es in ihrer Natur lag, dass aus ihrem Zusammenwirken, sei es in einem noch so langen Zeitraum, dieses. Weltganze entstand, so muss es in jedem Punkte der unendlichen Zeitreihe immer schon vorhanden gewesen sein, es kann mithin keinen Anfang gehabt haben. Lässt man endlich die Stoffe und die ihnen inwohnenden Kräfte von einem Weltschöpfer geschaffen oder von einem Weltbildner geordnet und verknüpft werden, so müsste doch diese seine Thätigkeit, und daher auch ıhr Produkt, gleichfalls an- fangslos gesetzt werden; und es ist in dieser Beziehung gleichgültig, ob ınan sich dieselbe von Zweckbegriffen geleitet denkt, oder nicht. In dem ersteren Fall könnte der Zweck der Schöpfung, wie er auch näher be- stimmt werde, doch nur in der Hervorbringung eines Guten und Voll- kommenen, ihr Grund nur in der Güte des Schöpfers gesucht werden, auf die schon Plato hiefür verweist. Dann lässt sich aber die Folgerung nicht umgehen: wenn das Dasein der Welt besser ist, als ihr Nichtsein, müsse es auch immer so gewesen sein; wenn die Güte Gottes die Mit- theilung seiner Vollkommenheit an Geschöpfe verlangt, müsse sie diess immer verlangt haben. Setzt man andererseits an die Stelle des Zweckes, welchen die Gottheit bei der Weltschöpfung verfolgte, den Gedanken ihrer wesentlichen Offenbarung in der Welt, so liegt noch unmittelbarer am Tage, dass sie niemals ohne diese in ihrem Wesen und Begriff begründete Offenbarung gewesen sein kann oder sein wird. Mögen daher die Ver- änderungen noch so durchgreifend sein, denen die einzelnen Theile der Welt unterliegen, mögen Weltkörper und Systeme von Weltkörpern in Zeiträumen von unabsehbarer Länge entstehen und wieder vergehen: in ihrer Anwendung auf das Weltganze. 37 das Ganze dieser in sich kreisenden Bewegung ist nothwendig unge- worden und unvergänglich, die Welt als solche hat keinen Anfang und kein Ende. Ist aber die Welt als solche überhaupt nicht entstanden, so kann man nicht mehr fragen, ob sie auf mechanischem oder auf teleologischem Weg entstanden sei. Dieser ganze Unterschied bezieht sich vielmehr nur auf das Gewordene, d. h. auf die einzelnen Theile der Welt, nicht auf die Welt als Ganzes. Man kann behaupten, jede Entstehung sei das Er- gebniss mechanischer Ursachen, oder jede sei das Werk einer zweck- thätigen Vernunft, oder man kann auch das eine auf diesem, das andere auf jenem Weg entstehen lassen; aber man kann diess immer nur von dem behaupten, was seiner Natur nach dem Entstehen und Vergehen unterliegt, von den Einzeldingen, nicht von der Gesammtheit der Dinge. Auch auf das Einzelne lässt sich aber, wie bereits gezeigt wurde, keine von jenen Erklärungen unbedingt anwenden. Die teleologische ist streng- genommen nur bei den Dingen zulässig, welche durch Vernunftwesen, wie die Menschen, hervorgebracht werden. Aber auch bei ihnen ist der Zweck- begriff nur die Form, welche die psychologische Nothwendigkeit für ihr Bewusstsein annimmt, das Handeln nach Zweckbegriffen nur die Art, wie der Hervorgang der Thätigkeit aus den Beweggründen in denkenden We- sen nach der Einrichtung ihrer Natur sich vermittelt; wollte man dagegen behaupten, diese Einrichtung selbst lasse sich gleichfalls nur aus einer Zweckthätigkeit ableiten, so geriethe man in den Widerspruch, dass man schliesslich auch die absolute, weltschöpferische Vernunft wieder von einer höheren herleiten müsste. Denn wenn in der Einrichtung der Welt die höchste Zweckmässigkeit zum Vorschein kommt, so muss der Geist, der dieses unendlich zweckmässige Ganze zu denken und hervorzubringen ver- mochte, mindestens ebenso zweckmässig organisirt sein, wie jenes; sollte daher das Zweckmässige nur das Werk einer Zweckthätigkeit sein kön- nen, so müsste für ihn wieder eine nach Zweckbegriffen wirkende Ursache vorausgesetzt werden, und so in's unendliche. Noch weniger sind wir berechtigt, das Eingreifen einer Zweckthätigkeit da anzunehmen, wo sich eine Erscheinung aus der gesetzmässigen Wirkung natürlicher Ursachen erklären lässt; denn so weit diess der Fall ist, wäre jenes Eingreifen 38 Zuuuer: Über teleologische und mechanische Naturerklärung nicht blos überflüssig, sondern geradezu störend, eine Durchbrechung des Naturzusammenhangs. Und da uns nun die Naturforschung überall, so weit sie bis jetzt vorgedrungen ist, eine feste Verkettung von Ursachen und Wirkungen zeigt, so müssen wir bei dem Zusammenhang aller Er- scheinungen annehmen, dass das gleiche auch von denen gelte, welche noch nicht erforscht und erklärt sind, dass alles in der Welt aus seinen natürlichen Ursachen nach natürlichen Gesetzen hervorgehe, und somit nichts aus dem Dazwischentreten einer von der Naturnothwendiskeit ver- schiedenen, auf diesen bestimmten Erfolg gerichteten Zweckthätigkeit her- zuleiten sei. Aber bei diesen natürlichen Ursachen dürfen wir, wie bereits gezeigt wurde, nicht an blos mechanische denken, da ihre Wir- kungen weit über das hinausgehen, was sich aus räumlichen Bewegungen erklären, oder in solche Bewegungen auflösen lässt; und wenn aus den- selben neben der unorganischen Natur auch das Leben, neben dem Ver- nunftlosen auch das Bewusste und Vernünftige nicht etwa nur zufällig im Laufe der Zeit hervorgegangen ist, sondern nothwendig, vermöge ihrer Natur, hervorgeht und immer hervorgieng, wenn die Welt nie ohne Leben und Vernunft gewesen sein kann, weil die gleichen Ursachen, welche das Leben und die Vernunft. jetzt hervorbringen, schon von Ewigkeit her wirkten und sie daher immer hervorgebracht haben müssen, so werden wir die Welt als Ganzes, trotz der Naturnothwendigkeit, die in ihr waltet, ja gerade wegen derselben, zugleich das Werk der absoluten Vernunft nennen müssen. Dass diese Vernunft in ihrem Wirken von Zweckvor- stellungen geleitet werde, ist freilich nicht nothwendig; je vollkommener sie vielmehr ist, um so mehr wird sie auch einer unbedingten Nothwen- digkeit folgen, die als solche nicht erst dureh Überlegung, durch die Vor- stellung des zu erreichenden Erfolgs vermittelt ist. Wie im logischen Denken die Folgerungen aus den Prämissen unmittelbar, vermöge der inneren Nothwendigkeit der Sache hervorgehen, und nicht desshalb ge- zogen werden, weil es zweckmässig ist, so zu schliessen: so muss auch in dem Wirken einer Ursache, deren Vollkommenheit jede Möglichkeit eines anderen ausschliesst, das Vernünftige, der Natur der Sache ent- sprechende, vermöge seiner absoluten Nothwendigkeit geschehen. Aber weil es. Eine und dieselbe Ursache ist, aus der alle Wirkungen in in ihrer Anwendung auf das Weltganze. 39 letzter Beziehung entspringen, weil alle Naturgesetze nur die Art und Weise bezeichnen, wie diese Ursache, der Nothwendigkeit ihres Wesens entsprechend, nach verschiedenen Seiten hin wirkt, muss aus der Ge- sammtheit dieser Wirkungen nothwendig ein in allen Theilen zusammen- stimmendes Ganzes, eine in ihrer Art vollkommene, mit absoluter Zweck- mässigkeit eingerichtete Welt hervorgehen. Kerr. Shi en } dir N mar N ars Wir u PR anne D ve s h NH. a ae A Ne Bent y RIMIMIL air a re hats Va ange ann een ) fü h fi Ehe | 2 na a Bu) RT TR A I ER } PR, K aha DICH : W IK RE KR: BE TE TB 1% eh rl NER IR Welke, RAN; A. A ar a ' h q KEN! BANNER wur Bl - a ER EN Mn ı “a in VON AN u ar mE u Frech ET Miet, ale dutenn n; lm \ Pe: Pay: aan Jh" FR VO Ta a Wsuken (or Aelesa hd a ut N RE Oli Wi me Abe. „nel rar. AN er. in A ER, wi . Re ” , PRESS we LT, a A ’ 2 Noies a N PrY ah BET rk ein «ee N 1 Y erde ih Ai he, re % Heli Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. Von FRAGRG BRUNS: Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 9. März 1876. I. dritten Bande des Corpus inseriptionum latinarum sind von Mommsen die in Siebenbürgen seit dem Jahre 1786 allmählig aufgefundenen s. g. römischen Wachstafeln, tabulae ceratae, d. h. mit Wachs überzogenen und zur Beurkundung von Verträgen benutzten Holztafeln, die bisher nur zum Theil und nur zerstreut veröffentlicht waren, zum ersten Male ver- einigt und mit neuer und gemeinsamer kritischer Revision herausgegeben!). Erst dadurch ist es möglich geworden, ihre Bedeutung für die römische Rechtskunde vollständig zu übersehen und einen breiteren Boden für wei- tere Untersuchungen, zu denen sie so vielfach Veranlassung geben, zu gewinnen. Zu den Punkten, die schon bei einer oberflächlichen Durchsicht der Tafeln sofort auffallen, gehört die eigenthümliche Art der Vollziehung und Beglaubigung der Urkunden, dass sie nämlich nicht wie bei uns von den Parteien oder den Zeugen unterschrieben oder untersiegelt sind, son- dern dass sie nur von aussen zugesiegelt sind und die Namen nur neben 1) ©. I. L. vol. III p. 2, pag. 921—959. Es sind im ganzen 38 Tafeln; dar- unter aber nur 5 ganze Triptycha von 3 Tafeln; von 4 sind je 2 Tafeln da, von 16 je 1; davon sind aber 12 so beschädigt, dass kaum zu erkennen ist, wovon sie handeln; von den übrigen habe ich in meinen Fontes iur, rom. ant. p. 185—192 und p. 224 eine Hand- ausgabe gegeben, und zugleich ein genaues Abbild eines ganzen Triptychon. Philos.- histor. Kl. 1876. 6 42 Bruns: den Siegeln stehen. Es ist darauf schon wiederholt aufmerksam gemacht und namentlich die Beziehung zu den Zeugensiegeln bei den Testamenten näher besprochen!), jedoch nicht ohne mancherlei Irrthümer, weil die Oonsequenzen, die sich aus den Tafeln für die Behandlung der Unter- schriften im römischen Rechte überhaupt ziehen lassen, bisher noch keiner eingehenden Untersuchung unterworfen sind. Die Frage hat in neuester Zeit noch eine neue Anregung erhalten durch den merkwürdigen Fund von ähnlichen Wachstafeln, der im vorigen Jahre in Pompeji gemacht ist. Die Tafeln, die hier gefunden sind, schei- nen?) zwar alle nur Quittungen über den Empfang verschiedener Zah- lungen zu enthalten, indessen ist die Art der Ausstellung und Beglaubi- gung ganz dieselbe, wie bei den Siebenbürgischen Contracten, keine Unter- schriften sondern nur Zusiegelung mit Angabe der Namen. Diese Umstände haben mich veranlasst, einmal die ganze Frage von der Bedeutung und Anwendung der Unterschrift im römischen Rechte, im Privatrechte wie im öffentlichen, die in den Rechtsquellen in so sehr verschiedenen Fällen vorkommt, genau zu verfolgen, und zu versuchen, dadurch feste allgemeine Gesichtspunkte zu erlangen. Ich gebe die Re- sultate dieser Untersuchung in derselben Reihenfolge, wie mich die Nach- forschungen darauf hinführten, wenn auch eine systematische Ordnung sie etwas anders gruppiren würde. IE Die Wachstafeln. Die allgemeine Einrichtung dieser Tafeln, namentlich die Tripty- chenform, wird hier als bekannt vorausgesetzt. Sie erscheint uns etwas complieirt, indessen darf man darum nicht etwa glauben, dass die damit beurkundeten Verträge ganz besonders wichtige und eigenthümliche wären, 1) Das nähere darüber s. unten $ IV. ?2) G. de Petra, in: Nuova antologia di scienze. 30, 80—90. Die Tafeln sind noch nicht publieirt, doch habe ich sie selber in Neapel gesehen, und einzelne besondere Notizen hat mir Herr de Petra mit grosser Gefälligkeit mitgetheilt. f mc A k G f 22 ie vr, Fr ei * Fa % a ıften Si den: römischen Bnkeriden. 43 he SEE er ss man etwa. ers die Anwendung der complieirten Form erklären ante. Vielmehr sind die Verträge ganz gewöhnliche, ja sehr unbedeu- te ende, so dass man im Gegentheil sieht, dass die Form eine ganz allge- meine überall angewendete war. Es sind nämlich!): 4 Kaufcontracte, davon 3 über Sklaven, und zwar a 600,205,420 De- nare?); 1 über die Hälfte eines Hauses zu 300 Den.; 3 Dienstverträge über Arbeiten in den Bergwerken & 70, 70, 105 Den.; 1 Societätsvertrag mit Einlagen von 500 und 267 Den.; 3 Darlehnsscheine a 140, 60, 23 Den.; 1 Depositalschein zu 50 Den.; 1 Erklärung der Beamten eines collegium funeratitium über seine Auflösung wegen Mangels an Theilnahme. Die einzelnen Verträge stehen nicht in der mindesten Beziehung zu einander, sondern sind in verschiedenen Zeiten, zwischen den Jahren 131 und 167 n. Chr. und meistens auch von verschiedenen Personen ge- schlossen, so dass sie nur durch die gemeinsame Gegend der Entstehung und der Auffindung in Verbindung mit einander gekommen sind. Man sieht daraus, dass man nicht etwa besondere Singularitäten irgend einer Art bei ihnen annehmen kann, sondern sie als einfache Beweise einer all- gemeinen Rechtsübung jener ganzen Zeit ansehen muss. Denn wenn sie auch sämmtlich aus einer entfernten und ablegenen Provinz des Reiches stammen, so sind sie doch sämmtlich in so vollständig römischen Formen und Begriffen abgefasst, dass man auch an eine besondere Provincial- gewohnheit bei ihnen nicht denken darf. Dies wird denn auch vollständig bestätigt durch die Pompejani- schen Wachstafeln. Diese sind ein Jahrhundert älter, nämlich jedenfalls älter als Pompeji's Zerstörung im J. 79 n. Chr., zum Theil aber schon aus den Jahren 56 und 57. Sie sind im Inhalte, wie schon oben gesagt, einförmiger, lauter Quittungen, und in der Abfassungsform einander sehr ähnlich, oft gleichlautend, so dass der Unterschied hauptsächlich nur in !) Ich führe hier nur die sicher erkennbaren an, die ich in die Fontes aufge- nommen habe. 2) 1 Denar = 5# Sgr. 6 ‘ I‘ AA n% WFYTT ie P ze e' N MI 4 % a 3 er; s A r ief? 7 2 y “ I? En 5 2 er. e Tal » 7 Re, Sr Yon 5 ws, ad s fig y sr . FERIEN | em N E 44 Bruns: der Art der gezahlten Schuld liegt: ob auctionem, ob fullonicam, ob pas- qua, ob vectigal publicum u. s. w. Die Beglaubigungsform ist indessen bei allen wesentlich dieselbe, wie bei den Siebenbürgischen Tafeln: keine Unterschriften, sondern Zusiegelung mit Beifügung des Namens. Zur Feststellung des Thatbestandes bei der ganzen Form gehören noch folgende Punkte: 1. Die Namen, die neben den Siegeln stehen, sind in den Sieben- bürgischen wie in den Pompejanischen Tafeln vielfach ganz offenbar nicht von verschiedenen Händen geschrieben sondern nur von einer Hand, und zwar von derselben, die auch den Text des Vertrages geschrieben hatte, und ohne die mindeste Andeutung oder sonstige Wahrscheinlichkeit, dass die Urkunde etwa nur eine blosse Abschrift einer anderen Originalurkunde wäre. Bei einzelnen wenigstens der Siebenbürgischen Tafeln ist die Ver- schiedenheit der Handschrift allerdings auch unverkennbar. Man sieht dar- aus, dass eigenhändige Beifügung des Namens möglich aber nicht nöthig war. 2. Unter den Siegeln und Namen der Zeugen finden sich regel- mässig (und zwar in Pompeji wie in Siebenbürgen) auch die des Schuld- ners und, wo ein Bürge zugezogen ist, auch die von diesem. Sie unter- scheiden sich von denen der Zeugen nur dadurch, dass sie immer unten am Ende unter denen der Zeugen stehen und meistens den Beisatz „ipsius debitoris, venditoris, fideiussoris“ haben, während die Zeugennamen ohne Beisatz einfach im Genitiv neben den Siegeln stehen, ebenso wie auf den s. g. Militärdiplomen. Nur auf einer Tafel hat der Bürge, ein Grieche, genauer geschrieben: "Arekavdo "Avrızargı Gero(v)dos alnrwpl) veyva. Ob mitunter beide Contrahenten zugesiegelt haben, wissen wir nicht. Dass bei den Darlehns- und Kaufcontraeten, von denen allein wir die Siegel haben, nur Einer zusiegelte, erklärt sich bei den ersteren daraus, dass bei ihnen überhaupt nur für den Empfänger eine Obligation entsteht. Aber 1) „Secundus auctor“ ist = fideiussor, wie man aus ]. 4 pr. D. de evict. sieht, rey- ver — signavi. Dass die Griechen das lateinische mit griechischen Buchstaben schrieben, war später sehr häufig. S. z. B. die Urkunden bei Spangenberg, tab. neg. p. 203. 210. 216. 241. Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 45 auch die Kaufcontracte sind sämmtlich nur einseitig auf die Verpflichtung des Verkäufers wegen Eviction und heimlicher Mängel gestellt, während der .Kaufpreis als gezahlt quittirt wird, so dass auch hier die Einseitig- keit der Verpflichtung die Einseitigkeit der Besiegelung erklärt. Auch der Societätsvertrag ist hauptsächlich nur auf die Verpflichtung des Einen socius gerichtet, namentlich ist nur für ıhn die Schluss-Stipulation hinzuge- fügt. Indessen heisst es am Ende, dass „dua paria tabularum signatae sunt“. Vielleicht war das zweite Exemplar zu Gunsten des andern socius, und dem entsprechend anders gefasst. Doch haben wir die Tafel mit den Siegeln und Namen hier nicht. Die Mietheontracte sind dagegen mehr zweiseitig gefasst, doch fehlen uns auch bei ihnen die Siegel und die Namen. 3. Die Zahl der Siegel und Namen ist meistens 7, bei den Dar- lehn 6, aber ohne Unterschied, ob Schuldner und Bürge dabei sind, oder nur ersterer, oder gar keiner. Man darf also nicht von 7 Zeugen spre- chen, sondern nur von 7 Siegeln. 4. Unter dem Texte, getrennt von ıhm, steht stets der Ort, mei- stens auch das Datum, in Siebenbürgen wie in Pompeji, mit dem Worte actum, z. B. Actum Alburno ete. Actum Pompeis etc. Das Datum fehlt dabei nur in denjenigen Tafeln, wo es gleich im Anfange des Contracts steht. 5. In einem Dienstcontracte!), von dem wir die Tafel mit den Siegeln nicht haben, stehen unter dem Texte und dem Orte noch 3 Namen in eigenthümlicher Weise in schräger Richtung gegen den Text, so: Actum Immenoso maiori. . ES NS Sg NO) cd d & (9) SEEN = © SR S Y I 0° ER & RSS x D SE 2 Ca NS S Wie dies zu erklären ist, kann erst unten besprochen werden. 1) Bei Mommsen nro X., in meinen Fontes p. 191 nro 1. 46 Bruns: Zuvörderst sind hier erst die allgemeinen Resultate festzustellen, die sich aus den bisherigen Thatsachen ergeben. So viel sieht man auf den ersten Blick, dass hier ein ganz wesentlich verschiedenes System der Schriftlichkeit und der Beglaubigung der Urkunden vorliegt, als wir es gegenwärtig haben. Von Namensunterschrift und „beigedrücktem Siegel“ ist hier keine Rede. Die Siegel sind durchaus nur zu ihrem ursprüng- lichen realen Zwecke, nämlich zum zusiegeln, also zum sicheren Ver- schlusse der Schrift, angewendet. Von der heutigen idealen Verwendung zur Beglaubigung der eigenhändigen Unterschrift der Person ist noch keine Spur. Eben darum wird umgekehrt der Name neben das Siegel geschrieben; er hat nur den Zweck, die spätere Recognition des Siegels möglich zu machen. Darum ist es auch unwesentlich, dass jeder Zeuge seinen Namen selber schreibe, es kann auch einer für alle die Namen schreiben, es kommt nur darauf an, die Namen der Personen zu kennen, die gesiegelt haben, um sie event. zur Recognition ihrer Siegel zusammen- rufen zu können. Der ganze Zweck der schriftlichen Abfassung des Vertrages ist demnach nicht wie bei uns, dass die Parteien durch ihre eigenhändige Namensunterschrift, die sie später anerkennen oder abschwören müssen, zu- nächst ihren Willen und ihre Zustimmung zu dem Inhalte der Schrift förm- lich erklären, zugleich aber auch den späteren Beweis gegen sich selber liefern sollen. Vielmehr ist das Princip nur, dass der Beweis des Ab- schlusses und des Inhaltes des Vertrages äusserlich durch die Zeugen und die Versiegelung begründet und eine Sicherung gegen Verfälschung des Inhalts des Vertrages, die ja bei den Wachstafeln leicht möglich war, her- gestellt werde. Zweifelhafter könnte die Frage sein, welche Bedeutung das Mitzu- siegeln der Urkunde von dem Schuldner und seinem Bürgen hatte? Als Zeuge konnte er natürlich nicht mit angesehen werden, da das ja ein Zeugniss in eigener Sache gewesen wäre. Mommsen!) meint, es wäre im Interesse der Gläubiger geschehen, “ut cautionem debitores comproba- rent chirographo suo‘. Allein damit würde der blos accessorischen Bei- Dr Im 1359238 BE N EN ee re ne ru Mil Is en he A 1 -Y Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 47 schrift des Namens neben das Siegel die prineipale Bedeutung einer Unter- schrift unter die Urkunde beigelegt sein; diese Idee hätte aber nothwendig zu einer andern Behandlung der Sache führen müssen, namentlich hätte dann die Unterschrift in der zugesiegelten Hauptschrift stehen müssen, da sie dort allein vor Zenstörung oder Fälschung sicher gewesen wäre. Jedenfalls wäre dann die ne Handschrift vom Schuldner absolut we- sentlich und unerlässlich gewesen, während Mommsen selber es bei Urk. VI für zweifellos hält, dass alle Namen, auch der "ipsius venditoris’, vom Schreiber des ganzen Vertrags geschrieben sind. Man wird daher auch hier die reale Bedeutung des Zusiegeln als die Hauptsache ansehen müssen, auch giebt diese unzweifelhaft einen sehr practischen Zweck an die Hand. Der Gläubiger bekam nämlich die Ur- kunde zum späteren Beweise in Besitz. Somit musste dem Schuldner sehr daran liegen, jede Möglichkeit einer Fälschung dadurch zu verhindern, dass die Urkunde nicht ohne seine Zustimmung geöffnet werden konnte. Schon die Zusiegelung von den Zeugen hatte den Zweck, dem Gläubiger die einseitige Eröffnung der Urkunde zur Vornahme von Fälschungen un- möglich zu machen. Bei der ganzen so eigenthümlichen Art des Zu- siegelns der Tafeln, die unter Nero durch ein besonderes Gesetz geord- net war, sehen Tacitus und Paulus den Zweck nur darin, die Ächheit der Urkunden zu sichern und Fälschungen zu verhindern !). Nun geben aber die Siegel der Zeugen allein dem Schuldner keineswegs schon eine volle Sicherheit; denn die Zeugen können mit dem Gläubiger colludiren, ihn die Urkunde öffnen lassen und nach geschehener Fälschung sie selber wieder zusiegeln. In Griechenland war daher Sitte, dass beide Contra- henten die Urkunde zusiegelten, und diese dann bei einem dritten unbe- theiligten, namentlich einem Trapeziten, deponirten?). Dies war in Rom nicht, vielmehr bekam hier wie bei uns der Gläubiger die Urkunde in Besitz, allein gerade eben darum war es nothwendig, dass der Schuldner zu seiner Sicherung die Urkunde neben den Zeugen mit zusiegelte. Dann war die Eröffnung ohne Verletzung seines Siegels oder Durchschneidung !) Suet. Nero 17: ‘Adversus falsarios tune primum repertum, utete. Paulus rec. sent. 2, 25, 6: “ut exteriori sceripturae fidem interior servet', 2) Gneist, formelle Verträge. S. 448 —454. 48 Bruns: 1 des Fadens nicht möglich, und damit wäre natürlich die ganze Beweis- kraft der Urkunde aufgehoben gewesen. Dasselbe Interesse hatte auch der Bürge, und zwar sowohl dem Gläubiger als dem Hauptschuldner gegenüber; daraus erklärt sich von selbst, dass er neben dem Hauptschuldner auch noch mit zusiegelte. Dieses mit zusiegeln oder seine Siegel zu den andern hinzusetzen ist das adsignare, was in den Rechtsquellen öfter vorkommt. Es geschah bei Minderjährigen von ihrem tutor oder curator, für Sklaven vom domi- nus, für servi publici vom curator civitatis. So heisst es: Inter pupillos — divisio facta est praesente tutore sed non adsignante instrumento divisionis !), — — frustra vereris, ne ex ea intercessione, qua signasti ut curator, — officio curatoris conveniri possis ?). — servus — scripsi coram subscribente et adsignante domino meo —°) E Cautiones servorum publicorum — si curatorum adsig- nantium auctoritate subnixae sunt #). Ebenso heisst es in der Schenkung der Statia Irene °): Statia Irene donationiı — subseripsi et atsignavi. Auch von den Zeugen wird es gebraucht: — frustra ex eo, quod (pater tuus) tabulas obligationis ut testis adsignavit, conveniris ®). Es ist nun auf die schon oben (S. 42) berührte Frage einzugehen, wie die drei Namensunterschriften in der einen Urk. (X) zu erklären sind. Bei näherer Prüfung der Unterschriften fällt es sofort auf, dass der dritte der drei Namen, Memmius Asclepi, derselbe ist, wie der des im Kontracte genannten Schuldners. Die beiden anderen Namen aber, 1) D. 26, 8, 20. 2), €, 5.37, 15: 3) D. 45, 1, 126, 2. ECT SIE 5) Fontes, p. 182 v. 25. EIRLCT SS AEG: Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 49 “Socratio Soerationis und “Titus Beusantis, qui et Bradua’ sind dieselben, wie in den beiden andern Diensteontracten die der Dienstherren !). Da- nach kann man wohl kaum zweifeln, dass der unterschriebene Memmius Asclepi wirklich der Schuldner ist, und die beiden andern die Zeugen sind. Dann liest es allerdings sehr nahe, hier vollständig das Princip der modernen Namensunterschrift angewendet zu sehen. Allein dies wird zunächst in Betreff des Schuldners einfach dadurch unmöglich, dass es ım Eingange des Contractes heisst: Flavius Secundinus scripsi rogatus a Memmio Asclepi, quia se litteras scire negavit, it quod dixit, se locasse etc. Also der Schuldner, ein einfacher Grubenarbeiter, konnte überhaupt nicht schreiben, und hat daher auch seinen Namen nicht unterschrieben. Wollte man sagen, der Mann habe doch vielleicht wenigstens seinen Namen schrei- ben können, wenn auch sonst nichts, so bedarf es nur eines Blickes auf die Abzeichnung bei Mommsen, oder noch besser auf die Original-Pho- tographie bei dem ersten ungarischen Herausgeber, Finäly?), um sich so- fort zu überzeugen, dass die Unterschrift nicht von einem des Schreibens unkundigen Bergmanne herrührt, sondern einfach nur von dem Schreiber des ganzen Üontractes. Man kann auch nicht annehmen, einer der bei- den andern haben für ıhn unterschrieben und beide hätten dies bezeugt, so wie es später oft geschah. Denn dann müsste das dabei bemerkt sein, und jedenfalls hätte dann der Name des Schuldners vorangeschrieben werden müssen, während er hier der letzte ist. Die Namen sind daher offenbar, wenn es überhaupt Zeugen und Schuldner sind, nur nach dem- selben Principe geordnet, wie auch auf der Aussenseite der Tafeln stets die Zeugen voranstehen und der Schuldner den Schluss macht. Wirkliche Zeugenunterschriften kann man hier aber überhaupt nicht annehmen, denn abgesehen davon, dass Zeugen, (wie sich unten zeigen wird) wenn sie überhaupt unterschrieben, nicht anders schrieben als „Ego N. N. testis subseripsi“, so sagt Finäly, und die Photographie bestätigt es, dass auch diese beiden Namen nicht eigenhändig von den Leuten selber son- 1) Denn das „Socratio Socatis* ist wohl sicher nur entweder Abkürzung oder Corruptel für „Socrationis“. 2) In: Az Erdelyi Muzeum-Egylet Evkönyei. 1, 34 ff. Philos.-histor. Kl. 1876. u | 50 Bruns: / dern gleichfalls von dem Schreiber des Contractes geschrieben sind. An sich wäre dieses ja, wie oben gezeigt ist, nichts ungehöriges und auffal- lendes. Die Frage wäre nur wieder, warum die Namen hier unter den Contract geschrieben sind, da es doch weder bei den beiden andern Dienst- contracten noch bei irgend einem der andern Contracte geschehen ist? Finäly nımmt an, dass die Tafel gar nicht zu einem Triptychon gehört habe, sondern nur eme Abschrift vom Original gewesen sei; er folgert es daraus, dass der ganze Contract auf Einer Seite stehe, (sonst immer auf zwei vertheilt) das Datum voran geschrieben sei, und die Tafel auf beiden Seiten stark beschmutzt und lädırt gewesen sei, also offenbar auf keiner einen Schutz gehabt habe. Allerdings würde sich daraus die blosse Aufführung der Namen die bei den Siegeln gestanden hätten, erklären, und vielleicht auch die sonderbare schräge Stellung derselben, indem man die nicht zum Text gehörigen Namen auch äusserlich davon trennen wollte. Die geringe Zahl würde nichts schaden, da die Zahl überall wechselt, eine feste Vorschrift darüber gar nicht existirte, und die Arbeiter mit den beiden andern Dienstherren sich schon begnügen mochten. Für die An- nahme einer blossen Abschrift spricht nun auch die auffallend kleine ın einander gedrängte Art der Schrift, die deutlich die Absicht, mit Einer Tafel auszureichen, zu verrathen scheint. Denn bei den wirklichen Triptychen ist im Gegentheil die Schrift offenbar stets mit Absicht weitläufig ange- lest, damit noch ein Theil des Contractes auf die zweite Tafel komme, was de Petra!) wohl mit Recht daraus erklärt, dass sonst die erste Seite der zweiten Tafel, auf deren zweiter Seite die Siegel standen, ganz leer geblieben wäre, und die Siegel daher ohne alle unmittelbare Verbin- dung mit der Contractsschrift gewesen wären. Dagegen kann aus der Stellung des Datums kein Grund für die Annahme einer Abschrift ent- nommen werden, da dieses auch in andern Tafeln, namentlich mehreren Pompejanischen, am Anfang der Urkunde geschrieben ist. Wollte man aber der Annahme einer Abschrift nicht beistinmmen, und die Tafel als ein Originalstück eines Triptychon ansehen, so würde man, da an wirkliche Unterschriften keinenfalls zu denken ist, in den I) AA Na. 02 PX 82.883. EEE EBD UWEZ TOWER DE u ı al a nd a a En ee Dh a Een 33 i ; . Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 51 Namen vielleicht den Anfang von dem zu sehen haben, was man später die „notitia testium“ nannte, d. h. eine einfache Zusammenstellung der Namen der Zeugen, die von dem Schreiber der Urkunde beigefügt wurde. Sie findet sich in den Urkunden des fünften und sechsten Jahrhundert ganz allgemein!), und gewiss mit Recht hat Huschke?) daraus auch schon die Namen am Schlusse der donatio Syntrophi?) erklärt. Auf- fallend im vorliegenden Falle bliebe nur immer, dass sie in dem ver- schlossenen Theile des Triptychon gestanden hätten. Der Zweck dabei könnte wohl nur der gewesen sein, bei der späteren Entsiegelung der Urkunde durch die Übereinstimmung der inneren und äusseren Namen eine gewisse Verstärkung oder Sicherung der Beweiskraft zu gewinnen. Eine allgemeine Sitte wäre das keinenfalls gewesen, da sie sich auf kei- ner andern Tafel findet. Unter diesen Umständen liefern die Siebenbürgischen und Pompe- janischen Wachstafeln eine feste und zweifellose Grundlage zur Entschei- dung der alten Streitfrage über die Unterschriften in den Rechtsurkunden der Römer. Schon im siebzehnten Jahrhundert war der Streit darüber sehr lebhaft, namentlich hat Salmasıius die Ansicht sehr eifrig verthei- dist, dass unsere modernen Namensunterschriften den Römern völlig un- bekannt gewesen seien*). Seine Beweisführung ist nur zu unvollständig, als dass sie die Frage dauernd hatte entscheiden können. Seine Ansicht ist daher heutzutage wenigstens bei den Juristen fast gänzlich in Ver- gessenheit gekommen. Nicht nur Spangenberg nimmt sowohl in seinem bekannten Werke über den Urkundenbeweis als in den "Tabulae nego- tiorum’ ganz unbedenklich an, dass die eigenhändige Namens - Unter- schrift der Parteien in Rom „gewiss seit den ältesten Zeiten wesentlich erforderlich“ war?), sondern ebenso findet sich dieselbe Ansicht für die !) Fälle finden sich in Marini, pap. diplom. in Menge, Beispiele s. in Span- genberg, tab. neg. p. 129. 182. 212. 217. 230. 242. 278. 281. 2) T. Fl. Syntrophi donat. instr. 1838, p. 51. 3) Fontes, p. 184, v. 25. #) Zuerst in der Schrift de modo usurarum, 1639, c. 11, und dann zur Abwehr gegen Desiderius Heraldus in dem Traetatus de subseribendis et signandis testa- mentis. 1648. 5) Spangenberg, Lehre vom Urkundenbeweise (1827) 1, 208. 306. Jur. rom. tabulae negot. (1822) p. 36. Re 59 Bruns: inscriptio und subseriptio im ÜÖriminalprocesse bei allen Criminalisten wieder; Huschke!) hat sich selbst durch die Wachstafeln, wenig- stens die erste, in der Annahme der Unterschreibung und Untersiege- lung der Maneipationsurkunden nicht irre machen lassen; und selbst Gneist?), der Spangenbergs Ansicht für die ältere Zeit verwirft, nimmt sie doch schon für die spätere Republik und vollständig für die Kaiserzeit wieder an, erkennt jedoch an, dass man bei dem Worte sub- seriptio „nicht immer“ an einfache Namensunterschrift zn denken habe. Sehr energisch ist dagegen von philologischer Seite wenigstens durch Mommsen der entgegengesetzten Ansicht Ausdruck gegeben, wenn er sagt?): „ea autem debitoris futuri subseriptio, quae hodie obtinet, cum ab antiquo usu abhorreret“ ete. Auch hat derselbe schon früher +) von diesem Standpunkte aus über die Subscription und Edition der Rechtsur- kunden bei den Römern einige Bemerkungen gegeben, jedoch ohne die Sache genauer auszuführen, so dass dadurch einer vollständigen Unter- suchung darüber nicht vorgegriffen ist. Um einen festen Ausgang für diese Untersuchung zu gewinnen, scheint es passend die Bedeutung der Frage noch einmal im allgemeinen hinzustellen. Die Sitte, durch einfache Unterschreibung des Namens Urkun- den zu vollziehen, anzuerkennen, zu beglaubigen u. s. w., ist bei uns eine so allgemeine und weit verbreitete, dass Jedermann unter einer Unter- schrift von selber überhaupt gar nichts anderes denkt und versteht, als eben eine Namensunterschrift, und etwas unterschreiben einfach bedeutet, seinen Namen darunter schreiben. Danach muss es in hohem Grade auffallend erscheinen, dass eine solche Sitte den Römern völlig unbekannt gewesen sein soll. Man darf auch, um den Gegensatz vollständig zu wür- digen, die heutige Bedeutung der Namensunterschrift nicht auf den pro- cessualischen Beweis beschränken. Sie greift viel weiter. Wie man bei den Urkunden überhaupt zwischen Dispositiv-Urkunden und reinen Be- weis-Urkunden unterscheidet, so hat auch die Namensunterschrift eine 1) Zeitschr. f. gesch. Rechtsw. 12, 203—4. ?) Die formellen Verträge des röm. Rechts. S. 550 —5. 3) ICE IE. ;3, 1922. 4) Berichte üb. d. Verhandl. d. Sächs. Ges. d. Wiss. 3, 372. Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 53 doppelte Bedeutung. Sie ist nicht blos Beweismittel sondern auch Willens- erklärung: 1. Alle Aufschreibungen, durch die man eine rechtliche Verfügung oder Disposition irgend einer Art treffen will, erhalten bei uns stets nur erst durch die Namensunterschrift wirkliche rechtliche Kraft, der Act des Unterschreibens selber enthält erst die definitive Erklärung des Willens. Was man unterschreibt, will man, ohne die Unterschrift bleibt die Schrift Dies gilt gleichmässig im öffentlichen Rechte, bei Ge- nur ein Entwurf. setzen wie bei Verfügungen, Erlassen, Entscheidungen des Regenten oder der Behörden und Beamten, und im Privatrechte bei Verträgen, Testa- menten, Wechseln, Protesten u. s. w. Allerdings hat die Erklärung des Willens durch Unterschrift zugleich die Bedeutung, dass dadurch der Be- weis des Willens geführt und gesichert werden soll. Allein natürlich ist der Wille selber die Hauptsache und der Beweis nur die Folge. 2. Reine Beweisurkunden sind solche, die nur für irgend welche bereits geschehene Thatsachen die sonstigen Beweismittel schriftlich ent- halten, nämlich entweder Geständnisse (wozu auch Quittungen, Empfangs- scheine u. dgl. gehören), oder Zeugnisse oder Gutachten. Auch bei die- sen ist Prineip, dass sie nur durch die Namensunterschrift Beweiskraft erhalten, dass aber die blosse Namensunterschrift, wenn sie anerkannt oder bewiesen ist, ohne allen weiteren Zusatz von selber den Beweis lie- fert, dass man den Inhalt der Schrift gesteht, bezeugt u. s. w. Fasst man beide Arten von Urkunden zusammen, so ist das all- gemeine Prineip, dass die Unterschreibung des Namens unter eine Urkunde stets die stillschweigende Erklärung enthält, dass man den Inhalt der Ur- kunde, worin er auch bestehe, rechtlich auf sich nımmt, wie wenn man ihn mündlich ausdrücklich erklärte; negativ ist damit umgekehrt der Satz verbunden, dass jede Scriptur, die man nicht unterschrieben hat, noch unvollständig ist, und noch keine rechtliche Kraft hat. Dieses ganze Princip nun, sowohl nach der positiven als nach der negativen Seite, ist den Römern vollständig unbekannt. Sie halten einer- seits die Unterschrift des Namens nicht für nöthig, andrerseits genügt ihnen der blosse Name nicht. Wenn sie überhaupt eine Unterschrift for- dern, so verlangen sie stets eine eigentliche Erklärung, wenn es auch weiter nichts wäre, als z. B.: Ego N. N. subscripsi, und die Ausdrücke 54 Bruns: subseribere und subscriptio bedeuten daher niemals eine blosse Namens- unterschrift, sondern stets nur eine mehr oder weniger ausführliche Er- klärung, die unter einen anderen Schriftsatz geschrieben ist. Erst im byzantinischen Rechte findet sich eine Annäherung an das moderne Prin- cip. Bei der näheren Begründung dieser Ansicht ist es nöthig, die ver- schiedenen Arten "der Urkunden zu trennen, namentlich die des öffent- lichen Rechts und die des Privatrechtes. Bei den ersteren sind wieder zu trennen die Subseriptionen bei den Criminalanklagen, und die bei den Verfügungen der Beamten und der Kaiser. Bei den Privaturkunden sind die Testamente und Verträge zu unterscheiden. II. Die Subscription bei den Criminal-Anklagen. Der älteste Fall, bei dem eine subseriptio in technischem Sinne im römischen Rechte vorkommt, ist das "in erimen subseribere’ bei den Urimi- nalanklagen. Es findet sich schon bei Cicero als fester technischer Be- griff, und zwar in doppelter Weise, für den eigentlichen Ankläger und für seine Gehülfen. Die Hauptanwendung ist bei dem ersteren. Aller- dings haben wir darüber von Cicero selber nur eine einzige Stelle, nämlich de invent. 2, 19, wo er von den Veränderungen der Anklage im Processe spricht und dabei als Beispiel anführt: — ut in quodam iudicio, quum venefici cuiusdam nomen esset delatum et, quia parricidii causa subseripta esset, extra ordinem esset acceptum. Er sagt, dass wenn hier kein parrieidium bewiesen werde, die ganze Anklage fallen müsse, — quoniam et id causae subseriptum, et ea re nomen extra ordinem sit acceptum. Dass hier der Begriff der subseriptio als ein fester technischer vorausge- setzt wird, ist klar, und wird dann auch durch spätere Zeugnisse be- stätigt, so: Die Unterschriften in den römaschen Rechtsurkunden. 55 Ascon in Milon. 49. Accusatus est (Saufeius) lege Plautia de vi, subseriptione ea, quod loca publica occupasset et cum telo fuisset — Gellius 4, 2. Cum de constituendo accusatore quaeritur iudieitumque super ea re redditur, cuinam potissimum ex duobus pluribusve ac- cusatio subscriptiove in reum permittatur, ea res — 'di- vinatio appellatur. und besonders in der bekannten Satire des Seneca auf den Kaiser Olau- dius!), wo dieser in der Unterwelt von Pompejus bei Aeacus angeklagt und der Process so beschrieben wird: Is (Aeacus) lege Cornelia, quae de sicarus seripta est, quae- rebat. Postulat (Pomp.), nomen eius (Claudu) recipiat; edit subscriptionem: occisos senatores XXXV, equites roma- nos CCXXI. Auch die Stelle von Seneca de benef. 3, 26 gehört hierher, wo dieser von der Vorbereitung einer perfiden Anklage aus der Zeit des Tıberius erzählt: — quum Maro convivas testaretur, admotam esse (Tiberi) imaginem obscaenis, et am subscriptionem componeret, etc. Bestritten ist, was subscriptio in diesen Stellen bedeute. Dass irgend etwas unter irgend etwas anderes geschrieben sein muss, folgt aus dem Worte. Gewöhnlich?) nimmt man an, der Prätor habe über die Anklage ein Protokoll aufgesetzt, und dieses habe der Ankläger unterschrieben, und zwar im heutigen Sinne einfach mit seinem Namen. Allein schon die Stelle von Uicero zeigt deutlich, dass nicht der Name unterschrieben ist, sondern 'causa accusationis subseripta est. Ebenso geht die sub- seriptio bei Asconius und Seneca auf den Grund der Anklage, und 1) Apoloec. 14. 2) Birnbaum im N. Arch. f. Crim.-R. 9, 362. Geib, Crim.-Proc. 257. Ru- dorff, Rechtsgesch. 2, 430. Gneist, formelle Vertr. 350—1. bu) 56 Bruns: das ‘componere subscriptionem' in der letzten Stelle hätte vollends für Namensunterschrift gar keinen Sinn. Hiernach kann darüber wohl kaum ein Zweifel sein, dass die sub- scriptio jedenfalls in der genauen Bezeichnung des Verbrechens, wegen dessen man Anklage erheben wollte, bestand. Zweifelhaft ist, unter was für eine Schrift diese subseriptio geschrieben werden musste. Für Sene- ca’s Zeit zeigen zwar die Ausdrücke “componit und "edit subseriptionem’, dass man sie für sich aufschrieb und dann dem Prätor überreichte, allein ursprünglich muss doch ein wirkliches "subseribere” stattgefunden haben. Wir haben darüber zwar keine weitere Angaben, doch kann man sich die Sache nach den bekannten Einleitungsformen der Criminalprocesse ziem- lich sicher denken. Den Anfang macht die postulatio (sc. ut nomen rei recipiatur), d. h. der Antrag auf Annahme der Anklage, dann folgt bei Concurrenz mehrerer Ankläger die divinatio behufs der Auswahl, darauf die nominis delatio und receptio. Zwischen diese delatio und receptio fällt nun die subscriptio. Man sieht das deutlich aus der Stelle von Ci- cero, wo es erst heisst: “veneficı nomen delatum’, dann "parricidi causa subseripta‘, und darauf ‘ea re nomen acceptum. Wenn es bei Seneca kürzer heisst: “postulat, nomen recipiat, edit subscriptionem, so bedeutet das nicht, dass die subscriptio nach der receptio folge, sondern dass sie dieselbe begründen solle. Durch die subscriptio verpflichtete sich der Ankläger, die Anklage durchzuführen und unterwarf sich damit event. den Nachtheilen der falschen Anklage. Daher musste sie der nominis receptio, durch welche die Anklage definitiv constituirt wurde, vorauf- gehen. Noch in den Pandekten !) heisst es: praecedere debet in crimen subscriptio, quae res ad id in- venta est, ne faclle quis prosiliat ad accusandum, cum sciat, inultum sıbı non futurum. In welcher Form nun die nominis delatio, der die subseriptio folgte, voll- zogen wurde, wissen wir zwar nicht, doch lässt sich aus einer Stelle von Cicero°): N ID, 2 2. Te 2) Wir kennen sie nur aus Ascon. in Corn. Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 57 Postulatur apud me praetorem primum de pecuniüs repe- tundis — und von Seneca!): Postulavi ut praetor nomen eius reciperet lege inseripti maleficii. wohl entnehmen, dass die nominis delatio nur unter allgemeiner Bezeich- nung des betreffenden Gesetzes und Verbrechens geschehen musste, und dar- auf deutet es auch, wenn es in der lex Acilia de repetundis mehrfach heisst: “quoius nomen ex hac lege delatum erit’, und einmal: “quoius nomen praevaricationis caussa delatum erit. Danach wäre das Verhältniss von delatio und subscriptio, dass die erstere den Namen des Angeklagten und das Verbrechen im allgemeinen bezeichnete, die letztere die Thatsachen der Anklage specieller angab. Ob die nominis delatio auch mit dem Worte “inseriptio bezeichnet wurde, wie nach der Stelle von Seneca scheint, und ob sich darauf auch der Ausdruck "nominis inseriptio’ bei Cicero p. domo c. 20 bezieht, lasse ich dahin gestellt. Ausser Zweifel ist jedenfalls, dass über die Einleitung der Anklage, die postulatio und die nominis delatio, zu Cicero’s Zeit stets schriftliche Aufzeichnungen gemacht wurden. Abgesehen von den Ausdrücken in- und subseriptio sieht man das aus den Worten Öicero’s pro Cluentio, ec. 31: "haerebat in tabulis publieis reus et accusator‘. Zumpt?) meint sogar, der An- kläger selber schon habe die nominis delatio schriftlich einreichen müssen. Indessen ist das ohne allen Beweis und passt nicht zu dem obigen Be- sriffe der subscriptio; dieser lässt sich nur so denken, dass unter die von irgend einem anderen iu tabulis publieis geschriebene nominis delatio der Ankläger selber seine subsceriptio geschrieben habe, worauf dann der Prätor die nominis receptio einschrieb oder einschreiben liess. Nur so hat die Unterscheidung von delatio und subscriptio einen Sinn und er- klärt sich das “haerebat in tabulis publieis reus et accusator'. Durch Augustus oder wenigstens in der Kaiserzeit wurde dies anders, indem in der lex Julia iudiciorum publicorum die Erhebung der Anklage durch eine Anklageschrift vorgeschrieben oder wenigstens allge- 1) Controv. 3. procem. 2) Criminalproc. S. 145. Philos.-histor. Kl. 1876. 8 58 "BRUNS: mein gestattet wurde. Die Schrift heisst „libellus inscriptionis“ und wurde den Beamten übergeben (deponere)!). Der Name erinnert an die alte nominis inscriptio; indessen war sie doch anders. Paulus sagt von ihr ?): Libellorum inscriptionis conceptio talis est: „Consul et dies. Apud illum praetorem Lucius Titius professus est, se Mae- vıam lege lulia de adulteriis ream deferre, quod dicat, eam cum Gaio Seio in civitate illa, domo illius, mense ıillo, con- sulibus ıllıs, adulterium commisisse“. Man sieht sofort, dass hier die alte nominis delatio oder inscriptio und die alte subseriptio, d. h. dıe allgemeine und die specielle Bezeich- nung der Anklage, miteinander verbunden sind. Wenn der Ankläger da- her selber einen solchen libellus inscriptionis einreichte, so konnte er un- möglich nachher noch eine subscriptio im alten Sinne darunterschreiben. Trotz dem verschwindet der Begriff und Ausdruck „in erimen subseriptio“ nicht, sie bekommt nur eine andere Form. Paulus fügt nämlich mn $ 3 hinzu: Item subseribere debebit is, qui dat libellum, se professum esse, vel alius pro eo, sı litteras nesciat. Also der Ankläger muss selber, oder durch einen andern, unter die In- seription schreiben, dass er die "professio‘, die den Inhalt der inscriptio bildet, gemacht habe. Damit treten dann aber für ihn alle die Folgen der alten subseriptio ein®). Die Erklärung dafür ist offenbar folgende: Die genaue Formulirung eines so abgefassten libellus inseriptionis kann unter Umständen schwierig sein; darum braucht ihn der Ankläger nicht selber abzufassen, sondern kann dass durch einen Sachverständigen thun lassen, muss ihn aber dann unterschreiben und damit die Anklage, wie durch die alte in erimen subscriptio, auf seine Person nehmen. Die Form dieser neuen subseriptio ist nicht angegeben. Sie war natürlich kürzer als die alte subscriptio, weil ja nun die causa aceusationis in der inscriptio stand. Dass sie indessen doch nicht eine blosse Namens- DDR Een ah 2a cn er oh alla Noah eian.lo ED WAST2TDRTT: 3) Inscriptio und subseriptio werden daher später promiseue gebraucht. C. 9, 1, 13. 10. 12. 19. Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 59 unterschrift war, sieht man aus den Worten: "subscribere debebit, se pro- fessum esse‘. Danach bestand sie jedenfalls in irgend einer ausdrücklichen Erklärung, dass man die oben in der inseriptio stehende Profession für seine Person gemacht haben und auf sich nehmen wolle Rudorff!) meint, es habe das unter Beifügung einer „Verpflichtung zu gleicher Suc- cumbenzstrafe“ geschehen müssen, indessen ist das nirgend angedeutet und war an sich nicht nöthig, da die Strafen der falschen Anklage von selbst nach dem Gesetze eintraten. Demnach würde nach heutiger An- sicht eine einfache Namensunterschrift unter die Anklageschrift unbedingt für genügend angesehen werden müssen, und wenn die Römer daher doch eine eigentliche Erklärung verlangen, so sieht man schon hier deutlich, wie ihnen eben der ganze Begriff der blossen Namensunterschrift über- haupt ein fremder war. Es ist oben erwähnt, dass ausser der subscriptio des eigentlichen Anklägers auch Subscriptionen seiner Gehülfen vorkommen. Sie finden sich bei Cicero und sonst ausserordentlich oft. Die Gehülfen heissen danach einfach subseriptores?), z. B. Cie, ad Qu.fr., 3,3: Gabinium de ambıtu reum fecit P. Sulla subscribente $) prıvıgno Memmiıo. Cie. divin. 15. — venit paratus cum subscriptoribus exerecitatis et diser- tis. — Appuleium video proximum subscriptorem. — (Quartum non video, nisi quem forte ex illo grege mora- torum, qui subseriptionem sibi postularunt. Veller 22.09: Capito Agrippae subscripsit in Cassium ?). 1) Rechtsgesch. 2, 430. ?) Ps. Asc. in divin $ 47: “subseriptores dieuntur qui adiuvare accusatorem cau- sidiei solent'. 3) Andere Fälle siehe Ascon. in Milon. p. 48. Vellei. 2, 69. Geib. 322. Zumpt 68—)9. Ss 60 Bruns: In welcher Form diese Subscriptionen geschahen, ist nirgend gesagt oder auch nur angedeutet. Wenn indessen die obige Ausführung über die sub- scriptio des Hauptanklägers richtig ist, so ist kaum zu zweifeln, dass auch hier nicht an eine einfache Namensunterschrift zu denken ist, sondern nur an eine vollständige Beitrittserklärung, die unter die subscriptio des Haupt- anklägers von den Gehülfen selber geschrieben wurde. Ganz zu trennen von diesen Subseriptionen bei Criminalanklagen ist die ‘'subscriptio censoria', die häufig, sogar von Geib und Rudorff!), mit ihnen vermischt ist. Von dieser allein handelt Cicero in der Rede pro Oluentio e. 42—47, namentlich bei den Worten $ 131: Popillium, qui Oppianicum condemnarat, subscripsit L. Gel- hus (censor), quod is pecuniam accepisset, quo innocentem condemnaret. Es ist darunter die Einschreibung der bekannten nota censoria in die Bürgerlisten, oder sonst wo, verstanden ?). Dies zeigen besonders: Livıus, 39, 42. — patrum memoria institutum fertur, ut censores motis e@ senatu adscriberent notas. Ascon. in or. in toga cand. p. 75. Antonium Gellius et Lentulus censores — senatu moverunt, causasque subscripserunt, quod socios diripuerit, quod iudiecium recusarit, etc. °). Daraus ist für die obigen Criminal-Subseriptionen gar nichts zu entnehmen. 1) Geib, 281 n. 63. Rudorff, 429 n. 6. 2) Mommsen, Staatsrecht 2, 355. 3) Ähnlich Gell. 4, 20: eensor eum, quod intempestive laseivisset, in aerarios rettulit, caussamque hane ioci scurrilis apud se dieti subseripsit. Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 61 I. Die Subseriptionen bei den Gesetzen und den Verfügungen der Beamten. Das moderne Princip, dass alle öffentlichen Verfügungen durch die Namensunterschrift des Beamten, von dem sie ausgehen, vollzogen wer- den müssen und nur dadurch rechtliche Kraft bekommen, ist den Römern in der Republik, vollständig fremd gewesen. Geht man die verschiedenen Arten von Verfügungen durch, so findet sich: 1. bei den Gesetzen keine Spur von Nothwendigkeit oder auch nur Üblichkeit einer Unterschrift der Beamten die ein Gesetz rogirt hatten. Der Name des Beamten kommt im Anfange des Gesetzes aber nicht am Ende. Wie es bei uns im Anfange heisst: „Wir Wilhelm — Deutscher Kaiser verordnen nach Zu- stimmung des Bundesraths und des Reichstags: *“ ‘so hiess es vollständig entsprechend in Rom: T. Quinetius — consul de senatus sententia populum ro- gavit populusque seivit: Allein wenn es bei uns am Schlusse der Gesetze heisst: „Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem kaiserlichen Insiegel. (1.95) Wilhelm.“ so ist davon bei den römischen Gesetzen keine Spur. Sie hören einfach mit dem letzten Satze auf. Eine eigentliche Vollziehung durch den ro- girenden Beamten, wie bei uns durch den Regenten, war freilich weder nöthig noch auch nur möglich, weil die Gesetze mit der Abstimmung des Volkes ganz von selber in volle gesetzliche Kraft traten. Allein eine Un- terschrift von dem betreffenden Beamten zur Sicherung und Beglaubigung der einzelnen Sätze des Gesetzes wäre doch jedenfalls zweekmässig, ja 62 Bruns: eigentlich recht nöthig gewesen; denn dass ihw Mangel einen wirklichen Übelstand bildete, zeigen die Klagen von Cicero!), wenn er sagt: Lesum custodiam nullam habemus; itaque hae leges sunt, quas apparitores nostri volunt; a librariis petimus, publicis litteris consignatam memoriam publicam nullam habemus. Man half sich zwar einigermassen durch die archivalische Deposition der Gesetze ?), allein ohne ein mit Unterschrift versehenes Originalexemplar war auch diese nicht ausreichend. Man sieht das schon daraus, dass ım J. 692 ein eigenes Gesetz gegeben wurde, „ne clam aerario legem inferri liceret“®). Von den Senatusconsulten sagt Cicero*), dass mehrfach “falsa® oder 'nunquam facta ad aerarıum deferebantur‘, und Plutarch?°) erzählt von Cato, dass er bei Zweifeln über die Ächheit eines Senatus- consultes nicht nur Zeugen vernommen sondern die im SC. selber ge- nannten Consuln selber die Ächtheit habe beschwören lassen. Unmittel- bare Beweise für den Mangel der Unterschrift bei den eigentlichen Gesetzen haben wir freilich nicht, da uns von keinem einzigen Gesetze der Repu- blik der Schluss im Originale überliefert ist. Doch findet sich wenigstens in der bei Frontinus®) vollständig überlieferten lex Quinctia”) keine Unterschrift, und ebensowenig auf der Erztafel in Rom, die den Schluss der lex de imperio Vespasianı enthält. 2. Dass die Senatusconsulte keine Unterschrift hatten, geht schon aus den obigen Angaben hervor und wird durch die mehrfachen Senatusconsulte aus der Republik- und Kaiserzeit, die wir vollständig mit dem Schlusse haben ®), bestätigt. Die Beamten kommen, wie bei den 1) de leg. 2, 20. ?) Vgl. darüber Mommsen, Staatsr. 2, 512—14. 459. 447. Annali del inst. 1858 p. 178. 3) Schol. Bob. p. 310. *). Cie. ad fam. 12, 1. Philipp. 5, 4, 12. 5) Cato min. 17. 6) De aquis urbis Romae. e. 129. 7) Fontes p. 101. 8) Fontes p. 131. 133. 154. 157. 140. 145. Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 63 Gesetzen nur im Anfange, nicht am Ende. Für die Beglaubigung aber sind zwar diejenigen Senatoren, die „scribendo adfuerunt“, d. h. die bei der Aufzeichnung des Senatbeschlusses zur Garantie der Richtigkeit an- wesend waren !), stets genannt, aber nur im Eingange?), und von einer Unterschreibung des Senatbeschlusses durch sie oder gar einer Vollzie- hung desselben durch die Consuln mittelst Unterschrift ist gar keine Spur. Ebensowenig von einer sonstigen Beglaubigung. Dadurch werden die obi- gen Äusserungen über die falschen Senatusconsulte erklärlich. Nur von einer anderen Art von Subscription findet sich hier eine Nachricht, nämlich von der Genehmigung der Senatsschlüsse durch die Volkstribunen, von der Valerius Maximus (2, 2, 7) sagt: — veteribus senatus consultis © littera subseribı solebat, eaque nota significabatur, illa tribunos quoque censuisse ®). 3. Den Senatsschlüssen ähnlich sind die Beschlüsse der Decurio- nen-Senate in den Gemeinden. Die Beamten und die, “qui sceribendo adfuerunt *), werden zwar hier wie dort im Eingange aufgeführt, am Schlusse kommt aber nur wie bei den Senatsschlüssen das “eensuere’, oder gar nichts, oder auch wohl dıe Zahl der Anwesenden, oder das Datum, nie aber die Namen der vorsitzenden Duovirn als eigentliche subseriptio. Wir haben zwar aus der Republik überhaupt nur Einen solchen Gemeinde- beschluss, den das pagus Herculaneus®), indessen ist der negative Rück- schluss aus den Formen der Kaiserzeit®) hier ganz untrüglich. In jenem deer. Hercul. stehen zwar am Ende 12 Namen, indessen lauter Freigelassene 1) Es sind in der Regel 3, jedoch bei dem einen SC. de Thisbaeis nur 2, bei dem de nundinis Beguensibus (Fontes, p. 145) scheinen es 7 gewesen zu sein, in einem SC. für Adramyttium sogar 33. Movuseiov #7 Zuayysiızns oyoras. Smyrna 1875, p. 137 138. (Mittheilung von Hrn. Prof. Kirchhoff.) 2) Nur in dem einem SC. de ludis saecular. stehen sie am Ende. Fontes p. 138. II. 3) Vgl. Mommsen, Staatsr. 2, 269. n. 2. *) Bei manchen heisst es hier: “ser. adf. euncti’ oder ‘universi'. Haubold, mo- num. legal p. 224. 244 v. 5. a), 1,161: 0520. 6) Beschlüsse aus der Kaiserzeit s. bei Haubold, mon. leg. p. 179. 224. 232. 243. 262. Fontes p. 197 nro 1. x 64 Bruns: | und keine Beamten, so dass darin nicht die Urheber des Beschlusses gesehen werden können, sondern nur die Mitglieder des in dem Deerete genannten 'collesium lovei compager‘. Auch officielle Schreiben der Gemeindebehörden an Private haben die gewöhnliche Briefform, wie man aus dem “commentarium cottidianum municipi Caeritum’!) sieht, worin das referirte Magistratsschreiben nur die gewöhnliche Überschrift der Briefe hat: Masistratus et decuriones Curiatio Cosano salutem. und wie diese keine Unterschrift. 4. Bei den Staatsverträgen ist das zwar ausser Zweifel, dass sie aufgeschrieben, in Erztafeln gegraben und auf dem Capitol im Tempel des Jupiter aufgestellt wurden ?). Im übrigen aber kennen wir ihre For- men nicht. Man nimmt zwar auch hier meistens Unterschrift von Beamten oder Fetialen an®), aber nur wegen einer Stelle von Livius (9, 5), wo dieser bei der Frage ob der Vertrag in den Caudinischen Pässen eine sponsio oder ein foedus gewesen sei, sagt: Spoponderunt consules, legati, quaestores, tribuni militum, nominaque omnium, quı spoponderunt, exstant; ubi, si ex foedere acta res esset, praeterguam duorum fecialium, non exstarent. Allein damit ist an sich nichts weiter gesagt, als dass die Namen der Spon- denten noch bekannt wären, und wenn man das exstare auch von der Anführung der Namen in dem Vertrage verstehen will, so folgt doch dar- aus ein Unterschreiben hier grade ebensowenig, wie bei den Gesetzen und den Privat-Verträgen. Auch bei anderen foedera, wo die Formen genauer und namentlich die Erztafeln erwähnt werden #) ist nie von Unterschriften die Rede. Namentlich sagt Dionys bei dem Bunde der latinischen Städte gegen Rom vom J. 258 nur: DEOr: 3187. 2) Polyb. 3, 25. Suet. Vesp. 8. 3) Osenbrüggen, de iure belli ac paeis. p. 96 n. 6. Müller-Jochmus, Gesch. d. Völkerrechts. S. 188, n. 17. 2) WEıye 1,224°997332 Dion.24,20:95.261157650.90: Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 65 Pr) eyyganlanevcı Tals TUvOyaaıs TaUT« mooßouAcı, Kal ToUs ogxous CHNEN EN 7 m Ur 5 El) 1 OUOTAVTES, AUTO TOUTWV TWV MONEUV NTaV avöges )): Aus diesem &yygalanevcoı ravra lässt sich überhaupt keine Unterschrift ent- nehmen, ganz abgesehen davon dass das unterschreiben griechisch stets mit &mıygapeı oder Uroygaew ausgedrückt wird, nicht mit &yygasew. 5. Bei den amtlichen Schreiben, Verfügungen, Entscheidun- gen der Beamten selber finden sich Anfänge des Prineips der amtlichen Unterschrift, aber keineswegs allgemein und keinenfalls mit der modernen Namensunterschrift, sondern nur in Subscriptionen verschiedenen Inhalts. Die Urkunden, die uns aus der Zeit der Republik überliefert sind, haben noch gar keine Unterschriften, so die bekannten Schreiben der Con- suln ad Teuranos über die Bachanalien, das ad Tiburtes, das decretum Pauli de Lascutanis, die sententia Minuciorum, auch die lex Furfensis templo dedicando ?). Ebenso ist es aber auch noch in der Kaiserzeit bei den Edieten der kaiserlichen Präfeeten, z. B. denen des Tiberius und Capito für Ägypten aus dem ersten Jahrhundert 3), des Apronianus für Rom aus dem vierten Jahrhundert *), denen der christlichen Präfeeten, die durch die Kirchenväter überliefert sind ?), und denen der Justiniani- schen Präfekten, die sich zwischen Justinians Novellen (166—168) finden. In gleicher Weise in der Entscheidung des Proconsul Agrippa von Sar- dinien aus dem ersten Jahrhundert), und den Rescripten der 'rationales Caesarıs’ über das Wärterhaus bei der Antoninussäule aus dem zweiten Jahrhundert 7). Zwar könnte man immerhin fragen, ob nicht die Unterschriften hier überall nur in unseren Überlieferungen weggelassen seien. Indessen wäre eine solche allgemeine Weglassung in den so verschiedenartigen Fällen, wenn die Beifügung zur Form gehört hätte, doch sehr unwahr- 1) ji. e. viri prineipes, qui haee in foederibus sceripserunt et juramenta iuraverunt, ex his eivitatibus fuere. 2) Fontes, p. 131—3. 133. 228—31. 84. C.I.L. 2, 699 n. 5041. 3), €. I. Gr. 3, 445 n. 4957. 4) Haubold, mon. leg. p. 292. 5) Haenel, corp. leg. p. 239. 247. 249. 6) Fontes, p. 231. 7) Fontes, p. 196 nro 2. Philos.-histor. Kl. 1876. 9 66 Bruns: scheinlich. Keinenfalls war die Namensunterschrift zu einem amtlichen Befehle eigentlich nöthig. Man sieht das aus einem Originalprotokolle in den Ravennatischen Papyrus-Urkunden aus dem sechsten Jahrhundert, also einer Zeit, wo, wie sich unten zeigen wird, das Unterschreibungs- prineip schon sehr weit vorgeschritten war. Hier bitten die Parteien um abschriftliche Mittheilung des Protokolles. Darauf heisst es: Petrus Taurinus, Johannes (magistratus) dixerunt: „Gesta vobis — competens ex more edere curabit offieium*“. Darunter steht dann zweimal „Edantur“, ohne beigefügten Namen, aber wie man aus dem Facsimile bei Marinı!) deutlich sieht, von zwei ver- schiedenen Händen geschrieben. Darunter kommt zum Schluss wieder von einer anderen Hand: Fl. Severus exceptor?) — edidi. Das 'Edantur’ ist also der eigenhändig geschriebene Befehl der Beamten, eine Namensunterschrift ist bei ıhm nicht nöthig, der Name wurde dazu aus dem vorhergehenden entnommen. In der Kaiserzeit finden sich nun allerdings unzweifelhaft mehrfach Subscriptionen von Beamten in den amtlichen Urkunden, indessen hat man dabei wesentlich folgende Arten von Fällen zu unterscheiden: 1. Subseriptionen als Verfügungen auf fremden Schreiben; 2. Subseriptionen unter den eigenen Schreiben; 3. Subseriptionen zur Beglaubigung von fremden Urkunden oder Protokollen. 1. Die Sitte, in Justiz- und Administrativsachen die Entscheidung oder sonstige Verfügung sofort auf das eingereichte Gesuch zu schreiben, die von den kaiserlichen Rescripten her sehr bekannt ist, war auch bei den Beamten stets üblich, und geschah hier gewöhnlich durch eine sub- scriptio. Wir haben zwar wenig Anwendungen davon, doch heisst es z. B. bei dem Verfahren über die potioris nominatio bei der Tutel in den Vat. fr.2163: !) Marini, pap. diplom. nro 74 und tab. 11. ?) Exceptores sind die Archivbeamten. Vgl. Betbmann-Hollweg, Civilproc. des gem. Rechts. 3, 142. 153—6. 161. Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 67 litteras — reddere (debet) praetori, ut subnotet sua manu, quod volet. Die allgemeine Ubung ergiebt sich aber aus einem früher oft missver- standenen Gesetze von Constantin im ©. 1, 51, 2: Praesides non per adsessores sed per se subscribant libellis. mit der.scharfen Strafbestimmung: quodsi quis adsessori subscriptionem inconsultis nobis permiserit, mox adsessor, qui subscripsit, exilio pu- niatur. Nur auf die Subscriptionen in diesem Sinne beziehen sich die Be- stimmungen, dass subscriptiones keine Rechtskraft haben und keine vor- herige contradietorische Decrete aufheben können !). Natürlich entsteht dabei auch wieder die Frage, welche Form diese Subseriptionen hatten, und ob sie nicht von dem Beamten selber mit sei- nem Namen unterschrieben werden mussten, da sie ja eigentlich nur eigene Urkunden des Beamten auf fremdem Papier enthalten. Wir haben dar- über keine eigentliche Nachricht, wohl aber einen einzelnen Fall in einer interessanten Steininschrift vom J. 155°). Die Inschrift besteht, wie so manche, aus einer Zusammenstellung verschiedener Actenstücke. Den Anfang macht ein Brief mit der Überschrift: Velius Fidus Jubentio Celso, collegae suo, salutem. Darin wird über das Gesuch eines kaiserlichen Freigelassenen, Arrius Alphius, wegen eimes Grabmales gesagt: — Arri Alphii libellum tibi misi, — libellum subseriptum mihi remittas. Dann kommt „exemplar libelli dati*, d. h. die Abschrift des Gesuches selber, in welchem es heisst: DEGCHTLESUE3200: 2) Bei Or. 4370. Mommsen (Leipz. Ber. 3, 374 n. 1) hat 115, wohl nur aus Versehen nach Haub. mon. leg. 246. 9* 68 Bruns: — r0g0, domine, permittas mihi — in marmoreo sarco- phago corpora colligere. Zum Schluss folgen die Worte: Decretum: Fieri placet. Iubentius Celsus promagister sub- scripsi. . Offenbar enthalten hier die Worte “deeretum — placet’ die erbetene Ge- nehmigung, also eine subseriptio in dem obigen Sinne, und zwar eben die von dem Velius Fidus in den Worten “libellum subseriptum’ erbetene. Das "subseripsi' des Celsus bedeutet daher nicht im modernen ideellen Sinne: „Ich habe unterschrieben“, sondern ım antıken realen Sinne: „Vor- stehende subseriptio habe ich geschrieben“. Das Deeret ist übrigens nicht mit Spangenberg!) wegen des voraufgehenden "domine’ auf den Kaiser zu beziehen, sondern mit Mommsen?) und Henzen?) auf den "proma- sister in collegio pontificum . 2. Von selbständigen eigenen Verfügungen der Beamten sind uns nur wenige überliefert. Man sieht aus ihnen, dass bei allen Verfügungen, die nicht in der Form von allgemeinen Edicten erlassen wurden, sondern die in Schreiben an einzelne Personen, Gemeinden, Corporationen bestanden, einfach die alte Form der Privatbriefe festgehalten wurde, mit der alten inseriptio und subseriptio, d. h. oben die Namen des Addressanten und Addressaten, unten keine andere Unterschrift, als der alte aus Crcero bekannte Gruss, das 'Vale', von dem schon Ovid sagt: ‘quo semper fi- nitur epistula verbo’, nur dass es allmählıg etwas breiter ausgedehnt wird. So heisst es in einer Inschrift vom J. 280 in einem Schreiben der “XV viri saeris faciundis’ an den Magistrat von Cumae®), worin die Wahl eines Priesters bestätigt wird, zum Schlusse: Öptamus vos bene valere. 1) Tabulae neg. p. 361. 2) Berichte der Sächs. Ges. d. Wissensch. 3, 373. 3) Im Index zu Orelli. p. 45. 4) Or. 2263. Haubold, mon. leg. p. 266. Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 69 ebenso griechisch in einem Schreiben des Präses von Mösien an die Ty- raner vom J. 201): En SA PEN. \ > w m Ei E77 Eopur Sa UNMAS Hal EUTUNEW TEAACS ETEOIW EUYXOUGE. in einem Schreiben von Steuerbeamten an einen vicarıus Africae vom 323142): Optamus, te, frater, felicissimum bene valere. in einem Erlasse eines Proconsuls an einen ‘eurator’ und einen "defensor eivitatis’ 3): Opto, bene valeatis. in dem Erlasse eines Proconsuls an einen Bischof vom J. 420 in christ- licher Frömmiskeit *): Incolumem te domini favor praestet annıs compluribus, do- mine pater merito honorabilis. Endlich sind dabei noch die Unterschriften von zwei Schreiben anzufüh- ren, die in emer Ravennatischen Papyrus-Urkunde vom J. 444 in ein Protokoll aufgenommen sind ?). Sie sind zwar nicht eigentlich von Beam- ten aber doch von einem 'vir illustris an seine untergebenen "actores’ und “eonductores’, und haben ohne dies an sich eine weiter gehende Bedeu- tung. Die erste ist hinter dem Inhalte des Briefes so beigefügt: Et manu domini suscriptio: Opto multos annos bene valere. die zweite so: Item suscribtio: Opto, bene valete. Die Stellen zeigen, dass der Ausdruck suseriptio technisch grade für die Grussformel gebraucht wurde, und dass die Grussformel nicht einen Theil des vom Schreiber geschriebenen Briefes ist, sondern als selb- ständige subscriptio nachher vom dominus darunter geschrieben wurde. 1) Fontes, p. 177. 2) Spangenberg, tab. neg. p. 363. 3) Spangenberg, tab. neg. p. 379. *#) Haenel, corpus legum p. 240. °?) Marini, pap. diplom. nro 73. Spangenberg, tab. neg. p. 370. 371. 70 Bruns: Es wird dadurch die Annahme von Mommsen bestätigt, dass man all- gemein jedes Schreiben, auch wenn man es dietirt hatte, doch wo mög- lieh eigenhändig mit der Grussformel unterschrieb. Danach ist denn auch ein Zusatz zu erklären, der sich in der ersten obigen Unterschrift in dem Schreiben der “XVviri sacris faciundis’ findet. Dort stehen hinter dem Grusse „Optamus vos bene valere“, noch die Worte: Pontius Gavius Maximus‘pro magistro subscripsi. Wenn man dies von dem Grusse trennt, so könnte man es verstehen wie unser modernes: „Ich habe dieses Schreiben als Pro-Magister unterschrie- ben“. Allein nach den angeführten Beispielen ıst grade der Gruss selber die subscriptio, und daher darf man das subscripsi hier, wie oben bei der Inschrift des Iub. Celsus, nur auf den vorhergehenden Gruss beziehen und so verstehen: „Vorstehende Subscription habe ich der Pro-Masister geschrieben“. Bei allgemeinen amtlichen Verfügungen, die nicht in Briefform er- lassen wurden, findet sich in der späteren Zeit in den Coneilsakten auch noch eine andere von Mommsen beigebrachte Subscription, die auch von den Kaisern bei ihren Gesetzen angewendet wurde, nämlich ein Pu- blicationsbefehl. So heisst es bei dem Carthagischen Concil von 411 in dem Zusammenberufungsschreiben, welches auf Befehl der Kaiser Arca- dius und Honorius ein Tribun Marcellinus erlässt, am Schlusse !): Et alıa manu: Proponatur. Unzweifelhaft ist unter der „alıa manus* keine andere Hand zu verstehen, als eben die des Marcellinus selber. Ob diese Art von Subscription auch bei den Beamten allgemeinere Anwendung hatte, wissen wir nicht, doch ist es an sich wohl wahrscheinlich. Über die Kaiser s. unten $. IV. Ein besonderer Fall von ausdrücklich vorgeschriebener eigenhändi- ger Subscription der Beamten ist in einem Reseripte von Hadrian?), wonach Beamte, die steuerbare Waaren zu ihrem eigenen Gebrauche, und 1) Mansi, coll. coneil. 4, 54—56. 2) D. 39, 4, 4,1. Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 71 daher steuerfrei, beziehen wollen, darüber ein besonderes Attest ausfertigen müssen, von dem es heisst: quotiens — usus sul causa mittet quendam emturum, signi- ficet libello sua manu subseripto, eumque ad publica- num mittat. Worin die Unterschrift bestehen soll, ist nicht gesagt; jedenfalls hat man an irgend eine entsprechende Erklärung oder Versicherung zu denken, nicht an blosse Namensunterschrift. 3. Besonders häufig sind die Subscriptionen zur Beglaubigung von fremden Schriften, und von Protokollen. Von den ersteren ist das älteste mir bekannte Beispiel einer amt- lichen Subscription eine Vorschrift, die sich bei den Agrimensoren findet. Es heisst dort in der Schrift von Hyginus “de limitibus constituendis’l) aus der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts, die gesammten Acten der agrimensorischen Länderei-Ordnung einer jeden Colonie müssten in Erz- tafeln im „tabularium Caesarıs“ aufbewahrt werden. Es werden dabei zuerst einzeln aufgeführt die „‚significationes“, d. h. die Bezeichnungen der Grundstücke als „data, adsignata concessa, excepta, reddita commutata‘* u. s. w., dann der „typus perticae totius lineis deseriptus“, dann „si qua beneficio (Caesaris) concessa aut adsignata coloniae fuerint“, und zum Schlusse wird allgemein hinzugefügt: et quidquid aliud ad instrumentum mensorum pertinebit, non solum colonia sed et tabularıum Oaesarıs manu con- ditoris subseriptum habere debebit. Mommsen?) sagt hierüber: „bei Personen, die öffentlichen Glauben ge- nossen, machte die eigenhändige Unterzeichnung das Instrument rechts- kräftig; so unterzeichnet der Gründer einer Colonie deren Stiftungsurkunde‘ u.s. w. Ich glaube nicht, dass damit der Gedanke der Worte bezeichnet ist. Unter dem „quidquid aliud ad instrumentum mensoris pertine- bit“ kann im Gegensatze zu den vorher einzeln aufgeführten Schriften 1) Röm. Feldmesser, von Lachmann, 1, 202. 2) Berichte d. Sächs. Ges. d. Wissensch. 3, 373. 12, Bruns: und Karten nicht wohl die Haupturkunde der ganzen Colonie verstanden werden, sondern nur die etwaigen Nebenakten der Mensoren neben den vorher genannten Schriftstücken. Dann aber kann auch die Unterschrift des Stifters nur als Beglaubigung, höchstens noch formelle Genehmigung derselben, aufgefasst werden, nicht als die eigentliche Vollziehung der ganzen Stiftung. Worin die Unterschrift des „conditor“ bestand, ist nicht gesagt, sicher nicht im blossen Namen, sondern in irgend einer die Sache be- zeichnenden Erklärung. Eine andere Art von Beglaubigungsunterschrift findet sich bei Ver- fügungen der Kaiser. Das älteste Beispiel ist eine in Smyrna gefundene Inschrift vom J. 1391). Dieselbe enthält, wie die schon oben besprochene, eine Zusammenstellung mehrerer auf eine gewisse Angelegenheit bezüg- licher Aktenstücke. Zuerst in griechischer Sprache ein Gesuch, welches ein Vertreter des Smyrnenser Gemeinderaths, Namens Sextilius Acutianus, auf dessen Beschluss an den Kaiser Antoninus Pius gerichtet hatte, um Erlaubniss zur Abschrift eines älteren Rescriptes von Hadrıan zu bekommen. Dann folgt die lateinische Anwort des Kaisers in folgender Weise: Imperator — Antoninus Augustus Pius Sextilio Acutiano. Sententiam d. patris mei, sı quid pro sententia dixit, de- seribere tibi permitto. Reseripsi. Recogn(ovi) undevicen- simus. Act. VI. Idus April. Hier ist das „‚Rescripsi“, wie Mommsen ausgeführt hat, als die eigen- händige Unterschrift des Kaisers im Öriginalreseripte anzusehen, und das „Recognovi“ als die Beglaubigung dieser Unterschrift. Das „undevicensi- mus‘ ist nicht Name, wie Huschke?) meint, sondern die Nummer des Bureau’s in der kaiserlichen Kanzlei. Einen etwas anderen Fall bieten die s. g. 'probatoria” der Kaiser, d. h. die Ernennungs-Diplome oder Bestallungen der s. g. Officiales, d. h. CL, T.3 78.0. 4110085019: 2) Zeitschr. f. gesch. Rechtswissenschaft. 12, 191. Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 73 der Schreiber und sonstigen Hülfsdiener der Beamten!). Die Kaiser be- hielten sich deren eigene Anstellung vor und legten ein solches Gewicht darauf, dass Leo und Zeno bestimmten ?), es dürfe keiner zugelassen werden „ex solis sacrarum litterarum exemplaribus, sed ex authentieis tantum sacris probatoris manu nostra subscriptis“, und fügten in einem andern Gesetze?) noch hinzu, man solle den Officialen gar keine blosse Abschriften (exemplaria) geben sondern nur: ipsas authenticas sacras, quae divinam nostrae pietatis con- tinent adnotationem, cum subseriptione administran- tium, sub quorum iuris dietione consistunt. Die Subscription dieser verschiedenen jedesmaligen Beamten unter der des Kaisers kann wohl nur die Bedeutung haben, eine Beglaubigung der kaiserlichen Unterschrift zu gewähren. Ihre Form kennen wir nicht. Die spätere allgemeine Unterschrift aller kaiserlichen Erlasse durch den Quä- stor wird passender unten bei den kaiserlichen Unterschriften näher be- sprochen. Endlich gehören hierher noch die Subscriptionen zur Beglaubigung von Abschriften der Gesetze, Gesetzbücher oder Protokolle, die von dem betreffenden Beamten, dem s. g. exceptor, ausgegeben wurden. Auch sie enthalten nicht wie bei uns erst eine Erklärung und dann die Namens- unterschrift, sondern stets nur wie bei allen anderen Schriften den Na- men mit der Erklärung, so z. B. bei dem Senatsprotokolle über die Pu- blication des Codex Theodosianus: Et alia manu: Fl. Laurentius, exceptor amplissimi senatus, edidi sub die VIII k. Januarit®). Ähnlich beim Breviarıum Alaricianum: Anianus — hune codiceem — subscripsi et edidi?). 1) Vgl. über diese im allgemeinen v. Bethmann-Hollweg, Civilprocess Bd. 3, $ 142. DC, 12,160,79. S)L EC. 12,60, 10. #) In Cod. Theod. ed. Haenel p. 83. 5) S. darüber Mommsen, Leipziger Berichte 3, 380—383. Philos.-histor. Kl. 1876. 10 74 Bruns: In Ravennatischen Gerichts-Protokollen findet sich mehrfach dieselbe Sub- scription: so, ausser der schon oben angeführten, in einer vom J. 5401): Deusdedet, exceptor civitatis Raven., his gestis?) edidi tradidique. und einer vom J. 5723): Gunderit, exceptor ceuriae civit. Raven., his gestis edidi. Indessen sind diese Urkunden nach Marini als die Originalprotokolle an- zusehen, von denen die Abschriften edirt sind. Dann wäre die Sub- sceription nicht eine Beglaubigung der Abschrift, sondern nur eine s. g. Registratur auf dem Originale über die Ausfertigung der Abschrift. Sa- vigny*) meint dagegen, es seien zwar die Originalprotokolle, aber diese selber seien an die Parteien abgegeben, und nicht beim Gerichte zurück- behalten. Dann enthielte das 'edidi' eine Art Beglaubigung der Ächheit des Protokolles selber. Eine sichere Entscheidung lässt sich aus den Ur- kunden selber nicht entnehmen, doch ist allerdings von Abschrift keine Rede. Die Parteien bitten: „ut gesta nobis a competenti officio edi iubeatis ex more“. Darauf antworten diese: „ut petistis, gesta vobis edan- tur ex more“. Dann die Beglaubigung von den Beamten selber, worüber unten näheres, und darauf zum Schlusse die obige Erklärung des exceptor. b. Protokolle mit Beglaubigung haben wir überhaupt nur erst aus der späteren Zeit, hier aber von einer zwiefachen Art, nämlich gericht- liche in den Ravennatischen Papyrus-Urkunden des 6. und 7. Jahrhun- derts und kirchliche in den Akten der Concilien. Aus den ersteren kann man indessen unbedenklich auf die frühere Zeit zurückschliessen, wogegen dies bei den kirchlichen mehrfach bedenklich ist. 1. In den gerichtlichen Protokollen geschieht die Beglaubigung einseitig durch Unterschrift von den Beamten ohne Unterschrift der Par- teien. Die Beamten unterschreiben aber nicht wie bei uns: „a. u. 8.“ 1) Marini, pap. dipl. nro 115. Spangenberg, tab. neg. p. 251. 2) Statt „haee gesta“. Die Beamten hatten geschrieben „his gestis subsceripsi“. Der exceptor wiederholt das einfach. ®) Marini, pap. dipl. nro 88. Spangenberg, tab. neg. p. 196. #) Vermischte Schriften. 3, 131. ia d Lr ; Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 75 oder „,g. g. u.“ oder „in fidem“ und dann den Namen, sondern in römi- scher Weise durch eine Erklärung in der der Name voransteht, so in dem obigen Protokolle vom J. 572: M. Laurentius, et iterum mag., gesta apud me habita re- cognovi. M. Bonifacius, v. l., gestis apud nos habitis subscripsi. M. Johannes his gestis apud nos habitis subseripsi. Ebenso, auch mit der Unterscheidung von 'recognovi” beim ersten und “subseripsi’ bei den andern, sind die Unterschriften in dem obigen Proto- kolle vom J. 540. Ganz ähnlich unterschreibt bei den nicht gerichtlich sondern no- tariell aufgenommenen Urkunden der Notar: Ego Liberatus, tabellio civ. Raven., hanc donationem — complevi et absolvi!). Näheres darüber s. u. $. VI. =. Bei den kirchlichen Protokollen der Synoden und Concilien finden sich zuerst Massenunterschriften der sämmtlichen zum Coneil ge- hörigen Bischöfe; dabei ist dann aber das Prineip nicht sowohl, das Pro- tokoll zu beglaubigen, als vielmehr sich zu den darin enthaltenen von der Synode aufgestellten Dogmen zu bekennen, und die Beschlüsse der Synode durch möglichst vollständige Unterschrift zu bekräftigen. Das erstere tritt gleich bei dem ersten öcumenischen Conecile, dem von Nicäa von 325, hervor. Dieses soll von 318 Bischöfen unterschrieben sein, doch haben wir nur von den drei ersten den angeblichen ?) Wortlaut ihrer Un- terschrift, von den andern nur die Namensliste. Die erstere lautet °): 1) Marini, pap. dipl. nro 83. Spangenberg, tab. neg. p. 194. 2) Die Ächtheit ist bestritten. Vgl. Herzogs Realenceyel. der protest. Theol. 6, 276; 10, 316. Hefele, Gesch. d. Coneilien. 1, 425. Doch findet sie sich fast buch- stäblich gleichlautend in einer syrischen und einer koptischen Handschrift über das Con- eil aus dem Anfange des 6. Jahrhunderts, die neuerdings aufgefunden sind. Cowper, anal. Nicaena. The syriae text, (1857) p. 23. Lenormant, fragmenta versionis Cop- ticae ete., (1852) p. 12. 25. 3) Nach dem hergebrachten lateinischen Texte bei Mansi, conc. 2, 692. 697. 10* 76 Bruns: Ösius, episcopus eivit. Cordubensis, prov. Hisp., dixit: Ita credo sicut supra scriptum est. Vietor et Vincentius, presbyteri urbis Romae, pro venerabili viro papa et episcopo nostro Sylvestro subseripsimus, ita credentes!) uti supra scriptum est. Noch bestimmter tritt der Standpunkt des Bekenntnisses in dem zunächst folgenden Coneil von Sardıca von 344 hervor, wenn es hier in der Samm- lung des Dionys. Exig. am Schlusse heisst ?): Et supseripserunt qui convenerant episcopi omnes diversa- rum provinciarum sie: Ego N. episcopus civitatis N. et pro- vinciae N. ita credo, sicut supra scriptum est. Der Standpunkt der Bekräftigung tritt dagegen zuerst in dem Carthagi- schen Coneil von 348 hervor, wo der Bischof Gratus von Carthago die andern am Schlusse auffordert: Superest, ut placita omnium nostrorum, quae ad consensum vestrum sunt scripta, vestra quoque subscriptione fir- metis?) worauf dıe Bischöfe antworten: Universi dixerunt: Et consensisse nos, coneilii huius scripta testantur, et subscriptione nostra consensus declarabitur noster. Et subscripserunt. Dass auch dabei nicht an einfache Namensunterschrift zu denken ist, zei- gen die nachfolgenden Ooncilien, zunächst das von Hippona von 393 #). Hier heisst es actenmässig am Schlusse der einzelnen Beschlüsse: Et alıa manu. Darauf kommen zuerst zwei speciell gefasste Unterschriften : 1) Der Koptische Text hat: ita eredit’ ete., der syrische: ‘for we thus believe’. 2) Canones apostolorum et coneiliorum, ed. Theod. Bruns. 1, 105. 3) Bruns, il. ec. 1, 26 7: 2) Bruns, lc, 182. Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 77 Aurelius episcopus ecclesiae Carthaginiensis his placitis a nobis omnibus confirmatis — relectis et agnitis sub- seripsi. Mizonius episc. placitis superius comprehensis — sub- notavi. Dann die andern einfach: Vietorianus ep. plebis Mascilianensis subscripsi. ebenso 4 andere und zum Schluss: Hoc modo et omnes subscripserunt, qui huie concilio interfuerunt. Vier Jahre später lautet der Schluss des dritten Carthagischen Coneils von 397 1): Universi episcopi dixerunt: "Omnibus haec placuerunt, et haee nostra subscriptione firmamus'. darauf Kommen die Protokollworte: Et subseripserunt: und dann die Unterschriften selber, zuerst: Aurelius episcopus ecclesiae Öarthaginiensis huic decreto con- sensi et relecto subscripsi dann: Epigonius episcopus Bullensis subscripsi. Augustinus ep. plebis Hipponae subscripsi. zum Schluss: Similiter et omnes episcopi quadraginta quatuor numero subseripserunt. Von da an werden solche Unterschriften allgemeine Sitte bei allen Con- eilien, auch finden sich später die Unterschriften sämmtlicher Bischöfe im Originale erhalten ?). SieBiruns.l.cH 1,0134. 2) Bei der Vorlesung dieses Abschnittes der Abhandlung in der Akademie wurde PD‘ ve “- 78 - Bruns: ; 3 IN. Die Subscriptionen der Kaiser. Diese schliessen sich zunächst einfach an die der Beamten an, da die Kaiser ja anfangs eigentlich nur Beamte waren. Indessen scheinen sie doch hier bald eine grössere und selbständige Bedeutung erlangt zu von Hrn. Mommsen die Frage aufgeworfen, ob die Massen-Unterschriften bei den Syn- oden nicht vielleicht aus den römischen Senatsprotokollen herstammten und dort durch die s. g. "acelamationes’ veranlasst seien; bei diesen sei meistens angegeben, wie viele Senatoren sie ausgerufen hätten, so z. B. in dem Senatsprotokolle über den Cod. Theod., und es sei wohl wahrscheinlich, dass dieses immer durch die Unterschriften der einzelnen bestätigt wäre. Ich glaube das nicht. Die Acclamationen waren von jeher üblich im Senat. Brissonius (de form. 2, 66) hat eine Menge derselben zusammengestellt, schon von Trajan an (s. auch die or. Claudii bei Haub. mon. p. 190 v. 60—62). Dabei findet sich auch schon von Valerius Claudius (268—270) an die Angabe von Zahlen, z. B.: „Au- guste Claudi, dii te servent!’ Dietum sexagies. "Claudi, prineipem te semper optavi- mus’. Dietum quadragies. "Claudi, tu nos libera’. Dietum septies.“ u. s. w. (Pollio, Claud. c. 4.) Dass dieses aber auf die Form der Protokolle einen Einfluss gehabt und namentlich ihre bisher nieht übliche Unterschreibung durch die betreffenden einzelnen Se- natoren herbeigeführt habe, ist nirgend angedeutet. Auch wäre es bei der Masse der einzelnen Acclamationen kaum durchzuführen gewesen. In den gesta über den Cod. Theod. kommen nicht weniger als 43 verschiedene Acelamationen, und dabei wechselt die Zahl der Accla- manten von 8 bis 28. Und nun erst der Inhalt! In den genannten gesta bilden folgende Acelamationen den Anfang: „Augusti Augustorum! Maximi Augustorum! (Dietum VIII.) Deus vos nobis servet! (Dietum XXVII.) Multis annis imperetis! (Dietum XXII.) Per vos arma, per vos iura! (Dietum X.)* und in diesem Style folgen 40 weitere. Ich sollte meinen, dass selbst diese Senatoren es nicht für nöthig gehalten haben, solche Ausrufun- gen besonders zu unterschreiben. Da hatten die Bischöfe doch mehr Anlass, einzeln ihre Rechtgläubigkeit zu documentiren, und jedem Scheine der Ketzerei vorzubeugen. Übrigens kommen die Acclamationen, und zwar auch mit den Zahlen, auch in den Concilien vor, be- sonders in den römischen von 465 und 499 (Bruns, ]. c. 2, 232—290). Hier ist es nicht der servile sondern der fromme Eifer, wenn die Bischöfe rufen: „Christe exaudi, Hilaro vita! (Dietum VI.) Haee confirmamus, haee docemus! (D. VIII.) Haec tenenda, haec servan- da sunt! (D. V.) Ista per S. Petrum in perpetuum serventur! (D. VIII.) Scandala ut amputentur rogamus! (D. IX.)“ u. s. w. Dass diese Acelamationen aber mit den Sub- seriptionen in Verbindung gestanden hätten, ist nirgend angedeutet. Bei dem zweiten obigen Coneile sind einfach 72 Theilnehmer, „et subseripserunt episcopi numero LXXII*. . Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 79 haben. So findet sich schon bei Caligula und Nero die kaiserliche Unterschrift als Erforderniss für Hinrichtungen: 3 Sueton. Caligula. 29. Decimo quoque die numerum puniendorum ex custodia subscribens, 'rationem se purgare dicebat. Suet. Nero. 10. Quum de supplicio cuiusdam capite damnati, ut ex more subscriberet, admoneretur, ete. Worin die Unterschriften hier bestanden, wissen wir freilich nicht. Später finden sie sich in allgemeinerer Bedeutung, so: Sutet 20rtho. 7: Nee quiequam prius pro potestate subscripsit, quam etc. Lamprid. Commodus. 13. Commodus in subseribendo tardus et negligens, ita ut li- bellis una forma multis subscriberet, in epistolis autem plurimis “Vale” tantum scriberet. Vopiseus, Carinus. 16. Fastidium subseribendi tantum habuit (Carinus), ut im- purum quendam, cum quo semper meridie iocabatur, ad subseribendum poneret; quem obiurgabat plerumque, quod bene suam imitäretur manum. In der späteren Zeit finden sich sogar allgemeine gesetzliche Bestimmun- gen über die Unterschriften; so zuerst in einem Rescripte Diocletians vom J. 2921): Sancimus, ut authentica ipsa et originalia rescripta, et no- stra manu subscripta, insinuentur. und dann wieder von Leo von 470°): REM ,- 38173. am. CT 2: © or} TE, s0 Bruns: ea tantummodo fas sit proferri et diei rescripta in quibus- cunque iudiciis, quae in chartis sive membranis subnotatio nostrae subscriptionis impresserit. Darauf beruht es auch wohl, dass von Diocletian an bei der Datums- unterschrift der Öonstitutionen vielfach statt des sonst gewöhnlichen „data“ oder „seripta“ oder „proposita“, der Ausdruck „subscripta‘‘ vorkommt t). Um so auffallender scheint es, dass in allen den tausenden von Rescripten, die in den grossen Sammlungen auf uns gekommen sind, auch den mehr als 1200 von Diocletian, sich in keinem einzigen eine andere Unterschrift findet, als die von Zeit und Ort des Rescriptes; denn dass darin nicht die vom Kaiser selbst eigenhändig geschriebene Unterschrift gesehen werden kann, ist ausser Zweifel. Früher hat man daher allge- mein angenommen, dass hinter dem Datum stets noch die Namensunter- schrift des Kaisers gestanden habe, später aber überall einfach weggelassen sei. Man hat daraus sogar, in Verbindung mit der Bestimmung Justinians in Nov. 114, dass auch der quaestor stets die kaiserlichen Gesetze unter- schreiben müsse, das moderne Erforderniss der Unterschrift des Regenten mit Oontrasignatur des Ministers abgeleitet?). Zur Bestätigung berief man sich auf einige Byzantinische Schriftsteller, Manasses und Niketas, die allerdings die Namensunterschrift für ihre Zeit bezeugen ?). Allein diese sind erst aus dem 12. Jahrhunderte, und es wird sich unten zeigen, dass im 9. oder 10. Jahrhundert in Byzanz allerdings die kaiserliche Namens- unterschrift üblich geworden ist. Für die alte römische Zeit folgt daraus gar nichts, vielmehr ergiebt sich für diese folgendes: Alle kaiserlichen Öonstitutionen, namentlich die bis Diocletian, hat- ten die Form von Briefen an Privatpersonen oder Beamte. Daraus folgte von selbst, dass sie auch in der Über- und Unterschrift die Form der Briefe, wie wir sie aus Cicero und Plinius kennen, befolgten. Die Über- schrift bestand ım Namen des Kaisers und des Addressaten, die Unter- 1) Vat. fr. 34. 42. 43. 270. Coll. 10, 3—6. Cod. Herm. 6, 1; 13, 14. 5 A A Se 2) Z. B. Mühlenbruch, Pandekten $ 35 Städelscher Erbfall. S. 224, 3) Brissonius, de form. 3, 79. Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. sı schrift in Datum und Ort und einer der schon oben S. 28 besprochenen Grussformeln, vale, opto te valere u. dgl. Nur diese letzteren wurden, wie oft von Privatleuten, so auch vom Kaiser eigenhändig geschrieben, und nur darin bestand die erforderliche kaiserliche subseriptio. Eben darum wurde dieselbe bei Abschriften und Sammlungen einfach wegge- lassen, weil sie sachlich völlig bedeutungslos war, wie es ja vielfach auch in den Briefen von Cicero und Plinius geschehen ist. Nur ausnahms- weise sind sie aus früherer und späterer Zeit erhalten. Aus älterer Zeit in 2 Rescripten von Vespasian und Domitian, die durch Erzinschriften überliefert sind!). Beide sind an Decurionen-Senate gerichtet und schliessen mit dem einfachen „Valete“. In dem oben erwähnten inschriftlichen Re- scripte von Antoninus Pius steht das ‘Vale’ nicht, sondern statt dessen „Rescripsi“. Ob dies singulär war, oder auf allgemeinerer Sitte beruhte, lässt sich nicht entscheiden. Vielleicht wurden so kurze Reseripte, wie das dortige, vom Kaiser nur mit einem einfachen R(escripsi) unterschrieben. Aus der späteren Zeit finden sich die Grussformeln bei grösseren Rescripten oder Gesetzen vollständiger. Bei den in die grossen Codices von Theodos und Justinian aufgenommenen sind sie zwar überall ge- strichen, da ja bei diesen überhaupt alles überflüssige weggelassen werden sollte. Dagegen sind sie in den Novellen zu beiden und dann namentlich bei kirchlichen Schriftstellern ?) so vielfach erhalten, dass man die Allge- meinheit der Anwendung ganz unzweifelhaft daraus entnehmen kann. Sie wurden in den Abschriften entweder mit den Worten eingeleitet: „Et manu divina“ 3), oder „Et alia manu“ *), oder „Divina subseriptio“ 5), oder „Subseriptio imperialis“ 6), oder „Et adıecta subscriptio“ 7); in Justinians griechischen Gesetzen wurden sie einfach mit den dabei stets festgehaltenen 1) Fontes, p. 174. 