en P — a ch ee nn naeh RER LE geRe j 4 3 ® F ABHANDLUNGEN DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. 1881. /IDWIRTAV AHA" PA WERT j R E Re Bi v- AR E , PS den Di 1Zz ä . I NIMIGAHA: RZ u u = 1 Dome BE ABHANDLUNGEN DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. AUS DEM JAHRE Aue T m Oct Na 17 1892 > SA % „o®* Sonn DerS BERLIN. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 1882 Buchdruckerei der Königl. Akademie der Wissenschaften (G. Vogt). Berlin, Universitäts-Stralse 8. 4, 06° PP Inhalt. Neue Statuten der Akademie, eingeführt am 1. April 1881 . . . .98. W— (an). Verzeichnifs der im Jahre 1881 stattgehabten Sitzungen der Akademie und der darin gelesenen Abhandlungen . . . 2 2 2.2.2... (XLD— (XLIX). Nkademischeskreistnapen a WEN): Verzeichnils der im Jahre 1381 erfolgten besonderen Geldbewilligun- gen aus akademischen Mitteln zur Ausführung oder Unterstützung wissenschaftlicher Unternehmungen . . ». » . 2 2 2.2... (LIV)— (Lv). Veränderungen im Personalstande der Akademie im Laufe des Jahres 1881 „ (LvD—(Lvm). Verzeichnifs der Mitglieder der Akademie am Schlusse des Jahres 1881 „ (LYIM) —(LxvI). Abhandlungen. Physikalisch-mathematische Klasse. Physikalische Abhandlungen. VırcHow: Ueber die Weddas von Ceylon und ihre Beziehungen zu deneNachbarslämmener IE eAbheTZSsl 143. Philosophisch-historische Klasse. VAHLEN: Ueber die Anfänge der Heroiden des Ovid . . . . . Abh.I. S. 1—40. Waırz: Ueber eine alte Genealogie der Welfen „ 7% „ 115. ZELLER: Ueber die Messung psychischer Vorgänge . SEN —li6> Bonn: Der Tempel der Athena Polias zu Pergamon . . „IV. „ 1-12. Scuorr: Ueber die sprache des volkes Röng oder Leptscha in Sikkim TS l— 5: SCHRADER: Die Sargonsstele des Berliner Museums. . . 2... „ VI. „ 1—36. Gormus: DierAltäresvon Olympia 2 2 m 2 ua uni „Vi „ 1-43. KA Ale ei I 1555 BEN? % ie mühe. Pre F a .= I har Al: enann Er TER ee As alu) wi ih % . f Img na u 2 re j RT ee angpetehen ä mkn nr? sale rehee muynıe > 81 WR an i alias u een o rind ui ish mein ni ar F .; Rn vonderrmiin! IN ndrtilitninns a en int - wrindi a nl wlan elf wii nr} u +. Aa ren null wu + klei ol i un“ } nd er aha el wär 1 fr £ DSEIRUADE TFT, a e. TH Er FTP 2 7 : j mad. ah »igalasın ar ee are I j Re. date vater ee Pre ankk u j una ET BEINE 17 Inge te e z 1 nd Hehe na DE pTZ 1 le a ren 4nE77 P - 2 wa: Tee » vuatedysınE- wich er » “| un WG u 4 mark, non, Kahl «line wa . 1. Neue Statuten der Akademie, eingeführt am 1. April 1881. Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preussen ete. für Uns und Unsere Nachkommen thun kund und geben hiermit Allen und Jeden, denen es zu wissen nöthig ist, in Gnaden zu vernehmen. Nachdem Wir aus einem von Unserem Minister der geistlichen, Unterrichts- und Mediemal- Angelegenheiten an Uns erstatteten Bericht die Überzeugung gewonnen haben, dass die von Unserem in Gott ruhenden Herrn Vater unter dem 31. März 1838 für Unsere Akademie der Wissenschaften vollzogenen Statuten mehrerer, durch die Erfahrung als noth- 7 wendig erwiesener Modificationen und Ergänzungen bedürfen, so haben Wir in Berücksichtigung der zu Unserer Kennt- niss gebrachten Wünsche und Vorschläge Unserer Akademie in Gmaden beschlossen, vom 1. April dieses Jahres ab, die vorgedachten Bestimmungen vom 31. März 1838 ausser Kraft zu setzen, und für besagte Unsere Akademie als deren un- mittelbarer Protector folgende Statuten anzuordnen. 1. Abschnitt Von der Akademie überhaupt. 1. k« ee Akademie der Wissenschaften ist eine Gesellschaft von Gelehrten, welche zur Förderung und Erweiterung der allge- meinen Wissenschaften, ohne einen bestimmten Lehrzweck, ein- gesetzt ist. 2. Unser Unterrichts-Ministerium hat die Öberaufsicht über die Akademie und vertritt dieselbe in allen Rechtsstreitigkeiten. $2. Die Akademie im weiteren Sinne begreift alle im $ 5 be- zeichneten Arten von Mitgliedern, im engeren Sinne wird sie von der Gesammtheit der ordentlichen Mitglieder gebildet. Diese be- schliesst unter Leitung der Secretare in den Gesammtsitzungen über die Angelegenheiten der gesammten Akademie. 3.8. Die Akademie hat die Rechte einer privilegirten Corpora- tion, führt ein eigenes Siegel, hat zu ihrem Gebrauch und ihren besonderen Zwecken und Bedürfnissen ihre eigenen garantirten Lo- cale, besitzt eigenes Vermögen und hat ihr eigenes etatsmässiges und garantirtes Einkommen, worüber sie nach Mafsgabe der im V. Abschnitte enthaltenen Bestimmungen verfügt. Ss 4. ı. Für einen Theil ihrer Geschäfte sondert sich die Akademie in zwei Klassen, die physikalisch-mathematische und die philoso- phisch - historische. 2. Über diejenigen Angelegenheiten, welche eine Klasse allein betreffen, beschliesst diese Klasse, soweit es die nachfolgenden Be- stimmungen gestatten, unabhängig von der Gesammt-Akademie in den Klassensitzungen. 3. Zwischen den beiden Klassen findet kein Rangunterschied statt. Zweck und Stellung der Akademie. Umfang. Allgemeine Attribute. Klassen. Arten der Mitglieder. Ordentliche Mitglieder. Stellen für or- dentliche Mit- glieder. VI I. Abschnitt. Von den Mitgliedern der Akademie. ı. Die Akademie besteht aus 1) ordentlichen Mitgliedern, 2) auswärtigen Mitgliedern, 3) Ehrenmitgliedern, 4) correspon- direnden Mitgliedern. Die Ehrenmitglieder sind nicht den einzel- nen Klassen zugetheilt; die übrigen Mitglieder werden für eine bestimmte Klasse ernannt und können nicht beiden Klassen zu- gleich angehören. 2. Die Anciennetät der ordentlichen und auswärtigen Mitglieder richtet sich nach der Zeit ihrer Wahl. 8 6. Ordentliche Mitglieder können nur solche sein, die entweder in Berlin selbst oder an einem Orte wohnen, dessen Lage und Verbindung mit der Hauptstadt die Erfüllung der akademischen Pflichten gestattet. Die Bezeichnung dieser Orte erfolgt durch reslementarische Bestimmung. Verlegt ein ordentliches Mitglied seinen Wohnsitz an einen Ort, der nicht zu der angegebenen Ka- tegorie gehört, so geht es in die Zahl der Ehrenmitglieder über. ST. ı. Jede Klasse hat siebenundzwanzig Stellen für ordentliche Mitglieder. Eine Anzahl dieser Stellen wird reglementarisch ein- zelnen Fächern zugetheilt; die übrigen bleiben allen Gelehrten zugänglich, deren wissenschaftliche Thätigkeit in das Gebiet der Klasse fällt. 2. Die Akademie kann erledigte Stellen offen lassen; doch ist die möglichst vollständige Besetzung der Fachstellen durch die Zwecke der Akademie geboten. Von den Mitgliedern der Akademie. VII 3. Bei Erledigung einer Fachstelle hat die Klasse darüber zu befinden, ob eines der ordentlichen Mitglieder sich dafür eignet. Ist dies der Fall, so rückt das Mitglied in die Stelle ein. Ss 8. ı. Anträge auf Besetzung von Stellen können nur von ordent- lichen Mitgliedern der betreffenden Klasse ausgehen. Ein solcher Antrag, in dem lediglich die zu besetzende Stelle zu bezeichnen ist, muss schriftlich in einer ordentlichen Klassensitzung eingereicht werden. Der vorsitzende Klassensecretar verliest denselben und theilt ihn alsdann auch schriftlich den ordentlichen Mitgliedern der Klasse mit. Die Verhandlung darüber findet in der nächsten ordentlichen Klassensitzung statt. 2. Bis zum Beginn der Verhandlung kann jedes ordentliche Mitglied der Klasse einen Wahlvorschlag für die zu besetzende Stelle dem vorsitzenden Klassensecretar schriftlich einreichen. Ein solcher Vorschlag, welcher durch Darlegung der Qualification des Vorgeschlagenen motivirt sein muss, wird noch in derselben Sitzung vom Vorsitzenden der Klasse mitgetheilt und zur Verhandlung ge- stell. Die Entscheidung erfolgt in der nächsten ordentlichen Sitzung, wofern die Klasse nicht für diese Entscheidung eine an- dere ordentliche Sitzung bestimmt oder eine ausserordentliche Sitzung ansetzt. Diese darf jedoch nicht eher als acht Tage nach der Sitzung stattfinden, in welcher die Mittheilung des Wahlvor- schlages erfolgt ist. 89. Ein von der Klasse angenommener Wahlvorschlag wird dem vorsitzenden Secretar zugefertigt und von diesem in der nächsten ordentlichen Sitzung der Gesammt-Akademie mitgetheilt. Diese verhandelt und entscheidet darüber in der darauf folgenden ordent- lichen Sitzung, wofern sie nicht für die Verhandlung und Entschei- dung eine andere ordentliche Sitzung bestimmt oder eine ausser- ordentliche Sitzung ansetzt. Diese darf jedoch nicht eher als acht Tage nach der Sitzung stattfinden, in welcher die Mittheilung des Wahlvorschlages erfolgt ist. Anträge auf Besetzung derselben. Wahlvor- schläge. Be- handlung der- selben in der Klasse. Behandlung der Wahl- vorschläge in der Gesammt- Akademie. Wahlvor- schläge mit Gehalts- anträgen. Zurück- ziehung der Wahlvor- schläge. Einladungen. Abstimmung über den ein- zelnen Wahl- vorschlag. Vorverfahren, falls mehrere Wahlvor- schläge vor- liegen. (VIII) ll. Asscanıtt. $ 10. Bei einem Wahlvorschlage, mit welchem ein Gehaltsantrag verbunden ist, muss jeder Verhandlung der Klasse wie der Ge- sammt-Akademie eine Berathung des Geldverwendungs-Ausschusses gemäss den Vorschriften des $ 49 vorausgehen. Bo: Die Zurückziehung eines Wahlvorschlags ist bis zum Be- sinn der Kugelung zulässig. Se Zu jeder Sitzung, in welcher über einen Wahlvorschlag ver- handelt oder entschieden werden soll, wird besonders eingeladen. $ 13. Sowohl die Klasse als auch die Gesammt-Akademie ent- scheidet über einen Wahlvorschlag durch Kugelung. Der Wahl- vorschlag ist angenommen, wenn die absolute Mehrheit aller ordent- lichen und der etwa an der Sitzung theilnehmenden auswärtigen Mitglieder ıhm zugestimmt hat, anderenfalls abgelehnt. Sind in der Sitzung nicht so viel Mitglieder anwesend, so ist die Abstimmung bis zu einer anderen ordentlichen oder ausserordentlichen Sitzung zu vertagen. Auch aus anderen Gründen kann eine Vertagung beschlossen werden. Doch darf dıe Abstimmung über einen Wahl- vorschlag überhaupt nicht mehr als zweimal vertagt werden. Sind auch in der Sitzung, in welcher hiernach eine weitere Vertagung unzulässig ist, nicht so viel Mitglieder anwesend, als für die An- nahme des Wahlvorschlages erfordert werden, so ist die Wahl- angelegenheit ebenso als beendet anzusehen, wie wenn der Wahl- vorschlag zurückgezogen worden wäre. $ 14. 1. Liegen für eine Stelle oder für mehrere gleichartige Stel- len (vgl. $ 7) mehrere Wahlvorschläge in einer Klassensitzung zur Abstimmung vor, so darf doch über nicht mehr ballotirt werden, als Stellen frei sind. Ist nur eine Stelle frei, so wird durch Von den Mitgliedern der Akademie. (IX) Zettel-Abstimmung nach dem im $ 25, Absatz 2 vorgeschriebenen Verfahren entschieden, über welchen Wahlvorschlag ballotirt wer- den soll; sind mehrere Stellen frei, so wird durch wiederholte An- wendung desselben Verfahrens vor Beginn der Kugelung bestimmt, über welche Wahlvorschläge zu ballotiren und welche Reihenfolge dabei zu beobachten ist. 2. Wahlvorschläge für verschiedenartige Stellen sind nach einan- der in einer reglementarisch festzusetzenden Reihenfolge zu erledigen. 3. In Gesammtsitzungen hat der Vorsitzende die Wahlvorschläge nach der in der Klasse beobachteten Folge und, wenn Vorschläge von beiden Klassen vorliegen, diejenigen seiner Klasse zuerst zur Abstimmung zu stellen. 4. Auf Wahlvorschläge, mit denen Gehaltsanträge verbunden sind (vgl. $ 19, Abs. 2 u. 5), finden die vorstehenden Bestimmungen keine Anwendung. Die Abstimmung darüber erfolst, falls noch Wahlvorschläge ohne Gehaltsanträge vorliegen, erst wenn diese erledigt und die betreffenden Stellen nicht dadurch besetzt worden sind. Liegen in einer Sitzung sowohl Wahlvorschläge mit Anträgen auf Bewilligung von besonderen Fachgehalten (vgl. $ 19 Abs. 2) vor als auch solche mit Anträgen auf Bewilligung von besonderen persönlichen Gehalten (vgl. $ 19 Abs. 3), so sind die ersteren vor den letzteren und unter einander in der durch die obigen Bestim- mungen (vgl. Abs. 1, 2, 3) sich ergebenden Reihenfolge zu erledi- gen. Liegen mehrere Wahlvorschläge mit Gehaltsanträgen der letz- teren Art vor, so wird sowohl in der Klasse als auch in der Ge- sammt-Akademie vor Beginn der Kugelung durch Zettelabstimmung nach dem im $ 25, Absatz 2 vorgeschriebenen Verfahren bestimmt, über welchen Vorschlag oder, falls mehrere angenommen werden können, über welche Vorschläge zu ballotiren und welche Reihen- folge dabei zu beobachten ist. $ 15. Die geschehene Wahl eines ordentlichen Mitgliedes unter- liest Unserer Bestätigung und ist dem vorgeordneten Ministerium behufs Einholung derselben anzuzeigen. Bestätigung der Wahl. (X) ll. Asscasırmt. $ 16. Ernennung Wenn ein Gelehrter, der nicht in Berlin oder einem nach auswärsWoh- g 6 peglementarisch damit gleichgestellten Orte wohnt, zum ordent- nender zu or- dentlichen lichen Mitgliede der Akademie ernannt wird, so hat er Behufs Ein- Mitgliedern. tritts in die Akademie seine Übersiedelung innerhalb sechs Monaten nach Bestätigung seiner Wahl zu bewirken. Hat er innerhalb dieser Frist seinen Wohnsitz nicht nach Berlin verlegt, so geht er in die Zahl der Ehrenmitglieder über. Die Frist kann durch Beschluss der Akademie im einzelnen Falle verlängert werden. Sn17: Rechte und 1. Die ordentlichen Mitglieder sind berechtigt und verpflichtet, Pflichten der „n den Arbeiten der Akademie theilzunehmen; sie haben Sitz und ordentlichen Mitglieder in Stimme sowohl ın der Gesammt-Akademie als auch in ihrer Klasse Bezug auf die und sind befugt, den Sitzungen der anderen Klasse beizuwohnen akademische “2... und deren Protokolle einzusehen. Thätigkeit. 2. Wer fünfundzwanzig Jahre lang ordentliches Mitglied ge- wesen ist oder das siebzigste Lebensjahr überschritten hat, ist, wenn er eine diesfallsige Erklärung abgibt, von der Verpflichtung, die im $ 33 Absatz 3 bestimmten wissenschaftlichen Vorträge zu halten, entbunden. SUB, Rechte der Die ordentlichen Mitglieder der Akademie haben das Recht ordentlichen auf die Benutzung aller Unserer öffentlichen der Wissenschaft und Ar Kunst gewidmeten Institute und Sammlungen, und zwar in der Akademie. grössten nach den bestehenden Vorschriften zulässigen Ausdehnung. Sie haben ausserdem die Befugniss, bei der hiesigen sowie bei jeder anderen preussischen Universität Vorlesungen zu halten, und ge- niessen dabei gleiche Rechte mit den Professoren nach Mafsgabe der Universitäts-Statuten, haben sich aber auch nach deren auf die Vorlesungen bezüglichen Festsetzungen zu richten. Von den Mitgliedern der Akademie. (X) SE1O: ı. Jede der vierundfünfzig Stellen für ordentliche Mitglieder ist mit einem Jahresgehalt von Neunhundert Mark dotirt. In den Bezug dieses Gehalts treten die Mitglieder nach der Anciennetät ($ 5 Abs. 2), sobald ein solches verfügbar wird. 2. Für zwei ordentliche Mitglieder der physikalisch-mathemati- schen Klasse und zwar für einen Botaniker und einen Chemiker, so wie für zwei ordentliche Mitglieder der philosophisch-historischen Klasse, welche Philologen oder Historiker sein müssen, sind neben den gewöhnlichen Jahresgehalten besondere Gehalte ausgeworfen. Mit dem Gehalte des Chemikers ist das Recht auf die Amtswohnung in dem dazu bestimmten Hause der Akademie und auf Benutzung der übrigen Räume desselben zu wissenschaftlichen Zwecken ver- knüpft, sofern sich die Akademie nicht einzelne Räume zu ander- weitiger Benutzung vorbehält. Ein solches besonderes Fachgehalt wird dem betreffenden Mitgliede für die Verwaltung eines beson- deren Amts, namentlich einer Lehrstelle oder der Direetion eines wissenschaftlichen Instituts als freiwilliger Zuschuss zu den wissen- schaftlichen Staatszwecken auf völlig freien Beschluss der Akademie gegeben und verbleibt demselben nur so lange, als es das beson- dere Amt verwaltet; zur Zahlung einer Pension nach Niederlegung dieses Amts ist die Akademie nicht verpflichtet. 3. Die Akademie kann ausserdem aus den ihr dazu gewährten Fonds ordentlichen Mitgliedern ein besonderes persönliches Gehalt auf die Dauer ihrer Eigenschaft als ordentliches Mitglied oder auf eine anderweit zu bestimmende Zeitdauer bewilligen. 4. Die Bewilligung beider Arten von besonderen Gehalten kann auch schon bei der Wahl erfolgen, wenn mit dem Wahlvorschlag ein dahin gehender Antrag verbunden worden ist (vgl. $ 10), und bedarf in allen Fällen der Zustimmung des vorgeordneten Ministeriums. 5. Der Wittwe eines verstorbenen ordentlichen Mitgliedes oder, wenn eine Wittwe nicht hinterblieben ist, den ehelichen Nach- kommen wird für das ganze akademische Gehalt, welches der Ver- storbene zuletzt bezogen hat, ein Gnadenjahr von dem ersten Tage des dem Ableben zunächst folgenden Monats an bewillist. B+ Stellen- Gehalte. Besondere Fachgehalte. Besondere persönliche Gehalte. Bewilligung der besonde- ren Gehalte. Gnadenjahr. Auswärtige Mitglieder. Ehrenmit- glieder. (x) II. Apscantrr. 8.20. ı. Auswärtige Mitglieder können nur solche sein, die nicht in Berlin oder einem nach $ 6 reglementarisch damit gleichgestellten Orte wohnen. 2. Jede Klasse hat zehn Stellen für auswärtige Mitglieder. Es steht der Akademie frei, erledigte Stellen offen zu lassen. Für Anträge auf Besetzung derselben sowie für das weitere Verfahren in Bezug auf Vorschlag, Wahl und Bestätigung der auswärtigen Mitglieder sind die in den $$ 8, 9 und 11 bis 15 festgesetzten Bestimmungen malsgebend. 3. Die auswärtigen Mitglieder haben alle in den $$ 17 und 18 den ordentlichen Mitgliedern beigelegten Rechte. Bei zeitweiliger Anwesenheit in Berlin erhalten sie, wenn sie beim vorsitzenden Secretar das Verlangen stellen, alle Einladungs- und Umlaufs- Schreiben ebenso wie die ordentlichen Mitglieder. 4. Verlegt ein auswärtiges Mitglied seinen Wohnsitz nach Berlin oder eimem reglementarisch gleichgestellten Orte, so wird es mit der ihm nach $ 5 zustehenden Ancıiennetät unter die ordentlichen Mitglieder aufgenommen und rückt, wenn eine der im $ 7 fest- gesetzten Stellen erledigt ist oder erledigt wird, in dieselbe ein, sofern dies eine nach dem Urtheil der Klasse für ihn geeignete Fachstelle ist (vgl. $ 7 Absatz 5) oder eine derjenigen Stellen, welche keinem besonderen Fache vorbehalten sind. Lehnt das Mitglied die Aufnahme unter die ordentlichen Mitglieder ab, so tritt es in die Reihe der Ehrenmitglieder. $ 21. ı. Zu Ehrenmitgliedern können hiesige Gelehrte ernannt wer- den, welche bei sonst vorhandener Qualification deswegen nicht zu ordentlichen Mitgliedern erwählt werden können, weil sie nicht in der Lage sind, die damit verbundenen Pflichten zu erfüllen. 2. Zu Ehrenmitgliedern können ferner Hiesige und Auswärtige gewählt werden, welche sich durch Interesse für wissenschaftliche Forschungen auszeichnen und geeignet erscheinen, dieses Interesse durch Förderung der Bestrebungen der Akademie zu bethätigen. Von den Mitgliedern der Akademie. (XI) 3. Die Anzahl der Ehrenmitglieder ist keiner Beschränkung unterworfen. Ein Vorschlag zur Wahl ist von einem oder mehre- ren ordentlichen Mitgliedern in einer ordentlichen Sitzung ihrer Klasse schriftlich und motivirt einzureichen und alsdann nach den im $ 8 Absatz 2, und in den $$ 9, 11, 12, 13 gegebenen Vorschriften zu behandeln. Wenn in einer und derselben Sitzung über ver- schiedene Wahlvorschläge abzustimmen ist, so geschieht dies nach alphabetischer Ordnung. Die Wahl eines Ehrenmitgliedes unterliegt Unserer Bestätigung und ist dem vorgeordneten Ministerium behufs Einholung derselben anzuzeigen. 4. Die Ehrenmitglieder sind berechtigt, an den öffentlichen Sitzungen als Akademiker theilzunehmen, und die hiesigen werden dazu jedesmal besonders eingeladen. Die Ehrenmitglieder können auch jeder anderen Gesammtsitzung beiwohnen, darin wissen- schaftliche Mittheilungen machen und an den geschäftlichen Ver- handlungen mit berathender Stimme sich betheiligen. $ 22. ı. Zu correspondirenden Mitgliedern können Gelehrte erwählt werden, welche nicht in Berlin oder einem nach $ 6 reglemen- tarısch damit gleichgestellten Orte wohnen. Wenn sie später da- hin übersiedeln, so behalten sie ihre Eigenschaft als correspondi- rende Mitglieder bei. 2. Jede Klasse hat hundert, reglementarisch einzelnen Fächern zugetheilte Stellen für correspondirende Mitglieder. Es steht der Akademie frei, erledigte Stellen offen zu lassen. Für Anträge auf Besetzung derselben sowie für das weitere Verfahren in Bezug auf Vorschlag und Wahl der correspondirenden Mitglieder selten die in den $$ 8, 9, 11, 12, 13 enthaltenen Bestimmungen und diejenigen des $ 14 mit der Malssgabe, dass, wenn die Anzahl der in einer Klassensitzung für gleichartige Stellen vorliegenden Wahlvorschläge nicht grösser als die der zu besetzenden Stellen ist, nach alpha- betischer Ordnung ballotirt wird, falls nicht einer der Antragsteller dagegen Widerspruch erhebt. Correspondi- rende Mitglie- der. Aus- schliessung der Mitglieder. (XIV) ll. AgBscanımt. 3. Die correspondirenden Mitglieder sind berechtigt, an den öffentlichen Sitzungen als Akademiker theilzunehmen, auch jeder anderen Gesammtsitzung so wie jeder Sitzung ihrer Klasse beizu- wohnen und darin wissenschaftliche Mittheilungen zu machen. Bei den geschäftlichen Verhandlungen dürfen sie zugegen sein, haben aber hierbei weder eine berathende noch eine beschliessende Stimme. $ 23. Die Akademie hat die Befugniss, auf schriftlichen und mo- tivirten Antrag eines ordentlichen Mitgliedes oder auf Grund der Mittheilung einer Staatsbehörde ein Mitglied auszuschliessen: doch kann dies nur in einer eigens dazu anberaumten Sitzung unter Zu- stimmung der absoluten Mehrheit aller ordentlichen und der etwa an der Sitzung theilnehmenden auswärtigen Mitglieder geschehen. Von der Ausschliessung eines ordentlichen, auswärtigen oder Ehren- mitgliedes ist Uns dureh Vermittelung des vorgeordneten Ministe- rıums Anzeige zu machen. (XV) II. Abschnitt. Von den Secretaren und den Beamten der Akademie. $ 24. ı. Die Akademie hat vier beständige Secretare, je zwei aus jeder Klasse. 2. Die Secretarstellen werden auf Lebenszeit verliehen und sind mit einem etatsmässigen Gehalt von Achtzehnhundert Mark ver- bunden, auf welches die im $ 19 für das Gnadenjahr gegebenen Bestimmungen Anwendung finden. 3. Die Amts-Anciennetät der Secretare richtet sich nach der Zeit, wo sie zu Secretaren erwählt sind, und nach dieser rangiren sie, abgesehen von dem jedesmaligen Vorsitzenden, bei feierlichen Repräsentationen und bei der Unterzeichnung von Ausfertigungen. 4. Jeder Secretar führt ein Amtssiegel. $ 25. ı. Jede der beiden Klassen wählt den aus ihrer Mitte zu be- stellenden Secretar für sich allein. Der Wahltag wird in einer Sitzung, zu welcher besonders einzuladen ist, durch Klassenbeschluss festgesetzt. Zu der Sitzung, in welcher die Wahlhandlung erfol- gen soll, muss eingeladen werden. 2. Die Wahl wird von den Anwesenden durch verdeckte, un- unterschriebene Stimmzettel vollzogen; die Entscheidung erfolgt durch absolute Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen. Stellt bei einer Wahl eine absolute Mehrheit sich nicht heraus, so wird derjenige, welcher die wenigsten Stimmen hat, oder wenn dies mehrere sind, einer derselben, welcher durch das Loos zu bestim- men ist, aus der Zahl der Candidaten ausgeschieden und eine neue Wahl vorgenommen, bei welcher nur auf die übrigen Namen lau- tende Stimmzettel gültig sind. In dieser Weise wird fortgefahren, Die Secretare. Wahl der- selben. Functionen der Secretare. Der vorsitzende Secretar. (XV) Ill. ABscanıtt. bis einer der Candidaten die absolute Mehrheit oder jeder von zwei Candidaten die Hälfte aller abgegebenen gültigen Stimmen erhalten hat. Im letzteren Falle entscheidet das Loos. 3. Die geschehene Wahl unterliegt Unserer Bestätigung und ist dem vorgeordneten Ministerium behufs Einholung derselben anzuzeigen. $ 26. 1. Die Secretare haben die Geschäfte der Akademie zu leiten und ihre Beschlüsse auszuführen. Sie berathen und beschliessen als Collegium über die ihnen obliegenden Geschäfte und können einzelne derselben unter sich vertheilen. 2. Im Vorsitz und der damit verbundenen Leitung der Ge- schäfte der Gesammt-Akademie wechseln die Secretare von vier zu vier Monaten und zwar, wenn nicht durch Übereinkunft eine andere Reihenfolge festgesetzt wird, nach derjenigen ihrer Ancienne- tät im Amt. In Behinderungsfällen tritt für den vorsitzenden Se- cretar der in der Amts-Anciennetät nächstvorhergehende Secretar ein. Sind alle vier Secretare verhindert, so übernimmt das der Anciennetät nach erste von den übrigen ordentlichen Mitgliedern, welches sich dazu bereit erklärt, die Leitung der Geschäfte. 8.27. ı. Der geschäftsleitende Secretar der Akademie wird der vor- sitzende Secretar genannt. Er führt das grosse Siegel der Aka- demie und hat die Oberaufsicht über die Beamten und die Re- gistratur. Er beruft die Mitglieder zu ausserordentlichen Sitzun- gen sowie die Secretare zu den Sitzungen des Secretariats, erlässt alle Einladungen, führt in den Sitzungen der Gesammt-Akademie und des Secretariats den Vorsitz, hat bei allen mündlichen Ab- stimmungen für den Fall der Stimmengleichheit eine entscheidende Stimme, unterzeichnet die Protokolle und sorgt für die Ausführung der gefassten Beschlüsse. Er führt die Correspondenz der Aka- demie, eröffnet alle an die Gesammt-Akademie und das Secretariat eingehenden Schreiben, lest dieselben vor und veranlasst deren weitere geschäftliche Behandlung. Er ist für die Beobachtung der Von den Secretaren und den Beamten der Akademie. (xvin Statuten verantwortlich und daher auch befugt, nöthigenfalls den Beistand des vorgeordneten Ministeriums nachzusuchen. Bei Nieder- legung seiner viermonatlichen Amtsführung hat er mit Zuziehung des Archivars seinem Nachfolger ein Verzeichniss der unerledigten Gegenstände zu übergeben. 2. Nur der vorsitzende Secretar, in Behinderungsfällen sein Vertreter, ist befugt, Rechtsgeschäfte im Namen der Akademie vor- zunehmen, und wird als solcher erforderlichenfalls durch eine Be- scheinigung des vorgeordneten Ministeriums legitimirt. Zur Em- pfangnahme von Geldern ist jedoch nach $45 auch die Kasse des Ministeriums ermächtigt. $ 28. ı. Im Vorsitz und der damit verbundenen Leitung der Ge- schäfte der einzelnen Klassen wechseln die beiden derselben Klasse angehörigen Secretare von vier zu vier Monaten oder nach Über- einkunft. 2. Der geschäftsleitende Secretar der Klasse wird der vor- sitzende Klassensecretar genannt. Er hat in Bezug auf die Ange- legenheiten der Klasse alle Pflichten und Befugnisse, welche nach $ 27 dem vorsitzenden Secretar in Bezug auf die Angelegenheiten der Gesammtakademie zukommen. 3. In Behinderungsfällen wird der vorsitzende Klassensecretar von dem anderen vertreten; ist auch dieser verhindert, so tritt das der Anciennetät nach erste von den übrigen ordentlichen Mitsglie- dern der Klasse ein, welches sich dazu bereit erklärt. 8 29. Der vorsitzende Secretar kann, wenn er eine Berathung zur Vorbereitung eines Geschäfts oder zur Ausführung eines Beschlusses nöthig findet, oder wenn er glaubt, dass das Secretariat auf eigene Verantwortung schleunig handeln müsse, die Secretare zu einer Sitzung versammeln. Auch kann jeder der anderen Secretare unter Angabe der Gründe den Zusammentritt des Secretariats verlangen. Jeder Secretar, der sich bei einem in diesen Sitzungen gefassten c Der vorsitzen- de Klassen- secretar. Sitzungen des Secretariats. Die Aus- fertigungen, welche im Na- men der Aka- demie oder einer Klasse erfolgen. Beamte der Akademie. (xvIm) Ill. Asschsrrr. Beschlusse in der Minderheit befunden hat, ist berechtigt ein Se- paratvotum zu den Acten beilegen oder einem schriftlichen Be- richte beifügen zu lassen, wenn er in der Sitzung selbst dies zu thun sich vorbehalten hat. Über die Verhandlungen des Secreta- riats braucht kein Gesammtprotokoll aufgenommen zu werden; doch ist jeder einzelne Beschluss gehörigen Orts besonders zu vermerken. $ 30. ı. Die Concepte zu bedeutenderen im Namen der Akademie zu erlassenden Schreiben legt der vorsitzende Secretar den übri- gen in einer Versammlung oder mittels Umlaufs vor. Bei ein- tretender Meinungsverschiedenheit entscheidet die Mehrheit, im Falle der Stimmengleichheit der vorsitzende Secretar. Die Con- cepte zu bedeutenderen im Namen einer Klasse zu erlassenden Schreiben legt der vorsitzende Klassensecretar dem anderen zur Kenntnissnahme und Begutachtung vor. 2. Sämmtliche Ausfertigungen werden vom geschäftsleitenden Secretar, die, welche für das vorgeordnete Ministerium bestimmt sind, von allen Secretaren unterzeichnet. An Uns gerichtete Im- medıiat-Vorstellungen werden ebenfalls von allen Secretaren oder, wenn die Akademie dies beschliesst, von sämmtlichen ordent- lichen Mitgliedern unterschrieben. Die Unterschrift des geschäfts- leitenden Secretars erfolgt stets an erster Stelle (vgl. $ 24). 881: 1. Die etatsmässig besoldeten Beamten der Akademie (gegen- wärtig ein Archivar, welcher die Bureau- und Rechnungsgeschäfte versieht und die Bibliothek sowie sämmtliches Inventar der Aka- demie verwaltet, ein Canzlist, ein Castellan und ein Bote) werden auf Vorschlag des Secretariats in einer Gesammtsitzung, zu der besonders einzuladen ist, durch mündliche Abstimmung auf Lebens- zeit oder auf eine anderweit zu bestimmende Zeitdauer gewählt. Die Wahl bedarf der Bestätigung des vorgeordneten Ministeriums. Jedes Amt wird nach einer reglementarisch festgesetzten Instruc- Von den Secretaren und den Beamten der Akademie. (XIX) tion verwaltet; die Beamten haben sich ausserdem nach den An- weisungen des vorsitzenden Secretars zu richten. 2. In Betreff des Gehalts verstorbener Beamten der Akademie sind die für Unsere Beamten überhaupt gültigen Bestimmungen massgebend. (AXX) IV. Abschnitt. Von den Sitzungen, Arbeiten und Schriften der Akademie. 592, Von An den Sitzungen der Akademie nehmen die Mitglieder nach len Si ven - B > . rn . “en St20D8®N Massgabe ihrer im II. Abschnitte festgesetzten Berechtigungen An- überhaupt. 7 = f BR = = theil. Während der wissenschaftlichen Verhandlungen ist auch anderen Personen, die von einem Mitgliede eingeführt und dem geschäftsleitenden Secretar vorgestellt sind, die Anwesenheit ge- stattet. $ 33. Ordentliche ı. Die Akademie hält ihre ordentlichen Sitzungen wöchentlich A Donnerstags und zwar abwechselnd vereint und in Klassen geson- dert. Die Folge der ordentlichen Sitzungen muss auch bei jeder durch die Festsitzungen und Ferien nach den $$ 38, 39 bedingten Unterbrechung eine derartige sein, dass zwischen je zwei Sitzungs- tagen der Gesammt-Akademie ein Donnerstag liest, an dem beide Klassen ihre Sitzungen halten. Liste der 2. Diesen Bestimmungen gemäss werden zu Ende jedes Jahres Szungstage die Sitzungstage für die nächsten fünfzehn Monate vom Secretariat festgestellt und den ordentlichen Mitgliedern bekannt gemacht. Regelmässige 3. In jeder ordentlichen Sitzung wird von einem der ordent- N lichen Mitglieder ein wissenschaftlicher Vortrag gehalten. Die “ Reihenfolge bestimmt sich nach der Anciennetät; in der aufzu- stellenden Liste der Sitzungstage (vgl. Absatz 2) ist bei jedem einzelnen auch der Name des zum Vortrage verpflichteten Mit- sliedes mit zu vermerken. Falls Mitglieder mit einander für den einzelnen Fall ihre Stellen in der Reihenfolge tauschen, hat der- jenige, welcher sich vertreten lässt, den geschäftsleitenden Secretar von der Stellvertretung in Kenntniss zu setzen. Von den Sitzungen, Arbeiten und Schriften der Akademie. (XxX1) 4. Nach Beendigung des wissenschaftlichen Vortrages Seitens des hierzu verpflichteten Mitgliedes steht es auch anderen Mitgliedern frei, wissenschaftliche Mittheilungen oder Bemerkungen zu machen und überhaupt in irgend welcher Weise wissenschaftliche Gegen- stände zur Sprache zu bringen. 5. Zuletzt werden die geschäftlichen Angelegenheiten erledigt. $ 34. ı. Ausserordentliche Gesammtsitzungen sind nach Ermessen des vorsitzenden Secretars oder auf Beschluss der Gesammt-Akademie, ausserordentliche Klassensitzungen nach Ermessen des vorsitzenden Klassensecretars oder auf Beschluss der Klasse abzuhalten. 2. Zu jeder ausserordentlichen Sitzung hat der geschäftsleitende Secretar die Mitglieder einzuladen. 3. Beruft der vorsitzende Secretar eine ausserordentliche Sitzung der Gesammt-Akademie auf einen Zeitpunkt, wo eine Klassensitzung ansteht, so wird diese bis nach Schluss der Gesammtsitzung auf- geschoben. 3. os € 072 1. Der geschäftsleitende Secretar kann auch abgesehen von den Fällen, in welchen es statutenmässig vorgeschrieben ist (vgl. $$ 12, 25, 31, 34, 47, 49, 53), zu einer Sitzung besonders einladen. Der Gegenstand, durch welchen die Einladung veran- lasst wird, ist dabei im Allgemeinen zu bezeichnen. 2. Jede Einladung muss an alle ordentlichen Mitglieder (vgl. auch $ 20, Absatz 3) und in einer reglementarisch näher zu be- stimmenden Weise so ergehen, dass die Behändigung festgestellt werden kann. $ 36. ı. Der Vorsitzende bestimmt die Reihenfolge der geschäftlichen Vorlagen und Verhandlungen, unbeschadet des Rechts der Versamm- lung Änderungen zu beschliessen. Sonstige wissenschaft- liche Mit- theilungen. Geschäfts-An- gelegenheiten. Ausserordent- liche Sitzun- gen. Einladungen zu den Sitzungen. Reihenfolge der Verhand- lungen. Geschäftliche Anträge und deren Be- handlung. Abstimmung über Geschäfts- angelegen- heiten. Protokolle. Commissarien und Com- missionen, Öffentliche Sitzungen. (XXI) IV. Agscanttr. 2. Jedes ordentliche Mitglied kann einen geschäftlichen Antrag stellen, muss ihn aber, wenn es der Vorsitzende verlangt, schrift- lich einreichen. Der Antrag wird, je nachdem der Vorsitzende oder auch die Versammlung darüber bestimmt, sogleich oder in einer folgenden Sitzung zur Verhandlung gestellt. 3. Abgesehen von den Fällen, für welche ausdrücklich andere Vorschriften gegeben sind, wird über Geschäftsangelegenheiten mündlich abgestimmt und durch absolute Stimmenmehrheit ent- schieden. Jeder, der sich dabei in der Minderheit befunden hat, kann verlangen, dass ein bezüglicher Vermerk in das Protokoll aufgenommen werde; auch steht jedem stimmfähigen Mitgliede das Recht zu, ein Separatvotum zu den Acten beilegen oder einem beschlossenen Berichte beifügen zu lassen, wenn es in der Sitzung selbst dies zu thun sich vorbehalten hat. Vertretung Abwesender ist bei Abstimmungen unzulässig. 4. Das Protokoll einer jeden Sitzung ist in der nächsten ordentlichen Sitzung zur Genehmigung vorzulegen. $ 37. Die Gesammt-Akademie kann dem Secretariat oder einer der Klassen einen Gegenstand zur Berichterstattung oder zur ent- scheidenden Erledigung überweisen. Auch kann die Gesammt- Akademie und jede der beiden Klassen für ein bestimmtes Ge- schäft wie zur Berichterstattung über einen wissenschaftlichen oder geschäftlichen Gegenstand einen einzelnen Commissar be- stellen oder eine Commission niedersetzen. Die Wahl von Com- missarien und Commissions-Mitgliedern erfolgt durch mündliche oder, falls ein Mitglied darauf anträgt, durch geheime Abstimmung mittels des im $ 25, Absatz 2, vorgeschriebenen Verfahrens. S 88. 1. Die Gesammt-Akademie hält jährlich drei öffentliche Sitzun- gen, die eine zum Andenken an Leibniz, als ersten Präsidenten der hiesigen Societät der Wissenschaften, am 1. Juli, falls dieser Von den Sitzungen, Arbeiten und Schriften der Akademie. (XXIN) auf einen Donnerstag fällt, oder am nächstliegenden Donnerstage, die andere zur Feier der Geburt Friedrichs II. als Erneuerers der Akademie, am 24. Januar, falls dieser auf einen Donnerstag fällt, oder am nächstliegenden Donnerstage, die dritte am Geburtstage des regierenden Königs, falls dieser auf einen Donnerstag fällt, oder am nächstliegenden Donnerstage. 2. In diesen Sitzungen führen die Secretare abwechselnd nach einer besonderen, reglementarisch bestimmten Reihenfolge den Vor- sitz, und es bleibt dem jedesmaligen Vorsitzenden überlassen, einen Festvortrag zu halten oder die Sitzung nur mit einleitenden Worten zu eröffnen. 3. In der dem Andenken von Leibniz gewidmeten Sitzung halten die seit dem letzten Leibniztage eingetretenen ordentlichen Mitglieder ihre Antrittsreden, von welchen jede von einem der Seeretare beantwortet wird; auch werden in dieser Sitzung die von der Akademie beschlossenen Gedächtnissreden auf verstorbene Mitglieder gehalten. 4. Ferner erfolgt in den öffentlichen Sitzungen nach näheren reglementarischen Festsetzungen die Verkündung der Beschlüsse bezüglich der Ertheilung von Preisen, die Mittheilung von Jahres- berichten über die Personalveränderungen und sonstigen Ereignisse in der Akademie, über die Arbeiten und Unternehmungen derselben und über die mit der Akademie in Verbindung stehenden wissen- schaftlichen Unternehmungen und Stiftungen. 5. Überdies können in den öffentlichen Sitzungen nach Be- schluss der Akademie von ordentlichen Mitgliedern noch wissen- schaftliche Abhandlungen gelesen werden und zwar auch solche, die bereits in einer ordentlichen Sitzung vorgetragen worden sind. 6. Für jede öffentliche Sitzung ist das Programm von dem Secretar, welcher darin den Vorsitz zu führen hat, so zeitig fest- zustellen, dass es mindestens drei Wochen vorher der Gesammt- Akademie zur Genehmigung vorgelegt werden kann. 7. An den Tagen, an welchen die öffentlichen Sitzungen gehal- ten werden, findet keine ordentliche Sitzung statt. Ferien. Wissenschaft- liche Unter- nehmungen und Preiser- theilungen. Sitzungsbe- richte und Denkschrif- ten. (XXIV) IV. Asscanıtm. $ 59. Die Ferien der Akademie beginnen mit dem ersten August und dauern elf Wochen. Festferien sind die Charwoche, der Himmelfahrtstag, die Pfingstwoche und die beiden Wochen, inner- halb welcher das Weihnachts- und Neujahrsfest fallen. $ 40. Die Akademie hat ihrer im $ 1 angegebenen Bestimmung zufolge wissenschaftliche Unternehmungen ihrer Mitglieder oder anderer Gelehrter zu fördern, insonderheit solche, für welche die gemeinsame Thätigkeit verschiedener Gelehrten nöthig erscheint, sowie solche, welche durch ihren Umfang, ihre Dauer oder ihre Kostspieligkeit das Eintreten der Akademie erfordern. Ferner ge- hört es gemäss der Bestimmung der Akademie zu ihren Aufgaben, rein wissenschaftlichen Zwecken gewidmete Stiftungen zu ver- walten oder bei deren Verwaltung mitzuwirken, so wie endlich durch Ertheilung von Preisen Forschungen auf bestimmten Ge- bieten anzuregen oder zu begünstigen. Die für die Ertheilung von Preisen massgebenden Grundsätze und Vorschriften sind re- slementarisch festzustellen. $ 41. ı. Die Akademie gibt Sitzungsberichte und Denkschriften her- aus, deren Redaction das Secretariat gemäss einem von demselben zu entwerfenden und von der Gesammt-Akademie festzustellenden Reglement besorgt. Die ordentlichen und auswärtigen Mitglieder erhalten von dem Jahre ihres Eintritts an Exemplare derselben. 2. Für die Aufnahme einer wissenschaftlichen Mittheilung oder Abhandlung in die akademischen Publicationen bedarf es einer ausdrücklichen Genehmigung der Akademie oder einer der Klassen. Ein darauf gerichteter Antrag kann, sobald das Manuseript druck- fertig vorliegt, sowohl in einer Gesammtsitzung als auch in einer Klassensitzung gestellt und sogleich zur Abstimmung gebracht wer- den. Wenn in Hinsicht auf den erforderlichen Kostenaufwand oder in irgend welcher anderen Beziehung eine nähere Erwägung ange- “ Von den Sitzungen, Arbeiten und Schriften der Akademie. (XXV) messen erscheint, kann eine Vorberathung durch das Secretariat oder durch eine Commission oder, falls der Antrag in der Ge- sammt-Akademie eingebracht ist, die Verweisung an eine der bei- den Klassen beschlossen werden (vgl. $ 37). Über jeden Antrag auf Veröffentlichung in den Schriften der Akademie sowie über dessen geschäftliche Behandlung kann der Vorsitzende geheim ab- stimmen lassen, und er ist dazu verpflichtet, sobald eines der an- wesenden Mitglieder es verlangt. Grund- und Capital- Ver- mögen der Akademie. Das sonstige be- wegliche Ver- mögen der Akademie. (xXVI) V. Abschnitt. Von dem Vermögen der Akademie, von ihrem Einkommen und von dessen Verwendung. ı. Verfügungen der Akademie über ihr Grund- und Capital- Vermögen bedürfen der Zustimmung des vorgeordneten Ministeriums. Durch die ministerielle Genehmigung eines auf die Vornahme eines Rechtsgeschäftes gerichteten Beschlusses der Akademie wird der nach $ 27 Abs. 2 befugte Vertreter der Akademie ermächtigt, das- selbe im Namen der Akademie abzuschliessen. 2. Das vorgeordnete Ministerium bewahrt die der Akademie ge- hörigen Gelder, geldwerthen Papiere und Documente auf. 3. Soweit die Akademie ihre Grundstücke nach $ 19 Abs. 2 zu wissenschaftlichen Staatszwecken zur Verfügung stellt, hat sie zu Bau- und Reparaturkosten nichts beizutragen. $ 43. 1. Verfügungen der Akademie über Exemplare ihrer Druck- schriften, über Werke, die ihr überreicht oder überschickt werden, sowie über einzelne Stücke ihrer Sammlungen und ihres Inventars bedürfen der im $ 42 vorgeschriebenen ministeriellen Genehmigung nicht. Bezügliche Anträge sind nach den allgemeinen für geschäft- liche Anträge überhaupt geltenden Bestimmungen (vgl. $ 36) zu behandeln und zu erledigen. Diejenigen der Akademie zugegange- nen Werke, welche sie nicht ihrer eigenen Bibliothek einverleibt oder zu anderer Verwendung bestimmt, sind an Unsere grosse Bibliothek abzugeben. 2. Derjenige Theil des Vermögens der Akademie, welcher im Inventar und Betriebscapital ihrer Druckerei besteht, wird als „Ver- mögen der akademischen Druckerei“ getrennt von dem übrigen Von dem Vermögen der Akademie. (XXVı Vermögen der Akademie verwaltet, und es wird darüber besonders Buch und Rechnung geführt. Die oberste Leitung des Betriebes und der Geschäfte der Druckerei, sowie die Verfügung über das Vermögen derselben steht dem Seeretariat zu, welches nach aussen durch den vorsitzenden Secretar allein vertreten wird. Doch be- darf es zu einem Übergang der Betriebsleitung an Andere, zur Verpachtung und zum Verkauf der Druckerei, ebenso wie zur Über- tragung von Fonds aus dem Vermögen derselben in das übrige Vermögen der Akademie und umgekehrt eines nach den Vorschrif- ten des $ 49 gefassten und vom vorgeordneten Ministerium ge- nehmigten Beschlusses. $ 44. ı. Die regelmässigen jährlichen Einnahmen der Akademie be- stehen: 1) ın dem Ertrage ihres Vermögens, 2) in der Dotation von 62229 Mark, welche ihr gegen Einziehung der früheren Ein- künfte aus den von des Königs Friedrich Wilhelm III. Majestät mittels Cabinetsordre vom 16. August 1809 für die wissenschaft- lichen Anstalten ausgesetzten Fonds als Jahresrente verliehen wor- den ist, 3) in dem ihr aus allgemeinen Staatsfonds bewilligten Bedürfniss-Zuschusse, und 4) ihrem eigenen Erwerb. 2. Die Verwendung der Einnahmen erfolgt 1) zu Besoldungen und Remunerationen gemäss $ 50, 2) zur Ertheilung von Preisen, zur Herausgabe der akademischen Schriften, zur Erhaltung und Vermehrung der Bibliothek und der sonstigen Sammlungen der Aka- demie, zur Bestreitnng aller Arten von Amts- und Hausbedürfnissen, der Kosten für Heizung, Beleuchtung und bauliche Einrichtungen gemäss $51, und 3) zu wissenschaftlichen Zwecken im Allgemeinen gemäss $ 52. So weit hierbei für die von den einzelnen Klassen vertretenen Interessen besonders zu sorgen ist, sollen dieselben möglichst in gleichem Mafse berücksichtigt werden. 3. Was von den Einnahmen früherer Jahre nach Bestreitung der Ausgaben übrig ist, verbleibt der Akademie und kann wie die Einnahmen des laufenden Jahres verwendet oder auch capitalisirt werden. D* Einnahmen der Akademie. Verwendung derselben. Einnahme- Überschüsse. Kasse der Akademie, Ein- zahlungen. Aus- zahlungen. Etat der Akademie. Der Geld- verwendungs- ausschuss und dessen Abtheilungen. Wahl der Mitglieder und Stellvertreter. (XXVIM) V. ABSCHNITT. $ 45. ı. Die Kasse der Akademie wird von den Kassenbeamten des vorgeordneten Ministeriums verwaltet. 2. Die Kasse des letzteren ist ermächtigt, für die Akademie die Erträge der aufbewahrten Fonds und andere Forderungen ein- zuziehen, sowie überhaupt Gelder in Empfang zu nehmen und dar- über zu quittiren. 3. In dem Etat der Akademie ($ 46) wird bestimmt, welche Zahlungen die Kasse auf Anweisung des Secretariats aus den dafür ausgeworfenen Summen zu leisten habe. Alle übrigen Zahlungen, mit Ausnahme der schon feststehenden etatsmässigen persönlichen Gehalte und fixirten Remunerationen werden von dem vorgeord- neten Ministerium auf den entsprechenden Antrag der Akademie zur Zahlung angewiesen. $ 46. ı. Der Einnahme- und Ausgabe-Etat der Akademie wird zu einer von dem vorgeordneten Ministerium zu bestimmenden Zeit für eine Periode von drei Jahren vom Geldverwendungs-Ausschuss ent- worfen, durch Beschluss der Gesammt-Akademie genehmigt und alsdann dem vorgeordneten Ministerium zur Feststellung eingereicht. 2. Das Etatsjahr der Akademie fällt mit dem des Staats zu- sammen. $ 47. 1. Der Geldverwendungs-Ausschuss besteht aus zwei, den ein- zelnen Klassen zugehörigen Abtheilungen. 2. Jede Abtheilung besteht aus fünf Mitgliedern und drei Stell- vertretern derselben. Zu den Mitgliedern gehören von Amtswegen die beiden Secretare. Die drei anderen Mitglieder und die Stell- vertreter werden nach einander einzeln von der betreffenden Klasse aus ihrer Mitte durch Zettel-Abstimmung nach dem im $ 25 Abs. 2 vorgeschriebenen Verfahren in einer reglementarisch festgesetzten Klassensitzung gewählt. Die Wahlen erfolgen für die Etats-Periode; tritt im Laufe derselben eine Vacanz ein, so ist alsbald für den Rest der Etats-Periode eine Ersatzwahl vorzunehmen. Zu jeder Sitzung, in welcher für den Geldverwendungs-Ausschuss gewählt werden soll, muss besonders eingeladen werden. nn ar | a ERAERERE DEI Da Von dem Vermögen der Akademie. (XXIX) 3. Im Falle der Behinderung von Mitgliedern des Geldverwen- Bestimmun- e R n c 2 sen über die dungs-Ausschusses wird die gleiche Anzahl ihrer Stellvertreter nach & - > o Zuziehung der der Reihenfolge, in welcher sie dazu gewählt sind, zur Theilnahme Steivertreter. an den Geschäften zugezogen. $ 48. 1. Der Geldverwendungs-Ausschuss hat alle auf das Vermögen, Geschäfte des 4 ; F } Bet alskenrute die Einnahmen oder die Ausgaben der Akademie bezüglichen Vor- W lagen für die Gesammt-Akademie vorzuberathen, welche ihm vom Pe vorsitzenden Secretar zugehen. Ebenso liest den einzelnen Ab- theilungen des Geldverwendungs-Ausschusses die Vorberathung aller auf Geldverwendung bezüglichen Vorlagen für die Verhandlungen in der betreffenden Klasse ob. 2. Die Geschäfte des Geldverwendungs-Ausschusses leitet der Sitzungen © ı S zu N n und Verhand- vorsitzende und in Behinderungsfällen der ıhn vertretende Secretar. lungen des Er hat bei Abstimmungen für den Fall der Stimmengleichheit eine Gen entscheidende Stimme und ernennt Protokollführer und Bericht- Be erstatter. Zur Beschlussfähigkeit des Geldverwendungs-Ausschusses en ist die Anwesenheit von je drei Mitgliedern jeder Abtheilung er- forderlich. Bei den Verhandlungen dürfen auch die nicht dazu einberufenen Stellvertreter gegenwärtig sein. 3. Die Geschäfte jeder einzelnen Abtheilung des Geldverwen- Sitzungen und Verhand- dungs-Ausschusses leitet der vorsitzende und in dessen Behinderung nsen der - der andere Klassensecretar. Er hat in Bezug auf dieselben alle einzemen Ab- Pflichten und Befugnisse, welche dem vorsitzenden Secretar in "eilungen. Bezug auf die Geschäfte des ganzen Geldverwendungs-Ausschusses zukommen. Falls beide Secretare verhindert sind, vertritt sie das- jenige anwesende Mitolied, welches in der Reihenfolge der Wahl (vgl. $ 47) voransteht. Zur Beschlussfähigkeit einer Abtheilung des Geldverwendungs-Ausschusses ist die Anwesenheit von vier Mit- gliedern erforderlich. Bei den Verhandlungen dürfen auch die nicht dazu einberufenen Stellvertreter, sowie die Mitglieder und Stell- vertreter der anderen Abtheilung gegenwärtig sein. Zuziehung anderer Mit- glieder. Einladungen zu den Sitzungen. Vermögens- oder Geld- Angelegen- heiten be- treffende An- träge. Behandlung derselben in den Klassen. Behandlung derselben in der Gesammt- Akademie. (XXX) V. ABSCHNITT. 4. Der Geldverwendungs-Ausschuss sowie eine Abtheilung des- selben kann jedes ordentliche Mitglied der Akademie auffordern, entweder persönlich in den Sitzungen oder schriftlich über Gegen- stände, die zur Berathung vorliegen, Auskunft zu ertheilen oder Gutachten abzugeben, ebenso auch die Gesammt- Akademie oder die Klassen auffordern, eine Commission von Sachverständigen zur Erstattung eines Gutachtens zu bestellen. 5. Jede Einladung zu einer Sitzung des Geldverwendungs-Aus- schusses oder einer Abtheilung desselben muss so erfolgen, dass die Behändigung festgestellt werden kann (vgl. $ 35). $ 49. ı. Ein Antrag, welcher sich auf das Vermögen, auf die Ein- nahmen oder auf die Ausgaben der Akademie bezieht, ist schriftlich und motivirt dem vorsitzenden Secretar oder, wenn er zunächst in einer Klasse zur Verhandlung kommen soll (vgl. auch $ 52, Abs. 2), dem vorsitzenden Rlassensecretar einzureichen und in der nächsten ordentlichen Sitzung vorzulegen. Die Gesammt-Akademie kann den Antrag an eine der Klassen abgeben. 2. Die Klasse überweist jede derartige Vorlage unmittelbar ihrer Abtheilung des Geldverwendungs - Ausschusses (vgl. $ 48, Abs. 1) und tritt erst in einer anderen Sitzung auf Grund des von der Ab- theilung schriftlich und motivirt zu erstattenden Berichts in eine materielle Verhandlung darüber ein. Beschliesst sie, den Antras zu dem ihrigen zu machen, so wird derselbe nebst Motiven durch Protokollauszug dem vorsitzenden Secretar zugefertist und von die- sem in der nächsten ordentlichen Sitzung der Gesammt-Akademie mitgetheilt. Falls der Antrag auf Geldbewilligung zu wissenschaft- lichen Zwecken gerichtet ist, kann die Klasse denselben auf die ihr überwiesenen Fonds (vel. $ 52, Abs. 2) übernehmen. 3. Die Gesammt-Akademie überweist jeden Antrag, der nicht an eine Klasse abgegeben wird, sowie jeden, der von einer der Klassen an sie gelangt ist, unmittelbar an den Geldverwendungs- Ausschuss (vgl. $ 48, Abs. 1): sie verhandelt und beschliesst darüber erst in einer folgenden Sitzung auf Grund eines von dem Geldver- wendungs-Ausschuss schriftlich und motivirt zu erstattenden Berichts. Von dem Vermögen der Akademue. (XXXI) 4. Sowohl in der Klasse als auch in der Gesammt -Akademie ist zur Annahme eines Antrages auf Geldbewilligung erforderlich, dass die zustimmende Mehrheit (vgl. $ 36, Abs. 3) mehr als ein Drittel aller ordentlichen und der etwa an der Sitzung theilneh- menden auswärtigen Mitglieder in sich vereinigt. 5. Zu allen Sitzungen, in denen über Vermögens- oder Geld- angelegenheiten verhandelt oder entschieden werden soll, muss be- sonders eingeladen werden. Über jeden auf solche Angelegenheiten bezüglichen Antrag, sowie über dessen geschäftliche Behandlung kann der Vorsitzende geheim abstimmen lassen, und er ıst dazu verpflichtet, sobald eines der anwesenden Mitglieder es verlangt. $ 50. ı. Für die Verwendung akademischer Fonds zu Besoldungen und Remunerationen ($ 44, Abs. 2, Nr. 1) gelten ‚folgende Be- stimmungen: 2. Der Geldverwendungs-Ausschuss hat dafür zu sorgen, dass für jedes Mitglied das ihm zustehende Stellengehalt ($ 19, Abs. 1) zur gehörigen Zeit bei dem vorgeordneten Ministerium zur Anwei- sun& beantragt werde. 3. Ein besonderes Fachgehalt, sowie ein besonderes persön- liches Gehalt (vgl. $19, Abs. 2 und 3) kann einem ordentlichen Mitgliede nur auf einen aus der Mitte der betreffenden Klasse her- vorgegangenen Antrag bewilligt werden. Der Antrag ist vorher in einer ordentlichen Klassensitzung schriftlich anzumelden. Die Anmeldung muss den Namen des Mitgliedes, für welches die Be- willigung erfolgen soll, sowie die Bezeichnung des Fachgehaltes oder, falls ein besonderes persönliches Gehalt bewilligt werden soll, die beantragte Summe enthalten. Eine solche Anmeldung wird durch den vorsitzenden Klassensecretar noch in der Sitzung selbst und alsdann auch schriftlich den ordentlichen Mitgliedern der Klasse mitgetheilt. Jedes derselben ist befugt, Anträge auf Bewilligung von Mitglieder-Gehalten, welche mit dem angemeldeten gleichartig sind, in der nächsten ordentlichen Klassensitzung schriftlich einzu- reichen. Diese Anträge, welche mit Motiven versehen sein müssen, Abstimmung über Geld- bewilligungs- Anträge. Einladungen zu den Sitzungen. Art und Weise der Ab- stimmung. Stellen- gehalte. Bewilligun- gen besonde- rer Gehalte für ordent- liche Mit- glieder. Gehalts- anträge bei Wahlvor- schlägen. Gehalts-Be- willigungen für künftig in die Akademie eintretende auswärtige Mitglieder. Gehalts-Be- willigungen für Beamte. Verwendun- gen durch den vorsitzen- den Secretar. Anträge auf Verwendung der für wissen- schaftliche Zwecke im Allgemeinen ausgesetzten Fonds. Vertheilung von Fonds an die einzelnen Klassen. Ver- wendung der- selben. (XXX) V. ABSCHNITT. werden in derselben Sitzung der Klasse mitgetheilt und von da ab so behandelt, wie es in den $$ 8 bis 14 für Wahlvorschläge mit Gehaltsanträgen angeordnet ist. Bei der Verhandlung und Ab- stimmung über einen Gehaltsantrag für ein ordentliches Mitglied ist dessen Anwesenheit unzulässig. 4. Gehaltsanträge, welche mit Wahlvorschlägen verbunden sind, werden mit diesen zugleich erledigt, so dass die Abstimmung über den Wahlvorschlag in der Klasse wie in der Gesammt- Akademie auch über die dabei beantragte Gehaltsbewilligung entscheidet. 5. Auswärtigen Mitgliedern können besondere Gehalte, für den Fall, dass sie als ordentliche Mitglieder eintreten (vgl. $ 20, Abs. 4), im Voraus bewilligt werden. Bezügliche Anträge sind dem vor- sitzenden Secretar einzureichen und alsdann lediglich nach den all- gemeinen Vorschriften des $ 49 zu behandeln. 6. Anträge, welche sich auf die Gehalte von Beamten beziehen, sowie Anträge auf Remunerationen derselben, sind dem vorsitzen- den Secretar einzureichen, und alsdann nach den Bestimmungen des $ 49 zu behandeln. J $ 51. Diejenigen Fonds, welche im Etat für die im $ 44, Abs. 2 unter Nr. 2 aufgeführten Zwecke ausgesetzt sind, werden im Ein- zelnen nach Anordnungen des vorsitzenden Secretars verwendet. 8.52. ı. Die Verwendung der Fonds, welche im Etat für wissen- schaftliche Zwecke im Allgemeinen (vgl. $ 44, Abs. 2, Nr. 3) aus- gesetzt sind, erfolgt im Einzelnen auf Grund besonderer Beschlüsse der Gesammt-Akademie, resp. (vgl. Abs. 2) der Klassen. Für die Einbringung und weitere Behandlung bezüglicher Anträge sind die Vorschriften des $ 49 malsgebend. 2. Theilbeträge von den bezeichneten Fonds können von der Gesammt-Akademie auf Vorschlag des Geldverwendungs-Ausschusses den einzelnen Klassen überwiesen werden. Anträge auf Verwen- dung solcher Fonds, über welche eine Klasse selbständig verfügen kann, werden innerhalb derselben nach den im $ 49 enthaltenen Von dem Vermögen der Akademie. (XXXIN) Bestimmungen behandelt. Die Klassenbeschlüsse sind in solchen Fällen entscheidend und werden der Gesammt-Akademie nur zur Kenntnissnahme und weiteren Veranlassung mitgetheilt. 3. Über Anträge, welche nicht als dringlich bezeichnet und anerkannt sind, wird, um eine vergleichende Beurtheilung derselben zu ermöglichen, in gewissen reglementarisch festgesetzten Sitzungen abgestimmt; dabei sind jedoch solche, die nicht mindestens vier Wochen vorher eingereicht worden sind, von der Abstimmung aus- zuschliessen. Die Entscheidung darüber, ob ein Antrag als dring- lich anzuerkennen sei, erfolgt in derselben Weise wie die materielle Entscheidung. Dringliche und nicht dringliche An- trage. (XXXIV) VI Abschnitt. Von den reglementarischen Bestimmungen. $ 53. 1. Über die Benutzung der einzelnen Räumlichkeiten, welche der Akademie zur Verfügung stehen ($ 3 und $ 19, Abs. 2) sollen reglementarische Bestimmungen erlassen werden, welche von dem Secretariat zu entwerfen und von der Gesammt-Akademie festzu- stellen sind. 2. Von den reglementarischen Bestimmungen, deren Erlass schon in früheren Paragraphen vorgesehen ist, sind diejenigen, durch welche eine Anzahl von Stellen für ordentliche Mitglieder ($ 7, Abs.1) und die sämmtlichen Stellen für correspondirende Mit- glieder ($ 22, Abs. 2) einzelnen Fächern zugetheilt und nach einer für die Wahlen ($14, Abs. 2) malsgebenden Reihenfolge geordnet werden, von den betreffenden Klassen in ordentlichen Sitzungen, zu denen besonders eingeladen wird, festzusetzen und der Ge- sammt- Akademie mitzutheilen. 