175. *) Diese findet man am bequemsten bei Haenel, corpus legum. 3) Nov. Valent. 1,3; 9,1; 14,1; 16, 1; 19,1. Maior. 1, 1. Honor. bei Haenel 237. Glyeerius, 260. *#) Honorius bei Haenel 239. C.I. 1,1,8. 5) Nov. Just. 42. 6) Nov. Justini et Tiberii. 3. 4. (Hinter Justinians Nov. unter dem Titel: Aliae eonstit. etc.) 7) Constantius bei Haenel, 241. Philos.-histor. Kl. 1876. 1a 82 Bruns: lateinischen Worten dem griechischen Texte beigefügt!). Die Grussformel lautet zum Theil und selbst noch nach Justinian einfach: “Vale” nebst einer Anrede entweder durch den Namen oder den Titel ‘parens carissime, amantissime, desideratissime, iucundissime’, bei Bischöfen 'religiosissime pater’ ?); sonst aber meistens mit christlicher Wendung: Divinitas (oder divinitas summi dei) te servet per multos annos ®). oder: Deus vos eustodiat *) per multos annos. oder: Divina te providentia servet multis temporibus. oder: Incolumem te deus omnipotens diutissime servet°). und ähnlichen Phrasen. Bei Gesetzen, die an den Senat gerichtet wur- den, heisst es: { ÖOptamus, vos felieissimos ac florentissimos nostrique aman- tissimos per multos annos bene valere, sanctissimi ordinis patres conseripti ®). Bei Gesetzen mit der Überschrift: „Populo Romano“ oder „Constantino- politanis‘ lautet die subseriptio: Proponatur amantissimo nostro populo Romano”), oder: Oon- stantinopolitanis ceivibus nostris ®). Ganz ähnliche Subseriptionen waren auch bei den Eingaben und Schreiben der Beamten oder Privaten an den Kaiser selber üblich. So steht im Justin. Codex ein merkwürdiges Schreiben des Papstes Johannes ]I an 1) Nov. Just. 7. 13. 69. 121. 141. 2) So Haenel 189. 190. 237. 241. Const. Justini. 3. 3) Dies ist das alte eurugeiv woAAots Eresw. Vel. oben S. 69. 4) Auch griechisch: ‘O Seos oe dtapuraEor, aderpE ayarıre. Haenel, 201. 5) Ausser den oben eitirten Stellen s. Haenel p. 189. 190. 191. 199. 200—202. 237. 239. 241. 251. 252. 254. 260. 6) Nov. Valent. 1, 3. Maior. 1,1. 7) Nov. Valent. 9, 1; 14, 1. Einfach ‘Proponatur’ bei einem Ediete von Con- stantin gegen die Ketzer. Haenel, 203. Vgl. oben S. 70. 8) Nov. Just. 13. 69. 141. Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 83 den Kaiser Justinian vom J. 534, (ein bezeichnendes Beispiel des sal- bungsvollen Servilismus der Kirche gegen den Staat, wenn er ihre Into- leranz begünstigt,) worin es am Schlusse zuerst heisst: Et alıa manu: Gratia domini nostri Ihesu Christi et caritas dei patris et communicatio spiritus sancti sit semper vobis- cum, piissime fili. und darauf: Item subscriptio: Omnipotens deus regnum et salutem vestram perpetua protectione custodiat, gloriosissime et ele- mentissime fili imperator Auguste. Dass dieses nicht blos fromme Phrasen der Bischöfe waren, sondern dass ihnen ähnliche Formen der alten Zeit zu Grunde lagen, wie in den Schrei- ben der Kaiser selbst, zeigt eine oft missverstandene Stelle von Sueton über Tiberius: Sueton. Tiber. 32. Quum Rhodiorum magistratus, quod litteras publicas sine subscriptione ad se dederant, evocasset, ne verbo qui- dem insectatus ac tantummodo iussos subscribere re- misit. Ernesti hat auch hier die subscriptio als Namensunterschrift auffassen wollen, allein bei Dio Cassius (57, 11), der dieselbe Geschichte erzählt, sieht man deutlich, dass darunter auch hier nur der oben besprochene Glückwunsch gemeint ist, wenn er sagt: — oüy, Umeygaav rn EmioroAg Touro N To vouilousvov (usita- tum) euxes auro Faovnevan. Von einer Namensunterschrift findet sich in allen den genannten Stellen keine Spur. Ihre Weglassung kann man bei der sonstigen voll- ständigen Erhaltung der Unterschriften nicht annehmen, vielmehr liest in ihrem Mangel der deutliche Beweis, dass sie eben überhaupt noch nicht üblich war. Später ist sie allerdings eingeführt, doch sind, bevor dar- auf eingegangen wird, zuvor noch ein Paar anderweitige Arten von Sub- scriptionen der Kaiser hervorzuheben. a. Die Verfügungen und Entscheidungen, die die Kaiser bei An- fragen oder Gesuchen gleich unter die Eingabe entweder selbst schrieben L1* 54 Bruns: oder schreiben liessen. In diesem Sinn heisst es in L. 1 $ 1 de const. prine.: Quodeunque imperator per epistulam et subscriptionem statuit, — legem esse constat. ebenso Inst. 2, 12 pr.: subsceriptione D. Hadrianı — veteranis concessum est. Gaj. 1, 94. idque subsceriptione D. Hadrianıi significatur. 0. las propter subscriptionem patris mei (Severi), qua signifi- cavit, etc. D. 4, 8, 39, 14. libello euiusdam querentis imp. Antoninus subseripsit, posse eum etc. Auf diese Subseriptionen ist auch wohl die Stelle von Capit. M. Aur. 15 zu beziehen, worin er sagt: Fuit consuetudo Marco, ut in eircensium spectaculo legeret . audiretque ac subsecriberet. b. Die Unterschrift der Quästoren. Justinian bestimmte in Nov. 114 vom J. 541: nullam divinam iussionem — a quolibet suscipi cogni- tore, cul magnifici viri quaestoris annotatio- subiecta non fuerit, qua contineatur, inter quos et ad quem iudicem, vel per quam fuerit directa personam, etc. Eine vollständige derartige ‘annotatio subieeta' ist uns nirgend überliefert. Dagegen stehen in den beiden schon oben citirten Gesetzen von Justi- nians Nachfolgern Justinus und Tiberius hinter der subscriptio im- perialis die Worte: Et quaestor: Legi. Schon früher findet sich auch in der griechischen Nov. 105 vom J. 536 im Epilogus das lateinische Wort „Legi“ ohne Zusatz, und ebenso in der griechischen Nov. 22 vom J. 536 fünfmal hinter der Anführung von Beam- ten, denen ein Exemplar des Gesetzes zugefertigt war, ein „Legi“, jedoch nicht hinter allen. Dem entsprechend steht auch schon in 2 Theodosischen 2. Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 85 Novellen!) am Schlusse das Wort „Subseripsi“ ohne weiteren Zusatz. Man wird auch dieses auf den Quästor beziehen und überhaupt annehmen dürfen, dass auch schon vor der Nov. 114 eine derartige Unterschrift mit Legi oder Subseripsi vom Quästor oder einem ähnlichen Beamten üblich war. Es ist nunmehr noch die Einführung der Namensunterschrift bei den byzantinischen Kaisern zu besprechen. Sie lässt sich zwar nicht mehr genau nachweisen, aber doch annähernd. Im 7. Jahrhundert blieb vollständig die alte Briefform der Gesetze. In Gesetzen von Heraklius von den Jahren 612, 619 und 629 findet sich noch das alte „Divinitas te servet“ etc. und das „Legi“ des Quästor!). Im 8. Jahrhundert fing man aber an, die Brieffiorm der Gesetze aufzugeben, und damit fiel denn die alte Grussformel von selber weg. Das erste Beispiel ist das Publi- kationsgesetz zur ’ExAoyn ray vouwv von Leo d. Isaurier von 740°). Hier wird die auch schon von Heraklius angewendete Anrufung der Heiligen Dreieinigkeit einfach mit dem Kaisernamen in der Überschrift verbunden: "Ev övonarı ToD Targös zal roU ÜcÜ nal To) Gyiou FVeunaros Aswv zal Kuvoravrivos Barıras — Eine Unterschrift ist dabei gar nicht. Ebenso ist es in einem Gesetze der Kaiserin Irene zwischen 797 und 802: ’Ev övouarı etc. Eionvn mırros (arıreus. Im rgoxsigos vous von Basilius, Constantin und Leo von 878 wird nur noch Christus angerufen #), in der ’Eravaywyn rwv vouwv von Basilius, Leo und Alexander von 885 ist gar keine Anrufung mehr), ebenso in der Publikation der Basiliken und der Novellen Leo’s®). Später kommt sie nur noch ganz vereinzelt vor”). Die Novellen Leo’s haben auffallen- der Weise meistens wieder die alte Briefform, sie sind entweder an den SE Noy. Valent. 19.102082: ) Zachariae, ius graeco rom. 3, 38. 40, 48. 3) Zachariae, d wgoyxeıgos vonos. praef. XXIV. 4) Zachariae, ö zgoyx, vonos. pP. 3. 5) Zachariae, ö #g0%. vonos, praef. p. LXVII. 6) Zachariae, ius graeco rom. 3, 65. ?) Z. B. in der ersten Nov. von Leo (Zach. 3, 67) und einem Gesetze von Ba- silius von 992. (Zach. 5, 304.) 86 Bruns: Patriarchen von Öonstantinopel Stephanos gerichtet, oder, und zwar zum grössten Theile: SruAavs, O9 regbavesraru uayiorew av Seluv &b- dıziav Auwv. Unterschriften finden sich dabei aber wenigstens in den er- haltenen Handschriften nicht. Leo starb 911. Schon ım Jahre 924 findet sich nun auf einmal in einem Gesetze vom Kaiser Romanus sen. die volle Namensunterschrift, und zwar ganz in der Form, die von da an ziemlich buchstäblich beibehalten ist bis zu dem letzten byzantinischen Gesetze, welches wir kennen, was nur 2 Jahre vor der Eroberung Con- stantinopels durch die Türken erlassen ist, nämlich im J. 1451. Die Form war, ähnlich wie bei uns, volle Namensunterschrift mit beigefügtem Siegel. Das Siegel war bei wichtigen Sachen von Gold und mit seidner Schnur befestigt, und hiess o®gayis oder noch häufiger nach dem lateini- schen bulla BeVArev, und das Gesetz danach XgureßcvAros Acyos. Bei min- der wichtigen Sachen wurden auch Wachssiegel angewendet. (dia ungou abgayıs, ungoßdeuAdcs Aoyos.) 1). Eingeleitet ist die Unterschrift in dem Gesetze von Romanus mit den Worten ?): Eis yoiv uovinev 'naı Amvery Ay andarsıav Tovrou Eyevero Ö maguv yeuroßßouAdos Aoyos 75 eürslous Aumv Bacıreias 3) — dann kommt das Datum: dmorudecis Kara va deugouagiov 715 Zvioraneıns ı@ ivdirrıwvos rob Erous nur #), darauf die Angabe der Unterschrift vw za 70 MIETEDOV eureles zal SeompolßAnrov ÜFETYUNVaTO a D) und nun ganz für sich die volle Namensunterschrift: Punavos dv ygirw ru Sen mirros Macıreis zai aurongerwp pw- Katwv. Die Form scheint von da an stets beibehalten zu sein, nur mit unwesent- 1) Mortreuil, histoire du droit byzant. 3, 127. 2) Zachariae, ius gr. rom. tom. Ill. praef. XXXI. 3) ij. e. ad constantem et perpetuam securitatem huius facta est praesens auro- bullata lex nostri imperii. 4) ji. e. datum mense Februario instantis indietionis XIl, anni 6432. 5) i. e. in quo etiam sancta et divina nostra maiestas subseripsit. Zn Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 87 lichen Änderungen. Sie ist zwar nicht bei allen Gesetzen mit überliefert, aber doch bei vielen, so z. B. auch in lateinischen Gesetzen oder Ver- trägen für die Venetianer vom Ende des 12. Jahrhunderts, vom Kaiser Isaak Angelus von 11871): Super hoc et presens chrysobulum verbum imperii nostri eis collatum est, factum mense Februario presentis quintae indietionis sexmilesimi sexcentesimi nonagesimi quinti anni, in quo et nostrum pium et a deo promotum subsignavit Imperium. Ysachius in Christo deo fidelis imperator et moderator Romanorum Angelus. Und ebenso in dem oben genannten Gesetze vom J. 1451): \ > \ x ! M a \ > E] [4 \ nal EIS TYV MEgL TOUTOU Awow?) za Erbarsıav EyEvero mgos E ’ ee nm > auto nal ö maguv WauroßouAros Aoyos TYS Barıreias uou, amo- Er ! 27 n ! > 27 AuSsis nara wnva ”Iovvıov TYs vüv FEEX,eUEAS ivdirrınvos TeTTaga ’ LK, m m ” ’ naderarns TOD EEanısylÄoTToV EVVaHoTIoTTou MEVTNKOTTOD Evvarou E7 E Id \ I} @: Varta / e I Erous, Ev W TO MMeregov EugeDss Kal Seomgoß@Anrov ÜmETNAAVaTO I ngeros. Kwvoravrivos &v Xalorw rw JEW \ \ I e G mırros Qarıreus nal aurongarwp pwuaımv 6 HeAaıoroyos. Wie sie übrigens anfangs zuerst entstanden ist, lässt sich nicht mehr nachweisen. Wahrscheinlich ist sie vom Oceident herüber gekom- men. Denn bei den fränkischen Königen findet sich die Namensunter- schrift schon sehr früh, jedenfalls bei den Merovingern des 6. und 7. Jahr- hunderts, wie das schon von Mabillon #) nachgewiesen ist, und neuer- dings vollständiger und genauer von Sickel°), der besonders hervorhebt: „Die Merovingerfürsten scheinen alle schreiben gelernt zu haben, wenigstens 1) Zachariae, ius gr. rom. 4, 535. 2) Zachariae, ius gr. rom. 4, 717. ®) „Dess zur Urkund“, wie es in den deutschen Reichsgesetzen hiess. *#) Mabillon, de re diplomation. 2, 10. °) Lehre v. d. Urkunden der ersten Karolinger. $ 63. 70. 98. 88 Bruns: finden wir die Mehrzahl ihrer Originaldiplome von ihnen eigenhändig mit einer längeren Formel unterfertigt“. Einzelne Facsimiles ihrer Namens- unterschriften giebt Mabillon. Auch die Monogramme, die sich bei den oceidentalischen Königen als Unterschriften finden, sind von den römischen Kaisern nie dazu ver- wendet. Sie finden sich zwar in der christlichen Zeit, aber nur auf Münzen und Fahnen !). V. Die Subscriptionen in den Testamenten. Bei den Testamenten ist das Princip der Namensunterschrift am frühesten und vollständigsten in Rom zur Ausbildung gekommen, aber doch auch noch nicht in der Weise wıe bei uns. Im alten Rechte war von einer Unterschrift bei Testamenten überhaupt noch gar keine Rede. In den Institutionen wird es zweimal besonders hervorgehoben, dass die Unterschriften im Testamente erst durch die kaiserlichen Constitutionen eingeführt seien; zuerst heisst es (2, 10, 3) von den Zeugen: septem testibus adhibitis et subseriptione testium, quod ex constitutionibus inventum est, und dann von Testirer und Zeugen: subscriptiones testatoris et testium ex sacrarıum con- stitutionum observatione adhibeantur. Zweifelhaft kann danach nur sein, wann und wie sie eingeführt sind. Man nahm früher allgemein an, es sei schon in der früheren Kaiserzeit ge- schehen, weil es in einer Pandektenstelle von Ulpian heisst ?): Si quis ex testibus nomen suum non adscripserit, verum- tamen signaverit, — et si adscripserit se, non tamen signaverit, etc. und in einer von Paulus?°): 1) Mabillon, de re dipl. 2, 10. 2) D. 28, 1,22, 4. 2)ED. 2841,30: AL a ER ER a a FR BI EN 2 LTD N: a Ag \ a} ’ Te a "Kr r R un . r + Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. s9 — testes — proprio chirographo adnotare convenit, quis et cuius testamentum signaverit. Man verstand dieses "adscribere und "adnotare für subseribere, weil man glaubte, dass die römischen Testamente wie die heutigen untersiegelt seien. Seitdem nun aber durch die Ravennatischen Papyrus-Urkunden so wie durch die Siebenbürger und Pompejaner Wachstafeln klar gestellt ist, dass die Testamente nicht unter- sondern nur zugesiegelt wurden und dass die Namen der Zeugen neben die Siegel geschrieben wurden !), kann. kein Zweifel mehr sein, dass das adseribere und adnotare in den obigen Stellen nur von diesem Beischreiben des Namens verstanden werden darf. Nun wäre freilich eine Unterschrift des Testirers selber im Testamente daneben immer noch möglich, indess liegt ein Beweis gegen das Erfor- derniss der Unterschrift in jener Zeit zunächst schon darin, dass Gajus bei der Beschreibung der Testamentsformen weder beim eivilen noch beim prätorischen Testamente ein Wort von einer Unterschrift sagt?), was, wenn sie wirklich rechtlich nothwendig gewesen wäre, eine ganz unerklär- liche Auslassung enthalten würde. Dazu kommt folgendes. Die Unter- schrift hätte, wenn sie von den Zeugen bezeugt werden sollte, natürlich auch vor ihnen vorgenommen werden müssen. Ein solcher Act des Un- terschreibens passt aber durchaus nicht zu der alten civilen Testaments- form mit mancipatio und nuncupatio. Gajus stellt den Verlauf der Testamentserrichtung so dar: Qui facit testamentum, adhibitis, siecut in ceteris mancipa- tionibus, V testibus, — mancipat familiam suam, — deinde tabulas tenens ita dieit: Haec ita uti — seripta sunt, — ita testor, Itaque vos — testimonium mihi perhibetote. Das letztere ist die s. g. nuncupatio, und dazu fügt er hinzu: Sane quae testator specialiter in tabulis scripserit, ea vide- tur generali sermone nominare et confirmiare. Wann hätte nun die Unterschreibung stattfinden sollen? Sie hätte doch natürlich vorausgesetzt, dass der Testirer die Tafeln vorher vor den 1) Marini, papiri diplom. p. 257—6l. Savigny, Gesch. des röm. Rechts. 2 189—95. Spangenberg, im Archiv f. d. eiv. Prax. 5, 144—76. 2) Gai. 2, 104. 114—19. 125. 147. Philos.-histor. Kl. 1876. 12 ’ 90 Bruns: Zeugen für sein Testament erklärt hätte, da diese ja gleich nach ihm auch hätten siegeln und unterschreiben müssen. Aber eben diese Erklä- rung bildete ja grade erst den Inhalt der nuncupatio. Eben so wenig aber konnte die Unterschreibung nach der Nuncupation geschehen, da Gajus mit der Nuncupation den Testiraet zu Ende sein lässt, und diese als schliessliche ‘confirmatio' der Tafeln bezeichnet. Man müsste also gradezu eine doppelte Erklärung annehmen, wozu aber sonst nicht der seringste Anhalt ist. Beim prätorischen Testamente kann man ein Erforderniss der Un- terschrift eben so wenig annehmen, da der Prätor überhaupt an sich gar keine Form vorschrieb, sondern nichts weiter für die bonorum possessio forderte, als „tabulae obsignatae non minus multis signis, quam e lege oportet“, wie es in dem alten Ediete bei Cicero!) heisst. Hätte er dabei auch noch eine Unterschrift gefordert, so hätte er es ım Ediete sagen müssen; wäre sie aber erst später, jedoch noch vor Gajus, eingeführt, so hätte das Gajus nicht unerwähnt lassen können. Eine Bestätigung hierfür liest in der Fassung der Lex Cornelia de falsis, wie sie Paulus?) angiebt: qui testamentum falsum scripserit, recitaverit, subiecerit, signaverit, etc. Hier hätte das subscripserit vor signaverit nicht fehlen können, wenn es wirklich schon rechtliches Erforderniss gewesen wäre. Man kann das grade hier um so sicherer behaupten, weil später, als das Gesetz auch auf an- dere Urkunden, und auch solche bei denen Unterschriften üblich oder möglich waren, ausgedehnt war), das subseripserit ausdrücklich beige- fügt ist. Paulus sagt 5, 25, 5: (ui rationes, acta, libellos, album, testationes, cautiones, chirographa, epistolas — deleverit, mutaverit, subiecerit, subseripserit, Ein weiterer Beweis liest in dem Senatusconsulte, welches Sueton*) aus der Zeit von Nero anführt: 1) Verr. 2, 1, 45, 117. 2) NPaul.sent, 4, .(, 1500, 20, 1 D.48, 10,2. 3) Über diese Ausdehnungen vergl. Lex dei, 8, 7. 1—3. 4) Suet. Nero, 17. I Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 3 Cautum, ut in testamentis primae duae cerae, testatorum modo nomine inscripto, vacuae signaturis ostenderentur. Man hat dieses sehr verschieden gedeutet und neuerdings sogar für völlig unverständlich erklärt!). Seit der Auffindung der Wachstafeln ist aber eigentlich nur eine und zwar eine sehr einfache Erklärung möglich. Die „primae duae cerae“ sind einfach die beiden ersten inneren Wachs-Seiten, also die beiden Seiten, die bei den Triptychen die seriptura interior ent- halten. Auf diesen stand früher der Anfang des Testamentes, wie die bekannte Stelle von Horaz?) über die Erbschleicher zeigt: Qui testamentum tradet tibi cunque legendum, Abnuere et tabulas a te removere memento, Sie tamen, ut limis rapias, quid prima secundo Cera velit versu, solus multisne coheres, Veloci pereurre oculo. Nach dem SC. aber sollen sie weiter nichts mehr enthalten als den Namen des Testirers, im übrigen dagegen „vacuae“, d. h. leer, unbeschrie- ben, bleiben, dafür aber den Zeugen gezeigt werden. Der Grund liegt nahe. Die Zeugen müssen den Namen des Testirers sehen, da ja jeder nachher neben sein Siegel schreiben muss, “cuius testamentum signaverit’ 3), dagegen brauchen sie den übrigen Inhalt des Testamentes nicht zu er- fahren. Der Name des Testirers bildete nun bei Testamenten, wie über- haupt bei allen Urkunden der des Disponenten, stets den Anfang. Er stand noch vor den Namen der eingesetzten Erben, also ‘in prima cera pri- mo versu, diese kamen nach Horaz erst in „prima cera secundo versu.“ Dieser Anfang mit dem Namen findet sich in sämmtlichen römischen Testamenten, deren Anfang auf uns gekommen ist, so in zweien aus der Zeit von M. Aurel®), und ebenso noch in allen späteren, die in Span- genbergs tabulae negotiorum nro XI—XVIII aufgeführt sind. Demnach ist der Sinn des Senatusconsultes einfach der: der Anfang des Testamen- 1) Bachofen, ausgew. Lehren S. 281 n 88. 2), 8322, 5,51. 2»)2.D5285.1,,30. *) Das eine in 1.88 $17 de leg. II, das andere in einer spanischen Inschrift im C. I. L. 2, 604. n. 4514. > 93 Bruns: tes, der den Namen des Testirers enthält, soll von dem übrigen Inhalte getrennt und allein auf die beiden ersten Seiten geschrieben werden, da- mit er den Zeugen gezeigt werden kann, ohne dass sie dabei die Erb- einsetzungen und sonstigen Bestimmungen des Testamentes sehen und lesen können. Dass nun bei einer solchen Einrichtung der Testämente an eine Unterschrift des Testirers noch gar nicht gedacht werden konnte, ist wohl klar. Völlig verkehrt ist es daher, wenn Mühlenbruch!) das Senatusconsult so versteht: „der Testirer sollte die mit seiner eigen- händigen Namensunterschrift versehenen beiden ersten Tafeln den Zeugen vorzeigen und erkären, dass dies sein Testament sei, worauf er alsdann die Namen der Erben eintragen konnte.“ Hier ist jedes Wort ein Fehler. Indessen kannte Mühlenbruch die Wachstafeln noch nicht. Auffallender ist es, dass Huschke und Rudorff?) nach Kenntniss der Wachstafeln die Unterscheidungen von seriptura interior und exterior von den Tripty- chen der Verträge auf die Testamente übertragen, dabei von einer alten Sitte nicht nur der Unterschrift sondern sogar auch der Untersieglung, die nicht einmal später gewesen ist, sprechen, und beides auf die fami- liae venditio und sogar nuncupatio beziehen, u. s. w. Das ganze Senatus- consult über die interior und exterior seriptura bezieht sich nach der Darstellung bei Paulus nur auf die „publici privatique iuris contractus“, und gar nicht wie das andere von Sueton genannte auf die Testamente. In der That hat es ja auch nur bei Verträgen einen Sinn, eine offene Schrift zum Gebrauche und eine verschlossene zur Sicherung zu haben, dagegen wäre es beı Testamenten, deren Inhalt man ja stets möglichst geheim halten wollte, geradezu widersinnig, neben der verschlossenen Schrift noch eine offene herzustellen; und dass man auch gar nicht daran dachte, zeigen die primae duae cerae, die allein den Zeugen gezeigt wer- den sollten, ganz unwiderleglich. Weitere Bestätigungen der Annahme, dass im dritten und vierten Jahr- hunderte die Unterschrift des Testirers noch kein Erforderniss der Testa- mente war, sind folgende: 1) In der Fortsetzung von Glücks Pandektencommentar. 38, 406. ?) Huschke, Zeitschr. f. gesch. Rechtswiss. 12, 203—6. Rudorff, in Puch- ta’s Instit. 3, $ 306 not. m. Vgl. auch Bachofen, ausgew. Lehren. S, 296. ra N 7 97 ‘ \ Her Dr . , Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 93 1. Ulpian bespricht in 1. 11 D. 28,3 einen Fall, wo „tabulae sep- tem testium signis signatae* bei der Eröffnung vollständig leer, d.h. ohne alle Schrift!), befunden wurden. Daraus folgt, dass eine Unterschrift des Testirers vor den Zeugen weder innen noch aussen stattgefunden haben kann, da sie sonst hätte erwähnt sein müssen. 2. Paulus sagt in 1. 10 D. 28, 1, wer beide Hände verloren habe, und daher nicht schreiben könne, könne doch ein Testament machen. Dass ein anderer für ihn unterschreiben könne, fügt er nicht hinzu, offen- bar weil überhaupt keine Unterschrift nöthig war. Theodos bestimmt desshalb bei seiner Einführung der Unterschrift sofort ausdrücklich, dass wenn der Testirer nicht schreiben könne, ein "oetavus subseriptor pro eo’ zugezogen werden müsse. 3. Dem entsprechend findet sich in dem 'testamentum porcelli ?), d. h. jenem Schulwitze aus dem vierten Jahrhunderte von einem Schweine, welches seine eigenen Schinken, Würste u. s. w. verschiedenen Personen vermacht, zwar die Siegelung und die Namen der 7 Zeugen sehr voll- ständig, aber keine Unterschrift. Das Schwein selber erklärt zwar im Anfange: “quoniam manu mea scribere non potui, scribendum dictavi', allein auch von einer fremden Unterschrift ist keine Rede. Nach alle diesem kann die Nothwendigkeit der subcriptio in den Testamenten jedenfalls erst in der Zeit nach Paulus eingeführt sein. Savigny meint, es sei erst von Theodos II durch Nov. 16 (al. 9) vom J. 439 geschen, und allerdings ist in diesem Gesetze zum ersten Male von der subseriptio des Testirers selber die Rede, allein jedenfalls findet sich die subscriptio der Zeugen schon früher in einem Gesetze von Ar- cadıus und Honorius vom J. 396°), und dabei wird noch gesagt, es sei das keine neue Bestimmung, sondern nur eine weitere Ausführung der früheren Gesetze von Oonstantin und Theodos I über die Testa- mente. Demnach scheint überhaupt die Unterschrift der Zeugen früher eingeführt zu sein wie die des Testirers, und dieses entspricht auch der !) „vacuae inventae, i. e. nihil scriptum habentes.“ ?) Es steht in: Petronii satirae, ed. Buecheler (1371) p. 231. uBaulsar 1. DIASI1092 94 Bruns: Fassung der Institutionen, wo in der ersten Stelle nur die Zeugen, und erst in der zweiten die Zeugen mit dem Testirer genannt sind. Dies wird nun auch durch den weiteren Inhalt der beiden Gesetze bestätigt. In dem zweiten!) heisst es, früher hätten die Testirer die Testamentstafeln den Zeugen nur einfach gezeigt und sie zum Zeugniss dafür aufgefordert ?), jetzt aber verlangten die Zeugen immer auch den Inhalt zu erfahren ?); dadurch würden aber viele Menschen ganz abge- halten überhaupt zu testiren, und desshalb bestimme der Kaiser, wenn der Testirer den Inhalt des Testaments geheim halten wolle, so könne er „seripturam signatam vel Iigatam, vel tantum elausam involutamve pro- ferre, — eamque — testıbus — simul offerre signandam et subseriben- dam“, jedoch sei dann folgendes erforderlich: dum tamen testibus praesentibus testator suum esse testa- mentum dixerit, quod offertur, eique ipse coram testibus sua manu in reliqua parte testamenti subseripserit. Offenbar ist dies eine neue Bestimmung, die sich aber an das alte Recht einfach in folgender Weise anschliesst. Die alten Holztafeln waren zur Zeit des Gesetzes, im fünften Jahrhunderte, ausser Gebrauch gekom- men, sie werden in den neueren Gesetzen nirgend mehr genannt, man schrieb die Testamente jetzt auf Pergament oder Papier. Es ist daher sehr verkehrt, wenn Bachofen (8. 280) unter der 'reliqua pars testamenti in dem Gesetze den innern Raum der zweiten und dritten Tafel der Triptychen verstehen will. Vielmehr war mit dem Verschwinden der Tafeln auch die Neronische Bestimmung, dass auf den 'primae duae ce- rae der Name des Testirers stehen müsse, und nur dieser den Zeugen gezeigt würde, von selbst weggefallen, und eben darum wohl hatten die Zeugen nun in der Regel den ganzen Inhalt des Testamentes als Grund- lage für ihr Zeugniss zu wissen verlangt. Dies soll also keinenfalls nöthig sein, der Testirer kann ihnen das Testament versiegelt oder sonst ver- schlossen vorlegen, dafür muss er es aber nun nicht nur für sem Testa- 1) Nov. Theod. 16, 1. ?) “veteres testamenta scripta testibus offerebant, oblatarumque eis tabularum perhiberi testimonium postulabant‘. Vel. Gai. 2, 104. ?) testes exigunt omnimodo, quae testamento continentur agnoscere . Be a De a Re a 2 Unterschriften in den römıschen Rechtsurkunden. 95 / ment erklären, sondern es nun auch vor ihnen unterschreiben. Dieses unterschreiben ist also jetzt an die Stelle der alten Vorzeigung der 'pri- mae cerae, auf denen der Name stand, gesetzt. Es soll geschehen “in reliqua parte testamenti’, dieses kann, wenn man "seripturam signatam vel lisatam vel tantum clausam involutamve’ vorlest, nur die Aussen- seite bedeuten, indessen ist es an sich allgemein gesagt, und bedeutet jeden beliebigen Theil des Testamentes, daher kann der Testirer, wenn er das Testament nicht vorher verschliessen will, auch den inneren Raum dazu nehmen. Hiernach wird auch die Unterschrift der Zeugen klar. Sie stand ursprünglich mit dem Vorlesen des Testaments in Verbindung. Es war natürlich, dass wenn Jemand sein Testament den Zeugen vorgelesen hatte, er nun auch ihr Zeugniss für den Inhalt ganz unmittelbar darunter haben wollte; umgekehrt konnten wieder die Zeugen grade diese hre Unterschrift als Grund für die Nothwendigkeit des Vorlesens geltend machen. Dieses mag daher schon vor Constantin angefangen haben; eben darum steht aber auch die Unterschrift des Testirers damit in keiner Verbindung, war im Gegentheil bei der Vorlesung des ganzen Testaments noch weniger nöthig, als früher beim blossen Zeigen der „duae primae cerae.“ Wenn man bei uns trotz aller dieser Gründe doch gewöhnlich ‚an- genommen hat, dass die Unterschrift nicht nur der Zeugen sondern auch des Testirers schon eine alte allgemeine Sitte gewesen sei!), so beruht dieses wohl hauptsächlich auf einer Verwechselung der verschiedenarti- sen Subscriptionen, die in einem Testamente vorkommen können, näm- lich einerseits derer, die einen Theil des Inhalts des Testaments bilden können und daher vom Testirer privatim für sich unter das Testament geschrieben werden, und andererseits der neuen von Theodos eingeführ- ten Unterschrift, die einen Theil des äusseren Testiractes, d. h. der for- mellen Solennisation des Testamentes, bildet und daher vom Testirer vor den Zeugen geschrieben werden muss. Wenn man bedenkt, dass sub- scriptio überhaupt gar nicht Namensunterschrift ist, sondern alles bedeutet, was unter eine an sich fertige Urkunde geschrieben wird, so versteht sich von selbst, dass solche anderweitigen Subscriptionen von jeher mög- 6} )) 1) Bachofen, ausgew. Lehren. S. 293. 96 BRUNS: lich und auch je nach Umständen üblich waren. Dahin gehören na- mentlich: 1. Die Subscription des Datum. Dessen Beifügung war zwar nicht nöthig aber allgemein üblich.!) Es konnte aber wie bei den Ver- trägen in den Wachstafeln ebensogut im Anfange des Testaments stehen, als am Ende darunter geschrieben werden, letzteres z. B. im Testamente des Dasumius?) und in einem durch Inschrift erhaltenen Codicille vom J. 175°). In beiden Fällen steht der Name des Testirers nicht daneben. 2. Die Subscription, ob man das Testament selber geschrieben, oder ob man es dietirt und durch einen andern habe schreiben lassen, und durch wen; so im Testamente des Dasumius (122) und in denen des Augustus und Tiberius®). 3. Subscriptionen über Correcturen, Zusätze, Streichungen, Rasuren und dergl.°). 4. Subseriptionen nach dem SC. Libonianum, d.h. die danach nöthigen Bestätigungen der Erbeinsetzungen und Legate an den Schrei- ber des Testaments, die dieser selber beim Dictiren niedergeschrieben hat. Dabei wird eine specialis und generalis subseriptio unterschieden. Die erstere, die bei extranei nothwendig ist, wird so bezeichnet: „si spe- cialiter subseriptio facta est, ‘quod illı dietavi, et recognovi 6), oder noch genauer: „si specialiter subscriptione sua declaraverit dietasse servo alı- cuius, ut domino eius legatum ab heredibus suis daretur“ ?”). Bei den eigenen Kindern und Sklaven genügt eine generalis subscriptio, die so bezeichnet wird: „si modo manu sua testator testamento subscripserit“ 8). Gewöhnlich versteht man darunter wieder die allgemeine Namensunter- !) Glück, Comment. 54, 465 ff. 2) Fontes, p. 206. v. 123. 3) Or. 4359: “Seripsi XV Kal. April. Sirmii L. Calpurnio Pisone, P. Salvio Juliano (cos.). 4) Suet. Octav. 101. Tiber. 76. °5) D.28, 4, 1,1: “lituras, inductiones superductiones ipse feci'. Test. Dasumii v. 120. Sy D/AB,.10, 18, 2).:D)48, 10, 15,1. 8) D48, 10, 15,3. u I TI Dre ER Bert Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 97 schrift die zum Testiracte gehört!). Allein abgesehen davon, dass zur Zeit jener Stellen eine allgemeine Unterschrift noch gar nicht nöthig war, so würde sie ja keinenfalls, wenn sie allgemein zur Form der Testamente an sich gehört hätte, beim einzelnen Testamente ausnahmsweise eine so besondere Wirkung gehabt haben können. Auch unter der "generalis subscriptio verstand man immer nur eine eigentliche besondere Erklärung über das Dietiren, wie es in l. 14 D. de lege Cornelia heisst: „si tamen iussum ex subseriptione testatoris appareat;* man brauchte nur nicht speciell das betreffende Legat zu nennen, sondern nur das Dietat des ganzen Testamentes. Daher heisst es im 0. 9, 23, 2, wenn der Testirer „testamentum dietasse codicillis significarit“, so stehe das zwar der Erklärung im Testamente für die Gültigkeit des Legates nicht gleich, doch aber genüge es wenigstens zur Vermeidung der Strafe der lex Cor- nella. Man nahm diese Subscription aber sehr genau, und daher wurde bei ihrer Ausdehnung von Legaten auf Freilassungen der eigenen Sklaven stets eine specielle Erklärung gefordert: „si tamen accedat domini aucto- ritas subscribentis, se ea dietasse et recognovisse“?). Bachofen (S. 294 n. 121) will das ‘ea zwar so verstehen „scil. quae in testamento scripta sunt“, also als gener. subser., allein dass das ‘ea nur mit Rückbeziehung auf die vorgenannte Freilassung genommen werden kann, bestätigt auch die c.6 0.9, 23, wo eine Freilassung für ungültig erklärt wird, weil der Petent selber sage: „dominum non subscripsisse nee suis literis tuam libertatem expressim agnovisse“. Der Grund dafür wird in 1.22 89 angedeutet, nämlich dass ja die Freiheit dem Sklaven selber zufalle, Le- gate aber nur seinem Herrn. 5. Ein besonderer Fall von subscriptio ist noch der in 1.40 $ 3 de statuliberis (40, 7). Ein Sklave (ein ‘actor’) wird im Testamente un- ter der Bedingung freigelassen: „si rationem omnem actus sui heredi meo reddiderit.*“ Darauf wird gefragt: „an, si rationes, quas egit per multos annos sine subscriptione testatoris, heredi reddere paratus sit, liber fiat?“ Als Zweifelsgrund wird hinzugefügt: „cum propter gravem valetudinem tes- tator non potuerit rationibus subscribere, testamento tamen subscrip- !) Sintenis, Civilrecht, 3, 383 n. 13 und sogar Keller, Institutt. $. 362. SDEAS 1015: Philos.- histor. Kl. 1876. 13 98 Bruns: serit.“ Die Frage wird natürlich bejaht, aber man kann fragen, worin eigentlich der Zweifelsgrund liege? “Rationibus subseribere heisst: die Rechnungen genehmigen, dechargiren. Der Gedanken ist daher wohl folgender: der langjährige Mangel einer schriftlichen Decharge kann den Verdacht der Untreue erregen, wenn der Testirer schreiben konnte, und dies durch die Unterschreibung des Testamentes gezeigt hat; indessen fällt der Verdacht weg, wenn er vorher durch lange Krankheit am Schrei- ben verhindert war. Darum wird in der Antwort betont: 'sı ex fide ratio redderetur, liberum fore. Über Art und Inhalt des testamento subserib- ere ist aus der Stelle nichts zu ersehen, da alles Gewicht nur auf das Schreibenkönnen überhaupt gelegt ist. Wenn man diese verschiedenen alten Subscriptionen von der neuen Theodosischen Vorschrift gehörig trennt, so ist eigentlich der einzige Grund, der einen Zweifel erregen könnte, das Testament des Bischofes Gregor von Nazianz vom J. 3821). Dieses wäre nämlich; wenn es ächt ist, schon vor den beiden Gesetzen von Areadius und Theodosius errichtet, und doch stehen in ihm am Schlusse die Unterschriften, sowohl des Gregor selber, als seiner 7 Zeugen. Der erste schreibt am Ende des Testaments: Donyogıos EmITRomos — dvayvovs yv daIıranv nal gen Deis racı Tois Yeyganuevos Ereygaa xeıpl Eu, za inyyew aurn KErEUW zaı Bevrouaı ?). Die Zeugen unterschreiben: "AupiRnoyıos Emisnomes Seoderios u. 5. w. — Tagwv rn diaSmen®) ob, — Tonysgiov zai maganımdeis map auroü Ureygaa eıpl un *). Das Testament ist zuerst von Brissonius?) herausgegeben, “quemadmo- 1) Spangenberg, tab. neg. p. 71—79, doch giebt dieser fälschlich 289 an, was durch die Namen der Consuln widerlegt wird. ?) i. e. Gregorius episcopus — recognoseens testamentum et omnia probans quae seripta sunt, subscripsi manu mea, et vim obtinere iubeo et volo. 3) Der zweite schreibt: SterıSenzvo rw Tonyogiw. 4) i.e. Amphilochius episcopus, — qui interfui testamento Gregorii, rogatus ab eo subsceripsi manu mea. Bei den andern steht nur agwv za: r« 2£7. d. h. etcaetera. E Spangenberg hat dies völlig missverstanden. Er schreibt z& r« 2£e, hält dies für eine Abkürzung statt &ygaıba und ergänzt daher za ra Eygaba! 5) De formulis. VII, 1, 69. Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 99 dum in membranis sceriptum est, dann von Freherus!) ‘ex codice bi- bliothecae Palatinae, dann auf Autorität von Jac. Sirmond, der es „in duobus codicibus bibl. Vaticanae“ gefunden habe, von Baronius?). Bei Brisson stehen am Schlusse die Worte: Hereygaon Er TOD dpyETUmSU Tou Fuyrsinevov Ev N Erndnnie Nadıavlov, bei Baronius in lateinischer Über- setzung: „Joannes sanctissimae Nazianzi ecclesiae lector et notarius exem- plum divini testamenti, quod in sanctissima ecelesia mea reconditum est, saneti et illustris ae theologi Gregorii exseripsi et edidi.“ Die Ächtheit des Testamentes ist schon in 16ten Jahrhunderte bezweifelt ®), aber freilich ohne schlagende Gründe *). Ein Hauptgrund gegen die Ächtheit könnte grade in der Unterschrift des Testirers und der Zeugen, oder wenigstens des ersteren, gesehen werden, insofern beide erst durch die späteren Gesetze von 396 und 439 eingeführt sind, und darum für das Jahr 382 einen Anachronismus enthielten. Indessen kön- nen die Unterschriften der Zeugen weniger Bedenken machen, da sie durch das Gesetz von 396 nicht erst neu eingeführt, sondern, wie oben gezeigt ist, nur neu eingeschärft sind. Bedenklicher ist die Unterschrift des Testirers. Indessen ıst auch dabei zu beachten, dass die Unterschrift nicht so ist, wie sie später in Folge des Gesetzes von Theodos gemacht wurde, und wie wir sie in den erhaltenen Testamenten vom Ende des 5ten Jahrhunderts und der Justinianischen und späteren Zeit finden). Weil nämlich das Gesetz für die Testirer bestimmte: rogatis testibus — offerre signandum, — testibus praesen- tibus suum esse dixerit, coram testibus subseripserit — 1) In Leunel. iur. gr. rom. 2, 203. ?) Baronius, vita Greg. Naz. ce. 14. p. 104. SeRiimetulis., erit. 5a6r235622% Gothosr..ad GC. Ehr5, 351. #) Darum mit leichter Widerlegung von Baron. |. c. cap. 15. p. 108 u. Tille- mond, memoires A l’hist. eceles. 9, 503. 721. n. 49. 50. Man sieht namentlich keinen rechten Grund der Fälschung, der Inhalt ist zu unbedeutend. Nur die Zuwendungen an die Kirche von Nazianz könnten einen Verdacht erregen. Bedenklicher ist, dass das Testament griechisch ist, während die griechischen Testamente erst in dem Gesetze von 439 $ 8 erlaubt sind. Vgl. Gothofr. ad h. 1. 5) Wir haben diese theils aus den Ravennatischen Papyrus-Urkunden, theils aus andern Quellen. Sie stehen zusammen bei Spangenberg, tab. negot. p. 90—130. 15* 100 Bruns: so nahm man stets irgend eine darauf bezügliche Bemerkung entweder in den Eingang des Testaments oder in die subscriptio mit auf, so im Eingange !): ’ [eonrogavi eos,] qui signaturi sunt, — subseripsi, elaudi signarique praecipi, — sub eorum eonspectu — subseripsi — conrogatis testibus, suscripturus cum (coram?) testibus conrogatis, quia suscribere non potui, signum erucis — coram testi- bus impressi — In der Subseription ?) schreibt der Testirer: susseribsi et — testes ut susscriberent conrogavi — und die Zeugen: ipso presente et suscribente — testis suscripsi. oder im Eingange ?) sub die pr. Kal. Nov. — testamentum scripsi et testibus — tradıdımus subseribendum. und am Ende: relegi et suscripsi die et anno quo supra. und die Zeugen: rogante testatore testamentum hoe eonfirmavi die et anno quo supra. Solche Bemerkungen finden sich in dem Testamente des Gregor v. Naz. noch nicht. Er schreibt im Eingange nur: Tonyogıos — diedeunv av diaSyenv Med Faurm», und am Ende nur die oben angeführte Subscription. Diese ist aber eine einfache Subscription im Testamente selbst zur Bekräftigung desselben, wie sie ım Laufe des 4ten Jahrhunderts allmählig üblich geworden sein mochten, die aber noch nicht auf dem Principe des Gesetzes von 439 beruht. Wenigstens ist mit keinem Worte angedeutet, dass der Testirer sie jenem Gesetze gemäss in Gegenwart der Zeugen und mit einer Er- klärung an sie geschrieben habe. Auch die Worte wugwv diaSnay in den N Spang. p. 37.199. 103. 107.110: 2) Spang. p. 126. 127. SS panEı pn 13.120.012. Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 101 Unterschriften der Zeugen enthalten diese nicht. Solche innere Subserip- tionen finden sich selbst nach dem Gesetze von 439 noch, so in dem Testamente des Bischofes Perpetuus von Tours vom J. 4751). Von diesem ist die ganze äussere Form mit den Zeugenunterschriften ver- loren ?). Im Testamente selbst aber steht am Schlusse eine Subscription ähnlich der von Gregor: Testamentum hoc manu propria scriptum relegi et subseripsi ego Perpetuus, cal. Mai post cons. Leonis min. Aug. und darauf folgt noch ein Auftrag: Nlud tu, Dolenati frater, apud te depositum serva, et — Asıloni comiti — aperiendum et legendum tradas etc. Unter diesen Umständen stehen die Unterschriften des Gregorianischen Testaments mit der oben dargestellten Entwicklung der Testamentsformen offenbar nicht im Widerspruche und es kann, selbst wenn man seine Ächt- heit annimmt, kein Grund gegen die obigen Ausführungen daraus ent- nommen werden. Wie sich das nun aber auch verhalten mag, jedenfalls ist durch das Theodosische Gesetz von 439 das Erforderniss der Unterschrift des Testirers und der Zeugen allgemein eingeführt, und von da an geblieben. Doch ist dabei noch zweierlei hervorzuheben. 1. Unter den Unterschriften des Testirers wie der Zeugen wurden auch hier, wie sonst, nicht einfache Namensunterschriften verstanden, son- dern stets ein längerer oder kürzerer Satz, in welchem der Name das Sub- jeet und das subseripsi das Prädicat bildet. Dies zeigen ausser den beiden oben genannten Testamenten von 382 und 475 auch die beiden andern aus jener Zeit, aus den Jahren 571 und 572, auf uns gekommenen Testa- mente). In dem ersten unterschreiben die beiden Testirer: Aredius in Christo nomine peceator et presbyter testamen- tum nostrum scripsi relegı et subnotavi die et anno quo supra 1) Spangenberg, p. 80. 2) Es könnte aber auch ein test. holographum sein, weil diese damals nach nov. Valent. III (20, 2, 1) vom J. 446 gar keine Zeugen bedurften. ?) Spangenberg, tab. neg. p. 120. 127. ” 102 Bruns: Pelagia testamentum relegi et subscripsi die et anno quo supra. die Zeugen: Calpurnius, rogante domino meo Aredio et Pelagia, testamen- tum hoc confirmavi die et anno quo supra. In dem zweiten sind die Unterschriften noch weitläufiger. Sie beruhen hier auf einem Gesetze Justinians, welches besonders deutlich zeigt, wie man unter subscriptio untergeschriebene Sätze und nicht Namensunter- schrift verstand. Es ist das die später wieder aufgehobene Bestimmung in L. 28 C. 6, 23, wonach die Namen der Erben entweder vom Testirer oder von den Zeugen mit in der Unterschrift genannt werden sollen: Jubemus, omnimodo testatorem — nomen heredis vel here- dum in sua subscriptione — ponere, und nachher: — ipsi testes in suis subseriptionibus, cum testator haec non scripserit, sed nuncupaverit, eorum nomina sub- scribere non differant. Die Bestimmung ist zwar ım J. 544 durch Nov. 119 ce. 9 wieder aufge- hoben, doch findet sie sich in den Resten des schon oben genannten Ravennatischen Testaments vom J. 5721), von dem freilich fast nur die Zeugenunterschriften. erhalten sind, noch angewendet. Die Subseription lautet hier bei allen fast wörtlich gleich in barbarischem Latein: Theodosius — huie testamentum, rogatus a Mannane v. d. testatore, — ipso praesente et suscribente, atque ei testa- mentum relietum, per quo constituit heredem s(a)e(ro- sanct)am ecelesiam catholicam Ravennatem, testis suseripsi. 2. Neben der subseriptio kommt in den Ravennatischen Gerichts- protokollen bekanntlich noch eine superseriptio vor. Das Verhältniss der- selben zur subscriptio ist bereits durch Savigny?) und Spangenberg?) 1) Von Marini in der Vatican. Bibl. gefunden und zuerst herausgegeben in den pap. diplom. nro 75. p. 116. 2) Geschichte d. röm. R. im Mittelalter. 2, 189—193. 3) Im Arch. f. d. eiv. Praxis. 5, 144—176. Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 103 klar gestellt, doch mag sie der Vollständigkeit wegen hier auch noch kurz berührt werden. Es wird nämlich in den Eröffnungsprotokollen der Testa- mente von den betreffenden Beamten regelmässig zuerst gesagt: carta testamenti — testibus ostendatur, ut si signacula et superscriptiones suas recognoscunt, edicere non mo- rentur. darauf erklären die Zeugen: agnosco signaculum anulı mei et superscriptionem meam, sed et intrinsecus (oder infra) subscripsi. dann decretirt der Beamte: nunc carta testamenti resignetur, linum incidatur, aperiatur et per ordinem reeitetur. Et inciso lino ex officio recita- tum est. Von den Testamenten selber ist nun zwar in den Eröffnungsprotokollen immer nur der Anfang und daher nicht die Subscription aufgenommen. Indessen wird die 'subscriptio testium darin meistens so hervorgehoben, dass kaum ein Zweifel sein kann, dass die 'superscriptio etwas anderes ist als die 'subscriptio. Sie ist nach der Verbindung mit den 'signacula offen- bar nichts anderes, als die Aufschrift oder Nebenschrift, die die Zeugen auf der Aussenseite des Testaments neben die Siegel, womit sie das Testa- ment zugesiegelt haben, hinschrieben, also das was in den Pandekten !) „adseriptio“ oder „adnotatio* genannt ist, und wobei bemerkt ist: „pro- prio chirographio adnotare convenit, quis et cuius testamentum signaverit*. Bei den Verträgen schrieb man, wie die Wachstafeln zeigen, nur den Namen im Genitiv neben das Siegel, bei Testamenten schrieb man voll- ständiger, wie das oben genannte Testament des Mannanes zeigt: "Johan- nis v. str. testamentum Mannani signavi'. Eine solche adnotatio gehörte nicht zu der eigentlichen Testamentsform, sondern war ein Theil des Zu- siegelns, da man ja ohne eine solche Beischrift nachher gar nicht hätte wissen können, wer die Zeugen waren, die das Testament zugesiegelt hatten und die daher zur Eröffnung eitirt werden mussten. Eben darum erwähnen die oben besprochenen Gesetze diese adscriptio nirgend, viel- mehr heisst es in dem Theodosischen Gesetze gradezu: „finem testamenti DEE 98 1,29.3;,30, 104 "Bruns: subseriptiones et signacula testium esse decernimus“. Signa ohne Bei- | schrift des Signanten hatten für die Römer bei Urkunden gar keinen Sinn. Der Satz der Pandekten !): Si quis ex testibus nomen suum non adscripserit, verum- tamen signaverit, pro eo est, atque si adhibitus non fuisset. ist daher mit jenen späteren Gesetzen noch immer zu verbinden, und es ist sehr verfehlt, wenn Löhr?) aus der Nichterwähnung der superseriptio in den Gesetzen einen Grund gegen die ganze Unterscheidung von der subscriptio glaubte entnehmen zu können. Noch schwächer sind freilich seine anderen Gründe, und die ganze Frage kann daher gegenwärtig wohl als abgemacht angesehen werden °). VI Die Subseriptionen in den Verträgen. Bei den Verträgen und sonstigen Geschäften unter Lebenden muss die Untersuchung wieder von den Wachstafeln von Siebenbürgen und Pom- peji ausgehen, da in ihnen der unmittelbarste und sicherste Beweis der römischen Rechtsübung liegt. Sie sind zwar im allgemeinen schon oben besprochen und der Mangel jeglicher Namensunterschrift in ihnen ist grade zum Ausgange für die ganze Abhandlung benutzt, und insbesondere ist auch bei der Urkunde X ausgeführt, dass man in den darunter geschrie- benen Namen keine Unterschrift im rechtlichen Sinne sehen dürfe. In- dessen muss hier bei den Verträgen doch noch einmal specieller auf ihren Inhalt eingegangen werden, um den Vergleich mit den sonst noch in den römischen Quellen vorkommenden einzelnen Fällen und allgemei- neren Bestimmungen vollständiger und fester zu begründen. 1. Bei den Siebenbürger Wachstafeln ist zunächst hervorzu- heben, dass sie sämmtlich im Inhalte rein objectiv d. h. als Gegenstände DD 28,1..22,24. 2) Archiv f. d. civ, Praxis. 6, 328 f. ’») Vgl. Vangerow, Pandekten $ 445. (3, 145.) Windscheid, Pandekten. $ 541 n. 4. 2 Se >” 3 Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 105 von Zeugnissen gefasst sind, nicht als subjeetive Erklärungen, Geständ- nisse, Bekenntnisse u. dgl.: der Contractsabschluss, der Geldempfang, das Versprechen, die Verpflichtung ist stets als thatsächlicher Vorgang auf die betreffenden Contrahenten in der dritten Person gestellt, nie erschei- nen sie selber als redend oder schreibend und in der ersten Person spre- chend. So heisst es bei den Kaufeontraeten zum Eingange: Dasius B. emit mancipioque accepit puerum — de Bellico A., fide rogato Vibio L. dann von der Stipulation wegen Fehler und Eviction: Eum puerum — dari, fide rogavit Dasius B., fide promi- sit Bellicus A., fide sua esse iussit Vibius L. zuletzt beim Empfange des Kaufpreises: Proque eo puero — pretium accepisse et habere se dixit Bellieus A. ab Dasio B. Ähnlich beginnt der Societätsvertrag damit: Inter Cassium F. et Julium A. societas — ita convenit, ut quidquid in ea societate — lucrum damnumve aceiderit, aequis portionibus suseipere debebunt. ebenso werden die Beiträge und die weiteren Verflichtungen aufgeführt: In qua societate intulit Julius A. — quingentos, et Secun- dus — pro (Cassio) F.... und am Schlusse die Stipulation: Id dari fieri stipulatus est Cassius F., spopondit Julius A. Bei den Miethverträgen ist es insofern anders, als hier der Schreiber von sich in der ersten Person spricht: Flavius S. seripsi, rogatus a Memmio A., quia se litteras scire negavit, quod dixit, se locasse ete. der Contract selber ist dann aber auch wieder ganz auf die dritte Per- son gestellt: — locavit operas suas — Aurelio A.; mercedem — acci- pere debebit. Suas operas — edere debebit, etc. Eine Stipulation ist hier nicht beigefügt. Man könnte zwar sagen, bei gegenseitigen Contracten, sei es auch bei uns häufig, sie auf die dritte Person zu stellen und sie dann doch wie eigene Erklärungen zu unterschreiben, z. B. „Zwischen N. N. und Philos.-histor. Kl. 1876. 14 106 Bruns: a N. N. ist folgender Mietheontraet geschlossen: der Vermiether gewährt, — der Miether zahlt“ — u. s. w. Allein ganz dieselbe Form ist in den Wachstafeln auch bei den einseitigen Versprechen angewendet. So heisst es bei einem Depositum: Denarios quinquaquinta commendatos Lupus ©. dixit se accepisse, et accepit a Julio A., quos ei reddere debet. und ebenso beim Darlehn: Denarios LX — dari, fide rogavit Julius A., fide promisit Alexander C., et se eos den. LX mutuos numeratos ac- cepisse et debere se dixit. Id fide sua esse iussit Titius P. Ja selbst die Verwalter des collesium funeraticium sprechen bei ihrer Er- klärung über dessen Auflösung nicht in der ersten Person von sich, son- dern sagen: Artemidorus A. magister — et Valerius N. et Offas M. questores — hoc libello publice testantur: — se — ratio- nem reddedisse etc. Dass daher mit dieser ganzen Form der Contraete der Mangel der Unterschriften in einer unmittelbaren Verbindung steht, ist wohl ausser Zweifel. Der Gedanke war eben nicht, dass die Parteien schriftliche Er- klärungen abgeben sollten oder wollten, sondern sie wollten einfach nur für ihre mündlichen Erklärungen ein schriftliches Zeugniss haben. Die Stipulationen mussten ja sämmtlich mündlich gemacht werden, und da- neben sind auch alle andere Erklärungen über das „accepisse“* „habere* „locasse“* durch ihre Anführung mit dem Worte „dixit“ als mündliche bezeichnet. Dazu passt nun eine einfache Namensunterschrift eigentlich gar nicht, und man könnte geneigt sein, eben daraus den Mangel der Unterschrift zu erklären. Allein das geht doch nicht. Schon an sich ist die Abfassung eines Vertrages auf die dritte Person, wie der heutige Ge- brauch zeigt, gar kein Hinderniss für die Vollziehung durch Namens- unterschrift. Die Unterschrift bedeutet dann, dass man die Richtigkeit der angegebenen Thatsachen anerkenne. Die Urkunden sind in ihrer ob- jeetiven auf Thatsachen gestellten Fassung der Sache nach eigentlich nichts anderes, als durch Zeugen beglaubigte Protokolle über mündliche Erklä- rungen und Handlungen der Parteien. Die Unterschreibung von Proto- kollen durch die Parteien hat aber an sich nichts auffallendes, wenn gleich Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 107 in Rom, wie oben gezeist ist, die Protokolle nicht von den Parteien, son- dern nur von den Beamten unterschrieben wurden. Dazu kommt, dass die Urkunden wenigstens zum Theil von einem der Contrahenten selber geschrieben zu sein scheinen; denn die Worte in den Diensteontracten: „sceripsi rogatus a M., quia litteras scire negavit“ deuten doch offenbar eine Ausnahme an, da in den andern nirgend ein fremder Schreiber er- wähnt wird. Demnach ist der Mangel der Unterschriften in den Con- trakten doch keinenfalls allein aus der objectiven Fassung der Urkunden zu erklären, sondern hatte seinen eigentlichen Grund in der allgemeinen Sitte. Hätte man überhaupt schriftliche Erklärungen mit Unterschrift geliebt, so hätte ja auch gar nichts im Wege gestanden, die Urkunden anders und mehr subjectiv zu fassen. Dies wird denn auch durch die Pompejanischen Wachstafeln be- stätigt, da diese nur zum Theil in der dritten, zum Theil aber auch in der ersten Person abgefasst sind, Unterschriften aber hier so wenig wie dort haben. \ 2. Die Pompejaner Wachstafeln enthalten, wie bereits oben bemerkt, sämmtlich nur Quittungen, und zwar nur über Zahlungen von einer bestimmten Person, einem L. Cäcilius Jucundus, jedoch an verschie- dene Personen, aus verschiedenen Gründen und zu verschiedenen Zeiten. Sie sind sämmtlich ziemlich kurz und im wesentlichen in gleicher Form ab- gefasst. Der Grund der Schuld ist stets mit „ob“ bezeichnet: ob auctio- nem, ob pasquom, ob fullonica, ob vectigal publicum. Das Empfangs- bekenntniss ist stets unter genauer Angabe der Summe ausgestellt. In der Form sind dabei einige in der dritten Person mit dicere abgefasst; z. B. — habere se dieit Histria Schimas ab L. Oaecilio Jucundo. — se accepisse dixit C. Jul. Onesimus ab M. Fabio Aga- thino nomine L. Caeecilii Jucundi. Doch scheint auch hier, wie in Siebenbürgen, die Urkunde in der Regel von dem Empfänger selber ausgestellt zu sein. Wenigstens heisst es auch hier wie dort ausnahmsweise in einer der Urkunden: S. Pomp. Axiochus scripsi rogatu Polliae Messidis, eam accepisse ab S. Oaec. ‚Jucundo ete. Andre der Urkunden sind dagegen direct von dem Empfänger auf seine eigene Person mit dem Worte: „scripsi“* ausgestellt, doch ist dies 14* 108 i Bruns: auffallender Weise nur bei solchen Quittungen, die von Sklaven der Colo- nie ausgestellt sind, und hier mit der weiteren Eigenthümlichkeit, dass dabei nie der Name des Sklaven genannt ist, so z. B.: — privatus coloniae servus scripsi, me accepisse ab L. Caee. Jucundo. Statt „privatus servus“ heisst es meistens nur „privatus“, so auch auf den Aussenseiten der Triptychen, auf dıe häufig eine kurze Bezeichnung des Inhalts geschrieben ist, z. B. im obigen Falle: Solutio ob fullonicam anni secundi privato colonorum co- loniae Venereae Üorneliae. und in einem andern Falle: Chirograpus privati col. col. Ven. Corn. Pompeianorum ob fullonicas solutas annı primi. Statt 'seripsi steht in einigen Fällen 'subseripsi, z. B. — privatus colonorum Pompeianorum subscripsi, me ac- cepisse ab L. Öaec. Jucundo etc. Bei diesem steht auf der Aussenseite Solutio ob pasqua anni primi privato. Eine Unterschrift des Namens findet sich aber in keiner einzigen der Ur- kunden, weder denen mit ‘dixi! noch denen mit ‘sceripst oder 'subscripst, vielmehr folgt auf den Inhalt der Urkunde sofort stets, wie in den Sieben- bürger Tafeln, Ort und Datum: Actum Pompeiis non. Nov. etc. Das „subseripsi“ kann daher, wenn es überhaupt eine besondere Bedeu- tung hat, nur die haben, dass der Sklave in einer andern Urkunde, etwa der Contraetsurkunde oder den öffentlichen Listen, die Zahlung unten hin geschrieben habe, und davon hier eine Abschrift gebe, 3. Ausser den Wachstafeln sind uns noch in Steinmschriften zwei Abschriften von Verträgen überliefert, die als vollständig und genau an- gesehen werden können, und daher mit jenen zusammengestellt werden müssen. Es sind die bekannten Schenkungen des Artemidorus, und der Statia Irene), 1) Fontes. p. 181—184. Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 109 Die erste, (aus dem zweiten Jahrhundert) schliesst sich nahe an die Siebenbürger Tafeln an. Sie ist offenbar vollständig aus der schrift- lichen Urkunde übertragen, und lautet zunächst im Eingange: Chirographum: Ollaria n. III, eineraria n. IV — donationis causa maneipio accepit M. Herennius Agricola de T. Flavio Artemidoro HS n. 1. Darauf kommen einige nähere Bestimmungen, und dann zum Schlusse: Haec recte dari fieri praestarique stipulatus est M. Herennius Agr., spopondit P. Flavius Artemidorus. Actum XVII K. Ian. etc. Offenbar hat hier schon in dem Chirographum selber vor dem Datum ebensowenig eine Namensunterschrift gestanden, wie in den Siebenbürger Urkunden. Sehr eigenthümlich in der Form ist die Schenkung der Irene vom J. 252. Sie beginnt allerdings ähnlich wie die vorige: Monumentum — Statia Irene M. Lieinio Timotheo dona- tionis mancipationisque causa HS n. I mancipio dedit, ete. Dann aber kommt als Nachsatz folgende Wendung: (Quod mihı Lieinnio Timotheo tu Statia Irene — monumen- tum — mancipio dedisti, — haec sie recte darı fieri prae- starique stipulatus est Lieinnius Timotheus, spopondit Statia Irene. Actum pr. Kal. Aug. ete. Offenbar hat danach der Timotheus selber die Urkunde aufgeschrieben, und darum kommt noch als Schlusssatz darunter: Iisdem cos. eadem die Statia Irene donationi monumenti s. s., sieut s. s. e., consensi subscripsi et atsignavi. Actum. Natürlich sind diese Worte selber die subscriptio, und man hat bei dem „subscripsi“ nicht etwa an eine sonstige voraufgegangene Unterschrift des Namens zu denken. Man hat also hier zwar eine wirkliche Consensunter- schrift, von einem Schenker, der sich zugleich auf Stipulation verpflichtet; doch enthält dieselbe darum noch nicht das volle Unterschrifts-Princip, weil der Beschenkte selber den Vertrag, und zwar auf seine eigene Per- son, geschrieben hatte, so dass es mehr die Unterschreibung einer fremden als einer eigenen Urkunde ist. Das „atsignavi“ kann nur von einem Zusiegeln der Originalurkunde, N NT Ni N, 110 Bruns: die gewiss ein Triptychum war, verstanden werden. Dass es vor dem wirklichen Siegeln geschrieben ist, steht hier so wenig wie bei den Testa- menten entgegen. Als ein Hauptfall von Namensunterschrift wird allgemein noch die bekannte Lex parieti faciendo Puteolana angesehen !), eine Steininschrift, die die Bestimmungen für einen von der Gemeinde in Verding zu geben- den Bau enthält, und ın der am Ende ohne allen Absatz und hinter ein- ander 5 Namen stehen, der erste, „O©. Blossius Q. f.“, mit dem Zusatze „HScI> idem praes“. Man hält diesen allgemein für den redemtor und die 4 anderen für seine Zeugen oder Bürgen, und nimmt an, dass sie durch ihre Namensunterschrift den Contract mit der Gemeinde vollzogen hätten?). Die Lex selber ist vom J. 649 a. u., also 104 v. Chr., ob- gleich die Inschrift, wie sie jetzt ist, erst aus der Kaiserzeit stammen kann, also wohl restaurirt ist 3). Man sieht leicht, dass wenn jene Annahme über die Bedeutung der fünf Namen richtig wäre, dies schon überhaupt, aber namentlich für die angegebene frühe Zeit, in entschiedenem Widerspruche mit allem stände, was bisher über die Unterschriften an- und ausgeführt ist. Indessen scheint mir die Annahme auch völlig unbegründet und nur auf einer Über- tragung der modernen Sitte der Unterschriften zu beruhen. Die ganze Inschrift ist überhaupt nicht der Baucontract, sondern, wie sie selber in der Überschrift sast: „Operum lex II‘, also offenbar das in den Gemeinde- acten aufgestellte Normativ für die Verdingung des Baues, was unmittel- bar als solches aus den Acten in die Inschrift als Denkmal übertragen ist. Wenn nun dabei die Gemeinde die Namen des Ausführers des Baues und seiner Bürgen mit hat eingraben lassen, so folgt daraus doch nicht im entferntesten, dass diese die „Lex“ so auch in den Gemeindeacten unterschrieben hatten, sondern allerhöchstens dass ihre Namen dabeı mit verzeichnet gewesen sind. Wir wissen ja aber überhaupt gar nicht, ob der Namenszusatz, der an sich natürlich gar nicht zu der „Lex“ ge- hört, schon in dem alten Origimnal-Denkmale ebenso gestanden hat, und D)eREontes, p.1192,n70,3., 101.377 1, lan. 2ore ?2) Huschke, i. d. Zeitschr. f. gesch. Rechtsw. 12, 204. n. 30. Münderloh, i. d. Zeitschr. f. Rechtsgesch. 12, 217. nro 4. 3) S. darüber Mommsen im ©. I. L. 1, 164, Ya, a ua Kinn A A tr an Un? fin AN I ”- 7 [#8 \5 4 ch Die Unterschriften in den römaschen Rechtsurkunden. 111 nicht erst bei der Restauration abgekürzt ist. Darauf deutet sogar sehr bestimmt der Umstand hin, dass es in der Lex im Eingange heisst: Qui redemerit, praedes dato praediaque subsignato duum- virum arbitratu. Danach müsste doch wohl die Subsignation der praedıa mit der Subserip- tion der praedes verbunden gewesen sein, somit da die ersteren fehlen, die Unterschrift jedenfalls irgend wie verkürzt sein. Unter diesen Um- ständen kann die Inschrift für die Form der Unterschriften, um die es sich hier allein handelt, durchaus keine Beweiskraft haben. Ich unter- lasse es daher auf eine eventuelle Lösung des Widerspruchs, etwa durch Unterscheidung zwischen Verträgen von Privaten unter einander oder mit Gemeinden oder dem Staate, wofür ich sonst keinen Anhalt finde, weiter einzugehen. Eben so wenig ist hier Veranlassung, das Verhältniss der fünf Namen und des Zusatzes ‚„idem praes“ in Betracht zu ziehen. 4. Es ıst nunmehr auf das Material einzugehen, was uns die Pan- dekten für unsere Frage bieten. Hier ist zunächst hervorzuheben, dass sich in den Pandekten solche gegenseitige Verträge, wie die Kauf- Mieth- und Societätsverträge der Siebenbürgischen Tafeln, mit vollständiger An- führung ihres wörtlichen Inhalts gar nicht finden. Für die Beurtheilung in den juristischen Büchern wäre das zu weitläufig gewesen, es genüste dazu eine kurze Relation, oder wörtliche Anführung einzelner Bestim- mungen. Vollständige Anführungen finden sich nur bei einigen Darlehns- Stipulationen und dann vorzugsweise bei einseitigen Erklärungen, die in der Form von Briefen gemacht und auch als litterae oder epistulae be- zeichnet sind. Diese sind hier besonders wichtig und mögen daher in ihren Hauptworten angeführt werden. Es sind: a. Mandate. Lucius Titius Gaio suo salutem. Peto et mando tibı, ut fidem dicas pro Publio Maevio apud Sempronium, quae- que a Publio tibı soluta non fuerint, me repraesentaturum hac epistula manu mea scripta notum tibi facio ). Ile ıllı salutem. Mando tibi ut Blaesio Severo adfıni meo octoginta credas etec.?) 1.04. 17.1,62, 1. 2) D. 17,1, 59, 5. 2) Bruns: Seiw Tervw Kalgew. ’Eyw nv — Emirgerw co megt Tav- Twv Tav Eumv ws JeAsıs moayuareveo Ian, ete. 1) Titius Seio salutem. Sempronium pertinere ad animum meum cognovisti, — quare scias, quodeunque — stipulatus fueris, id me mea fide esse iussisse salvum te habiturum ?). b. Schenkungen. Titius Sticho liberto suo salutem. Cum te manumiserim, peculium quoque — me tibi concedere hac epistula manu mea scripta notum tibı facio ®). Ile illı salutem. Hospitio ıllo — utaris, — idque te ex voluntate mea facere, hac epistula notum tibi facio *). (Seia) Lucio Titio salutem. Si in eodem anımo et eodem affectione circa me es, quo semper fuisti, — veni hoc; tibi quamdiu vivam praestabo annuos decem?). c. Depositen. Öaecilius Candidus Paccio Rogatiano suo salutem. XXV n., quos apud me esse voluisti, notum tibi hac epistula facıo, ad ratiunculam meam pervenisse, etc. ®) Lucius Titius Sempronio salutem. Ön., quos hac die com- mendasti mihi, — esse apud me, — haec epistula manu mea scripta tibiı notum facio, quae — tibi numerabo ?). Titius Sempronüs salutem. Habere me a vobis auri pondo plus minus decem ete.®) d. Schuldbekenntniss ?). Octavius Terminalis, rem agens Octavıı Felieis, Domitio Fe- lici salutem. Habes penes mensam patroni mei den. mille, quos vobis numerare debebo pr. Kal. Maias 19). SH-E-E-E- ER > De 17, 12.60, 4 INERIEO NEL. au) u 00): 32. RolselR 3,198: 6, 3, 24 ps. 63200 r Schulderlass in 34, 3, 20 ist Legat. 10) D. 14, 3, 20. Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 113 Offenbar ist in allen diesen Briefen der Übergang vom gewöhnlichen Briefe in die reine Rechtsurkunde ein ganz unmerklicher. Wenn sich daher bei ihnen ‚weder eine Namensunterschrift wirklich findet, noch auch nur irgendwie Bezug darauf genommen wird, z. B. öfter gesagt ist ‚„‚manu mea scripta“, nie aber „subscripta‘“, so kann man unbedingt annehmen, dass sie auch in Wirklichkeit nirgend darin geschrieben gewesen ist, grade eben so wenig wie bei den gewöhnlichen Briefen. Man darf den Mangel nicht etwa dar- aus erklären wollen, dass die Namen ja meistens nur fingirte sind, und darum die Unterschrift stets weggelassen sei. Denn erstlich sind unter den Namen offenbar auch mehrere ächte, und ausserdem zeigen eben die obigen Worte „hac epistula manu mea scripta“ deutlich, dass man sich die Ächheit und Wirksamkeit der Schreiben nicht von der Namensunter- schrift abhängig dachte, da man diese sonst, wie in der späteren Zeit, hervorgehoben haben würde. Hiernach wird man nun aber auch in allen den Stellen, in denen schriftliche Erklärungen unter der Bezeichnung Jlitterae oder 'epistulae an- geführt sind, aber die Überschrift „Ile illi salutem“ weggelassen ist, doch unzweifelhaft dieselbe Briefform voraussetzen müssen, so z. B. Lucius Titius Gaium Seıum mensularıum — debitorem sıbı constituit, et ab eo epistulam accepit in haec verba: „Ex ratione mensae, quam mecum habuisti, — remanserunt apud me etc.“ 1) Titius Seius epistulam emisit in haec verba: „Reman- serunt apud me etc.“ ?) Titius epistulam ad me talem emisit: „‚Sceripsi, me secun- dum mandatum Seil — tibi soluturum‘ 3). Quidam ad creditorem litteras eiusmodi fecit: ‚„„Decem, quae Lucius Titius ex arca tua mutua acceperat, — habes penes me, domine‘ #). Ea, quae a marito pecuniam ex causa donationis acce- Sn RE TA 2) D. 13, 5, 24. 3) D. 13, 5,5, 3. 4) D. 13, 5, 26. Phalos.-histor. Kl. 1876. 15 114 Bruns: perat, litteras ad eum misit huius modi: „Cum petenti mihi a te, domine carissime, ete.“!) Neben dieser Briefform finden sich aber ähnliche Erklärungen auch in einer Fassung, die deutlich der der Wachstafeln entspricht. Bei einigen steht wie dort der Name voran: Titius dico, me accepisse et habere a Gaio omne reliquum etc) Ille seripsi, me accepisse et accepı mutuas X). Lucius Titius seripsi, me accepisse a Publio Maevio XV mutua, — et haec XV proba recte dari Kal. futuris stipu- latus est P. Maevius, spopondi ego L. Titius. *) Direct in der ersten Person ohne Namen sind folgende Scheine: Valerius Luc Titii servus?) sceripsit: „Accepi a Mario Marino ex summa maiore aureos tot“ ®). ni 5 . en D 5 ’ Lucius Titius ita cavit: „Eraßev zal eyw eis Aoyov Tagara- EAN, B Smuns Önvagıa pugie ete.?). Bei allen solchen Scheinen darf man sich nach dem Muster der Pompe- janischen Tafeln offenbar keine Unterschrift hinzudenken, wohl aber stets die Form der Triptychen mit ihrer Beglaubigung durch Zeugen. Wirkliche Subseriptionen sind bei zwei Urkunden erwähnt. j Procurator Seil misit subscriptionem ad argentarium & En Y BAR ey \ r vascularium 8): „Asvuxıos Karavdiss Ereyvwv, naSus mooyEyparraı > \ n \ Siapkcy Ka > ’ ENGE ’ ETTiV Aoıma mag Nav, obeihoueva Tu deivı ron.“ ?) Hier ist aber klar, dass die subscriptio nichts anderes ist, als eben diese Anerkennung (ereyvuv) selber, die etwa unter eine Rechnung oder sonstige > 2) °) 2) ” ) ” °) » OO0D9 DA, 9%. 46, 3, 89. pı 22,1, 41, 12, 1, 40. Es ist dies die berühmte 1. Lecta. Bei Sklaven haben auch die Pompej. Wachstafeln keinen Namen. D. D. 46, 3, 102, 2. 108.226. Wie „faber argentarius“ in 1. 39 pr. 34, 2. i. e. 'L. C. adgnovi sicut supra scriptum est; sunt reliqua apud nos quae de- bentur illi tot. D. 44, 7, 61, pr. Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 115 Schrift des Silberarbeiters geschrieben war. In der andern Stelle wird eine Urkunde angeführt mit folgendem Inhalte: „Chrysogonus, Flavii Candidi servus actor, scripsi coram subscribente et adsignante domino meo, accepisse eum & Julio Zosa, rem agente Juli Quintillianı absentis, mutua denaria mille; quae dari — stipulatus est Julius Zosas spo- pondit Flavius Candidus dominus meus.* Subscripsit dominus!). Hier versteht sich zunächst, dass das „servus scripsi coram — domino meo, eum accepisse“ etc. nicht anders zu verstehen ist, als in der Pom- peianischen Tafel das: „Axiochus scripsi rogatu Polliae Messidis, eam ac- cepisse“ etc., oder in den Siebenbürgischen das: „Flavius seripsi rogatus a Memmio — id quod dixit, se locasse ete. Die Worte „coram sub- scribente domino“ und „dominus subseripsit“ können dann nur bedeuten, dass der Herr unter die Schrift seines Sklaven seine Genehmigung der- selben, etwa wie oben bei den Öodicillen „illi dietavi et recognovi“, oder wie oben das &reyvwv zaS$ws rgoyeyparraı, oder sonst ähnliches geschrie- ben hat. Das „adsignante domino“ kann nur bedeuten, dass ein Trip- tychon angefertigt und vom dominus mit zugesiegelt ist, wie in der Ur- kunde der Statia Irene. Dass der Herr auf diese Weise durch Ge- nehmigung und Beglaubigung den Contracten und Urkunden seiner Skla- ven die rechtliche Kraft sicherte, war wohl natürlich, und findet sich öfter erwähnt, so z. B.: — si servi chirographo subseripsit dominus, tenetur quod iussu ?). — si pupilli servis pecuniam credidit subscribente tu- tore?) — Titius Seil procurator, — fundum vendente servo — quası procurator subscripsit®), 45,1, 126, 2. 15.244 14.4; 15, 3, 20. 18. 5,8; SE-E-E- 15* 116 Bruns: Etiamsi non mandante — nec subsceribente domina pecuniam mutuam servo dedisset !), — Demnach bestätigt sich auch hier, dass von einer allgemeinen Sitte, Privaturkunden durch einfache Namensunterschrift zu vollziehen oder zu beglaubigen, keine Rede sein kann, dass im Gegentheil die Sitte war, den Namen nur im Anfange einer jeden Seriptur zu nennen, sei es in einer Überschrift oder einfach im Contexte. Es versteht sich, dass hier- nach nun auch die sonstigen Stellen zu erklären sind, in denen von Sub- scriptionen die Rede ist, und die man meistens von Namensunterschriften verstanden hat. Nirgend ist das subseribere im Sinne von einfacher Namensunterschrift zu verstehen, sondern stets nur von dem schreiben irgend einer Erklärung unter irgend eine andere. Dabei sind die Sub- scriptionen unter fremde und unter eigene Urkunden zu unterscheiden. a. Bei fremden Urkunden sind zunächst alle dıe Fälle ausser Zweifel, wo von Unterschrift in dem Sinne die Rede ist, dass man ihnen eine Erklärung von anderem Inhalte als dem der Urkunde selber beige- fügt habe. Ein Hauptfall ist die „subseriptio fideiussionis“, d. h. die Bei- fügung einer Bürgschaft. In der Regel mögen zwar die Bürgschaften so wie in den Siebenbürgischen Tafeln gleich mit in den Context des Haupt- vertrages mit aufgenommen sein. Indessen stand natürlich nichts im Wege, sie darunter zu schreiben, namentlich wenn sie dem Vertrage erst später nachfolgten, so z. B. — lecta subscriptione fideiussionis?) — — si non subseripsisti quasi fideiussor?), — — si mulier in instrumento mutui viro suo consentiat aut subscribat.®). Andere Beispiele sind: Genehmigung von Rechnungsablage: Erotem — rationes reddere volo eius temporis, quod erit post novissimam meam subsceriptionem. — postea (CI 2) D. 46, 1, 68, 1. 8) C. 5,37, 15. 4) Nov. 134, c. 8. Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 177 rationes subscripsit usque in eum diem, qui —. Heredes nıhil exigere debent eius temporis, quo subscripsit!). Rei publicae rationes subscriptae et expunctae — retrac- h tarı non possunt ?). Anerkennung des Ausspruches eines Schiedsrichters: — si quis post arbitri definitionem subscripserit euuevew vel dıdovaı 3), — Quittung über einen Empfang: — mulier res — in libellum solet conferre eumque libellum marito offerre, ut subscribat, quasi acceperit #). — si voluerit is, qui apocham conscripsit, vel exemplar cum subscriptione eius, qui apocham suscepit, ab eo accipere, vel antapocham suscipere ?) — Anerkennung der Ächtheit von Urkunden: Qui adgnitis instrumentis, quasi vera essent, — instrumen- tis subscripserat ex interlocutione iudicis 6), — Beitritt zur Erklärung eines andern: — plures (argentarii heredes) — omnes ad editionem com- pellendi sunt, — aut certe unius editioni subscri- bere. — et plures tutores — aut omnes edere debent aut unıus editioni subscribere ’). Subseriptio filıı domini manumittentis nec addere secuta nee omissa detrahere libertati quicequam potest®). Billigung und Genehmigung (consensus) der Erklärung eines andern: — feminas — venditiones posse celebrare, si viri earum consensum pariter atque subscriptionem instrumen- tis putaverint esse praebendam ?) — 5) D. 34,3, 12. cf. 35,1, 82 cf. 40, 5, 41, 10; 40, 7, 40, 3 oben $. 55. 2) D. 44, 3, 13, 1. 3) C. 2,56, 4,6 DATEN 953 3),.€..4 21, 19.1 SD. 44.1, 11. BDA 8) ’C. 7,16, 32 DEE En. 3, 13 118 Bruns: — si primorum curiae subscriptio atque consensio adıecta monstratur !). — si primores curiae — ın collegae venditionem sub- scribant?). Si nuptiis pater tuus consensit, nıhil oberit, si instru- mento ad matrimonium pertinenti non subscripsit?°). Bei einzelnen Stellen kann man über Inhalt und Bedeutung der Subseriptionen natürlich zweifelhaft seien, so z. B. bei 114 C. si certum. (4, 2): Mutuae pecuniae, quam alııs dedit, ereditor eitra solennita- tem verborum subscribentem instrumento non habet obligatum. Eine Basilikenscholie, aber eine spätere, sagt zu „subscribentem*“: "Amıws, ourws Ws Maprus, un Ws &yyunrns, 9 nav um Ws uagrus, aA Ws durss daveıraWevos Si Auch die Glosse nimmt an: „ut testis, non ut se obliget.“ Beide setzen eine einfache («rAws) Namensunterschrift voraus. Die Stelle hätte dann im wesentlichen denselben Sinn wie 1. 6 ©. de fideiuss. (8, 14). Si pater tuus pro Öornelio, quum pecuniam mutuam acei- peret, se non obligavit, frustra ex eo, quod tabulas oblıi- gationis ut testis adsignavit, conveniris. Der Unterschied wäre nur, dass in dieser Stelle vom J. 214 der Zeuge noch nicht unterschrieb sondern blos zusiegelte, in der ersteren dagegen vom J. 293 bereits die Unterschrift an die Stelle getreten wäre. Nun wird sich allerdings unten zeigen, dass an blosse Namensunterschriften dabei keinenfalls zu denken ist. Abgesehen davon zeigt aber auch die Verbindung: — ceitra verborum solennitatem subseribentem — 1) Nov. Maior. 7,1, 9. 2) Nov. Valent. 31,1, 6. 2) 10.5,4,,2. #) d.h. “Simplieiter ita ut testis, non ut fideiussor, aut etiam si non ut testis sed ut ipse mutuans.' Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 119 deutlich, dass der Gegensatz in der 1. 14 überhaupt gar nicht wie in der 1.6 der von Zeuge und Schuldner ist, sondern vielmehr der von Schrift und Wort. Der Sinn ist also, dass bei einem Darlehn eine Obligation nur entsteht, wenn man entweder das Geld bekommt oder die Schuld durch Stipulation auf sich nimmt, nicht aber durch eine blosse ‘subserip- tio irgend einer Art. Die subseriptio ist also im gewöhnlichen römischen Sinne als untergeschriebene Erklärung zu verstehen. Was für eine Er- klärung in dem betreffenden Falle hingeschrieben war, ist freilich nicht zu ersehen. Man wird an ähnliche denken müssen, wie die, die auch anderwärts für unverbindlich erklärt sind z. B. — debitorem sese esse (epistula) confitentem !), — — quos denarios vobis numerare debebo?). Ein Paar andere, viel besprochene, Stellen mit unbestimmten Subseriptio- nen finden sich im Pfandrechte, nämlich 18 $ 15 und 19 $ 1 quib. mod. pign. solvitur. In der ersten, von Marcian, wird der Satz besprochen, dass die Zustimmung des Pfandgläubigers zum Verkaufe der Sache vom Schuldner einen Verzicht auf das Pfandrecht enthalte. Es wird gesagt, dass dazu die blosse Kenntniss von dem Verkaufe nicht genüge, dann aber hinzugefüst: sed sı subseripserit forte in tabulis emtionis, con- sensisse videtur, nisı manifeste appareat, deceptum esse. In der zweiten von Modestin, wird ein Verzicht auf ein früheres Pfand- recht einem späteren Gläubiger gegenüber gleichfalls aus einer Unter- schrift abgeleitet: inveniebatur autem Maevius instrumento cautionis, cum republica facto a Seio, interfuisse et subscripsisse, quo caverat Seius, fundum nullı alıı esse obligatum. In beiden Fällen fragt es sich, worin eigentlich die Unterschrift des be- treffenden Pfandgläubigers bestanden habe? Meistens nimmt man eine blosse Namensunterschrift an. Allein da diese überhaupt nicht üblich waren, namentlich nicht in den Triptychen, auf die doch die „tabulae emtionis“ der ersten Stelle hindeuten, so wird man sie auch hier nicht 1 ER 2) D. 14,3, 20. 120 Bruns: annehmen können. Cujaz!) will daher eine ausdrückliche Erklärung in folgender Weise annehmen: „Titius instrumento emtionis — contractae inter illum et illum proprio chirographo subseripsi.* Allein die Worte „eonsensisse videtur“ und der in der ersten Stelle zugelassene weitere Beweis zeigen deutlich, dass hier eben nicht an eine ausdrückliche Er- klärung gedacht ist, sondern nur an eine Schlussfolgerung aus einer sonsti- gen Unterschrift. Dann aber ist kaum eine andere möglich, als eine Zeugenunterschrift. Zwar beruft sich Cujaz dagegen auf 1. 39 de pigne- rat., wonach aus dem Zeugnisse bei einem Testamente kein Consens zu dem Inhalte desselben gefolgert werden darf. Allein zwischen Testamen- ten und Verträgen ist, und war auch damals, der grosse Unterschied, dass die Zeugen beim Testamente den Inhalt nicht kennen wohl aber bei den Verträgen. Daher werden in andern Stellen bei einer Erbthei- lung und einem Verkaufe aus dem „praesente et adsignante“ ?), und „si quası testis adfuit“ 3), Schlüsse auf Consentirung zum Inhalte derselben zugelassen, und in 1. 26 $ 1 de pignor. wird gefragt, ob ein Consens an- zunehmen sei, wenn Jemand eine ıhm von einem andern dietirte Erklä- rung niederschreibe, ohne dass er „consensum suum accommodaverit aut signo aut alia scriptura.* Unter 'signum’ kann nur das Zeugensiegel verstanden werden, so dass dıe Schlussfolgerung aus dem Zeugnisse auch hier als sicher vorausgesetzt wird. Hiernach würden sich also die beiden Pfandstellen vollständig er- klären, wenn man unter dem „subseripsit“* eine Zeugen-Unterschrift ver- stehen könnte. Die Frage ist daher nur, woher hier auf einmal die Unterschriften der Zeugen, da sich in den andern Stellen in Übereinstim- mung mit den Urkunden nur eine Besiegelung der Zeugen findet. Die Antwort hierauf lässt sich wohl nur daraus entnehmen, dass die beiden Stellen von Mareianus und Modestinus sind, dıe beide erst im dritten Jahrhunderte gelebt haben. In dieser Zeit ist nämlich, wie sich unten zeigen wird, unzweifelhaft eine Veränderung in der Form der Urkunden eingetreten, und namentlich eine Unterschrift von den Parteien und den Zeugen üblich geworden, allerdings auch keine blosse Namensunterschritt, : > 31, 34, 2. Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 121 aber doch eine entsprechende Erklärung mit dem Namen, die man auch subseriptio nannte. Demnach hätte man hier die ersten Spuren derselben zu sehen. Dass jedoch im Anfange des dritten Jahrhunderts auch die Siegelung der Zeugen noch stattfand, zeigt die oben $. 118 eit. 1. 6 vom J. 214. b. Über Unterschriften bei eigenen Urkunden findet sich in den Pandekten äusserst wenig; was sich aus der obigen Beschreibung der Ausstellung von Urkunden, wie sie in den beiden ersten Jahrhunderten der Kaiserzeit noch üblich war, wohl von selber erklärt. Man hat eine Namensunterschrift meistens in l. 50 de a. v. o. h. angenommen, wo es heisst: f Sı per epistulam servo pupilli tutor hereditatem adıre ius- serit, sı post subseriptam epistulam tutor moriatur, an- tequam — servus adiret, etc. Die Stelle ist von Modestinus, also erst aus dem dritten Jahrhundert. Da es sich indessen darin nur von einem gewöhnlichen Briefe handelt, so kann doch kaum eine Frage sein, dass unter der Subscription keine Namensunterschrift zu verstehen ist, sondern nur die gewöhnliche auch damals noch allgemein übliche Unterschrift der Briefe durch Gruss und Datum. In einer Stelle von Paulus!) aber, wo er zur Lex Cornelia de falsıs sagt: Qui rationes, acta, — cautiones, chirographa, epistolas sciens dolo malo in fraudem alicuius deleverit, mutaverit, subie- cerit, subscripserit, etc. ist der Ausdruck so ganz allgemein gebraucht, dass man eine bestimmte einzelne Form von Unterschrift daraus nicht entnehmen kann. Überdies fehlt grade das Wort „subscripserit“ in den entsprechenden Stellen so- wohl der Pandekten als der Oollatio ?). 5. Geht man von den Pandekten zum Codex über, so zeigt sich hier unzweifelhaft, dass im Laufe des dritten Jahrhunderts eine Ände- rung des alten Prineips eingetreten ist. Die Form der Urkunden wurde anders und damit wurde auch eine Unterschreibung des Namens sowohl des Urhebers als der Zeugen eingeführt. Es hängt das hier wie oben 1) Sent. rec. 5, 25, 5. DED74310,3 35 162232 Goll.zs. Philos.-histor. Kl. 1876. 16 122 Bruns: bei den Testamenten wohl sicher damit zusammen, dass in dieser Zeit die Wachstafeln allmählig ausser @ebrauch kamen und dafür Papyrus und Pergament genommen wurden. Damit fiel nämlich auch die doppelte Schrift der Tafeln, eine versiegelte und eine offene (seriptura interior und exterior), weg. Man machte, wie bei uns, nur eine Schrift, diese musste aber des Gebrauches wegen in der Regel natürlich unversiegelt sein, musste darum aber auch ihre Beglaubigung in sich selber tragen. Zu diesem Zwecke wurden daher nun die Unterschriften des Urhebers und der Zeugen auf die Urkunde unter ihren Text gesetzt, und das Zusiegeln fiel ganz weg!). Doch schrieb man auch jetzt nicht, wie bei uns, ein- fach den Namen hin, sondern wie bei den Testamenten eine längere oder kürzere Erklärung, die den Namen als Subjeet und das 'subseripsi' als Prädicat enthielt, bei den Zeugen mit dem Beiworte 'testis. Der Beweis hierfür ist theils in den Gesetzen des Codex theils in den Urkunden der späteren Zeit enthalten. Zu jenen Beweisstellen gehören jedoch folgende zwei Diocletianische Rescripte noch nicht. In dem einen heisst es ?): — chirographa, quae fecerat procurator tuus, — tibi resti- tuta cum subscriptione procuratoris, significante, quod nihil ereditoribus debeatur, etc. Dabei bedeutet subscriptio offenbar nur einen späteren Zusatz, den der Procurator unter das Chirographum geschrieben hatte. Das andere bezieht sich auf eine Schenkung °): — si de hoc fundo non cogitasti, cuius velut donationi te consensisse eontinetur instrumento, — intelligis, de quo non cogitasti nec specialiter subseripsisti, nihil te perdi- disse. Dieses „nec specialiter subscripsisti‘“ bedeutet nur, dass kein besonderer Zusatz über das Grundstück zu der allgemeinen Schenkung hinzugefügt 1) Natürlich nicht auf einmal, sondern allmählig, Wie lange das adsignare bei Verträgen noch vorgekommen ist, ist schwer zu sagen. In Justinians Zeit habe ich in Gesetzen uud Urkunden keine Spur mehr davon gefunden. Die letzten Spuren sind die Schenkung der Statia Irene v. 252, und im Codex 8, 41, 6; 11, 39, 1; 5, 37, 15, aus den Jahren 214, 230, 287. 2) C. 8,43, 18. 8) 0, 8,54, 10. ee Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 123 ist. Eine allgemeine Unterschreibung der Schenkung lässt sich daraus nicht folgern. Doch mag sie schon üblich gewesen sein, da es in einem anderen Rescripte von Dioeletian!) heisst: Vice donatricis alio voluntate eius subsceribente iure facta donatio non habetur irrita. Darauf deutet auch ein anderes Diocletianisches Rescript ?): Sı falsum instrumentum emtionis conscriptum tibi — sub- seribere te — suasit etc. Eigentliche Regel war die Unterschrift aber doch noch nicht; denn noch in dem grossen Constantinischen Gesetze von 316), worin die schrift- liche Abfassung der Schenkungen genau vorgeschrieben wird, heisst es nur: Tabulae itaque, aut quodeunque aliud materiae tempus da- bit), vel ab ipso vel ab eo, quem sors sumministraverit, persceribantur eaeque rebus nominibus personisque di- stinetae sint. Indessen mag die Beifügung der Unterschrift von selbst allgemeine Sitte geworden sein, wie man aus dem Gesetze von Zeno von 478°) sieht, worin für die Schenkungen, die keiner gerichtlichen Insinuation bedürfen, bestimmt wird: sı forte per tabellionem vel alıium scribentur, et sine testium subnotatione valere praecipimus, ita tamen, si ipse donator vel alıus voluntate eius seeundum solitam observatio- nem subscripserit. Also ım fünften Jahrhundert war die Unterschrift bei Schenkungen be- reits „solita observatio“. Dass sie aber nicht auf diese beschränkt war, oder wenigstens blieb, zeigt das Gesetz von Leo über das pignus publi- cum vom J. 469%). Darin heisst es im Eingange: Sceripturas, quae — transigendi vel paciscendi aut faene- 2)C.785734,.20. 2), ‚C.4, 22,5. 3) Vollständig nur in den Vat. fr. 249, im Auszuge in C. Th. 8, 12,1. €. I. 4) Hier tritt der Übergang von den Tafeln zu anderem Material deutlich hervor. EC. 8,9431. DREHEN LE, UL. 16* 124 Bruns: randı vel societatis coeundae gratia seu de allis quibuscun- que causis vel contractibus confieiuntur, — sive tota series eorum manu contrahentium vel notarıı aut alterius cuius- libet seripta fuerit, ipsorum tamen habeant subscrip- tiones, sive etc. Hier erscheint die Unterschrift als allgemeine Sitte bei allen Verträgen, und daraus erklärt es sich, dass in dem Gesetze dann auch für das s. g. pignus quasi publicum gefordert wird dass: trium vel amplius virorum subscriptiones eisdem idiochiris contineantur. Justinian hat die Unterschrift sowohl der Parteien als der Zeugen in noch weiterer Ausdehnung vorgeschrieben. Er verlangt sie in folgen- den Fällen: Verträge, „quos in scriptis fieri placuit,“ sollen nicht anders gelten, nisi instrumenta — subscriptionibus partium con- firmata — sint!). Bürgschaften der Frauen sollen nicht anders gelten, nisi instrumento publice confecto et a tribus testibus subsignato?). Bei der manumissio per epistulam soll der Herr fünf Zeugen zuziehen, post eius litteras in subscriptione positas — suas litteras supponentes ?). Bei der Emphyteuse soll im Falle einer Veräusserung der Herr den neuen Emphyteuta annehmen „per litteras suas“, darf aber: non amplius pro subseriptione — nisi quinquagesimam partem pretii — accipere ®), Beim beneficium inventarii gehört zur Vollendung: DIE A 21T. 2) C. 4, 29, 23,2. Das „subsignato* heisst nicht „untersiegelt“, sondern wie Paulus in l. 39 de V. S. sagt: „Subsignatum dieitur quod ab aliquo subseriptum est.“ und Festus: „[Signare] antiqui pro seribe[re utebantur, unde et subsigna]re et consignare [pro subserib]ere et conscrilbere“.] In $ 1 der Stelle steht „consignatum* in demsel- ben Sinne. 7, ©, U, *) C. 4, 66, 3. BANG {eb} Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 19 Subsceriptionem supponere heredem necesse est, sig- nificantem et quantitatem rerum et quod ete.!) Hier soll also die Subscription im alten Sinne noch eine besondere wei- tere Erklärung enthalten, doch ist die einfache Subscription natürlich darin enthalten. Darum soll der Erbe, wenn er nicht schreiben kann, nur das „venerabile signum“ hinsetzen, aber einen „specialis tabularius ad hoc solum ut pro eo litteras supponat“ zuziehen, und Zeugen, qui iubenti ei, tabularıum pro se subscribere, interfue- rint. Bei den pacta nuptialia der Vornehmen soll die Urkunde stets vom Kirchenvorsteher und 3 Zeugen unterschrieben werden (Ursygaperurav) 2). Die Legitimation unehlicher Kinder kann begründet werden: suußeraw Eyovrı Umoypapas Tgmv Magrupwv ?). Man sieht aus allen diesen Gesetzen, wie allgemein üblich die Vollziehung und Beglaubigung der Verträge durch Unterschrift in dieser Zeit geworden war. Wenn sie in so vielen Fällen vorgeschrieben war, so wurde sie natürlich in andern freiwillig von selbst angewendet. Dies bestätigen auch die Urkunden jener Zeit vollständig, wie unten zu zei- gen ist. Sehr bezeichnend dafür ist auch, dass jetzt der Beweis der Ächt- heit der Handschriften durch Schriftenvergleichung (eomparatio litterarum) und Eid ausgebildet wird. Dieser war dem ältern Rechte völlig unbe- kannt, weil die Kraft der Urkunden auf den Zeugen und der Zusiege- lung beruhte, und nicht auf der eigenen Ausstellung vom Urheber. So- bald die Schrift oder Unterschrift des Urhebers entschied, musste der Beweis ihrer Ächheit die Hauptsache werden. Schon im Codex stehen daher zwei Gesetze von Justinian darüber +), von denen das eine nament- lich die Beschränkung macht: sancimus, non licere comparationes litterarum ex chirogra- phis fieri, nisi trium testium habeant subscriptiones. 1) €. 6, 30, 22, 2. 2) Nov. 74 c. 4. 2) Nov 117 e. 2. *) C.4, 21, 16. 20. 126 Bruns: F Weitere Bestimmungen hat Justinian darüber noch in den Novellen, 18, 49, 73 gegeben, besonders in der letzteren, die jedoch hier nicht weiter angeführt zu werden brauchen. 6. Schliesslich sind nun noch die Urkunden aus der Zeit vom 5. bis 7. Jahrhundert, die uns hier wie bei den Testamenten in den origi- nalen Papyrusurkunden erhalten sind, zur Bestätigung und Veranschau- lichung der bisherigen Ausführungen heranzuziehen. Es sind mehr als 30 Urkunden über Schenkungen, Kauf, Emphyteuse u. a., alle freilich mehr oder weniger verstümmelt, aber doch gerade in den Unterschriften mehrfach gut erhalten. Sie stammen meistens, jedoch nicht alle, aus Ravenna, sind zwar in den verschiedenen Bibliotheken Europas zerstreut, aber vereinigt herausgegeben und commentirt von Marini in seinen pa- piri diplomatiei!), zum Theil mit genauen Fasimiles, oder wenigstens Proben der Handschrift. Die älteste der Urkunden ist eine Schenkung vom J. 471. Darin heisst es zuerst im Oontexte selber: Hanc autem seripturam donationis Feliciano notario meo seribendam dictavi, eique relectae manu propria subscrip- 37, ’ete. Danach würden wir heutzutage als wirkliche Unterschrift nur noch den blossen Namen erwarten. Allein dies war einmal gegen die römische Anschauung. Daher lautet die wirkliche Unterschrift: Q. Theodosius — huie donationi a me dietatae et mihi re- lectae — consensi et subseripsi. Ebenso heisst es in einer Schenkung vom J. 523?) in Ravenna erst: — donationem — scribendam dietavi, quam rogatorum a me testium et propriae manus meae subscriptione firma- vi etc. und darauf kommt nach dem "Actum in elasse' etc. die subscriptio selber: 1) nro 83—132. Danach auch von Spangenberg in den Tabulae negotiorum. nro 20—62. ?2) Marini, p. 132. Spangenberg, p. 179. > u N * = v / Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 127 Hildevara, inlustris femina, huie cessioni adque donationi a me factae — ad omnia, quae superius tenentur adscrip- ta, relegi, consensi et subseripsi, et testes ut subscriberent conrogavı. Ebenso wieder in einer Schenkung vom J. 5871) erst: ) Quam largitatis meae paginam — notario rogatorioque meo seribendam mandavi, cuique subtus manu mea subscripsi, et testibus a me rogatis obtuli suseribendum, und dann nach dem „Actum Romae* ete. Ego Gregorius — huie donationi a me factae — ad omnia suprascripta relegi consensi et subsceripsi et testes ut sub- scriberent rogavi. In den Fällen, wo der Schenker nicht schreiben kann, wurde schon vor Justinian das Zeichen des Kreuzes mit Unterschrift eines andern gemacht. So in einer Schenkung vom J. 491), die von der Schenkerin selber dem Masistrate von Ravenna zu Protokoll übergeben ist. In derselben, die vor dem Gerichte vorgelesen wird, heisst es erst: Chartulam Iovino notario meo seribendam dietavi, cuique, quia ignoro litteras, signum feci, ad quod Castorium, ca- rum meum, ut pro me suberiberet, conrogavi. und dann nach dem "Actum Ravennae’ etc. T signum Mariae donatricis. Fl. Castorius v.c. huic do- nationi rogante Maria, ipsa praesente, ad signum eius pro ea subscripsi. Ganz ebenso sind nun auch die Unterschriften der Zeugen, die massen- weis in den Urkunden vorkommen. Am kürzesten sind sie in der eben genannten Schenkung von 491, wohl darum weil diese ja überdies noch dem Gerichte zu Protokoll übergeben werden sollte. Die Zeugen schrei- ben hier nur: Fl. Gresorius v. c. huic donationi rogante Maria, ıpsa prae- sente, testis suscribsi. 1) Marini, p. 132. Spang. p. 196. 2) Marini, p. 130. Spangenberg, p. 173. 128 Bruns: In einer Schenkung von 553!) schreiben die Zeugen schon genauer: | Bassus, v. c., huic donationi rogatus a Runilone donatrice eiusque iugale, quibus me praesente relicta est et signa fecerunt, testis subseripsi, et me praesente est tradıta do- natio. In andern Urkunden sind die Zeugenunterschriften viel weitläufiger, weil sie die Hauptgegenstände der Schenkung mit in das Zeugniss aufnehmen. Das Princip ist aber überall dasselbe, stets der Name voran und das ‘testis subseripsi am Ende, also immer gerade umgekehrt, als wir es machen würden. Dasselbe Prineip ist auch bei den Unterschriften der Notare (fo- renses, tabularii) eingehalten. Es ist feste stehende Formel, die sich in einer Menge Urkunden vom 5ten bis 7ten Jahrhunderte?) findet: Ego N. N. forensis — hanc donationem — complevi et absolvi. Der constante Gebrauch der beiden letzten Worte erinnert an die 1. 17 C. de fide instr., wo Justinian sagt, die Urkunden sollten nicht anders gelten, „nisi instrumenta — subseriptionibus partium confirmata, et, sı per tabellionem eonscribantur, etiam ab ipso completa et postremo partibus absoluta sint. Hier entspricht das „subscriptionibus partium confirmata“ vollständig dem Ausdrucke der Urkunde „propriae manus subseriptione firmavi“, ebenso das „ab ipso (tabellione) completa* dem obigen „complevi“; auffallend ist dagegen das „partibus absoluta.“ Krüger hat ein „a“ eingeschaltet, allein dies passt zu den Urkunden nicht, da das complevi et absolvi’ des Notars überall hinter den subseriptiones partium kommt und stets den Schluss der Urkunde bildet, somit für ein "absolviı « partibus gar kein Anhalt da ist. Den Urkunden nach kann das „absoluta“ nur wie das „completa“ auf den Notar bezogen werden. Man muss daher das „par- tibus“ entweder als Dativ nehmen, für die Parteien, oder es ganz streichen, oder das „a partibus absoluta“ als eine sinnlose Wiederholung des „subscriptionibus confirmata“ ansehen. 1) Marini, p. 121. Spang. p. 185. 2) Spang. p. 182. 186. 194. 200. 208. 212. 217. 230. 278. 281. 286. 289. L; Ze Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 129 Die bisher in Betreff der Unterschriften besprochenen Urkunden sind sämmtlich Schenkungen. Daraus darf man nicht etwa folgern wol- len, dass für diese vielleicht etwas besonderes gegolten habe. Denn bei den Kaufeontracten, deren Schlussformeln uns mehr oder weniger voll- ständig überliefert sind, sind durchaus dieselben Formen der Unterschrif- ten von den Parteien, den Zeugen und den Notaren angewendet, wie bei den Schenkungen. Bei den Zeugen ist nur hervorzuheben, dass sie in der Unterschrift regelmässig auch noch die Zahlung des Kaufpreises mit aufnehmen, z. B. Ego N. N. — testis subseribsi et XX solidos pretium ei in praesente adnumeratos et traditos vidi!). vi. Schluss. Erst jetzt kann zum Schlusse der Ausführung nach Feststellung des positiven Materials auf die Frage eingegangen werden, was denn der letzte Grund der ganzen Erscheinung war, und wie man sie sich eigentlich zu erklären habe. Warum haben die Römer das Prinzip der Namens- unterschrift in der alten Zeit gar nicht gehabt, es erst spät und lang- sam ausgebildet, und selbst zuletzt nie vollständig in der Weise ange- nommen, wie es bei uns schon früh bestanden hat? Man wird zunächst geneist sein, den Grund für die alte Zeit in der geringen Verbreitung der Schreibekunst zu suchen. Wo überhaupt nur wenige schreiben können, kann die Unterschrift keine allgemeine Sitte sein. Das ist unzweifelhaft, allein es drängt sich dann die Frage auf, warum man nicht wenigstens durch Zeichen die Unterschrift zu ersetzen suchte, was dann von selbst später bei grösserer Verbreitung der Schreibe- kunst zur Unterschrift selber geführt haben würde. Homeyer?) sagt von der germanischen Sitte bis zum 13. Jahrhunderte: „Wer bei einer 1) Spang. p.257. Ebenso p. 241. 248. 262—3. 269—71. 277. 281. 285. 290. 2) Die Haus- und Hofmarken S. 12. Philos.-histor. Kl. 1876. 17 130 Bruns: Urkunde thätig ist, sei es als Aussteller, als Zeuge, als consentirend, be- glaubigend, der bekräftigt nach germanischer Sitte seinen Willen irgend- wie mittels der Hand, manufirmatio“. Er bestimmt dies an einer andern Stelle (S. 223) näher dahin: „in der germanischen Zeit wurde, um die bei einer Urkunde Betheiligten kund zu geben, zwischen Namenszug und - signum unterschieden; den Namen setzte — bei der seltenen Schreib- fertigkeit — der notarius hin, während das signum, also namentlich das Kreuz, eigenhändig vollzogen, und hierin die eigentliche Kraft gelest wurde“. Warum findet sich keine Spur einer ähnlichen Sitte bei den alten Römern? Und warum finden sich selbst am Ende der Republik, wo die Schreibekunst doch im eigentlichen Rom ziemlich weit, und namentlich bei allen Gebildeten vollständig, verbreitet war, auch noch nicht einmal die Anfänge der Einführung der Unterschrift? Man wird den Grund doch etwas tiefer suchen müssen. Den nächsten Anhalt bietet dann die eigen- thümliche Bedeutung, die das gesprochene Wort, die Wortformel, im alten römischen Rechte hat. “Uti lingua nuncupassit, ita ius esto‘, ist das Grund- princip der XII Tafeln für Verträge wie für Testamente. In wie weitem Umfange danach die gesprochene Wortformel auch später noch alle recht- lichen Geschäfte beherrschte, Stipulationen, Mancipationen, Testamente, Processe u. s. w., ist bekannt. „Nisi utroque loquente, stipulatio non potest confiei“, sagt noch Ulpian!). Im deutschen Rechte findet sich nichts ähnliches. Daraus folgte von selbst, dass eigentliche Dispositiv-Urkunden dem alten Rechte ganz fremd waren, also eigentliche Erklärung des Willens durch Unterschrift, oder Vollziehung von Rechtsgeschäften durch Unter- schrift, gar nicht vorkommen konnten. Darum sind schriftliche Aufzeich- nungen und Urkunden über Rechtsgeschäfte anfangs, und zwar lange Zeit, jedenfalls bis nach den XII Tafeln, gar nicht üblich gewesen, und wo sie zuerst aufgesetzt wurden, geschah es nur zur Erleichterung und Siche- rung des Beweises. Zwischen der uns zuerst näher bekannten germani- schen Zeit und der ältesten römischen Zeit ist eben der wesentliche Un- terschied, dass bei den Römern die Schrift in den ersten und rohesten 1) D. 45, 1,1 pr. ur) JE a ET NT er Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 181 Anfängen stand, die Germanen sie dagegen damals von den Römern, be- sonders durch die Geistlichen, schon vollständig ausgebildet überliefert bekamen. Eben darum hatten auch die Beweisurkunden in Rom anfangs einen anderen Charakter als bei uns. Denn wenn das gesprochene Wort die Hauptsache ist, und den eigentlichen formellen Abschluss des Ver- trages oder Testamentes bildet, so kann die einfach von den Parteien unterschriebene Urkunde überhaupt kein volles Beweisdocument sein. Dann muss vielmehr wer sich den Beweis sichern will vor allen Dingen Zeugen zuziehen, die das ausgesprochene Wort hören und darum nachher bezeugen können, dass es gesprochen ist. Die Schrift kann das Wort nie unmittelbar beweisen. Die Unterschreibung eines schriftlichen Vertrages oder Testamentes kann wohl beweisen, dass man mit dem Inhalte des- selben einverstanden ist, nicht aber dass die Worte der Stipulation von beiden Gontrahenten oder die der Nuncupation vom Testirer wirklich aus- gesprochen sind. Abgesehen von Geständniss ist dieser Beweis nur durch Zeugen, die die Worte gehört haben, möglich. Doch aber war ohne ıhn weder die Stipulation noch das Testament gültig. Somit war die Zuzie- hung von Zeugen zur Sicherheit des Beweises unerlässlich. Die Schrift konnte nur zur Unterstützung des Zeugenbeweises bei weitläufigerem In- halte des Vertrages oder Testamentes dienen, indem man den specielleren Inhalt in der Schrift fixirte, und ihn dann im Ganzen als solchen vor den Zeugen in die Stipulation oder Nuncupation aufnahm, z. B. 'haee quae supra scripta sunt, ea ita darı fieri — spondes’?!) oder “Uti in his tabulis seriptum est, ita do, ita lego etc.?). Wenn dann die Zeugen die Worte in Beziehung auf die Schrift bezeugten, war nun der Beweis durch die Verbindung von beiden vollständig hergestellt. Dann aber war auch kein Bedürfniss, dass die Urkunde von den Parteien oder einer derselben unterschrieben wurde. Denn eine solche Unterschrift hätte nur als Ge- ständniss wirksam sein können, dieses wäre aber neben den Zeugen über- flüssig, ohne die Zeugen unbeweisend gewesen, wenigstens abhängig von Anerkennung sowohl der Unterschrift selber als der Unverfälschtheit der Urkunde. 1) D. 17, 2, 71 pr. 2) Gai. 2, 104. 139 Bruns: Aber auch die Unterschrift der Zeugen war nicht nöthig und wäre nutzlos gewesen. Denn ein schriftliches Zeugniss war von jeher unbe- weisend, es musste stets mündlich und eidlich abgelegt werden. Die Zeugen mussten daher später, wenn es zum Beweise kam, doch jedenfalls eitirt werden, und ihre entsprechenden Aussagen machen. Das, worauf es bei der Verbindung von Schrift und Zeugen ankam, war daher nur dreierlei: l. den aufgeschriebenen Inhalt des Vertrages oder Testamentes vor Fälschung zu sichern; 2. die Kenntniss der Zeugen, die zugezogen waren, für den spä- teren Beweis bequem und sicher zu machen; 3. den Zeugen für die Abgabe des mündlichen Zeugnisses die Gewissheit der Indentität der dann und der früher ihnen vorgelegten Schrift sicher zu stellen. Alle drei Zwecke erreichte man nun einfach und auf ein Mal, wenn man die Zeugen die Urkunde zusiegeln liess, und dann ihre Namen neben ihre Siegel geschrieben wurden, einerlei ob von ihnen selber oder einem andern. Dann konnten sie danach später beim Beweise eitirt werden, um ihre Siegel eidlich zu recognoseiren und damit die Ächtheit, Unverletzt- heit und Unverfälschtheit der Urkunde zu constatiren. Wer die Namen geschrieben hatte, war für diesen Zweck ganz gleichgültig. Nicht ihre Handschrift sondern das Zusiegeln gab die Sicherheit. Diese war aber auf diese Weise ohne alle Unterschriften so weit erreicht, als sie über- haupt durch Zeugen möglich ist. Höchstens konnten die Parteien noch, wie oben S. 46—48 ausgeführt ist, selber mit zusiegeln, um jede Fäl- schung durch Collusion mit den Zeugen auszuschliessen. Ihre Unter- schrift aber hätte gegen die Fälschung keine Garantie gegeben und darum keinen Werth gehabt. Dass aber die Verhütung von Fälschungen die Hauptrücksicht bei dem ganzen Zusiegeln war, ist schon oben S. 47 hervorgehoben und erklärt sich leicht, wenn man die Mangelhaftigkeit des Materials dieser Wachs- tafeln in Erwägung nimmt. Diese Einkritzelungen in Wachs zu ändern und zu fälschen war natürlich ungleich leichter als Dintenschrift auf Papier oder Pergament zu fälschen. Für wie leicht man es hielt, deutet u R Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 133 Cicero an, wenn er von der gesetzlichen Vorschrift, die Beweisurkunden im Criminalprocesse zu versiegeln, sagt: Ne corrumpi tabulae facıle possint, ideirco lex obsigna- tas in publico poni voluit. denn dass dabei das 'corrumpi nicht Zerstörung sondern Fälschung be- deutet, zeigt die Anwendung auf den ihm vorliegenden Fall des Flaceus: Sed fuerint incorruptae litterae domi! Nunc vero quam habere auctoritatem aut quam fidem possunt? — obsignan- tur corruptae! Nur Ein Bedenken könnte man gegen dieses ganze Beweissystem und die Entbehrlichkeit der Unterschriften einwenden, nämlich dass durch die Nothwendigkeit der Recognition der Siegel von den Zeugen der spä- tere Beweis bei Entfernung oder gar Tod der Zeugen gar zu sehr habe erschwert ja ganz unmöglich gemacht werden können. Das war aller- dings ganz unzweifelhaft der Fall. Urkunden mit blossem Privatzeugniss sind aber überhaupt für Verhältnisse von langjähriger Dauer immer von unsicherem Werthe, absolute Sicherheit geben nur öffentliche Urkunden, und deshalb ist auch in der Kaiserzeit bei der grösseren Complieirtheit der Verhältnisse die gerichtliche Aufnahme von Rechtsgeschäften möglich gemacht. Den älteren Rechtsverkehr muss man sich eben einfacher und kurzathmiger und mit schnellerer Benutzung der Beweismittel denken, so dass man mit den blossen Privatzeugnissen ausreichte. Später wurde das anders. Die Kirche namentlich, von der ja hauptsächlich die vielen ge- richtlichen Urkunden der späteren Zeit herrühren, hat sehr wohl gewusst, warum sie die neue öffentliche Form der alten privaten vorzog. Momm- sen!) hat sich durch jene Schwierigkeiten zu der Annahme bestimmen lassen, es habe sich „im Anschlusse daran der Rechtssatz gebildet, dass eine von sieben Personen unter ihrem Siegel gleichförmig abgegebene Er- klärung, auch ohne dass sie die Siegel recognoscirten, wofern die Siegel unverletzt waren, zum Beweise einer Thatsache ausreiche“. Allein ein solcher Rechtssatz besteht weder bei uns, noch hat er, so viel ich sehe, in Rom bestanden. Auch ist er juristisch nicht wohl zu begründen; denn eine Urkunde mit Privatzeugen ist eben immer nur eine Privaturkunde, !) Verhandlungen der Sächs. Gesellschaft der Wissensch. 3, 376. 134 Bruns: und eine Privaturkunde kann nie sich selber beweisen; das können nur die öffentlichen wegen der publica fides ıhrer Aussteller und ihrer Form. Bei Privaturkunden muss die Ächtheit der Unterschriften und der Siegel, der Parteien selber wie ihrer Zeugen, stets erst anderweitig bewiesen werden, da sie an sich nicht die geringste Garantie ihrer Ächheit haben, und daher von Jedermann auf die einfachste Weise fälschlich gemacht werden können, und dies musste in ganz besonderem Grade bei den rö- mischen Urkunden gelten, so lange nıcht einmal die eigenhändige Beifü- sung des Namens zu dem Siegel nöthig war. Indessen hat der Satz auch in der späteren Zeit, wo die eigenhändigen weitläufigen Unterschriften der Zeugen nöthig oder wenigstens üblich waren, nicht gegolten. Wir haben darüber Belege aus allen Zeiten des Kaiserthums. Ulpian!) und Paulus?) sagen bei der Testamentseröffnung, sie dürfe nicht anders vor- genommen werden, als wenn die ‘maior" oder 'maxima pars signatorum’ ihre Siegel recognoscirt habe; Ulpian®) beruft sich deshalb auf einen Ausspruch von Labeo, die Zeugen müssten, wenn sie der Ladung des Prätors nicht nachkämen, von ihm gezwungen werden, und Gajus®) sagt, den abwesenden Zeugen müsse unter Umständen das Testament zur Re- cognition ihrer Siegel zugeschickt werden, in Nothfällen könne es zwar vorläufig vom Prätor eröffnet werden, es müsse dann aber doch nachher den Zeugen zur Recognition vorgelegt werden. Selbst zu Justinian’s Zeit, wo bei den Testamenten die eigenhändige Unterschrift der Zeugen gesetzlich vorgeschrieben war, machte die Un- möglichkeit der Recognition durch Tod noch grosse Schwierigkeit und veranlasste Justinian in Nov. 73 e. 7 für diesen Fall die Schriftenver- gleichung als Ersatz der Recognition vorzuschreiben. Alle dieses wäre nicht möglich gewesen, wenn einfach die 7 Siegel zum Beweise ausgereicht hätten. Dass vorläufig aus einem Testamente mit 7 Siegeln bonorum possessio und später die missio Hadrianea gegeben wurde, steht natürlich nicht entgegen, ebensowenig, dass bei öffentlichen oder in öffentlichen DDE2936: 2) Rec. sentent. 4, 6,1. S)EDA37573,9: a DIRT Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 135 Archiven deponirten Urkunden eine von Zeugen versiegelte Abschrift vor- läufig und unter Vorbehalt der Collationirung als ächt und beweisend an- gesehen wurde. Auf diesem Prineipe beruht die Stelle von Apulejus!), also aus dem zweiten Jahrhundert: Pater natam sibi fillam more caeterorum professus est; tabulae eius partim tabularıo publico, partim domo as- servantur. — linum consideret, signa, quae impressa sunt, recognoscat etc. | Ebenso die Siebenbürger Wachstafel über die Auflösung des collegium funeraticium ?), in der es im Eingange heisst: "Descriptum et recognitum factum ex libello, qui propositus est Alburno maioriı ad stationem Resculi, in quo scriptum est id, quod infra seriptum est. Das gleiche Prineip ist bei allen s. g. Militärdiplomen °®). Keine Abweichung von der Unzulänglichkeit versiegelter Urkunden ohne Recognition enthalten dagegen die Stellen bei: Cie. p. Quintio. e. 6. 61. Testificatur iste, Quintium non stitisse; tabulae signis ho- minum nobilium consignantur. — viros bonos eomplures advocat, testatur, se — petere etc. Eius rei tabellas obsignaverunt viri boni complures. da hier von der Beweiskraft noch nichts gesagt ist; ebensowenig steht die Bestimmung der Statuten des collegium funeratitium Lanuvinum #) entgegen, wonach beim Tode eines Mitgliedes über 20 Meilen von Rom: is, qui eum funeraverit, testator rem tabulis signatis sigillis civium romanorum VII, et probata causa funeratitium eius — darı sibi petito a collegio. Denn in den Worten ‘et probata causa ist hier die Nothwendigkeit eines vollen Beweises vorbehalten. 1) Apolog. s. de magia oratio. c. 89. 2) Fontes, p. 225. nro 5. 3) C. I. L. 3, 843—919. Fontes, p. 177—180. *) Fontes, p. 220. nro 3. I, 30. 136 Bruns: Durch die bisherigen Ausführungen ist für die Stipulations- und Testamentsurkunden der Mangel der Unterschrift wohl in ausreichender Weise erklärt. Bei anderen Geschäften und Urkunden, besonders Em- pfangscheinen, Quittungen und dergl. fällt allerdings die Erklärung aus dem Erfordernisse des gesprochenen Wortes weg, indessen traten die allgemeinen Gründe, die zu der Triptychen-Form führten, doch auch hier ein. Allerdings hätte man einen Empfangschein, z. B. so wie den Depo- sitalschein in den Siebenbürgischen Wachstafeln : 1) Den. quinquaginta L commendatos Lupus Carentis dixit se accepisse, et accepit a Julio Alexandro, quos ei reddere debebit sine ulla controversia. unzweifelhaft an sich grade eben so gut wie bei uns mit Unterschrift ausstellen können ?). Wollte man sich aber gegen Fälschung der Summe sichern, und dass man es für nöthig hielt, zeigt hier schon das doppelte “quinquaginta und L, so hatte man kein anderes Mittel als Zusiegelung der Schrift. Dann aber war es natürlich, dass auch der Gegner Siche- rung seines Beweises verlangte, und dann verstand es sich von selbst, dass man die allgemein bekannte und gewöhnliche Zusiegelung von Zeu- gen in der Triptychenform ohne Unterschrift der Parteien zur Anwen- dung brachte. Anders steht die Frage ım öffentlichen Rechte bei den Gesetzen, amtlichen Verfügungen und kaiserlichen Constitutionen. Hier brauchte man weder Wachstafeln noch Zeugen. Die publica fides der Beamten und der amtlichen Publieationen reichte hier aus. Hier müssen daher andere Gründe massgebend gewesen sein. Eine so specielle Begründung wie im Privatrechte möchte hier aber überhaupt wohl nicht möglich sein, und man wird auf dıe allgemeine Volks- und Lebensitte recurriren müssen. Man kann zwar sagen, bei den Gesetzen sei keine Unterschrift nöthig gewesen, weil sie nicht schriftlich erlassen, sondern vom Volke selber mündlich beschlossen wurden, und mit der Abstimmung selber ihre Kraft erlangten. Allein es ist schon oben gezeist, dass für die nachherige Pu- DE CT TER IA FRTE I Rlontes. p. 190: 2) Nämlich: „Unterzeichneter L. C. bekennt, 50 d. von J. A. empfangen zu haben. 1ER (OS ‚Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 137 r -blieation Unterschriften doch ganz wohl möglich ja sogar recht zweck- mässig gewesen wären. Ebenso bei den Beschlüssen des Senats, der Decurionen u. s. w. Bei den Verfügungen der Beamten und den Con- stitutionen der Kaiser kann man den Mangel der Namensunterschriften zwar darauf gründen, dass sie in der Form von Briefen erlassen wurden, und bei diesen keine Namensunterschrift üblich war. Allein dann kommt man nur auf die weitere Frage, warum denn in den Briefen der Name nicht wie bei uns unten sondern oben hingeschrieben wurde. Warum schrieb man von Anfang bis zuletzt nicht wie bei uns eine Anrede über den Brief und den Namen unten an’s Ende, sondern stets den Namen oben an mit dem bekannten “Ille illı salutem’, nur später bei Briefen an den Kaiser umgekehrt "Illi ille salutem’?!). Directe Anreden im ÜCon- texte der Briefe kommen doch mehrfach vor. Cicero hat sie zwar sel- ten, aber ın den Briefen an seinen Bruder schaltet er doch öfter ein: ‘mi frater‘, ‘mi suavissime et optime frater, "mi carissime frater' u. s. w. ein Brief fängt an „Mi frater, mi frater tune veritus es“ etc.?) In den Pandekten fängt ein Brief einer Frau an ihren Mann so an: "Cum petenti mibi, domine carissime, adnuerit indulgentia tua ete.?), ein Brief an den Kaiser: Kugıe Baırel "Avrovivet) In dem obigen Briefe des Papstes Johannes an ‚Justinian wird ebenso eingeschaltet: ‘gloriossissime impe- rator', 'christianissime principum. So gut wie diese Anreden in den Brief eingeschaltet sind, hätten sie auch wie bei uns darüber gesetzt werden können. Ein bestimmter Grund, warum es nicht geschah, wird sich schwerlich aufstellen lassen. Es bleibt eben bei allen Erklärungen solcher Erscheinungen der Sitte und des Volkslebens fast immer noch ein letzter Rest übrig, der eben nicht erklärt werden kann, der unmittel- bar aus der Eigenart und dem besonderen Gefühle des Volkes stammt, und danach in der Gewohnheit mit zäher Festigkeit erhalten wird, ohne dass sich eigentliche Gründe der Nothwendigkeit dafür nachweisen liessen. 1) z. B. "Theodosio Symmachus’ oder “Gloriosissimo et elementissimo filio ‚Justi- niano Johannes episcopus. C.1, 1,8. DGie. ad Q. dratrem 1, 3. 403.202 82.9. s) D. 24,1, 57. a NLA, 9: Philos.-histor. Kl. 1876. 1 [0 +} Y 138 Bruns: Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. So wird man es daher wohl nie eigentlich erklären können, warum die Römer so zähe an der Sitte, den Namen nicht ans Ende sondern an den Anfang zu schreiben, festhielten, dass sie auch in später Zeit, als die Unterschriften längst üblich ja nöthig waren, bei ihren Testamenten und Protokollen nie so wie wir schrieben: Gelesen, genehmigt, unterschrieben sondern stets und ausnahmslos nur so: Ego N. N. legi, consensi, subseripsi. RITTER Nn# % Mr Pt r3 “ FanMR Die Plastık der Hellenen an Quellen und Brunnen. Von H=- E. CURTIUS. [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 14. October 1875.] D:: Natur giebt der bildenden Kunst nicht nur den Raum und die vorbildliche Form sondern auch Gelegenheiten und Anlässe mancherlei Art zu schöpferischer Thätigkeit. So muss es jedem höher begabten Volke ein Bedürfniss sein, diejenigen Plätze, welche von Natur eine her- vorragende Bedeutung für das Menschenleben haben, auch künstlerisch auszuzeichnen, und nicht nur den dargebotenen Natursegen zweckmässig zu verwerthen, sondern auch die Freude daran so wie die dankbare An- eignung zu bezeugen. Dies findet besonders auf die Quellen des Landes seine Anwendung. Sie erschienen auf dem dürren Felsboden südlicher Länder als unmittelbare Bethätigungen göttlicher Wunderkraft; sie waren auserwählte Plätze des Gottesdienstes und ebenso die Sammelplätze im Mittelpunkte des bürgerlichen Lebens. Es ist daher eine anziehende Aufgabe, der thätigen Menschenhand in allen den Einrichtungen nachzugehen, mit denen sie die Quellorte aus- gestattet hat, und wenn wir uns dabei vorzugsweise auf Griechenland beschränken, so finden wir hier, dass schon die Pflanzung des Baums, welcher das Wasser beschattet und dem dabei rastenden Wanderer als Obdach dient, für eine wichtige und wohlthätige Stiftung galt, an welche man den Namen von Königen der Heroenzeit anknüpfte, wie die Platane Agamemnons an der Kastalia von Delphi bezeugt!). DEDiheoph.,.H: Bi IV, 13.0 Pin ıus NenEsexöyir 38: 13% 140 CURTIUS: Zu den ältesten und dauerhaftesten Denkmälern griechischer Werk- thätigkeit gehören die im Felsen ausgetieften Becken, welche das Quell- wasser aufnehmen und sammeln — daher der Namen de£ausv4 (Wasser- fang) —, mit benachbarten Sitzen und herabführenden Stufen, welche die Benutzung des Wassers zum Trinken und zum Waschen erleichtern !). Von den Anlagen, welche die im Felsen versteckte Quelle zugäng- lich machten und entfernte Bergwasser ın die Städte hinabführten, um sie durch unterirdische Gänge mit Trinkwasser zu versorgen, habe ich an einem andern Orte?) gehandelt, um den Hellenen auch auf diesem Gebiete die Anerkennung zu verschaffen, welche man ihnen in alter und neuer Zeit ungerechter Weise vorenthalten hat. Hier will ich nur von der Thätigkeit der bildenden Kunst reden, welche für die Kenntniss des antiken Kunstlebens eine hervorragende Wichtigkeit hat; denn wie der (Quell das natürliche Leben um sich herum zu vollerer Thätigkeit erweckt, so hat er auch seit ältester Zeit den menschlichen Kunsttrieb angeregt, sich gleichsam in Wetteifer mit der Natur thätig zu bezeigen. Bei den Quellen sind ja die ältesten Heiligthümer des Landes. Hier finden wir Griechen wie Römer in ihrer ursprünglichsten Religiosi- tät, und von allen auswärtigen Einflüssen am wenigsten berührt. Denn der Nympheneultus ist älter als der Cultus der Olympier mit Ausnahme des Zeus, und ım homerischen Hymnus lesen wir, wie Thelphusa von dem aus der Fremde zuwandernden Apollon nichts wissen will. Dieser älteste Oultus wurde aber nicht zurückgedrängt. Auch die Kunst der späteren Jahrhunderte konnte sich nicht genug thun, um die (Quellen durch Säulenhallen, durch Anlage von Grotten, durch Mosaiken, durch Gartenanlagen, durch Reliefs und Malerei zu schmücken; man sah in den Brunnenhäusern die Findung der Quelle dargestellt, wie die Le- sende sie zu erzählen wusste®). In hellenistischer und römischer Zeit machte sich Pracht und Künstlichkeit auf Kosten der natürlichen Anmuth 1) Ilse, missge Tränke (G. Curtius Etymologie 4, S. 281). Felströge zum Tränken an den Fahrwegen bei Kyrene: Smith and Porcher Cyrene p. 36. Gött. Gel. Anz. 1866, $. 259. Über Waschplätze Valckenaer ad Eur. Hipp. 1823, p. 150. Vgl. Odys- see VI, 92. Waschstände mit Gemälden von Wäscherinnen: Welcker, Alte Denkm. V, 226. 2) Archäol. Zeitung V. 1848, S. 19 ff. ®) Frontin, de aquae ductibus 10. 2 gun Die Plastik der Hellenen an Quellen und Brunnen. 141 des Ortes geltend. Iuvenal klagt bei der Egeria, dass die göttliche Nähe der Nymphe durch fremdartigen Luxus zurückgedrängt werde: quanto praesentius esset numen aquae, viridı si margine cluderet undas herba nee ingenuum violarent marmora tofum !) und Ovid lässt die Diana an solehen Quellen weilen, wo die Natur selbst die künstlerische Ausstattung übernommen habe (simulaverat artem ingenio natura suo?). Bei den Griechen kam es nicht leicht zu einem solchen Gegensatz zwischen Kunst und Natur. Was sich bei ihnen an Bildwerken neben den Quellen fand, war zwiefacher Art. Entweder waren sie gelegentlich bei denselben aufgestellt oder ursprünglich für sie bestimmt und geschaffen. Zu der gelegentlichen Ausstattung gehörten die Weihgaben, welche natürlich bei solchen Quellen am reichlichsten vorhanden waren, welche in besonderem Rufe wohlthätiger oder erquickender Wirkung standen, ferner bei Orakelquellen und solchen, welche zu hochzeitlichem Gebrauche bestimmt waren. / In Platons Phädros (230 B) wird ein Heilisthum der Nymphen und des Acheloos daran erkannt, dass es mit Thonfiguren (z0g«:) ausge- stattet war, und auf Vasenbildern ?) sehen wir die Fontänen mit weib- lichen Statuetten reich besetzt. Zu ihnen gehörten die Thonpuppen, die als Spielwerk der Kindheit von den Jungfrauen vor der Hochzeit an Quellen geweiht wurden. Ein anmuthiges Epigramm der Anthologie be- schreibt, wie die vielen Votivstatuetten (z0rus« radra pugia) von dem auf- spritzenden Wasser benetzt werden). Man erkennt in den Statuetten noch einzelne ganz alterthümliche Typen?) und die Mannigfaltigkeit der Stilart war ein anschauliches Zeugniss für das ehrwürdige Alter eines (Juelldienstes. Man wählte zu den Weihgeschenken auch solche Gegenstände, die 1) Iuven. III, 12. ?2) Metam. III, 158. 3) Monum. del Inst. 1859, T. XIV. Arch. Zeitung II, 1544, T. 13. O. Jahn in Archäol. Zeitung VI, 1848, S. 240. #4) Meineke, Delectus poet. Anthol. Gr. p. 123. 5) Conze, Gött. Gel. Anzeigen 1860, p. 358. HORNER 1423 CURTIUS: zu dem Lokale in einer besonderen Beziehung standen; also z. B. Thiere, die in feuchten Niederungen leben; so den Frosch, den ‘Diener der Nym- phen’, wie ihn ein Epigramm des Platon nennt (VI, 43), der den dursti- sen Wanderer auf die richtige Fährte geleitet hatte. Man schenkte Trink- hörner und Trinkschalen, wie eine Reihe von Epigrammen bezeugt !); man stiftete in gastfreundlichem Sinn, was dem rastenden Pilger zu Gute kommen konnte. So war bei dem Quell des Thespios eine Sonnenuhr aufgestellt ?). Eine weitere Entwickelung dieser plastischen Ausstattung ist die rein decorative Kunst, welche Fontänen oder Wasserbassins mit Pracht- anlagen umgiebt und durch Aufstellung von Bildwerken belebt. Das sind die Lüxusanlagen, wie sie als conchae sigillis ornatae in der von W. Wattenbach herausgegebenen Passio FV coronatorum angeführt werden. In kleinem Mafsstabe finden wir diese Verbindung der Fontänen mit Bildwerken in den Impluvien der pompejanischen Häuser. Im kaiser- lichen Rom war es Agrippa, welcher diese Anlagen in’s Grosse übertrug; die erwähnte Schrift zeigt, wie Diocletian dieselbe Gattung von Pracht- anlagen liebte. Die decorative Kunst stellt Bildwerke an Quellen und Brunnen auf, weil sie nirgends anmuthiger stehen und mit mehr Behagen betrachtet werden können, ohne dass ein innerer Zusammenhang zwischen dem Bildwerk und dem Aufstellungsorte vorhanden wäre. Wichtiger als die gelegentlichen Votivgaben und die rein decorative Ausschmückung sind uns die Kunstbildungen, welche an der Quelle zu Hause sind. Denn der bildende Trieb giebt sich nicht zufrieden, das aufquellende Wasser zu leiten, zu umhegen und möglichst nutzbar zu machen, sondern er sucht auch für das, was in der Natur vor sich geht, einen dem Vorgang entsprechenden Ausdruck, und die Fülle von Symbo- len, in denen dies geschah, zeigt uns, wie seit ältesten Zeiten die Quelle einer der anregendsten Gegenstände für das Gemüthsleben und die Phan- tasıe des Volkes war. " Das Wasser ist das lebendige Element der Schöpfung und deshalb haben es die Hellenen in Sage und Bild mit rasch beweglichen Thieren 1) Jacobs Anth. I, 159.,180. II, 89. 162. 223. ?) Ulrichs Reisen und Forschungen II, 85. 5 Die Plastik der Hellenen an Quellen und Brunnen. 143 verglichen, wie die Namen ihrer Flüsse und Bäche bezeugen. In dem Wiesenbache sah man eine Schlange sich am Boden hinwinden; bei der von Stein zu Stein hüpfenden und rennenden Welle des Bergwassers dachte man an die entsprechende Bewegung der Ziegen, Pferde, Hunde. Die verlaufenen Pferde ım Pheneosthale, von denen die Sage spricht, sind nichts als die durch unterirdische Gänge plötzlich verschwundenen Wellen des Pheneossees!), und wenn auch mit dem Hufe von Pferden die Quellen in Verbindung gesetzt werden, so hängt diese befremdliche Anschauung, wie ich glaube, damit zusammen, dass die Senkungen, in welchen Bergquellen zu Tage treten, in Folge von Erdfällen häufig einen hufförmigen Umriss haben. Andererseits wird die Energie des felsspaltenden Wasserstrahls mit der unwiderstehlichen Kraft reissender und stossender Thiere (Löwe, Wolf, Eber, Widder, Stier) verglichen und eine Reihe plastischer Symbole, wie das Stirnhorn der Flüsse, wurzelt in dieser Anschauung. Endlich beruht eine besonders wichtige Form des plastischen Aus- drucks auf der bei den Völkern des Alterthums weit verbreiteten, den Griechen und Italikern gemeinsamen und auch im Neugriechischen durch alte Tradition erhaltenen Anschauung, dass man die Quelle das Haupt des Wassers nannte?). Demgemäss war es ein allgemein verständlicher Ausdruck der Plastik, wenn man den Vorderkopf von Löwe, Eber u. s. w. bei Quellmündungen verwendete. Das offene Maul gewährte den der organischen Natur entsprechenden Ausdruck für die Ausmündung des Wassers, und so wurde die Thiermaske in Erz und Stein die constante Form des Ausgusses an Traufrinnen, Wasserleitungen und Laufbrunnen?). Deshalb werden diese Thierköpfe, auch ohne als Ausguss zu die- nen, als Symbole des Strömens an Trinkhörnern angebracht. Den Thierköpfen schliesst sich als plastisches Symbol in demselben Sinne der Menschenkopf an, indem er entweder selbst als Ausguss diente oder nur als Symbol des Wassersegens. Als Wassermündung finden wir 1) Peloponnesos I, 192. 2) Kebarn, zebaret (Herod. IV, 91), caput, Ngr. zedaragıov.. 3) Koowver Asovrorgoswzor. Haupt im Index leet. Berol. 1869 —70. Bronzener Eberkopf in Neapel, Gädechens im Jahrb. des Vereins v. Alterthumsfr. XLVI, 8. 29. 144 Ourtıvs: ihn an pompejanischen Fontänen angebracht !); als Wassersymbol auf den sich typisch wiederholenden, meist aus Athen stammenden Nymphen- reliefs, die Michaelis zusammengestellt hat?). Hier bezeichnet der am Rande angebrachte Kopf den Bergquell, an welchen der Nymphendienst sich anschliesst. Es ist, wie allgemein anerkannt wird, der Kopf des Acheloos, der nicht nur als Symbol des Wassersegens vorkommt, son- dern auch als Cultusobjekt; so auf dem Saburofischen Marmorrelief °). Bei diesem Kopfe verbinden sich menschliche und thierische For- men in zwiefacher Art. Entweder werden einzelne thierische Attribute, wie das Horn, das Symbol durchbrechender Naturkraft, mit dem Men- schenhaupte vereinigt (so entsteht der stierhörnige, zuweilen auch mit Stierohren versehene Achelooskopf), oder der Wassergott erscheint als Stier mit Menschenhaupt. Diese Form, in phönikischen Colonialländern vorzugsweise einheimisch, dürfen wir wohl als einen aus dem Orient über- tragenen Typus ansehen, als eine ausländische Zwittergestalt, welche die Hellenen sich angeeignet und veredelt haben *). Dem Stierhorn entspricht das Horn des Widders, nach welchem heftis strömende Quellbäche mehrfach benannt sind, und nach Analogie des gehörnten Acheloos wird auch der widderhörnige Zeuskopf als Sym- bol des Quellenspenders gedeutet werden dürfen. Als solcher ist Zeus Ammon von den Griechen aufgefasst worden, und seine aus Erz getrie- bene Maske wird in eimer Inschrift aus der Nähe von Berytos als Aus- guss einer Wasserleitung beschrieben: TEXVaTUa moewvov "Auuwvos nepaov Narncov dvrirumov — mgOyEovr« Roorcis iegodgonov vowp 5). I) Mazois I, pls, 7. ?2) Annali dell Instituto 1865, p. 311. 3) Wieseler, Votivrelief aus Megara, 1875, S. 6. 4) Vel. meine Abh. über Wappengebrauch und Wappenstil bei den Griechen (Abh. der Akad. 1374) S. 79. 5) C. 1. Gr. 4535. Das in allen Abschriften wiederkehrende iegodgonov glaube ich gegen Letronne und Franz festhalten zu müssen, indem ich annehme, dass in der gezierten Sprache des späteren Hellenismus der Weg durch eine Göttermaske als eine heilige Bahn bezeichnet wird. Vgl. über Quell- und Brunneninschriften S. 30. EN ey Die Plastık der Hellenen an Quellen und Brunnen. 145 Menschen- und Thiermasken bilden den Übergang aus der sym- bolisch andeutenden zu der frei darstellenden Kunst. Im Peloponnes bei Asea, wo der bis dahin unterirdische Alpheios aus dem Boden hervorbricht, und neben ihm die (Quelle des Eurotas, lagen einst als Denkmäler des seltenen Wassersegens zwei Marmor-Löwen vor dem Tempel der Göttermutter. Denn nach einheimischer Sage war sie es gewesen, welche, mit ihrem neugeborenen Kind das wüste Hoch- land durchirrend, jene Zwillingsquellen hervorgerufen hatte!). Deshalb sind die Löwen hier ohne Zweifel nicht als Werke decorativer Kunst an- zusehen, sondern als Symbole der Gottheit und ihrer befruchtenden Kraft, wie sie es in Sardes waren. Es waren im Alterthume berühmte Werke; denn der Alpheios selbst hiess wahrscheinlich von dem an seinem Quell- orte aufgerichteten Löwenpaar die Löwenfurt ?). Auch der bärtige Mann scheint nicht bloss als Kopf, sondern in voller Gestalt als Wasserspender monumental dargestellt worden zu sein. Dies schliesse ich aus einem Bruchstücke des Tagebuchs von H. Barth über seine zweite türkische Reise (August 1865), welches ich der gütigen Mittheilung des Hrn. Kiepert verdanke. Barth fand zwischen Rhodope und Orbelos bei dem heutigen Bukova mitten in der Thalsohle des Nessos ein riesiges Steinbild, das er leider nur von der gegenüberliegenden Flussseite betrachten konnte: eine menschliche Gestalt auf dem linken Arm ruhend, an welcher haupt- sächlich nur der bärtige Vorderkopf maskenartig ausgearbeitet gewesen zu sein scheint, mit dem er, auf einer breiten Basis ruhend, vom Flusse halb umflossen, in das Thal hinabschaut. Ich gebe nach Barth’s Skizze das folgende Bild, um wenigstens eine allgemeine Vorstellung des in seiner Art einzigen Denkmals möglich zu machen. Barth glaubte in dem Schnurrbart und in einer kreisrunden Ver- zierung am Kinn einen entschieden barbarischen Typus zu erkennen und hielt den Koloss für ein Werk einheimisch thrakischer Kunst, das den 1) Pausanias VIII, 44, 3. Peloponnesos I, 275. 2) Asovrsıos moaos Hesychios. Philos.-histor. Kl. 1876. 19 146 OURTIUS: I Nessos darstellen soll- te. Hoffentlich gelingt es bald einem Reisen- den diesen merkwür- digen Überrest des Al- terthums genauer zu erforschen. Den Ort näher zu bestimmen dient die beifolgende Terrainskizze. Kunstwerke in na- türlichem Gestein aus- gehauen, zur plasti- schen Auszeichnung eines (uellortes be- stimmt, finden sich auch ausserhalb der hellenischen Welt; so die Reliefs und Denk- steine bei der durch S. Taylor entdeckten Tigrisquelle unweit des Dorfes Korkhart). Wie die Perser ausgezeich- nete (Quellen durch Denkmäler ehrten, zeigt die Verherrlichung der thrakischen Tearos durch König Dareios ?). die Quellen ihres Landes. Die Lykier hatten eine besondere Aufmerksamkeit für Schönborn hat mehrfach an denselben ver- hüllte Frauengestalten (Nymphen) gesehen, die von bewaffneten Männern umgeben sind ?). x Wie reichen Anlass zu Reliefeompositionen das auf- quellende Wasser den Alten gegeben hat, zeigen die Mündungen der Fon- Ausland 1863, S. 326. Ritter, Erdkunde XIX, 2, 518. a) Ele o dot nV. il. Bachofen, Lykien S. 16. ka 07 RE A AL Et Ze vl Ga Yang v.% ET Die Plastik der Hellenen an Quellen und Brunnen. 147 tänen sowie die Verzierungen an Geräthen und Denkmälern, welche mit dem Wasser in Verbindung standen. Eines der einfachsten und schönsten Ornamente dieser Art ist das Brunnenrelief von Bavian, die Gruppe der zwei gegen einander aufgerich- teten Löwen, welche den Felsenquell umgeben und hüten, ein Muster des antiken Wappenstils, welchen wir uns seinem Hauptmötiv nach auch auf griechischem Boden denken können!). Andere Verzierungen entspringen dem Aberglauben der Alten, welche alle werthvollen Gegenstände, also auch das fliessende Wasser, vor bösem Zauber zu schützen suchten. Da- hin gehört der Phallus an der Wasserleitung bei Nismes?) und das in Relief oder Farbe bei Fontänen angebrachte Gorgoneion®). Ein merkwür- diges Denkmal dieser Art hat Dilthey beschrieben, eine kleine Marmor- fontäne in Rom mit der abenteuerlichen Gestalt eines Akrobaten, der mit emporgestrecktem Fusse zwischen den aufgestützten Armen eimen mit starrem Blick nach vorne schauenden Negerkopf zeigt. Unter demselben ıst die Mündung emer Fontäne von allerlei Gethier umgeben ®). Andere Reliefs dienten an den Fontänen zu charakteristischer Ver- zierung der Brunnensteine oder der Wasserbehälter. Wir finden sie in grösserem Mafsstabe an öffentlichen Wassermonumenten, wie z. B. an der meta sudans, an deren Basıs die Münzen Figuren zeigen’), welche in Nischen stehen,. oder in kleinem Mafsstabe an den Steinwürfeln, welche auf einer Stufenpyramide stehend in Gärten und Atrien vorkommen, wie in der casa del Apolline in Pompeji. Ein antiker Aufsatz dieser Art mit den Figuren eines Jägers, eines Flötenbläsers, eines Schiffers und einer Frau dient noch heute im Cortile del Belvedere als Springbrunnen. Ein reicher ausgestattetes, viereckiges Marmorgefäss, mit den Ha- terierdenkmälern zusammen gefunden, ist als Aschengefäss aufgefasst 6), doch ist es unzweitelhaft als Brunnenmündung componirt. Die vier Ecken sind oben mit Bocksköpfen geziert, unter denen Körbe mit Weintrauben 1) Wappengebrauch und Wappenstil, Tafel No. 13. 2) O. Jahn, Über den bösen Blick, $. 74. >) Helbig, Bullet. 1865, p. 234. Gädechens Gorgo in Ersch u. Gruber, $. 432, *) Bullet. 1869, p. 15. °) Donaldson, Arch. numismatica T. LXXX. 6) Benndorf und Schöne, Lateranisches Museum $. 226. 197 148. - CuURTIUS: angebracht sind. Die unteren Flächen sind als Wasser decorirt, das aus Muscheln herausfliesst, von trinkenden Fischen und Enten umgeben. Unter- wärts sind Delphine paarweiss gruppirt. Die Brunnen werden also wie die Quellen als die Plätze gesteigerter Naturkraft mit reichem Schmucke ausgestattet und als die von Allem, was lebt, gesuchten Plätze der Er- quickung. Man vergleiche die schöne Brunnenmündung in der Villa Al- banı!), wo Dämonen vom Kreise der Aphrodite und des Dionysos be- schäftigt sind, den durstigen Thieren das Labsal zu verschaffen. Flügel- knaben reiten sie zur Tränke, Satyrn und Pane heben mit grosser An- strengung die Amphoren, um die Krüge und Schalen zu füllen. Die Candelaber deuten auf eine bacchische Festlichkeit. Den Brunnenmündungen entsprechend werden die Postamente, auf welchen Denkmäler ım oder am Wasser stehen, durch Wellenlinien, Wassergeschöpfe und Wasserdämonen charakterisirt. So z. B. die Basis der Gruppe von Delphin und Eros im Lateran ?), wo in den Wellenlinien Fisch und Seekrebs zum Vorschein kommen. 7 An einer aus sehr hartem und schwerem, feuersteinartigem Material gearbeiteten Basis des Berliner Museums (0,175 hoch, 0,415 lang, 0,17 breit), die oben einen viereckigen Einschnitt mit einem 0,035 hohen Rande hat, ist die Vorderseite mit dem vorliegenden Relief geschmückt?). Die kleine 1) Braun, Ruinen Roms, S. 762. 2) Benndorf und Schöne, n. 366. 3) Das kleine Denkmal stammt aus der Gegend von Smyrna und gehört zu den Geschenken des Hrn. Consul Spiegelthal. Die Plastik der Hellenen an Quellen und Brunnen. 149 Basis ist im Ganzen wohl erhalten; nur die beiden Nasenspitzen sind ab- gebrochen. Die Darstellung ist trotz der flüchtigen und rohen Arbeit nicht ohne lebendigen Ausdruck und lehrreich für die Composition der Alten auf Wassermonumenten. Auf der Basis haben wir uns das Bild einer Seegottheit aufgestellt zu denken, zu welcher Seedämonen aus dem Wasser verehrend und bewundernd emporschauen. Links eine Nereide mit langem fliessenden Haar, einen Delphin in den Händen haltend; rechts ein Triton mit satyresken Zügen und spitzem Ohr, ein Ruder in der Linken. Beide haben wie die Flussgötter Hörner an der Stirn. In der Mitte kommt das Vordertheil eines Delphins zum Vorschein. Die beiden Schmalseiten sind ganz mit Wellenlinien bedeckt, aus denen auf der einen ein Seedrache sichtbar wird (Siehe S. 148). Unter den aus S. Maria di Capua erworbenen Terrakotten des Berl. Museums sind mehrere Basen, die eine ähnliche Bestimmung und Orna- mentirung haben. Auf der einen zeist das Relief eine auf einem Seepferd reitende Frau; auf einer anderen, hier abgebildeten (oben 0,17 breit, 0,23 hoch) sehen wir eine Was- sergottheit, welche sich auf den Rücken eines Delphins hebt und auf demselben zurecht setzt. Auch bei Brückenbauten wur- den die aus dem Wasser auf- steigenden Pfeiler so charakte- risirt, dass man Seegeschöpfe daran in Relief darstellte. Das sehen wir an den merkwürdigen Überresten von der alten Isonzo- brücke, die jetzt in Triest auf- ui bewahrt werden; ein Denkmal, dessen Veröffentlichung wir von den dazu berufenen Gelehrten dringend erbitten. Eine besondere Klasse bilden die Reliefs an heilisen Geräthen, die mit dem Wasser in Verbindung stehen, die Reliefs der Tempelbrunnen, deren einhegende Brüstung mit Gottheiten verziert ist, welche den Brun- nen umwandelnd gedacht werden. Aber auch einzelne Scenen der Tempel- legende finden wir dargestellt, wie z. B. den Dreifussraub, auf dem merk- 150 GURTIUS: würdigen Fragmente eines Brunnenrandes, welchen das Berliner Museum besitzt 1). Bei verschiedenen Denkmälern ist die Beziehung zum Brunnen unsicher. So bei dem vaticanischen Rundwerke in der sala de’ Cande- labri, welches wahrscheinlich als ein ausgehöhlter Altar anzusehen ist, während Anderen die daran befindlichen Darstellungen, Oknos mit dem Brunnenseil und die Danaiden, für die Ausstattung eines Brunnens be- stimmt erschienen sind?). Auch bei der capitolimischen Brunnenmündung hat man, wenn auch mit Unrecht, an dieser Bestimmung gezweifelt ?). Der ursprünglich für heilige Brunnen bestimmte Reliefschmuck ging später in einen weiteren Gebrauch zur Ausschmückung bürgerlicher Wohnungen und Gärten über. In diesem Sinne bestellte sich Cicero für seine Villen beim Atticus "putealia sigillata *). Unter den Wassergeräthen, welche zum alten Tempeldienste ge- hörten, nenne ich noch die Schalen des Weihwassers, welche eine be- sondere Betrachtung verdienen. Ich bemerke hier nur, dass das muschel- förmige Gefäss aus Megara in der Sammlung Saburoff in Athen, welches Wieseler vor Kurzem herausgegeben hat?), nach meiner Ansicht die- ser Gattung angehört. Das Centrum der bildlichen Ausstattung ist der auf einen heiligen Tisch gestellte Kopf des Acheloos und charakterisirt dadurch das ganze Geräth als eine Wasserschale. Die sieben Götter- gestalten umher, darunter Zeus und Pan, bezeichnen die verschiedenen heiligen Plätze, für welche man sich vor dem Eintritt durch Besprengung aus der Muschelschale vorbereitete ®). Ich vermuthe, dass auch die Mar- morschale aus Gabi, deren ursprüngliche Bestimmung noch immer frag- lich ist (Altar nach Clarac, Sonnenuhr nach Fröhner), ursprünglich ein Gefäss für Weihwasser war. Bei dem Eintritt in einen grösseren Tempelraum konnte man gleich einem bestimmten Gotte seine Huldigung 1) Gerhard, Berlins antike Bildwerke, S. 81. 2) O0. Jahn, Wandgemälde des Columbariums in der Villa Pamfili, S. 18. Braun, Ruinen und Museen Roms, S. 493. 3) Friederichs Bausteine I, n. 69. +) Cie. Att. 1, 10. Für “Brunnenrand’ hat man in neugriechischen Dialekten das Wort bgewyxsıros. Vgl. Gött. Nachrichten 1857, $. 304. 5) Wieseler, Ein Votivrelief aus Megare, Göttingen 1575. 6) Vgl. Heino Pfannenschmidt, Das Weihwasser im heidn. und christl. Cul- tus, Hann. 1869. ET A N LT a7 a EIRRHE Sad HF ? Die Plastik der Hellenen an Quellen und Brunnen. 151 bezeugen, wie man auch bei den Zwölfgötteraltären sich einen Gott aus- suchen konnte. Endlich gehören in den Kreis der Brunnenreliefs auch diejenigen, welche an Stelle der einfachen Thiermasken zugleich für den Wasserab- fluss dienten. So das pompejanische Relief mit der Kampfgruppe von Adler und Hase!). Man verwendete dazu auch Bildtafeln von grösseren figurenreichen Compositionen, wie das von Kekul& auf Asklepios’ Geburt gedeutete Flachrelief der Sammlung Borgia (jetzt im Lateran ?), wo der stehende bärtige Mann Trinkhorn und Kantharos hält, nach denen das am Boden sitzende Kind zu greifen scheint. Beide Gefässe waren für den Wasserabtluss durchbohrt. Ebenso das Trinkhorn auf dem "Amal- thearelief 3), welches die Frau in der gesenkten rechten Hand hält und mit der Linken unterstützt, während ein am Boden sitzender Satyrknabe den Rand desselben mit beiden Händen fasst. Dies sind also spielende Formen späterer Erfindung und Technik, indem gebohrte Mündungen, mit Röhren versehen, die altgriechischen Formen des Wassergusses er- setzten und zwar so, dass derselbe in den Zusammenhang eines mytho- logischen Vorgangs hereingezogen wurde. Auch auf Terrakottafriesen, welche mit neptunischen Symbolen geschmückt sind, finden sich gebohrte Öffnungen zum Wasserabfluss. Mannigfaltiger sind die Werke freier Plastik, welche mit künst- licher Wasserleitung verbunden sind. Denn wenn die Hellenen auch das zu Grunde liegende Gesetz nicht kannten, so haben sie die Steigekraft des Wassers höher gelegener Quellen seit alter Zeit sehr gut gekannt und zu Lauf- und Springbrunnen in Städten und Tempeln, an Land- strassen und in Gartenanlagen auf das Mannigfaltigste verwendet. Wir werden daher die ganze Menge der auf Quellen bezüglichen Werke helle- nischer Plastik in zwei Hauptgruppen zu trennen haben, indem die einen unmittelbar mit dem Wasserergusse in Zusammenhang stehen, die anderen aber nur eine ideelle Beziehung auf dieselbe haben. Denn auch die erste Gruppe entbehrt einer solchen Beziehung 1) Mazois II, pl. III. 2) Lateran. Museum, n. 11. 3) Lateran. Museum, n. 24. 152 ÜURTIUS: nicht. Man wählte vielmehr solche Gestalten, welche ihrer Natur nach dazu besonders geeignet schienen. Also zuerst diejenigen Thiere, deren Köpfe als Wassergüsse schon besprochen sind. So ist z. B. der durch Morosini entführte Löwe durch seinen aufgesperrten Rachen als Wasser- speier charakterisirt; auch sieht man am Hinterkörper die Röhrenleitung, welche ihn mit den athenischen Wassercanälen in Verbindung setzte !). Der eine der beiden Molosser ım Üortile del Belvedere hat noch eine Röhre im Maul und wie auch der Hund als Symbol des strömenden Wassers diente, zeigen ja dıe Münztypen von Segesta. Die liegende Kuh im Lateran (n. 355) hat ebenfalls noch eine durch den Kopf gehende köhrenleitung. Dass auch die menschlichen oder gemischten Gestalten von Wasser- dämonen zu Fontänen benutzt wurden, glaube ich aus Münzen schliessen zu dürfen. Denn der Wasserstrahl, welcher auf Münzen von_Üelsa dem jugendlichen Kopf des Hiberus entströmt und ebenso dem Munde des Stiermannes von Alontion ist schwer- lich Erfindung des Stempelschneiders?). Siehe die ne- benstehenden Figuren. Unter den Gottheiten wählte man diejenigen, welche ihrer Natur nach dazu geeignet schienen, dass man die Attribute derselben benutzte, um das Wasser als ihre Gabe den Menschen zuströmen zu lassen. Also zuerst die weibliche Gottheit, welche im Allgemeinen die sprossende Fülle des Naturlebens darstellt, deren erste Bedingung der feuchte Erdboden ist. Sie ist als Kybele, vorzugsweise aber als Aphrodite mit den Quellen in Verbindung gesetzt. Aphrodite ist namentlich als badende Göttin die beliebteste Fontänenfigur geworden, indem Delphine oder Eroten ihr das Wasser spenden °?). !) Adler glaubt auch seinen ursprünglichen Standort bei dem Dipylon wieder aufgefunden zu haben. Archäol. Zeitung XXXL, p. 158 f. 2) Archäol. Zeitung XIX, S. 319. Der wasserspeiende Stiermann scheint auch in Neapolis Campaniae vorzukommen. Sicher ist er auf einer von mir in Kleinasien er- worbenen Kupfermünze mit YA (?), welche Friedlaender nach Hydramia in Kreta zu Setzen geneigt ist. ») Clarae IV, 604. Die Plastik der Hellenen an Quellen und Brunnen. 153 Verwandt ist als segenspendende Naturgottheit Dionysos, welcher wie Aphrodite seine Heiligthümer in feuchten Niederungen hat. Die bacchi- schen Dämonen sind wesentlich Quelldämonen. Silene in voller Gestalt oder in Hermenform dienen zur Bezeichnung von Quellorten. Sie halten, um nur an einige der bekanntesten Motive zu erinnern, auf einem Beine knieend, den durchbohrten Schlauch auf der Schulter (drei solcher Sta- tuetten sind im Vatican zu einer Gruppe vereinigt und tragen in der gegenwärtigen Restauration gemeinsam eine Schale !) oder, mit schwerem Schritte wandelnd, lassen sie das Wasser aus dem Schlauche fliessen. Satyrknaben mit umgeknöpftem Fell tragen mit beiden Händen den Schlauch, dem das Wasser entfliesst, auf der Schulter. Ebenso kommen Pane als Schlauchträger vor; ein nackter Panisk hält eine auf einem Pfeiler ruhende Kanne, deren Mündung durchbohrt ist, und Dionysos selbst steht neben Pfeilern und Baumstämmen, aus denen das Wasser auf einen schlürfenden Panther niederströmt ?). Priapus kennen wir als Quell- gott aus Wandgemälden °). Auch Poseidon erscheint als Wasserspender und die genannten Naturgottheiten gehen mit den eigentlichen Elementargottheiten so in ein- ander über, dass es fast unmöglich wird, die liegende Aphrodite von einer Nymphe und den hingestreckten Dionysos von emem Flussgott zu unterscheiden. Aphrodite am Quell des Hyllikos wurde als 'Nymphe’ verehrt ?). Es trat auch das Mythologische ganz zurück und an Stelle der Eroten, welche bei dem Bade der Aphrodite ministriren, treten gewöhn- liche Knaben mit Gewand auf der linken Schulter, auf der sie mit beiden Händen anfassend die Amphora tragen, wie sie in den verschiedenen Ab- theilungen des Vaticans und der capitolinischen Sammlung mehrfach vor- kommen °). 1) Braun, Ruinen, S. 4854. Die naivste Art der Wasserspende, an einen be- rühmten Brunnendämon neuerer Kunst (le plus aneien bourgeois de Bruxelles) erinnernd, ist der pompejanischen Silen bei Overbeck II, No. 296a. Dasselbe Motiv bei dem Her- eules bibax. Vgl. Gött. Gel. Anzeigen 1363 S. 479. ?) Gerhard, Berlins antike Bildwerke, p. 74. 3) Helbig, Untersuchungen S. 296. %) Pausanias Il, 32. Nymphe oder Aphrodite? Dütschke, Antike Bildwerke in Oberitalien, S. 20 f. 5) Vgl. Friedrichs Bausteine I, 796. Philos.-histor. Kl. 1876. 20 154 OvrRrtıvs: Unsere Museen sind noch nicht hinreichend durchsucht, um unter den erhaltenen Statuen diejenigen zusammenstellen zu können, bei welchen in einem nebenstehenden Pfeiler oder Baumstamm oder auch in dem Körper selbst die Steigröhren angebracht sind, um durch Gefässe oder Thierköpfe das Wasser ausströmen zu lassen. Die Zerstörung der Attri- bute hat viel dazu beigetragen, das ursprüngliche Motiv zu verdunkeln !). Unter der grossen Anzahl hierher gehöriger Bildwerke lassen sich gewisse Gruppen unterscheiden, je nachdem die Motive einfacher oder gesuchter sind. In die erste Reihe gehören Aphrodite mit wasserspeiendem Del- phin 2); die Eroten mit Delphin unter dem Arm oder Urne auf der Schul- ter; Dionysos und die bacchischen Dämonen mit Urne und Schlauch; die aus abgeschwächtem Aphroditetypus erwachsenen = halbbekleideten Nymphen, welche auf ein liegendes Wassergefäss den Fuss stellen ?) oder mit der Linken eine aufgestützte Vase halten *) oder auf eine Urne selehnt ausgestreckt liegen; ebenso die gelagerten Flussgötter mit ihrer Urne. Das sind die sich wiederholenden Figuren von dekorativem Cha- rakter, allgemeine Typen ohne besondere Motive. Charakteristischer ist die Darstellung, wenn die Nymphen mit übergeschlagenen Beinen, den müden Kopf auf die Hand stützen, liegend oder sitzend beim Rauschen des Wassers entschlafen, das aus dem Ge- fässe unter ihrem Arme mündet). Verwandt ist die Darstellung schla- fender Silene und Eroten ®). Ein ktinstlicheres Motiv ist es, wenn Silen sitzend einen Schlauch mit beiden Händen empor zieht, dessen offene Mündung nach unten hängt, oder wenn er in der Trunkenheit wandelnd oder schlafend den Schlauch auslaufen lässt”). Hier ist schon das Wasser als Wein zu den- !) Mit herzlichem Danke habe ich einige von Hrn. Dr. Körte in den römischen Museen für mich gemachte Notizen benutzen können. 2) Michaelis in der Archäol. Zeitung XXXNH, 1875, S. 24. 53. 3) Gerhard, Beschreibung Roms, II, S. 258, 4. 4) Dütschke, S. 20. °) Lateran. Museum, 367. 6) Lateran. 214. 215. 370. 2), GlaraemEledsayce. 3 Die Plastik der Hellenen an Quellen amd Brunnen. 155 ken. Man componirte bewegtere Gruppen, bei denen die an den Gewässern einheimischen Vögel eine Rolle spielen. So der Kampf des Pan mit Silen, dem eine Ente entschlüpft ist und die andere entrissen werden soll!) und der mit der Gans ringende Knabe, eine Composition, welche gewiss erst später zu dem Zwecke verwendet worden ist, dass der aufgesperrte, nach Luft schnappende Schnabel Wasser speit. Man verwendete auch andere Kampfgruppen zu gleichem Zwecke, so die Gruppe von Herakles und der Hindin, welche statt Blut Wasser ausspeit. Auch in der Gruppe von Theseus und Minotauros, deren Über- reste bei H. Demetrios Katephöri in Athen zu Tage getreten sind, hat man den Kanal gefunden, welcher im Stiermaule mündete?). Man verirrte sich immer mehr zu gesuchten und unplastischen Motiven. So stellte man in einer Fontänengruppe von Neu-Korinth Bel- lerophon dar mit dem Pegasus und liess das Wasser aus dem Pferdehufe ausströmen; eine spielende Erinnerung an den ursprünglichen Zusammen- hang von Huf und Quelle (S. 143). Es finden sich in den Museen muschel- haltende Nymphen, aus deren Leibe das Wasser fliesst). In Libethrion hatten zwei Quellmündungen die Gestalt weiblicher Brüste, ebenso wie die Gefässe bei den Isisprozessionen #). Das Äusserste in dieser Rich- tung ist der Niobekopf, an welchem das Wasser als Thränenstrom aus den Augen geleitet wurde ?). Für die Geschichte der griechischen Plastik ist es von ungleich grösserer Bedeutung, diejenigen Bildwerke in das Auge zu fassen, welche nur in einem ideellen Zusammenhange mit den Gewässern stehen, in deren Nähe sie sich befinden. Die Quellen des Landes sind die Lieblingsplätze der Sage und stehen zu ihr in zwiefachem Verhältniss.. Entweder kommen die Götter und Heroen nur gelegentlich mit denselben in Berührung (wie Minerva, 1) Palazzo Corsini al Prato, Dütschke $. 109. 2) Archäol. Zeitung XXIV, T. 208, S. 160. 5) Gerhard, Beschreibung Roms, Il, $. 261, 8. Über humoristische Motive bei Silenen vgl. oben S. 153, Anm. 1. #) Paus. IX, 34. Apulejus Metam. XI, 10, p. 775. 5) Schol. Soph. Eleetra 451. Stark, Niobe, S. 91. ix 156 CurRTIUS: die sich von dem im Wasser erblickten Spiegelbilde abwendet!), Hercules, der müde unter einem Löwenkopfe sitzt und sich aus ihm überrieseln lässt 2), Europa, Odysseus und Penelope u. s. w.), oder sie gehören ihrem Wesen nach zu den Quellen, wie Narkissos, dessen Standbild Kallıstratos beschreibt "bei einer schönen Fontäne stehend’, so dass sein gesenkter Blick träumerisch auf der Wasserfläche ruhte?). Anders ist eine Narkis- sosstatue gar nicht zu denken, und wir sind nur durch die Aufstellung der Antiken in unsern Museen zu sehr daran gewöhnt, dieselben als Schau- bilder willkürlich geordnet zu sehen, so dass wir kaum darnach fragen, für welche Umgebung sie ursprünglich bestimmt waren. Reliefs und Ge- mälde müssen dazu dienen, die versprengten Werke der bildenden Kunst in ihren richtigen Zusammenhang zu bringen. Auf Gemälden sitzend, auf Gemmenbildern stehend, ist Narkissos immer mit einer Quelle in Ver- bindung, die durch einen Steinrand und auch durch Löwenkopf charak- terisirt ist. Auf beiderlei Denkmälern sehen wir Narkissos auf einen Brunnenrand sich stützend oder an einen die Quelle beschattenden Baum sich anlehnend. Mag er schwermüthig hinabstarren oder selbstbewun- dernd staunen, immer ist es das Wasser, welches die Situation erklärt, und dass die Narkissossage auch für Brunnenverzierungen ein beliebtes Thema war, zeigt am besten die ostiensische Brunnenmündung®). Man hat auch die gleichfalls in Ostia gefundene Statue des Braceio nuovo im Vatican, den sogenannten Ganymedes, der an einen Baumstamm sich an- lehnt und aus einem Kruge Wasser giesst, auf Narkissos gedeutet °). Wäre dies richtig, so müsste man annehmen, dass die Bedeutung dessel- ben ganz zu einem Dämon des Wassers erblasst und er als solcher bei einem Wasserwerke angebracht sei; denn eine Steigröhre war in dem Baum- stamme angebracht und mündete in dem Krug. Die Statue war aber in der mit Mosaiken bedeckten Nische eines Calidariums angebracht. Ohne 1) Auf einem Sarkophage in Pisa nach Conze, Zeitschrift für öster. Gymn. 1875, S. 402. 2) Annali del Inst. 1862, p. 15. Monum. VI. VII, T. 64. 3) Callistr. Statuae V. *) Wieseler, Die Nymphe Echo, Tafel 11, 1. 5) Wieseler, Narkissos, 1856, S. 39. Die Plastik der Hellenen an Quellen und Brunnen. 157 weitere Analogien wird man also diese decorative Statue, die den Namen des Phaidimos trägt, nicht als Narkissos erweisen können. Sicher aber scheint mir, dass dem capitolinischen "Antinous’, auch wenn er mit Recht diesen Namen trägt, eine unverkennbare Analogie mit jenem Heros zu Grunde liegt, wie Welcker und Wieseler erkannt haben !), und denken wir uns den Liebling Hadrians im Momente vor seiner Selbstaufopferung am Rande des Nilufers stehend, so gab es für ihn kein geeigneteres Vorbild als Narkissos. Wenn wir uns also diejenigen Quellen, an denen die Narkissos-. sage zu Hause ist, wie die nach ihm benannte Quelle bei Thespiai, nicht ohne eine entsprechende plastische Ausstattung denken können, so gilt dasselbe auch von den andern, durch besondere Sagen ausgezeichneten Quellen des griechischen Landes. Dahin gehört die Quelle Akidalia bei Orchomenos, das Bad der Chariten. Hier werden die Darstellungen zu Hause sein, welche uns die Chariten, mit Baden beschäftigt, in ihrer elementaren, den Nymphen ver- wandten Bedeutung erkennen lassen?). Die an solchen Plätzen entstan- denen Kunsttypen wurden, je mehr sie in nationales Eigenthum über- gingen, mit der Entfernung von dem ursprünglichen Lokale immer allge- meiner und unbestimmter. Indessen haben sich in Weihgeschenken noch deutliche Zeugnisse des ursprünglichen Zusammenhangs zwischen Chariten und Quelle erhalten. So finden wir namentlich auf dem capitolinischen Votivrelief, welches Cäsars Freigelassener Epitynchanus ‘Fontibus et Nym- phis sanetissimis’ geweiht hat, die Chariten in bekannter Gruppirung, die beiden nach aussen stehenden mit Ähren in der Hand); ebenso ein Wassergefäss umtanzend, durch Inschrift bezeugt*); so auch zwischen zwei auf Pfeilern aufgestellten Wassergefässen auf einer antiken Paste der Berliner Sammlung ?). ı) Narkissos, p. 48. 2) Clarac, IV, pl. 632. Jahn, Europa, T. VI. Wieseler, D. a. K., I, 3) Gerhard, Beschreibung Roms, III, S. 197. 4) Clarae, pl. 632 E. 5) Tölken, Verzeichniss III, 5, 1308. 158 CURTIUS: Auf dem Relief des Epitynchanus ist andererseits der Raub des Hylas dargestellt. Jahn wollte die Doppelgruppe so deuten, dass durch Hylas das zeitweilige Ausbleiben, durch die Chariten die Wohlthat des wiederkehrenden Wassers dargestellt werden sollte. Diese Deutung hat nach meiner Ansicht nichts Überzeugendes. Wir werden, wenn wir die ursprüngliche Nymphennatur der Chariten ins Auge fassen, auch weder die künstliche Erklärung der Paste bei Tölken billigen, welcher an das Überlassen (xagıZerSu) des Brunnens zu öffentlichem Gebrauche denkt, noch Gerhard beistimmen, wenn er in dem vaticanischen Votivrelief!), wo ebenfalls die Chariten vorkommen, ihre Figuren als allegorischen Aus- druck des Dankes (gratias agere) auffasst; wir werden vielmehr in den Chariten und dem Hylas ein zweites und drittes Beispiel dafür erkennen, dass die an einem bestimmten Orte einheimischen Quellmythen als frucht- bare Motive auf andere Lokale übertragen und von den Künstlern ver- wendet worden sind. So ist auch auf dem ostiensischen Brunnenrelief Hylas neben Nar- kissos verwendet. Aber auch bei Hylas würde man zu weit gehen, wenn man wassergiessende Knaben, wie den der Glyptothek n. 121, mit Schorn mit jenem Namen benennen wollte. Zu den Figuren, die nur in fernerer Beziehung zu den Quellen stehn, aber den genannten Darstellungen sich anschliessen, gehört die Nymphe Echo, die an rauschenden Waldquellen einheimische, welche auf Gemäl- den mit Wahrscheinlichkeit neben Narkissos nachgewiesen ist, auf einem Marmorrelief von den Aquae virginis dem Pan gegenüber sitzend ?). Es giebt aber auch eine Reihe hieher gehöriger Kunstwerke, deren Motive nicht in der Sage wurzeln, vielmehr in der (Quelle selbst und ihren Beziehungen zum menschlichen Leben. Es sind wohl mythologische Personen, welche zu diesen Darstellungen benutzt werden, und zwar solche, welche durch die Sage mit dem Element des Wassers verbunden -sind, aber sie sind nicht wie Narkissos und Hylas Träger bestimmter Mythen; es sind vielmehr dämonische Gestalten ohne individuelles Ge- präge, so namentlich Nymphen- und Satyrgestalten, mit denen des Künstlers !) Loggia seonerta 12, S. 192. ?) Wieseler, Echo, S. 29, 40. Helbig, Wandgemälde, I, S. 301. Die Plastik der Hellenen an Quellen und Brunnen. 159 Phantasie nach Belieben schalten und an denen sie das Leben an den Quellen mit freier Laune zum Ausdruck bringen konnte. Die Quellorte sind Plätze der Einsamkeit und stillen Andacht wie der Geselligkeit, der Ruhe sowohl wie des Geschäfts. Daher sind die von ihnen entlehnten Compositionsmotive von unendlicher Mannigfaltig- keit. Ihrer Anziehungskraft folgt Alles, was lebt. Daher sehen wir in musivischer Arbeit, die ja vorzugsweise für Quellorte bestimmt war, Lauf- brunnen dargestellt, welche von Thieren aller Art, vierfüssigen und Vögeln, im Kreise umgeben sind!). Hirsche mit vorgestrecktem Hals zum Wasser gehend sind ein beliebtes Motiv von Gemmenbildern. Troilos führt sein Ross zur Tränke und wird dabei von Achill überrascht?). Denn je ein- facher das Leben der Menschen war, um so mehr bildete auch für sie die Quelle den Mittelpunkt der Ereignisse. Alles Ausserordentliche drängte sich hier zusammen, Liebesabenteuer nicht weniger als Kampf- und Mord- scenen, wie sie das Epos schilderte und die Kunst mit Vorliebe darstellte. Hinterhalte am Brunnen bilden das Thema einer grossen Reihe von Vasen- bildern #) und wo der Brunnen fehlt, verrathen die am Boden liegenden Hydrien das zu Grunde liegende Quellmotiv. Andererseits ist es wiederum das Alltägliche, das regelmässig Wie- derkehrende, welches bei den Quellen zur Darstellung kam, so das Wan- deln der Frauen zum Wasserholen; denn nicht nur die Kriegsgefangenen waren es, die zur Herrenburg die Krüge trugen #), sondern auch die Frei- geborenen und Königstöchter. In feierlichem Gange wurde das Wasser zum Brautbade geholt wie zum Tempeldienste. Lais wurde von Apelles gemalt, wie sie von der Peirene zur Tempelhöhe mit dem Kruge ging und die zahlreichen Figuren von Hydrophoren bezeugen, wie gern man in der Plastik die Erinnerung an den heiligen Dienst festhielt, welchen die Töchter des Landes versahen °). Als ein Ort der Begegnung und Wiedererkennung erscheint der 1) Mosaik des Kgl. Antiquariums in Berlin. 2) Jahn, Troilos und kein Ende, S. 13. 3) Zusammengestellt bei Gerhard, Etrusk. und Camp. Vasenbilder T. E. 4) ]Jlias VI, 457. Peloponnesos II, 240. 5) Jahn, Archäol. Beiträge, S. 30. Statuetten von Lutrophoren in Gräbern: Stark, Jahresbericht der class. Alterthumsw. II, S. 1484. 160 GURTIUS: Brunnen auf den Spiegelreliefs, welche Odysseus und Penelope darstellen, wenn, wie ich nicht zweifle, der medusenartige Kopf mit den Satyrohren, der die Mitte einnimmt, eine Brunnenmündung bezeichnet !). Waldquellen werden als Plätze stiller Abgeschiedenheit betrachtet; so die bei der immergrünen Platane unweit Gortys, unter deren Schatten- dache Europa sitzt, vorgebeugt, den Kopf stützend, in tiefe Gedanken versenkt. Dies anziehende Bild, welches, wie auf gortynischen Silber- münzen, so auch in Terrakottenreliefs wiederkehrt?), führt uns zu einem der fruchtbarsten aller Kunstmotive, welche dem Leben an der Quelle angehören. Denn wenn sie auch gelegentlich ein Schauplatz der heftig- sten Scenen wird, ist sie doch an sich ein Ruheplatz, und dem entspre- chen die behaglich liegenden Gestalten, in welchen man wohl geradezu die personifieirte Quelle zu erkennen pflegt?). Dieser Typus ist aber ein weit verbreiteter Ausdruck griechischer Kunst für alle Wasserwesen, welcher sich in bärtigen und unbärtigen Männern wie in weiblichen Ge- wandfiguren mit den conventionellen Attributen von Urne, Füllhorn, Schilf, Zweig u. s. w. für Fluss, Bach und Quelle wiederholt, und die Typen gehen so in einander über, dass eine durchaus flussartige (Gestalt auf Münzen von Pompeiopolis die Beischrift ryy7 Zowvies trägt ®). Diese Gestalten sind nicht als Münztypen componirt. Man erkennt auch aus Münzen von Odessos deutlich die Basis, auf deren Rand die Inschrift steht); das Münzbild ist also nur die Copie eines auf einem öffentlichen Platze aufgestellten Denkmals. Wir lernen diesen Typus zu- erst in den Eckfiguren von Tempelgiebeln kennen, zu denen Olympia neuerdings zwei wichtige Beiträge geliefert hat. Dann ist er im helle- nistischen Zeitalter für städtische Monumente ausgebildet und endlich in der römischen Zeit bei ihrer Liebhaberei für allegorische Darstellung von 1) Annali vol. 39, 1367, p. 337. Ein Exemplar, in Chiusi gekauft, haben wir im Museum. ?) Von einem solehen besitzt das Antiquarium in Berlin eine sehr schöne Form aus Pergamon. Vgl. OÖ. Jahn, Europa, Wien 1870, S. 26. 3) “Fontaine personifice', Mionnet IV, p. 161. 4) Gardner, Greek River-worship, (Royal Society of Lit. Vol. XI. New Series.) IA Ilzc 5) Leake, Num. Hell. Eur., p. 79. Die Plastık der Hellenen an Quellen und Brunnen. 161 Ländern und Städten zu weitester Verbreitung gekommen. Die klein- asiatischen Kaisermünzen sind mit liegenden Wassergottheiten über- schwemmt; der alte Typus ist ganz zur allegorischen Phrase geworden, so dass man einzelnen Wassergottheiten Attribute gab, welche mit dem ursprünglichen Wesen der Figur nichts zu thun haben !). Wir können bei den Quellgottheiten, welche diesem Typus ruhig sitzender oder gelagerter Wasserdämonen folgen, eine zwiefache Auffassung unterscheiden. Wollte man die Nymphe als eine mächtige Naturgottheit, als eine Segenspenderin darstellen, dann ist der Oberkörper stolzer auf- gerichtet; es ist ein Wesen höherer Art, dessen gnadenreiches Walten in dem ausfliessenden Giessgefäss angedeutet wird?). Diese vornehme Hal- tung tritt besonders da hervor, wo die Nymphe sich als Orakelgöttin den Sterblichen bezeugt, denn bei den Quellen fühlte man sich der Gott- heit näher und an ihrem Rande gelagert suchte man im Traume göttliche Weisungen zu erlangen ?). Ein Quellorakel, von zwei Frauen aufgesucht, ist in einem schönen pompejanischen Bilde dargestellt, auf dem bei aller Würde, die eine religiöse Handlung verlangt, zugleich das Motiv lässiger Ruhe durch den über den Kopf gelegten Arm sehr bestimmt ausge- drückt wird ®). Dies Motiv beherrscht die ganze Gestalt, wenn sie bei geringer Hebung des Oberkörpers vollkommen ausgestreckt liegt, ein Bild sorgloser Behaglichkeit, so dass die Nymphen selbst die Ruhe geniessen, welche die Menschen bei ihnen finden, jener Umwandlung gemäss, welche seit Skopas und Praxiteles in der Bildung der hellenischen Gottheiten vor sich ging, indem sie selbst unter den Einfluss der Gaben gestellt wurden, die von ihnen ausgehen. Man hat in den weichen Umrisslinien der lagernden Gestalten eine 1) So auf ephesischen Kaisermünzen mit MAPNAC (siehe Gardner “Greek River- Worship T. II, 5) wo ein Schild sicher ist (vielleicht eine Anspielung auf den Namen). Vgl. die Nymphe der Landschaft Argolis mit dem Schilde: Millin. G. M. CXII h. I) OlENBENE. 05 UBer 3) Vgl. die Incubation des Latinus. Vergil Aeneis VII, 53. *#) Helbig n. 1001. Philos.-histor. Kl. 1876. 21 162 CurTıvs: Analogie mit Wellenlinien zu sehen geglaubt und rühmte bekanntlich an gewissen Meisterwerken von Flussstatuen, dass ihre Glieder fliessender seien als das Wasser selbst!). Man würde aber gewiss zu weit gehen, wenn man aus einer Naturmalerei den Ursprung des plastischen Typus herleiten wollte, welcher sich einfacher daraus erklärt, dass sich die Plätze des fliessenden Wassers als bequeme und anmuthige Lagerstätten dar- bieten. Wie man menschliche Zustände und Handlungen auf die elemen- taren Gottheiten übertrug, zeigt ein anderes Beispiel recht deutlich. Es dienten nämlich die Quellen und Brunnen als ein Platz für müssigen Zeit- vertreib. In der kühlen Grotte am Ausflusse des Peirene war ein Raum, recoei genannt, wo die Korinther sich am Brettspiel vergnügten?). Da nun die Wellen mit den Steinen, welche das Bett füllen, von Natur un- aufhörlich ihr Spiel treiben, lag es um so näher, auf die Nymphen das Bild des menschlichen Spiels zu übertragen. So finden wir auf den Mün- zen von Kierion die Nymphe Arne als ein niederkauerndes Mädchen, wel- ches mit Steinen oder Würfeln spielt 3). Das anmuthige Bild ist gewiss nicht für die Münze erfunden. Wir dürfen vielmehr mit Sicherheit annehmen, dass die thessalische Quell- nymphe in dieser Weise bildlich dargestellt war *) und dass sich so eines der lieblichsten Motive hellenischer Plastik entwickelt hat, das Bild halb- erwachsener Mädchen mit leichtem, von Schulter und Oberarm herabsin- kenden Gewande, am Boden bequem hingelagert, mit dem einen Arme sich aufstützend, mit dem andern die Knöchel werfend oder die gewor- fenen aufmerksam betrachtend; ein Spiel von dem Pausanias sagt, dass 1) Plinius 34, 78. 2) Eurip. Medea 68. 3) Millingen, Ancient coins, p. 49. 4) So urtheilt auch Leake, Num. Hell. Eur. p. 38. Die Plastik der Hellenen an Quellen und Brunnen. 163 es ein Symbol des von keiner Sorge getrübten, harmlosesten Mädchen- lebens sei (VI. 2). Dies Bildwerk ist in fünf bis sechs Exemplaren bekannt. Das beste, aus Tyndarıs stammende, ist Privatbesitz in Neapel. Ein zweites ausgezeichnetes Exemplar ıst das Bildwerk des Berliner Museums, die “Knöchelspielerin’, welche mit beiden Armen nach den vor ihr liegenden Astragalen gerichtet ist. Der Kopf zeigt unverkennbare Porträtbildung; es lag also dem Bildwerke wahrscheinlich die Absicht zu Grunde, ein verstorbenes Mädchen (Levezow dachte an ein Glied der Familie der An- tonine oder des M. Aurel) als Nymphe darzustellen !). In der berühmten Zeichnung aus Herculaneum, wo die Töchter der Quellmutter Niobe bei dem Knöchelspiele dargestellt sind, liegt das Vorbild einer Nymphe eben- falls sehr nahe. Das besprochene Motiv wird weiter und freier ausgebildet. Die Haltung eines am Boden kauernden Mädchens wird aufgegeben und andere Spielwerkzeuge werden eingeführt. Auf den Münzen von Larisa sehen wir das Mädchen sitzend oder laufend mit einem Balle spielen, und dar- nach müssen wir auch die weibliche Gestalt auf den Silbermünzen” von Terina deuten, welche, wie J. Friedlaender nachgewiesen hat?), mit zwei rundlichen Steinen spielt; der eine ist in die Höhe geschnellt, der zweite liest auf dem Rücken der andern Hand. Aus der Beischrift NIKA darf man wohl schliessen, dass die nymphenartige Localgottheit, ebenso wie Parthenope, ursprünglich keine andere ist, als die einheimische Gottheit, welche, wie Athena Nike in Athen, als stadtschirmende Siegesgöttin ver- ehrt wurde. Es sind aber die von Quellorten entlehnten Motive deshalb so wichtig für die Plastik der Alten, weil sie ihr Anlass gaben, das Leben der Götter und Menschen von solchen Seiten aufzufassen, welche ihr sonst fern lagen. !) Eine männliche Brunnenfigur mit Porträtkopf findet sich in Venedig: Museo della Marciana Nr. 20. Die Statue aus Tyndaris abgebildet in Abh. der Akademie 1357 Taf. 5. Vgl. G. Wolff in Nuove Memorie 1865 p. 333, der auf eine Gruppe mit Eros schliesst. Eine vorzügliche Terracotta desselben Motivs aus Tanagra besitzt Dr. Im- hoof. Blumer. 2) Arch. Zeitung 1869 S. 161. 2 164 OÖURTIUS: Die Verehrung der Gewässer war die älteste und allgemeinste. Die dort ansässigen Götter waren die Autochthonen im Lande!); sie waren dem Volke viel näher und vertrauter als die hohen Olympier. Darum sind die griechischen Nymphenreliefs wie anmuthige Volkslieder, welche das dämonische Leben an den heimathlichen Quellen in naiver Weise zum Ausdruck bringen. Ebenso kam das Menschenleben hier in einer an- deren Weise zur Darstellung. Denn während sonst aus Palästra und Sta- dium die Motive entlehnt und hervorragende Persönlichkeiten mit Bezie- hung auf bestimmte Momente eines bewegten, thatkräftigen und von edler Ruhmbegierde erwärmten Lebens dargestellt wurden, hatten die Künstler an (Quellen und Brunnen Gelegenheit, die Menschen in ihrer alltäglichen Natürlichkeit zu sehen, wo Einer wie der Andere ist, und das behagliche Sichgehenlassen als Kunstmotiv aufzufassen. Freilich kann die Quelle auch electrisiren und Energie wecken. So sehen wir auf der Ficoronischen Ciste den Jüngling, der sich, wie wir voraussetzen, aus der nahen Quelle gelabt hat, seine Arme von Neuem zu gymnastischer Anstrengung ausstrecken; die Quelle ermuntert zu froh bewegter Geselligkeit und wir sehen die Nymphen, gewöhnlich drei an der Zahl, zum Reigentanze auf grasigem Boden einander die Hand reichen. Pan tanzt mit ihnen oder spielt ihnen auf. Auch Hermes wird in den traulichen Kreis hereingezogen ?). In der Regel aber ist es ein dolce far niente, wozu das strömende Gewässer einladet, und besonders im Süden zeigt sich der Mensch hier (wie die Erinnerung an italienische Brunnen Jedem in das Gedächtniss rufen wird) in voller, selbstvergessener Behaglichkeit mit allen den an- muthigen Motiven, welche sich dem Auge des Künstlers darbieten. So wird der Zustand behaglicher Abspannung ein Gegenstand der plastischen Kunst und zwar auf sehr verschiedene Weise, in stehenden, sitzenden und liegenden Figuren. Auch Apollo erscheint vermenschlicht 1) AvroySovss Teor heissen die Paliken bei Polemon, ed. Preller p. 126. Mi- chaelis, 'Paliken S. 44. 2) Hermes als swvorawv der Najaden am obern Brunnenrande (zgyvns zgaros Em’ aevaov) aufgestellt, C. I. Gr. n. 457. Vgl. den Hermes am Quellbache des Jordan in Cae- sarea n. 4538 B. Die Plastik der Hellenen an Quellen und Brunnen. 165 und der Ruhe geniessend, mit dem über den Kopf gelesten Arm; aber sie ist der Lohn edler Anstrengung und die stille Sammlung zu neuem Wirken. Beim Silen dagegen auf der eben genannten Cista, der- den allzu eifrigen Jüngling als einen 'Thoren verspottet, ist es das niedrige Behagen am völligen Nichtsthun und die vollständige Abspannung an Leib und Seele, die stumpfe Trägheit, wie sie in bekannten Bildwerken dargestellt ist !). Zwischen beiden Extremen stehen die musicirenden Dämonen. Denn diese Thätigkeit ist die einzige, welche mit dem dolce far niente am Brunnen vereinbar ist, ja die Musik ist ja an den Quellen recht eigentlich zu Hause. Die Waldquelle ist der Ursitz des hellenischen Musendienstes, wie Aganippe und Hippokrene bezeugen, und nachdem die Musen selbst vornehm geworden und ıhrem heimathlichen Boden entfrem- _ det sind, haben ihre Schwestern, die Nymphen, ihre Gesangesliebe immer bewahrt; die alte Naturmusik hat sich in der Nymphe Echo erhalten und die bacchischen Dämonen bezeugen am deutlichsten den ursprünglichen Zusammenhang zwischen Musik und Quelle. Marsyas ist zugleich Silen und Fluss; als Flussgott gelagert, trägt er die Flöten in der Hand?). Pan erscheint als Flötenspieler auf den Münzen von Caesarea, so wie er in der benachbarten Quellsrotte des Pa- neion aufgestellt war?), oder er sitzt mit gekreuzten Beinen vor seiner Grotte. Bei ihm und den hockenden Silensfiguren mit der Syrinx am Munde (welche auch an Erzkrügen angebracht wurden, weil man die Vor- rathsgefässe wie Quellorte charakterisirte *) erkennt man den Einfluss eines volksthümlichen Humors, welcher sie mit halbthierischen Formen in possierlicher Stellung darstellte. Auch Satyrknaben spielen die Querflöte. Bei der in edlem Stil ausgebildeten Satyrgestalt sollte die Flöte nicht das Gesicht entstellen oder verdecken; es blieb also nur die nachlässig ange- lehnte Gestalt, das Bild des behaglichen Dämmerlebens im Waldschatten, ei- nes der beliebtesten Bilder antiker Plastik, das jetzt allgemein der praxi- m -— - - — ——: — — 1) Namentlich Augusteum 91. Müller-Wieseler, D.d.a. Kunst II, 498. 2) Gardner, River-worship p. 20 sq. 3) Arch. Zeitung 1869 S. 97. *) So an dem etruskischen Erzgefässe des Berliner Antiquariums. Arch. Zeitung 1856 S. 161. 166 Currıvs: telischen Kunstschule zugeschrieben und eben so allgemein als ein ursprüng- lich zur Waldquelle gehöriges angesehen wird. Man unterscheidet zwei Va- riationen, welche den Grundgedanken nicht ändern. Entweder fehlen die Flöten oder der Satyr hält sie in den Händen. In letzterem Falle nımmt man eine augenblickliche Unterbrechung des Spiels an. Von diesem Typus sind zwei Exemplare in Berlin und an dem einen!) zeigt der Baumstamm, der als Stütze dient, eine doppelte Oeflnung zum Wasserabflusse, deren eine als Löwenkopf charakterisirt ist. Der Baum ist selbst als Fontäne gedacht, wie die Platane bei Korone?). Ein ähnliches Motiv lag dem ebenfalls aufgestützten Satyr des Protogenes zu Grunde), bei dem das auf dem Pfeiler sitzende Rebhuhn wohl dazu dienen sollte, die Nähe der (Quelle und zugleich die tiefste Waldeinsamkeit zu veranschaulichen. Man betrachtet das Prädieat «varavouevos, welches dem berühmten Bilde eigen war, gewöhnlich als Bezeichnung des vom Flötenspiel Ausruhenden. Doch liegt dazu, wie ich glaube, kein Grund vor; wir sehen ja, dass das Femininum @varavousvn bei demselben Autor ($ 99) als Gattungsbegriff für ruhende Frauengestalten gebraucht wird und sind also bei dem Satyr nicht berechtist an etwas Anderes zu denken, als an ein anmuthiges Bild der dverausıs, der vollkommensten Sorglosigkeit und des heitersten Naturgenusses. Aus den ruhenden Quellfiguren entwickelt sich ein neues Kunst- motiv, der Schlummer im Freien, der Schlummer der Siesta, welcher in der Nähe eines murmelnden Wassers den Ausruhenden unvermuthet be- schleicht; ein Kunstmotiv, das die Alten sorgfältig und meisterhaft aus- gebildet haben, und zwar mit Vorliebe an Baechantinnen, welche von äusserster Leibes- und Seelenanstrengung erschöpft auf ihren Irrwegen endlich am Ufer eines Bachs oder an einem “(Juellrande in schwellendem Grase niedergesunken sind, mit der Schlange, welche sie als baechisches Kennzeichen am Arm oder am Busen tragen +). Sie unterscheiden sich darnach, ob sie liegend dargestellt sind, oder sitzend, wie die sogenannte == — a — —— m — Zr — on > ——— 1) Gerhard, Berlins antike Denkmäler p. 112. 2) Paus. IV, 34: {ei 2x mAaravov rd Üdwg mAereies. Aehnliche Baumfontäne in Bad Kreuth. 3) Plin. 35, 106. 4) Properz I, 3. Wieseler, Gött. Nachrichten 1571 S. 588. / Die Plastik der Hellenen an Quellen und Brunnen. 167 Thetis!), mit dem auf die rechte Schulter gesenkten Kopfe, indem sie die belastete Seite durch den aufgestemmten Arm stützt. Hier tritt das Zu- fällige des Schlummers noch lebendiger hervor als bei den gestreckten Figuren und das Einnicken ist in der anmuthigsten Weise dargestellt, so dass das Gesicht vollkommen frei bleibt, recht im Gegensatze zu dem vurracew der Silene, bei denen der schwere Kopf vorne über mit dem Kinn auf die Brust gesunken ist ?). Ueber die ganze Denkmälerreihe dieser schlummernden Bacchan- tinnen, der @varavonevar, wie sie mit technischer Bezeichnung genannt wur- den, hat zuletzt Dilthey gehandelt und mit vollem Rechte den Satz auf- gestellt, dass diese Figuren alle am Wasser zu stehen bestimmt waren °). Es ist ein Vorrecht des kindlichen Alters, an jedem Ort und in jeder Stellung *) sanft und leicht entschlummern zu können und deshalb ist dies Motiv mit grossem Glücke auf Knabengestalten übertragen. Die Eroten sind mit Aphrodite in den Kreis der Quell- und Brunnengestalten eingetreten. Sie stehen einzeln am Brunnen angelehnt, ähnlich den bacchischen Dämonen. Eine vorzügliche Terracotte des Berliner Museums (siehe S. 171), 0,11 hoch, zeigt uns einen Eros in behaglicher Stellung, halb stehend, halb sitzend, den Kopf etwas vorgeneigt, an einer Fontaine, wie auf eine Be- gegnung wartend. Der linke Schenkel ist auf den Rand eines viereckigen Wasserbeckens gelegt, über dem sich ein Pfeiler erhebt, dessen Vorder- seite mit einem Löwenkopf geschmückt ist. Der linke Arm, von Gewand umhüllt, ruht oben auf dem Pfeiler; die rechte Hand in die Seite ge- stemmt. Unter dem rechten Arm und um das rechte Bein gewickelt, kommt das Gewand zum Vorschein; sonst ist der Körper unbekleidet. Die anmuthigste Ruhe spricht sich in diesem Brunnenbilde aus. Die Eroten kommen aber auch bei dem Bade der Aphrodite vor, als dienstthuende Knaben thätig; sie giessen das Badewasser ein oder warten geduldig auf einem Steine sitzend. Dann verfallen auch sie dem 1) Clarac p. 729 A "Thetis endormie. 