3. Die übrigen in diesen Statuten vorbehaltenen reglementari- schen Bestimmungen, betreffend: 1) die als Wohnorte ordentlicher Mitglieder mit Berlin gleichzustellenden Orte ($ 6), 2) die Instruction der Beamten ($ 31), 3) das Verfahren bei den Einladungen ($ 35), 4) die öffentlichen Sitzungen ($ 38, Abs. 2 und 4), 5) die Ertheilung von Preisen ($ 40), 6) die Redaetion der Sitzungsberichte und Denkschriften u EEE 5 Von den reglementarıschen Bestimmungen. (XXXV) 7) die Sitzungen, in denen die Mitglieder des Geldver- wendungs-Ausschusses zu wählen sind ($ 47, Abs. 2), und diejenigen, in denen über nicht dringliche Anträge auf Verwendung akademischer Fonds zu wissenschaft- lichen Zwecken abzustimmen ist ($ 52, Abs. 5), sind von der Gesammt-Akademie in ordentlichen Sitzungen, zu denen besonders eingeladen wird, festzustellen. Die unter 1, 2 und 5 aufgeführten reglementarischen Bestimmungen sind dem vor- geordneten Ministerium zur Bestätigung einzureichen. E* (XXXVI) VI. Abschnitt. UÜbergangsbestimmungen. $ 54. ı. Jedem einzelnen der jetzigen ordentlichen Mitglieder bleibt auf Grund der bisherigen Statuten das Recht vorbehalten, nach fünfundzwanzigjähriger Mitgliedschaft gemäss $ 18 derselben die Befreiung von allen akademischen Verpflichtungen beanspruchen und gemäss $ 8 seinen Wohnsitz ausserhalb Berlin verlegen zu können, ohne dass dadurch seine Eigenschaft als ordentliches Mit- glied und sein durch $ 22 der bisherigen Statuten begründeter An- spruch auf das gewöhnliche akademische Gehalt aufgehoben wird. 2. Bisher bereits von der Akademie bewilliste besondere aka- demische Gehalte, welche nicht zu den in $19, Abs. 2 aufgeführten vier besonderen Fachgehalten gehören, verbleiben den Inhabern, so lange dieselben ordentliche Mitglieder der Akademie sind. Dess zu Urkund haben Wir diese Statuten höchst- eigenhändig vollzogen und mit Unserm Königlichen Insiegel bedrucken lassen. So geschehen und gegeben zu Berlin, den 28. März 1881. Wilhelm. (L. 8.) von Puttkamer. a nn u _ | ———— Übersicht des Inhalts. (XXXV) Übersicht des Inhalts. I. Abschnitt. Von der Akademie überhaupt. Paragraph Seite I ZweölsundıStellun® der Akademie "2 nenn mn DE UT FAT ee en le ee 16 DO 3. Allgemeine N Me Feat ae 1 Mega reger. 312 A PR KIEREONe Mel So a ae 105 Vier ige Ser Sr; II. Abschnitt. Von den Mitgliedern der Akademie. De Ateneider Mitsleder um. ee 6 SOrdentliche?Mitelieder' eat ea ae ne 6 7. Stellen für ordentliche Mitglieder 6 8,ı. Anträge auf Besetzung der Stellen . or Q 8,2. Wahlvorschläge. Behandlung derselben in der Klasse . . . . 7 9. Behandlung der Wahlvorschläge in der Gesammt- Akademie 7 BI) 10. Wahlvorschläge mit Gehaltsanträgen 11. . Zurüekziehung: der WWahlvorschlägelli u ar Saal EIER. 18 RD Binladımvent 0 an AREENSHEIERE SONO TPEREREITETEN FERN 2 8 13. Abstimmung über den einzelnen Wahlvorschlag . . ......8 14. Vorverfahren, falls mehrere Wahlvorschläge vorliegen . . .. 8 In aBestähkung der aWahle. 2.02.23 Blauang Aal. Br 059 16. Ernennung auswärts Wohnender zu ordentlichen Mitgliedern . .. 10 17. Rechte und Pflichten der ordentlichen Mitglieder in Bezug auf die akademische. Thätigkeit "I. 2.2. en nenn. s10 18. Rechte der ordentlichen Mitglieder ausserhalb der Akademie . . 10 IURT- 4 Stellenschalter rem 2.8 „IR 2 USE SERUESEN ENDE RER rl TomSsE BesonderenBlachgehaltern u ken...) ARHBEEBREEe RES eilt 19, 3. - Besondere persönliche ‚Gehalte . .. . » 2. „2. 2... 0.0.11 19,4. Bewilligung der besonderen Gehalte . . » » 2... . 11 Ton Enadenfaht Wer. a Pia. ee . ll (XXXVIN) Übersicht des Inhalts. Paragraph 20. 26. 29. sl. IV. Abschnitt. Auswärtige Mitglieder Ehrenmitglieder Correspondirende Mitglieder Ausschliessung der Mitglieder Abschnitt. Von den Secretaren und den der Akademie. Die Secretare . Wahl derselben Functionen der Secretare . Der vorsitzende Secretar Der vorsitzende Klassensecretar . Sitzungen des Secretariats Seite 12 12 15 14 Beamten 15 15 16 16 17 17 Die Ausfertigungen, welche im Namen der Akademie oder einer Klasse erfolgen Beamte der Akademie der Akademie. Von den Sitzungen überhaupt Ordentliche Sitzungen. Sitzungstage Liste der Sitzungstage . Regelmässige wissenschaftliche Vorträge . Sonstige wissenschaftliche Mittheilungen . Geschäftsangelegenheiten Ausserordentliche Sitzungen Einladungen zu den Sitzungen Reihenfolge der Verhandlungen . Sen Geschäftliche Anträge und deren Behandlung Abstimmung über Geschäftsangelegenheiten . Protokolle Commissarien und Commissionen Öffentliche Sitzungen Ferien Wissenschaftliche Unternehmungen und Preisertheilungen Sitzungsberichte und Denkschriften . 15 18 Von den Sitzungen, Arbeiten und Schriften 20 20 u Übersicht des Inhalts. (XXXIX) V. Abschnitt. Von dem Vermögen der Akademie, von ihrem Einkommen und von dessen Verwendung. Paragraph Seite 42. Grund- und Capitalvermögen der Akademie. . . 2.2..2.2..36 43. Das sonstige bewegliche Vermögen der Akademie. . 2 2.....26 Aa Einnahmen. der Akademien ren am Vier.wendungsderselbeneeug tn 44,3. Einnahme-Überschüsse . 27 AnStser KrasremdergAkalemien ee 2 45,2. Einzahlungen 28 AEESEENUSZahlunden A ale es Vyrd AnmrbitamtdersAlkcademier., eu De ee ee 28 47,1. Der Geldverwendungs-Ausschuss und dessen Abtheilungen. . . 28 47,2. Wahl der Mitglieder und Stellvertreter . -. 2 2 2 2 2.2..238 47,3. Bestimmungen über die Zuziehung der Stellvertreter. . . . ...29 48,1. Geschäfte des Geldverwendung-Ausschusses. . . 2 2..2....29 48,2. Sitzungen und Verhandlungen des Geldverwendungs- Ausschusses 29 48,3. Sitzungen und Verhandlungen der einzelnen Abtheilungen . . . 29 ASS Zuziehunslanderer Mütchieden 0 2 0 EEE 2830 48,5 Einladungen) zurden Sitzungen nn nn 72.%0 49,1. Vermögens- oder Geldangelegenheiten betreffende Anträge. . . 30 49, 2. Behandlung derselben in den Klassen. . . . 2. 2 .2.2..2...80 49, 3. Behandlung derselben in der Gesammt-Akademie . . . ......30 49,4. Abstimmung über Geldbewilligungs-Anträge . . . 2... 981 49, 5. Einladungen zu den Sitzungen. Art und Weise der Abstimmung . 31 Olga Stellenzehaltessukere.s Re aan te rer ra te res 50, 3. Bewilligungen besonderer Gehalte für ordentliche Mitglieder . . 31 50,4. Gehaltsanträge bei Wahlvorschlägen . - » 2 2 2.2.2..2...832 50, 5. Gehalts-Bewilligungen für künftig in die Akademie eintretende aus- wärtısem NL )eder Bene ERLERNEN. 32 50,7... Gehalte. Bewillisungentün, Beamter. va sl ua nr. 32 51. Verwendungen durch den vorsitzenden Secretar . . ........32 52,1. Anträge auf Verwendung der für wissenschaftliche Zwecke im Allgemeinen ausgesetzten Fonds. 52,2. Vertheilung von Fonds an die einzelnen Klassen. Verwendung Genselbennf sp a er a en 1.32 52,3. Dringliche und nicht dringliche Anträge. . » 2 2... 2..2..833 VI. ‚Abschnitt. ’Non | Faagaph arg? 1aaBahr 53. ee Par £ ek EINE? ide Ida Am Pop! BE En bat ’ « AN P De > = A Yols r Ir r Br . (XLI) u Verzeichnifs der im Jahre 1881 stattgehabten Sitzungen der Akademie und der darin gelesenen Abhandlungen. Oeffentliche Sitzungen. Sitzung am 27. Januar zur Feier des Jahrestages König Friedrichs Il. Hr. Auwers eröffnete die Sitzung mit einer Festrede, welche die Schilderung des Verhältnisses Friedrichs des Grofsen zu den mathematischen Wissenschaften überhaupt, und im Besondern der Pflege der praktischen Astronomie in Preufsen unter seiner Regie- rung zum Gegenstand hatte. Derselbe berichtete ferner über die im Jahre 1880 im Per- sonalstande der Akademie eingetretenen Veränderungen. Alsdann trug Hr. du Bois-Reymond als Vorsitzender des Curatoriums der Humboldt- Stiftung für Naturforschung und Reisen den statuten- mälsigen Jahresbericht vor, welcher im Monatsbericht abgedruckt ist. Zum Schlufs las Hr. Droysen eine Abhandlung über das Project einer preulsischen Flotte vom Jahre 1751. (XL) . Sitzung am 24. März zur Feier des Geburtsfestes Sr. Majestät des Kaisers und Königs. Hr. Mommsen eröffnete die Sitzung mit einer Festrede, in welcher er eine Parallele zwischen dem römischen Prineipat und der gegenwärtigen Monarchie zog und einen Rückblick auf die Ereig- nisse des vergangenen Jahres warf. Dieselbe ist im Monatsbericht abgedruckt. Hr. Curtius erstattete alsdann Bericht über die grölseren wissenschaftlichen Unternehmungen der philosophisch - historischen Klasse, in welchem von der Weiterführung der griechischen und der lateinischen Inschriftensammlung, der Palaeographie der rö- mischen Quadratschrift, der Ausgabe der griechischen Commenta- toren des Aristoteles, den Arbeiten des mit der Akademie verbun- denen Archaeologischen Instituts und der Herausgabe der politischen Correspondenz König Friedrichs Il. sowie der Staatsschriften aus seiner Regierungszeit, Rechenschaft abgelegt wurde. Sitzung am 30. Juni zur Feier des Leibniz’schen Jahrestages. Hr. Curtius eröffnete die Sitzung mit einem Vortrage, in welchem er an Leibniz’ ägyptisches Projeet anknüpfend, von der allmählich fortschreitenden Wiederentdeckung des Bodens der alten Geschichte und von der Betheiligung der verschiedenen Nationen Europas an dieser Aufgabe eine Uebersicht gab. Dann berichtete er über die Bopp-Stiftung, deren Jahresbetrag dielsmal dem Dr. Karl Geldner in Tübingen zur Unterstützung seimer Zendstudien verliehen worden ist. Hr. Mommsen verkündete den Erfolg der akademischen Preisbewerbung, und Hr. Waitz trug den Jahresbe- richt über die unter seiner Leitung stehenden Monumenta Germa- niae historica vor. Die Vorträge dieser Sitzung finden sich sämmt- lich ausführlich im Monatsbericht. (XLIN) Gesammtsitzungen der Akademie. Januar 6. Droysen, Projeet zu einer preulsischen Flotte 1751. (M. B.) Januar 13. Roth, petrographische Beiträge. (M.B.) B. Baginsky, über die Schwindelerschemungen nach Ohr-Verletzungen. Vorgelegt von du Bois-Rey- mond. (M.B.) H. Bruns, Bemerkungen über den Lichtwechsel der Sterne vom Algoltypus. Vorgelegt von Auwers. (M.B.) Januar 20. Weber, über neue Erwerbungen der Königl. Biblio- thek an indischen Handschriften. M. Westermaier, Beiträge zur Kenntnils des mecha- nischen Gewebesystems. Vorgelegt von Schwen- dener. (M.DB.) Februar 3. Pringsheim, zur Kritik der bisherigen Grundlagen der Assimilationstheorie der Pflanzen. (M.B.) J. M. Hildebrandt, magnetische Beobachtungen auf Madagascar, berechnet von Dr. O. Kersten. Vor- gelest von Virchow. (M.B.) Februar 10. Websky, über die Ableitung des krystallographischen Transformations-Symbols. (M. B.) E. Sachau, eme dreisprachige Inschrift aus Zebed. Vorgelegt von Dillmann. (M.B.) (XLIV) Februar 17. Helmholtz, über die auf das Innere magnetisch oder dielektrisch polarisirter Körper wirkenden Kräfte (M.B.) A. Christiani, experimentelle Beiträge zur Physio- logie des Kaninchenhirnes und seiner Nerven. Vorgelegt von du Bois-Reymond. (M.B.) Februar 24. Kuhn, Fortsetzung seiner Abhandlung über Zwerge als Lichtwesen. März 3. Zeller, über die Messung physischer Vorgänge. (Abh.) März 10. Duncker, über die Schlacht von Marathon. W. Zopf, über den genetischen Zusammenhang von Spaltpilzformen. Vorgelegt von Pringsheim. (M.B.) März 17. v. Sybel, über die Stammtafel der Amaler. März 31. Virchow, über die Weddas von Ceylon und ihre Be- ziehungen zu den Nachbarstämmen. (Abh.) H. Bücking, vorläufiger Bericht über die geologische Untersuchung von Olympia. Vorgelegt von Bey- rich. (M.B.) Lepsius, über die Wiedereröffnung zweier ägyptischer Pyramiden, nach Mittheilungen von Prof. Brugsch. (M.B.) April 7. Vahlen, Beiträge zur Berichtigung der Elegien des Pro- pertius. (M.B.) April 28. Waitz, über Herman von Torma und die Geschicht- schreibung der Stadt. Mai 12. G. Kirchhoff, über die Leitungsfähigkeit der Metalle für Wärme und Elektricität. C. Jirecek, Beiträge zur antiken Geographie und Epi- graphik von Bulgarien und Rumelien. Vorgelegt von Mommsen. (M.B.) (XLV) Juni 2. Schrader, über die Sargonsstele des Königlichen Mu- seums. (Abh.) Juni 23. Siemens, Beiträge zur Theorie des Elektromagnetis- mus. (M.B.) Juli 14. Schwendener, über Bau und Mechanik der Spaltöff- nungen. (M.B.) Juli 28. Conze, über die Zeit der Erbauung des grolsen Altars zu Pergamon. (M.B.) E. Goldstein, über den Zusammenhang zwischen Gas- dichte und Schichtintervall m Geilsler’schen Röh- ren. Vorgelegt von Helmholtz. (M.B.) October 27. Dillmann, über das Kalenderwesen der Israeliten vor dem babylonischen Exil. (M.B.) Lepsius, Bericht über den Fortgang der von E. . Naville unternommenen Herausgabe des Theba- nischen Todtenbuches. (M.B.) November 10. Roth, zur Geologie der Umgebung von Neapel. (M. B.) November 24. Eiehler, über die weiblichen Blüthen der Coni- ferenKt (36) M. Westermaier, Beiträge zur vergleichenden Ana- tomie der Pflanzen. Vorgel. von Schwendener.(M.B.) December 8. Schott, über die Röng oder Leptscha in Sikkim, mit besonderer Beziehung auf ihre Sprache. (AbA.) Virchow, über Funde in kaukasischen Gräbern. December 22. du Bois-Reymond, über die bisherigen Ergeb- nisse der von Hrn. Prof. Gustav Fritsch zur wei- teren Erforschung der elektrischen Organe der Fische unternommenen Reise. (M.B.) Kronecker, zur Theorie der elliptischen Functio- nen. (M.B.) (XLVI) Sitzungen der physikalisch-mathematisehen Klasse, Januar 24. Rammelsberg, experimentelle Grundlagen zur Theorie der Amalgamation. (M.B.) H. Kronecker & S. Meltzer, über den Schluckmecha- nismus und dessen nervöse Hemmungen. Vorge- legt von du Bois-Reymond. (M.B.) Februar 21. Reichert, über das Gefäls-System der Leber. Weierstrals, zur Functionenlehre. (Nachtrag.) (M. B.) Virchow, über die ethnologische Bedeutung des Os malare bipartitum. (JM. B.) März 11. Kronecker, Entwickelungen aus der Theorie der alge- braischen Gleichungen. . Hofmann, über die Einwirkung der Wärme auf die Am- moniumbasen. (M.B.) — Beiträge zur Kenntnils des Piperidins. (M. 2.) April'21. Hofmann, Beiträge zur Kenntnils des Coniins. (M.B.) Burmeister, Bericht über ein Skelet von Sceelidotherium leptocephalum. (NM. BD.) Th. Weyl, Beobachtungen über Zusammensetzung und Stoffwechsel des elektrischen Organs von Torpedo. Vorgelegt von du Bois-Reymond. (M.B.) K. Brandt, Untersuchungen an Radiolarien. Vorgelegt von du Bois-Reymond. (M.B.) Mai 5. Auwers, Resultate der vierjährigen meteorologischen Beob- achtungen auf dem Potsdamer Observatorium und ihrer Vergleichung mit den gleichzeitigen Berliner Beobachtungen. N (XLVII) Mai 19. Munk, über die Hörsphären der Grolshimmrinde. (M.B.) Peters, über die Chiropterengattung Mormopterus und die dahin gehörigen Arten. (M.B.) Juni 16. Pringsheim, über die primären Wirkungen des Lichtes auf die Vegetation. (M.B.) Kronecker, zur Theorie der Elimination einer Variabeln aus zwei algebraischen Gleichungen. (M.B.) Juli 7. Websky, über die Interpretation der empirischen Octaid- Symbole auf Rationalität. (M.B.) Hofmann, zur Geschichte der Pyridnbasen. (M.B.) E. Goldstein, über die Reflexion elektrischer Strahlen. (M.Bb.) — Ueber den Einfluls der Kathodenform auf die Vertheilung des Phosphorescenzlichtes Geils- ler’scher Röhren. Vorgelegt von Helmholtz. (M.B.) Ewald, über das Erdbeben von Chios. (M.B.) voth, über das Erdbeben von San Miguel. (M.B.) Juli 21. Helmholtz, weitere Studien über Polarisation des Platins. November 3. Helmholtz, über galvanische Polarisation des Queck- silbers und darauf bezügliche neue Versuche des Hrn. A. Koenig. (M.B.) Bauer, über eine Methode, die Brechungscoöfficien- ten emaxiger Krystalle zu bestimmen, und über die Brechungscoöfficienten des Brueits. Vorgelegt von Websky. (M.B.) Virchow, über mikronesische Schädel. (M.B.) November 17. Websky, über das Vorkommen von Phenakit in der Schweiz. (M.B.) December 1. Schwendener, über das Winden der Pflanzen. (M.B.) December 15. Munk, zur Physiologie der Grofshirnrinde. (XLVIM) Sitzungen der philosophisch- historischen Klasse. Januar 10. Mommsen, über die Geschichte der Legio III Augusta. Zachariae von Lingenthal, über eine lateinische Uebersetzung von Buch 53 der Basiliken. (M. B.) Februar 7. Duncker, über die Hufen der Spartiaten. (M.B.) März 7. Vahlen, über die Anfänge der Heroiden des Ovid. (AdA.) April 21. Waitz, über eime alte Genealogie der Welfen. (Abh.) Mai 5. Schrader, über Ladanum und Palme auf den assyrischen Monumenten. (M. B.) Dillmann, über eine neuentdeckte punische Inschrift. (M.B.) \ Mai 19. Schott, über die sogenannten Zaubersprüche der Finnen. (M. B.) Juni 16. Dillmann, über Baal mit dem weiblichen Artikel (# Baar). (M. B.) Zachariae von Lingenthal, Papyrusblätter vom Sinai- Kloster mit Bruchstücken griechisch - römischer Jurisprudenz. (M.B.) Imhoof-Blumer, die euböische Silberwährung. (M. B.) Olshausen, Forschungen auf dem Gebiete eränischer Sprachkunde. (MM. B.) (XLIX) Juli 7. Bohn, der Tempel der Athena Polias zu Athen. Vorgelegt von Conze. (Abh.) Zobel de Zangroniz, über die antike Numismatik Hispa- niens. Vorgelegt von Mommsen. (M.B.) Juli 21. v. Sybel, über Talleyrand’s Politik gegen Deutschland. October 20. Kiepert, über Pegolotti’s vorderasiatisches Itinerar. November 3. A. Kirchhoff, über die Reste einer aus Aegypten stammenden Handschrift des Euripides. (M.B.) November 17. Mommsen, über Ammiani Geographica. December 1. Weber, über die heilige Litteratur der Dschaina. December 15. Curtius, über die Mantik in Olympia. (Abh.) Bühler, über ein altes kürzlich im Panjäb gefun- denes SanskritMss. Mit Bemerkungen von Weber. (M.B.) Die mit M.B. bezeichneten Vorträge sind in den Monatsberichten, die mit Abh. in den Abhandlungen aus dem Jahre 1881 abgedruckt. Die übrigen sind in den akademischen Schriften nicht mitgetheilt. (L) IM. Akademische Preisfragen. Preisaufgabe der philosophisch-historischen Klasse vom Jahre 1878. In der öffentlichen Sitzung am Leibniztage des Jahres 1878 war gemäls den Vorschriften der früheren Statuten von der phi- losophisch -historischen Klasse die folgende Preisaufgabe gestellt worden: Es sind die sämmtlichen bei Schriftstellern und auf Inschrif- ten erhaltenen Zeugnisse über das Zollwesen der römischen Kaiserzeit zusammenzustellen und danach die einzelnen Zoll- linien und Zollgebiete, ferner die Verwaltungsnormen des Zollwesens, insonderheit die Competenz der einzelnen Zoll- beamtenklassen und das Verhältnils der Zollpächter zu den kaiserlichen Controlebehörden nach Möglichkeit klarzulegen. Es sind in Bewerbung um diesen Preis rechtzeitig zwei Schriften eingegangen mit den Motti: 1) Wo die Könige baun, haben die Kärrner zu thun; 2) Cura non deesset, si qua ad verum via inqwirentem ferret. In Betreff des rechtlichen Fundaments stellt die Abhandlung I den leitenden Grundgedanken richtig an die Spitze, während II sich darüber schwankend und zum Theil irrend (insonderheit mit Ver- wechselung der res publicae und der res nullius) einführt. Damit hängt auch die bessere Methode der ersteren Schrift zusammen. In den Schluflsabschnitten ist hier ein achtbarer Versuch gemacht die Gesammtheit der Zollinstitutionen zu erfassen, die Stellung der Zolleinkünfte in dem Finanzsystem überhaupt und insbesondere die Theilung der Geschäfte zwischen der kaiserlichen Oberleitung und den Pachtgesellschaften zu bestimmen, ferner die Frage zu (LI) beantworten, inwiefern Stückzölle oder Werthzölle vorgekommen sind und welche Normen hierbei obgewaltet haben. Neben man- chem Unsicheren und Bedenklichen begegnen hier gute und wei- terführende Beobachtungen, zum Beispiel die Anknüpfung des con- trascriptor an den &vrıygapeis des Ptolemäerstaates. — Die zweite Abhandlung dagegen führt die Zollinstitutionen lediglich in örtli- cher Folge auf und gibt aufserhalb derselben nur nachträglich einige local nicht wohl unterzubringende Paralipomena. Es muls anerkannt werden, dafs jeder römische Zolldistriet, ähnlich wie jede Staatsprovinz, Seine eigenen Gesetze -und seine eigene Geschichte hat und dafs die Gefahr des irrigen Generalisirens hier bei zusam- menfassender Behandlung eine sehr grolse ist. Aber dennoch ist das Generalisiren in jeder Weise unvermeidlich. Es muls die Grenze gezogen werden zwischen den Reichszöllen und den gleich- artigen muniecipalen Abgaben, wie das rotarium; zwischen den Zöl- len und den wenigstens in Rom vorkommenden dem Oectroi ana- logen Abgaben. Es muls die Frage, inwiefern der Zoll auf dem Export oder dem Import lag, wenigstens insoweit beantwortet wer- den, dafs die einschlagenden Zeugnisse zusammengestellt werden, wenn auch vielleicht ein allgemeines System in dieser Hinsicht nicht bestanden hat oder doch nicht für uns erkennbar ist. Es muls die Verwaltungsorganisation dargelegt werden, die etwaige directe Hebung, resp. die Controle der Regierung, die Verdingung, die Hebungsnormen, die Verwaltung mit ihren socä, magistri, pro- magistri, contrascriptores, dispensatores, vilici, arcarü, so dals für je- des einzelne Institut übersichtlich vorliegt, was wir davon wissen, und einigermaalsen ermessen werden kann, wie weit hier allge- meine Normen bestanden haben und erkennbar sind. Zu allem diesem liefert die zweite Abhandlung wohl das Material; aber für die Zusammenfassung ist hier nicht das Nöthige geschehen. bz (LI) Auf der anderen Seite ist die Überlegenheit der Abhand- lung II unbestreitbar. Das Material für die Verwaltungsorganisa- tion ist in der ersten in bei weitem geringerer Fülle und mit weit geringerer Beherrschung der inschriftlichen wie der schriftstelleri- schen Zeugnisse zusammengestellt als in der zweiten. Überall zeigt sich in dieser eigene emdringende Untersuchung, die man- che bisher übersehene Notiz aus Steinen oder Büchern zuerst an ihre rechte Stelle bringt. Die ganz entscheidende Frage, ob die Reichszölle lediglich an den Grenzen der Reichszolldistriete oder auch an innerhalb derselben gezogenen Linien erhoben worden sind, ist in der Abhandlung I kurzweg im letzteren Sinne entschie- den; die Abhandlung II dagegen prüft mit grolser Schärfe die für die zweite Alternative in Betracht kommenden Daten und verneint sie mit gutem Grund im Allgemeinen, während einzelne Abwei- chungen für Aegypten und namentlich für Dacien in scharfsinni- ger Weise erklärt werden. Während die erste Arbeit sich den Specialdaten gegenüber im Allgemeinen receptiv verhält und nur versucht sie zu registriren und das Facit daraus zu ziehen, wird in der zweiten jede einzelne Aufstellung mit emer zuweilen allzu grolsen Bedenklichkeit nachgeprüft und die Bausteine durchgängig zurechtgelegt, wenn auch das Gebäude selbst unvollendet er- scheint. In Erwägung dieser Momente ertheilt die Akademie der zweiten mit dem Motto Cura non deesset bezeichneten den Preis, indem sie dem Verfasser anempfiehlt für den Fall der Veröffent- lichung das Schema in dem oben bezeichneten Sinn umzugestal- ten. Der unter I aufgeführten Arbeit wird, mit Rücksicht darauf, dals wenn sie allein vorläge, sie des Preises würdig erscheinen würde, gleichzeitig das Accessit zuerkannt. (LI) Die Eröffnung des versiegelten Zettels der mit dem Preis gekrönten Abhandlung ergab Hm. Dr. Hermann Dessau, z. Zt. in Rom, als Verfasser. Dem Verfasser der anderen wird es anheim- gestellt, seinen Namen zum Zweck der Bekanntmachung desselben in den Monatsberichten der Akademie mitzutheilen. Preisaufgabe der physikalisch-mathematischen Klasse vom Jahre 1875 bez. 1878. Auf die zuerst am Leibniztage des Jahres 1875 gestellte und im Jahre 1878 erneuert gestellte Preisfrage: „In welchen Verbindungen findet sich der Kalk im Blute der Säugethiere und der Vögel? und wie geschieht der chemische Niederschlag seiner Salze in die Gewebe, na- mentlich in die Knochen?“ ist der Akademie keine Antwort zugegangen. Die Preisfrage ist hiermit zurückgezogen. (LIV) IM: Verzeichnils der im Jahre 1881 erfolgten besonderen Geld- bewilligungen aus akademischen Mitteln zur Ausführung oder Unterstützung wissenschaftlicher Unternehmungen. 4500 Mark 3000 1500 4500 500 3100 2000 1200 ” dem Mitgliede der Akademie Hrn. A. Kirchhoff zur Fortsetzung des Corpus Inseriptionum Graecarum. dem Mitgliede der Akademie Hrn. Mommsen zur Herstellung von Supplementen zum Corpus Inseriptio- num Latinarum. demselben zur Fortführung der Prosopographie der römischen Kaiserzeit. den Mitgliedern der Akademie HHrn. Zeller, Bo- nitz und Vahlen zur Fortsetzung der Arbeiten für eine kritische Ausgabe der griechischen Commentatoren des Aristoteles. den Mitgliedern der Akademie HHın. Droysen, Duncker und v. Sybel zur Fortsetzung der Heraus- gabe der politischen Correspondenz Friedrich’s I. denselben zur weiteren Vorbereitung der Heraus- gabe der Staatsschriften aus der Regierungszeit Frie- drich’s Il. dem Mitgliede der Akademie Hrn. Weierstrals zur Herausgabe der Schriften Jacobi’. dem Mitgliede der Akademie Hrn. Roth zum Ab- schlufs seiner Untersuchungen über den Vesuv. dem Hrn. Professor Hübner in Charlottenburg als Jahreszuschuls zu den aus allgemeinen Staatsfonds für die Palaeographie der römischen Quadratschrift bewil- ligten Mitteln. u no 1000 Mark 2000 4500 1200 700 1000 2000 600 300 600 b)) >] ” ” (LV) dem Hrn. Professor Dr. Hartmann m Berlin als fernerer Zuschuls zur Herausgabe seines Werkes über den Gorilla. dem Hrn. Dr. von Heldreich in Athen zur Heraus- gabe einer Flora graeca classica. dem Hrn. Professor Dr. Graff im Aschaffenburg zur Herausgabe seines mit Unterstützung der Akademie bearbeiteten Werkes über die Turbellarien. dem Hrn. Professor Dr. Dohrn in Neapel zur Her- ausgabe der Jahresberichte der zoologischen Station in Neapel über die Fortschritte der Zoologie im Jahre 1879. dem Hın. Professor Dr. Dames in Berlin zur Unter- suchung der Stembrüche in Pikermi bei Athen. dem Hrn. Dr. Eugen Goldstein m Berlin als fer- nere Unterstützung zu Untersuchungen über das elek- trische Licht. dem Hrm. Professor Dr. Schmitz in Bonn zu Unter- suchungen über Fructification der Florideen. dem Hın. Dr. von Pflugk-Harttung m Tübingen zu Forschungen in italiänischen Archiven, päpstliche Ur- kunden betreffend. dem Hrn. A. Krause in Tripolis zu Untersuchungen über africanische Sprachen. der Hahn’schen Buchhandlung in Hannover zur Herausgabe der tironischen Noten. dem Hın. Dr. Hinrichs in Berlin zur Vergleichung einer Nibelungenhandschrift in Wien. dem Hrn. Professor Dr. Oldenberg in Berlin als fer- nere Unterstützung zur Herausgabe des Vinaya Pitaka, für den dritten Band. (LVI) Y. Veränderungen im Personalstande der Akademie im Laufe des Jahres 1881. Gewählt wurden: Hr. Hans Landolt, als ordentliches Mitglied der physikalisch - ma- thematischen Klasse, am 28. Juli, bestätigt durch Königl. Cabinetsordre vom 15. August 1881; AlelfiEobler als ordentliche Mitglieder der phi- losophisch-historischen Klasse, am Wilhelm Wattenbach ! ” | J 6 28. Juli, bestätigt durch Königl. Ca- „ Hermann Diels £ 7 5 binetsordre vom 15. August 1881; zu correspondirenden Mitgliedern der physikalisch-mathe- matischen Klasse: Hr. Eugenio Beltrami in Pavia am 6. Januar 1881, „ Enrico Betti in Pisa am 6. Januar 1881, „ Francesco Brioschi in Mailand am 6. Januar 1881, „ Lazarus Fuchs in Heidelberg am 6. Januar 1881, „ Heinrich Schroeter in Breslau am 6. Januar 1881, „ Heinrich Wild in St. Petersburg am 6. Januar 1881, „ Franz Ritter von Hauer in Wien am 3. März 1881, „ Theodor Kjerulf in Christiania am 3. März 1881, „ Ferdinand Freiherr von Richthofen m Bonn am 3. März 1881, „ Gustav Tschermak in Wien am 3. März 1881. gu FR. Win: Dr (LVII) Gestorben sind: das ordentliche Mitglied der philosophisch - historischen Klasse Adalbert Kuhn am 5. Mai 1881; die correspondirenden Mitglieder der physikalisch - mathe- matischen Klasse . Henri Sainte-Claire Deville in Paris am 1. Juli 1881, Heinrich Eduard Heine in Halle am 24. October 1881; die correspondirenden Mitglieder der philosophisch-histori- schen Klasse “ Jacob Bernays in Bonn am 26. Mai 1881, Bernhard Dorn in St. Petersburg am 31. Mai 1881, Theodor Benfey in Göttingen am 26. Juni 1881, Hermann Lotze in Berlin am 1. Juli 1881, Theodor Bergk in Bonn am 20. Juli 1881, Ferdinand Keller in Zürich am 21. Juli 1881. (LVM) v1. Verzeiehniss der Mitglieder der Akademie der Wissenschaften am Schlusse des Jahres 1881. I. Beständige Secretare. Hr. du Bois- Reymond, Secr. der phys.-math. Klasse. - Curtius, Secer. der phil.-hist. Klasse. - Mommsen, Secr. der phil.-hist. Klasse. - Auwers, Secr. der phys.-math. Klasse. II. Ordentliche Mitglieder der physikalisch-mathematischen der philosophisch-historischen Datum der Königlichen Klasse. Klasse. Bestätigung. mn Sn 2 Hr. Leopold v. Ranke . . . 1832 Febr. 13. - Wilhelm Schott . . . . 1841 März 9. EI IGotRalyRHOgen en SAD ın28: 9 Po® Theophel Raele.. » » she ec, Sa BA UHITZR: - Richard Lepsius . . . . 1850 Mai 18. - Emil. dw. Bois-Reymond . .. 2.0 era enenalıe ie, 1857 März 5. = + Walhelm. Poters, 2 aa ee ee lsoles Märzea: - Heinrich Kiepert . . . . 1853 Juli 25. = HeummBanst Beymiche 2 20 en ea: =. Jul VRR ERBOLGEN ver u ke en RT a u ASS Amen! = Karl! Emear. Rammelsberg 2 SE 8er Aue: — Elnnet, Eduand. Kummer 22 raeaalDer id: - Karl Weierstra/s . » . .»..- DEE NoyzlR - Albrecht Weber . . . „ 1857 Aug. 24. (LIX) der physikalisch-mathematischen der philosophisch-historischen Datum der Königlichen Klasse. Klasse. Bestätigung. u Hr. Theodor Mommsen . . . 1858 April 27. RITTER. „Ad 1859 April 4. - Justus Olshausen . . . . 1860 März 7. - Adolf Kirchof . . . . 1860 März 7. RAR 1L.1 50 WRBRS 7% »1ERalD.2 8 - Ernst Curtius . . . . . 1862 März 3. - Karl Müllenhof . . . . 1864 Febr. 3. -lAugıäWelh: Hofmann. ı 0 = a 2.00 nu) au 8 Marı27. Hr. Karl Bogislaus Reichert - Leopold Kronecker = Arthur Aumers nn nur ABTEI AELS. - Joh. Gust. Droysen . . . 1867 Febr. 9. ENTER ENT EEE NE MN Mer Aprilm22: - Hermann Bonitz . . . . 1867 Dee. 27. - _Nathanael Prengeheam. u ad 0 2.2.0. 0.1868 Aug. 17. Br Gustav Robert Kurchhof: - NM... » 2. 2.2.0... .1870 März 19. - Hermann Helmholtz . na ARE ERS un. -ı Eduard Zeller. . . . . 1872 Dec. 9. = Mas Duncker . .,.. . . 1873 Mai 14. = Werner Siemens -» 2 0 nn ee Rau DeEuH22. - Rudolph Virchow . ae en ae in in .ell80dr Deel 22. - Johannes Vahlen . . . . 1874 Dee. 16. RG er ante 222.2. 18Xor April" 3. ee are Man. - Eberhard Schradee . . . 1875 Juni 14. - Heinrich von Sybel . . . 1875 Dec. 20. - August Dillmann. . . . 1877 März 28. - Alexander Conze . ». » . 1877 April 23. = Simon" Sohiwendener » nn na a a nn A rg ee. — Hermann Munk » = 2 20. 20000, Et Mrz LO - August Wilhelm Eichler en RR TE 10. =, ‚Adolj; Tobler I. m ESP AUFAL 9: - Martin Websky - Wilhelm Wattenbach . . 1881 Ausg. 15. - Hermann Diels . . . . 1881 Ausg. 15. Hanser DI ee ug... (LX) III. Auswärtige Mitglieder der physikalisch-mathematischen Klasse. Hr. Sir Hr. Friedr. Wöhler in Göttingen Franz Neumann in Königs- beit Al. u Robert Wilhelm Bunsen ın Heidelberg Wilhelm Weber in Göttingen . Hermann Kopp in Heidel- berg ee R Joseph Liowville in Paris . Charles Darwin ın Down bei London. f Richard Owen in London George Biddell Airy in Blackheath bei London . Jean- Baptiste Dumas in Baris: - der philosophisch-historischen Klasse. Sir Henry Rawlinson in London Hr. Franz Ritter v. Miklosich in Wien . - Lebrecht Fleischer ın Leipzig . - (Giovanni Battista de Rossi in Rom . - August Friedrich Pott ın Halle a. S.. Datum der Königl. Bestätigung. 1850 Mai 18. 1855 Aug. 15. 1858 Aug. 18. 1862 März 3. 1862 März 24. 1863 Juli 11. 1874 April 20. 1874 Mai 13. 1875 Juli 9. 1876 März 15. 1877 Aug. 17. 1878 Dee. 2. 1878 Dee. 2. 1879 Febr. 8. 1880 Aug. 16. (LXI) IV. Ehren-Mitglieder. Datum der Königlichen Bestätigung. ErPpeters Meman ın Basel » » » 2 2 2 un... 1845 März 8. - Peter von Tschichatschef m Florenz . . . 1853 Aug. 22. - Graf Rudolph von Stillfried-Rattonitz in Benin. 1854 Juli 22. Sir Zdward Sabine n London . . ..... . 1855 Aug. 15. Hr. Graf Helmuth v. Molike in Berlin. . . . . . 1860 Juni 2. Don Baldassare Boncompagni n Rom. . . . . .. 1862 Juli 21. Hr. Johann Jakob Baeyer in Berlin. . . . . . . 1865 Mai 27. Georg Hanssen in Göttingen. . . . » . . . 1869 April. Julius Friedlaender in Berlin . . . . . . ... 1875 Febr. 10 Carl Johann Malmsten m Upsala. . . . . . 1880 Dee. 15. (LXII) V. Correspondirende Mitglieder, Physikalisch-mathematische Klasse. Hr. Hermann Abich in Wien Eugenio Beltrami ın Pavia . P. J. van Beneden ın Löwen George Bentham in Kew Enrico Betti ın Pisa RENTE Theodor Ludwig Bischof in München Jean-Baptiste Boussingault in Paris . Francesco Brioschi in Mailand Ole Jacob Broch in Christiania . Ernst von Brücke in Wien . 2 Hermann Burmeister in Buenos Ayres . Auguste Cahours in Paris Arthur Cayley in Cambridge . Michel- Eugene Chevreul in Paris Elvein Bruno Christofel in Strafsburg Rudolph Clausius in Bonn . James Dana in New Haven . Anton De Bary in Stralsburg Alphonse De Candolle in Genf Ernst Heinrich Karl von Dechen in Bonn . Richard Dedekind in Braunschweig Franz Cornelius Donders in Utrecht . Gustav Theodor Fechner in Leipzig . Lowis-Hippolyte Fizeau in Paris Edward Frankland ın London Lazarus Fuchs in Heidelberg . Heinrich Robert Göppert in Breslau Asa Gray in Cambridge, N. America Datum der Wahl. — Ve 1858 Oct. 14. 1881 Jan. 6. 1855 Juli 26. 1855 Juli 26. 1881 Jan. 6. 1854 April 27. 1856 April 24. 1881 Jan. 6. 1876 Febr. 3. 1854 April 27. 1874 April 16. 1867 Dee. 19. 1866 Juli 26. 1834 Juni 5. 1868 April 2. 1876 März 30. 1855 Juli 26. 1878 Dee. 12. 1874 April 16. 1842 Febr. 3. 1880 März 11. 1373 April 3. 1841 März 25. 1863 Aug. 6. 1875 Nov. 18. 1881 Jan. 6. 1839 Juni 6. 1855 Juli 26. Er Franz von Hauer ın Wien . Ä Friedrich Gustav Jacob Henle ın Göttingen e Charles Hermite ın Paris Joseph Dalton Hooker in Kew . Thomas Huxley in London Joseph Hyrtl in Wien August KekulE ın Bonn . Theodor Kjerulf in Christiania Albert von Kölliker in Würzburg . August Kundt in Stralsburg . Rudolph Lipschitz in Bonn. 8 Sven Ludvig Loven in Stockholm . Karl Ludwig in Leipzig Charles Marignac in Genf . Henri Milne Edwards m Paris . : J. @. Mulder ın Bennekom bei Wegerkigen Karl Nägeli in München Eduard Pflüger in Bonn Joseph Plateau ın Gent . > Friedrich August von (Quenstedt ın inbinzen. Georg Quincke in Heidelberg Gerhard vom Rath in Bonn Ferdinand von Richthofen in Bonn Ferdinand Römer in Breslau . Georg Rosenhain in Königsberg. George Salmon in Dublin . Arcangelo Scacchi in Neapel . Bar Ernst Christian Julius Schering ın Gainesn Giovanni Virginio Schiaparelli in Mailand Ludwig Schläfli in Bern. Hermann Schlegel in Leiden Heinrich Schröter in Breslau . Theodor Schwann ın Lüttich . Philipp Ludwig Seidel in München i Karl Theodor Ernst von Siebold in München Henry J. Stephen Smith in Oxford Japetus Steenstrup in Kopenhagen . George Gabriel Stokes in Cambridge . Otto Struve in Pulkowa . (LXIM) Datum der Wahl. 1881 1873 1859 1854 1865 1857 1875 1881 1875 1879 1872 1875 1864 1865 1847 1845 1874 1873 1869 1868 1879 1871 1881 1869 1859 1875 1872 1875 1879 1873 1865 1881 1854 1863 1841 1880 1859 1859 1868 März 3. April 3. Aus. 11. Juni 1. Aus. 3. Jan. 15. Nov. 18. März 3. April 3. März 13. April 18. Juli 8. Oct. 27. März 30. April 15. Jan. 23. April 16. Apnil 3. April 29. April 2. März 13. Juli 13. März 3. Juni 3. Aug. 11. Juni April 18 : Juli 8 Oct. 23. Juni 12. Nov. 13 Jan. 6. Apnil 17. Juli 16. März 15. April 15. Juli. 11. April 7. April 2 (LXIV) Hr. Sir Hr. Bernhard Studer in Bern James Joseph Sylvester in Baltimore . William Thomson in Glasgow August Töpler in Dresden . i Pafnutij; Tschebyschew in St. ee Gustav Tschermak in Wien Lowis-Rene Tulasne ın Paris . Gustav Wiedemann in Leipzig Heinrich Wild in St. Petersburg Alexander William Wilkamson ın London . August Winnecke in Stralsburg Adolphe Würtz m Paris . Philosophisch-historische Klasse. . Theodor Aufrecht in Bonn . George Bancroft in Washington . Samuel Birch in London Otto Boehtlingk in Jena . : Heinrich Brugsch in Charlotfonbere 5 Heinrich Brunn in München . Georg Bühler in Wien Giuseppe Canale in Genua Antonio Maria Ceriani in stand Alexander Cunningham in London Georg Curtius in Leipzig . Leopold Delisle in Paris 5 Lorenz Diefenbach in Darmstadt Wilhelm Dindorf in Leipzig . Emile Egger ın Paris . Petros Eustratiades in Athen . Giuseppe Fiorelli in Rom . ! Karl Immanuel Gerhardt in Eisleben. Wilhelm von Güesebrecht in München Datum der Wahl. — m —— ——— 1845 Jan. 13. 1866 Juli 26. 1871 Juli 13. 1879 März 13. 1871 Juli 13. 1881 März 3. 1869 April 29. 1879 März 13. 1881 Jan. 6. 1875 Nov. 18. 1879 Oct. 23. 1859 März 10. 1864 Febr. 11. 1845 Febr. 27 1851 April 10. 1855 Mai 10. 1873 Febr. 13. 1866 Juli 26. 1878 April 11. 1862 März 13. 1869 Nov. 4 1875 Juni 17. 1869 Nov. 4. 1867 Apnil 11. 18617 Janmal: 1846 Dee. 17. 1867 April 11. 1870 Nov. 3. 1865 Jan. 12 1861 Jan. 31 1859 Juni 30. . Konrad Gislason in Kopenhagen Graf Giambattista Carlo Giuhari in va Aureliano Fernandez Guerra y Orbe in Madrid. Karl Halm ın München . Friedrich Wilh. Karl Hegel in Eilhngeih Emil Heitz in Stralsburg Wilhelm Henzen in Rom Broer Emil Hildebrand in Stoskiinmn Paul Hunfalvy in Pesth.. : Ferdinand Imhoof- Blumer in Wihtertlür Vatroslav Jagit in St. Petersburg . Willem Jonckbloet im Haag Franz Kielhorn in Poonah Ulrich Koehler in Athen Sigismund Wilhelm Koelle in T:andank Stephanos Kumanudes m Athen Konrad Leemans ın Leiden Adrien de Longperier in Paris Elias Lönnrot in Helsingfors . Giacomo Lumbroso in Rom : Johann Nicolas Madvig ın Bopahkägen Henri Martin ın Rennes Giulio Minervini in Neapel Ludvig Müller in Kopenhagen Max Müller in Oxford John Mwir in Edinburgh August Nauck in St. Petersburg Charles Newton in London Theodor Nöldeke ın Stralsburg . Julius Oppert in Paris Karl von Prantl ın München Rizo Rangabe in Berlin . Felix Ravaisson ın Paris Adolphe Regnier ın Paris Ernest Renan ın Paris Leon Renier in Paris . Alfred von Reumont in Burscheid) bei Aachen Georg Rosen in Detmold Rudolph Roth in Tübingen Datum der Wahl. 1854 1867 1861 1870 1876 1871 1853 1845 1873 1879 1880 1864 1380 1870 1855 1870 1844 1857 1850 1874 1836 1855 1852 1866 1865 1870 1861 1861 1878 1862 1874 1851 1847 1867 1859 1859 1554 1858 1861 März 2. April 11. Mai 30. Jan. 13. April 6. Juli 20 Juni 16. Febr. 27 Febr. 13 Juni 19. Dee. 16. Febr. 11 Dee. 16. Nov. 3. Mai 10. Nov. 3. Mai 9. Juli 30. April 25. Nov. 3. Juni 23. Mai 10. Juni 17. Juli 26. Jan. 12. Nov. 3. Mai 30. Jan. 31. Febr. 14. März 13. Febr. 12. April 10. Juni 10. Jan. 17. Juni 30. Juni 30. Juni 15. März 25. Jan. 31. d (LXVI) . Eugene de Roziöre in Paris Hermann Sauppe in Göttingen . Arnold Schäfer in Bonn Adolph Friedr. Heinr. Schaumann in Hannover Wilhelm Scherer in Berlin . Theodor Sickel in Wien . Friedrich Spiegel in Erlangen . Aloys Sprenger in Heidelberg Adolf Friedrich Stenzler m Breslau Ludolf Stephani in St. Petersburg Theodore Hersant de la Vellemargue in Adi Louis Vivien de Saint- Martin in Versailles . Matthias de Vries in Leiden . William Waddington in Paris Natalis de Wailly in Paris Friedrich Wieseler in Göttingen . Wilham Dwight Whitney in New Hayeh Jean-Joseph-Marie- Antoine de Witte mn Paris . William Wright in Cambridge Ferdinand Wüstenfeld in Göttingen : K. E. Zachariae von Lingenthal in Branchen Datum der Wahl. I 1864 Febr. 11. 1861 Jan. 31. 1874 Febr. 12. 1861 Jan. 31. 1875 April 8. 1876 April 6. 1862 März 13. 1858 März 25. 1566 Febr. 15. 1875 Juni 17. 1851 April 10. 1867 April 11. 1861 Jan. 31. 1866 Febr. 15. 1858 März 25. 1879 Febr. 27. 1873 Febr. 13. 1845 Febr. 27. 1868 Nov. 5. 1879 Febr. 27. 1866 Juli 26. PHYSIKALISCHE ABHANDLUNGEN KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. AUS DEM JAHRE BERLIN. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 1882. BUCHDRUCKEREI DER KÖNIGL. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN (G. VOGT). PR FR FAOY | AITTEHIENHEANE ANE aum: Aaaan KANEKCE N 2 wi Ver Ri Pr \» 5 RCHOW: Ueber die Weddas von Ceylon und ihre Beziehungen zu ’ ‚den Nachbarstäimmen . » 2... 0.0.0. INCH Sul 149% EEE u EL a “u alas] se Bri—1.7.1 Mia. Ri ” . .. ea. 7 7 F I Ins anfal) mern Wahn per . ‘ U Rs u Ueber die Weddas von Ceylon und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. Von H VERCHOW: Phys. Kl. 1581. Abh.]1. 1 sosdeissdt suli bau wahre Iinor zuckhr W oib 4 % none. auch o u 4 i Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 31. März 1881. ’ -,.WOHDHLV "HR “ r er R % 7 > [) “ i ld Ar NA . y IL dem bunten Gemisch von Völkerstämmen, welche die Insel Ceylon bewohnen, ist in der Betrachtung der Ethnographen schon seit langer Zeit ein Stamm besonders hervorgetreten, der der Weddas!) (Vaeddas, Veddas, Veddahs, Vaddahs, Vaidahs, Beddas, Bedas), weil er durch den niederen Stand seiner geistigen Entwickelung und durch die Mängel seiner körperlichen Bildung am meisten der Vermuthung Raum bot, dafs in ıhm ein Rest der Urbevölkerung sich erhalten habe. Gegen- wärtig, wo nach allen Nachrichten der Bestand desselben sich so schnell vermindert, dafs wahrscheinlich in nicht ferner Zeit seine letzten Glieder aus der Zahl der Lebenden verschwunden sein werden, knüpft sich noch das besondere Interesse an die Untersuchung, dafs es gilt, für die Nachwelt wenigstens ein sicheres Bild seiner Eigenthümlichkeit zu retten. Dazu genügt das vorhandene Material keineswegs, und die Aufgabe der nach- stehenden Erörterungen wird es daher sein, nicht nur zu sammeln, was gegenwärtig zu erreichen war, sondern auch die Lücken zu bezeichnen, welche nur durch weitere Localforschung ausgefüllt werden können. Hoffentlich wird dadurch die Anregung gegeben werden, so schnell als möglich alle Mittel anzusetzen, um die nöthige Vervollständigung der Thatsachen her- beizuschaffen. 1) Ich folge in der Schreibung des Namens dem neuesten Berichterstatter, Hrn. Hartshorne. ts 4 Vırcuow: Ueber die Weddas von Ceylon Die Weddas bewohnen, wenigstens schon seit Jahrhunderten, ein besonderes Gebiet in dem östlichen oder genauer südöstlichen Theile der Insel. Schon Robert Knox!), welcher die ersten genaueren Nachrichten über sie im Jahre 1681 geliefert hat, versetzt sie in die Wälder von Bintan (Bintenne). John Davy?) läfst sie in dem ersten Drittel dieses Jahrhunderts die weiten Wälder auf der Südostseite der Insel, zwischen dem Gebirge nnd der See, bewohnen, hauptsächlich die wilden und ungesunden Landstriche, welche Weddahratte von Bintenney und Mahaveddahratte von Ouva genannt würden. Diese betrachteten sie als das ihnen eigene Gebiet. Im Ganzen dürfte diese Abgrenzung auch noch heute zutreffen. Sir Emerson Tennent?) und Hr. Bertram F. Hartshornet) geben an, dafs sich das Wedda-Land in einer Länge von etwa 90 und einer Breite von 40 englischen Meilen von den Hügeln der Distrikte Ouvah und Medamahanuwara gegen Osten bis zur Seeküste erstrecke, und Hr. Pridham?°), der die Fläche auf nahezu 1500 Quadrat- meilen (engl.) schätzt, bezeichnet die Grenzen noch genauer so, dafs er im Osten Baticalo, im Süden die Distrikte von Mahagampattoo und Ouva, im Westen und Südwesten die Gebirge von Kandy, im Norden den Flufs Mahavelle-Ganga angiebt. Hr. John Bailey) berichtet, dafs die meisten wirklichen Weddas in den Distrikten von Batticaloa und Badulla, und zwar besonders in dem ersteren, wohnen, wobei jedoch zu bemerken ist, dafs nach der neueren Eintheilung des Landes ein Theil von Bintenne zu dem Distrikt Badulla, der gröfsere zu dem Distrikt Batticaloa geschlagen 1) Robert Knox. An historical relation of the Island of Ceylon in the East Indies. London 1817. p. 9, 122. (Neue Ausgabe, abgedruckt in Philalethes The history of Ceylon from the earliest period to the year MDCCCXV. London 1817.) 2) John Davy. An account of the interior of Ceylon and of its inhabitants, with travels in that island. London 1821. p. 115—116. %) James Emerson Tennent. Ceylon. An account of the island, physical, histo- rical and topographical.e. London 1359. Vol. II. p. 437. ; *) Hartshorne in The Fortnightly Review. London 1876. New Series. Vol. XIX. p. 406, 411. °) Charles Pridham. An historical, political and statistical account of Ceylon and its dependencies. London 1849. Vol. I. p. 452. 6) Bailey in: Transactions of the Ethnologieal Society. London 1863. New Series. Vol. II. p. 278. und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 5 ist!). Die „wildere“ Abtheilung des Stammes lebe in dem durch Schön- heit ausgezeichneten Distrikt von Nilgala und in den Wäldern von Bintenne. Indefs sprechen vielerlei Zeugnisse dafür, dafs in nicht zu ferner Zeit die Weddas über ein weit gröfseres Gebiet verbreitet waren. Der Name Wedda-Land (Weddirata, Veddah Ratta) haftete noch zur Zeit des Hrn. Bailey (1863) an ausgedehnten Bezirken im Nordosten der Kandy-Berge, welche aber nicht mehr von Weddas, sondern von Sinhalesen (Wanniahs) bewohnt wurden. Auch die Bezeichnung Mahaveddahratt& (grofses Wedda- Land) scheint einen etwas dehnbaren Begriff zu haben. Davy, der es an einer Stelle nach Ouva verlegt, rechnet ihm an einer anderen Stelle?) auch das ausgedehnte Niederland zu, in welchem der sogenannte „See“ von Bintenne liegt. Hr. Pridham, der freilich nicht selbst in Ceylon war, setzt das Mahaveddahratte nach Wellass€ und einem Theil von Ouvah. Indefs dies sind mehr untergeordnete Anhaltspunkte. Wichtiger sind einzelne ältere Angaben. So erzählt Cordiner?), nachdem er die eigentlichen Weddas er- wähnt hat: Another race, of a similar description, formerly existed in the district of the Wanny, bordering on the province of Jaffnapatam. They are now, in some degree, civilized. Sie sprächen Malabar und hielten sich zur brahminischen Religion. An einer anderen Stelle*) giebt er geradezu an, bei der Ankunft der Portugiesen hätten die „Bedahs“ im Norden, die Cingalesen im Süden gewohnt. Diese Angabe würde darthun, dafs die Weddas früher viel weiter nach Norden hinaufreichten. Aber auch nach Süden und selbst nach Südwesten hin wird ihre frühere Anwesenheit bezeugt. Schon Knox>5) erzählt, dafs um Hourly, die entfernteste Be- sitzung des Königs von Kandy, zahlreiche Weddas, jedoch gezähmte (pretty tame) lebten, und Valentijn®) nennt aufser Vintana und Hoerli 1) Bailey 1. c. p. 281 note. a), Day e-Apm37%7% %3) James Cordiner. A description of Ceylon. London 1807. Vol. I. p. 91. *) Ebendaselbst. p. 137. DEIRSToxS lc nSgR2. %) Francois Valentijn. Oud en Nieuw Oost-Indie. Dordr. en Amsterdam 1726. Deel V. Ceylon p. 49. 6 VırcHow: DÜeber die Weddas von Ceylon noch einen Bezirk der Bedas nördlicher als Trincomale. Bergk, der Uebersetzer des Werkes von Pereival!), erwähnt, dafs nach einer An- gabe von van Goens bei Salmon die Bedahs fast das ganze Land zwischen dem „Gebirge“ Candukarre im Westen und Passere im Norden inne hätten, und Percival selbst?) rechnet zu ihnen nicht nur diejenigen, welche an den Bezirk Jaffnapatam stofsen, sondern auch die Stämme, welche die westlichen und südwestlichen Theile der Insel zwischen dem Adamspik und den Corles Raygam und Pasdam bewohnen. In Bezug auf diese Angaben bemerke ich, dafs Bergk’s Ansicht von der Lage der angeführten Bezirke irrig ist, wie ein Blick auf die, m dem von ihm übersetzten Buche enthaltene Karte von A. Arrowsmith?) ihn belehrt haben würde. Der Bezirk Canducarre liegt, auch nach der von J. Mawman (1816) veröffentlichten Karte von Ceylon, welche der neuen Ausgabe von Knox beigegeben ist, im Osten der Insel, SSW von Batticaloa, so gut wie das unmittelbar nördlich daran stossende Passera, welches ein Bezirk von Ouva in der Nähe von Badulla ist*). Darnach würde also das Land „zwischen Candukarre und Passere“ das eigentliche Wedda-Gebiet sein. Dagegen liegen die Corles Raygam und Pasdam (oder Pasdum) an der West- küste, südlich von Colombo, in der Nähe von Saffragam, südwestlich vom Adamspik. Hr. Bailey?), zu dessen Zeit dort freilich keine Weddas mehr lebten, vermuthet, dafs Saffragam (mit altem Namen Habara gamowa) ursprünglich Land der Weddas (der Habaras, Barbaren) war, und er bringt dafür allerlei noch existirende Ortsbezeichnungen vor. Auch findet er, dafs in einem sinhalesischen, vor etwa 400 Jahren verfafsten Gedicht, Pirawi Sandese oder die Botschaft der Taube, in den Bezirken unter dem Adamspik geradezu Weddas genannt werden. Möglicherweise waren dies nur vereinzelte, zerstreut im Gebirge wohnende Abtheilungen. Dafs das Wedda-Gebiet sich noch vor 400 Jahren in continuirlicher Weise bis auf 1) Robert Percival. Beschreibung von der Insel Ceylon, übersetzt von J. A. Bergk. Leipzig 1803. S. 337 Anm. 2) Robert Perceival. An account of the Island of Ceylon, containing its history, geography, natural history, with the manners and customs of its various inhabitants. Edit. 2. London 1805. p. 74, 234. 3) Die Karte bei Tennent ist von John Arrowsmith. SDavyyalr cp Als Raritdihta malnesnen abe 5) Bailey l. c. p. 313 note. und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 7 die Westseite des Gebirges oder gar bis zur Westküste erstreckt habe, ist höchst unwahrscheinlich, da schon Hiuen Thsang, ein chinesischer Geo- graph, der im 7. Jahrhundert unserer Zeitrechnung Indien bereiste, berichtet, dafs die Yakkhos sich in die Südostecke von Ceylon zurückgezogen hätten!). Dagegen mag es richtig sein, wie auch Sir Tennent annimmt, dafs noch unter der holländischen Herrschaft in geringer Entfernung von der Halbinsel Jaffna im Norden, in dem sogenannten Wanny, Weddas in srölserer Zahl, aber halbeivilisirt zu finden waren. Auf die Frage, ob in ältester Zeit die Weddas die ganze Insel bewohnten, werde ich später zurückkommen. Das jetzige Wedda-Land umfalst ein verhältnifsmäfsig flaches, nirgends mehr als 200 Fufs über dem Meeresspiegel erhabenes Wald- gebiet von lieblichem, häufig parkartigem Aussehen. Wie es scheint, wechselt die Beschaffenheit des Bodens, indem feuchte uud ungesunde Niederungen mit niedrigen, felsigen Hügeln abwechseln. So nennt der Rev. J. Gillings?) die Gegend von Bintenne sehr felsig (extremely rocky) und trocken. Wenn jedoch Hr. Friedr. Müller?) die Weddas in die „Gebirge“ des östlichen Ceylon versetzt, so ist dies ein Mifsverständnils. Alle neueren Nachrichten beschränken ihre Wohnsitze auf das Vorland, welches die centralen Gebirge von der Seeküste scheidet, schlielsen sie jedoch von diesen Gebirgen selbst aus. Allerdings unterschied Sir Tennentt) die schon etwas mehr der Cultur genäherten Dorf- und Küstenstämme von den wilden „Rock oder Galle Veddahs“. Wenn man jedoch auch seinen Versuch, diese „Galle-vedda“ mit einem alten Stamm der Gallas, der die Gegend des heutigen Galle im Süden bewohnt haben möchte, zu identifieiren, zurückweist und den felsigen Charakter der von dem wil- desten Theile des Stammes bewohnten Gebiete als Grund der offenbar von den Fremden eingeführten Benennung zugesteht, so folgt daraus keineswegs, dafs die Rock Veddahs Gebirgsbewohner sind. Schon seit Jahrhunderten sind vielmehr die eigentlichen Gebirgsbewohner, die Leute 1) Tennentl. ce. I. p. 372 note. 2) The Journal of the Ceylon Branch of the Royal Asiat. Soc. Colombo 1853. p. 89. 3) Reise der österr. Fregatte Noyara. Anthropologischer Theil. Abth. III. Ethno- graphie. Wien 1868. S. 139. *#) Tennent |. c. II. p. 439—44. 8 Vırcmow: Ueber die Weddas von Ceylon des Mayaratta, Sinhalesen. Auch Sir Tennent versetzte die Rock Ved- dahs, die nach ihm in 5 Clans oder Jagdabtheilungen zerfallen sollten, in die Wälder von Bintenne, während er die auf höchstens 140 Familien veranschlagten Village Veddahs in 9 kleinen Gemeinden um die Lagunen- Distrikte von Batticaloca und die etwa 4—-500 Individuen starken Coast Veddahs in den Jungles zwischen Batticaloca und Trincomalie, haupt- sächlich um Eraoor und an der Küste bis zur Venloos Bay hin wohnen liefs. Hr. Hartshorne verwirft diese Eintheilung ganz; er will nur Kel& Weddo (Jungle-Weddas) und Gan Weddo (halbeivilisirte Dorf-Weddas) unterscheiden; nur die ersteren verdienten die besondere Aufmerksamkeit der Ethnologen. Wenn man die Karte von Ceylon studirt, so sieht man sofort, dafs Bintenne, diese uralte Hauptstadt, welche nach Sir Tennent!) mit dem Maagrammon des Ptolemaeos identisch sem soll, genau auf der östlichen Grenze des Gebirges gegen das Vorland gelegen ist. Der Mahawelli- Ganga, der gröfste Strom der Insel, bricht hier aus einem Hügellande (hill-country) hervor, hinter welchem sich westwärts die Gebirge von Kandy und Ouvah erheben?); ostwärts schliefsen sich fruchtbare Ebenen mit Sumpfland und weiten Wäldern an, zwischen welchen hie und da niedrigere Hügel auftauchen. Sir Tennent?) schildert im saftigen Farben dieses schöne Land, das er auf dem Wege von Bintenne nach Batticaloa (an der Ostküste) durchzog und in welchem die eigentliche Heimath der Weddas liest. Sehr anschaulich beschreibt übrigens schon Knox*) das Land von Bintenne, welches er von Weitem, von der Höhe des Gebirges aus, erschaute. Er sagt: it seems to be smooth land, and not much hilly; the great river runneth through the midst of it. It is all over covered with mighty woods and abundant of deer; but much subject to dry weather and sickness. In these woods is a sort of wild people inhabiting. 1) Tennent 1. ec. I. p. 536. Note 2. Er stützt sich darauf, dafs der alte Name von Bintenne Maha-yangana oder Maha- welligam lautete, und er behauptet, dals damit nicht etwa Mahagam gemeint sein könne. Letzteres hatte Christ. Lassen (De Taprobane insula veteribus cognita. Diss. pro aditu muneris prof. ordin. Bonnae 1542, p. 23.) angenommen. 2) John Davy l.ıe. p.1377.0 Pl.13, 14: S) Dennentilee Ip Aol. S)ERnosElr eaped: und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 9 Die wilden Weddas leben hier in gröfster Abgeschlossenheit, so- wohl gegen ihre allophylen Nachbarn, als gegen ihre eivilisirteren Stamm- verwandten, ohne feste Wohnsitze, aber doch auf anerkanntem Eigenthum, meist in kleinen Gruppen oder rein familienweise. Nur selten zeigen sie sich aufserhalb ihrer Grenzen, um ihre geringen Bedürfnifse, besonders an eisernem Geräth (Aexten und Pfeilspitzen), gegen Honig, Wachs, Häute oder Fleisch von Wild einzutauschen. Meist ziehen sie sich scheu vor jeder Berührung zurück und selbst ihren kleinen Tauschhandel betrieben sie früher!) nicht direkt, sondern in der Art, dafs sie ihre Waaren und rohe Modelle dessen, was sie dafür eintauschen wollten, an einem Platze niederlesten und später die Tauschartikel heimlich abholten. So erklärt es sich, dafs die Schätzungen über ihre gegenwärtige Anzahl sehr schwan- ken. Cordiner (1807) sprach sehr unbestimmt von „nicht vielen Tausend“ (not many thousands in number). Während jedoch schon Sir Tennent?) im Jahre 1859 die damalige Schätzung von 8000 für übertrieben ansah, gab Hr. Bailey 1863 die Zahl der Weddas im Distrikt Batticaloa auf nur 250, in Nilgala auf 72 (in 1858) und in Bintenne auf 364 (in 1856), im Ganzen also auf 586 an. Hr. Hartshorne hält diese Angabe für wahr- scheinlich zu klein. Dafür spricht allerdings eine Mittheilung des Rev. Gillings®), wonach bei dem Census von 1849 im Bezirk von Bintenne 1) Hr. Hartshorne (l. ec. p. 409) giebt an, dafs dieser geheimnifsvolle Handel, auf welchen noch Sir E. Tennent so grolsen Werth legte, nicht mehr getrieben werde. Die erste Angabe darüber findet sich schon bei Knox (l. ce. p. 123). Frühere Autoren, welche von dem „heimlichen Handel“ sprechen, beziehen sich, soweit ich ersehe, nicht mit Sicherheit auf die Weddas allein, sondern auf die Ceylonesen überhaupt. Die Stelle des Plinius (Natur. hist. Lib. VI. 24. Edit. Bipont.) scheint mir, trotz der Einwände von Sir Tennent (l. e. I. p. 571. note 1), nicht einmal sicher auf Ceylonesen zu beziehen zu sein, da darin der Handel nicht im Innern des Landes, sondern draufsen, auf der Grenze der Serae, weitab auf dem Continent, also mehr eine Eigenthümlichkeit der Serae, als der Ceylonesen geschildert wird. Indefs kommt auf die Auslegung dieser Stelle wenig an, da chinesische Autoren, z. B. Fa Hian im 3. Jahrhundert, dieser Art von heimlichem Handel auch auf der Insel selbst Erwähnung thun. Die gleichzeitige Anführung von Dämonen könnte allerdings für Weddas sprechen, indels zeigt eine Erzählung des ara- bischen Geographen Albyruni (1030 nach Chr.), dals auch zu seiner Zeit der heimliche Handel noch an der Küste selbst stattfand. Man mülste also annehmen, dafs im 11. Jahr- hundert die Weddas Küstenhandel getrieben hätten, was nicht wahrscheinlich ist. 2) Tennentl. ce. II. p. 444. 3) Gillings 1. c. p. 33. Phys. Kl. 1581. Abbh. 1. DD 10 Vırcmow: Ueber die Weddas von Üeylon allein eine Gesammtbevölkerung von 1538 Personen vorhanden war, zur Hälfte aus Sinhalesen, zur anderen aus Weddas bestehend. Jeden- falls liefsen die Anführungen des Hrn. Bailey keinen Zweifel darüber, dafs der Nachwuchs sehr geringfügig, die Vernichtung des ganzen Stammes also nahe bevorstehend sei. Denn er fand!) in Nilgala unter 72 Personen 50 Erwachsene und nur 22 Kinder (in einer Familie auf 9, in einer anderen auf 8 Erwachsene je 1 Kind), und von den 50 Erwachsenen waren nur 14 über 50 Jahre und einer dem Anschein nach über 70 Jahre alt. Unter 308 Leuten von Bintenne wurden 175 Erwachsene und 133 Kinder gezählt, in einer isolirten Horde 22 Erwachsene und 4 Kinder. Dabei wird besonders bezeugt, dafs nirgends Anzeichen von dem Bestehen der Sitte des Kindermordes unter ihnen wahrgenommen sind. In neuester Zeit scheint der Prozefs der Vernichtung schneller vor- geschritten zu sein. Nach einer Notiz des Rev. S. Somanader, eines Missionars in Batticaloa, welehe ich durch die Güte des Direktors des Museums in Colombo, Mr. A. Haly, erhielt, würde es überhaupt kaum noch Weddas von reinem Blut mehr geben; er nennt sie a race now almost entirely extinet. Ob diese Aussage nur für einen bestimmten Distrikt oder allgemein gelten soll, und ob die Vernichtung mehr durch fortschreitendes Aussterben oder durch Vermischung mit anderen Stämmen herbeigeführt ist, vermag ich aus der mir gewordenen Mittheilung nicht zu ersehen. Jedenfalls bleibt uns ferner stehenden Menschen nichts anderes übrig, als dasjenige zusammenzuhalten, was uns von solchen Beobachtern überliefert ist, welche Gelegenheit hatten, mit lebenden Weddas in deren Heimathsbezirk zu verkehren. Unter diesen sind vor Allen zu nennen: Dr. John Davy, Sir Emerson Tennent, der Rev. Gillings, Mr. Bailey und Mr. Hartshorne. Dabei tritt freilich ein eigenthümlicher Umstand sehr hinderlich hervor, der nehmlich, dafs jeder spätere Autor die Angaben seiner Vorgänger als ungenau bezeichnet. So polemisirt Hr. Bailey?) in härtester Weise gegen Sir Emerson Tennent, 1) Bailey l. c. p. 296. 