2) Böttiger, Kl. Schriften II, 356. >) Rhein. Museum für Philologie XXV, 1870, S. 154. 4) “temere in Ov. Am. I, 14, 19. 168 OvrRrTIvs: Zauber des Quellgemurmels und schlummern ein, das linke Bein aufge- stützt. Darauf liegt das Köpfchen, dem die beiden flach auf einander gelesten Hände als Polster dienen. Um das Motiv recht klar zu machen, ist bei einzelnen Exemplaren ein Wasserabfluss am Sitzsteine angebracht oder angedeutet 1). Der liegende Flügelknabe aus Tarsos?) lässt sein Köpfchen auf dem linken Arme ruhen; unter demselben liegt der mıt Gewand bedeckte Krug, dessen Mündung durchbohrt ist. Die Eidechse, welche in der Sonnenhitze am muntersten über die Felsen schlüpft, ist das natürliche Symbol des Mittagsschlafs, der den am Brunnen Rastenden übermannt und seine Glieder gelöst hat. Hier ist das Quellmotiv deutlich bezeugt. Es ıst aber in anderem Sinn verwendet: der schlummernde Knabe ist zum Todtengenius geworden und als solcher in unzähligen Exemplaren mit mancherlei noch unerklärten Einzelheiten wiederholt worden °). Nun ist es eine auf verschiedenen Gebieten klassischer Kunstdar- stellungen gemachte Wahrnehmung, dass mythologische Motive in einer Weise verallgemeinert werden, durch welche der Inhalt ganz zurücktritt. Die Begegnung von Orest und Elektra wird zum T'ypus eines unverhoff- ten Wiedersehens am Elterngrabe; die Scenen von Kriegern, die im Hin- terhalt liegen, werden wiederholt, ohne dass Troilos gemeint ist. Bei den Eroten ist die ursprüngliche Bedeutung am frühsten erblasst, und man stellte einfache Menschenkinder, Hirtenknaben mit dem Hunde #), Fischerjungen mit gefülltem Korb unter dem Arm), die am Bache oder am Fischteiche vor Müdigkeit eingeschlummert sind, in derselben Weise dar wie die Quelleroten; eben so wie die Eroten, die mit dem Kruge auf der Schulter an Wasserbassins standen, auch als einfache Knaben sich wiederholen ®). !) Eroten, Badewasser eingiessend, auch bei Narkissos (Wieseler, Echo S. 40). Clarac, pl. 644 A, Amour endormi, dieselbe Stellung wie bei dem noch wachenden pl. 604. *) Brit. Museum. Berl. Gipsabgüsse n. 825. 3) Vgl. Gerhard, Berlins antike Bildwerke 298 f., 339, 372 f. Ueber die üidechse Kekule Arch. Zeitung 1861 8. 911. +) “Amour berger, ganz gleich dem Eros, nur flügellos, Clarac pl. 644 A. °) “Enfant p@cheur, 34’ hoch, Pio Clem. Ill, 35, in verschiedenen Copien. %) Knabe mit dem Kopf auf dem aufgestützten linken Knie in Villa Albani, Clarac pl. 726 B. Die Plastik der Hellenen an Quellen und Brunnen. 169 Hieran schliessen sich die mancherlei Gruppenbilder, welche Kna- ben mit Wasservögeln am Brunnen darstellen. Der Vogel wird ruhig unter dem einen Arm gehalten und mit der anderen Hand, wenn sie nicht zum Halten eines Krugs verwendet wird, gefüttert, oder die Scene wird dadurch belebt, dass der Vogel sich sträubt und entweder beide Arme in Anspruch nimmt (s. oben S. 155) oder nur den linken, während der rechte auf einem durchbohrten Giessgefässe ruht !). Bei diesem Motiv lernte die alte Kunst Kindergestalten mit so meisterhafter Lebendigkeit darstellen, wie sie Winckelmann mit Recht an dem Capitolinischen Knaben bewun- derte, der den Hals eines Schwans umfasst?). Zu vergleichen sind die mancherlei Spiele mit Delphin, Ente u. s. w., welche aus den ursprüng- lich erotischen Brunnenmotiven erwachsen sind ?). Ein anderes Motiv ist ebenfalls dem Leben am Brunnen entsprungen. Ein Knabe, der barfuss einen Botengang gemacht hat, hat sich einen Dorn in die Sohle getreten. Er benutzt das erste Wasserbassin, an dem er vorübergeht, um seinen Fuss zu waschen und dann von dem stechenden Dorn zu befreien. Dass dies Motiv vom Brunnen stammt, ist durch verschiedene Denkmäler zu erweisen. Erstens durch die Gruppe aus Villa Mattei im Vatican, in der Pan einem Satyr den Dorn aus dem Fusse zieht, eine mittelmässig ausgeführte, aber höchst lebendig entworfene Gruppe, die von einer Brunnenmündung stammt *). Dazu kommt der Castellanische Dornauszieher, der — leider nur auf kurze Zeit als Gast im Berliner Museum geweilt hat und dann, der Unächtheit beschuldigt, über den Ocean gewandert ist. Dies merkwürdige Bildwerk wird im nächsten Jahrgang der römischen Monumenti veröffentlicht werden; darum hier nur die kurze Bemerkung, dass dies Exemplar nach meiner Ueberzeugung den Dornauszieher in seinem ältesten Typus darstellt. Er ist als ein Sclaven- junge gedacht, weit vorgebeugt mit unübertrefflicher Lebendigkeit der 1) Gal. de Candelabri 242. ?2) Gerhard, Beschr. Roms III S. 247. #) Lateranisches Museum S$. 240. *) Gerhard, Beschr. Roms II 250. Philos.-histor. Kl. 1876. 22 1708 OURTIUS: schmerzhaften Operation hingegeben. Das vorzügliche, in seiner Art ein- zige Werk ist gewiss nicht weit unter Alexander des Grossen Zeit hinab- zurücken, und liefert, da ın dem Steine, auf dem der Knabe sitzt, die Wasserlöcher deutlich vorhanden sind, einen neuen Beweis, wie die Brunnenmotive den Künstlern Anlass gaben, mitten ins Leben hineinzu- greifen und Situationen der Alltagswelt in voller Natürlichkeit darzu- stellen. Das Leben der Familie gelangte auf den Grabsteinen zu einem verklärenden Ausdruck; das Leben draussen auf Strassen und Plätzen zur Anschauung zu bringen, dazu haben Quellen und Brunnen eine nicht zu unterschätzende Anregung gegeben. Hier ist zum Theil der Anfang dessen zu suchen, was wir das antike Genre nennen können. Es beginnt mit Figuren, die noch dem mythologischen Kreise an- gehören, dem Kreise der Wassergötter, der Aphrodite, des Dionysos, die allmählich in den Charakter des rein Menschlichen übergehen. Die Nym- phen gehen nun selbst, wie die Töchter des Landes, zum Wasserschöpfen aus und dieselbe Anchirrhoe, welche auf Reliefs an Tempelgeräthen aus der Urne Wasser spendend dargestellt wurde!), schreitet nun selbst, wie sie nach einer vielfach wiederholten Statue uns Allen vor Augen steht, das Gewand von dem vortretenden Fuss emporziehend, zum Wasserrande hinab; ein Bild, das nur am Rande einer Quelle verständlich war ?). Auch auf dem seltsamen Vasenbilde des früher Blacas’schen Mu- seums sehen wir eine Nymphe, auf einem stierförmigen Flussgotte reitend, ‚mit leerer Urne zu einem Wasserbecken kommen. So wird das, was am Brunnen geschieht, in höchst naiver Weise auf die Wesen übertragen, von denen der Wassersegen stammt). Nun entfernt sich die Kunst immer mehr von Mythus und Poesie und erfindet ohne Vermittelung derselben neue Motive. Bei dem Astra- galenspiel tritt schon das Quellmotiv sehr zurück und Pausanias erkennt darin nur noch ein Bild harmloser Kindlichkeit. Bei den Bildern rin- gender Knaben erinnern die Wasservögel noch an den Ursprung; der DrBaus. VII 31. 2) Ueber die Statuen der Anchirrhoe O. Jahn, Arch. Aufs. S. 27. Zuletzt Matz in Arch. Zeit. XXXI 31 und Michaelis XXXII 24. 3) Panofka (Musee Blacas Pl. 32) p. 94 nimmt aus diesem Bilde einen Beweis gegen die Flussbedeutung des Mannstiers, weil doch ein Flussgott nicht dursten könne. Die Plastik der Hellenen an Quellen und Brunnen. 171 Dornauszieher ist nichts als ein dem Leben am Brunnen abgelauschtes Motiv. Es hat einen grossen Reiz, den inneren Entwickelungen des helle- nischen Kunstlebens nachzugehen, die wir in der Regel nur nach äusseren Thatsachen zu überblicken pflegen. Wir unterscheiden deutlich eine ältere Kunst, welche sich ausschliesslich mit dem an sich Bedeutenden und In- haltsvollen beschäftigt, und eine jüngere Richtung, die sich von Cultus und Legende entfernt, um das natürliche Leben nach den ansprechenden Seiten, die es darbietet, in voller Unmittelbarkeit darzustellen. Diese Richtung wird schon durch Myron vorbereitet; gewisse Werke des Praxi- teles tragen einen genreartigen Charakter. In der Diadochenzeit kommt diese Richtung zum Durchbruche und hat in der römischen Welt als de- corative Kunst die weiteste Verbreitung gefunden. Zu einer Geschichte der inneren Bewegung des griechischen Kunst- lebens sollte auch die vorliegende Abhandlung einen Beitrag geben, welche, ohne auf erschöpfende Behandlung des Gegenstandes Anspruch zu machen, doch vielleicht dazu beiträgt, die Fundstätten gewisser Kunstmotive rich- tiger zu erkennen. Wie die natürliche Vegetation um die Quelle reich- licher aufspriesst, so hat auch die Kunst der Alten dort frische Triebe angesetzt und sich nach solchen Seiten entwickelt, die der älteren religiösen und monumentalen Plastik fern lagen. 15) ID * Übersicht des Inhalts. Die künstlerische Thätigkeit an Quellorten Gelegentliche Ausstattung derselben . Symbolische Charakteristik . u: Wasserdämonen in Menschen- und Thierform eg Sal sul - Reliefeompositionen an Fontänen, a ra und WacRerperäten Brunnenreliefs mit Wasserabfluss Statuarische Werke mit Wasserguss > Bildwerke durch die Sage mit Quellen erbiinden . Quellmotive allgemeinerer Art. - Das Leben an der Quelle in seinem Einfluss auf die Kunst Die liegenden Wassergottheiten Die spielenden Nymphen 5 6 Die Ruhe am Brunnen als plastisches Moin, Der Schlummer am Brunnen Knaben und. Vögel . nn Au 6 Der Dornauszieher und das antike dee : Seite 139 — 141 141 — 142 142 — 144 145 — 147 147 — 150 151 152 — 155 156 — 158 158 159 160 — 162 162 — 163 164 — 166 166 — 168 169 169 — 171 Über den Begriff der Wahrheit. Von W H”" HARMS. [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 17. Juli 1876.] Von den Prineipien und dem Systeme des Erkennens, das allen Wissen- schaften zu Grunde liest, und ihren Zusammenhang vermittelt, handelt die Philosophie. Der erste Grundbegriff der Wissenschaften ist der Begriff der Wahrheit. Wissenschaft nennen wir einen Inbegriff von Wahrheiten. Man weiss nur, sagt Schelling, die Wahrheit, sie ist der Grund von der Existenz und der Bildung aller Wissenschaften. Alle wollen die Wahr- heit finden, und existiren nur, soweit sie sie gefunden haben. Von ihrem ersten Anfange an, schon vor dem Sokrates, hat die Philosophie sich mit dem Probleme beschäftist, zu untersuchen ob und wie Wahrheit ıst in der menschlichen Erkenntniss, worin sie besteht und wie wir sie erreichen können. Die verschiedensten Lehren und Dog- men sind aus der Lösung dieses Problemes der Philosophie entstanden. Es ist keine Wahrheit in der menschlichen Erkenntniss, procla- mirte die Sophistik, welche daher auch als eine Ausnahme und Ausartung von aller Philosophie gilt. Sie hebt das Streben nach dem Wissen auf, welches voraussetzt, dass die Wahrheit das Ziel und der Zweck von allem Denken ist. Wir können die Wahrheit nicht finden und ihrer nicht gewiss werden, meinten die Skeptiker in allen Perioden der Geschichte der Philosophie. Das Denken ist ein unendliches Suchen, das nicht zur Ge- wissheit gelangen kann. 174 SAN EINASRAMS Wahrheit ist in den Sinnen, versichern die Sensualisten und Em- piristen, und machen die Vernunft zur Magd der Sinne, welche sammelt, zusammenstellt, in Reihen und Gruppen bringt die Wahrheit, welche in den Sinnen ist oder sein soll. Dieser Wahrheit können wir aber niemals sicher werden, sie entschlüpft nach Platon dem Gedanken, in dem er sie ergreifen will, und er geräth in Verwunderung darüber, ob denn das eine Wahrheit ist, die nicht Stand hält und die, wie Hegel sagt, es nicht ver- trägt aufgeschrieben zu werden, da sie mzwischen schon nicht mehr vor- handen ist. Nebenher gehen die Formalisten, welche sich begnügen wollen mit einem Bruchtheile der Wahrheit, deren wir um so sicherer sein sollen als sie bloss in der Form der Übereinstimmung unserer Gedanken mit einander besteht. Diese lasse sich finden und ihrer können wir gewiss sein. Alle diese Meinungen bilden zusammen ein Ganzes. Wenn auch unter sich im Streite, vereinigen sich doch sogleich die Sophisten und die Skeptiker, die Sensualisten und die Formalisten, und bilden eine geschlossene wenn auch in sich nicht ganz einige Partei der Opposition gegen die Lehren, welche ausserdem die Philosophie über die Wahrheit, das Princip aller Erkenntniss, aufgestellt hat. Denn weder Platon noch Aristoteles, weder Hugo von St. Victor, noch Albertus Magnus, weder Öar- tesius, Spinosa und Leibniz, weder Fichte, noch Schelling und Hegel gehören den vorher bezeichneten Richtungen an, sondern bilden zusammen eine Einheit in der Auffassung über das Wesen und den Be- Begriff der Wahrheit. Sie sind, müssen wir doch glauben, in der Reihe der Philosophen die ersten, worauf wir diesen Namen anwenden, während alle übrigen nur in zweiter Reihe stehen. Sie sind die Prineipes, welche die übrigen in Arbeit und Thätigkeit versetzen und erhalten, die ausserdem nicht wissen würden, was sie anfangen sollen. In den einzelnen Wissenschaften, wie ım Leben, gilt von altersher bis auf die Gegenwart die Annahme; die Wahrheit ist das Sein, welches der Gegenstand des Denkens ist und mit dem Gedanken überstimmt, und sie ist der Gedanke, welcher den Gegenstand darstellt wie er ist. Das Sein hat keine Wahrheit, welches nicht von dem Gedanken erkannt wer- den kann und mit ihm übereinstimmt, und der Gedanken ist nicht wahr, — N ee ER EN Ra A N a a 8, an ah | KON Sn RI BAR N KR HARSSERE REKEN m FAN ERNB OIe + ca BUN ; j r LAr an ale J über den Begriff der Wahrheit. 105 der den Gegenstand anders darstellt als er ist. Diese Übereinstimmung des Seins mit dem Gedanken gilt im Leben der Menschen und allen ein- zelnen Wissenschaften als das Wesen der Wahrheit. Alle Wissenschaften, da sie erkennen wollen, verfahren in der Voraussetzung, dass das, was sie suchen, die Wahrheit, die Übereinstimmung ist des Gedankens mit dem Sein. In diesem Begriffe liest der Lehrbegriff eines Idealismus und eines Realismus der Vernunft. Der Idealismus liest darin, dass der Gedanke ein Element der Wahrheit ist. Keine Wahrheit ohne eine denkende In- telligenz, in der und für welche Alles ist was existirt, und wahr ist durch die Übereinstimmung mit dem Gedanken. Was nicht gedacht werden kann und seinen Ursprung aus keiner Intelligenz hat, hat keine Wahrheit. Nichts existirt als was mit dem Gedanken übereinstimmt. Auf der andern Seite liegt in dem Begriffe der Wahrheit ein ur- sprünglicher Realismus der Vernunft, da das Sein ein Element der Wahr- heit ist. Was nicht existirt und nicht die Kraft zum Existiren besitzt, hat keine Wahrheit. Der Gedanke hat keine Wahrheit, sondern ist nur eine leere Einbildung, dessen Gegenstand nicht ausser dem Gedanken wirklich ist. Idealismus und Realismus sind in Verbindung mit einander enthalten in dem Begriffe der Wahrheit, der das Prineip ist von aller Erkenntniss und Wissenschaft. Ursprünglich hat auch die Philosophie keinen anderen Begriff von der Wahrheit gehabt, als den eben auseinander gesetzten, und der allein gültig ist im Verkehr der Menschen untereinander, und die Voraussetzung bildet in den Forschungen aller einzelnen Wissenschaften. Aber die Philo- sophie hat eine andere Aufgabe als einen allgemeinen bekannten Begriff klar und deutlich zu machen, ihn zu analysiren und zu exponiren. Ihre Aufgabe ist es diese Begriffe, welche Anfangsgründe und Voraussetzun- gen des Erkennens in allen Wissenschaften und in dem intelligenten Han- deln des Menschen sind, zu begründen, zu rechtfertigen und zu erklären. Die Wahrheit des Erkennens will sie untersuchen, erforschen und begrün- den. Und beschäftigt mit dieser Untersuchung stösst sie überall auf Schwierigkeiten und Verlegenheiten, die sie von dem Wege, worauf sie sich ursprünglich befindet, oft völlig abbringen und sie in Bahnen leiten, wo- Hr 176 HARMS: von sie selbst nicht mehr weiss, wie sie dahin gekommen ist und wohin sie endlich gelangen werde. Denn von Zweifeln aller Art ist diese Unter- suchung nach allen Seiten umgeben und gleichsam belagert, die es, da man ihnen kritiklos folgte, bewirkt haben, dass man jene erste und älte- ste Erklärung, welche der Mensch sich garnicht rauben lässt, doch auf- gegeben, und andere Erklärungen an ihre Stelle gesetzt hat, womit man hoffte leichter durch kommen zu können, wobei man aber doch zugleicher Zeit gestehen und gestehen muss, dass die Denkweisen, welche diese neuen Erklärungen des principiellen Begriffes der Wissenschaften erzeugen, niemals ein allgemeines Gut der Menschheit werden können, sondern stets nur ein besonderer Besitz bleiben, den man sogleich aufgiebt, sobald man aus dem Cabinete der Gelehrten in das handelnde Leben der Menschheit und ın Verkehr mit dem allgemeinen Bewusstsein tritt, welches, sollte man denken, aus einer Vernunft entstanden ist. Diese Wahrheit, welche niemals die allgemeine Anerkennung finden kann, da sie den Bedingungen des allgemeinen Bewusstseins widerstreitet, kann nur als ein Kunst- griff des Denkens so lange gelten bis es gelingt die Wahrheit zu finden, welche Bestand hat nicht bloss in einer exceptionellen Denkweise, son- dern die auch in dem allgemeinen Bewusstsein des handelnden Lebens zur Anerkennung kommen kann. Denn es kann nur Eine Wahrheit und nicht zwei Arten der Wahrheit geben. Was wahr ist in der Wissenschaft muss auch wahr sein in dem Bewusstsein des handelnden Lebens. Die Wissenschaft, welche nicht zugleich lebensvoll und thatbegründend ist, wie Fichte und Platon das Wissen in Einheit mit dem Handeln aufgefasst haben, glauben wir befindet sich nicht auf dem richtigen Wege der For- schung, wenn sie für sich eine aristokratische Wahrheit postulirt, die ausser ihr keine Gültigkeit hat. Bevor wir aber diese Zweifel in Betracht ziehen, welche Veranlas- sung gegeben haben zu einer anderen Auffassung und Erklärung des Be- griffes der Wahrheit, wird es nothwendig sein die Postulate hervorzuheben, welche in dem Begriffe der Wahrheit liegen. Denn es sind darin zwei Forderungen enthalten, deren Erfüllung in allen Wissenschaften, da sie er- kennen wollen, erstrebt wird, da die Übereinstimmung zwischen dem Sein und dem Denken von beiden Seiten stattfinden muss, wenn sie vorhanden ® N a A a EEE Te Ir r ee UF u £ en } über den Begriff der Wahrheit. 177 sein soll. Alles was wirklich ist, muss gedacht, und Alles was gedacht wird, muss wirklich sein, sonst ist die Wahrheit nicht vorhanden. Exi- stirte irgend etwas, das nicht Inhalt des Denkens ist, und wäre etwas In- halt des Denkens, das nicht existirt, würde die Wahrheit nicht sein. In ihr liegen zwei Postulate: das Sein muss dem Gedanken und der Gedanke dem Sein entsprechen. Factisch ist aber diese Übereinstimmung in unserem Denken nicht vorhanden, da es viele Dinge giebt, welche nicht Inhalt unseres Denkens sind, und das Sein also einen grösseren Umfang hat als unser Denken, und da Manches in nnserm Denken sich findet, was nicht exi- stirt, wie es gedacht wird. Allein es erhellt hieraus, dass in dem Be- griffe der Wahrheit etwas anderes als eine Thatsache, dass darin das Ideal des Denkens selber gedacht wird. Desshalb sagen wir die Wahrheit existirt für uns nur als Postulate der Vernunft, nach deren Verwirklichung alle Wissenschaften streben. Wir nennen unser Denken mangelhaft, sofern in der Wirklichkeit etwas ist, das nicht Inhalt des Gedankens ist, und im Denken etwas ist, das nieht existirt, wie es gedacht wird. Aber wir können unser Denken nicht als mangelhaft und unvollständig beurtheilen, wenn nicht zugleich in ihm die Idee der Wahrheit wäre, da wir nur in Vergleich damit unser Denken als mangelhaft beurtheilen können. Wenn in unserem Denken ein Mangel ist, so ist in ıhm auch der Maassstab vorhanden, womit in Vergleich dasselbe mangelhaft ist. Die Erkenntniss unseres Mangels ist nur möglich an der Erkenntniss des Ideales des Denkens, welches die Wahr- heit ist. Die Idee der Wahrheit stammt daher nicht aus der Erfahrung, aus der Factieität unseres Denkens, sondern ist ein Begriff a priori, und zwar der erste und allgemeinste Grundbegriff, das erste Princip aller Wissenschaften. Der vernünftige Geist hat aus sich die Idee der Wahr- heit, wodurch er alles Denken beurtheilt, und deren Postulate er in allem Erkennen verwirklichen will. In allen vernünftigen Geistern ist a priori die Idee der Wahrheit enthalten, als ein ursprünglicher Gedanke, der aus dem Wesen des Geistes selber stammt. Die Wahrheit ist nicht wirklich im Denken, was von ihr wirklich ist, sind die Forderungen, welche eine unbedingte Gültigkeit besitzen. Philos.-histor. Kl. 1876. 38 178 Harms: Aus beiden, dem Ideale und dem Mangel des Denkens, entsteht in der Seele das Streben nach dem Wissen oder die Philosophie. In der Seele ist ein Bedürfniss und ein Verlangen nach der Wahrheit. Sie ist kein todter Begriff, der keine Macht über das Leben der Seele äussert, sondern eine wirkende Kraft im Erkennen. Das Ideal im Denken ist selbst der Grund des Strebens nach seiner Verwirklichung durch die Kräfte des Erkennens. Allein wenn wir auch wissen, was in dem Begriffe der Wahrheit gedacht wird, so ist es doch nothwendig, dass wir die Richtigkeit die- ser Erklärung nachweisen. Denn wenn gleich alle Wissenschaften sich bei dem Factum, dass es so ist, beruhigen können, so muss doch die Philosophie zeigen, dass dies Ziel das wahre Ziel der Wissenschaft ist, welches durch die Kräfte des Erkennens verwirklicht werden soll, und wir nicht einem Ideale nachgehen, von dem sich später zeigt, dass es nur ein Phantom ist. Sobald wir aber dies versuchen, entspringen die Zwei- fel, welche Anlass geworden sind, diesen Begriff aufzugeben und einen anderen an seine Stelle zu setzen. Soll die Übereinstimmung des Denkens mit dem Sein erreicht wer- den, so muss das Denken sich nach dem Sein richten. Und da entsteht die Frage wie es möglich ist, dass sich das Denken nach dem Sein richtet, und wie wir die Gewissheit erlangen können, dass der Gedanke den Gegenstand erkennt wıe er ist. Wenn unser Denken sich richten soll nach den Dingen um sie zu erkennen, müssen wir schon wissen, was die Dinge sind, um unsere Ge- danken danach zu richten. Wir müssen die Dinge schon vorher erkannt haben, bevor wir denken, wenn das Denken sich danach richten soll. Wenn dies aber der Fall ist, wozu denken wir dann? Wir wollen durch das Denken noch mehr erkennen als es schon geschehen ist. Soll aber dieses Denken sich wieder richten nach das Sein, so müssen wir es wie- der schon erkannt haben, um uns danach richten zu können und es ist kein Grund vorhanden worum wir denn denken. Hieraus scheint sich zu ergeben, dass wir entweder vor allem Denken schon wissen was die Dinge sind, wonach wir uns im Denken richten sollen, wo kein Grund zum ee über den Begriff der Wahrheit. 179 Denken mehr vorhanden ist, oder dass wir uns ım Denken nicht richten können nach dem Sein der Dinge. Es scheint wohl, dass man hier einen Ausweg finden kann, wenn wir annehmen, dass allem Denken schon vorhergeht ein Anschauen oder ein Wahrnehmen, denn dann können wir uns im Denken richten nach dem wahrgenommenen Sein. Indess das obige Dilemma kommt doch wieder zum Vorschein. Dann soll das Denken nicht bloss in der Phan- tasie und im Gedächtnisse wiederholen, was in der vorhergehenden Wahr- nehmung erkannt worden ist, sondern soll aus der Wahrnehmung durch das Denken mehr erkannt werden, als schon in der Wahrnehmung er- kannt ist, so befinden wir uns in derselben Verlegenheit wie vorher. Das Denken muss sich richten nach dem Sein, das es nicht kennt, was unmöglich ist, oder es ist schon erkannt und dann ist gar kein Grund zum Denken mehr vorhanden. Alle unsere Gedanken soll die Dinge, sagt man, abbilden. ‚Alle Gedanken sind Bilder der Dinge. Allein wie soll der Gedanke diese Bilder verfertigen, wenn er die Originale nicht kennt, wonach er sich richten muss, um ihre Abbildungen zu verfertigen? Kennt er aber die Originale, so ist kein Grund zum Denken vorhanden um noch erst die Ko- pien der Originale zu verfertigen. Und kennt er sie nicht, so kann er auch die Bilder nicht verfertigen. Wir kommen nicht aus diesem Zirkel, wie es scheint, heraus, wenn wir annehmen, die Wahrheit ist die Überstimmung des Gedankens mit dem Sein und um sie zu finden ist es nothwendig, dass der Gedanke sich richtet nach dem Sein, das er erkennen will, dass er aber schon erkannt haben muss um sich danach zu richten. Indess ist dies nur ein Zweifel in verschiedenen Wendungen, in den wir wider Willen gerathen, wenn wir die Möglichkeit der Wahrheit in der Übereinstimmung des Denkens mit dem Sein untersuchen. Denn es tritt sogleich noch ein anderer Anlass zum Zweifel hervor. Nehmen wir an, dass das Denken sich nach dem Sein richtet und es also die Wahrheit finden kann ın der Übereinstimmung des Gedankens mit seinem: Gegenstande, so fragt es sich ausserdem ob wir auch diese Wahrheit prüfen können. Dies scheint nicht anders möglich zu sein, als dass wir unsere Gedanken oder Vorstellungen mit den Gegenständen, 25* 180 HARMS: wie sie sind, vergleichen, und wir durch diese Vergleichung uns davon vergewissert, dass in der That beide mit einander übereinstimmen. Allein auch dies Experiment scheitert, sobald wir es anstellen. Denn wir können nicht die Vorstellung mit dem Gegenstande vergleichen, den wir nicht vorstellen und nicht kennen, sondern nur mit dem Gegenstande, den wir kennen und vorstellen. Daraus ergiebt sich aber nur eine Über- einstimmung der Vorstellungen mit einander, aber nicht mit dem Gegen- stande ausser der Vorstellung. Wir vergleichen nur eine Vorstellung oder Anschauung von dem Gegenstande mit einer andern Vorstellung oder Anschauung von dem Gegenstande und die Übereinstimmung des Gedankens mit dem Sein können wir nicht prüfen und können also nie- mals zur Gewissheit der Wahrheit gelangen, wenn diese besteht in der Übereinstimmung des Gedankens mit dem Sein. Die Wahrheit können wir also nicht finden, da das Denken sich nicht nach dem Sein richten kann, und wir können sie nicht prüfen, da wir unsere Vorstellungen nicht mit dem Gegenstande ausser der Vorstel- lung vergleichen können. Die Untersuchung führt also zum Zweifel. Wollen wir nicht im Zweifel stehen bleiben, so müssen wir entweder nachweisen, dass die Zweifelsgründe nicht haltbar sind, oder wir müssen suchen eine andere Wahrheit oder eine andere Erklärung dieses Begriffes zu finden, welche, wenn wir sie auch nicht an die Stelle der unerreichbaren Wahrheit setzen können, die wir als ein Ideal des Denkens stehen lassen, uns doch einen Ersatz bietet, so dass wir aus dem Zustande des Zwei- fels heraus kommen, und im Erkennen fortschreiten können. Diese Zweifel sind in neuerer Zeit vor Allem aus der Kantischen Philosophie entstanden, und die Veranlassung gewesen nach einer anderen Wahrheit der Erkenntniss zu suchen als die ist, welche wir nicht er- reichen können. Die Wahrheit, welche wir suchen, ist die Erkenntniss der Dinge an sich. Wir können sie aber nicht finden, denn unser Den- ken richtet sich nicht nach den Dingen an sich, sondern nur nach seinen eignen Formen und was darin erkannt wird, ist nur eine Erscheinung und kein Ding an sich. Wir können die Wahrheit nicht prüfen nach der Übereinstimmung der Gedanken mit den Dingen an sich, die wir nicht kennen, sondern nur nach der Übereinstimmung mit seinen Formen selbst. über den Begrif der Wahrkeit. 181 Unser eigenes Erkennen, Anschauen und Denken, verhindert uns die Wahr- heit zu finden, da unsere Vorstellungen stets zwischen uns, den erkennen- den Subjecten und den Dingen, wie sie an sich sind, in die Mitte tritt, und uns die Dinge verhüllt, so dass wir nicht wissen können was die Dinge an sıch sind. Was an sich existirt, können wir nicht erkennen, und was wir erkennen, existirt nicht an sich. Das Hinderniss die Wahrheit zu finden und ihrer gewiss zu werden ist unser eigenes Denken, Anschauen und Vorstellen, welches sich nicht richten kann nach den Dingen wie sie sind, und nicht mit ihnen übereinstimmen kann. Ein reiner und ab- soluter Skepticismus würde sich daraus ergeben, wenn wir nicht einen Ausweg zu finden wissen. Die Wahrheit, welche wir nicht erreichen und nicht prüfen können, ist die transscendentale Wahrheit, welche wir auch die reale, die objective oder auch die metaphysische Wahrheit nennen, weil das Sein ein wesent- liches Element in dem Begriffe der Wahrheit ist. Aber wir können doch noch eine andere Wahrheit wie es scheint finden, worin das Sein kein Element ist, und die wir die formale oder die logische, auch wohl die subjeetive Wahrheit nennen. Denn abgesehen von allem Sein der Dinge, können wir alle unsere Gedanken, Vorstellungen und Anschauungen unter einander vergleichen und ihre Übereinstimmung mit einander hervor- bringen. Diese Wahrheit können wir finden, denn sie ist in uns, sie ist die Wahrheit des Gedankens für sich, und wir können sie prüfen, da alle Gedanken in uns sich unter einander vergleichen lassen. Wir gewinnen dadurch freilich zwei Arten von Wahrheiten, wel- ches an sich etwas sehr Bedenkliches ist. Es ist das keine ursprüngliche Ansicht und Annahme, sondern eine secundäre. Denn ursprünglich hat man nur eine Wahrheit gekannt und keine zweite, nur die Wahrheit, von deren Begriff wir ausgegangen sind und die wir nun indess nur aus Verlegenheit, die reale, die transscendentale, die metaphysische Wahrheit nennen. Zu einer zweiten Art von Wahrheit daneben werden wir nur getrieben durch den Zweifel an der Erreichbarkeit der Wahrheit schlecht- hin. Weil wir meinen diese nicht erreichen zu können, nehmen wir zum zum Ersatze die zweite Art von Wahrheit an. 182 HARMS: Wenn die Wahrheit nicht besteht in der Übereinstimmung der Erkenntniss mit der erkannten Sache, so bleibt als etwaiger Ersatz nur nach die Form der Erkenntniss ohne das Object. Die Form des Erken- nens gilt als die Norm wie der Process des Erkennens in allen Sub- jeeten sich vollzieht. Es wird dabei vorausgesetzt, dass es allgemeine Formen und Gesetze des Erkennens giebt, durch deren Befolgung wir zu den gleichen Resultaten im Denken gelangen. Die Allgemeingültigkeit des Denkens ist alsdann das Kriterion von der Wahrheit, welche wir finden können, im Unterschiede und im Gegensatze zu der Wahrheit, welche in der Übereinstimmung besteht der Erkenntniss mit der erkann- ten Sache. Kant setzte die Allgemeingültiskeit an die Stelle der Objek- tivität und behauptete, dass beide Wechselbegriffe seien. Indess ist diese Objeetivität Kant’s nur eine formale und keine reale. Sie ist keine Übereinstimmung der Erkenntniss mit ihrem Gegenstande, sondern nur eine Übereinstimmung der Erkenntniss aller Menschen mit einander in Folge der gleichen Formen des Erkennens, welche die Normen sind, wo- nach sich die Erkenntniss vollziehen muss, wenn Allgemeimsültiskeit er- reicht werden soll. Ich habe es nun aber steis nur mit meinen Gedanken zu thun, wie kann ich wissen, dass meine Gedanken nicht bloss meine Gedanken, sondern die Gedanken Anderer und allgemeingültig sind? Die Über- einstimmung der Gedanken mit einander ist keine Wahrheit, und kein Kriterion der Wahrheit, sondern dieses liegt in der Allgemeingültigkeit der Gedanken. Übereinstimmung der Gedanken mit einander ist auch in einem guten Romane enthalten, die Wahrheit aber, welche die Wissen- schaften suchen ist doch etwas anderes als die schönen Phantasien in der Harmonie der Gedanken mit einander in einem Romane. Nur ge- danklose Logiker können die Übereinstimmung der Gedanken mit ein- ander als ein Kriterion der Wahrheit angeben. Es ist dabei immer voraus- gesetzt, die Allgemeingültigkeit der Gedanken sei die Wahrheit. Der Gedanke für sich hat keine Wahrheit, es muss immer noch etwas hinzu- kommen, wodurch er erst Wahrheit erlangt. Besteht dieses nicht in der Übereinstimmung des Gedankens mit seinem Gegenstande, so kann es okeit der Gedanken. oO nur bestehen in der Allgemeingülti Rn über den Begriff der Wahrheit. 183 \ Zur Allgemeingültigkeit des Gedankens kann man, wie scheint, auf einem doppelten Wege gelangen. Zwei Hülfsmittel kann man dafür ge- brauchen. Man kann dahin gelangen entweder auf dem empirischen oder auf dem speculativen Wege, entweder durch eine empirische Umfrage und eine Sammlung aller möglichen Vorstellungen, welche ich mit ein- ander vergleiche, oder durch die Gesetzmässigkeit des Denkens, woraus zugleich das Bewusstsein der Nothwendigkeit des Denkens entspringt, und dass daher Jeder so denkt wie ich, wenn das Denken gesetzmässig voll- zogen wird. Die Allgemeingültiskeit ist eine Folge aus der gesetzmälsigen Vollziehung des Denkens. Hierbei wird aber angenommen und voraus- gesetzt, dass es allgemeine Formen und Gesetze des Denkens giebt. Dies folgt aber nicht aus der Beobachtung. Denn wahrnehmen kann ich nur die Formen und Gesetze meines Denkens, dass diese aber die all- ‘ gemeinen sind, kann ich nicht wahrnehmen, sondern muss auf einem an- - dern Wege erkannt und bewiesen werden. Die formale Logik und Kant’s transscendentale Logik machen die Annahme und die Voraussetzung, dass es solche allgemeinen Formen und Gesetze als Normen giebt, wodurch über die formale Wahrheit entschie- den werde, aber der Beweis dafür fehlt, sowohl bei Kant als in der formalen Logik. Die allgemeinen Formen des Erkennens sind nur eine faktische Einrichtung des Verstandes, der sie als seine Formen in sich wahrnimmt, aber nicht beweisen kann, sondern nur voraussetzt, dass diese in ihm wahrnehmbaren Formen die allgemeinen Normen sind zur Beurtheilung der formalen Wahrheit des Erkennens. Sollte ein solcher Beweis nicht geführt werden können, so würde nur der empirische Weg nach bleiben, um die Allgemeinsültigkeit des Denkens zur Beurtheilung seiner Wahrheit zu erlangen. Dahin zu ge- langen würde nur möglich sein durch die empirische Umfrage. Die Übereinstimmung der Gedanken mit einander genügt nicht, jeder sucht die Zustimmung und Anerkennung Aller. Ich kann meine Gedanken mit den Gedanken der Auktoritäten aller Wissenschaften, aller Gelehrten, der gesammten Geschichte vergleichen, und in je grösserem Umfange dies ge- schieht, und die Übereinstimmung daraus resultirt, um so sicherer werde ich sein, dass ich in der Übereinstimmung meiner Gedanken formale 184 HARMmS: Wahrheit, oder Allgemeingültigkeit, wenn auch keine reale Wahrheit be- sitze. Von diesem Standpunkte aus ist daher auch die Erklärung ge- geben worden, was von allen Menschen jederzeit und allerorts gedacht wird, ist wahr. Diese allgemeine Übereinstimmung sei das Siegel der Wahrheit und ein anderes gäbe es nicht. Für diesen Standpunkt bleibt kein anderes Mittel als das der empirischen Umfrage nach. Denn die Übereinstimmung mit den Formen und Gesetzen des Denkens kann er nicht als Kriterion der Wahrheit verwenden, da er sie nur als Gewohn- heiten des Vorstellens ansieht, welche gleichfalls nur aus der Summe der Vorstellungen und ihrer Ausgleichung entstehen. Diese Gewohnheiten des Vorstellens werden schwache oder starke, mächtigere und kräftigere, gute oder schlechte Gewohnheiten sein, je nachdem sie aus einer grösse- ren oder kleineren Summe von Vorstellungen und ihrer Ausgleichung sich gebildet haben. Daher bleibt immer nur die empirische Umfrage nach als Mittel für die Entscheidung über die Allgemeingültigkeit des Denkens, worin allein die erreichbare Wahrheit bestehen soll. Wenn dies Mittel nun auch vielfach gebraucht werden sollte, so gewährt es doch keine Entscheidung und ist nur eine Aushülfe, zu der wir getrieben werden in Anlass der Zweifel an der realen Wahrheit und solange wir diese Zweifel für begründet halten. In seiner eigenen An- wendung ist das Verfahren jedoch mit sich selbst im Widerspruch. Wir können es garnicht verwenden, ohne sogleich wieder voraussetzen, was wir so eben als unerreichbar verworfen haben, dass die Wahrheit ist die Übereinstimmung des Gedankens mit dem Sein. Denn die Überein- stimmung meiner Gedanken mit dem Gedanken Anderer erkenne ich nur nach dem Satze der Übereinstimmung des Denkens mit dem Sein. Die Gedanken Anderer sind ein Objekt, womit meine Gedanken überein- stimmen sollen. Nicht wie ich sie denke und sie meine Gedanken sind, sondern wie sie unabhängig Aavon existiren, soll ich sie in Über- einstimmung mit meinen Gedanken erkennen. Und wir wenden dazu das so eben verworfene Mittel an der Vergleichung des Gedankens mit sei- nem Gegenstande um dadurch seine Wahrheit zu prüfen. Die Täuschung besteht nur darin, dass wir es nicht mit einem Object, mit einem Sein meinen zu thun zu haben, weil in diesem Falle, Gedanken Anderer, die £ über den Begriff der Wahrheit. 185 Objekte meines Denkens sind, welches mit ihnen übereinstimmen soll, wie sie sind. Es ist dies Verfahren daher nur eine Inconsequenz, welche verräth, dass man in seinem Verfahren mit sich selber in Widerspruch ist, da man den Grundsatz und das Kriterion gebraucht, welches man so eben als unanwendbar verworfen hat. Wenn man consequent bleiben will, muss man auf dem Standpunkte der blossen Subjektivität verharren, da man es immer nur mit seinen eigenen Gedanken und ihrer möglichen Übereinstimmung zu thun hat, die aber niemals ein genügendes Maass der Wahrheit ist, welche, wenn sie nicht die reale soll sein können, wenigsten die formale sein muss, die die Allgemeingültigkeit der Gedan- ken und nicht bloss ihre Übereinstimmung mit einander fordert. Allein, wenn man anch von dieser Inconsequenz absieht, mit der empirischen Umfrage kann man doch nichts anfangen. Denn ob es Ge- danken giebt, welche von allen Menschen jederzeit und allerorts gedacht worden sind, ist jedenfalls sehr zweifelhaft, vielleicht kann man nicht einen einzigen solchen Gedanken nachweisen. Statt dessen treffen wir die verschiedensten Ansichten und Meinungen. Und was sollen wir nun mit der empirischen Umfrage anfangen? Nach der geringeren und grösse- ren Verbreitung dieser Ansichten, ihrer längeren oder kürzeren Dauer, der Zahl der Stimmen, oder dem Ansehen der Gelehrten, können wir doch sie nicht beurtheilen, wenn es auch vielfach geschieht und es nicht zu leugnen ist, dass es vielfach geschieht. Es entstehen daraus nur die Schul- meinungen, die Ansichten der Zeitrichtungen, die Meinungen der Parteien. Zu einer Entscheidung können wir aber nicht auf diesem Wege gelangen. Nur zu oft machen wir die Erfahrung, dass in diesen Meinungen, welche zur Wahrheit gemacht werden, durch Auktoritäten, durch die Zahl der Stimmen, ihre grosse Verbreitung und ihre längere Dauer plötzlich, gleich- sam über Nacht, eine Änderung eintritt. Die Wahrheit würde da nur ein ewiges Schwanken sein in den Meinungen der Menschen, sie würden nur in Satzungen bestehen, die sich zufällig in grösseren und kleineren Kreisen festgesetzt haben. Es entstehen daraus nur Tageswahrheiten, die doch nicht das Ziel sind, welches die Wissenschaften erreichen wollen. Zur Entscheidung würden wir nur gelangen können, da wir mit der All- gemeingültigkeit durch empirische Umfrage in diesem Gewirre verschie- Philos.-histor. Kl. 1876. 94 Ta RATE re Ne aa RE RT DR SA urhen RR EEE NER, VRR TraTURN N RR KTTIERR STRAR ' e\ = . N ® > Ka N a ya ame, . a AAO N u “ “ t N a“ f Id x ‘ 186 Bene dener Ansichten nichts machen können, wenn wir das bereits aufgegebene Kriterion, die angeblich unerreichbare Wahrheit, welche wir nicht sollen prüfen können, wieder zur Hülfe rufen, und erklären unter allen verschie- denen Ansichten welche wır factisch vorfinden, ist nur die wahr, welche den Gegenstand darstellt wie er ist, mag sie geringere oder grössere Verbreitung haben, von kürzerer oder längerer Dauer sein, mag sie viele oder wenige Auktoritäten für sich besitzen. Nach der Allgemeingültig- keit in empirischer Umfrage kann man zu keiner Entscheidung gelangen, diese formale Wahrheit in der Übereinstimmung aller Gedanken des Men- schen ist keine, wenn es keine reale giebt in der Übereinstimmung des Gedankens mit dem Sein, und diese als unerreichbar und unprüfbar gilt. Die Zweifel, so scharfsinnig sie sein mögen, sie werden immer wieder um- geworten, sobald wir in praxi, in dem Verfahren und der wirklichen Aus- bildung des Erkennens und der Wissenschaften uns befinden. Der Zweifel beunruhigt wohl eine Zeitlang, aber das Mittel der Aushülfe, Allgememsül- tigkeit durch empirische Umfrage nützt nıchts, wir kehren wieder zurück zu dem ursprünglichen Standpunkte, aus dem uns der Zweifel vertrieben hat. Es kommt nun aber noch ferner hinzu, dass wenn alle Wahrheit beschränkt sein soll auf die Allgememeültiskeit des Gedankens durch empirische Umfrage, dadurch auch aller Fortschritt in der Entwicklung der Wissenschaften negirt werden würde, da jeder Entdecker einer neuen Wahrheit ursprünglich nicht nur völlig isolirt steht mit seinen neuen Ge- danken, sondern auch von seiner Wahrheit überzeugt ist trotzdem dass k er statt in Übereinstimmung in Widerstreit sich befinden mit den allge- mein verbreiteten Ansichten und Meinungen. Woher soll er die Über- zeugung von der Wahrheit seiner Gedanken schöpfen, wenn diese in der Allgemeingültigkeit durch empirische Umfrage und nicht darin bestehen soll, dass dieser neue Gedanke den Gegenstand darstellt wie er ist. Aller Fortschritt in der Entwicklung der Wissenschaften ruht auf der Annahme und Möglichkeit der realen Wahrheit und nicht der formalen in der All- gemeingültigkeit des Gedankens. Diese würde ein Hinderniss sein für den Fortschritt der Wissenschaften, wenn ihre Forcher sich gefangen nehmen liessen durch die obigen Zweifel und sich begnügten mit der formalen Wahrheit in der Allgememsgültiskeit der Gedanken. Sie kann . N B ag A DL ERTR Vr I TED Aal? a are 0, "7 RT Aa NR re a Kada Ede DEsAR U RRR Dia yarkanae Dun KRIPPE N ET RAU NR A Pk u 20 ” . x h / - ö A i kr) u Be \R 4 a M Ey n \ a x über den Begriff der Wahrheit. 187 höchstens angesehen werden als ein günstiges Vorurtheil für die Wahr- heit einer Ansicht, aber mehr ist sie nicht. Alle Wissenschaften streben nach Allgememgültigkeit der Gedan- ken, so dass in ihr Alle in Übereinstimmung mit einander denken und zu den gleichen Resultaten in dem Processe des Denkens gelangen. Sie ist aber eine Folge von der Übereinstimmung der Gedanken mit dem Gegenstande. Die wahre d.i. die mit ihrem Gegenstande übereinstim- mende Erkenntniss ist auch die allgemeimgültige Erkenntniss, zu der jedes ü Denken gelangen muss. Die Wissenschaft ist ein universelles Bewusst- sein, worin sich das Denken aller in gleicher Weise vollziehen soll, aber das Maass des universellen Bewusstseins oder der Wissenschaft ist die Wahrheit, die reale, die objeetive Wahrheit. Die Differenz der Denken- den unter einander in ihren Gedanken, welche ihre Allgemeingültigkeit verhindert, ist zugleich eine Differenz der Gedanken mit dem Sein, und es kann nur die eine Übereinstimmung zumal mit der anderen erreicht werden. Alle Gedanken stimmen mit einander überein in dem gleichen Gegenstande, worauf sie sich beziehen und den sie erkennen. Es ergiebt sich also, dass diese auf einem Skeptieismus ruhende empiristische Ansicht von einer bloss erreichbaren formalen Wahrheit in der Allgemeimgültigkeit des Denkens durch empirische Umfrage nicht haltbar ist, dass sie für ihre eigene Durchführung immer wieder als mög- lich voraussetzen muss, was sie bestreitet, dass sie annehmen muss, was . sie verwirft, die reale Wahrheit als einziges Kriterion und Ideal des Denkens. Von dieser empiristichen Ansicht unterscheiden wir die spekula- tive Auffassung von der formalen Wahrheit, welche besteht in der All- gemeingültigkeit des Denkens. Sie ist namentlich von Kant aufgestellt, formulirt und entwickelt worden. Auch sie ruht auf dem vorher ange- gebenen Skeptieismus, dass wir die reale Wahrheit nicht finden und nicht prüfen können. In diesem Falle bleibt nur formale Wahrheit in der u Übereinstimmung der Gedanken mit einander nach, vorausgesetzt, dafs diese Gedanken allgemeingültig sind. In der speculativen Ansicht wird nun aber angenommen, dass die Allgemeingültigkeit keine Folge ist der empirischen Umfrage, sondern eine Folge ist von allgemeinen Formen, 24° art, 188 HARMmS: Bedingungen und Gesetzen, wonach der Process des Erkennens sich voll- zieht. Es entspringt daraus das Bewusstsein der Nothwendigkeit des Denkens und mithin dass Alle in gleicher Weise denken und zu gleichen Resultaten, zur Allgemeingültigkeit des Denkens gelangen. Wenn wir diese speculative Ansicht von einer bloss möglichen for- malen Wahrheit im Gegensatze mit der unerreichbaren transscendentalen Wahrheit in Betracht ziehen, müssen wir zunächst die Voraussetzung, wodurch sie bedingt ist, als gültig zu geben, dass es solche allgemeine Formen als Normen des Erkenntnissprocesses giebt, wonach wir die for- male Wahrheit beurtheilen. Ohne Zweifel giebt es formale, oder wie man auch sagt, ideale Wahrheiten in der Übereinstimmung einer Erkenntniss mit der anderen. Die Möglichkeit jeder Wissenschaft ruht darauf, dass alle ihre Erkennt- nisse mit einander übereinstimmen zu einem Ganzen, wobei wir an diesem Orte davon absehen, wie diese Übereinstimmung stattfindet, ob durch Analysis oder Synthesis, durch Induction oder Deduction, ob durch direete oder indireete Beweisführung. Dies sind in Beziehung auf unseren Zweck untergeordnete Nebenfragen. Die formalen oder idealen Wahrheiten be- haupten nichts über die Wirklichkeit des Gedachten, sondern nur etwas über die Allgemeingültigkeit des Gedankens. Sie denken nichts Wirkliches, sondern nur etwas Mögliches. Sie haben daher in Beziehung auf das Sein und die Wirklichkeit stets nur hypothesische und keme kategorische Gültigkeit. Für uns handelt es sich garnicht darum, ob es solche Wahrheiten giebt oder nicht giebt, sondern allein um die eine Frage, ob sie als Wahrheiten gelten können, wenn es keine reale Wahrheit giebt, wenn diese unannehmbar ist und nicht geprüft werden kann. Wir zweifeln nicht an der Existenz der formalen und idealen Wahrheiten, sondern be- haupten, dass sie wahr sind nur unter der Bedingung der realen Wahr- heit und dass, wenn diese zweifelhaft ist oder sein soll, alsdann auch alle formalen oder idealen Wahrheiten nichts sind. Denn wenn es solche Wahrheiten giebt, so wird doch eim Doppeltes möglich sein. Sie werden entweder in der Erkenntniss des Sein angewandt werden können oder nicht, und die Frage, was sie sind, welchen Werth und welche Bedeutung a N - über den Begriff der Wahrheit. 189 sie haben ist abhängig davon, ob wir sie in das Erkenntniss des Sein anwenden können oder nicht. Ist das Erstere der Fall, dass die formalen Wahrheiten in der Erkenntiss des Seins angewandt werden können, so sind sie zugleich reale Wahrheiten in der Übereinstimmung des Denkens mit dem Sein. In diesem Falle gilt der ursprüngliche Grundsatz der Metaphysik, was noth- wendig gedacht wird, ist wahr, wie ich denken muss, so ist es. Das Sein ist ein Element nicht blofs der realen sondern auch der formalen oder idealen Wahrheit, weil sie Anwendung haben in der Erkenntniss des Realen. Dieser Fall kommt also an diesem Orte für uns nicht in Betracht, da man keine formale Wahrheiten annimmt im Gegensatze mit der realen Wahrheit. Alle formale Wahrheiten denken nur ein Mögliches und für sich nichts Wirkliches. Aber das Mögliche ist entweder der Inhalt des Wirklichen, oder selbst eine Folge des Wirklichen, welches der Grund des Möglichen ist. Also müssen auch alle formalen oder idealen Wahrheiten anwendbar sein in der Erkenntniss des Wirklichen und die Wahrheit selbst ist die Übereinstimmung des Denkens mit dem Sein und sie allein ist die Wahrheit. Für uns kommt nur der andere Fall in Betracht, dass die formalen Wahrheiten nicht anwendbar sind in der Erkenntniss des Seins, da alle reale Wahrheit als zweifelhaft gilt. Nun aber wenden wir sie doch be- ständig an in der Erkenntniss der Dinge. Es giebt gar keine Erkenntniss ohne die Anwendung formaler Wahrheiten. Allein diese Anwendung wird zugleich auf diesem Standpunkte durch einen Zusatz wieder aufgehoben und zurückgenommen, so dass in der That keine Anwendung stattfindet. Sie gelten von dem Gegebenen, ın der Erkenntniss der Dinge nur, sagt man, insofern als wır dasselbe denken. Sie haben keine Anwendung in der Erkenntniss der Dinge, sie sind keine Wahrheiten des Seins, sondern nur des Denkens. Sie gelten nur von Erscheinungen und nicht von den Dingen an sich, sie gelten nur von dem Gegenstande sofern er gedacht wird, und nicht sofern er ist. Auf diesem Standpunkte greift man also den obigen Grundsatz an; was nothwendig gedacht wird, ist wahr, wie ich denken muss, so ist es. Man substituirt dafür den Grundsatz, wie es Kant in der Kritik der reinen Vernunft gethan hat, wie ich denken muss, so 190 HARMS: ist es nicht, sondern so erscheint nur der Gegenstand im Denken. Es folgt daraus nur eine Wahrheit der Erschemungen im Denken, aber nicht der Dinge, welche erscheinen, nur eine anthropologische Wahrheit, aber keine Wahrheit der Natur der Dinge, es folgt daraus nur Allgemeingültig- keit des Denkens bei allen Menschen in Folge der allgemeinen Formen des Erkennes als Normen des Erkenntnissprocesses, aber keine Wahrheit in der Erkenntniss der Dinge an sich. Indess auch diese Ansicht ist nur ein Nothbehelf, sie hat für sich gar keine Existenz. Wir nehmen sie nur an, weil die reale Wahr- heit transscendental sein soll, die wir doch immer wieder als das Ziel des Denkens annehmen. Daher setzen wir ein Sein, Dinge an sich, voraus, wozu wir innerhalb dieses Standpunktes garnicht berechtigt sind. Denn in diesem Falle gebrauchen wir den Grundsatz, wie ich denken muss, so ist es. Es giebt ein Sein ausser dem Denken und nicht bloss Er- scheinungen im Denken. Ebenso nehmen wir an allgemeine Formen des Erkennens als Normen des Erkenntnissprocesses, wozu wir nur berechtigt sind, nach dem Grundsatze, wie ich denken muss, so ist es. Denn diese Formen sind keine Erscheinungen meines Denkens, sondern Normen zur Beurtheilung der formalen Wahrheit meines Denkens und setzen voraus, dass wahr ist, was nothwendig gedacht wird, sonst würde der Satz, dass ich nur Erscheinungen erkenne, keine Wahrheit haben, sondern es nur eine Erscheinung sein, dass ıch nur Erscheinungen erkenne, und es würde mithin nicht wahr sein, dass ich Erscheinungen erkennen kann, da dies nur eine Erscheinung ist, welche stets etwas Problematisches ist. Alle formalen Wahrheiten, alle Erkenntnisse der Erscheinungen sind zweifel- haft und ungewiss, wenn der Grundsatz nicht gilt, wie ich denken muss, so ist es. Lässt man diese Inconsequenzen nicht gelten, so ist auch diese Ansicht völlig unhaltbar und würde direct sich selber aufheben. Was ich denke, hat keine objeetive Gültigkeit von dem Sein, sondern nur subjective vom Denken. Allein ich muss so denken und also ist es so. Ohne dass ich beständig den Grundsatz anwende, den ich bestreite und verwerfe, kann diese Ansicht selber sich nicht vollziehen. Verfahre ich consequent in der Verwerfung dieses Grundsatzes, so würde ich zum Standpunkte der Sophistik gelangen, welche die Wahr- 6 über den Begriff der Wahrheit. 191 heit nach der Wirklichkeit des Denkens, wie es stattfindet, beurtheilt, und daher auch die Allgemeingültigkeit des Denkens, entstehe sie aus der empirischen Umfrage oder aus seinen allgemeinen Formen, als Kri- terion verwirft und zu der Annahme gelangt, wie Jedem Jegliches er- scheint, so ist es, jedes Denken ist wahr wie es stattfindet. Und selbst diese Sophistik ist inconsequent, da sie das Sein zu einem Elemente der Wahrheit macht, denn sie lehrt nicht, Jedem erscheint Jegliches anders, sondern füst hinzu, wie es Jedem erscheint, so ist es. Denn das Wesen der Sophistik besteht nicht in dem Satze, Jedem erscheint Jegliches an- ders, sondern in dem Zusatze, dass es so ist, wie es Jedem erscheint. Die Factieität des Denkens misst seine Wahrheit. Es liegt hierin, wenn nicht der direete so doch ein indirecter Beweis, dass es ganz unmöglich ist irgend eine Wahrheit anzunehmen, in der nicht das Sein ein wesent- liches Element wäre. Alle Versuche dies Element auszuscheiden, und eine bloss für sich bestehende formale Wahrheit anzunehmen, worin das Sein kein Element ıst, sind vergebliche Experimente, die da sie misslingen zu- gleich das Gegentheil beweisen, dass es nur Eine Wahrheit giebt und nicht verschiedene Arten, und dass sie allein besteht in der Uebereinstim- mung des Denkens mit dem Sein. Durch unsere Untersuchung sind wir also zu dem zurückgekehrt, wovon wir ausgingen, zu dem Standpunkte, auf welchem ursprünglich alle Wissenschaften und die Philosophie selber sich befindet und zu der Auffassung, welche im Leben und dem Verkehr der Menschen allein An- » erkennung findet. Wir nennen dies den Standpunkt des unbefangenen Be- wusstseins, der die Voraussetzung und die erste Bedingung aller übrigen Standpunkte bildet, und zu dem wir uns genöthist sehen stets wieder zurückzukehren. Von diesem Standpunkte werden wir wider Willen fortgetrieben durch die Zweifel, welche aus der Untersuchung über die Erreichbarkeit und die Gewissheit der realen Wahrheit entstehen. In den Zweifel ge- rathen und verfallen wir. Wir wollen nicht zweifeln, sondern wissen. Der Zweifel ist weder Ziel noch Zweck des Denkens, sondern nur eine Mitte und ein Uebergangszustand im Denken. Zum Skeptieismus gelangen wir stets wider Willen. Der Zweifel ist eine Unruhe des Denkens, die . f MR ea Ne EEE TFT Kon N a a ee et. a aa Wk a BB BEE RER, R Par A en Arien ER + RR 22 M mr ne Im . z \ } Eur Da N" 192 HARMS: Niemand ertragen kann, daher suchen wir aus dem Zweifel irgendwie herauszukommen, wenn auch nur durch irgend ein Noth- und Hülfs- mittel. Dazu dient zuerst der Standpunkt des Empirismus. Er sucht em Abkommen mit dem Skeptieismus zu tretfen. Er räumt die Zweifels- gründe ein als statthaft, glaubt aber doch eine Art Wahrheit daneben er- reichen zu können, wenn auch keine reale, so doch eine formale, in der Uebereinstimmung der Gedanken miteinander, sofern diese allgemein Zu- stimmung von allen Denkenden findet, die er auf dem Wege der empivi- rischen Umfrage glaubt erreichen zu können. Aber er muss doch wieder die reale Wahrheit als die allein mögliche anerkennen, da er ohne sie sein Hülfsmittel der empirischen Umfrage nicht anwenden kann. Daran anschliesst sich der Standpunkt des Formalismus, der die Allgemeingültigkeit des Denkens, welche aus seinen Formen entspringt, als die allein erreichbare Wahrheit setzt, indem auch er die Zweifelsgründe als berechtigt anerkennt. Er selbst ist aber nicht durchführbar ohne die Anwendung des Grundsatzes der realen Wahrheit, wie ich denken muss, so ist es, und beweist dadurch, dass nicht die Allgemeingültigkeit des Denkens für sich, sondern seine Uebereinstimmung mit den Dingen wie sie sind die Wahrheit und allein die Wahrheit ist, wodurch wir zurück- kehren zu dem ersten Standpunkte des unbefangenen Bewusstsems. In dieser Rückkehr liest aber zugleich ein Fortschritt in der Erkenntniss, dass dieser Standpunkt der allein haltbare ist, da es vergebliche Versuche sind Surrogate der Wahrheit anzunehmen, die ins Gesammt nichts leisten, sondern nur beweisen, dass es keine andere Wahrheit giebt als die, welche besteht in der Uebereinstimmung des Denkens mit dem Sein. Diese verschiedenen Standpunkte repräsentiren die verschiedenen Entwicklungsstufen der Philosophie. Sie geht aus von dem Standpunkte des unbefangenen Bewusstseins, auf welchem ursprünglich alle Wissen- schaften sich befinden. „Jede Wissenschaft hat einen Gegenstand, den sie erkennt, seine Existenz ist die Bedingung ihrer Möglichkeit. Sie denkt in Uebereinstimmung mit ihrem Gegenstande um ihn zu erkennen, und erreicht die Gewissheit ihrer Wahrheit, wenn der Gedanke mit seimem Gegenstande übereinstimmt. NN AN " N U EL Verse * über den Begriff der Wahrheit. 193 Der zweite mögliche Standpunkt in der Entwicklung aller Wissen- schaften ist der Skepticismus. Wir zweifeln nicht anfänglich, sondern, nachdem wir gewusst und erkannt haben. Ein Erkennen und Wissen geht allen Zweifeln schon vorher, welches garnicht stattfinden kann, wenn nicht schon vorher Erkenntnisse gegeben sind. Wenn wir über unsere ersten Erkenntnisse zum Bewusstsein kommen und darin Widersprüche finden, gerathen wir in Zweifel. Er ist die Unentschiedenheit über die Wahrheit der Erkenntniss in der Uebereinstimmung des Gedankens mit seinem Ge- senstande und des Gegenstandes mit dem Gedanken. Zwischen verschie- denen Possibilitäten schwankt der Zweifel hin und her, unentschlossen was er thun und lassen soll, denn unerschöpflich ist das Reich der mög- lichen Fälle, wo hinein der skeptische Gedanke sich verliert. Die Wahr- heit ist nicht zu finden in der Uebereinstimmung des Gedankens mit sei- nem Gegenstande, denn es ist nicht ersichtlich wıe das Denken sich sollte richten können nach dem Sein, welches wir nicht kennen; und zur Ge- wissheit können wir nicht gelangen, denn es erscheint wie ein Wunder, wenn wir die Wahrheit des Gedankens prüfen, indem wir die Vorstellung vergleichen mit dem Gegenstande ausser der Vorstellung, den wir nicht vorstellen und nicht kennen. Indess eins übersieht und vergisst doch der Skeptiker, indem er seinen Scharfsinn in Möglichkeiten erschöpft, dass er immer wieder annimmt, as er in Zweifel zieht, nämlich dass die Wahrheit besteht in der Ueber- einstimmung des Gedankens mit seinem Gegenstande und wir derselben nur gewiss sein können, wenn sie in Gedanken verwirklicht ist. Was wir nicht sollen finden können und im ganzen Umkreis des menschlichen Wissens nicht vorhanden sein soll, das ist und bleibt doch das Ideal des Denkens, denn nur im Vergleiche mit der Idee der Wahrheit, deren Ge- wissheit unbezweifelbar feststeht, finden alle Zweifel statt, da er sie be- ständig anwendet ın allen seinen Wendungen und Verfahrungsarten. Es ist nur eine Verworrenheit des Denkens, wenn der Skeptieismus nicht da- hinter kommt, dass das, was er in der Facticität des Erkennens in Zwei- fel zieht, das ist, was ihm sein in den skeptischen Wendungen herum- fahrendes Denken möglich macht, nämlich die Annahme, dass die Wahr- heit die Uebereinstimmung ist des Gedankens mit seinem Gegenstande. Philos.-histor. Kl. 1876. 35 194 HARMS: Er setzt immer wieder das als möglich voraus, was er nirgends finden kann, sein Suchen und Zweifeln ins Unendliche hat das Ziel und die Voraussetzung, dass in der Erkenntniss der Gedanke mit seinem Gegen- stande übereinstimmt, und wir dessen gewiss werden können, dass der Gedanke seinen Gegenstand darstellen kann wie er ist. Der Skeptieismus aber verirrt sich in die verwunderliche Vorstel- lungsweise, dass er nach einer Uebereinstimmung des Gedankens mit dem Sein strebt, welches wir nicht kennen, während der Gedanke nur über- einstimmen kann mit dem Gegenstande den er erkennt und da er ihn er- kennt, und in ebenso wunderbarer Weise strebt er nach einer Gewissheit von der Wahrheit des Gedankens durch die Vergleichung der Vorstellung mit dem Gegenstande, der nicht vorgestellt wird, während die Wahrheit des Gedankens nach den Grundsätzen des Denkens, welche wir ın der Vergleichung des Gedankens mit seinem Gegenstande anwenden, beur- theilt wird, und zwar nach dem Grundsatze der Identität und des Widerspruchs, dass die Dinge sind und bleiben was sie sind und durch das Denken nicht verändert und in ihr Gegentheil, in Widersprüche, ver- wandelt werden, wie der Skeptiker fürchtet, da er glaubt, dass der Gegen- stand im Denken und ausser dem Denken das contradietorische Gegen- theil von sich selber sei. Er glaubt an Wunder, an Ausnahmen von allen möglichen Denken, da er den Scharfsinn seiner Zweifel in Possibilitäten sich ergehen lässt, indem er nach der Uebereinstimmung sucht des Den- kens mit Seins, welches wir nicht kennen, und die Wahrheit der Vorstel- lungen prüfen will durch ihre Vergleichung mit dem Gegenstande, der nicht vorgestellt wird, denn er befürchtet, dass das Denken seinen Gegen- stand verändert und er daher im Denken ein anderer ist als ausser dem Denken. Die Widersprüche, welche er überall in der Facticität des Denkens gefunden hat, haben ihn so verwirrt gemacht, dass er nicht, wie der Grundsatz des Denkens es fordert, die Widersprüche als falsche Ge- bilde des Denkens verwirft, sondern den Widerspruch zum Princip des factischen Denkens macht, wo allerdings nichts nachbleibt als die An- nahme, dass das Denken seinen Gegenstand verändert und in sein Gegen- theil verkehrt, woraus ein absoluter Schein im Denken entstehen würde, der uns beständig täuscht und betrüst, da es ohne Zweifel richtig ist, u) 4 . RE a UL Re a EN, an a VE Hy RAD Re a A en 9 NE Re OW“ Mi Hans ” On NN, % VON, =i$ re über den Begriff der Wahrheit. \ 195 dass eine widerspruchsvolle Welt des Denkens ausser dem Gedanken keine Existenz hat. Allein er ist doch nicht so wie dieser Wunderglaube des Skepti- eismus, der alles wirkliche Denken als eine Ausnahme von allem Denken behandelt, sich und alle Welt persuadiren möchte, es ist nicht so, denn die Erfahrung zeigt das @egentheil und bestätigt das Wesen und die Natur des Denkens in seinen Grundsätzen der Identität und des Widerspruchs zur Beurtheilung nicht bloss von der Richtigkeit sondern von der Wahr- heit des Denkens in der Uebereinstimmung des Gedankens mit seinem Gegenstande in der Erkenntniss der Dinge; sie sind und bleiben was sie sind und werden durch das Denken nicht in ihr Gegentheil ver- wandelt. Das beweist die Erfahrung. Das Denken verändert nicht seinen Gegenstand, der Welt und den Dingen geschieht nichts, da sie ge- dacht werden, das Subject verändert sich, da es denkt, es wird aus einem nicht wissenden ein wissendes Subject, aber das Denken verändert nicht sein Öbjeet. Trotz des vieltausendjährigen Denkens im populären und wissen- schaftlichen Bewusstsein, in der Philosophie und in allen besonderen Wis- senschaften sind alle Dinge in der Welt, und sie selbst, was sie sind. Sie sind und bleiben was sie sind. Dies beweist die Erfahrung und be- stätigt damit das Wesen und die Natur des Denkens. Sie bestätigt nicht den Wunderglauben des Skepticismus, dass das Denken seinen Gegenstand verändert, sondern dient nur zu seiner Verwerfung. Die Wahrheit ist ewig und kein Denken kann sich ihrer Macht entziehen. Nach diesem Grundsatze der Identität und des zu verwerfenden Widerspruchs wird über die Gewissheit der Wahrheit in der Ueberein- stimmung des Gedankens mit seinem Gegenstande entschieden. Die blosse Vergleichung der Vorstellung mit ihrem Gegenstande entscheidet garnichts, sie ist nur ein Hülfsmittel zur Anwendung der Grundsätze des Denkens in der Erkenntniss der Dinge. Die Wendungen des Skeptieismus, deren er sich bedient gegen die Möglichkeit und die Gewissheit der realen Wahrheit, sind daher unhalt- bar, sie beruhen auf Vorstellungen von dem Gegenstande des Denkens, und den Functionen des Gedankens im Erkennen, welche die Möglichkeit der Uebereinstimmung von Sein und Denken nur desshalb aufheben, weil 25* es aaa 196 Harms: diese Vorstellungen selbst in sich unmögliche Postulate enthalten, da der Gedanke nur übereinstimmen kann mit dem Gegenstande den er erkennt, aber nicht mit dem Sein, welches er nicht kennt und das an sich die Verneinung des Erkennens sein soll, und da die Prüfung der Wahrheit der Gedanken nach Grundsätzen geschieht, nicht aber durch die unmög- liche Vergleichung der Vorstellungen mit dem Gegenstande, dessen Natur es sein soll nicht vorgestellt zu werden. Der Skeptieismus ist nur eine Uebergangsform des philosophischen Denkens, welches ihn selbst zum Gegenstande macht und seine Annahmen über die Elemente der Wahrheit, das Sein und das Denken als unhaltbar nachweist, deren Uebereinstim- mung als eine mögliche nur gedacht werden kann, wenn von ihren Ele- menten richtige Auffassungen, nicht aber paradoxe Vorstellungen enthalten sind, wie sie in den skeptischen Wendungen gebraucht werden. Als den dritten Standpunkt in der Entwicklung der Philosophie und der Wissenschaften betrachten wir den Empirismus. Er verhält sich kritiklos zum Skepticismus, da er seine Wendungen und Zweifelsgründe als berechtigt anerkennt, was sie, wie wir gezeigt haben, nicht sind. Der Empirismus sucht dem Skepticismus zu entgehen, indem er meint, dass wenn auch die reale Wahrheit unerreichbar und unprüfbar sei, doch eine formale Wahrheit in der Uebereinstimmung der Gedanken aller Menschen mit einander durch empirische Umfrage, durch die Sammlung aller empi- rischen Vorstellungen und ihrer Ausgleichung zu einer Uebereinstimmung sich finden lasse. Durch diesen Ausweg hofft er noch an der Ausbildung der Wissenschaften sich betheiligen zu können, obgleich nach ihm kein wahres Wissen möglich ist. In der That ist der Empirismus eine Halb- heit, er halbirt die Wissenschaft, die eine Summe formaler Wahrheiten aber ohne alle objeetive Wahrheit sein soll, welche den skeptischen Wen- dungen Preis gegeben bleibt. Der Empirismus stammt aus dem Skeptieismus, der seine Grund- lage und Voraussetzung ist. Er tritt daher auch zuerst auf in der Ge- schichte der griechischen Philosophie, da diese in Skeptieismus verfällt. Die späteren Skeptiker waren selbst Empiristen. Denn in der Idee kann man wohl auf alles Wissen verzichten, aber nicht in der Praxis. Für das Leben und Handeln ist immer ein Wissen und sind Wissenschaften #0 A ei LERNEN en TEEN, TE TREE ENDE INNEN ” ten BE über den Begriff der Wahrheit. 197 nothwendig. Der Empirismus ist der Standpunkt des Wissens für die Noth des Lebens, welches sich beruhigt, wenn nur so etwas von Wahr- heit und Wissenschaft noch sich finden lässt, wie die formale Wahrheit in der Allgemeingültigkeit des Gedankens durch empirische Umfrage, nach- dem der Skeptieismus das Ideal des Denkens als unerreichbar und un- gewiss durch die skeptischen Wendungen, die doch nur eine Verworren- heit des Denkens sind, in den Hintergrund des Bewusstseins zurückge- drängt hat. Für das Handeln und Leben haben die Skeptiker stets Aus- nahmen zugelassen, worauf der Empirismus sich gründet, wenn er eine gewisse Wahrheit durch empirische Umfrage für die Ausbildung der Wis- senschaften, wozu die Noth des Lebens treibt, einräumt. Empirismus ist nicht identisch mit empirischer Wissenschaft. Der Empiriker, welcher eine einzelne Erfahrungswissenschaft bearbeitet, ist nicht nothwendig Empirist. Die Erfahrungswissenschaft kann auch von dem Standpunkte des unbefangenen Bewusstseins und von anderen Stand- punkten aus bearbeitet und ausgebildet werden. Der Empiriker ist selten innerhalb seiner eigenen Wissenschaft ein Skeptiker, wenn er gleich oft ein sehr skeptisches Gesicht zeigt, sobald es sich um andere Wissenschaf- ten, namentlich um Philosophie handelt. Der Empiriker ist nur dann ein Empirist, wenn er die skeptischen Wendungen gegen die objective Wahrheit als berechtigt anerkennt und um ihnen zu entgehen, da sie an sich die Möglichkeit jeder Wissenschaftsbildung excludiren, die Aushülfe des Empirismus erwählt, formale Wahrheit durch empirische Umfrage zu erreichen. Auch in der neueren Philosophie ruht der Empirismus auf Skepti- eismus, sowohl innerhalb des englischen wie innerhalb des französischen Sensualismus. Schon sein Problem zeigt die Verworrenheit des skepti- schen Denkens. Ueber die Wahrheit der Erkenntniss will er entscheiden durch den Ursprung der Vorstellungen aus den Sinnen. Er verwechselt das Ziel mit dem Anfange, denn über die Wahrheit der Erkenntniss wird entschieden nach der Uebereinstimmung mit ihrem Gegenstande, nicht aber nach dem Ursprunge der Vorstellungen aus den Sinnen, wodurch nur der Weg und das Verfahren im Erkennen bestimmt wird. Daher kommt es auch, dass der Empirismus das am wenigsten besitzt, wo- 198 HARMmS: von er am meisten spricht. die Anerkennung der Realität der Er- fahrung. Wir können nieht denken, wenn nichts ist, wenn kein Gegenstand dem Denken durch die Erfahrung, gegeben ist, womit der Gedanke in der Erkenntniss übereinstimmt. Alle in der Anschauung und Wahrnehmung Erkenntniss ist durch ihren Gegenstand, seine Existenz bedingt. Das Denken bringt keinen Gegenstand hervor, es ist nicht causal, es schafft keine Dinge, sondern der Gegenstand wird dem Denken in der Wahrneh- mung, in der Anschauung gegeben. Die Realität der Erfahrung bedingt daher die Möglichkeit jeder Erkenntniss. Alle Anschauung enthüllt und offenbart ein Dasein. Ohne Zweifel kann der Gedanke mit seinem Gegen- stande nicht übereinstimmen, wenn er keinen Gegenstand hat; er hat aber keinen Gegenstand, wenn die Erfahrung keine Realität besitzt, ihre An- erkennung ist daher die Bedingung von der Möglichkeit jeder Erkenntnis. Objeetive Wahrheit involvirt die Realität der Empirie, der Anschauungen und Wahrnehmungen. Der Gegenstand in der Anschauung, in der er exi- stirt, ist der Gegenstand, womit der Gedanke in der Erkenntniss überein- stimmt, wenn Erkenntniss stattfindet. Die Anerkennung der Realität der Erfahrung ist im Empirismus, der in der neueren Philosophie als Sensualismus auftritt, nicht vorhanden. Der Empirismus kennt nur formale Wahrheiten in der Uebereinstimmung der Vorstellungen mit einander durch empirische Umfrage, die reale Wahr- heit gilt als ungewiss und zweifelhaft. Weder in uns noch ausser uns versichern Hume und Condillae können wir ein Seiendes erkennen, alle unsere Erkenntnisse bestehen nur in Vorstellungen ohne einen Gegenstand, welche hervortreten und wieder verschwinden, sich mit einander vergesell- schaften, Gruppen, Reihen und Massen bilden. Ihre Wahrheit ist ihre Uebereinstimmung durch empirische Umfrage, woraus auch die Gewohn- heiten des Vorstellens entstehen, welche das Maass ihrer formalen Wahr- heit sein sollen. Der Sensualismus löst alle Erkenntnisse auf in blosse Vorstellungen ohne einen Gegenstand; er hebt daher die Realität der Erfahrung, der Anschauungen und Wahrnehmung auf, wodurch dem Denken ein Gegen- stand gegeben wird, womit der Gedanke in der Erkenntniss möglicher- über den begriff der Wahrheit. 199 weise übereinstimmen kann. Blosse Vorstellungen haben keinen Gegen- stand, ihrer Natur nach als Vorstellungen beziehen sie sich auf einen Gegenstand ausser der Vorstellung, was nur möglich ist, wenn den Vor- stellungen keine Vorstellungen, sondern Anschauungen und Wahrnehmungen vorhergehen, welche durch sich selber Realität besitzen. Indem der Sen- sualismus aber alle Erkenntniss und auch die Anschauungen und Wahr- nehmungen in blosse Vorstellungen auflöst, welche keinen Gegenstand haben, fehlt in ihm die Anerkennung der Realität der Erfahrung vollstän- dig. Es kann daher auch keinen grösseren Irrthum geben als das Unter- nehmen, Erfahrungswissenschaften auf dem Sensualismus gründen zu wollen, deren Möglichkeit und Bedingung die Anerkennung der Realität der Erfahrung ist, welehe in dem Empirismus, der sensualistischer Skepti- cismus ist, fehlt. Daher streitet er gegen die Möglichkeit der realen Wahrheit, und sucht nach der Aushülfe der formalen Wahrheit durch em- pirische Umfrage, muss aber doch die reale Wahrheit, welche er in Zweifel zieht und bestreitet, wieder als einziges Kriterion und Ideal des Denkens anerkennen, weil er ohne ihre Voraussetzung und ihre Anwendung sein Hülfsmittel nicht verwenden kann. Den vierten Standpunkt in der Auffassung des Prineips aller Wis- senschaften, welches der Begriff der Wahrheit ist, nennen wir den Stand- punkt des Formalismus, der nur formale Wahrheit kennt in der Allge- meingültigkeit der Gedanken aus ihrer Uebereinstimmung mit den Formen und Gesetzen des Denkens. Man würde diesen Standpunkt auch den lo- gischen nennen können, wenn man nur wüsste, was die Logik eigentlich lehrt. Ihr Urheber, Aristoteles, kannte keine für sich bestehende for- male, sondern er anerkannte nur eine, die reale Wahrheit, und keine an- dere. Die formale Logik hat sich im Mittelalter, als die scholastische Philosophie in Verfall gerieth, innerhalb des sensualistischen und skepti- schen Nominalismus gebildet, der die reale Wahrheit bestreitet und be- zweifelt und nur noch die Wahrheit anerkannte, welche in der Richtig- keit der Zeichen, der Wörter und ihrer Verbindungen in Sätzen besteht, so dass aus der analytischen Logik des Aristoteles, die nur reale Wahr- heit kennt, das gerade Gegentheil geworden ist, eine Logik, die keine Wahrheit des Gedankens, sondern nur Richtigkeit des Denkens in den 200 HARrRMS: Zeichen der Dinge und ihren Verbindungen, in den Worten und Sätzen kannte. Gegen diese Logik als Methodenlehre der Wissenschaften war der Protest der neueren Philosophie seit Bacon und Cartesius gerich- tet, da sie eine Reform der Logik, eine neue Methodenlehre der Wissen- schaften forderten. Innerhalb der Entwieklung der neueren Philosophie hat aber die Logik in den verschiedenen Bearbeitungen und Compendien für den Schulgebrauch gar keinen Charakter mehr gehabt, wenn man nicht ihren Charakter darın findet, dass sie bald ihrem Urheber, dem Aristoteles folgte, der nur reale Wahrheit kennt, bald. dem Scholastieis- mus in seinem sensualistischen und skeptischen Nominalismus huldigte, der den ursprünglichen Standpunkt der Logik in sein Gegentheil ver- kehrte. Die Logik für sich bezeichnet daher keinen sichern Standpunkt, sondern ist vielmehr in ihrer Auffassung und Bearbeitung stets abhängig von dem Systeme der Philosophie, zu dem sich zufällig ihre Bearbeiter bekennen, was durch jede Sammlung der Compendien dieser Wissenschaft aus verschiedenen Zeiten sich leicht beweisen lässt. Daher ziehen wir es vor diesen Standpunkt den des Formalismus zu nennen, der nicht nur die Möglichkeit der realen Wahrheit in Zweifel zieht, sondern auch die Anwendung der formalen Wahrheiten in der Erkenntniss des Realen auf- hebt. Es ist möglich, dass unter Logik dasselbe verstanden wird, aber nothwendig ist das nicht, da nicht alle Werke der Logik dies lehren. Der Standpunkt des Formalismus findet sich in dem Kritieismus Kants. Wir können keine wahren Gedanken hervorbringen, welche mit ihrem Gegenstande übereinstimmen, sondern nur allsemeingültigse Gedan- ken, wodurch etwas erkannt wird, das wohl mit den Formen des Denkens übereinstimmt, aber ausser dem Gedanken nicht existirt. Nur phäno- menale und relative, formale und ideale Wahrheiten sollen wir finden können, die keine Anwendung haben in der Erkenntniss des Realen. In- dess consequent durchgeführt ist dieser Standpunkt in der gesammten deutschen Philosophie nirgends vorhanden, weder bei Kant noch in der nachkantischen Philosophie. Er bezeichnet nur eine unrealisirbare Ten- denz der deutschen Philosophie. Denn theils setzt er für seine eigene Möglichkeit die reale Wahrheit in der Erkenntniss der Dinge an sich, welche das Ideal des Denkens und das Kriterion für alle Erkenntnisse AR NEED a u BA Be RE Ss 26/3 DR ers ee BR Be Zn ALERT EITZ al en BT a as! \ ae . \ ENIRT « n X über den Begriff der Wahrheit. 201 bildet, voraus, da nur im Vergleich mit dieser transscendentalen Wahrheit die für uns erreichbare formale Wahrheit Bestand hat, welche ausserdem nicht existiren könnte; theils hat er stets Ausnahmen von seiner eignen Lehre zugelassen und als nothwendig postulirt. Bei Kant ist dies der Fall in der Kritik der praktischen Vernunft, die sittliche Erkenntniss ist in jeder Beziehung eine Ausnahme von der Erkenntnisstheorie der Kritik der reinen Vernunft. Die ethische Erfahrung hat Realität, während ausser- dem der allgemeinen Theorie nach alle Erfahrung keine Realität besitzen soll. In der practischen Erkenntniss richtet sich das Denken nach seinem Gegenstande, während der allgemeinen Theorie nach das Denken sich nicht nach seinem Gegenstande sondern bloss nach seinen Formen richten soll. Solche Exemptionen werden aber überall gemacht. Die sittliche, oder die ästhetische, oder die religiöse, oder die practische Erfahrung und das Denken, welches sich mit ihren Gegenständen beschäftigt, bildet eine Aus- nahme von dem allgemeinen Standpuncte des Formalismus nicht bloss bei Kant, sondern ebenso bei Fichte, Schopenhauer, Herbart, Schelling und Hegel. Sie alle haben ein Gebiet der Erkenntniss sich vorbehalten, wo die Theorie des Formalısmus nicht mehr gültig ist, son- dern die Realıtät der Erfahrung angenommen und gelehrt wird, dass das Denken sich nach seinem Gegenstande richtet, der ausser ihm existirt und durch die Erfahrung gegeben wird, und womit der Gedanke in der Erkenntniss übereinstimmen muss, wenn sie wahr sein soll. Ohne die Anerkennung der Realität der Erfahrung giebt es keine Wissenschaft, denn jede Wissenschaft hat in der Voraussetzung ihres Gegenstandes eine Bedingung ihrer Möglichkeit, und nur ausnahmsweise ist innerhalb der deutschen Philosophie seit Kant ihre Anerkennung vor- handen, die gleichfalls in dem Sensualismus der englischen und der fran- zösischen Philosophie fehlt. Indess liegt hierin doch nicht der Punkt un- serer Differenz mit dem Standpunkte des Formalismus, der vielmehr darin enthalten ist, dass nach seiner Auffassung die formalen oder idealen Wahr- heiten des Denkens nicht in der Erkenntniss des Realen sollen angewandt werden können. Seinen eigenen Standpunkt aber vermag er nicht durch- zuführen ohne den Grundsatz, den er verwirft, doch anzunehmen, wie ich denken muss, so ist es, wie dies schon früher gezeigt worden ist. Philos.-histor. Kl. 1876. 26 202 HARMmS: Die formalen Wahrheiten entspringen aus der Gesetzmässigkeit des Denkens, woraus das Bewusstsein der Nothwendigkeit und Allgemeingül- tigkeit in der Verbindung und der Uebereinstimmung der Begriffe mit ein- ander entsteht. Die Gesetzmässigkeit des Denkens liest in der Anwen- dung der Grundsätze der Identität und des Widerspruchs in der Erkennt- niss der Dinge. Die Anerkennung von der Gültigkeit dieser Grundsätze des Denkens in der Erkenntniss der Gegenstände ist die zweite Bedin- gung für die Möglichkeit der Erkenntniss und der Wissenschaften. Die erste besteht in der Anerkennung der Realität der Erfahrung, ohne welche das Denken keinen Gegenstand hat; die zweite aber in der Anerkennung der Gültigkeit der Grundsätze der Identität und des Widerspruchs in der Erkenntniss des Realen. Diese Anerkennung aber fehlt im Formalismus, in der Philosophie seit Kant. Denn ihre Anerkennung für das blosse sog. formale und logische Denken, welches wie eine Phantasie sich mit blossen Possibilitäten und Probabilitäten beschäftigt, hat nichts zu be- deuten und ist völlig werthlos, wenn sie keine Gültigkeit haben für das Denken in der Erkenntniss seines Gegenstandes, wie es für alle Wissen- schaften nothwendig ist, welche mehr wollen als Uebungen anstellen in der Gymnastik des Denkens, welche ihren Gegenstand erkennen wollen. Diese Gültigkeit der Grundsätze des Denkens aber hat die Philo- sophie seit Kant bestritten und hierin besteht ihr Formalismus. Denn schon Kant lehrte, dass aus der Anwendung der formalen oder idealen Wahrheiten des Denkens in der Erkenntniss des Realen nothwendige Widersprüche, Antinomien, Täuschungen und Sophistereien, Paralogismen und Scheinbeweise entstehen, und hebt damit die Gültigkeit der Grund- sätze des Denkens, aus deren Anwendung seine Gesetzmässigkeit entsteht, für die Erkenntniss auf. Noch mehr ist das der Fall, wenn Herbart lehrt, dass alle Begriffe des empirischen Denkens, welches mit der Er- kenntniss des Realen beschäftigt ist, nothwendige Widersprüche enthalten, und wenn Hegel endlich zu der richtigen Consequenz aus den Lehren Kants gelangt, dass alles und jedes Denken sich widerspricht, jeder Be- griff nothwendig in sich einen Widerspruch enthält und dass diese Wider- sprüche unvermeidlich und wnaufhebbar sind. Die Ungültigkeit der Grundsätze des Denkens ın der Erkenntniss des Realen, aus deren An- % EIERN: 172, ra ge Ua Bee En Tr PH av gr * IE) wa r Da van Y \ . über den Begriff der Wahrheit. 203 wendung seine Gesetzmässigkeit entspringt, hat die Philosophie seit Kant schrittweise decretirt. Sie besitzt gar keine Logik für die Erkenntniss, denn es giebt keine, wenn ihre Grundsätze der Identität und des Wider- spruchs bloss für das Denken und nicht in der Erkenntniss des Realen Gültigkeit haben, und sie haben keine Gültigkeit, wenn in dieser Erkennt- niss alles Denken in nothwendigen Widersprüchen geschieht. Die formalen und idealen Wahrheiten des Denkens sind keine Wahrheiten, wenn sie keinen Bestand und keine Dauer haben in der Erkenntniss des Realen, sondern darin zu nothwendigen Widersprüchen sich verkehren, wodurch alle Gesetzmässigkeit des Denkens, welches die zweite Bedingung von der Möglichkeit der Wissenschaften ist, aufgehoben wird. Denn das Denken, welches in der Erkenntniss nothwendige Widersprüche bildet, hebt seine eigene Gültigkeit auf, und kann daher auch die formalen und idealen Wahrheiten nicht mehr als solche anerkennen, welches nur möglich ist, wenn ihr Prineip, der Grundsatz der Identität und des Widerspruchs, uni- verselle Gültigkeit hat in der Erkenntniss des Realen, worin die formalen Wahrheiten ohne Widerspruch müssen angewandt werden können. Denn auf diesen Grundsätzen beruht nicht nur alles Denken, sondern jede Er- kenntniss eines Gegenstandes, die nur Wahrheit besitzt, wenn der Gegen- stand des Denkens ist und bleibt was er ist, und durch das Denken nicht verändert und in sein Gegentheil, in nothwendige Widersprüche, verwan- delt wird. Der Standpunkt des Formalismus in der deutschen Philosophie stammt aus Kants Kritik der reinen Vernunft und geht hindurch durch den formalen und theoretischen Idealismus, dessen Prineip besteht in der Ungültigkeitserklärung der Grundsätze der Identität und des Widerspruchs in der Erkenntniss des Realen. Im Hintergrunde des Formalismus und seines Idealismus steht der Skeptieismus, der die Erreichbarkeit und die Gewissheit der realen Wahr- heit bestreitet. Er entsteht daraus nur, weil er seine Zweifelsgründe kri- tiklos gelten lässt und sie selbst nicht nach ihrer Gültigkeit untersucht. Um diesen Zweifelsgründen zu entgehen, sucht er einen Vertrag und ein Abkommen mit dem Skeptieismus zu schliessen in der Aushülfe, dass wenn auch alle reale Wahrheit transscendental und zweifelhaft sei, doch eine formale Wahrheit in der Allgemeingültigkeit der Gedanken durch 26* 204 HARMS: seine Gesetzmässigkeit annehmbar sei und‘ sich gewinnen lasse. Sie hat aber gar keinen Bestand, wenn sie nicht anwendbar ist in der Erkennt- niss des Realen, und daher das Denken mit dem Sein übereinstimmt, und wenn nicht die Grundsätze der Identität und des Widerspruchs, worauf sie sich gründet, Gültigkeit haben nicht bloss im Denken sondern in der Erkenntniss der Dinge und also alle Widersprüche zu verwerfen sind, wie dies das Prineip selber fordert, nicht aber das Denken seine Virtuosität in der Entwickelung, Entdeckung und Behandlung nothwendiger Wider- sprüche besitzt, welche ohne Zweifel alle und jede Wahrheit, nicht bloss die reale sondern auch die formale aufheben. Den fünften Standpunkt m der Auffassung von dem Prineipe der Wissenschaften, des Begriffes der Wahrheit, nennen wir den Standpunkt des wissenschaftlichen Bewusstseins, da wir annehmen, dass in dieser Auf- fassung die allein richtige und gültige Erklärung des Prineipes der Wis- senschaften enthalten ist. Er ist die Rückkehr zu dem Standpunkte des unbefangenen Bewusstseins, auf welchem ursprünglich alle Wissenschaften, die Philosophie und das intelligente Handeln der Menschen sich befinden. Diese Rückkehr ist aber keine Restauration dieses ursprünglichen Stand- punktes. Denn diese würde von keinem Nutzen und werthlos sein, wenn nicht der Skeptieismus in seinen Wendungen und Zweifelsgründen als un- haltbar nachgewiesen wird. Denn die Wissenschaft, einmal durch den Skeptieismus von dem Standpunkte des unbefangenen Bewusstseins fort- getrieben, kann nicht dahin zurückkehren, wenn sie in den Skeptieismus verfallen ist, ohne entweder zum Empirismus und Formalismus überzu- gehen, falls sie sich kritiklos zum Skeptieismus verhält und seine Zweifels- gründe gelten lässt, oder ohne ihn selbst zum Gegenstande der Kritik zu machen, und es dadurch gelingt seine Zweifelsgründe als nichtig nach- zuweisen, wie dies im Vorhergehenden versucht worden ist. Die Rückkehr ist keine Rückkehr, sondern ein Fortschritt, der in der positiven Begrün- dung des Princips der Wissenschaften liegt. Alle Zweifel haben etwas Verführerisches an sich, da in ihnen ein grosser Scharfsinn obwaltet. Zugleich aber ist die skeptische Denkweise ein zusammenhangsloses und verworrenes Denken, welches ein Hangen und Bangen ist zwischen unendlichen Möglichkeiten, von deren Gewiss- über den Begriff der Wahrheit. 205 heit und Ungewissheit, Wahrscheinlichkeit und Unwahrscheinlichkeit das Denken sich nicht losmachen kann, weil zu aller Erkenntniss mehr ge- hört als ein blosses Denken, da dazu auch ein &egenstand nothwendig ist, wonach das Denken ım Erkennen sich richten und womit es überein- stimmen muss, wenn es Wahrheit besitzen soll. Die Hingabe an den Gegenstand des Denkens und die Entschlossenheit, welche in der Aner- kennung der Wahrheit eines Gedankens liegt, ohne welche keine Gewiss- heit und keine Entschiedenheit für die Wahrheit des Gedankens stattfindet, fehlt dem Skeptiker, der in der Möglichkeit erdenkbarer Fälle, welche sein Wunderglaube ersinnt, hängen bleibt. Die Skeptiker sind die Erkenntnisstheoretiker, welche wissen, dass wir nichts wissen und nichts wissen können, die erkennen, dass wir nichts erkennen und nichts erkennen können und doch wissen und er- kennen, nicht bloss dass wir nichts wissen und nichts erkennen können, sondern die mehr wissen als Andere, nämlich den Begriff des Wissens selber, was wir denn eigentlich wissen wollen und wissen sollen, wenn wir denn nun wissen wollen. Der Skeptiker weiss nicht bloss, dass wir nichts wissen können, sondern er weiss, was das Wissen seinem Begriffe nach ist, oder sein soll, er weiss daher mehr als Andere, welche den Be- sriff des Wissens nicht kennen. Unter allen Gelehrten sind die Skeptiker die Theoretiker schlecht- hin, die vor lauter Theorien über das Erkennen und Wissen niemals zum Erkennen und Wissen gelangen. Sie kennen den idealen Begriff des Wis- sens, der Wahrheit, des Erkennens, wie sonst Niemand, denn sie gebrau- chen ihn beständig, um nachzuweisen, dass im gesammten Umkreise der menschlichen Erkenntniss und Wissenschaft nichts vorhanden ist, das die- sem Begriffe entspricht, und dass wir das Ideal nicht verwirklichen kön- nen, weil es noch niemals verwirklicht worden ist, und alle Kräfte und Vermögen der Erkenntniss nicht das Ideal zu verwirklichen im Stande seien, wesshalb sie immerfort Theorien des Erkennens bilden, welche den Widerspruch ins Unendliche fortwälzen, der in allen Erkenntnisstheorien liegt, welche erkennen dass wir nichts erkennen und nicht erkennen kön- nen, wozu denn doch unsere Kräfte und Vermögen des Erkennens zu- reichend sein müssen, so dass das Ideal des Wissens und der Wahrheit, 206 HArms: welches beständig zur Kritik und Skepsis gegen die Facticität des Wis- sens angewandt wird, wenn nicht plötzlich, so doch allmählig in der ge- schichtlichen Entwickelung der Wissenschaften, wenn nicht wie durch ein Wunder im absoluter Anschauung, so doch durch die richtige Anwendung mit der Hülfe der Erfahrung, welche dem Denken Gegenstände zum Er- kennen giebt, und durch eine gesetzmässige und methodische Ausbildung des Denkens, durch seine Kunst und nicht durch sein physisches Ver- mögen, das Ideal des Wissens und der Wahrheit, welches dem Skeptiker immer vorschwebt wie ein Phantom, eine Realität in der menschlichen Wissenschaft erreicht. Denn die Kräfte des Erkennens, welche zureichen das Erkennen zu erkennen, werden auch zureichen, den Gegenstand des Denkens, die Welt der Dinge in der Natur und der Geschichte zu er- kennen. Die Skeptiker sind Theoretiker, welche niemals zur Praxis ge- langen, und doch anerkennen müssen, dass das Ideal des Wissens in der Geschichte sich verwirklicht, und es daher nicht bloss zur Kritik und Skepsis vorhanden ist, sondern damit es durch die Kräfte des Erkennens der Dinge, der gegenständlichen Welt, wirklich wird. Die Geschichte der Wissenschaften, welche ım Erkennen, in der Weltansicht der Dinge, fortschreiten, zeigt, dass Skepticismus, Empirismus und Formalismus vorübergehende Standpunkte ihrer Entwickelung sind, woraus ihr Fortschritt in der Erkenntniss nıcht begriffen werden kann, und dass nur in der Anerkennung der realen Wahrheit das Princip aller Wissenschaften enthalten ist, woraus allein die Fortentwickelung der Wis- senschaften in der Geschichte, welche eime Thatsache ist, ihre Erklärung findet. Sie bestätigt, was wir lehren, dass die Wahrheit das Sein ist, welches der Gegenstand des (redankens ist und mit ihm übereinstimmt und dass sie der Gedanke’ ist, der seinen Gegenstand darstellt wie er ist. Denn sie ist das Ideal und der Zweck des Denkens, der sich verwirklicht in der Geschichte der Wissenschaften, welche ın der Erkenntniss der Natur und der Geschichte fortschreiten. Die Anfangsgründe und das System des Erkennens, welches allen Wissenschaften zu Grunde liest und ihren Zusammenhang vermittelt, bil- den den Gegenstand der Philosophie. Erkenntnisstheorie kann die Philo- sophie nur sein, wenn sie Metaphysik, die Weltanschauungslehre der Wis- über den Begriff der Wahrheit. 207 senschaften ist. Ausserdem ist Erkenntnisstheorie nur Skeptieismus, der eine bloss negative Wissenschaft ist, welche weiss dass sie nichts weiss. Metaphysik aber ist nur möglich unter der Voraussetzung, dass in aller Erfahrung ein durch den Gedanken erkennbarer Inhalt gegeben ist, und dass der Gedanke in der Erkenntniss mit seinem Gegenstande überein- stimmt, dass die reale Wahrheit das Princip aller Erkenntniss ist. % " En nn NR N AeN TEIT, Bade, Hr \ MDR Sa RN Nasa & a ' aan van A In» ae? Valkah v ht Aa N ho | Die unter Anh Werken stehende Schrift Ueber die Unzerstörbarkeit des Weltalls nach ihrer ursprünglichen Anordnung wiederhergestellt und ins Deutsche übertragen von A H'= JACOB/BERNAYS. [Vorgelegt in der Akademie der Wissenschaften 27. November 1876.] W. zur Zeit der erlöschenden alten Philosophie und des aufstrebenden Christenthums als Johannes Philoponus mit dem Neuplatoniker Proklos über die Ewigkeit der Welt stritt, so treten auch heutzutage die Unter- suchungen über die Ursprünge der Weltsysteme und das Alter des Men- schengeschlechts auf der Erde in den Vordergrund nicht blos der Natur- forschung, sondern es ist schon dahin gekommen, dafs auch der Religions- und Geschichtsphilosoph nicht mehr mit diesen centralen Problemen sich wie früher ın der Stille abhärmen und abfinden kann; schneidende Fra- gen, die eine Beantwortung oder wenigstens eine offene Abweisung er- fordern, zwingen ihn in dem lauten und bereits überlauten Streit Stel- lung zu nehmen. Der idyllisch begrenzte Horizont der Geschichtsbetrach- tung, der so viel zur Behaglichkeit des Deismus und Rationalismus im vorigen Jahrhundert beitrug, ist durch die Eröffnung des arischen, ägyp- tischen und assyrischen Alterthums unabsehbar erweitert; die dreitausend Jahre, über welche von den Wissenden Rechenschaft zu fordern noch Goethe sich begnüste, reichen seit lange nicht mehr aus; und neben der unermefslich sich rückwärts ausdehnenden alten Geschichte rütteln auch Paläontologie und Anthropologie in bedrohlichster Weise an den Stützen, auf welchen die anspruchsvollen geschichtsphilosophischen Systeme gegen Ende des vorigen und zu Anfang dieses Jahrhunderts errichtet wurden. Philos.-histor. Kl. 1876. 97 210 Bernays: Die unter Philon’s Werken stehende ‚Schrift: Es läfst sich nicht mehr verhehlen, dafs jene philosophischen Geschichts- constructionen, mit denen die neuere Philosophie gegenüber der alten, die nichts dergleichen unternahm, so stolz glaubte prunken zu dürfen, aus sehr dürftigem Material gezimmert waren; immer mehr erstarkt der Zweifel, ob es nicht ein voreiliges Beginnen war, die Etappen des ge- schiehtlichen Fortschritts auf einer Bahn messen zu wollen, deren Aus- gangspunkt und deren Länge man nicht kennen konnte; und sichtlich wächst die Zahl derer, welche den Verzicht der vornehmsten alten Phi- losophen auf jegliche zusammenhängendere Geschichtsphilosophie zu wür- digen wissen als eine nothwendige Folge ihrer Ansichten über das All und über das unvordenkliche Dasein des Menschen auf der Erde. Bei solcher theils schon herrschenden theils sich deutlich ankün- digenden Stimmung der wissenschaftlichen Welt wird es wohl Manchen willkommen sein, die Verhandlungen, welche über jene kosmologischen und anthropologischen Fragen im Kreise der griechischen Pilosophen ge- führt wurden, an dem Leitfaden einer bisher wenig beachteten Sammel- schrift kennen zu lernen, welche „Ueber die Unzerstörbarkeit des Welt- alls“ betitelt und unter die Werke des Philon gerathen ist. Ihr hier vor- gelester griechischer Text, welchen eine zum Ersatz des Commentars dienliche deutsche Uebertragung begleitet, darf als ein wiederhergestellter deshalb auftreten, weil hier zum ersten Mal ein fünf Folioseiten der Mangey’schen Ausgabe des Philon umfassender Abschnitt seinen richtigen Platz erhalten hat. Die falsche Stellung desselben in den bekannten Handschriften und allen Ausgaben des Philon hatte eine Zertrennung des Zusammenhanges verursacht, welche sich über mehr als ein Drittel der Schrift erstreckte. So lange sie in solchem Zustande sich befand, konnte sie zwar stückweise von gelegentlich nachschlagenden oder eilfertig das Ganze durchfliegenden Gelehrten benutzt werden; diese beruhigten sich dann, so oft der Faden abrils, bei der Annahme von Lücken. Aber zur Ehre der menschlichen Logik muls vorausgesetzt werden, dafs bisher Niemand, auch die sehr wenigen Herausgeber der philonischen Werke nicht, sie vom Anfang bis zum Ende in Einem Zuge mit wachen Sinnen und mit dem Bedürfnils des Verstehens gelesen hat. Denn sobald das Lesen in solcher Weise geschieht, schmiegt sich das Chaos gleichsam von selbst ohne Annahme von Lücken in diejenige Ordnung, welche in Ueber die Unzerstörbarkeit des Weltalls 2311 den Monatsberichten !) der preufsischen Akademie aus dem Jahre 1863 aufgezeigt und in der vorliegenden Ausgabe befolgt ist. Zu dem allge- 1) Das Wesentliche der dortigen Auseinandersetzung wird hier zur Bequemlich- 3 5 q keit des Lesers bei den später unentbehrlichen Verweisungen unverkürzt wiederholt. Nach einigen Bemerkungen über den allgemeinen Charakter und den nicht philonischen Ursprung der Schrift ward dort S. 35 so fortgefahren: 36 Da der Verfasser den ununterbrochenen Bestand der Welt hauptsächlich gegen die Lehre von den periodischen Weltbränden verficht, so fallen die An- gaben über Begründung und Geschichte dieses von der Stoa dem Heraklit ent- lehnten Dogmas besonders reichlich aus. Unter Anderem wird berichtet, dafs eine spätere Generation von Stoikern, namentlich Boethos, Panätios, Diogenes der Babylonier, die Ekpyrosis aufgegeben hätten; und Preller hat die bezüg- liche Stelle, ihrer historischen Wichtigkeit wegen, in seine Aistoria a ($ 428 ed. sec. — $ 406 ed. pr.) aufgenommen. Sie lautet bei Mangey S. 497: BonSoe your zur Horwös'uos (sie) zur Hevamıcs, avöges © ev ToIg Iruızots ee 2) Qi \ N 17%, ums TEG, RTE JE0 odnrra, Tas Sand TErS za mar eh J)ET {as ZART. moVrE mg905 sıorsgov doyice To TS ab Inpries Foo ZoFloU 77 TaVrogS nYrouornrer. ee 8 x ı ar } 4 5 on za Aroyeıms yriza veog nV suveriygaıl ner 05 Zure +0 mavreres Tols evdonen Bei Preller ist in beiden Ausgaben, ungewils ob aus Versehen oder Cosa Z.4 suyyganbamsvos an die Stelle von Suvereyganlazvos getreten; und während Mangey Z. 4 durch zwei Sternchen nach rors EvdoSev eine Lücke bezeichnet, be- merkt Preller zu Z. 3 Azyeraı de zur Aroyeıms in einer kritischen Note: Seilicet aUFoHorN Ta Moos doyum To rns apSagrızs Fod zoswou. Ita non opus est lacuna, quae indicatur in editionibus post &vöoSer, deest in codieibus, und sagt dann zur Erklärung: In is quae de Diogene Babylonio adiiciuntur ci EvöoSen sunt Stoici interioris admissionis. Sensus: Diogenes dum iuvenis erat antiquiores Stoicos seque- batur, deinde ad Boethi placita delatus est. Vorläufig einmal zugegeben, dafs die von Preller für r&s evöoSev gewählte, nicht nachgewiesene und wohl auch nicht nachweisbare Bedeutung Statt habe, so wird doch schwerlich Jemand, der die volle, fast üppige Schreibweise, welche in dieser Schrift herrscht, kennen gelernt hat, sich zur Annahme einer so verschränkten und unvollständigen Satzbildung verstehen, bei welcher der entsprechende Gegensatz zu jviz« veos yv in empfind- licher Weise mangeln würde; und selbst wenn man sich dazu verstände, würde die Lücke noch immer klaffen. Denn der unmittelbar folgende, von Preller nicht beachtete Satz x 4 eur > \ - ’ x © ’ > ’ Q ce [4 53 x Ereıön rowuv t) Ur oUdevos Fuv Eros PIagnronevos Edery,Sm 0 Aorlos, FW ander IE ers >‘ ’ >09 ec ’ - EJ > n RA x n egu zurahereidpTa mavrus, cUÖ Umo zıwos uw Eu AUT, die zyv maoEr NOYITTELTEU , FERN aa ER AEEN Se Yon AN) & amodsızıw, 20T yYv TO RAWTor en ETEIGE FAV AITIWV Aa TYV ETEDRV on de LETTL 4) Bei Mangey stehen zwischen roivuy und vm ovdevo; folgende die Construction des Satzes unterbrechenden Wörter: 7 euvrakız re undevds Umorsıbblvrez uepovs ds Buacsivar. In der Mediceischen Handschrift und in dem Auszuge de mundo S. 611 fehlen sie. Ihren * 27 212 Bernavs: Die unter Philon’s Werken stehende Schrift: meinen Gewinn des wiederhergestellten Zusammenhangs konnte mit Hilfe einer neuen Vergleichung der mediceischen Handschrift, welche wohl mit 37 zieht eine weitere Folgerung (ravuv Z. 1) aus einem eben gelieferten Beweis (reosmroyırSeisev amodszw Z. 2), welcher feststellte, dafs alles was einer äufse- ren, auch einer inneren Ursache des Verderbens unterliegt. Aber weder von einem solehen Beweis noch überhaupt von innerer und äufserer Ursache des Verderbens ist in der nächsten Umgebung eine Spur zu entdecken. Was von den Lücken der Wissenschaft im Allgemeinen gilt, dafs man sie erst dann vollständig erkennt, nachdem sie ausgefüllt worden, sollte für Textesschäden, welche die Logik so deutlich wie den gegenwärtigen anzeigt, eigentlich nicht gelten. Jedoch ein argumentum ad hominem hat immer sein Gutes und um ein solches in diesem Falle zu erhalten, braucht man nicht die Entdeckung einer vollständigeren Handschrift abzuwarten; eine nur nicht gar zu flüchtige Durchmusterung aller Theile der Schrift, wie sie jetzt vorliegt, führt schon zum Ziele. Vom Anfang $. 487 liest man bis S. 492, ohne durch Unterbrechungen er Construction oder des Gedankenganges gestört zu werden. Bei S. 492 an- gelangt, befindet man sich innerhalb einer Untersuchung, welche von den zwei möglichen Ursachen des Verderbens, der inneren und der äulsern, handelt und, nachdem für das Weltgebäude die Unstatthaftigkeit einer äulseren nachgewiesen worden, sich zur Besprechung der inneren wendet: zur WAv Ude Umo riwog iris Sau Inreran [( »orWos] Fuv Evros MUroU. Ka EV, errsıön Foul 02 ou 73 ME 2005 za Keigov errar zu HOGTRIGEEREN. Omep errıv aro- TWrarov* ö ag HoTWoS ayumegOdrzw #gcrsi Kouinens aysı ra Tavre peen 20 andevosg aurwv ayolEVvog* ErEITG, dtorı dirrav ovrWv PIopds airınv, TNS Ev Evros, 5. Tis 8 Erros, & ryv Erigav oie re (so Statt oleraı) Uroneveiw, Öezrızae au TS Er- gas esrı Tavrwg“ SnuErov ös: Bovc PN Immos zul au Sgwmres ze ra TagamIN TI Cue dhorı wedunev avamgeirTer Üme ıöygov zei vorw reheurgsei. Karsmdv yap, > N N, er Ip A \ \ ” ’ \ (3 ’ ME AAoV de advvarov EUDEI o Tv vonsyv ®) eEwSIev airıav mebvxos UTFOIWEVELV ns EN N Ya „ Er. S > I ’ E} 5 x \ bIogas adsrroV ETTAL VTOTTYVRL AUT Erurov, Yvıra AOTMOS OUR YV° TO yag 2. x e , 08 si m ö ’ ds 5 Sn ’ 28 7 SQ, e , „ 10. an Umapy,ov oUdE zuveira, ÖMETTNAR de AOoTMrns HumTews EDEN 0 Xgovos Wv. Ursprung erkennt man leicht, wenn man sich erinnert, dafs auf der vorhergehenden Mangey- schen Seite 496 Folgendes zu lesen ist: merny£vaı re yap [rov noauov] 2E Awv rüv croLyeiwv WG üre umdevos vVmoreihbdevrog xul dmekevlepıabovros neooug Bracdnvaı. Diese verkehrte Stellung der Partikeln ws äte veranlafste einen alten Leser die ‘richtige Construetion (n euv- sa&ıs) am Rande zu bemerken, und die Randbemerkung wurde dann auf die folgende Seite dahin verschlagen, wo sie jetzt in einigen Handschriften steht. 5) Statt des unmöglichen von» schlägt Mangey xıuyryv vor. Bis etwas Besseres gefunden wird, nehme ich an, dafs vorryv aus Wiederholung der unmittelbar vorhergehenden Buchstaben © nv entstanden ist. Arsen Recht Ueber die Unzerstörbarkeit des Weltalls 313 für die wichtigste unter allen bekannten philonischen gilt, eine nicht unbeträchtliche Zahl von Verbesserungen einzelner Stellen gefügt 38 Hinter @dezrov Erreı (Z.9), wo auch Mangey eine Lücke bezeichnet, reilst der Faden ab. Denn erstlich ist der mit Xarerov yag Z. 7 beginnende Satz, welcher sagen will: “man könne kein Ding finden, das einer von aulsen kommenden Ur- ‘sache des Verderbens unterliege und doch jeder von innen her wirkenden ent- rückt sei‘, unvollständig durch das Fehlen eines der eEuSev «rc (Z. 8) ent- sprechenden Begriftes, d. h. durch das Fehlen von r7s EvöoSev hinter «dszrov este. Und zweitens bildet die nächstfolgende Wörterreihe Z. 9 Urorriva zu” Eaeurov Avize zoruos oUz nv einen Nachsatz, der seinen Vordersatz eingebülst hat und nicht mehr auf äufsere und innere Ursache des Verderbens, sondern auf das Verhältnils zwischen Zeit und Welt sich bezieht. Von dieser ersten Unterbrechung auf S. 492 schreitet man dann ohne Hindernifs durch fünf Mangey’sche Seiten fort bis zu S. 497, wo der oben (S. 211) mitgetheilte Bericht über die abtrünnigen Stoiker sich findet und ein zusammen- hanglos dastehender Satz mit Zrsıdn rawuv Um oüdevos rWv Exros PIagnrousvos edeiy,on ö Zorlaos beginnt und von innerer und äufserer Ursache des Verderbens handelt. Von S. 497 an ist dann wieder durch fünf Mangey’sche Seiten ebener Weg bis zu S. 502. In der Mitte von S. 502 beginnt eine Auseinandersetzung über das Verhältnils zwischen Welt und Zeit. Zunächst wird gesagt, dals schon die Definition der Zeit, als des Maafses der Weltbewegung, die unzertrennliche Verbindung Beider darthue. Darauf heilst es in Bezug auf die Undenkbarkeit der Welt ohne Zeit: mavruv Ö8 drorwrarov Umovcsiv örı nV TMOTE #005 6) yviza 002 Av ,gavos, av- woyos yap zu dreieurmros A rourov [nämlich rod xgovou] puris‘ Ereı zur alre raura, #0 yv, Fo more, v0 yviza?) ,gcvov uvencdeiver. Tevrw ÖE droAouSov To unde Ygavon Fu doymer TuS ErmugWoEUIG le is Nrızias Evdaases Imısysw* 5 ou yag veornros aAıc ynauıs Fe TeNv« Ha TeQEynre duderv zrA. Bis Z. 4 ist, wie man sieht, Alles in trefflichster Ordnung. In Z. 4 rourw de azorouSov beginnt das Chaos. Jedoch da wo Mangey eine Lücke be- zeichnet, nämlich nach &zrvgwsews Z. 4, ist der Sitz des Uebels nicht. Denn, nehmen wir die Unterbrechung vor r# doyner: Z. 4 an, so erhalten wir aus einer Untersuchung über Welt und Zeit in den Worten rouUrw de dzoAouSov ro Wunde %,g0vov einen nachsatzlosen Vordersatz, der, mit dem auf S. 492 befindlichen vordersatzlosen Nachsatz ähnlichen Inhalts zusammengefügt, folgende auch nicht 6) Bei Mangey steht: Yu wors xpovos Yvixa oux nu xoouog. Der Stellentausch zwischen den Wörtern xeövos und »ocuog, welchen ich vorgenommen habe, wird durch die folgenden Sätze so gebieterisch gefordert, dafs er wohl keiner weitaren Begründung bedarf. 7) Das heifst die eben in dem die Ewigkeit der Zeit leugnenden Satz Au more xoc- wog Yvixa oux mv xgovog gebrauchten Wörter. 214 x Bernays: Die unter Philon’s Werken stehende Schrift: werden; und erst auf dieser Grundlage eines wenigstens lesbar ge- wordenen Textes wird später der Versuch gemacht werden können, 39 durch das Fehlen einer Sylbe gestörte Periode ergiebt: [S. 502] rourw d: «20- RovSov 76 mnde go wow [S. 492] UroszAva 20° 2avrov Aviza zoros our MV. Fo yag 1n Umegy,ov oUÖE zweiter, dterrniac de HOTMAnG zUumgews Ede, Sn ö Agovos vv. “Von diesem Satz (dals Welt nicht ohne Zeit bestanden) ist eine Folge, dafs auch die Zeit nicht für sich bestanden habe als die Welt noch nicht war. Denn’ u. s. w. — Wird nun die Reihe der fünf Seiten von örosryvar S. 492 bis S. 497, wo in dem Bericht über die Stoiker eine Verwirrung sich kund giebt, hinter ande Agovov gerückt, so ergänzt sich der auf 8. 492 bei «dezrov. Err«ı abbrechende Satz, in welchem die Erwähnung einer inneren Ursache des Verderbens vermilst ward, von selbst in folgender Weise: [S. 492] Xarerov Yap; MEAI.V ÖE Aöuvarov sugeiv, & nv EEwnSev irio mebuzos Umonzvew Ns $Iogis, adezrov Eorm [S. 497] Zara 70 mavreres zyS EvdoSer, ’Ersıön ravuv Um oVdevog Fuv Exrog PIagnronzvos 2deıy, Sn P) HOTIAOG, ru undev Eu zuranereipIen, oVd Umo rıwos rav &v aürw [nämlich PIagnrousvos Zdery,Sn 5 "so ist zugleich erwiesen, dafs er auch nicht durch etwas in ihm Befindliches 5 ER \ EUR 3ER) oa \ = vernichtet wird ], dı« zyv maoemM.oyırSeinev arodsıEw, 20 nv 70 AWroV N a] n om \ \ e > 2 ’ a ETEIE TWwv Arıwv Aut Tyv € gRv ereiduzer ÖEYETTaL. Wir können also die von Preller zu Stoiei interioris admissionis gedeuteten Wör- ter rois &vöoTev (Z. 2) unter Aenderung von ras in rs — der einzigen Buch- stabenänderung*), welche in Folge der Blätterversetzung nöthig wird — dazu verwenden um die unentbehrliche ‘von innen her wirkende Ursache des Verder- bens’ zu gewinnen, welche der e£wSev «irie ns PIoges (Z. 1) auch in der Ad- verbialbildung auf das Genaueste entspricht. Und zugleich erhält das früher ohne Ober- und Untersatz dastehende Schlufsglied 'Erzödn ravuv #r%. (Z. 3) jetzt seine volle syllogistische Richtigkeit. Der Bericht über den Stoiker Diogenes aber, in welchem Preller keine Lücke, sondern lieber gewaltsame Ellipsen annehmen *) Auch diese kleine Aenderung ist jetzt urkundlich bestätigt. In der Mediceischen Handschrift findet sich vor &vdoSev die übliche Abkürzung für 75, wie folgendes Facsimile ausweist, welchem eine von Dr. Hinck gemachte Durchzeichnung der bezüglichen Stelle zu Grunde liegt: a8 ’ nm \ Nı« DEN, } = SHE an BES Ute uns hvio yonyowse wirgat lee rare Fi“ N eh ne TE TL Penalm E en In der Vatiecanischen Handschrift des Philon Nr. 381, welche für die zweitbeste unter den bekannten philonischen gilt, ist rang vor ZvdoSev mit vollen Buchstaben ausgeschrie- ben, wie die Durchzeichnung bezeugt, welche ich nebst einigen anderen Angaben über diese Handschrift der Güte des Hrn. Richard Förster, Professor an der Rostocker Universität, ver- danke. Zusatz aus dem Jahre 1876. u A FT { x i wollte, rundet sich zu folgender Periode, welche den Gegensatz zwischen der stoisch frommen Jugendzeit und dem in Ketzerei verfallenden Alter des Man- nes klar ausspricht: [S. 497] Aeyeraı de zur Aroyzuns, Muse veos Yu suveriyganba- A USRı, © z PR e NEE DE in 7 nevos [S. 502] rw doynarı 775 EumugWrews, LE rs Hruas vdarares EmISyEw . ERTAENE ya. veornros Ar ynaus Te Tem ze MEgUNMENNTe öudetv #72. “Auch Diogenes, 40 obgleich er, als er jung war, das Dogma vom Weltbrande mitunterschrieben 8) EN hatte, soll in vorgerückten Lebensjahren zweifelhaft geworden sein und inne ge- | t halten haben. Und in der That ist es nicht Sache der Jugend sondern des Al- Ey, . ters die hohen und vielbestrittenen Fragen zu durchschauen u. s. w. 2 % Aus allem diesem ergiebt sich, dafs ein zukünftiger Herausgeber folgende Ordnung der Seiten zur Geltung bringen muls: 492 bis «dezrov Irre, 497 von zara 70 mavrsics an, 498, 499, 500, 501, 502 bis unds xXgovov, 492 von Umosriva an, 493, 494, 495, 496, 497 bis Suveriyganl auevos, 502 von ru doynarı vis E2- rugusews an, 503, 504 u. s. w.°?) Die Leser dieser für Geschichte der Philosophie so ergiebigen Schrift werden dann zwar noch das Fehlen des in den Schlufsworten 10) verheilsenen zweiten Theiles zu beklagen haben, innerhalb des vorliegenden Theiles aber Be3>- durch keine Unterbrechung des Zusammenhanges gestört werden. r $) Diese Bedeutung von Zrıypadeodaı mit dem Dativ belegen die Lexika hinlänglich. = ; 9) Von Allem, was auf den versetzten Seiten 492—497 steht, findet sich in dem zu: Auszuge de mundo keine Spur. Es war also wohl dieses Stück aus einigen Handschriften ausgefallen, wurde an besonderer Stelle nachgetragen, und dann unrichtig eingefügt. 10) 8.516: @ pkv oiv mepl abÖapeiag Tod xoouou mapsılydanev, elenrar xard duvanın“ \ N er: Ei ' > Fe} r za; de MPOG EXaoTov EvavTiwoeig Ev Tolg ENMELTa OnAureov. EUER ii Rt eh r piline a Ben er N Er rer Br e. N | Re ES Sud ln Ka ee ea Be ale ii, DR N EA vr ie ‚Be, vn erg BOTEN re: a? I N Aut re, Ir Eee De, we A > aa nö Br vr a hei RN “ Sn ur Ar a ee a a f BNHUe: u EIER DUR Fe = u Ueber die Unzerstörbarkeit des Weltalls. Erstes Buch. 1) Dieser durch die Anfangs- und Schlufsworte unserer Schrift empfohlene und ihrem Inhalt entsprechende Titel findet sich nach der Angabe des Hrn. Förster (s. oben $. 214) in der Vaticanischen Handschrift folgendermalsen: diAwvos toydaiou megı le rosnov; a @. Der in der mediceischen Handschrift befindliche Titel PiAuvos eg: r7s reÜ rdsmou ysvzsews palst nicht zu dem Gang unserer Schrift, welche die Ewigkeit der Welt sowohl a parte ante wie a parte post, um mit den Scholastikern zu reden, behauptet, also ‘das Entstehen der Welt leugnet. Will man nieht annehmen, dafs er von einem “ Abschreiber, dessen Vorlage gar keinen Titel trug, eigenmächtiger und verkehrter Weise _ hinzugefügt worden, so läfst sich sein Ursprung vielleicht daraus erklären, dafs nach den _ oben $. 215 Anm. 10 mitgetheilten Schlufsworten unserer Schrift der dort verheifsene zweite Theil sich auf die Beweise gegen die Weltewigkeit einlassen sollte. Dieser jetzt fehlende zweite Theil mochte den Sondertitel wsa r7s red »ormou yeverews führen, welcher dann durch ein Versehen auf den ersten Theil übertragen wurde. Philos.-histor. Kl. 1876. 28 218 Bernays: Die unter Philon’s Werken stehende Schrift: B bezeichnet die Abweichungen von der Vulgata, die auf meinen Tm oder den von mir befolgten Vermuthungen der jedesmal genannten Vorgänger beruhen. bezeichnet die Lesarten der bereits von Mangey, jedoch in sehr mangelhafter Weise, benutzten mediceischen Handschrift (Lauren- tianus plut. 10 cod. 20, membran. in 12°). Eine neue Verglei- chung derselben mit der unter T zu erwähnenden Tauchnitz’schen Ausgabe hat Dr. Hugo Hinck, augenscheinlich mit vieler Sorgfalt, für mich angestellt. Hinck setzt den unsere Schrift enthaltenden Theil der Handschrift in den Anfang des vierzehnten Jahrhunderts. Im Uebrigen genügt der Hinweis auf die Besprechung dieser Hand- schrift in Tischendorf’s Philonea (Lipsiae 1868) p. VI. bezeichnet die Lesarten der hauptsächlich auf der Mangey’schen Ausgabe beruhenden Vulgata, wie sie in Philonis Judaei opera omnia. Editio stereotypa. Tomus VI. Lipsiae, sumptibus et typis Caroli Tauchnitu 1853 p. 1—43 vorliegt. bezeichnet die Uebereinstimmung der mediceischen Handschrift mit dem Tauchnitz’schen Text, wie sie nach dem Fehlen einer Va- riantenangabe in der mir vorliegenden Vergleichung angenommen werden durfte. II. 487 (Mangey) 488 Ueber die Unzerstörbarkeit des Weltalls 219 \ \ ’ x ” , = m Y {% "EMI uw mavros GbyAou naı omoudaıu modyuaros Eynadelv @Eıov Seov, ’ > ’ = \ \ BEN ” > Dr \ ne 5 0 dorı dya9os Earı yeıyras nur oüdev aönAov mag arm ryv raw oAuv angierre- > Wi 224 r \ & N > S D > 12 IN r 5 ’ mv Emiarnunv ElAnYorı, mgos de Tev Umep dbOuprias ToV norucv Aoyov dvaynas- y \ > > m ’ ’ 23 ’ Y m m Tarov. OUTE Yap Ev alnImrois mavrehegtepov TI TOÜ nomMou oUrE Ev vonrals Deal 4 DEN N RS HL r \ m x \ > S m \ \ 27 e ’ TENEWTEDOV, dei Ö° MITCATEWS Nyeuwv vous zul vonrov aisIyreü, T= ÖE Tuv Ummnowv > € [4 9» [4 ’ w 2 &) ’ ’ > [4 map” Mysmovos TE nal EMITTATOU vonos DIÄOMEUTTEIV, cis EUMEDUNE MoIos EANTElaS ’ ZEHN Edle ’ es ‚ \ 7 , 5 m mAeiwv. EI MEV o0v Evasundevres Tols bpovnsews nal Fwegoruns nal maons dgerns D ’ \ m \ G m > N Y doyuarıv areppuVaueSa Tas Ex Tadwv nu veoryuarwv xnAldas, oün dv ITws \ Y ’ x ’ > 57 m amnEiwoev 6 Ieos angus renaSappevas nal bardpuvansvaıs alyosdws Duy,ais > ’ Ev > ’ a Ost / a \ ’ \ \ z a ‚ Emoriunv Tav ougavimv 7 di öveıparwv 9 da Yonsewv A dia ammeiuv 9 regarwv r m > \ \ G Er E73 57 ! ÜonyeisIar. Emei ÖE ToUs abporuvns nal dönias zal rav aAAuv zaxınv dvauafe- \ \ ’ ‚ y & \ en Mevor MoAUTMCUS nal TUMOUS ÖUTERmÄUTOUS Exouev, dyamav yon nav einonı di € - ’ } n > ’ e) , e - auruv miunua Tı TNS EAnJElas AVEUXITHEIV NUGS. & y m y m ” x 1. Eyzareıv agıov Seov B Eyzareıv agıov M Seov zarev agıov T| 2. yarımams M ’ ’ ’ , yeverns T | 6. vonos B wovos Tm | 7. ars T mresov M | 8. dreggu\V aus$e nach Mangey’s ) NS Vermuthung B drsonlaus$e M arsgonlausSa T | 9. aöyosıöws mach Mangey’s Ver- 5 x x \ x Yoos \ muthung T aurosows M | 11. Emeı Öse vous M Emeı de zu vous T | 12. norvouois B sroyasuoös Im | 13. aurwv B aurav Tm | aveugiszew sus M dvevgraunev sen] Wenn schon bei jedem dunkeln und würdigen Gegenstand der Forschung Gott anzurufen sich geziemt, da er ein guter Vater ist und vor ihm, dem die Allwissenheit beiwohnt, nichts dunkel sein kann, so ist eine solche Anrufung für eine Untersuchung, welche die Unzerstörbarkeit der Welt erweisen soll, durchaus unentbehrlich. Denn im sinnlichen Bereich ist nichts allseitiger vollendet als die Welt und im geistigen Bereich nichts vollkommener als Gott, stets aber ist der Geist Gebieter über die Sinne und das durch den Geist Ergriffene über das sinnlich Wahrgenommene, und die Angelegenheiten der Untergebenen pflegen bei dem Gebieter und Meister gern diejenigen zu erkunden, welche von einer höheren Sehnsucht nach Wahrheit erfüllt sind. Hätten wir nun in thätiger Uebung der Gebote der Einsicht, Mäflsigung und jeglicher Tugend die durch Leidenschaften und Krankheiten entstandenen Makel ausgetilgt, so würde es Gott viel- leicht nicht verschmähen, so gänzlich gereinigte und in hellem Glanz strahlende Seelen zur Wissenschaft der himmlischen Dinge durch Traumgesichte, Wahrsprüche, Zeichen und Wunder anzuleiten. Da wir jedoch mit unauslöschlichen Flecken und Eindrücken der Thorheit, Ungerechtigkeit und der übrigen Laster behaftet sind, so müssen wir uns bescheiden, wenn wir auf eigene Hand unter dem Wahrscheinlichen auch nur irgend ein 28* 10 10 220 Bernays: Die unter Philon’s Werken stehende Schrift: agıov olv Tous ÖÄnrolvras ei apIagros 6 Koruos, Emeidn nal “Ip xal > m m ’ n} \ {3 , w E 57 \ m "noruos’ TUVv MOAAaYWS Acyouevwv ETTIV Enaregov, mouwToy EgeuvnTa med TWV övo- ’ [77 N ’ \ [4 Ö m ERNEVE) > 4 uarwv, va na$ 0 TNWAIVoNEVEv vuvi KATATETAHTa Oayvwuev EAN 0X, 00« &- - ’ Li \ \ m ’ ’ ’ Aovvral AaTagıIUNTEov, Ar ora mgos Tyv magouTav didarzartav NonTısa. AcyE- e A \ 5 / > m vıy \ Taı rowuv 6 nomWos aS” Ev MEv moWrov, GUTTyua EE oüpaveu za acrguv nur \ m \ m >.» >» m r \ 57 3 cd x Li > L megloynv Ns mal TWv Em aUrys Cuwv zal burwv, 103 ErEgav de 1ovos sugavos, ER > \ > ’ \ \ Ü ed 7 m eis ov dmıdwv Avafayogas mgos Tov TUTOWEVOV, 75 EVER« QITIAS FTAAQUTFWIEITAL die- ’ 7 B e m x 7 /2 \ , x VURTEDEUWV UmaıuSpos, amergivaro ToD ToVv HooWov JedvanIar’ Tas Xogeias nal mn > ‚ > [4 \ \ + m 64 m Ya megudogas FUVv ATTEgWV Q@WITTOMEVOS AUTa de Tgirov, Ws dorei rols arwirois, diM- 72 57 > /£ ad N ’ EN [4 [> a2 KoUTa ay,gı TNS ERmUgWTEwWs ovaia Tıs Mn Ölarerorundeen 9 AdIaRoTUNTos, cV TAG n N En , ’ m ’ ’ \ ’ AIWNTEWS baTıy Eivaı Tov Xgovov diarrnum. vuv de Eormw 9 onebıs megı noTou v \ m ‚ A a m \ n \ v E) m ! TOD Zara To mowTeVv Onmamoevov, c5 EE ougavou zal y7s na TWv &v aurois Cuwv D BEN ’ \ ve \ \ 6 t „, \ x TUVETTNHEV. AEYETAI MEVTOL AU bIopa n TE mpos To Y,Eıgov nerafßorN, Aeyeraı de zul ee.» nm» > D ’ A 3 87: 69 ‚ J \ > N ER TOU 0OVTos @vangeTis TAVTEANS, NV Kal AVUTAOATOV avayaalov AEyEiv wWoTwEQ Yyap [2,4 2. morrayas M morMayoü T| megi zöv M rwv T| 3. SNaIvolEVOV vUVL ZATRTEFRATRL B smueivercn vu zer rerazraı Tm | 3. @ar ouy, M za og, T| 7. ruSousvov M muvSe- vonsvov T | Taraımweire ÖtevunregeVunv B ru morra meigera Önevuzregevsiv Tm | 10. d4- zovo« T ömzuv M | 00 M 9 ZEN UlO megi #0owou roo M megi 700 z0oWwou rou T | 12. gwwv B:E wv Tm | 14. 9 &2 roÜ Ovros M si roü ovros T | Abbild der Wahrheit auffinden. — Soll nun untersucht werden, ob die Welt unzerstörbar ist, so muls da beide Wörter, sowohl ‘Zerstörung wie “Welt, in vielfacher Bedeutung üblich sind, zunächst die Forschung sich auf die Wörter richten, damit wir genau wis- sen, in welehem Sinne sie hier angewendet werden; dabei ist es jedoch nicht erforderlich, alle möglichen Bedeutungen herzuzählen, sondern nur diejenigen, welche für die vorlie- gende Verhandlung in Betracht kommen. In einem und zwar im ersten Sinne wird nun das griechische Wort für Welt, Kosmos, gebraucht zur Bezeichnung des gesammten Vereins von Himmel und Himmels- körpern mit Einschlufs der Erde und der auf ihr vorhandenen lebenden Wesen und Pflanzen. In einem anderen Sinne bezeichnet es den Himmel allein, und diesen Kos- mos hatte Anaxagoras im Auge, als er auf die Frage, weshalb er sich das Ungemach auflade, in freier Luft zu übernachten, erwiederte: ‘um das Schauspiel des Kosmos zu genielsen’, womit er auf die Reihentänze und Umschwünge der Himmelskörper zielte. Im dritten Sinne bedeutet Kosmos nach der Lehre der Stoiker, eine bis in die Zeit der Weltverbrennung hineinreichende Substanz in entwiekeltem oder unentwickeltem Zu- stande, und der Abstand der Bewegung dieses Kosmos, sagen sie, sei die Zeit. Die vorliegende Untersuehung nun betrifft den Kosmos im ersten Sinn, wonach er aus Him- mel und Erde und den ihnen angehörenden Wesen besteht. 489 Ueber die Unzerstörbarkeit des Weltalls 221 E VI >N\ 4 N > \ NEN 2 E mn \ > m» FoU um Ovros oUdev yıreral, old” eis To um ov pSeigerar En ToÜ Yag oudanm avros > ’ ı ’ N Eu 2 m S Eu, \ Y > \ur,e dunyavov yeveoYar Ti, TO TE 0v EFamoAeinIaı “avyvuctov nal amuTrov. ul 6 D ’ \ n 2 ’ Yan \ ” roayınos- "Iyyazeı d° oudev rav yıyvousvwv, Ötangıvonevov Ö° arro mges ara Mopbnv 2) Be > ENGEN m ki 3 \ + 7 > w se ’ > \ ETEDAV amedeıkev . oVdEIS YoUv CUTWS ETTIV EUNINS WOITE amopEwv, E10 KoTwuos EIS TO un EN > ‚ \ > m ’ ! \ 0v pSegeran, A Ei deyeru nv En 795 btanorungews ueraldeiyv, Tas Toxidas \ ’ \ ! > ’ \ \ are Nr DS ° ads OTOrYElWv TE KU GUYHDINaTWV Eis IaVv za TYV AUT idea avarvSeis ( N [77 m \ I \ m ’ ! n ’ WomED Ev Tols Srasuarı xal rols narayuarı dekausvos FAvTEAY FUyyurw. \ ö8 \ nr ’ ’ Ü x \ Eu \ r FTOLFTAL € WELL FOU Eursunevou YEyovarı doku, TWVv MEV dıdıov TEV KOoTAOV ’ f} ! \ > [4 27 \ > > ’ ’ Hauzvwv, "Ayeıyrov TE naı avwAeIgov', Tav de EE Evavrıas yarırov TE nal PIag- / EST ERNE , E) Be \ \ \ \ nm < ’ \ Tov’ Eeıoı de [73 Tag EAETFEOWV ErAU OVTES TO IAEV YEVNTOV FTag« TWy VTTEDWV Tage 2. dunyavov M AM ygvov zorı T | dvrvusrov T aumvurov M | arusrov nach Mangey’s Vermuthung B «ravsrov Tm | 3. yeyvonzvau] yıroncvav Tim | Ötezgwonevov 6° T AgıvoNsevov de M | maos au B meos arro Tim | 4. oVdsis yolv oirws Zarıv eiySns B oude yE clrws Errıv sunSss Tm | urrE amogeiv Mn» amogelv 7 | 6. miav zer M av se zu T | 9. ayeınrov T ayzvımrov M | Usreoww] Urregov MT | Was das Wort “Zerstörung anlangt, so bezeichnet es einestheils die Veränderung zum Schlechteren; es bezeichnet jedoch auch die gänzliche Vertilgung aus dem Dasein. Von einer solchen Vertilgung mu/s man behaupten, dafs sie in der Wirklichkeit nicht vorkommen kann Denn wie aus dem Nichtseienden nichts entsteht, so wird auch nichts zum Nichtsein zerstört. Denn [wie Empedokles (V. 48 Stein) sagt] kein Mittel giebt’s, dafs aus dem gar nicht Seienden etwas entstehe und des Seienden gänzliche Vernichtung ward ‘nimmer vollbracht und nimmer erhört. Auch der tragische Dichter [Euripides Fr. 836 Nauck] spricht: “Kein Wesen im Reiche des Daseins stirbt, es zertrennet sich nur, hierhin dorthin, dann zeigt’s ein ander Gebilde. Niemand ist daher so thöricht die Frage zu stellen, ob die Welt zum Nichtsein zerstört werde, sondern, ob sie einen Ueber- gang aus ihrer entwickelten Ordnung in einen anderen Zustand erfahre, sei es, dafs sie sich aus den mannigfaltigen Bildungen der Grundstoffe und ihrer Verbindungen zu einer und derselben Daseinsform auflöse, oder, wie es bei zerstofsenen und zerbrochenen Din- gen geschieht, eine vollständige Zerrüttung erfahre, Drei Ansichten nun sind über diese Frage hervorgetreten. Während Einige die Welt für ewig erklären, für "ungeworden sowohl wie entrückt dem Verderben’ [um mit Parmenides (V. 59 Mullach) zu reden], erklären sie Andere im Gegentheil für sowohl ge- worden wie zerstörbar; wiederum Andere entnahmen die Bestimmungen eklektisch von Beiden, das Gewordensein von den letzteren, die Zerstörbarkeit von den ersteren, und stellten eine gemischte Ansicht auf, indem sie meinten, die Welt sei geworden und un- zerstörbar. Entstehung und Zerstörung der Welt nun lehren Demokritos, Epikuros und die grofse Menge der stoischen Philosophen, jedoch nicht auf gleiche Weise. Demokritos und Epikuros nämlich bilden die Vorstellung einer Mehrzahl von Welten aus, deren 10 10 15 222 Bernays: Die unter Philon’s Werken stehende Schrift: nm ’ \ ” \ , Q \ Be de ray mgorsgwv TO abIagrov, KIATNV doEav Amerımov, Yeryrov Hui abIagrov > / Sr ou ’ \ a Nu 3 0m 80% Kunde \W 4 n oinYevres aürov eva. Ayuongiros ev ovv xal Emizougos zu 0 TOoAUS oMIAOS TWV m m ’ Wi \ \ m ’ dmo 795 0ro@s DıAogohbwv Yevedıv zal dIogav dmoAsimounı ToU nonmou, mANY oUX, e \ \ \ ’ = 4 er \ [4 > Euolws: ci Wv Yap ToAAUs Kormous Umeypapourıv, wv Tnv ev yeverıv dAAMAo- u Y N , x a m DI > Ko xl ds Ss x > m x TUmias Hal EmIMÄORRIS arTouwv AvarıyEaTı, TNv ÖE bIogav AVTiKomus nal MIOT- ’ n / e N \ ’ AN ’ ’ x E m gakerı Tüv yeyovora ci ÖE OTWInol HoTMov Ev Eva, Yevenews de auTo) Seov y Q mn ds ’ S \ AG \ ec 4 E m [Du \ > 4 airıov, bIop&s de mmneri Deov AAAE Tyy VmaOYOUTav Ev TOIS OUTL TUROS EHaMATOU ! ’ 59 IN U \ ’ > € ’ > ’ 4 duvarnı, Apovmv Mangas megıodoıs avaAuoucav TA FavTa Eis Eauryv, EE N mar au 2. r 7 7 m ' \ 4 dvayevınaw nosuev FwisraoIa mooumJeig TU Texvirou. Öuvaraı dE ara Tau- e ’ ’ EHIN ec \ \ ’ \ \ e ToUs 6 MEV TIS KOTWcs qudloc, © de bSagros AeyerIaı, $SIagros usv 6 zarte ruV ’ \ € \ \ > ’ I ’ dianorungw, didies de 6 ara Tyv ERTUQWTW TAAUYYEVETLLIS xaı megiodais a9a- ’ 3de ’ > en ' & ’ E > 1C1A] REIN), E) U varılomevos oVdemoTE Anyousaus. Apıcı OTEANS OE MYTOET EUTENWS Ha OTIWE EVITTE- > ’ \ Y I 4 \ 4 [J Ö \ d8 > r MEVoSs dyevyrov na abIagrov ebn Toy noTuov Eivam, Okıymv OE dIEoTyTa xare- w > ’ ’ N a7 ’ ’ ’ Ylvusze ray Tavavrı@ diekiovrwv, ol TUV YEINDAUNTWV cüdev unonaav Ötabegeiv ER \ ET, 7 \ ’ \ Nr Ey, m , m TOTOoUToV öparov Geov, Nav nal TEAYVYV za To aAAo TWv TAavYTWV za amAavav 2; maorEgwV M meoregoV T| 2. aurov sivaı M zivaı avrov T|\ 6. nev Eva M Eve | yertasws T yererSee M | 8. @aü T vöv M | 10.6 de bSagros M 5 de rıs BIaproc T| 11. zar& rYv Öerosunsw M zare Öerosunsw T | 12. ummor’ T underore M | ZvIFT@MEVOS B imısrausvos Tm | Entstehung sie dem Zusammentreffen und der Verknüpfung der Atome zuschreiben, und die Zerstörung dem Gegenstofs und Anprall der entstandenen Dinge. Die Stoiker hin- gegen nehmen nur Eine Welt an; die Ursache ihrer Entstehung sei Gott, ihres Unter- gangs Ursache jedoch nicht ebenfalls Gott, sondern die in den Dingen vorhandene Ge- walt des rastlosen Feuers, welche in grofsen Zeitabschnitten Alles in sich auflöse und aus welcher dann abermals eine Wiedergeburt der Welt durch die Fürsorge des gött- lichen Bildners zu Stande komme. Nach dieser stoischen Lehre kann man zugleich von einer ewigen und einer zerstörbaren Welt reden; zerstörbar wäre sie in Rücksicht ihrer geordneten Entwiekelung, ewig aber in Rücksicht des Weltbrandes, da die Wiedergebur- ten und unaufhörlich sich wiederholenden Zeitabschnitte ihr Unvergänglichkeit verleihen. Aristoteles jedoch, den zu seinen Einwendungen wohl fromme und heilige Antriebe be- wegen mochten, erklärte die Welt für ungeworden und unzerstörbar, und die Vertheidiger der entgegengesetzten Ansicht zieh er schwerer Gottesleugnung, dafs sie vergänglichen Menschenwerken gleichsetzten eine so grolse, augenfällige Gottheit, welche die Sonne umfalst und den Mond und die übrige, mit Recht so zu nennende, Göttergemeinde der wandelnden und festen Himmelskörper. Und in offenem Hohn gegen diese Ansicht sagte er [Dialoge des Aristoteles S. 101], “vormals habe er für sein Haus nur gefürchtet, es könne durch gewaltige Flutben oder durch ungeheure Stürme oder vor Alter oder weil 490 Ueber die Unzerstörbarkeit des Weltalls 223 e > m ’ [2 Eu [2 e 7 > # m J Ws aANIws MepIeyovra maydeiov. EAEyE TE, Ws Eomıv drovew, RATaREGTOUWV, 01 [3 4 \ E z \ Er TR \s 12 SER N nv > ’ N Tara wev Ededısı Meg Tns oinias, um Bıarcıs Beumarw 9 wanuow Efmmis 9 e ’ A oc N n e ’ > ’ > 5 \ & ’ > xgovw N beSumie TYE dgmorrouays Emiuehsias avargamy, vuvi de doßov ETINERDE- [3 I ’ \ 27 x cd ’ m ! A E y \ naar erlova mgos TWv Tov amayra normov TW Aoyw nayagouvruv’. Evioı de ’ m ’ \ ’ Er L > \ oün "AgıozoreAn TnS doEns eÜgeryv Asyounı ara Twv HuSayopsiwv was. &yW \ \ L ’ m ‚ > Ey Er \ ÖE nal "OreAAov ypaumarı, Acunavov yevos, Emıygabenevw Tlegı Tys Ted Havres ’ SR) > EN: ’ \.20:0 > E z Ü E \ \ Burews Everuyov, &V w Ayevyrov TE nal ad Iagrov oUn dmebawero uovev QAA@ Hal D ’ \ ’ E2 \ \ vr ’ \ di amodeıgewv warennevale rov noruov eivan Yernriv ÖR nal abIaprov barıw Umo / > rm , m \ m m = 2 ee ’ \ HAarwvos ev Tınaw nrcücSar dia TAS Geompemoüs EnnAnnias Ev n Acyeraı mgos \ ’ \ EN rn 7 r m = \ TOUS vEwrepous Deous Ümo Tou mosoQurareu xaı Yysuovos‘ "Seor Sewv, Wu Ey M- \ f} „ y > nv \ r \ \ N \ \ m "niovpyes Taryg TE Eoywv adura Euov um DEACvToS. To ME cuv N bed av € / [4 \ m e \ EN EN > In mn N Autov, TO YE un naAws apmooder nal Eyov ED Ausıy EIEREW nano. di6 zul en 4 ’ E 4 \ > E) \ >N\ Y \ I Y \ EMEIMEO YEYEINTIE, AIavarcı MV cin EOTE oUdE @AuTa 76 Taumav, ori yE MV [3 ’ 4 > I m >» AR ’ E) Ausysende Ye, cüde reugerSe Savarou Holges, ms Euns ReovAyrews meikovos Erı 1. rar Seıov T mav Seiov M | zaranegronsv M zur zaransgronsv T | 2. geumasıv B rvsuuesıv Tm [BAR eos av zov T meos zav M | 5. @Ac rom IvSayogsv (sic) M arr« zur Tov IvSayogeiwv Te26: Yaceıı (sie) M SUYYOrRARTL INN Emreygaouzvw T: Erruygwhonevov M | 7. povov T uev oov M 8: de zur T re zu M or, Tınaro von erster Hand am Rande M | 10. Seor Sewv iv eyn T Seos Sewv ey» M | 11. euou um Serovros M Emo yE Serovros T | oUv 64 T odv am M |13. 0 raumav T zov maumev M | 14. AuSysesSe T AuSy- sesSca M | es nicht mit gehöriger Sorgfalt in Stand gehalten worden, einmal einstürzen; jetzt aber drohe eine weit grölsere Gefahr von denen, welche das ganze Weltall durch ihre Theorie niederreilsen.”. Einige meinen, nicht Aristoteles sei der erste Urheber dieser Ansicht von der Weltewigkeit, sondern gewisse Mitglieder der pythagoreischen Schule; und ich habe in der That von dem aus Lukanien stammenden Okellos eine Schrift mit dem Titel “Ueber die Natur des Alls’ gelesen, in welcher derselbe nicht nur behauptet, sondern auch durch Beweise zu erhärten sucht, dafs die Welt sowohl ungeworden wie unzerstörbar sei. Für geworden jedoch und unzerstörbar soll Platon im Timäos [S. 41a] die Welt erklären, wenn er in jener gottherrlichen Versammlung den ältesten und gebieten- den Gott zu den jüngeren Göttern so sprechen läfst: "Götter, Söhne von Göttern! Die “Werke, deren Meister und Vater ich bin, sind ohne meinen Willen unauflösbar. Freilich “ist jegliches Gebundene lösbar, jedoch nur ein Böser kann auflösen wollen, was schön ‘gefugt und gut beschaffen ist. Also seid ihr zwar, da ihr geboren seid, nicht unsterb- “lieh und nieht gänzlich unauflösbar, aber ihr werdet doch nicht der Auflösung: verfallen “und des Todes Schicksal wird euch nicht treffen, da ihr an meinem Willen ein mäch- 10 ou 10 924 Beryars: Die unter Philon’s Werken stehende Schrift: n f} r EN ed DE 2 ER 53 “deruod nu KULLWTEDOU ARYOVTES EHEIVWV, 0IS OTE EyeyverIe auvdedente Tives de G A G \ ah \ / m 67 ciovrar vohdılousvoı zur TMarwva yeryrov AeyerIaı Tov noruov od TO Auleiv r \ m E77 aM \ N N} a (+ > 3 m yEVETEWS EOYM; Era TU, EIMEQ Eyiyvero, un Av Eregws 1 TEv EigmMevov TUTTAYc ‚ D \ ’ m \ ’ 59 ‚ \ x Tgomov, 9 die TO Ev yeversı nal meralorf Ta neon TewgeinTan. Berrıov de zul ’ e m \ ! > r < \ \ m G aANIEOTEgoV Umovoeiv To mpOTEgeV, oU Mavov oTL did mavros ToÜ FUYYpAUMATOS TA- ’ \ \ \ \ \ \ ’ See ah: \ \ TEg« Ev Aa momTnv Ka Önlougyov Tov GEomAaoryv Eneivov are, Egyov dE zul £) \ r > ’ . ! ’ Eyyovov TOUTOUL ToVv A0TWoV, am AOYETUMOU voyrou magadsıyuaros ninyna aisSy- ’ 1 = E ‚ \ r > ee: en ’ \ Tov, MAUS’ 07a Ev Eneivw VoNTa MEQIEWOVTa TINTE Ev aüTW, TEAEIOTATOU TIOS m ! > m \ 7 a ne.) } ’ m vou TEAEIOTATOV Enuayeiov TOOS auoIyaw, EAN ori nal AI TOTEANS TAUTa Mugru- 69 ’ \ \ n , Ar \ X / rl ’ gei megı IMarwvos, dia av Tis dıAorodias aid under av beurauevos, zal dıorı ’ e - ! rw \ ’ F \ [2 MITToTEgos obdeis UbnynrH Yympiawv MaITUpEIV Kal MAALTTa ToLoUTaU, 05 mag- epyov EIero mandeıav inbınopw daIupie, moonumeg@areiv de Gmouddras Tas TaV 1. öre T ovres M | 'suvöcder$e M ouvedesse T| 2. ou rw Auen yereseuis aayyv T ou 70 Außeiv yeverzwg Eoy,ov M | 6. ezeivov zarer Eoyov B Exeivov an Aegıyov M Etxzeivov burw zaAnıegyov Mangey. !zeivev pasıw zarrieoyov T | 7. rourou: B rourov: Tm | EpyErUmoU vonroö M doyerumou zu vonroö T | 8. oa £v Ezewu M os« ezswo T | TEAEIOTKTOU meos vol B r3..0rer« eos vol M Fersiorarovu eos voov T | 10. Leusauevos T Statt dieses Worts ist in M ein Raum von etwa vier Buchstaben frei gelassen | 11. Upnynrn yrualumv B Öbnynens yuwarauv M üpbnynens yvuarnov 7a E12 meosumeo@aretv M moosumegßcANeıw HE) “tigeres und unverbrüchlicheres Band besitzet, als dasjenige war, welches bei eurer Ge- ‘burt jeden von euch zusammengebunden hat.’ Einige jedoch erlauben sich die Klügelei, zu meinen, in Platons Sinn werde von der Welt als einer gewordenen geredet, nicht insofern sie einen Anfang des Entstehens gehabt, sondern insofern sie, falls sie geworden wäre, auf keine andere als auf die von Platon geschilderte Weise habe zu Stande kom- men können, oder auch weil die Theile der Welt als begriffen in stetem Werden und W.? esfeh darstellen. Besser jedoch und wahrheitsgetreuer ist die erste Auffassung ‚der platonischen Ansicht, nicht blofs weil Platon im ganzen Verlauf der angeführten Schrift jenen Götterbildner stets Vater, Urheber, Meister nennt, die Welt aber ein Werk und einen Sprölsling ebendesselben, ein nach geistigem urbildlichem Muster entworfenes sinnliches Abbild, welches Alles was in dem Muster geistig ist in sich als sinnliches einschliefst, den von dem vollkommensten Geist herrührenden vollkommensten Abdruck für die Sinnlichkeit, sondern noch deshalb weil dies als Ansicht Platons auch von Ari- stoteles bezeugt wird, der aus Ehrfurcht vor der Philosophie sich gewils keine Unwahr- heit erlaubt hätte; und ferner giebt es ja keinen glaubwürdigeren Zeugen über den Lehrer als die Schüler, zumal ein soleher Schüler, der nicht in herumkostender Oberflächlichkeit die Wissenschaft als Nebensache behandelte, sondern es sich angelegen sein liels, die 491 Ueber die Unzerstörbarkeit des Weltalls 3235 m , El m ‚ er , ’ TAAaWv eugereis evıa TWVv Avayzamrarwv E15 ERATToVv biAcTohIas MEgeS HaVoTo- [4 ’ ’ \ m r ‚ Bl , \ ANTaS mooTeFeUgErO. TATEOR de Tov IWMAarwveiou doynuaros evior vonkoust Tov TON- \ ! NR, 51 \ r > ’ ’ TV “Hricdov, YEUVNTOV TE KU apSagrav OLOJLEVEL ToVv KOTAOV Um EREIVOU Aeyeo Sat, \ B e/ \ [27 \ ! ‚ ’ > SEN B} RE SE YEVNTOV EV, OTL DNTIV Hroı JAEV TOWTTTE WUOS "YEVET , aUrag ETEITR Tai EUDU- ’ k32 E) \ a: El Veser), vl \ \ > oregvos, mavrwv Eos Godarss aicı, abIagrov de orı Öarusıw mal bIogav oÜ B > m U > e re ’ ! y E32 u \ ‚ BKEUNVUHEV AUTOV. Xaos () 0 JAEV AgısroreAns TOTOoV DIET EiVal, CTL TS deEonevov U 69 U m NS n Y VAN \ \ ! avayın mooUmoREIT Da TWUATL, TWwV de OTWiIHnWwv Evıol TC vowp, FAIE TNV XNUTW 5 2 , e ‚ NegE 7 \ \ N \ U TOUVOLALA TERN TUL voukovres. OTOTEgWS av Eye, TO YEVAHToV Eival ToV KOTIA0OV E ’ ac ’ ! m a ı ’ e m > Öi ‚ EVAGYETTATE TaD Hrıcdw JAEIINVUTÜL. Margot de opoVvars WOOTEDOV o rwv Jovdawv ’ \ NE Y \ r > e m , N \ ’ vonoIErng YEVNTOV Aa abSuprov ebN ToVv KO0lALOV EV LEOIS Bißraıs 2 EIOTL de TEVTE* x ! > ’ e ‚ EI > (4 E77 \ ’ nv es = TE f TyVv TOWTNV Emeygale T'everiv „ EV 7 ROXKETal Tov Tom v„ TOUToV' EV won ETOMTEV c \ > \ \ \ a e NS 8 m 8 r \ > ‚ EN [e) STEeos Fov oupwvov za Tv Yyıwv° 9 de ya aogaros Ha ÜRUTUTHEURTTOS , TE \ > = E77 Ä ! ad ! \ ’ \ Ze N 3 x go IwV EV TOIS EREITA MNvVE Tarıw ori ruusgaı Aa YVURTES Hal woqt ra EVIAUTOL 2. mAaruvsiou M MAerwvizoo T | 3. yeuırov 72 zu M yeunrov zu T| 3. Gr Ersivov T er 2zewov M | 4. yever T £yerero M | 11. vonoSerns M vonoSerng Mucns T | &$n von Y . , wu x ‚ erster Hand aus &yvw geändert M | 11. zyv wgwrnv M ww rau wenn T | Entdeckungen seiner Vorgänger weiterzuführen, und für jeden Zweig der Philosophie einige der wichtigsten Lehren neu hinzugefunden hat. Für den ersten Vertreter der platonischen Ansicht halten Einige den Dichter Hesiodos; denn sie meinen, derselbe erkläre die Welt für geworden und unzerstörbar; für geworden, ‚weil er sagt [Theogonie, 116]: “früher als Alles hervor trat Chaos, das zweite danach war Gäa mit mächtiger Brust, Allsitz auf immer gefestigt‘, für unzerstör- bar, weil er nirgends von Auflösung und Zerstörung der Welt eine Andeutung mache. Unter Chaos aber wird, nach Aristoteles’ Meinung, der Raum verstanden, [der deshalb für das Erste gelte,] weil vor dem Körperlichen nothwendig etwas zur Aufnahme des- selben Geeignetes gegeben sein muls; nach der Meinung einiger Stoiker hingegen wäre, Chaos das Wasser; der Name, glauben sie, sei von dem griechischen Wort für Weisen, Chein, abgeleitet. Wie es sich damit nun auch verhalten möge, jedenfalls ist bei He- siodos die Welt auf das deutlichste als geworden bezeichnet. Lange vorher hat schon der Gesetzgeber der Judäer die Welt für geworden und unzerstörbar in heiligen Büchern erklärt; es sind fünf an der Zahl; dem ersten gab er die Aufschrift “Schöpfung', und darin beginnt er folgendermafsen [Genes. 1, 1]: "Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde, die Erde aber war unsichtbar und ungestalt' und im weiteren Verlauf ver- kündet er dann andererseits, dals Tage und Nächte, Jahreszeiten und Jahresumläufe, Mond und Sonne, welche die Eigenschaft der Zeitmessung empfingen [Gen. 1, 14], zu- gleich mit dem ganzen Firmament die Unvergänglichkeit zum Antheil erhalten haben und ewig unzerstörbar dauern [Genes. 8, 22]. Philos.-histor. Kl. 1876. 29 5 5 10 5 10 226 Bernays: Die unter Philon’s Werken stehende Schrift: Sl x ./ \ 2 ! ! ! \ 7 \ 7 veryuN TE nal MAıos, ol X,ocvou MergnTeus Dun EdELayTo, METE TOU autos oupavod ‚ , ı N m Y Hoigas dSavarov Auyovres diareAousw ahIagraı. \ de & ’ x Y Ü Y c/ 02 \ TeVs de dysımrov naı ubIaprev narasnevalovras Acyous Evena TAG mg0S \ e \ \ FIN and ’ I > 4 > \ ’ ed 07 rev ögarev Seov aidoUs, TMOOTEgEUS TURTEOV oixeiav doyAv raßevras- dranı Tas $ \ EIN , 317 N er > , e N) e N SEN ’ bIopav Evdeyomevars alrını Öirral 775 dmwAsias, 1 Ev Evros, N 0E Euros moOUmO- ‚N m \ \ \ / ANY? cd ES neivrau. TIOngEeV Yolv nal YaArov Ku Tas TOIUToTgomoVs oürlas EUpos av Ada- ’ > B m ’ [7] e ’ ’ B >\ > \ 1 vidousvas EE EaurWv MeV, orav Eomyvwdous vormu@ros Taomev ios Eridgauuv diabayn, \ \ 25 E) u 2] > ' DH, x ! m n \ moos de Tuv Euros, oTav Eumımganevgs oimıas 7 moAews Fuvavapäey,Yeiraı TN mUgOS ß / ec EINEN Ser! e , NS \ ’ E ’ I / \ uw pinn ÖuruIwWew: ömmorgomws de zaı Qwois Emiywveras TEÄEUTN, vooyTanı EV 3 € n EN IN m E ’ ’ a AR D A 5 ’ \ E£ Eauruv, Umo de Twv Eures, Obarronevois 9 AUTaAeuonevas 1 EMmImgaEvos M Sa 3 \ \ \ x> > / r ’ EN ‚ \ 7 avarov od naIagov Tv di ayıavns Ümeuevousw. Ei de pIagera nal nornos, 3 IN „ Ar n 3 \ AN 2 29 5) n ’ EE Wwayans mroı Ümo Tıvos TuV EnTos 9 Tmpos TWwos Tu Ev aurw NabIapnrerau r Sr, N) > \ \ \ ’ > » Ü L duvanewv' auNy,avov ds ERUTEIOV. ERTOS AV Yao oVdev Eorı TO nocmou, mavrwv Eis 4. rov öpwrov Senv B ro ogwrov Tm | asıdoüs mgoregous razreov M aidols razreov ı cu ’ ’ . \ Pr \N moorepous T | 6. yoüv M ovv T | 7. vooyuaros T' vorsuaere M | 8. eos de av T meos ds rov M | 10. zerarevonevors nach Mangey’s (Corrigenda p. 688) Vermuthung B zu zeAsvo- D \ nevoıs M za Asvonsvors u al dabIagnsera M PSIagyseran er Die Schlufsfolgerungen nun, welche die Welt als ungeworden und unzerstörbar erweisen, müssen wir, aus Ehrfurcht vor der sichtbaren Gottheit, an erster Stelle vor- tragen und dazu folgenden sachgemäfsen Ausgangspunkt nehmen. Für alle der Zerstö- rung unterliegenden Wesen ist eine zwiefache Ursache des Verderbens gegeben, eine inner- liche und eine äulserliche. Eisen z. B. und Erz und dergleichen Dinge sieht man dahin- schwinden, erstlich von innen heraus, wenn Rost, gleich einem fressenden Hautschaden, sie befällt und zernagt, zweitens von aulsen her, wenn beim Brande eines Hauses oder einer Stadt sie von der Flamme ergriffen und durch die mächtige Gewalt des Feuers zersetzt werden. In ähnlicher Weise finden auch die lebendigen Wesen ihr Ende, erst- lieh von innen heraus, durch Krankheit, zweitens von aufsen her, wenn sie mit dem Schwerte erschlagen, oder gesteinigt, oder verbrannt werden, oder den unsauberen Tod der Erdrosselung erleiden. Würde nun die Welt ebenfalls zerstört, so mülste sie ent- weder durch eine äufsere oder durch eine in ihr selbst vorhandene Macht zerstört wer- den. Beides ist aber unmöglich. Denn aufserhalb der Welt ist nichts vorhanden, da zur vollen Ausstattung derselben die Beisteuer aller Stoffe verwendet worden. Denn nur so [wenn aufserhalb der Welt nichts vorhanden ist] kann sie sowohl eine einige wie vollständig und ewig jung sein; eine einige, denn, wenn aufserhalb der Welt Stoffe zurückgeblieben wären, so könnte eine andere der jetzigen gleiche Welt entstehen; voll- ständig, weil das ganze Dasein zu ihrer Bildung aufgewendet worden; ewig jung und gesund, denn die den Krankheiten und dem Alter unterliegenden Körper werden nur | 492 Ueber die Unzerstörbarkeit des Weltalls 227 \ ’ n E \ Sn „7 ve \ Tyv TUMEANWeIW aürov FuvegausTevruv. UTUS Yap Eis TE ETTaL nal 0Aos za Sen HK Ce [2 \ \ E a ’ m u Ds m n y LER @yngws: Eis MeV, die To dmeneıdIevrwv TIvWv Eregov av TU YUV ovrı YErEOTaı d ed ’ [72 m ’ \ SIR > est > NY 3207 Eorov- oAos ÖE, Evena ToU TUnFaTav ryv oümiav eis aurov EEavmAuclar: dymgws \ N, > \ \ ' \ 7 / e \ 2 \ 7 ÖE zul avoros, EmEIÖN TE voras zul YAe TWmara dAura Tepuorysı zai Wugeni m E} a I / Y > = > I w zul Tals aus Evavrioryyı moosemmımrougas EEwIev ITyuawWs dvargemerau, wWv > 7 / >_.N» Se. 0a ıQ n RUN N eüdeuie Öuvapıs amodgera zunAovre zal EmimiTera, TaOWVv, MNdevds AmOTTaToUVFoS Y E r 5 ß y > dr D) = Y r A y negous, öAorAngwv Eyrarsırnunevwv eisw. Ei Öaga Tı EOTIV Eures, Tavrus av EM ’ ee S, (4 A du Sa BERN Se \ \ j&8 ER nevov, 1 Ema9ns durıs, Av döwarov made Tı N Opera. nal ymv oüde Umo Tivos \ ’ \ 2 ‘ 4 N ae m ‚ > \ 4% aTIas diaruSyrerau TWV EVTOS AUTOU* FOWTEV [AEV, EreıN Tou oAov 70 MEges Aa ! n „ \ , 2 > \ f e \ ! > t ueikov Errau zu zOUTÜIOTEgeV, OmEQ ETTiv ArcRWTaTOV" 6 Yag RoTics ävumeg@ryru ’ \ Na nm Sr, „ Y mavra juegn, mQSS undevos auruv ayouevos‘ Emeıta, dlorı r ! E)] \ KgaTEeı Ygwievos ayeı Ta m > > n > m m \ > \ m \ > ’ \ \ N) 9} dırrwv CUT wv bIogas aTıwv, TNS MEV EvTos TNS de EHTOS, E TV ETEIRV cıa TE r \ \ m An 5 \ ’ nz ’ m ou \ Umonevew, derrıza rar TI ETEDRS ETTL TAVTWs. OAWMELOV de: Beis zu ITTOS Aal 1. oizws M oizw T | es ze eis a M | 0%0s zu T oXos M | 3. sis aörov T sic &avrov M | 4. LvEes M uxeornsı IR BR moosemImmFrOUCRG M moOTEWmımFOVUTEUS JE 6. aroögera Ih Amrodaarance M | z«ssv nach Mangey’s Vermuthung B z«Sav Tm | «@ro- n ’ ‚ \ as n A > 3 oreroüvzos M amoorevros T | 7. zevrws Travros M | 8. n anaons MH ana9ns T | , z ; N } : R 9. zgsrov nach Mangey’s Vermutbung B goresov Tim | z00 &2.00 zo 1asgos T 7° 5%ov Fol b) x) negous M | 11. s«& mavra ueen T 7& uzon M | 12. ci« re nach Mangey’s Vermuthung B cera: T| durch Hitze und Kälte und andere gegensätzliche Kräfte, wenn sie mächtig von aufsen herandringen, erschüttert, keine Kraft dieser Art aber schwirrt, der Welt entlaufen, um sie her und kann sich auf sie stürzen, da sie allesammt vollständig, ohne dafs irgend ein Theil bei Seite geblieben wäre, innerhalb der Welt eingeschlossen sind. Ist aber aufserhalb der Welt noch Etwas, so ist dies jedenfalls leerer Raum, der seiner Natur nach eigenschaftslos, also zum Thun wie zum Leiden unfähig ist. — Andererseits wird die Welt auch nimmermehr durch eine in ihrem Innern vorhandene Ursache aufgelöst werden; erstlich, weil alsdann der Theil gröfser und kräftiger sein würde als das Ganze, was im höchsten Maafse ungereimt ist; denn die mit unübertroffener Kraft ausgestattete Welt zieht alle ihre Theile mit sich fort, und wird von keinem derselben fortgezogen. Zweitens, weil zwischen den zwei Ursachen der Zerstörung, der innerlichen und der äulserlichen, dieses Verhältnils obwaltet, dafs alles was der einen unterliegt, jedenfalls auch der anderen unterworfen ist. Z. B. das Rind, das Pferd, der Mensch und die ähn- lichen lebendigen Wesen, weil sie so beschaffen sind, dals sie durch das Schwert ge- tödtet werden können, finden auch durch Krankheit ihr Ende. Denn es ist schwierig, oder vielmehr unmöglich, ein Ding zu entdecken, welches seiner Natur nach der äulser- lichen Ursache der Zerstörung unterliegt und dennoch der innerlichen gänzlich entrückt wäre. Da nun gezeigt worden, dafs die Welt durch nichts von aufsen her zerstört wer- 29* 10 10 228 Bervavs: Die unter Philon’s Werken stehende Schrift: Eu \ \ 4 m ö / U > »_Q EN ’ . avIgwmos za Ta mapamınaıc Cua diorı mEburEv avamysisIu Üro rıöngov, Aal ’ ’ \ \ n \ 1 Ce) \ \ Eu Ye vorw TEREUTNTEL. WarEmeV Yap MaAAov ÖE dduvarev eugeiv, 6 Tyv EZunev airiav \ = ’ » Se E) ER \ al \ mebunos Ümoneveiv TAS PIogas aderrTov EOTaı Har& To mavreiis 115 Evdodev. Emeidh ’ e N nn» \ / > 2 L a 121239 Foivuv UM OoVdEvos TWV ERTOG PIugnsonevos edery,om 6 nomuos, TW Mmdev EEW HaTe- 59 / Ü 67 ) ad \ \ 67 ' ArreipIaı mavrws, old” Umo Twos TWv Ev alrw, dia Tuv mgoemIAoyırSeisav amo- A \ \ rien 7 > m \ \ Cal. U ’ deifw, 2aT Av To dAwTov TN Erege TWv alrınv Kal TAy Eregav Emedune dey,er Ian. ‚ \ N 2 , \ ee \ ! „ & \ \ & Maprupic de zu 7a &v Tıuaw megl TOÜ TOV Komuov avomev eivar nu Mn bIagn- I / c nm {N \ / A cd c/ Y- e m ! N Fousvov rads‘ “rwv de dM Terragwv Ev 0Aov Exanrov eLANbEv A ToU KoTuov TUTTE- e > \ \ \ AN ’ Ar ’ \ Eu L TEN e Dis. Er Yap Mugpos mavres VORTOS TE HCl @epos nal YNS TUVESTNTEy aUTEv 0 TUV- e ’ ß EN AN SI n/ y € ’ n Ss ITTuS, Mepos oUdev oUdevos cUde duvanır EEwIev Umorımuv, Tade diavonYeis moWroV en 7 ed u NR n 7 5 ’ m 077 \ R 7 N nev, iva oAov orı Marıora Swov, TEAEIOV En TEAEIWV MEgWv Ein" T_OS de ToUToIs Ev, ed > e ’ 5 % Y m ’ 7 7 RA ad \ @TE 0UX, VmoAereıumevwv E2 Wv @AAa ToLoUTO YEVCITo av. El de, Iva ayngwv nal ey $ m ec a / \ \ \ \ U sd ’ dvorov N, naravouv Ws TUTTaTw Fwuarı Jeguc nal Yuxpa za TavI” c7a duva- e > \ „7 r 1] \ ‚ , Fr JAELS IOYWUDaS EYEL, WEQUTTAMEVE eZw.Iev rat TEITTIETOVTEU Enaipws AUTEL zul 2.0 uv B vonsyv M © zyv vonsyv T| 3. Ueber die Blätterversetzung nach adezrov !rraı s. oben 9. 214. rAs EvdoSev M Frois EvdoTev T| emsıdn zoiwuv Um oudsvos M ersıdn rowuv 9 suvregıs are mndevos UmoAsubSevros Megous ws QwrSyver T; s. oben S. 211,4 | 6. zur TyV ersgav T za m Erzoce M |. IaegTUgice M MEETU guce T| 8. orov Ezasrov T 0%ov M | 12 und 229,2 ayngwv T aynaw M | 13. Ws ousrerg nach dem platonischen Text B us r« ru Tm| 14. Auzei M We T| den kann, weil durchaus nichts aufserhalb zurückgeblieben ist, so wird sie auch durch nichts in ihrem Inneren Vorhandenes zerstört werden, laut der vorhin erörterten Beweis- führung, nach welcher es sich ergab, dafs das der einen Ursache der Zerstörung Aus- gesetzte auch der anderen seinem Wesen nach unterliegt. Ein Zeugnils dafür, dafs die Welt der Krankheit und dem Alter entrückt ist, enthält auch folgende Stelle im Platons Timäos [p. 32°): “Von den vier Grundstoffen hat ‘die Bildung der Welt einen jeden ganz in sich aufgenommen. Denn ihr Bildner hat sie ‘aus allem Feuer und Wasser, aus aller Luft und Erde zusammengesetzt und keinen “Theil und keine Kraft aufserhalb zurückgelassen. Er bezweckte damit folgendes: erst- ‘lich, dafs die Welt so sehr als möglich ein ganzes Wesen sei, vollständig mit vollstän- ‘digen Gliedern; ferner, dals sie ein einiges Wesen sei, indem nichts zurückblieb, woraus ‘ein anderes gleicher Art entstehen könnte; endlich, dafs sie ein dem Alter und der Krankheit entrücktes Wesen sei; denn er bedachte, dals wenn einen zusammengesetzten ‘Körper heilse und kalte und sonst andere mit starken Kräften begabte Stoffe von aufsen ‘umgeben und zur Unzeit mit ihm in Berührung kommen, sie ihn schädigen, Krankheiten “und Alter über ihn bringen und seinen Untergang bewirken. Aus diesem Grunde und “in dieser Erwägung hat Gott die Welt als eine ganze, aus dem ganzen Vorrath alles 497,8 a VEROETÄNLAU FN ) vr BASS RACHLN SA ade Lt el 498 Ueber die Unzerstörbarkeit des Weltalls 2329 eur xq a > ’ 4 m IN \ er \ \ \ ! vorous zul yAgas emayoyra bOwew mo. dia Tyv alriav zul rev Acyıruov FEvde °S \ 7 > J e 2 r Un: ’ \ El 3.3 E ! > Eos 0Aov, 32 cAuv AEmavTuv TEAEIOV Ku ayngwv al avomov UUTOV ETERTAVATO. n ’ \ \ I \ \ > 4 - / 2 Sa,f Fouro ev N maga IlAarwvos mogos nv apSaprıav FoU KoTuoU MagTUp:ov ErNGSW, NED 4 \ 1 52 > Sl 4 R \ \ x ’ , To O’dyevnrov apa Ths buvınns AANIEIaS: EmErW MV Yap TW Yevousıw diaAurıs, ’ \ Fe ’ 3 \ © \ ‚ Sa 7 ’ apIaprın de rw dyevarw Emei nal 6 To ToImergov Enewo manaas ‘To Tor Yevo- m > 2 > N 67 \ > x m x m > 24 m nevov zarZaveiv Odeiderar done UN mo GromoD Tuveis droAouFiav TÜV almımv 775 , \ m n N „7 [yevenews war ns] POopas wie... 2.2.2... EXEN ER) RR ‚ Y cd n ur N’ 3 Eregws de Eomı Tode: mavO osa av auvöerwv bIelgera, diaAumıv Eis \ >5 2 ’ ’ ww N EN 5 v N \ \ ! 7a EE wv owvereön Aaußaveı: dadunıs Ö’oüdtv Av apa #1 wos TE mare pücw Ag REN 2) \ > B e ’ 5 \ \ \ ERasTWv Emdvodes, WITE HaTE Toüvayriov 1 FUVGenIS Eis To Tage bucw Ta Tuver- Y N t I eu „y >.) r E7] ED) \ SEN Sevra Beßiarraı. ra dfra ourws Eoınev absuderrara Ey. avopwreı Yap dmo m r / A N dd m ‚ > > m Eu IN El Tüv TETTagWv Tramgsiwv, @ ÖN oAu ToU mavros Eyrw oügavod, YAs, [Vdaros], degos \ ’ ’ \ , ‚ ‚ \ 55» ’ m TE Aal mUROS, Poaxsa Fa E0N davsırauevor Fuverpeomner. Ta@ 6ö avanpaTevra TNS 3. sänpew T eirndSaı (7 aus 7 geändert) M | 5. Folergov 4b) Teinegov M | 6. auves B ouvScis Tm | dzorouStev zov aim M dzorouStav T | 7. yeverews zur zus b>oaas B bSoses MT | ade Eye M wo Xew T | 9. meos z& T meos zyv M | 10. Were T Statt dieses Wortes ist in M ein Raum von etwa vier Buchstaben frei gelassen | 12. yrs Vdaros B yas MT | 13. Boryze Te nen M Roeyzr zare BYzıw nzen T | z45 zero D > ‚ > @ ’ x / , a , z7EWS Eareonra Tegmornros M 775 zwnseus Eoreonrean, Seguorys T | “Vorhandenen zur Vollständigkeit gelangte, als eine dem Alter und der Krankheit ent- ‘rückte aufgebaut.‘ Dieser Beleg für die Unzerstörbarkeit der Welt mag also von Platon entnommen werden. Dals sie aber ungeworden ist, läfst sich aus der natürlichen Wahr- heit entnehmen. Denn Gewordenes und Auflösung einerseits, Unzerstörbarkeit und Un- gewordenes andererseits sind correspondirende Begriffe. Scheint doch auch der Dichter jenes jambischen Verses: “Was einst geworden, findet einst den Tod gewils’ in treffender Erkenntnils des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Entstehen und Vergehen [so ge- sprochen zu haben. Hiermit wäre diese Art der Beweisführung abgeschlossen.) Einen anderen Gang nimmt die folgende: Alle zusammengesetzten Dinge, die zer- stört werden, erfahren eine Auflösung in die Stoffe, aus denen sie zusammengesetzt wor- den. Auflösung nun ist ihrem Begriffe nach nichts anderes als Rückkehr der einzelnen Elemente in die einem jeden naturgemälse Lage; mithin hatte die Zusammensetzung umgekehrt die zusammentretenden Elemente in eine naturwidrige Lage gezwungen. Und in der That scheint dies in untrüglichster Weise sich so zu verhalten. Wir Men- schen z. B. haben von den vier Stoffen, die in ihrer Ganzheit dem gesammten Weltge- bäude angehören, nämlich der Erde, [dem Wasser], der Luft, dem Feuer, unsere kleinen Theile erborgt, aus deren Mischung wir bestehen. Die gemischten Stoffe nun haben ihre natur- gemälse Lage eingebülst, da die aufwärts strebende Hitze nach unten [gedrängt ward], 10 10 7 230 Bernavs: Die unter Philon’s Werken stehende Schrift: \ ’ a! > [4 S ’ \ IE > B ’ ee & zara durw DETEWS ETTERNTAL, TEgMOTNTOS MEV TNS Avwborrou KUTW . . . TAS ÖE / \ / E) ! Ewa) > ’ \ \ 2 t > YEewdous zai Ragos EX,EUTNS oUrIas EreAuhgis Teams ral ToVv @vw TOmoVv EMIAG- 6 A \ ’ - > w > [4 ’ 07 x r RBousns, 0v TO yewderrarov TWv Ev yuiv Emeoynnev, nebarn. derumv de dauAo- A E) + / Nena! ‚ e/ \ m N n Tares ov erdiyEe Bia, Bias xal oAryoxygovios. enyvura Yag SATTov Umo Tüv 7 7] ’ N m \ ’ ! \ A r deIevrwv, are RTaURENE Alaay dia moIov TNS Kara BUTw KıvyTEwWs, nee Yv OWEU- devra Weraviotaraı. Kata Be: 70V TgayYınov age ÖoriTrw Ta MW Er Yalas bivr Es yalav ra Ö° am a Aarrovra yovns £is BeBeRIcN morov IE may“ Syyoneı Ö’obdev TWv Yıyvonsvwr, Ölangıvonevov O’arro mwooc ar Hoganv idıav Eme- > mw \ \ m c/ B > ’ \ \ I e r deıfev. Tols EV ey, bIeigonevaus ARaTı venos AvayEyparra na JETWOS OUTOS, OMOTE \ r } \ [4 > m r \ 67 \ ' ! > A MEV UDEOTARE Ta FUVEANAUSOTa Ev Fn ngaveı, mgo TNS Rare bus rafews arafıas > ’ \ \ \ > , ’ „ e ' Ayrınereiinpevaı Kal MOOS ToUS Evavrious TOmSUS KETAVITTRAT SU, WS Toomov Twa& U nv [3 ’ A ’ \ \ > ’ mn ! 27 I Eevireveiv doxeiv, OmoTe de dlaAuoıro, mgos TAv eineiav T1s DUTEWS AnEw dvanau- e x 7 > U n E) m 63 > ’ e) B > , [4 mrew. Ö de RomWos AMeroy,os TNs Ev Tols AsyJelnıv drafıas Eur. EmEi, des, 1. zarw 2.2.20. Ts Ö8 yewdovs B zurw de rs yeudous M Wuygorns de 775 zarw, yewdous T | 2. emiraßovsns wv M avrıraßovusns ov T | 4. önyvuraı yag M inyvuraı P27 yag Aue 2 a AN Emaeuy svigovruv M | #oSov z75 nach Mangey’s a). B #0Sov ümo Ei Tm | omeidorre M onevdovres T| 6. yains dVrr Es yalav ra 8 am aiSegiou T yaıns duvrss yalav rad am Segiou (sie) M | 7. Prasrovre yovns nach Nauck (fr. trag. p- 498) B Arasravovr« yans M kereikohrnn yovrs T | 8. yayvonzvav] ywonevov Tim | Ö arro T de @A%o M| #eos arm B meös «220 Im | :ö/«v M und Mangey, Eregav u ame- dsıgev M dmzösıke zu ale avrınsreiinbever M nersirnhevar JE) IS ersı T äzeı 6: M | pege aus (Serge von erster Hand geändert M | hingegen der erdartige und schwere Stoff Schwungkraft erhielt und den oberen Ort ein- nalım, den ja der erdartigste Theil in uns, der Schädel, inne hat. Die schwächste Fessel aber ist die, welche der Zwang geschmiedet hat, da sie als eine aufgezwungene nur von kurzer Dauer ist; denn sie wird von den Gefesselten bald gesprengt, welche sie von ihren Nacken abschütteln, aus Sehnsucht nach ihrer naturgemälsen Beweguug, zu der sie schleunig zurückkehren. Denn, nach des tragischen Dichters [Euripides Fr. 836 Nauck] Spruch: “Was der Erden entwuchs heim kehrt es zur Erd und ätherischem Saamen Ent- sprossenes steigt in den Himmel zurück. Denn nichts in dem Reiche des Daseins stirbt, es zertrennet sich nur, hierhin dorthin, dann zeigt’s sein eigen Gebilde’ Für alle der Zerstörung unterliegenden Wesen ist also dieses Gesetz und diese Satzung geschrieben: so lange die zusammengetretenen Elemente in der Mischung beharren, haben sie statt der naturgemälsen Ordnung Unordnung eingetauscht und werden an die ihnen widerstre- benden Oerter versetzt, so dals sie sich gewissermalsen in der Fremde aufzuhalten schei- nen; sobald aber die Auflösung eintritt, kehren sie in das heimathliche Erbe ihrer Natur zurück. Die Welt nun ist von der in den genannten Dingen vorhandenen Unordnung 499 ‚Ueber die Unzerstörbarkeit des Weltalls 931 AS" ’ S Q ’ \ ’ \ q > ! ’ Q \ \ ’ EUuTWuETa: bIEIgouEVeU TE Eon vuvi ME Avayan TeraySaı my Tage bucw ce I mn \ e 6% > > r Eu} \ 22 v ’ > ERATTE Ywgav. ToUro dE Umovoslv cin EU@yEs- dgıommy yag Ser za Tagıv Evag- ’ \ Er ! ’ NY. r e [2 , ’ Movıov TE TOU KOTMoU MepN EIANyE Tayra, Ws EnaTTov nagamep margıdı biAoy,w- x \ wit ß n Si v n Loye / > IQ 1 geüv um Cnreiv ausivw meraoAnv' dia ToVTo yN MeV 6 WETaITaTos EmeveunIn TOWos, Ranch ’ 18 N > 2 ’ \ bb >» \ 6 ’ m &B NV Tavra yeudy, zav avagendys, narabsgeran To Ö' Eomi Gmuelov Ywoas Ns \\ 4 5 (et \ \ e \ ’ e nm > \ u -) 6 \ > m nat Burw EvSa yap um Ümo Bias erıcöv vey,dev Irtaraı zul Agemel, Tov olzeiov oN Pr m NN d8 N 3 > ER di EN Sy de \ Ben > \ n EIANYE Xwgov. VOwp de Emi yAv Gvaneyura Öeuregev. ang de nal müg dmo TeoÜ ’ \ \ E72 I >\ \ \ ’ <ı \ METOU MpOs Tov avw nEXwWonnev, dmg MeV Tev HESogiov vVdarss zul mUugos amguTE- r x N \ > 2 an A > v > \ = ‚ Mevos Tomov, MUO de Tov avwrarw. dio zav avanbauevos dueda mgos yAv naradegns „= \z 5o8 Rn > 8 4 \ er x \ \ n \ ” > Ü GAOE oüder yrrov avrıßiarerar zul Moos Tyv DuTınyy TU MUpos zIvmaıv EmInou- ’ N E Ö Eu D\\\ Q m q y e IV ’ \ > dirasa aüryv avadganeıra. ci ON DIopas uw almıov { maga bucw zura av Y 7 ! 5 At > ’ \ ! e/ w nr N ’ aAAuv Eye lwwv, Ev dE TW H00UW nara dUcw Exarta TWV Heguv diareranre \ 3 ’ d r ! ENG a ’ c 4 Y Tas OIREIUS OLERÄNGWTRWEV« Awpas, Evdiaws dv AcyoıTo 0 KoTuos abSapros. 1. za wage T 7 yon M|5.:9 T eb n„M | mavre yendn M mavre Fo yeudn JE) avazaıys T avag- genlys M | 700 Es M ode &€ Eorı T | 6. Evey,Sev 7% Away, Sev M | 7. EIaNYE Kugov M und Mangey, sinys rorov T | 9. 816 z&v Mangey dı6 zu M dio zur av T | zerabeons Aus megi M | 3. einys mavre M ravre zuge T | 4 yo uevoT r . ’ #aracegsıs von erster Hand geändert M | 11. erızoupisasa avmv T Emzoubirarav airnv M | $Vsw zare suv M usw zivmsıs row T | frei. Denn betrachten wir doch die Sache näher. Würde die Welt einst zerstört, so mülste jetzt jeder ihrer Theile sich an einem naturwidrigen Ort befinden. Eine solche Unterstellung aber ist unheilig. Denn allen Theilen der Welt ist die beste Lage und harmonische Ordnung beschieden, so dafs jeder an seinem Ort sich gleichsam wie im Vaterlande wohl fühlt und keine Aenderung zum Bessern anstrebt. Sonach ward der mittelste Ort der Erde zugetheilt, auf welche alles Erdartige, auch wenn man es in die Höhe wirft, zurückfällt; dies aber ist ein Zeichen des naturgemälsen Ortes; denn wo etwas, ohne von Gewalt getrieben zu sein, zum Stehen kommt und ruht, da ist ihm sein eigenthümlicher Platz beschieden. Das Wasser ferner ist über die Erde hin ergossen. Luft und Feuer aber haben von dem Mittelpunkte hinweg aufwärts ihren Weg genom- men. Der Luft fiel der zwischen Wasser und Feuer liegende, dem Feuer der oberste Ort zu. Mag man daher eine brennende Fackel auch zur Erde neigen, die Flamme wird darum nicht minder widerstreben und indem sie sich zu ihrer naturgemälsen Bewegung aufschwingt, in die Höhe lodern. Ist demnach bei den übrigen Wesen die naturwidrige Bewegung an der Zerstörung schuld, und befinden sich hingegen in der Welt alle Theile, da sie ihre eigenthümlichen Oerter inne haben, an naturgemälser Stelle, so darf die Welt füglich für unzerstörbar erklärt werden. 10 ee 10 232 Bernavs: Die unter Philon’s Werken stehende Schrift: » s Ei m 7 m ei r e r 5 m \ F. ETI TOIWUV EXEIWVO TAavTi TW nv, erı punis enaoTn Ötarngeiv zu drao we, 3 3 er Y Ne ’ 24 {04 7 > \ El 4 (3 \ e & 0° olov re &M, nal d9avarıdav Enaora wv bucıs Ecriv Eomoudanev, N ev Ev 697 ’ \ / e a m 4 67 ’ e/ m x Tols Öevopenı Ta devöge, A &v rols Cwois rwv Cwwv Eraorev. Efandevei de EN ‚ > ’ £ \ 3 Ay Ü EN \ 2 \ \ Di \ a EMI MEgSVS Qvayralws ayeıv mgos aloryra: N Yap evosa 9 pPAoyuos 9 rgumas 9 ’ W 57 > SH >» [4 S r Öi r \ RN) / Avgia aAAa TWV EWIOTWV EMITWITTATITAL zararundavra diereire za ÖlEAUTE Tov ’ \ j} ‚ m > \ a I 7 \ TUuvey,ovra dEmMov za TEACG waregange' Fourov Ö° Ei under Ebndgeuev eEw, ray ed Sal) ie m r RR ID \ r ’ ' \ ES 070v ED Eaury Tata, Minpa TE oVv ul MEYaAG, ayngw ÖLEDUAATTEV. avayaatov SD \ \ m I ’ B 27 wc n > \ \ 2 oUy nal TAV TOoU KooMou dur YAYETIa 775 TOD oAou dtamovis" cv yag on ruv > ! > \ € / N‘ n / e ’ Emi MEpoUs EoTi Kelgwv, WS droödgernouna Kal AUFOTARTOUTE vorov av$ Üyısias \ \ E) \ 4 m > 27 I > \ c ’ e \ ral bIogav avri FWrTAgLaS TAVTEAOUS EMIYELGELV reyvaleıv, Er " Taranv UTEO 77 ’ 0] N ’ Ermanf » > ’ ’ \ IM m F} E > NyE Hapn EYE NE MErWTa, geld 7 aplyvWry TEAETRI, zaAaL de TE Tara. AAX > vn > D > N e ’ Ü \ Aal! e ’ [4 Ei TOUT ÜANIES Eori, BSIogav 6 noscs ol dezeru. dia Ti, orı y Tuvexgouaa Bucıs N DR [4 > \ N \ > ’ EHRT. EN „ Er. \ q G N € I > \ x amagamavruv EMIRDATOUTR. dio zu MAarwv eu “amneı TE ag dncw “ oUdev cude 1. zavrı zu M rar T | 9, av dbusıs M vw n dUrıs NER devöge, DT ÖzvÖger & M | 4. zevaos M und Mangey, zeumwos T | 7. Ep sau T ep aurn M | zavra Mizzgat TE ovv M Mingee rs aoT | dteburarrev T dıabvrdrrev M | 11. seta EIN getar ° M| 14. üraE arcvruv M aravruv T | ode» ouoe meoonsı T oüöe moosyeı M | Ferner ist Jedem doch wohl dieses deutlich, dafs jede Natur dasjenige, dessen Natur sie ist, zu bewahren und zu erhalten und, wenn es möglich wäre, zu verewigen strebt, die in den Bäumen waltende Natur die Bäume, die in den Thieren waltende jedes einzelne Thier. Nothwendigerweise ist jedoch die Einzelnatur zu schwach um zur Bwig- keit zu führen; denn Nahrungsmangel oder sengende Hitze oder Eiskälte oder unzählige andere gewöhnliche Fährlichkeiten brechen herein, lockern und lösen das zusammenhal- tende Band und zerreilsen es endlich. Würden dergleichen Gefahren nicht von aufsen lauern, so würde die Einzelnatur, so viel an ihr liegt, alle, kleine wie grolse Wesen ewig jung erhalten. Nothwendig strebt nun auch die Weltnatur danach, dafs das All dauere; denn sie kann doch wohl nicht schlechter sein als die Einzelnaturen, dals sie sollte fort- laufen, ihren Posten verlassen, Krankheit statt Gesundheit, Zerstörung statt allseitigen Heils schaffen wollen, da ja [um mit Homer, Odyssee 6, 107, zu reden] ‘sie vor Allen erhebet ihr Haupt und herrliches Antlitz und leicht ist zu erkennen, obwohl auch die Anderen schön sind.‘ Ist dies richtig, so wird die Welt keine Zerstörung erfahren. Weshalb? Weil die sie zusammenhaltende Natur in der Macht ihrer Stärke unbesiegbar ist und Alles sammt und sonders was schädigen könnte überwältigt. Daher sagt auch Platon [Timäos p. 33°) richtig: “Denn die Welt sonderte nichts ab, und nirgendwoher “trat etwas zu ihr hinzu; es gab ja auch nichts anderswo; denn sie ist aus der Kunst ‘ihres Urhebers so hervorgegangen, dals sie in ihrem eigenen Dahinschwinden sich selbst 500 Ueber die Unzerstörbarkeit des Weltalls 233 1 m ’ \ \ 53 \ \ e m \ \ € n ‚ “moooyeı aura moIev: oüdev Yap A. auro Yag Eaurw Tgopav ray Eaurel Sir U E € SQ Naye © 2, U NEN Et S ’ / “ragex,ov nal MAT Ev Eaurw nal Üb ERUToV TATYov naı Öpwv ER TEXynS YEyover' \ BD EN e] 7 EN a Pe Yyncaro yap auro 6 ouvSeis aurapnes cv auewov Eredar MaAAov 4 moondess. I ’ \ E w ec / a , E) je , DIN dmodsinrizuraros yE umv narelvos 6 Acyos Eoriv, ED W Mugiovs olda TEMvUVvo- Y, e > ’ \ ! n) ’ [4 / ’ u \ nevous Ws Hr Buuevw nal mau avefeieyarw. muvSavovrar Yap° TIVog Even ToV e e L? # \ EN n ’ m NLcHW we noswov dIeigEı 6 IE0G; Aroı yap Ümeg TOV Mnnerı Konuemomra, 1 ÜmEg TOD Eregov ! \ \ \ / > r Ay \ 4 \ = , KATaTHEUETa. TO WE On mooregov @AAorgıov Seou: moös Tafw yag arafıav nera- I \ os ! [0 [72 \ ’ ! \ ’ Barreıv deov, oü Moos arafıav rafıv: eira d° Orı za Heravolav, maIos na voryua 4 2 Y \ \ m \ G x ’ m x degeran Luxe. Eder yap un nenworomea To magamav, N nplvovra moEmoVv auTW TO D) y S ’ voor ’ D7 > 7 SB n \e EOyov Yaipeıv TW Yevoneuw. TO de deuregov agiov oU Roaysias Egeuvns. EI ya@g Erepov m m E) ’ , e t D B \ A 4 Avmi TOU vUV OVTOS AATUTHEUATEI, MAVTWS 6 YEvOMEVOoS N YEIpWv N OMolos N RpEiTTuV > ’ e.g Sir. > \ \ ’ e ’ ‚ \ AMOTEAET INTETaL: wv ERATTEV ERIÄNTTOV. Ei EV Yag XEıgwv 0 noTuos, Yepwv zul 1. odöev y@g M und Mangey oide yag T| auro Tm «ures Mangey | 2. zasegov T magEy,uv M und Mangey | z«vr M zavr« T | a&oyov T may M und Mangey | 3. «üro 5 Im = Y SV „ aus «Urs von erster Hand geändert M | gsoröees M und Mangey rgosdess arıw T | D \ Ei > Sry n eo D4 12a Bwpzvu za mavu avsebertyzru T yrg1@wpzvo za TrovU avebereyzru M | evexe T evexe M | “ihre Nahrung schafft und Alles in sich selbst und durch sich selbst leidet und thut; ihr “Bildner hielt nämlich dafür, sie werde besser sein, wenn sie selbstgenügend als wenn sie ‘bedürftig wäre. Von sehr grolser Beweiskraft ist auch noch folgende Schlufsreihe, und ich weils, dafs gar Viele mit ihr prunken, wie mit einer ganz fehlerfreien und durchaus unwider- leglichen. Sie fragen nämlich: weshalb soll Gott die Welt zerstören? doch nur deshalb um entweder gar k@ine Welt mehr zu bilden, oder um eine andere herzustellen. Das Erstere nun ist mit dem Wesen Gottes unverträglich, da er die Unordnung zur Ordnung umschaffen soll, nicht die Ordnung zur Unordnung, und ferner weil er alsdann der Reue, d. h. einem leidenden und krankhaften Seelenzustande, unterliegen würde; denn er hätte entweder überhaupt keine Welt bilden, oder, wenn er geurtheilt, dafs ein solches Werk ihm zieme, des vollendeten sich freuen müssen. Das Zweite erfordert eine längere Er- örterung. Wenn nämlich Gott statt der jetzt vorhandenen Welt eine andere herstellen wird, so wird die neu entstandene entweder schlechter oder gleich gut oder besser ausfallen. Jede dieser drei Annahmen ist aber unhaltbar. Denn wäre die neue Welt schlechter, so würde auch ihr Werkmeister schlechter sein. Die Werke Gottes aber sind ohne Fehl und ohne Tadel und lassen keine Verbesserung zu, da sie mit der vollkom- mensten Kunst und Weisheit ausgeführt worden. [Und selbst wenn die neue Welt schlechter sein könnte, so] ist doch, wie man zu sagen pflegt, "auch nicht ein Weib so gänzlich vom richtigen Sinne verlassen, Schlechteres lieber zu wollen als Besseres. Gott jedoch ziemt Phrlos.-histor. Kl. 1876. 30 10 10 234 Bernavs: Die unter Philon’s Werken stehende Schrift: [4 Ü E 12 de Ans In I Vase | , \ Er m q ö Öymloupyos‘ EUWUNTE OE AU QveFeieyata za AvemavooIwre TE TU GEoV, ÜrE 5\ ’ Zn vo» r av a, „ae I \ e 3 e [4 N FEAEIOTETN TEXM HQL EMITTNUN ONisugynsevra‘ cUdE Yap Yuım damı TonmTovde ’ NR} mc ’ En ’ x m voov Emidevera ETIAd, MITE egeiov EAenIaı Aueworegun. Eumpemss de Geb T@ ” 7 q m > ! ’ \ 7 / wuogba Mopbeuv zu TOIS AUTYLTTAS megıriSeva Savuacte za. ei 0° olAolos, ’ € B >ö8 Rp 2 AN N r el ’ > MATaIEMOVOos 0 TEXVITNS, Ude Komıon vymıwv mamdwv dıiabegwv, ot TOAAaKIG rap 5 w , Ü ’ m E77] n N alyıaAcıs ayugovres Leumov yewAohovs WITTAT nEmET Ühaıpoüvres Tals wegni ı > 4 \ „ Er G e P Ta EgELTOUTI. TOoAU yag GUEIVoVv TOU zarannevaleı oloLov, 1andev MNTE ap- m r + Dj \ \ y x E° r \ aıgouvra MATE TeoCTıSEvT@ und’ au mgos To w@eIvov N YEigov neraldarAovre, Tov = > w 0] r \ ı De > a ’ 1 ‚ eE AOyns araf YEVOJLEVOV KATE Ywgav Eav. E de KOEITTOV« Mnioupynoei, YEUNTETUL ’ Y e ’ 0] Ep \ ’ ! \ TOTE ngeiTTwv nal 6 Önmiovpyos, WO Avira Tov mooTegoV nureonelate za Tv ‚ N \ ' S > ’ 2 EN r e m e) v \ TEXUNV za TAV davosav Av WTEAETTEDOS, omeQ cude SEULS UmEvoeIV ETTW. 1705 Yag REN m ve c / ! Y \ \ m ’ 2 \ \ auros Eaurw nal oWolos 0 Eos, MATE averıv mgos To YEıgov uNF Eritacıv mgos To , ’ SaN \ \ ’ > ’ E ’ \ Berriov deyousvos. Em de Tas ToIauras dvwmamias avSgwrrot HEXWINKATL, TOOE e ’ ’ Ind \ n ’ ' ! 67 Enaregov, TO TE EU ra To eEigov, MEDUHOTES neralßarreı, augnrenı Kal FOCHROTaILS ! m 29 > > ’ n zu Berrurenı nal macı Tels &vavrioıs eiwIores XgNoIau. 1. &re reisıoram B ra rersiorarn M rereıorarn T | 2. dacı Tm dns Mangey | Tosscvde voov tmidsverer T rorovös voov emirsimercı M | 4. wisyirros die fünf letzten Buch- staben von erster Hand auf Rasur M | 5. narmorovos T naraorovu M | 6. baunou 7 ıanovs M | ansrası, M dauoren: T| 8. m ad M wre av T | 10. zov maoregov M f moorsgov T | es das Gestaltlose zu gestalten und das Häfslichste mit wunderbarer Schönheit zu be- kleiden. Soll aber die neue Welt gleich gut sein, so würde der künstlerische Welt- bildner Unnützes thun und es völlig so wie unverständige Kinder machen, die spielend am Meeresufer Hügel aus Sand zu errichten pflegen, um sie dann mit ihren Händen abzutragen und wieder dem Boden gleich zu machen. Statt eine neue Welt herzustellen, die der alten so gleicht, dafs Nichts hinweggenommen noch hinzugethan, auch keine Aenderung zum Besseren oder zum Schlechteren bewirkt wird, wäre es ja viel rathsamer gewesen, die ursprüngliche, einmal entstandene Welt unangetastet zu lassen. Soll endlich Gott die neue Welt als eine bessere aufbauen, so würde alsdann auch der Werkmeister ein bes- serer werden; er wäre mithin als er die frühere Welt herstellte an Kunst und Geist un- vollkommener gewesen, und dies auch nur zu denken, ist schon sündhaft. Denn Gott ist sich selbst gleich und ähnlich, weder Erschlaffung zum Schlechteren noch Anspannung zum Besseren findet in ihm statt. Nur Menschen schwanken zwischen derartigen Un- gleichheiten hin und her, da sie ihrer Natur gemäfs nach beiden Seiten, zum Guten und Schlimmen, sich verändern und Wachsthum, Entwickelung, Verbesserung so wie alle ent- gegengesetzte Zustände zu erfahren pflegen. Ay, eh Ueber die Unzerstörbarkeit des Weltalls 235 N \ de ’ \ \ cl m r € 27 Q x Ö ! x ’ meOs de TOUTOs TE nv Twv Iuyrav Epya Yuwv bIapra deovrws av YEvorTo, \ N ” 1 \ \ ’ ’ Y I 6 \ ! 3 L Ta dt To) dIavarou zara Tev Eoinora Aoyov abSapra Önmeu: TH Yag dureı ray B m y, ’ m TEeyvırWv EUAOYov TE ÖnnoupynIevra EEouoiovo Ta. eg \ \ u Y’ WER er 0) Q n \ > ns Sur nal nv amavrı mov naneivo OMAov, Orı bIeigonevns ev Tre YA, avayım 9 . \ = m ’ ea \ ’ / ed N nal Ta xegraia ruv Qumv zaI' oAov To Yevos dmorAundaı, bIeigonevou de Vdaros, 5 Na ’ ’ q ’ \' > [4 \ ! E) / Ta Evucgn, nal degos MEvTOL nal MUpOS, Ta Gegomopa za mugiyova. ar dvamoyov L. ! ‚ x el \ 4 4 ouy El pSeigerau 6 oUgavos, pIagyrera nev NAlos zul TErNVN, PSapnrovrau d ci er ! [2 69 ’ « Ex > m m 501 Acımol mAdUNTES, pSapyrovrau 6° oil amAuveis anreges, 6 ToTouros aimOyrwv Dewv G \ ! ! Di \ ’ REN \r % a eudalumy TO TaAaı voumIeis argaros. © on yevarr av oüdev Erepov 9 Secls bIEr- ’ G x Y & SD \ \ ne ‚ >Q ’ e m ‚ > gouEvous UTOVOoEIV" 1TOV ETTI TO Ka av pwrous ÜAIUAVATOUS UTWOovoEV. HKHUFOL EV 10 ’ ‚ FEN a nm > ‚ > ’ 7 \ NEN. driuwv Ouyngie ToÜT Av eUgois GHomwWv eÜAoywWregov Eneivou, Yagırı MeV Deou ov° x x > , Eu > [4 > > ’ \ \ 7 Synrov yag aIavariıs Meralayeiv einos Eat, abIaprıav de Seous drolareiv NW x > ! , m \ \ 4 \ E) I h dduvarıy, zav ai avSpwruv Tobiaı zanomavunı. zu mv o TE Tas EnmupWeeis \ ’ > I n / / 1 7 x Kal Tas makıyyeverias EITYYoUMEvVo To A0TMoU vouilounı zul ÖMoAoyounı Tous .n m ES = \ 2. &Saverov T Sevarov M | 7. Yrıos M zer yuos T | 8. Sewv T Seo M| 9. © % Tea M | 10. isov 8° B irov yag Tm | ro za M Fu zu T | zer &v aruuı T m - x w.ı» m 9 Y za os &v arınw (sic) M | 11. sugaıs 7 svgor M | nv Seol cv Sunrov yag M Seo or. \ x Suyrov uev yap T | Hierzu kommt noch, dafs wie die Werke von uns Sterblichen gebührlicher Weise zerstörbar sind, so doch wohl die Werke des unsterblichen Wesens aller Wahrschein- liehkeit nach unzerstörbar sind; denn es darf angenommen werden, dafs der Natur der Künstler ihre Hervorbringungen entsprechen. Ferner ist wohl Jedem einleuchtend, dafs wenn die Erde zerstört wird, noth- 9 wendig auch die Landthiere in ihrer gesammten Gattung zu Grunde gehen, ebenso wenn das Wasser zerstört wird, die Wasserthiere, und wenn Luft und Feuer, die in der Luft sich bewegenden und im Feuer entstehenden Thiere. In entsprechender Weise mülste also, wenn der Himmel zerstört würde, auch Sonne und Mond zerstört werden, die übri- gen Wandelsterne mülsten zerstört werden, die Fixsterne müfsten zerstört werden, jenes ganze grolse, vorlängst für selig geltende Heer sinnfälliger Götter. Dies hiefse denn nichts anderes als sich Götter vernichtet denken, und mit demselben Rechte könnte man sich auch Menschen unsterblich denken; ja, sollen verwerfliche Vorstellungen gegen ein- x ander abgewogen werden, so dürfte bei näherer Betrachtung das Letztere, wofern es durch die Gnade Gottes bewirkt wird, sich noch vernünftiger erweisen als das Erstere; denn dals Sterbliches in den Stand der Unsterblichkeit übergehe, ist denkbar, dals aber Götter die Unzerstörbarkeit verlieren, ist unmöglich, wenn auch Klügeleien der Menschen noch so viel argen Wahnwitz treiben. Und doch glauben und bekennen ja eben jene, welche die Brände und Wiedergeburten der Welt auf die Bahn bringen, dafs die Gestirne Götter 30* 10 2336 Bernays: Die unter Philon’s Werken stehende Schrift: ’ \ £3 A rn r e8 y N fi üsrigas Seovs eva, ous TO Aoyw ÖabSIeigew our EguSgiwew. Ede yag 4 Mudpous ’ ’ , 1 5% m q ’ ’ m dlamugevs arebyvardaı, xaIameg evioı TWV oia weg denuwrrgiou dAuageuvrwv TOD ’ E) m D\ S ’ A & 2 4 7 \ e fl Q.r FUumavros oUgavov, 7 Jeias 9 Ömmovias bureıs vonovras av üguörrourav Teois und \ \ a Ü we ’ E , dbIagriav mgoronoAoygaw. vuvi de ToTourov ÖoEns aAnIcüs Ömmagrov, wre AeAy- c \ \ 24 4 \ \ >» \ 7 ’ \ E) ’ Sasıv abroüs nal 7 mowvoie — Wuxm 0° Eorı ou nonuou — BIopav Emihepcvres . 7 Ss ’ She 7 5 +5 EE wv dvanorouSa dıAorobousw. Xguoımmos Youv 6 doxıuwraros Tüv Tag avrois > a \ > , Y ‚ n r 2) ’ 5 Ev rois Ilepl Aufavouevou Tegareverai TI Toiwürev" Mponuranzeuanas orı ÖVo Eido- \ 3 S SEN v 7 S B y 7 mesls Em TNS aurys ounias dumyavov uozivan, dymiw- "Enz Sewpias Evexa Tov r ! \ \ > 67 nr e ’ ! r \ "uev rıva 6AcaAmgov, Tov dE Xwpis EmiwosisYar FoU Erepov modos, nardinIaı de Tov NEST: , \ \ n ‚ „ 5 r ‚ \ 7 "uev öAoaAngov Aiwva, Tov de areAN Ocwva, narsıra amoremverTar Arwvos Tov Eregov e 57 wo» ’ ’ ’ ” \ ’ ! > U Di roiv modoi. Qyreunevou Ön, morepos ebIagra, Tov Oeuva haTneıw oineiorepov Eivaı. m \ Er Er ’ EN t 27 \ e x \ roüro de magudokoAoyouvros MaAAov Earıv m dAnSevovros. müs yap © je oudev > \ ’ e $. ar ln ce > \ \ ! , > \ ErgwrnganSeis l4Eg0s, © Oczwv avngraTra, © dmoromeis Tov mwod« Av ouyxt diebIaprau; "desvrws’ mai “ävadedgaunne Yap 6 Eurundeis rov roda Av Emi 1. #3 Aoysı T zoü Aoyov M | 2. arobyverSur T amobnverSaı M | 3. vongovres T vongovrev M | 4. were T Statt dieses Wortes ist in M ein Raum von 'etwa vier Buch- staben frei gelassen | 6. yoov M ov T | 7. MOOREFETREUGTaG M za moOHLrETHEUKTUG 7a 11. Eyrounevov T Cyrnuevou M | 12. 1Ev ovdev T jeV M| 14. dep >agrau M Ep Tagraı | seien, während sie sieh nicht entblöden, dieselben durch ihre Theorie zu zerstören. Ent- weder hätten sie dieselben für durchglühte Blöcke erklären sollen, wie es ja Einige von denen thun, welehe von dem gesammten Firmament faseln als sei es ein Zuchthaus, oder, da sie die Himmelskörper für göttliche oder dämonische halten, so mülsten sie ihnen auch die Göttern zukommende Unzerstörbarkeit zugestehen. Nun sind sie aber so weit von der richtigen Ansicht abgeirrt, dafs sie, ohne es zu merken, durch ihre folgewidrige Art zu philosophiren sogar die Vorsehung, d. h. die Seele der Welt, mit Zerstörung heim- suchen. Chrysippos wenigstens, der namhafteste ihrer Genossenschaft, treibt eine solche Gaukelei in seinen Büchern über den Vermehrungsschlufs. Nachdem er vorher bewiesen, dals zwei Individuen auf dem Boden derselben Substanz unmöglich erstehen können, sagt er: “Um die Erörterung zu erleichtern sei es gestattet, sich dieselbe Substanz einerseits “unter der Form eines Menschen mit vollständigen Gliedern, andererseits unter der Form “eines Menschen, dem ein Fufs fehlt, zu denken; der vollständige heifse Dion, der Krüppel “Theon; nun werde dem Dion der eine seiner zwei Fülse abgenommen. Auf die Frage, wer von beiden Menschen zu Grunde gerichtet worden, sei es, meint Chrysippos, rich- tiger zu antworten, Theon. Dieser Ausspruch zeigt jedoch mehr die Sucht Befremdliches als das Streben Wahres zu sagen. ' Denn wie sollte Theon, der um kein Glied verkürzt worden, dahingerafft, Dion hingegen, dem der Fufs abgeschnitten worden, nicht zu Grunde x a oe re DEN Ar | Ueber die Unzerstörbarkeit des Weltalls I N E) 57 57 ’ Tr \ 4 >N \ \ \ ANER “ E) / Tv GTEM Tou Qczwvos ouTıav, Au dvo eidoToLoL mEgt TO UUTO VTOREINEVOV OU duvar- 5 En \ \ ’ v \ At [ A Tau EiIvVel. FOLYagoUV Tov ILEV Aluva JAEVELV dvayralov, rev de Ozwve depSaoSar. — SEN > 3 Ge 5 E) \ m EL Ev e N E) \ c [4 7a 0° ob, UM av AA Teils auruv mTegaLSs a@AıTroneva, dyTiv 0 To@yınos. I / \ [2 a ’ N F nn \ ! , @monakausvos yag TIs Tov TUmov ToV Aoyou zul Ebaguorus TW mavrı nonuw deizeı ’ \ N Q ’ \ / ’ NNIEeE e , ec \ Faperrara za alrmy bIeigomevyv nv moovoav. Gromeı de WdE: Ümoneioow 6 Mey r ! ’ I r \ e \ ’ e 5 / ! 1! uraveı Av 6 nommos: TeAeios Yapı 6 de waavei Ocwv 1 Toü zommeu ug, diorı nd \ ! W \ > 7 v3 > \ mn 2 e ! A ToV oAou TO Epos EAATTOV, Aa adageısIw WIRED amO TE Alwvos 6 Tous, oUTWs \ \ Er Fr «/ > m ! > Er ! 4 ec . rl Kal Emo TOoU HoTloU 0Tov aUTOD TWUAaTOEIdEs. oUxoUv avayım Asyev. orı 6 Ev , E)] e \ n ‚ 7} a e \ \ IN nonuos our EebIapraı © To Gwua ApwgeIei, women oUde 6 dmenomeis Tov Moda } e m I A < ’ re RL! e \ \ [4 Atwv, EAN A rou noonou bug, werep @euv 6 under maSwv. ö Mev yag nönuos Em &arrova cüsiav dvedganev abaygeIevres aura TeV GOpEzeEle en EpSuon ey „ AH ıuyn de To un duvarsaı dvo eidorsisüs eivaı wei 70 aüro Egon ER En- Gernov de TO Aeyem BIegenIa Av mocvoa, dbIagreu de Ümapy,oucys dvayun N ’ saw: ey nal ToVv KoTuov abIaprov Eivdl. 1. weg: 70 wurd Vmozeinsvov B wear To0 air) Umozemzvou M Emı tod aUrov Uroze- 3 ! 8 , N /F Wo , 2 ’ „ nevou T | övvavreı M öuvevr Mangey Övverro T | 2. dıebIaoScı M ep SagIaı T| 3. @r- ) \ x ©) ’ Au T arm M | 5. za adv M zur zyv aürıv T | 7. cörws M ourw T N n N f gerichtet sein? Dies ist ganz in der Ordnung, erwidert Chrysippos. “Denn Dion, nach- “dem ihm der Fufs abgeschnitten worden, ist nun auf die unausgebildete Substanz des “Theon zurückgeführt und zwei Individuen können nicht auf demselben Substrat bestehen. “Also muls Dion nothwendig erhalten bleiben, Theon aber zu Grunde gerichtet sein.