2) Bailey 1. ec. p. 279. Note. His (Tennent’s) account is in some important instances defective, and even inaccurate. He glances casually at those tribes which are in the wildest state, touching with preeision none of their peculiarities, and dwells in detail upon those only, which, from long association with the Singalese and Tamil races, have lost much of their originality. Of the ancient aborigines he has compiled much that is curious. Of the existing Veddahs he has little given us besides an epitome of former notices. und ihre Bezienmgen zu den Nachbarstämmen. 11 und Hr. Hartshorne!), der ihm darin beitritt, bestreitet wiederum die Zuverläfsigkeit des Berichts von Bailey. Und doch war dieser Jahre lang in Ceylon und seine Stellung, zuerst als Verwaltungsbeamter in dem Distrikt von Badulla, später als Principal Assistant Colonial Seeretary von Ceylon, gab ihm genügende Gelegenheit, die Weddas zu studiren. Ueber- dies betont er auf das Aengstlichste und mehrmals, dafs seine Angaben sich durchaus auf persönliche, oft wiederholte und streng geprüfte Beobach- tungen stützen. Wie mir scheint, ist auch der Widerspruch zwischen den Herren Bailey und Hartshorne in der That nicht so grofs, wie der letztere es ausdrückt. Ich finde, dafs der Zeitraum von mehr als 20 Jahren, der zwischen den beiderseitigen Berichten liegst, den Einflufs der von allen Seiten eindringenden Cultureinflüsse auf das vorher fast ganz abgeschlossene Völkchen in sehr merkbarer Weise hervortreten läfst, und dafs sich daraus in ganz natürlicher Weise erklärt, wie gewisse Sitten und Gebräuche verschwinden und andere auftreten. Ich bin daher sehr geneigt, das Zeugnils des älteren Beobachters für seine Zeit höher zu veran- schlagen, als der jüngere Beobachter zugestehen will. Gegen Beide glaube ich aber ihren bedeutenden Vorgänger, Sir Tennent, in Schutz nehmen zu müssen. Seine Darstellung trägt durchweg den Charakter srofser Nüchternheit und Objectivität, und seine Einzelangaben entfernen sich von denen seiner Nachfolger, namentlich der nächsten, in Hauptstücken fast gar nicht. Man wird ihm die Gerechtigkeit nicht versagen können, dafs er zuerst Licht über diese Verhältnisse verbreitet hat. Immerhin ist es sehr mifslich, unter solchen Umständen aus der Ferne zu entscheiden, wo die Fehler liegen und was als Wahrheit anzu- nehmen ist. Es bleibt eben nichts übrig, als sich auf das zu beschränken, worin die Zeitfolge der sich verändernden Sitte deutlich zu erkennen ist, oder worin die verschiedenen Beobachter einig sind. Glücklicherweise ist dies genügend, um ein Bild von den Hauptcharakteren des Volkes zu ent- werfen. Die gröfste Schwierigkeit dabei liegt in dem Umstande, dafs nicht wenige der Reisenden, welche über die Weddas handeln, trotz längeren » 1) Hartshorne ]. c. p. 406. They (the Weddas) have been described by Sir Emerson Tennent and by Mr. Bailey; but, interesting as their accounts are, the latter has suffered grievously from misprints, and the value of the former is impaired by the eircumstance, that its materials were not the fruit of original research. 12 Vırcmow: Ueber die Weddas von Ceylon Aufenthalts auf der Insel keine derselben zu sehen bekommen haben, also nur vom Hörensagen erzählen, und dafs andere wenigstens nicht die eigentlich wilden Familien angetroffen haben. Schon Knox, der keinen einzigen Wedda sah!) und doch die Abbildung eines solchen lieferte, unterschied eine „zahmere Sorte“, welche in einer Art von Ab- hängigkeit von dem König von Kandy standen, und eine „wildere“, welche kamba Vaddahs genannt würden?). Davy?), der Dorf- und Wald- Weddas (village Weddahs and forest Weddahs) von einander trennte, scheint nur die ersteren gesehen zu haben, aber nach seinen Informationen glaubte er annehmen zu dürfen, dafs beide zu derselben Rasse gehörten. Das haben auch die späteren Beobachter durchweg anerkannt. Man wird daher für die Untersuchung der physischen Verhältnisse ohne Bedenken beide Gruppen vereinigen können, soweit nicht wirkliche Mischungen an- gegeben sind, dagegen muls man bei der Betrachtung der socialen und psychischen Verhältnisse beide Gruppen streng auseinander halten. Natür- lich haben in letzterer Beziehung eigentlich nur die Wald- oder Jungle- Weddas Interesse, und ich werde daher hauptsächlich von ihnen sprechen; trotzdem wird man die Dorf-Weddas nicht ganz bei Seite lassen dürfen, da ihre Ansiedelung und Civilisirung doch nur sehr unvollkommen ge- lungen ist. Thatsache ist vielmehr, dafs alle Versuche, die Weddas zur Sefs- haftigkeit und zu einer höheren Cultur zu bringen, in noch höherem Maafse gescheitert sind, als die Versuche, den Australiern eine eigentliche Civilisation beizubringen. Regierungsbeamte und Missionare sind unter ihnen thätig gewesen, viele Jahre lang, aber ihre Erfolge waren ganz äufserliche. Der Rev. Gillings giebt an, dafs bis 1844 in Bintenne 163 Männer, 48 Weiber und 85 Kinder getauft wurden; seitdem sehr wenige, und er fügt hinzu: but almost all of these have gone back again to their former habits and follies. What they formerly heard they have forgotten. Die Weddas sind eben wesentlich nomadisirende Heiden‘ geblieben, und zwar Heiden ohne irgend eine ausgebildete Religionsform. „Es I) Knossl-zeup:7123. 2) Ebendas. p. 126. 3) Dayy; l&se.2p-116, 2118: EEE und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 13 ist ein Haufen Freigeister“, sagte Wolf!), „die dem Antrieb ihres bösen und wilden Naturels folgen.“ Ob sie überhaupt Vorstellungen von Gott oder göttlichen Wesen besitzen, ist mindestens sehr zweifelhaft. Das Einzige, was allerdings bezeugt wird, ist ein niederer Dämonendienst, der hie und da die Form eines Ahnencultus annimmt. Wenn Hr. Tylor?) dies als Animismus bezeichnet und defshalb „ihre Religion“ mit derjenigen der rohen indischen Stämme übereinstimmen läfst, so mufs man wenigstens nicht übersehen, dafs diese „Religion“ nahezu auf der Grenze des Nihilismus steht. Gillings sagt: They believe the souls of their departed relations to be devils who have power to hurt them, and therefore they perform ceremonies to them at regular seasons, and espe- cially when they are sick. Etwas ausführlicher schildern Bailey und Hartshorne diese Verhältnisse. Der erstere?) unterscheidet die Zustände, wie sie sich in Bintenne gestaltet hatten, von denen der wilderen Bevölkerung von Nilgala. Dort habe man schon seit längerer Zeit die Todten begraben und betrauert; hier habe man damit eben erst angefangen. Früher warf man den Todten in das Jungle*) oder man liefs ihn, wo er starb. Man bedeckte den Körper mit Laub, legte ihm einen schweren Stein auf die Brust und suchte dann eine andere Höhle auf, indem man diejenige, wo der Tod eingetreten war, dem Geist des Verstorbenen überliefs. Dieser Geist (yakkoon) wacht über das Wohlergehen der Hinterbliebenen. Darum sind sowohl die Geister der Vorfahren, als die der Kinder gute Geister (nehya yakkoon); sie kommen zu ihren Angehörigen in der Krankheit, besuchen sie in Träumen und geben ihnen Fleisch auf der Jagd. In jeder Noth rufen die Weddas diese Geister an, namentlich die Geister der Kinder (bilindoo yakkoon oder witera yakkoon). Unter den Ahnen scheinen sie der Grofs-Grofsmutter (maha kiri amma) den Vorzug zu geben, jedoch ist Hr. Bailey nicht sicher, ob dieser Vorzug im guten Sinne zu nehmen sei. Die Geister werden unter Tanz (um einen aufgepflanzten Pfeil) und 1) Joh. Chr. Wolf, Reise nach Zeilan. Berlin u. Stettin 1782. Th. I. S. 168. 2) Edward B. Tylor, Die Anfänge der Cultur, übersetzt von Spengel u. Poske. Leipzig 1873. Bd. 1. S. 51. 3) Bailey l. c. p. 296, 301. Su Dayyalıc p. 1. 14 VırcHuow: Ueber die Weddas von Ceylon Gesängen angerufen. Die Schilderung, welche Sir Tennent!) davon giebt, erinnert fast an die Gebräuche der Schamanen. Zuweilen, bei der Zurüstung der Jagd, wird dem Geiste ein Stück Fleisch von dem erlesten Wilde versprochen. Andermal kochen sie eine Speise und stellen sie in das trockene Bett eines Flusses oder an einen anderen verborgenen Ort, rufen die Seele des Ahnen, tanzen um die Speise und bringen ihre Zau- berformel vor. Auch Sir Tennent berichtet, dafs die Todten nicht begraben, sondern einfach in den Jungles mit Laub und Strauch bedeckt würden. Dagegen wufste der Secretär der Öeylon branch of the Royal Asiatic Society?) schon 1853 davon zu erzählen, dafs sie die Todten in Matten einwickelten und begrüben, und Hr. Hartshorne?) kennt nur noch das Begraben. Wenn einer gestorben ist, so hüllen sie ihn in die Haut eines Thieres und machen mit ihren Aexten oder zugespitzten Stöcken ein Grab. Frauen dürfen dabei nicht zugegen sein. Beigaben werden nicht in das Grab gethan. Ist dasselbe geschlossen, so besuchen sie es nie wieder. Dem Geiste des Verstorbenen, der nun ein yakko geworden ist, wird ein Opfer in der Art gebracht, dals man unter Anrufung des Geistes Fleisch vom Wandura oder Talagoya (Iguana) mit Honig und efsbaren Wurzeln zusammen brät und es dann unter die Anwesenden vertheilt, welche es aufessen. Das Wort yakko (yakkho) bezeichnet nach Turnour*) eine Art von Dämonen, jedoch heifsen auch die Dämonen-Anbeter yakkhos und yakkhinis. Er leitet es von der Wurzel yaja, Opferbringen, ab. Mit Recht hat dieses Wort seit Langem die Aufmerksamkeit der Forscher 1) When sick, they send for devil dancers to drive away the evil spirit, who is believed to infliet the disease. The dance is executed in front of an offering of some- thing eatable, placed on a tripod of sticks, the dancer having his head and girdle decorated with green leaves. At first he shuffles with his feet to a plaintive air, but by degrees he works himself into a state of great exeitement and action, accompanied by moans and screams, and during this paroxysm, he professes to be inspired with instructions for the eure of the patient. (Tennent Il. p. 442.) 2) Journ. R. As. Soc. Ceylon Branch 1853. p. 89. 3) Hartshorne |. c. p. 415. *) The Mahäwanso, edited by George Turnour. Ceylon 1837. Vol. I. Index and Glossary. p. 30. und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 15 erregt, da in dem grolsen Geschichtswerke Ceylons, dem Mahawanso, die älteste Bevölkerung der Insel mit demselben Namen belegt wird. Als Wijayo, der Begründer der ersten bekannten Dynastie Ceylons, im Jahre 543 v. Chr., dem Jahre von Gotama Buddhas Tod, auf der Nord- westküste, wie angenommen wird, in der Gegend von Putlam!) landete, traf er schon einen organisirten Yakkho-Staat?); ja von Gotama Buddha selbst wird erzählt, dafs er nach Lankä, einer Ansiedelung der Yakkhos, kam®). Man wird daraus wohl kaum mit Sir Emerson Tennent*) und Anderen ohne Weiteres schliefsen dürfen, dafs das Volk der Nordwestküste, welchem der Name der Yakkhos beigelegt wurde, mit den heutigen Weddas identisch war, und dafs bis zur Zeit Wijayo’s eine homogene Urbevölkerung die Insel bewohnte, aber man wird auch wohl nicht fehl gehen, wenn man annimmt, dafs in frühester Zeit fast die ganze Bevölkerung dem- selben Yakkho-Dienst zugewendet war, wie er jetzt noch bei den Weddas und nur bei ihnen gefunden wird. Denn die Sinhalesen sind Buddhisten, die Moors und die Mehrzahl der Tamilen Mahomedaner. Auch der Umstand spricht gegen eine Bewohnung der ganzen Insel durch Weddas, dafs die alte Sage von Königen, Prinzessinnen und Städten (z. B. Lankäpura) der Yakkhos zu erzählen weils, während bei den Weddas der neueren Zeit von alle dem keine Spur aufgefunden ist. Wie sie keinen Gott, keinen Priester, und keinen Tempel haben, so behelfen sie sich auch ohne König, ohne Häuptlinge und ohne Städte, ja sogar ohne Häuser. Wenigstens gilt dies von der „wilderen Abtheilung“. Man mülste eine so tiefe Degradation der heutigen Weddas von der alten Yakkho-Zeit her annehmen, dafs sie in der That beispiellos sowohl in der Geschichte, als in der Ethnologie dastehen würde. Selbst für denjenigen, der, wie ich, die Möglichkeit selbst einer starken intellektuellen und physischen Degra- !) Hr. Brodie (Journ. R. Asiat. Society, Ceylon Branch 1853. p. 48) giebt an, dafs der Ort der ersten Ansiedelung (Tambapanni) noch jetzt Tammena Adawesa heilse und 6—8 engl. Meilen östl. von Putlam liege. Von dem Worte Tambapanni wird die griechische Bezeichnung der Insel, Taprobane, abgeleitet (Tennent ]. e. Vol. I. p- 525. note 1.). ?) Mahäwanso p. 48—49. ®) Ebendas. p. 2. Lankä filled by yakkhos, and therefore the settlement of the yakkhos. (Lanka ist ein alter Name von Ceylon.) 4) Tennent ]. ce. II. p. 438. 16 Vırcmow: Ueber die Weddas von Ceylon dation ganzer Stämme anerkennt, würde es doch ein gewaltiger Schritt sein, zuzulassen, dafs ein Stamm, der sein Gebiet nicht wechselte, und in nächster Nachbarschaft mit verhältnifsmäfsig hoch eivilisirten Stämmen lebt, in wenig mehr als zwei Jahrtausenden so tief herabsinken könne. Die weitere Darstellung wird allerdings ergeben, dafs man bei den Weddas die Frage der Deteriorirung nicht umgehen kann, aber ich möchte schon hier aussprechen, dafs ich mich nicht dafür entscheiden kann, ihren Verfall aus einem organisirten Yakkho- Staat zuzugestehen. Keine einzige Thatsache spricht dafür, dafs Wijayo mit seiner Gefolgschaft aus dem Thal des Ganges der erste Fremde war, welcher nach Ceylon kam. Im Gegentheil, schon die Sage von der Ankunft des Gotama Buddha deutet auf frühere Ankömmlinge. Nicht minder geschieht dies in der alten Ueberlieferung des Ramayana. Lassen!) erklärte ge- radezu, man müsse in der Sage von Rama „die Erinnerung an einen früheren Versuch sehen, die Insel von Indien aus zu colonisiren.“ Die Nordwestküste Ceylons liegt der Küste Coromandel so nahe und die Nach- barschaft der Adams Bridge ist auch später so anhaltend der Landungsplatz für Eindringlinge aus Vorderindien gewesen, dals man sich vielmehr wundern mülste, wenn gleich die erste Einwanderung in so entlegener Zeit durch die Geschichte fixirt worden wäre. Fand Wijayo auf der Insel schon eine Art von politischer Organisation vor, so wird auch schon vor ihm eine fremde Occupation angenommen werden dürfen, und die Zeit, in welcher auch der ganze Norden der grofsen Insel Wedda-Land war, mufls dann um ein gutes Stück weiter zurückverlegt werden. In historischer Zeit hat eine Occupation nach der andern vom Norden und Westen her stattgefunden und die reinere Bevölkerung ist gegen den Süden und Osten zurückgeschoben worden. Aber auch von dieser reineren Bevölkerung wird nur zum Theil zugestanden werden können, dafs sie den ursprünglichen Typus unverfälscht erhalten habe. Der erste Besuch des Gotama Buddha auf der Insel fand nach dem Mahawanso?) in Maheyangano statt. Dieser Ort ist allerdings gerade 1) Christian Lassen. Indische Alterthumskunde. Bonn 1847. Bd. I. S. 198. ?) Mahäwanso p. 3. cap. I. Introduction p. XXIV. Glossary p. 16. 2 und ıhre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 17 im heutigen Wedda-Land bei Bintenne zu suchen, wo nachmals von den Königen Devenepia-Tissa (307 v. Chr.) und Dutthagämini (164 v. Chr.) eine Dägoba errichtet wurde!). Nach den Yakkhos, in deren Mitte der Buddha hier erschien, besuchte er bei einer zweiten Gelegenheit Nägadipo, den Ort der Nagas, d. h. der Schlangen-Anbeter?), von dem man an- nimmt, dals er den Norden und Westen der Insel bezeichnen soll; jeden- falls ist sowohl von Anwohnern des Oceans, als auch von Berg-Nagas die Rede; es wird ein Naga-König von Kalyäani (in der Nähe von Colombo) erwähnt u. s. w. Sir Tennent?) vergleicht diesen Götzendienst mit dem der rakshas unter den dravidischen Stämmen Vorderindiens, wahrschein- lich mit vielem Recht, aber er übersieht, dafs, wenn überhaupt diesen mythologischen Traditionen ein Werth beigelegt werden soll, daraus eine Mehrheit von Stämmen oder doch mindestens eine Zweispältigkeit der uralten Bevölkerung hergeleitet werden mülste. Und es ist nicht ohne Werth, dafs die Schilderungen des Naga-Staates in diesen ältesten Mythen uns das Bild einer viel vollkommeneren Organisation entfalten, als es durch die Erzählungen über die Yakkhos geschieht. Trotzdem wird man wohl darauf verzichten müssen, diese Mythen als Grundlage der ethnolo- gischen Betrachtung zu benutzen und daraus einen hoch entwickelten Wedda-Staat der prähistorischen Zeit aufzubauen. Waren die Weddas von Bintenne schon vor Wijayo Buddhisten, so wäre ihre spätere Religions- losigkeit, ihre überwiegend thierische Nahrung und so vieles Andere kaum erklärlich. Noch bis in die jüngste Zeit waren die Weddas ein nomadisi- rendes, halb troglodytisches Jägervolk. Wie schon erwähnt, lebten sie in geringer Zahl auf einem verhältnifsmälsig ausgedehnten Waldgebiet, welches ohne eigentliche Abgrenzungen, jedoch unter Anerkennung einer Art von traditionellen Familienansprüchen, unter kleinen, verwandtschaft- lich zusammengehörigen Gruppen vertheilt war. Jede Familie hatte ihr besonderes Jagdgebiet, in welchem ihr Vorrecht anerkannt wurde. Darin suchten sie Honig und Bienenwachs, gruben efsbare Wurzeln, jagten das 1) Tennent |. ce. II. p. 420. 2) Mahawanso p. 4. Glossary p. 13. >, Bennentl..cy 1.9328. Phys. Kl. 1881. Abh. |. 3 18 Vırcmow: Ueber die Weddas von Ceylon Wild und stellten den Vögeln und Fischen nach. Von irgend einer Art von Anbau, sei es von Garten-, sei es von Ackerbau, war nicht die Rede. Sie besalsen kein gezähmtes Hausthier aufser dem Hunde, und es kann selbst in Bezug auf diesen die Frage aufgeworfen werden, ob sie ihn nicht erst später angenommen haben, denn die Art unterscheidet sich nach Bailey!) in nichts von der gewöhnlichen Landrasse Ceylon’s. Auch scheinen die Hunde noch mehr, als zur Jagd?), zur persönlichen Bewachung erzogen zu sein. Sir John Lubbock®) legt Gewicht darauf, dafs sie Jagdbüffel besalsen, welche so angelernt waren, dafs der Jäger sie an einem um ein Horn gelegten Stricke lenkte und sich, hinter ihnen verborgen, an das Wild schlich, allen Hr. Bailey*) erklärt ausdrücklich, dafs diese von ihm allerdings in Bintenne constatirte Sitte über die ganze Insel verbreitet sei; es darf den Weddas daher wohl kaum ein Anspruch auf diese Erfindung zugeschrieben werden. Ihr Jagdgeräth ist so einfach, wie möglich. Es besteht aus einem starken, 6 Fufs langen Bogen und 2—3 Pfeilen von 34 Fufs Länge, deren Spitze aus Eisen gearbeitet ist. Das Spannen des Bogens wird allerseits als sehr schwierig beschrieben: Sir Tennent?) liefs daher die Weddas in halb liegender Stellung unter Benutzung des linken Fulses den Bogen spannen und gab eine Abbildung davon nach einem, in Ebenholz ge- schnitzten Modell eines eingebornen Holzschneiders. Die späteren Be- schreiber konnten von dem Fortbestehen eines solchen Gebrauches nichts erfahren; sie lassen den Bogen mit dem linken Arm spannen und leiten von dieser Uebung die ungewöhnliche Kraft und Entwickelung dieses Arms ab. Aulser eisernen Pfeilspitzen besitzen die Weddas noch, jedoch vor- zugsweise zu dem Zweck, Honig und Wachs aus hohlen Bäumen heraus- zuhauen, eine eiserne Axt, selten zwei, eine grölsere und eine kleinere. Diese Eisengeräthe erlangen sie durch Tausch von ihren Nachbarn; ihre einzige Thätigkeit besteht darin, die Pfeilspitzen durch Klopfen für ihre be- 1) Bailey l. c. p. 286. 2) Davy (l. ec. p. 117) sagt geradezu, sie gebrauchten die Hunde nicht zur Jagd, es sei denn auf Talagoya (Inguana). 3) John Lubbock. Prehistorie times. London 1878. 4, Edit. p. 448. 4) Bailey ]. c. p. 288. 5) Tennent l. c. Vol. I. p. 499. Note 7. Vol. IH. p. 439. und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 19 sondere Zwecke zuzuschlagen. Aber selbst diese Stücke sind selten und werden als kostbare Erbstücke in der Familie aufbewahrt; ja zuweilen haben sie nur Pfeilspitzen aus zugeschärftem und mit Vogelfedern besetz- tem Holz. Hr. Hartshorne!) macht bei Anführung dieser Verhältnisse die interessante Angabe, dafs das Wort galrekki, gala, womit sie die Axt bezeichnen, im Sinhalesischen Stein oder Fels bedeutet, und er sieht daher mit Recht darin eine Erinnerung an eine frühere Zeit, wo steinerne Waffen unter den Weddas im Gebrauche waren. Freilich ist es mir nicht be- kannt, dafs in Ceylon Steingeräthe gefunden worden sind, indefs ersehe ich auch nirgends, dafs darnach gesucht worden ist. Es wäre vielleicht eine sehr dankbare Aufgabe, die Höhlen, in denen nach Hrn. Bailey noch jetzt Gebeine der Todten vorkommen sollen, auf ihren sonstigen Inhalt genauer zu durchforschen. Ihre Nahrung ist fast ausschliefslich eine thierische?). Wie die Buddhisten, schliefsen sie das Fleisch des Rindes vom Genuls aus; ebenso (nach Sir Tennent und Mr. Bailey) das des Elephanten, des Bären, des Leoparden, des Schakals und des Huhns. Dagegen essen sie das Fleisch aller übrigen Vögel, des ceylonesischen Elchs (Samba deer, Rusa Aristotelis), des Hirsches (Axis maculata), des Affen, des Schweins, des Leguan und des Pengolin (Manis pentadactylos). Letzteres gilt als das beste. Unter den Fischen ziehen sie den Aal vor. Alle Nahrung wird gekocht. Da sie jedoch kein Thongeräth besitzen, so ist die Zubereitung des Fleisches eine sehr rohe. Wolf?) behauptete sogar, sie älsen das Fleisch ungekocht. Gegenwärtig scheint dies wenigstens nicht die Regel zu sein: sie kochen und braten das Fleisch. Feuer erzeugen sie in der im Osten gebräuchlichen Weise, indem sie ein zugespitztes Holz gegen die Aushöhlung eines anderen Holzstückes, das sie zwischen den Fülsen halten, setzen und dasselbe wirbelnd drehen*). Sie benutzen dazu das Holz desselben Baums, des Welanbaums (Pterospermum suberifolium), aus 1) Hartshorne l. ce. p. 408. ?) In the choice of their food, both classes (Rock V. and Village V.) are almost omnivorous, no carrion or vermin being too repulsive for their appetite. Tennent II. p. 439. — Their food being only flesh. Knox p. 123. 3), Wolf a.a. O. S. 117. *) Eine ausführliche Beschreibung bei Sir E, Tennent |. ce. II. p. 451. 3* 20 Vırcmow: Ueber die Weddas von Ceylon welchem auch die Bogen gemacht werden. Jedoch scheint neuerlich auch die Sitte des Feuerreibens aufser Gebrauch zu kommen; mindestens be- hauptet Hr. Hartshorne, dafs sie jetzt Flint und den Stahl ihrer Aexte oder Pfeilspitzen dazu benutzen. Besondere Genufsmittel sind unter ihnen unbekannt; weder Betel, noch Tabak!) sind im Gebrauch. Sie trinken nur Wasser und kauen eine Rindenart. Selbst Salz war ihnen, wie Hr. Hartshorne?) berichtet, unbekannt; als es ihnen aber gereicht wurde, gefiel es ihnen sehr. Nur an einzelnen Orten, wo europäische Einwirkung erkennbar ist, wird eine roheste Art von Ackerbau betrieben, wie sie übrigens noch heutigen Tages in der Troas und in Spanien üblich ist. Kleine Strecken (chena) des Jungle werden niedergebrannt, dann bestellt und dann wieder auf 5—10—15 Jahre sich selbst überlassen®). Mit dieser, gar nicht in Betracht kommenden Ausnahme ist ihre ganze Existenz auf den Ertrag der Jagd gestellt. Das allgemeine Anerkenntnifs dafür zeigt sich in ihrem Namen, der nach der fast einstimmigen Annahme Jäger (hunter, archer, one who shoots) bedeutet. Ich werde darauf zurückkommen. Vorläufig wollte ich nur hervorheben, dafs in den Gebräuchen der Weddas nichts gelegen ist, was andeutete, dafs sie sich in irgend einer Zeit über den Zustand eines rohen Jägervolks hinaus entwickelt haben. Ja, sie haben nicht einmal den ersten Grad der Sefshaftigkeit erreicht). Obwohl sie bei ungünstigerer Witterung die natürlichen Höhlen des Landes oder einfache, aus Baumzweigen und Rinde zusammengestellte Hütten) benutzen, so scheint dies doch nirgends in dauernder Weise 1) In der Abbildung bei Knox wird der Wedda allerdings mit einer brennenden Pfeife abgebildet, aber dies war eine freie Erfindung des Künstlers. 2) Hartshorne l. c. p. 413. 3) Bailey 1. c. p. 282. *#) Knox (l. e. p. 123) sagt von ihnen: they have no towns nor houses, only live by the waters under a tree, with some boughs eut, and laid round about them, to give notice when any wild beast come near, which they may heer by their rustling and trampling upon them. Er sah solche Plätze auf seiner Flucht aus der fast 20jährigen Gefangenschaft. 5) Sir Tennent (l. c. II. p. 439) spricht auch davon, dafs sie zuweilen auf Gerüsten schliefen, welche sie in den Bäumen bereiten. Das würde auf Gebräuche hin- weisen, wie sie Hr. F. Jagor (Zeitschr. für Ethnologie 1879. Verhandl. der Berliner anthropol. Gesellsch. S. 79. Taf. IX.) von den Kanikars in Vorderindien berichtet. Da- und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 21 geschehen zu sein. Im Gegentheil, beständiger Wechsel des Ortes inner- halb ihres Jagdgebiets war die Regel. Daher beschränkt sich ihre Ge- selligkeit, ja ihr Gedankenkreis wesentlich auf die nächsten Angehörigen, deren Zahl oft sehr klein ist und vielleicht nur 4—5 Personen beträgt. Aller Anreiz zu höheren Genüssen und Ansprüchen fällt damit von selbst fort. Ehrgeiz, Eifersucht, Liebe zum Putz kommen gar nicht zur Ent- wickelung. Aber auch ein Bedürfnifs zu angespannter Geistesthätigkeit tritt nicht hervor. So erklärt sich, wie mir scheint, in natürlicher Weise eine Reihe von Eigenthümlichkeiten, ja zum Theil von widersprechenden Sonderbarkeiten. Von einem so wilden und niederen Volksstamme könnte man vielleicht erwarten, dafs er die Fremden überfallen, die Nachbarn bedrohen, selbst entfernteren Abtheilungen des Stammes kriegerisch entgegentreten werde. Von älteren Erzählungen und von vereinzelten Fällen, die ganz aufser Betracht bleiben können, abgesehen, ist die Sitte der Weddas eine durchaus friedliche. Auch den Schritt vom Jäger zum Krieger haben sie nicht gemacht. Sie sind friedfertig unter sich und gegen die Anderen, so lange man sie in Ruhe läfst. Sie halten das Eigenthum heilig und sind treu und wahrheitsliebend. In dem Maalse, als ihr Leben sich auf den Kreis der Familie beschränkt, ist auch das Familiengefühl stärker entwickelt. Ehebruch und Polygamie werden nur da erwähnt!), wo man den Versuch gemacht hat, sie zu civilisiren. Während unter ihren Nachbarn, den sinhalesischen Kandiern, Ehebruch und Polyandrie?) so allgemein waren, dafs die englische Regierung im Jahre 1859 ein be- sonderes Gesetz dagegen erlassen mulste, war eheliche Treue und Mono- gamie, sowie Liebe zu den Kindern unter den Weddas selbstverständliche Sitte. Hr. Bailey®) führt die sehr charakteristische Aeuflserung eines Kandiers über sie an: sie sind, sagte derselbe, just wie die Wanduras. gegen behauptet Hr. Hartshorne, sie seien schlechte Kletterer und besäfsen keine beson- dere Fähigkeit, mit den Fülsen zu greifen. Percival (l.c. p. 338) dagegen berichtet das gerade Gegentheil: sie sprängen mit grolser Geschicklichkeit auf Bäume und schliefen darauf. 1) Gillings ]. c. p. 86. 2) Tennent]. e. II. p. 428. 3) Bailey l. e. p. 293. 22 Vırcmow: Ueber die Weddas von Ceylon Und doch sind die Weiber nichts weniger als anziehend, und nicht einmal durch Schmuck ausgezeichnet oder auch nur reinlich. Vom Waschen des Körpers ist keine Rede. They are the most ordinary spe- cimens of the sex I ever saw, sagt Bailey. Beide Geschlechter gehen fast nackt. In früherer Zeit trugen sie Stücke von Baumrinde (Riti-tree, An- tiaris innoxia oder A. saccadora); später setzten sie an deren Stelle kleine Fetzen von Zeug, die durch eine Schnur um den Leib festgehalten wer- den. Die Weiber unterschieden sich nur dadurch, dafs sie runde Pflöcke von Elfenbein in den durchbohrten Ohrläppchen trugen!). Hr. Hart- shorne?) dagegen sah schon bei beiden Geschlechtern Zierrathen in den Ohren, namentlich Perlen oder, was besonders beliebt war, leere Patronenkapseln. Offenbar sind diefs ganz moderne Neuerungen; man wird ohne Weiteres annehmen dürfen, dafs vor nicht langer Zeit die völ- lise oder höchstens durch die Bedeckung der Schamtheile gemilderte, schmucklose Nacktheit Regel war. Wenn trotzdem weder Polygynie noch Polyandrie beobachtet ist, so mag sich diels aus der geringen Dichtigkeit des Volkes und aus der Vereinsamung der Familien erklären. Vielleicht darf man auf dieselbe Weise auch die andere, am meisten auffällige Sitte deuten, welche von verschiedenen Reisenden bezeugt ist, nehmlich die Heirath mit der Schwester. Und zwar die Heirath mit einer jüngeren Schwester, wäh- read die mit der älteren für unzüchtig gilt. Nach Hrn. Hartshorne®) wäre sogar die Ehe mit einer Tochter zulässig, indefs wird es sich hier wahrscheinlich um thatsächliche und nicht um rechtliche Verhältnisse handeln. Knox*) erzählt auch von einem Könige von Kandy, der mit seiner Tochter ein Kind hatte, aber keiner seiner Unterthanen scheint diels für ein zulässiges Verhältnifs gehalten zu haben. Bailey) ist ge- neigt, in der Schwesterehe ein altes Ueberlebsel zu sehen. Er erinnert daran, dafs schon Wijayo, der Begründer der Sihala-Dynastie, aus einer Schwesterehe in Indien hervorgegangen sei, und dafs hinwiederum der 1) Bailey p. 284. ?2) Hartshorne p. 409. 3) Derselbe 1. ce. p. 416. AERO cap: 5) Bailey l.c. p. 310. und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 23 Sohn Jiwahalto, den er mit einer Yakkho-Prinzessin in Üeylon er- zeugt hatte, seine Schwester heirathete und der Ahnherr eines besonde- ren Stammes, der Pulindah, wurde. Nachher sei dieser Gebrauch auch in den sinhalesischen Königsfamilien geübt worden!). Man kann zuge- stehen, dafs diese Anführungen recht bemerkenswerth sind, aber schwer- lich sind die alten Mythen als sichere historische Thatsachen anzusehen. Sie scheinen mir nur zu beweisen, dafs ein Gebrauch, der auch in Per- sien und in Aegypten bestand, in Ceylon frühzeitig zur Duldung gelangte; der Grund wird überall derselbe gewesen sein, in den Königshäusern, wie bei den nackten Weddas: der Mangel an geeigneten Weibern oder an Weibern überhaupt. Jedenfalls ist es nicht Unkeuschheit oder Zuchtlosig- keit, welche die Weddas zu einem solchen Ehebündnifs führt. Bei der ge- wöhnlichen Eheschliefsung entscheidet der Wille der Eltern der Braut, welche selbst keine Wahl hat. Das einzige Ceremoniell dabei besteht in der Darbringung von Nahrung für die Eltern Seitens des werbenden Mannes. Wenn unter solchen Verhältnissen die Ehen dauernd und treu gehalten werden, so spricht diefs sicherlich für die Güte des Herzens bei einem so wilden Stamme. Dagegen lassen die Nachrichten der verschiedenen Beobachter er- kennen, dafs eine besondere Tiefe des Gefühls bei den Weddas nicht zur Erscheinung kommt. Vielmehr deuten alle Beschreibungen auf eine gewisse mürrische Indolenz, welche nur durch die Liebe zu dem Gewohn- ten gelegentlich durchbrochen wird. Am bemerkenswerthesten erscheint in dieser Beziehung eine Beobachtung des Hrn. Hartshorne?), für welche er eine Reihe von Thatsachen beiträgt, ich meine die Unfähig- keit der Weddas zum Lachen. Während sie weinen können, lachen sie nicht nur nicht, sondern sie mifsachten auch diejenigen, welche lachen. Meines Wissens ist etwas ähnliches von keinem andern Volksstamm be- richtet worden; wir kennen den lachlosen Zustand nur bei gewissen Idioten. In intellektueller Hinsicht scheinen die Weddas in der That sehr 1) Sir E. Tennent (II. p. 459) eitirt als Gewährsmann dafür Valentijn l. c. cap. IV. p. 63. 2) Hartshorne l.c. p. 410. 94 Vırcuow: Ueber die Weddas von Ceylon niedrig zu stehen. Nach Hrn. Hartshorne!) können sie überhaupt nicht zählen, haben auch keine Zahlworte und brauchen die Finger nicht zum Zählen. Hr. Bailey?) geht nicht ganz so weit; er sagt, sie zähl- ten mit Schwierigkeit an den Fingern, aber er giebt in seinem Vocabular kein Zahlwort und er erzählt, dafs es schwer sei, einem Wedda etwas klar zu machen, was über den nächsten Tag hinausgehe. Der Reverend Gillings?) sagt, sie könnten nur bis zu einer sehr beschränkten Aus- dehnung (only to a very limited extent) zählen. Davy *) giebt an, sie hätten kaum (hardly) eine Kenntnifs von Zahlen und könnten nicht über fünf zählen; Sir Tennent°) geht noch einen kleinen Schritt wei- ter, indem er sich so ausdrückt, dafs sie unfähig seien, über fünf „an ihren Fingern“ zu zählen. Auch das ist recht wenig, zumal wenn man erwägt, dafs die milderen Angaben sich auf die „zahmere Sorte“ be- ziehen. Hr. Hartshorne®) bestreitet ebenso, dafs ihre Sprache ein Wort für eine Farbenbezeichnung enthalte; sie besäfsen weder eine Vorliebe für t) Hartshorne p. 413. They are wholly unable to count or to comprehend the ideas of one, or two, or three, nor do they even use their fingers for this pur- pose; and the chief diffieulty in obtaining any information from them arose from their inability to form any but the most simple mental synthesis, and from their very defeetive power of memory. Bei einer anderen Gelegenheit behauptete Hr. Hartshorne sogar, die Weddas hätten keine Idee von dem Unterschiede zwischen Eins und Zwei (Journ. of the Anthropol. Institute of Great Britain and Ireland. 1878. Vol. VII. p. 468). 2) Bailey: l.e. pr298: 3) Gillings 1. ce. p. 88. *) Davy l.ce. p. 118. An dieser Stelle ist die Rede von „Dorf-Weddas*“. Prichard (Researches into the physical history of mankind. London 1344. 3!" Edit. Vol. IV. p. 193), welcher dasselbe anführt, berichtet, dafs die Beschreibung des Dr. Davy sich auf eine grolse Schaar (party) von Vaddahs beziehe, welche er während seines Be- suches in Kandy gesehen habe; die Leute seien nach ihren Angaben aus der Gegend des Sees von Bintenne gekommen, wo etwas Korn (a little grain) gebaut werde. Ich be- zweifle die Richtigkeit dieser Mittheilung nicht, die von grofser Wichtigkeit für die Be- urtheilung des Werthes der Angabe über die intellektuellen Fähigkeiten der Leute ist. Aber sie ist aus einer Schrift des Dr. Davy geschöpft, die mir nicht zugänglich ist; Prichard eitirt dieselbe unter dem Titel: History of the Island of Ceylon. In dem Account of the interior of Ceylon steht nichts davon, obwohl der Besuch in Kandy aus- führlich (p. 364, sq.) geschildert ist. 5) Tennentl.c. II. p. 443. °) Hartshorne l.c. p. 409. ER und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 25 lebhafte Farben, noch eine Schätzung der Farbenunterschiede. Er klagt endlich über ihren Mangel an Gedächtnils und ihre Unfähigkeit, allge- meine Ideen zu bilden. Sir Tennent sagt, sie haben keine Idee von Zeit und Raum, keine Worte für Stunden, Tage und Jahre, — keine Spiele, keine Vergnügungen, keine Musik. Freilich gilt auch diese Bemer- kung in voller Ausdehnung nur für die wilde „Sorte“; von den Dorf- Weddas erzählt Davy!), dafs sie eine „rohe Art von Gesang“ während eines in plumper Weise ausgeführten Tanzes hätten hören lassen. Nimmt man dazu die Fruchtlosigkeit aller Erziehungsversuche, die man mit ihnen gemacht hat, so wird man gezwungen, die Inferiorität der Rasse zuzuge- stehen. Selbst wenn sich ergeben sollte, dafs einige der mitgetheilten Beobachtungen zu exclusiv sind, würde sich das Gesammturtheil nicht ändern. Es sieht wie ein Widerspruch aus, dafs sie sich, wie Hr. Hart- shorne?) berichtet, als über ihre Nachbarn erhaben betrachten. Indels findet sich dieser Widerspruch auch sonst: beschränkte Personen über- schätzen ihre Fähigkeiten nicht selten. Sonderbarer klingt es, wenn die verschiedensten Berichterstatter anführen, dafs die Weddas auch von ihren Nachbarn als Glieder einer hohen, ja der königlichen Kaste angesehen werden. Sollen sie doch in früherer Zeit den König von Kandy hura d. h. Vetter haben anreden dürfen. Da sie selbst unter sich keine Kasten- unterschiede kennen, so ist diefs allerdings recht auffällig. Man hat das als einen Beweis für die Richtigkeit der Tradition angesehen, dafs sie von königlichem Blut seien oder gar, wie Mr. Bailey®) annimmt, von König Wijayo selbst abstammten, aber wo sollten dann die Nachkommen jenes Yakkho-Volkes geblieben sein, welches Wijayo bei seiner Ankunft auf der Insel antraf? Keine der anderen, so zahlreich vertretenen Rassen Ceylon’s läfst sich mit dieser Urbevölkerung in eine nähere Beziehung bringen. Die ältesten Berichterstatter, welche sich ausführlicher über das Kastenwesen auf der Insel Ceylon auslassen, stimmen darin überein, dafs 1) Davy l.c. p. 118. Vgl. oben S. 13—14. 2) Hartshorne, p. 412. 3) Bailey l.c. p. 312. Phys. Kl. 1881. Abh.]l. 4 36 Vırcuow: Ueber die Weddas von Ceylon die Weddas einer höheren Kaste zugerechnet wurden. Davy!), welcher diesen Punkt besonders eingehend behandelt, erzählt, dafs die Mehrzahl der Sinhalesen der Kaste der Landbauer, der sogenannten Goewanse oder, wie sie im Niederland hiefsen, der Vellalas zugetheilt würde, und dafs dazu auch die Weddas gehörten. Philalethes?) hat dieselbe Angabe. Er erklärt, das Wort Gowi sei sinhalesisch, Vellalas malabarisch; zu dieser Kaste ge- hörten die Wanne-Weddas, von denen es zwei Sorten gebe: eine, welche Blätter auf dem Körper trügen, und eine, welche Baumrinde, durch be- sondere Zubereitung weich gemacht, benutzten. Dafs die neueren Be- obachter dieses Verhältnifs weniger berühren, erklärt sich wohl aus dem Umstande, dafs in letzter Zeit das Kastenwesen unter den Sinhalesen sehr an Bedeutung verloren hat, wie denn auch schon früher die beiden ober- sten Kasten, die königliche und die brahmanische, nicht vertreten waren. Vielleicht erklärt sich aus diesem Umstande auch der sonder- bare Gebrauch, dafs die Weddas, die doch nur der dritten Sammtkaste angehören, mit den Königen selbst in Verbindung gebracht wurden. Noch im Jahre 1853 bemerkte der Secretär des Ceylon-Zweiges der Asiatie Society in einer Note?), dafs die Weddas von Bintenne und von der See- küste sich als Glieder einer sehr hohen Kaste betrachteten und sich Veddah Vellalas nannten. Aus dem Mitgetheilten geht hervor, dafs die Bezeichnung Vellalas, die sich übrigens auch in Vorderindien findet, nur eine hierarchische Bedeutung hat, dafs sie aber in Bezug auf Verwandt- schaft und Ableitung der Stämme gänzlich unbrauchbar ist. Eine andere Bezeichnung verdient hier besonders erwähnt zu wer- den, da sie sehr geeignet ist, Verwirrung hervorzubringen. Es ist diefs der Name Dodda (Dade) Weddahs, welcher einer Abtheilung der Su- dra- (Kshoodra-) Kaste, also einer der untersten Rangklassen gegeben wird: Jäger, welche die wildesten Theile der Gebirgsregion bewohnen ®). ER el, 2) Philalethes l.c. p. 332. Der Name Philalethes ist ein Pseudonym; wie Sir Tennent 1. e. Introduetion p. XX. Note 5 vermuthet, birgt sich darunter der Rev. G. Bisset. Dieser war gleichzeitig mit Dr. Davy in Ceylon; letzterer erwähnt seiner Person ]. ec. p. 372, sq. 3) Journal Ceylon Branch of the R. Asiatie Society. 1853. p. 89. 4) Davy l.c.p. 112, 127. Philalethes ]. c. p. 334. und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 27 Knox!) erzählt, die Niedrigsten der Niedrigen seien Bettler, welehe von Dodda veddahs d. h. Jägern abstammten; sie hätten die Aufgabe gehabt, dem Könige von Kandy Wild zu liefern. Als sie aber statt des Wildes Menschenfleisch gebracht hätten, habe der König sie ausgestolsen und zu Bettlern gemacht. Die ausführliche Beschreibung, welche er von ihnen liefert, lehrt, dafs er eine der out-casts meint. Davy führt zwei Arten davon an: die Gattaroo und dieRhodees oder Gasmundo, welche er mit den Zigeunern vergleicht. Letztere werden jetzt gewöhnlich Rodi- yas genannt. Von ihnen erzählt Tennent?) dieselbe Geschichte, wie Knox von den Dodda veddahs, und sagt, eine „Legende“ erkläre sie für einen Zweig der Weddas. Eine genauere Beschreibung von ihnen hat Mr. Chitty?) geliefert. Er nennt sie eine besondere und eigenartige Rasse, entweder hervorgegangen aus einer Colonie wandernder Horden aus Indien, oder der Ueberrest der Urbevölkerung, gemischt mit sinhalesi- schen Frauen von hoher Kaste, welche von dem Könige mit dem Ver- lust der Kaste bestraft wurden. Sie lebten nur im Innern, nicht zahl- reich, im Ganzen vielleicht nicht über 1000, zerstreut, oder in besonderen, von den sinhalesischen entfernten „Aussatz“-Dörfern (Kuppayams). In den Seven Korles unterscheide man zwei Abtheilungen: die Tirringa Rodı und die Halpagny Rodi. Sie seien robuster und athletischer, als die Sin- halesen, die Frauen häufig hübsch. Beide Geschlechter lassen das Haar in voller Länge wachsen und schlingen es in einen Knoten. Sie leben von der Jagd und gebrauchen Bogen und Pfeile, wie die Weddas; auch darin nähern sie sich diesen, dafs sie ihre Todten, in Matten ge- wickelt, begraben. Obwohl Buddhisten, opfern sie dem Garro Yakko und dem Weddi Yakko. Sie sprechen sinhalesisch, besitzen aber eigenthüm- liche Worte, die Mr. Chitty für alte Ueberlebsel hält. Die Darstellung von Sir Tennent stimmt damit überein; er besuchte ein Rodiya-Dorf, welches auf dem Pafs zwischen Kandy und dem Mahawelliganga liegt, und giebt ein Bild mit einer Gruppe dieser Leute. Wie er nachweist, wer- I Konoxıl-esp. 139. 2 Nennent lsc-nl.2p 187. 3) Simon Casie Chitty. Journ. of the Ceylon branch of the R. Asiat Soc. Colombo 1853. p. 171. 4* 38 Vırcnow: Ueber die Weddas von Ceylon den Rodiyas im Rajavali schon 204 vor Chr. und im Mahawanso 589 nach Chr. erwähnt. Seiner Meinung nach ist der körperliche Unterschied von den Weddas sehr grofs und er ist daher geneigt, sie von der indi- schen Küste, und zwar aus Chandala-Blut, abzuleiten. Uebrigens giebt es ihrer nur in den Kandy-Distrikten. Obwohl sie den Cagots und Caqueux der Pyrenäen vergleichbar seien, so gebe es doch zwei „Rassen von outcasts“ in Ceylon, welche selbst von den Rodiyas verabscheut würden, nehmlich die Ambetteyos (Barbiere) und die Hanomoreyos (Betelbüchsen- macher) in Ouva. Die Existenz dieser outcasts ist von nicht geringem Werthe für die Deutung der Stellung der Weddas innerhalb so verwickelter Volksver- hältnisse. Wären die Weddas, wie manche vermuthet haben, ursprünglich Ausgestolsene gewesen, so würden sie sicherlich noch heutigen Tags outcasts sein, so gut wie die Rodiyas es nunmehr seit mindestens zwei Jahrtausen- den sind. Wären sie, wie die Araber, die sogenannten Moormen, nach- träglich eingewandert, so würden sie nicht in die relativ hohe Kaste der Vellalas gesetzt sein, denn die Moormen sind in keiner Kaste, wenngleich den Caraw& (Fischern), einer Unterabtheilung der Sudras, „attachirt“!). Unzweifelhaft mufs also ein Gefühl ursprünglichen Zusammenhanges unter den Sinhalesen lebendig geblieben sein, welches trotz des religiösen und physischen Gegensatzes die Zugehörigkeit der Weddas zu den socialen Ordnungen des Buddhismus anerkannte. Bei den Rodiyas haben die Jahrtausende nicht genügt, um sie zu der Degradation herab zu bringen, welcher die Weddas schon verfallen waren, als Knox von ihnen hörte, und welche am stärksten in dem Ausspruche von Davy ausgedrückt ist: the forest Weddahs, — — being rather solitary anımals than social, and resembling more beasts of prey, in their habits, than men. Wir werden noch sehen, welches die Hindernisse sind, dafs sich dıe Weddas nicht ohne Weiteres als „wilde Sinhalesen“ auffassen lassen, und wie es gekommen ist, dafs eine grofse Zahl der unmittelbaren Beobachter den Ursprung derselben auf der Küste von Malabar gesucht hat. Diese Er- örterung wird zweckmäfsiger einer späteren Stelle vorbehalten, wenn wir die physischen Eigenschaften der verschiedenen, in Betracht kommenden D)=Dayyal.e p.li0. und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 29 Stämme besprochen haben werden. Hier dürfte es sich empfehlen, zu- nächst die historischen und linguistischen Bemerkungen beizubringen, welche das Verhältnifs der eigentlichen Culturstämme der Insel betreffen. Das natürliche Einwanderungsgebiet ist ‚wie gesagt, der Nordwesten der Insel, welcher der vorderindischen Halbinsel am nächsten liest. Hier hat sich in der That eine tamilische Bevölkerung festgesetzt, deren Zusammenhang mit den Dravidiern Indien’s zweifellos erscheint. Die Ge- schichte Ceylon’s meldet schon sehr früh von Einfällen dravidischer Hor- den. Im Mahäwanso heifsen diese Leute Damilos. Da nach dem Zeug- nis des zuverlässigen Childers!) das Wort Dämila im Pali mit Drävida im Sanskrit identisch ist, so wird man unbedenklich alle Erzählungen des Mahäwanso, wo von Damilos die Rede ist, auf Dravidier beziehen können. Die englischen Localschriftsteller nennen sie gewöhnlich Tamils oder Malabars, jedoch warnt Sir Tennent?) wiederholt davor, damit nicht den Begriff zu verbinden, als habe es sich nur um Bewohner der eigentlichen Malabar-Küste gehandelt. Ursprünglich hätten sie vielmehr zu einem der frühest organisirten Staaten in Südindien, dem Königreiche Pandya gehört, welches den gröfsten Theil der Coromandel-Küste bis nach Canara an der Westküste und südlich bis an die See umfafste, und von welchem neuerlich nur der kleine Staat der Nains von Madura übrig geblieben sei. Später ergossen sich, gleichfalls unter dem Namen der Ma- labars, Horden von allen Theilen der Halbinsel, auch von der Coroman- del-Küste bis nördlich von Cuttack und Orissa über die Insel. Schon um das Jahr 237 v. Chr. wird ein Einfall der Damilos im Norden berichtet), welcher eine 22jährige Herrschaft derselben begrün- det. Kaum waren sie überwunden, als schon unter dem nächsten Könige aus der Sihala-Dynastie, Asela (um 215) wiederum ein Damilo, aus dem Stamme Uju im Chöla-Lande*), sich der Herrschaft bemäch- 1) R. C. Childers Notes on the Sinhalese Language. Journ. of the Royal Asiatie Society 1875. Lond. Vol. VIII. p. 133. Note. ?2) Tennentl.e. I. p. 353. 394. 3) The Mahawanso Chap. XXI. edit. by Turnour p. 127. Man vergl. ebend. Appendix. Sovereigns of Ceylon p. LXI. *) Nach Turnour Mahawanso Glossary p. 5 heilst Chöla sinhalesisch Soli (Sollee) und umfalste wahrscheinlich Mysore und Tanjore. 30 Vırcmow: Ueber die Weddas won Ceylon tigte!) und 44 Jahre regierte. Obwohl regelmäfsig zurückgeworfen, wieder- holten die Damilos ihre Einfälle immer von Neuem. Unter der Regierung des Königs Mihinda (1023—1054 nach Chr.) hatte sich die fremde Be- völkerung auf der Insel schon so vermehrt, dafs sie das Uebergewicht über die eingeborne erlangte, und bei einer neuen Invasion der Leute von Sollee wurde der König gefangen und das Land für längere Zeit unterworfen?). Von Malabar strömten immer neue Zuzüge herein und erst nach schweren Kämpfen ward die Fremdherrschaft gebrochen. Aber schon im Beginn des 13. Jahrhunderts fielen die Cholas wieder in das Land ein?). Diefsmal kamen die Eroberer jedoch von viel ferneren Orten, nehmlich von Kalinga, dem Theile des Dekkan, der jetzt Nord Circars heifst*). Ihr Führer Maagha unterwarf unter gräulichen Ver- wüstungen das ganze Land bis zum Süden hin und ward König von Ceylon im Jahre 1211. Später gelang es den sinhalesischen Fürsten, allmählich die Provinzen Rohuno (Rohuna) ım Süden und Mayaratta in dem gebirgigen Centrum wiederzugewinnen, aber der Norden des Lan- des, die Provinz Pihiti oder Rajaratta, das alte Königsland, blieb bis zum Mahawelliganga in den Händen der Tamilen und wurde nach und nach gänzlich und dauernd dravidisirt. Nur ein Theil dieser Bevölkerung, die Mookwas°’), welche ım Nordwesten an der Küste, nördlich von Chilaw, wohnen, hat die christliche Religion angenommen ®). — Auf demselben Wege, jedoch in friedlicher Weise, sind zahlreiche mohamedanische Araber, die seit der portugiesischen Zeit sogenannten Moors oder Moormen’), eingewandert. Sir A. Johnston setzte ihre Ankunft in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts und leitete sie von dem Hause Haslum 1) Mahäwanso p. 128. ?) Ebendaselbst p. LXIV. >») A. de Silva Ekanäyaka. Journ. R. Asiat. Soc. 1376. Vol. VIII. p. 297. 2) Tennent lc. p.Al2. °?) Ein ähnliches Wort (Mokua) ist in Madagascar gebräuchlich, um eingewanderte Afrikaner zu bezeichnen (Verhandl. der Berliner anthropol. Gesellschaft 1880. S. 190. Zeitschr. für Ethnol. Bd. XII). Hier ist es auf einen Negerstamm der östlichen Küste Africa’s zu beziehen, welcher diesen Namen trägt (Monatsberichte der Akademie 1880. S. 1017). Möglicherweise ist die Übereinstimmung der Namen eine blofs zufällige. 6) A. O. Brodie Journ. of the Ceylon Br. of the R. Asiat. Soc. 1853. p. 50. 7) Derselbe p. 40. und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 3l ab, dessen Mitglieder durch den Kalıfen Abdul Melek Ben Merwen vertrieben wurden und sich zum Theil ın Südindien, zum Theil in Malacca ansiedelten. Allein die sorgfältigen Ausführungen von Sir Tennent!) haben darge- than, dafs Niederlassungen von Arabern schon in sehr früher Zeit auf der Insel nachzuweisen sind. Läfst man auch eine sehr dunkle Stelle des Plinius bei Seite, so scheint doch kein Zweifel darüber zu sein, dafs minde- stens seit dem ersten, sicher seit dem 6ten Jahrhundert nach Christo ein ausgedehnter Handelsverkehr von Persien und Arabien aus nach Ceylon betrieben wurde und dafs schon seit dieser Zeit manche dieser „Mauren“, wie die Portugiesen sie später nannten, im Lande blieben. Sir Tennent hält die jetzigen Moormen für Nachkommen der Einwanderer aus Ehen mit Eingebornen. Hr. Pridham?) zerlegt die Moors genealogisch in zwei Gruppen. Die eine derselben führt er auf alte Einwanderungen von Ara- bern zurück, welche sich in Indien einheimische Weiber genommen und mit ihnen Kinder gezeugt hatten; von der anderen, welche er Indo-Moors nennt und von welchen eine gröfsere Anzahl sich in späterer Zeit in den Distrikten Chilaw und Putlam niedergelassen haben soll, giebt er keine genetischen Erklärungen, nur widerspricht er der Meinung des Hrn. Casie Chitty, dafs sie aus einer Vermischung einer uralten hindostanischen Bevölkerung, der Sonahars, mit Arabern und anderen Mohamedanern hevorgegangen sei. Jedenfalls erkennt jedoch auch Hr. Pridham an, dafs gegenwärtig kein Unterschied zwischen den beiden Gruppen mehr bestehe. Sie sind jetzt, zum Theil in besonderen Dörfern, weithin über die Insel zerstreut und vermitteln hauptsächlich den kaufmännischen Verkehr, auch mit den Weddas. — In verhältnifsmälsig kleiner Zahl, jedoch an vielen Orten zerstreut finden sich Malayen auf der Insel, wie es scheint, durchweg von mo- hamedanischer Religion. Nach der Darstellung des Hrn. Pridham?) stammen sie hauptsächlich von den kleinen Rajas und deren Gefolgschaft, welche die Holländer hierher von Java, Malacca und Sumatra verbannten und welche später von den Engländern in ihre einheimischen Regimenter 1) Tennent l.e. I. p. 546, 555, 607. 2), Bridham ]5cHLs ps 410. 3) Derselbe 1. c. I. p. 482. 32 Vırcuow: Ueber die Weddas von Ceylon aufgenommen wurden. Wichtiger würde es sein, wenn die Ansicht!) richtig wäre, dafs die ursprüngliche Bevölkerung der Insel eine malayische gewesen sei. Dieselbe stützt sich namentlich auf die allerdings sehr be- merkenswerthe Thatsache, dafs sich die Sinhalesen doppelter Canoes oder Boote mit Auslegern bedienen, wie sie in allen von Malayen bewohnten oder besiedelten Gebieten, also westlich von der indischen und arabi- schen Küste nur in Madagascar, im Gebrauch sind. Indefs ist diefs auch der einzige Anhaltspunkt für die Annahmen einer ethnischen Verwandtschaft. Natürlich sind in den letzten Jahrhunderten Europäer der ver- schiedensten Nationen, namentlich Portugiesen, Holländer und Engländer, hinzugekommen, jedoch haben sie für unsere Betrachtung keinen Werth. Dasselbe gilt von den afrikanischen Negern und den Parsis, von denen die ersteren erst neuerlich eingeführt, die letzteren zu verschiedener Zeit, aber in unbedeutender Zahl eingewandert sind. Die südliche Hälfte der Insel, die alte Provinz Rohuna, und das centrale Maya-Land sind noch gegenwärtig von Sinhalesen?) bewohnt, jene von verhältnilsmäfsig reinblütigen Sinhalesen, dieses von den stellen- weise etwas mehr gemischten Kandiern, welche als die nächsten Nach- barn der Weddas schon mehrfach erwähnt sind. Die ethnologische Stel- lung der Sinhalesen ist bis jetzt hauptsächlich nach linguistischen Merk- malen erörtert worden. Ihre Sprache ist seit Rask °) längere Zeit als eine dravidische betrachtet worden. Lassen*) hat für diese Auffassung seine grolse Autorität eingesetzt; er betrachtete „das Volk der Sinhalesen seiner Sprache nach als zu der grofsen Familie der Dekhanischen Stämme“ gehörig. Noch neuerlichst erklärt Hr. Friedrich Müller?) das Sinha- lesische für ein, mit indischen Elementen freilich stark versetztes, den Dravida-Sprachen verwandtes Idiom, welches jedoch genealogisch davon verschieden und insofern unabhängig entwickelt sei. Er hält daher die Bevölkerung für ein Gemisch der Urbewohner, welche mit den Dravidas 1) Tennent l.c. I. p. 327. II. p. 103 (Abbildung). ?) Ich folge in der Schreibung dieses Namens (statt Singhalesen oder Cinga- lesen) den Erläuterungen von Childers |. ce. p. 37. 3) Rask Singalesisk Skriftlaere. Kolombo 1321. (eitirt von Lassen), *) Christ. Lassen Indische Alterthamskunde I. S. 199, 303. 5) Fr. Müller Allgemeine Ethnographie. Wien 1879. S. 466, 477. und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 33 eines Stammes zu sein schienen, mit eingewanderten Indern!). Die gerade entgegengesetzte, in der neueren Zeit immer mehr zur Anerkennung ge- langende Auffassung vertreten d’Alwis?) und Childers?), die beide in der Civilverwaltung der Insel beschäftigt waren. Childers, dessen gründ- liche Kenntnifs der indischen Sprachen allgemein anerkannt ist, trennt das heutige Sinhalesisch von dem alten Elu, von dem es allerdings ab- stamme, von dem es sich jedoch durch die ungeheure Aufnahme von, zum Theil unveränderten Sanskritwörtern unterscheide, wie das heutige Englisch vom alten Angelsächsisch. Der Name Elu selbst ist nach ihm identisch mit dem, übrigens dem Sanskrit entlehnten, von den Ungebilde- ten Hingala ausgesprochenen Worte Sinhala, wie die Sinhalesen selbst sich nennen; es steht für ein älteres Hela oder Helu, und diefs wieder für ein noch älteres Sela, welches uns zu dem Palı von Sihala zurückleite. Die alte Tradition, wonach Wijayo, der Gründer der Sihala-Dynastie, von Läla. einem Distrikt von Magadha (Behar) in Indien, gekommen sei, stimme sehr gut mit dem Umstande, dafs nach einer anderen Tradition Palı ur- sprünglich ein Magadba-Dialekt war. Pali und Sinhalesisch seien so nahe verwandt, dafs man auf den ersten Blick fast glauben könne, das letztere stamme von dem ersteren ab; bei genauerer Betrachtung ergebe sich aber, dafs Palı, worin die Lehren des Buddha geschrieben wurden, nur den Dialekt des einen Distrikts von Magadha darstelle, Sinhala dagegen den Dialekt eines anderen Distriktes von Magadha uns erhalten habe. Sinha- lesisch sei daher eine der einheimischen arischen (sanskriti- schen) Sprachen Indiens und sehr alt. Denn es sei ganz identisch mit dem Elu des 5ten und 6ten Jahrhunderts nach Christo, wie es sich übrigens schon in der Felsinschrift von Mahintale aus dem 2ten bis 3ten Jahrhundert finde. Die frühe Fixirung der Sprache erkläre sich dadurch, dafs Mahinda schon am Anfange des 3ten Jahrhunderts vor Christo ein buddhistisches Werk aus dem Palı in das Sinhalesische über- setzte und das letztere dadurch zur Schriftsprache machte. 1) Reise der Novara, a.a. ©. S. 139. 2) James d’Alwis. On the origin of the Sing. Language. Journal of the Cey- lon Branch R. Asiat. Soc. 1867— 70. 3) Journal ofthe Royal Asiat. Soe. New Series. London 1875. Vol. VII. p. 35. 1876. Vol. VIIL p. 131. Phys. Kl. 1881. Abh.l1. 5 34 Vırcuow: Ueber die Weddas von Ceylon Wie sich dazu die Wedda-Sprache stellt, ist noch in hohem Maalse dunkel. In Ceylon selbst ist die Meinung, dafs sie ein gebrochenes oder verdorbenes Sinhalesisch sei, schon lange verbreitet!). Auch Hr. Bailey?) hat sich ihr angeschlossen, obwohl er die Weddas als Abkömm- linge einer alten tamilischen Bevölkerung betrachtet. Aber er fand in ihrer Sprache zahlreiche Hindu-Worte; namentlich entsprachen viele Per- sonen-Namen der Weddas den Namen von Göttern oder Göttinnen der Hindus. Er war daher geneigt, eine frühe Mischung der Weddas mit Sanskrit sprechenden Indern anzunehmen. Hr. Max Müller?) bestätigte die Häufigkeit der Sanskritworte in der Weddasprache; mehr als die Hälfte der Wedda-Worte sei, gleich dem Sinhalesischen selbst, reine Corruption von Sanskrit. Auch Hr. Edward T. Tylor®), welcher das Sinhalesische als eine arische Sprache betrachtet, hält die Wedda-Sprache für einen sinhalesischen Dialekt, jedoch mit beigemischten dravidischen (Telugu-) Worten. Daher findet er einen auffälligen Widerspruch, indem ein wahr- scheinlich nicht-arischer, eingeborner Stamm eine arische Sprache rede. Das sei ein ganz einziger Fall in der Ethnologie. Später?) wiederholt er seine These in folgenden Worten: „Sowohl Legende wie Sprache machen eine Beimischung von arischem Blute in Begleitung von arischer Sprache wahrscheinlich, während die körperlichen Charaktere erkennen lassen, dafs die Veddarasse hauptsächlich dem eingebornen vor-arischen Typus angehört.“ Neuerlich hat wiederum Hr. Hartshorne®), im geraden Gegensatze 1) Knox |. e. p. 122. Mr. Justice Starke. Journ. of the Ceylon Br. R. A. S. 1853. p. 80. Gillings. Ebendas. p. 84. 2) Bailey 1. c. p. 297, 305, 309. Er hebt besonders hervor, dals der soge- nannte Elch von Ceylon (Rusa Aristotelis) in der Wedda-Sprache gawra heilst, was an den Gaur (Bos gaurus) von Hindostan erinnere. Freilich heifst auch der Pengolin (Manis pentadactylos) gal gawra. 3) Max Müller. Address to the first meeting of the Aryan section of the Oriental Congress of 18374, eitirt von Childers l. e. Vol. VIII. p. 131 note. *) Journal of the Ethnologiceal Society of London. 1870. New Ser. Vol. II. p. 96. 5) Edward B. Tylor. Die Anfänge der Cultur. Deutsch von Spengel u. Poske. Leipzig 1873. Bd. I. S. 51. 6) Hartshorne l. e. p. 417. Besides the words which indieate an affinity with Sinhalese, there are others which are allied with Pali and with Sanskrit, and an und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 35 zu Hrn. Tylor, die völlige Abwesenheit eines bestimmt dravidischen Elementes in der Wedda-Sprache behauptet, und nur Beziehungen dersel- ben zu dem Sinhalesischen, dem Pali und dem Sanskrit zugestanden. Umgekehrt bestreitet Hr. Cust!) jede Beimischung von Pali oder Sans- krit, und hält die Wedda-Sprache einfach für einen Dialekt des Sinha- lesischen, welches er, wie die anderen Autoren, für eine arische Sprache ansieht. Bei dieser Differenz der linguistischen Ansichten läfst sich leider von dieser Seite nur wenig für die Auffassung der phylogenetischen Stellung der Weddas gewinnen. Vielmehr steigert sich dadurch nur das käthselhafte in dem Auftreten eines an sich so merkwürdigen Volkes, und das rein anthropologische Interesse tritt noch mehr in den Vor- dergrund. Soviel wir bis jetzt wissen, trägt das Volk, wie so viele andere, einen ihm von aufsen beigelegten Namen. Nur Hr. Hartshorne behauptet nach einer, von ihm an Childers?) gemachten Mittheilung, dafs es sich selbst diesen Namen (gesprochen vaeddä) beilege. Die gewöhnliche An- gabe lautet gerade umgekehrt. Die Bezeichnung Wedda oder eine ähnliche (Vedda, Veda, Vedan, Vaidan, Beda, Bedan u. s. w.) ist, wie letzthin Hr. F. Jagor?) in einer umfassenden Zusammenstellung gezeigt hat, in Indien ungemein verbreitet. Eine ganze Reihe kleinerer Stämme, die weit von einander entfernt wohnen und wahrscheinlich zum Theil nicht das Mindeste mit einander zu thun haben, werden ganz gleich oder doch ganz ähnlich bezeichnet. Der Uebersetzer von Percival’s Werk, important residue of doubtful origin; but it is worthy of remark that from beginning to end the vocabulary is characterized by an absence of any distinetly Dravidian element, and that it appears to bear no resemblance whatever to the language spoken by the Yakkas of East Nipal. A similarity may indeed be traced here and there between a Wedda word and the equivalent for the same idea in modern Tamil, Malayalam, or Telegu, but the cases in which comparison is possible are so rare that these apparent coineidences may be fairly considered to be merely fortuitous. 1) Rob. Cust. A sketch of the modern languages of East India. London 1878. p. 63. 2) Childersl. ce. Vol. VII. p. 131. ®) Verhandlungen der Berliner anthropologischen Gesellschaft vom 17. Mai 1379. S. 172. Zeitschr. für Ethnologie. Bd. XI. 36 VırcHow: Ueber die Weddas von ÜCeylon Bergk!), erinnert daran, dafs es sogar in Sumatra und Borneo Bedahs gebe. Gleichviel, ob das Wort von dem Sanskrit (Vyädha, Jäger) oder dem Tamil (Vedan, Jäger, Waldbewohner) herstammt, soviel scheint sicher zu sein, dafs es sich überall, wo es nicht in Zusammensetzungen, z. B. in dem früher angeführten Dodda-Wedda, gebraucht wird, auf Aboriginer oder wilde Rassen bezieht. Insofern steht es, wie Hr. Bailey?) bemerkt, den nur literarisch gebrauchten Worten Habara (Barbar) und Vannacharakiya (Jäger) gleich. Dr. Max Müller, der als die richtige Schreibung Vaeddä oder ursprünglich Vaedi (vaediminissa = Wedda Volk) angiebt, ist mit der Ableitung von vyädhah ganz einverstanden, und Childers definirt daher die Weddas als „wilde Sinhalesen.“ Wie lange der Name im Gebrauch ist, läfst sich bis jetzt nicht ausmachen. Aus den Werken der abendländischen Schriftsteller ist bis jetzt nur eine ältere Stelle aufgefunden, welche wahrscheinlich den Namen der Weddas in verstümmelter Form aufbewahrt hat. In einem, dem Bischof Palladius von Helenopolis in Bithynien (7 410), vielleicht fälschlich zugeschriebenen Werke®), welches die Reise eines Mannes von Theben in Aegypten nach Ceylon schildert, heilst es: eisı de zul ei BıSrades dvSgwrdgia noroßd, Meravorepara, drapra nal arrcrgige. Sir Tennent*) liest nach einer anderen Ausgabe Bırades, indefs würde Bı$rzdes dem Worte Wedda noch näher kommen. Da auch die weitere Beschreibung?) recht gut auf die Weddas palst, so darf wohl angenommen werden, dafs hier der Name zum ersten Male dem Abendlande überliefert wurde. Früher hören wir nur, dafs Megasthenes zu Alexander’'s Zeit Palaeogonen auf der Insel kannte®), was nach Sir Tennent?) Pali-Putra (Söhne der Palı) 1). Percival a. a.:O. S. 335. 2), Bailey]. .csp.1297. 3) IarAudıov megı rav rns Tvöıds za av Bewyudvav. Palladius. De gentibus Indiae et Bragmanibus. London 1668. p. 5. 4) Tennent I. p. 538. note 2. II. p. 438. note 6. °) Tennent giebt nEyarorsharc statt des meravozedare der von mir eitirten Ausgabe; obwohl ersteres vielleicht besser palst, mufs ich doch bemerken, dals die bei- gefügte lateinische Uebersetzung in der Ausgabe von 1668 capite nigro lautet. 6) Plinius. Natur. hist. Lib. VI. cap. 24. 7) Tennent I. p. 529. und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 37 bedeuten, nach Lassen!) dagegen sich auf die Räxasas oder Riesen beziehen soll. Im ersten Falle würde es mehr die Sinhalesen, im letzteren dagegen die Weddas (freilich nicht im Sinne von Riesen) treffen. Auch die inländischen Schriftsteller gebrauchen den Namen der Weddas erst spät. Hr. Hartshorne?) ceitirt freilich aus einer alten Ola (einem, mit einem Stylus auf Palmblätter geschriebenen Buche), welche in dem Besitze eines Häuptlings der Kandier war, dafs König Dutthagämini (160 vor Chr.) an dem von ihm gebauten Tempel Kataragama Dewale Weddas als Diener des Gottes Skanda anstellte und zwar wegen der Reinheit ihrer Kaste. Da indefs das Alter der Ola nicht bekannt ist, so läfst sich aus dieser Notiz kein sicherer Schlufs machen. Nur der Umstand, dals auch hier wieder die Reinheit der Kaste betont wird, mufs uns vorsichtig machen, in den Weddas ein Mischvolk zu sehen. Wenn man erwägt, seit wie langer Zeit und mit welcher skrupulösen Sorgfalt die indischen Völker das Kastenwesen ausgebildet und bewahrt haben, so erscheint die Thatsache, dafs sie die Einheit und Reinheit eines so wilden Stammes ohne Ausnahme anerkannt haben, sicherlich von grolser Bedeutung. In der That bezeugen alle Beobachter die einheitliche Beschaffen- heit der Weddas. Die verschiedenen Namen, welche man einzelnen Abtheilungen derselben beigelest hat, beziehen sich nicht auf Stammes- verschiedenheiten, sondern auf geographische und topographische Unter- schiede?). So unterscheiden die Tamilen die Manalkadu oder Sandy- jungle Weddas von den Cholaikkadu Weddas, d. h. die an der Seeküste wohnenden, welche Chena-Land bauen und Tamil sprechen, von den noch nomadisirenden, welche ganz von jenen verschieden seien, noch etwas von ihrer ursprünglichen Barbarei bewahrt haben und die mehr abgelegenen Theile des Bintenne-Distrikts bewohnen®). Jedenfalls ist diese Verschiedenheit nicht so zu verstehen, dafs typische Unterschiede der Stämme beständen. Aus dem Mitgetheilten ergiebt sich, dafs bis jetzt zwei Haupt- ansichten sich gegenüber stehen, welche sich vorzugsweise auf linguistische 1) Lassen. De Taprobane insula p. 9. 2) Hartshorne ]l. c. p. 414. 3) Derselbe 1. c. p. 406. #) Derselbe 1. c. p. 411. 38 Vırcmow: Ueber die Weddas von Ceylon und nur zum Theil auf rein anthropologische Beobachtungen stützen. Nach der einen wären die Weddas nächste Verwandte der Dravidas, nach der andern ein Glied der grofsen arischen Familie. In beiden Fällen müfsten sie von dem Festlande herübergewandert sein, nur im ersteren sehr viel früher, als im zweiten. Für eine solche Ueberwanderung finde ich nur eine einzige Conjektur erwähnt. Der Rev. Gillings!) führt die Erzählung an, dafs die Weddas ursprünglich einen Theil einer sinhalesischen Gemeinschaft (community) bildeten, welche an der Küste von Indien wohnte, und dafs sie von da in einer sehr frühen Zeit wegen gewisser Verge- hen (for certain offences) auf die Insel herübergebracht seien, bevor die Sinhalesen als Volk die Küsten Ceylons betraten. Aber nirgends ist gesagt, dafs eine solche sinhalesische Gemeinschaft irgendwo an der indischen Küste bestanden habe. Auch mülste die Wedda-Sprache, wenn eine so frühzeitige Abtrennung derselben von einem gemeinsamen arischen Stamme stattgefunden hätte, gewisse Besonderheiten bewahrt haben, welche einer älteren Zeit der Bildung angehörten, und auch davon ist nichts bekannt. Sehr viel einfacher würde die Erklärung sein, wenn man annehmen dürfte, dafs die Weddas ein ursprünglich dravidischer Stamm oder wenig- stens den Dravidas nahe verwandt oder, wenn von ihnen verschieden, doch ein wildes Aboriginervolk waren und dafs sie erst nachträglich durch die arischen Eroberer ihre jetzige Sprache erhalten hätten. Mit einer solchen Annahme würde sich die von so grofsen Autoritäten vertheidigte Identität dieser Sprache mit dem Sinhalesischen ohne Zwang vertragen. Aber es läfst sich nicht leugnen, dafs es schwer ist, sich vorzustellen, wie der Prozefs der Sinhalisirung sprachlich sich vollzogen haben soll, während die ganze Form des Lebens, die Sitten und Gebräuche völlig unverändert blieben. Mit dem von Childers gewählten Namen der wilden Sinhalesen ist wenig gewonnen. Soll das bedeuten „Wilde mit sinhalesischer Sprache“, so wird nur eine Thatsache, aber keine Erklärung gegeben. Soll es da- gegen heifsen „verwilderte Sinhalesen“, so würden wir mit unseren Er- klärungen auf irgend eine Zeit nach Wijayo zurückgeworfen, und wir müfsten die ganz aulserhalb aller Erfahrung stehende Hypothese hinzu- 1) Journ. Ceylon Branch R. Asiat. Soc. 1853 p. 34. und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 39 fügen, gegen welche ich mich schon vorher erklärt habe, dafs die Weddas von einem Zustande höherer Civilisation, wie er offenbar bei den Sinha- lesen bestanden hat, auf die niedrigste Stufe menschlicher Existenz zurück- gesunken seien. Religion, politische Organisation, bürgerliche Gesellschaft, alle Künste und Gewohnheiten des sefshaften Lebens mülsten verloren, ja vergessen worden sein, und zwar in nächster Nähe, ja in direktem Contakt mit Bevölkerungen, welche eine reiche und lange Geschichte durchgemacht haben. Eine solche Erniedrigung liefse sich nicht denken, ohne dafs man zugleich eine gewaltige physische Entartung nachwiese. Von welcher Seite wir auch das Problem betrachten, immer kommen wir zu der Erkenntnils, dals die Linguistik nur als ein Hülfsmittel der Untersuchung verwendet werden darf, und dafs vielmehr, wenn überhaupt eine Lösung gefunden werden kann, dies nur auf dem Wege der physi- schen Anthropologie möglich sein wird. Was ich in dieser Beziehung beibringen kann, ist keineswegs ausreichend, um die volle Lösung herbei- zuführen, aber es wird vielleicht dazu beitragen, die Möglichkeiten der Deutung auf ein geringeres Maals zurückzubringen und damit die definitive Entscheidung vorzubereiten. Zugleich hoffe ich, dafs diese Erörterungen neue Arbeiten, namentlich auf der Insel selbst, hervorrufen werden, damit wenn möglich noch in letzter Stunde alle Anstrengung daran gesetzt werde, die Reste des absterbenden Volkes auf das Genaueste zu beschreiben. Die bisherigen Ermittelungen über die physischen Eigenthüm- lichkeiten der Weddas ergeben Folgendes: Schon die Beschreibung der BıSr«des (Bırades) liefert recht charak- teristische Züge. Die Hauptstelle ist vorher mitgetheilt worden: Kleinheit und Schwäche des Körpers, schwarze Farbe (oder scheinbare Gröfse) des Kopfes, lange, ungeschorene, glatte Haare!). Dazu kommt noch die weitere Angabe, dafs das Volk das kleinste (ravv nuıngorarov zai adgavertarev) 1) Die schlechte lateinische Bearbeitung, welehe dem heiligen Ambrosius zuge- schrieben wird, lautet in dem, der oben eitirten Ausgabe des Palladius beigefügten Abdrucke (S. Ambrosius de moribus Brachmanorum p. 59): Nam et ipsos exiguos homunculos esse et grandia quaedam capita asserit habere cum leyibus et detonsis capillis. Hier ist also wieder die Lesart neyarozepar« vorausgesetzt. 40 Vırcmow: Ueber die Weddas von Ceylon sei, in Felshöhlen (ArStvors aryAaicıs) wohne und sehr geschickt im Klettern über Abhänge sei. Knox hat, wie gleichfalls schon angeführt, auf seiner Flucht durch die Wälder des Weddaratte keine Menschen, sondern nur leere Wohnplätze gesehen, und die in seinem Buche enthaltene Abbildung giebt daher einen Mann, der sich von den sonst darin abgebildeten Sinhalesen nur durch seine kürzere und mehr gedrungene Gestalt unterscheidet; nament- lich trägt derselbe Bart und Kopfhaar ganz wie die Sinhalesen, letzteres in einen Knoten am Hinterkopfe zusammengefafst. Perceival!) sah 1798 gefangene Weddas in Colombo. Nach seiner Darstellung seien. die Weddas heller (fairer in complexion, die deutsche Uebersetzung hat „schöner“), als die übrigen Ceylonesen, von einem ins Kupferfarbene fallenden Colorit, auffallend gut gebaut, sie trügen lange Bärte und hätten ihr Haar oben auf dem Wirbel dicht zusammengebogen. Valentijn?) sagt, die Bedas oder Wedas seien eine Art von wilden Buschmenschen und die ältesten Einwohner der Insel: zwart van Verwe, brandend van Oogen, niet groot van Gestalte, maar gezet en rad van Lieden. Auf diese sehr allgemein gehaltenen Angaben folgte endlich durch John Davy?) die erste, bestimmt auf Autopsie beruhende, naturwissen- schaftliche Beschreibung. Er sagt: Such of the village Weddahs that Ihave seen, were in general small men, between five feet three and five feet five inches high, slender, muscular, and well made; in colour, form, and features resembling the Singalese. Their appearance was wild in the extreme, and completely savage. Their hair was quite emblematie of their forests: it seemed never to have been cut, or combed, or cleaned; and was long, bushy, and matted, hanging about their shoulders, and shading their face in a very luxuriant and disgusting manner; nor were their beards less neglected. Sir Emerson Tennent#) giebt folgende Gesammtschilderung von 1) Pereival]. c. p. 288. Deutsche Uebersetzung S. 337. 2) Valentijn 1. c. Bl. 49. S)eDairy Ieerpe ul6 4) Tennent |. ce. Vol. II. p. 450. und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 41 den Weddas aus der Gegend von Bintenne: They all presented the same characteristics of wretehedness and dejection, — projecting mouths, prominent teeth, flattened noses, stunted stature, and the other evidences of the physical depravity which is the usual consequence of hunger and ignorance. The children were unsightly objects, entirely naked, with misshapen joints, huge heads, and protuberant stomachs; — the women, who were apparently reluctant to appear, were the most repulsive specimens of humanity I have ever seen in any country. Pridham!) giebt den Bericht eines Hrn. Bennett, der auf einer Jagdpartie auf eine Gruppe von (Dorf-) Weddas stiefs und deren Gast- freundschaft genofs. Letzterer sagt von ihnen: They were not more than five feet two inches in height, their hands small, but their feet were long and flat; hair matted and tied in a bunch at the back of the head, a large bushy beard almost covering the face; eyes small, piereing, and constantly in motion to the right and left, and their ears seemed almost as restless as their eyes. Wenden wir uns nach diesen allgemeinen Schilderungen zu dem Einzelnen, so stimmen zunächst alle Angaben darin überein, dafs die Weddas durchschnittlich von kleiner, um nicht zu sagen, sehr kleiner Statur sind. Dr. Davy (in dem Citat von Prichard) sagt über sie: they are well made and muscular, but of a spare habit; and in person they chiefly differed from the Kandians in the slightness of their limbs, the wildness of their looks, and their savage appearance. Gillings erklärt: The Veddähs are mostly low in stature, but some of them are strong, active men, and most of them appear to be healthy and little subject to disease. Die Beschreibung von Bailey?) lautet folgendermaalsen: In appearance, the Veddahs differ materially from the Singhalese. They are smaller in every respeet, and rather dark, or, more properly, more dusky in complexion. They are short, slightly built, yet very active. Though far from being museular, their limbs are firmly knot together, and they are athletie and eapable of enduring great fatigue. Though spare, they are generally in very fair condition, and look more healthy than many 1) Pridham I. e. I. p. 460. 2) Bailey Il. ce. p. 282. Phys. K1. 1881. Abh. 1. 6 42 Vırcmow: Ueber die Weddas von Ceylon of the Singhalese in the adjoining distriets. Er maafs verschiedene von ihnen. Der gröfste Mann, der über seine Genossen hoch hervorragte (towering), hatte nur 5 Fufs 3 Zoll in der Höhe; es war ein „mehr eivilisirter“* Wedda von Bintenne. Der kürzeste, den er sah, maals 4 Fuls 1 Zoll. Als mittleres Maafs für die Männer betrachtet er 4 Fufs 6 Zoll bis 5 Fufls 1 Zoll, für die Weiber 4 Fufs 4 Zoll bis 4 Fufs 8 Zoll. In einer Liste von Messungen, die auf seine Veranlassung angestellt waren, sind 2 Männer mit 5 Fuls 3 Zoll und einer mit 5 Fufs 3-4 Zoll ange- geben; falls diese Messungen richtig seien, so gingen sie seiner Meinung nach über das mittlere Maafs hinaus. Unter 14 Weddas von Bintenne war der grölste 5 Fuls 3-4 Zoll, der kleinste 4 Fufs 64 Zoll; das Mittel betrug 5 Fuls 4 Zoll. Unter 12 Weibern war die gröfste 5 Fuls 24 Zoll, die kleinste 4 Fufs 44 Zoll; das Mittel betrug 4 Fuls 9 Zoll. Hr. Hartshorne!) giebt nur 2 Messungen von Leuten, die er für gute Beispiele des Mittelschlages (fairly average specimens of the race) hielt. Der eine von ihnen, Latty, etwa 18 Jahre alt, hatte eine Höhe von 5 Fufs 44 Zoll; der andere, Bandiey, etwa 25 Jahre alt, maafs 4 Fuls 113 Zoll. Wenn man dies in Metermaafs umrechnet, so ergeben sich folgende Extreme: der gröfste Mann 1638 Mm., der kleinste „ 1245 „ Das Mittel nach den Messungen in Bintenne ergab für die Männer 15537 Mm. Weiber 1448 „ Daraus folgt, dafs die Weddas sich den kleinen, um nicht zu sagen, den Zwerg-Rassen anschlielsen. In Beziehung auf die Einzelheiten des Wuchses bringt die Mehrzahl der Beobachter eigentlich keine positiven Thatsachen vor, welche für eine unverhältnifsmäfsige oder mangelhafte Ausbildung der einzelnen Regionen sprechen. Nur Hr. Hartshorne, der das Aussehen der Weddas als ent- schieden nicht-arisch bezeichnet, behauptet, sie hätten kurze Daumen und 1) Hartshorne ]. c. p. 408. note. und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 43 scharfspitzige Ellenbogen. Es würde sehr erwünscht sein, wenn diese Angaben durch neue Beobachtungen sicher gestellt würden. Die Hautfarbe der Weddas ist dunkel, nach den meisten Angaben dunkler als die ihrer Nachbarn, der Sinhalesen, von denen Dr. Davy sagt, dafs ihre Farbe vom lichten Braun bis zum Schwarz (black) varlire. Bailey nennt die Farbe dark or more dusky, womit jedenfalls sehr tiefe Schattirungen bezeichnet sein sollen. Das Kopf- und Barthaar beschreibt Davy als lang und verfilzt (matted); es werde niemals geschoren oder gekämmt. Sir Emerson Tennent!) sagt: Their long black hair and beards fell down to their middle in uncombed locks. Sirr?) berichtet, das Kopf- und Barthaar hänge in dichten Mähnen (in redundant tresses) über Schultern nnd Busen in verfilzten Massen herab, Bailey nennt den Bart kurz und spärlich; das Kopfhaar, welches nicht lockig (curly) sei, falle in wirren ver- zottelten Massen (in rusty, tangled masses) über das Gesicht herab und lasse den Kopf ganz unverhältnifsmälsig grofs erscheinen. Später be- zeichnet er das Haar als wild und zottelig (wild, shagsy). Wenn man die Leute sehe, mit ihren zotteligen (rugged), ungekämmten Locken (locks), welche das Gesicht halb verdecken, so erfüllten sie vollständig die vorge- falste Vorstellung von ganz barbarischen Wilden. Hartshorne?) nennt das Kopfhaar grob und flatternd, (coarse, flowing) und hält es für nöthig, hinzuzufügen, dafs ihr Körper in keiner Weise behaart (hirsute) und durchaus keine Neigung des Haars vorhanden sei, gegen die Ellbogen zu eonvergiren und von dem Kinn aus zu divergiren, oder umgekehrt. Durch die Güte des Hrn. Bastian sind mir zwei Photographien einer Wedda-Gesellschaft zugänglich geworden, welche derselbe in Colombo erworben hat. Es sind darauf 3 Männer und 3 Weiber in ganzer Gestalt, aber leider in zu geringer Gröfse dargestellt. Wie es scheint, war dies dıe Gesellschaft, welche dem Prinzen von Wales bei Gelegenheit seines Besuches auf der Insel vorgeführt wurde. Hr. Hart- shorne, der freilich nur von 2 Männern und 3 Weibern spricht, ist t) Tennent ]. c. Vol. II. p. 449. 2) H. Ch. Sirr Ceylon and the Cingalese. London 1850. Vol. II. p. 216. 3) Hartshorne ]l. c. p. 408, 409. 44 Vırcnow: Ueber die Weddas von Ceylon der Meinung, dafs sie aus dem Distrikt von Batticaloa stammten, wo die wenigen, noch übrig gebliebenen Weddas, theils durch den Einflufs der Missionare, theils durch Heirathen mit Tamilen, manche unterscheidende Züge ihres primitiven Zustandes eingebülst hätten. Zwei von den Weibern hätten ein recht angenehmes Aeufsere gehabt und eine sei als wirklich hübsch (pretty) geschildert worden; die beiden Männer wären als klein und affenartig beschrieben worden. Diese Schilderung trifft auf die er- wähnten Photographien ziemlich gut zu. Obwohl es sich also vielleicht nicht gerade um ganz wilde Weddas handelt, so habe ich doch, da es sonst an allen Abbildungen mangelt, durch Hrn. Mützel von zweien der Männer und einem Weibe Zeichnun- gen anfertigen lassen, nach denen der beifolgende Holzschnitt gemacht ist. Man erkennt daran, aulser den verhältnifs- mälsig kurzen, unten breiten und am Rücken tiefen Nasen, den scheinbar tieflie- senden Augen und den vollen Lippen der jüngeren Personen, recht gut den Haarwuchs und vermag sich ein ungleich lebendigeres Bild der Leute zu machen, als irgend eine der Beschreibungen giebt. Von Bart ist nur bei einem der Männer etwas zu bemerken. Dagegen sieht man den kleinen Schamschurz der Männer, den grofsen Bogen und die Pfeile mit der blattförmigen Spitze, endlich die eiserne Axt im Gürtel. Was das Haupthaar anbetrifft, so ist dasselbe bei allen 6 Personen verhältnifsmäfsig lang, aber offenbar durch den Kamm in gefälligere Form gebracht. Die Weiber haben gescheiteltes, glattes, leicht welliges Haar, ebenso der eine Mann, bei dem allerdings eine etwas grölsere Unordnung in der Frisur besteht. Zwei von den Männern dagegen zeigen gekräu- seltes, wenngleich recht langes Haar, welches ganz in der Art, wie es von jeher beschrieben worden ist, einen weit abstehenden und bis auf den Nacken herabfallenden Busch bildet. Der Kopf erscheint dadurch sehr grols, zumal im Verhältnifs zu dem mageren Glieder- und Rumpfbau. Es mufs aber besonders bemerkt werden, dals auch das krause Haar und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 45 nicht etwa Röllchen bildet, wie bei den Negritos, und dafs auch der Haarbusch im Ganzen keine Perrücke darstellt, wie die Viti-Leute oder die abyssinischen Stämme sie zu tragen pflegen; vielmehr sind die ge- kräuselten Haare sehr lang und fallen in einem grofsen Busch bis auf den Nacken herab. Von Wollhaar ist demnach gar keine Rede. Es ist verhältnifsmäfsig glattes oder einfach welliges, zuweilen leicht gekräuseltes, durch Länge ausgezeichnetes Haar, wie es schon Palladius in sehr prägnanter Weise bezeichnet: @xapra za! drAcrgnya. Dabei ist zu bemerken, dafs er diese „glatthaarigen“ Leute ausdrücklich den Indern (?Negern?), welche er $gi£orgxss nennt, gegenüberstellt. Von den Augen führt Davy nur an, dafs sie lebhaft, wild und ruhelos seien. Bei Valentijn heifsen sie glühend (brandend). Bailey nennt sie gut und oft voll. Nur Hr. Bennett giebt an, dafs sie klein (d. h. wohl tiefliegend) seien. Ueber ihre Farbe finde ich keine Angabe. Immerhin genügen die Anführungen, um darzuthun, dafs die Weddas ein dunkler, wenngleich kein rein schwarzer und kein woll- haariger (Neger-) Stamm sind. Von der Nase sagt Hartshorne, wie Sir Tennent, sie sei flach, und von den Lippen, sie seien zuweilen dick. Nehme man dazu ihre kurzen Daumen und ihre scharfzugespitzten Ellenbogen, so gebe das Merkmale, wodurch sie sich in bemerkenswerthem Grade von den orien- talischen Rassen unterscheiden, welche in ihrer Nähe leben. Bailey nennt die Nase wohl gebildet (well shaped), obwohl sie zum Flachen neige; die Nüstern seien weit; der Mund zuweilen grofs, die Lippen fest, aber etwas dick; die Gesichtszüge erträglich regelmälsig. Sir Tennent bezeichnet den Mund als heraustretend und die Zähne als vorstehend. Bevor ich dieses Bild mit dem anderer Nachbarvölker vergleiche, will ich einige craniologische Mittheilungen anschliefsen. Durch einen besonderen Glücksfall war ich selbst in der Lage, 3 Wedda-Schädel unter- suchen zu können. Ich hatte mich an den deutschen Consul, Hrn. Ph. Freu- denberg in Colombo bei seinem Hiersein gewendet, um wenn möglich Schädel von Ceylon und speciell von Weddas zu erlangen. Schon unter dem 27. Februar v. J. schrieb er mir, dafs ihm dies zwar noch nicht möglich gewesen sei, dafs dagegen der Governor und das Comite des Museums in Colombo sich bereit erklärt hätten, mir die in letzterem befindlichen 46 VırcHow: Ueber die Weddas von Üeylon Schädel leıhweise für ein halbes Jahr hierherzuschicken. Dieselben kamen in der That im Sommer an, begleitet von einer Note des Dr. A. Haly, des Direktors des Museums in Colombo. Ich sage allen diesen Herren meinen herzlichsten Dank für ihr ungemein liebenswürdiges Entgegen- kommen. Zunächst gebe ich eine kurze Beschreibung der Schädel: 1) Der Schädel No. 1. (Taf. I.) Hr. Haly bemerkt dazu Folgendes: Presented by W. W. Hume, Govt. Agent Southern Province. This skull is said to be that of a Veddah Woman and was found at Denilane near Batticaloa, but there seems to be no evidence to shaw that it is a Veddah skull. Ein sehr glatter und weilser, offenbar weiblicher Schädel von geringer Capaeität (1250 Cub.-Cm.), mit stark abgenutzten Zähnen. Ob ein Unterkiefer dazu gehört, ist fraglich, denn obwohl die Gelenkfortsätze des einen ziemlich passen, so erscheint er doch etwas zu kurz. Er ist daher in der Zeichnung weggelassen. Die Schädelkapsel ist lang, schmal und flach, von ausgemacht dolichocephalem Index (70, 9). Die Stirn ist ganz steil, aber nicht hoch, ohne stärkere Orbitalwülste, dagegen mit starken Tubera; die Glabella wenig vertieft, am Nasenfortsatz ein Rest von Stirnnaht, 1 Cm. lang. Die Scheiteleurve erscheint in der Seitenansicht lang, ebenso das schmale Hinterhaupt. Die Norma oceipitalis zeigt einen leicht ogivalen, jedoch im Ganzen gerundeten und nach unten sich verschmälernden Umrifs. An der hohen und spitz zulaufenden Hinterhauptsschuppe ist keine deutliche Protuberantia externa, dagegen finden sich starke Cerebellarwölbungen. Die Nähte sind wohl erhalten und ziemlich stark gezackt. Beiderseits tempo- rale Schaltknochen: rechts ein ganz trennender, länglicher, mit etwas Stenokrotaphie und niedrigem Angulus parietalis; links ein unvollständiger, nur in der hinteren Hälfte der Sphenoparietalnaht enthaltener, neben welchem die Spitze der Ala sphenoidealis hoch herauftritt, der Angulus pariet. dagegen niedrig ist. Auch im unteren Theil der Lambda- naht beiderseits und an der hinteren Seitenfontanelle Schaltknochen. In der Unteransicht tritt die Schmalheit und die Länge des Hinterhaupts deutlich hervor. Das sehr grofse Foramen oceipitale magnum ist am hinteren Rande verletzt, läfst sich jedoch schätzungsweise messen. Die Gelenkhöcker weit nach vorn gestellt und ihre Flächen mehr nach aufsen gewendet. Kleine Warzenfortsätze. In der Vorderansicht erscheint die Stirn verhältnilsmäfsig breit, das Gesicht niedrig und von mälfsiger Breite; Index 83, 1, also chamaeprosop. Die sehr grofsen Orbitae sind gleichfalls breit und nach aufsen und unten ausgeweitet, jedoch im Ganzen von mehr rundlicher Form; ihr Index beträgt 84,6, ist also mesokonch. Die Wangen- beine treten etwas vor und die Fossae caninae sind dem entsprechend sehr tief, dagegen liegen die Jochbogen ziemlich eng an. Die Nase setzt oben etwas hoch und schief an und ist an ihrer Wurzel schmal, der Rücken etwas eingebogen, die Apertur grols, der Index 50, also mesorrhin. Der Oberkiefer ist im Ganzen niedrig, namentlich am und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 47 Alveolarfortsatz, der schwach prognath ist. Der Gesichtswinkel (Stirn, Nasenstachel, Gehöröffnung) milst 32°. Der Gaumen lang und nach hinten breit, die Zahnlinie leicht hufeisenförmig und die Zähne, beziehentlich die Zahnhöhlen, besonders vorn, grols. Index leptostaphylin, 75. Der (fragliche und schon aus diesem Grunde nicht mitgezeichnete) Unterkiefer klein und niedrig, die Aeste schräg angesetzt und schwach, namentlich schmal. Die Distanz der Kieferwinkel beträgt nur 835 mm, 10 mm weniger, als die untere Frontalbreite. 2) Der Schädel No. 4. Hr. Haly bezeichnet ihn als evidently abnormal und sagt von ihm und von dem folgenden (No. 5): were procured by the Revd. S. Somanader, the Veddah Missionary at Batticaloa. There is a lower jaw bone, but I do not know to which skull they belong. Mr. Somanader guarantees them as being the skulls of absolutely pure blooded Veddahs, a race he says now almost entirely extinet. Der wahrscheinlich gleichfalls weibliche Schädel ist ohne Gesicht. Vielleicht hat dazu ein seniler Unterkiefer mit gänzlich obliterirten Zahnhöhlen, ganz steilen und zarten Aesten und Gelenkköpfen, welche durch Arthritis chronica senilis verändert sind, gehört, indels macht der Schädel keinen so sehr greisenhaften Eindruck. Derselbe ist von ungewöhnlicher Kleinheit: sein Innenraum mifst nur 1025 Cub.- Cm., er ist also fast nannocephal. Dabei ist er sehr schief, namentlich links hinten ein- gedrückt, dem entsprechend kurz, aber etwas breit und hoch. Der Index beträgt 80,6, ist also brachycephal. Der Grund dieser Abnormität ist wahrscheinlich eine künst- liche oder zufällige Deformation, denn, obwohl er eine Synostose der unteren Kranz- und der Sphenofrontalnaht hat, so liegt die Hauptveränderung doch am Hinter- haupt. Die anderen Nähte sind stark zackig. Die Squama oceipitalis sehr hoch und der Lambdawinkel spitz; gar keine Protuberantia externa. Tubera an Stirn- und Scheitel- beinen stark entwickelt. Stirnwölbung voll. Orbitae, soweit ihre Form erkennbar ist, sehr grofs. 3) Der Schädel No. 5. Es ist dies ein männlicher Schädel, leider ebenfalls ohne Gesicht, jedoch sonst ganz unverletzt. Seine Capaeität ist beträchtlich gröfser (1360 Cub.-Cm.), als die der beiden weiblichen Schädel, jedoch an sich nicht grofs. Die Oberfläche ist mit starken Muskelzeichnungen besetzt, namentlich am Hinterhaupt, wo die Facies muscularis squamae oecip. sehr tiefe Eindrücke zeigt, die Protuberantia externa ungewöhnlich stark und haken- förmig ist und die Linea semieircularis superior einen kräftigen, Vförmig gestalteten Vorsprung bildet. Auch die Nasen- und Orbitalwülste sind kräftig, jedoch nicht be- sonders grols. Die Schädelkapsel ist ausgesprochen dolichocephal, mit einem Index von 73, und zeigt in der Seitenansicht eine lange, schön gebogene Curve mit steiler, voller Stirn und vollem, stark vortretendem Hinterhaupt. Die Nähte sind gut erhalten, nur die unteren Abschnitte der Coronaria und die Sphenofrontalis synostotisch, trotzdem die Schlä- fengegend im Ganzen gut gebildet. In der Hinteransicht hat auch dieser Schädel eine gerundet-ogivale Form, jedoch mit grölserer Breite der Basis. Die Squama oceipitalis 48 Vırcmow: Ueber die Weddas von Ceylon ist hoch und der Lambdawinkel sehr spitz. Die Cerebellarwölbungen grols. An der Basis erscheint das Hinterhaupt besonders lang. Die Processus condyloides treten sehr stark hervor und haben stark nach auflsen gewendete Gelenkflächen. Die Processus mastoides kräftig. In der Vorderansicht erscheint die Stirn breit, die Nasenwurzel etwas tief, aber schmal, der Nasenrücken aufgerichtet, die Orbita grols und leicht gerundet, die Joch- bogen anliegend. Obwohl Hr. Haly sagt, es liege kein Beweis vor, dafs der Schädel No. 1 ein Wedda-Schädel sei, so sehe ich doch auch keinen Grund, ihn nicht als einen solchen zu betrachten. Batticaloa ist, wie aus dem früher Mitgetheilten hervorgeht, eine altbekannte Wedda-Gegend, und die Angabe des Mr. Hume, dafs es der Schädel emes Wedda-Weibes sei, muls doch auf bestimmte Indicien hin gemacht sein. In der That ist es der Schädel eines Weibes. Da er auch sonst mit anderen Wedda-Schädeln gut über- einstimmt, so trage ich kein Bedenken, ihn als solchen anzuerkennen. Der Umstand, dafs er nichts an sich hat, was den gewöhnlichen Vor- stellungen von dem Schädel eines „Wilden“ entspricht, kann nicht in das Gewicht fallen, da auch die anderen Schädel einen verhältnilsmäfsig zar- ten, um nicht zu sagen, eivilisirten Eindruck machen. Es ist dies eine Eigenthümlichkeit, welche verschiedenen, unzweifelhaft wilden Bevöl- kerungen der östlichen Inselwelt zukommt, und welche namentlich bei den Andamanesen, den Negritos der Philippinen und manchen wilden Stämmen der vorderindischen Gebirge in gleicher Weise hervortritt. — Von den beiden anderen Schädeln ist die Herkunft durch den Missionar jener Gegend selbst, Mr. Somanader so bestimmt bezeugt, dafs kein Zweifel übrig bleibt. Zur Vergleichung kann eine nicht unbeträchtliche Zahl von schein- bar gut bestimmten Schädeln herangezogen werden, welche sich in England befinden. Davon waren 11 im Besitz des Hrn. Barnard Davis, der Notizen darüber in seinem Thesaurus eraniorum, London 1867, p. 130, geliefert hat. Unter ihnen sind 4 gleichfalls von Batticaloa, 2 von Badulla und 2 von Ouvah. Einige sind defekt und müssen daher für unsere Betrachtung ausgeschieden werden. — Andere 9 Wedda-Schädel befinden sich in der grofsen anthropologischen Sammlung des Hunter’schen Museums; ihre Maafse sind kürzlich von Hrn. W. H. Flower in seinem Oatalogue of the specimens illustrating the osteology and dentition of vertebrated und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 49 animals, contained in the Museum of the Royal College of surgeons of England, London 1879, Part I. p. 111, publicirt worden. Unter ihnen sind auch diejenigen, welche schon früher Hr. George Busk (Proc. Linn. Soc. 1862. Vol. VI. p. 166) beschrieben hat. Von 2 derselben wird ange- geben, dafs sie von Nilgala stammen. Die beiden letzteren und der eine von Bintenne (Badulla) sind von Hrn. Bailey geliefert. Einer der (männlichen) Schädel von Bintenne (No. 675) ist abgebildet m dem Werke der Herren de Quatrefages und Hamy (Crania ethnica. Paris 1876—77. Livr. VI. Pl. LVIN. Fig. II.—IV.). Bei 2 anderen (No. 681 und 682) wird besonders angegeben, dafs sie als authentische Exemplare betrachtet würden. Im Ganzen können demnach 23 Schädel in Vergleichung genom- men werden. Unter ihnen ist aufser dem oben beschriebenen, deformirten Schädel (No. 4) aus dem Museum von Colombo noch ein zweiter aus dem Hunter’schen Museum (No. 676), einer der Bailey’schen von Bintenne, von dem ausdrücklich angeführt wird: It has been unsymmetrically distorted by occipital pressure. Diese beiden werden demnach für gewisse Betrachtungen ausgeschieden werden müssen. Die übrigen Anomalien, so wichtig sie auch sein mögen, können im Grofsen übergangen werden. Ich will jedoch kurz darauf hinweisen, dafs nicht nur der von mir be- schriebene Schädel No. 1 aus dem Colombo-Museum (Taf. I. Fig. 3) tem- porale Abweichungen, namentlich Schaltknochen besitzt, sondern auch der von den Herren de Quatrefages und Hamy abgebildete Schädel No. 675 aus dem Londoner Museum deutliche Stenokrotaphie zeigt. Als Gesammtresultat ergiebt sich zunächst, dafs der Wedda- Schädel ein ungewöhnlich kleiner ist, und dafs gelegentlich genuine Nannocephalie in der Rasse vorkommt. Von dem deformirten Schädel aus dem Colombo -Museum (No. 4) habe ich schon hervorgehoben, dafs er nur eine Capacität von 1025 Cub.-Ctm. besitze. Hr. Flower hat sogar einen noch kleineren ermittelt, den eines erwach- senen Frauenzimmers (No. 679), der nur 960 Gub.-Cm. milst und von dem er sagt, dals er der kleinste der ganzen Sammlung sei. Dabei ist besonders zu bemerken, dafs es sich nicht um eine Mikrocephalie im pathologischen Sinne, sondern um Crania justo minora handelt. Um Phys. Kl. 1881. Abh. I. 7 r 50 Vırcmow: Ueber die Weddas von Üeylon Verwechselungen zu vermeiden, habe ich daher den schon früher von mir vorgeschlagenen!) Namen Nannocephalus gewählt. Ich gebe in Nachstehendem eine Zusammenstellung der Einzel- zahlen, da die eben signalisirte Thatsache von ganz besonderer Wichtig- keit für die Rassen - Kenntnifs ist. Bei den Schädeln des Hrn. Barnard Davis ist in der ersten Colonne das von ihm angegebene Gewicht des zur Messung verwendeten Sandes, in der zweiten und dritten Colonne die Maafszahlen nach der Reduktion des Gewichts Welcker?) aufgeführt. 1) Die Angaben des Hrn. B. Davis: 1) 6) 7) 8) 9) 10) 11) 12) ın Gewicht: Männlich: Weiblich: 64 Unzen 1275 Cub.-Om. — Cub.-Cm., 70 as: R — . 56 ® — = 1115 2 65 N — N 1295 E) 64 = — R 1278 e s1 Rn. e — u Bon R 1175 A Da — - 1444 e Mittel von 3 männlichen Schädeln 1428 Cub.-Um. 5 weiblichen N 1261 ” br) Mittel von 8 Wedda-Schädeln 2) Die Angaben des Hrn. Flower: 676 677 678 679 680 681 Männlich: Na AN CHb.- Cm. = b) [> b2] 1225 b>] 1323 Cub.-Cm. Weiblich: Oub.-Cm. n Unbestimmt: Cub.-Cm. Tabelle des Hrn. !) Virchow. Gesammelte Abhandlungen zur wissenschaftlichen Medicin. furt a. M. 1856. S. 9 01. 2) Archiv für Anthropologie. Ba. I. S. 27 2. Frank- und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 51 No. 682 — 1420 Cub.-Cm. — Cub.-Cm. — Cub.-Cm. „683 — y _ ä 1300 r Mittel von 4 männlichen Schädeln 1261 Cub-Cm. ° „ 3 weiblichen 4 IERSMN - »„ 2 unbestimmten 5 1267 4 Mittel von 9 Wedda-Schädeln 1224 Cub.-Cm. 3) Die Angaben von mir: Männlich: Weiblich: No.1 -—- Cub.-Cm. 1250 Cub.-Cm. kn 1025 h la u i Mittel von 3 Wedda-Schädeln 1211 Cub.-Cm. Daraus berechnet sich für 20 Wedda-Schädel ein Mittel von 1261 Cub.-Um. und zwar für 8 männliche ein Mittel von 1336. A und für 10 weibliche ein Mittel von 1201 = Nur 2 männliche Schädel, nehmlich No.10 bei Hrn. Davis und No.682 bei Hrn. Flower, erheben sich über 1400: der erstere hat 1614 Cub.-Cm. und wird von Hrn. Davis selbst als abnorm grols (abnormally large) bezeichnet; der andere hat 1420 Cub.-Cm. Alle übrigen geben geringere Maafse, und zwar bewegen sich zwischen 1100 und 1200 Cub.-Cm. 3, zwischen 1200 und 1300 Cub.-Cm. 8 derselben. Das oben berechnete Mittel von 1261 kann also als ein ziemlich gutes Maafs gelten. Die Gröfse der Variation ist dabei besonders bemerkenswerth. Nimmt man die beiden Extreme, den weiblichen Schädel von 960 und den männlichen von 1614 Oub.-Cm., so erhält man eine Differenz von 654. Nun mag die sehr verschiedene Art der Messung vielleicht ein wenig dazu beitragen, diese Differenz zu erhöhen, aber erheblich kann ihr Einflufs nicht sein. In einem nahen, jedoch keineswegs einfachen Verhältnisse zu der Capacität stehen die Umfangsmaafse. In Bezug auf den Horizontal- umfang berechne ich aus den Angaben des Hrn. Barnard Davis im 53 Vırcmow: Ueber die Weddas von Ceylon Mittel von 3 männlichen Schädeln 19,9 engl. Zoll = 506 mm, im Mittel von 8 weiblichen Schädeln 19,0" = 483 mm und im Mittel von 13 Schä- deln überhaupt 19,2 Zoll = 488 mm. Aus den Zahlen des Hrn. Flower erhalte ich im Mittel von 5 männlichen Schädeln 485, von 2 weiblichen 454, von 7 Schädeln überhaupt 476 mm. Meine Messungen ergeben für 3 Schädel ein Mittel von 486 mm, also eine ziemlich verwandte Zahl. Aus allen 23 Schädeln berechnet sich ein Mittel von 484 mm, aus den Schädeln des Hrn. Davis und den meinigen, zusammen 16, allein ein Mittel von 487 mm. Das geringste Maafs (448) fand Hr. Flower bei dem nannocephalen Mädchen, das höchste (512) bei einem Manne, also auch hier eine Differenz der Extreme von 64 mm. Die von mir be- schriebenen Schädel erweisen sich auch hier als vollkommen typisch. Die Messung des Vertikalumfanges (quer über den Kopf) läfst keine genaue Vergleichung zu, da mein Maafs von einem Gehörgange zum andern, das von Hrn. Davis von der Basis eines Warzenfortsatzes zur Basis des andern genommen ist. Hr. Flower hat überhaupt kein wei- teres Umfangsmaals gegeben. Nach meinen Messungen ist der Vertikal- umfang verhältnilsmäfsig klein, im Mittel nur 289 mm, also 197 mm geringer, als der Horizontalumfang, von dem er nur 59,4 pÜt. beträgt. Diese Zahl zeigt die Schmalheit des Schädels in klarster Weise. Der an sich schwer zu messende obere Längsumfang (sagittal von der Nasenwurzel über den Scheitel zum Hinterhauptsloch) differirt nach unseren beiderseitigen Ermittelungen sowohl im Ganzen als in seinen einzelnen Theilen. Es beträgt im Mittel Davis: Virchow: der frontale Längsumfang 124,5 mm, 123 mm, der parietale " 124,04.,.% 121 2 der oceipitale E 114,3, ı, a der ganze Sagıttalbogen 365,8 mm, 355 mm, 365 er oder, nach Procenten des ganzen Sagittalbogens berechnet, der frontale Längsumfang 34,0 34,6 der parietale ” 34,7 34,0 der oceipitale & 51,3 312 100,0 100.0. und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 53 Zum Mindesten stimmen hier die Zahlen für die Betheiligung der Hinterhauptsschuppe an der Bildung des Schädeldaches überein; sie zeigen, dafs der Squama ein beträchtlicher Antheil, fast ein Drittel zu- kommt, und dies darf wohl als eine charakteristische Erscheinung ange- sehen werden. Das Verhältnifs des Längsumfanges zum Horizontalumfange weicht nur wenig in beiden Messungen von einander ab. Es beträgt bei meinen Messungen 73,0, bei Hrn. Davis 74,9, im Gesammtmittel 74,5 pÜt. des Horizontalumfanges, gegenüber dem Verhältnifs des Vertikalumfanges ein sehr beträchtliches Maals. — Ungleich homogener sind die Ergebnisse der Messungen in Bezug auf die Kopfform. Der gemittelte Längenbreitenindex ist ausge- macht dolichocephal. Er beträgt bei Hrn. Davis aus 10 Schädeln 71,3, Ju o wer UWE > 71:9, mir BE ur, R le); im Ganzen aus 20 Schädeln 71,6. Hier sind aus der Rechnung ausgelassen die beiden, schon früher erwähnten deformirten Schädel, welche einen brachycephalen Index haben: der im Londoner Museum besitzt einen Index von 82,9, der aus dem Colombo-Museum einen solchen von 80,6. Daran schliefst sich zunächst der Schädel eines etwa 18jährigen Mädchens von Batticaloa im Besitze des Hrn. Davis (No. 803), den er selbst als ein aberrant example be- zeichnet, mit einem Index von 78. Worin bei diesem der Grund der Ver- kürzung liest, ist aus der Beschreibung nicht zu entnehmen, da nichts weiter von ihm erwähnt ist, als dafs er vor dem Foramen magnum einen Processus papillaris (Halbertsma) besitze. Möglicherweise sind deformirende Einflüsse bei den weiblichen Weddas in gröfserer Ausdehnung, wenngleich in weniger merklicher Weise, wirksam gewesen. Wenigstens berechnet sich aus den Zahlen des Hrn. Davis, auch nach Auslassung des wahrscheinlich verunstalteten Schädels, für die weiblichen Schädel ein höherer Index, als für die männlichen. Allein bei Hrn. Flower und mir tritt nach Ausscheidung der deformirten Schädel das entgegengesetzte Resultat hervor, nehmlich 54 Vırcnow: Ueber die Weddas von Ceylon Davis: Flower: Virchow: für Männer (3) 69,6 (5) 70,9 (1) 73,0, für. Weiber, ‚(6),,21,0:..(1),,69,9 (1).70,9. Für das Gesammtmittel der Geschlechter gleicht sich jedoch die Differenz aus, indem die geringeren Zahlen von Hrn. Flower und mir dazutreten, nehmlich für 9 Männer 70,7, für 8 Weiber 70,8. Jedenfalls befinden sich unter der Zahl von überhaupt 20 Schädeln, welche in Rechnung kamen, überhaupt nur 4, welche der Mesocephalie (Index von 75,1—80) zugehören. Unter den übrig bleibenden 16 aber sind 7, deren Index unter 70 beträgt, die also hyperdolichocephal sind. Das Minimum beträgt 66 (Davis). Ganz richtig konnte daher Hr. Davis (l. e. p. 132) sagen, dafs die Wedda-Schädel schmaler, als die von afrikanischen Negern, zuweilen so schmal, wie die von Neu- Caledoniern, seien. Das Verhältnifs der einzelnen Schädelabschnitte zu der Gesammt- länge (— 100) stellt sich etwas verschieden dar. Bei dem männlichen Schädel No. 3 ist die horizontale Länge des Hinterhaupts gröfser und die vordere, basilare Länge kleiner, als bei den beiden übrigen. Bezeichnet man das Verhältnifs der Hinterhauptslänge zur Gesammtlänge mit «a, das der basilaren Länge (vorderer Rand des Foramen magnum bis Nasen- wurzel) mit d, so erhält man für den Schädel No. 1: No. 2: No. 3: a 28,2 27,8 32,4, RR) 99,1 48,6. Der Kleinheit der Schädel entsprechend, ist die grölste Länge durchschnittlich gering; die Dolichocephalie wird weniger durch grolse Länge, als vielmehr durch geringe Breite bedingt. Unter sämmtlichen Schädeln ist nur ein einziger, männlicher (Davis No. 805), bei dem die Länge bis auf 190 mm (7,6 engl. Zoll) steigt. Bei allen übrigen ist sie geringer, ja bei der Mehrzahl erreicht sie nicht einmal 180. Die gröfste Breite steigt ebenfalls nur bei einem einzigen (Flower No. 683) bis auf 140 mm; gleich darauf folgt der männliche Schädel aus dem Colombo Museum mit 135. Die Mehrzahl aber erreicht nicht einmal 130. und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 55 Um so auffallender ist die verhältnifsmäfsig beträchtliche Höhe. Nur zweimal ist die Höhe geringer als die Breite. Bei dem auch sonst abweichenden Schädel (Flower No. 683), bei welchem die Breite 140 mm erreicht, hat die Höhe nur 135 mm, und bei einem männlichen (Davis No. 804), der mannichfaltige Synostosen zeigt und clinocephal gebaut ist, bleibt die Höhe (5") um eim Geringes hinter der Breite (5,2”) zurück. In allen übrigen Fällen überschreitet das Maafs der Höhe das der Breite, und nicht selten um ein Beträchtliches, in einem Falle (Flower No. 680) um 14 mm. Die gröfsten Höhenzahlen, 136 und 137 mm, finden sich bei je einem männlichen Schädel von Flower und von mir. Der Längenhöhenindex ist daher gröfser, als der Längenbrei- tenindex. Er berechnet sich, nach Ausscheidung der beiden deformirten Schädel, im Mittel für Männer: Weiber: bei Hrn. Davis (3) 73,6 (016,2, "N >». Elower. .(5) 75,0 LOL: Am Bye GL) 42,9, im Ganzen auf (9) 74,9 (9) 75,3. Das Gesammtmittel beträgt 74,9. Man kann daher nicht gerade von einer Hypsicephalie sprechen, indefs nähert sich doch die Form diesem Typus. Rechnet man die Örthocephalie bis 75 (oder bis 74,9), so fällt der Wedda-Schädel im Mittel unter diese Kategorie. Die nur von mir gemessene Ohrhöhe (senkrechte Entfernung des oberen Randes des äufseren Gehörganges vom Scheitel) ist gleichfalls be- trächtlich, namentlich bei dem männlichen Schädel, wo sie 120 mm beträgt. In diesem Falle berechnet sich der Ohrhöhenindex auf 64,9, während er bei dem weiblichen Schädel (No. 1) nur 60,4 und selbst bei dem deformirten (No. 4) nur 63,0 erreicht. — Was die Gesichtsbildung anlangt, so finde ich darüber, mit Ausnahme der schon beigebrachten Beschreibungen, wenig osteologische Unterlagen. Von einzelnen Regionen erwähne ich die Augenhöhlen und die Nase. Der Orbitalindex betrug in dem einen Falle, der mir überhaupt 56 Vırcmow: Ueber die Weddas von ( 'eylon Gelegenheit zur Messung darbot, 84,6, genau dieselbe Zahl, welche sich als Mittel aus den Angaben des Hrn. Flower berechnet. Im Einzelnen sind die Schwankungen freilich nicht unerheblich. Denn nach Hrn. Flower fallen von 8 Schädeln 2 Indices unter 80, 2 zwischen 80 und 85, und 4 über 85—91,7. Nach Geschlechtern stellt sich das Verhältnifs so, dafs im Mittel aus 4 männlichen Schädeln 85,1, aus 2 weiblichen 84,3 resul- tirt, — ein nicht nennenswerther Unterschied. Im Ganzen wird man also annehmen können, dafs die Orbitalbildung mesokonch ist. Der Nasenindex, den ich auf 50 angab, berechnet sich nach 7 Fällen bei Hrn. Flower auf 52,2; er ist also mesorrhin, auf der Grenze zur Platyrrhinie. Dabei scheint freilich eine nicht unbedeutende Geschlechtsdifferenz zu bestehen, indem die beiden, von Hrn. Flower aufgeführten weiblichen Schädel platyrrhin (56,1 und 57,8), dagegen unter den männlichen Schädeln einer, wenn nicht zwei leptorrhin (46,5 und (?) 46,7) und nur zwei platyrrhin (54,0 und 54,5) waren. Die gedrückte Form der knöchernen Nase ist aus Taf. I. Fig. 3 und der Profilzeichnung bei den Herren de Quatrefages und Hamy leicht zu ersehen. Die früher mitgetheilten Beschreibungen von Sir E. Tennent, Bailey und Hartshorne, welche die Flachheit der Nase betonen, sind damit im Einklange, wie denn auch die früher (S. 44) mitgetheilten Abbildungen nach Photographien die gedrückte Form der Nasenwurzel und die Breite der Nasenflügel deutlich erkennen lassen. Das Gesicht im Ganzen scheint durchweg niedrig zu sein. Die Vorderansicht des von den Herren de Quatrefages und Hamy abge- bildeten Schädels zeigt dies in ausgezeichneter Weise. Ich erhielt einen Index (Verhältnifs von ganzer Gesichtshöhe zur Jochbreite) von 83,1. Aus den Messungen des Hrn. Barnard Davis berechne ich für 5 Schädel im Mittel fast dieselbe Zahl, nehmlich 83,8. Darnach ist also der Typus im Ganzen chamaeprosop und zwar, soviel sich bis jetzt übersehen läfst, bei den Weibern mehr, als bei den Männern. Denn die Schädel des Hrn. Barnard Davis ergeben für Männer: Weiber: No. 313 88,2 pe „ 801 87,5 As „ 802 ai. 82,9 und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 57 No. 803 — 80,8 804 er 80,0 im Mittel 87,8 812: Trotz der Niedrigkeit sind die Gesichter eigentlich nicht breit. Es hängt das mit der geringen Vorwölbung der Jochbogen und Wangenbeine zusammen, welche schon Hr. Barnard Davis im Gegensatze zu den afri- kanischen Rassen hervorgehoben hat. Nur der Londoner Schädel No. 675, welchen die Herren de Quatrefages und Hamy abgebildet haben, er- scheint verhältnilsmälsig breit, wie es scheint, hauptsächlich wegen der starken Entwickelung des Processus zygomaticus des Oberkiefers und der dadurch bedingten Grölse des unteren Wangenhöckers. Hr. Flower berechnet aufserdem noch den Alveolarindex. Er versteht darunter das procentische Verhältnils der „basialveolären Länge“ (Entfernung des vorderen Randes des Alveolarfortsatzes vom Hinterhaupts- loch) zu der „basinasalen Länge“ (Entfernung der Nasenwurzel vom Hinterhauptsloch), letztere — 100 gesetzt. Im Mittel aus 6 Schädeln ergiebt sich die Zahl 96,3. Ich erhalte für den weiblichen Schädel aus dem Colombo Museum nur 93,4. Nach den Geschlechtern gestalten sich die Zahlen des Hrn. Flower ähnlich: Männer: Weiber: No. 675 983,9 — „676 — 95,0 A: 101,0 zu 41679 m 96,5 „680 96,9 — ‚U 681 97,1 ”" im Mittel ga 94,7. Darnach könnte es scheinen, als sei die Prognathie der Männer grölser, als die der Weiber. Indels wird das Urtheil darüber wohl noch vorbehalten werden müssen, da die Einzelzahlen bei beiden Geschlechtern, namentlich beim männlichen, erhebliche WVerschiedenheiten ergeben. Jedenfalls ist die Prognathie an sich eime sehr geringe, Hr. Barnard Davis!) nennt die Wedda-Schädel sogar tolerably orthognathous. 1) Davis. Thesaurus eran. p. 132. Phys. Kl. 1881. Abh. |. 6) 58 Vırcmow: Üeber die Weddas von Üeylon In Betreff der Verhältnisse des übrigen Körpers besitzen wir noch einige Angaben des Hrn. Hartshorne über zwei Weddas, welche ich in Nachstehendem zusammenstelle, nachdem ich sie in Metermaals über- tragen habe: Latty, Bandiey, etwa 18 Jahreletwa 25 Jahre Korperhohe es A Bu Wen Ze a 2 1631,91 1517,59 Umfang des Kopfes um die Mitte der Sim. . 2 2 2 2 0 22. 514,33 514,33 Von der Höhe der Stirn bis zum Kinnrande . . . 2 2 2 2020. 168,25 177,80 Gesichtshreitegtacnosae tace)n ee 133,34 171,42 Schulter bis Ellbogen Aypkiadı FAN 323,81 Ellbogen bis Handgelenk . . . . . 219,05 Handgelenk bis Spitze des Mittelfingers 174,59 Umfang des Oberarmes um den Biceps rechts 241,28 = < L. 3443 » links 241,28 = „ Vorderarmes rechts . 222,22 = = ei links 222,22 a der Brust 749,27 Länge des Oberschenkels 419,07 Vom Knie bis zum Knöchel 393,67 Umfang der Wade . 292,07 Fufssohle 222,22 Bei einigen dieser Maalse ist es sehr wahrscheinlich, dafs Irrthümer untergelaufen sind. Am meisten tritt dies bei dem Oberarm (Schulter bis Ellbogen) hervor, der bei dem kleineren Manne um 44 mm länger gewesen sein soll, während der ganze Arm bei ihm um fast 13 mm kürzer ausfällt. Ebenso erscheint die Gesichtsbreite bei Bandiey, dem kleineren Manne, nicht nur um 58 mm grölser, als bei dem viel gröfseren Latty, sondern auch absolut von einer unglaublichen Gröfse. Man wird daher bei der Benutzung dieser Zahlen sehr vorsichtig sein müssen. Ziemlich constant ist das Verhältnils der Länge der Fufssohle zur Körperhöhe; jene ist bei Latty 6,7, bei Bandiey 6,8 mal in der Körper- höhe enthalten. Dies ist ein ganz entsprechendes Verhältnils. Hr. Bennett sagt, die Hände der Weddas seien klein, ihre Füfse dagegen lang und platt. Das mag richtig sein, geht aber aus den mit- getheilten Maafsen nicht hervor. Von den sonstigen Extremitätenmaafsen möchte ich nicht weiter sprechen, zumal da bei einzelnen derselben, z. B. der Länge des Ober- schenkels, nicht ersichtlich ist, welche Endpunkte gewählt sind. Das jedoch geht auch aus diesen Angaben hervor, dafs eine Unverhältnils- und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 59 mälsigkeit der Theile nicht vorhanden sein dürfte. Von einigem Interesse ist nur das Umfangsmaals der Arme. Während sonst gewöhnlich merk- liche Unterschiede zwischen dem rechten und linken Arm bestehen, finden sich hier beiderseits gleiche Maafse, ja bei Latty ist sogar der Umfang des linken Oberarmes um etwas mehr als 3 mm grölser, als der des rechten. Es erklärt sich dies aus der, von verschiedenen Beobachtern hervorgehobenen Uebung des linken Arms, welcher beim Spannen des sehr schweren Bogens ganz besonders angestrengt wird. Hr. Barnard Davis!) besitzt in seiner Sammlung den Oberschenkel und den Oberarm eines Wedda: jener hat eine Länge von 17,2 Zoll = 436,38 mm, dieser von 12 Zoll = 304,8 mm. Dies ist offenbar ein recht kräftiges Individuum gewesen; die Länge des Oberschenkels übertrifft noch die der beiden von Hartshorne gemessenen Männer (425 und 419 mm). Dagegen harmonirt die Länge des Oberarms nach Davis wenig mit den von Hartshorne angegebenen Maafsen, und auch dies spricht für die Ungenauigkeit der von dem letzteren angeordneten Messung. — Die Vergleichung der Weddas mit ihren Nachbarn auf der Insel wird nicht wenig erschwert durch den Mangel ausreichender Nachrichten über das physische Verhalten der letzteren. Auch die besten Beschreiber beschränken sich in der Regel auf einige Worte oder betrachten die mehr eivilisirten Stämme als genügend bekannt, höchstens dafs sie Vergleichun- gen mit continentalen Stämmen Vorderindiens oder mit Europäern an- stellen. Auch osteologisches Material ist verhältnilsmäfsig spärlich in den europäischen Sammlungen und das vorhandene erscheint mir noch dazu als wenig sicher. So habe ich durch die Güte des Hrn. Consul Freu- denberg 3 Schädel von Sinhalesen und 3 von Tamilen erhalten, aber bei der Untersuchung zeigt ein als sinhalesisch bezeichneter Kinderschädel so viel Uebereinstimmung mit den Tamilen, dafs es mir höchst zweifelhaft erscheint, ob seine Bestimmung richtig ist. Die Bevölkerungen im Nieder- land der Insel haben sich so vielfach durch einander geschoben, dafs nicht blofs Mischungen derselben unter einander vorgekommen sind, sondern dafs auch Verwechslungen von Schädeln leicht geschehen können. Ich 1) Davis. Thesaurus craniorum p. 132. Se 60 VırcHow: Ueber die Weddas von Ceylon gebe daher die nachstehenden Bemerkungen mit aller Reserve, und haupt- sächlich zu dem Zweck, um wo möglich genauere Nachrichten und Sendungen von besserem Material zu provociren. Insbesondere mufs ich es als ein grolses Desiderat bezeichnen, dafs genügende Photographien, namentlich nicht zu kleine Brustbilder (Profil und Vorderansicht), in rich- tiger Horizontalstellung aufgenommen werden. Bei der Vergleichung kommen hauptsächlich die eigentlichen Sinhalesen und die Tamilen in Betracht. Nur beiläufig können die Nachkommen eingewanderter Araber (Moors, Moormen) und Malayen, noch weniger Chinesen, Birmanen, arische Indier, afrikanische Neger und Europäer herangezogen werden. Sowohl der räumlichen Ausbreitung, als der Zahl nach sind die beiden ersteren Stämme so sehr vorherrschend, dafs, auch ganz abgesehen von ihren fast ausschliefslichen, historischen Ansprüchen, sie vorzugsweise berücksichtigt werden müssen. 