‘ Um den Pfeil, der diesen Satz durchbohrt, zu befiedern, bedarf es ‘nicht fremder Federn, son- dern nur der eigenen, wie es bei dem tragischen Dichter [Aeschylos Fr. 135,4 Nauck] heilst. Denn wenn man die Form dieser Schlufsreihe genau nachbildet und auf das Weltall an- wendet, so läfst sich auf das deutlichste darthun, dafs die Vorsehung selbst zu Grunde gehe. Folgendes Verfahren ist dabei zu beobachten: An Dions Stelle werde die Welt gesetzt, denn sie ist das Ganze in seiner Vollendung, an Theons Stelle werde die Welt- seele gesetzt, denn der Theil ist kleiner als das Ganze; nun werde wie von Dion der Fuls, so von der Welt alles, was körperlich an ihr ist, hinweggenommen. Mufs man nun nicht sagen, dals die Welt, von welcher der Körper hinweggenommen worden, eben so wenig zu Grunde gerichtet ist wie Dion, nachdem ihm der Fuls abgeschnitten worden, wohl aber die Weltseele, so gut wie Theon, dem kein Leid widerfuhr? Denn die Welt ist durch Hinwegnahme ihrer körperlichen Elemente auf die kleinere Substanz zurück- geführt, und die Seele ist verniehtet worden, weil zwei Individuen nicht auf demselben Substrat bestehen können. Nun ist es doch aber verpönt zu sagen, dals die Vorsehung zerstört werde, und wenn sie unzerstörbar bleibt, so mufs auch die Welt unzerstörbar sein. 10 10 10 10 238 Bernays: Die unter Philon’s Werken. stehende Schrift: ’ ’ B / ! A e: G \ ’ HEyITTYV MEVTOL mageyera MioTiv Eis audıoryra nal 6 Xgovos. Ei ap aye- e ’ > 3 ' r ’ ’ \ ’ e/ Ki q ’ mTos 6 Woovos, EE dvdyuns nal 6 nomluos dıyeumros. dia Ti; or, 9 dyew 6 Meyas ' AT) ’ rn. \ m ’ DEN ’ IMarwv, Ausgaı nal vunres MMvEs TE nal Eviaurav megiodor Ypovov Edsigar. Aumy,avov N D NS 2 ‚ r vo» e » \ m de FI TOUTWv TUFTAVvaLı AAov diya nıumgeus nal Erı TNS TOD mavros oügavou mEpl- Er 72 > 14 > 2 \ 67 > ' \ !: 2} pogäs: wor euSußorws dmodederIa mes av eiwIoruv Ta moayuara öpigerIa r ’ m m I ’ 3 \ 27 r / &) 1 e r Kgavov dlarrnua TAS TOoU Koouou nıwyTews. Emei de TOUI Üyızs &orı, yireral 6 n600- 3m < m ’ E Z \ v E% d & 1Mos IdmAuE TOD Ygovev zal alrıos. marrwv de aromWrarov Ümovoeiv orı A TOTE ’ 5 ’ E7 5 7 r r \ KoTUoS YAviza oün NV Wpovas“ avagyos Yag zul ArsAsuryrtoc a ToUTou hUTıs, Emei \ n \® \ ’ N en, ’ 7 Y \ ’ za aUTa« TaUTa, TO MW, TO TOTE, TO Avira, Kgovov uvembaiven TOUTW de axoAou- QS \ \ 4 e n 3 € \ EL ! E [4 [N \ \ Sov, To Wunde xoovov Ümorrivar na Eavrov Avira wo Mos oür Av. To yap Mm e ’ ERS v NN ’ x m ’ = ’ K c I „7 Ümapyyov cÜde nweiza durrnua ÖE nomuings wıumaeus EdENyOM 6 pavos WV. > ’ z e ! > > ‚ e fi # > \ \ [4 \ > dvayım Towuv Enaregov EE adiov Üderravaı YEVETEWS aoymv 1m raßerra, ra ud S m > is ' e PN m FR ER) \ ’ > NN de [4771704 PIopas AVETIOERTAR. TUAYA TIS evonTı oywv OTWIROS EpEL, Tov Xgovav ATWOOEOS- 1. ztorıw von erster Hand über der Zeile nachgetragen in M | 4. rı rourwv au- FrAva Yrou dry, M mm Folrov auoryvan ya ro T | za &rı sis B zaı mi is M zaı Re | Veto T immEM | yv mwors #oruos Yviza our Hu ,govos B Fv #ore Aagvas yviza oux nv zoruos Im | 9. @zoRovSov M azorovSwv T| 10. Ueber die Blätterversetzung nach ande Y,govov s. oben S. 214 | 12. r« 8° audıe PSoges B ra Ö8 dab Iogds Tm | 13. evonriroywv M eÜgenıAoyulv a Einen sehr zwingenden Beweis für die Ewigkeit der Welt liefert auch die Zeit. Wenn nämlich die Zeit ungeworden ist, so mufs nothwendig auch die Welt ungeworden sein. Weshalb? weil, wie der grolse Platon [Timäos 37°] sagt, Tage und Nächte, Mo- nate und Jahresumläufe die Zeit hervorbrachten. Keines von diesen kann aber abgelöst von der Bewegung der Sonne und von dem Umschwung des gesammten Himmels be- stehen, so dafs die Philosophen, welche sich auf das Definiren der Dinge verlegen, tref- fend die Zeit für den Abstand der Bewegung der Welt erklären. Da dies nun feststeht, so ergiebt sich, dafs die Welt der Zeit gleichaltrig und ihre Ursache ist. Ueber alle Maafsen ungereimt wäre es aber zu meinen, dals einst die Welt gewesen, als die Zeit nicht war; denn das Wesen dieser letzteren ist anfangslos und endlos, wie ja eben die in dem vorigen Satz gebrauchten Wörter “war, einst, als’ den Begriff der Zeit ein- schliefsen. Dem entspricht es nun andererseits, dafs auch die Zeit nicht für sich bestand als die Welt nicht war. Denn was nicht vorhanden ist, kann auch nicht bewegt wer- den, die Zeit aber ist, wie vorhin gezeigt, der Abstand der Weltbewegung. Nothwendig bestanden also beide, Welt und Zeit, von ewig her, ohne Anfang des Werdens; was aber von ewig ist, bleibt auch der Zerstörung unzugänglich. — Vielleicht wird hiergegen ein er- findungsreicher Stoiker einwenden, dals, wenn man die Zeit für den Abstand der Bewe- gung der Welt erkläre, darunter nicht blols die jetzige entwickelte Welt gemeint sei, 492,10 er Ueber die Unzerstörbarkeit des Weltalls 339 ’ mn m ‚ ’ \ n \ 2 ’ 2 Sau dlarrnun TNS FOUV KHoTUoU AIVATEWS ug, TED vuvi ÖlaneroTuneveu Movov E \ \ n \ \ E) Ir r ’ \ A ’ N\ E 7 Aa HU TV Kara TV EATUGWTIV UmOvoouMevov. MOOS OV AERTEOV" TA dHOTUlav, Ey n N ’ ! n > x Fe Di) em ’ “w yeyvais, nerarıgeis Ta Övouara Roruov zadtıs. El yag aUTos cv ogwnev Erunws \ ’ N “zaı TOOTDUETTATE HOTWos HERANTUL, @rE ÖlaTETayWEVoS za ÖlarErcOunNUEVoS ATav- e ! [2 > ’ \ \ \ 29 > n ß N & ’ 4 E77 > Sau meu FEXUNS ANETNTL, TNV MOOS TO TUI aUTOU MET« oANv dEovTrwWs av TIS ERO- ’ ’ > "Tuiav övouaraı. 2 \ n ’ ' mn m a) \ Korroracs de rwv HEYOGEUROTWV Meovraıs, ns FEQITATNTIANS EIaTTNS BıRo- ” 67 \ m > 1 ’ ’ \ > I ’ ’ Tobias, FW mEgL TNS aidIoryTes HoOWUOV doyMarı FUVveimWv EXENTATO TORUTÜIS Mi- > ‚ e ! ‚ \ m ’ NarE m ‚ TTETIV: EI YEyovev 6 K00uos, dvayıy za av yav yeyovevan El de mn yn yevırn, ’ \ \ Q, ‚ z Q \ SI > 3.87 n [4 FÜuyTws za TO avogwmwv YEvos' avSowWmres de ayeunrov, E£ aıdıov TOU YEVOoUG € r e/ > N Q, ERAN E77 \e I N RZ Qı IN UMOTTaS, WITMEO ERIWEIN,ONTETAL" ILS ug@ nal 0 nonues. TO de UmEITEIEV NN ZATa- ’ > =. WR ’ v < > ’ NM € 3 4 TREUATTEV, & de zul drodeigews Teis oUTWs Eubaverı: der OE, WS Eoinev, EVEAQ m m ei ’ & ! \ ’ U € [A av uuSoriarrwv, ci Deusudrwv dvamAnTavres Tov ler arySeıav UmeEgoglov ME- Se: f 1. vun Öıazezorunnzvou B vov ide zerzorunnzvov Tm | 2. Urovooumevov M Emwoov- Mn q ’ [7 x r > > r pewov T | 4. &re Öereraypzvos B Örereruynevos Tm_ | damavSgwmou B ar E= avSgwmou M 3 ’ > n on m \ Be \ ar am avIgnrou T | T. reomernrı2ns T repmarnnas (sic) M | 8. zw megt zuv meot M | 9. mioresiw ei yeyovev T mioresı yeyovev M| 11. Urosses M überrws T| 12. ever T Eve M| sondern auch diejenige Weltordnung, wie man sie während des Weltbrandes vorauszu- setzen habe. Einem solchen Gegner ist zu erwidern: ‘Die Unordnung (Akosmia), mein “Bester, nennst Du, die Wörter vertauschend, Weltordnung (Kosmos). Denn, wenn die “Welt, wie wir sie jetzt erblicken, sinngemäfs und höchst bezeichnend Weltordnung (Kos- “mos) genannt wird, weil sie mit der vollendetsten übermenschlichen Kunst geordnet und “entwickelt ist, so möchte wohl ihr Uebergang zu Feuer füglich Unordnung (Akosmia) zu “nennen sein.’ Kritolaos, ein Mitglied des den Musen geweihten Chors und Anhänger der peri- patetischen Philosophie, hat zur Empfehlung der Lehre von der Ewigkeit der Welt sich folgender Beweise bedient: Wenn die Welt geworden ist, so mufs nothwendig auch die Erde geworden sein. Ist aber die Erde geworden, so ist es sicherlich auch das Men- schengeschlecht. Nun ist jedoch der Mensch ein ungewordenes Wesen, da er, wie ge- zeigt werden wird, einem von ewig her vorhandenen Geschlecht entstammt. Also ist auch die Welt ewig. Zunächst wäre nun der Satz, dessen Beweis aufgeschoben worden, zu erhärten, wofern für so einleuchtende Dinge noch ein Beweis nöthig ist. Und er scheint in der That nöthig zu sein, wegen der Fabelschmiede, welche die menschliche Gesellschaft mit Lügen erfüllt und die Wahrheit in die Wüste verbannt haben, indem sie nicht allein Staaten und Familien, sondern auch jeden Einzelnen von dem Besitz der- selben sich zu trennen nöthigten, und um die Anziehungskraft ihrer Reden zu erhöhen, or 11 10 11 on 10 240 Bernays: Die unter Philon’s Werken stehende Schrift: I 2) [4 r \ y > \ ve u m , huyadsuzarıy, ob Mevev ToAEIS Hal oINoUs AAAA Hal Eva EHaOTEV TOoU KTUMaToS N} 14 q \ \ nn I e \ [4 \ 2 \ [2 Angeverv Bıaranevor zul Moos Tov ns dboarews 0Axcv KErga naı 6u-Smous dereup > > ’ r ’ 5 2 / = \ &is Evedgav ERWONTAVTEs, os Abgovuv WTa KATayoyrevounı, naDameg chSaruovs ai Ba \ =) m c 67 / \ ’ G , ’ auopber zul Ede, Zeig Eraigaı TEIIATTOIS Ku vo9W KOTuW, Angeie yunriov. Acyourı \ ef eo = ’ ’ > ! ’ 7 7 7 yag orı 4 EE aAANAuv Yevenıs avSgwrrwv vEuTEgov DUTEWS Epyov, dgy,eyovwWrepov \ \ / (3, m 3 \ / ’ > ’ q ’ \ ÖE na: mes Buregov N Er As, Emreidy marrwv ANTNp EOTı TE Ra VEVONITTaL, TOUS \ 7 \ 3 m r n \ 2 ’ de ddomevous mag EAAysı omaprous Erbuvaı, naSamep vov Ta devdne, TEAEIOUS I BSL RL, m n < \ / G n > 67 7 27 #al EvomAous yAs maldas. orı dE MuSou TAaTua ToUT Eori, ouvidelv Er moAAWV ent. > , a7 ! ’ El > c / [4 Es \ r badıov. alrına rd moWrw yevoneıw Ede naS' WgITuEv« METD« ai dgı>nous %,govav Eu ß S \ 2 e ! \ G ’ SR ya fer 12 \ algnrews. Nayuovs yap was n buris Tas NAıkias EyEvungev, Ol Wv TEOToVv TIVa > + \ n ZRREN E) ß ’ \ ./ ’ Ö8 E} m avaßalısı nal aarsırıy avSgwmes‘ avanalveı EV aufonevos, naTepy,eraı de Ev Tas 7 7] \ e m > 7 n > ’ \ A ’ Suhar Meiwgerw. 0g05 öl 0 rov avuraru BaIuav ann, maos 0v hIaras rıs ouner r SR Mey, A n > ’ \ yon en e 3 mooeTw, AAN, WOREQ ci ÖauAodponoUvres Avaraumrousı Av auryv ödov, 07a map > ’ ’ 0] > ’ m ’ \ \ ey; inyvevons veoryres Eraldev, amodidurı drIevei ynpa' To de yevıyIAvar TIvas 1. zrynaros T zrunere M | 2. Pearews B ögassws M und Mangey im Text. inzews nach Mangey’s Vermuthung T | 5. yeverıs T yeverw M | 6. Zr ve ze M Eon zu T | 7. omagroüs exbüve M smagroüs Aeyousw zubüvar T | 8. &2 mormav dgdıov aus ügdıov dx m0)%sv von erster Hand geändert in M | 13. mug isyvovens Tragısyvousys M | 14. @mo- didwmaıw B amodıdous ev Tim | Versbau und Rythmen als Köder zum Fang ersannen, mit denen sie die Ohren der Ein- fältigen ebenso bezaubern wie häfsliche und reizlose Dirnen die Augen mit umgehängtem Putz und falscher Zierde aus Mangel der wahren. Sie sagen nämlich, die Geburt der Menschen von anderen Menschen sei erst eine spätere Einrichtung der Natur, das Ur- sprünglichere und Frühere sei die Geburt aus der Erde, welche die Allmutter wirklich sei, wie sie ja auch im Volksglauben dafür gehalten werde, und die in Hellas vielbesun- genen Saatmänner seien, so wie jetzt die Bäume, aus der Erde hervorgesprofst, als aus- gewachsene und waffengerüstete Söhne der Erde. Dafs dies nun Fabelei ist, lälst sich aus vielen Gründen leicht einsehen. Zuvörderst mufste der erste Mensch in Zeitabschnitten von festem Maals und fester Zahl sich durch Wachsen entwickeln. Denn die Natur hat die Lebensalter als Staffeln eingerichtet, auf welchen der Mensch gewissermafsen hinauf- und hinabsteigt; hinauf steigt er so lange er wächst, und er steigt hinab in den Zeiten der Abnahme. Die Grenze der höchsten Staffeln ist die Lebensreife; ist der Mensch bei dieser angelangt, so schreitet er nicht länger vorwärts, sondern. wie die Läufer in der Rennbahn am Ziele umwenden und denselben Weg zurücklaufen, so muls er Alles, was er von der vollkräftigen Jugend empfing, dem schwachen Alter wieder zurückgeben. Zu meinen, dafs Menschen in ausgewachsenem Zustande geboren worden, heifst die Natur- gesetze, die doch unverrückbare Satzungen sind, verkennen. Unsere Beschlüsse freilich, 493 2 - Ueber die Umzerstörbarkeit des Weltalls 341 Y er, 5 Ü E \ U ’ Q \ E) 7 © St \ clETIaı TEAEIUS Ayvonnorwv ETTi vonsus burews, TETWOVS Anıwyrous. Qi Ev Yag I m I x en > m ’ 27 AMErEgeIı Yyanaı TECT@VauaTrenEraı To MÄNMMENES Er eV Fuvelsuyuevov Iyyroo \ \ \ RL 3 ’ E) Ay \ v n eo > \ LU Tomas nal neraßeras einerws Evdey,ovraı, argenta de Ta TAs Tav oAwv Earı BU- cd ’ > ’ W N ’ m Zu ’ \ TEews, are marTuv Emingarousns zai dia Beßawsryra av amafg yvworSevruv ToUs m cd ’ ! Y u e I EN 4 EE dguns TAYEVTRS OgOUS dxIvNTous diapuAarroucns. eimeg oUv dgmorrov Evonıdev > [4 \ m Ds > Ey Y \ ! 59 AmorızTes.Yaı TeAelous, nal vüv av EreAsioyoveito avSgwros, MM Roepes, un mais, \ r / Se N : y y \ \ \ 2 SE. \ um Meiganıov Yevonevos, AAN dung EÜDUs wv, Irws de zul moLS ümav dyngws zat er I e x \ 2 At ’ r e \ \ 3 ayavaros. w yag m aunrıs, mnde meiwais MEOTEOTI.. 2... al ME yag Axypı n 3, 0 N e D \ > E25 ELNER ’ 2) D \ Fans avoges MAunias neraßeral zar avgyrw, ai 6° «mo Taurns aygı yngws wa m \ / 7 n \ \ m x 2 \ \ TEMEUTAS Kara Meiwow ouvirrayra TU de AM Howuvoüvm TWv TgoTEgWV nal Tas R ’ „ re D 5 \ Du r an \ Eronevas EUAoyov um Emiyiyverla. Ti 0° Eumodav Av dvIgwrous zaTamep dacı , \ Eu ' « \ e Ey ’ r Nı\ ’ m mgoTegov zul vüv Braoravev; cirws nal % 7 yeyngarev, ws dia Ypovov uM#os a nn m De) E} ec 14 ’ I ’ ‚ ’ u m EOTENWÜTTa Öonelv; AAN Ev öMolm eve vealouna dei, Ölorı Teragrm Molga Tau ’ 5 NEBECH = nd w E 4 \ \, > \ \ \ TavTos EoTı nal Evena Ns TED oAou diamovns Eberle un b9wew, Erei zul Ta aderda vrarysia aurns, Vöwg dp TE nal müg, ayngw diaredei. mioris de Evanpyıs S) dgmoTrov evanıgev M Zvonıfev agnorrov T| 7. ysvousvos M ywousvos T | 8. Zwischen wgoserr: und «i ist in M ein Raum von etwa sechs Buchstaben freigelassen. In 7 folgt A: auf maosEsTW ohne Bezeichnung einer Lücke | 9. aygı yagus M Ep zur ynaus JE 12: ourwc M our FN | 14. pStivew Je bSave M | welche in Folge des uns beigegebenen sterblichen Theiles mit Oberflächlichkeit behaftet sind, erfahren begreiflicher Weise Wandelungen und Veränderungen; unwandelbar aber ist was von der Natur des Alls ausgeht, da diese Alles übermeistert und bei der Unver- brüchlichkeit der einmal gefalsten Beschlüsse die ursprünglich eingesenkten Marksteine unverrückt bewahrt. Hätte sie es also für zweckmälsig erachtet, dals damals Menschen gleich bei der Geburt ausgewachsen seien, so würde der Mensch auch jetzt als ausge- wachsener geboren, brauchte nicht erst Kind, Knabe, Jüngling zu werden, sondern würde gleich Mann, ja vielleicht sogar dem Alter überhaupt entrückt und unsterblich sein; denn wo kein Wachsen ist, da ist auch kein Abnehmen. [Dies ist leicht begreiflich.] Kommen doch die Veränderungen bis zum Mannesalter im Wege des Wachsens, die von dem Mannesalter bis zum Greisenalter und Lebensende im Wege der Abnahme zu Stande; was also an den früheren Veränderungen keinen Theil hat, das wird, wie mit Recht an- genommen werden darf, auch von den späteren nicht berührt. Und was könnte denn hindern, dafs die Menschen, so wie es angeblich vormals geschah, noch jetzt hervor- sprielsen? Hat etwa auch die Erde so gealtert, dafs man glauben darf, sie sei durch die Länge der Zeit unfruchtbar geworden? Aber sie bleibt vielmehr stets in gleicher Weise jung, weil sie der vierte Theil des Alls ist und um der Erhaltung des Ganzen willen nicht vergehen darf, wie ja auch ihre Schwesterelemente, Wasser, Luft und Feuer, ohne Phrlos.-histor. Kl. 1876. 31 10 15 12 5 10 12 9493 Bervays: Die unter Philons Werken stehende Schrift: m (A ENG \ mn E wm \ U m \ \ mn TNS AÖAFTaTOV nat dıölsv mepl yAy drums Ta duoneva. zarapIeira yap N morauuv [4 174 \ Y D m [4 „ S 6 27 dvayurerw, wowep parıy Aıyumrov, N Tols Ermnis eußgeıs Tov En ns dogs , \ % ’ \ 2 ’ ’ Kanarov ÜMaviera Xu Yararar nameıra diavamausaneın NV oixsiav duvanıy dva- n = U af E4 r m m + ’ nraraı MeyXgı mavreAcus gwuns, Eira apyera mar Tas TWv Omolwv YEVETEWs \ E) 14 e ı U EINWA E m „ca m > SRN v rgobas AbIovous amanaıs Qwwv lea dvadıdouna. map 6 Mor donodsw on amo romoU \ 4 > \ > / ’ / \ \ > / \ RN 7 momra Havdwgav auryv ovonanaı, FAVTE Öwgoujuevnv ra mpos whersav aa Adovns / e) \ 57 e/ w = m Y ’ drorausıv od rırv Ara macrw ova buyns Henoigparan. &i youv TIS EU905 Anpl- \ > 7 u \ ei / E) \ AN N 7) \ vavros Mregwdeis agIem Merapmios nal narıoaı my TE öpeiwnv nal medi@du, TAV \ ” \ ’ U \ \ ’ \ \ \ ’ y MEv EUNOgTeVv za YAonpogov meas nu ırov ng1 Das TE AUL FUDOUS nal Muglas aAAQS m ” fi > w y} \ 1 \ A E} , omagruv Pureis dvadıdourav, ds TE Yewayol narelarovro za as araurouariloure e Ir 27 n \ N Y \ Bay n = N ToU EToVs wo Mapeyera, TAV de #Aadaıs zul PUAAATI HaTaTnıov ois EmIROT- nv \ ’ n ’ \ n \ EB \ 7 \ peitaı Ta devob, zaı naomwv megmANSEerTaryv, ou TWv Moos Edwoyv Movov dAAQ \ z 7 > m ’ € \ \ ze. -] ’ \ 7 nal cis movous axeirIa uuleßyne, — 5 ev Yap TS EAaiıs KaOTos TWUATOE I am e \ m > [2 \ ’ > m \ \ N zanarıv iaraı, 6 O8 Ns dumeAov moIeis METOIWS EMIKAAE Tas abodgas couvas 1. zaregSeir«e nach Mangey’s Vermuthung B z«SagSeir« Tm | 2. bog«s nach , E17 » ’ Mangey’s Vermuthung B $Sog@s Tm | 3. oizeiav T oiziev M | 6. Öwgounevnv r« B Öwgov- \ , \ e nevnv zur re Tim Int Mepotgcereet dh IejaoLgavTeeL M | 8. syv re ogunu (sie) M znv ogeımv 6} 9. yırov Toyıaav M | zu altern fortbestehen. Einen deutlichen Beweis für die ununterbrochene und ewige Zeu- gungskraft der Erde liefern die Gewächse. Bewässert durch Ueberschwemmungen der Flüsse, wie es in Aegypten geschehen soll, oder durch jährliche Regengüsse empfängt sie Linderung und Milderung der durch das Früchtetragen eingetretenen Erschöpfung, und nachdem sie eine Weile ausgeruht, erlangt sie ihre eigenthümliche Kraft bis zum vollen Mals der Stärke wieder, und beginnt dann von Neuem die gleichen Gewächse zu erzeu- gen und reichliche Nahrung allen Gattungen lebendiger Wesen heraufzusenden. Mit Rück- sicht hierauf scheinen mir einige Dichter sie nicht unpassend Allgeberin (Pandora) ge- nannt zu haben, weil sie Alles was Nutzen und Genufs gewährt, nicht blols einigen son- dern allen Wesen giebt, die des Lebens theilhaft sind. Denn wenn Jemand um Früh- lingsmitte auf Flügeln in die Lüfte sich erhböbe und herabblickend auf das Bergland und die Ebene wahrnähme, wie diese, weide- und grasreich, Kräuter und Grünfutter, Gersten und Weizen und unzählige andere Arten von Saatfrucht hervorsprielsen läfst, sowohl solche, welche die Ackerbauer ausgesäet haben, wie die, welche die Jahreszeit aus freiem Triebe gewährt, und wenn er wiederum das Bergland betrachtete, wie es von Zweigen und Laub, dem Schmuck der Bäume, beschattet ist und von Früchten strotzt, nicht blofs den zum Essen tauglichen, sondern auch solchen, welche zur Heilung von Leiden dienen können; — denn die Frucht des Oelbaums hilft gegen körperliche Ermüdung und der mälsig 494 Ueber die Unzerstörbarkeit des Weltalls 243 m „ N \ Er! n > ’ > , E ’ a \ \ Luxiis — Erı de Tas dmo Twv dvIewv avapegslevas euWderTaTas augas Hal Tas m ’ ! N, ’ ’ ’ \ E77 uv dvSewv duusnreus Miornras FEX,N danovie TWETWOLKIÄWLEVRS, TYV & ob dmo- 7 E) \ 57 e ’ 3 ’ U o G \ LEN [2 £) / 27 AAVaS Amo Tv NuEgwv Ev AEgE marıv aryeigovs zuı Heögaus, TEURGS, EAUTAS, dgumv / \ Y m > m \ WS [72 r un reguunnerrare, Tas @AAas Twv dypiwv Tuvexeis nal BaSsias Uras FegaSon- ei \ 3 \ [4 n 3 ia. \ \ \ ’ m m > [2 Ümspsiou Furzıalouni, YvWrerar THv Avevdorov nal AraMaTev TNS YA aeı vealovong > 4 e/ E) >01 3 6 n m > ' \ n Y y \ I azuNv‘ WOT cüdev EAurtwIeira TS TaAaıEs ITYVoS Kui vUv av, EYE TO MOOTEDOV, Y [4 e \ Dy I e N x m 67 ETIATEV dvSowmous ureg dvoiv Tolv avayxalorarcıy, Evos MeV ToU un Amoranreiv ! > "2 rl r > n [\ ‚ m e 2 2 rag oinsiav Kal MAATTA EV TmOgE nal Yeveneı ToU Kegralwv ATavrWv dgıoTav I > I N ’ N Ev > 2 \ ! Aal MysWovos, avIgwmou' dEUTEgoU de, yuvamnav ETIKOUDLGS, ai nvoucaı ev Ragu- ! Y ! n N 2 \ ’ ’ eu TAFOLS ay,Sert dera mov ANVaS Bıakovraı, MEAASUTAL de Erorintew moAAaxıs Wdlrıv ST REE ’ eu > >14 N \ ‚ © / m > aurais EvamoSynTzourw. oAWs cür eunDeie dein Aunrgav üreraußaveı YNV EyHE- ’ \ > ! I \ \ m ’ E \ ! € ’ > KoAmIO.Iar moOs dvIgumwv Tmogav; To Yap Swayaveüv ywplov Eori unTga, "durews’, 1. &ro rov avSeuw M came zuw avSav T | sUWdErTEr«s avec ze Tas Tov avSeuv auuSnrous N suwderregus wugns zaı vos uv YgwIacerum duuSyrous T| 2. daıovix M Saımovin 7%) 4. ze a@rras M as ara T | mega Igyreiev er mega Sonrsies M| 6. Urogeiov nach Mangey’s Vermuthung B vrogiov M Ürsgouias T | veagousns] die zwei letzten Buchstaben von erster Hand auf Rasur in M | 7. d&zurv T azuns M | 8. &rızrev] die drei letzten Buch- staben von erster Hand auf Rasur in M | ?ırorazreiv B Aırorauıyv M reımorazrew T | 10. yuvarzıiv nach Mangey’s Vermuthung B yuvamos Tm | 12. ZvaroSunszousw M dmo- Syyszovsw T | Statt der Wörter odz s)ySs@ dewr ist in M ein Raum von etwa siebzehn Buchstaben frei gelassen | getrunkene Saft der Rebe lindert heftige Seelenschmerzen — wenn er ferner die von den Blumen ausströmenden Düfte herrlichsten Wohlgeruchs und die unbeschreibliche Fülle der verschiedenen mit himmlischer Kunst buntgestickten Blumenarten wahrnähme, wenn er dann den Blick von den veredelten Pflanzen wegwendete und ihn wiederum schweifen liefse über Pappeln und Cedern, Tannen und Fichten, über die hochragenden Kronen der Eichen und über die anderen ausgedehnten und dichten Wälder wild wachsender Bäume, welche die meisten und höchsten Berge und den grölsten Theil des fruchtbaren Landes am Fuls der Gebirge beschatten: walwlich dann würde er die unverminderte und uner- schöpfte Zeugungskraft der ewig jungen Erde erkennen. Da sie also nichts von ihrer alten Stärke eingebülst hat, so würde sie wohl, wenn sie es wirklich früher that, auch jetzt noch Menschen gebären, und zwar um zwei sehr wichtige Absichten zu erreichen, erstlich damit sie ihre eigentliche Aufgabe nicht versäume, zumal da es sich um Zeu- gung und Geburt des edelsten und obersten unter allen Geschöpfen des festen Landes handelt, um den Menschen; zweitens damit den Frauen geholfen sei, welche während der Schwangerschaft fast zehn Monate hindurch von der schwersten Last bedrückt werden und wenn die Stunde des Gebärens herankommt, oft unter den Wehen sterben. Und ist ale 10 10 244 Bernays: Die unter Philon’s Werken stehende Schrift: e u} e> I > > Er nu ’ di ’ \ ds 3 m ’ E ! us eire rıs, "Egyanıngov’, Ev w Öua Movov dıamAarrera" To de 00 AS Megos Eoriv, \ 1 1 \ > , \ q \ G Er Era Qwou SmAeos, ÖnmioupynIev eis yeverıw. Emei aa Mulovs zaIameg Yuvamı YM ! = > ’ ’ \ 7 „7 > e 67 bareov Avira YvSgwmoyovei mooOyevEs Sau, reodnv W Eyweriv oixeiav ci meWroV > [4 >, \ \ > 4 E) 7 > m a > / > > dmorunYevres. GANG Yap ob moranos, cu mAyN TIs oüdanou TYS oikoumevns Av IN } 17 E) nn ı \ \ At ! ea Üdaros MvnMovsverai more öußpnra yara. mgos de MM Tovras, WITT YaAanro- mn \ N E ’ ji \ DL Ge) > Ü ’ m \ \ ToopeisIa Xen To dpriyovev, ourws za Tr di aumeyons anemy xeneTau did Tas > \ En En ” w ’ nd ! m Game ngumoV nal DaAmovs Eyywonevas rols TWuarı Snwias, 00 Yapı malaı ai : 2 Y en m 2 m unreges, als dvayaala bpovris EgYEr«I TÜV YEVVWUEVWV, KATATTAGYavolTı Ta Bospn. \ \ u ’ 67 > ” \ ’ \ > ’ 4 23:7, Teüs dE yyıyeveis buUvras mWS cÜR dv TIG EUDUS drep-Ieige Yuvoos EuDevras A depos KU- / RE BEZ Y \ \ \ U r / ranlufıs n ab NAov dbAoyuaos; ngumvor Yag nal SaAry AOATNTaVTa vogous za \ ’ > \ eh > v m > e / bIopas Grepyagovrau. Ersıön de amaE nogavro aAoyeiv dAnSeias ci HUSorAarran, \ \ BJ ’ a, > / E} ad [nd a ToÜs TmUQToUS Eneivous nal EvomAous ETEDATEUTAVTO Erhüvau. TiG Yap Yv Harte is S \ ES En 77 ec 19 DR, x Yarrevpyes 9 roseuroes Hopwrros ws alrıza TAVTEUYLRG eurgemilen Ian; is de m I ’ en} Du > ’ e 4 m 2] TUle WoWTOIS Yevousvors OmAIDEWS Av olKEIoTNS, MMEDWTEDOV Yap Cwov 56 avQowmos, 9 ‘ , ’ 3. rgoyv ve T rgorv 9» M | mgwrov M euro T| 6. dgriyovov T doxiyaovov M | ceurws M oVru T | 7. swnası M roebonevors Eh Ö1eb Feige nach einer Correetur von erster Hand in M | 11. Zusıöy de M Zreı de T| 14. mgwros yevouevors T mewroıs (von erster Hand - . - > ’ ’ aus Tawras corrigirt) yevonzvaıs M | ör urews B isomeıs MT | nuegwregov M Ninsgurarov T| es nicht überhaupt eine arge Thorheit anzunehmen, dafs die Erde eine Gebärmutter zur Menschenerzeugung in ihrem Schoolse berge? Denn der für die Entstehung lebendiger Wesen geeignete Ort ist die Gebärmutter, “die Werkstätte der Natur, wie sie Jemand nannte, und in ihr allein können lebendige Wesen zur Ausbildung gelangen; sie ist aber kein Theil der Erde, sondern ein zum Gebären eingerichtetes Glied des weiblichen Ge- schöpfs. Müfste doch ebenfalls behauptet werden, dafs wie beim Weibe, auch bei der Erde, als sie Menschen gebar, Brüste sich entwickelten, damit die ersten Neugeborenen die ihnen gemälse Nahrung fänden. Aber keine Nachricht meldet, dafs irgendwo auf dem Erdboden in einem Flusse oder aus einer Quelle je Milch flols. Aufserdem kann das Neugeborene, so gut wie es mit Milch genährt werden mufs, auch des Schutzes der Klei- dung nicht entbehren, wegen der schädlichen Einflüsse, welche Kälte und Hitze auf die Körper üben; weshalb ja auch Ammen und Mütter, die sich die nothwendige Sorge für die Neugeborenen angelegen sein lassen, die Kleinen in Windeln hüllen. Wie hätte also nicht eine Erkaltung der Luft oder ein Sonnenbrand jene als Erdensöhne Hervorgewach- senen, da sie nackt gelassen waren, bald zu Grunde richten müssen? Kälte und Hitze, wenn sie einen hohen Grad erreichen, pflegen doch Krankheiten und Sterben herbeizu- führen. — Da nun aber die Fabelschmiede einmal angefangen hatten die Wahrheit zu mils- achten, so ersannen sie auch das Ungeheuerliche, dafs jene Saatmänner bewaffnet hervor- gewachsen seien. Wie befand sich doch unter der Erde ein Schwertfeger oder ein solcher 495 ende VEgE % a TREE SEE RE DRSE , fi R RE ke Ueber dıe Unzerstörbarkeit des Weltalls 345 CH ! N ’ I > Ey ’ x \ <) ’ 4 G Aoyov OwanTauevns DLTems auTw YEpas, W nal Ta EEmyguwineva masy naremaderaı \ 4 \ A & nd I m zal rıSarreverau. wor) errıov Yv du” omAwv ungUrıa dvaduvaı, suußarngıwv 23 7 E4 2 d Seil. \ 2 m m m GrovdwWv suußore, Aoyızy pure, omws zıamumv mgo Moleuou MEI TOIS FAVTaY,oU ’ \ \ > n > ’ NL \ n KATAYYEAM. — TA EV oUv TWV Emireiyılovrwv Weuderoyiev nara 775 aAnSeias 183 ’ ’ r \ Da Nr (72 > > ’ PAvapyuara Mergiws EEeryAeyaraı. xon d ED eidevaı orı EE dtv nara diadoyas 5 3 r ’ „ ‚ 5 n 3 F 32 avOgwrwv BAarravovrıv avSowmoL, GmEINoVToS WEV Eis unrgav dvones Ws Eis „ \ NE < ’ \ ’ ’ m At ’ E r apoupav, Yuvarkos Ö° Ümodegoneing ra TTEIUATE TWrNIWS, TnS de BUrews aogerws 7 \ v m r \ m ee mn N ’ n vd EHATTa nal TUV TOO OwWmaros zul rwv ns "boys diamAarrousns Mepuv za omeg > y @ 6 e m cu an a m ‚ N ’ \ »3Q oÜR IOYUTE Aaldeiv AYUWV EHATTOS TOUT ATUVTı TW YEvE ÖWENTLIAEUNS, 70 aIavarov. r \ > SEN a ’ n > DIN D n iD D eve: Ya EIS aeı, POEeigouevwv TWVv € Eder, FEgETTIOV Ws aAySws zul Delov eoyov. 10 > > ERIN BEN ß En m m ‚ N) ’ le ’ \ ei audıov avsgwros, Noayeıa Molga ToVv mavros, EyEvnTos nNmov ru 6 #00 Ucc, 5 2 e WoTE abQapres. & ‚ \ r e ’ 3 n \ f 0 x „ em eraywvılousvos Ö& 6 KorreAaos Ey,onro nal raourw Acyw: 70 arrıov aurw 14 le „ ’ > ER N \ \ 7 EuN TE, Se) VE TOoU UYLaIVELV avoTov EOTIV, ANGE rar TO ÜTIoV AUT TCU AYDURVEV AYDUTrVoV ETTWV° 2. Angüzuce avaduver M Anguzıov avadovvea T| 5. bAvaesyuare aus puvazynere von erster Hand corrigirt in M | 2Eeryreyeraı T 2Esryrearn M | 6. de eis M wre P| 8. zu ee Se , H Y a Ä 3 zu» zus M zu mus T | 9. toyuse M isyve T | 13 und 14. airıov aürs T arrıov ars M | Hephästos, dafs gleich vollständige Rüstungen in Bereitschaft waren? Und was hatten D die ersten Menschen mit Bewafinung zu schaffen? Ist doch der Mensch hierfür ein zu mildes Geschöpf, da ihm die Natur als Ehrengabe die Vernunft verlieh, mit welcher auch die zur Wildheit aufgeregten Leidenschaften beschwichtigt und gezähmt werden. Statt Waffen wären für ein vernunftbegabtes Wesen viel besser Heroldsstäbe, die Wahrzeichen vereinigender Verträge, aus dem Boden aufgetaucht, damit es Frieden an Stelle des \ Krieges Allen aller Orten verkünde. — Die Faseleien derjenigen, welche eine Zwingburg 13 von Lügenreden gegen die Wahrheit errichten, sind hiermit genügend zurückgewiesen. Man mufs aber die Ueberzeugung fassen, dals von ewig her in der Abfolge der Ge- schlechter Menschen von Menschen entsprielsen, indem der Mann in die Gebärmutter wie in ein Ackerfeld säet, das Weib den Saamen schützend aufnimmt, die Natur in stillem Wirken jeden Theil sowohl der Seele wie des Körpers ausbildet und so dem ganzen Geschlecht das verliehen hat, was wir als Einzelne nicht zu erlangen vermoch- ten, nämlich die Unsterblichkeit. Denn während die Individuen untergehen, dauert das Geschlecht für immer als ein in der That wunderbares und göttliches Werk. Ist nun der Mensch, ein geringer Theil des Alls, von ewig her, so ist doch wohl auch die Welt ungeworden, mithin unzerstörbar. In weiterer Fortsetzung des Kampfes bediente sich Kritolaos auch folgendes 14 Schlusses: Was sich selbst des Gesundseins Ursache ist, ist von Krankheit frei; was sich selbst Ursache des Wachseins ist, ist schlaflos; verhält sich dies so, dann mufs auch 10 246 Bernavs: Die unter Philon’s Werken stehende Schrift: > A m \ \ Y EI ne ’ dio E y $ e U (2 EI DE TOUTO, Aal TO QTIOV aUTW TOU UMARYEIw didlov ETTIV. QITIos OÖ © RoTuos aurw RE, G Y \ mw Y d 27/ Y [3 ’ > ‚2 ToD Ümapye, EIYE Hal Tols ardcıs ararıy. aidıos aga 0 noouas Erriv. > \ E \ 3 mw mw Y cd v \ U > 3 m \ ww ov unv AAAT HEHEVO HOME agrov oTı may TO YEVoEVov Ev aoym [EV dei r > x 5 / & / E7 Ü m / TavTWs ÜTENES Eival, Ygovou DE TBLOVToS auferIa MEYXgL WAVTEADUS TEAEIWTEWG* ei E ’ e r Ind ’ > 2 > \ ' m ee ü WITE, Ei YEyovev 6 nOTWMos, N Ev TOT, wa ndyw WorFuma rTois Aınımv Övonao, n / a ! 5 E) n / \ ? I KouLdn vnmıcs, emßawuv 8° auSıs Eviavrav meguodais nal MNREnı Ygovuv öde zai ’ = ' m \ I Nm / 7 morıs EreAeiW ON" Toü yag wargoßuwrdreu Roadera eE avayans drums. Tov de KoTWoV £)] 2 ! ’ wm 4 [9 e) [4 Ya & TIS vonike xonrartaı TOTE TAIS TOLAUTAIS neraßorais, aFegaFEUTw Aavı@ RERDU- ‚ Ne Nee , a. \ e > 2 3... \ Nr > ’ TYWUEVoS un dyvosinYw. OMAov yag Ws oU Movov aurou To TWuarosıdes «den IATera, D N Key m E ’ 4 I N 5 Anderar Öe nal 6 vous Emidorw, Emei nal ol dIeipovres aurov Aoyıncv eivaı ÜMO- m m 3 ‚ 7 > > m \ m y E] voouriv. oUxovv avdgwmou TOomoVv Ev apym MeV TuS YEVETEWS AAOYoS ETTal, megi de \ ’ € , ’ 4 f [4 e) \ q e 63 Tv inmalourav Adıziav Aoyınos, ameg oÜ Movov Acyeıv AAAR Hal Umovoeiv areles. \ \ - ! € n / \ \ > ’ / vi Toy Yag TENEIOTUTOV opaTWV megildoAov Aa TOUS EV MMEQEL TELIENOVTE uAngouy,ous 1. «irıov air T errıov aurw M | airw oo T airu roo M | 3. dei mavrws B m&vrws M Ön raus de T| 5. srre T Statt dieses Wortes ist in M ein Raum von etwa drei Buchstaben frei gelassen | 6. mrıos T ıymins M | 9. @yvossSu M ayvossw T | 11. Esser nach einer Correctur von erster Hand in M | 13. ögaruiv B deur (sie) M öge- zov T | meaeyorre T meguzy,ovrcs M | was sich selbst Ursache des Daseins ist, von ewig her sein. Nun ist aber die Welt sieh selbst Ursache des Daseins, da sie es ja für alle anderen Dinge ist; also ist die Welt von ewig her. Ferner ist noch dies erwägenswertb, dafs alles Gewordene anfänglich durchaus unentwickelt sein und erst im Verlauf der Zeit bis zu allseitiger Entwickelung wachsen muls; ist sonach die Welt eine gewordene, so war sie einst, um auch meines Theils die Benennungen der Lebensalter zu gebrauchen, gänzlich Kind, und erst indem sie die Jah- reskreise und grolsen Zeiträume beschritt, entwickelte sie sich spät und allmählich; denn das mit dem längsten Leben begabte Wesen kommt nothwendig langsam zur Reife. Glaubt nun aber Jemand, dafs die Welt je derartigen Wandelungen unterlag, so kann man über- zeugt sein, dals ihn unheilbarer Wahnsinn erfalst hat. Denn offenbar würde alsdann nicht nur das Körperliche derselben wachsen, sondern auch ihre Vernunft würde eine Zunahme erfahren; denken sich doch auch diejenigen, welche die Zerstörung der Welt lehren, dieselbe als vernünftig. Mithin würde sie, ganz wie der Mensch, in der ersten Zeit nach ihrem Entstehen unvernünftig und erst im gereiften Alter vernünftig sein; was nicht blols aus- zusprechen sondern nur zu denken lästerlich ist. Denn wie sollte es sich nieht gebühren, den vollkommensten, alles Sichtbare umfassenden Tempelbezirk, welcher die einzelnen göttlichen Theilmächte umschliefst, für stets vollkommen an Körper und Geist zu halten 496 Ueber die Unzerstörbarkeit des Weltalls - 247 m > Y e ’ >\ 2 I m \ ! ! > 7 mWs coür @Eıov Ümorapavew dei TeAsıov nara re una nal buymv, dueroy,ev m m 1 \ x \ ’ ungwv, als To yeyarov ai bIagrev mav auvedeunran; \ NN ! \ \ N, 2 ey e m 94 Moos de ToUTas dycı TeITTas airias diya Tav EEwIev imoßeßrgr Sa Quo n r » „4 [2 eu \ r r ES TEAEUTNS, vOTov, YADRS, Evdsiav, Wv oUdemıe Tov RoTMov dAurov eivaı: MErAyEvaL TE A > [24 m 14 4 N \ e , & Yag EE oAuv rwv raysınv, are umdevos ÜmoAsıpYevros nal amereuSegielovres ’ e m 9 = r S = ae Megous ws BuarSrvaı, AaTanpareiv TE TWV duvaneuv, EE wv ai ürIevsia, as Ö° G „ \ I \ 4 > ’ ’ > > c n ÜMEIROUGaS avonov zul ayıgw aürov diabunarrew: aurapxesTarov 7’ aurev aurw \ > \ ’ NIE = BEN \ 2 jn Hal dvemidcz mavres yeyovevan, MNdevos Tav Eis diamavnv Ürrepilovra, Tas HEVWTEWS \ Y > ’ var \ > ’ u \ \ „ 5, , \ nal mANgWTEWS Ev Megeı Öladoyas amwrauevov, wis die TyV auousov AmANFTiav Ta m Er "4 N m " EN ’ > ’ > PS; 5 eva KereYa, Tavaroy avri Qwns Mvwueva 9, To Ye @rbaresTegev eimeiv, ciRTgc- £ 7 Tegov Blev drwäsias. „ , > \ Nez ’ EWZN © m » Ey 2 \ Erı rolwuv Ei Ev pmdemie bürıs didios Ewpkro, Mrrov av Edonouv ci b-Iogav ’ v / At \ 3 AN SERHL, 7] EIOYYOUMEVOL TOU ROTWoU, WdE yag EXOVTES Tagadaıyı AIÖLOTNTES, AVEU reobareus 2. bOagrov T Ep >agrov M | 5. «re nach Mangey’s Vermuthung B ss ars Tm | 6. us ArerSyver nach Mangey’s VermuthungB AıasSAva Tm, vgl. oben S.211,4 u. zu $.228,3 | »arangareiv T zarangerwv M | re zuv M Fe za zuv T | 7. airov T au M | aus T aurav M | 8. Ürregigovra M Voregigovros IN lee ander yag EN ovres M 1ndev eyyovres T | magadsıyu duıornros B agcdsıyiace idiornros £öozouv ol bOoogav eiomyoupevor roU zosmou M 5 LAN EL er 1? y y, RK razcdsıyur aıdiornrog ToV Z0TWoU T | aveu mgobereus T @v eirgopasızre M | und für entrückt allen den Arten des Verderbens, welche von jedem Gewordenen und Vergänglichen unzertrennlich sind. Ferner, sagt er, dals während bei lebendigen Wesen drei Ursachen, aufser den von aulsen kommenden, für das Lebensende vorliegen, nämlich Krankheit, Alter, Nah- rungsmangel, die Welt keiner von diesen allen unterworfen sei. Denn, [was die von aulsen kommenden zerstörenden Ursachen anlangt], so sei die Welt aus dem gesammten Vorrath der Grundstoffe gebildet, da kein Theil derselben zurückblieb und sich jetzt frei aufserhalb der Welt befindet, so dals sie von ihm Gewalt erleiden könnte; auch habe die Welt Obmacht über die Naturkräfte, von deren Einflufs die Schwächezustände herrühren, und die Unterwürfigkeit jener Kräfte lasse die Welt von Krankheit und Alter unberührt bleiben; endlich sei sie so beschaffen, dafs sie sich im höchsten Maaflse selbst genüge und durchaus nichts bedürfe, da nichts zu ihrer Fortdauer Nöthiges ihr gebreche und sie an sich nicht herantreten lasse den steten Wechsel von Entleerung und Anfüllung, wel- chem die thierischen Geschöpfe in ihrer unschönen Völlerei sich hingeben, indem sie nach Tod statt Leben trachten, oder, um einen weniger kühnen Ausdruck anzuwenden, nach einem Dasein, das trauriger ist als Vernichtung. Ferner, wenn gar kein ewiges Wesen erkennbar wäre, so könnte vielleicht das Vergehen derjenigen, welche die Lehre von der Zerstörung der Welt aufbringen, nicht so 15 10 15 10 +15 248 Bernavs: Die unter Philon’s Werken stehende Schrift: 3 m EURE RE ’ \ \ y in 2 NH r adızeiv. Emei 08 image Kara ToUs apırra huFIoAoyeuvras aVapy,s nal ATENEU- ’ 3 77 \ e ! > m A U DEM; [4 1 > E BE TnTos Eur, EIICUTE Tas Enaoruv AveAdıTWs Aal adiarrarws airias, Ti ÖNmor oüyı \ © 2 ’ Y CJ D \ Y n ’ \ nal TYv TOV nooMov buriwv AEXTEov Eiva Manrpaiwva, TNV TEE Tav dranruv, TA e / 5 > ’‚ \ [4 53 % x / 27 danoviav Tuv Gvapnosruv, Tv Tuabuviav TuV aruubwvwv, TA Evwaw Tav ÖIETTN- ’ \ ! \ Kay e/ v ir ı I \ x ncrwv, ryv Eiruv nv mai Ardwv EEıw, TmaprWv TE na devoawv purw, un. de r ee, ICE! & n \ r 5 \ \ 7 7 Cwuv dmavrw, avSgwmuv de voov mai Aoyav, dpernv dE Smoudumv TEAEIOTETAV; 3 Se m ! ’ HL r 9 A dale ! e) [4 ed’ A To) xcomou bUnıs ayevmros TE Ku APIugTos, ÖyAovori nu 6 nooMos alarm r [4 n Fuvey,onevos nal darparounsvos derum. RAR 158 ce \ n [4 \ n / „7 ! viren Sevres de UmO Tis dAmIelas nal TWv Avridofouvrwv Evioı neredrovro‘ \ \ „7 r \ 1% \ a\ ’ 5 7 moosuAyrınnv Yap Ex,eı duvanıy TO na@AAcs, TO 0’ aAySEs damoviws Enri naAov, Ws = 5 m B 7 \ n e NW ’ D7 m ro eüdos Enrorws alay,aov. BonYos youv 6 Zıdwvios za Havarrıcs, audgss ev Tols m U > N ci E y Ei} ! \ Fruneis doyuanıy Imyunorss, are JeoAymrel, Tas ERmUgWTES ma TaAıyyEvETias 7 \ R NW \ m 3 ’ m ’ \ , KaTaAımovTes Moos Teiorepov boy To Tis apSagrıas ToV HoOMoU TUuvros NÜTOUC- ’ INS \ / ET, ’ 5 ‚ EN [4 5 Anrav. Akyeraı 08 mai Auoyens Avira veos Mu auveriyganauevcs TW dayuarı TE 5 ’ E \ m e 7 > d 1 > m > \ ’ > \ I \ ERmUQWTEWS oe ns Aınias EvdoraTas Emioyeiv‘ cU Yag veoryros arıa yngws TA de aim T «sv M | 11. BonSos yolv © sıdwvıog M BoySos yaıv za Horıdw nos u ’ . . 4 zcı Havalsıos T za Heveros M | 14. Ueber die Blätterversetzung nach suverrygalanevos s. oben $. 215 | 15. !vda«s«s aus tvövieres von erster Hand corrigirt in M | y&o veoryros T Ye vuonoraros M | gänzlich unentschuldbar scheinen, weil ihnen kein Beispiel von Ewigkeit zu Gebot stand. Da jedoch, nach den besten Naturphilosophen, das Schicksal anfangslos und endlos ist und ohne Unterlals und ohne Unterbrechung alle Einzelursachen verknüpft, weshalb sollte man nun nicht auch von der Natur der Welt sagen, dals sie die grofse Ewigkeit hindurch dauere, sie, welche doch die Ordnung des Ungeordneten ist, das Gefüge des Ungefügen, der Einklang des Auseinanderklingenden, die Einigung des Getrennten, welche in Holz und Stein die zusammenhaltende Kraft ist, in Saaten und Bäumen die Kraft des Wachs- thums, Seele aber in allen Thieren, Vernunft und Verstand im Menschen, und in den sittlich vollendeten Menschen die vollkommenste Tugend. Ist nun aber die Natur der Welt ungeworden und unzerstörbar, so ist es offenbar auch die Welt selbst, da sie von einem ewigen Bande zusammengehalten und umfalst wird. Von der Wahrheit besiegt haben nun auch einige der Gegner ihre Meinung ge- wechselt. Hat doch die Schönheit Anziehungskraft, und das Wahre ist überschwänglich schön, wie das Falsche über alle Maalsen häfslich ist. So haben denn Boöthos aus Sidon und Panaetios, Männer, die eine grolse Stärke in den stoischen Lehren besalsen, offen- bar von göttlicher Regung ergriffen, die Brände und Wiedergeburten der Welt aufgegeben und sind zu der göttlicheren Lehre von der Unzerstörbarkeit der gesammten Welt über- getreten. Auch Diogenes, obgleich er, als er jung war, die Lehre von dem Weltbrand mit- 497 Bee oc Me ee A 3 502,34 ee 503 Ueber die Unzerstörbarkeit des Weltalls. 249 \ \ & d dei, \ US Q> ef \ & ’ er ıY: >» \ TEUVa Hal MEQIUEYNTA Oudev, nal MENT 07a um inadsı 9% @Aoyos nal EmarnAcs y ec L \ > L n aiIyTıs EAN 6 HaDagwraros AU AngaIPVETTATOS voüs. ’ © \ \ \ Ü ’ A ’ L äncdafen Ö° ci megi Tov BonSov HEX,ENVTaL mıSavwraraıs, as aürıza Aeko- > / \ \ \ ec ’ 3 Er \ v ’ ’ nn N nv Nı 2 «/ > Y) \ Kal Tois OTwiXois dromwWrarev eva doxe. dia Tis cri oüdemıav PS opomarov sep? e m ” Y > E \ 2.3 > I a \ ! > wm > \ \ \ „Nr airiav eÜgely Eomıw, OUT EVTOS OUT ENHTOS, N Tov Homlov Avehei: ExTos Ev Yag cüdev 4 \ / [4 n B > ’ > \ r ’ EoTw orı um Taya Mou nevov, TWV GTayEny amongıSevrwv eis aurev 6AonAngwv, E77] £) BEN / x A ’ > N E73 n ! { > > einw Ö° oUdev vormma Tolürov 0 yYevar Av arıov TU ToTourw diaAurews. Ei d > ’ Q ‚ Ö f > m \ Y El e ’ w \ m < dvamıms bIeigera, ÖnAovorı En ToV um Ovros EoTa N Yevenıs TAS pSeopas, omeg \ I NZ ode diavara magadeFerau. \ / bl \ ’ m > m u \ ’ nal um baTw, orı yevınaı TEomaL $Iopäs iTı TgEIS‘ 0 TE zara daugeriw \ \ > / m E} ! / r \ ' \ x Ind nal 6 Hard Avalpeoıy TNS EMEX,OUCAS MEIOTNTOS Kal 6 Kara TUyXUTW. Ta EV oUv a ’ eV, / ‚ ’ A r > r in dierrnaorwv, wrora, Bourerıa, Kool, TTORTEUNaTa, 7 mar Er GUVATTOEVWV Ü U IN U , ! WLAN ’ as , TWUATT TAYEVTA GATTATEI zal dlaıgenei Aucvral. KUATE de avalgesıw TNS ETEN,OUTNS 1. @marnios M anerın T | 6. airıev eugeiv M eugelv airıev T | 10. dıevax M % l N y \ ’ ‚ dıcvae T all. Öreigeniw za M duarasnıv 7 18. Fuvarronzvuv oumare T Suvarrousvouv aW- naros M | 14. Öiesrarsı M mn dıarrassı T | unterschrieben hatte, soll in vorgerückten Lebensjahren zweifelhaft geworden sein und sich unentschieden darüber geäufsert haben. Und in der That ist es nicht Sache der Jugend sondern des Alters, die hohen und vielumstrittenen Fragen zu durchschauen, zumal solche deren Entscheidung nicht der unvernünftigen und trügerischen Sinneswahrnehmung, sondern nur dem reinsten und ungetrübtesten Geist zusteht. Boethos und seine Anhänger bringen nun sehr triftige Beweise vor, die wir gleich mittheilen wollen. Wäre, sagen sie, die Welt geworden und zerstörbar, so würde Etwas aus Nichts entstehen — eine auch nach stoischer Ansicht höchst ungereimte An- nahme. Weshalb? weil keine zerstörende Ursache zu entdecken ist, weder innerhalb noch aulserhalb, welche die Welt vernichten könnte. Denn aufserhalb ist nichts vorhanden aulser etwa das Leere, da der gesammte Vorrath von Stoffen in die Weltbildung auf- genommen worden; innerhalb aber giebt es keine so schwere Krankheit, dafs sie die Auflösung eines so grolsen Wesens herbeiführen könnte. Würde hingegen die Welt ohne bewirkende Ursache zerstört, so mülste offenbar aus dem Nichts die Entstehung der Zer- störung hergeleitet werden, und dies ist sogar für das Denken unfalsbar. Ferner sagen sie: es giebt drei oberste Arten der Zerstörung, erstlich durch Zertrennung, zweitens durch Vernichtung der anhaftenden Qualität, drittens durch Ver- schmelzung. Die aus räumlich gesonderten Gliedern bestehenden Heerden von Ziegen und Rindern, Chöre, Heere und wiederum die aus künstlich verbundenen Theilen zusammen- Philos.-histor. Kl. 1876. | 32 16 10 16 10 250 Bernays: Die unter Phion’s Werken stehende Schrift: molotyres 6 METaTYMMarıolEvVos unpos N Hal Asamwvoweves Iva ande Erepoeiöh Twa Megt- ax TUmov Mopbis nara de auyyurw, Ws A mug kargeis Tergabupnancs' ai Yap du- vaneıs TÜV Tuvevey,Ievrwv NbavioInTav Eis EEaıgersu müs Yevenıw EmereRenIeirns. mem On Tourwv afıov Tov nosuov bIegenIa havar; TE nara diaiperw; dAN oure in ÖlErTNAoTWV Eotiv, WS Ta negn TrEeduTINval, oUTE ER FUVarroNEvWV, Ws MIaAU- SAvaı, oVTE Tov aurev Focmov Toils NWeregcis Yvwraı Funarı" Ta Ev yap Emınngus TE EE Eaurav EYE nal ÖUvaTTeveraı maos Mupiwv io’ uv QAarreraı, roü 0° anrr- Tos n dwun MoAAH Tv megIoUTIE mavra narangarouca. AAN dvampereı mavrerei INS MOIoTNToS, AAN dmmyavov TOLTo YE' wevei yap KATa TOVS TAvavria «igav- uevous H TS Öanorunrews MoloTNg EWR EAUTTOVoS oÜTIAs, TNS TOD mupcs, Trareira zara TAV Ermugwew. ara TY Hara Tuyyurı, amaye: deyre Yap mar eis TO um ov ywerSaı Tav dIogav mapadeyer Ga. ToÜ Xagıw; Or Ei MeV Enaorev &v neget Tüv grorgeiwv &bIeigero, meraßorgv Eduvaro ryv eis Erepov deyes-Sa, mavrwv dk ’ NS 3 ’ \ ’ > ’ N, (3 m \ aN/ aurrnacnv AD gowv KATA FUYYUVTIV Ayaigoumevwv avayan VmOvoelv To dduvarov. } un R 1. zeaoyn M ragaoyn T | 4. zourwv T rovru M | 7. zauzwv M av T| 8. zavr« M ravrw T | 10. oVsies ns Foo mugos srareise zare B oVstas mm rou freier Raum von etwa vier Buchstaben orareisrSur zar« M ousias 70 roo dı ... zare T | 14. @Sgowv M «Sgoov T | gefügten Körper werden durch Auseinandertreten und Zertrennung aufgelöst; durch Ver- nichtung der anhaftenden Qualität tritt die Zerstörung ein, z. B. bei einer Wachsmasse, wenn sie umgeformt oder auch so geglättet wird, dafs sie nicht einmal einen anders- artigen Formeindruck mehr trägt; durch Verschmelzung, z. B. bei dem von den Aerzten angewendeten Vierlingsmittel; denn hier sind die Kräfte der einzelnen zusammengerührten Stoffe verschwunden und haben die Entstehung einer einzigen vorwiegenden Kraft be- wirkt. Auf welche von diesen Arten darf man nun die Welt zerstört werden lassen? Etwa durch Zertrennung? Aber die Welt besteht ja weder aus räumlich gesonderten Gliedern, die versprengt, noch aus künstlich verbundenen Theilen, die gelöst werden könnten, noch auch ist sie in der Weise unserer menschlichen Körper geeint; denn diese menschlichen Körper tragen in sich selbst den Keim des Verderbens und werden aulser- dem von unzähligen schädlichen Einflüssen bemeistert; der Welt Stärke hingegen ist un- überwindlich und im Ueberschwang ihrer Macht bändigt sie Alles. Oder soll die Welt durch gänzliche Vernichtung der anhaftenden Qualität zerstört werden? Aber dies ist vollends unmöglich. Denn nach der Lehre unserer stoischen Gegner soll während des Weltbrandes die Qualität der entwickelten Welt fortbestehen und nur auf eine kleinere Substanz, nämlich die des Feuers, eingeschränkt sein. Oder soll die Zerstörung als Ver- schmelzung stattfinden? Mit Nichten; denn alsdann würde wieder die Annahme nöthig, dafs die Zerstörung in einem Uebergang zum Nichts bestehe. Weshalb? weil zwar wenn 504 Ueber die Unzerstörbarkeit des Weltalls 2351 Y \ I N > 57 ’ \ ’ , e E} n / ETI MRS TOUFOLS, EQv EnmugWSHN, parı, TA Tavra, TI KaT Eneivov moageı c \ \ U S% \ ’ >N/ \ I > au \ \ \ e/ 6 Ieos Tov gavov; n To magamav cüdev; nal MAmoT EinoTws‘ vuvı Ev Yag ERUTTa PL IN 14 ° ' \ ’ \ > nv e) \ m e [4 Ehop« za mavrwv oa YyATios TaTnE EmITgomEUEı nal, € OEL TaANDES Eimeiv, Aioy,ou r U r m n \ ’ 1 \ ’ rail nußsgvnreu Foomov Avioyei za mydadıcuyei Ta TUuTavra, Mo TE na veANy Ei E77 D > r 7) > , \ S, 7 x ’ zal Tois aAAcıs mAavyTı zul amAaveow, erı Ö azgı Ha FOLS JEQETL ToU KoTou ’ \ m a \ \ nd \ \ \ Saunas \ TAQITTAMEVOS Kal auvdanv oT@ mgos Tnv ToÜ oAcv dtiauovrv zul TYv ar eg-Iov ! 3 2 ’ 4 Aue, [4 EI ’ \ > ‚ N = Aoycv avuramısv dioiunrw. maurWv Ö avameIevrwv, Um apyıas zaı amgafıas deıuns 16) ’ Ich ! N e ’ ’ 3 N 3 v R > m NE A 8 &% abıwrw Miw Xonseru ob Tı Yevar av dromwregov; Onvo Aecyew, 0 Moe Denis > EN u & ’ [SE RS ’ Y 8 , \ \ > ’ AN > > eimeIv, OTı dnoAouonrei IE Iavaros, Ei Ye xal Noewmia: To yap deinıvyrov Eav averns 2 \ \ ’ nm \ \ m / \ \ m Duyiis, var aurv mavrws wuvavedeis. Duyn dE ToU nonTuoU zara ToUs avrıdofeuvras 4 6 Seos. > m £) > > 15 m , / y , I Eneivo Ö° cür avagıov damopnaas, TIVa TOEMeV EOTU MAALyyYEVvETI« Tayruv =) mn > ’ 25 ’ \ er > [4 e \ ’ > Ä \ \ Eis mUp dvarulevruv. eEavaAnTerns Yag Ts oUTIWs Umo Ups, avayın Aal TO I. meeesı 6 Seos M 6 Seos me«Eeı T| 3. ce T oos M | 4. andarıouye T my- Öernovyst M | nam re M mn T| 8. Cu T Bi« M | 12. avafıov B aEıov MT | diamo- T yaı ensu T Ötcerogiren M | 13. &EavaruSsons T eEwvaruSsisns M | jeder der Grundstoffe einer nach dem andern zerstört würde, jeder eine Verwandlung in einen andern erfahren könnte, sollen hingegen alle insgesammt auf einmal im Wege der Verschmelzung vernichtet werden, so ist die Voraussetzung jenes unmöglichen Uebergangs zu Nichts unvermeidlich. Aulserdem warfen sie die Frage auf, wenn das All verbrennt, worin besteht denn Gottes Thätigkeit während jener Zeit? Etwa in gar nichts? In der That möchte dem wohl so sein. Jetzt nämlich beaufsichtigt er jedes Einzelne und als ein echter Vater verwaltet er Alles, ja, wenn man wahrheitsgemäls reden soll, wie ein Wagenlenker und Stenermann lenkt und steuert er das All, indem er der Sonne und dem Mond, den wan- delnden und unbeweglichen Himmelskörpern, ferner der Luft und den übrigen Bestand- theilen der Welt zur Seite steht und ihnen hilft bei Allem, was zum Bestand des Alls und zu seiner untadligen Verwaltung nach den Gesetzen der richtigen Vernunft förderlich ist; ist jedoch Alles vernichtet, so wird er in Folge der Langweile und peinlicher Un- thätigkeit ein Leben führen, das kein Leben ist. Kann es etwas ungereimteres geben? Ich scheue mich zu erwähnen, was auszusprechen schon Sünde ist, dals wenn die Ruhe, dann auch der Tod für Gott eintreten würde. Denn wenn man die ewige Bewegung der Seele aufhebt, so hebt man nothwendig zugleich die Seele selbst auf; und Gott ist ja nach der Lehre der Gegner die Seele der Welt. Näherer Erörterung nicht unwerth ist noch diese Frage, auf welche Weise die Wiedergeburt stattfinden solle, wenn Alles in Feuer aufgelöst worden. Denn nach Auf- zehrung der Substanz durch das Feuer, mufs nothwendig auch das Feuer, da es keine 32* 10 17 17 * 10 } 352 Bernavs: Die unter Philon’s Werken stehende Schrift: A = NIE) \ > ß 7 ’ \ N e \ w mug OURET EXov rgobyv amsaWeronvan EvovTos EV oLv, 0 OmegMaTınas TNs dia- ’ > ’ I > S/ AN U N De / „7 rl RETHATEWS Eowlero Acyos, avaıgeTevros DE TUvaryomrau TO Ö° Erriw Enteruov Kai E72 27 \ / \ E7 G mn areQmua Non dimAouv, un Movov BSogav TOU AOTWMOV AUTNYogEıv Ad zar maAıyye- > v 7, E) , \ j, m E veriav dvameiv, WERTEN &v üxormie nal ampakıc zal Tols TANUUEAET: Facı Kigovros n \ \ ’ 5 ’ ® 7 \ es Seel. Tov de Acyov ängılBenregov wide Ösegeuvmreoy. mugos ToLTTOV Eidos‘ To Ev dv- NN [27 \ \ , 27 \ x m > > IN \ Saad, 70 d& bAo&, To de alyy. avOpaf MEv oUv Eorı MUR Ev ourie Yewdeı, 0 raomav I w [2 er} E% [77 „ Bi ’ ’ 7 eEews TVEUWATIHNS MEDWAEUHE Hal EAAOY,E dr EAns Eygl MEgUTWV TETAWEVCY. proE de 5 27] > v y ’ Sa \ 185 } > ’ ErTiw omeg En TgodbNs agera METEWpuGonevov, alym de TO dmonreArouevov Er PAoyos, \ = n > \ a c n > 2 ’ \ / >» N Guveg'yov ob Iaruois EIS NV TWV ogarwWv avrırmdı. METNY de Xugav auyys TE nat ” E77 ! m \ \ > „7 m [4 wOganos EANYKE proE: oßeoIcira ev yag eis avIgana TeAeurg, Gwmugounevn &° E77 ‚ e\ \ \ E ’ ! > ! e \ \ -) ! Ey,Eı beyyos, 0 TA RAUFTIRNV abnommevov duvanıv AITTIATTEL & KAT TAN ERTU- & \ ’ = ’ SQ m va \ > EN U ! gweiv ouv Tov Konov avamvssIaı dwwev, awogeE MEV oUX Av YEVvOoLTo, dierı Tau- \ e ’ nv I uf \ 67 > n 4 saır: TANSES dmorenbera: FoU Yewdous, w ro mug eyrarsrdistau ruußeßnnev, agerneı ° x AN ’ m Y e U I \ Er au \ ar ÖE undev orte Tav aAMwv Überravar owuarwv, Ara YA nal udwa zaı aepa Eis 4. womep iv M Wsmes T | 13. Gmorenbere T üUmory'Verar M | EyrarsındaIm M eyzarıı9p9aı T | Nahrung mehr hat, erlöschen. So lange nun das Feuer vorhanden ist, bleibt auch das keimkräftige Prinzip der entwickelten Welt bestehen, mit der Vernichtung des Feuers ist jedoch zugleich jenes Prinzip vernichtet. Dies ist doch nun aber doppelt sündlich und frevelhaft, nicht blofs die Zerstörung der Welt zu behaupten, sondern auch ihre Wieder- geburt aufzuheben, als wenn Gott an dem Nichtsein einer geordneten Welt, an Unthä- tigkeit und allem Zweckwidrigen Freude finde. Jedoch dieser Punkt erfordert eine noch schärfere Beleuchtung in folgender Weise: Drei Arten Feuer giebt es, Kohle, Flamme, Helle. Kohle ist das in erdiger Substanz vorhandene Feuer, welches dieselbe ganz bis zu den äulsersten Enden als geistiger Zusammenhalt durchdringt und in ihr nistet und lauert. Flamme ist das mit dem Brennstoff in die Höhe Getriebene. Helle ist das von der Flamme Entsendete, welches die Augen bei der Wahrnehmung der sichtbaren Dinge unter- stützt. Eine Mittelstellung zwischen Helle und Kohle nimmt die Flamme ein. Denn nach dem Erlöschen geht sie in Kohle über, ist sie angefacht, so entwickelt sie ein Leuchten, das ohne Brennkraft zu besitzen, Strahlen wirft. Angenommen nun, die Welt werde während des Weltbrandes aufgelöst, so kann sie erstlich nicht Kohle werden, da dann eine grolse Menge erdigen Stoffes zurückbliebe, in welchem das Feuer eingeschlossen ist, und nach stoischer Lehre soll doch in jener Zeit keiner der übrigen Körper bestehen bleiben, sondern Erde, Wasser und Luft in reines Feuer aufgelöst sein. Aber auch Flamme kann die Welt nicht werden. Denn die Flamme ist eine Entzündung des Brenn- stoffs und wenn Alles vernichtet ist, so wird es ihr an Brennstoff fehlen und sie alsbald erlöschen. Daraus folgt nun, dals zu jener Zeit des Weltbrands auch keine Helle her- .) Ense a IE er Ueber die Unzerstörbarkeit des Weltalts 253 El m L \ \ \ ! 7 \ u > \ \ argarov mug dvansurIu. nal mv Ude bAoE: auma yag TgobNns ETTL, undeves de ’ 3 [4 ’ ni > [4 ’ a \ > e} x nararsıdIevros ATgEBNTaC« aurina amorerIyrera. Toutes Ereraı To und alyav > 2 > € \ \ [3 ’ > Yy em \ > \ a 4 droreieiinIaı: 2aI Eaurnv yag Umorrarıy our Eye, gel de @ro Tuv mOSTEgWV, 7 q ’ > joa \ > 4 \ \ > \ r mw \ IERN av gaxos za bAoyos, ad cv nev EAarrwv, MOAAM de Emo bAoyos, yelraı yag Em r Ei) 2 D5 e Ss RES \ \ E) ' > v a8: \ SEN MnRITTeV. EHEIWWV Ö, WS EdEIN,ON, KaTE TyVv ERTUgWTIW oUx ovrwv, oLd av auyM „ \ \ ec \ \ 59 4 \ SEAN ar al N yevorro: zul yap N MESnnepivn wor za JaScia aiyn, Tev Umo yAs AArov öponov [4 \ ” + Im > [4 > ’ > m e ‚ iovros, EÜIYUS abavıleraı vurri, za MaAIOTE ATEANVW. cu Tolvuv ERTUGEUFAL 0 200- ” 7 Y > > ’ ei > N ’ os, GAN Erw apSagros ed ERTUGWONTETEL, ErEgOS oUn Qu Yevoıro. \ , m N m m > ’ > v , \ do zaı TIves TWV Emo Ts Trods öEudepnenregov En TWOAACU DERTAWEVOL TOV E ’ y, N HtEH EI S n A , je) ar > Ba ETRUDEDSMEVOV EREYYV NEIWTav womep Tavarwırı nedahuy Moyonuara EUTgEMI- \ > EAN S E77 > \\ \ £)] ’ ! > \ mn , ler Iaı: a 0° oüdev Yv obeAos. Emeıdh Yag QaITIOy HIVNTEWS EITTL TO mug, RWATIs a ’ > ’ ’ > Yy ’ e m nr E] ea N dE YEVETEWS AOYH, yeverIaı Ö° Aveu AıunTews 6rioüv dduvaroy, EbaTav orı METE Tav Enmugwaw, ersıdav ö veos KoroS nErAN Önnoupyeio Tan, CUUr TÜV EV 70 müg 1. aune yag Fenumg B (nach der Parallelstelle de mundo p. 617, 6 Mang.) au« yag NT: M au yae veopt T | undevos de T umdevos yo M | 4. zur PAoyos, ab od nv &Acrruv, moAN Ö8 amd dAoyos, yeıraı T zur bAoyos Yzızaı M | 6. wor za: T morAnzN M | 9. zwes T zwos M | worro0 M uazgoo T | 10. Savaravrı (von erster Hand ist als wy Correetur * über v« geschrieben und dann wv wieder zu os geändert) M Savovnı T | zürge- migeoQaı M meoevrgemigesSar T | 12. yeverews T yeryoeus M | vorgebracht wird; denn diese hat keinen Bestand für sich, sondern entströmt den zuerst genannten, der Kohle und der Flamme, der Kohle in geringerem Maalse, in starkem aber der Flamme; denn diese verbreitet sich weithin. Da nun jene beiden, Kohle und Flamme, während des Weltbrandes, wie erwiesen worden, nicht vorhanden sind, so kann auch keine Helle entstehen. Schwindet doch die starke und durchdringende Tageshelle, wenn die Sonne ihren Lauf unter der Erde vollführt, gleich dahin in der Nacht, zumal einer mondlosen. Es findet demnach keine Verbrennung der Welt statt, sondern sie ist unzer- störbar; würde sie jedoch verbrennen, so könnte keine andere entstehen. Deshalb haben auch einige Anhänger der Stoa, welche mit schärferem Blick die heranziehende Widerlegung aus der Ferne gewahrten, ihrem gleichsam lebensmüden Lehr- satz Aufhilfe bereiten wollen; aber es blieb Alles vergeblich. Da nämlich das Feuer die Ursache der Bewegung, Bewegung aber der Anfang des Werdens und ohne Bewegung keinerlei Werden möglich ist, so behaupteten jene Stoiker, nach der Periode des Welt- brandes, wenn die Bildung der neuen Welt bevorstehe, erlösche das Feuer nicht in seiner Gesammtheit, sondern ein gewisser Theil desselben bleibe zurück; hiermit wollen sie sorglich verhüten, dafs, wenn das Feuer in allen seinen Theilen erlösche, das All in Ruhe und ohne Weltentwickelung verharren müsse, da ja die Ursache der Bewegung nicht mehr vorhanden ist. Dies sind jedoch nur Einfälle spitzfindiger Köpfe, welche gegen 18 10 18 Ba Ira, 10 254 Bernavs: Die unter Philon’s Werken stehende Schrift: ’ x ’ ’ m m e ' \ > eu oBewurar, Fon de Tıs aurov molga ÜmoAsirera Tavı Yag niraySyrav um ’ / [4 \ U e / ’ n m oßerIevros EdSgooV ueiwy Ta mavra Nouyaravra \bıanoounra, ToÜ 776 umTews 3 ’ v e }% x / m > m airiou nner Ovros. eugnaıAoyouvruv dE mAaouaTa Taur' EgTi nal Kara 716 aM- ’ FA ’ [77 \ ! er Ielas reyvaferuv. TI ÖMmors; oT Tov nomuov EnmugwIevra YevenIar Ev avIganı 7 r N 5 FagamAnTıcv duny,avov, WS dedeinra, Yewdous TOAANS avSuroAsibIeirns oürias 7 I \ nn ER a y > ’ ' ' E) denne To mug &Aoyav, ITus 0’ cn EnmupWgews TOTE ngaroVoys, Ei YE eve TO ‚ ‚ 7 n v Frory,siwv Bagirarov za Öusavaawrorarev Erı, YA un HaruSsira: meraldarreı Aualz, n N \ > =; 7 c 7 de m eis dAoya N Eis aüynv dvayaalov- eis uev dAcya, Ws wero KAcavOys, Eis Ö° ! e e ’ > Y \ 4 ’ \ ce auynv, ws 0 Xousimmos. AAN EiTE hAOE Yıeraı, Toumonewm Moos oßerw araf cün n > N / ’ / \ < v h nm \ Er WEgOUS ar aIgoa oler-Syrerar: Tuvurapyeı Yap 1 TOoBN' dio ToAANS Ev ” > VN \ 67 [2 \ 7 1 > u evons Emiöldwcı zul era, TUTTEeAAouevng dE Mercura. Terumgwaaro d° av Tıs E & eg \ r e / 2 DR v r ame av Tag Aulv To Yırousvov. 6 Auyvos EWS MEV TIS EACLOV agdeı, FEQLbEYYECTL- ’ r E \ 35 HR, ’ e/ m v ‚’ DENT, ru didurı dAcya: Emsidar 0° Emioyn, damavyras 60cv ns rgodns Asıbavov aürina \ ’ U m D E} \ \ nm > \ narenderSn, wunder MEgos TaMIEUFaMEVos TS DAoyos. Ei de um ToUTo, EAN alyn ’ > ’ ec 2. nein M ueom T | 3. sugnownoyouvruv M eigeriroyovvrw T | 7. Övoavarurorerov . . .- Ye A - N (mit der wieder gelöschten Correetur dvravarurarov) M duravanırarov T | 9. ena& our ’ ae ’ u > ’ 3a ’ D Er Wegous @AA aIg0« T aneg oir &x negovs ara Auge M | 10. suvureoge: T SUvuraayMm M| 1l. auorerronzong M oredrouEunS 2 12. Zws mev M ws ev T | 13. dröwrı M drodtdweı Fl! die Wahrheit ihre Künste aufbieten. Weshalb? Weil, wie gezeigt ist, die Welt nach ihrer Verbrennung unmöglich kohlenähnlich werden kann, da ja alsdann eine massenhafte erdige Substanz, in welcher das Feuer lauert, an ihrer Stelle zurückbliebe und wohl von keinem Herrschen des Weltbrandes dann die Rede sein kann, wenn der schwerste und unlöslichste aller Stoffe, die Erde, noch unaufgelöst bleibt. Notlwendig mülste vielmehr die Welt in Flamme oder in Helle übergehen; Kleanthes meinte in Flamme, Chrysippos in Helle. Allein sei es nun, dafs sie Flamme wird, so würde diese, wenn sie sich ein- mal zum Erlöschen neigt, nicht theilweise, sondern gänzlich erlöschen; denn der Brenn- stoff ist von ihrem Dasein unzertrennlich; ist daher dieser reichlich vorhanden, so wächst und verbreitet sich die Flamme, nimmt er ab, so vermindert sie sich. Von den Vor- gängen unseres täglichen Lebens kann man auf das beim Weltbrand Geschehende schliefsen. Die Lampe giebt, so lange Jemand Oel aufgielst, eine sehr helle Flamme; hält er inne, so ist sie, nachdem sie jeden Rest von Brennstoff aufgezehrt, alsbald erloschen, ohne die mindeste Spur von Flamme aufzubewahren. — Wird aber die Welt nicht Flamme, son- dern Helle, so trifft ebenfalls der Uebergang zur Vernichtung alle Theile. Weshalb? Weil die Helle keinen Bestand aus sich selbst hat, sondern von der Flamme erzeugt wird und wenn diese ein gänzliches Erlöschen erfährt, so mufs auch die Helle nicht theilweise sondern in allen Theilen vernichtet werden. Denn wie Flamme zu Brennstoff, 506 Ueber die Unzerstörbarkeit des Weltalls 2355 yıvarar, Farıv aIgca neraßarrsı. dia Ti; orı Umeorarıy idiav oün Eyyei, Yevvaraı Eu BAoyas, ns orns di orwv erw Aaußavsurns, avayın za AV adyav u nar« uegos AAN dIgoav dvampeioIaı. 0 yüp moes rpopnv BACH, roüro alyn moös prAoya- nagarep oUv rgoHn Fuvavamgeiraı PAcH, xal auyy dAoyı. Wer dunyavov marıyyeveriav Tov nonmov Aafelv, undevös Evrupouevou GrEguaTıRoÜ Acyov, MavTuV d8 damanIevrwv, Tuv MeV aAAwv Umo mugos, aurov Ö’ üm' Evdeias. EE ww Earı ÖnAcv, orı @yevyros nal ab Sagros uv dıareiei. bege Ö° iv, ws dnaw 6 Xousımmes, 70 Warraysmrav Tyv dtancrunsıv eis auTo FÜR TeU MeAAovros amorereisIc HOOUCU TrEgua Eivar nal Wr Em’ aurw wedircaehyne under EbeurSar, mowWrov us erı zal ix FmEegMaTOS 7 YEvETIS 208 Eis Freu 4 dvaAucıs, emeıra Ö’ orı burioAoysisa 6 zomuss nal durıs Aoyızy, 0 mivov Eunbuyos wv dAAk al voeges mocs de zul Boavılıcs, &4 TOUTWV ToUvavriov od Bovrsrar narannsvalerau, To umderore PIapyrenSu. ai de mirteis mooyeıgOo- Taraı rois Ouveferalew un dmenvevaw. oUncdv 6 xoruos 7 BUTO Eonev 1 lww. EAN site durov Eorw eire nal CWov, mare zyv Enmugwow PIapeis oÜderere autos e m 2 ’ m \ \ Ev 2 Al Y, auTov yernreraı TTEQUa. UaQTUgEL de ru mag Hmiv, Wv cüdev cUxr EAarrov oV 1. yevvarcı T yevv@ re M | 4. suveverpeirer T suvavngeiro (n von erster Hand aus .. ’ ’ y « geändert) M | 5. Zvruponzvov M Evrupwnzvov T | 8. dnsw co M du T | 11. avarısıs T avarusıs M | 14. Cuw T Süov M | so verhält sich Helle zu Flamme. Wie demnach die Flamme zugleich mit dem Brenn- stoff, so wird die Helle zugleich mit der Flamme vernichtet. Mithin ist es unmöglich, dafs die Welt eine Wiedergeburt erfahre, da kein keimkräftiges Prinzip in ihr fortglimmt, vielmehr Alles aufgezehrt worden, die übrigen Stoffe durch das Feuer, das Feuer selbst aber durch Mangel an Nahrung. Hiernach ist es erwiesen, dafs die Welt als eine un- gewordene und unzerstörbare ewig besteht. Angenommen jedoch, Chrysippos’ Behauptung wäre richtig, dals das Feuer, wel- ches die entwickelte Welt in sich aufgenommen, der Saame der zukünftig entstehenden Welt sei, und keine seiner hierauf bezüglichen Lehren wäre falsch, erstlich diese, dals wie die Geburt aus Saamen so auch die Auflösung in Saamen erfolge, ferner der natur- philosophische Satz, dals die Welt sogar ein vernünftiges Wesen sei, nicht blofs beseelt, sondern auch denkend und auch noch verständig: so ergiebt sich aus diesen Sätzen das Gegentheil von dem was Chrysippos beabsichtigt; es ergiebt sich nämlich, dals die Welt niemals zerstört werden wird. Die Beweise liegen auf der Hand für diejenigen, welche mitzuforschen geneist sind. [Wenn nämlich von Saamen geredet werden soll], so muls die Welt entweder einer Pflanze oder einem Thiere gleichen. Jedoch sei sie Pflanze oder auch Thier, so wird sie nach ihrer Zerstörung durch den Weltbrand niemals ihr 19 10 15 19 ER RN 10 256 Bernavs: Die unter Philon’s Werken stehende Schrift: nt Q \ > ’ > IS ’ E} 8 2 x e [4 : Heigov more bIapev Eis OMEgMUTOS Amenpiom YEvegw. cry, öpes oTaı Ev Auepwv Er =. eu ae , \ Er ’ m m ’ 4 64 vrov DAaı, oraı dt dypiuv Kate Tüv MEIOS TYS YAS dvareyuvraı; Tourwv rav devdpwv (UVTaL; 0 / ” \ e 4 \ U J m m \ v EHAFTOV, AL EV Üyıalveı TO TEENS, LU TW HUOTW HU To OYEUMa TIRTE : % > 7 \ 2 \ Gray EEE \ ’ \ / unneı 8 ygwvwv dpavavdev zu aAAws aurais pilas dIapev oVderore ryv dvadusıv > ’ Y \ ’ / \ \ B m ’ \ x > En Eis OEgIU eraldev. rov aurev mevra Toomov nal Te Yen Tuv Qwwv, @ umde eimelv \ Ey ee E72 x ’ BDER n ’ , / ’ die mANSes Sardıov, @Xge EV MEgIETTI za nda, FrEgMa Mooieraı 'yoyıdov, TEAEUTN- & de m ’d a2 [4 ’ \ \ 5 Y m \ Tavra cuduug oldauws yiveraı smegua. nal yap eundes, avgwmeov Öüvra EU N ’ m A n / \ \ ner \ x oydaw Megeı Yuyds, 0 zaAeiraı yovınov, mgos AV ToU Omoov omogav YoyaIau, 4 N .c/ {2 m Ü \ Yy m r E] m TEAeUTYTavTa de 0AW Eaurw‘ Iavaros yap ourı Qwns dvumınwrepos. AAAUS TE TWV E Na r , m ar n > m ’ \ ovrWv oUdev Er Movov Gmeguaros Öiya Ts olneius TgodNs dmorsleiran omegua Yap „ n KORR EN nv \ \ 5 y \ 2 Eoınev doyM, daxm de za auryv o0 reAsıoyevei. u Yap au vomiTys, Tov OTAYUV > / x ’ EN > = \ Ba ’ x \ &n Movcu Tod naralAnSevros Umo YEwpYwVv EIS Tas dpovpas BAarravev mugoü‘ To \" m > 7 >» m Er ce r > r \ FR t ÖE mAdistov eis aufysw aüra Fuvepyeiv Üypav re naı Engav, dirsyv Eu yns raodv. \ \ > / ’ I ’ > [4 m ! zal Ta Ev JaNTgaıs MevTo ÖLamAuTTouEv« MEbUHEV Un En Mevou Qweoyoveinar TrEg- 16 Nlazauv IF Nlazga M | 3. z0 OYEUAG BrW Oyımmace M =o OyYnıace T| 4. abevanSev nach Mangey’s Vermuthung B ab avSev (sic) M dbavısSev T | 9. rersumsevre de 0Ru T rereurgsav de 0%ov M | ourı &uns M Eums ovrı T| 11. «um M zauryv T | 13. aurw B aurav Tm | eigener Saame werden können. Dafür zeugen die Dinge unserer jetzigen Welt, von denen Keines, sei es klein oder grols, nach seiner Zerstörung je zur Erzeugung von Saamen übergeht. Siehst Du nicht, wie viele Wälder von veredelten und wilden Pflanzen über jeglichen Theil der Erde verbreitet sind? Jeder dieser Bäume erzeugt, so lange der Stamm gesund bleibt, mit der Frucht zugleich das Befruchtungsmittel; ist er durch die Länge der Zeit vertrocknet oder sonst mit den Wurzeln zerstört, so erfährt er niemals eine Auf- lösung in Saamen. In gleicher Weise entlassen alle Thierarten, deren Aufzählung schon durch ihre Menge erschwert wird, so lange sie leben und jugendkräftig sind, zeugungs- fähigen Saamen; nach ihrem Tode jedoch werden sie nimmermehr zu Saamen. Wäre es doch thöricht, dafs der Mensch bei Lebzeiten sich nur des achten Theils seiner Seele, welcher [bei den Stoikern] Zeugungskraft heilst, zur Hervorbringung von Seinesgleichen bedienen sollte, nach dem Tode hingegen seines ganzen Selbsts; der Tod ist ja keines- wegs wirkungsfähiger als das Leben. — Ferner erreicht kein Wesen mittels des Saamens allein, ohne die passende Nahrung, seine Vollkommenheit; denn der Saame gleicht dem Anfang, der Anfang aber erzeugt nichts Vollendetes. Glaube nur nicht, dafs die Aehre allein aus dem Weizenkorn, welches die Bauern in die Aecker streuen, hervorsprielse, vielmehr glaube, dafs die doppelte, feuchte und trockene, Nahrung, welche aus der Erde kommt, das Meiste dazu beitrage. Die Wesen wiederum, welche in der Gebärmutter sich entwickeln, empfangen naturgemäls ihr Leben nicht durch den Saamen allein, sondern De Ueber die Unzerstörbarkeit des Weltalls 257 Mares, dA nal rs EEwSev dpdeuevns Tgodis, Av % xlousa moonhegeran Moos On Ti radra Ayw; orı zara riv Enmipwsw Omega, Movov ÜmeAaubIngera, Tgobns un Ümapyourns, aravruv ova Tgebew Emeirev eis müp dvaauSevrwv, ws” 5 nara Fnv maAıyyeveriav Amorshouusvos KoTWos Ywayy zal Arery yeverıy Eeı, TOO Ma- Aura Moss Teieiwsw Suvepyouuros, 7 naIamep Barrow Fıvı auV Treguarınnv aayımı Edıdgver Ta suußeßyzev, Eb-Iaguevev. Foüro Ö’ Av aromov, EE aürns EAEYyY,olLevov TNS Evapyeias. Erı Teivuv era Aaufßava Av yeverıy Ex DMEWATOS, MEILova Tov Oyacv Eori TOD mememneres nal &v vomw neigen Sewgeiran devögu yoıv oüpavoumum ToA- Aazıs avalßranravaı in Roayyrarıs ney) ar ner, arıs Va AOTUVEL EL PRKUTATNS REYKGSV ra la TIOTATA Aa TEQIUNAETTATE ji 32/7 Sage SL . S > \ \ \ Er ı > , ß , 507 EE oALyou TU MOGETEVTOS Vygov. ara za To Mingu mooTEgoVv Eigyuevov TuuMaıven, \ \ \ n Es „ ! ’ \ , & KATa WEV ToVv YEITYIWVTL mn YEVETEI Xgavov Roayireoa Ta YEUVUNDEUTR EIVal, MEYE- ’ Q > ”Q 5 ns ' SEN \ m \ ’ > Suvscd [047 r) auZıs axggı TUVTEAOUS TEAELWTEWS. EL de TOU TUAVTOS YEVNTETAL TOU- ‚ \ \ \ r \ wm y \ , ’ »,!/5 \oND > vayTıov. TO JUEV Yag TTEQAL Aal teikov ETTAL AU TAÄEOVE TOTOV EbEZEL To P) aAms- f ‚ ” vo an m [2 PT: It ‚ TEAETUA Roayurepor zur Ev EAaTToVIL daveara To mW, zu 0 KOTIAoS &x TWEOATES ‚ > > m EN; > /} \ E77 > >» 3 ER] GWVITrausves cÜR En TOD nur Oodıyov Emiöweeı mgss aufnsw, AAX Eeumarıy EZ 0yRoU 1.90 Tv nv M | A. Yan Toy, Ayo (sie) M | 5. u Ts M| 6. Epiögd T zpußgerSur M | aürns T &avsos M | 7. evagysi@s nach Mangey’s Vermuthung B £veg- yeins Tm | 11. rev yarıımıra T yervızvre M | 13. &pe&a T ip M | auch durch die von auflsen herzugeleitete Nahrung, welche die Schwangere genielst. Wes- halb führe ich dies nun an? Weil während des Weltbrandes allein Saamen zurückbleiben und keine Nahrung vorhanden sein wird, indem alles zur Ernährung Taugliche in Feuer aufgelöst worden, so dafs die bei der Wiedergeburt entstehende Welt ein verkrüppeltes und unvollendetes Dasein haben würde, da das am meisten zur Vollendung Beitragende, auf welches, wie auf einen Stab, sich der saamenartige Anfang zu stützen hat, zerstört ist. Dieses wäre aber ungereimt und durch den blofsen Augenschein widerlegt. Ferner, alle Dinge, die aus Saamen entstehen, sind von gröfserem Umfange als der sie hervor- bringende Saame und ihre Erscheinung füllt einen gröfseren Raum aus; wachsen doch himmelhohe Bäume oft aus dem winzigsten Körnchen empor und die dieksten und längsten Thiere aus wenigem ausgespritztem Nals. Aufserdem zeigt sich bei den aus Saamen ent- stehenden Dingen das kurz vorhin [S. 246,3] erwähnte Gesetz, dals die Geborenen in dem der Geburt benachbarten Zeitraum kleiner sind und dann bis zur vollständigen Reife grölser werden. Bei dem All würde nun aber das Gegentheil hiervon stattfinden; der Saame würde grölser sein und mehr Raum einnehmen, das vollendete Gebilde würde kleiner sein und in seiner Erscheinung weniger Raum ausfüllen; und die aus dem Saamen entstehende Welt würde nicht aus Kleinem allmählich bis zum Grofswerden zunehmen, sondern umgekehrt aus grölserem Umfang zu kleinerem zusammengedrängt werden. Die Philos.-histor. Kl. 1876. 33 10 15 10 258 Bernays: Die unter Philon’s Werken stehende Schrift: ’ > EN 2 \ \ ’ N w 72 v Mellovos Eis EAarTova TUvamgeInTeran. To ÖE Acıyouevov Bedıov Fuvidev- arav TOu« ’ 3 n / ’ \ m 2 \ En m \ dvamvonevov Eis MUR dıarverai re nal Yelra, oßevvuuevns de TAs Ev aürw bAoyos , \ 4 , \ m ’ FTEAETRL nal Tuvayeraı" TITTEWV de TOls oUTws Eubavenı moös Kagrugiav ws 2 / I) ’ 2 \ \ €, 7 e SEN / 7 au dönAoumevcs oüdeniu ygeie. na My 6 noomos 6 mugwSeis yevywera Aeilwv, are r m e) 7 > \ ’ E) 3 > ’ 72 m Lv CUUTAaONS TA oUTIas Eis Tov AETTOTaTov AvaAudeions anSegu ‘ ° nor doxoünı nal R ’ \ „ \ m ’ n ’ m > ci Orwina mgoLdoLLEVOL nEvov amEıgoV ERTOS TOU HoTMoUv TW Aoyw naralımev, W ‚ ’ r 07 r n ERS, r , \ EmeIN Yusıv amegavrov rıva euere Anbertar u amopn rou de£omevou Kwpiou FrV 7 er \ C 5, m 7 R n Avaya. DTE MEv oVv Eis ToToUTov Emidedwre nal cuvnuEyra ws jovovouyı TN ‚ n n 7 n v ’ ’ R) 2 4 dopısru ToU xEVoV DUTE TW TNS EAuTEwWs dreinoneyegei Fuvöganelv, TTEIUATOS EXEL N ’ a N \ \ 7. > 7 n u Kal ToUTo Aoyav, OTE ÖE Kara TYV marıyyeveriav En TEeAeiwv TÜV MegWv TS TUM- N) a ’ \ „A \ ’ Er \ \ TONER ee 2.25 TTERAOMEVOU EV KATa TYV oerıv reü mugos EIS TFOXUV ’ \ ’ SE Re 7 ’ NO] n aega, GrEeAAcuEVOU de degos eis Vowo zal Tuvilovros, Mayuvonsvov Ö° Erı MaAAov 7 \ \ > a7 ‘ ! 27 IA ’ Y \ 7 Vdaros ara TyV Eis YA, TO TUNVOTETOV TWV OToryEiwv, ueraldoryv. Errı de Taura \ \ \ 3 2 m & ! D S ’ 3 ’ Q Fapa Tas HOWUS EVVolas TWV OUVAMEVWV AHoAoUTIaV FOAYAATOS EnAoyiler Sau. T- FuvangeIysera 7 FuvavaıpeIncerc I 2% dierverei B dvarvereı Im zz zaı Kerze M za area T | 3. mistewv T mısrzov M | oörws T oo M | 6. mgoıdonevor M mgosıdo- nevo T| 7. amoen T Amogew M|®. re uev T Or nv M | jKovovouy M 1Hovovouy.L PN T:| 9. erdseus T 2A mit freiem Raum nach & M | dreigousyeSs: M arsızm neyeSs T | 10. #0 rolro M zur auroüs T | 2x reAsıwv M und Turnebus. &#re%% 7 | 11. ovsıas .... greAdo- I ’ nn U . * . nevov T oisies Frerromevov (ohne Anzeichen einer Lücke) M | Wahrheit dieses Satzes ist leicht einzusehen. Jeder in Feuer aufgehende Körper geht aus einander und dehnt sich aus; erlischt die Flamme in ihm, so schrumpft er ein und zieht sich zusammen. So Augenscheinliches braucht nicht erst, als wenn es dunkel wäre, durch Beweise bewährt zu werden. Hiernach würde also auch die in Feuer aufgegan- gene Welt gröfser werden, da die gesammte Substanz in die dünnste Feuerluft aufgelöst worden. Dies vorsichtig bedenkend scheinen mir auch die Stoiker in ihrer Theorie das Dasein einer unendlichen Leere aufserhalb der Welt angenommen zu haben, damit der Welt, die ja im Weltbrand eine unermefsliche Ausdehnung erfahren muls, nicht der diese Ausdehnung aufnehmende Raum fehle. Nun soll also, wenn im Weltbrand die Zunahme und das Wachsen so gestiegen ist, dals es durch die Unermefslichkeit der Dehnung bei- nahe dem schrankenlosen Wesen des Leeren gleichkommt, dies immer noch für Saamen gelten; wenn dagegen zur Zeit der Wiedergeburt die Welt aus den vollkommenen Theilen der Substanz [besteht, so soll sie auf einen viel geringeren Raum beschränkt sein, was noth- wendig sich ergiebt], da ja das Feuer beim Erlöschen zu dicker Luft einschrumpft, die Luft wiederum zu Wasser einschrumpft und sich niederschlägt und das Wasser bei seinem Uebergang in Erde, den dichtesten aller Stoffe, sieh noch mehr verdickt. Dergleichen widerstreitet den gemeinen Verstandesbegriffen aller derer, welche ein gegenseitiges Sach- verhältnifs richtig zu erwägen fähig sind. a 508 Ueber die Unzerstörbarkeit des Weltalls 259 , 1 m ’ 2 # 0) B A \ \ diy,a Tolwuv Tov eionuevwv Rareivw xonsam’ av TIs Els MITTW, 0 nal ToUs \ 7 7 ’ m ’ ! - m Wi an TEg« ToV ergiov duAoveizeiv aigoumevous EMITTACETR. Ta Ev Tais auluylaus £) , e 7 \ N 64 \ \ 7 m \ El anal, \ / Evavriwv dunyavov To MEv Eva, To OE uM- Acunol ag ovTos Avaya nal EAaV r \ ' \ x nm, ’ \ L Ürapyeı, za MEYAAOU Roay; Kal TEgITToU agrıov Hal YAuneos Tıngov zal NAegas , 2] 7 e ! D 025 ’ ’ VUHT« Kal 00a TouTols OMOLOTIET«. YEVOWEUNS d ErTUQWTEWS dduvarıv TI TUM- I \ \ \ ef e r m > m \ cd E Byreraı- ro ev yap Erepgov Umapfer rav Ev Tais Fuluyiaıs, To de Eregov ou Errau. ’ N F G 5 / nd [4 > dege de oUrwoi TeaswueSa. Tayruv Eis mUg avaAudevruv noüdev MeV ori Tı nei \ \ ’ EIN \ \ En \ \ \ \ \ 2 \ avov zaı Seguov: idia yap mupös ravra: apu 8’ oüdtv 4 munvöv 4 Luxor, Ta m mn > , m nu Y n \ ’ > m Tois Asy,Yeloıv Evavrıa. WS ouv av Tıs ETIYATaL MAAAOV TNV TWERÄEYWEINMV Er TNS 2 > 7 N \ z ‚ \ 6 TVQWTEWS anoguiay 7 Ta DUTE FUVURROX,OVTa deizvus AMagTWeva 795 uluyias; > 4 N [4 € 27 \ 3 1} mw Ey no aAAoTawaıs EMI TOTOUTOV KEWWONKEV WS TEIS JAEV Audıoryra mgoToWMoAoyYELV Tols \ \ ’ de To dvumapnrov. E)] 2 > n 1 m \ Sr 23 m > nn e) \ kn Er ToWwuv Aanelve Mor doxel UN AWO OHOToU TOIS IYUNAaTOUTI TarNSES eıpn- Q Q ! e ’ E73 e ’ er} 4 u \oe \ & mn aa. BIEINSWEVoS 0 KoTuos nrar ÜMo TWos Eregas bIapnrerau arıas N ÜMO TEL. BT \ Fi \ \ ’ I5 „ ERS gs) Aa \ ‚ Um aAAou Ev oUdevos TO TADaTaV defera dlaAur" cudev Yag Eorrıv 0 um MEQIEXEL 1. rous T zoc M | 2. mg M megaev es: 1dıc yag T iöı« M | 7 rızvov (von erster Hand aus =ızg0v geändert) Di Luygov Mr Vuygeov n murvov T| 9. emıyyraer M Emoynra die Parallelstelle de mundo p. 617. &rirya T | 11. arrergiwsıs T @rrurgiwsıs M | Aufser den angeführten kann man noch folgendes Beweisverfahren anwenden, welches die nicht über Gebühr Reehthaberischen gewinnen muls. Von den paarweise verknüpften Gegensätzen kann unmöglich der eine sein, während der andere nicht ist; wenn Weils da ist, so mufs es auch Schwarz geben, wenn Grofs auch Klein, wenn Un- gerade auch Gerade, wenn Süfs auch Bitter, wenn Tag auch Nacht, und was dergleichen mehr. Beim Eintreten des Weltbrandes wird nun aber das Unmögliche sich ergeben; der eine der paarweise verknüpften Gegensätze wird vorhanden sein, der andere wird nicht sein. Betrachten wir es folgendermaalsen: wenn Alles in Feuer aufgelöst worden, wird es zwar ein Leichtes, Lockeres und Heilses geben, denn diese Eigenschaften besitzt das Feuer, Schweres jedoch oder Dichtes oder Kaltes, die den genannten entgegenstehen, wird es gar nicht geben. Wie kann man nun die durch den Weltbrand angezettelte Un- ordnung deutlicher [vorhalten,] als indem man zeigt, dafs die von Natur unzertrennlichen Verhältnisse aus ihrer paarweisen Verknüpfung losgelöst werden? und zwar soll die Ent- fremdung so weit gehen, dafs der einen Reihe Ewigkeit, der anderen Nichtsein zuge- schrieben wird. Auch folgender Beweis noch scheint mir von den Nachspürern der Wahrheit nicht untriftig vorgebrackt zu sein: Wird die Welt zerstört, so muls sie entweder durch eine andere Ursache oder durch Gott zerstört werden. Nun wird sie durch etwas Anderes 35* 20 10 15 20 21 10 260 Bernavs: Die unter Philon’s Werken stehende Schrift: \ &8 EN. \ ’ E) 3 U a n 2a ET Gr TO de megIENcMEvoVv nal Mparouuevov ÜOIEVETTEegov Öymou TOD TEpIEXovros Üb’ ou w e \ \ mn ’ [4 \ U E ’ nal narangareirau. Üms oe Teod bIegen Da Asyem auTov, mavruy dvarınrarov: ö \ \ e) ’ \ 2 \ m > N ’ yag Ieos cur arafies nal anormias nal PIopas, AAAa rafews nal eunoruias nal > \ \ 7 > ’ n EauR AR: \ m > IaaJ 1 Cwns nal mavros arıos dvwmoroynru ToÜ dgırau Tage rois a7 dofaloumı. Ü „ \ \ E) ! \ , Er Savnarcı 6° av Tıs ToUs Tas Enmugwreis na maAıyyeverias IgUAoUVTaS > I oJ 67 > ’ u E) ’ m \ \ 59 oÜ Movov Ever TWv Elpnuevwv, ols AMEAEYKovTa Weudodokoüvres aAAd zal di’ Eneivo ’ ! \ y ” > Ku ’ 2 m ce MadıTTra. TErTaguy Yap ovrwv Granyswv, E£ WV 6 HOOWOS TUVErTyREV, YAS Vdaros 7} / ’ eu + 4 \ 27 Y > 67 diegos WUDOS, TIVOS Evera MaAvTWV AmoRANpWoaNLEVvOL To muB, TAAAQa busiv EIS TOLTO ‚ E) SH Q Nr U „7 Y m > > EV Ad Ds m Movov dvaAuoysenTar; dev Yag, zima Ts av, MUS Ur Eis dega 9 Uowe n yn; e / \ N I SL U > m a reg larcvraı ya nal Ev Teurois EiTi Öuvaneıs. AAN oüdels EEaegoun Yu 9 EEuda- ee EN) v \ ‚ oJ 22 DEN De. Naru9) m r roüstaı A dmoyssustaı Tev nowuov eimev, WET Eikcs nv umde Ennupoürda davan. \ ’ \ \ > ’ > , m ’ ’ \ Ken MEvroı nal TA Evumapyourav irovomıav TW HOTUW naravoyravras 1 & ENT ARERN I v n N ’ r ’ deiraı 7 wider INvaı Foncurou Deoü Karnyogeiv DIavaTov. UrepQarrcura yap Tıs 4. mag Ti eg M | @ayn M ra ann T| 8. eveza M Evezev T | 9. avarıy- serSc: von erster Hand aus avarvsyserSoi corrigirt M | 11. ande T anv & M | 12.9 deioaı T eiönsaı M | 13. Seo nach Mangey’s Vermuthung B Ssiov Tm | nimmermehr Auflösung erfahren können; denn es giebt nichts, das nicht in ihr einge- schlossen wäre; das Umschlossene und Festgehaltene ist aber doch wohl schwächer als das Umschliefsende, von dem es ja auch bemeistert wird. Durch Gott wiederum die Welt zerstört werden lassen, ist die allerruchloseste Behauptung. Denn Gott ist als Ur- beber nieht der Regellosigkeit, der Unordnung und der Zerstörung, sondern der Regel, der festen Ordnung, des Lebens und jedes höchsten Gutes von allen richtig Denkenden anerkannt. Wundern möchte man sich jedoch über diejenigen, welche stets die Weltbrände und Wiedergeburten im Munde führen, nicht blofs wegen der angeführten Gründe, durch die sie des Irrthums überwiesen werden, sondern zumeist auch aus folgendem Grunde: da es nämlich vier Elemente giebt, aus denen die Welt besteht, Erde, Wasser, Luft, Feuer, weshalb wählen sie aus allen das Feuer und behaupten, in dieses allein mülsten alle übrigen aufgelöst werden? Denn zugegeben, könnte Jemand einwenden, dafs eine Auf- lösung überhaupt stattfinden müsse, weshalb soll sie nicht in Luft oder in Wasser oder in Erde erfolgen? überschwängliche Kräfte sind doch auch in diesen vorhanden. Dennoch hat nie Jemand behauptet, die Welt werde zu Luft verflüchtigt, oder zu Wasser ver- schwemmt oder zu Erde verhärtet; billigerweise hätte nun auch Niemand behaupten sol- len, sie flamme in Feuer auf. Aufserdem mufs bei Erwägung der in der Welt geltenden Gleichberechtigung der Elemente Furcht oder Ehrfurcht es verbieten, von einer so grolsen Gottheit Tod auszu- N S Deber die Unzerstörbarkeit des Weltalls 361 509 m ’ ’ F ! ’ \ ’ eu TWV TETTaGWV AVTERTITIE duvanewv, IToryres zavorı zul dinworuvns ogeıs FraSuw- ’ \ > 4 ’ \ DE N, & PS > 4 33.1 MEvWv Tas ducıußas. naSameg yap a. ern wg. aunhov ausıovsw arımAas [} > 57 N/ ’ ’ > \ \ ävrimapadey,oisevau moes Tas Eviaurwv oüderore Anyovrwv megrodous, Eis ToVv aurev \ w m [4 m > El 59 \ Tocmov, buei, Aal Ta FTaYEIe TOoV HoTuou Tas Eis aAANAa MeraDoAuis, TO Tapı- ’ v 2 ' Su \ \ EN N doforarov, Suyazeiv doxoüvra aYavarilera, doArysrovra dei za Tmv aurmv Odev , r m ” x N ’ en\ EN - E] dvw zul XarW TUVey,Ws ausıdovra. N Ev oUv TgoTavrns odos dmo is AIyErau' \ E) e/ ! \ ’ x EISEN 3 ‚ TnrouEm Yag eis wg neraraußaver mv meraßeormv, ro 6 udwp EEarmılomevov ’ e \ ’ > m ea ’ \ S ; £is deoc, 6 ang AETTUVOUEVOS EIS mu. M de zaravıns Amo nebaAns, Guvikovros N \ \ \ U > ’ ’ Se. Hr , a: Sn EV WUgOS nara TnV oßerıw eis aepe, auvılovros Ö’ more Srrßorro eis Üdwe @egos, [77 \ nn m > ! x \ > 23 ’ A. ’ Eu \ e Üdaros de TN TEAAN AvaxuTeı Kara TNY EIS YNy TURVOUMEVoU neraßernv. EU za 0 r =, c ec m ' IN u cl Ü n ’ "Hoazacıros ev ois bncı Luyas Gavaros vowp yevertaı, Vdaros Iavaros yAv YEve- \ \ „r a \ n \ \ >’ < \ ! IN 09a buy YaQ OIOMEVOS EIVAL TO MVEUAa TWV EV dEDOS TEAEUTNV YEvECLV Vdaros, 2. @AAmAus durımagadsyonsveı nach Mangey’s Vermuthung B arryraıs avrıraga- deysrSeı Tm | 3. mgos as T meös roos M | 4. due B Sys: M und Turnebus. riSero nach Mangey’s Vermuthung T | 5. «Savarıgereı M araSavarızeru T | 6. ausıßovre T ano@ovr« M u S2:@aro M swSrRßar T | ‚10. #n zorAn dvayyreı B z0v rorMv ava- yyaw Tm | muzvounzvou T muzvouneumv M IE huyns Severos Turnebus. Yuyys Savarov Tm | vSaros Savaros M bares Savarov T | 12. oionsvos] die sechs ersten Buchstaben von erster Hand auf Rasur M | sagen. Es besteht nämlich die strengste gegenseitige Verbindlichkeit unter jenen vier Kräften, die nach den Regeln der Gleichheit und den Bestimmungen der Gerechtigkeit ihre Abfolge bemessen. Denn wie die Jahreszeiten im Kreise wandeln und sich ein- ander ablösen, damit die Umläufe der unaufhörlichen Jahresreihen sich vollenden, gleicher- weise, heifst es, erlangen auch die Grundstoffe der Welt durch. ihre Uebergänge in ein- ander auf die überraschendste Art während sie zu sterben scheinen, vielmehr die Unsterb- lichkeit, indem sie immerdar einen Doppellauf vollführen und denselben Weg aufwärts und abwärts unablässig wandeln. Der Weg aufwärts nimmt seinen Ausgangspunkt von der Erde; indem diese nämlich zerflielst, erfährt sie eine Verwandlung in Wasser, das Wasser wiederum, indem es verdunstet, verwandelt sich in Luft, die Luft aber, indem sie verdünnt wird, verwandelt sich in Feuer. Der Weg abwärts nimmt seinen Ausgangs- punkt von der obersten Spitze, indem das Feuer beim Erlöschen sich zu Luft nieder- schlägt, die Luft, wenn sie gepre[st wird, sich zu Wasser niederschlägt, das Wasser aber in Folge seiner Ergiefsung über weite Strecken sich im Uebergang zu Erde verdichtet. Richtig hat dies auch Herakleitos (Fr. 68 Bywater) getroffen in seinem Ausspruch: ‘Der Seele Tod ist Wasser zu werden, des Wassers Tod Erde zu werden. Da er näm- lich den Hauch für die Seele hält, so meint er mit jenen räthselhaften Worten, dafs das Vergehen der Luft mit dem Entstehen des Wassers und wiederum das Vergehen des 10 ir. 22 10 22 262 Bernays: Die unter Philon’s Werken stehende Schrift: \ Von m ’ ’ RZ, r > \ 3 “u > ’ ru de Üdaros yAs ma Yevesıy awırrera, Javaroy oÜ TA Eis amay dvaipenı ’ \ \ > e/ 6 ’ U \ Er övonalwv, @AAa Tv Eis ETEgOV TToryerov neraßorn. dragaßarou N nal Guvey,oüs = 5) ae 7 7 \ r E) SEN 2 \ Ts auroRgaToUs iTovonias TaUTNS dei BUAaTToUEVNG, WITED oÜR Einos Movov AA x E 67 > x \ N Y x K > Y ’ Y , zal avaynalov, EmEI To EV avırov adızov, TO Ö dAdızov zaxias Eyyovov, zania Ö 5 7 n > ‚ 2 w 2 ‚ < 2 RER EE oinou Ns dlavanıas mebuyddsura, Selov de TI TEMEVOS 6 HoTMos Kal oinos 2 > ‚ \ \ 7 < \ ‚ a \ Seov aieIyruv drodedınra, To M dasasır orı bIeipera um auvopwWyrwv Edel € \ \ U ‚ direws eipuov nal mgaYMaruv TuvnprmueErmV aroAsudiav. m r n >’ e ’ \ / 5% moOShIAOTENvouvTEs de TIves rWv dıdıov iroraußavovruv Tov ROTWOV EIvAaL ’ \ \ SH, rn m , I 7 \ nal TOLUTW MOOS Haranzeugv Aoyy Yowvraı bIopus Terragas Eva TEOmOUS TOoUs r D r v ‚ \ \ a avwrarw auuldeßnzev, mgos Ten Gbamerw Meraderw dAAcıwow. Öuas ev ou ’ / > G ’ ’ ’ 4 \ ’ moon Iere Hovadcs eis rgiada pIsigera umnerı Mevovoa Övas, Tergas 0’ adapeneı r > / ’ \ \ a m Sr AS: \ m e \ N > \ = / m magaAAmAcı mgos öpDas Ötavarrasıy, A de moos öpYas Emeleuyuern mAaysan Fein“ r \ ee > ’ \ r n EN n \ auvarly Tas mag Enarepa, rar’ aAAoıwaw de neraßarAwv owos Eis ogos. ruWv de 1. aivirreree]) das dritte r von erster Hand auf einer gröfseren Rasur M | 2. ar«- g«@crov nach Mangey’s (addend. p. 688) Vermuthung B «rsaPryrov M arasaßryrou T | 5. rzusvos B weysSos Tm | 6. Sesv nach Mangey’s Vermuthung B Seod Tm | ro u B ro d2 Tm | PSeioerei] Set (mit leerem Raum nach ‘) M | 9. rgorous T rozous M | 12. 6 eure B zo ae Mr ZzT| esyra MesH T| 18. TagEAmA0 T mager IM Acıs M| 14. Erreregee T &xarsgov M | Wassers mit dem Entstehen der Erde zusammenfalle; "Tod’ nämlich nennt er nicht die gänzliche Vernichtung, sondern den Uebergang zu einem anderen Grundstof. Da nun diese auf eigener Macht ruhende Gleichberechtigung der Grundstoffe stets unverbrüchlich und ununterbrochen gewahrt bleibt — wie es nicht nur als wahrscheinlich sondern sogar als nothwendig sich erweist, da Verletzung der Gleichheit ungerecht, Ungerechtigkeit aber eine Ausgeburt der Schlechtigkeit, Schlechtigkeit wiederum aus der Wohnung der Un- sterblichkeit verbannt und die Welt doch ein göttlicher Bezirk und zur Wohnung sinn- fälliger Götter bestimmt worden ist — so ergiebt sich, dafs die Behauptung, die Welt werde zerstört, nur von denjenigen aufgestellt werden kann, welche die Verkettung der Natur und den engverknüpften Zusammenhang der Dinge nicht einzusehen vermögen. Einige von denen, welche die Welt für ewig halten, wenden in ihrem Eifer noch weitere Mühe an und bedienen sich zum Beweise folgender Schlufsreihe: die obersten Arten von Zerstörung belaufen sich auf vier: Zusatz, Wegnahme, Umstellung, innere Ver- änderung. Die Zwei nämlich geht durch Zusatz der Eins in Drei über und wird zer- stört; die Vier wird durch Wegnahme der Eins zerstört und geht in Drei über; durch Umstellung wird der Buchstabe Zeta (I) zerstört und geht in Eta (H) über, wenn die pa- rallelen Querlinien scheitelrecht aus einander treten und die dazwischen gespannte scheitel- Ueber die Unzerstörbarkeit des Weltalls 263 , % X E ’ Ey ’ X G \ \r ‚ n KaTsıNeyuevuv TOOmWV oudels Ebamreruı ToV RoTWuou To magamav. Emei za mı dwuev; q ’ SR, m [4 \ > + > > N, > > \ A \ ’ meoTrıIenSui Tı TW noouWw moos avampemıw; AA oüdev Eurıv Euros 0 MM Megos ’ nd ’ \ \ m E) m n YEyovev aUTOU oAov- TEDIENETRL YAQ Hal KATURGATEITUL. aaX ddameisIa; mowrov \ Yan #5 \ , ’ „4 nm 7 D) a. El MeV 76 abargeIev maAı noanos ErTaı, Tod vüv Rgaxiregos- erera aunyavov EEw » nd \ m , n \ ’ ’ Tı TWu« ToV oAou dagrnIev NS Fuudvias onedarIrva. aa Ta Hegn METaTI- m \ 5 > re \ ’ > ’ \ > ‚ IerIar; mevei mev oUv Ev OMoWw Tols Tomous oüx EvaAAarrovra‘ oÜ yap Emoynrerai & 7 m m „ [77 Ew Y >\ 4 > \ \ ’ mors Erı Vdarı Tara m 009° Uowp degı oUTE ang mugi, dAAG Ta Ev bure Ragea, n IE \ ’ al ’ m \ 2 2 e Nr 0] yn nal VÖwp, rov nesov Ebefeı Tomov, yAs Mev DeueAiou Tgomov Ümegedounyg, Udaros > U >\ \ \ m \ ' n \ Eu \ > £ B d° EmimoAalovros, and de zul mVd, Ta DUTE HoVda, TOV avw, TANV CUY, oMolws. ang Yap MUDOS eymua yYeyovs, To 6’ Eroyoinevev EE dvayuns Ümepbegeran. za 10 \ \ > > 4 ’ G > \ \ e m I unv cÜdE zur’ dAAaweıv bIeperIa vOWITTEOV: IOORDUTNS Yag N TWV GTOnyEiWv 4 x DE \ > n ’ q E ’ Ev E77 [7] neralory, EC) ITORQUTES axııvous Beßausrnros Ku AT@AEUTOU Movns AıTıov, Are \ m 7 ’ 7 | , ke 5 D m ’ um mAcOvEeRToUV UNTE MÄEOVERTsUMEVoV WS N dvridonis nal y dvrenninıs TaV Öuva- 2. meooriDesSer T mooorıSereı M | 3. orcv B orou Tm | 6. never B ueve: Tm | 4 ’ / ’ 67 rn, > m evaAAarrovre T EvaAarrovre M | 7. Page yn nach Mangey’s Vermuthung 7 Bags ev yM > ne a x 2 v M und Turnebus | 9. Emmoragovros T Emımorragovros M | rov avw T 70 avm M | 13. avr- > ’ exrıoıs T avrezensıs M | rechte Linie in die Quere gelegt die Seitenlinien verbindet. Durch innere Veränderung wird der Wein zerstört, wenn er in Essig umschlägt. Von diesen hier aufgezählten Arten der Zerstörung berührt nun durchaus keine die Welt. Denn, welche Meinung könnten wir aufstellen? Etwa, dafs die Welt einen Zusatz erfahre, der ihren Bestand aufhebe? Aber es giebt nichts aufserhalb, das nicht in seiner Gesammtheit einen Theil der Welt bilde; Alles wird ja von ihr umfafst und bemeistert. Oder dafs etwas von ihr weg- genommen werde? Erstlich würde das Weggenommene wiederum eine Welt sein, nur kleiner als die jetzige; zweitens ist es unmöglich, dafs ein Körper aufserhalb des Alls, losgetrennt von dem Zusammenhang mit ihm, umherstiebe. Oder vielleicht, dafs die Theile umgestellt werden? Aber sie werden vielmehr in gleicher Lage verharren und ihre Oerter nicht vertauschen. Denn niemals wird doch die ganze Erde über dem Wasser schweben oder das Wasser über der Luft oder die Luft über dem Feuer, sondern die von Natur schweren Elemente, Erde und Wasser, werden den mittleren Raum in der Weise einnehmen, dafs die Erde gleichsam als Grundbau stützt und das Wasser an der Oberfläche sich befindet, Luft und Feuer hingegen, die von Natur leichten Elemente, wer- den den oberen Raum einnehmen, jedoch nicht in gleicher Weise; denn die Luft ist Trägerin des Feuers, das Getragene aber wird nothwendig emporgehoben. Endlich darf man auch nicht glauben, dafs die Welt durch innere Veränderung zerstört werde; denn der Wechsel der Grundstoffe vollzieht sich im Gleichgewicht der Kräfte. Das Gleichgewicht der Kräfte aber bewirkt feste Sicherheit und unerschütterte Dauer, da es eine Beeinträch- 23 10 264 Bernays: Die unter Philon’s Werken stehende Schrift: ’ [4 ’ [3 ’ NE) ’ B ! ’ newy @varoyias EEırounevn navsrw Üyısas Aal ATEAEUTHTOU OWTAdIas Önmueupyos. w E r > EE uv aldlos 6 zommos dmodeinvuraı. 