1) Die Sinhalesen. Sie nehmen im Allgemeinen den Süden und Südwesten des Landes ein. Nach Sir Tennent!) sind die Bewohner der Südküste von Galle bis Hambantotte die reinsten Sinhalesen. Dieser Theil bildete einen wichtigen Abschnitt der alten Provinz Rohuna, welche schon früh von Nachkommen der Gefolgschaft Wijayo’s colonisirt wurde; sie hatten weder Verkehr, noch Vermischung mit den Malabaren. Leider giebt Sir Tennent aber keine wirkliche Beschreibung der Leute. Nur gelegentlich spricht er von ihrem Bau und ihren Haaren; was ihn hauptsächlich be- schäftigt, ist ihre Neigung zu weibischer Tracht. Dies gilt in erster Linie von der Haartracht, von welcher er eine Abbildung liefert. Dieselbe komme weder im Innern, noch im Norden oder Osten vor, sondern nur an der Südwestküste. Sie lassen das Haupthaar lang wachsen, kämmen es A l’imperatrice oben von vorn nach hinten und hinten von unten nach oben, bilden daraus eine Rolle (konde) auf dem vortretenden Theil des Hinterkopfes, und befestigen das Ganze durch Kämme. Schon Ptole- maeos habe von dem langen Haar in Taprobane gesprochen und Agathemeros gebe an, dals die Männer in Ceylon ihr Haar unbeschränkt 1) Tennent l. c. Vol. II. p. 106—12. und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 61 wachsen liefsen und es am Scheitel nach Art der Weiber zusammen- bänden. Von den Kindern sagt Sir Tennent, sie seien schön und ihr Haar wellig und glänzend (wavy and shining); eine Kindergruppe sehe in ihrer Nacktheit aus, wie „lebende Bronzen“. Da auch die Männer zarte Züge und schlanke Glieder (delicate features and slender limbs) hätten, häufig bartlos seien!) und um die Hüften ein Stück Zeug (comboy), wie einen Unterrock, trügen, so sei der Eindruck ein fast weibischer. Endlich wird noch eine Notiz aus dem chinesischen Reisebericht des Hiuen Thsang beigebracht, worin der Mongole seinem Erstaunen über die vortretende Nase durch die Bemerkung Ausdruck verleiht, die Sinha- lesen hätten einen Vogelschnabel an einem menschlichen Körper. Das ist so ziemlich Alles, was ich über die Sinhalesen bei Sir Tennent finde. Die wenigen Sätze, welche Hr. von Schlagintweit?) den Bewohnern Ceylons widmet, stimmen damit überein. Etwas deut- licher, wenngleich sehr oberflächlich, sind die Anführungen der früheren Autoren. Valentijn?) sagt: De cingaleezen zijn niet heel swart, maar bruyngeel, lang en open van ooren, niet kloek van Gestalt, door de bank wat mager, zeer zwak van Leden, gezwind van licham en vrij vernuftig van Geest. Wolf*) erklärte geradezu, die Sinhalesen trügen „schwarze Haut“. Percival?) schreibt den Oeylonesen mittlere Statur, ungefähr von 5 Fufs 7 Zoll zu; die Farbe der Weiber nähere sich dem Gelben. Selkirk®) nennt die Augen der Sinhalesen glänzend schwarz (bright black), das Haar lang, schwarz und in einen Knoten (cundy) geschlungen. Die Innenseite der Hände und Fülse sei weils, der übrige Körper schwarz. Die Leute im Innern scheren den Bart selten, wohl aber die an der Küste. Sirr?) sagt, die Männer seien über mittelgrofs, etwa 5 Fuls 6 Zoll im Mittel und gut proportionirt. Ihre Farbe variıre von hell (elear) 1) Auch diese Angaben sollen sich schon in der Geschichte von Jambulos bei Diodor Lib. 5 cap. 36 finden. 2) Hermann v. Schlagintweit-Sakünlünski. Reisen in Indien und Hoch- asien. Jena 1869. Bd. 1. S. 213. 3) Valentijn l. e. Bl. 43. S)\Wolt a. a. O21.2S.155. 5) Percival a. a. ©. S. 222. 6) James Selkirk. Reecollections of Ceylon. London 1844 p. 58. MaSiunrgnloic- II. pP 38: 62 Vırcmow: Ueber die Weddas von Ceylon gelbbraun bis schwarz. Haare und Augen hätten die Farbe von Eben- holz. Die Kandier seien dunkler, kräftiger, besser gewachsen und von längerem Kopfbau. Philalethes!), der sich speciell auf Valentijn bezieht, sagt, die Farbe der Sinhalesen sei nicht ganz schwarz, sondern von einem tiefen Kastanienbraun, unterlaufen (suffused) mit einem gelben Ton. Ihre Ohren seien lang und offen, ihr Körper nicht kräftig, son- dern schlank und beweglich. Ungleich genauer ist die Schilderung, welche Dr. Davy?) giebt. Er theilt die „Singhalese race“ in drei grofe Stämme: die eigentlichen Singhalesen, die Kandier und die Veddahs. Von den ersteren, die er wesentlich nach den Bewohnern des Innern der Insel, den „Hochländern*, beschreibt, sagt er, sie seien in Bau, Sprache, Manieren, Sitten, Religion und Regierung vollständige Inder. Gleich diesen unterschieden sie sich von Europäern weniger in den Zügen, als in geringfügigen Merkmalen der Farbe, des Wuchses und der Gestalt. Die Hautfarbe wechsele von Lichtbraun bis Schwarz. Auch die Farbe des Haars und der Augen varıire, jedoch nicht so oft, wie die der Haut: schwarze Haare und Augen seien am gewöhnlichsten, hellbraune (hazel) Augen weniger ungewönlich, als braunes Haar, graue Augen und rothes Haar viel mehr ungewöhnlich, und hellblaue oder rothe Augen und hellflachsfarbenes Haar von Albinos am ungewöhnlichsten. In der Körpergrölse überträfen die Inlands- Bewohner die Niederlands-Singhalesen und die meisten Eingebornen der Küsten von Coromandel und Malabar, aber sie erreichten nicht die Grölse der Europäer. Ihr Mittelmaafs möge etwa 5 Fuls 4—5 Zoll betragen. Sie erschienen nett (clean made), mit zierlichen Muskeln und zarten Knochen. Für Inder seien sie stämmig (stout) und hätten in der Regel eine geräumige Brust und breite Schultern, zumal in den Bergdistrikten, wo sie, gleich anderen Hochländern, kürzere, aber starke und sehr mus- kulöse Ober- und Unterschenkel hätten. Hände und Fülse seien gewöhn- gegenüber den unsrigen unverhältnifsmäfsig klein. Die lich sehr klein, ja Kopfform sei im Allgemeinen gut, aber vielleicht mehr lang, als bei Europäern. Ihre Züge seien gewöhnlich hübsch und anziehend, ihre Mienen !) Philalethes I. e. p. 231. 2) Dassypalz c-2p5 109: und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 63 intelligent und belebt. Die Natur habe ihnen einen reichlichen Haarwuchs verliehen, und sie liefsen denselben im Allgemeinen im Gesicht, wie auf dem Kopfe zu einer beträchtlichen Länge fortgehen, da nach ihrer Meinung ein Bart das Gesicht nicht entstelle, sondern verschönere. Die Weiber seien in der Regel wohlgebildet und gut aussehend, oft hübsch (handsome). Ein schönes Weib sollte nach ihrer Meinung folgende Eigenschaften haben: „Das Haar üppig, wie der Schweif eines Pfauen, lang, bis zu den Knieen reichend und in gefällige Locken (curls) endigend; ihre Augenbrauen gleich dem Regenbogen und ihr Auge wie blauer Sapphir oder wie die Blumenblätter der blauen Manilla-Blume; ihre Nase wie ein Habichts- schnabel und ihre Lippen glänzend (brieht) und roth, wie Korallen oder das junge Laub des Eisenbaums; ihre Zähne klein, regelmäfsig und dicht, wie die Knospen des Jasmins; ihr Hals voll und rund, wie die Berrigodia; ihr Brustkorb gewölbt und ihre Büste fest und kegelförmig, wie die gelbe Coeosnuls; ihre Taille eng, so dafs sie mit der Hand umfalst werden könne; ihre Hüften breit, ihre Beine nach unten sich verjüngend (tapering), ihre Fufssohlen ohne Höhlung und die Oberfläche ihres Körpers weich, zart, gerundet, ohne vortretende Knochen und Sehnen. “ Davy hat das grolse Verdienst, seinem Werke eine Reihe von Abbildungen beigegeben zu haben, welche manche Verhältnifse deutlicher illustriren. Auf Pl. 6 findet sich eine colorirte Gruppe von Kandiern nach einer Zeichnung des Lieutenant W. Lyttleton, welche namentlich die dunkelbraune Hautfarbe der gemeinen Leute neben der helleren, mehr gelb- braunen des Disave erkennen läfst. Die Gesichter sind verhältnifsmäfsig lang und schmal, die Nasen stark vortretend und gebogen, die Oberlippe kurz und die Mundgegend zart. Auf Pl. 4 sind Abbildungen gegeben, welche nach Elfenbeinfiguren eines eingebornen Künstlers gezeichnet sind; hier sind die Gesichter kürzer und etwas breiter, die Nasen stark vor- tretend und gebogen, von fast jüdischem Ausdruck, die Lippen besonders der Frauen voller und schwellend, jedoch ohne Andeutung von Pro- snathismus. Cordiner!) bezeichnet die Sinhalesen als fein gebaut (of a slender make), unter Mittelgröfse, mit zarten, aber gutgeformten Gliedern (limbs 1) Cordiner l.c. p. 94. 64 Vırcmow: Ueber die Weddas von Ceylon slight, but well shaped), mit regelmäfsigen Zügen von derselben Form, wie Europäer; ihre Farbe zeige verschiedene Schattirungen, sei jedoch nicht so dunkel, wie bei den Indern des Continents; die Augen schwarz, aber das Weilse derselben auffallend klar, das Haar lang, glatt (smooth) und schwarz. Bei den höheren Klassen sei die Hautfarbe so hell, dafs sie heller erscheine, als bei brünetten Leuten in England. In allen Klassen aber sei die Volarfläche der Hände und Fülse gleichmäfßsig weils. Von den Kandiern erzählt Cordiner!), dafs sie von den Sinha- lesen nicht mehr verschieden seien, als Bergbewohner anderer Länder von der Küstenbevölkerung. Sie seien stämmiger (of a stouter make) und heller, aber nicht gröfser (not taller). Ihre Manieren seien weniger abge- schliffen und das beständige Tragen eines Bartes steigere die natürliche Wildheit ihres Aussehens. Wenn man diese Schilderungen mit den vorher mitgetheilten von den Weddas zusammenhält, so bleiben eigentlich wenig Differenzpunkte. Die Hautfarbe mag bei den letzteren durchschnittlich etwas dunkler sein, aber sie varlirt scheinbar in denselben Grenzen. In dieser Beziehung ist namentlich das Zeugnis des Dr. Davy von höchster Wichtigkeit. Das „Düstere“, was Hr. Bailey von den Weddas betont, ist wenigstens zum Theil der mangelhaften Reinlichkeit zuzuschreiben. Ebenso zweifelhaft ist es, ob die Haare differiren: stellt man das wohlgepfleste, sorgfältig ge- kämmte, glatte und nur an den Enden lockige Haar der Sinhalesen dem verwahrlosten, verzottelten, wirren, aber gleichfalls nicht krausen Haar der Weddas, welches so weit herabhängt und herumsteht, dafs es den Kopf grölser erscheinen läfst, gegenüber, so tritt die Vermuthung nahe, dafs mehr die Cultur, als eine ursprüngliche Eigenschaft den Unterschied bedingt. Die mittlere Körperhöhe der Sinhalesen scheint etwa dem höch- sten Körpermaafs der Weddas zu entsprechen, aber auch jene sind etwas kleiner, als „Europäer“. Unter allen aufgeführten Merkmalen ist genau genommen nur ein einziges, welches einen grofsen und entscheidenden Eindruck auf alle Beobachter gemacht zu haben scheint, nehmlich die Form der Nase, von der schon die alten Chinesen berichteten. Während sie bei den Sinhalesen weit vortritt, eine Adlerform hat, und wahrschein- 1) Cordiner]l. ce. p. 131. und ihre Bezielnmgen zu den Nachbarstämmen. 65 lich dem entsprechend schmaler ist, wird sie bei den Weddas als flach und mit weiten Nüstern ausgestattet geschildert. Daran schliefsen sich die dieken und stärker vorgewölbten Lippen und der grofse Mund der Weddas, vielleicht auch die geringere Höhe der Gesichter. Genug, es bleiben, wie schon Hr. Hartshorne!) andeutete, eigentlich nur ein Paar faciale Kennzeichen als diagnostische stehen. Ob das richtig ist, wird die Zukunft vielleicht ergeben, falls noch rechtzeitig genaue Beschreibungen und namentlich gröfsere Photographien der Weddas her- gestellt werden. Vorläufig können wir jedoch feststellen, dafs auch die Sinhalesen zu einer dunklen, vielleicht am besten braun zu nennenden, glatthaarıgen und nicht oder nur mälsig prognathen Rasse gehören. Wie steht es nun mit den osteologischen Merkmalen? Die Literatur bietet in dieser Beziehung etwas genauere Anhaltspunkte, jedoch aus- schliefslich für Schädel. Auch in diesem Punkte ist es das Verdienst von Davy, eine exakte Mittheilung gemacht zu haben. Wie schon erwähnt, erklärte er den sinhalesischen Schädel für länger, als den euro- päischen. Als Belag dafür gab er auf Pl. III. die Abbildung des Schädels eines sinhalesischen Häuptlings aus einer abgelegenen (secluded) Gegend des Innern in der Seiten- und Vorderansicht. Derselbe ist lang, mäfsig hoch, von stark ansteigender Hinterstirn und weit ausgelegtem Hinterkopf, die Seiten bis zur Schläfe hin etwas abgeplattet, die Jochbogen vortretend, die Augenhöhlen etwas breit und niedrig, schwach viereckig, jedoch nach aulsen und unten ausgeweitet, die Nase schmal, vortretend, mit schwach eingebogenem Rücken, niedrigem Gesicht, namentlich niedrigem und wenig vortretendem Oberkiefer. Eine neuere Beschreibung eines „Cranium Cingalensis“ findet sich bei Gerard Sandifort?). Der Schädel sei von van Hassem an Brug- 1) Hartshorne l. c. p. 409 sagt: The general appearance of the Weddas may be described as distinetly non-Aryan. The comparative shortness of their thumbs and their sharply-pointed elbows are worthy of remark, as well as their flat noses and in some cases thick lips, features which at once distinguish them in a marked degree form the oriental races living in their vicinity. 2) Gerard Sandifort. Tabulae eraniorum diversarum gentium. Lugduni Batav. 1838 (ef. Mus. anat. Acad. Lugd. Bat. 1827. Vol. III. p. 39. No. DLXXXIV.). Phys. Kl. 1881. Abh. 1. 9 66 Vırcmow: Ueber die Weddas von Üeylon mans gegeben worden und befinde sich im anatomischen Museum in Leiden. Es wird auch eine gröfsere Zahl von Messungen gegeben, aber leider ist die Mehrzahl derselben für unsere Zwecke unbrauchbar. Die Capaeität wird auf 39 Unzen Hirse angegeben. Nach der Abbildung ist es ein sehr kräftiger Schädel mit hohem, starkem Gesicht, sehr prognath, mit grolsen, weit vortretenden Zähnen, grolsem und breitem Unterkiefer, sehr langer und hoher, schmaler Nase und niedrigen, sehr schief gestell- ten, etwas eckigen Augenhöhlen. Da die Höhe derselben auf 0,031, die Breite auf 0,041 angegeben wird, so würde der Orbitalindex 75,6, also chamaekonch sein. Die interorbitale Distanz wird mit 0,024 aufgeführt. Der Autor selbst beschreibt die Schädelkapsel als oval, mit stark erhöhtem Scheitel, an den Seiten sehr abgeflacht, mit wenig vortretenden Tubera, das Hinterhaupt oblong und keineswegs kuglig, an den Untertheilen mehr platt. Die Augenhöhlen wären oblong in der @ueraxe, die Fissura orbitalis posterior weit, die Enden (vertices) der Oberkiefer ausgehöhlt. Die Nase schmal, wenig ausgehöhlt (excavatus), an den unteren Rändern ausgeschnitten (exsectus) und schräg in den gleichfalls schrägen, nach vorn vorspringenden Alveolarfortsatz des Oberkiefers übergehend. Der Gaumen stark gewölbt (fornicatum) und oblong. Ich bemerke, dafs seine Länge zn 0,059, seine Breite in der Gegend der III. Molaren zu 0,041, in der Gegend der Praemolaren zu 0,039 angegeben wird; aus den beiden ersten Maafsen würde sich ein Gaumenindex von 69,4, also ein äufserst leptostaphylines Maafs berechnen, welches freilich nicht ganz mit meinem Maafse, welches in der Gegend der II. Molaren genommen ist, zu ver- gleichen ist. Die senkrechte Höhe des Schädels wird zu 0,145, die tuberale Parietalbreite zu 0,126, die Jugalbreite zu 0,138, die Kiefer- winkeldistanz zu 0,110 angegeben. Eine weitere Angabe finde ich in dem Katalog des Museum Vrolik in Amsterdam!), wo unter No. 66 der Schädel eines Eingebornen von Ceylon aufgeführt wird, den Professor Bernard geliefert hatte. Er wird mit dem Uranium Cingalensis von Sandifort verglichen, von dem er sich hauptsächlich durch seine weniger prognathen Kiefer unterscheide. Es sei ein schöner, kräftiger, dolichocephaler und ein wenig prognather Schädel: die Stirn lang, aber wenig hoch, die Seitentheile stark zusammen- 1) Musee Vrolik. Catalogue par J. L. Dusseau. Amsterdam 1865. p. 22. und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 67 gedrückt, die Wangenbeine stark und alle Muskelansätze beträchtlich ent- wickelt. Nach den angegebenen Maalsen berechnet sich ein Längenbreiten- index von 72,2, ein Längenhöhenindex von 75 und ein Gaumenindex VOonWA3,TE Hr. Welcker!) giebt in seinen kraniologischen Tabellen beiläufig die gemittelten Indexzahlen für 5 Sinhalesenschädel, ohne jedoch anzu- geben, wo sich dieselben befinden. Wahrscheinlich befinden sich darunter die eben genannten beiden holländischen Exemplare. Er bestimmt den Breitenindex zu 73,4, den Höhenindex zu 77,2. Eine gröfsere Zahl sinhalesischer Schädel ist bei Hrn. Barnard Davis?) aufgeführt, nehmlich ein ganzes Dutzend. Indefs wird einer derselben ausdrücklich einem Mischling von Malabaren und Sinhalesen, ein anderer einem Brahminen zugeschrieben, und sie können daher hier wohl aufser Betracht bleiben. Von den übrig bleibenden 10 ist je einer von Pantura, Kandy, Negombo und Colombo, die anderen sind unbestimmt. Die Hälfte wird als männlich, die andere Hälfte als weiblich bezeichnet. Einer (No. 982), welcher der Form nach klinocephal genannt wird und vor dem Hinterhauptsloche einen Processus papillarıs hat, zeigte nach Hrn. Davis „einen Grad von Mikrocephalie“, aber seine Capacität betrug 1474,6 Cub.-Cm, was nicht gerade für die Zulässigkeit einer solchen Deutung spricht. Ich gebe nachstehend eine kurze Zusammenstellung der Hauptergebnisse: yo Längenbreiten- Längenhöhen- De Ma Index | Index Nummern der Schädel. ö Ohr I Sr ale 5 Q 315 _ | 1175,7 — 72 — 70 979 —_ 1394,9 — 74 —_— 78 980 1235,5 — 76 — 54 — 981 —_ 1355,1 _ 75 —_ 74 982 za 1474,6 ja 65 m 72 933 _ 1494,6 — 70 —_— 80 954 1673,9 == 75 — 76 a 1007 1614,1 | = 72 — 70 — 1008 1693,8 == 73 - 74 == 1009 1275,4 — 72 u 76 — Mittel 14985 | 1378,9 713,6 71,2 76 74,8 Gesammtmittel (10) | 1438,8 | 72,4 75,4 !) Archiv für Anthropologie 15866. Bd.I. S. 154, 157. ?) Jos. Barnard Davis. Thesaurus eraniorum p. 132. 9 68 Vırcmow: Ueber die Weddas von Ceylon Die gemittelten Indices treffen sehr genau mit den Indices des Schädels aus dem Museum Vrolik überein. Die Dolichocephalie ist sehr ausgesprochen, wenngleich nicht so stark, wie bei den Weddas; das Höhenmaals stimmt ziemlich gut mit dem der Weddas, dagegen ist die Capacität sehr viel gröfser. Eine ganz abweichende Schilderung von dem Schädel eines Sinha- lesen giebt Hr. Zuckerkandl!). Dieser, von der Novara-Expedition herstammende, jedoch ohne alle weiteren Angaben über die Provenienz beschriebene Schädel hatte eine Capaeität von 1505 Cub.-Cm. und einen Längenbreitenindex von 86,1. Er ist also hyperbrachycephal. Man wird wohl ohne Weiteres behaupten dürfen, dafs derselbe entweder in hohem Maafse pathologisch, oder geradezu verwechselt sein muls. Für letztere Annahme spricht der Umstand, dafs die Schneide- und Eckzähne der Ober- kiefer flach gefeilt sind, — eine Erscheinung, deren ich bei den Sinhalesen nirgends Erwähnung gemacht finde und die stark auf eine malayische Herkunft hinweist. Für die Annahme einer pathologischen, vielleicht deformirten Bildung sprieht die Angabe, dafs das Cranium asymmetrisch, das Stirnbein flach und „rückfliegend“ und die Hinterhauptsschuppe flach- gedrückt ist, letzteres in so hohem Grade, dafs die obere Hälfte derselben „fast wellenförmig eingesunken ist.“ Man wird daher diesen Schädel wohl aus der Vergleichung ausschliefsen können. Was meine Schädel angeht, so habe ich schon bemerkt, dafs ein als sinhalesisch bezeichneter Kinderschädel sehr wahrscheinlich auszu- scheiden ist. Da er jedoch einmal die deutliche Angabe trägt, so werde ich ihn hier mit den anderen beschreiben: Schädel No. 1. (Taf. II.) Ein männlicher, ziemlich grols erscheinender, noch jugendlicher Schädel ohne Unterkiefer. Synehondrosis sphenooceipitalis geschlossen, Weisheitszähne ausgetreten, Die Vorderzähne sind nachträglich ausgefallen; die restirenden Molaren und I Prämolaren sind sehr grofs, an den Kronen nur wenig abgenutzt, dagegen mit einem dicken schwar- zen Ueberzug (Betel) versehen, zum Theil schwarz imbibirt und stark abgenutzt. Die Muskelansätze kräftig, jedoch die Stirnwülste nicht stark. Die Knochen gelbbraun, glatt, glänzend und fest. 1) Reise der österreichischen Fregatte Novara. Anthropologischer Theil. Erste Abtheilung: Cranien der Novara-Sammlung, beschrieben von E. Zuckerkandl. Wien 1875. S. 24. und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 69 Der Schädel ist in Wirklichkeit kleiner, als er aussieht: er hat nur 1110 Cub.- Cm. Capaecität. Der Längenbreitenindex, 71,3, ist stark dolichocephal, der Längen- höhenindex, 72,5, orthocephal. In der Norma verticalis erscheint das Schädeldach lang und schmal, nach hinten und vorne verjüngt, mälsig phaenozyg; die Tubera parietalia breit ausgelegt. Der Schädel ist schief (plagiocephal), besonders hinten und unten, wo auf der linken Seite, jedoch noch am Parietale, eine schräge Abflachung, rechts dagegen eine stärkere Wölbung zu bemerken ist. Vorn ist die Bildung gleichmälsiger, jedoch ist die rechte Stirnhälfte etwas schief, der rechte Jochbogen kürzer, als der linke, die Nase steht etwas schief nach links und die Gaumennaht weicht in ihrem hinteren Theile ein wenig nach links ab. Auch die Pfeilnaht liegt nicht genau median. Mancherlei Zeichen prämaturer Synostose sind vorhanden. So jederseits, jedoch in gröfserer Ausdehnung links, in der Mitte der Seitentheile der Kranznaht und an verschiedenen Punkten der Pfeilnaht, an welcher das rechte Emissarium fehlt und das linke sehr klein ist. Die unteren Seitentheile der Kranznaht sind ganz obliterirt, links in einer Länge von 30, rechts von nur 22 mm. Die offenen Nähte sind verhältnilsmälsig einfach, jedoch haben die Pfeilnaht in ihrem mittleren Theile und die Lambdanaht ver- hältnifsmälsig grolse und breite Zaeken. Letztere ist an der Spitze sehr gedrückt und seitlich, besonders links, mit einigen Schaltknochen durchsetzt. Jederseits in der Gegend, wo sonst die Sutura transversa oceipitis abgeht, ein in das Parietale eingreifender Schalt- knochen, links grölser, aber an seinem medialen und oberen Umfange synostotisch. In der Seitenansicht erscheint der Schädel lang und niedrig. Die eigentliche Stirn ist niedrig, etwas schräg, die Tubera frontalia nur mälsig deutlich, die Hinterstirn lang und stark ansteigend.. Die grölste Höhe liegt an der Coronaria; dahinter eine leichte Einsenkung. Die senkrechte Höbe fällt einen Finger breit hinter die Coronaria. Der hintere Abfall der Scheiteleurve beginnt in der Tuberalbreite und ist sehr lang, die Oberschuppe stark ausgewölbt. Die Plana temporalia grols, sie erreichen die Tubera parietalia und überschreiten die Lambdanaht. Die vorderen Theile der Schläfengruben uneben und feingrubig. Die Squama temporalis jederseits platt und hoch, besonders links. Jederseits ein starker Processus frontalis, der nur etwas undeutlich ist wegen der ausgedehnten Synostose der Coronaria. Die Ala temporalis niedrig und ganz überlagert von dem sehr breiten Fortsatz, der von der Squama temporalis aus rechts ziemlich gleich- mälsig, links etwas gezackt, jederseits aber noch vorn zugespitzt verläuft. In Folge davon Stenokrotaphie, jedoch liegt die, übrigens recht stark vertiefte Stelle ziemlich weit nach unten auf der Fläche der stark eingefalteten Ala, und zwar unmittelbar an der Ver- einigungsstelle der Sutura sphenofrontalis, zygomatico-frontalis und sphenozygomatica. Der Fortsatz erscheint links mehr zugespitzt, rechts fast trapezoideal. Die Maalse betragen rechts: links: Länge des Proc. temp. oben 15 mm, 12 mm, , nE> unten 10555 Sr Breite der Ala tempor. ER, HE, In der Norma oceipitalis ist der Schädeleontour nahezu fünfeckig: die Seiten- theile fast gerade abfallend, nur unten etwas divergirend, das Dach mit schwach gewölb- ten Seitenflächen, die Basis ziemlich gerade. Die Oberschappe stark herausgebogen und 70 Vırcuow: Ueber die Weddas von Ceylon seitlich abgeflacht. Keine Protuberantia oceipit. externa. Die Linea semicireularis supe- rior et inferior kräftig; Linea suprema sehr schwach. Dagegen findet sich jederseits, besonders stark links, ein scharfer und tiefer Absatz der Facies musularis gegen die Facies laevis, der in seinem unteren Theile der Richtung der Linea superior folgt, dann eine tiefe Einbuchtung in medialer Riehtung macht und nach oben parallel mit der Linea suprema, unter derselben ausläuft. Dadurch entsteht jederseits eine lange, vertieft liegende Zunge der Faeies laevis, welche bis unter die Sutura transversa reicht. Die Cerebellar- gruben mälsig vorgewölbt. Die Facies muscularis mit tieferer Zeichnung. Keine grölseren Emissaria mastoidea, dafür aber ein grölseres Gefälsloch jederseits nahe an der Crista perpendieularis. Das Foramen magnum nach hinten gerundet, nach vorn mehr oval, 31 mm lang, 26 breit, also Index 83,8. Gelenkhöcker weit vortretend und gebogen. Processus mastoi- des schwach, mit tiefer Ineisur. Proc. styloides kräftig. Apophysis basilaris etwas flach gestellt. Processus pterygoides mit weit ausgelegter Lamina externa. Tiefe Gelenkgruben für den Unterkiefer. In der Norma frontalis erscheint der Mittel- und Vorderkopf hoch, die Fontanell- gegend erhaben, das Gesicht dagegen niedrig und schmal. Orbitae niedrig, fast vier- eckig, Index 76,9, also stark chamaekonch. Fissura sphenomaxillaris nach vorn ausgeweitet. Der äufsere Rand der Augenhöhle ist dicht unterhalb der Sutura zygomatico- frontalis etwas eingebogen, indem hier der Processus frontalis des Wangenbeins etwas nach hinten eingedrückt ist. Die Nase niedrig, oben, wo sie in den breiten Nasenfortsatz des Stirnbeins eingreift, schmal, der Rücken eingebogen und etwas gerundet, aber vortretend und daher aquilin, die Apertur unten breit, oben schmal, daher dreieckig; Index 57,7, also platyrrhin. Fossae caninae voll, Foramina infraorbitalia grofs und besonders das linke mit einer rundlichen Vertiefung auf der Fläche der Fossa canina in Verbindung. Alveo- larfortsatz kurz, in der Mitte 13 mm lang, schräg vortretend. Alveolen weit. Gaumen grols, namentlich lang: Index 75,4, also leptostaphylin. Die Sutura transversa palati liegt weit nach vorn, 17 mm vor der Spina nasalis posterior, welche kurz und abgerundet ist. Die Zahneurve vorn weit, an den Seiten fast gerade, nur nach hinten leicht eonver- girend. Der Gaumen daher lang, von prognather Beschaffenheit und etwas an pithecoide Formen sich anschliefsend. Die Wangenbeine haben jederseits eine, von der Sutura zygomatico-temporalis hervorspringende „hintere Ritze“, rechts 6, links 5 mm lang und 3 Foramina zygomatica. Die Tuberositas malaris hat eine mälsige Grölse und gehört wesentlich dem Oberkiefer an; die Tuberositas marginalis temporalis, besonders die linke, sehr kräftig, und der Knochen unterhalb derselben stark eingebogen. Schädel No. 2. Ein seniler, ganz zahnloser, wahrscheinlich männlicher Schädel ohne . Unter- kiefer von sehr mälsiger Capacität (1200 Cub.-Cm.), aber stark dolicho-orthocephal (Längenbreitenindex 70,2, Längenhöhenindex 73,2). Er zeigt überall grofse Neigung zu Synostosen: die Sagittalis ist ganz ver- striehen, ohne Spur, vorn an der Fontanellgegend ein breiter Vorsprung gegen das Stirnbein als Zeichen der frühen Obliteration. Die Emissarien sind vorhanden, aber sehr genähert (Distanz 10 mm); das rechte erheblich vergrölsert. Die Coronaria in ihren und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 71 unteren Theilen rechts in grölserer Ausdehnung obliterirt, links ganz einfach und im Verstreichen. Rechts ist auch der hintere Abschnitt der Sphenofrontalis verwachsen; die Sphenoparietalis beiderseits undeutlich. Die Lambdoides zeigt an ihrer Spitze Spuren von Verwachsung. In der Norma verticalis ist der Schädel sehr lang und schmal, vorn stark ge- wölbt, hinten verschmälert, mit stark vorspringendem Lambda-Winkel, übrigens phaenozyg. Die Tubera sehr breit vortretend, daher etwas klinocephale Form. Rechts am Parie- tale dicht hinter der Coronaria ein Paar flache Exostosen. In der Norma temporalis sieht der Schädel mehr lang als hoch aus. Die Mitte der Scheiteleurve ist flach, ihr frontaler Abschnitt stark gewölbt, der hintere bis zum Lambda-Winkel schräg abfallend, dann jedoch an der Oberschuppe stark gewölbt. Hohe, bis zu den Scheitelhöckern und der Lambdanaht ansteigende Plana. Squama temporalis platt. Alae gegen die Mitte vertieft, besonders die rechte, welche sich nach unten sehr verschmälert. An ihrer Spitze nach hinten ein unregelmälsig trapezoides Epiptericum, 11 lang, 8 hoch, mit zackigen Rändern, welche nach vorn etwas undeutlich sind. Der Angulus parietalis sehr kurz und, soweit man bei der Synostose der unteren Coronaria und des anstolsenden Theils der Sphenofrontalis beurtheilen kann, bis auf eine Strecke von 4 mm von der Berührung mit der Ala ausgeschlossen. rechts: links: Gerade Breite der Ala sphen. oben 21 mm, 24 mm, n = ER „ unten 12% 10 Die Norma oecipitalis zeigt sehr hohe, gerade Seitentheile mit einfacher, flacher Wölbung des Daches und gerader Basis. Lambdoides zackig. Oberschuppe stark aus- gewölbt, aber kurz, unten seitlich etwas abgeflacht. Deutliche Linea semieircularis suprema. Am oberen Ende der Crista perpendieularis eine stark höckerige Protuberanz. Sehr tiefer Absatz unterhalb der Lineae semic. superiores. Grolse Cerebellar-Wölbungen mit einer Vertiefung zwischen ihnen. Gut entwickelte Emissaria mastoidea. Die Basis cranii lang und nach hinten ausgeschoben. Processus mastoides klein, mit tiefer Ineisur. Foramen magnum klein, 31 mm lang, 28 breit; Index 90,3. Stark vorspringende Gelenkhöcker. Sehr lange und starke Griffelfortsätze. Auf der Mitte der Apophysis basilaris ein schief nach hinten eindringendes grolses Emissarium basilare, welchem ein tiefer, unregelmälsig ausgebuchteter Sulcus auf der Fläche des Clivus Blumen- bachii entsprieht, der nach oben und links mit dem Sinus cavernosus zusammengehangen zu haben scheint. Tiefe und weite Gelenkgruben für den Unterkiefer. Sehr grolse Laminae externae an den Flügelfortsätzen, besonders links. Links ein extrem grolses Foramen ovale. In der Vorderansicht erscheint das Mittelhaupt hoch und breit, das Gesicht zart, niedrig und breit. Die Orbitae mehr oval und höher, sowohl nach innen und oben, als nach aufsen und unten etwas ausgeweitet, trotzdem leicht viereckig; Index 82,9, also mesokonch. Auffallend weite Fissura sphenomaxillaris. Nase sowohl oben als unten schmal, Rücken stark vorspringend, in der Mitte eingebogen, leicht aquilin, Index 46, also leptorrhin. Die Sutura nasofrontalis springt convex nach oben in den Nasenfort- satz des Stirnbeins ein. Spina anterior inferior sehr kräftig und weit vortretend, Crista und Septum sehr dick. Am Wangenbein jederseits eine kurze Andeutung einer hinteren 12 Vırcmow: Ueber die Weddas von Ceylon Ritze, welche jedoch sehr hoch liegt; jederseits 3 kleine Foramina zygomatica. Fossae caninae wenig vertieft, dagegen verläuft von dem colossal weiten Foramen infraorbitale jederseits, am stärksten ausgebildet links, eine ganz tiefe Rinne bis an den Alveolar- fortsatz. Der Zahnrand ganz zahnlos, aber noch einzelne offene Alveolen, besonders links in der Gegend der Prämolaren und vordern Molaren; die meisten Alveolen, na- mentlich die der Ineisiven, sind ganz verstrichen und der Fortsatz geschwunden, so dals die Form des sehr verkleinerten Gaumens unsicher ist. Auffällig ist auch hier die weit nach vorn vorgeschobene Lage der Quernaht, 14 mm von dem hinteren Rande entfernt. Die Spina nasalis posterior fehlt ganz, statt dessen ein niedriger, doppelter Vorsprung, links stärker als rechts. Schädel No. 3. Ein vielleicht weiblicher Kinderschädel mit noch nicht gewechselten Milchzähnen. Die äufseren oberen Schneidezähne liegen noch in ihren Höhlen eingeschlossen. Die Sutura ineisiva am Gaumen sehr deutlich. Die Prämolares und Molares I entwickelt und sehr grols. Die Prämolares I mit 3 Wurzeln (2 äufseren und 1 inneren), der rechte überdies mit einer Schmelzexostose. Die Alveolen der Molares II sind offen, sehr weit und leer, aber die Zähne waren wohl noch nicht völlig ausgebrochen. Die Oeffnungen der Alveolen der Weisheitszähne liegen noch ganz weit nach oben und rück- wärts. Die Synchondrosis sphenooceipitalis klafft sehr breit. Rechts an der Squama oceipitalis eine Sutura mendosa in der Richtung der Sutura transversa von 24 mm Länge; rechts nur eine schwache Andeutung davon. Trotz seiner Jugend ist der Schädel grölser, als die beiden vorhergehenden: seine Capaeität beträgt 1250 Cub.-Cm. Dafür ist er mesohypsicephal (Längenbreiten- index 76,7, Längenhöhenindex 77,3), also in seiner Form gänzlich abweichend. In der Oberansicht erscheint er hinten ganz kurz abgeschnitten und etwas schief, in der Gegend der Scheitelhöcker breit ausgewölbt, nach vorn verjüngt, aber doch mehr breit. Er ist kaum phaenozyg. Die Nähte sind offen, aber die unteren Theile der Kranznaht und der hintere Abschnitt der Sagittalis sehr einfach. Das linke Emissarium parietale bis auf einen kaum sichtbaren Punkt verschwunden, das rechte deutlich, aber der Naht sehr nahe gerückt. Lambdoides grolszackig, mit Schaltknochen gegen die Spitze und in der Nähe der Seitenfontanelle.e Tubera parietalia und frontalia breit vortretend. In der Seitenansicht hat der Schädel ganz weibliche Form: die niedrige Stirn geht mit schneller Wendung in die lange und flache Scheiteleurve über, von welcher hinten ein sehr hoher Abfall mit flacher Wölbung der Oberschuppe stattfindet. Dabei erscheint der Schädel hoch. In der rechten Schläfengegend ein sehr grolses Epiptericum, 25 mm lang, 10 hoch, schief viereckig. Dasselbe unterbricht die Verbindung der Ala mit dem Angulus parietalis, auf dessen Kosten es sich hauptsächlich entwickelt hat, voll- ständig. Die Ala ist vertieft und zeigt in ihrem mittleren Theil Stenokrotaphie. Dafür ist die Pars temporalis des Stirnbeins bombenförmig vorgewölbt. Links sind die Ver- hältnisse fast normal, jedoch besteht auch hier die Wölbung der Orbitalportion des Stirn- beins, und die Ala greift weiter in die letztere ein. rechts: links: Breite der Ala oben 13 20, - nr Mitte 10 12. und ihre Beziehnmgen zu den Nachbarstämmen. 73 In der Hinteransicht ist der Schädel sehr hoch und breit, die Seitentheile gerade, nach unten leicht convergirend, das Dach flach rundlich. Das Hinterhaupt hoch, die Oberschuppe fast kuglig vorgewölbt. Keine Protuberanz, Lineae semieirculares schwer sichtbar. Cerebellar-Wölbungen sehr ausgebildet, über der Sutura mendosa ein tiefer Quer-Eindruck (Einschnürung?), der die kuglige Oberschuppe gleichsam abschliefst und an der Lambdanaht am tiefsten ist. Die Unteransicht erzeugt den Eindruck der Breite hauptsächlich in der Mastoideal- Gegend, während das seitlich eingedrückte und sehr verjüngte Hinterhaupt eher lang erscheint. Die Warzenfortsätze klein, mit tiefer Ineisur. Das Foramen magnum sehr grols, namentlich lang, und nach hinten in der Mitte des Randes mit einer seeundären Ausbuchtung (Andeutung einer Spina bifida oceipitalis?). Jederseits vor derselben eine verdickte und mit einer glatten Artikulationsfläche, offenbar zur Aufnahme des Atlas- ringes, versehene Stelle. Länge des Foramen (mit der Ausbuchtung) 36, Breite 25 mm. In der Vorderansicht erblickt man eine niedrige und breite Stirn mit deutlichen Tubera und starkem Nasenfortsatz. Am unteren Theil des letzteren ein kurzer Rest der Stirnnaht. Die Orbitae hoch und grofs, in der Richtung nach unten und aulsen diagonal erweitert; Index 83,3, also mesokonch. Die Nasenwurzel breit und etwas abgeflacht, der Rücken flachgewölbt und kurz, nach unten vorgebogen, die Sutura nasofrontalis flach und nur wenig über das Niveau der Sutura maxillo- frontalis vorspringend. Die Apertur hoch und dreieckig, mit gerundeten Winkeln; Nasenindex 55,5, also platyrrhin. Alveo- larfortsatz gar nicht prognath, aber die Zähne etwas schief vorwärts gerichtet. Gaumen kurz und breit, leicht hufeisenförmig, mit grofser (17 mm von vorn nach hinten langer) Palatinalplatte; Index 86,8, also brachystaphylin. Die Zahneurve kurz und weit, nach hinten divergirend. Aus dieser Beschreibung leuchtet von selbst ein, dafs der letzte der drei Schädel in Hauptsachen von den beiden anderen abweicht, und es ist leicht zu ersehen, dafs diese Abweichung noch sehr viel gröfser seworden sein würde, wenn das Kind am Leben geblieben und sich weiter entwickelt hätte. Es wird sich später herausstellen, dafs er in denselben Hauptsachen den Schädeln der Tamilen sich annähert, wenngleich diese unter sich nicht ganz geringe Differenzen darbieten. Ich möchte nun nicht so weit gehen, ihn geradezu für einen Tamilen-Schädel zu erklären; es wäre ja sehr leicht möglich, dafs er einem Bastarde angehörte, und der (schon 8. 67 erwähnte) Umstand, dafs der Schädel No. 316 aus der Sammlung des Hrn. B. Davis, welcher bestimmt als der eines Mischlings von Mala- baren und Sinhalesen bezeichnet wird, in den Indices fast genau mit ihm stimmt (Längenbreitenindex 77, Längenhöhenindex 78), spricht stark zu Gunsten einer solchen Annahme. Zum Mindesten empfiehlt es sich daher, ihn zunächst von der Betrachtung auszuschlielsen. Phys. Kl. 1881. Abh. 1. 10 74 Vırcmow: Ueber die Weddas von Ceylon Ich will dann aber sogleich hinzufügen, dafs dieselben Gründe auch gegen die Zulassung des Schädels No. 980 von Hrn. Davis sprechen. Derselbe hat einen Längenbreitenindex von 76 und einen Höhenindex von 84, obwohl er einem senilen Individuum mit totalem Schwund der Alveolarfortsätze angehörte. Scheidet man ihn sowohl, als meinen Schädel No. 3 aus, so bleibt ein verhältnifsmäfsig homogenes Material, welches eine hohe Wahrscheinlichkeit bietet, dafs es den typischen Verhältnissen entspricht. Zur Unterstützung dieser Ansicht dient der Umstand, dafs die Abbildungen, welche Davy, selbst die, welche Sandifort gegeben hat, nicht nur mit der von mir auf Taf. Il. gelieferten, sondern auch mit den sonstigen Beschreibungen und Messungen in den Hauptstücken über- einstimmen. Trotzdem ist leider das vorhandene Material keineswegs genügend, um alle Fragen zu entscheiden. Der Mangel der Unterkiefer bei allen meinen Schädeln ist ein höchst empfindlicher Verlust, und der senile Zustand, sowie die ausgedehnte Synostose des einen der zwei scheinbar reinen Schädel (No.2) macht selbst seine Benutzung in Bezug auf alle Punkte, in denen er abweicht, zweifelhaft. Auch der dritte, noch übrige Schädel (No. 1) ist nicht frei von grofsen, offenbar individuellen Abweichungen, denn er zeigt nicht blofs trotz der Jugend seines Trägers gleichfalls schon sehr zahlreiche Naht-Verwachsungen, sondern namentlich jederseits einen srolsen Processus frontalis squamae temporalis. Diese Erörterung ist in hohem Maafse lehrreich, um zu zeigen, wie unsicher es ist, auf Grund einzelner oder weniger Schädel Rassen- bestimmungen zu machen, und wie nothwendig es ist, namentlich für so verwickelte ethnologische Verhältnisse, wie die von Ceylon, ein grölseres, historisch oder anamnestisch gut bestimmtes Material zur Stelle zu haben. Auch im vorliegenden Falle halte ich mich nur deshalb berechtigt, auf die Benutzung der mir zugegangenen Schädel nicht zu verzichten, weil in der Vergleichung der aus anderen Sammlungen heranzuziehenden Schädelbestimmungen genügende Mittel der Controle gegeben sind. Wir können, abgesehen von dem nicht gemessenen, sondern nur abgebildeten Schädel aus dem Werke von Davy, sowie von den ohne Einzelangaben von Hrn. Welcker aufgeführten 5 Schädeln und von dem nach ganz abwei- chenden Maalsmethoden beschriebenen Schädel des Hrn. Sandifort, 12 Sinhalesen-Schädel in Betracht ziehen, nehmlich einen aus dem Museum und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 75 Vrolik, 9 aus der Sammlung des Hrn. Davis und 2 in meinem Besitz befindliche. Diese würden schon eine recht breite Unterlage für das Urtheil abgeben, wenn in den Angaben des Hrn. Davis nicht wichtige Zahlen ganz fehlten, wie namentlich die für die Maaflse der Augenhöhlen, der Nase und des Gaumens. Meine Arbeit kann daher in mehreren Be- ziehungen nur als eine vorbereitende gelten. Bei der Betrachtung der Einzelverhältnisse ergiebt sich zunächst, dafs der sinhalesische Schädel im Mittel erheblich gröfser ist, als der Wedda-Schädel. Wenn man (unter Ausschlufs der 2 zweifel- haften) 9 Schädel von Hrn. Davis und 2 von mir zusammennimmt, so berechnet sich aus diesen 11 Schädeln ein Mittel von 1406 Cub.-Um., also ein um 145 Cub.-Om. über das Weddamittel hinausgehendes Maafs. Freilich sind auch hier die Schwankungen sehr grofs: die beiden Extreme von 1110 und 1694 Cub.-Cm. liefern eine Differenz von 584, fast so grols, wie wir sie bei den Weddas antrafen. Indefs zeigt eine Zusammen- stellung alsbald, dafs die gröfsere Frequenz bei den Sinhalesen auf viel höhere Zahlen fällt: Weddas: Sinhalesen: 901—1000 Oub.-Cm. 1 ) —\| or a 1101-1200 3| 3 | 120 _ Fa] t) 1501—1400 & 2 | 2\ 1401—-1500 a N 2 Ir über 1600 R 3 | b) | Entsprechend der gröfseren Capacität sind auch die Umfangs- maalse bei den Sinhalesen ungleich weiter. Zunächst für den Horizontalumfang habe ich in ähnlicher Weise, wie für die Weddas, die Zahlen des Hrn. B. Davis in Metermaals übertragen. Indem ich auch hier den Schädel No. 980 auslasse, erhalte ich im Mittel für 4 männliche Schädel 552 mm, 5 weibliche 5 AA, nn 9 Sinhalesen-Schädel 5ll mm. 10* u | © Vırcnow: Ueber die Weddas von Ceylon Gegenüber den Wedda-Schädeln des Hrn. Davis beträgt die Differenz zu Gunsten der Sinhalesen 26, 11 und 23 mm. Meine beiden Schädel, deren geringere Capacität aus den vorher mitgetheilten Zahlen erhellt, ergeben auch nur 482 und 493 mm Horizontalumfang, also bei dem einen etwas weniger, bei dem andern etwas mehr, als das Mittel der von mir gemessenen Colombo-Schädel. Dagegen ist der Vertikalumfang (398 und 293 mm) bei meinen Sinhalesen gröfser, als das Mittel der Colombo-Schädel (289 mm). Indefs hat der eine der letzteren, No. 5, ein höheres Maafs (300 mm). Im Mittel beträgt der Vertikalumfang meiner beiden Sinhalesenschädel 192 mm weniger als der Horizontalumfang, von welchem er 60,5 pÜt., also etwas mehr als bei den Weddas, ausmacht. Den sagittalen Längsumfang habe ich für die Schädel des Hrn. Davis gleichfalls berechnet. Ich erhalte im Mittel für 4 männliche Schädel 395 mm, 5 weibliche n Sure n 9 Sinhalesen-Schädel 380 mm, während meine eigenen Messungen 354 und 365 mm ergeben. Die ent- sprechenden Mittel bei den Wedda-Schädeln betrugen 366 (Davis) und 355 (Virchow) mm. Was die einzelnen Abschnitte des Sagittalbogens anlangt, so finde ich folgende Mittel aus den Zahlen des Hrn. Davis: Frontaler Parietaler Oceipitaler Abschnitt: 4 männliche Schädel 136 mm, 156 mm, 120 mm, 5 weibliche F RR laser De 9 Sinhalesenschädel 132 mm; "133 mm,..115 mm, oder, nach Procenten des ganzen Sagittalbogens: 4 männliche Schädel 34,6 534,6 30,5, 5 weibliche " sdhuln Bl 297, 9 Sinhalesenschädel 34,7 57 Uli (8): Hier tritt gegenüber den Weddas in sehr charakteristischer Weise die gröfsere Betheiligung des Stirnbeins und der Scheitelbeine, namentlich die des ersteren, dagegen die geringere Betheiligung der Hinterhaupts- schuppe hervor. und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. a7 Bei meinen beiden Schädeln stellen sich die Verhältnisse am gün- stigsten für das Mittelhaupt, also mehr nach dem weiblichen Typus der Schädel des Hrn. Davıs: No.1 33,6 35,3 31,0, m en 35,6 30,4. Das procentische Verhältnifs des sagittalen Längsumfanges zu dem Horizontalumfange beträgt für die Schädel des Hrn. Davis 74,3, für die meinigen 73,7, demnach nahezu dieselben Zahlen, wie bei den Weddas. In Bezug auf die Kopfform habe ich schon früher (8. 67) die Einzelangaben für die Schädel des Hrn. Davis mitgetheilt. Das Ver- hältnils für den gemittelten Längenbreitenindex ist danach folgendes: Dusseau: 1 Schädel 72,2, Davis: 9 n 72,0, Venom: 192 “ STE ım Ganzen aus 12 Schädeln 71,8. Auch dieses ausgezeichnet dolichocephale Maals stimmt fast genau mit dem Wedda-Mittel (71,6) überein. Selbst wenn man die 5 von Hrn. Welcker gemessenen Schädel heranzieht, und dafür den von Hrn. Dusseau erwähnten Schädel ausläfst, berechnet sich das Mittel für 16 Schädel auf nur 72,2. Auf die Geschlechtsdifferenzen will ich keinen besonderen Werth lesen, nachdem sich schon bei den Weddas wider- sprechende Zahlen ergeben hatten. Ich will nur constatiren, dafs auch nach den Angaben des Hrn. Davis die sinhalesischen Weiberköpfe ein geringeres Verhältnils (71,2), als die Männer (73,0) zeigen. Dabei muls aber erwähnt werden, dafs der schon früher hervorgehobene Schädel No. 982, den Hr. Davis aus nicht zu erkennenden Gründen der Mikro- cephalie bezüchtigt, einen Index von nur 65 besitzt. Läfst man ihn aus der Rechnung, so erhält man für die 4 sinhalesischen Weiberschädel des Hrn. Davis einen gemittelten Index von 72,7. Besonders bemerkenswerth ist, dals dıe sämmtlichen, in Einzelheiten bekannten Sinhalesen-Schädel (den schon mehrfach besprochenen und aus den Rechnungen ausgeschiedenen Schädel No. 980 des Hrn. Davis aus- genommen) sich innerhalb der Grenzen der Dolichocephalie bewegen, während unter 20 Wedda-Schädeln, auch nach Ausscheidung der defor- mirten, sich 4 Mesocephalen befanden. Wäre man der Provenienz ganz 78 Vırcmow: Ueber die Weddas von Ceylon sicher, so mülste man daraus eigentlich auf eine besondere Gleichmälsig- keit der Rasse bei den Sinhalesen schliefsen. Was die Verhältnisse der einzelnen Schädeltheile zu der Gesammt- länge anbetrifft, so habe ich darüber eine ähnliche Berechnung angestellt, wie früher (S. 54) bei den Weddas: No..l: No./2: Index « 29,7 29,8, 5 b 55,6 58.9. Im Ganzen sind auch diese Maalse etwas grölser, als bei den Weddas, indefs doch keineswegs in constanter oder charakteristischer Weise. Die absoluten Zahlen für die gröfste Länge und Breite des Schädels lauten für die Sinhalesen im Ganzen grölser, als für die Weddas. Ich gebe hier zunächst eine Zusammenstellung sämmtlicher Längen-, Breiten- und Höhenmaalse für die sinhalesischen Schädel: Länge: Breite: Höhe: Dusseau 150 mm 130 mm 155 mm. Davis--315- 1a 7 + ar 21228,57° 1219, 2 979° 17158 .2, 4182. - Heyızan 981: 1192... 182.12. ..129:9°, 982:.182,8. Su LO Ska > 983: 180,3, „ 1295, 14485,, 984: 193,0 „ 144,8, 147,3 1007: 195,6 „ 142,2, 134,6 1008: 198,1... „ 144.80 a7). 1009. 182-8... AS2sh 77 Ale z Virchow L317853 15a 3 a Ta ae Man ersieht daraus, dafs die gröfste Länge bei 3 (mänmlichen) n Schädeln über 190 mm und nur bei 4 (meist weiblichen) Schädeln unter 180 mm beträgt. Von den 12 Schädeln haben 7 eine Länge von über 180 mm. Der sinhalesische Schädel übertrifft demnach den Wedda-Schädel an Länge. Ebenso verhält es sich mit der sröfsten Breite. Von den 12 Schädeln hat die Hälfte eine Breite von über 130 mm, 3 davon sind sogar über 140 breit; nur 5 sind unter 130. und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 79 Was die senkrechte Höhe angeht, so ist dieselbe bei den Sin- halesen, wie bei den Weddas, in der Regel gröfser, als die gröfste Breite. Nur bei 3 (2 weiblichen und 1 männlichen) Schädeln übertrifft die Breite die Höhe; dagegen ist bei 2 (weiblichen) Schädeln die Höhe sehr bedeu- tend grölser, als die Breite, nehmlich um je 12,7 und 15,3 mm. In 3 Fällen erreicht die Höhe ein Maafs über 140, nehmlich einmal 144,8, zweimal 147,3 mm. Das ist bedeutend mehr als bei den Weddas. Der Längenhöhenindex berechnet sich trotzdem für Männer: Weiber: Dusseau (1) 75,0 — B. Davis (4) 74,0 (5)1,04,8; Virchow (2) 72,8 — im Ganzen auf (7) 73,8 (5) 74,8. Gesammtmittel (12) 74,2. Dasselbe bleibt demnach um ein Geringes unter dem Mittel der Weddas (74,9) und innerhalb der Orthocephalie. Die von Hrn. Welcker angegebene Zahl von 77,2 geht erheblich über die eben berechnete hinaus; wenn man sie aber zur Berechnung des Mittels her- anzieht und dafür die Angabe von Dusseau ausläfst, so erhält man für 16 Schädel 75,1, also eine nur minimal über den Wedda-Index hinaus- gehende Zahl. Der Auricularindex ist gleichfalls kleiner, als bei den Weddas: 63,5 und 58,5, — im letzteren Falle so gering, wie bei keinem der Weddas. Das Gesammtergebnifs in Bezug auf die Bildung der Schädelkapsel ist daher, dafs eine grofse Uebereinstimmung in den Verhält- nissen zwischen Weddas und Sinhalesen besteht, dals dagegen in der Höhe der absoluten Zahlen in der Regel die Sinhalesen die Weddas übertreffen. Diese Differenz würde im Mittel noch mehr zur Geltung kommen, wenn nicht gerade die beiden, von mir gemessenen Schädel eine grolse Mannichfaltigkeit von Störungen erlitten hätten, welche auf ihre Entwickelung hindernd eingewirkt haben. Ich verweise defshalb auf die Beschreibung; hier erwähne ich nur, dafs es sich dabei um ent- schieden praemature Synostosen und um grofse Abweichungen in der Schläfengegend, nehmlich in dem einen Falle um Stirnfortsätze der Schläfenschuppe und Stenokrotaphie, in dem andern um ein 80 Vırcmow: Ueber die Weddas von Üeylon srolses Epiptericum handelt. Letzteres Verhältnifs fand sich jedoch auch bei einem der Wedda-Schädel aus dem Museum von Oolombo, und Steno- krotaphie, wie erwähnt (S. 49), zeigte auch ein Wedda-Schädel aus dem Londoner Museum. — Bei Untersuchung der Gesichtsform folge ich ebenfalls der vorher bei den Weddas eingehaltenen Reihenfolge, und beginne mit den Augen- höhlen. Der Orbitalindex zeigt leider bei den beiden, von mir gemessenen Schädeln eine grolse Differenz, welche schwer zu vermitteln ist, indem der erste 76,9, der andere 82,9 ergiebt. Somit ist der eine chamae-, der andere mesokonch. Letzterer würde demnach mit den Wedda- Schädeln mehr übereinstimmen. Indefs mufs ich das Urtheil darüber suspendiren, da aulser mir kein anderer Beobachter Orbitalmaalse von Sinhalesen verzeichnet oder Angaben über Orbitalformen gemacht hat. Ob die mehr zum Viereckigen tendirende Form, welche ich notirt habe, Bedeutung hat oder nicht, muls durch fernere Beobachtungen entschie- den werden. Aehnlich ist es mit dem Nasenindex. Derselbe ist bei dem ersten meiner Sinhalesen —= 57,7, also platyrrhin, bei dem andern — 46,0, also leptorrhin. Aehnliche Differenzen fanden sich freilich auch bei den Wedda-Schädeln, deren Mittel ein mesorrhines Maals (52,2) ergab, indefs hätte man gerade nach den Schilderungen der Beobachter, welche ich vorher angeführt habe, eine gröfsere Beständigkeit der Nasenform erwarten sollen. Die knöcherne Nase der Sinhalesen- Schädel ist in der That schmal, vortretend und mit einem leicht aquilinen Rücken versehen, und ich habe den Eindruck, als ob die Form, wie sie bei dem Schädel No. 2 besteht, die eigentlich typische sei. Auch darf ich daran erinnern, dals ich schon früher!) meine Bedenken über eine Formel geäufsert habe, welche durch zwei ganz verschiedene, unter ein- ander nicht nothwendig verbundene Faktoren, nehmlich die Höhe der Nase überhaupt und die Breite der Apertur, bestimmt wird. Indefs verlohnt !) Virchow. Beiträge zur physischen Anthropologie der Deutschen, mit beson- derer Berücksichtigung der Friesen. Abhandlungen der Akademie. Berlin 1876. S. 143, 350. und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. s1 es sich nicht, diese Erörterung hier, bei einem so kleinen Material, fort- zusetzen. Für die Bestimmung des Gesichtsindex bieten nur 6 von den Schädeln des Hrn. Davıs Material, und von diesen sind 5 weibliche. Daraus berechne ich folgende Zahlen: Schädel: Ganze Gesichtshöhe: Jochbreite: Index: No. 315 2 109 mm 1l4 mm 95,6, „979 2 Sir. TG Am T.T, 1 938 2 104 „ 1.7548; 88,8, © 989.01 „ylODu«L TO EEE 9882 iu 5 127% IL, „ 1007 & 30yr,, 132 215 98,4. Hier zeigt sich ein sehr erheblicher Gegensatz gegen die Weddas. Während sich bei diesen als höchstes Maafs für die Männer 88,2 ergab, treffen wir bei den Sinhalesen einen männlichen Schädel von 98,4 und zwei weiblichen von je 92,1 und 95,6; ein dritter weiblicher Schädel hat einen Index von 88,8. Es bleiben also nur zwei weibliche Schädel mit niedrigen Maafsen, einer mit 81,6 und einer, der eines Geisteskranken, mit 77,7. Während das Gesammtmittel bei den Weddas etwas über 83 betrug, finde ich für die Sinhalesen 89,0. Erwägt man nun, dafs bei den Weibern in der Regel niedrigere Maalse vorkommen und dafs hier von 6 Schädeln 5 weibliche sind, unter denen sich noch dazu der ganz abnorm niedrige einer Geisteskranken befindet, so kann man als sehr wahrscheinlich annehmen, dafs der sinha- lesische Gesichtsindex im Sinne der von Hrn. Kollmann vorgeschlagenen, freilich etwas anders berechneten Eintheilung leptoprosop ist. Die Kleinheit der Jugaldistanz spricht entschieden zu Gunsten einer solchen Annahme. Da meinen beiden Schädeln die Unterkiefer fehlen, so kann ich keine entsprechende Berechnung anstellen. Ueberdiefs ist der eine von ihnen durch Altersveränderungen am Kieferrand so stark verändert, dals nicht einmal der Mittelgesichts-Index brauchbar ist. Ich kann daher nur einen Wedda-Schädel (No. 1) und einen sinhalesischen in Parallele stellen. Nachstehend unter a gebe ich einen Index, der berechnet ist aus dem Phys. Kl. 1881. Abh. 1. 11 82 Vırcmow: Ueber die Weddas von Ceylon Verhältnifs der Höhe des Mittelgesichts (Nasenwurzel bis Alveolarrand) zu der Jochbreite, letztere — 100 gesetzt, und einen zweiten b, berechnet aus derselben Höhe und der Malarbreite (unteres Ende der Suturae zygo- matico-maxillares), letztere = 100 gesetzt: a: b: Wedda 50,0 70,1, Sinhalese 52,6 60,5. Daraus ergiebt sich gleichfalls eine geringere Breite des ganzen Gesichts bei den Sinhalesen, dagegen eine grölsere des Vordergesichts. Der Alveolarindex des Sinhalesen No. 1 zeigt eine verhältnils- mälsig hohe Zahl, nehmlich 99, indefs ist der Gesichtswinkel (Öhrloch, Nasenstachel, Nasenwurzel) nur 75°, während er bei dem Wedda 82° beträgt. Was den Gaumen anlangt, so habe ich es leider versäumt, bei dem Wedda-Schädel die Maalse zu nehmen. Ich habe jedoch notirt, dafs er breit und der Zahnkurve nach hufeisenförmig war. Dem gegenüber scheint der sinhalesische Gaumen erheblich verschieden. Nach den Zahlen des Hrn. Dusseau berechnet sich ein Gaumenindex von 73,7, nach den meinigen für den Schädel No. 1 ein solcher von 75,4. Das ergäbe also ein leptostaphylines Maafs. Vergleicht man die beiden Schädel auf Taf. I. und Il. unter Fig. 5, so wird die Differenz anschaulich. Ob sie jedoch als eine allgemeine anzusehen ist, vermag ich nicht zu sagen. — Im Ganzen bestätigt daher die osteologische Untersuchung des sinhalesischen Gesichts, was schon aus den physiognomischen Bemerkun- gen der einzelnen Berichterstatter hervortrat: das Gesichtsskelet der Sinhalesen ist von dem der Weddas weit mehr verschieden, als die Schädelkapsel der ersteren von der der letzteren. Es zeichnet sich im Ganzen durch gröfsere Schmalheit aus. Dasselbe gilt von dem Gaumen und wahrscheinlich von der Nase. Dagegen ist die Orbita, wenigstens die meiner Sinhalesen-Schädel keineswegs hoch. Am grölsten ist die Unsicherheit in Bezug auf die Kieferbildung. Der von mir abgebildete Sinhalesen-Schädel (Taf. 11.) ist ausgemacht prognath, mehr als der Wedda-Schädel (Taf. 1.), aber auch mehr, als der Sinhalesen- Schädel bei Davy. Dagegen hat sowohl der Wedda-Schädel bei de Quatrefages und Hamy, als auch der Sinhalesen-Schädel bei San difort einen stark vortretenden Alveolarfortsatz. und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 83 Bevor ich diese Vergleichung weiter fortsetze, wird es zweckmälsig sein, die anderen in Betracht kommenden Volksstämme zu besprechen. 2) Die Tamilen oder Malabaren. Wie schon auseinandergesetzt, versteht man unter diesem Namen dravidische Einwanderer, welche von sehr verschiedenen Punkten der vorderindischen Halbinsel in historischer Zeit, meist mit Waffengewalt eindrangen und im Laufe von mehr als zwei Jahrtausenden sich allmählich so verdichteten, dafs sie den nördlichen und einen grofsen Abschnitt des östlichen Theils der Insel, namentlich an der Küste, fast ausschliefslich bevölkerten. Als die Portugiesen, die ersten Pioniere der europäischen Civilisation, auf der Insel festen Fufs falsten, war die Herrschaft der Malabaren im alten Rajaratta oder Pihiti eine fest begründete. Noch Valentijn!) bestimmte ihre Sitze zu seiner Zeit bis an den Fluls Co- runda Waye, der, wie es scheint, identisch ist mit dem Koorinda oder Kirinde Oya (Zimmtflufs) von Sir Tennent?), einem kleineren Flufse, der gegen Südosten bei Mahagan in das Meer mündet. Auch Davy?) bezeichnet die nördlichen und östlichen Küstenprovinzen als den Hauptsitz der Mala- baren. Pridham#) läfst sie von Batticaloa bis Jaffna im Norden und von da bis Putlam im Süden wohnen. Indefs ist dies nicht so zu ver- stehen, dafs sie noch jetzt in völliger räumlicher Trennung von den Sinhalesen leben. Im Gegentheil finden sie sich in nicht geringer Zahl, namentlich in den Städten, mit den andern Rassen gemischt, wie die Beschreibung Sir Tennent’s?) von Colombo sehr anschaulich lehrt; in dieser Stadt bilden sie einen grofsen Bruchtheil der arbeitenden Bevölke- rung. Von besonderem Interesse ist es, dafs sie im Osten nahe Nach- barn der Weddas sind. In der That nannte Wolf®), der gar keine Aehnlichkeit zwischen Malabaren und Sinhalesen fand, die Weddas „eine andere Art Malabaren.* 1) Valentijn l. e. Bl. 49. ?) Tennentl. ec. I. p. 41 II. p. 417. SL Davyl2c. ps 10% *#) Pridham |. c.p. 463. SE Teninient l.‘e.sIl. p.2156. 6) Wolf a.a. ©. I. S. 156, 167. 84 Vırcnow: Ueber die Weddas von Ceylon Er beschrieb die Malabaren selbst als schwarz, langhaarıg und ohne Waden. Sonst finde ich sehr wenige Angaben über ihre physische Eigenthümlich- keit. Die meisten Autoren beschränken sich darauf, ihnen einen kräftigeren (stouter) Körperbau und gröfsere Activität, als den Sinhalesen, zuzu- schreiben!). Hr. Pridham läfst sie das Haar entweder lose zusammen- fassen oder in einen kondee auf dem Scheitel oder über dem einen Ohr befestigen; zuweilen werde auch der ganze Kopf bis auf eine Locke auf dem Scheitel (at the crown) geschoren. Die Kinder der Tamilen be- schreibt Sir Tennent?) als ganz nackt, mit glänzendem und dünnem (glossy and thin) schwarzem Haar und anmuthigen Gliedern. Zu den Tamilen gehören, wie schon angeführt, die Mookwas oder, wie sie sich selbst nennen, die Mukuger. Mag man ihnen auch einen besonderen Ursprung zuschreiben, wie Pridham?), der sie von den Nairs und Mookwas der Malabar-Küste ableitet, so stimmen doch alle Beobachter darin überein, dafs sie ihrer physischen Erscheinung nach den Tamilen ganz nahe stehen oder eigentlich Tamilen sind. Der Umstand, dafs die Mookwas Christen, zum Theil auch Mahomedaner, viele der Tamilen dagegen der brahminischen Lehre zugethan sind, hat wohl am meisten dazu beigetragen, die ersteren zu einem besonderen Gegenstande der Auf- merksamkeit zu machen. Bis dahin war nur ein einziger Schädel eines Tamilen oder Mala- baren in Europa bekannt. Derselbe befand sich in der Sammlung des Hrn. Barnard Davis). Aufserdem war in derselben Sammlung, wie schon erwähnt, der Schädel eines Mischlings von Malabaren und Sinha- lesen (N. 316). Durch die Sendung des Hrn. Consul Freudenberg habe ich 3 Tamilen-Schädel, leider sämmtlich ohne Unterkiefer, erhalten, und mit den als Sinhalesen bezeichneten Schädeln ist der eines Kindes angekommen, den ich schon beschrieben habe und von dem ich vermuthe, dafs er der Dravida-Gruppe angehört. Im engeren Sinne kann demnach nur von 4, im weiteren vielleicht von 6 Exemplaren die Rede sein. Die ersteren 4 sind als männliche anerkannt, die beiden letzteren dagegen 1) Selkirk Il. ec. p.68. Pridham l.c. I. p. 465. 2) Tennent]. c. II. p. 514. 3) Pridham ]. e. I. p. 466. *) Barnard Davis. Thes. cran. p. 154. und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 35 haben so wenig ausgeprägte Geschlechtscharaktere, dafs ihre Bestimmung zweifelhaft ist. Ich gebe auch hier zunächst eine Detail-Beschreibung der in mei- nem Besitz befindlichen Schädel: Schädel No. ]. Ein noch jugendlicher, scheinbar männlicher Schädel ohne Unterkiefer, bei dem sämmtliche Zähne ausgetreten, aber, soweit sie vorhanden (die Schneidezähne, der rechte Eckzahn und 3 Prämolaren fehlen), sehr wenig abgeschliffen sind; die Synchon- drosis sphenooceipitalis geschlossen. Capacität gering (1155 Cub.-Cm.); Längenbreiten- index (72,0) ausgemacht doliehocephal, Längenhöhenindex (79,4) ebenso ausgesprochen hypsicephal. In der Oberansicht erscheint der Schädel etwas schief, namentlich der linke Scheitel- beinhöcker niedriger und flacher, dagegen die linke Hälfte der Hinterhauptsschuppe höher und voller, die rechte seitlich abgeplattet, der Lambdawinkel ganz unregelmäfsig, indem der rechte Schenkel zunächst in der Fortsetzung der Pfeilnaht steil abfällt, der linke dagegen fast horizontal ansetzt. Letzterer enthält überdies im unteren Theil, nahe der Seitenfontanelle, lange Schaltknochen. Die Form des Schädels ist überwiegend lang, hauptsächlich durch das überwiegend schmale, weit vortretende Hinterhaupt. Vorn ist der Schädel bis zu den Tubera parietalia eher breit, am breitesten in der Gegend der letzteren. Nähte vollständig. Keine Spur von Emissaria parietalia; in dieser Gegend ist die Pfeilnaht mehr einfach. Stark ausgeprägte Phaenozygie. In der Seitenansicht überwiegt der Eindruck der Höhe, und, dadurch bedingt, auch der der Kürze. Die Stirn ziemlich gerade, Orbitalwülste kaum entwickelt. Die Hinterstirn oberhalb der Tubera stark gewölbt und bis kurz vor der Coronaria anstei- gend. Der Abfall der Scheiteleurve gegen das Hinterhaupt ist schnell. Hohe, die Tubera kreuzende Plana temporalia. Squama temp. platt. Grolse Alae mit ganz kurzen Anguli parietales; erstere rechts 35, links 34 Cm. breit. Die Norma oeceipitalis zeigt einen hohen, fünfeckigen, oben mehr abgeflachten, unten platten Contour mit sehr hohen und senkrechten, nur unten etwas divergirenden Seiten. Hohe, nach oben, wie erwähnt, sehr unregelmälsige Squama oceipitalis mit etwas comprimirten Seitentheilen; keine Protuberanz, Lineae semicireulares deutlich, scharfe Crista perpendicularis, schwache Cerebellar-Wölbungen, kurze Facies museularis. In der Norma basilaris erscheint der Schädel breit, namentlich in der Jugal- und Mastoidealgegend, dagegen das Hinterhaupt eher schmal und vorspringend. Foramen magnum lang oval, etwas schief, 34 mm lang, 26 breit, Index 76,4. Gelenkhöcker nach vorn stark vortretend. Warzenfortsätze diek, aber nicht hoch, beiderseits mit starken seeundären Anschwellungen am hinteren Umfange, besonders stark auf der linken Seite. Griffelfortsätze kräftig. Kiefergelenkgruben sehr tief. Hamulus pterygoideus und Spitze der Lamina externa sehr grols. Die Vorderansicht läfst den Kopf hoch erscheinen. Stirn voll, Nasenfortsatz sehr breit. Orbitae hoch, mit diagonaler Ausweitung nach unten und aufsen, Index 34,4, also 86 Vırcnuow: Ueber die Weddas von Ceylon mesokonch. Fissura orbitalis inferior sehr weit und am Ende buchtig. Nase oben und unten schmal, Rücken vortretend, mehr gerundet, Index 48,3, also mesorrhin. Fossa canina wenig vertieft. Am Wangenbein jederseits eine hintere obere Ritze und eine starke Tuberositas marginalis. Alveolarfortsatz stark prognath, aber nur 15 mm lang, mit sehr grolsen Alveolen. Gaumen tief, hinten breit, mit schwach hufeisenförmiger Zahneurve, Index 90,0, also brachystaphylin. Horizontalplatte des Os palatinum in der Mitte weiter nach vorn vorspringend; kurze Spina nasalis posterior. Schädel No. 2. Ein seniler, männlicher Schädel ohne Unterkiefer, von geringer, aber doch neben den übrigen relativ grölserer Capaeität (1260 Oub.-Cm.), noch dolichocephal (74,8) und von mälsiger Höhe (Längenhöhenindex 73,7). Sehr starke Muskelansätze: Protuberantia oceipitalis grols, fast hakenförmig, Stirnnasenwulst breit, stark vortretend und mit zackigen Spuren der untersten Abschnitte der Stirnnaht. Das rechte Wangenbein mit dem anstolsenden Theil des Oberkiefers und Jochbogens fehlt. Die rechte Schädel- seite oberflächlich durch Verwitterung erodirt. In der Norma vertiealis erscheint der Schädel ziemlich gleichmälsig breitoval, mit stärkster Verbreiterung in der Gegend der Tubera parietalia, und leicht phaenozyg. Der vorletzte Abschnitt der Pfeilnaht etwas einfach, das linke Emissarium fehlt, das rechte liest ganz nahe an der Naht. Die seitlichen unteren Abschnitte der Coronaria und Sphenofrontalis obliterirt; beginnende Synostose der Sphenofrontalis. In der Norma temporalis sieht man sehr hohe Plana, welche bis über die Tubera und bis an die Lambdoides reichen, links in dem hinteren Theil mit einer dicken skle- rotischen Fläche, deren Rand sich über die Lambdoides herüberlegt, endigend. Ala breit, rechts undeutlich, links 26 mm breit. In der Norma oceipitalis ist der scheinbare Durchschnitt nahezu fünfeckig, breit, mälsig hoch, mit mehr lachem Dach. Die Squama grols, namentlich breit, der Lambda- Winkel etwa 160°. Die Protuberantia sehr kräftig, ebenso die Linea semieircularis superior; an der Stelle der L. suprema dagegen ein flacher Wulst. Facies museularis stark gezeichnet, Cerebellar-Wölbungen nur schwach entwickelt, die mittleren Theile stark vertieft, links neben der Crista perpendicularis zwei Emissarien. In der Norma basilaris ist die Breite der mittleren und hinteren Region sehr sichtlich. Foramen magnum sehr grols, lang, etwas schief, 33 mm lang, 28 breit, Index 73,6. Gelenkhöcker weit vortretend; hinter denselben jederseits eine verdickte Stelle des Randes, namentlich links, welche einer Artikularfläche des Atlasbogens zu entsprechen scheint. Warzenfortsätze kräftig und lang, sehr tiefe Ineisur. Sehr grolse Griffelfortsätze. Colossal entwickelte Lamina externa pterygoidea, grolser, aber dünner Hamulus, rechts ganz grolses Foramen Civinini. Tiefe Cavitates glenoides. In der Norma frontalis sieht der Kopf mäfsig hoch, das Gesicht jedoch niedrig aus. Grolse Stirnhöhlen; Nasenwulst vortretend, mit breiten zackigen Resten der Stirn- naht. Orbitae hoch und weit, hauptsächlich diagonal nach unten und aulsen ausgebuchtet; Index 83,3 mesokonch. Wangenbein zart. Nase oben ganz schmal, mit scharfem, nur wenig eingebogenem Rücken; Index 51,1, an der Grenze der Mesorrhinie, Sutura und ıhre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 87 nasofrontalis stärker nach oben gebogen und in den nur mälsig breiten Nasenfortsatz des Stirnbeins eingreifend. Fossa canina voll, Foramen infraorbitale klein und flach. Alveo- larfortsatz stark prognath: die Seitentheile obliterirt und geschwunden, nur die Mitte des Vordertheils noch erhalten und vorspringend.. Gaumen atrophisch. Schädel No. 3. (Hierzu Taf. III.) Ein männlicher, noch jugendlicher Schädel ohne Unterkiefer. Alle Zähne waren ausgebildet, aber leider sind die Schneide-, Eek- und Prämolarzähne sämmtlich nach- träglich ausgefallen. Die I Molaren sehr grols und die Spitzen stark abgenutzt; nur die Weisheitszähne noch ganz ohne Abnutzungsspuren und klein. Starke Betel-Färbung der sämmtlichen vorhandenen Zähne. Sutura sphenooceipitalis geschlossen. Muskelansätze kräftig, obwohl die Knochen im Ganzen zart sind. Die Capaeität ist gering, 1200 Cub.- Cm. Die Form hypsimesocephal, obwohl auf der Grenze zur Dolichocephalie: Längen- breitenindex 75,3, Längenhöhenindex 80,9. Starke Prognathie. Oberansicht: kurz, besonders hinten, mälsig breit, phaenozyg. Nähte offen; Pfeilnaht in der Gegend der fehlenden Emissarien einfach. Seitenansicht: kurz und hoch, die grölste Höhe hinter der Ohrlinie und 2 Finger breit hinter der Kranznaht. Stirn steil, stark eingebogen, mit grofsem Orbitalwulst, tiefer Glabella und deutlichen Tubera, die Hinterstirn lang und ansteigend, daher die Coronaria nach hinten zurückgedrängt. Mittelkopf kurz und stark gebogen. Von der Scheitelhöhe an schneller Abfall mit kurzer Wölbung. Hohe, bis zur Lambdoides reichende und hier einen dicken Vorsprung bildende Plana temporalia. Schläfenschuppe sehr platt. Rechts Stenokrotaphie mit sphenofrontalem Epiptericum. Der Angulus parietalis fehlt gänzlich, die Portio orbitalis ossis frontis ist dafür flachrundlich vorgewölbt. Die Ala ist fast ganz von der Berührung mit dem Parietale ausgeschlossen; sie stölst nur mit einer hinteren Spitze an dasselbe, unter welche sich das Epiptericum einschiebt. Coro- naria und Sphenotemporalis verlaufen fast in einer Linie. Sphenofrontalis lang, in einer Flucht mit der Squamosa, darin hinten das lanzettförmige, in die Ala eingreifende, 11 mm lange, 5 hohe Epipterieum. Ala selbst stark in ihrem mittleren Theil eingebogen, trotzdem breit. Links Sphenoparietalis kurz, Angulus wenig ausgebildet, so dals die Squamosa, die Sphenoparietalis und die Sphenofrontalis fast in einer Linie fortlaufen. Ala flach und breit. rechts: links: Sphenoparietalis 1 mm 7 mm, Sphenofrontalis 23 „ 20, Breite der Ala 2 2, 15 Hinteransicht: sehr hoch, Sagittalgegend stark vortretend, nur die eigentliche Nahtstelle etwas vertieft. Die Form des scheinbaren Durchschnitts ungefähr fünfeckig, jedoch die obere und die seitlichen Flächen schwach gewölbt. Tubera vortretend. Squama hoch, Lambdawinkel spitz, Oberschuppe stark gewölbt. Protuberantia klein. Facies muscularis grols und im Ganzen gewölbt, dafür die Cerebellarwölbungen schwach. Unteransicht: kurz, hinten gerundet. Foramen magnum kurz, 34 mm lang, 29 breit, Index 85,2. Sehr starke Gelenkhöcker, die weit nach vorn und einander sehr nahe 88 Vırcuow: Ueber die Weddas von Ceylon stehen. Warzenfortsätze grols, der linke getheilt, dafür jedoch mit schwächerer Ineisur. Tiefe und grofse Unterkiefergruben. Vorderansicht: hoch, nach oben mehr gleichmälsig gewölbt. Sehr kräftiger Stirn- nasenwulst mit etwas porotischer Oberfläche; in der Mitte desselben ein dichtzackiger Rest der Frontalis, zu jeder Seite davon eine blasige Vorwölbung der Stirnhöhlen. Hohe, etwas schiefe Orbitae mit gerundetem Dach, Index 86,4, hypsikonch. Vorderer Theil der Ineisura sphenomaxillaris weit. Nase oben schmal, Rücken hier fast scharf, etwas tiefer eingebogen und mehr gewölbt, ‘Apertur breit und hoch, Index platyrrhin. Spina nasalis ant. stark. Fossa canina mälsig vertieft, Foramen infraorbitale abgeplattet. Wangen- bein mit stärker vortretendem Wangenhöcker und ganz kurzer hinterer oberer Ritze. Alveolarfortsatz niedrig, 14 mm, trotzdem stark prognath wegen der grolsen Alveolen. Gaumen sehr breit, Index 87,1, brachystaphylin. Zahncurve nach hinten wenig convergirend, jedoch etwas hufeisenförmig. Zähne durchweg sehr grofs. Der vordere Theil der Gaumenfläche stark gefüllt, bildet eine schräg abfallende Fläche. Schwache Spina nasalis posterior; grolse, 14 mm lange Palatinalplatte. Die einzelnen Schädel bieten gewisse Eigenthümlichkeiten, welche ihren typischen Werth beeinträchtigen. Namentlich gilt dies von dem ersten, welcher einen erheblichen Grad von Plagiocephalie mit grolsen Unregelmäfsigkeiten in der Lambdanaht zeigt. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist die Schiefheit eine Druckwirkung, welche die eine Seite des Hinterhauptes betroffen hat, aber es ist schwer zu sagen, ob dieser Druck ein arteficieller gewesen ist und ob er erst nach der Geburt eingewirkt hat. Die Gröfse der Abweichung in der Configuration der Lambdanaht scheint eher auf eime Störung innerhalb des Fötallebens hinzudeuten. Indefs fanden wir etwas Aehnliches bei dem Sinhalesen-Schädel No. 1, bei dem sogar die Störung bis auf das Gesichtsskelet sich ausdehnte, und bei der Vergleichung wird man wohl darüber fortgehen dürfen. Auch die abweichende Bildung des Processus pterygoides in dem zweiten Falle, wo sich auf der rechten Seite eine Hyperplasie der Lamina externa und ein grofses Foramen Civinini fand, ist für die Gesammt- betrachtung nicht entscheidend. Etwas erheblicher sind die temporalen Abweichungen in dem dritten Falle, wo rechts ein grolses, trennendes Epipterieum, links eine Verkürzung des Angulus parietalis vorhanden ist, indefs steht dem gleichfalls bei den Sinhalesen Aehnliches gegenüber, indem sich bei No. 1 jederseits ein Stirnfortsatz der Schläfenschuppe und bei No. 2 ein Epiptericum der rechten Seite findet. Es wäre ja recht wünschens- werth, Schädel ohne diese mehr individuellen, wenngleich vielleicht in der und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. s9 Rasse einigermaalsen begünstigten Besonderheiten zu haben, indefs im Augenblick sind sie eben nicht zu haben. Wenden wir uns nunmehr zu der vergleichenden Betrachtung, so ergiebt sich zunächst für die Capaeität der Schädel, dafs sie durchweg eine sehr mälsige ist. Am grölsten ist der Schädel aus der Sammlung Davis, dessen Rauminhalt 1375 Cub.-Cm. beträgt. Die meinigen haben 1155, 1160 und 1200 Cub.-Cm. Das ergiebt ein Mittel von 1247 Cub.-Cm., also etwas weniger als das Mittel der Weddas (1261 Cub.-Cm.) und sehr viel weniger als das der Sinhalesen (1406 Öub.-Cm.). Ich möchte dieses Ver- hältnils, Angesichts der so geringen Zahl der Tamilen-Schädel, nicht als ein maalsgebendes betrachten, aber es zeigt doch, dafs die niedrigen Zahlen der Wedda-Schädel nicht als ganz exceptionelle anzusehen sind. Der Schädel eines Mischlings aus der Davis-Sammlung hat ein etwas höheres Maafs, nehmlich (nach der Reductionstabelle des Hrn. Weleker) 1325 Cub.- Cm. Ebenso ist mein zweifelhafter Sinhalesen-Schädel No. 3, obwohl einem Kinde angehörig, verhältnilsmälsig geräumig, indem sein Inhalt 1250 Cub.-Cm. ergiebt. Indels können diese Fälle nicht in die Rechnung einbezogen werden. Der Horizontalumfang berechnet sich bei dem Schädel der Sammlung Davis auf 495 mm; die meinigen messen 477, 490 und 473. Das ergiebt ein Mittel von 483 mm, wenig unterschieden von dem der Weddas und der Sinhalesen, wenngleich etwas kleiner als bei den letzteren. Der Mischling No. 316 des Hrn. Davis hat nur 475, nicht viel mehr als das sinhalesische (?) Kind mit 472 mm. Der Vertikalumfang übersteigt dagegen constant denje- nigen sowohl der Weddas, als der Sinhalesen. Er beträgt bei meinen drei Schädeln im Mittel 306 mm gegen 289 bei den Weddas und 295 bei den Sınhalesen. Dieses Mittel ist um nur 174 mm kleiner, als das des Horizontalumfanges der entsprechenden Schädel (480 mm), von dem er 63,7 pÜOt. beträgt, gegenüber von 59,4 bei den Weddas und 60,5 bei den Sinhalesen. Diese Differenz ist sehr bezeichnend. Sie findet sich auch bei dem Kinde (Sinhalese No. 3). Phys. Kl. 1581. Abh. 1. 12 90 Vırcmow: Ueber die Weddas von Ceylon Der sagittale Längsumfang des Schädels aus der Sammlung Davis milst 353 mm, der der meinigen 359, 351 und 352, also im Mittel 353 mm, gegen 376 bei den Sinhalesen und 363 bei den Weddas. Öffen- bar handelt es sich hier um ein Complementärverhältnifs zu dem Verti- kalmaafs. Denn der sagittale Längsumfang beträgt bei den Tamilen 75,0 pCt., Sinhalesen 743 „ Weddas 7 AuDaih, br] N ” >) des Horizontalumfanges. Bei der Untersuchung über.das Maafs der Betheiligung der ein- zelnen Abschnitte des Schädeldaches an dem Gesammt-Längsumfang (Scheitelbogen) zeigt sich sofort die auffällige Anomalie des plagiocephalen Schädels No. 1 meiner Sammlung, bei welchem eine so auffällige Bevor- zugung der mittleren und hinteren Abschnitte an der Gesammtentwicke- lung des Schädeldaches hervortritt, dafs eine ganz abnorme Kürzung des frontalen Abschnittes daraus folgt. Man wird dies am besten übersehen, wenn ich die Zahlen zusammenstelle: Frontal: Parietal: Oceipital: Davis No. 314 129 mm 122 mm 102 mm, Virchow. „ Lo slel2 5 182,4 102 3% = RT RT REN b>] — 3 130%. 1198, 0 600 DE} Mittel 127 mm 124 mm 102 mm, Mittel ohne No.1 131 „ 121 „ 99; Nach Procenten des ganzen Sagittalbogens berechnet: Frontal: Parietal: Oeceipital: Davis No.314 36,5 34,5 28,8, Virchow ,„, 32,9 36,7 30,6; —— = 2 34,1 27,6, — 7 a, 2a. 34,6 28,4, Mittel 36,0 34,9 28,8, Mittel ohne No.1 37,1 34,4 28,2. Daraus erhellt, dafs für die nähere Vergleichung der Schädel No. 1 in dieser Betrachtung ganz ausgeschlossen werden muls. Dagegen nähern sich die beiden anderen, schon früher herangezogenen Schädel, nehmlich und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 91 der des Mischlings No. 316 aus der Sammlung Davis und der des als sinhalesisch bezeichneten Kindes No. 3 aus der meinigen, dem Tamil-Typus in sehr bestimmter Weise; unter einander stimmen sie so sehr überein, dafs der Verdacht, auch der Kinderschädel sei ein tamilischer oder wenigstens der eines Blendlings, sehr an Stärke gewinnt. Die Zahlen dafür sind folgende: Frontal: Parietal: Oceipital: Davis No. 316 122mm 125 mm 104 mm, Virchow ,„ BLZIeRg., in, . 103 -, oder procentisch Davis nalen rt 35,6 2926, Virchow „ 3 ...834,6 35,8 29,5. Gegenüber den eigentlichen Tamilen tritt demnach die Stirn etwas zurück, während Hinterhaupt und Mittelhaupt etwas gewinnen, jedoch wird dadurch das tamilische Gesammtverhältnifs wenig geändert. Vergleicht man dagegen die Tamilen mit den Weddas (8. 52) und den Sinhalesen (S. 76), so zeigt sich ein durchgreifender Gegensatz, namentlich in Bezug auf die Betheiligung der Stirn und der Hinterhaupts- schuppe an der Entfaltung des Schädeldaches.. Während bei den Tamilen der frontale Abschnitt eulminirt, ist bei den Sinha- lesen und noch mehr bei den Weddas der oceipitale stark entwickelt. Die Blendlinge nähern sich durch die stärkere parietale Ausbildung den Sinhalesen. Noch viel auffälliger sind die Verschiedenheiten in Betreff der Kopfform. Freilich nimmt mein plagiocephaler Tamil-Schädel No. 1 auch hier eine Ausnahmsstellung ein, indem er wegen seiner auffällig geringen Breite (126 mm) einen niedrigen dolichocephalen Index (72,0) liefert. Dagegen hat der Schädel aus der Sammlung Davis einen hohen mesocephalen Index (79), und von meinen beiden Tamilen steht der eine, No. 2, an der oberen Grenze der Dolichocephalie (74,8), der andere, No. 3, schon jenseits derselben, in dem Anfange der Mesocephalie (75,3). Das Mittel ist 76,3, also mesocephal. Dasselbe Verhältnifs zeigen die beiden Blendlinge: der Schädel No. 316 von Davis hat einen Index von 76,7, der Kinder- 12* 92 Vırcmow: Ueber die Weddas von Ceylon schädel aus meiner Sammlung einen solchen von 77,0. Dies ist gegen- über der ausgezeichneten Dolichocephalie der Sinhalesen und bis auf wenige Ausnahmen auch der Weddas ein sehr wichtiger Befund. Die geringere Oceipitalentwickelung der Tamilen-Schädel läfst sich auch daraus ersehen, dafs die horizontale Länge des Hinterhauptes im Verhältnifs zur Gesammtlänge (a) geringer, dagegen die basilare Länge in demselben Verhältnils (b) grölser ist: NOMTEN04 2: EN083: a 27,4 .23,4 27,0, buusrzi 54,1 55,8. Die gröfste Länge ist durchweg gering. Sie beträgt bei Davis 173, bei meinen 3 Schädeln 175, 179 und 170, erreicht also in keinem Falle auch nur das mäfsige Maafs von 180 mm. Der Mischling der Sammlung Davis hat sogar nur 168 mm, während mein Kinderschädel 172 mm milst. Die gröfste Breite, welche constant eine parietale ist, hat bei dem Schädel des Hrn. Davis 137 mm, bei den meinigen 126, 134 und 128, bei dem Mischling 130, bei dem Kinderschädel 132 mm, ist also durchweg nicht bedeutend. Im Verhältnifs dazu sind die Maafse für die aufrechte Höhe recht bemerkenswerth; sie betragen in derselben Reihenfolge 132, — 139, 132, 137,5, — 132, — 133. Die gröfste Zahl, 139, betrifft auch hier den plagiocephalen Schädel No. 1, der aufser Be- tracht bleiben muls. Alle übrigen Zahlen sind an sich sehr mälsig, ja im Vergleich zu den Sinhalesen klein, übrigens nahezu in den Grenzen der Wedda-Zahlen. Von den 3 typischen Tamilen ist bei 2 die Breite gröfser, als die Höhe. Anders stellt sich die Sache, wenn man die Verhältnifszahlen betrachtet. Der Längenhöhenindex beträgt bei Hrn. Davis 76, bei meinen 3 Schädeln 79,4, 73,7 und 80,9, bei dem Mischling 78, bei dem Kinderschädel 77,3. Darnach berechnet sich für die 3 typischen Tamilen ein Mittel von 76,8, womit auch die Blendlinge stimmen. Das ist ein ausgemacht hypsi- cephales Maafs, ungleich gröfser als das der Weddas (74,9) und das der Sinhalesen (74,2). Dasselbe dürfte sich daher den diagnostischen Merkmalen anschliefsen. Dem entsprechend ist auch der Aurieularindex hoch. Ich fand ihn zu 66,3, 63,1 und 68,8, bei dem Kinde zu 67,4. — und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 93 Während sich bei einer Vergleichung der Schädelkapsel der Weddas mit der der Sinhalesen eine grofse Uebereinstimmung ergab, ist bei den Tamilen beiden gegenüber eine erhebliche Differenz hervorgetreten. Die Schädelkapsel der letzteren ist hypsimesocephal, und selbst da, wo die Maafse des Rauminhaltes sehr geringe Verschiedenheiten darboten, fanden sich schon in den Umfangsmaalsen grolse Differenzen. Wie sehr letztere namentlich bei den sagittalen Umfangsmaalsen und in der Betheilisung der einzelnen Abschnitte des Schädeldaches erkennbar werden, ist vorher (S. 90) ausführlich dargelegt worden. — Betrachten wir nunmehr die Gesichtsform, so ergiebt sich bei den Tamilen eine ziemlich regelmäfsige Bildung. Der Orbitalindex beträgt 84,4, 83,3 und 86,4, also im Mittel 84,7, — ein hohes mesokonches Maafs. Auch der Kinderschädel hat 83,3. Nahezu ähnlich ist der Index der Weddas, dagegen scheint der der Sinhalesen niedriger zu sein. Im Ganzen ist die Augenhöhle hoch, einmal (bei No. 3) sogar hypsikonch, der obere Rand meist etwas gebo- gen und die Diagonale von innen und oben nach unten und aufsen verlängert. Der Nasenindex ist bei meinen 3 Schädeln 48,8, 51,1 und 53,1, im Mittel 51, also an der oberen Grenze der Mesorrhinie. Nur No. 3 ist platyrrhin. Der Kinderschädel allein giebt ein hohes platyrrhines Maals: 55,5. Insofern steht die tamilısche Nase der Wedda-Nase wahr- scheinlich näher, als der sinhalesischen. Allein auch hier gewährt der Index keine volle Einsicht in die Bildung der Nase. Diese ist in ihrem knöchernen Theile durchweg schmal und vortretend, obwohl der Nasen- fortsatz des Stirnbeins sehr breit ist. Der Rücken ist wenig eingebogen, eher scharf und die Spitze desselben tritt adlerartig vor. Dagegen ist die Höhe der Nase durchweg gering. Im Leben dürfte daraus eine nicht geringe Verschiedenheit von der Wedda-Nase folgen. Die Gesichtsmaalse sind wenig genügend. Nur der Schädel der Sammlung Davis hat einen Unterkiefer; bei ihm beträgt der Index 85,7, ein mesoprosopes Maals. Von meinen Schädeln scheidet der senile (No. 2) wegen des defekten Alveolarfortsatzes aus; die beiden anderen haben Mittelgesichtsindices von 51,6 und 53,4. Das Verhältnis der Molarbreite zur Mittelgesichtshöhe beträgt 68,8 und 62,3. Das Tamilen- 94 Vırc#ow: Ueber die Weddas von Ceylon Gesicht steht daher einigermaalsen in der Mitte zwischen dem sinhale- sischen und dem Wedda-Gesicht; es ist niedriger, als das erstere, und höher, als das zweite. Was endlich den Alveolarindex betrifft, so beträgt derselbe 90, 94,8 und 97,8, also im Mittel 94,2. Der Grad der Prognathie, welche bei den Tamilen recht bedeutend ist, läfst sich daraus mit Sicherheit eben so wenig erkennen, als aus dem (nasalen) Gesichtswinkel. Die Gröfse, namentlich der Schneidezahn-Alveolen, bedingt eine starke Vorschiebung des Alveolarfortsatzes. Aber auch die Gaumenbreite ist recht beträcht- lich. Es ergiebt sich daher ein Gaumenindex von 90 und von 87,7, also brachystaphyline Maafse. Hierin liegt ein sehr auffälliger Gegen- satz zu den Sinhalesen. Die Gröfse der Gaumenplatte des Os palatinum dagegen bedingt eine gewisse Annäherung an dieselben. — 3) Die Moors oder Moormen. Nach den Erläuterungen, welche ich früher (S. 50) gab, haben arabische Niederlassungen zu Handelszwecken schon sehr früh auf Ceylon stattgefunden. Noch heutigen Tages ist ein grofser Theil des kleineren Handels in den Händen dieser Leute und sie betreiben noch jetzt vielfach den Seeverkehr mit dem Festlande. Sir Tennent!) leitet daher ihren Beinamen Marak-kala-minım (Seeleute). Indefs giebt es doch auch „maurische“* Dörfer und feste Ansiedelungen. Namentlich um Batticaloa scheinen sie in ganz ähnlicher Weise, wie im südlichen Spanien, die Palmeneultur eingeführt oder wenigstens zu hoher Blüthe gebracht zu haben?). Immerhin ist ihre Zahl gering und ihr Einfluls auf die übrige Bevölkerung um so weniger hoch anzuschlagen, als ihre Religion eine scharfe Trennung bedingt und sie nur selten Mischehen mit Sinhalesen und andern Eingebornen eingehen®). Ich wollte sie jedoch um so weniger übergehen, als sie in der Kasten-Ordnung in sehr charakteristischer Weise eine bestimmte Stellung einnehmen. Wie schon erwähnt (S. 28), sind sie der Kshoodrawanse und zwar der Fischerkaste, Carawe, „attachirt.“* 1) Tennent I. p. 608. 2) Ebendaselbst II. p. 456—38. 3) Pridham I. p. 479. und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 95 Leider liegen über ihre physischen Eigenschaften fast gar keine “ Beschreibungen vor. Wolf!), der freilich unter dem Namen „schwarze Türken“ allerlei Volk zusammenzufassen scheint, sagt, der Mohr sei schwarz, aber von starken Gliedmaalsen, dieken Waden und geschornem Haupt. Thunberg?) beschreibt sie als grofs von Statur, dunkler als die sonstigen Insulaner und gut gekleidet. Pridham?) erklärt sie für die schönste Rasse auf der Insel nach den Europäern, von martialischem Aussehen, fast durchweg grofs und gut gebildet. Davy sagt: in dress, appearance and manners, they differ but little from the Singhalese. Soweit ich sehe, ist nur ein einziger „Mohren“-Schädel in Europa und zwar im Besitze des Hrn. Barnard Davis). Derselbe, No. 317 seiner Sammlung, stammt von Colombo. Es ist ein männlicher Schädel von 1495 Cub.-Cm. Rauminhalt, also ziemlich geräumig, mit einem Län- genbreitenindex von 70, einem Längenhöhenindex von 71 und einem Gesichtsindex von 85,7; er ist demnach orthodolichocephal und chamaeprosop. Eine weitere Vergleichung ist kaum angezeigt, da ein einziger Schädel nicht wohl darauf beurtheilt werden kann, ob er den Typus der Rasse giebt oder nicht. 4) Malayen. Ueber das Vorkommen zerstreuter malayischer Elemente ist schon früher (S. 31) gehandelt worden. Wir besitzen ein Paar Angaben über ihr physisches Verhalten. Cordiner>) bezeichnet sie gegenüber den anderen Stämmen als heller, von einer mehr zum Kupfrigen hinneigenden Hautfarbe, als sie sich bei irgend einem der eingebornen Stämme Indiens zeige. Nach Selkirk®) sind sie kupferfarben, unter mittelgrofs, haben eine flache Stirn, ein breites Dr Wolf’arar 0.212 5.169. 2) Thunberg Vol. IV. p. 188 eitirt bei Philalethes 1. c. p. 244. 3) Bridham]. e. 1.9.4792. 4) Davis. Thesaurus eraniorum p. 134. 5) Cordiner l.c.p. 143. DuSelkirk Iäc-p.7e. 96 Vırcaow: Ueber die Weddas von Ceylon Gesicht, eine breite, flache Nase und stechende Augen. Pridham!) schildert sie ähnlich und nennt sie eine keineswegs angenehme Art von Menschen. Sie seien activ, von schwacher, obwohl muskulöser Gestalt. In der Sammlung Davis befindet sich ein Malayen-Schädel von Colombo. Er ist als männlich bezeichnet. Seine Oapacität beträgt 1435 Cub.-Cm.; Längenbreitenindex 79, Längenhöhenindex 76, Gesichts- index 108. Er ist also hypsimesocephal und leptoprosop. Die Frage nach der Herkunft und Verwandtschaft der verschie- denen, auf Ceylon neben einander existirenden Stämme hat begreiflicher- weise die Besucher der Insel schon sehr früh beschäftigt. Schon Cosmas Indicopleustes (f 550 p. Chr.), der unter Justinian lebte, berichtet auf Grund der Erzählungen des griechischen Reisenden Sopater, dals die Eingebornen von Oeylon verschiedenen Rassen angehörten; er nennt sie ausdrücklich allophyl?). Die Chinesen wufsten schon, dafs der Norden der Insel von einer anderen Rasse bewohnt werde, als der Süden: jene, die Tamilen, verglichen sie mit den Hu (Hoo), einem Volke von Central- asien; diese, die Sinhalesen, mit den Liau (Leaou), einem Gebirgsstamme in Westchina, dem sie grofse Ohren, lange Augen, ein rothes Gesicht, einen schwarzen Körper, feuchte und grobe Hände und Fülse und ein langes Leben von 100 Jahren und darüber zuschrieben und der die Haare lang und hängend trage, sowohl Männer, wie Weiber?®). Sicherlich fanden diese älteren chinesischen Berichterstatter also keine Aehnlichkeit zwischen den Sinhalesen und den Chinesen selbst. Auch haben sie meines Wissens keine Angabe hinterlassen, aus welcher seschlossen werden könnte, dafs jemals eine chinesische Colonisation der Insel stattgefunden habe. Alles, was aus ihren Berichten hervorgeht®), beschränkt sich auf den Nachweis alter Handels- und Religionsbeziehungen und auf eine einmalige kriegerische Unternehmung der Chinesen, indels 1) Pridham |. c. I. p. 483. 2) Tennent l. e. I. p. 544. 3) Aus dem Tu Hiuen bei Tennent I. p. 587. #) Tennent l.c.I. p. 533 sq. und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 97 gehen die Berichte nicht über das 4te Jahrhundert unserer Zeitrechnung hinaus und die Besiegung eines Königs von Üeylon durch chinesische Waffen erfolgte erst im Jahre 1408. Abgesehen von der Erwähnung, dafs im Jahre 1266 chinesische Soldaten in den Kriegsdienst des Königs Prakrama traten, ist von einem längeren Verweilen oder einer wirklichen Niederlassung der Chinesen in Ceylon nirgends die Rede. Nichtsdesto- weniger ist der Gedanke, dafs die ursprüngliche Bevölkerung der Insel eine chinesische gewesen sei, von dem portugiesischen Schriftsteller Ribeyro!) ausgesprochen worden. Auch Knox?) hörte diese Geschichte aus dem Munde von Portugiesen, aber er sagt sehr entschieden: But to me nothing is more improbable than this story, because this people and the Chinese have no agreement nor similitude in their features, nor language, nor diet, und er fügt hinzu: it is more probable they came from the Malabars; their country lying next, though they do resemble them little or nothing. I know no nation in the world do so exactly resemble the Chingulays as the people of Europe. Dabei ist zu erinnern, dafs er Sinhalesen und Weddas für zusammengehörig ansieht: Of these natives there be two sorts, wild and tame. Diese, gewils sehr unbefangene Darstellung ist von grofsem Werthe. Die Beziehung auf die Malabaren ist, wie man sieht, eine rein speculative; in Wirklichkeit leugnet Knox jede Aehnlichkeit der Sinhalesen mit den Malabaren, er findet jene vielmehr den Europäern am ähnlichsten. Dies ist das erste unzweideutige Zeugnils für den arischen Ursprung der Sinhalesen, welcher seitdem von vielen Besuchern angenommen worden ist. Davy?) sagt: The pure Singalese of the Interior are completely Indians in person, language, manners, customs, religion and government. Er läfst es unbestimmt, welche Abtheilung der Indier er im Sinne hat, und die Erwähnung der Religion scheint sogar die arısche oder brahmi- nische Abtheilung auszuschliefsen. Sicherlich aber dachte er nicht an die Bewohner der hinterindischen Halbinsel, die sogenannten Indo-Chinesen. I) Tennentil.,e. L..p.,327 note 2. Di Rinoxala cap. DEDasıy ].c.p.,109. Phys. Kl. 1881. Abh.]. 13 98 Vırcmow: Ueber die Weddas von Üeylon Nur Philalethes!) und Pridham?) unter den neueren Berichterstattern sprechen ihre Ueberzeugung von dem chinesischen Ursprung der Sinha- lesen aus, beide jedoch nicht aus anthropologischen, sondern aus histo- rischen Gründen, der letztere unter Hinweis auf die Rieselwirthschaft und den Terrassenbau der Sinhalesen, den er auf China zurückführt. Die historischen Gründe sind unerheblich; was dagegen die Rieselwirthschaft betrifft, so mag die Erfindung derselben durch die Chinesen unbeanstandet sein, indefs hat schon Sir Tennent nachgewiesen, dafs das „Tank- System“ in Ceylon tamilischen Ursprunges und von Vorderindien aus im 4. Jahrhundert unserer Zeitrechnung eingeführt ist. Es bedarf nach dem früher Mitgetheilten keines ausführlichen Beweises dafür, dafs die physischen Eigenthümlichkeiten weder der Sin- halesen, noch der Weddas, namentlich ihr Schädelbau, irgend etwas an sich haben, was auf mongolische Verwandtschaft hinweist. Ein so aus- gezeichnet dolichocephaler Stamm ist noch nirgends unter Mongolen auf- gefunden worden. Was es mit der altchinesischen Geschichte von der Aehnlichkeit der Sinhalesen mit den Liau in Westchina auf sich hat, vermag ich nicht zu beurtheilen, indefs ist nicht einmal dargethan, dafs dieses Volk im engeren Sinne zu den Mongolen zu zählen ist. Man könnte dabei an die heutigen Laos (auf der Grenze zwischen China und Siam) denken, von denen Gützlaff?) je nach ihrer Complexion weilse und schwarze unterschied. Allein nach der Meinung des Hrn. Schott) sind vielmehr die Ljaos gemeint, von denen freilich auch nur constatirt, 1) Philalethes l.c. p. 15. Note f. 2) Pridham l. ce. 1. p. 21. 3) Prichard l.c. Third edit. Lond. 1844. Vol. IV. p. 503. #4) Hr. Professor Schott theilt mir darüber Folgendes mit: Dasjenige Ljao, woran ich zuerst dachte, wird 2 geschrieben und ist der Name eines Flusses im heutigen Mandsehulande, nach welchem eine tatarische Dynastie sich benamste, die eine Zeit lang Nordcehina besessen hat. Ein anderes, und zwar das für uns in Betracht kommende Ljao (dialektisch auch lao, lio, liu und weiland sogar lot) schreibt sich ZH: also jenem sehr ähnlich. Dieses bedeutet mit zugegebenem ar ja (Backenzahn) „hervorstehende Zähne“ und ist aulser- dem für sich allein Name gewisser, sonst nicht näher bestimmter südwestlicher Aus- länder 1 [52] 5 si nan ji, wie ich aus dem nach Kaiser Kang-hi betitelten Origi- nalwörterbuch ersehe. und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 99 dafs sie „südwestliche Ausländer“, also jedenfalls nicht Chinesen waren. Bevor wir über diesen „Südwesten“ nähere Nachrichten haben, wozu jetzt glücklicherweise viele Aussicht ist, wird für die physische Beschaffenheit der Sinhalesen aus dem angeführten Citat nicht viel gefolgert werden können. Indefs will ich nieht verschweigen, dafs eine alte, schon von Valentijn erwähnte Tradition die Sihala-Dynastie, von welcher Wijayo der Eroberer herstammte, in Tenasserim residiren liefs und den Sinhalesen daher eine siamesische Abkunft zuschrieb. Da jedoch die neueren Unter- suchungen dahin übereinkommen, sowohl die Dynastie, wie die Sprache der Sinhalesen von Magadha, dem heutigen Behar, also mitten aus dem Ganges-Land abzuleiten, so liegt kein Bedürfnifs vor, jene Tradition weiter zu verfolgen. Ueberdies ist es nicht die Untersuchung über die Herkunft der Sinhalesen, welche unser Interesse in erster Linie in Anspruch nimmt, sondern die Ergründung der Abstammung der Weddas. Selbst für den Fall, dafs man die Weddas, wie einige es aus- drücken, als wilde Sinhalesen, oder, wie andere sagen, die Sinhalesen als zahme Weddas betrachtet, dals man also beide auf denselben Grundstock zurückführt, wird man nicht umhinkönnen, mit den Weddas anzufangen. Das Umgekehrte hätte nur dann einen Sinn, wenn man annehmen wollte, die Weddas seien von einem Zustande höherer Gesittung auf den Zustand niedrigster Rohheit, in welchem sie sich seit Jahrhunderten allen Besuchern dargestellt haben, zurückgesunken. Das theoretische Bedenken, welches sich einer solchen Annahme entgegenstellt, habe ich schon vorher betont; ich will darauf nicht zurückkommen. Aber ich frage, welche Anzeichen einer früheren Gesittung hat man denn aufgefunden? Sind irgendwo auf der Insel Ueberreste einer höheren Cultur entdeckt worden, welche den Der von den Europäern Laos genannte Stamm südlich von Jün-nan heilst bei den Chinesen meines Wissens nicht anders als Lao-tschua, aus 2 lao, Greis, und tschua, die Pauke schlagen. Der die Pauke rührende Alte ist offenbar blofse Nachbildung eines nichtehinesischen Wortes, wie z. B. IR Yin lang-ja, Wolfzähne, die chinesische Schreibung von Langka, d. h. des indischen Namens der Insel Ceylon. Dem alten Volks- oder Völkernamen Hu, welcher eine unbestimmte Bevölke- rung in Central-Asien nördlich von China umfalste, darunter die oft mit den Hunnen ver- wechselten und wohl wenigstens dem Namen nach mit diesen identischen Hjün -nu oder Hjung-nu, entspricht A, seiner appellativen Bedeutung nach die Halswamme des Ochsen. Ein Hu von anderer Schreibung und nationaler Bestimmung ist nicht nachzuweisen. 13* 100 VırcHow: Ueber die Weddas von Ceylon Weddas auch nur mit einiger Wahrscheinlichkeit zugeschrieben werden könnten? Meines Wissens fehlt es daran gänzlich. Nicht einmal Abfalls- haufen (Kjökkenmöddinger), wie sie die benachbarten Andamanen-Inseln in so ausgezeichneter Weise darbieten, sind bekannt geworden. Nicht einmal Steingeräth, wie es selbst die Australier in mannichfacher Form besitzen, ist aufgefunden. Nun wäre es ja denkbar, dafs diese Lücken noch durch weitere Nachforschungen ausgefüllt werden könnten, zumal da die früher (S. 19) mitgetheilte Bemerkung des Hrn. Hartshorne wenigstens für Steinäxte eine gewisse Hoffnung erweckt. Aber was wäre damit gewonnen? Doch im besten Falle die Möglichkeit, die Weddas den Andamanesen und den Australiern gleich zu stellen, während sie nach den bis jetzt vorliegenden Thatsachen entschieden tiefer gestellt werden müssen. Ein Volk, das nicht einmal Topfgeschirr besitzt, das aufser dem Hunde kein Hausthier kennt, dem auch die einfachsten Formen des Acker- und Gartenbaues fremd sind, dem beinahe jede sociale Ordnung fehlt, das von seinen eivilisirten Nachbarn nicht einmal den outcasts zu- gezählt wird, kann doch unmöglich jemals im Besitze der Mittel gewesen sein, welche eine höhere Cultur überhaupt möglich machen. Der Ge- danke einer secundären Verwilderung mufs daher definitiv aufgegeben werden. Der einzige Anhaltspunkt für eine solche Annahme könnte nur die Sprache sein. Wie grofs die Abweichung der Meinungen über die Stellung der Wedda-Sprache ist, habe ich schon dargelegt (S. 34). Dafs sie in ihren Grundlagen kein dravidisches Idiom sei, scheint mir nach den vor- liegenden Zeugnissen unzweifelhaft. Eine grofse Zahl von guten Autori- täten, darunter die ersten Linguisten, erklären sie vielmehr für einen sinhalesischen, d. h. arıschen Dialekt. Ob aber das Sinhalesische selbst mit einer der anderen indo-arischen Sprachen übereinstimmt, ist wiederum streitig. Allein wenn man es auch mit dem sehr erfahrenen Childers für ein alterthümliches Pali, oder vielmehr für einen ursprünglichen Schwesterdialekt des Palı nımmt, so wird doch schwerlich jemand daraus und noch weniger aus den beigemischten Sanskrit-Worten auf eine Ab- leitung auch der Weddas aus dem Ganges- Thal schliefsen wollen. Seit Jahrtausenden sind die Weddas ringsum von höher ceultivirten Völkern umgeben, und wenn sie sich auch scheu in ihren Wäldern verborgen und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 101 gehalten haben, so ist doch ein gewisser Verkehr mit den Nachbarn nicht ausgeblieben. Da, wo die Tamilen ihnen dauernd nahe rückten, wie in der Umgebung von Batticaloa, hat ein Theil der Weddas die tamilische Sprache angenommen!). Aber während der längsten Zeit und an den meisten Grenzorten waren sie in unmittelbarer Berührung mit Sinhalesen, zu deren Königen sie in einer, wenn auch sehr losen Unterthänigkeit standen und aus deren Reihen ihnen Häuptlinge gesetzt wurden. Was Wunders also, wenn sie mehr und mehr sinhalesische Worte und Formen aufnahmen? Die Frage ıst nur, ob neben diesen, wie ich voraussetze, recipirten Worten ihre Sprache gar keine eigenthümlichen Elemente bewahrt hat. Darauf scheint die Aufmerksamkeit der Sammler von Voca- bularien und der vergleichenden Linguisten kaum gerichtet gewesen zu sein. Und doch sollten gerade die Worte „von zweifelhaftem Ursprung“, wie Hr. Hartshorne sie bezeichnet, am sorgfältigsten gesammelt und geprüft werden. Besitzen wir doch bis jetzt nicht einmal eine sichere Nachricht darüber, ob die Wedda-Sprache Worte für die Zahlen hat. Was nützt es für unsere Untersuchung, wenn Hr. Max Müller mehr als die Hälfte der Wedda-Worte (d. h. der aufgezeichneten) für verdorbenes Sanskrit erklärt? Wohin gehört dann die andere, wenngleich kleinere Hältte, die vielleicht bei grölserer Aufmerksamkeit sich vergröfsern liefse? Darf sie den tamilischen Sprachen nicht zugerechnet werden, so könnte sie recht wohl specifisch sein. Nichts berechtigt, wie mich dünkt, bis jetzt zu einer so einseitigen Bezeichnung, wie die des Hrn. Edward Tylor, der die Wedda-Sprache ohne Weiteres eine arische nennt. Noch etwas anders würde sich die Sache stellen, wenn man an- nehmen dürfte, dafs ursprünglich die Weddas die ganze Insel allein bewohnten und dafs sie nicht blofs einfach durch Einwanderer zurückge- drängt wurden, sondern sich auch mit diesen vermischten. Von den Tamilen, welche erst später einwanderten, läfst sich sagen, dafs sie im Norden in der That die alte Bevölkerung verdrängt haben, dafs sie da- gegen im Osten sich nicht blofs mit Weddas mischten, sondern auch eine wirkliche Tamilisirung von Weddas hervorbrachten. Indefs scheint dies für die Hauptsache unerheblich zu sein. Anders ist es mit den Sinhalesen. 1) Cordiner l.c. I. p. 91. Bailey 1. c. p. 305 note *. 102 Vırc#ow: Ueber die Weddas von Ceylon Folgen wir den Angaben der einheimischen Annalisten, so ist der Anfang der Sinhalesen auf die Gefolgschaft des Königs Wijayo zurückzuführen, also auf eine erobernde Einwanderung aus dem Gangesthal. Es wird nicht nöthig sein, die Zahl von 700 Leuten aus Magadha (Behar), welche die Annalen geben, wörtlich zu nehmen; immerhin wird das Verhältnifs nicht wesentlich anders gewesen sein, als etwa das Verhältnifs der Dänen und der Normannen in England. Der gröfste Theil der Insel wurde in Felder und Gärten eingetheilt und ein patriarchalisches Dorf-System eingeführt, welches die Jahrtausende überdauert hat. Eine Reihe von Thatsachen spricht dafür, dafs die Urbevölkerung von diesem System nicht ganz aus- geschlossen war; schon der Umstand, dafs die Weddas der hohen Kaste der Landbauer (Goewans& oder Vellalas) zugerechnet wurden, deutet darauf hin, dafs ihnen in der politischen Organisation des Landes früh ein regel- mäfsiger Platz gesichert war. Auf einer solchen Grundlage konnte sich ein Mischverhältnifs zwischen den Magadha-Leuten und den Eingebornen sehr leicht entwickeln, und wenn man als das Resultat dieser Mischung die sinhalesische Rasse betrachtet, so würde die Erfahrung so vieler anderer Länder, wo ähnliche Mischungen stattfanden, es sehr leicht erklären, dafs die Magadha-Leute ihre Sprache, das alte Pali oder Elu, zur herrschenden machten, dals dagegen in der physischen Gestaltung das eingeborne Element eine dauernde Einwirkung gewann. Bei einer solchen Auffassung würden Weddas und Sinhalesen weder identisch, noch durch blofse Culturgrade von einander verschieden sein. Vielmehr würden die Weddas als Repräsentanten der eingebornen Rasse, die Sinhalesen dagegen als ein Mischvolk, hervorgegangen aus der Vereini- sung eingewanderter Indier mit Weddas, und daher je nach dem Maals der Betheiligung eines jeden der beiden Elemente, in etwas variabler Erscheinung, anzusehen sein. In der That scheint mir das die Lösung des anthropo- logischen Problems zu sein, welches uns vorliegt, wenigstens soweit die Materialien gegenwärtig reichen. Die Iinguistische Schwierigkeit, dafs auch die unvermischten Eingebornen die arische Sprache der Eroberer, — in welcher Ausdehnung, das mag dahingestellt bleiben, — annahmen, ohne dafs sie, soweit ersichtlich ist, dazu gezwungen wurden, erscheint mir nicht mehr unüberwindlich, seitdem ich durch eigene Erfahrung fest- und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 103 gestellt habe!), dafs in den russischen Östseeprovinzen ein Theil der finnischen Bevölkerung nach dem andern in unmerklichem, aber unauf- haltsamen Fortschritt lettisirt worden ist, der Art, dals die kurische Sprache ganz, die livische fast ganz aufgehört hat und nur die estnische noch einigen Widerstand leistet. Rein anthropologisch betrachtet, sind die Differenzen zwischen den Weddas und den Sinhalesen nicht so grols, dals ein zwingender Grund bestände, einen absoluten Gegensatz zwischen beiden Stämmen anzu- nehmen. Ich will dabei nicht in Abrede stellen, dafs die Zahl der ganz sicheren Schädel, welche ich persönlich zur Vergleichung prüfen konnte, nicht grols genug ist, um eine definitive Entscheidung herbeizuführen, aber sie scheint mir doch auszureichen, um zu ermitteln, ob Verdachts- gründe gegen die Richtigkeit der anderweitig gefundenen Formel vor- liegen. Solche Verdachtsgründe finde ich in der That nicht. Nachdem ich die ihrer Herkunft nach zweifelhaften, sowie die durch besondere Deformation abweichenden Schädel mit aller Vorsicht ausgeschieden hatte, ist, unter Zuhülfenahme der in auswärtigen Sammlungen vorhandenen Schädel, eine so grofse Zahl zur Vergleichung brauchbarer Speeimina übriggeblieben, dafs sie vielfach über das hinausgeht, was uns von anderen Stämmen zur Verfügung steht. Vergleichen wir kurz das Gefundene, so ergiebt sich zunächst, dafs sowohl die Weddas, als die Sinhalesen dunkle Stämme sind, deren Haut- farbe zwischen Gelbbraun und Schwarz varürt (S. 40, 61). Die Mehrzahl der Beobachter beschreibt die Sinhalesen als weniger dunkel, als in der Regel kastanienbraun oder braun mit einem gelben Unterton; Pereival schreibt den Weibern eine gelbe Farbe zu; Cordiner und Selkirk geben an, dafs die Volarfläche der Hände und Fülse „weils“ sei. Von den Weddas werden ähnliche Angaben einer so hellen Färbung nicht gemacht; die von Pereival gebrachte Erzählung, dafs die Farbe der Weddas kupfrig und „heller“ als die der übrigen Ceylonesen sei, steht ganz ver- einzelt. Wenn demnach ein nicht unerheblicher quantitativer Unterschied in der Hautfarbe zwischen beiden Stämmen besteht, so darf wohl in 1) Zeitschrift für Ethnologie, Verhandlungen der Berliner anthropologischen Gesellschaft. 1878. 104 Vırcuow: Ueber die Weddas von Ceylon Betracht gezogen werden, dafs die Weddas ganz nackt, allen Unbilden des Wetters und der äufseren Medien ausgesetzt, ohne regelmäfsige Wohnun- gen leben und überdies im äufsersten Grade schmutzig sind, — Verhält- nisse, welche selbst in unserem Klima und unter sehr viel weniger belastenden Umständen genügen, um die Hautfarbe stark zu bräunen. Die Sinhalesen dagegen tragen eine bald mehr, bald weniger vollständige Bekleidung, wenigstens des Unterkörpers, sie leben in ordentlichen Häusern, unter relatin günstigen Verhältnissen, und zeichnen sich vielfach durch grolse Sauberkeit aus. Wenn trotzdem sehr dunkle, ja fast schwarze Individuen, wie aus den Mittheilungen der Reisenden hervorgeht, unter ihnen keineswegs zu den Seltenheiten gehören, so ist dies sicher sehr bemerkenswerth. Auch die Beschaffenheit des Haars ist offenbar ähnlich, nur dafs hier in noch viel höherem Maalse der Einflufs der Cultur hervortritt. Während die Weddas sich niemals kämmen, ja vielleicht überhaupt keine Einwirkung auf ıhr Haar eintreten lassen, so dafs es von Jahr zu Jahr mehr verzottelt, und als ein wirrer, buschiger Wust den Kopf, das Ge- sicht und die Schultern bedeckt, so verwenden die Sinhalesen eine ganz ungewöhnliche, ja fast weibische Sorgfalt auf die Glättung und den Aufbau ihres Kopfputzes. Aber beide Stämme tragen das Haar lang, es ist üppig, schwarz, wenig gewellt, und nur bei den Weddas legt es sich in Folge seiner Vernachlässigung in vielfach verfitzte, jedoch nicht eigentlich krause Mähnen oder Zotteln. Es mag dabei nicht ausgeschlossen sein, dals bei einzelnen Individuums eine mehr gekräuselte Beschaffenheit der Haare besteht, wie sie der ältere Mann auf der früher (S. 44) mitgetheilten Zeichnung zeigt. Indefs ist auch bei ihm das Haar lang und ganz ver- schieden von den kurzen Röllchen und dem Wollhaar der eigentlichen Neger und der Negritos. Würde es von früh an gekämmt und gereinigt, so würde es wahrscheinlich, wie das der Sinhalesen, glänzend, „wie Eben- holz“, sein. Das Bild des jungen Mädchens in der Zeichnung scheint diese Verschönerung direkt darzubieten. Eine sehr bemerkenswerthe Angabe, welche gewissermaalsen das umgekehrte Verhältnils betrifft, findet sich bei d’Albertis!). Dieser 1) L.M. d’Albertis. New Guinea. Lond. 1880. Vol. I. p. 259. und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 105 Reisende hatte für seine Forschungen auf Neu-Guinea in Point de Galle zwei Sinhalesen engagirt. Als dieselben die Bekanntschaft der Einge- bornen der Yule-Insel (im Papua Golf im Süden von Neu-Guinea) gemacht hatten, sagten sie ihm, diese Leute glichen ihren Landsleuten, nur sei die Hautfarbe der Sinhalesen viel schwärzer. Als er sie darauf aufmerksam machte, dals das Haar der Eingebornen zerfahren (fuzzy, fusselig?) sei, erwiderten sie, die Sinhalesen würden auch zerfahrenes Haar haben, wenn sie es nicht kämmten und täglich sorgfältig mit Oel salbten. Hr. d’Albertis erwähnt dabei, dafs das Haar des einen seiner Sinhalesen, der es kurz trug, kraus (crisp), das des andern, der es lang trug, glatt (smooth) war; auch stellt er nicht in Abrede, dafs manche der Eingebornen dem Typus seiner Sinhalesen glichen. Wenn man diese Analogie auch dahingestellt läfst, da sie sich nur auf zwei Personen be- zieht, so scheint doch aus der ganz unbefangenen Angabe bestimmt her- vorzugehen, dafs das sinhalesische Haar bei einer gewissen Verwilderung dem Wedda-Haar ganz nahe kommt. Darin liest offenbar ein starker Gegensatz zu der „Schlichthaarigkeit“ der Malayen und Mongolen, und die Haplotrichie des Palladius wird nicht in dem Sinne verstanden werden dürfen, dafs das Haar der Weddas ohne alle Einschränkung glatt zu nennen sei. Die Angaben über die Farbe der Iris sind weniger vollständig, aber man ersieht doch aus den Schilderungen, dafs sie in der Regel dunkel ist. Ueber die Sinhalesen macht Davy genauere Angaben (8. 62); daraus geht hervor, dals die Augen gewöhnlich schwarz, seltener hell- braun, noch seltener grau und nur bei Albinos hellblond oder roth sind. In der poetischen Schilderung einer idealischen Kandy-Schönheit, die oben (S. 68) mitgetheilt ist, wird allerdings ein Auge „wie blauer Sapphir oder wie die Blumenblätter der blauen Manilla-Blume“ verlangt, aber diese Forderung dürfte sich schwerlich auf ein typisches Verhältnifs beziehen. Von den Weddas wird nirgends etwas Aehnliches bemerkt und man wird daher wohl annehmen können, dafs ihre Iris regelmälsig schwarz oder dunkelbraun ist. Was die Gröfsenverhältnisse anbetrifft, so sind offenbar beide Rassen von mälsiger Statur, eher klein, als grofs zu nennen. Wenn die Körper- höhe bei den Weddas (S. 42) ım Mittel bei den Männern 1537, bei den Phys. Kl. 18581. Abh. 1. 14 106 Vırcmow: Ueber die Weddas von Ceylon Weibern 1448 mm beträgt, dagegen bei den Sinhalesen (S. 61) etwa 1625—1650 mm (bei Männern), so wird man die Bedeutung des geringeren Maalses der ersteren um so weniger beanstanden können, als bei ihnen Minimalmaafse für die Männer von nur 1245 mm vorkommen. Die Angaben über die Sinhalesen sind leider sehr unvollständig; nur darin stimmen alle überein, dafs die letzteren kleiner und weniger kräftig, als Europäer, seien. Ob hier eine nur relative Differenz zwischen Sinhalesen und Weddas vorliegt, ob die letzteren nur in Folge ihres kümmerlichen Lebens im Wuchs zurückbleiben oder ob ihre Kleinheit eine typische Eigenthümlichkeit der Rasse ist, kann immerhin zweifelhaft erscheinen. Der Umstand, dafs der Zwergwuchs nicht constant ist, dafs es vielmehr auch relativ grofse Weddas giebt, wie denn der so scrupulöse Hr. Hartshorne einen Mann zu 1638 mm maals, könnte zu Gunsten der Annahme angeführt werden, dafs der oft zwerghafte Wuchs eine Consequenz lange andauernder, ungünstiger Entwickelungsbedingungen sei. Nichtsdestoweniger ist die Thatsache allgemein bezeugt, dafs die Weddas einer im Durchschnitt kleinen, ja einer der kleinsten überhaupt bekannten Rassen angehören. Nimmt man dazu, dafs die Weddaratta überaus reich an Wild ist und dafs die Weddas geschickte Jäger und Fischer sind, dafs Honig und efsbare Früchte und Wurzeln ihnen in Fülle zu Gebote stehen, so kann man nicht sagen, dafs sie, wie die Australier, auf Entbehrung angewiesen seien. Wenn sie trotzdem ungleich kleiner, als Australier sind, so wird man nicht umhin können, ihre Kleinheit als eine ursprüngliche anzu- erkennen. In Bezug auf Muskelentwickelung und Körperkraft lauten alle Zeugnisse günstig für die Weddas. Trotz einer mehr gracilen, vielleicht sogar mageren Gestaltung der Fleischtheile scheinen sie allgemein eine grofse Leistungsfähigkeit und eine proportionirte Bildung der Gliedmaalsen zu besitzen. Gegenüber den Sinhalesen im Niederland mögen sie sogar eine gewisse Superiorität in der Muskelarbeit zeigen, denn nur von den Sinhalesen des Gebirges, namentlich von den Kandiern, wird die Körper- kraft besonders gerühmt. Die von Hrn. Hartshorne betonte Kürze der Daumen und Spitzigkeit der Ellenbogen bei den Weddas dürfte sich viel- leicht durch ihre Kleinheit und Magerkeit erklären; jedenfalls würde nur die erstere, wenn sie sich als eine unverhältnifsmäfsige durch Messung und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 107 ergäbe, von Bedeutung sein. Vielleicht liegt hier eine ähnliche Täuschung vor, wie bei Hrn. Bennett, der die Länge des Fufses urgirt, während die direkte Messung (S. 58) vielmehr eine durchaus proportionirte Gröfse dargethan hat. Dagegen mag es richtig sein, dals die Weddas Plattfüfse haben. Diese würden aber nicht ausreichen, um ein Rassenmerkmal zu bilden. Aehnliche Betrachtungen, ja noch viel weniger distinktive, treffen zu in Beziehung auf die Gröfse des Kopfes, namentlich in Beziehung auf die Capaeität des Schädels. Sowohl die Einzelzahlen, als auch die Mittel habe ich früher mitgetheilt, und auch unter einander verglichen (S. 50, 75). Daraus ging hervor, dafs die Wedda-Schädel durchschnittlich viel kleiner, als die Sinhalesen-Schädel sind, ja dafs eine gewisse Zahl von ihnen geradezu nannocephal genannt werden kann. Indefs auch die Sin- halesen-Schädel haben mir nur einen Rauminhalt von 1406 Cub.