2 ’ \ \ D \ SEN = D R Beohgarros nevror PyTi TOUS Yeverıv nal dIopdv TOÜ RooMou Karnyogouv- RN r > m m , m ’ r Tas ÜMO TETTEDWV dramonva Tav MEYITTWV, YNS Aavwmariıs, DAaAaTTys dvay- 1 £ ’ m u 7 / m ! ’ Ey ’ ’ enTews, Enasrov TuV ToÜ oAcv HEgWv diarurews, Kegrammy BIogds zara yern Cwwv. N} \ \ \ “ < > \ \ Y e m naraoneuadeı de TO MEv mowWrov oUTws" Ei MM YEvEnews Egymv &raßev Ay MEgos e \ 58 N E] >» m ec m A $ An Ay RN Wer) ’ Ei r Ümaventnnos oUdev av Erı aUTAS Ewgaro, Y,Iauara Ö° Non TE opn mavra Eyeyeunro & r- , SL, m ’ PARK \ er 5 zul ci yewAobaoı mavres inomedaı TH medadı. ToTourwv yap naQ Enarrov Eviaurov „ a 7 ‚ SUN a n ü 7 \ 07] \ \ r auauv EE Guölsu bepomevwv Einos Av TWv Ölmpmevuv Toos udos Ta ev Keınagpars m \ e ’ Ü IL NINEN r Y NZ amegenyIaı, ra 0° Umovorryravra xey,aracIaı, Favra de dia Tavruv Yon AcdcıavSau. \ 69 \ I m e \ 7 e yuvi ÖE Fuveyeis dvwmariaı nal maumoAAuv öpuv ai moos widegiov Ubos Ureoßorat 7 An n \ \ , & ‚ 7 3 > ’ jarvuuar Erri Foo mv yav um dldıov zivar. TaAcı yap, ws Ebnv, Ev ameıow Xgavu rals Eroußaas ame weodrwv Em TEoara Taoa Aewbopos Eryevero: TEDURE yap N UND 3 14 BOY, u 1. dvaroyias T dvaroyiaıs (ve von erster Hand auf Rasur) M | 2. #osuos dmo- deizvuree T #071405 Öeizvureı mit leerem Raum hinter 07408 M | 4. y7s nach der Paral- lelstelle de mundo 7 4: M | 7. Uravesryzos B ünavasın M ünaveoros T| 8. Eviaurov T evıauzuv M | 9. Ömguzvuv T Ömenazvuv M | 13. eyevero M Eyayeunro T | tigung einzelner Theile weder übt noch erleidet. Die nach den Regeln verhältnilsmäfsiger Gleichheit bemessene Gegenleistung und gegenseitige Verbindlichkeit der Kräfte schafft also Gesundheit und unaufbörliches Wohl. Hieraus ist erwiesen, dafs die Welt ewig ist. Theophrastos nun sagt: diejenigen, welche der Welt Entstehung und Zerstörung beilegen, seien vornehmlich durch folgende vier Dinge in die Irre geführt worden: Durch die Unebenheit des Erdbodens, durch das Zurückweichen des Meeres, durch die Auf- lösung jedes einzelnen Theiles des Weltganzen, durch den in ganzen Gattungen erfolgten Untergang der auf dem Trockenen lebenden Geschöpfe. Ihre Schlulsfolgerung aus dem ersten Punkt giebt er folgendermaalsen an: Hätte die Erde keinen Anfang des Entstehens genommen, so würde kein Theil von ihr noch als hervorragend zu erblicken sein, vielmehr wären jetzt alle Berge flach und alle Hügel von gleicher Höhe mit dem Thale geworden. Denn da von ewig her alljährlich so viele Regengüsse herabstürzten, so hätten füglich die Höhenerhebungen theils von Sturzbächen fortgerissen, theils aufgelockert werden und einsinken müssen und überall wäre bereits Alles geglättet. Die jetzt hingegen vorhandenen ausgedehnten Unebenheiten und die über- mälfsig hohen, in den Himmel ragenden Berge bekunden, dafs die Erde nicht von ewig her ist. Vorlängst wäre sie nämlich, wie ich sagte, durch die Wassergüsse in der un- endlichen Zeit ganz von einem Ende zum anderen eine ebene Stralse geworden. Denn es liegt in der Natur des Wassers, zumal des von höchster Höhe herabbrausenden, dafs u 511 Ueber die Unzerstörbarkeit des Weltalls 265 t ef r x ı \ I ’ \ \ > Eu n üdaros puris nal maAısra dmo üUlyAorarwv KATUGATTOUTE TE EV eEwSeiv 77 Bi 7a de TW auveyel av Deradwv zoAurrousa HcıAawvew Ümegyades Sal Te av OuM- / \ ’ > 4 3 e77 geyeuv zal ArIwderrarnv Sgunrngwv our EAarrov. tal une 9 ye Surasce, harıw, dn weusiwrar Magrupes d ai vrrwv eldozıuwrarau, "Podes re zul ANdcs. adraı Yap TO usv mararv Apavıruzvar xurd 7N5 Sararrys Ededuxerav EminAulcusva, Kgovi ö Ünregov EARTTOUNEVNS Ageına zur OAıyov dvioyouraı debavnsav, us al zegl aurwv avaypapelsaı anvuoucı iTTopat. any de AnAov zur "Avadnv uvonarav, di aupersguv evondrwv TIOToUWEVOL To Asyo- Wevov, Emeicn yap dvapaveisa dmAn Eykvero aönAoumevn za dbavgs ouva Tb Fumaı. mgös dE ToUroIs MEyaAwv Terayav Weyarcovs noAncus na Basis dvafngav-Sevras ARENUTIaı za Yeyerma Sa TAS TagaREıuEVNs Kuwgas meigav cÜ Aurgav FrEigo- MEVSUS Hal DUTEUDUEVOUS, is anus arra Tis maruıas tvarerereipIu Surarru- vews Inbidas re zu zoyyas nal era Öusiorgoma ges alyıaAcus eiw.Iey aroßgar- \ \ N et n ’ ’ e£xr _ mw> Su N ’ S ’ rer Sau. dio zal Ilıvoages emı ans Aydov byrsı Xu, 9) Deoduara, AmagorAoraou 1: zaragerrouse m HaTegpdrrouree M| 2. su ouwveyer T = oweys M | 4. a vooow sudozıuwrereı] Alles aulser zuwrere: auf Rasur von erster Hand in M | 6. Sarerıys M Sarassns T| 7. dıebavnsav T dısbavsav M | 8. ’Avabyv T avayoebsw M | 9. Ersıöy yag M Ereıön T | 10. neyaruv T ueyaryv M | 12. suus arrac B omusie rec Tm | 14. Seo- ducre T Seodunr« M | es theils mit Gewalt fortstöfst, theils durch ununterbrochenes Tropfen meilselt und aus- höhlt und auch den harten und steinigsten Boden, so gut wie es nur immer Grabende thun können, mit seiner Arbeit bezwingt. Ferner, sagen sie, hat wenigstens das Meer bereits abgenommen. Dafür zeugen die weitberühmten Inseln Rhodos und Delos. Vor Alters waren sie überfluthet und in der Meerestiefe unsichtbar, im Laufe der Zeit, als das Meer sich langsam verminderte, tauchten sie allmählich empor und wurden sichtbar, wie die über sie abgefalsten Ge- schichtswerke bekunden. Delos nannte man auch Anaphe und gab durch beide Namen eine Gewähr für die eben angeführte Thatsache, indem der Laut jener zwei griechischen Wörter daran erinnert, dals die Insel sichtbar und kenntlich geworden, nachdem sie vor Zeiten unkenntlich und unsichtbar gewesen. — Aulserdem weisen sie darauf hin, dafs grolse und tiefe Buchten grolser Meere ausgetrocknet, zu Festland geworden sind, einen nicht unfruchtbaren Theil des Uferlandes bilden und zu Saatfeldern und Baumpflanzungen dienen; als Zeichen des vormaligen Meereszustandes seien in diesen Länderstrichen Meer- kiesel zurückgeblieben und Muscheln und was sonst dergleichen an die Meeresküsten ge- spült zu werden pflegt. Daher sagt auch Pindaros [Fragm. 64 Bergk] von Delos: "Heil ‘Dir, o gottgebaute, lieblichster Sprols- für die Kinder der glanzlockigen Leto, Tochter des “‘Meergottes, der weiten Erde unbewegtes Wunder. Die Sterblichen nennen dich Delos, Philos.-histor. Kl. 1876. 34 10 24 10 24 266 Bernays: Die unter Phulon’s Werken stehende Schrift: © iS 27 e ’ 7 ’ S, Q x = [4 IE} [4 madeosı Aarous iuegosorarov egvos, Mcvrov Duyarep, XIovos zÜgeius drıvnrov Tegas, ed \ m 4 4 1 ’ 2 dv TE Bepore: AaAov nınAmgHounı, Manrapes Ö° Ev ’OAdurw TNAEavrov KUaveas N \ „ ’ \ ! \ m e] \ x > ’ "yIovos aTTgoV. Suyarcpa yag Ilevrov nv Andov zigmxe To Aey,Sev aivırTouesvos. > \ m e u 4 \ en n DES N / & 04 Madre A Sadarra, neawIyrera MV % 9 axgais d° Eviaurwv megiodbıs Nupe ah ” n ’ N za Eis amav Enaregov FTOny,Eov avammIyTera, darammIyTeraı nal 6 Fuumas ang > mw > >», I > f2 N {2 > E) mn [4 Er TOO zaT 6Alyov EAUTTOUNEVOG, dmorgiöngeran de Tavra Eis Mıav cuFIav TOD mugos. \ \ \ m , 2 \ w” 2 m 2 mg08 de nv ToÜ TgıTov AEbaAuisv AATuTrEUNy Yorraı Acyu rowmde: bIE- 7 B- wm eo ! \ ’ ’ n \ ’ ’ \ peraı mavrws Eneivo 00 Tara Ta jEoN PIagra eorı, Ted O8 KoTuoV Favre TE Ü r \ \ 67 r ’ > ‚ A N ’ m > negN PIapre Eorı, PIapros aga 0 HoTuos Erw. 0 0 ÜmepeIeneta vüv Emı- r m 2 Er n u EN! I, > I Q m NED); E} Gnemreov. molov Mepos TyS Yns, wa dmo Taurns apgwusSIa, neilov N EAurrov, oÜ Q NN [SW 9 e / DS > do X 4 \ Koovw diaruoyrera; Aw ci ngaraorarıı ug oU MVoWnı zul ONmeVTral; KAT« \ eu >» _Qf EN ERS ER ANERN \ ‚ N \ > „ > \ myv EEews anIeveiav — N 0 ETTi mVEUMaTIrRos TEvos, Öeomos oür apemAros EA % di N. ./s Q % Asse 3 \ \ m > 4 ovov Övröiaduros — DOUTTOMEVOL nal HEOVTES Eis Aemımy To mOWTOV Avamvovraı 1. raidersı nach Boeckh’s Vermuthung B uid” ci M zaides 4 Turnebus rardes 22: IMetitaeges SH nezoeg M | Tnrecbavrov nach Bergk’s Vermuthung B TnAEcberov Tm | zuaveas T zuavoes M | 4. M de 7ulwD; za 6 suuras M de zur 6 sunmes TI. \aG: TEvrE M z& zavre T| 7. Aonra B xgareı M Yowvra: nach der Parallelstelle de mundo 7 | 8. 03 zavr@ r& nach der Parallelstelle de mundo B cö «ra Tm | 11. dar Insere nach der Parallelstelle de mundo B dıervsera: M Öterusrar T | zgarecraro: T und de mundo, »garıoro: M | “aber die Seeligen im Olympos nennen Dich [Asteria,] den fernhinblinkenden Stern der ‘bläulichen Erde. Er hat nämlich Delos "Tochter des Meergottes’ genannt, weil er die eben besprochene Thatsache andeuten wollte. Nimmt sonach das Meer schon jetzt ab, so wird in Zukunft die Erde zunächst abnehmen, nach Ablauf grolser Jahreskreise jedoch werden beide Elemente völlig verschwunden sein, auch die Luft wird in Folge allmäh- licher Verminderung gänzlich aufgezehrt werden und Alles wird in die einzige Substanz des Feuers übergehen. Zur Erhärtung des dritten Punktes dient bei Theophrastos folgende Schlufsbil- dung: Dasjenige, dessen Theile alle zerstörbar sind, wird selbst gänzlich zerstört; nun sind aber alle Theile der Welt zerstörbar, also ist die Welt zerstörbar. Erörtern wir nun den Mittelsatz, dessen Beweis aufgeschoben worden. Welcher Theil der Erde, um mit dieser zu beginnen, wird nicht, sei er grols oder klein, im Lauf der Zeit aufgelöst werden? Die festesten Steine, vermodern und verwittern sie nicht? Durch Schwächung der zusammenhaltenden Kraft — diese besteht in der hauchartigen Spannung, welehe jedoch kein unzerreilsbares, sondern nur ein schwer lösliches Band abgiebt — bröckeln sie und zergehen und lösen sich zuerst in feinen Staub auf, um dann später gänzlich aufgezehrt und vernichtet zu werden. Das Wasser ferner, wenn die Winde es nicht erregen, geht a a ‚“ BEAT Dr ERORN ar cn f 2 Be. r Ueber die Unzerstörbarkeit des Weltalls 967 EN aovıw, EIS u77 Tegov damaugSevres PearaReingah end Em mocs dvemmv Sr au. To Üdwp, axivnrov EaIev ouy, üb Aruytas VERzERa peraßarreı yeov zal durw- derrarev yıvaraz, oe buy apngnusvor Cuov. al ye un Es pSogai mayıı my ER \ ’ E72 i ...ÖNAaı: voreiv Ye za Dale za wa dmoSvnszew apa ETEL TI Qu L ae F TIs UN OTOYaTaevos Övonaruv EÜrgEmEI«G ara Tod aAyIoüs eiror Acyaev evaı 5 A ’ we \ > Eu ! > ’ N - ’ 7) Er hi mAMV degoc. Tavarov To oinelov maIcs vankovros Emil bIoga mavruv ora Duxis 1 4 \ m \ [4 3 S \ SER [4 Meuogarar; TI Yon Mungnyogeiv megı muges; argobirav yap auriza oßewuraı, 14 fe e ’ \ > 2 a \ [4 > m \ D 512 wAov, 7 Pag ci mamrai, yeyovos EE Eaurou. dio Tungımrauevev 6gYovruı zara ’ NE ERW RE Su ala £ ie Ä x Tnv Tns AvadbTEaTns UANS ovnv, EGavaAwWIElTys ö abavıkeraı. To TagarANTıEv r d \ \ \ \ \ 4 ’ / Sf \ a Mevroı al Fols zura my "lvdıayv Ögarovras pası many. Avegmovras Yag Emi 10 \ ’ m I =; \ nm \ \ 77 os »_Q Ir Ta nEyıra Tav Qwwv, ERedavras, megl vara za vaduv drasav eirdirSar, breßa Sur EBEN ’ N / 3 / ae) 3 r > ’ , ’ 8° mv av FUyn dleAovras Eumive ToV aiuaros, EmiNsTus Erısmunsveus Qualv Tveunarı ’ GERA ’ x G \ & [4 > 7 e 3 na guvrovw dorlw. MEXGL Ev oUv Tivos EEavaAcuuevaus Eneivous ÄvTeyew Un dunga- > 5 \ nm 7 \ \ / ec [4 67 | vias AWATKIITWYTAS za N MOOvoa@ıe TNV TAevgav TUTTFOVTaS WE naSıkouevous Twv 1. zoviw » Ö° &i un mit Auslassung des Dazwischenstehenden M | ?Eavarosvraı B 2Eavanvovraı zu 2. Öyawderrarov M +0 Öuswösszarov T | 4. önrcı B 89% Tm | «mo- u EN T anoSımszwv M|5. sroyareusvos M groy,agonevos T | 6. zavrwv M draw T | 8. zar& mv T zure vov M | 11. sv Cuuv M Cum T | 14. zaSıEonivous T zaSe£onzvous M {j 3 E-} es, unbewegt gelassen, durch die Ruhe nicht in einen leichenhaften Zustand über? We- e nigstens ändert es sich und bekommt den übelsten Geruch, gleich einem entseelten Wesen. Was weiter die Zerstörungen der Luft anlangt, so sind diese Jedermann offenbar; es liegt in ihrer Natur, dafs sie krank wird, hinsiecht und gewissermafsen stirbt. In der That, auch wenn man nicht auf zierliche Worte, sondern auf die Wahrheit ausgeht, wie soll man die Pest anders nennen als den Tod der Luft, welche ihr eigenes Leid zum Verderben alles Beseelten um sich her verbreitet? Bedarf es endlich über das Feuer vieler Worte? Sobald ihm die Nahrung fehlt, erlischt es, da es, auf sich selbst ange- wiesen, lahm ist, wie die Diehter [von Hephästos] sagen. Daher hält es sich gleichsam N durch Anlehnung aufrecht, so lange der angezündete Brennstoff reicht, ist dieser aufge- braucht, so verschwindet auch das Feuer. Aehnliches soll den Schlangen in Indien wider- iR fahren. Sie kriechen an den grölsten Thieren, den Elephanten, herauf, umwinden ihren Rücken und ganzen Bauch, öffnen irgend eine Ader und trinken das Blut, unersättlich schlürfend mit gewaltigem Athemzuge und heftigem Zischen. Eine Weile halten nun die erschöpften Elephanten Stand, springen hilflos in die Höhe und peitschen ihre Rippen mit | dem Rüssel, um die Schlangen zu treffen, dann können sie, da ihnen fortwährend die Lebenskraft ausgeschöpft wird, nicht mehr springen, sondern schütteln sich stehend, und kurz darauf, nachdem auch die Schenkel ganz schwach geworden, brechen sie in Folge h 5 4* I0 268 Bernays: Die unter Philon’s Werken stehende Schrift: Ö B (4 N ’ m mn da \ ’ & S BarovTwv, EIT« WEI NEVOUMEVOU TOU Lwrızoo mAdav Mev unzer duvartaı ngadawo- 2 8 c I \ A < \ =“ 6 > Q U Mevous ETTaval, Wirgov vrTegov Aal TWV THEAWV EEarDevyTavrwWv KATUTEI- ’ c \ - 4 > / ’ \ \ ia mn ! oIevras Ömo Asıbamias amaobuyew, merovras de Tols aitıovs TOV Iavarov TUVa- / ’ a per} \ e I A „ \ MOAAUvaL TEORW TEIWÖE" UMAET ExX,ovres rgodbnv ol Öpanovres 0v megegerav derwov = nm 5 / > \ E)] m N \ m ı ee ? EmIYergoUTw ErAuev amamAaynv nm moSoUvres. Umo de ToV Bapous ruv EAebav- I m \ \ ER \ ’ n ruv Srudowevo mislolvrai, nal Tor) MaAAov Ersıdav ruyn region za ArtwWdes \ EIN E ’ \ \ ! a7 > I e n IeS , To Edadbos. IAUCTWWEVC Yag nu MAvT@ MOoloUvres Eis dieAurw, Umo Ns TOU TIETav- / ’ ce \ / E / \ Ü ’ res as meinSevres, Eavrovs MOAUTgOmWS Ev aumyavoıs ra @mogcıs YUUVETAVTES > n \ ’ [3 wi N , > N 3 EEarIevoüri, nal nadameg ci nuradeusGevres 4 TEIyous alpvidıov Emevey,Yevros , >‘ e/ 57 ! m n > \ 7 moonaraAnbIevres, 000” orcv avarıılar duvauevaı rVyn TEAEUTWTW. € on Tav N ec n 0 \ ’ ’ sel iz Sr jAEgWV EXUTTOV TOU KoTueu BIogav Umoneven, ÖnAovorı zaı 6 sE aürwv Tayaıs noruos v E)] abIagros our Erral. \ \ ’ \ \ ’ ' N EyOT 3 2 rov de TETagTOV AaL Aoımov Aoıyov üngıu@wrecv woe- harıv, EL 0 RoTMos didıos > a Er \ \ Er EIN \ fr m \ m Let ! ı ed yv, Ww @v nal ra lva adıa nal ToAU Ye MaAAır To Twv avogwruv Yevos, 07W 3. amolbuysw M aroSımazew T | 6. mieloövreı M mıeLovrai 109: yunvascvres T Emevey,Sevros M Umsvey,Sevros T|\10.zuyg T yupvwoavres M 9. za #0 Scereg B za Soemep Tm 77 yn M| 13. az wreov ds. bes M azgıBureov. "RE dazıv T\e6xoonos To #0ouos M | 14. ro sav nach der Parallelstelle de mundo, B sw Mr T ’ des Blutverlustes leblos zusammen. Durch ihr Fallen bringen sie jedoch zugleich die Urheber ihres Todes in folgender Weise ums Leben. Die Schlangen, die keine Nahrung mehr finden, versuchen das Band, das sie geschnürt, zu lösen, und wünschen nun fort- zukommen. Jedoch von der Last der Elephanten werden sie geprefst und zerdrückt, zumal wenn der Boden rauh und steinigt ist; sie winden sich und bieten Alles auf um sich zu befreien, von der Gewalt des Druckes gefesselt gebärden sie sich in ihrer Noth und Angst auf die mannigfachste Weise bis zu gänzlicher Ermattung, und da sie, wie die Gesteinigten oder unter einer plötzlich eingestürzten Mauer Begrabenen, nicht einmal den Kopf hervorrecken können, so finden sie ihren Tod durch Erstickung. Ist sonach jeder einzelne von den Theilen der Welt einer Zerstörung unterworfen, so wird offenbar auch die aus ihnen zusammengefügte Welt nicht unzerstörbar sein. Dem vierten und letzten Beweis ist folgende scharfe Fassung zu geben: sie sagen, wäre die Welt von ewig, so wären es auch die Thiere und vor Allen das Ge- schlecht der Menschen, da es ja bei weitem den Vorzug vor den übrigen ‘hat. Nun gebe sich jedoch das Menschengeschlecht vielmehr als ein spätgeborenes allen Denen zu er- kennen, welche die natürlichen Dinge naturgemäfs erforschen wollen. Denn es ist eine gegründete oder vielmehr unabweisbare Annahme, dafs zugleich mit den Menschen auch die Künste als ungefähr gleichaltrige vorhanden waren, erstlich, weil das zu ihnen füh- Ueber die Eee Orr des Weltalls 2369 EN E7 \ \ ’ v Er 2 E0 \ ‚ zal Tuv aAAWv aneivov. AAAGa za onhiyovov dayyvar Tas RBevAouevars Egeuvav Ta bUTewWs nm N ’ nm u E > ı F \ D e purinws. Eines Yag, MuAAcv I” avayralov avSgwrois suvumagkaı Tas TEXVAS WS \ Su Ü 2) m ! \ > I Sm \ ed am av inyAınas, oV Movov orı Aoyızn dburTeı To EumeQodov oixeiev, dAAa naı orı CAv E} ’ > Y ON D \ ER ' > ’ » AvEU TOUTWV OUR ETTW. LÖWMEV OUV TOUS EHETTWV Y,povous EWEANTUVTES TÜV EmITOQ- ‚ w ıQ > \ N E72 N 0] n Ywdounevwv Teis MUSW . 2... . E. MN dldios avopwmos, cÜd aAAo rı dwov, IM 2.3 7% EAN N ’ DS, ind N \ ve NEL, HN CH \ Q \ WET 000 Mi Oedeynevar TaUTa Ymga, YA xal vowg nat ang, E2 Wwv To Bougrev ee , N DS eivar Tov HoTMov OMAov Errıv. Ey \ \ \ 4 e , > m I m & dvayaatov de mg0S TYV ToTavryv evgNTiÄsyiav aTavryTa, UM TIS TWV AREI- ’ > \ e I \ 7 m ’ > © a b) 4 goregwv Evdous ray, SH zul dgrreov Ye rTns aurıgenTews ab oÜ nal Ty5 drarns a € , an A STE Ey 63 > = Y aidıoe 9 EL, Te 10 [077 TOoDLTTaI. AVWMasıIas OURET EXENV eva TNS YNS, ELTFEO adlos MV 0 KcOLosz, Old TI, © yewalcı; byFousı yag Erepaı mageAGovres, ort devdauv ovdev ai bureıs rüv m ’ I > m Ey ww 69 U Sgwv Öladegoumw ara zaSamep EREIVG AUS nev Tıaı PuAAoppaeL zugpols dE marıv > m \ \ \ \ 5 y e ! \ ’ Sy ! , an d& — dio Kal TO momTıRov EU eıgyrau dVUAAa TE EV T avemos Yanadıs NEEL, Y ’ cd U 4 7 > , co > \ EN I ara de vun TyrsSowra pusı, eagos & ERIYIYVETaL won — TOVv auTov TIomoV 1. dusews hurızas B dUsews Tm | 2. swvuragea T swvunagEas M | 3. pure ro T gyseı ze M | A. oix eorıv M oUx evsorw T | ausAnsavrss M aroyysavres T 3: auSun “2.2.2... 8 mit Bezeichnung der Lücke nach Mangey’s Vermuthung B 1#uSwr. Ei ohne Lücke Tm | 6. oöö’ & T od M | v0 PSIagrov eivar ev T rev PSagrov wor M | 8 svgneı- Aoyıcv M sÜgestAoyıav T| 10. avoneries M res Avumadias T| 14. Erıyıyveroı T Emıywere M| rende planmälsige Verfahren von der Natur eines vernünftigen Wesens unzertrennlich, und dann weil ohne sie menschliches Dasein unmöglich ist. Nun wollen wir uns einmal nach der Zeit umsehen, in welcher die einzelnen Künste aufgekommen sind, wollen aber dabei um das den Göttern angedichtete Fabelgepränge uns nicht kümmern. [Es folgte hier in der ausgezogenen theophrastischen Schrift eine chronologische Aufzählung der Erfindungen.] Ist nun der Mensch nicht von ewig, so ist auch kein Thier von ewig, also auch nicht die zu ihrer Aufnahme bestimmten Oerter, Erde und Wasser und Luft: wodurch dann der Satz von der Zerstörbarkeit der Welt erwiesen ist. So vielen Spitzfindigkeiten mu[s entgegengetreten werden, damit nicht ein Un- geübterer sich gefangen gebe und berückt werde, und die Gegenrede hat füglich mit dem- selben Punkte zu beginnen, welchen die Klügler bei ihrem Truge an die Spitze stellten. Keine Unebenheiten des Erdbodens dürften jetzt noch vorhanden sein, wenn die Welt von ewig wäre? Weshalb doch, ihr Wackeren? Andere werden auftreten und behaupten, dals die Natur der Berge ganz der der Bäume gleiche, und wie diese zu gewissen Zeiten sich entblättern, zu anderen wieder erblühen — worauf das schöne Dichterwort sich be- zieht [Ilias 6,147]: "Blätter verweht zur Erde der Wind jetzt, andere treibt dann Neu der erblühende Wald, wenn wieder sich nahet der Frühling — ganz in derselben Weise auch von Bergen einige Theile abbröckeln, andere anwachsen. Nur wird der Anwuchs erst er er [> 1 10 270 BernaYs: Die unter Plulon’s Werken stehende Schrift: \ m A \ \ s Q 4 ! \ \ ’ w x U e ra TWwV cpwv Ta EV UWOTIRUETAL MEON, Ta de FOOTDUErL. Marpors de Waves N r 4 [ar ’ N Ä \ ’ > ’ ’ n ! TOETBUTIS LATITTATaL Yrwplaos, dieri Ta EV devöner WRUTEDE AOWILEVE en huzei m 2 ’ 7 \ > 02 \ > Y [2 N \ \ GATTaV zararanavousunv EY,EL TAV eridorw, T& 6 con Beudvurega, dio Hal Tas 5 n SER S a \ e7 \ n N 7 EN r ’ ’ ERDUTEIS AUTWwV aiToyras orı um Xgovw Margw Moyıs eivaı aunßBeßnzev. Eoizanı Ye \ ! Er ’ sn E m > N E77 > , ec ! TOV TOOMOV TAG YEVETENG QaÜTWV Myvoew, EMEL Hav ITWs WibEnGEvTes NOUNaTaV. f2 > \ > \ ’ ” E73 N] N R ; Y et LG 27 bSIovos 0° oüdsis dvadıdarzeı. EIrı Ö' oUTE vEeov TO AcyolEvoV, OUTE DnnaS' Mawv RN \ n 5 nm r > 3 7 Ss Se ’ 1) arra Tara Tobwv dvdpav, cis cUdev @öLegeuvnrov TÜV EIS EMITTYWANV dvayrawv > I. [77 \ Y [ , > w Ey mn E2 m mn x ATOAEMEITTAI. OTAV TO KRUTaRerlEıTuEVov my mugwdes vw TAN TOU mUgos > n m ’ \ \ ar r , „ / EAauvyra hucızy duvanıı, mgOS Fov OIKEISV TOmov TTEIYEL Mav TIVoS raßyraı Roc- ’ > 2 „7 \ m x m ! > 2 [77 N \ gt WERE AVATVoNS, AvW EV OVVvavayne moAMv TNS YEewdous oUTIRs, oTyv av dei ciov Dr NEE > ’ ’ ’ AN an w ven N h) eEwIev ERWYEVOLLEvN DEgETÜU Roaduregev zul MEY,QL moAAcU TUMmapeATelv QS n \ / Be OA e / ’ \ \ > m BıasrSeire, mIOS MARITTOV agTETa unbos areAMerar Kopuounern Hal mg0S oEeiav a m \ \ N m ’ ’ \ m 4 \ AWOTEAEUTE ncoudnv TO FUgos TXMUA MiMoulevy. YIrErCı Yap Tov AoUborarov Kal ! ’ mn I 3 ‚ 2 ’ ’ \ x Bagurarou TOTE, TWV dUTE dvrıraluv, dvayralı Svgpakavrwv dtanayn, mpos FnV % dmroIgavsrcu Tr EmıSgeßerer M | St Bguövreoe B Bowdvrsge SR BowyYrege M | 4. noyıs M norıc T | 5. z&v M zu T | 6. ours veov M oVrs rı veov T| = Aeyonsvov nach der Parallelstelle de mundo Mangey av Asyonzvuow Tm | oüre inner T ou nn” M | 10. &vw nach der Parallelstelle de mundo B avuSev Tm | voARnv M nou T | ösyv M So T|avax Bw MwT 1. TwM|n®8 eEuSev Emuyevonem pegerau Raa- Övrszov zur B EEw de (6° M) Emiyevonevov pegerSar Poayvregav 7 zer Tm | 12. zogucbounzum M amozogucboupzwn Tu \w14% SupgwEevzuv M SuponEavruv Ben nach langer Zeit kenntlich, denn die Bäume lassen zwar in Folge ihrer rascheren Ent- wickelung die Zunahme schneller wahrnehmen, die Berge aber entwickeln sich langsamer, weshalb ihr Herauswachsen vor Ablauf einer langen Zeit kaum bemerkbar sein muls. Freilich scheinen die Gegner sich in Unwissenheit über die Entstehungsart der Berge zu befinden, denn sonst hätten sie sich wohl geschämt und geschwiegen. Die Belehrung darüber soll ihnen also gegönnt werden. Und zwar ist was wir vorzubringen haben nicht neu, auch sind die Worte nicht unsere sondern alte, von weisen Männern herrührende, die nichts zur Wissenschaft Nöthiges unergründet gelassen haben. Wenn die in der Erde eingeschlossene Fenermasse durch die natürliche Kraft des Feuers empor getrieben wird, so strebt sie ihrem eigenthümlichen Ort zu, und wenn sie ein kleines Luftloch antriftt, reilst sie so viel erdigen Stoff als sie nur immer vermag mit sich empor; dieser jedoch, da er von aufsen henzugetreten, bewegt sich langsamer, und nachdem er eine weite Strecke mitzugehen gezwungen worden, ballt er und gipfelt sich und läuft, die Gestalt des Feuers nachahmend, in eine scharfe Spitze aus. Es entsteht nämlich alsdann ein unvermeidlicher Zusammenstols und Kampf zwischen zwei natürlichen Gegnern, dem leichtesten und schwersten Element, indem jedes von beiden seinem eigenthümlichen Ort zueilt und dem RR NS NE WAREN FR DAL DER, N Av N nr Ueber die Unzerstörbarkeit des Weltalls DR > , [3 ’ ’ ’ \ \ \ U ’ \ \ \ m OIKRELENV ERUTEIOU RNEOaV ETELYoLEVOU na mgos To BraLouevev ÄVTITEIVOVTOS* To WEV en zup 7 n EAN n \ N m 7 /S E) I {4 Ö8 n CUvaveAzov YNY VRO TEU megL AUTNYVY VEUTTIROU Bst Eiv dvayraleraı, NOEYyN AUTW- ’ r m v \ ’ m ’ > / TAT TAAUAVTEUSUTE TB TOV mUpes Avubarrı auvereiahasTeise Merewgos EZaiperau \ m Ü € \ N ’ m > 4 > 1/ Y \ Ä za aoarnSeira MoAus Ur dUVATWTEDAS TS Eminoudilsunns ITyvos avw mgas TAV m \ AN >Q»v 1%, Q ou \ E \ \r m mn TOU mUpOS eopav WIETA AA ITTARATal. Tı OUV SAUMAaTTOV e UN TU son TUus TWV e n n 5 [2 $ ’ N / ERS \ z verwv dogeis eFavyAwraı, TNS TUVEXOUTNS AUTE duvausws, uUB 95 na diavisraraı, [4 N) \ m > ’ wi \ \ n m ‚ PaAa Tayıws zu zoaTaws EveıAyulevns; Auevros Yag deruod TeU OUVEY,OVTOS, N 58 m \ \ IN m N , \ ’ mn m eines Av daAucnvar nal mgos VOWToS TredasrSyvar, duvausı de ToıYyyoHEv@ Tn TOoU \ ’ \ \ m v N ‚ m \ Ds RER ‚ 514 mUu90s TTEJAVWTEIR m905 TR: TWV VerWv pogas AVTEY EL. TÜEUTR MEV OUV NUALV rerey SW m \ 2 m m ‚ 53 ’ \ n ’ eg! Foo TYVv @vwmadıav TAS YNS TIOTIV oÜR Elvaı YEVETEWS Hal BIog&s KOT. \ N \ Du n I n Q 4 & QX\ > Ey NL EN mgss dE TO EmO TNS MEIWTEWS TNS DAALTTNS EMIYEIONTEy EHEIVO dEOVTWs dv ’ \ \ > ’ / SEEN Ü \ 7 > \ Aeyoıto- UN Tas dvasy,ouras vATcus auTo Movov ae UNd EI TIVes EMOTOUA KUTa- 91 \ ’ ’ Du > r n r \ ‚ vAulcusva 70 waAcı 4gavors aus NregwoyTav OHOITETE" PUTIOAoYlaS ag avri- ‚ ! e ’ ». 10 5 m > \ a m maAov bıAoveizıc TamoONToV NYovmEvyS AANDEIaV IXYNAGTEV. EAAT mOoNUmg@yIaoveıy 2 , m 57 27 Q l. mgos 70 BurSonsvov T ro BraSonevov M | 5. reis sw T zov M | 7. AuSevrog = r ’ SEN 2 3 D nach der Parallelstelle de mundo B AuSzvr« Tm | 12. uovov ası B novov & M uovov T | 14. biAovazie T hirRovazias M morumoayoveiv Ente M morvmoRyMoveirs nach Mangey’s galt Bel Vermuthung 7 roryrseywoveirce Mangey’s Text und Turnebus | Zwang des anderen widerstrebt; das Feuer, welches Erde mit sich emporzieht, wird von der herniederstrebenden Kraft derselben gezwungen sich zu senken; die Erde, welche in der tiefsten Tiefe schwebt, wird durch das Aufwärtsstreben des Feuers mitfortgeschnellt, in die Höhe gehoben und mit Mühe von der stärkeren Schwungkraft bemeistert empor zum Sitz des Feuers getrieben, wo sie stille steht. Was Wunder also, dafs die Berge nicht von den Regengüssen zu Nichte gemacht worden, da ja die zusammenhaltende Kraft, durch welche sie sich emporheben, gar unversehrt und mächtig in ihnen geborgen ist? Wäre das zusammenhaltende Band gelöst, so mülsten freilich auch die Berge aufgelöst und von den Regengüssen verschwemmt werden; da jedoch die Kraft des Feuers sie zusammenschnürt, so sind sie dicht genug, um den Regengüssen Stand zu halten. — So viel genüge darüber, dafs die Unebenheit des Erdbodens keinen Beweis für Entstehung und Zerstörung der Welt abgiebt. Was aber den von der Abnahme des Meeres hergeleiteten Beweis angeht, so läfst sich dagegen mit Fug folgendes sagen: falst doch nicht immer lediglich die aufge- tauchten Inseln ins Auge und dals etwa einige vormals überfluthete Landstreifen später wieder Festland geworden; denn Rechthaberei ist das Widerspiel von Naturforschung, welche keine höhere Sehnsucht kennt als die Wahrheit aufzuspüren. Vielmehr lassen sich auch entgegengesetzte Thatsachen hervorheben, dafs vielfach auf dem Festlande nicht 10 26 10 272 Bernays: Die unter Philon’s Werken stehende Schrift: 5 \ E) ’ 124 \ ’ ! % ETT: Aal TOoUvavriov, 07aL ev Ev Ameipoıs ou magaAıcı Movov AAAT zul Mercyeıı I r dl N ’ & v > © polgau KATEROTNTav, 00m de XEOToS SAALTTWIET« Kugodopous vaurıv EumAelra. \ \ \ e 7 . \ \ ’ e a, Tnv mEgL ToV 1EgWTaToVv DireAurov Top uov ddonevnv io rogiav ayvosite 70 maAaıv ’ Ew/ ’ ' r \ m c ’ 67 Areipw Irarıg Zızerav ouvarrousav; MeyaAuv de Tuv mag Er@TEga MEiayav ß ’ ’ > > ’ > Y ec Qf > ! q > ! Sumers mveunarıv EE Evayrias Erıdgauovrwv N MEIopios EmenAuoon zul dveppayn, SEN \ r n 7 e Y N, 2 © Tag yv nal molıs Emrwvunos Tod mayous Pryiov arırYeisa WvoudeM. wel Tou- 3 ’ ut N’ Y 6) I 4 \ \ \ ’ 27 vavrıov OU mpoTedornTev av TIs arelOy: Fuveleuy,Sm ev Yap Ta TEws diestora AT \ \ / ec Q, € x e ’ m 6 \ , 67 TERUYN RaTa NV gUggusiw Evwderra, % de Mvwuem YA TO MeSogiy TooSuw dte- ’ A E7 a Ss , m e) / [4 - deu, Ns mag ov nmeigos oüsa Nızedlıa vnTos ßıaoSy yeverIaı. Tora dE Kal EU F G 2 Hr e 4 ’ Ü > arras Aoyos 775 Dararıys ÜmegTyeUons Abavındar MoAcis KaTaFoIEITas, Erei Kal \ ‚ ’ REN CH PRET, eher \ en nar@ HeAomevvyrov dası rgeis "Alysıgav Bougav re nal ing "Erizeiav, Tergerw A 2 E72 \ ' ‚ r > 2 \ / n n N Tax, EMEAME megL Rova Avgie hucev eudaımovas TO TaAaı Yevouevas moAAN ToU / > n x m G n ec > TEIGYeUS EmirAucSgvau page. ÖE "ArAavris v1005, "aa Arduns za) ’Arias uellwv, 2. pop T porges M | 4. Irariz nach der Parallelstelle de mundo B trarı« M Iraries T| suverrovsev T suverrovse M | 5. Avegactyn M Evegaayn T | 6. mag zT TapnV M | za wor M % norıs T ne vo Mn T| aneßn T ereßn M| ouvegeuy,m T Suvsgeuyg,m M | 8. diefevySn T dıegevyy,Sn M | 10. ÜmeoryoVcns M ümsgey,ovons T Ümsgygousns Sca- liger zu Eusebios n. 1637 | 11. Boügav T Rovogav M | 12. 4 ray, zuerr: weg Opva T N Toy, EWEdAev meaßpur M'| ror5 Taorv M | 13. "Arıos T aoıns M | blofs Meeresufer sondern auch Theile des Binnenlandes in die Tiefe gesunken sind, dafs trockener Boden zur See geworden und jetzt von tausendlastigen Schiffen befahren wird. Ist euch die in Betreff der hochheiligen sikelischen Meeresstrafse allverbreitete Erzählung unbekannt, nach welcher vor Alters Sikelia mit dem Festland Italia zusammenhing? Als die grolsen Meere zu beiden Seiten unter gewaltigen Stürmen auf einander trafen, da ward das Zwischenland überfluthet und zerrifs, und die an demselben gegründete Stadt erhielt einen von diesem Ereignifs entlehnten Namen, Rhegion (Rifsstadt). Damals trat das Gegentheil von Allem ein, was man erwarten konnte; denn die bisher geschiedenen Meere wurden im Zusammenflielsen geeint und verbunden, das früher geeinte Land hin- gegen ward durch die dazwischentretende Meeresstralse getrennt und hierdurch Sikelia aus einem Festland gewaltsam zur Insel gemacht. Auch viele andere Städte sollen, wie überliefert wird, beim Steigen des Meeres verschlungen und verschwunden sein; im Pelo- ponnesos z. B. sollen drei, [die ein Dichter in folgenden Versen nennt] "Aigeira, Bura “und die ragende Stadt Helikeia, Welche die Mauern gar bald wird dicht überkleiden mit Seemoos’ nachdem sie lange glücklich gewesen, von einer starken Meeresfluth über- schwemmt worden sein. Die Insel Atlantis ferner, ‘welche gröfser war als Asien und ‘Libyen zusammengenommen, sank’, wie Platon im Timäos (p. 24° und 25°] sagt, ‘binnen 515 Ueber die Unzerstörbarkeit des Weltalls 2373 = 7 t © / En \ \ m 7 \ 7 dnaw &v Tiuaw IAarwv, "Auge mie za vurrı gesuav EEauıriwv nal zare- 27 , 2 \ und G [4 e) 7 ’ , HAUTUUV yevonevuv dvra zara T1s SaAarrys e£aupvns AbavisON, yevouevn MEAaySS, \ E \ 57 ERS! a > \ N \ N; ed mAurev ara AupaSgüdes. oüdev cUv eis To HIenssIa Tov zoruov Ü mAa- m m ! , n4 4 n 7 \ \ E) Ira Tu Aoyw Mewsıs This DaAurrys Fuvegyei: dawvera yap wv ev EZuva- m \ / 5 nm \ \ N; m ’ \ ’ xwpeise va 6° EminAugouse. Ex,onv de um Taregov Tuv ywousvuv dAAG uvaubw m \ m \ / u e / \ Sewpoüvras Eminpivew, EMEI adv TOIS Meg Biev ausır@yrnuarıw 5 veumos drasris m m Y4 E) m moiv maga ru dvridizwv droüsaı yvwuny cÜr arobaveiru. \ \ e ’ 2 > © Ö 5 \ e a 2 Q,' > \ nal umv 6 rgiros Aoyos EE Eaurod Öieleyyera, um Üyws EgurnTeis dıro nd \ > > n u \ 4 \ fen / \ ’ 7 N FNS EUDUS Ev apym Parews. cü Yap ÖnmouSev cd Favra Ta negn PIsigera, dIaprov RAN ® ’ \ D 2) er, Be r \ EOTIV ExElvo, AAN ou Tara Ta em ana zu Ev Taüry aIgoa KaTa Tov alrov ’ > \ u > ’ N / v > ’ > \ \ Xgovov, EMEI xal angov Gmonomeis rıs Öanrurov ÖAv oÜ zerwAura, Ei dE FAVv Howw- m nv n n / / \ \ ” ’ E) viav Fuv ueguv nal ueAuv macav, aurina TeAeurygei. ToVv auTev ouv Tomov Ei Ev [4 N e g! \ m e ef \ > > > ’ urn ddyv erafarmayra Ta Troysia ud Eva naugev Abavıdero, biTaev Evdeyge- \ / \ & e) mw > >» 4 >N/ \ \ E% 7 0a rov normov bIogav Av dvayzalov. ei d Exaorov idie mg0s Tnv ToU YeiTovas eraßarrıı durw, asavarilera warrev 4 bIeipera xara 76 diAcrobySiv ums A ! p IE ES SO. REN A007 2. 75 Sararıns M Saraoons T| 4. #75 Serarrns nach der Parallelstelle de mundo B%W Serarrn Im | 6. Liv audır@nrrnacw T Binv audısavrmuasw M|. M | 9. dnrouSzv ov mavr« r« nach der Parallelstelle de mundo B dyrouSev od mavr« Tm | 1l. od zerzwAure T 0) Zzwaureı M | 15. na@ARov n T uarr00v n@rrov M | ‘einem Tage und einer Nacht unter gewaltigen Erdstölsen und Ueberschwemmungen im ‘Meere unter, und verschwand plötzlich’, und an ihrer Stelle entstand eine nicht schiffbare, sondern mit Untiefen besäete Wasserfläche. Für die Zerstörung der Welt kommt dem- nach die angebliche Verminderung des Meeres nieht in Betracht, da es offenbar hier zurückweicht dä dort überströmt. Man hätte also nicht im Hinblick auf blofs Eine Reihe von Thatsachen sondern auf beide Reihen das schliefsliche Urtheil sich bilden sollen, da ja auch in den alltäglichen Rechtsstreitigkeiten kein pflichtmälsiger Richter seinen Spruch fällen wird, bevor er die Gegenpartei gehört hat. Die dritte Schlufsfolgerung wird durch sich selbst widerlegt, da sie gleich in dem ersten Satz nicht stichhaltig formulirt ist. Denn doch wohl nicht dasjenige ist zer- störbar, dessen Theile alle zerstört werden, sondern nur dasjenige, dessen Theile alle zusammen und zugleich, auf Einmal, zur selben Zeit zerstört werden; ist doch auch Je- mand, der eine Fingerspitze verlor, nach wie vor lebensfähig; verliert er jedoch die ganze Gesammtheit der Theile und Glieder, so wird es alsbald mit ihm zu Ende sein. In gleicher Weise wäre nur dann, wenn alle Elemente insgesammt zu Einer Zeit vernichtet würden, man zu der Annahme gezwungen, dals die Welt der Zerstörung unterliege. Geht jedoch blofs jedes einzelne Element für sich in das Wesen seines nächsten Nachbars über, so wird dadurch die Welt eher verewigt als zerstört, nach dem philosophischen Spruch Philos.-histor. Kl. 1876. 35 27 10 15 27 10 274 Bernavs: Die unter Philon’s Werken stehende Schrift: m m ’ \ n ’ " Y \ Y ToU ToayınoV “Syyrası 0° cüdev TÜV Yıyvouevuwv, Ölangivolevov Ö° aAro Moos wAry RR) ’ Mogpnv Eregav amedeıgev. ! \ al \ fi m a t > \ 7 m 3 G TavTEerNs Ye nv eINDEIG TO YEvos TV Avigumwv dmo Tuv TEXvav ELErd- n \ \ \ Ü > , 3 Y ’ \ / E 67 CerIar: mn Yap megı Tov Aoyov dromie Tıs dnoAouSngas vEov Tov nonov dmobaver & ’ \ , 2 > n \ A ' Sr zonıdh, Modus mg Xırlımv maysvra Eviaurav, Emei Kal oUs mageımbanev TWV Emo Ty- n € \ \ [4 S, > 07 \ ! > \ \ Huv eÜgerds Tov Aey,Sevra Twv Eviauruv agıSov oüx, Umsp@ardovsw. ei de M ‚ \ ’ / / ’ ce en nal Aenreov Tas TEYvas iImmAınas avSgwmuv yevaı, MEI irrogias PUTinns, @AN oür > / Nurie U / ec a = ‚ ’ \ m \ m > GrEQITRERTWS nal BaIUnws Acnreov. ) irrogia Tis; dIogai TWv nard yAv cüR > ’ e I > x 55 + \ m ’ SF, > 77 a9gowv dmavruv ANGE TOv mAcETWV duri Tas Meyisras airıaıs dvariSevrar, \ ve ‚ a ’ e ‚ v R mugos nal Vdaros dAenras Hopais. KAaTaTanmre & Enaregav Ev Megeı barıv &v I mw» > IN cd \ N „ ’ em > mavu Murgals Eviaurov meglodas" eTav EV oVv EUmENTIS »ararauavn, peüma airde- 7 \ Y > / 5 14 ' 7 n > ji piou mUpos avwIev Eryeoevov FoAayn FrsdavvurIa, MEYaAa HANaTE TAS OIMOUME- 5 ’ 2) \ 2 ei \ 7 ‚ ums EmITgEX,EV. OoTav dE RaTarAusWss, amarav Av Udaros narougiav KATAFUREL ’ E) m (Y I m ’ ’ \ \ burıw, audıyev@v zul yeanaggwv moTranwWv sÜ mAÄNWUUDoUVTWv Movov Aa za Te 7 SHE: ‚N A = 2 2 1. yıwonzvav Tm | 8° @%%o von erster Hand aus d= «@A%o corrigirt in M | @aru B Y_ ’ BETEN 2 5 ’ a «ro Tm | 4. azorouSyoas T axoro@nses M | 8. sis M i T| 9. aIgo vv GE dSgoov M | - = ’ Sm - 11. zararauBaım von erster Hand aus zererau eve: corrigirt in M | 13. zaresvgeı nach Mangey’s Vermuthung und der Parallelstelle de mundo B z«eresusn Tm | des Tragikers [Euripides Fr. 836 Nauck]: Kein Wesen im Reiche des Daseins stirbt, es ‘zertrennet sich nur, hierhin dorthin, dann zeigt’s ein ander Gebilde. Endlich ist es vollkommen thöricht, die Dauer des Menschengeschlechts nach dem Aufkommen der Künste bemessen zu wollen; denn wer dieses verkehrte Schlufsverfahren folgerichtig weiterführte, müfste die Welt für ganz jung, kaum vor tausend Jahren entstanden, ausgeben, da ja die Erfinder der Wissenschaften, von denen wir Kunde haben, über die genannte Zahl von Jahren nicht hinaufzurücken sind. Soll man aber wirklich die Künste für gleiehaltrig mit dem Menschengeschlecht erklären, so mufs dies an der Hand geschicht- licher Naturforschung, nieht aber unbedacht und leichtfertig geschehen. Und was lehrt eine solche Forschung? Vernichtung der Geschöpfe auf der Erde, nicht aller insgesammt sondern der meisten, wird auf zwei Hauptursachen zurückgeführt, nämlich auf unermels- liche Gewalten des Feuers und des Wassers; jede von diesen, heilst es, breche abwech- selnd herein nach Ablauf sehr grolser Jahreskreise. Wenn die Zeit des allgemeinen Brandes eintritt, so ergielse sich ein Strom. ätherischen Feuers von oben herab, verbreite sich weithin und überziehe grolse Theile der bewohnten Erde. Wenn wiederum die Zeit der allgemeinen Fluth eintritt, so bewirkt sie einen Niederschlag alles regenartigen Was- sers, wodurch die Flüsse, quellende sowohl wie Giefsbäche, nicht blofs anschwellen, son- dern das gewöhnliche Maals ihres Steigens weit überschreiten und die Ufer gewaltsam 516 Ueber die Ungerstörbarkeit des Weltalls 2375 \ I m > '£ \ q E] \ N - , HaSerTos moosumsgldaAAcvruv 775 Emidasews nal Tas oy,Cas 4 TN Big Tagapgn- t/ Ne ı ' m \ ‚ u a e U yrlvray N Ümegmndwvruv dvaßarıı 7% wos wnnıorev Unbos- 09ev UrepAuravras \ # w 7 \ \ \ \ - > ! 4 eis nv Taganeınıyv avaysioIaı medızda, vnv de TO ev mowrov eis Meyadas A- ’ \ \ [4 = DEN ’ S E) ’ vas diaveuer Ian, MOOS TR noiorega dei ToU Löaros Tuvigovros, audıs Ö' Emiggeavras \ \ U m © 2 > ’ nal Tous meSogious Innos narandugovros, ois Öierpivovro ai Auıvaı, Eis UEyEIoS > / \ \ m ec > ’ S \ de [4 Üyavous MEeAayous Hure Tv moAAuv Evwow amorgwerTar mpos de Max,omevuv ’ > ‚ \ > Den ’ st \ \ \ Öuvauswv Ev EgEL Tols Ev Evavriaıs oinolvras Tomas dmoAAusSa, TUugi MEv TeUs a E7 \ ’ ’ r RE En ’ \ &v öpenı mal yewAohois nal Öurudgsis Ywplus, a7 our Exovras, dyTL mUgES duuv- 4 „ ed „ IN \ \ m EN a Eu} Tmgıov abSIovov Udwp, zumal Ö’ üdarı Teus age moranois 9 Alyvams 7 TaAarry‘ ’ \ 4 67 \ x ’ Y ’ \ \ \ Yeırovav Yap anrerIar dıRel va zuna moWTwv N Ye Mova. HUT@ On ToUs Asy,- ’ 1 ” ’ Y ’ Q ’ m 7 , Sevras Toomeus Öya Mugiwv aAAwv Rgaxuregwv hIeigonevov TOD MÄEITTOU MEpoUS > ,.Q ’ E 53 Dt al \ N ‚ dr \ n Q & r > avSgwrwv Emihumeiv EE dvayans naı Tas TEeyvas’ Oya Yag ToÜ MESodevovres Ur [od Q> N EI\ GL Ber} U e) \ \ e \ \ ! ! 3% eva 2aS° alrnv idelv Emiarnunv. Emeidav ÖE ai uev zewal voor YaAaTWrwW, apgnTar de aynldav nal Brarraveır To yevos Ex rav u moonaraAbIevrwv rois Emıßgisarı 1. en mgosumegQaAAcvruv T za Seoros moos serı@arrovrw M | rys emißasews M emißerews T | 2. ür: somndwvruv 1% Ümegroduvruv M | Ureo Brdsavras T Unsg@Ancavr es M | 6. merayous T mereyn M | #0orRS0v M row vorrmv T| T. &v Zvavrias B Evavrıoıs M &v zors > BY) 3 2 ,. \ , . T | azoövras T oizoüvre M | amorrvsSaı T drorurScar M | 8: dns: M ee | 9. zaoe T eg M | 10. wire M bırzw T | yes movwv T Äyounzvuv M | 13. Erısenunv M 5 Je 2% FuV Emısanum T | 14. roozaren. nbSzvruv T mgOzuraAEdSevrun M| fortreilsen oder in ihrem Ansteigen zur grölsten Höhe überspringen; dann sprudeln sie über und ergielsen sich auf das angrenzende Flachland; dieses wird zuerst in grolse Landseen zertheilt, indem das Wasser immer in den hohleren Gegenden sich sammelt, später jedoch wenn stets neues Wasser zuflielst und die Landengen, welche die Scheide- wände zwischen den Seen bildeten, überfluthet, vereinigen sich die vielen Seen und das ganze Land wird zu einem grolsen weitgähnenden Meere. Durch diese widerstreitenden Kräfte nun werden abwechselnd die Bewohner der entgegengesetzten Erdstriche vertilgt; durch Feuer die Bewohner gebirgiger, hügeliger und wasserarmer Gegenden, da ihnen ‘die Schutzwaffe gegen Feuer, Wassersfülle mangelt, durch Wasser wiederum die Anwohner der Flüsse oder Seen oder des Meeres; denn jedes Unheil pflegt die Nachbarn zuerst oder sogar ausschliefslich zu ergreifen. Wird nun durch die angegebenen Ursachen, ab- gesehen von unzähligen andegen geringfügigeren, der grölste Theil der Menschen vertilgt, so versiegen nothwendig auch die Künste; denn Wissenschaft für sich, abgetrennt von dem planmälsigen Forscher, ist ein Unding. Wenn alsdann die allgemeinen Nothstände nachlassen und aus denen, welche den schwerlastenden Gefahren entrannen, das Menschen- geschlecht von Neuem zu erblühen und zu wachsen beginnt, dann beginnen auch die 35* 10 976 Bernays: Die unter Philon’s Werken stehende Schrift: m y \ \ ’ / z E \ > ! dewvois, aayer Fa aa Tas TEXvas may cuvistardaı, oÜ TO moWToV YEVOEVGS, 2) \ n r m > / ec aa 7 mawre TÜV Ex,ovrwv ÜTCTTaVTIEITas. A \ N > , es 4 ’ Y \ / a MeV oUv TWEgL apIapoıas ToV KOoTIOU mageırnbauer, EIONTAL AUTa duvanıv. \ \ \ ec > 4 > wm Y = Ü TaS de mwgos EHATTOV EVAVYTIWTEIS EV TOoIS ETEITE ÖnAwreov. 1. od 0 T oUrs M | Künste sich wieder zu entwickeln, nicht in erstmaligem Entstehen, sondern nachdem sie nur in Folge der verminderten Zahl ihrer Besitzer etwas spärlicher geworden. Hiermit ist das was wir in Betreff der Unzerstörbarkeit des Weltalls überkommen haben, nach bestem Vermögen vorgetragen. Im Folgenden müssen nun die Entgegnungen gegen jeden einzelnen Punkt dargelegt werden. Ueber die Unzerstörbarkeit des Weltalls 3 In den von der Blätterversetzung betroffenen Abschnitten entspricht die Mangey’sche Seite der Seite der vorliegenden Ausgabe II, 492 Zeilel bis 10 . . 227 Zeile 11 bis 228 Zeile 3 a EEE Eee en Vo le 6 BIETEN DAN: 5 AIR NR TE ES DAA UN, 7 AI ET DAGN.; 7 AI Zeilen]! bis@8n NN ., 248 ..,,,.10%bisn14 ANETEEUES CHNENT a, u 228) 5 3 AI SE NT 229; 8 AIRES KR seh. 28) 5 5 SOOKREE NE 22830 6 SOErE LBS heil 280 5 8 502 Zeile l bis 34 . . 237 „ 4 bis 238 Zeile 10 SOSE 3A 2248 14 OSB I N DANN 17 278 Bernavs: Die unter Philon's Werken stehende Schrift u. s. w. Verzeichnils der erwähnten Schriftsteller. Die Zahlen beziehen sich auf die Seiten und Zeilen des griechischen Textes; wo es thunlich war, ist das genauere Citat in der deutschen Uebertragung angegeben worden. Aeschylos 237,3 Moses 225,11 Anaxagoras 220,7 Okellos 223,6 Aristoteles 222,12; 224,9; 225,6 Panaetios 248,11 Boethos aus Sidon 248,11; 249,3 Parmenides 221,9 Chrysippos 236,6; 254,9; 255,8 Pindaros 265,14 Demokritos 222,2 Platon 223,9; 228,7; 232,14; 238,3; 272,15 Diogenes, Stoiker 248,14 Theophrastos 264,3 Empedokles 221,2 Ungenannte 229,5 (vgl. Josephi Sealigeri Epikuros 222,2 poemata, Berolini 1864 p. 146 u. d. Euripides 221,3; 230,6; 274,1 W. zav); 234,2 (vgl. Scaliger, das. Herakleitos 261,11 p. 127 u. d. W. uweos und Bergk, poet. Hesiodos 225,3 lyrie. p. 449 der dritten Ausgabe), 244,1; Homeros 232,10; 269,13 272,11 (vgl. Meineke, Analect. Alexan- Kleanthes 254,8 drina p. 46); 275,8 Kritolaos 239,8; 245,13 Die Abweichungen von der Tauchnitz’schen Ausgabe in Bezug auf Krasis und Elision sind auf Grund der mediceischen Handschrift vorgenommen worden. — In der Variantenangabe zu S. 232,14 lies: ovre npocyeL M En ER RER (En N an ee wi ” ©. WR TERN: ” DR Pr RR LET! ft Pa RN a N “ FRLER] RAR Cr Ya VERTRAT A AR je LEN % N en N 1 Er SUSUBIEE De ln a Hi ” Ma A AU ENLE KUN Anal A EN EL ' KIN i \ t MURNB SARA, Nun KRRU EN al A ee u ne Val Neuer)» % m Ey VaraR [8 Y RN y BaN N N RT TEL TERLT, Über einige tiernamen H"- W. SCHOTT. [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 4. Mai 1876.] D. finnische gelehrte Ahlqvist (Oksanen) gab 1871 ein werk in schwedischer sprache heraus, überschrieben “die eulturwörter der west- finnischen sprachen, ein linguistischer beitrag zur älteren eulturgeschichte der Finnen’!). Dieses verdienstliche werk hat sein verfasser 1875 in zweiter umgearbeiteter auflage und ausserdem zu gröszerer verbreitungs- fähigkeit in deutscher sprache erscheinen lassen?). Es ist ein gründlicher und parteiloser nachweis der fremden, namentlich germanischen, littauisch- lettischen oder slawischen abkunft vieler in den westfinnischen sprachen uns begegnenden wörter für begriffe die eine höhere als die niedrigste bildungsstufe voraussetzen, berührt sich daher einigermaszen mit dem v. Hehn’schen werke ‘eulturpflanzen und haustiere u. s. w., wie mit der sehr eingehenden beurteilung desselben von Tomaszek, die beinahe eine abhandlung für sich heissen kann. Während aber bei Ahlgvist nur Finnisch (im weiteren sinne) oder Nichtfinnisch in frage kommt, so bei den anderen herren ein ungleich weiteres feld der nachforschung, daher besonders herr Tomaszek möglichst viele sprachen Asiens, nicht immer glücklich, aber stets anregend zu rate ziht. Indem ich von meinem standort einiges zu ergänzen oder zu be- richtigen suche, will ich vorzugsweise tiernamen berücksichtigen. 1) De Vestfinska spräkens kulturord, ett linguistiskt bidrag till Finnarnes äldre kulturhistoria. 2) Die übersetzung besorgte ein deutscher Estländer der uns fast auf jeder seite das in seiner heimat so beliebte wort genuin (für ächt, ursprünglich, angestammt) bietet. Philos.- histor. Kl. 1876 (2” Abthl.). 1 2 ScHOoTT: Machen wir den bock zum ausgangspunkte. Herr T. möchte die- ses wort von der wurzel biegen herleiten und s. v. a. scheu oder scheues tier bedeuten lassen, indem er ein aus- oder abbiegen, daher aus- oder entweichen vermittelnd dazwischen schiebt. Kundgebung der scheu durch ausbiegen scheint nahe liegend, es ist mir aber kaum ein grund ersicht- lich, gehörnte tiere vorzugsweise nach scheuem wesen zu benennen. Soll das vorliegende wort also wirklich urdeutsch sein, so finde ich J. Grimm’s annahme, der bock von bochen gleich pochen d. i. stoszen ableitet, viel angemessener. Unbeachtet lassen aber die erwähnten herren — was ihnen doch gewiss nicht unbekannt war — die wiederkehr desselben wortes mit ge- ringer lautlicher abweichung in den slawischen sprachen wo es nur eine andere gehörnte tiergattung bezeichnet. Es ist das dyk der Russen, Polen u. s. w. für männliches rindvieh. Ob die Masyaren ir gleichbedeutendes bika den Slawen abgeborst haben, wie Ahlqvist (s. 4) annimmt, ist mir zweifelhaft, denn das helle ? wäre zwar ganz schicklich an die stelle des dumpfen, dem magyarischen organe widerstrebenden y getreten, aber der überhangende oder nachtönende vocal «a scheint anderswohin zu deuten). Es giebt nämlich, was man ebenfalls übersehen hat, ein den mei- sten dialeeten der türkischen sprache gemeinsames wort bugha, bogha in gleicher bedeutung, dessen ächtheit d. h. nichtentlehnung um so weni- ger verdächtigt werden kann als seine nebenform bughu bei Türkenstäm- men Innerasiens den männlichen hirsch, also eine dritte gehörnte tierart bedeutet. Ausserdem haben Mongolen und Tungusen bucha in der be- deutung ochse, bugu oder buch“ aber für hirsch oder rehbock, während die Mandschu-Tungusen den widder oder schafbock, also ein viertes ge- hörntes tier, buka nennen! Als namen eines fünften gehörnten tiers von derselben, nur abgeschwächten wurzel nenne ich das mongolische bügüng antılope! 1) Den bock nennen die Magyaren bak, also mit halbem o. An der deutschen ab- kunft dieses wortes wird man ebenso wenig zweifeln wie an der scandinavischen des fin- nischen wortes pukki, obgleich die Finnen auch pukkia stoszen und pukka stosz haben! Ob aber das kos (kos) der Magyaren für widder slawischer abstammung (wie bei Ahlgvist auf seite 13 und 16 zu lesen) ist mehr als zweifelhaft. S. w. u. Über einige tiernamen. 3 Der mongolische name des dommels oder rohrdommels, bucha sı- vaghun d. ı. ochsenvogel, erinnert an dessen brüllende stimme wenn er seinen schnabel in den sumpf steckt!), und das mandschuische bucha singgeri, mongolische buchalik chulughana, d. i. ochsenmaus wird von einer riesigen maus oder ratte gesagt deren angeblich chinesischen namen fe thö herr Wells-Williams in seinem Syllabie Dietionary mit beaver (biber) übersetzt. Von entlehnung des vorliegenden tiernamens durch Arier bei Ana- riern oder umgekehrt kann also schwerlich die rede sein?). Ausserdem bietet uns die Mandschusprache unverkennbar eine nebenform mucha(n) in muchasan, einem anderen namen des stiers, in dem verbum mucha-ndu gleichsam bestieren), von dem bespringen der kuh durch den stier ge- sagt, und endlich in muchan tascha für den männlichen tiger (tasche). Das wort kann also in dieser form die mares gewisser tiere ohne rück- sicht auf gehörnt oder hornlos bedeuten, wie bock im Niederdeutschen das männlein der maus (musbuck) und des kaninchens. Als parallele zu ochs-tiger diene ferner ochs-elephant (bucha-dsaghan), wie der Mon- sole den männlichen elephanten nennt). Eine sprachwurzel 5-% mit bald starkem bald schwachem binnen- vocal spielt aber in den meisten s. g. tatarischen sprachen eine sehr um- fassende rolle. Wie man aus der folgenden zusammenstellung ersehen wird, drehen sich die meisten, wo nicht alle bedeutungen dieser wurzel um binden (daher auch zaubern) und gebundenheit, daher festigkeit, strammheit, härte, stärke. Wollen wir also vorweltlichen zusammenhang mit unserem ‘bock’ annehmen, so müssen wir freilich Grimm’s ableitung 1) Daher ihn die Finnen ruovonpäristäjä& rohrpruster, rohrschnauber nennen. Das französische buior erklärt Tobler, auf schlagende analogieen gestützt, aus bruitor und er- hält so die bedeutung brüllstier. Auch die Magyaren nennen den rohrdommel geradezu bölömbika brüllochse und vizibika wasserochse; ausserdem heisst er magyarisch dobosgem trommelreiher. 2) Wie übrigens bogha u. s. w. an unser bock, so erinnert das türk. ogus, öküs an unser ochse! ®) An verwechslung der riesigen stoszzähne mit hörnern braucht man also hier nicht zu denken obgleich der elephant in Tibet ohne rücksicht auf geschlecht den namen glang- po che d.i. bos magnus erhalten hat. 1: 4 SCHOTT: des wortes fallen lassen und am sichersten den begriff stärke, widerstands- kraft zum grunde legen. Analogie böte hier z. b. im Hebräischen das von >’7 torquere abzuleitende >> robur, vis u. s. w., ferner >>® widder neben > Gott, beides aus einem, die begriffe biegen und stark sein aus- drückenden stamme. Das mongolische verbum bogho-chu (kalmykisch bü-chu) vereinigt in sich die bedeutungen umwickeln, binden, knüpfen, bändigen; bogho ohne zugabe ist verband und armband. Von ableitungen merke man: bogho-sz gebunden und schwanger (vgl. unser deutsches “entbinden’), bogho-! gebundener, sclave, bogho-mi knoten, schlinge, bogho-tsa bündel, strauchgeflecht, boghol-dsür kehlkopf, kehle, daher wieder bogholdsur-la ergurgeln, erdrosseln. In der bedeutung stark finde ich nur bokija. Mandschuisch ist bocht und buche-Lje einwickeln. Tungus. buku stark. Schwächung des stammvocals bietet sich uns in mongol. büge-le zaubern (faseiniren) und büge-ci schamane. Dagegen wird büge allein nur von physischer und moralischer stärke gesagt, b. giriketü starkherzig heisst brav, tapfer. Ableitungen: bügüng antilope, büke-le befestigen u. s. w., büke-Ik hart, stark, büke-rek fort, vigoureux. Von türkischen wortformen gehören hierher: bogh (bow) erwürgen und ersticken, boghum, boghun, boghnak knoten, boghuk verschleimt, heiser, boghu und bügü zauber, magie. — Von magyarischen wörtern: dog knoten mit seinen ableitungen, bogy in bogy-ol einwickeln; bi (aus büge) zauber. Der vocal a, oft geschwächt zu e (genau @) erscheint statt des u (@) in folgenden beispielen: Türkisch bagh lien, noeud, bagh-la binden, knüpfen und bezaubern (vgl. mongol. büge, magyar. bu), bagh-u band, binde, &aghly gebunden, bak, padk hart, fest, sehr; ım Uigurischen noch band, strick, befestigung, daher pek-le, pek-ıs, bek-Lik, bek-rü, bek-it. Uigurisch auch brk, jakutisch be (ohne k) und dija. Mit eingeschobenem r: türkisch berk fest stark. Monsolisch bak lasse, paquet, bakım fermement, solidement, bakimak fort, robuste, bak-si sich drängen, baksı-ma par groupes, en foule, u.s. w. Dann bek, beki, beki-tu, beki-le. Tungus. bak in bak-san bündel, bak-ga durch abkühlung oder kälte gebunden oder fest werden, daher gerinnen oder gefrieren (die kälte bindet, bäckt zusammen, wie die wärme löst). Hierher gehört mongolisch BR Ns, EEE Ns rc Aare ea E 4 ur Über einige tiernamen. 5 boghor-szak gebackenes, und wahrscheinlich auch das finnische pakkanen frost. Zusatz. Das mongolische bogda sanetus, venerabilis darf nicht von einer altaischen wurzel b-g abgeleitet werden, es ist erst durch verkünder des Buddhismus nach der Mongolei gekommen und nach meiner meinung nichts anderes als das sanskritische bhakta (von bhag) welches freilich in dieser sprache den verehrer, nicht das object der verehrung bezeichnet, und ist sonach dem Mongo- len etwas ähnliches passirt wie z. b. dem Niederdeutschen wenn er geisttreiber (geestdryver) sagt statt ‘vom geiste getriebener'. Wer damit nicht fürlieb nehmen will, der mag in bogda eine verkürzung und teilweise verbiegung des von derselben sanskrit- wurzel stammenden bhagavat sanctus, venerabilis erkennen. Mit binden und stärke hat aber bhag nichts zu tun. Ob nun die bedeutung umwinden, wickeln auf ein biegen, bücken zurückgeht, weil anfänglich mit einigermaszen widerstrebenden elastischen dingen d. h. natürlichen, nicht künstlichen bindemitteln wie ruten, gerten, umwunden, gewickelt und so befestigt wurde, will ich dahingestellt sein lassen, glaube aber den überraschenden einklang eines srundwortes zum ausdruck des biegens und bückens, einerseits mit dem eben besprochenen grundworte für binden u. s. w., andererseits mit dem indisch-germanischen bhug, bug, böj für fleetere, torquere nicht unerwähnt lassen zu dürfen), Starke formen. Mongol. bok in bokirchu krümmen, biegen. Türk. bughry neben bögrı (s. u.) Schwache formen. Mongolisch: bük in bükürkü, büküs-kikü, bükürlge, bügütsejkü, bügütseger; büggükü sich in hinterhalt legen, bügütür krumm, bucklicht, bügegi (gekrümmtes) krampe, haken, bügerenggü (durch biegen rund gemachtes, rund gebogenes) abgerundet, bügem etwas in kugelform gedrücktes; bükcım chalaghun (gleichsam niederbiegende) drückende hitze. 1) Vgl. die obgedachte ableitung des hebräischen 'ajil widder und € Gott von einem torquere bedeutenden stamme. 6 ScHortt: Türk. bük, bög, böj tordre, plier, flechir, courber. Daher bugry, bögrü vecourbe, de travers!). * Kommen wir auf das von Ahlgvist für slawisch erklärte kos (kos) der Masyaren mit ein par worten zurück. Nicht blosz die caghataischen Türken, sondern, wie das von Vämbery ans licht gestellte Kudatku-bilik ausweist?), die Uiguren selbst sagen koc und koekar; letztere nennen den tapferen mann kod-jüreklik d. ı. widderherzig. Eher haben also die Slawen ir kos in kosa, kosel (ziege, bock) von den Türken, als umgekehrt. Oder vielleicht besser: es besteht auch hier urverwandtschaft; denn das germanische gazs ist von kosa wohl kaum zu trennen. Was das magyar. keceske betrifft, so betrachtet A. dieses mit recht als verkleinerung und sieht in dessen kecs das turk-tatarische „S. Liegt aber die verwandt- schaft dieses wortes mit kod nicht nahe genug? Schon das s (Ss) des magyar. kos bringt dieses dem kod der östlichen Türken näher als den slawischen formen. Nehmen wir nun ratte, hamster und katze ins verhör. Die ersteren beiden namen sollen nach herren Tomaszek mit den Hunnen in Europa eingewandert sein. Von der sprache dieses volkes ist bekannt- lich nichts auf uns gekommen und das wort ratte finde ich in keiner mir zugänglichen sprache Asiens. Ob das althochdeutsche rato älter als die hunnische überflutung, kann ich zwar nicht nachweisen, brauche aber kaum zu erinnern dass nicht blosz alle germanischen sondern auch die 1) Als verwandte der Y in diesen bedeutungen erkenne ich das mandschuische meeh in mechumbi sich neigen, bücken, uigur. ek-il, westtürk. eg (ej) courber, baisser, woher ejri, ejrilik (auch in verbindung mit bugry). Und sollte das finnische mykky zusammen- gerollter zustand, hümpel, nicht eben dahin gehören? Vgl. endlich mongolisch mughai, mandsch. mejche schlange. 2) Meine anzeige desselben findet man in der Zeitschrift für kunde des Morgenlan- des, 1870, s. 288 ft. AR ’ Gh U he Y4 DR LACHT wie 23 2 Be ai a BNP Ur Pr Über einige tiernamen. 7 romanischen sprachen dieses wort besitzen, wogegen es gerade da nicht zu finden ist wo jenes wandervolk eine zeitlang geherrscht hat, z. b. bei Slawen und Magyaren. In Spanien verdrängte das wort ratte den latei- nischen namen der maus so gründlich dass man dort selbst die mäuse ratones d. h. kleine ratten nennt. Der Italiener sagt ratto neben topo (aus talpa maulwurf) für ratte und maus; aber das lateinische mus hat sich, wie es scheint, auch in Italien nicht fortgeerbt, es ist dort wie in Frank- reich der anderen lateinischen bezeichnung sorex (ital. sorce, franz. sourts) gewichen. Als euriosität sei bei dieser gelegenheit erwähnt dass die türkisch redenden Karagassen Sibiriens nach einem wörterverzeichnisse ires dialec- tes von der hand des sehr genauen Castren die maus (ob auch die ratte?) mürj-dske nennen!). Nach abzug des ganz unzweifelhaft verklei- nernden anhangs bleibt märj mit erweichtem d. i. von schwachem jod unzertrennlich begleitetem ». An entlehnung aus dem Russischen ist hier nicht zu denken, denn russisch heisst die maus mysj (mbims), nicht myr7, und für mäuslein (kleine maus) sagt man nie anders als myska (msimka). Was das dske des karagassischen wortes betrifft, so ist dieses ein selbstän- diges diminutiv, und begnüge ich mich hier auf das vierte und fünfte heft meiner Alt. studien zu verweisen wo die sehr auffallende überein- stimmung finnischer und tatarıscher verkleinerungsendungen mit slawo- germanischen, eine übereinstimmung die unmöglich auf entlehnung be- ruht, an verschiednen stellen hervorgehoben ist. Das wort hamster haben Engländer und Franzosen ohne jede antastung seiner form uns Deutschen abgeborgt, die alten Deutschen wahrscheinlich den Slawen. Russen und Polen besitzen für dieses tier zwei sehr verschiedne bezeichnungen von denen wieder die zweite russische mit der zweiten polnischen durchaus nichts zu schaffen hat. An ein alt- slawisches chomyestar' (althochdeutsch hamastro und hamistro) schlieszt sich das chomjak (xomar®%) der heutigen Russen, chomik der Polen. Daneben sagen erstere auch karbys (Rap6sims) und letztere skrzeczek. Karbys erweckt mir den verdacht tatar-türkischer abkunft; sAkrzeczek aber, dessen weibliche form (skrzeczka) neben der männlichen als familienname 1) Vergl. lateinisch mus, im genitiv u. s. w. mur! 8 SCHOTT: vorkommt, scheint verwandt mit crie in dem italien. ericeto für hamster (woher mus cricetus)!). Da altslawisches ch in nichtentlehnten wörtern aus älterem s entstanden, so vermutet Grimm in dem betreffenden artikel seines Deutschen Wörterbuches, hamster könne mit dem sanskrit. sam (latein. cum) und althochdeutschen samanöon zusammenhangen und s. v. a. sammler, aufspeicherer bedeuten. Herr Tomaszek nimmt mongolischen ursprung des wortes an, ohne zu beachten dass es, wie das vorhandensein einer althochdeutschen form ergiebt, den Slawen in einer zeit entlehnt sein muss, als diese und die Mongolen einander noch fern und fremd waren. Dann betrachtet er die wurzel chom—=ham als identisch mit dem gleichlautenden mongol- schen substantive welches nach Kowalewski ein unter den saumsattel gelegtes stück filz, auch ein halsband bedeutet und welchem (setze ich hinzu) in der Mandschusprache komo entspricht. Dieses erklärt das wör- terbuch Sän hö pjan lan chinesisch durch lö-thö-thi, nach Wells-Williams eine decke aus kameelhar (lö-thö kameel). Als abgeleitet von demselben srundworte könnte man das russische chomaut (xomym»), unser kummet, betrachten und mit herren T. an die einem halsband oder kummet ähn- liche (?) zeichnung um den hals des hamsters denken. Aber kummet muss, da es sich schon im 12ten jahrhundert verzeichnet findet, gleich den an- klingenden slawischen wörtern für hamster, aus vormongolischer zeit dati- ren, und wollten wir auch diesen umstand nicht benachdrucken: wie sollte der alte Slawe, um das fragliche tier zu benamsen, gerade das mongolische wort für kummet oder halsband gewählt haben? Der mon- golischen sprache scheint übrigens ein wort für hamster ganz zu fehlen. Sollten aber chomut und kummet wirklich nur scheinbar von dem chom der Mongolen abstammen? Darauf weiss ich nur die erwiederung dass ein erstes anrecht sehr ungleichartiger sprachen an irgend einen ge- meinsamen besitz ins dunkel unerforschter vorwelt sich verliert. So kehrt z. b. vorerwähntes grundwort des sammelns oder zusammenseins unver- 1) Nach analogie des russischen kpsi.ro neben dem polnischen skrzydlo (Hügel), russ. xpemeus kiesel neben den poln. formen krzemien kiesel und skrzemienie zum kiesel machen, polnischen Kkrzypie neben skrzypiE knarren u. Ss. w. muss skrzeezek auf kreczek (wurzel krek) zurückgehen und bezeichnet das tier wohl nach seiner stimme. ES N ch ran a TEE RE Über einige tiernamen. 9 kennbar wieder in dem cham oder kam der Mongolen welches wörter wie cham-uk gesammtheit, cham-tu vereint, cham-sa und cham-su sich vereini- gen u. s. w. erzeugt hat!). Diese bemerkung findet man übrigens bereits in meinem artikel: “Über mongolische und indisch-europäische sprachwurzeln’ (Monatsberichte der Academie, jahrgang 1851, s. 199 ff.). In alten quellen wird “hamster auch für “kornwurm’ gebraucht. Grimm sagt hierzu in obigem artikel: “Wenn sich mit diesem worte in Deutschland nur der allgemeine begriff eines dem getreide schädlichen tieres verband, dann konnte es in gegenden (Deutschlands) wo der ham- ster nicht bekannt war, auch auf den kornwurm bezogen werden’. Als parallelen führe ich an: das deutsche wolf im sinne von rups raupe bei den Holländern, und das türkische kurt wolf im sinne von wurm. Von der katze nımmt herr T. an, ir lateinischer name habe sich über den Orient wie über Europa verbreitet, und das wort sei identisch mit catus schlau. Was die verbreitung im Orient betrifft, so können hier ausser den Grusiern und Armeniern wohl nur gewisse Türkenstämme, besonders die Osmanen in betracht kommen deren ‚sAS kedi (genau kadı) dem grusischen kat! und neugriechischen xardı zunächst steht. Eine ungeheuere strecke liegt aber zwischen der angenommenen westlichen heimat dieses wortes und seinem ganz vereinzelten vorkommen im äussersten festländischen osten, wo es bei den Mandschu und wohl- bemerkt bei diesem tungusischen stamm allein, wieder auftaucht und zwar in ebenso deutlicher verkleinerungsform wie mürjdske maus bei den Ka- ragassen Sibiriens (s. 0.)! Das kasıke der Mandschu, seit unbestimmbarer zeit irer sprache angehörend und unserem deutschen kätzchen über- raschend formverwandt, wird in den mandschuisch-chinesischen wörter- büchern durch Ah mjäo erklärt was nie eine andere bedeutung hat als felis catus. Dieses käsike bildet mit fatcha fusz dahinter den namen einer pflanze die auch wir katzenpfote nennen, angeblich des gnaphalium dioi- cum. Chinesisch heisst sie mj@o-kjö-tshai d. i. katzenfuszkraut?). Ferner !) Im ältesten türkischen sprachdenkmal Kudatku-bilik finden wir Y kam für zu- sammenfügen, binden (s. 221 der ausgabe Vämbery’s). 2) Die Mongolen nennen sie bulagan tabak marderpfote, die Tibeter bji-sder, was ebensoviel sagt. Philos.- histor. Kl. 1876 (2° Abthl.). 2 10 SCHOTT: nennen die Mandschu ein nicht näher zu bestimmendes tier kasıkdn, hierin den Mongolen nachahmend die dasselbe wesen miguisu (von mıgui katze) benamsen. Hiernach müsste es der katze ähnlich sein?). Andere ostasiatiısche namen des felis catus habe ich im fünften hefte meiner Altaischen studien (s. 34) besprochen und begnüge mich daher hier mit einigen zusätzen. Dem nordchinesischen, das geschrei Hinzens so vortrefflich malenden mjao, mjau entspricht in Südchina meu welches dem mıyur oder miu und bloszen m? der Mongolen näher kommt. An unser miez, miezchen erinnert lebhaft das nur mit verkleinerndem anhängsel gebrauchte misek, mysyk osttürkischer stämme. Den Tibetern muss die katze am längsten fremd geblieben sein, denn sie besitzen kein heimisches wort für dieselbe das nicht nebenbei mehrere sogenannte nager, wie ratte, wiesel, marder, maulwurf bezeichnet, oder sie bedienen sich » 7 > 72 des persischen „2 pesi?). Näher zum hamster gehört die grosze wühlratte tarbaga(n), die marmotta alpina der zoologen von welcher eine ganze landstrecke der Mongolei den namen Tarbagatai d. ı. marmottenbegabt erhalten hat. Herr Tomaszek vergleicht das lateinische Zal/pa maulwurf, mit dem es aber wenigstens unmittelbar nicht zusammenhangen kann. Eine wurzel tarb bietet uns das mongol. wörterbuch sonst nur in Zarbagi (mandschuisch 1) Das wörterbuch San ho pjan län erklärt dieses geschöpf für das FA li der Chi- nesen d.h. ein obscurum durch ein obscurius. Indem einer der compilatoren des nach Khang-hi benannten chinesischen wörterbuches einer alten mythischen erdbeschreibung (dem S’än hai king) nachfabelt, dieses tier sei männlein und weiblein zugleich und der genuss seines fleisches schütze gegen eifersucht, bekennt er sich als abergläubischer igno- rant. Aus der vorangehenden bemerkung, es gleiche dem je li, kann nichts gefolgert werden weil dieses andere % ebenso wohl fuchs als katze u. s. w. bedeuten kann. Wilmans will wissen das AH sei eine art zibetkatze, gefleckt wie der leopard, und habe weiland in Hu-nan gehaust. 2) Nicht viel weniger unbestimmt ist das in voriger anmerkung erwähnte 7 der Chinesen, und schwankend war bekanntlich auch die bedeutung des lateinischen felis. Über einige tiernamen. 11 tarbalgı) für eine art raubvogel. Das fruchtbare etymon darb mit d muss hier abgewiesen werden, da der Mongole mit d und £ anlautende stämme nicht verwechselt, auch die bedeutungen desselben hier nicht passen. Dagegen bieten uns die finnischen sprachen tarb und tarp in den auf die lebensweise des tiers überaus anwendbaren bedeutungen wühlen, aufrüh- ren, aufstören, wie ıch auf der vorletzten seite meines Finnisch-tatarischen Sprachgeschlechts (1849) bereits erinnert habe!). Das turb oder zurb der magyarischen verben turbokolni und zurbolni herumstören, (wasser) trüben, könnte eher, wie unser Zurb in turbiren, lateinisch sein, obgleich Fabian in der magyar. zeitschrift Nyelveszet (heft 1, s. 301) zurbolm ohne umstände neben das finnische tarp stellt. Vielleicht darf man übri- gens Zarb von tarbaga in dem osttürkischen tarb sich brüsten, grosztun, woher tarbagaı grosztuer und händelsucher (zunächst wohl wühler, stän- ker?) wiedererkennen. Das mandschuische tarbacht, welches Gabelentz nach Amiot mit biber übersetzt, ist nach dem wörterbuche Sän hö pjan lan nichts anderes als unser farbaga. Ein ihm zur seite stehendes chinesisches Ai In tha-ör sowohl als th& allein erklärt man durch otter (lutra) und biber; es scheint also faute de mieux auch das nur verwandte alpine murmel- tier bezeichnen zu müssen. Dass thä-or (tha-rh) gewaltsame abkürzung von tarbaga, wäre eine bedenkliche annahme; denn th& für sich allein heisst schon dasselbe was thd-ör, da die zweite silbe im nördlichen China einfachen substantiven überhaupt gern zugegeben wird, ohne etwas an der bedeutung derselben zu ändern?). Auch passen die beschreibungen welche chinesische werke von dem ih& geben, nur auf die fischotter (lutra). 1!) Das lateinische turb ist dem talpa derselben sprache lautlich bedeutend fern. ?2) The number of simple substantives is much diminished in the northern provinces, by the frequent use of the suffix Bi Edkins’ Grammar of the chinese colloquial lan- guage, s. 101. 16% SCcHoTT: Zu dem artikel "pferd’ sei bemerkt: Dass at, die gewöhnliche türkische bezeichnung, auch bei den Mongolen vorkommt, habe ich bereits im meinem “Versuch über die ta- tarischen sprachen’ (Berl. 1836) angedeutet: sie findet sich unverkennbar als stamm in adagu oder adugu heerde, adagusun vierfüssiges vieh über- haupt, adaguci hirt, insonderheit pferdehirt. So hat das wort tier im Englischen (deer) die sehr eingeschränkte bedeutung 'rotwild'. Das dte, äti der Jurak-Samojeden ist gattungsname des rentiers (cervus tarandus) während ir mar für unverschnittene rentiermännchen an unser "märe’ und das mongolisch-tungusische morin, morje (pferd) anklinst!). Dass ta neben, vielleicht vor at im gebrauche gewesen ergiebt sich mit wahrscheinlichkeit aus dem te (t@) des türk. tewe, mongol. teme kameel, welches letztere uns nur diminutivisch (temegen, temen) begegnet, dem tau, tauch und tloch der Ostjaken, /ov und /ö der Masyaren für pferd?). Das rta der Tibeter lautet im gemeinen leben auch ia mit un- terdrückung des r. Dem hepo, hobo, obo der Finnen und Esten will herr Ahlgvist, an das scandinavische happa, hoppe für stute erinnernd, germanischen ursprung unterlegen, übersieht aber das üöbhe, öbtje der Jurak-Samojeden für pferd überhaupt. Einen tarban kann ich aus keiner tatarıschen sprache belegen. Ilminski’s kirgisisch-russisches wortregister bietet uns nur Zarman, was schwarzgraue pferdefarbe mit gelben Hecken (wohl auch das pferd selber sofern es diese farbe hat) bedeutet. Ein anhängsel zum pferde bilde der verwandte esel, nach welchem wir uns bei Tungusen und Samojeden vergebens umsehen und dessen mongolisch-türkischer name von jedem pferdenamen der betreffenden sprachen weit sich entfernend®), an unseren arisch-europäischen eselnamen 1) Ob dieses aber die 'grundlage für alle in den einsilbigen sprachen vorhandenen bezeichnungen’ sei, wie herr T. (s. 522) meint, unterliegt groszen bedenken. 2) Sollte ta nieht den trab der pferde versinnlicht haben wie seine verdoppelung in dem französischen kinderworte tata? 3) Der Japaner nennt den esel von seinen langen ohren usagi müma hasenpferd. 3 F 2 4 . ur A NER en DV A en Da N EREN he a Rn, Ane RE ee Bon Bann {3 PR we ar Über einige tiernamen. 13 auffallend anklingt. Das türkische esek ist mir schon längst als eine ab- kürzung des mongol. e/gi-ken d. i. asellus erschienen, eines offenbaren diminutivs, wie z. b. fteme-gen für teme kameel u. s. w. Neben elgiken konnte, ja kann schon im Mongol. egeken oder egike vorkommen da man z. b. stulgirekü und sigirekü (zerkochen) neben einander findet, und im Türkischen ist ausstoszung eines / vor zisch- und anderen lauten (vgl. o-sun neben ol-sun esto, ge-tir für gel-tir bring) noch viel häufiger. Nehmen wir nun mit herren Tomaszek an, der europäische name sei hochasiatischen ursprungs, so muss e/gi (genau algi) nach abzug der verkleinernden zugabe und versetzung des /-+g sein g in s gemildert haben; nur im englischen ass wäre das in folge seiner versetzung einige- mal zu n abgeschwächte ! (asin, griech. @—örv) ganz untergegangen, vielleicht assimilirt. Grimm, der das turanische wort nicht kennt, entscheidet sich im Wörterbuche für ein / der ableitung welches mit dem verkleinernden / ım lateinischen asellus nur zufällig einklänge. Derselbe ist übrigens weit entfernt, semitischen ursprung des namens esel anzunehmen zu welcher annahme auch das hebräische dthön und arabische atan für eselin keines- wegs berechtigen. Schlieszlich sei noch dem von herren T. unberührt gelassenen hunde einige aufmerksamkeit geschenkt. Wenn Grimm in seinem Wör- terbuche das diesem worte zugegebene d den Indogermanen eigentümlich nennt, so erleidet dies ausnahmen in dem jando, jandu der Samojeden, inda der Mandschu, und jida oder ı£ östlicher Turkvölker. Das wahr- scheinlich wesentlichere n fehlt in keiner indogermanischen form, und auch die mit den Mandschus näher verwandten Tungusen, die Samojeden, Mongolen und Japaner haben es bewahrt. Bei Mongolen und Japanern ist es sogar der allein übrige consonant des wortes. Man könnte versucht sein, die mongolischen formen nuchat, nochot, nokoi hier abzuweisen, stünden ihnen nicht inakin und indachün der Tungusen zur seite. Erstere erscheinen nämlich verglichen mit den 14 SCHOTT: letzteren als krüppel ohne initialen wurzelselbstlauter (der ? gewesen sein muss) und mit verkommenem anhang zum stamme. Dieser anhang, von welchem nz, wie der hund in Japan heisst, sich frei gehalten, ist aber nichts anderes als verkleinernde zugabe: inda-chiün, ina-kin heisst hünd- chen, hündlein, also auch no-chor u. s. w., was sofort einleuchten muss wenn man das zu anfang beseitiste ? wieder herstellt). Den platz geräumt hat das n vorliegenden wortes dem f oder d in den osttürkischen formen jida, it statt jinda, int. Das j in jıda ist nur schwacher eonsonantischer anlaut; es wird stärker vernehmlich in dem schon erwähnten jando der Jurak-Samojeden neben welchem Oastren aber auch »ueno, vueng, und bei den Jenisejern buno und bü ohne n hörte; der ursprüngliche kehllaut (%, 7) ist einem schwachen oder starken lippenlaute gewichen. Diese formen und das punu der Wotjaken bahnen uns den weg zum peni der westlichen Finnen?). In den samojedischen und einigen ugrischen sprachen tritt über- haupt ein weicherer oder härterer lippenlaut gern an die stelle eines kehllauts. Nun denke man Ah oder % statt des v oder 5, so ergiebt sich als ältere form huen, hun, kuen, kun, und die verwandtschaft mit hund, can-is (vgl. jando), #Uwv (Y zuv) liegt am tage. Die chinesische sprache hat für hund zwei, mit k und kh anfan- sende wörter: An keu, ın Canton kau, und Zi khjuan, in Canton hun. Das erstere ist offenbar onomatopoetisch und mag man unser kauzen vergleichen sofern es latrare bedeutet?); das andere kann blosze er- weiterung des ersteren sein, aber möglicher weise auch altes wurzelhaftes n bewahren und kommt alsdann einem wie kvan gesprochenen sanskriti- schen zpzf svan am nächsten. In diesem fall wäre kw das urchinesische, khjuan aber das später aufgenommene wort®). 2) Bevor ich das mongolische wort verlasse, sei noch ein kleiner irrtum des herren T. berichtigt: die von ihm beiläufig (s. 535) erwähnte pflanze nuchai-jin chosigu (nach Kowalewski gerste und spelz) heisst hunde-sehnauze, nicht hunde-gras. 2) Also sind peni und it urverwandte wie sehr sie sich ob totaler unähnlichkeit dawider sträuben mögen! °) Ebenso scheint z. b. das brüllen der rinder in ’F- neu (ngau) rind, das roren des parders in 33 phao (phou) parder dargestellt. #) Beachtung verdient auch das wie ein bruchstück von khjuan sich ausnehmende khji der Tibeter! Über einige tiernamen. 15 ‘Der gewöhnliche indisch-europäische name des hundes mag also in irgend einer vorzeit aus den ursitzen der arischen völker zu den so- genannten Turaniern im weitesten sinne gekommen sein. Ganz selbstän- dige ausdrücke für hund haben von diesem völkergeschlechte gerade nur die uns am nächsten gerückten westlichen Finnen (koira, koer neben peni), die Magyaren (kufya) und die oszmanischen Türken (köpek). Mit dem 4 magyarischen kuiya vergleiche man si placet das estnische kutsik junger hund oder wolf!). Die Ostseefinnen kennen zwar hunti, hunt; in wenig veränderter germanischer form, aber im süden des finnischen golfes ist es gleichbedeutend mit sıusz wolf, und im norden desselben mit faullenzer. Jetzt noch einige zerstreute bemerkungen: S. 521. Zu g-r gehört das mongolische ger haus. Man vergleiche ausserdem Grimms Wörterbuch unter ‘garten’, ferner %cgres, hortus, und das hebräisch-arabische "73 ‚A>. Alles geht auf künstlich (nicht natürlich) eingeschlossenes stück erdreich, bestehe nun der einschluss aus heeken, pfahlwerk oder mauer. Das sanskritische garta ist aber höle allein. ; Ebds. Wegen myrkky gift sehe man Ahlqvist’s mehrerwähntes werk, s. 71. Was hat indessen die übereinstimmung aller westfinnischen wörter für ‘gift’ mit dem umstande zu tun dass der Arier (also Nicht- 7 Finne) seine pfeile mit gift bestrich? Ebds. Kommt das türkische agu gift wirklich von einer (nicht nachgewiesenen) wurzel des schmierens, bestreichens? Und ist es wirklich nur eine andere form von jag (jau)? Oder ist die butter zum schmieren } erfunden, obgleich man etwas damit beschmieren kann? S. 523, z. 12. Man vergleiche kapphahn, kappaun, und Grimm s unter beiden. Das estnische kabun ist deutsches lehnwort, denn castriren (walachen) heisst rımama (von ruum walach) oder kohitsema. Übrigens 1) Die in so vielen benennungen des hundes, ob sie unter sich verwandt oder nicht, = sich geltend machende vorliebe für k als anfangslaut ist wenigstens merkwürdig! 16 SCHOTT: lautet die wurzel dieser operation in den samojedischen sprachen nicht blosz häb, sondern auch kop und kuop! Zu s. 525. Über ‘hahn’ vergl. man den betreffenden artikel in Grimm’s Wörterbuch, wo es heisst: “Unangefochten ist die deutung seines namens als rufer, sänger, nach latein. can-ere, welches nach den gesetzen der lautverschiebung genau entspricht. Dass es auf eine bedeu- tung wie klein oder jung zurückgehen könne verdient nicht ernstliche erwähnung, Zu den schallmalenden namen von vogelarten vgl. Schott’s Alt. studien, heft 3, s. 119 ff. Zu s. 528. Vgl. Grimm unter “butter'. Das türkische bütin heisst ganz, alles, bütür ganz machen, vollenden, von büt fertig werden, zu ende kommen. Ein abgeleitetes wort im sinne von coagulatum, for- magıum lässt sich nicht nachweisen: sich verdichten heisst kojul, von koju dick. Das slawische twarok ist unser quark. Was versteht der verf. EN aber unter einem "ähnlichen begrifflichen ausgang’? Ebds. In welcher sprache heisst seife s. v. a. schäumig, speichel- artig, blasenwerfend? Der türkische verbalstamm sap bedeutet "vom wege ablenken’, das mongolische saba wolle krämpeln, das mandschuische sabu erscheinen und kund geben. Das finnische savi bedeutet lehm, leim, kleister, ebenso das offenbar verwandte mongol. savagu. Wenn der Mon- gole die seife sabung, der Kirgise sabyn, der Kamasin-Samojede savan, der Mordwine sapyn nennt, so stehen diese ww. isolirt und verkünden unmittelbar oder mittelbar europäische abkunft. Das mordwinische sov schaum (woher sovzan schäumen) kann schwerlich mit sapyn u. s. w. in verbindung gebracht werden. Zu s. 531. Dem kosi, kusi der Mongolen entspricht Auus! der Finnen! „Jenes übersetzt Kowalewskı mit ceder', "sibirische fichte’. Beide vermutungen über den ursprung sind unhaltbar. Wie eine aus- beinung des mongol. oder finn. wortes bietet sich das Aüe, tjüe einiger samojedischen sprachen, nach Castren fichte und kiefer!). !) So entspricht im Samojed. sö und siei herz dem finnischen sydän (magyar. sziv), si kohle dem finnischen syte (sysi), be und bi’ wasser dem finn. vete (vesi) u. Ss. w. Über einige tiernamen. 17 Zu s. 532. Das deutsche wort sehne giebt herren T. veranlassung in einem unermesslich verbreiteten grundworte für ziehen, spannen, dehnen ein par augenblicke zu stöbern. Wir würden ihm vor allem Grimm unter ‘dehnen’ empfohlen haben. Beiden herren ist es aber entgangen dass hier schon die chinesische sprache zu #n wie zu ? mit bloszem vocal ir contingent liefert. Dieses folge hier: FE thö ziehen, führen; =) than wohin reichen, sich erstrecken, weit ausgedehnt, allumfassend; Yin tan den bogen spannen, schieszen. Daran reihen sich: das tibetische ‘Then ziehen, tungusische /än neben tatan, mongolische son (für ton). Ein t als schluss- consonant des stammes bieten uns: das mongolische und mandschuische tat(a) ziehen, spannen u. s. w., türkische Zata oder dada an sich ziehen, locken; tat kosten, versuchen, und als substantiv geschmack; endlich mit eingeschobenem r: Zart (tatar-türkisch) ziehen, woher »5,&5 schlitten, und oszmanisch wägen, weil das gewicht den zu wägenden gegenstand zieht, oder umgekehrt. Unverständlich ist mir folgender ausspruch: "grundform thwana gedehntes, von mongol. ta-ta-cho ziehen, spannen, neben sono-cho sich dehnen‘. In welcher sprache heisst thwana gedehntes, und wie könnte dies von dem Zatachu der Mongolen abstammen ?! Zu s. 534. Hanf heisst tibetisch glso-ma, btso-ma und so-ma. Das entsprechende chinesische wort ist Mike ma. FR si ist die hirse; T chü wird für Boehmeria tenacissima erklärt. Zu s. 536. Dem finnischen (Suomi)-worte ruoho (estnisch roht, rohhi, röh) entspricht fast buchstäblich das orcho der Mandschu, orökto der Tungusen, alles im sinne von gewächs, kraut, pflanze, und ohne zweifel auch das türkisch-mongolische uruk welches nur die übertragene bedeutung angestammte, blutsverwandte, stamm, familie bewahrt. Vgl. unser stamm. Die ursprüngliche gleichheit des ro- und or-, ur- erhellt schon befriedigend aus dem umstande dass nur die finnisch- uralische gruppe der tatarischen sprachen das r als initial verträgt. Die grund- bedeutung wird man aber nicht auf tatarıschem, sondern auf arischem gebiete zu suchen haben: ich erinwere nur an die sanskritische wurzel gI® vrih crescere, das slawische werch oberteil u. s. w. Angi axt, beil (auch diminutiv angekü) ist nicht mongolisch, son- dern mandschuisch; die Mongolen sagen dafür ölida, öl. Gewiss aber hat angısun, angusun anspruch auf abstammung von jenem. Phalos.-histor. Kl. 1876 (2" Abthl.). 3 18 SCHOTT: Das mongolische Aünde umwühlen, bewegen, reiht sich an das finnisch-estnische kynte, künd pflügen. Zu s. 537. Das mongolisch-türkische tegermen, dejirmen mühle steht mit ogor mörser nicht in verwandtschaftlicher beziehung, sondern geht auf eine wurzel des drehens, kreisens zurück, die im Türk. teker-le rollen, teker-lek vad, dejirmi (sonst tegirmi) rund u. s. w. erzeugt hat. Mongolisch tegere umwenden, umkehren. Zu s. 538 verweise ich auf die altajischen feuer- und brenn-wurzeln im dritten und vierten hefte meiner Altajischen Studien. Ferner vergleiche man wurzeln des glänzens und leuchtens in meinem Finnisch-tatarischen Sprachengeschlecht, s. 340—343, und 424. Den formen auf Ib ist (s. 340) noch das jakutische Arlbeje glänzen neben krler glänzend anzureihen. Auf seite 341 sind vergessen: das finnische vl (inf. velata) glimmen, blinken, samojedische jal glänzen, mongolische gula für jula meche, lampe. Über einige biernamen. 19 Zugabe. Meine oben angeführte bibliographische anzeige des Kudatku-bilik in der morgenländischen zeitschrift ist reich an setzfehlern, da ich leider nicht selbst corrigirt habe. Hier nur die wesentlichsten. S. 288, z. 1 von unten steht sprachphilosophie und z. 10 sprachweisheit statt spruch... S. 290, z. 15 v. o. vor-ısämisch statt vor-ıslämisch. Ebds. z. 25 ist das wort sonst auszustreichen. S. 293, z.9 v. u. lese man ucdy statt nedy! Ebds. z. 20 v. u. offenbar statt offen. Berichtigung. Über das T° des chines. namens der vorerwähnten Boehmeria tenacissima gehört noch +7- das classenhaupt pflanze. 3 vn Ki IN r sm TREE) EN ATI IERENES SHINE nu Mi ) N Ni ale 4 i Si Li ir r re, 2 ! N, = x BIRTR, a HN Ka A a Nr Zur (Geschichte des Athenischen Staatsschatzes im fünften Jahrhundert. Von ja a. KIRCHHOFF. [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 14. December 1876.] Zu den Untersuchungen, deren Ergebnisse ich mir im Folgenden vorzulegen erlaube, bin ich veranlalst worden durch die Einwendungen, welche gegen meine chronologische Bestimmung der im C. 1. A. I unter n. 32 eingeordneten Urkunde erhoben worden sind. !) Diese für unsere Kenntnifs durch ihre Praescripte nicht hinreichend datirte Urkunde hatte ich in das Jahr Ol. 86,2 gesetzt und diese Setzung zunächst in der Weise begründet, dafs ich erstens nachwies, sie müsse älter als Ol. 86,3 sein, und zweitens darthat, der auf ihr enthaltene Volks- beschlufs könne nur im zweiten Jahre einer Olympiade gefalst worden sein. Diese Punkte werden nicht beanstandet, und ich wülste auch in der That nicht, was sich gegen diese Aufstellungen Begründetes vorbrin- gen liefse. Da nun der Volksbeschlufs unter Anderem die Inventarisirung des Tempelschatzes der Athena und die jährliche Veröffentlichung der auf- genommenen Inventare für die Zukunft anordnet, die uns erhaltene Reihe der veröffentlichten Inventare aber für die drei Gelasse des Pronaos, Heka- tompedos und Parthenon übereinstimmend mit Ol. 86,3 anhebt, von älteren Inventaren irgend eines dieser Gelasse durchaus keine Spur vorhanden ist, so folgerte ich drittens, weil es unwahrscheinlich sei, dafs hier ein blofser Zufall obwalte, es müsse das zweite Jahr einer Olympiade, in dem 1) G. Loeschcke De titulis aliquot Atticis quaestiones historicae. Bonn 1876 p- 1—11. 29 A. KIRCHHOFF: Zur Geschichte der Beschlufs gefafst worden sei, eben das zweite Jahr von Ol. 86 und keiner anderen gewesen sein. Hiergegen wird bemerkt, das Unwahrschein- liche bleibe doch an sich möglich, und müsse darum selbst als thatsäch- lich anerkannt werden, wenn der Nachweis geführt werde, dafs der Be- schlufs in Ol. 86,2 aus anderen Gründen gar nicht gefalst sein könne. Ich gebe dies vollkommen zu und beanspruche dafür nur meinerseits das Zugeständnifs, dafs, wenn es nicht gelungen sein sollte, jenen Nachweis zu führen, das an sich Unwahrscheinliche eben unwahrscheinlich bleiben und es bei meiner Setzung der Urkunde in Ol. 86,2 lediglich sein Bewenden haben müsse. Jener Nachweis nun, um den es sich demnach allein handeln kann, setzt sich aus folgenden Elementen zusammen. Unser Volksbeschlufs erwähnt als eben geschehen der Zurückzah- lung einer Anleihe von 3006 Talenten, welche beim Tempelschatz der Athena erhoben worden war, an die Göttin, und ordnet die Modalitäten an, unter denen dıe ebenfalls bereits beschlossene Zurückzahlung von ce. 200 Talenten, welche den Tempelschätzen der anderen Götter entnommen worden waren, an die Eigenthümer zu erfolgen habe. Offenbar, wird nun ausgeführt, falle der Zeitpunkt dieser Rückzahlungen zusammen mit dem- jenigen, um welchen der auf der Burg angesammelte keservefonds des Staates seinen höchsten, von Thukydides auf 9700 Talente bezifferten, Stand erreichte, von dem aber zunächst nicht feststeht, wie weit er vor den Beginn des Peloponnesischen Krieges zurückzudatiren ist. Auch ich halte dies für durchaus wahrscheinlich, und werde deshalb in den fol- genden Ausführungen von dieser Annahme als einer nicht zu bestreiten- den oder von mir wenigstens nicht bestrittenen Praemisse unbedenklich ausgehen. Weiter aber bezeuge derselbe Thukydides ausdrücklich, dafs jener Reservefonds bereits zu Anfang von Ol. 87,2 auf 6000 Talente zusammen- geschmolzen gewesen sei. Werde das Datum der Urkunde aber auf Ol. 86,2 gesetzt, so müsse angenommen werden, dafs in dem Zeitraum von drei Jahren, Ol. 86,5—87,1, der Staat aufser den laufenden Jahresein- nahmen die Summe von 3700 Talenten aus dem Reservefonds zur Be- streitung seiner Ausgaben verwendet habe. Selbstverständlich stimme ich zu; ich gehe sogar noch weiter und behaupte: da die Tempelschätze der des Athenischen Staatsschatzes im fünften Jahrhundert. 23 Athena wie der anderen Götter ihre laufenden und regelmälsigen Ein- nahmen hatten, durch deren Zugang das Capitalvermögen jährlich einen Zuwachs erhalten mulste, wenn jene die nothwendigen Verwaltungsaus- gaben nicht nur deckten, sondern überstiegen, so müssen unter den ge- gebenen Voraussetzungen in dem Zeitraum jener drei Jahre nicht nur 3700 Talente, sondern um so viel mehr dem Reservefonds auf der Burg entnommen worden sein, als während desselben Zeitraumes die Ueber- schüsse von den Jahreseinnahmen der Tempelschätze betragen haben. Da aber nach Ausweis der Urkunde C. I. A. I p. 149 die Athener während der elf schweren Kriegsjahre Ol. 87,2—89,4 (genauer 86,4—89,2) nur die Summe von nicht mehr als 4750 Talenten aus dem “Schatze entliehen haben, so sei unmöglich zu glauben, dafs in den drei Jahren Ol. 86,5—87,1, in welchen sich die Ausgaben des Staates lange nicht so hoch belaufen haben könnten, wie im den folgenden Kriegsjahren, die Summe von 3700 Talenten (oder gar, wie ich setze, mehr) aus dem Re- servefonds entnommen worden sei; folglich müsse der Zeitpunkt, um welchen 9700 Talente auf der Burg vorhanden waren, und damit das Datum unserer Urkunde weiter zurückverlegt werden und könne das letztere nicht Ol. 86,2 sein. !) Ich würde der Schlufsfolgerung zustimmen müssen, wenn ich die sie vorbereitende Behauptung für richtig anerkennen könnte. Dies zu thun ist mir aber darum einfach unmöglich, weil sie, wie ich zu sehen glaube, auf nicht weniger als drei, zum Theil recht schweren Irrthümern beruht. Abgesehen davon, dafs die Summe von 4750 Talenten, welche einen Faktor in der Rechnung bildet, durch ein Versehen oder eine Ueber- eilung zu niedrig angegeben worden ist, worauf indessen weniger ankommt, beruht die Behauptung einerseits auf einer irrigen, weil weit unterschätzen- den Vorstellung von dem Umfang der Mittel, welche der athenische Staat für die Zwecke der Kriegführung aufzubringen hatte und aufgebracht hat, 1) Auf die weiteren Combinationen, durch welche nachgewiesen werden soll, dafs das Datum der Urkunde auf Ol. 84,2 zu fixiren sei, habe ich nicht nöthig einzugehen, da sie durch den in der folgenden Untersuchung geführten Beweis, dafs kein Grund vor- liegt, mit der Datirung über Ol. 86,2 hinaufzugehen, von selbst hinfällig und überflüssig werden. 94 A. Kırcnunorr: Zur Geschichte und demgemäls auch seiner Leistungsfähigkeit, andererseits auf einer un- klaren und fehlerhaften Ansicht von der Beschaffenheit dessen, was wir den athenischen Staatsschatz zu nennen uns gewöhnt haben. Die beiden letzteren Irrthümer wiegen so schwer und werden der eine sicher, der andere wahrscheinlich von so vielen getheilt, dafs ich nichts überflüssiges zu thun glaube, wenn ich diese Verhältnisse einer selbständigen Behandlung unter- ziehe und Thatsachen richtig zu stellen suche, welche für die geschicht- liche Erkenntnifs dieser Zeit und das Verständnils sowie die richtige Wür- digung ihrer wichtigsten Begebenheiten von der allergrölsten Bedeutung sind. Sollte es mir gelingen, über die beresten Dinge einiges Licht zu verbreiten, so würde der Ausfall der Entscheidung über die Streitfrage, die mich zu diesen Untersuchungen oder vielmehr ihrer Darlegung ver- anlafst hat, ım Uebrigen für mich nur geringe Bedeutung haben, mag man mit mir bei Ol. 86,2 stehen bleiben, oder über dieses Jahr hinauf- sehen zu müssen glauben. Triftigen Gründen gegenüber meine Aufstel- lung aufzugeben würde ich jeden Augenblick bereit sein. Im dreizehnten Capitel des zweiten Buches läfst Thukydides Pe- rikles im Anfang des Jahres Ol. 87,2 den Athenern eine Uebersicht geben über die finanziellen Mittel, welche ıhnen für dıe Führung des Krieges in diesem und den folgenden Jahren zu Gebote standen. Da ich von den in dieser Darlegung enthaltenen Angaben auszugehen gedenke, so stelle ich ihren wesentlichen Inhalt in übersichtlich schematischer Form geordnet voran und füge der Controlle wegen den griechischen Text in der An- merkung bei. !) Q nm 2) 7, \ er ’ , SEN \ \ , E 1 TagTeiv TE EHEeVE mgoTIO VTWV J4EV eGazorıwv TRAKVTUV WS EMI TO TMOoAU do gav ROT > \ DEBN N 1 AR 5 B 22 El j m I, 2 5 ec , \ Ö% > m 3 4 y . r ee oa r D) EVIRUTOV ATO FTUV ZUMMRYV m TOAE @vev TuS arms MEOTE OU, vraoyoı Full ev N 220 ’ „ ’ > , > n cf N ’ \ \ n D 3 D MOoAEı ETi TOoTE woyvgrov ETLIINIAOU EGaınyurmv TaAKUTUV (7& yag TAEISTE FTOLRZOTIWV amodeovr« , ei STR \ ’ Si 3 D \ ER 5 x ‚ er, Aug ErYEVETO, ap wv EG TE TR TEORUAKLK TnS argomorEWS za TaAA& oirodoun Mare zcı es Ilo- 19 N 4 > ie, “oo ’ ENTER NG ’ ” ch 5%, \ N TEIOKIEV ATRVYAUS N)» Aw ots € Agvriov RTNIHOY Ka @gyvpıou EV TE AVRTNARTEV LOLOLS Act ON- ‚ vg BEBR ’ ’ \ \ \ \ FI \ A \ x MHoriog Aı 07 LEO TREUN mwegQt TE Tag TMOUTRS Aa TOoVS Ayuvas Hit FAUN« Mydıza zar Ei Ti Y > 3 N 7 N) v \ \ SD n Y. = TOLOUTO TgoToV, Our EAaTToVoG N TEVTRAOTIUV TRÄARUTUWV. 