-Cm. im Mittel geliefert, und unter 11 Exemplaren hatten 3 nur zwischen 1100 und 1200 Cub.-COm. Erwägt man dem gegenüber, dafs auch unter den Wedda-Schädeln ein Paar von 1614 und 1420 Cub.-Cm. Rauminhalt vor- kamen, so folgt, die Aechtheit dieser Schädel vorausgesetzt, dafs nicht nur die Nannocephalie kein constantes Merkmal ist, sondern dafs selbst geräumige Schädel bei Weddas vorkommen. Die Zahlen schieben sich eben von beiden Seiten durch einander: das gröfsere Mittel der Sinhalesen hindert keineswegs das Vorkommen sehr kleiner Exemplare, und umge- kehrt stecken in dem allerdings sehr kleinen Mittel der Weddas auch geräumigere Specimina. Ich will hier nicht die Umfangsmaalse und die sich daraus berech- nenden Verhältnilszahlen noch einmal durchgehen. Es haben sich dabei gewisse Differenzen zwischen beiden Stämmen ergeben, indefs werden sich dieselben bei den Indices in paralleler Weise darstellen lassen. Nur ein Verhältnifs will ich hier noch einmal hervorheben, weil es möglicherweise von gröfserer Bedeutung ist. Es ist dies die stärkere Betheiligung des Vorder- und Mittelkopfes bei den Sinhalesen, des Hinterhauptes bei den Weddas an der Bildung des Schädeldaches (S. 76). Dabei muls ich jedoch erwähnen, dafs die (untere) Frontalbreite bei den Wedda-Schädeln aus dem Colombo-Museum keineswegs geringer war, als bei meinen Sinhalesen. 14* 108 Vırcnow: Ueber die Weddas von Ceylon Von besonderem Interesse ist die Vergleichung der Schädelindices. Die Mittel für den Längenbreitenindex, welche ich ermittelt habe, sind für beide Stämme fast genau identisch: 71,8 für die Sinhalesen, 71,6 für die Weddas. Dies ist ein ausgezeichnet dolichocephales Maafs. Wenn sich dabei ergab, dafs sämmtliche, zur Untersuchung stehende Sinhalesen- Schädel dolichocephal, dagegen unter 20 Wedda-Schädeln 4 mesocephal waren, so könnte man auf die Vermuthung kommen, dafs unter den letzteren tamilische Verunreinigungen vorgekommen seien. Dies wird sich ohne neues und sehr sicheres Material nicht entscheiden lassen. Für unsere jetzige Vergleichung ergiebt sich nur, dafs dieses wichtige Ver- hältnilsmaals keinen Hinweis darauf enthält, dafs eine tiefgehende Rassen- differenz zwischen Sinhalesen und Weddas besteht. Bei beiden ist der Schädel lang und schmal, jedoch ist unter den Wedda-Schädeln eine gröfsere Zahl, bei welchen die Schmalheit noch bedeutender ist, als bei den Sinhalesen. Ganz ähnlich verhält es sich mit dem Längenhöhenindex. Derselbe ist bei beiden Stämmen orthocephal, bei den Weddas freilich auf der äufser- sten Grenze zur Hypsicephalie (74,9), bei den Sinhalesen etwas kleiner (74,6). Immerhin mufs man beide Arten von Schädeln zu denen von mittlerer Höhe rechnen. In Beziehung auf die absoluten Höhenzahlen stellt sich das Verhältnils etwas anders, insofern hier ein gröfseres Maals für die Sinhalesen hervortrat, wie die Abbildungen auf Taf. I. und I. erkennen lassen. Diese Uebereinstimmungen der Hauptindices sind so grols, dals sie innerhalb der Grenzen eines einzigen Volksstammes nicht gröfser ge- funden werden könnten. Die Configuration der Schädelkapsel darf ab- gesehen von der Betheiligung der einzelnen Knochen an derselben, als eine identische betrachtet werden. In der That liest auch nach dem Zeugnisse der Reisenden der Stammesunterschied mehr in dem Gesicht, als in der Schädelkapsel. Vorzugsweise ist es die Gestalt der Nase, namentlich die flache Beschaffenheit des Rückens und die Weite der Nüstern, sowie die Bildung der Lippen und Kiefer, welche durchweg als prognath geschildert werden, worauf die verschiedenen Autoren als auf charakteristische Züge des Wedda-Gesichtes hinweisen. Gegenüber der sinhalesischen Nase, welche die alten chinesischen Berichterstatter einen und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 109 I Vogelschnabel nennen, und welche in der Beschreibung der Kandy-Schön- heit (S. 63) mit dem Habichtschnabel verglichen wird, gegenüber den zarteren Lippen und dem orthognathen Kieferbau, welchen die Zeich- nungen von Davy erkennen lassen, sind das allerdings recht auffällige Unterschiede. Die osteologische Untersuchung hat diese, von der Betrachtung der Lebenden hergenommenen Angaben in der Hauptsache bestätigt. Leider hat sich das in Europa befindliche Schädelmaterial bei der Ver- schiedenheit der veröffentlichten Messungen in dieser Beziehung nicht vollständig verwerthen lassen, und zwar am wenigsten bei den Sinhalesen, bei denen überdies der Umstand sehr störend wirkt, dafs die beiden in meinem Besitz befindlichen Schädel, von denen der eine einem jüngeren, der andere einem sehr alten Manne angehört hat, grolse individuelle Ver- schiedenheiten erkennen lassen. Im Allgemeinen ist das sinhalesische Gesichtsskelet schmaler und länger, als das der Weddas. Jenes erwies sich als leptoprosop (Index 89), dieses als chamaeprosop (Index 83—84). Dem entspricht bei den Sinha- lesen ein längerer und schmalerer, bei den Weddas ein kürzerer und breiterer Gaumen, dem ein prognather Kieferbau sich anschliefst. In letzterer Beziehung ist der Gegensatz der Sinhalesen weniger deutlich, da Hr. Barnard Davis keine Angaben in dieser Richtung gemacht hat, und von meinen Schädeln der eine (Taf. II.) einen auffällig prognathen, wenn- gleich nicht langen Alveolarfortsatz besitzt. Dazu kommt bei den Weddas Mesokonchie (84,6) und Mesorrhinie (52), freilich mit manchen indivi- duellen Abweichungen, so dafs namentlich bei den Weibern mehr platyr- rhine, bei den Männern leptorrhine Formen hervortreten. Gerade hier reicht das sinhalesische Material zur Vergleichung nicht aus. Soweit sich darüber, freilich mehr vermuthungsweise, sprechen lälst, werde ich darauf zurückkommen. Hier will ich nur noch das zusammenfassende Urtheil des Hrn. Barnard Davis!) in Bezug auf den Typus der ceylonesischen und indischen Bevölkerung anführen: In Ceylon and the plains of India, we have found the people (Veddahs as well as the more elevated races), as far as our materials extend, characterized by small, narrow, long, and 1) Davis. Thesaurus eraniorum p. 158, 110 Vırcmow: Ueber die Weddas von Ceylon rather tall crania, having prominent nasal bones and well-expressed faces, when we refer to the typical skulls. As soon as we ascend the southern slope of the Himalayas, we meet with races of a very distinet cranial type. Ob dieses Urtheil sich auch auf nicht-arische Stämme Indiens beziehen soll, ist nicht deutlich; jedenfalls dürfte es in seiner Allgemein- heit nicht ohne Anfechtung bleiben. Ziehen wir nun die Tamilen oder Malabaren in die Vergleichung, so stolsen wir auf ein viel verbreitetes Vorurtheil, welches freilich erst in der neuen Zeit mehr zum Ausdruck gekommen ist. Schon Ribeyrot) hatte die Meinung, dals die Sinhalesen aus einer Mischung von Chinesen und Malabaren (Gallas) hervorgegangen seien. Auch Knox?), obwohl er „wenig oder gar keine Aehnlichkeit‘“ zwischen Malabaren und Sinha- lesen fand, hielt aus historischen Gründen eine Verwandtschaft für mög- lich. Die neueren Schriftsteller haben die Sinhalesen als Arier meist aufser Betrachtung gelassen und sich mehr mit dem dravidischen Ursprung der Weddas beschäftigt. Nur Lassen ?°), der die Weddas für den unver- ändert gebliebenen Theil der Sinhalesen nahm, führte aus sprachlichen Gründen das ganze „Volk der Cingalesen“ auf dekkhanische Stämme zurück. Auch Sir Tennent®) bezog sich für die Weddas wesentlich auf linguistische und religiöse (wenn man diesen Ausdruck gebrauchen darf) Verwandtschaften, welche auf die Völker des Dekkhan hinwiesen; er nahm and), dafs die Weddas sich zu den arischen Sinhalesen verhielten, wie die Gebirgsstämme Indiens zu den späteren arischen Einwanderern. Er nennt namentlich die Koolies in Guzerat, die Bheels in Malva, die Puttooas in Outtack, die Khoonds in Gundwana, die Bedas in Mysore und die wilden Horden in den Bergen östlich von Bengalen. Hr. Bailey) schlielst sich dieser Auffassung an. Er zieht nicht nur die Khonds, die Puttuwas oder 1) Pridham |. ce. 1. p. 21. A)rKnox Ircsp. 122 3) Lassen, Indische Alterthumskunde I. S. 199. 4) Tennent l.c. I. p. 328. 5) Derselbe 1. c. II. p. 438. 6) Bailey 1. c. p. 307. und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 111 Juanguas, die Pulindas (in Orissa), die Meekirs (in Nord Cachar) u. a. heran, sondern er geht bis nach Assam, Tenasserim und Ost-Birma mit seinen Vergleichungen. Aber auch seine Beweise sind ganz aus dem socialen und religiösen Leben dieser Völkerschaften hergenommen. Ganz ohne Specialnachweise ist die Angabe des Hrn. Tagore!), wonach ein schon dem Ptolemaeos bekannter Wanderstamm in den nördlichen Thei- len Indiens, die Vaidehas, welche später von Tippoo Sahib in Mysore un- ter dem Namen der Bedas getroffen seien, sich in seinem wilden (wild and savage) Zustande in den Weddas von Öeylon erhalten habe. Hr. Jagor?) erwähnt, dafs die Vedas, welche in kleinen Gruppen in den Wäldern von Trovancore und Cochin leben, von Einigen für einen Zweig der Weddas von Öeylon gehalten würden. So interessant diese Hinweise sind, so wenig scheinen sie mir doch zu der Erledigung der Streitfrage beizutragen. Anthropologische Vergleichungen haben bis jetzt kaum stattge- funden. Auch ich habe nicht die Absicht, die gegenwärtige Untersuchung so weit auszudehnen, obwohl mir mancherlei Material dazu vorliegt. Einige Beziehungen werde ich allerdings berühren, indefs eine volle Er- örterung der in Betracht kommenden Verhältnisse würde eine eigene, weit ausgreifende Arbeit erfordern. In erster Linie wird es nöthig sein, die Tamilen von Ceylon in Vergleichung zu ziehen, zumal da die historischen Nachrichten bis zu den Zeiten Wijayos rückwärts zahlreiche Heirathen nicht blofs der Könige, sondern auch ihrer Dienstmannen mit malabarischen Frauen melden, ganz abgesehen von den früh beginnenden Einfällen und Ansiedelungen tamilischer Horden. Trotz der spärlichen Berichte über die physischen Eigenthümlich- keiten der Tamilen läfst sich doch nicht bezweifeln, dafs sie gleichfalls sehr dunkel, mehr oder weniger „schwarz“ und mit langem, schwarzem Haar ausgestattet sind. Im Uebrigen beschränken sich die Angaben auf die Betonung ihrer gröfseren Kräftigkeit und Activität. Es bleibt mir daher nur das spärliche craniologische Material, welches sich in der Sammlung des Hrn. Barnard Davis und der memigen befindet. Dasselbe 1) Transactions of the Ethnologieal Society of London. New Series. 1863. Vol. I. p. 381. ?) Zeitschrift für Ethnologie 1879. Bd. XI. Verhandl. der Berliner anthrop. Gesellsch. S. 167. 112 Vırcnow: Üeber die Weddas von Ceylon ist zu einer endgültigen Beantwortung der Frage von dem ethnologischen Verhältnifs der Tamilen zu den beiden andern ceylonesischen Stämmen unzureichend, und meine Besprechung kann daher nur unter starken Vor- behalten vorgenommen werden. Alle diese Schädel sind verhältnifsmäfsig klein und sie würden auf nichts weniger, als auf eine kräftige Rasse schliefsen lassen. Wie schon angeführt (S. 89), ist die mittlere Capaeität der Tamilen-Schädel 1247 Cub.-Cm., also noch geringer als das Mittel der Weddas und als das der Sinhalesen. Schwerlich wird dies die Zahl sein, welche als die typische Stammeszahl anzusehen ist; sie hat meiner Meinung nach nur insofern Interesse, als sie zeigt, dals kleine Schädel bei allen Stämmen der Insel vorkommen können. Immerhin ist keiner darunter, welcher die Minimal- zahl der Weddas erreicht. Wesentlich erscheint dagegen der Unterschied in der Kopfform. Der tamilische Schädel ist, nach diesen Exemplaren zu urtheilen, hypsi- mesocephal, also ganz anders, wie der sinhalesische und der Wedda- Schädel. Sein Breitenindex beträgt 76,3, sein Höhenindex 76,8. Dem entsprechend ist sein querer Vertikalumfang gröfser, sein sagittaler Längs- umfang kleiner. Auch in Bezug auf die Betheiligung der einzelnen Knochen an der Bildung des Schädeldaches zeigt sich ein erheblicher Unterschied: der Umfang der Hinterhauptsschuppe ist viel kleiner, da- gegen der des Stirnbeins bedeutend grölser (S. 90), als bei Sinhalesen, und noch mehr ausgesprochen bei Weddas. In der Basilaransicht (Taf. II. Fig. 5) ist die grolse Kürze des Hinterhbaupts deutlich. Ich mufs danach aussagen, dals die Schädelform der Tamilen, soweit sie aus den in Betracht gezogenen Schädeln erkenntlich ist, eine Verwandtschaft weder mit den Weddas, noch mit den Sinha- lesen anzeigt. Die Verhältnisse des Gesichts lassen sich in Kürze in folgende Formeln zusammenfassen: Mesokonchie, Mesorrhinie, Mesoprosopie, Pro- gnathie und Brachystaphylie. Dadurch entfernt sich das Tamilen- Gesicht ganz bestimmt von dem sinhalesischen und nähert sich mehr dem Wedda-Gesicht. Aber, wie ich schon erwähnt habe, hindert der für die Tamilen (51) und die Weddas (50—52) fast über- einstimmende Nasenindex keineswees, dals die erölste Verschiedenheit oO") N ’ und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 113 namentlich in der Bildung des Nasenrückens, stattfindet. Durch die gröfsere Schmalheit der knöchernen Nase, sowie durch die vortretende, wenig eingebogene, verhältnifsmäfsig scharfe Beschaffenheit des Rückens tritt vielmehr eine gewisse Aehnlichkeit mit der sinhalesischen Nase her- vor. Am wenigsten wäre es daher gerechtfertigt, die platte nnd nach unten breite Nase der Weddas als ein tamilisches Erbstück zu bezeichnen. Eine Vergleichung der Gesichtsprofile in der Seitenansicht in Fig. 3 meiner 3 Schädeltafeln wird den Unterschied in der Nasenbildung leicht erkennen lassen. Ich könnte in gleicher Weise auf die Fig. 1 in Bezug auf die Bildung der Augenhöhlen und auf Fig. 5 in Bezug auf die Bildung des Gaumens verweisen. Indefs scheint es mir, bei der Schwierigkeit, diese Verhältnisse in der Zeichnung gleich deutlich zu geben, dafs es das Ver- ständnifs wesentlich erleichtern werde, wenn ich die Hauptlinien in ein- facher Zusammenstellung in natürlicher Gröfse vorführe. Ich bezwecke damit zugleich die Aufmerksamkeit mehr auf diese, bisher etwas vernach- lässigten Punkte zu lenken, und für spätere Erörterungen scharf vorge- zeichnete Fragen zur Diskussion zu stellen. Denn ich bin zu meinem Bedauern nicht in der Lage, eine Verantwortlichkeit für die ethnogno- monische Bedeutung meiner Linien zu übernehmen; ich kann nur sagen, dafs ich diejenigen Schädel aus den drei Reihen ausgewählt habe, welche mir nach reiflicher Prüfung die meiste Garantie dafür zu bieten scheinen, dals sie den Stammestypus einigermaalsen sicher wiedergeben. Die nächstfolgenden Holzschnitte, bei denen die 3, auf den bei- gegebenen Tafeln dargestellten Schädel zu Grunde gelest worden sind, Phys. Kl. 1881. Abh. |. 15 114 VırcHow: Ueber die Weddas von Ceylon Tamil. und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 115 zeigen die äulseren Umrisse der Augenhöhlen und der Nasen. Die Hori- zontale, nach welcher die Schädel, auch in den Tafel - Abbildungen, orientirt worden sind, ist die sogenannte „deutsche“ Horizontale, welche vom tiefsten Punkte des unteren Augenhöhlenrandes zum höchsten Punkte des oberen Umfanges des äufseren Ohrloches gezogen wird. Die Differenz in der Gestalt des Einganges zur Augenhöhle wird auf diese Weise eben so ersichtlich, als die Verschiedenheit in der Entfernung der Augenhöhlen von einander und in der Stellung der Ränder des Örbitaleinganges zu der Horizontalen. Die Maafse und Indices der betreffenden Augenhöhlen sind folgende: Breite: Höhe: Index: Wedda 39 mm 33 mm 84,6, Sinhalse 39 „, S0- 76,9, Tamil ST mE; 32 5 36,4. Hier erscheint demnach die Wedda-Augenhöhle mesokonch, die sinhalesische chamaekonch, die tamilische hypsikonch. Die Differenz zwischen den beiden ersteren beruht ausschliefslich auf der geringeren Höhe, dagegen unterscheiden sich beide von der tamilischen durch ihre gröfsere Breite. Mit dieser Verschiedenheit vergesellschaftet sich aber auch eine wesentliche Abweichung in der Biegung und dem Verlaufe der Ränder. Die Biegung ist am geringsten bei dem Sinhalesen, bei welchem die oberen und unteren Ränder nahezu geradlinig und einander parallel verlaufen, so dals, da auch der äufsere Rand wenig ausgebogen ist, eine gedrückt viereckige Gestalt mit ausgerundeten Ecken herauskommt. Bei dem Wedda, wo die Augenhöhlen an sich am gröfsten sind, haben die Ränder eine ziemlich gleichmälsige Ausbiegung, so dafs sich die Form des Orbital- Einganges der runden nähert; nur ist die Diagonale von oben und innen nach aufsen und unten grölser wegen der stärkeren Ausweitung gegen das Wangenbein hin. Bei dem Tamilen endlich, bei dem die Höhe dominirt, ist der obere Rand flach gewölbt und die Ausweitung gegen das Wangen- bein stärker accentuirt; die Form des Orbital-Einganges wird dadurch eine mehr schiefovale. Zu diesen Verschiedenheiten tritt die wesentlich differente Bildung der Stirn-Nasen-Gegend, welche aus folgenden Zahlen ersichtlich ist: 15” 116 Vırcuow: Ueber die Weddas von Ceylon Distanz der äufseren Orbitalränder Wedda: Sinhalese: Tamil: (diam. biorbitaire) 95 mm 93 mm 90 mm, Distanz der inneren Orbitalränder (diam. interorbitaire) ee An Untere Breite des Processus nasalıs ossis frontis Dag nnd , GeradeLänge der Sutura nasofrontalis 9 „ 3. 2, Bei den Tamilen stehen die beiden Orbitae einander am nächsten: die Nasenwurzel ist schmal, aber stark vortretend, die Sutura nasofron- talıs liegt tief und macht einen mehr geradlinigen horizontalen Verlauf, und der Nasenfortsatz des Stirnbeins, obwohl stark vorgewölbt und mit Spuren einer sehr gezackten Frontalnaht ausgestattet, ist in seiner (Quer- Ausbildung wesentlich beeinträchtigt. Gerade umgekehrt ist die Ent- fernung der Orbitae bei dem Wedda am gröfsten: der Nasenfortsatz des Stirnbeins, in welchem gleichfalls noch ein Nahtrest der Sutura frontalis persistirt, ist breit und voll; die Sutura nasofrontalis, obwohl kurz, springt stark nach oben in das Stirnbein in die Höhe und liest daher sehr hoch, so dals selbst die Sutura maxillo-frontalis jederseits einen schrägen Verlauf nimmt; die Nasenwurzel selbst ist schmal und eingedrückt. Bei den Sinhalesen sind die Verhältnisse wiederum verschieden, jedoch denen bei dem Wedda ähnlicher: der Nasenfortsatz des Stirnbeins ist noch breiter und voller, die Stirnnasennaht mehr gleichmäfsig gekrümmt und nach oben ausgreifend, daher höher gestellt, als bei dem Tamilen, die Entfer- nung der Orbitae am beträchtlichsten, die Nasenwurzel selbst breiter, als bei dem Sinhalesen, aber der Rücken am Ursprung mehr eingebogen, als bei dem Tamilen. An der Nase ist die Form der Apertur bei dem Tamilen derjenigen bei dem Sinhalesen ähnlicher, als der bei dem Wedda. Die erstere hat eine Breite von 25, die letztere von 24, die bei dem Sinhalesen von 26 mm. So kommt es, dafs die Nase des Tamilen und die des Sinhalesen platyrrhin, die des Wedda mesorrhin ist; die Indices lauten 53,1, 57,7, 50,0. Trotz- dem ist die Wedda-Nase in ihrem Ansatz mehr abgeflacht und zurück- gedrängt, die sinhalesische und tamilische dagegen vortretend, und zwar die tamilische mehr, als die sinhalesische. Der Eindruck der grölseren Breite der Nasenwurzel bei dem Sinhalesen ist jedoch nur scheinbar; er wird dadurch hervorgebracht, dafs die Nasenbeine mehr in das Niveau und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. B17 der Stirnfortsätze der Oberkiefer zurücktreten und daher der ganze kaum zwischen den Augenwinkeln gleichmäfsiger und flacher wird. In Wirk- lichkeit ist nicht nur die Nasenwurzel, sondern überhaupt die ganze knöcherne Nase des Wedda schmaler, als die der beiden anderen Schädel. Ich kann in dieser Beziehung nur von Neuem hervorheben, dafs die Nasen- indices, welche auf diese Weise aus dem Verhältnifs zwischen Breite der Apertur und Höhe der ganzen Nase genommen werden, kein Bild der vortretenden Theile der Nase gewähren. Was die Apertur selbst betrifft, so ist sie bei dem Wedda, einigermaalsen dem europäischen Schema ent- sprechend, birnförmig, bei den beiden anderen, besonders bei dem Sinha- lesen, mehr dreieckig. Eine weitere Vergleichung der linearen Begrenzungen mag die nachstehende Darstellung der Gaumenbildung ermöglichen: RE — Famıll 118 Vırcnow: Ueber die Weddas von Ceylon Ich beginne auch hier mit den Zahlen: Länge: Breite: Index: Wedda 48mm 36mm 75,0, Sinhalese..53.1, n4Orls: old Tamil 49, en anii Darnach sind die Gaumen des Wedda und des Sinhalesen lepto- staphylin, der des Tamilen brachystaphylin. Letzterer weicht in der That in der Bildung am meisten ab: seine grolse Breite und Kürze stehen zu der Schädelform in einem richtigen Verhältnilse. Ihm zunächst kommt, nicht im Index, wohl aber in der Form der Zahncurve, der Wedda-Gaumen, der sich am meisten dadurch unterscheidet, dafs die Zahncurve nach hinten wiederum etwas zusammengeht und somit eine mehr hufeisenför- mige Gestalt annimmt. Gänzlich verschieden von dem Tamilen, jedoch auch abweichend von dem Wedda ist der Sinhalese: bei ıhm ist die Gaumenplatte ungewöhnlich lang und zugleich beträchtlich breit, somit sehr grols, aber die Zahncurve bildet nicht, wie bei den beiden anderen, eine mehr gleichmälsige Biegung, sondern die Seitentheile verlaufen mehr geradlinig, gestreckt und einander parallel, während die Incisiven-Gegend eine mehr flache, breite, nach vorn vorgeschobene Biegung bildet. Auf den relativ starken Antheil, welchen das Os palatınum an der Bildung der Gaumenplatte bei dem Sinhalesen nimmt, ist schon früher hingewiesen worden. Hier kann noch erwähnt werden, dafs die Zähne bei dem Sinhalesen am stärksten entwickelt sind und dafs namentlich die I Molaren ungewöhnlich grofse Kronen haben. Bei dem Tamilen sind die Alveolen der Schneide- und Eckzähne sehr grols; ebenso übertrifft hier der I Molar die übrigen bei Weitem an Grölse. — Die mitgetheilten Thatsachen in Bezug auf drei der wichtigsten Gegenden des Gesichtsskelets dürften genügen, um darzuthun, mit wie grolsen Schwierigkeiten die Ergründung der Verwandtschaftsverhältnisse der drei Stämme umgeben ist. Nimmt man in hergebrachter Weise die Indices als Leitfäden, so erhält man für jede Region eine andere Combi- nation. Es stehen sich nehmlich am nächsten 1) nach dem Orbitalindex der Wedda und der Tamil, NR „ Nasenindx ,„ Tamil“. .„ 7, Sinhalese, BIC HEN „ Gaumenindex „ Sinhalese„ „ Wedda. u u | ee und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 119 Indefs darf man nicht vergessen, dafs hier von jedem Stamme nur ein Individuum genommen ist, und dafs schon aus den von mir ange- führten Untersuchungen hervorgeht, dafs die gewählten Individuen keines- wegs in allen einzelnen Verhältnissen mit dem Mittel ihres Stammes über- einstimmen. So ist der Tamil platyrrhin, während das von mir gefundene tamilische Mittel mesorrhin war (S. 93). Entspricht dieses Mittel dem typischen Stammesverhältnifs, so würde die Tamilen-Nase der Wedda- Nase mindestens so nahe stehen, wie der sinhalesischen. Und doch unterscheidet sie sich, wie ich des Weiteren dargethan habe, in allen anderen Beziehungen sowohl von der Wedda-, als von der Sinhalesen-Nase. Bei der geringen Zahl von Schädeln, welche mir direkt zur Ver- fügung standen, und dem mehrfach defekten oder sonst zweifelhaften Zustande einzelner derselben war ich genöthigt, meine Abbildungen von denjenigen herzunehmen, welche die meisten Merkmale regelmälsiger Ent- wickelung an sich tragen. Aber ich kann keineswegs behaupten, dafs sie in allen Stücken typische Formen darstellen, und dafs meine Darstellung vor grolsen Correkturen sicher ist. Darüber kann erst die Zukunft ent- scheiden, und meine Arbeit wird ihren Zweck erfüllt haben, wenn sie die Herbeiführung neuen und besseren Materials beschleunigt. Für jetzt kann ich nur das Eine aussagen, dals, soweit sich bis jetzt die physischen Verhältnisse übersehen lassen, eine nähere Ver- wandtschaft der Tamilen mit den Weddas eben so wenig her- vortritt, als mit den Sinhalesen. Damit ist nun freilich die Frage, ob in den Weddas oder den Sinhalesen ein dravidisches Element steckt, nicht abgeschlossen. Die gegenwärtigen Tamilen auf Ceylon sind keineswegs typische Repräsen- tanten aller der Stämme Vorderindiens, welche man gewöhnlich als dravidische zusammenfafst. Je weiter man in das Specialstudium der letzteren eingedrungen ist, um so mehr Verschiedenheiten unter ihnen sind zu Tage getreten, und noch jetzt ist es nicht gelungen, mit Sicher- heit nachzuweisen, welche der sogenannten dravidischen Stämme näher zusammengehören und welche als die reinsten anzusehen sind. Nun wissen wir aber, dafs ım Laufe der Jahrtausende „Malabaren“ von den verschiedensten Küstenstrichen der vorderindischen Halbinsel Einfälle und Ansiedelungen auf Ceylon versucht und ausgeführt haben, nicht blofs von 120 VırcHow: Ueber die Weddas von Ceylon den nächsten Küstenpunkten aus, sondern auch von ganz nördlichen Bezirken (S. 29). Ehe man ein entscheidendes Urtheil ausspricht, mülsten alle diese Stämme der Reihe nach verglichen werden. Zu einer derartigen Vergleichung ist hier nicht der Ort. Auch würde das vorhandene Material dazu nicht ausreichen. Ich will mich darauf beschränken, auf die Erörterungen des Hrn. Callamand!) über die Maravars hinzuweisen und ein eigenes Beispiel anzuführen. Durch Ver- mittelung des Hrn. F. Jagor erhielt ich von Dr. Burnell 3 Schädel niederer Kasten von Tanjore, also gerade aus der Gegend, welche dem Chöla oder Soli (Sollee) der sinhalesischen Annalen entspricht (S. 29). Von diesen 3 ist der eine, welcher durch eine grofse hintere Gaumen- spalte ausgezeichnet ist, so abweichend gebildet, dafs er als pathologisch ausgeschieden werden mufs. Die beiden anderen dagegen sind sich bis auf die allerdings auch ganz verschiedene Gaumenbildung höchst ähnlich, wie aus der Aufzählung der Hauptindices hervorgeht: Breitenindex 73,3 75,4, Höhenindex 76,1 US. Orbitalindex 85,3 80,4, Nasenindex 51,0,2450;0; Gaumenindex 73,0 90,0. Genau genommen stimmen nur die Höhen- und die Nasenindices gut überein: beide Schädel sind hypsicephal und mesorrhin. Dagegen finden sich bei allen anderen Indices Differenzen, welche eine Einordnung der beiden Schädel je nach den besonderen, in Betracht gezogenen Ver- hältnissen in andere Kategorien nothwendig machen. Der eine ist dolicho- cephal, der andere mesocephal, — was ist hier das Typische? Der eine ist hypsikonch, der andere mesokonch, der eine leptostaphylin, der andere brachystaphylin. Wonach soll hier entschieden werden? Freilich kann man sagen, dafs in solchen kleinen Vergleichungen der Zufall der Zahlen nicht selten eine höhere Bedeutung erlangt, als ihm zukommt. Die Differenz der Breitenindices ist z. B. genau eben so grols, nehmlich 2,1, wie die Differenz der Höhenindices, und doch bedingt jene eine Zuordnung des einen Schädels zu den Dolichocephalen, des 1) Revue d’anthropologie. 1878. Ser. I. T.I. p. 607. und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 121 andern zu den Mesocephalen, weil zufällig die Grenzzahl zwischen beiden Bezeichnungen 75 ist und diese Zahl zwischen 73,3 und 75,4, den beiden Indices, liegt; dagegen hindert die gleichgrofse Differenz der Höhenindices nicht, dafs beide Schädel derselben Kategorie, nehmlich den Hypsicephalen, zugewiesen werden, da sowohl die Zahl 76,1, als 78,2 innerhalb der angenommenen Extreme liegt. Welche dieser Zahlen mehr, welche weniger zufällig ist, vermag ich nicht zu entscheiden, und das Berechnen eines Mittels aus den 2 Einzelfällen würde zu der Entscheidung nichts beitragen. Trotzdem kann ich sagen, dafs die Tanjore-Schädel den Tamilen von Ceylon verhältnifsmäfsig nahe stehen. Auch bei diesen fand ich nicht geringe individuelle Verschiedenheiten, und zwar im Breitenindex genau dieselben. Denn der letztere betrug bei den 3 Tamilen-Schädeln 72,0, 74,8 und 75,3. Im Uebrigen aber sind so viele Analogien zwischen beiden Gruppen vorhanden, dafs ich, trotz des abweichenden, pathologischen Schädels von Tanjore, die Zusammengehörigkeit der Leute von Tanjore mit den heutigen Tamilen von Ceylon für sehr wahr scheinlich halte. Allein das Königreich Chöla oder Soli war schon im Alterthume ein „eivilisirter“ Staat. Neben demselben erscheinen schon früh die wil- den Bergstämme der Nilagerris, welche sich in ihren Resten noch bis auf die heutige Zeit erhalten haben, namentlich die Kurumbas (Curumbars, Kurubas). Sie wurden von den Königen von Chöla unterworfen und existiren gegenwärtig nur noch in dürftigen Ueberresten!). Eine Reihe von Messungen und sonstigen Untersuchungen über diese Leute verdanken wir Hrn. F. Jagor?), darunter auch einige über die halbwild in den Wäldern lebenden Naya-Kurumbas. Von letzteren hat derselbe auch ein Skelet mitgebracht, welches im Besitz der Berliner anthropologischen Gesellschaft ist. Dasselbe gehörte einem Weibe an und zeichnet sich durch seine ungewönliche Zartheit und Kleinheit aus. Es hat eine Höhe von 1310 mm und der Schädel ergiebt folgende Indexzahlen: 1) James Wilkinson Breeks. An account of the primitive tribes and monu- ments of the Nilagiris. London 1873. p. 55. 2) Zeitschrift für Ethnologie 1879. Bd. XI. S. 54 folg. Phys. Kl. 1881. Abh. 1. 16 Vırcuow: Ueber die Weddas von Ceylon — LO 15) Breitenindex 74,6, Höhenindex 74,6, Gesichtsindex 81,8, Orbitalindex 91,1, Nasenindex 63,8, Gaumenindex 64,0. Es ist also ein orthodolichocephaler, chamaeprosoper Schädel, der hypsikonch, hyperplatyrrhin und leptostaphylin ist. Sein Rauminhalt beträgt nur 960 Cub.-Cm., genau dasselbe nannocephale Maafs, welches Hr. Flower bei dem kleinsten Wedda-Schädel des Hunter’schen Museums ermittelte und welches er für das überhaupt kleinste eines menschlichen Schädels in dieser Sammlung erklärt (S. 49). In der That fordert dieses Skelet zu Vergleichungen mit den Weddas auf. Die Schädelmaalse zeigen eine grolse Uebereinstimmung, während die Tamilen, sowohl von Ceylon, als von Tanjore, namentlich im Höhenindex, wesentlich abweichen. Die Gesichtsbildung ist von beiden, sowohl von den Weddas, als auch von den Tamilen verschieden, jedoch von den Weddas nicht so sehr, dafs eine ethnologische Trennung als sicher bezeichnet werden könnte. Die Messungen des Hrn. Jagor an Lebenden ergaben im Grofsen ähnliche Verhältnisse, obwohl einzelne erhebliche Abweichungen vor- kommen, welche nicht wohl mehr aufgeklärt werden können. Bei den Naya-Kurumbas fand er durchweg geringe Körperhöhe, und obwohl darunter sehr jugendliche Individuen waren, so zeigten doch ältere, hier ausschliefslich Weiber, eher noch kleinere Formen. Ich stelle die Zahlen kurz zusammen: Körperhöhe: Schädelindex: 19jähriger Mann 1435 mm 69,4, l5jähriges Mädchen 1402 mm 71,0, 25jährige Frau 1345 „ 5 las $; 1305 „ 82,4, Mittel der Frauen 1350 mm. Bei den „weniger wilden“ Kurumbas ergaben sich folgende Zahlen: Körperhöhe: Schädelindex: 18jähriger Mann 1492 mm 21,6; , 1m bee 73,1, 23 und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 123 27jähriger Mann 1529 mm 80,2, 3nlei, n 1593 , 69,8, Big R 1589 , Ar Mittel der Männer 1529 mm. 22jährige Frau PAR, 0 5 » 1410 „ Mittel der Frauen 1440 mm. Inwieweit der Unterschied in der Körperhöhe ein durchgehender ist, läfst sich nicht beurtheilen; jedenfalls sind die Frauen in beiden Stämmen nicht nur kleiner, sondern auch absolut klein. Aber man wird auch die Kurumbas überhaupt als klein ansehen müssen. Hr. Ross King!) hebt in seiner Beschreibung der Aboriginer-Stämme der Nilagerris die Kurumbas als ganz besonders verkümmerte Wesen hervor: low in stature, they are also ill-made. They are among the most debased types of mankind. Die Kopfindices sind in beiden, vorher angeführten Reihen dolichocephal und zwar in sehr ausgeprägter Weise. Der Umstand, dafs in jeder Reihe ein brachycephaler Kopf vorkommt, ist vielleicht der Erschwerung des Messens an Lebenden zuzuschreiben. Ich gehe auf diese Erörterung nicht weiter ein. Es lag mir vor- läufig nur daran zu zeigen, dafs die Körperbeschaffenheit der Tamilen, auch unter Heranziehung derer von der Küste Coromandel, nicht genügt, um an ihnen den dravidischen Typus vollständig darzustellen. Dicht neben ihnen, im Gebirge Vorderindiens, stofsen wir auf andere Dravidas, welche allem Anschein nach wesentlich verschieden sind. Will man also Bezie- hungen der Weddas und vielleicht selbst der Sinhalesen mit dravidischen Indiern aufsuchen, so wird es gerathen sein, über die Küstenbevölkerung hinauszugehen und die Bergstämme mit in Vergleichung zu ziehen. Nun ist aber auch damit die Erörterung nicht an ihr Ende ge- langt. Aller Wahrscheinlichkeit nach sind auch die jetzigen Bergstämme noch nicht die eigentlichen Aboriginer Vorderindiens. So werden in der Tradition neben den Kurumbas als älteste Bewohner von Tondamandalam (Madras) die Vedars genannt; von ihnen, soweit es scheint, wird gesagt: 1) ‚Journal of Anthropology. 1570—71. London p. 46. 16:2 124 Vırcmow: Ueber die Weddas von Ceylon There were then no forts, only huts; no kings, no religion, no civilization, no books; men were naked savages; no marriage institutions!). Ich will auf den Namen der Vedars, der wahrschemlich gleichfalls Jäger bedeutet, kein Gewicht legen, indefs ist die Erwähnung solcher Aboriginer immer- hin bemerkenswerth, da auch in dem ältesten indischen Epos, dem Ramayana, von Kämpfen Vishnu’s mit fabelhaften Asurs die Rede ist, die man sich als die Urbevölkerung Vorderindiens und auch Ceylons zu denken hat. Rama selbst, der von Oude stammen soll, führt Krieg gegen Rawana, den König von Ceylon (Lanka) und Vertreter des Yakkho- und Rakshasas-Dienstes, und überwältigt ihn. Sonderbarerweise hat sich bei den Hayas (Vayas, Haius) in Nepal eine Tradition erhalten, dafs sie zur Zeit, als Rawana erschlagen wurde, von Ceylon nach dem Dekkhan auswanderten und später von da nach Samroanghar und endlich in die Berge ihrer jetzigen Heimath kamen?). Dasselbe erzählen die Varalis, welche die Berge von Konkan bewohnen ?), von ihrem Stamme. Alle diese Ueberlieferungen haben natürlich keinen entscheidenden Werth für die Diagnostik der verschiedenen Stämme, aber sie müssen uns davor warnen, die Untersuchung über die Aboriginerstämme Ceylons und Indiens einfach nach groben linguistischen Merkmalen oder nach den physischen Merkmalen einzelner, besser bekannter Stämme abzuschliefsen. Gleichviel, ob man die älteste Bevölkerung Ceylons über die schmale Meeresstrecke, welche die Insel von Vorderindien trennt, auf Fahrzeugen einwandern oder sie schon vor der so oft vermutheten und durch die Fauna Ceylons höchst wahrscheinlichen Abtrennung der Insel vom Festlande präexistiren läfst, so wird man sich der Ueberzeugung nicht verschlielsen können, dafs sie mit indischen Aboriginerstimmen in einer näheren Beziehung stehen muls. Ob dieses altdravidische oder noch vordravi- dische Stämme waren, läfst sich im Augenblick nicht mit Sicherheit bestimmen. I) Breeks l. c. p. 55. Prichard l.e. IV. p. 182. 2) Dalton. Beschreibende Ethnologie von Bengalen, bearbeitet von Oscar Flex. Zeitschrift für Ethnologie. 13874. Bd. VI. S. 229. 3) Louis Rousselet. Tableau des races de l’Inde centrale. Revue d’anthro- pologie. Paris 1373. T. II. p. 69. ie ee und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 125 Die Ueberlieferungen, soweit sie auch zurückgehen mögen, gewähren in dieser Beziehung nur spärliche Aufklärung. Hr. Zimmer!) hat neuer- lich aus den vedischen Büchern eine umfassende Darstellung der Völker- verhältnisse Indiens in der Vorzeit geliefert, aber sie ergiebt kaum einen näheren Anhalt für die Beurtheilung der vorarischen Zustände. Als die „hellhäutigen“ Arier vom Penjab aus in das spätere Hindostan einbrachen, trafen sie dasselbe von zahlreichen Stämmen der „schwarzen Haut“ besetzt. In den Veden werden dieselben mit dem generischen Namen der Dasyu oder Dasa bezeichnet. Ein groflser Theil derselben wurde in dem Maalse, wie die Eroberer weiter im Gangesthal vordrangen, beider- seits in die Berge zurückgeworfen, nördlich in den Himalaya, südlich in die Vindhya; die, welche sitzen blieben, wurden als Sudras in die Orga- nisation der Arier mit aufgenommen. Nichts steht daher der Annahme entgegen, dafs die Bergvölker ım Allgemeinen den Aboriginerstämmen angehören. Aber nichts zwingt auch dazu, alle diese Stämme der Dasyu für homophyl zu halten. Hat man doch in neuerer Zeit angefangen, schon der Sprache nach die Dravidier von den kolarischen Stämmen?) zu trennen. Sollte einem so wichtigen linguistischen Gegensatz gegenüber eine physische Uebereinstimmung angenommen werden? Am kühnsten sind in dieser Beziehung die französischen Anthropologen vorgegangen. Hr. Rousselet?) läfst mit grofser Bestimmtheit vor der arischen Invasion eine Einwanderung von tibetanischen Stämmen der gelben Rasse vom Osten und eine andere von Turaniern vom Westen her erfolgen, aber er nimmt vor beiden schon eine Bevölkerung von Negritos an. Aus der Vermischung der letzteren mit gelben Stämmen läfst er zunächst Protodravidier hervorgehen, und zu diesen rechnet er die Malers, die Konds, vielleicht die Gounds; erst, als neu nachrückende Schaaren sich wiederum mit diesen Protodravidiern mischten, entstanden nach seiner Meinung die eigentlichen Dravidier oder Tamilen. Sie brachten den Schlangendienst (Nagas) mit sich. Aus der Einwanderung der Turanier 1) Heinrich Zimmer. Altindisches Leben. Die Cultur der vedischen Arier. Berlin 1879. S. 100 folg. 2) Dalton. Zeitschrift für Ethnologie a. a. O. S. 252. 3) Rousselet |. c. p. 55, 279. Pl. III. 126 Vırcnow: Ueber die Weddas von Ceylon dagegen entstanden in der Ebene die Jats, im Gebirge die Bhils, Minas, Mhairs. Als letzte Reste der schwarzen Vorbevölkerung betrachtet er die zerstreuten Reste einer kleinen, schwarzen Bevölkerung auf den Hoch- plateaus des Amarkantak, die unter dem Namen der Djangals, Puttuas und Juangas bekannt geworden sind. Sonderbarerweise sind dies gerade solche Stämme, welche schon Sir Tennent und Mr. Bailey (8. 110) zur Vergleichung mit den Weddas herangezogen hatten. Aber von den Juangas (Dschuangs) berichtet Colonel Dalton, dafs sie zu den Kolariern gehören, dafs ihr Haar grob und gekräuselt, röthlich braun, ihre Backen- knochen vorspringend, das Gesicht platt, die Nase gedrückt, die Stirn senkrecht, aber niedrig sei; die Durchschnittshöhe der Männer giebt er auf unter 5, die der Frauen auf 4 Fuls 8 Zoll an!). In dieser Schilderung sind eben so viel mongolische, als Negrito-Züge enthalten. Wenn ich daher immer noch grofse Bedenken gegen die Zulässig- keit der Unterscheidungen des Hrn. Rousselet und namentlich gegen die Annahme einer wahren Negrito-Rasse in Indien als einer aboriginalen hege, so will ich doch dem Gedanken in keiner Weise entgegentreten, dafs auch schon die Stämme „der schwarzen Haut“, welche die Arier im Gangesthal vorfanden, gemischte waren. Wie viel mongolisches, turani- sches oder Negritoblut in ihnen flofs, mufls wohl vor der Hand noch dahingestellt bleiben. Aber das ist gewils nicht unwahrscheinlich, dafs nicht alle Dasyu Dravidier waren und dafs auch schon vor den Proto- dravidiern des Hrn. Rousselet vordravidische Stämme im Lande ge- sessen haben. Weder die Mongolen, noch die Turanier geben eine genügende Erklärung für die klemwüchsigen Stämme der „schwarzen Haut“, auf welche schon die Erzählung des Plinius?) von den, in den Gebirgen des Landes der Prasier wohnenden Pygmäen hindeutet. Die Nachrichten, welche bis jetzt über dieselben vorliegen, sind leider so mangelhaft, dafs sie sich für jede Ansicht verwerthen lassen. Die Herren de Quatrefages !) Die Juang-Weiber tragen noch jetzt als Bekleidung nur Baumzweige, welche durch einen Gurt zusammengehalten werden. Insofern gleichen sie den Wanne-Weddas (oben S. 26). Aber nach den Citaten des Hrn. Jagor (a. a. ©. S. 167) haben auch die Weiber der Koragars, einiger Gond-Gruppen und der Chauchwa in Vorderindien nur Blätterbekleidung. 2) Plinius. Natur. hist. Lib. VI. ce. 22. GG und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 127 und Hamy!) haben eine Zusammenstellung der Berichte über die „Negritos Indiens“ geliefert, aus welcher sie mit Bestimmtheit folgern, dafs an sehr verschiedenen Stellen des Landes noch jetzt wahre Negritos vorhanden seien. Ich kann diesen Beweis nicht als genügend erachten, wenngleich ich nicht in Abrede stelle, dals die Frage eine discutable ist. Meine Bedenken dagegen will ich nur an einem Beispiele kurz erörtern, das freilich nicht von Indien, sondern von wahren Negritos der Nachbar- schaft hergenommen ist. Die sogenannte Negrito- (oder Mincopie-) Rasse, welche in verschiedenen, zum Theil sehr zerstreuten Gliedern östliche Nachbar- gebiete, namentlich verschiedene Inselgruppen und Theile der Halbinsel Malacca bewohnt, zeigt unzweifelhaft durch ihre dunkle Hautfarbe, sowie durch die Kleinheit der Statur und namentlich des Kopfes eine auffällige Annäherung an Weddas und Kurumbas. Als räumlich nächstes Glied sind die kleinen Schwarzen zu erwähnen, welche die Andamanen bewohnen. In der That hat Hr. Hartshorne?) auf gewisse Analogien zwischen Weddas und Andamanesen hingewiesen. Allein seine Hinweise beziehen sich ausschliefslich auf einzelne Gebräuche und Fähigkeiten, z. B. auf den (Gebrauch von Bogen und Pfeilen, auf das mangelhafte Zählen; sie berühren das physische Gebiet nirgends. Es läfst sich jedoch nicht leugnen, dafs die Andamanesen durch die vorher aufgeführten Merkmale auch physisch den Weddas nahe stehen. Nach den Messungen des Hrn. F. Jagor?°) an Lebenden berechne ich die Körperhöhe der Andamanesen im Mittel von 17 Männern zu 1488 mm, 10 Weibern zu 1416'. , 27 Andamanesen zu 1462 mm. Dabei betrug das Minimum bei einem 20jährigen Manne 1350, bei einer 24jährigen Frau 1520, das Maximum bei einem 40jährigen Manne 1636, bei einer 20jährigen Frau 1504 mm. Das sind Verhältnisse, welche 1) A. de Quatrefages et Ernest T. Hamy. Crania ethnica. Livr. V. p. 189. *) Journal of the Anthrop. Institute of Great Britain and Ireland. 1878. Vol. VII. p. 468. 3) Zeitschrift für Ethnologie 1875. Bd. VII. Verhandl. der anthropol. Gesellsch. S. 262. Desgl. die englischen Angaben im Journ. Anthropol. Instit. 1. c. p. 437. 128 Vırcmow: Ueber die Weddas von Ceylon zum Theil noch unter das für die Weddas gefundene (S. 42) Maafs her- untergehen, im Grofsen demselben gleichkommen. Was die Capacität des Schädels betrifft, so ist dieselbe durchschnittlich sehr gering: ich kann nach Messungen an Andamanesen-Schädeln, welche ich der Güte der Herren Macnamara und Man verdanke, mittheilen, dafs dieselben bis an, ja noch unter das Maafs von Nannocephalie heruntergehen, welches die Weddas und die Kurumbas darbieten. Einer meiner Schädel hat eine Capacität von nur 940 Cub.-Cm; ein anderer zeigt 970, ein dritter 1050 Cub.-Cm. So ähnlich diese Zahlen denen der Weddas sind, so grols ist die Differenz, welche die Schädelform darbietet. Die Andamanesen sowohl, wie die Negritos überhaupt, sind wesentlich brachycephal, und schon dieser eine Umstand unterscheidet sie definitiv von allen ceylonesischen Rassen. Nimmt man dazu, dafs ihr Haar in Spiralrollen wächst und sich dem Wollhaar der eigentlichen Neger anreiht, so fällt jede Möglichkeit einer Vereinigung mit den Weddas fort, wenn man nicht annehmen will, worauf ich noch zurückkommen werde, dafs klimatische Einflüsse gerade das Haar stark beeinflulst haben. Indefs dürfte auch die Hautfarbe erhebliche Unterschiede darbieten, da sie von den meisten Bericht- erstattern als rein schwarz bei den Andamanesen, dagegen von vielen Beobachtern als heller bei den Weddas, ja von dem sehr zuverlässigen Davy sogar als der der Sinhalesen ähnlich (S. 40) geschildert wird. Noch viel weniger Analogie besteht zwischen Weddas und Austra- liern. Könnte man allenfalls hervorheben, dafs das Kopfhaar, vielleicht auch das Barthaar der Australier ähnlich beschaffen ıst, wie das der Weddas, so lehrt doch ein Blick auf die Schädel und noch mehr auf die Skelette der Australier, dafs hier grofse und unverkennbare Gegensätze bestehen. Trotzdem hat noch neuerlich Hr. Topinard!) die australische Verwandtschaft sowohl der Weddas, als der Bhils, Gonds, Khonds, Mundas, Kurumbas u. s. w. sehr bestimmt betont. Ich darf auch in dieser Beziehung auf die in ausreichender Zahl beigebrachten Gegengründe seines Landsmannes, des Hrn. ÖOallamand?) verweisen. !) Paul Topinard. L’anthropologie. Paris 1577, p. 521. 2) Callamand |. c. p. 624, und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 129 Ungleich eomplieirter ist die Frage, ob nicht etwa malayische Elemente in die Urbevölkerung Ceylons eingetreten sind, wie man aus den Schiffseinrichtungen (S. 32) nicht ohne einen .materiellen Grund ge- schlossen hat. Der Umstand, dafs die Malayen ihre -Besiedelungen noch viel weiter, z. B. bis Madagascar ausgedehnt haben, lest den Gedanken nahe, dafs sie auf Ceylon eine Art von Zwischenstation gegründet haben könnten. Indefs sind naheliegende physische Merkmale für eine solche Verwandtschaft nicht vorhanden, und ich möchte daher um so weniger auf eine weitere Besprechung dieser Möglichkeit eingehen, als der vielfach vermuthete Zusammenhang der Malayen mit altindischen Bevölkerungen ohnehin eine derartige Untersuchung in schwerster Weise belastet. Die einzige neuere Angabe über eine physische Aehnlichkeit zwischen Sinhalesen und Malayen, welche ich finde, ist von einem amerikanischen Missionar in China, Mr. Williams!), der bei den ersteren a Malay expression of countenance bemerkt zu haben glaubte. Thatsächlich werden wir durch die voraufgehenden Erörterungen als nachgewiesen ansehen dürfen: 1) dafs zwischen Weddas und Sinhalesen vielfache Aehnlichkeiten bestehen, und dals die Entstehung der sinhalesischen Rasse aus einem Gemisch von Weddas und indischen Einwanderern sowohl aus historischen, als auch aus anthropologischen Gründen die Wahrscheinlichkeit für sich hat; 2) dafs sowohl die Weddas, als die Sinhalesen sich in Hauptstücken sowohl von den Tamilen Ceylons, als von denen von Tanjore (Chöla) unterscheiden; 3) dals dagegen unter den Resten der älteren dravidischen oder viel- leicht schon vordravidischen Stämme Vorderindiens sich noch jetzt Analogien mit den Weddas nachweisen lassen. 1) United States Exploring Expedition during the years 1855 —42. Vol. IX. Pickering. The races of man. Philadelphia 1545. p.- 136. Phys. Kl. 1851. Abh. 1. 17 130 VırcHmow: Ueber die Weddas von Ceylon Sind nun die Weddas in dem Zustande dieser altdravidischen oder vordravidischen Bevölkerung stehen geblieben? oder sind sie in ihrer Isolirung in einen Zustand niederer Art versunken, als derjenige war, den sie ursprünglich einnahmen? Mit anderen Worten, sind sie ethnologisch zu verwerthen, um das Bild dieser uralten Periode neu auszumalen, oder nicht? An früheren Stellen (S. 15, 28, 99) habe ich dargelegt, warum es nicht anzunehmen ist, dals die Weddas jemals in einem Zustande höherer Civilisation sich befunden haben. Wollte man trotz der, wie mir scheint, zwingenden Gründe, welche zu dieser Auffassung führen, doch annehmen, sie seien vermöge ihrer ungünstigen äulseren Lebensverhältnisse nach und nach körperlich herabgekommen, und der niedere, geistige Zustand, in dem sie sich jetzt befinden, sei die Folge der verschlechterten körper- lichen Einrichtung, so müfste man sich vorstellen, sie seien ein patho- logischer Stamm. Die Kleinheit und Zartheit ihres Knochenbaues, vor Allem die geringe Gröfse ihres Schädels und die daraus abzuleitende Kleinheit ihres Gehirns könnte in der That die Hypothese nahe legen, sie seien eine Art von Öretinen oder Mikrocephalen. Unzweifelhaft mufs das Gehirn der Weddas sehr klein sein. Eine direkte Bestimmung desselben besitzen wir nicht, und eine Berechnung ist sehr unsicher. Hr. v. Bischoff!) hat die Ungenauigkeit der vor- geschlagenen Methode, das Hirngewicht nachträglich aus dem Maafs der Schädeleapacität zu berechnen, ausführlich nachgewiesen. Indefs kann man der Methode einen wenigstens approximativen Werth beilegen, und ich will nachstehend einige solche Berechnungen aufstellen. Die erste ist nach der Methode des Hrn. Barnard Davis, der für die Hirnhäute, Gefälse u.s. w. 15 pCt. von der Zahl für die Schädelcapaeität m Abzug bringt und den Rest als Hirngewicht anspricht. Die zweite ist nach den Be- stimmungen des Hrn. v. Bischoff, welcher ermittelte, dafs die Capaeität des trockenen Schädels bei Männern um 11,9, bei Weibern um 8,8 pCt. Cubikcentimeter grölser sei, als das Gewicht des Gehirns an Grammen betrage. Darnach wäre das Hirngewicht der Weddas 1) Theodor L. W. v. Bischoff. Das Hirngewicht des Menschen. München 1880. S. 66. Te een a EEE und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 131 nach der Methode von Davis: nach den Bestimmungen von Bischoff: bei Männern 1136 Gramm 1177 Gramm, „ Weibern 1021 " 1105 R im Mittel 1072 Gramm, bei No. 679 Flower 816 kn 875 Gramm. Diese Zahlen, so ungenau sie auch sein mögen, bezeichnen doch einen höchst auffälligen Gegensatz gegen die Gehirnverhältnisse der Cultur- Rassen, ja die Zahlen für das nannocephale Mädchen sind so klein, dafs man allen Grund hat zu fragen, ob dies noch physiologische Verhältnisse seien. Nimmt man dazu die scheinbar so geringe Befähigung der Weddas zu geistiger Entwickelung, die fast vollständige Abwesenheit aller idealen Richtungen des Denkens, die Unfähigkeit zum Zählen und noch mehr zum Rechnen, den Mangel des Farbensinns, so liegt die Frage scheinbar nahe, ob dies nicht schon Mikrocephalie im pathologischen Sinne sei. Wir können diese Frage bestimmt verneinen: so wenig der kleine Wedda- Schädel ein Mikrocephalen-Schädel im technischen Sinne dieses Wortes ist, so wenig entspricht das geistige Wesen der Weddas dem geistigen Zustande der Mikrocephalen. Die Individualität der Weddas ist auch in psychischer Beziehung bis zur völligen Selbständigkeit entwickelt. Soweit ihre Bedürfnisse es erfordern, haben sie ihre Fähigkeiten ausgebildet und sind sie im Stande, den ererbten Gewohnheiten gemäls für sich selbst und die Ihrigen zu sorgen. Sie gründen ihren Familienstand, sie wahren ihr freilich sehr unbestimmt begrenztes Eigenthum, sie schaffen sich, zum Theil mit grofser Anstrengung und Schlauheit, die nöthige Nahrung, sie verkehren selbst, soweit sie es nicht umgehen können, mit Nachbarn und Fremden nach Art freier und sich selbst bestimmender Menschen. Genug, sie unterscheiden sich in allen Hauptstücken von wahren Mikrocephalen. Hr. Bailey!) bezeugt ausdrücklich, dafs Wahnsinn und Blödsinn (madness and idiocy) unter den Weddas selten sind, namentlich der letztere. Sie hätten allerdings die Meinung, dafs, wenn einer den andern verfluche, der Verfluchte wahnsinnig werde, — eine Meinung, die auch unter den Sinhalesen herrsche, welche die Verfluchung als Kata waha (bösen Mund 132 Vırcmow: Ueber die Weddas von Ceylon oder Gift des Mundes) bezeichneten. Aber Wahnsinn sei durchaus nicht gewöhnlich. Dies Zeugnils ist doppelt bemerkenswerth, da Hr. Bailey den Gedanken erörtert, dafs möglicherweise in Folge der Heirathen unter Blutsverwandten aufser krüppelhaftem Wuchs Geisteskrankheiten, Idiotie und Epilepsie auftreten könnten. Aber er findet davon nichts und er begnüst sich daher, den Mangel an zahlreicher Nachkommenschaft und das Hinsterben der Rasse auf die genannte Ursache zu beziehen, — eine Erklärung, welche mit Rücksicht auf die zahlreichen ungünstigen Lebens- verhältnisse des Stammes, wenigstens in ihrer Allgemeinheit, beanstandet werden könnte. Wahre Mikrocephalie im pathologischen Sinne kommt auch unter indischen Stämmen vor. Eines der merkwürdigsten Beispiele, welches man kennt, wurde der Berliner anthropologischen Gesellschaft von Dr. J. Wilson!) mitgetheilt. Es betrifft eine „Sekte“ von Fakirs, welche den Dienst im Tempel Shadowla bei Gujrat im Punjab verrichten, und welche zu den Sonni-Mahomedanern gehören. Man nennt sie ihrer abnormen Köpfe wegen Chuas oder Chuhas (Ratten sc.-köpfe). Von einem derselben hat Hr. Wilson einige Maaflse mitgetheilt, deren Ausführung nicht ganz zweifelsfrei angegeben ist, die aber doch auf alle Fälle sehr viel kleinere Verhältnisse anzeigen, als sie bei Weddas vorkommen. Nach ihm beträgt bei einem männlichen Chua der Diagonalumfang des Kopfes (gemessen über Kinn und Hinterkopf vor den O&tren) 19 Zoll = 482 mm, der Horizontalumfang (über Hinterkopf, Öhren und Stirnhöhlen) 17. ehe der Vertikalumfang (quer von einem Ohr- loch zum andern) Su eat Vergleicht man diese Zahlen mit denen der Weddas (S. 51 55), SO wird der Unterschied sofort deutlich. Bei dem Chua beträgt der Diagonal- umfang weniger, als der Horizontalumfang bei dem Wedda-Schädel No. 1, obwohl letzterer nicht „über die Stirnhöhlen“, sondern oberhalb derselben und natürlich ohne bedeckende Weichtheile gemessen ist. Obwohl Dr. 1) Zeitschrift für Ethnologie 1879. Bd. XI. Verhandl. der anthropologischen Gesellschaft. S. 237. — 1880. Bd. XII. Verhandl. S. 12. nn EEE En a a und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 133 Johnston die Impotenz dieser Leute behauptet, so hat sich die Sekte doch seit dem 16. Jahrhundert in beiden Geschlechtern fortgepflanzt, und zwar zum Theil so stark, dafs ihre Zahl in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhundert hundert Köpfe erreichte. Der Tempel wird heimlich von Weibern besucht, welche ihrer Unfruchtbarkeit wegen eine Nacht darin zubringen und ihre Erstgebornen im Voraus dem Tempeldienst weihen; Morgens „finden sie einen Chua an ihrer Seite, was die Conception be- günstigen und Chuas erzeugen soll.“ Es wird wohl gestattet sein, eine andere Interpretation zu machen und eine direkte Vererbung anzunehmen, wobei weniger impotente Individuen, als Dr. Johnston sah, mitwirken; auf alle Fälle illustrirt dieses Beispiel sehr gut den Unterschied von Mikrocephalie und Nannocephalie. Es darf daher ohne Anstand angenommen werden, dafs ein eigent- lich krankhaftes Verhältnis, das an sich ja recht wohl erblich sein könnte, die mangelhafte körperliche und geistige Entwickelung der Weddas nicht bedingt, dafs dieselbe vielmehr als eine Rasseneigenthümlichkeit aufzufassen ist. Damit soll in keiner Weise ausgeschlossen werden, dafs günstige äulsere Umstände, namentlich der Ernährung, eine bessere Ent- wiekelung nach sich ziehen mögen, so dafs der Körperbau gröfser und kräftiger, Schädel- und Hirnbildung vollständiger werden. In der That kommen bei den Weddas solche Fälle vor, wie durch die früher (S. 42, 50) aufgeführten Beispiele bewiesen wird. Ein Mann von 1638 mm Höhe geht weit über das Mittel hinaus, und wenn man den einen Schädel aus der Sammlung Davis (S. 50), der eine Capacität von 1614 Qub.-Cm. be- sitzt, auch als eine Art von Abnormität betrachten könnte, so ist doch auch der andere aus der Sammlung des College of surgeons mit 1420 Cub.-Cm, seine Aechtheit vorausgesetzt, ein ganz beachtenswerthes Stück. Man könnte daraus folgern, dafs die Sinhalesen eivilisirte Weddas seien, welche nur ihrem besseren Leben die Vorzüge ihrer physischen Entwickelung verdanken. Die Insel Ceylon steht seit alter Zeit in dem Rufe, sehr günstige Bedingungen für das Leben der Menschen darzubieten, und sich durch die Langlebigkeit ihrer Bewohner auszuzeichnen. In Taprobanem, heifst es bei Palladius!), ubi gens est Macrobiorum, namque 1) Palladius 1. c. p. 3. ef. Plinius. Nat. historia. Lib. VI. c. 24. Vitam hominum centum annis modicam. 134 Vırcuow: Ueber die Weddas von Ceylon eximia coeli temperie ... ad aetatem 150 annorum senes durant. Der heilige Ambrosius übersetzt die margeßıcı sogar durch Beati. Indefs Klima und äufsere Verhältnisse kommen auch den Weddas zu Gute, und wenn sie sich in den besonderen Bedingungen des Lebens einigermaafsen den Rodiyas nähern, so ist doch schon erwähnt (8. 