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Dieser Posten belief sich früher auf 9700 57 E:: war aber in Folge der Verwendungen für öffent- ö, liche Bauten und die Belagerung von Potidaea 5 auf den angegebenen Betrag zusammengeschmol- sn zen. Von dem Reste von 6000 Talenten wurde 3:5 gleich Ol. 87,2 die Summe von 1000 Talenten Br als unantastbarer eiserner Fonds ausgeschieden Bi: % (Thukydides 2,24) und ist thatsächlich erst nach Ei der Sieilischen Katastrophe (Ol. 92,1) angegriffen FR; worden (ders. 8,15, Philochoros beim Schol. zu Aristophanes’ Lysistrate v. 175). Verfügbar blie- N: ben also nur 5000 T. EHER ECT b) Ungemünztes Gold und Silber auf der Burg, in Bi Privat- und öffentlichen Weihgeschenken, Fest- geräthen, Medischer Waffenbeute u. dergl., ab- geschätzt auf wenigstens . . ie; 3 e) Dsgl. in den anderen, nicht a der Bara hide genen Heiligthümer (nicht abgeschätzt, vermuth- & 4 lich wegen des geringen Betrages) . - . . . ? f - d) Für den äufsersten Nothfall das abnehmbare, an ae | der Statue der Athena befindliche Gold, im Ge- Philos.-histor. Kl. 1876 (2° Abthl.). 4 26 A. Kırcunorr: Zur Geschichte wicht von 40) Talenten fen, nach dem dama- ligen Stande des Goldes zum Silber von 1:14 (vel. 0.1. A. I p. 160) seinem Werthe nach ab- ZUSCHABZENT SUES 7, SM HR REITEN EIER RR DRERINE Von diesen Mitteln sind, so viel wir sehen können, in den Jahren bis zum Frieden des Nikias die Posten der Reserve II b—d nicht in An- spruch genommen worden; wenigstens zeigen die aus diesen Jahren uns erhaltenen Inventare der unter b enthaltenen iega Konkere der Athena durch- aus keinen Abgang, der auf eine solche Inanspruchnahme zurückgeführt werden könnte, vielmehr im Gegentheil nicht unbeträchtliche jährliche Zugänge. Dagegen sind selbstverständlich die laufenden Einnahmen I ab vollständig zur Verwendung gekommen und es ist auf den Schatz an ge- münztem Gelde lla (abzüglich des eisernen Fonds von 1000 Talenten) zurückgegriffen worden. In welchem Umfang das letztere der Fall ge- wesen, darüber gibt Thukydides’ Bericht über die zu Anfang von Ol. 88,1 nothwendig gewordenen Finanzoperationen (3,19) so genügenden Auf- schlufs, dafs ein Zweifel mir nicht bestehen zu können scheint. Gegen Ende von Ol. 87,4 hatte ein auf der Insel Lesbos ausge- brochener Aufstand die Absendung eines Geschwaders von 40 Schiffen nöthig gemacht, welches indessen der Erhebung nicht hatte Herr werden können und nicht einmal im Stande gewesen war eine wirksame Ein- schliefsung des Heerdes des Aufstandes, der Stadt Mytilene, durchzufüh- ren. Während der Olympischen Spiele (88,1) beschlofs der Peloponne- sische Bund die Erhebung der Lesbier thatkräftig zu unterstützen und veranstaltete zu diesem Zweck umfassende Rüstungen, was die Athener zur Aufstellung einer Beobachtungsflotte von 100 Schiffen veranlafste. Als darauf die Peloponnesier ihre Rüstungen zum Schein einstellten, wurde diese Flotte zurückgenommen, dagegen eine Verstärkung nach Lesbos ge- 3 n ’ „ ’ Y \ schickt; reurounı vegi 70 BSıvorwpov 109 dpxomevov Haxnra vov ’Emı- Y \ \ 4 [3 ’ € mn el \ 7 ’ KoUgeVv TTEATAyoV nal Midlous OmALTas EdurwWv. ol dE — mepıreiyulounı MvriAnvyv 5 D e m ‚ Kr \ ; 7 \ Ü YN > 7 SC \ Ev KURAw amAw TEE — ra n MeV Muriryn zaru ngaros non AUDSTEgWIEV zul 1) 44 nach Philochoros beim Schol. zu Aristophanes’ Frieden v. 604, welches einen Werth von 616 Talenten ergeben würde. ee ee BETT Ta RE NA 1 RE : RE BTSEN N des Athenischen Staatsschatzes im fünften Jahrhundert. 27 a n a3, ! 4 \ime 32 \ Y , N / Er YyNns au € SaAarons ELO'YETO, ra © WEeikwv NEXErTO yiyverdar mgoTdes- \ > \ Eu , 5 \ x " \ ’ r nevor de ci AQyvalcı Konnarwv Es nv mOALgRLUV, Aal MÜTOL ETEVEYKOVTES TOTE = mowrov Erpepav Ölarosıa TaAavra, &gereubav nal Emi vous Euunayovs dgyugorc- Yous vals Öwdera zul Aurızkea TEUTrTOV aurov Frgarnyev. 6 dt arra Te Hoyugo- Acyeı nal megiemien, nal vns Kagias Ex Mueüvros avaßas die Feb Maidvögov me- Ölov mexgı ToV Zavdıou Aodou, Emıteuevuv rwv Kaguv zaı "Avaurwv aüros re dia- pIeigerar nal FAs arAns Troarızs moAMc. Hat Thukydides sich genau aus- gedrückt, so muls die Ausschreibung der Kriegssteuer der Absendung der zwölf Schiffe vorangegangen sein und, wie man sieht, in den ersten Mo- naten des Jahres Ol. 88,1 stattgefunden haben. Ich lasse nun dahingestellt, ob Thukydides mit jenem rere rawWrev hat sagen wollen, dafs die zu Anfang von Ol. 88,1 ausgeschriebene Kriegs- steuer die erste gewesen sei, welche während des Peloponnesischen Krie- ges nöthig wurde (was, um dies beiläufig zu sagen, meiner Ansicht nach das Richtige ist), oder die erste, welche überhaupt in Athen erhoben worden ist; denn wie man hierüber auch denken möge, auf jeden Fall erweisen sich die von Thukydides erwähnten Mafsregeln als Symptome einer äulsersten Finanznoth des Staates und schliefst namentlich die erste von ihnen jede Möglichkeit aus, dafs damals der Staat noch über einen Reservefonds verfügte: niemals und nımmermehr würde sich die athenische Bürgerschaft dazu verstanden haben sich selbst zu besteuern, wenn da- mals für die Zwecke der Kriegsführung noch bereite Mittel auf der Burg vorhanden gewesen wären. Dals der Reservefonds von 5000 Talenten um diese Zeit in der That erschöpft war, deutet auch Thukydides in der Bemerkung an, welche er dem Berichte über die Aufstellung der Beob- achtungsflotte von 100 Schitfen hinzufügt (17): zai zar@ rov psvev reurev Öv ai vnes EmAeov Ev Tois TrEITTuU ON vAes au aurois Evepyoi narneı (?) Eyevovro, Tagamıyaıa de zul Erı mAeIoUS dgy,etaevou ToU ToAsuov. Tyv TE Yap Arrıriv xal Eißcav za Darauıva Exartv EbUAaTToV, zul megt TleAorovvnrov Eregau Erarov Nrav, Xwpis dt ai megi Ioreiduav za Ev reis arAcıs «woles, UTTE ai Tara aa Eyiyvovro Ev Evi ‚Jegeı darorıcı nal mevryrovra. nu Ta Korma Ta ToÜTs udAıTTa Üravarwoe uera Nloreidaias (die Belagerung dieser Stadt hatte allein 2000 Talente nach Thukydides’ Angabe 2,70, oder 2400 nach der des Isokrates 15,113 verschlungen). iv re yag Nersisarav digayme EmAlrar Epgovgouv: aurı yag za Umngern opay,um Eraußave As AMEDaS " op uev ci mguren, wv cür A* 28 A. Kırcuuorr: Zur Geschichte EXarrous dtemoducgangav, EEuxcrıcı de nal Yırıcı MEr@ Dopuimvos, ci TOOamAADoV nes TE al mECTaı Tov aurov MınYoy Epegov. Ta ev oUv Kormara eurws Urava- Aus 70 mowWrToV, xal vNes Toradraı N mAETTaL EmIngWSyTav. Denn es kann nicht zweifelhaft sein, dafs unter r« Kayuara eben jener Reservefonds ver- standen ist, auf dessen schnelle Erschöpfung um deswillen gerade bei dieser Gelegenheit hingewiesen wird, weil unmittelbar darauf der aufser- ordentlichen Malsregeln zu gedenken war, welche zur Beschaffung von Geld ergriffen werden mulsten. Athen führte den Krieg zunächst mit den Mitteln des angesammelten Reservefonds; als dieser erschöpft war, wurde seit Ol. 88,1 die Steuerkraft der Bürger in Anspruch genommen, und als diese sich als unzureichend erwies, griff man zu der bedenklichen und darum bis zuletzt versparten Auskunft, die Tribute der Bundesgenossen zu erhöhen, was bekanntlich bereits Ol. 88,4 nicht mehr zu vermei- den war. Demnach hat die Gemeinde von Athen in den drei Jahren von Ol. 87,2 bis Anfang von Ol. 88,1 die zu Anfang von Ol. 87,2 auf der Burg vorhandenen 6000 Talente bis auf 1000 vollständig aufgebraucht, oder mit anderen Worten, da der für Kriegszwecke verwendbare Theil der laufenden Einnahmen nicht ausreichte, sind während dieser drei Jahre durchschnittlich jährlich 16663 Talente der Reserve für die Führung des Krieges entnommen worden. Thatsächlich stellt sich der jährliche Zu- schuls aus der Reserve sogar noch etwas höher, wenn wir das Folgende erwägen. Wie man sich nämlich auch jene Reserve von 'gemünztem Silber auf der Burg zusammengesetzt denken mag, sicher sind in sie einbegriffen zu denken die Tempelschätze der Athena Polias und Athena Nike, so wie der Centralschatz der anderen Götter, welche im Opisthodom des Parthenon auf der Burg untergebracht waren und bei welchen, wie wir wissen, der Staat gegen einen mälsigen Zins unter Vorbehalt der Rückzahlung der Ca- pitale Anleihen für seine Zwecke aufzunehmen pflegte. Diese Schätze hatten ihre festen Einnahmen, aus denen ihnen jährliche Zugänge (Erereie) zuflossen. So fielen an den Schatz der Athena Polias und den Oentral- schatz der anderen Götter dem Herkommen gemäfs gewisse Bufsgelder ganz oder zum Theil, an den der Polias aufserdem ein Zehntel aller con- fiseirten Güter und in dieser Zeit ein Sechzigstel der einlaufenden Tribut- des Athenischen Staatsschatzes im fünften Jahrhundert. 29 summen der Bundesgenossen, an ihn oder den der Nike ferner der Zehnte der Kriegsbeute. Aufserdem besals die Mehrzahl der Tempel Grundeigen- thum, für welches die Pachtgelder in den Schatz derselben flossen. Wenn nun auch ein Theil dieser Einnahmen für die Bedürfnisse der Verwaltung der Heiligthümer in Anspruch genommen wurde, so ergaben sich doch jährlich Ueberschüsse, welche das Capitalvermögen vermehrten und, wie dieses, in der oben bezeichneten Form dem Staate zur Verfügung stan- den. Ich glaube auf Grund von Erwägungen, welche weiter unten an- gestellt werden sollen, den auf diese Weise sich ergebenden Zuwachs der Tempelschätze, auf welchen der Staat, wenn er wollte, ebenfalls zurück- greifen konnte, auf jährlich mindestens 200 Talente veranschlagen zu kön- nen. Der zur Verfügung stehende Reservefonds auf der Burg, welcher zu Anfang von Ol. 87,2 noch 5000 Talente betrug, würde sich also im Laufe der nächsten drei Jahre um rund 600 Talente vermehrt haben und auf 5600 Talente gestiegen sein, wenn er nicht angegriffen worden wäre; da er aber zu Anfang von Öl. 88,1 vollständig erschöpft war, so sind in jenen drei Jahren nicht 5000, sondern 5600 Talente verbraucht, oder jährlich durchschnittlich 18662 Talente der Reserve entnommen worden. Es ist hiernach möglich, sich eine ungefähre Vorstellung von dem Betrage der Summen zu machen, welche die Kriegführung dieser drei Jahre verschlungen hat. Ohne Zweifel sind in dieser Zeit, wie auch Thukydides andeutet, von den laufenden Einnahmen die Tribute der Bun- desgenossen ausschliefslich für den Krieg verwendet worden. Ihren Be- trag schätzt Thukydides auf durchschnittlich 600 Talente des Jahres. Allerdings ist der Zweifel berechtigt, ob diese Summe auch vollständig und regelmäfsig eingegangen ist, wenn man erwägt, dafs bereits Ol. 87,3 die Anwendung von Zwangsmalsregeln nothwendig wurde, um die Bun- desgenossen der karischen und Iykiıschen Küste zur Zahlung anzuhalten (Thukydides 2,69); auch fiel ja ein Sechzigstel der einlaufenden Tribut- zahlungen an den Tempelschatz der Polias und ist oben unter den Zu- gängen desselben bereits verrechnet worden. Da indessen der Staat wäh- rend des Krieges seine sonstigen Ausgaben selbstverständlich einschränkte und wenigstens einen Theil der übrigen laufenden Einnahmen zu krie- gerischen Zwecken verwendete, wie dies Thukydides ebenfalls andeutet, so wird es verstattet sein jenen Abgang durch dieses Plus zu balanciren 30 A. KırcHuorr: Zur Geschichte und die 600 Talente für jedes Jahr voll in Anschlag zu bringen. Sonach kommen zu den 5600 aus der Reserve entnommenen Talenten noch 1800 aus den laufenden Einnahmen hinzu und die Kriegskosten der drei Jahre sind auf mindestens 7400 oder für das Jahr durchschnittlich auf 24663 Talente zu veranschlagen. Doch geht aus Thukydides’ Angaben, obwohl sie nicht genügen, um eine Probe auf die Richtigkeit dieses Anschlages zu machen, so viel hervor, dafs die Kosten sich auf die drei Jahre un- sleich vertheilt haben und dafs namentlich die des ersten die der beiden anderen bei weitem überragt haben müssen. Wir sind in der Lage dieses Ergebnils mit den Angaben einer Urkunde, ©. I. A. 1, 275, vergleichen zu können, welche sich auf die drei genannten Jahre mitbezieht. Es ist dies eine, wie es scheint im Anfang der 90. Olympiade von den Logisten aufgestellte Berechnung aller in dem elfjährigen Zeitraum von Ol. 86,4 bis 89,2 einschliefslich von den Tem- pelschätzen der Athena Polias und Athena Nike sowie dem Öentralschatz der anderen Götter vom Staate entliehenen und geschuldeten Summen sammt den bis dahin aufgelaufenen und noch nicht bezahlten Zinsen.!) Die Aufstellung zerfällt in zwei Abschnitte, von denen der erste den sieben- jährigen Zeitraum von Ol. 86,4—88,2, der zweite die Penteteris Ol. 88,3 — 89,2 befalst. Für die ersten sieben Jahre fehlt die Bereehnung im Detail und sind nur die Summirungen erhalten, für die letzten vier da- gegen liegt beides vollständig vor. Wir lernen nun aus der Urkunde, dafs in dem siebenjährigen Zeitraume Ol. 86,4—88,2 entliehen wor- den sind 1) In dem Jahre Ol. 89,3 hat, wie aus der Anordnung der Urkunde deutlich hervorgeht, eine Entleihung nicht stattgefunden. Die Rechnung schlielst also mit dem Frieden des Nikias ab und jene elfjährige (oder vielmehr zwölfjährige) Periode ist die des so eben beendigten Krieges, der von der Expedition nach Korkyra an gerechnet wird. Diese Auffassung ist nicht nur die officielle, sondern auch die populäre der damaligen Zeit. Vgl. Aristophanes im Frieden (Ol. 89,3) v. 990: or ou TeuyoneS” nn Fala zar den ern. Der Krieg ist hier vom Abschlufs der Epimachie mit Korkyra, welcher in den letzten Monaten von Ol. 86,3 erfolgte, und das erste und letzte Jahr, wie so häufig, voll gerechnet. des Athenischen Staatsschatzes im fünften Jahrhundert. 31 1) aus dem Schatze der Athena Polias . . 4001 t. 1522 dr. 1 Dr 1a SEE 2 $ = Nike 2 a SE SHE x „ anderen Götter . 7-6 „ 1095 „ in Summa . 4729 t. 2625 dr. 2 ob. Beim zweiten Posten ist die Summe der Drachmen nicht voll- ständig erhalten (es fehlen aufser einem Zehner, der zwischen 30 und 90 gelegen haben mufs, nicht näher zu bestimmende Tausende und Hun- derte); auf jeden Fall ist deutlich, dafs diese Summe höchstens 5998 Drach- men betragen haben kann. Auch beim dritten Posten fehlt in der Summe der Talente ein Zehner, also möglicherweise selbst 90 Talente. Im Gan- zen darf die Summe aller drei Posten rund auf 4750 Talente veranschlagt werden, da sie allerhöchstens nach dem Bemerkten 4820 t. 2615 dr. 2 ob. betragen haben kann, die Höhe von 4739 t. 2655 dr. 2 ob. aber jeden- falls noch um Einiges überstiegen haben muls. Es sind ferner in dem vierjährigen Zeitraum Ol. 88,5—89,2 beim Schatze der Athena Polias aufgenommen worden im ersten Jahre ... . 261 t. 5640 dr. — ob. im zweiten Jahre .. 180, — „ —,„ ım dritten Jahre ,...‘135., 2895 „. 34 „!) im vierten Jahre. . .. 222 „ 1642 „ 24 „ in Summa .. 747 t. 4178 dr. — ob. Dagegen ist der Schatz der Athena Nike während dieses Zeit- raumes nur einmal, und zwar im letzten Jahre, in Anspruch genommen worden. Zwar ist der Posten weggebrochen; indessen läfst er sich, da die Summe der Entlehnungen aus diesem Schatze während der ganzen elf Jahre (28 t. 3548 dr. 2 ob.) vollständig und während der sieben ersten Jahre fast vollständig (22 t. --8 dr. 2 ob.) erhalten ist, in so weit be- rechnen, dafs man sieht, er habe allerhöchstens 6 t. 3510 dr., allermin- destens 5t. 3550 dr. betragen. Somit darf er auf ungefähr 6 Talente veranschlagt werden. !) Dieser Posten ist im Originale weggebrochen, kann aber aus den bekannten Beträgen der übrigen drei Jahre und der ebenso bekannten Summe der Posten aller vier Jahre ohne Schwierigkeit berechnet werden. n 32 A. KIRCHHorFF: Zur Geschichte Ebenso ist beim Centralschatz der anderen Götter nur einmal, ebenfalls im letzten Jahre der Penteteris, geborgst worden. Die Ziffer des Betrages ist verstümmelt; doch läfst sich durch Combination aller in Betracht kommenden Momente mit ziemlicher Sicherheit so viel feststellen, dals die Summe sich auf einige und funfzig Talente belaufen haben muls. Aus der Combination dieser Thatsachen mit dem obigen Resultate ergibt sich nun zweierlei. Es stellt sich nämlich erstens heraus, dafs, wenn in den drei Jahren Ol. 87,2—4 aus den Baarvorräthen auf der Burg 5000, oder die Zugänge eingerechnet, gar 5600 Talente entnommen worden sind, die in dem siebenjährigen Zeitraume von Ol. 86,4 bis 88,2, in welchem jene drei Jahre einbegriffen sind, bei den Tempelschätzen auf der Burg aufgenommenen Anleihen dagegen sich nur auf 4750 Talente belaufen haben, jene Baarvorräthe auf der Burg nicht blofs in diesen Tempelschätzen bestanden haben können, sondern dafs aufser ihnen noch eine andere zur Verfügung des Staates stehende Reserve von nicht un- bedeutendem Betrage sich auf der Burg befunden haben muls. Denn wenn auch wahrscheinlich jene 4750 Talente lediglich die Summe der Anleihen darstellen, welche während der sieben Jahre bei den Tempel- schätzen zu Kriesszwecken erhoben worden sind, und diejenigen Ausgaben nicht einbegreifen, welche aus diesen Schätzen für Bauten auf der Burg und anderswo bestritten worden sind, so sind solche Bauten doch nur für das Jahr Ol. 86,4 nachzuweisen und für das folgende 87,1 vielleicht zuzugeben; in den drei schweren Kriegsjahren Ol. 87,2—4 dagegen hat der Staat jedenfalls seine Bauthätigkeit eingestellt und es ist unvermeid- lich, die während derselben von der Burg entnommenen 5600 Talente als ausschliefslich für die Führung des Krieges verwendet zu betrachten. Fragen wir nun, welches die Gelder gewesen sind, welche aufser den Tempelschätzen dem Staate auf der Burg zur Verfügung standen, so sibt es auf eine solche Frage nur eine Antwort. Ohne Zweifel waren es diejenigen, welche der Staat aus den Ueberschüssen seiner Einnahmen, vornehmlich, wenn nicht ausschliefslich, der Tribute der Bundesgenossen, aufgesammelt hatte und deren Stock der ım Jahre Ol. 81,3 von Delos nach Athen übergeführte Bundesschatz bildete, während die Existenz der Tempelschätze nachweislich lange vor diese Epoche hinauf zu verfolgen ist. Diese Gelder waren Eigenthum des Staates, dyuorıa, die der Tempel- des Athenischen Staatsschatzes im fünften Jahrhundert. 33 e ! schätze dagegen der betreffenden Heiligthümer und Gottheiten, isge, jene wurden von den zehn Hellenotamien verwaltet, diese standen unter der Verwaltung besonderer Schatzbehörden, der zehn "Schatzmeister auf der Burg‘ oder, wie sie später hiefsen, der ‘Schatzmeister der heiligen Werth- gegenstände der Athena (Polias und Nike) und (seit der Bildung eines Centralschatzes der anderen Götter) der ‘Schatzmeister der anderen Göt- ter, ebenfalls zehn an der Zahl. Ueber sein Eigenthum verfügt der Staat mit unbeschränkter Freiheit; jede Disposition erfolgt durch Volks- beschlufs und die Hellenotamien zahlen auf Anweisung; sie stehen wäh- rend ihres Amtsjahres unter der Controlle des Rathes und seiner Pıy- tanen und haben über ihr Gebahren am Schlusse des Jahres vor den Logisten Rechnung zu legen. Allerdings steht dieser Staatsschatz zum Tempelschatze der Polias schon seit Ol. 81,5 in einem festen Verhältnis: er wird in demselben Lokale mit diesem aufbewahrt und genielst dadurch des Schutzes, den der sacrosancte Charakter desselben gewährt. Noch Ol. 86,2 (nach meiner Bestimmung der Zeit der betreffenden Urkunde) wird bei Gelegenheit einer theilweisen Neuordnung der Verwaltung der 15 Tempelschätze auf der Burg eingeschärft [Ex d& rav Yopw]y zararıSevaı »[ar« ro]v eviaurov TE Era[orors Yevoueva mapa rolis ranıarı ruv [rs "AS]nvaras reis 'Erryvolranias], O. I. A. 1. 32 B. 19—20. Indessen zeigt gerade der hier gewählte Ausdruck deutlich, dafs die Staatsgelder damit nicht in das Eigenthum der Göttin übergingen und dem Tempelschatze einverleibt, also iege, wurden, sondern als bei der Göttin angelegtes De- positum (ragazara9yen) galten, über welches dem Deponenten die Ver- fügung oflen gehalten blieb. Als Vergütigung zahlte dafür der Staat seit Ol. 81,3 an die Göttin eine «rapyn von „|; der jährlich einlaufenden Tributsummen, welches in den Tempelschatz fiel und dadurch zunächst der Disposition des Staates entzogen wurde. Es war dies vielleicht die einzige Zahlung aus dem Schatze, welche von den Hellenotamien ohne besondere Anweisung regelmäfsig am Ende jedes Jahres, allerdings unter Coneurrenz und Öontrolle der Logisten, geleistet wurde, und über welche sie Urkunden in Gemeinschaft mit den Logisten öffentlich aufgestellt haben (©. I. A. I. 226—272). Ob sie im Besitze eines besonderen Schlüs- sels zu dem gemeinschaftlichen Kassenlokal, dem Opisthodom des Parthe- non, waren und, wie die Schatzmeister der Athena und der anderen Philos.-histor. Kl. 1876 (2“ Abthl.). 5 4 34 A. Kırcuuorr: Zur Geschichte Götter, bei der gemeinschaftlichen Oeffnung, Verschliefsung und Versiege- lung des Lokales sich betheilisten, ist nicht überliefert: jedenfalls verfügte der Rath der der Fünfhundert über einen Schlüssel, der sich in der Verwah- rung des jedesmaligen Epistaten der Prytanen befand und von diesem im Falle des Bedarfes entnommen werden konnte!), und die Zahlungen aus dem Depositum erfolgten durch die Hellenotamien und nicht die Schatz- behörde des Tempels, die sie diesen nur auszufolgen hatte. Sind die 1000 Talente, welche Anfang von Ol. 87,2 bis Ol. 92,1 festgelegt wurden (edekev aurcis EEaipera rommansves Ywols Sera sind die Worte des Thuky- dides), als zum Staatsschatz gehörig zu betrachten und ist Boeckh’s Ver- muthung richtig, dals ©. I. A. 1. 184 z.5 eine Zahlung aus dieser Ab- theilung als Ol. 92,1 durch die Schatzmeister der Göttin geleistet ver- zeichnet war, so muls angenommen werden, dafs die Festlegung in der Form erfolgt ist, dafs die betreffende Summe aus dem Depositum in den Tempelschatz übergeführt und als besondere Abtheilung desselben von den Schatzmeistern verwaltet worden ist; seit Ol. 92,1 in Folge eines vorbehaltenen Beschlusses der Volksversammlung das Geld für die Füh- rung des Krieges in Anspruch genommen wurde, geschah dies dann so, dafs die Schatzmeister auf Anweisung die verlangten Summen den Helle- notamien in das Depositum zurückzahlten. Was dagegen die Schätze der Tempel anbetrifft, so waren sie ohne Zweifel zunächst dazu bestimmt, in den Nutzen ihrer Eigenthümer, der Götter, also zu Cultuszwecken verwendet zu werden, und hatten ursprüng- !) Eustathios zur Odyssee p. 1827. yiveraı yag, pnsw (Telephos von Pergamos), emiorarns ASYuyoıw 22 wv meUraVvEnV eis, 85 Emısrarei vorre zu Niazgeev av, za wre X,g0- vov oux Eesrıv oVdE Öls rov airev yeresSui, vas re AAets, ev oic ra Yoykare eict, 5 puAarreı za To Yarumaree TS Morews zur Tav Önlocricav spaayide. Suidas 1,458. ruv maUravEwv &i6 5 Aayyv Emigrarns ENtyero. dis de rov aurov Emısrargecn 002 eenv. PuvAaaceı d2 roU tegoü Tag 2Astis, Ev w Ta Öymorıa KEynare, Erı mv zur FrV Önmoriev aıpoa- yida. Etymolog M. p. 364. Imoraren Övo Ncav ASYvrcı, wv 6 EV Er mgUreEvenV ErygoUro — buAasceı ds roÜ Leooü ras zheis, ev Mi re Öynocıe Aeonnare, Erı nv Zar FyV Örmorpgeyide. Pollux 8,96. emıosrarns Ö° Erriv eis rWv mourcven, ) urngw Ray mv öl 6° our eEesrı yeresSaı TOVv aurov Erıioraryv. Exyeı ÖE o0rocs Wu ieoWv Tas zAels, Ev org ra Aornara zu T& Yorumarc. Während der kurzen Zeit des Bestehens der Behörde der Probulen scheint der Schlüssel zum Opisthodom in der Verwahrung des Prytanen der- selben gewesen zu sein. Vgl. Aristophanes Lysistr. v. 421 ff. ER li des Athenischen Staatsschatzes im fünften Jahrhundert. 35 lich ihre eigenen vom Staate unabhängigen Verwaltungsorgane. Da der Staat aber zu ihrer Dotation nicht unwesentlich beitrug und daneben einen sehr beträchtlichen Theil der Ausgaben des Oultus aus eigenen Mitteln bestritt, so erwarb er im Laufe der Zeit entscheidenden Einfluls auf die Verwaltung des Vermögens eines grolsen Theiles der Tempel und wulste dieselbe allmälig in seiner Hand zu concentriren. Das Volk ernannte die Schatzmeister der Athena und seit Gründung des Centralschatzes der an- deren Götter auch die Schatzmeister der anderen Götter an den Archae- resien, wie seine übrigen Beamten, und verpflichtete sie am Ende ihres Amtsjahres, welches von den Panathenaeen des einen bis zu denen des folgenden Jahres lief, vor den Logisten wie jene Kechnung zu legen: auch während des Amtsjahres stand ihr Gebahren unter der Controlle des Rathes der Fünfhundert, in dessen Gegenwart z. B. die Uebergabe des Inventars von der Schatzbehörde des einen an die des folgenden Jahres stattzufinden hatte, eine Procedur, deren Protokoll sie öffentlich auf der Burg in Stein gehauen aufzustellen ausdrücklich verpflichtet waren (vgl. C. 1. A. 1117—175 und 194—225). In wie weit und in welcher Form sich diese Controlle auf die Verwaltung des Vermögens und die laufenden ordentlichen Ausgaben der Tempel erstreckt hat, ist des näheren nicht bekannt, sicher dagegen, dafs die Disposition über das aus den Verwal- tungsüberschüssen der Tempel aufgesammelte Vermögen derselben und die aufserordentliche Verwendung desselben der Volksversammlung vor- behalten war. In welcher Weise diese darüber verfügte, lehrt der mehr- fach angezogene Volksbeschluls von Ol. 86,2 in Verbindung mit einer Anzahl älterer und jüngerer Urkunden und den Angaben bei Thukydides, in Bezug auf welche nur festzuhalten ist, dafs Thukydides den Perikles unter der allgemeinen Bezeichnung "Gelder auf der Burg den Staatsschatz und die auf der Burg befindlichen Tempelschätze zusammenfassen läfst. Jener Beschlufs bestimmt nämlich, dafs ein gewisser, seinem Um- fang nach wegen Zerstörung des Steimes nicht mehr näher zu bestim- mender Theil des Schatzes der Athena zur baulichen Ausschmückung der Akropolis und Ausbesserung der Pompgeräthe verwendet werden solle, der übrige Theil aber einschliefslich der etwaigen späteren Zugänge (ra ara Konnara Ta ns "AOyvaras, Ta TE viv ovra Eumorsı Kal Art av 76 Acımov dvapeonra), nicht angegriffen werden dürfe, es sei denn, dafs jene für x B) 36 A. KırcHHorFr: Zur Geschichte Bauten auf der Burg bestimmten Gelder nicht ausreichten (in welchem Falle Zuschüsse, jedoch nicht höher als im Betrage von 10000 Drachmen, aus dem Restbestande angewiesen werden dürften), oder dafs für die Ver- wendung zu anderen Zwecken durch Volksbeschlufs ausdrücklich die «de bewilligt werde: Anträge auf solche anderweitige Verwendung vor bewil- lister «dee zu stellen oder zur Abstimmung zu bringen wird unter An- drohung schwerer Strafe verboten. Demgemäls ist denn auch verfahren worden. Was zunächst jene Baugelder betrifft, so bezeugt Thukydides, dals von den 9700 Talenten, welche nach der Annahme, von der ausgehen zu wollen ich oben erklärt habe, Ol. 86,2 auf der Burg vorhanden waren, ein Theil auf den Bau der Propylaeen (er dauerte be- kanntlich fünf Jahre, Ol. 85,4—86,4, und die auf Ol. 86,2 folgenden beiden Jahre waren sonach das vierte und fünfte Baujahr) und die “übrigen Bauten’ (rarAa cirodeunuare) verwendet worden sei, und mit dieser An- gabe stimmen die Urkunden. So bekundet 0.1. A. 1.315, dafs Ol. 86,3 für den Propylaeenbau aus den Geldern der Athena in doppelter Form gezahlt worden ist, einmal direkt durch die Schatzmeister, also aus dem Bestande des Schatzes selbst, und sodann indirekt durch die Hellenotamien ob Euumayınod dopou Mv& drö red raAavreu, also aus dem von diesen vor- läufig asservirten und in den Tempelschatz noch nicht abgeführten Sech- zigstel der Tribute dieses oder des vorhergehenden Jahres, welcher aller- höchstens 10 Talente betragen konnte.!) Vermuthlich war die letztere eine jener Zuschufszahlungen von nicht mehr als 10000 Drachmen aus dem festgelegten Theile des Tempelschatzes, welche der Volksbeschluls von Ol. 86,2 verstattete und welche aus irgend einem Grunde nicht auf die Tempelkasse selbst, sondern deren Guthaben bei den Hellenotamien angewiesen worden war. In demselben Jahre Ol. 86,3 ıst ferner laut 1) Derselbe Zahlungsmodus kehrt wieder auf den Fragmenten 316 und 554, welche einem bestimmten Jahre und Bau nicht mit Sicherheit zugewiesen werden können. Wenn 304, 509, 310, 312 aus unbestimmbaren Jahren Zahlungen der Hellenotamien für dergleichen Bauten erwähnt werden ohne jenen erläuternden Zusatz, so bleibt zweifelhaft, ob dieser als nur der Kürze wegen fortgelassen zu betrachten ist, oder es sich hier um Zuschüsse handelt, welche der Staat aus eigenen Mitteln zu leisten übernommen hatte, des Athenischen Staatsschatzes im fünften Jahrhundert. 37 C. 1. A. 1. 301 von den Schatzmeistern der Athena für einen Bau, wel- cher damals bereits dreizehn Jahre gedauert hatte, die Summe von 25000 Drachmen gezahlt worden. Der Krieg unterbrach allerdings diese Bau- thätigkeit auf längere Zeit; allein sie wird nach dem Frieden des Nikias sofort wieder aufgenommen und Ol. 90,1 zahlen die Schatzmeister der Athena an die zur Besorgung der Herstellung oder Erneuerung der Pomp- gefälse bestellten Epistaten unter Anderem die Summe von 5163 Drach- men (0.1. A. I. 320); selbst während der zweiten Hälfte des Krieges und im Beginn der Agonie des Staates wird am Erechtheum, wenn auch lang- sam, fortgebaut, und die Schatzmeister der Athena leisten dazu Ol. 93,1 die nöthigen, allerdings nicht bedeutenden, Zahlungen (ib. 324). In ähn- licher Weise und zu ähnlichen Zwecken ist in dieser Zeit auch über die Bestände des Oentralschatzes der anderen Götter verfügt worden, wie aus C. 1. A. 1. 318, 319 zu ersehen ist, aus welcher Urkunde sich ergibt, dafs in den Jahren Ol. 89,4—90,4 aus diesem ÜÖentralschatze durch dessen Schatzmeister die Kosten für die Herstellung und Aufrichtung zweier Götterbilder im Betrage von 5 t. 3310 dr. gezahlt worden sind. In allen diesen Fällen leisten die Schatzmeister lediglich die Zahlung der Kosten, und zwar an die vom Volke bestellten Bauherren oder Epistaten, welche die empfangenen Gelder nach Mafsgabe der ihnen durch die Volksver- sammlung ertheilten Instruktionen (vgl. C. I. A. I. 322) verwenden und über ihr Gebahren bei den Logisten Rechnung zu legen haben: den Göt- tern, als den Eigenthümern, wurde symbolisch dadurch Rechenschaft ge- geben, dafs die Abrechnungen der Epistaten vollständig nach Einnahme und Ausgabe im Temenos derselben öffentlich in Stein gehauen aufgestellt wurden (0. I. A. I. 284—331). Es ist deutlich, dafs die Tempelgelder durch eine solche Art der Verwendung ihrer ursprünglichen Bestimmung nicht entfremdet werden, obwohl der Staat diese Verwendung bestimmt und überwacht, denn die Gelder werden in den Nutzen ihrer wirklichen Eigenthümer verwendet, denen das mit ihrer Hülfe Geschaflene und Hergestellte gehört oder dienst- bar ist. Sie haben darum auch keinen Anspruch auf Wiedererstattung des Aufgewendeten und es kann ihnen dem Staate gegenüber ein rechtlicher Anspruch auf irgend eine Vergütigung unmöglich erwachsen. 38 A. KırcHHorrF: Zur Geschichte i : Anders steht es dagegen mit denjenigen Geldern, welche, allerdings unter erschwerenden Formalitäten, den Bestimmungen jenes Reglementes gemäls zu anderen Zwecken verwendet werden konnten. Welcher Art diese waren, deutet Perikles bei Thukydides an, indem er die Gesammt- heit der auf der Burg befindlichen Gelder, also auch die unter ihnen einbegriffenen Tempelschätze, als für die Bestreitung der Kosten des bevorstehenden Krieges verfügbar bezeichnet, ja die Dispositionsberechti- gung des Staates zu diesem Zwecke auch auf das ungemünzte Gold und Silber an Privat- und öffentlichen Weihgeschenken auf der Burg und in den anderen Tempeln, das Gold an der Statue der Parthenos nicht aus- genommen, ausdehnt. Dafs die letztere Behauptung keineswegs blofs als eine theoretische Aufstellung zu betrachten ist, lehrt die Thatsache, welche durch die Urkunde ©. I. A. I. 140 bezeugt ist, dafs in der zweiten Hälfte des Krieges, Ol. 95,3 zu Anfang, die Werthgegenstände wenigstens des Pronaos mit einziger Ausnahme eines goldenen Kranzes von 334, Drach- men Gewicht auf Befehl der Volksversammlung von den Schatzmeistern an die Hellenotamien ausgeantwortet, d. h. in den Staatsschatz über- geführt worden sind, offenbar um in die Münze zu wandern und dort eingeschmolzen zu werden. Es liest auf der Hand, dafs in diesem und ähnlichen Fällen ächtes und wahres Eigenthum der Tempel (selbst die Anatheme von Privaten, zu denen der Staat nicht einmal als Geschenk- geber in irgend einem Verhältnifs steht, sind ja nicht ausgeschlossen) unter stillschweigender Voraussetzung der Genehmigung der Eigenthümer, der Götter, zu seiner Bestimmung ganz fremden, profanen Zwecken ver- wendet wird und dafs eine solche Verwendung nur unter ausdrücklicher Zusicherung der Rückerstattung möglich gewesen ist, wie denn Perikles dies in Bezug auf das Gold der Parthenosstatue zum Ueberflufs aus- drücklich hervorhebt (Konraneveus FE Em Swrngic en yanvaı un Eraccw dvrırarasricaı marıv). Es war mit anderen Worten ein Leihgeschäft, welches der Staat bei den Tempeln negociirte. Nicht anders sind auch die weit häufigeren Fälle zu beurtheilen, in denen der Staat den Tempel- schätzen gemünztes Geld für profane Zwecke entnahm: das lehren die Urkunden ©. I. A. I. 179, 180—83, 184—85, 188—89 und die bisher nicht bekannte gleichartige, welche im Anhange mitgetheilt und besprochen ist, in Verbindung mit der oben bereits angezogenen 273. Die letztere, auf des Athenischen Staatsschatzes im fünften Jahrhundert. 39 deren bereits gegebene Analyse ich mich beziehen kann, stellt aulser Zweifel, dafs die Gelder, welche der Staat in dem Zeitraume, auf welchen sie sich bezieht, nämlich Ol. 86,4—89,2, den Tempelschätzen auf der Burg entnommen hatte, den Charakter von Anleihen hatten, welche der Entleiher den Eigenthümern zurückzuerstatten und bis zu erfolgter Rück- erstattung zu verzinsen verpflichtet war. Ueber die Verwendung der ent- liehenen Gelder gibt der erhaltene Specialnachweis für die Penteteris Ol. 88,5— 89,2 unzweideutigen Ausweis: sie sind in dieser Zeit äusschliefslich zu Kriegszwecken verwendet worden. Von den sieben vorhergehenden Jahren, für welche ein solcher Specialnachweis fehlt, darf dasselbe ver- muthet werden, zumal da die in diesen Zeitraum fallenden Urkunden der anderen Klasse, 179 und die älteren Theile der im Anhange mitgetheilten, erkennen lassen, dafs wenigstens Ol. 86,4 und 87,1 sicher Tempelgelder für die Expeditionen nach Korkyra und Makedonien zur Verwendung ge- kommen sind. Ich folgere hieraus, denke ich, mit vollem Recht, dafs jede Verwendung von Tempelgeldern zu profanen oder überhaupt solchen Zwecken, für welche im gewöhnlichen Laufe der Dinge der Staat mit seinen Mitteln aufzukommen hatte, wenigstens seit Ol. 86,2 auch ganz abgesehen von den durch das Reglement des genannten Jahres vorge- schriebenen erschwerenden Formalitäten nur in dieser Form und unter diesen Bedingungen hat stattfinden können, was sich nur dann, aber dann auch ausreichend erklären läfst, wenn jene Gelder der Tempel ächtes und wahres Eigenthum derselben waren und als solches betrachtet wurden. Die Rechnung der Logisten für die Penteteris Ol. 88,5—89,2 ist auf Grund eines Nachweises der Schatzmeister der Athena und der an- deren Götter über die von ihnen an die Organe des Staates ausgeant- worteten Gelder aufgestellt worden, welcher in seiner Form die gröfste Aehnlichkeit mit dem Haupttheile der anderen oben verzeichneten Urkun- den hatte. Diese geben nämlich sämmtlich, eingeleitet durch die Formel Fanıcı iegwv Yonuarwv ns "ASyvalas 6 dewa zal Euvagx,ovres cis 6 deiva EYpan- naersve magedorev —, nach den Prytanien und Zahltagen geordnete Ver- zeichnisse der Summen, welche in bestimmten Jahren zu bestimmten Zwecken aus den Tempelschätzen der Athena Polias und Nike von den Schatzmeistern gezahlt worden sind, 179 für die Expedition nach Korkyra 40 A. KırcunHorr: Zur Geschichte 4 Ol. 86,4, der ältere Theil der im Anhang herausgegebenen Urkunde für den Makedonischen Krieg Ol. 87,1, dagegen 180—183 für die vier Jahre der Penteteris Ol. 90,35—91,2, n. 184—86 wahrscheinlich für die Jahre Ol. 92,1 und 2, n. 188 für das Jahr Ol. 92,3, n. 189 für eins der un- mittelbar folgenden Jahre. Die Verzeichnisse sind von den Schatzmeistern selbst zusammengestellt, wie der Wechsel von wagedsrav und ragedouev und der Gebrauch der ersten Person in anderen Wendungen, wie mageraßcnev und Zuvereanuev, klärlich beweist. Am Schlusse wird bisweilen, doch nicht regelmälsig, die Summe der Einzelposten gezogen, wobei verschiedene Formeln zur Anwendung kommen, so xzehaAarov dvarumaros reÜ Em Tis dg- ne 180—183, dagegen zepwAaov agyugiou FCUumav ov magedouev 188. Nie aber werden diesen Ausgaben irgend welche Einnahmen gegenübergestellt und die Bilanz gezogen, woraus sich ergibt, dafs diese Urkunden nicht als die Jahresabrechnungen der Schatzmeister über die gesammte Ver- waltung der Tempelgelder angesehen werden können. Auch sind nicht alle Ausgaben verzeichnet, sondern nur diejenigen, welche Yngırausvov red Önucv (188) oder im genaueren Ausdruck Ynpırauevev Tod dnmev av @dsıev (180—183), also auf Befehl des Volkes nach Erfüllung der durch das Reglement von Ol. 86,2 vorgeschriebenen Formalität geleistet worden sind: wenn diese Formel fehlt, wie 179, auf der Urkunde des Anhanges und in der Rechnung der Logisten über die Ausgaben von Ol. 88,3—89,2 in. n. 273, so ist dies einfach daraus zu erklären, dafs sich gegenüber der gesetzlichen und allgemein bekannten Bestimmung die Sache ganz von selbst verstand, jene Bemerkung deshalb zwar zulässig, aber auch nicht nothwendig war. In Uebereinstimmung damit steht, was über die Ver- wendung der gezahlten Gelder sich angegeben findet. Wo nämlich der Bestimmung derselben gedacht wird, was durchaus nicht immer der Fall ist, zeigt sich, dafs es in der Regel militärische Zwecke sind, für welche die Gelder verwendet worden sind; nur die jüngeren Urkunden 188 und 189 weisen viele Zahlungen zum Zwecke der Diobelie und einmal eine solche für die Hekatombe und die an den grofsen Panathenaeen von Öl. 92,3 zu vertheilenden Preise auf. Allein obwohl dies Ausgaben zu Öultuszwecken sind, so sind es doch solche, welche der Natur der Sache nach in gewöhnlichen Zeiten nicht aus den Tempelgeldern, sondern vom Staate aus seinen Mitteln bestritten wurden: die Athener werden der des Athenischen Staatsschatzes im fünften Jahrhundert. 41 Göttin nicht zugemuthet haben, dafs sie die Festhekatombe, welche sie ihr an den Panathenaeen darbrachten, aus ihrer Tasche bezahle. In allen diesen Fällen erfolgt die Zahlung entweder direkt an die Organe des Staates, durch welche sie zur Verwendung kommen, Strategen, Trier- archen, Athlotheten und Opferherren, baar oder durch Anweisung (@vo- KoAoynuc), oder zunächst an die Hellenotamien und es wird hinzugefügt, wem sie von diesen überwiesen worden seien. Häufig aber wird nur die Ausantwortung an die Hellenotamien, ohne weiteren Ausweis über die Verwendung, also einfach die Ueberführung in den Staatsschatz vermerkt.!) Aus alledem ergibt sich, dals wir es hier nicht mit Verzeichnissen der sämmtlichen Ausgaben des Tempelschatzes in bestimmten Jahren, sondern nur der Anleihen zu thun haben, welche vom Staate bei demselben ge- macht worden waren. Fragen wir nach dem Zweck, welchen die öffent- liche Aufstellung dieser Verzeichnisse auf der Burg gehabt haben kann, so belehrt darüber die stets wiederkehrende Ueberschrift, welche den- selben vorangestellt ist: "’AIyvaloı dvyAwrav Em rou delvos agy,ovros nal Emi ns Bevans, 1 & deiva meWros &ygaumarevs, und durch welche der Staat die im folgenden Verzeichnils genannten Summen empfangen und in seinen Nutzen verwendet zu haben bekennt: diese Urkunden sind die Schuld- scheine, welche der Staat der Göttin und den Verwaltern ihres Eigen- thums über die geliehenen Gelder ausstellte und die darum ihren Platz im Temenos der Göttin ganz passend angewiesen erhielten. Auf Grund derselben erfolgte dann die Berechnung dessen, was der Staat den Tem- peln an Kapital und Zinsen schuldete, seiner Zeit durch die Logisten in der Weise, von der die Urkunde 273 uns ein anschauliches Beispiel liefert. !) Wenn in der Urkunde 183 aufser der gewöhnlichen Ausantwortung einer Summe an die Hellenotamien auf Befehl des Volkes auch eine Reihe von Zahlungen an dieselben, theils zur Bestreitung der Kosten des Panathenaeenfestes von Ol. 91,2, theils zur Besoldung verschiedener im Felde stehender Heeresabtheilungen, unter der Ueber- schrift "ErAnvoraniaus zu magedgoıg edavsiranev (statt magedouev) - - aufgeführt wird, so sind darunter meines Erachtens Vorschüsse zu verstehen, welche die Schatzmeister, ohne dazu angewiesen oder sonst ermächtigt zu sein, in Folge eines Privatabkommens mit den Hellenotamien diesen auf Zeit geleistet hatten und welche die Hellenotamien binnen einer bestimmten kurzen Frist zurückzuzahlen verpflichtet waren, ohne dafs dem Staate daraus eine Belastung erwuchs. Philos.-histor. Kl. 1876 (2 Abthl.). 6 423 A. KırcunHorr: Zur Geschichte Auch von dieser Seite her gewinnt also die oben ausgesprochene Ansicht Bestätigung, dafs die in letzterer nicht specialisirten Anleihen der sieben ersten Jahre Ol. 86,4—88,2 vorwiegend, wenn nicht ausschliefslich, zu Kriegszwecken verwendet zu denken sind und in der Summe der ent- liehenen Gelder diejenigen Ausgaben nicht einbegriffen sind, welche in den ersten Jahren jener siebenjährigen Periode nachweislich für Bauten auf der Akropolis aus den Tempelgeldern bestritten worden sind. Aus alledem erhellt zur Genüge, dafs in der That nach dem Jahre Ol. 86,2 nach den Normen verfahren worden ist, welche damals aufge- stellt worden waren. Man würde aber irren, wollte man meinen, dals vor diesem Jahre wesentlich andere in Geltung gewesen seien. Das be- weisen die in jene frühere Zeit hinaufgehenden Urkunden zur Evidenz. So steht durch das Zeugnils der Epistatenrechnungen ©. I. A. I. 299 und 314 fest, dafs die Kosten der Herstellung der Parthenonstatue des Phei- dias (fertig gestellt bekanntlich Ol. 85,3) von den Schatzmeistern der Athena aus den Tempelgeldern gezahlt worden sind und dafs auch die Kosten des ersten Baujahres der Propylaeen Ol. 85,4 aus dem Vermögen der Göttin bestritten wurden!). Auf der anderen Seite kann die Zahlung von c. 200 Talenten an die Tempel der anderen Götter aus zu diesem Zwecke angewiesenen Mitteln des Staates, welche Ol. 86,2 zur Ausfüh- rung kam, nur als Rückzahlung einer bei diesen Tempeln in den vorher- gehenden Jahren gemachten Anleihe betrachtet werden: denn die Ur- kunde bezeichnet die fragliche Summe ausdrücklich als eine Schuld (Sper- 1) In dem letzteren Falle bestehen die Einnahmen der Bauherren nicht aus Zahlungen, welche die Schatzmeister an sie leisten, sondern aus den laufenden Einnah- men des Tempels aus der Verpachtung des Tempellandes (Ywg«s ieg@s mrSor oder pı- Swcıs) und der Veräulserung von dem Tempel gehörigen Werthgegenständen (- - zwv rm), welche von ihnen direkt vereinnahmt werden. Sie waren ihnen offenbar durch Volksbeschlufs überwiesen worden. Es folgt hieraus meines Erachtens, dals Ol. 86,4 keine nennenswerthen Baarvorräthe im Tempelschatz vorhanden waren, was zu meiner Setzung von ©. I. A. I. 32 in Ol. 86,2 durchaus stimmt, da die im Jahre der Urkunde erfolgte und auf ihr erwähnte Rückzahlung von 3000 Talenten an den Schatz der Athena beweist, dals derselbe in den vorhergehenden Jahren vom Staate stark in Anspruch genommen worden war, seine Baarbestände folglich Ol. 86,1 und 85,4 in der That nur unbedeu- tend gewesen sein können, wenn das Jahr der Urkunde richtig bestimmt ist. des Athenischen Staatsschatzes im fünften Jahrhundert. 43 Acueva) und ihre Zahlung als eine Rückerstattung (@roderis); und wenn die Logisten angewiesen werden, den Betrag der Schuld genau zu be- rechnen, und dem Rathe Vollmacht ertheilt wird, sie zu diesem Zweck zu versammeln, so hat diese Thätigkeit der Rechnungsbehörde sich augen- scheinlich nicht auf die Summirung der einzelnen Posten beschränkt, sondern aufserdem in erster Linie die Berechnung der aufgelaufenen Zin- sen ins Auge gefalst. Ebenso können die 3000 Talente, welche nach dem Zeugnils derselben Urkunde in demselben Jahre der Athena auf die Burg gebracht worden waren, durchaus nur als das Capital nebst Zinsen einer oder mehrerer Anleihen aufgefafst wurden, welche in der vorangegangenen Zeit beim Schatze der Athena aufgenommen worden waren. Wann und zu welchen Zwecken dies geschehen war, lehrt zum Theil wenigstens die Schuldurkunde ©. I. A. I. 177, aus der sich ergibt, dafs zur Bestreitung der Kosten des Samischen Krieges Ol. 84,4—85,1 aus den Geldern des Schatzes der Athena 1276, für einen anderen nicht mehr erkennbaren Zweck 128 Talente entnommen worden waren. Den Nachweis für die übrigen circa 1800 Talente zu geben ist nicht mehr möglich, gewils nur, dafs, da in den Summen von 3000 und 200 Talenten ohne Zweifel die aufgelaufenen Zinsen mit einbegriffen sein mufsten, wenn durch ihre Rück- zahlung die Gesammtschuld des Staates beglichen werden sollte, die Be- schaffenheit der Zahlen als runder sie als blofse Abschlagzahlungen aufzufassen nöthigt, die Schuld des Staates sich folglich thatsächlich höher belief als blofs auf 3200 Talente. Es erklärt sich hieraus zugleich der sonst auffällige Umstand, dafs die Schuldurkunde 177 auch nach erfolgter Befriedigung des Tempelschatzes nicht cassirt worden ist: die Befriedigung war eben keine vollständige und der Rest der Schuld ist auch später nicht zurückgezahlt worden. Selbstverständlich aber waren es die aus älterer Zeit stammenden Schuldposten, nicht die der jüngsten Vergangen- heit, welche bei Gelegenheit einer nur theilweisen Tilgung zunächst ab- gestolsen wurden. Erst bei gehöriger Würdigung aller dieser Umstände wird es mög- lich Sinn und Bedeutung dessen zu verstehen, was nach dem Inhalte der Urkunde 32 ım Jahre Ol. 86,2 geschehen ist. Die günstige Finanzlage des Staates (die Kosten des Samischen Krieges hatten die Besiegten in Ratenzahlungen zu erstatten sich verpflichten müssen, Thukydides 1,117 6* 44 A. KırcHHorr: Zur Geschichte nal Yoyuara Te avaruIevra zara Ypevous rafauevor drodeiva) gewährte die Möglichkeit, einen Theil des Capitals und der Zinsen, welche seit längerer Zeit den Tempeln geschuldet wurden, zurückzuzahlen oder abzutragen. Es wurde deshalb beschlossen, einen Theil der verfügbaren Mittel des Staates sowie den Ertrag gewisser laufenden Einnahmequellen dazu zu verwenden, um das Guthaben des Schatzes der Athena bis zur Höhe von 3000, das der Tempel der übrigen Götter bis zu der von 200 Talenten abzutragen. Nachdem sodann 3000 Talente dem Schatze der Athena überwiesen worden waren, ward weiter beschlossen, mit der Rückzahlung der 200 Talente vorzugehen und eine Reihe von Bestimmungen erlassen, durch welche Verwaltung und Verwendung der Tempelschätze nach Ab- wiekelung jenes Geschäftes fortan geregelt werden sollten. Es lag in der Natur der Sache, dafs dabei die Normen der früheren Praxis im Allge- meinen zu Grunde gelegt wurden, im Einzelnen aber mannigfache Aen- derungen erfuhren, welche im Interesse einer geordneten Verwaltung noth- wendig oder zweckmälsig erschienen. So bestimmt denn der Volksbe- schlufs 32 in seinem ersten Theile (Vorderseite) zunächst im Einzelnen die Modalitäten, unter denen die bereits angeordnete Rückzahlung der 900 Talente an die anderen Götter sich nunmehr zu vollziehen habe, und verfügt über die Verwendung derjenigen Summen, welche nach Rückzah- lung der 200 Talente von den zu diesem Zwecke disponirten Staatsgel- dern etwa übrig bleiben sollten. Er ordnet ferner an, dafs aus den Tem- pelschätzen der anderen Götter ein Oentralschatz gebildet, und, wie der der Athena, in der Nachcelle des Parthenon auf der Burg verwaltet werde. Die Verwaltung überträgt er einer besonderen Schatzbehörde, deren Zu- sammensetzung, Befugnisse und Verpflichtungen ganz denen der seit Al- ters bestehenden und fungirenden Schatzmeister der Athena analog sein sollen !). Im Besonderen verpflichtet er die neue Behörde, wie die Schatz- meister der Athena, über Einnahme und Ausgabe jährlich bei den Lo- gisten Rechnung zu legen, und die Uebergabeurkunden der Inventare der den Tempeln gehörigen Werthgegenstände, welche in einer vorgeschrie- benen Ordnung entworfen und mit Angabe der Stückzahl und des Ge- 1) Die früheste Erwähnung der neueingesetzten Schatzbehörde der anderen Götter ist aus Ol. 87,4 (C. I. A. I. 194). Y ’o ar nm Er ar des Athenischen Staatsschatzes im fünften Jahrhundert. 45 wichtes versehen sein müssen, jährlich in Stein gehauen auf der Burg öffentlich aufzustellen. In einem zweiten Theile (Rückseite) wird sodann ein Reglement für die Verwaltung und Verwendung des Schatzes der Athena aufgestellt. Es zerfällt in zwei Abschnitte, von denen der erste (Z. 1—24) sich auf die Baarschaften, der zweite (Z. 25 ff.) auf die son- stigen dem Tempelschatze gehörigen Werthgegenstände bezieht. Jene anlangend wird festgesetzt, dals ein bestimmter Theil derselben ausschliefls- lich zur Ausschmückung der Burg, Instandsetzung der Pompgeräthe und ähnlichen Zwecken verwendet, der Rest dagegen, so wie die Zugänge späterer Jahre im Allgemeinen der Verwendung entzogen bleiben sollen. Ausnahmsweise wird verstattet aus diesen Beständen im Falle des Be- darfes für die Bauten auf der Burg Zuschüsse bis zur Höhe von 10000 Drachmen zu entnehmen, Anträge auf Verwendung zu anderen Zwecken zu stellen aber unter Strafandrohung verboten, es sei denn, dafs dazu vorher die «dsı« erbeten und ertheilt worden. Neu sind in diesen Be- stimmungen offenbar nur die Limitirung der Ausgaben zu baulichen Zwecken auf eine bestimmte Summe und die Formalitäten, welche eine anderweite Verwendung der übrigen Bestände erschweren sollen, ohne sie im Uebrigen unmöglich zu machen: dafs schon vor dieser Zeit Verwen- dungen der Tempelgelder in der einen wie der anderen Weise stattge- funden haben, wird dadurch nicht ausgeschlossen, vielmehr vorausgesetzt. Die Verwendung soll nur eine Regelung erhalten, deren sie bis dahin ent- behrt hatte, nicht überhaupt erst jetzt verstattet werden. Wenn dann ferner verordnet wird, dals die Hellenotamien die bei ihnen einlaufenden Gelder bei den Schatzmeistern der Athena deponiren sollen, so ist schon oben darauf hingewiesen worden, dafs damit nur ein Verfahren von Neuem eingeschärft wird, welches schon seit Ol. 81,3 die Regel gewesen sein muls. Der Grund bei dieser Gelegenheit darauf zurückzukommen liegt auf der Hand. Bis zum Erlafs unseres Reglements war von den Helle- notamien bei der einzigen Schatzbehörde deponirt worden, welche einen Tempelschatz auf der Burg zu verwalten hatte; nachdem eine zweite Schatzbehörde eingesetzt worden, welche in demselben Gelasse noch einen anderen Schatz verwalten sollte, erschien es zweckmälsig ausdrücklich darauf hinzuweisen, dafs das Depositum des Staates nach wie vor bei der älteren Behörde, den Schatzmeistern der Athena, zu hinterlegen sei. 46 A. Kırcunorr: Zur Geschichte Es hängt also mit dieser Bestimmung ganz wohl zusammen, wenn zum Schlusse angeordnet wird, dals vom Raume der Nachcelle den neuen Schatzmeistern der anderen Götter ein bestimmter Theil, der links ge- legene, einzuräumen sei, die Schatzmeister der Athena dagegen fortan sich auf den rechts gelegenen beschränken sollen. Was endlich die son- stigen, im Schatze der Athena befindlichen Werthgegenstände betrifft, von denen der zweite nicht vollständig erhaltene Abschnitt handelt, so waren dieselben bisher nicht inventarisirt, auch keine Uebergaburkunden von den Schatzmeistern publieirt worden. Es wird daher angeordnet, dafs nunmehr ein Inventar aufgenommen und zu diesem Zwecke die vorhan- denen Stücke gezählt, die aus Gold, Silber oder vergoldetem Silber be- stehenden aulserdem gewogen werden sollen, sowie, dafs fortan die Schatz- meister der Athena regelmälsig jedes Jahr die Urkunden über die Ueber- gabe des Inventars und seiner Zugänge in Stein gehauen auf der Burg aufzustellen haben, ganz wie dies oben den neu bestellten Schatzmeistern der anderen Götter ebenfalls zur Pflicht gemacht worden war. Demge- mäls beginnt die Reihe der nach den Vorschriften dieser Instruktion ent- worfenen Uebergaburkunden der Schatzmeister der Athena, die uns er- halten sind, mit dem Jahre Ol. 86,3. Merkwürdig bleibt, dafs der Staat, obwohl er unmittelbar vor wie nach Ol. 86,2 über sehr bedeutende eigene Bestände im Depositum auf der Burg verfügte!), mit diesen doch überaus sparsam zu Werke ging, und es vorzog, Ausgaben, welche aus den laufenden Einnahmen, im Be- sonderen den Tributen, nicht zu bestreiten waren, wenn nicht ausschliefs- lich, doch nebenher durch Anleihen bei den Tempelschätzen zu decken, obwohl er diese nicht nur zurückzuzahlen, sondern überdem auch zu ver- zinsen hatte, sich also eine Mehrausgabe aufzuerlegen, welche auch dann nicht unbedeutend blieb, als er, wie wir anzunehmen Grund haben (vgl. 1) Wenn, der Annahme gemäfs, nach Rückzahlung der 3200 Talente an die Tempelschätze im Jahre Ol. 86,2 die Summe der Baarvorräthe auf der Burg sich auf 9700 Talente belief, so muls, auch wenn wir annehnien, was allerdings sehr wahrschein- lich ist, dafs in den unmittelbar vorhergehenden Jahren sich wieder einiger Vorrath in den Tempelschätzen aus deren Einnahmen aufgesammelt hatte, das Guthaben des Staates im Depositum immerhin in dem genannten Jahre zwischen 5000 und 6000 Talente be- tragen haben. des Athenischen Staatsschatzes im fünften Jahrhundert. 47 0.1. A. 1. p. 148. 149), im Laufe des ersten Theiles des Peloponnesischen Krieges den Zinsfuls herabgesetzt hatte. So hatte er bereits Ol. 84,4— 85,1 die Kosten des Samischen Krieges durch eine Anleihe beim Schatze der Athena beschafft. Nachdem er sich dann selbst Ol. 86,2 durch re- glementarische Bestimmungen das Borgen einigermafsen erschwert, borgte er doch gleich darauf für die Expedition nach Korkyra Ol. 86,4, den Zug nach Makedonien und die Belagerung von Potidaea Ol. 87,1 bei dem- selben Schatze. Erst durch den Ernst und die enormen Anforderungen der folgenden Kriegsjahre wurde er genöthigt sem Depositum stärker an- zugreifen; doch legte er selbst jetzt noch von diesem 1000 Talente für den äulsersten Nothfall fest und fuhr daneben fort, die Gelder der Athena und des ÜCentralschatzes der anderen Götter leihweise in Anspruch zu nehmen. Zu Anfang von Ol. 88,1 waren sowohl diese, als das Depositum bis auf jene festgelegten 1000 Talente erschöpft: nunmehr setzte er das Borggeschäft, wie sogleich gezeigt werden soll, bei den Jahreseinnahmen der Tempel bis Ol. 89,2 fort und half sich im Uebrigen durch Besteue- rung der Bürgerschaft und seit Ol. 88,4 durch Erhöhung der Tribute. Die Zinsen der aufgenommenen Anleihen hatte er aufserdem seit Ol. 86,4 nicht gezahlt, sondern sich selbst gestundet, für die Capitalien dagegen Schuldurkunden ausgestellt (C. I. A. 1. 179 und die im Anhange mitge- theilte). Die Schulden unmittelbar nach Abschluls des Friedens des Ni- kias zu berichtigen war er selbstverständlich nicht im Stande: es war dies erst nach Verlauf einer längeren Reihe von Friedensjahren möglich. Er liefs deshalb durch die Logisten zwar eine Berechnung aller während des Krieges seit Ol. 86,4 entliehenen Summen sowie der aufgelaufenen Zinsen aufstellen, begnügte sich aber vorläufig damit, das Ergebnifs dieser Berechnung als Schulddokument für Athena und die anderen Götter auf der Burg aufzustellen (C. I. A. I. 275), und verwendete die Ueberschüsse seiner Einnahmen in den folgenden Jahren bis zur sicilischen Expedition ausschliefslich dazu, zunächst einen neuen eigenen Schatz anzusammeln, während der eiserne Bestand von 10600 Talenten seiner ursprünglichen Bestimmung gemäls nach wie vor unberührt blieb. Da seit Ol. 88,4 die Tribute der Bundesgenossen auf den doppelten Betrag gesteigert worden waren, so ist nicht unglaublich, was Andokides angibt, dafs in dem be- zeichneten Zeitraum nach dem Frieden des Nikias 7000 Talente im De- 48 A. KırcHHorr: Zur Geschichte positum auf der Burg sich angesammelt hätten (Rede vom Frieden 8—9. ciuaı Ö imäs dmavras sidevan Four, orı di= rauryv Tav eipyvyv (des Nikias nämlich) &rranıryıra nv raravra vonisuares eis rAV anpomorv avaveyzane, — KaL begos moosyeı zar Eviaurov mAEv 9 dtaronıa za Yırıa raAavra), zumal da der Staat, nachdem er die Tempelschätze seit Ol. 89,3 sich in etwas hatte erholen lassen !), von Ol. 90,1 an wieder zur Deckung seiner Ausgaben in der früheren Weise bei ihnen zu borgen begann (vgl. die Schuldur- kunde über die während der Penteteris 90,3—91,2 aus dem Schatze der Athena entliehenen Gelder ©. I. A. I. 180—185), und sich dadurch das Ansammeln erleichterte. Allein die sicilische Expedition verschlang das Gesammelte so vollständig, dals man bereits Ol. 92,1 sich genöthigt sah, die seit Ol. 87,2 sorgfältig gehütete Reserve von 1000 Talenten endlich doch anzugreifen. Auch die Baarvorräthe der Tempel, welche daneben fortwährend in Anspruch genommen worden waren ?), waren spätestens Ende Ol. 92,2 vollständig erschöpft; denn seit Ol. 92,3 sind es nur noch die laufenden Jahreseinnahmen der Tempel, welche der Staat zur Befrie- digung seiner Bedürfnisse borgen kann (man vgl. die Schuldurkunde von diesem Jahre ©. I. A. I. 188 und beachte das &x rwv Erersiwv der Ueber- schrift); und zu Anfang von Ol. 93,3 schritt man, wie oben bereits her- vorgehoben worden ist, sogar dazu, die Werthgegenstände des Pronaos für die Münze in Anspruch zu nehmen. Die Katastrophe des Krieges brachte neben dem politischen auch den finanziellen Bankerott, und von diesem Sturze hat sich der Staat nie vollständig wieder erholt; nament- lich hat er niemals daran denken können, die bei den Tempeln von Ol. 86,4— 93,4 geborgten und einen Theil der vor dem ersteren Jahre ent- liehenen Summen sammt den aufgelaufenen, weil niemals gezahlten, Zinsen zurückzuerstatten. Seine Götter sind langmüthig gewesen und er selbst 1!) Aus den Jahren der Penteteris Ol. 89,5—90,2 sind Schulddokumente nicht vorhanden. Ich halte dies nicht für zufällig, sondern glaube, dafs solche überhaupt nie existirt haben. 2) Die verstümmelte Schuldurkunde ©. I. A. I. 184. 185, deren erhaltener Theil sich auf die Jahre Ol. 92,1 und 2 zu beziehen scheint, dürfte in ihrer verloren gegan- genen Partie die Urkunden für die beiden ersten Jahre der Penteteris, Ol. 91,3 und 4, enthalten haben. Auf jeden Fall scheint mir unzweifelhaft, dafs solche für die genannten Jahre vorhanden gewesen sind. re ar FÜ >. des Athenischen Staatsschatzes im fünften Jahrhundert. 49 hat seine Verpflichtungen nie abgeleugnet, die Dokumente derselben nicht getilgt; und so ist diesen Dokumenten beschieden gewesen, alle Greuel unsagbarer Verwüstung zu überdauern und der Theilnahme späterer Zeiten von der Gröfse der Opfer Kunde zu geben, welche die Gemeinde von Athen in den Tagen höchster aber kurzer Blüthe der Kraft in helden- mäfsigem aber vergeblichem Ringen der Verwirklichung ihrer politischen Ideale zu bringen im Stande gewesen ist. Ich komme nunmehr zur Besprechung des zweiten Punktes. Waren nämlich die Baarvorräthe des Staatsschatzes wie der Tempelschätze auf der Burg zu Anfang von Ol. 88,1 vollständig erschöpft, so können, wenn in den Jahren Ol. 88,1 und 2 weitere Anleihen bei den Tempeln gemacht worden sind (was wir nicht mit Sicherheit wissen können, da der Spe- eialnachweis für diese Jahre zufällig nicht erhalten ist), diese nur aus den laufenden Einnahmen derselben (ex r&öv Erersiwv) entnommen worden sein, und dasselbe gilt ohne Widerrede von denjenigen Summen, welche thatsächlich nach dem Zeugnifs der Urkunde in den Jahren Ol. 88,3—89,2 bei den Tempeln geborgt worden sind. Es setzt uns dies in den Stand, die durchschnittliche Höhe dieser Einnahmen wenigstens annähernd zu bestimmen. Beim Schatz der Nike und dem Centralschatz der anderen Götter ist nur ım letzten Jahre Ol. 89,2, bei dem ersteren einmal, bei dem letz- teren zweimal geborgt worden. Es hat dies seinen Grund offenbar darin, dals die Einnahmen dieser Schätze verhältnifsmäfsig gering waren und man, nachdem man ihre Baarvorräthe einmal erschöpft hatte, sie noth- gedrungen eine längere Zeit ruhen lassen mulste, damit sie wieder zu Kräften kommen konnten. Hat man aber aus diesem Grunde sie in den Jahren Ol. 88,3—89,1 und einem Theile des Jahres Ol. 89,2 nicht in Anspruch genommen, so ist wahrscheinlich, dafs man in den Jahren Ol. 88,1 und 2 ebenso verfahren ist. Repräsentiren also die Ol. 89,2 ent- liehenen Summen von sechs und von funfzig und einigen Talenten an- nähernd das Capital, welches sich im Laufe der letzten fünf bis sechs Jahre in diesen Schätzen angesammelt hatte, so folgt, dafs die Einnah- men des Niketempels durchschnittlich auf etwa ein, die des Centralschatzes der anderen Götter auf neun Talente des Jahres zu veranschlagen sind. Philos.-histor. Kl. 1876 (2 Abthl.). 7 50 A. KIRCHHOFF: Zur Geschichte des Schatzes der Polias, wie die in den Jahren Ol. 88,3—89,2 aus ihm entnommenen Summen von beziehendlich 261 t. 5640 dr., 130 t., 133 t. 2895 dr. 34 ob. und 222 t. 1642 dr. 24 ob. lehren, welche schlechterdings nur aus den Die Höhe dieser Summen darf uns nicht irre machen; denn wir besitzen das Zeugnils einer Sehr viel bedeutender waren dagegen die Einnahmen Einnahmen dieser Jahre können geliehen worden sein. anderen Urkunde, durch welches bestätigt wird, dafs die Jahreseinnahmen dieses Schatzes sich in der That so hoch beliefen. Es ıst dies die Schuld- urkunde ©. I. A. I. 188 über die ım Jahre Ol. 92,3 aus den Schätzen der Polias und Nike entliehenen Gelder, welche in der Ueberschrift ausdrück- lich als &# r@v &rereiwv entnommen bezeichnet werden. Der Inhalt dieser Urkunde ist in schematischer Uebersicht der folgende: Termin der Schatz der Polias Schatz der Nike Zahlung Pry- = Baar Durch Anweisung Baar ar tani er Tal. Dr. Ob. Tal. Dr. Ob. Tal. Dr. Ob. | I | 3 3237 \ | | | 91 31 al5 1000 | u b 5114 al 2 5420 1) b| 2 5400 un e 6 d 2 | a 3 an Bars 1355 1% | # 2200 | | 3 1284 9 3 1083 2 11 3740 Ir Sn 13 - | 49062) 28 2 21003) | 30 57 1000 1) Eine oder zwei Ziffern scheinen am Schlusse verwischt. fehlen kann, wäre 4 Obol. 2) Die erste Ziffer des Postens ist verlöscht. Es fehlt also mindestens ein Talent. 3) In der Mitte ist zwischen den Tausenden und dem Hundertzeichen eine Ziffer verlöscht, so dafs mindestens 100 Drachmen fehlen. Das Mindeste, was I des Athenischen Staatsschatzes im fünften Jahrhundert. 51 Termin der Schatz der Polias Schatz der Nike Zahlung Brys.|H,,- Baar Durch Anweisung } Baar i Tag Sn Tal. | Dr. Db.4+ | wach. Dre] 08, | Tal.| Dr. | ob. 5 1 | | 7 | 10.1.1238 31 | | ; 7 4 | | | | yu 16 | NET Pr; | | | I". .84 | 5400 | | | | 27 | 1° | 2565 . | 44 | | | | Penarz 3 634 4 | | | VIH 24 | 3. | 4318 14 | TE EEE) | | | | | | 12 21881) | 1 23 32) | 7983 3 36 2 3850 21 36 21 1000 IX | 6 | 5 5 3896 | | 3000 -3) 4 | 11 5 442 sl x 23 2 | 5090 3 | | 36 5 | 456 | 4 | | | | | | | Summa | 83 876 54 95 2896 | ala uhr | | | Leider ist die Ziffer der am Schlusse gezogenen Gesammtsumme aller Zahlungen dieses Jahres weggebrochen. Die Summe der erhaltenen Ziffern aller Einzelposten beträgt 178 t. 3864 dr. 22 ob., die Summe des denkbar mindesten Betrages der zerstörten 2 t. 2100 dr. 4 ob., was zu- sammen 180 t. 5964 dr. 3 ob. ergibt; doch ging die Gesammtsumme aller Wahrscheinlichkeit nach über diesen Betrag in Wirklichkeit noch um 1) Es fehlen zu Anfang zwei Ziffern, also mindestens 2000 Drachmen. ?) Die erste Ziffer ist verlöscht, die ganze Summe folglich um wenigstens ein Talent zu klein. 3) Der ganze Posten, der sich auf Talente belaufen haben muls, ist verlöscht. es 52 A. KırcHHorr: Zur Geschichte einige Talente hinaus. Auffallend gering ist der Beitrag aus dem Nike- schatze; indessen ist möglich, dafs unter den Pryt. VI,50 und IX,36 an- gewiesenen Geldern sich auch solche befunden haben, welche diesem Schatze gehörten. Von den beiden Anweisungen ist die erste an die Kasse der Hellenotamien, die zweite direkt an Strategen und Trierarchen auf Samos erfolgt, ganz entsprechend der Praxis, welche auch bei Baarzah- lungen begegnet. Beide Male werden die angewiesenen Gelder als r« &x $aducv bezeichnet, was ich mit Boeckh nur so verstehen kann, dafs sich damals auf Samos Gelder unter dem Schutze der Flotte in Verwahrung befanden, welche der Polias (und vielleicht auch der Nike) gehörten und der Gelegenheit warteten, um nach Athen geschafft und den Schatz- behörden übergeben zu werden. Ihr Betrag ist sehr bedeutend und über- steigt sogar die Höhe der in Athen von den Schatzmeistern vereinnahm- ten um ungefähr 10 Talente. Aufgesammelte Tributgelder können es nicht gewesen sein, wenn die von mir oben gegebene Darstellung der einschlä- gigen Verhältnisse richtig ist; aber auch wer meine Auffassung nicht theilen sollte, wird dennoch an Tributgelder nicht denken dürfen; denn diese waren unter allen Umständen zunächst durch die Hellenotamien zu vereinnahmen und können vor ihrer Abführung nach Athen unter keiner denkbaren Voraussetzung zur Verfügung der Schatzmeister der Athena gestanden haben. Dies ist nur möglich bei Geldern, welche unmittelbar in den Schatz der Athena zu fliefsen bestimmt waren, d. h. also bei Ein- nahmen aus den Besitzungen des Tempels oder sonstigen herkömmlichen Gefällen, welche in das Eigenthum desselben übergingen, wie z. B. dem Zehnten der Kriegsbeute. Ohne Zweifel besafs aber der Tempel durch seine Filiale Grundeigenthum auf dem Gebiete aller auswärtigen attischen Kleruchien, wie namentlich auf Lemnos, Imbros, der thrakischen Cher- sones und Lesbos, um der näher gelegenen und hier nicht in Betracht kommenden gar nicht zu gedenken; wie denn von Lesbos im Besonderen feststeht, dals nach Niederwerfung des Aufstandes dieser Insel Ol. 88,1 von dem confiscirten Grundeigenthum der Rebellen 300 Landloose für die Götter ausgeschieden worden waren (Thukydides 3,50), von denen sicher der Löwenantheil der Polias zugefallen war. Die fälligen Revenuen dieser auswärtigen Besitzungen konnten in den unsicheren Zeiten nach dem Ab- falle der meisten Bundesgenossen dieser Gegenden ohne die wirksame S f .- des Athenischen Staatsschatzes im fünften Jahrhundert. 53 Beihülfe attischer Garnisonen und Kriegsschiffe gar nicht regelmäfsig er- hoben und sicher befördert werden, und es ist nichts natürlicher, als dafs sie unter diesen Umständen zunächst auf Samos sich ansammelten, wo während dieser Jahre bekanntlich das Gros der athenischen Kriegsflotte dauernd zu stationiren pflegte. Da nun der Staat gleichzeitig auch die Jahreseinnahmen des Tempels für die Zwecke der Kriesführung in un- eingeschränkter Weise in Anspruch nahm, so empfahl es sich aus Grün- den praktischer Zweckmälsigkeit, den auf Samos sich ansammelnden Theil derselben überhaupt gar nicht erst nach Athen schaften zu lassen, son- dern von Athen aus durch Anweisung über ihn zu verfügen. Was wir hiernach aus der Urkunde lernen, ist die Thatsache, an der durch kein Deuteln das Geringste geändert werden kann, dafs die jährlichen Einnahmen des Schatzes der Polias (und der Nike) aus den inländischen und auswärtigen Besitzungen des Tempels und seiner son- stigen gesetzlichen Revenuen sich leicht auf nahe an 200 Talente des Jahres belaufen konnten; denn allerdings war bei der eigenthümlichen Beschaffenheit eines Theiles der Quellen dieser Einnahmen, welche oben bereits aufgeführt worden sind, die Summe der Revenuen nothwendig eine stets schwankende und in verschiedenen Jahren möglicherweise sehr verschieden. Immerhin genügt die festgestellte Thatsache, um die Be- hauptung zu begründen, dafs Zahlungen von 130 und 1334 Talenten, wie sie Ol. 88,4 und 89,1 vom Schatze geleistet worden sind, sehr wohl aus seinen Jahreseinnahmen bestritten werden konnten, ja dieselben nicht einmal nothwendig erschöpften. Wenn daher die Zahlung des folgenden Jahres von über 222 Talenten das zulässige Maals zu übersteigen scheint, so erklärt sich dies einfach daraus, dafs die Einnahmen der beiden vor- hergehenden Jahre nicht vollständig in Anspruch genommen worden waren und sich folglich em Ueberschufs angesammelt hatte; dasselbe gilt für die noch bedeutendere Summe von nahezu 262 Talenten, welche Ol. 88,3 dem Schatze entnommen wurde, und welche als aus den Einnahmen dieses Jahres und den Ueberschüssen der vorigen beiden zusammengesetzt ge- dacht werden kann, über welche wir zufällig nıcht näher unterrichtet sind. Zugleich ergibt sich, dafs wenn ich oben die Summe der Jahres- einnahmen aller Tempelschätze auf durchschnittlich rund 200 Talente m 54 A. Kırcuuorr: Zur Geschichte angeschlagen habe, diese Summe sicher nicht zu hoch gegriffen war, son- dern der Wirklichkeit annähernd entsprechen dürfte. Nach diesen Ermittelungen erübrigt eine letzte Erwägung, zu der ich nunmehr unbedenklich übergehen kann, da für sie durch das Vorher- gehende eine gesicherte Grundlage geschaffen ist. Belief sich nämlich die Summe der Baarvorräthe der Tempelschätze und des Staatsschatzes, welche der Annahme nach Ol. 86,2 auf der Burg vorhanden war, auf 9700 Ta- lente, und waren von diesen Geldern zu Anfang von Ol. 87,2 nur noch 6000 Talente übrig, so hat der Staat in den drei Jahren Ol. 86,5—87,1 allerdings zur Bestreitung aulserordentlicher Ausgaben von den Baarvor- räthen 3700 Talente verwendet. Hierzu kommen dann noch die Zugänge der Tempelschätze, welche nach dem oben befolgten Maafsstabe veran- schlagt für diese drei Jahre auf rund 600 Talente sich berechnen würden, und die des Staatsschatzes aus den während derselben Zeit eingegangenen Tributgeldern. Zwar glaube ich nicht, dafs diese die Summe von 1800 Talenten erreicht haben, indessen soll, um dem Vorwurfe zu begegnen, als suche ich die Rechnung willkürlich zu meinen Gunsten zu stellen, angenommen werden, dals dies dennoch der Fall gewesen sei. Es ergäbe sich alsdann, dafs die Gesammtsumme aller aufserordentlichen Ausgaben des Staates während jener drei Jahre auf 6100 Talente zu veranschlagen wäre. Aber selbst diese möglichst hoch gegriffene Summe für exorbi- tant zu halten und darum die Richtigkeit der Voraussetzungen zu be- zweifeln, von denen bei der Berechnung ausgegangen worden ist, sehe ich keinen Grund. Denn sie bleibt, wie man sieht, auch so noch um volle 1300 Talente hinter derjenigen zurück, welche für den gleichen Zeitraum von drei Jahren Ol. 87,2—4 in zuverlässiger Weise oben er- mittelt worden ist. Zwar waren die letzteren sämmtlich schwere Kriegs- jahre, was von den ersteren nicht gesagt werden kann; Ol. 86,4 war überhaupt kein Kriegsjahr, in Ol. 86,4 fällt nur die Expedition nach Korkyra in den ersten, und der Beginn der Unternehmung gegen Ma- kedonien in den letzten Monaten, während das Jahr Ol. 87,1 allerdings durch die Fortsetzung der letzteren Expedition und die Belagerung von Potidaea gänzlich in Anspruch genommen wurde. Dagegen ist nun aber zu beachten, dafs während jener schweren Kriegsjahre der Staat seine sonstigen Ausgaben auf das äulserste einschränkte und im Besonderen des Athenischen Staatsschatzes im fünften Jahrhundert. 55 seine Bauthätigkeit vollständig eingestellt hatte, während in den Jahren Ol. 86,3— 87,1 weder das eine noch das andere der Fall war: dafs Ol. 86,3 und 4 Jahre einer sehr regen Bauthätigkeit waren, steht fest, und was Ol. 87,1 betrifft, so nöthigt wenigstens Nichts zu der Annahme, dafs sie schon in diesem Jahre völlig eingestellt worden ist, obwohl es an direkten Zeugnissen für das Gegentheil allerdings, aber vielleicht auch nur zufällig, fehlt. Auf Grund dieser Erwägungen glaube ich behaupten zu dürfen, dafs die Summen von 6100 und 7400 Talenten zu einander in einem durchaus glaublichen Verhältnisse stehen und von dieser Seite kein Grund vorhanden ist zu bezweifeln, dafs in den Jahren Ol. 86,5 — 87,1 wirklich die Summe von 6100 Talenten oder doch nicht viel weni- ger vom Staate von Athen für aufserordentliche Ausgaben aufgebraucht worden ist. Freilich bin ich nicht im Stande, diese Thatsache auf einem an- deren Wege und in positiver Weise durch Aufstellung einer detaillirten Ausgabeberechnung des Weiteren zu erhärten. Dazu fehlt es durchaus an den nöthigen Anhaltspunkten. Nicht einmal die Summe dessen, was der Staat in diesen Jahren an Sold für Flotte und Landheer ausgegeben hat, läfst sich mit annähernder Sicherheit feststellen, geschweige dals die sonstigen Kosten, welche die kriegerischen Unternehmungen verursachten, sich irgendwie berechnen liefsen. Ebensowenig reicht die Ueberlieferung aus, um eine genaue Vorstellung von der Ausdehnung der Bauthätigkeit zu gewinnen, welche der Staat in dieser Zeit entwickelte, und der Gröfse der Summen, welche er darauf verwendete. Daraus aber, dafs eine solche Berechnung nicht möglich ist, kann eine Instanz gegen die mögliche Richtigkeit der anderweitig ermittelten Summe, die zu anderen analogen in richtigem Verhältnifs steht, nicht abgeleitet werden; umgekehrt ist vielmehr von dieser auszugehen, wenn es sich darum handelt, den Auf- wand zu ermitteln, welchen ein Staat wie der von Athen in damaliger Zeit zu machen, wenn nicht genöthigt, doch im Stande war, und welcher wirklich von ihm gemacht worden ist. Obwohl ich also den Versuch einer Prüfung der Rechnung auf diesem Wege ablehnen mufs, kann ich doch nicht umhin, wenigstens auf einen in dieser Richtung liegenden Punkt näher einzugehen, weil aus seiner Umgehung mir nicht mit Un- recht ein Vorwurf gemacht werden könnte. 56 A. KırcHHorr: Zur Geschichte Die Jahre Ol. 86,3 und 4 sind das vierte und fünfte Baujahr der Propylaeen. Dieser Bau, welcher fünf Jahre in Anspruch nahm, soll nach einer bestimmten Angabe (Heliodor wegi ns "ASyyyrıv angemorews bei Harpokration p. 159) die Summe von 2012 Talenten gekostet haben, von welchen also auf die beiden letzten Jahre 800 Talente, oder vielleicht auch noch mehr, entfallen würden. Bekanntlich ist in neuerer Zeit die Höhe jener Summe von Schoene beanstandet worden, welcher nachzu- weisen versucht hat, dals man in damaliger Zeit zu Athen sehr viel bil- liser gebaut haben müsse. Soweit bei Erledigung dieser einmal ange- resten Frage technische Erwägungen in Betracht kommen, bescheide ich mich ein eigenes Urtheil nicht zu haben und mulfs die Entscheidung Sach- verständigen überlassen; wenn aber unter Anderem besonderes Gewicht darauf gelegt wird, dafs der Tagelohn für Bauarbeiter in Athen ein un- gewöhnlich niedriger gewesen sei, so kann ich diese Behauptung in dieser Allgemeinheit nicht zugeben und mufs ihr im Besondern jede Beweis- kraft für den vorliegenden Fall absprechen. Sie gründet sich nämlich, so viel ıch sehe, lediglich auf diejenigen Sätze des Tagelohns, welche uns die erhaltenen Bauurkunden des Erechtheums kennen lehren, und die allerdings zum Erstaunen niedrig sind. Allein der Stand der Löhne, war selbstverständlich nicht zu allen Zeiten derselbe, sondern je nach den Conjuneturen zu verschiedenen Zeiten nothwendig ein sehr verschiedener, und es ist unzulässig ohne Weiteres vorauszusetzen, dals der Staat im Anfang der 95. Olympiade, welcher Zeit die hauptsächlich in Betracht kommende Bauurkunde angehört, nach demselben Satze gezahlt habe, wie in den Jahren unmittelbar vor dem Ausbruche des grofsen Krieges, und umgekehrt. Im Beginn der 95. Olympiade führte der Staat von Athen bereits seit Jahren einen verzweifelten und furchtbar erschöpfenden Krieg, welcher ihn schon damals an den Rand des finanziellen Ruines gebracht hatte; er war genöthigt mit seinen Mitteln zu kargen, und wenn er trotz- dem gerade in dieser Zeit seine Bauthätigkeit wieder aufnahm, so geschah dies mit schwachen Kräften und, wie ich mich überzeugt halte, zu keinem anderen Zwecke, als um einer Klasse der Bevölkerung mit Staatsmitteln zu Hilfe zu kommen, deren Erwerb in diesen Zeitläuften gänzlich darnieder lag, deren Existenz bedroht war und die hohe Anforderungen zu stellen unter dem Drucke der Zeitverhältnisse verlernt hatte, folglich mit Wenigem zu De en BR / ‘ ‘2 des Athenischen Staatsschatzes im fünften Jahrhundert. 57 befriedigen war. Dagegen waren die Jahre des Propylaeenbaues im Ver- gleiche friedlicher Natur, die Existenz des Staates nicht bedroht; vielmehr blühten seine Finanzen, wie nie zuvor und nachher, und stellten die Mittel zu umfassenden und grofsartigen Luxusbauten zur Verfügung. In dieser Zeit hatte er nicht nöthig mit seinen Geldern sich einzurichten; er zahlte reich- lich, schon weil er mufste, da die Anforderungen derer, deren Arbeit er für seine Bauten in Anspruch nahm, entsprechend gesteigert waren. Mit handgreiflicher Deutlichkeit tritt dieser Unterschied der Zeiten in der durch Thukydides’ Angaben beglaubigten Thatsache uns entgegen, dafs in den ersten Jahren des peloponnesischen Krieges der Staat dem Ma- trosen täglich eine ganze Drachme zahlte, dagegen bereits in der 92. Olym- piade damit auf die Hälfte herabzugehen sich genöthigt gesehen hatte, obwohl die Soldfrage für den Bestand der Flotte gerade damals zu einer Lebensfrage geworden war. Ich meine aber, dafs zu einer Zeit, in der der Staat für gröfstentheils doch pflichtmälsige Dienste, deren Leistung ihm nicht verweigert werden konnte, das Doppelte der späteren Löhnung bewilligen mufste und mochte, die Entschädigung, welche er für freiwil- lige Dienstleistungen zu gewähren hatte, nothwendig noch viel höher sich belaufen haben müsse, und es würde mich nicht wundern, wenn sich dereinst herausstellen sollte, dafs die Arbeitslöhne dieser Zeit das vier- fache und mehr der aus jener Periode höchster Bedrängnils des Staates bezeusten Sätze betragen haben. Ich bescheide mich gern, dafs derartige Schätzungen der wünschenswerthen Genauigkeit entbehren, die sie für andere Zwecke verwerthbar machen könnte; allein ich beanspruche auch das Zugeständnils, dafs sie in ihrer Allgemeinheit vollkommen ausreichen, die Nothwendigkeit einleuchtend erscheinen zu lassen, dafs für die Erle- disung der Frage, ob die Ueberlieferung von der Höhe der Kosten des Propylaeenbaues zu beanstanden sei oder nicht, ein Beweismittel aufser Rechnung gestellt werde, welches in keiner Weise geeignet ist zu erhärten was es erhärten sollte. Philos.-histor. Kl. 1876 (2 Abthl.). 8 58 A. Kırcuuorr: Zur Geschichte Das Ergebnils der angestellten Erwägungen ist also, um es kurz zusammenzufassen, für mich und jeden, der sie überzeugend findet, dieses, dals ein Unterschied zu machen ist zwischen den Schätzen der Tempel, welche Eigenthum derselben sind, und dem Staatsschatze von Athen, welcher Eigenthum des Staates war und blieb, obwohl er in einem jener Tempel als Depositum aufbewahrt wurde, und dafs das Verfügungsrecht des Staates über dieses sein Eisenthum ein ebenso unbeschränktes war, wie gegenüber dem Eigenthum der Tempel dahin begränzt, dafs letzteres in den Nutzen des Staates nur in der, allerdings wesentlich fietiven, Form von verzinslichen und rückzahlbaren Anleihen verwendet werden durfte. Wer dies zugibt, mufs ferner consequenterweise setzen, dals die Aus- gaben des athenischen Staates während einer gewissen Periode ungleich höher gewesen sind, als gewöhnlich angenommen wird. Rechnen wir nämlich mit Boeckh die regelmäfsigen Ausgaben des Staates, welche aus seinen regelmäfsigen Einnahmen gedeckt wurden, auf rund 400 Talente jährlich und fügen diese Summe den oben ermittelten Ziffern der aulser- ordentlichen Ausgaben hinzu, so ergibt sich, dafs unter den gemachten Voraussetzungen das Ausgabebudget von Athen in den Jahren Ol. 86,3 — 87,1 durchschnittlich auf jährlich rund 2430 Talente, oder nach dem höchsten Satze umgerechnet auf 11,458,056 Reichsmark, dasjenige der folgenden ersten Jahre des Krieges auf 2870 Talente oder 13,532,766 Reichsmark zu stehen kommt. So lange nun nur behauptet und nicht erwiesen sein wird, dafs diese Summe nicht richtig sein könne, werde ich mich berechtist halten, sie als wenigstens annähernd richtig bestimmt zu betrachten, und es mus einleuchtend sein, dals ich bis dahin keine Veranlassung haben werde, von meiner Datirung der Urkunde abzugehen, welche zu dieser Auseinandersetzung den Anlals gegeben hat. Anhang. Auf der Burg zu Athen fand vor Kurzem Hr. Professor Koehler unter als werthlos bei Seite gelesten Steinen das Fragment einer Marmor- ‚platte, welches auf den Resten der beiden einander gegenüberstehenden Hauptflächen und der einen zwischen beiden gelegenen Schmalseite Spuren von Schrift zeigte. Bei genauerer Untersuchung ergab sich Folgendes als noch lesbar: (Text siehe folgende Seite.) Die deutlich erkennbaren Reste der geläufisen Formeln lassen keinen Zweifel daran, dafs wir es mit einer Schuldurkunde von der Art der oben besprochenen zu thun haben. So liest und ergänzt sich denn der Inhalt der Fläche A Z. 1-6 ohne Schwierigkeit zu Os. "ASyvaisı dvyA]urav & Ma[xedeviav -- - Emi rcD deivas aoy,evros nal em ans BovAns, n --] orıno[s] "Eyy[- - - FgWros Eyganpareve. Tanicı ieguv Aonudruv ns "A9yvalas 6 deiva] Aal Euvagyov[res, cis 6 deiva Eypauuareus, mapederav argarmyols (-W) &s Max]Jedoviav, Eöxga[reı --- - Em TIs - - Idos mguraveias deureg]as mgUTavevoUnS --]. Was auf Z.7 zu lesen ist, scheint von ragedorav oder ragedouev übrig. In ähn- licher Weise ergänzen sich die Reste der Fläche B Z. 1—3 zu [’ASyvaicı SEE Te v deivos « ı emı ic B u ER UN a > AvnAwTav EMI ToU ÖEIWOS LOYOvTos nal EMI TS ovANs, 7 0 0EIVa moWros] Eyolan- m e hireve. Tania iepav Yenuarwv is "ASyvalas 6 deiva za Euvapyov]res, Eis ö deiva eygamuareus, magedorav EmI NS - - - Ida mgUFavEL«S Soom@ mouraveueuc]ys, [ey ölezern NAegE TNS mpuraveias EreimAuQvuias --] Z. 4 erkennt man [7% deivı Keo JaAnSe[v] oder auch 'ExaanIev, Zpevdarnser, Z.5 - -ı nuega[i), 2.6 [rgu- Taveuouen]s, einoor|y], Z. 7 [mn aörn Aueo]e "Errmvoraulierı). Die Spuren auf Z. 8 wage ich nicht mit Zuversicht zu deuten, Z. 9 aber ist wieder deut- = 5 Er 7 5 lich [em 796 - - - 1dos &x]rns [wgluravevsusys zu erkennen, wenn man damit Si Zur Geschichte A. KIRCHHOFF 60 AI uogeg nz uopurlsad :|y dOPO :IV 9 'Z 1Od Sundumorsagg uaaaypds 99 TG AOJUEOY ULIOp uaIyos eViedl 3 A EI ZSAEN FEN SHE LIU} DUO“ uaypoagagsun usy919Z JOMZ BAMAIT "u9ssal]Iaz AU9S 9195 19s9Ip ne opeıad 3ST OUDPHA9AO vo 83] ko) EEE NY AeDellores VNHOV32 0o© = U G w "Z 79) or des Athenischen Staatsschatzes im fünften Jahrhundert. 61 2.10 [er vns "Ep]ex,Snidos eßdeluns mouraveuoucys] vergleicht. Z. 10 stand, wie es den Anschein hat, [aJöraı d& &s Zızerua[v], Z. 12 ein Eigenname im Dativ, -- wvei (- - wei, - - wur) "Adıldvaw]. Auch die Z. 1—4 der Schmalseite © bieten die unverkennbaren Spuren der bekannten Eingangsformel dieser Urkunden: [ASyvaicı] ar- [Hurav | em -- -]xov aoy[ovres- | rauı]aı iegwv Alenudr wv n]s "ASyvalias - -, nur dafs hier die Bezeichnung des Rathes und des ersten Rathsschreibers des Jahres, welche sich sonst zu finden pflegt, ausgelassen erscheint. Die Reste des Archontennamens führen mit zwingender Nothwendigkeit auf Isarchos, Archon Ol. 89,1; denn an Kallimachos, Archon Ol. 83,3, und Lysimachos, Archon Ol. 86,1, ist nicht zu denken, und zwischen dem letzteren Jahre und dem des Archon Eukleides, vor welchen die Urkunde gehören muls,. wie aus der Schreibung IEPON für ieg@v hervorgeht, findet sich kein einziger Archont, dessen Name auf --%ss endigte, als allein Isarchos. Es kann daran nichts ändern, dafs die Orthographie der Ur- kunde, welche in der Genetivendung OY für O schreibt und H als Vocal- zeichen verwendet, für eine so frühe Zeit auffällig erscheinen kann; denn wir sind nicht im Stande zu bestimmen, wie früh oder wie spät der- gleichen Abweichungen von der gewöhnlichen attischen Schreibung in der individuellen Gewöhnung einzelner Schreiber auch auf öffentlichen Urkun- den zur Geltung gekommen sind. Selbst das darf nicht beirren, dafs die Namen des Obmanns des Schatzmeistereollegiums von Ol. 89,1, Thuky- dides’ des Acherdusiers, und seines Schreibers Smikythos, welche wir dem Herkommen gemäfs unmittelbar nach Z. 4 erwähnt zu finden er- warten, sich in den geringen Resten der folgenden Zeilen nicht nach- weisen lassen; denn die Oberfläche des Steines ist sehr abgerieben und es ist wenigstens möglich, dafs die Fassung der Urkunde gerade auf dieser Schmalseite eine abgekürzte war, wie denn schon oben in der Einleitungs- formel die Bezeichnung des Rathes, welche sonst nicht zu fehlen pflest, vermilst wurde. Ist dies richtig, so gehören die Urkunden der beiden Breitseiten A und 5 in die unmittelbare Nähe von Ol. 89,1 und zwar beide vor oder die eine vor und die andere hinter dieses Jahr, je nachdem A und B die Vorder- oder die Rückseite der Tafel bildeten und Ü als rechte oder linke Schmalseite derselben zu betrachten ist. Nun geht aus B Z. 10 62 A. KırcHnorr: Zur Geschichte hervor, dafs im Jahre dieser Urkunde eine Expedition nach Sieilien im Gange war, worunter nur diejenige verstanden werden kann, welche Ende Sommer Ol. 88,2 durch die Entsendung eines Geschwaders von zwanzig Schiffen zur Unterstützung der Leontiner eingeleitet wurde (Thukydides 3,86) und im Sommer von Ol. 89,1 in Folge des Friedenschlusses zwischen den kämpfenden Parteien ihr Ende erreichte (derselbe 4,65). Die Urkunde gehört folglich auf jeden Fall in eines der drei Jahre Ol. 88,2—4 und darf mit einiger Wahrscheinlichkeit dem ersten derselben, also 88,2, zu- gewiesen werden, da bei der ansehnlichen Breite dieser Fläche, wie sie sich aus den ganz sicheren, oben bezeichneten Ergänzungen ergibt, die Annahme nothwendig wird, dafs auf ihr mehr als nur eine oder zwei Urkunden vereinigt waren, die unsrige aber die erste und somit älteste derselben gewesen sein muls, da sie am oberen Ende der Steinseite beginnt. Nach der anderen Seite bezeichnet die Ueberschrift der Urkunde auf der Fläche A die Zahlungen dieses Jahres als entweder ausschliefs- lich oder doch vornehmlich zur Bestreitung der Kosten eines Unterneh- mens gegen Makedonien gemacht und gleich der erste Posten ist eine an den nach Makedonien bestimmten Strategen Eukrates an einem der Tage der zweiten Prytanie, also im Monat Metagitnion oder dem ersten Drittel des Boedromion, geleistete Zahlung. Mit Perdikkas von Makedonien lagen die Athener seit dem Ende von Ol. 86,4 bis in den Sommer von Ol. 87,4 in Fehde, um welche Zeit sie Friede mit ıhm schlossen und das von ihnen gleich zu Anfang des Krieges eroberte Therme herausgaben (Thukydides 1,57 ff. 2,29). Zwar zerfielen sie Ol. 89,1 mit ihm von Neuem, allein der Kriesszustand war nicht von langer Dauer, da er sich bald mit seinem Bundesgenossen Brasidas überwarf und mit Athen wieder anknüpfte, und, was die Hauptsache ist, die Athener haben nur in jener ersten Kriegs- periode den Krieg auf dem Boden von Makedonien selbst geführt und Expeditionen in dieses Land unternommen. Da nun die in der Urkunde erwähnte Unternehmung gegen Makedonien in dem zweiten oder dritten Monat eines attischen Jahres begann oder in der Ausführung begriffen war, wie aus ihren eigenen Angaben deutlich hervorgeht, so scheint mir wenigstens klar, dafs diese Urkunde nur auf das Jahr Ol. 87,1 bezogen werden kann. Zwar wird der Name des Strategen Eukrates sonst nicht des Athenischen Staatsschatzes im fünften Jahrhundert. 63 genannt, allein aus Thukydides 1,61 ersehen wir, dals zu Anfang dieses Jahres der Stratege Kallias mit vier seiner Collegen eine Verstärkung von 40 Schiffen und 2000 Hopliten nach Makedonien führte, und es steht durchaus nichts der Annahme entgegen, dafs Eukrates einer von diesen vier gewesen ist. Gehen wir von diesen, wie mir scheint, ganz sicheren Bestimmun- gen aus, so folgt, dafs die mit A bezeichnete Fläche als die zuerst be- schriebene Vorderseite der Tafel, 3 als die Rückseite und © als die zwischen beiden gelegene linke Schmalseite derselben zu betrachten ist. Auf der Vorderseite und, wenn, wie wahrscheinlich, auch diese beschrie- ben war, der rechten Schmalseite, von welcher nichts erhalten ist, stan- den die Urkunden der Jahre Ol. 87,1 bis 88,1 einschliefslich, die Rück- / seite enthielt die Urkunden der Jahre 88,2—4, die linke Schmalseite auf E ihrem oberen Theile die von Ol. 89,1; ob auf dem unteren Theile auch i noch die von Ol. 89,2 untergebracht oder diese vielmehr auf einem be- } sonderen Steine aufgestellt war, bleibe unentschieden. Ergänzt man nun unter dieser Voraussetzung die auf der Fläche A erhaltenen Reste, indem man die uns bekannten Namen der Behörden des Jahres Ol. 87,1 einsetzt, so ergibt sich folgendes Bild: AOENAIOIANEL]JILANEZ\A[KEAONIAN er Renee ETIMYOOAOPOAPXONTOZKAIENTIT] 'EZBOVEZHEIAIJOTIMO[ZJEAN].... .- MPOTOZENPAMMATEYETAMIAIHIEPONXPEMATONTEZAOENAIAZEYP] [EKTEZATENEYz]