27), dafs letztere nirgend in eine ähnliche physische Degradation gerathen sind, wie die Weddas. Niemand wird aber in Abrede stellen, dafs beide bei guter Pflege zu ungleich besseren Zuständen der körperlichen Entwickelung gelangen würden !). Trotz dieser Möglichkeit einer vollkommeneren Entwickelung ist doch thatsächlich der Weddastamm, wie in alten Zeiten, ein kleinwüchsiger, ja man kann ihn unbedenklich zu den kleinsten der lebenden Menschenstämme zählen und in diesem, nicht gerade strengen Sinne einen Zwergstamm nennen. Weiter spricht dafür, dafs derartige Stämme in Indien weithin verbreitet waren. Auf die Naya-Kurumbas habe ich schon hingewiesen (S. 121). Aber auch sonst sind Leute von kleiner Statur und kleinen Köpfen keine Seltenheit. Schon die Sinhalesen und die Tamilen von Ceylon haben uns Beispiele dafür dargeboten. Hr. v. Bischoff?) erwähnt das Hirn eines Indiers aus Bukkur von 1660 mm Höhe, welches nur 973 Gramm wog; er eitirt gleichzeitig eine Beobach- tung von Peacock, der bei einem Eingebornen gemischten Ursprungs von Bombay ein Gehirn von 1006 Gramm fand, während freilich Clapham das Hirngewicht eines Bengalesen zu 1531 Gramm bestimmte. In der Sammlung der Berliner anthropologischen Gesellschaft ist der Schädel eines Poleyar mit nur 1040 Cub.-Om Capacität; der eines jungen Vorderindiers aus der Kaste der Oelhändler hat 1150, der seiner Mutter 1100 Cub.-Cm. Von den Schädeln von Tanjore, die ich erwähnte (S. 120), hat der eine 1200, der andere 1255 Cub.-Cm. Die Nannocephalie der Weddas, so wenig sie pathologisch ist, zwingt uns also in keiner Weise, behufs Aufsuchung von Analogien über das Gebiet der indischen Ethnologie hinauszugehen. Möglicherweise war 1) Davy (l. e. p. 107) berichtet, dafs unter den Sinhalesen mehr Männer, als Weiber seien; in den Fischerorten, wo die Ernährung eine bessere sei, finde dagegen, wie in Europa, das Umgekehrte statt. 2) v. Bischoff a. a. ©. S. 83. Te N. und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 135 Indien in ältester Zeit von einer verwandten Urbevölkerung bewohnt. Aber so wenig man aus solchen, mehr oder weniger zwerghaften Abori- ginern durch progressive Entwickelung die heutigen Hindus hervorgehen lassen wird, so wenig würde eine derartige Erklärung auf das Verhältnifs der Weddas zu den Sinhalesen passen. Wie sie nicht durch regressive Degeneration aus Sinhalesen hervorgegangen sind, so haben sie sich sicherlich nicht durch einfach progressive Evolution zu Sinhalesen umge- staltet. Gegen einen solchen einfachen Zusammenhang sprechen nament- lich die Unterschiede im Gesichtsbau, welche alle Beobachter gleichmälsig bezeugen. Gerade der Gesichtsbau ist es, welcher schon die älteren Reisenden veranlafste, die Sinhalesen mit den Europäern zusammenzustellen. Schon Knox, wie ich erwähnte (S. 97), war der Meinung, dafs kein Volk in der Welt so genau den Sinhalesen gleiche, als das Volk von Europa. Cordiner spricht sich eben so bestimmt aus (S. 64), indem er ausdrück- lich auf die Züge (features), also auf das Gesicht verweist. Wenn ein so feiner Beobachter, wie John Davy, statt dessen sagte (S. 97), die Sinhalesen seien ganz und gar Indier, so kann mit allen diesen Bezeich- nungen doch nur der gemeinsame arische Charakter der Gesichts- bildung bezeichnet sein. Bei Davy ist dies um so weniger zweifelhaft, als er ausdrücklich die „asiatische“ Form des sinhalesischen Schädels (d.h. der Schädelkapsel) hervorhob. Wenn gerade umgekehrt fast alle Beobachter dem Wedda-Gesicht einen fremdartigen, am häufigsten einen dravidischen Typus zuschreiben, so erhellt, dafs die genealogische Unter- suchung gerade das Gesicht zu einem Hauptgegenstande der Betrachtung machen mufs. Gehen wir nun auf die historischen Angaben zurück, so wird wohl kein Zweifel darüber sein können, dafs das sinhalesische Gesicht aus arischem Gebiet des indischen Continents einge- führt ist. Sowohl das Ramayana, als die Wijayo-Sage bieten dafür unmittelbare Anknüpfungen. Indefs bringt die letztere zugleich eine ernste Warnung, nieht zu einseitig in dieser Auffassung zu sein, denn sie spricht sofort auch von einem Import tamilischer Weiber von Mabar, welche dem König Wijayo selbst und seinen Begleitern verheirathet wurden. Ist meine Auffassung richtig, sind die Weddas eine einfache, die Sinhalesen eine gemischte Rasse, so können wir die Frage 136 Vırcmow: Ueber die Weddas von Ceylon aufser Betracht lassen, inwieweit die ceylonesischen Medien, namentlich Klima, Boden und Nahrung, bestimmend auf die Körperbildung eingewirkt haben. Nur einige Thatsachen möchte ich kurz berühren, deren Kenntnifs nicht ohne Bedeutung für diese Frage ist. Schon in der alten Schrift, welche dem Palladius zugeschrieben wird, heifst es von den Schafen auf Taprobane: Oves illis erinitae omnesque absque lana, lae suppeditant ubertim, latis caudis conspiciendae (rAarsias E&yovra cüpas). Sir Tennent!) hat anderthalb Jahrtausende später dieselbe Beobachtung in Jaffna ge- macht: die dortigen Schafe hatten statt der Wolle langes Haar, wie Ziegen. Ein ähnlicher Einflufs des Klimas auf die Behaarung des Schafes ist auch von anderen Orten bezeugt?). Andererseits wird von den „eingebornen“ Katzen Ceylons behauptet, dafs sie ein „niederes“ Aussehen haben; sie seien klein, mit dicht anliegendem Haar, kleinem Kopf, zurück- tretender Stirn, aber grolsen und spitzen Ohren®). Jemand, der eine ähnliche Einwirkung des Klimas auf die Menschen annähme, könnte daraus schliefsen, dafs auch die Menschen, namentlich die am längsten die Insel bewohnenden Aboriginer, einer ähnlichen Veränderung unter- legen wären, dafs z. B. das Haar ursprünglich wollig, der Kopf und die Statur grölser u. s. w. gewesen seien. So könnte man Annäherungen an wollhaarige Schwarze, an Andamanesen und Negritos, an Melanesier und selbst an Afrikaner suchen. Ehe man so grofse Veränderungen zuläfst, müssen die Thatsachen sicher gestellt werden. Die Geschichte von den „eingebornen“ Katzen verdient an sich eine genauere Prüfung; vorläufig beruht sie auf einer ganz solitären Beobachtung eines Botanikers, des Mr. Thwaites. Die Metamorphose der Schafe dagegen scheint durch die 1) Tennent l.e. II. p.531. The finest sheep in Ceylon are reared upon the dry plains which overlie the limestone and coral rock, on the northern and western coasts. These sheep, instead of being conted with wool, are covered with long hair, resembling that of goats, and the horny callosities that defend their knees, and which arise from their habit of kneeling down to crop the short herbage, serve to distinguish the Jaffna flocks from those of the other portions of the island. Dafs diese Schafe Fett- schwänze haben, finde ich nicht erwähnt. 2) Charles Darwin. Das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestikation. Aus dem Englischen von V. Carus. Stuttg. 1868. Bd. I. S. 122. Bad. II. S. 369. 3) Ebendas. Bd.I. S. 57. und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 137 Existenz zweier, zeitlich so weit auseinander liegender und ganz unabhän- giger Zeugnisse sicher gestellt, aber sie beschränkt sich nach den Mittheilun- gen des Sir Tennent auf ein verhältnifsmäfsig kleines Gebiet im äufsersten Norden. Es scheint mir daher, dafs man eine Anwendung dieser, aus der Geschichte der domestieirten Thiere hergenommenen Erfahrungen auf die Wilden Ceylons so lange beanstanden sollte, bis nicht aus bestimmten Thatsachen erwiesen wird, dafs die letzteren in älterer Zeit eine andere Beschaffenheit besessen haben. Der gegenwärtige Zustand der Behaarung entspricht offenbar der Haplotrichie des Palladius und mufs mindestens schon vor anderthalb Jahrtausenden vorhanden gewesen sein. Jedenfalls weist uns die thatsächliche Untersuchung zunächst nur auf die wilden oder halbwilden Stämme Indiens hin, um die Herkunft der Weddas genealogisch zu verfolgen. Ist diese einmal festgestellt, so wird für die Conjektural-Anthropologie noch Raum genug bleiben. Schon jetzt hat die Speculation sehr weite Grenzen angenommen. Hr. Hyde Clarke!) bringt die Kolarier und andere vorderindische Stämme mit den Negern Afrikas in Verbindung; Colonel Kincaid?) stellt die Bhils zu den Mongolen, und Hr. Keane?) streicht die Malayen ganz aus der Reihe der selbständigen Rassen und läfst Kaukasier in vorhistorischer Zeit nicht blofs nach Hinterindien, sondern sogar bis nach Polynesien vordringen. Es mag nützlich sein, dafs solche Fragen rechtzeitig gestellt werden, zumal in einer Zeit, wo das schnelle Verschwinden der wilden Rassen eine gewisse Hastigkeit in die Untersuchung bringt. Aber nachdem die Aufmerksamkeit durch die Fragestellung erregt ist, muls doch auch wieder daran gemahnt werden, dafs die Thatsachen in gröfserer Ausdehnung erhoben werden sollten, ehe man bestimmte Schlüsse zieht. Und so muls vor Allem die Forderung betont werden, dafs die Ethnologie Indiens mit aller Anstrengung in der gründlichsten Erforschung der Stämme der „schwarzen Haut“ ausgebaut werden mufs. Da ein Theil der Dasyu in die Sudras überging und somit in das Kastensystem der Hindus aufge- 1) The Journal of the Anthropological Institute of Great Britain and Ireland. 1878. Vol. VII. p. 49. 2) Ebendaselbst 1880. Vol. IX. p. 406. 3) Ebendaselbst 1380. Vol. IX. p. 258. Phys. Kl. 1881. Abh.]l. 18 138 Vırcnow: Ueber die Weddas von Ceylon nommen wurde, wie die Weddas in das der Sinhalesen, so ist es nicht einmal möglich, die physische Anthropologie der Hindus und der Sinhalesen zum Abschlufs zu bringen, ehe man nicht die offenbar sehr zusammen- gesetzte Gruppe der Dasyu in ihre einzelnen Glieder aufgelöst hat. Ein solches Glied sind offenbar auch die Weddas; ihre natürliche Isolirung auf einer Insel hat ihnen vielleicht mehr, als den verwandten Festland- stämmen, ihren besonderen Charakter bewahrt und sie zu einem Probe- objekt für die Zulässigkeit der Theorien über die Abstammung der Schwarzen Indiens gemacht. Möge daher der Eifer der Beobachter nicht erlahmen, damit noch vor dem völlıgen Erlöschen des schon stark ge- lichteten Stammes Sprache und Sitte, leibliches und geistiges Wesen der Weddas in allen Einzelheiten festgestellt werde! und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 159 Maafs-Tabellen. I. Schädel- und Gesichtsmaalse. Weddas Sinhalesen Tamilen I | 1 em ol es 5. aa LE No I RER Zar ö ö 8 2 ö Sur Capacität Cub.-Cm 1250 |1025 1360 | 1110 |1200 1250 | 1155 | 1260 | 1200 Grölste Länge Mm| 177 165 185 178 a 175 179 | 170 5 Breite „ | 125,5 | 133 135 127 127 132 126 134 | 128 ps*) ps: pi. pi. p- Pp- P- Senkrechte Höhe „216129 121 137 129 | 132,5 | 133 139 132 | 137,5 Ohrhöhe =; 107 104 120 113 106 116 116 113 | 117 Horizontalumfang „ | 485 465 508 482 | 493 472 477 490 | 473 Querer Verticalumfang »„ | 283 | 286 300 298 | 293 305 305 308 | 305 Sagittalumfang des Stirnbeins „ | 120 115 134 119 | 124 121 117 134 | 130 Länge der Pfeilnaht sa L1o 108 140 125 | 130 125 132 120 | 122 Sagittalumfang der Hinter- hauptsschuppe A 109 114 110 | 111 103 110 97 | 100 Ganzer Sagittalbogen „| 345 332 388 354 | 365 | 349 359 351 | 352 Stirnbreite (untere) 5 95 91 93 933 92 88 88 | 92 88 Temporal-Durchmesser „| 107,5 | 110 117 93 | 1083 102 108 115 | 104 Parietal- 3 (Tubera) „ | 119 | 123 120 122 | 116 123 115 | 120 | 122 Oceipital- R „| 102 | 100 99 | 103 | 101,5| 103 | 101 | 103 | 95 Mastoideal- - (Spitze) „ 96 94 103 96 98 93 105 95 93 3 N (Basis) „ | 110. | 111,5) 122. | 115 | 115 | 111 | 120 | 119 | 112 Auricular- 5 „ | 100 108 108 97 | 103 95 106 115 | 106 Horizontale Länge des Hinter- | haupts " 50 46 60? 53 54 52 48 42 46 Entfernung der Nasenwurzel vom For. magn. n 92 91 90 99 97 92 100 97 95 Entfernung der Nasenwurzel | vom Öhrloch = 96 94,5 99 102 | 101 95 101 104 | 99 Entfernung des Nasenstachels vom For. magn. 3 81 — = 36 36 83 al 87 38 Entfernung des Nasenstachels v vom Öhrloch RE 95 —_ —_ 105 101 93 102 103 | 101 Entfernung des Alveolarrandes vom For. magn. : 36 _ — 105 32(!) 83 90 92 93 Entfernung des Alveolarrandes vom Öhrloch u 100 _ —_ 100 101(!) 96 107 111 | 107 Entfern. d. Kinns v. For. magn. „ 92,5 — _ _ —_ — — —_ _ R 5, Ohrloch: wall! _ _ —_ — — — _ — *) Das Zeichen p bedeutet, dafs die grölste Breite am Parietale, ps, dals sie an den Tubera (oben), pi, dals sie an den unteren Theilen ermittelt wurde. 18* 140 Vırcuow: Ueber die Weddas von Ceylon Weddas Sinhalesen Tamilen nn. To ———— ul 4. d. 18 2. | 23. 1. 2. | 8. Q Q ö ö a BR; SE Gesichtshöhe A (Nasenwurzel | bis Kinn) Mm| 1015| — — — — | 0 == ze = Gesichtshöhe B (Nasenwurzel | bis Alveolarrand) aan Ta | Summe GE. | 63 Gesichtsbreite A (jugal) 1 _ 112 120 107 120 _ 118 4 B (Sut. zyg. max.) „ 87 _ —_ 97,5 \ 87 83 90 _ 101 Orbita, Höhe lasse — 30 34 30 32 35 32 » Breite „ 39 11 — — 39 41 36 38 42 37 Nase, Höhe 5 48 — — 45 öl 36 45 45 47 „ Breite (Apertur) sb 24 Eu ı 96 23,5 | 20 22 23 25 Gaumen, Länge x 48 — —_ 53 45(!) 38 49 48()| 49 R Breite N 36 E= —_ 40 33(l) | 33 36 | 36()| 43 Kieferwinkel-Distanz & 85 — — = —_ — = — Kiefergelenk-Distanz = _ — —_ 85 87 81 30 92 39 Gesichtswinkel Grade 82 —_ —_— 75 75 76 76 76 75 II. Berechnete Indices. Weddas Sinhalesen Tamilen —— | ,——— | -—— _—— 1. 4. 5. 1. 2. 23. 1% 2. 3. Längenbreiten-Index 70,9| 80,6 | 73,0 71,3| 720,2| 76,7 72,0 | 74,8 75,3 Längenhöhen „ 72,9| 73,3. 74,1 72,51 7392| 7273| 794| 73,7.| 80,9 Breitenhöhen „ 103,5 | 90,9 | 101,4| 101,5 | 104,3 | 100,7| 110,3. | 98,5 | 107,4 Auricular f 60,4) 63,0 | 64,9| 63,5) 58,5| 67,4| e6,3| 63,1 | 68,8 Mittelgesichts „ 50,0 — —_ 52,6 —_ 47,6 51,61 — 53,4 Orbital f 3 _ 16,9| 82,9| 83,3| 84,4| 83,3.| 86,4 Nasen a 50,01 — —_ 97,7| 46,0) 55,5|. 48,58 | 51,1 59,1 Gaumen e 19,0) F — — 75,4| — 86,5] 90,0) — 87,7 und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. 141 Erklärung der Tafeln. Taf. I. Schädel eines Wedda-Weibes, aus dem Museum von Colombo auf Ceylon (S. 46). Taf. II. Schädel eines Sinhalesen (S. 68). Taf. III. Schädel eines Tamilen von Ceylon (S. 87). Sämmtliche Ansichten sind von Hrn. E. Eyrich nach der geometrischen Methode aufgenommen und auf ein Drittheil der natürlichen Gröfse reducirt worden. 142 VırcHow: Üeber die Weddas von Ceylon Inhalts-Verzeichnils. Das Wedda-Land Zahl der Weddas: wilde und Bane Dämonendienst, Ahnencultus Urbevölkerung von Ceylon (Yakkohs) . Ethnologische Beschreibung der Weddas . Psychologische Eigenschaften der Weddas Kastenwesen auf Ceylon Dodda Weddas, Rodiyas Tamilische Einwanderung (Malabaren) Araber (Moors, Moormen) . Malayen und neuere Einwanderer Sinhalesen Linguistisches : Abstammung der Weddas E Physische Anthropologie der Weddas Körpergrölse Hautfarbe, Haar Augen, Nase, Gesicht Schädel Physische Anthropologie der Seanaleren Schädel © > Physische Anthropologie der Tamilen e Schädel : 5 Physische Anthropologie en Mausnen Physische Anthropologie der Malayen . Verhältnifs der Stämme zu einander Die Frage der chinesischen Abstammung . Weddas und Sinhalesen . Weddas und Tamilen Dravidas von Tanjore Ci) Kurumbas Vedars, Asurs Dasyu, Protodravidier al Prnedrayidier Weddas und Negritos Andamanesen . Seite ei: 94 110 120 121 123 124 125 127 und ihre Beziehungen zu den Nachbarstämmen. Weddas und Australier . Weddas und Malayen Mikrocephalie und Nannocephalie Variabilität der Rassencharactere Die Weddas als ein Glied der „schwarzen Haut“ Indiens . Maals-Tabellen Erklärung der Tafeln 145 Seite 128 31.129 = 156 eh! 139 141 Abk.d. Berlin. Akad. Physik: Kl. 1881. Le) = DAR. Virchow: Weddas. Albor Sch rar SR Tafı £ Abh.d Berlin. Akad. Physik. Kl. 1881. Om Omuchr- em d Virchom: Weddas. 7 3 mor A horn k Ahr Ar Tapı I. Abh.d. Berlin. Akad. Physik. Kl. 1881. Virckoro: Weddas. Tapı II. a EV ? pp u 6} H GMAR..mM-9 Om Bryrich IL. Allıır Schinze Sich. Onst. Dreh G 4 PHILOSOPHISCHE UND HISTORISCHE ABHANDLUNGEN DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN | ZU BERLIN. AUS DEM JAHRE 1881. BERLIN. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 1882. BUCHDRUCKEREI DER KÖNIGL. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN (G. VOGT). - DIHAL MA UA | ‚IR8I | | - BR B4 j ALIasa AHTMARPHBBZLT Mad AIMNdAHA" MANOL.IOKOR Ha OadaaT [2 rw saal ‚(07 0) EITyANnaHLsarE ua UHAHENK AnROa nd Ka Inhalt. VAHLEN: Ueber die Anfänge der Heroiden des Ovid Waırz: Ueber eine alte Genealogie der Welfen ZELLER: Ueber die Messung psychischer Vorgänge . Boun: Der Tempel der Athena Polias zu Pergamon Scnuorrt: Ueber die sprache des volkes Röng oder Leptscha in Sikkim ScHRADER: Die Sargonsstele des Berliner Museums . Currıus: Die Altäre von Olympia .1—40. 1—15. 1— 16. 1—12. 1— 15. 1—36. 1— 43. ff) ” ä b4 4 ‚ Kant, if ar I A | & - J 5 a Fr } i 1 i£ is nd ln 'anie Dun E77 n “ j \ ‚ dur ah re EEE N | nad h Hub Kruait Tach ER j 2 ’ ee er ee a 20177 I sarah | 177 Ueber die Anfänge der Heroiden des Ovid. Von H” VAHLEN. Philos.-histor. Kl. 1881. Abh. I. 1 B 4 5 ’ i j Pa Er er ‚birO z0b mobile job synfteA Hi ade D_ Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 7. März 1881. ER ke ee Os: Erstlinge, die Briefe der Heroiden, sind von der Kritik gewaltig geschüttelt und gerüttelt worden, und noch kaum hat sich die Meinung der Gelehrten gesetzt und ist über das was dem Dichter gehört oder ihm abzusprechen ist einigermafsen Einigung erzielt worden. Viel hat in diesen Untersuchungen Vorurtheil und Befangenheit in modernem und subjectivem Geschmack geschadet, nicht minder, dafs die Untersu- chung nicht da angehoben, wo sie nothwendig anheben mulste, die Be- schaffenheit der Ueberlieferung einer eindringenden und allseitigen Prüfung zu unterziehen. Wenn Herausgeber an ein, zwei alte Handschriften sich anschlielsen und einzelne Versreihen und umfangreiche Stücke, die einst in den Texten standen, weil sie in jenen fehlen, beseitigen, so haben sie zwar eine gewisse Sicherheit des Verfahrens für sich, lassen aber den For- scher unbefriedigt, der Auskunft verlangt über die eigenartige Natur dieser Ueberlieferung. Diese Seite der Untersuchung hat unlängst Hr. Heinr. Stef. Sedlmayer mit Eifer in Angriff genommen, hat sie aber noch nicht zu Ende geführt und seine Ermittelungen in einem kritischen Apparate ausgelegt!). Auch die Frage, welche ich zum Gegenstande dieser Be- !) Prolegomena eritica ad Heroides Ovidianas. Serips. Henr. Steph. Sedlmayer. Vindobonae MDCCCLXXVII. Hinzugekommen ist neuerdings (mir erst nach Abschlufs meiner Untersuchung, im December 1880, zu Gesicht gekommen) von demselben Hrn. Verf. "Kritischer Commentar zu Ovids Heroiden. Wien 1881’; daher ich hierauf im Text nur hier und da nachträglich Bezug genommen habe, mehr in einem angehängten Exeurs. 1% 4 VSHmEN: trachtung gemacht habe, wird von der Unsicherheit der Ueberlieferung berührt, und ich würde sie nicht vorgelegt haben, wenn ich nicht über- zeugt wäre, dafs der Hauptpunkt auch so sich erledigen lasse und das Resultat, zu dem ich gelangt bin, in seinem negativen Theile Bestand haben könne, wie immer die Entscheidung über die Ueberlieferung schliefs- lich ausfallen möge. 1. Her. VI. Dido an Aeneas, beginnt mit den Worten Sie ubi fata vocant udis abiectus in herbis Ad vada Maeandri coneinit albus olor. Nec quia te nostra sperem prece posse moveri Adloquor (adverso movimus ista deo) Sed merita et famam corpusque animumque pudieum Cum male perdiderim, perdere verba leve est. Der Brief hebt mit einem Vergleich an, läfst aber das, dem er dienen sollte, errathen. Lateinische Dichter haben eine doppelte Weise ein Gleich- nils einzuführen. Ovid z. B. wenn er den Schwanengesang in folgender Form zur Vergleichung verwendet, Met. XIV 430 (von der Canens) Illie cum lacrimis ipso modulata dolore Verba sono tenui maerens fundebat, ut olım Carmina iam moriens canit exsequialia eyenus, und Fasti II 110 (vom Arion) Reddidit icta suos pollice chorda sonos, Flebilibus numeris veluti canentia dura Traieetus pinna tempora cantat olor, bedient sich beidemal der natürlichen und üblichen Anknüpfung. Wenn aber in Seneca’s Medea der Chor im Hymenäus von Jason’s neuer Braut singt, Haec cum femineo constitit in choro, Unius facies praenitet omnibus. 95 Sie cum sole perit sidereus decor Et densi latitant Pleiadum greges Cum Phoebe solidum lumine non suo Orbem eireuitis cornibus allıgat, Ostro sie niveus puniceo color or Ueber die Anfänge der Heroiden des Ovid. 100 Perfusus rubuit, sie nitidum iubar Pastor luce nova roseidus aspicit !), so wird das Gleichnifs, das mit Ut cum sole angeknüpft werden konnte, durch Sie, selbstständig und abgelöst, dem Hauptsatz angeschlossen, wo- durch in der Form was Nebensache sein sollte, zur Hauptsache geworden ist. Von dieser Weise einen Vergleich einzuführen hat Ovid nicht selten Gebrauch gemacht, Met. VIII 191 (vom Dädalus) nam ponit in ordine pennas A minima coeptas, longam breviore sequente, Ut elivo crevisse putes. Sie rustica quondam Fistula disparibus paulatim surgit avenis. Fast. I 215 At postquam Fortuna locı caput extulit huius Et tetigit summo vertice Roma deos, Creverunt et opes et opum furiosa cupido, Et cum possideant plurima plura petunt, Quaerere ut absumant, absumpta requirere certant, Atque ipsae vitiis sunt alimenta vices. Sie quibus intumuit suffusa venter ab unda, Quo plus sunt potae plus sitiuntur aquae; und besonders schön ausgeführt Metam. III 111 von den aus Kadmus Drachenzähnen hervorwachsenden Kriegern Inde, fide maius, glebae coepere moveri Primaque de suleis acies apparuit hastae, Tegmina mox capitum pieto nutantia cono, Mox umeri pectusque onerataque bracchia telis Existunt ereseitque seges clipeata virorum. Sie ubı tolluntur festis aulaea theatris Surgere signa solent primumque ostendere vultus, 1) Hr. Leo hat vor V. 99 Ostro sic niveus das Zeichen einer Lücke gesetzt und folgende Ergänzung versucht Talem dum iwenis conspieit, en rubor Perfudit subito purpu- reas genas. Ich kann nicht einräumen, dafs damit der Gedanke des Dichters getroffen sei, der nur den Glanz der Braut schildert (vgl. Properz II 3, 10 ff.), und nicht zugeben, dals dem Vergleich Ostro sic niveus u. s. w. der an die Spitze gestellte Satz Haec ... praenitet omnibus nicht ebenso gut wie dem ersten Vergleich zur Unterlage dienen könnte. 6 VAHLEN: Cetera paulatim placidoque educta tenore Tota patent imoque pedes in margine ponunt. Wer noch folgende Stellen, die ich nicht ausschreiben will, in Betracht zieht, kann sich leicht überzeugen, wie beliebt diese Weise der Verglei- chung dem Ovidius war und wie wirkungsvoll er sie anzuwenden weils, Met. I 200. III 568. XV 855. Und im Wesen nicht verschieden sind auch Met. IV 331. IX 46, mit welchem letzteren Beispiel man, um des Unter- schiedes inne zu werden, Virgil Aen. XII 715 zusammenstellen kann. Nicht anders ist der Eingang unseres Briefes gedacht; und wir fragen verwundert, warum der Dichter das was nothwendige Unterlage der Vergleichung sein mulfste, unausgedrückt gelassen habe. Denn in einer so unmotivirten Reticenz kann Niemand ein Zeichen besonderer Kunst oder Absicht erblicken wollen. Und ferner, wenn nichts vorherging als das Gleichnifs, gerathen wir von Neuem in Verlegenheit bei den folgenden Worten Nec quia te nostra sperem prece posse moveri Adloquor, die den Vergleich nicht fortsetzen und sonst nichts haben, woran sie angeschlossen werden könnten. Beides scheint vielmehr zu verlangen, dafs im Eingang des Briefes nicht blofs die Situation der Schreiberin bezeichnet sondern auch der Adressat genannt oder angeredet war. Und da wir keinen Grund haben, dies doppelte Ungeschick, dafs Sic wie Nec ohne Beziehung und Anknüpfung stehen, dem Dichter selbst zuzuschreiben, so schliefsen wir auf einen zufälligen Defect in der Ueberlieferung, durch welchen der Brief um ein Eingangsdistichon gekürzt worden. Der vollständige Ge- dankenausdruck kann etwa folgender gewesen sein: Vernimm, Aeneas, der sterbenden Dido letzten Gesang. So singt, wenn die Sterbestunde ruft, an den Ufern des Mäandros der Schwan. Und nicht weil ich Wir- kung erhoffe, rede ich dich an, sondern nachdem ich Ruf und Ehre ver- loren, ist Worte zu verlieren leicht. 2. Her. XI. Canace an Macareus, fängt mit folgenden Versen an: Si qua tamen caecis errabunt scripta lituris, Oblitus a dominae caede libellus erit: Dextra tenet calamum, strietum tenet altera ferrum, Et iacet in gremio charta soluta meo. Haec est Aeolidos fratri sceribentis imago, Sie videor duro posse placere patri. Ueber die Anfänge der Heroiden des Ovid. 2 Der neueste Herausgeber, Hr. Al. Riese, hat in dem ersten Distichon zwei Abänderungen der Ueberlieferung vorgenommen; er schreibt enabunt für errabunt und im zweiten Vers ac für a. Er ändert damit, nicht ohne Bewulstsein wie ich glaube, was an sich untadelig ist; denn errare heifst "unsicher, undeutlich sein’, welches ein bezeichnendes Wort in diesem Satze war, und oblitus a caede ist Ovidischer Redeweise vorzüglich ent- sprechend. Aber er bezweckte, wenn ich recht verstehe, durch seine Aenderungen der Partikelverbindung S? qua tamen eine Bedeutung abzu- gewinnen, welche sie für den Briefeingang passender machen könnte: Si qua tamen caecis enabunt seripta lituris Oblitus ac dominae caede libellus erit: “Wenn doch wenigstens etwas von dem Geschriebenen aus den Lituren herausschwimmen und der Brief mit der Schreiberin Blut befleckt sein wird, so wisse —. Dals s2? tamen diese Bedeutung haben kann, ist be- kannt und die Partikel steht so z. B. Fasti IV 19 5 qua tamen pars te de fastis tangere debet, Caesar, in Aprili quo tenearis habes. Aber eine befriedigende Gedankenform ist auch so nicht gewonnen; denn nicht “wenn nur Etwas lesbar ist’, sondern umgekehrt "wenn vielleicht Etwas unleser- lich ist” wäre ein in der hiesigen Situation zu erwartender Gedanke, und vollends erscheint die Anknüpfung des zweiten Vordersatzes durch ac an den ersten so unbeholfen, dafs man sie dem Ovid auch auf dem Stand- punkt, auf dem ihn die Briefe zeigen, nicht wohl zutrauen darf. Hrn. Riese’s Aenderungen erreichen also ihren Zweck nicht und ich würde ihnen Heinsius’ verwegenen Vorschlag Si qua latent caecis errantia seripta lituris vorziehen, wenn ich überall der Meinung wäre, dals dem berech- tigten Anstofs an diesem Eingang mit Wortänderungen begegnet werden könnte. Aeltere Interpreten haben die analoge Form nicht übersehen, in welcher bei Propertius Eleg. 4, 3 — auch ein Heroidenbrief — be- ginnt: Haec Arethusa suo mittit mandata Lycotae, Cum totiens absıs, si potes esse meus. Si qua tamen tibi lecturo pars oblita deerit, Haeec erit a lacrımis facta litura meis, Aut si qua incerto fallet te littera tractu. Signa meae dextrae iam morientis erunt. 8 VAHLEN: In soleher Redeform hat tamen nicht einschränkende (doch wenigstens’) sondern anreihende Bedeutung (indessen’), verlangt aber auch so immer ein allgemeines, an das die Partikel anschliefsen kann, wie Ovid Met. XII 468 Polyxena sagt — — Vos modo, ne Stygios adeam non libera Manes, Ite procul, si iusta peto, tactuque viriles Virgineo removete manus: acceptior ill, Quisquis is est, quem caede mea placare paratis, Liber erit sanguis. Si quos tamen ultima nostri Verba movent oris, Priami vos filia regis Non captiva rogat, genetriei corpus inemptum Reddite. ‘Ich sterbe gern, nur lasset mich frei sterben: wollt ihr jedoch mir eine letzte Bitte erfüllen, so gebt meinen Leichnam der Mutter umsonst. Oder Fasti IIl 257 Ferte deae flores: gaudet florentibus herbis Haec dea: de tenero cingite flore caput. Dieite "tu nobis lucem, Lucina, dedistı', Dieite “tu voto parturientis ades.. Si qua tamen gravida est, resoluto crine precetur, Ut solvat partus molliter illa suos. An diese Parallele des Properz, die allein hinreichend ist Abänderungen an dem Wortlaut unserer Verse zu widerrathen, hat auch Lehrs von Neuem erinnert, und ihm wäre das Richtige kaum verborgen geblieben, wenn ihn nicht das Vorurtheil geblendet hätte, dafs in diesen Heroiden alles oder fast alles roh, widerwärtig, läppisch, unsinnig u. s. w. sei. Ueber unsern Brief schreibt er (Horaz p. COXXXV]) ‘Dafs und warum das erste Di- stichon läppisch ist, braucht wol nicht erst gesagt zu werden: übertragen aus der natürlichen und unvermeidlichen Situation, dafs einer Weinenden die Thränen auf ihr Blatt fallen, während sie schreibt, wie in der mit Recht schon als Vorbild bezeichneten Stelle des Properz, ohne welche auch wohl in dem wie in einigen andern Episteln abgebrochen beginnenden Anfang nicht gerade Zamen, sondern eine etwas klarere Partikel stehen würde. Lehrs setzt also den ungeschickten Anfang einem Nachahmer auf Rechnung, bei dem es doch nicht minder zu verwundern bliebe, dafs er Ueber die Anfänge der Heroiden des Ovid. 9 sein klares Vorbild nur halb, statt wie eben so leicht war und eben so nahe lag, ganz nachgeformt hätte. Wir werden einfacher schliefsen: weil die Worte Si qua tamen — der Anfang des Briefes nicht sein können, so fehlt uns der vom Dichter gewollte Anfang und ist ein Distichon verloren gegangen, an welches, wie bei Properz, das zweite mit SU qua tamen regelrecht anknüpfen konnte. Etwa so: "Canace schreibt an ihren Bruder Macareus, und wünscht dafs er das Geschriebene lese. Sollte jedoch Einiges in den Schriftzügen unleserlich sein, so wisse, es sind Blutflecken von der Schreiberin Hand. Sofort erkennt man, wie unter der Voraus- setzung, dafs die beiden Verse, welche jetzt den Anfang bilden, nicht das erste sondern das zweite Verspaar waren, kein Buchstabe daran zu ändern, nichts überhaupt an Klarheit zu vermissen ist, und sieht nicht ohne Ver- wunderung, wie die Kritiker und Interpreten, die aufmerksamen wenig- stens (denn viele gehen gedankenlos daran vorüber), sich vergeblich win- den und drehen und der sich aufdrängenden Annahme eines Verlustes wie geflissentlich aus dem Wege gehen. Den Defect aber halte ich für sicher, auch wenn der Brief, der zu den bezeugten gehört, von Ovid nicht her- rühren sollte. 3. Her. XII. Medea an Jason, hat folgenden Anfang: At tibi Colchorum (memini) regina vacavi, Ars mea cum peteres ut tibi ferret opem. Tune quae dispensant mortalia fata sorores Debuerant fusos evoluisse meos: Tum potui Medea mori bene — Den älteren Kritikern ist das Auffällige dieses mit At eingeleiteten Briefes nicht entgangen und hat man ein temporales Ut an die Stelle gesetzt, an welches Tunc V. 3 anknüpfen sollte. Heinsius hingegen hat in langer Anmerkung die Rechtfertigung des überlieferten At übernommen: ia enim indignantes aut mirantes exordiebantur plerumque. Ich kann nicht umhin seine Beispiele zu mustern, die, wie es den Anschein hat, auf die nach- folgenden Herausgeber durchweg überzeugend gewirkt haben. Nur Pro- pert. II 21 darf ich übergehen, da heute wohl Niemand geneigt sein wird, dem bezeugten Ah quantum de me Panthi tbi pagina finxit Tantum ll Pantho ne sit amica Venus die unverbürgte Schreibung At quantum, selbst wenn diese ebenso gut wäre, vorzuziehen. Wenig wollen auch die vielen Philos.-histor. Kl. 1881. Abh. 1. 2 10 VAHLEN: Ovidischen Beispiele besagen, in welchen mitten in der Erzählung eines Sprechenden Rede mit At eingeführt wird, so dafs der Gegensatz aus dem Zusammenhang des Erzählten sich von selbst ergiebt: Met. VIII 273 ff. Oenea namque ferunt plenis successibus anni Primitias frugum Cereri, sua vina Lyaeo, Palladios flavae latices libasse Minervae. Coeptus ab agricolis superos pervenit ad omnes Ambitiosus honor. Solas sine ture relictas Praeteritae cessasse ferunt Latoidos aras. Tangıt et ira deos. ‘At non impune feremus Quaeque inhonoratae, non et dicemur inultae’ Inguit. Met. X 724, Venus nachdem sie den in seinem Blute liegenden Adonis erblickt, Desiluit pariterque sinum pariterque capillos Rupit et indignis percussit pectora palmis, Questaque cum fatis At non tamen omnia vestri Juris erunt’ dieit "luctus monimenta manebunt. Met. XII 366 in der Erzählung vom Kampf der Lapithen und Centauren Hune procul ut foedo disieetum vulnere Peleus Vidit "At inferias, iuvenum gratissime Örantor, “Accipe’ ait validoque in Demoleonta lacerto Fraxineam misit contentis viribus hastam. Fastı II 395, die den Romulus und Remus aussetzenden Diener Huc ubi venerunt (neque enim procedere possunt Longius) ex illis unus et alter ait: “At quam sunt similes: at quam formosus uterque, Plus tamen ex illis iste vigoris habet. Bei solchen Stellen, denen es leicht ‘wäre eine Reihe ähnlicher aus Meta- morphosen und Fasten anzufügen, bedarf es in der That nur, dafs man sie in ihrem Zusammenhang betrachtet, um sich zu überzeugen, dafs der Adversativpartikel niemals die Beziehung fehlt und es keiner Ergänzung bedarf, um sie verständlich zu machen. Nicht anders Virgil Aen. II 535, von Polites, Priamus’ Sohn, dem der rasende Pyrrhus nachsetzt, Ueber die Anfänge der Heroiden des Ovid. 11 Ut tandem ante oculos evasit et ora parentum, Coneidit ae multo vitam cum sanguine fudit. Hie Priamus, quamquam in media iam morte tenetur, Non tamen abstinuit nee voci iraeque pepereit: “At tibi pro scelere’ exclamat ‘pro talibus ausis Di, si qua est caelo pietas quae talia curet, Persolvant grates dignas et praemia reddant. Mehr Schein wenigstens hat das Ovidische Gedicht Amor. III 7, das so beginnt At non formosast, at non bene culta puella, At, puto, non votis saepe petita meis. Hane tamen in nullos tenui male languidus usus, Sed iacul pigro crimen onusque toro. (vgl. Priap. 80). Aber verstehe ich recht, so hebt der Dichter gleichsam eine stille Betrachtung fortsetzend mit der Selbstfrage an: at non formo- sast —, welche die Antwort des Gegentheils in sich selber trägt, und der Leser bedarf zum Verständnils keiner Ergänzung (wie sie auch nicht mög- lich ist), sondern alles was erforderlich ist bietet das Gedicht selbst dar. Aehnlich Horatius Epod. 5, an Canidia, ‘At o deorum quidquid in caelo resit Terras et humanum genus, Quid iste fert tumultus, et quid omnium Vultus in unum me truces? — Darstellung und Composition dieses Gedichtes sind von besonderer Leb- haftigkeit. Horaz schlägt nicht den geraden Weg der Erzählung ein, son- dern reilst den Leser in medias res, läfst den Knaben, den zum Zweck der Zauberkünste der Canidia geraubten, aus seiner verzweifelten Lage plötzlich in jene Worte des Eingangs ausbrechen, um hinterher Absicht und Umstände grell zu beleuchten. Auch hier, wie in dem Ovidischen Gedicht, bedarf at, das Bezug und Gegensatz hat an der Situation, aus der die Worte gesprochen werden, keiner Ergänzung. Und so läfst sich, was sonst Analoges noch angeführt werden könnte, ohne Schwierigkeit erledigen. Nicht so der Anfang unseres Briefes, der aus all jenen Bei- spielen seine Rechtfertigung nicht ziehen kann, wofern nicht Jemand glaubt, es handele sich lediglich um die Partikel und nicht vielmehr um 9* 19 VAHLEN: den durch die Partikel eingeführten Gedanken. Denn für diesen ist hier eine Beziehung aus dem Briefe selbst nicht zu entnehmen, sondern mufs von Aufsen hergeholt werden. Lehrs 8. CCL schlofs aus den Anfangs- worten der Epistel: “also Medea hat den Jason zu sich entbieten lassen, und er sich entschuldigt mit Geschäften.’ Ich will nicht behaupten, dafs die so formulirte Voraussetzung des Briefes dem Gedanken und den Ab- sichten des Dichters vollkommen entspricht, aber darin empfand Lehrs unstreitig richtig, dafs ein solcher oder ähnlicher Gedanke nothwendig er- gänzt werden müsse, um die Worte, mit denen der Brief eröffnet wird, verstehen zu können; und auch hier ist es nur aus seinem allgemeinen Vorurtheil gegen diese Briefe erklärlich, dafs er nicht sah, eine derartige Ergänzung könne der Dichter unmöglich dem Leser überlassen haben, sondern der Gedanke müsse, um verstanden zu werden, ausgedrückt ge- wesen sein. Nach meiner Meinung würde den Worten des Anfangs Ge- nüge geschehen, wenn man den Gedanken ungefähr in folgender Weise vervollständigen wollte: ‘Medea schreibt an Jason. Denn dir läfst deine königliche Braut keine Zeit für mich. Aber ich habe als Königin der Kolcher Zeit für dich gehabt, als du meiner Künste bedurftest So we- nigstens würde jedem Wort des Eingangs sein Recht und würde insbe- sondere das nicht ohne Absicht gesetzte Üolchorum regina in seinem gan- zen Gewicht empfunden. Da es nun nicht glaublich ist, der Dichter habe den Gedanken, durch den allein das At tbi vacavı verständlich wird, ver- schwiegen, so ist auch hier die Annahme unausweichlich, dafs am Anfang des Briefes Ein Distichon, welches zum Ausdruck des erforderlichen Sinnes ausreichend war, durch Schuld der Ueberlieferung verloren gegangen. 4. Her. XVII (16), Helena dem Paris antwortend, hebt so an: Nune oculos tua cum violarıt epistula nostros, Non rescribendi gloria visa levis. Ausus es hospitii temeratis, advena, sacris Legitimam nuptae sollieitare fidem. Die beiden ersten Verse sind Eingang: mit dem dritten geht Helena in die Sache. Wenn die Interpreten diesen Briefen so viel Aufmerksamkeit gewidmet hätten, als sie verdienen, wären sie nicht stillschweigend an dem an die Spitze gestellten Nunc vorübergegangen. Aber wer nur die Frage aufwirft, welchen Sinn die Partikel habe, wird auch um die Antwort nicht Ueber die Anfänge der Heroiden des Ovid. 13 verlegen sein. Nune (= ut nunc est) kennzeichnet den Gegensatz gegen ein anderes, das hätte sein können, sein sollen, während es jetzt (wie die Dinge jetzt stehen) nicht so ist!). Ein Beispiel dieses bekannten Ge- brauchs der Partikel giebt Virgil Aen. XI 119, Aequius huie Turnum fuerat se opponere morti. Sı bellum finire manu, si pellere Teucros Apparat, his mecum decuit concurrere telis; Vixet eui vitam deus aut sua dextra dedisset. Nune ite et miseris supponite eivibus isnem, und geben die Heroiden selbst XVI (15), 165 157 Di facerent, pretium magni certaminis esses Teque suo posset victor habere toro, Ut tulit Hippomenes Schoeneida praemia cursus, 160 Venit ut in Phrygios Hippodamia sinus, Ut ferus Alcides Acheloia cornua fregit, Dum petit amplexus, Deianira, tuos, Nostra per has leges audacia fortiter isset, Teque mei scires esse laboris opus. 165 Nune mihi nil superest nisi te, formosa, precari Ampleetique tuos si patiare pedes. Ich nehme Di facerent pretium esses als hypothetischen Vordersatz zu dem Nachsatz (163) Nostra per has leges audacia fortiter isset, und habe dem- gemäfs, abweichend von Hrn. Riese’s Ausgabe, die Interpunction einge- richtet. Den Mangel der hypothetischen Partikel werden Stellen recht- fertigen, wie Fast. IV 487 Unaque, pastorem vidisset an arva colentem, Vox erat "hac gressus ecqua puella tuht? und VI 113 He aliquis duwenum diwisset amantia verba, Reddebat tales protinus ila sonos. Den Dienst aber, 1) Auch die Griechen gebrauchen ihr vöv ebenso, z. B. in Sophokles Elektra & B ° B x a m So N = zweimal bald hinter einander, 335 =: #Szvos Außomı, OnAuca av or aureis heova' vüv Ö° Ev 03 m n [4 5 5 > > - m EN ’ 7 AaRoıs or TASIV Überaeon doze. 365 zys5 ons ovx eow Fıuns Fuge. oUd av su, swcgwv y' ovom. viv EEcv margos mavrwv dgierov mare #erryeIaı, zaA0I v7s mnrgos; und 519 aver- ’ \ e 7 5 r 6) \ U > ” Q 7 I EI 7 S , [aevn EV ws Eoızas av orgehn. oVv yao mager Ayındos 05 5 Emeiy, ds aM Tor Tugaicv * > > ’ 5) > , , n 3 :€ Y >» 3, m N 3 ’ > n . y ovaav aisyuvew dbiAous‘ vüv Ö Ws ameor' Exrelvog, oVdev Evroemn Emoü yes: wo aber nicht nothwendig scheint, den hypothetischen Gedanken, dem vÜv entgegengesetzt ist, durch > 0 ” . . .. . . Erreiyev cv noch deutlicher auszudrücken. Aus römischen Dichtern vgl. noch Lucret. VI 570. 14 VAHLEN: den die Partikel Nune versieht, erkennen wir deutlich: “Hätten die Götter gegeben, dafs ich um dich kämpfen könnte, wärst du der Preis meiner Tapferkeit geworden: Jetzt (wie die Sache jetzt steht) bleibt mir nichts übrig, als mich auf das Bitten zu legen’ Ganz in demselben Sinne ist Nunc am Anfang unserer Epistel zu nehmen, dies um so mehr, da der Inhalt, welchen die Partikel einschliefst, durch die angefügten Worte ocu- los tua cum violarıt epistula nostros gleichsam ausgelegt wird. Nach deren Anleitung gelingt es leicht, den Gegensatz, welchen Nune zu bezeichnen bestimmt war, in einem vollständigen Gedankenausdruck ungefähr in fol- sender Weise klar zu legen. 'Es wäre besser gewesen, du hättest nicht geschrieben oder ich nicht gelesen. Nun aber dein Brief meine Augen verletzt hat, schien nicht zu antworten ein leichter Ruhm. So deutlich dieser Gedanke, wie ich meine, aus den dastehenden Worten sich ergiebt, so wenig glaublich ist es, Ovid habe nur die Hälfte seines Gedankens, nur gerade so viel als ausreichend war, den vollständigen zu errathen, im Worte ausdrücken und durch das jetzt beziehungslose Nunc dem Leser nur ein Merkzeichen geben wollen. Die Annahme, die ich aus diesem Sachverhalt glaube mit Sicherheit schöpfen zu können, dafs auch dieser Briefeingang nicht etwa ein stilistisch abgebrochener sondern thatsächlich um ein Distichon gekürzter sei, gewinnt noch eine Unterstützung aus dem Verhältnils, in welchem unser Brief, der Antwortschreiben ist, zu dem Briefe des Paris XVI steht. Denn da letzterer anhebt Hanc tibı Priamides mitto, Ledaea, salutem Quae tribui sola te mihi dante potest, wird dem Briefe der Helena eine entsprechende Anrede nicht gefehlt haben. In dem Bisherigen hat sich bei vier Briefen der Heroiden aus der Erklärung der erhaltenen Anfänge derselben ergeben, dafs dieselben je ein Verspaar im Eingang auf dem Wege der Ueberlieferung verloren haben. Schlagen wir nun die älteren Editionen auf (denn die neueren Heraus- geber wissen nichts mehr davon), so finden wir, dafs diese vier Episteln in älterer Zeit thatsächlich mit vollständigeren Anfängen verbreitet waren. Ich setze diese ergänzten Anfänge mit unterschiedener Schrift zunächst hierher. Ueber die Anfänge der Herorden des Onid. 15 VII. Dido an Aeneas. Aceipe, Dardanide, moriturae carmen Elissae: Quae legis a nobis ultima verba legıs. Sie ubi fata vocant udis abiectus in herbis Ad vada Maeandri ceoncinit albus olor. Nec quia te nostra sperem prece posse moveri Adloquor (adverso movimus ista deo). XI. Canace an Macareus. Aeolis Aeolidae quam non habet ıpsa salutem Mittit et armata verba notata manu. Si qua tamen caecis errabunt seripta lituris, Oblitus a dominae caede libellus erit: Dextra tenet calamum, strictum tenet altera ferrum Et iacet in gremio charta soluta meo. XII. Medea an Jason. Exul inops contempta novo Medea marito Dieit: an a regnis tempora nulla vacant? At tibi Colehorum (memini) regina vacavı, Ars mea cum peteres ut tibi ferret opem. XVII (16). Helena an Paris. Si mihi quae legi, Pari, non legisse hiceret, Servarem mumeros sicut et ante probae. Nune oculos tua cum violarit epistula nostros, Non resceribendi gloria visa levis. Obwohl diese Ergänzungen nicht überall und nicht vollkommen den Ge- danken entsprechen, die wir aus den verbreiteten Anfängen glaubten de- dueiren zu können, so dürfen wir sie doch zunächst als Beispiele nehmen, wie den vermilsten Gedanken eine lateinische Fassung gegeben werden konnte. Gegen die Form derselben ist nicht viel und nichts Erhebliches einzuwenden, und manches läfst sich durch ähnliche Wendungen bei Ovid belegen: VII. Acerpe .. carmen wie Ex Pont. IV 1, 1 Accipe, Pompei, deduc- tum carmen ab «llo; vgl. ıbid. 18, 1. II 4, 1. — Ueber Aeolis Aeohidae XI s. unten die Bemerkungen zu XII. — Das Spielen mit dem Doppelsinn von salus in XI war dem Ovid ungemein beliebt: s. Her. IV 1 und XVI (15) 1; Met. IX 530. Ex Pont. I 10, 1. Trist. III 3, 85 ff. V 13, 2. — Exul inops XU 16 VAHLEN: konnte Medea so passend von sich wie die Hecuba sagen Met. XIII 509 modo mazima rerum Tot generis natisque potens nuribusque wiroque Nunc trahor exul inops. — Novo marito Dieit XI ist wie Adloquor VII 4, vielleicht auch mit XX (19) 153 Trbi nos, tibi dieimus (Met. IX 121) zu vergleichen, welche der Komödie besonders geläufige Wendung, um Jemanden anzurufen, dals er aufmerke, im Munde der Medea nicht unpassend war, die fast wie im ge- genwärtigen Zwiegespräch sich Gehör zu verschaffen sucht. — Regms ibid. von der königlichen Braut oder der königlichen Familie, wie ich glaube verstehen zu müssen, kommt, wenn ich nicht irre, ähnlich auch sonst bei Ovid vor und ist schwerlich anzufechten. — An sicut et ante XVII, worin et überflüssig zu stehen scheint, wird sich nicht stofsen, wer z. B. Met. IX 323 nostrasque domos ut et ante frequentat vergleicht. — Nur ar- mata .. mamı XI (wofern das Epitheton nicht in allgemeinerem, dann aber bedeutungslosem Sinne genommen wird) ist, weil vorgreifend, nicht eben geschickt, und eher geeignet die Anknüpfung von S? qua tamen zu erschweren als zu erleichtern. Doch selbst darauf nicht allzugrofses Ge- wicht zu legen, kann z. B. eine Stelle rathen, wie Fasti II 587 Jussa re- cusantes peragunt LACRIMOSA ministri — FLENT tamen — et geminos in loca dussa ferumt. — Im Uebrigen dürfte es schwer sein, aus inneren Gründen den Beweis der Unächtheit zu führen, wofern man nicht Meinen und Wünschen für Beweisen nimmt. Um so mehr erregt Bedenken, was über Herkunft dieser ergänzten Anfänge berichtet wird. Hierüber werden Heinsius’ Angaben jetzt durch Hrn. Sedlmayer’s Mittheilungen vervoll- ständigt. Aber auch so fehlt viel, dafs über Ursprung und Tradition der- selben befriedigende Klarheit erzielt sei. Soviel steht fest, dafs jene er- gänzten Verse in der Pariser Handschrift des IX. (Heinsius’ Puteaneus) und der Wolfenbütteler des XII. Jahrhunderts fehlen, d. h. in den beiden Handschriften, welche man als die Quellen der ächten Ueberlieferung an- zusehen pflegt. Von XVII hatte Heinsius angegeben, dafs die beiden er- gänzten Verse im Puteaneus am Rande beigeschrieben seien, was neuer- dings in Abrede gestellt und damit die einzige Spur ihrer Tradition ver- wischt worden ist. Die Verse von XII haben sich bis jetzt nur in einer ed. Venet. v. J. 1474 gefunden. Für XI führt Heinsius Excerpta Puteani an, über welche nähere Auskunft vermifst wird, und bbri ex mostris multi: letzteres hat sich bewährt, indem mehrere Handschriften des XIII Ueber die Anfänge der Herorden des Ovid. 17 XIV. XV. Jahrhunderts diese beiden Verse enthalten. Für die Ergänzung von VII nennt Heinsius aufser Excerpta Puteani den liber Regius und cod. Lovaniensis, über welche gleichfalls genauere Angaben fehlen; zu diesen aber ist neuester Zeit aufser Handschriften des XIII. und XV. Jahrhun- derts hinzugekommen der cod. Etonensis, welcher nicht über den siebenten Brief hinausreicht, den ergänzten beiden Versen dieser Heroide aber, wenn er anders mit Recht dem XI. Jahrhundert zugeschrieben wird, wenigstens ein erhebliches Alter vindieirt. — Es leuchtet von selbst ein, wie schwer es ist, diese Daten in einem gemeinsamen Urtheil zusammenzufassen, und wie sehr dieser Thatbestand der Ueberlieferung darnach angethan ist, Zweifel an der Aechtheit dieser ergänzten Verse, sei es aller, sei es der Mehrzahl, wach zu rufen. Aber indem wir die Möglichkeit der Fälschung einräumen, wollen wir uns andererseits dıe aus den Anfängen der alten Ueberlieferung gewonnene Erkenntnifs nicht rauben oder trüben lassen, dafs diese, so wie sie sind, von Ovid nicht herrühren können. Denn daraus, dafs jene Ergänzungen möglicherweise unächt sind, folgt mit Nichten, dafs die in den verläfslichen Handschriften überlieferten Anfänge vollständig und unversehrt seien. Vielmehr sind beide Fragen streng von einander zu sondern, und ist daraus, dafs man diese durch die Natur der Sache gebotene Scheidung unterlassen hat, dem Urtheil die Unbefangen- heit benommen worden: denn ich hege die Meinung, dafs ohne die der Interpolation geziehenen Ergänzungen heute kaum mehr ein Kritiker an die Vollständigkeit jener vier Heroidenanfänge glauben würde und für meine Betrachtung kein Stoff übrig geblieben wäre. Man wende nicht ein, dals weil vier Briefe mit abgebrochenem Satz und halbem Gedanken beginnen, darin Absicht und berechnete Kunst erkannt werden müsse. Das Unvernünftige wird dadurch, dafs es verdoppelt oder vervierfacht vor- liest, nicht vernünftig. Dagegen erhöht sich die Wahrscheinlichkeit der Annahme, wenn, wo Ein Distichon aus äufserem Anlafls in der Ueberlie- ferung verloren ist, dasselbe an derselben Stelle und aus demselben An- lafs noch in drei weiteren Fällen anzunehmen Grund gegeben ist. Indem wir daher das gewonnene Resultat, dafs die besprochenen vier Heroidenbriefe im Eingang je ein Verspaar eingebülst haben, fest- halten, richten wir nun den Blick auf die übrigen Episteln unserer Samm- lung. Die ersten vier geben zu keinem Zweifel Anlals. Philos.-histor. Kl. 1881. Abh. 1. 3 18 VAHLEN: I. Penelope an Ulixes. Hane tua Penelope lento tibi mittit, Ulixe: Nil mihi reseribas, at tamen ipse veni. II. Phyllis an Demophoon. Hospita, Demophoon, tua te Rhodopeia Phyllis Ultra promissum tempus abesse queror. III. Briseis an Achilles. Quam legis a rapta Briseide littera venit, Vix bene barbarıca Graeca notata manu. Quascumque aspicies lacrimae fecere lituras, Sed tamen et lacrimae pondera vocis habent. IV. Phaedra an Hippolytus. Qua nisi tu dederis caritura est ipsa salute, Mittit Amazonio Cressa puella viro. Perlege quodeumque est: quid epistula lecta nocebit? Te quoque in hac alıquid quod iuvet esse potest. Ebenso unbedenklich und für die Manier des Dichters bezeichnend scheinen die folgenden. X1lI. Laodamia an Protesilaus. Mittit, et optat amans quo mittitur ire, salutem Haemonis Haemonio Laodamıa viro. Aulide te fama est vento retinente morari: Ah me cum fugeres, hie ubi ventus erat? XIV. Hypermestra an Lynceus. Mittit Hypermestra de tot modo fratribus uni (Cetera nuptarum erimine turba iacet): Clausa domo teneor gravibusque coereita vinclis: Est mihi supplieii causa fuisse piam. XVI (15). Paris an Helena. Hane tibi Priamides mitto, Ledaea, salutem, Quae tribui sola te mihi dante potest. Eloquar an flammae non est opus indice notae, Et plus quam vellem iam meus extat amor? XVII (17). Leander an Hero. Mittit Abydenus quam mallet ferre salutem, er- Ueber die Anfänge der Heroiden des Ovid. 19 Sı cadat unda maris, Sesta puella, tibi. Sı mihi dı faciles et sunt in amore secundi, Invitis oculis haee mea verba leges. XIX (18). Hero an Leander. Quam mihi misisti verbis, Leandre, salutem Ut possim missam rebus habere, veni. Longa mora est nobis omnis quae gaudia differt; denen ich XV. Sappho an Phaon Eequid ut aspecta est studiosae littera dextrae, Protinus est oculis cognita nostra tuis? An nisi legisses auctoris nomina Sapphus, Hoc breve nescires unde movetur opus? anreihe, ein Ovidischer Weise vollkommen entsprechender Eingang, ohne damit hier im Vorbeigehen über die Aechtheit dieses Briefes entscheiden zu wollen. Was aber unlängst gegen die Anfänge von XI. XIV. XVII, die in ihrer augenfälligen Gleichartigkeit sich gegenseitig stützen, aus sprachlichen Gründen vorgebracht worden, wiegt nicht schwer und wäre besser unterdrückt geblieben. Viel Ueberlegung wenigstens verräth es nicht, dafs als erster Verdächtigungsgrund geltend gemacht wird, diese drei Eingänge, weil der Schreibende in dritter Person und ohne Anrede sich einführe, seien mehr erzählender Natur. Denn von XVIII welcher die Anrede hat (Sesta puella tibr) gilt dies nicht; die Form von XIV aber wird milsverstanden, wie sich nachher zeigen wird; und dafs in XIII das in römischem Gebrauch übliche Carus Titio salutem poetisch geformt er- scheint, hat seine sprechenden Analogien an Ovid’s Briefen aus dem Pon- tus (vgl. I 6. III 6. s. die Stellen unten S. 33). Ferner die Wortstellung in XIII, wofern man nur richtig interpungirt: Mittit, et optat amans quo mattitur dre, salutem, ist nicht zu schelten und hat Parallelen genug bei Ovid und anderen Dichtern; und für Aaemonis Haemonio hätte statt auf das zweifelhafte Aeolis Aeohidae XI vielmehr auf das ächte Tantahdae Tan- talis uxor ero VII 120 verwiesen werden sollen, und wieviel unterscheidet sich denn hiervon Amazonio Oressa puella viro IV 2, das unverdächtigt steht? Mittit aber in XIV ist nicht etwa Mittit epistulam, wie Hanec tua Penelope lento tibi mattit, Uhxe I 1 (d.i. hanc epistulam, denn auch das wird seltsam milsdeutet) oder Quam legis X 3, wenn dies richtiger wäre 9% 6) 20 VAHLEN: als was im cod. Puteaneus steht Quae legis (s. Ex Ponto IV 2. IV 14), sondern Mittit hat bei richtiger Construction und Interpunction sein be- stimmtes Object; das Eingangsdistichon steht nämlich nicht für sich, son- dern zu verbinden ist Hypermestra mittit fratri: Clausa domo teneor, dies nach bekanntem, von Gronov zu Livius (34, 29) erläutertem Sprachge- brauch; und nichts konnte für die gegenwärtige Situation angemessener sein als das so gefalste Mittit. Was aber sonst gegen diesen Eingang der Hypermestra eingewendet wird (auch modo wird unrichtig verstanden, hier und v. 73) hätte mit mehr Fug gegen den ganzen Brief gewendet werden können, nach Lehrsischer Art; wer dagegen den Brief gelten läfst, entzieht sich das Recht, die beiden Eingangsverse zu tadeln. Kurz dies sind alles leicht hingeworfene Einwendungen, von deren Unhaltbarkeit sich Hr. Sedl- mayer hoffentlich noch rechtzeitig überzeugen wird. Wichtiger ist was bei XVII aus den Thatsachen der Ueberlieferung sich ergiebt. Heinsius giebt an: “Hi duo versus (Mittit Abydenus — Sesta puella tibi) manı recen- tiort in Puteaneo legebantur, pro quibus excerpta Douzae (uam cuperem solitas, Hero, tibi ferre per undas Accipe Leandri dum venit ipse manum. Alter Mentelianus et hos et illos agnoscit, hos tamen posteriori loco;’ wozu Burmann noch hinzufügt: In Douzae excerptis alterum distichon priori subücitur Aptior illa quidem placido dat verbera ponto: Est tamen et sensus apta ministra mihi. Dals das Distichon Mittit Abydenus — puella tibi im Puteaneus fehlt, haben die neueren Angaben über die Handschrift bestätigt: von einer Hand des XII. Jahrhunderts, sagt Merkel, sei dasselbe ın spatio a primo hbrarıo relicto eingefügt worden. Es fehlt, wie Hr. Sedimayer mittheilt, auch in den Schedae Vindobonenses saec. XII, und als älteste Quelle dieses Verspaars hat der Guelferbytanus saec. XII zu gelten. Hier haben wir also erstlich ein unwidersprechliches Beispiel dafür, dafs ein Eingangs- distichon, das man vermifste, gefälscht worden: geformt aber ist das Di- stichon der Excerpta Douzae mit Rücksicht und zum Anschlufs an die Verse Aptior ılla quidem — ministra mihl, welche in den Texten hinter V. 22 stehen, im Puteaneus aber hier von zweiter Hand am Rande nach- getragen sind, auch in den Sched. Vindob., wo dafür freier Raum gelassen Ueber die Anfänge der Herorden des Ovid. 21 ist, fehlen, so dafs auch für sie jetzt der älteste Zeuge der genannte Guel- ferbytanus ist!). Die andere nicht minder beachtenswerthe Thatsache, welche aus den angeführten Daten der Ueberlieferung gewonnen wird, ist die, dafs auch im Puteaneus ein Eingangsdistichon vermilst wird, dessen Aechtheit und Ursprünglichkeit nicht bezweifelt werden kann. Denn wenn man geglaubt hat, die Verse Mittit Abydenus quam mallet ferre salutem, Si cadat unda maris, Sesta puella, tibi auf die Autorität des Puteaneus beseitigen und den Brief mit Sı mihi di facıles et sunt in amore secundi, Invitis oculis?) haec mea verba leges beginnen zu dürfen, so ist dies in meinen Augen auch ein Beweis dafür, mit wie wenig Umsicht die Kritiker in diesen Gedichten verfahren. Hätte man doch wenigstens consequenter Weise auch das erste Verspaar der Ant- wort XIX tilgen sollen, Quam mihi misistı verbis, Leandre, salutem Ut possim missam rebus habere, veni, welches jene Verse deutlich voraussetzt. Da aber letztere von Seiten der Ueberlieferung völlig sicher stehen, so gereichen sie jenem wenn auch nur vom Guelferbytanus erhaltenen Distichon zur unverwerflichen Stütze. Denn daran ist kein Zweifel gestattet, dafs die Eingänge beider Briefe sich ebenso entsprechen mulsten, wie die Schlüsse beider einander entsprechen: XVII 215 Cum patietur hiems, remis ego corporis utar, Lumen in aspectu tu modo semper habe. Interea pro me pernoctat epistula tecum, Quam precor ut minima prosequar ipse mora. 1) Siehe den Excurs 1. 2) Beiläufig, der Kern des Gedankens liegt in den Worten invitis oculis, die hier mit ebenso prägnant zugespitzter Bedeutung stehen, wie Ex Ponto I 9, 4 Quae mihi de rapto tua venit epistula Celso, Protinus est lacrimis umida facta meis. Quodque nefas dietu fieri nee posse putavi, Invitis oculis littera lecta tua est. 22 VAHLEN: XIX 207 Spes tamen est fractis vieinae paeis in undis: Tum placidas tuto pectore finde vias. Interea quoniam nanti freta pervia non sunt, Leniat invisas littera missa moras. Wer demnach dem cod. Puteaneus so hohen Werth beimifst, dafs nichts für ächt anzusehen sei, was dort nicht von erster Hand geschrieben steht (ein kritischer Grundsatz, den ich für sehr bedenklich halte), der wird dennoch um jener unerläfslichen Uebereinstimmung willen nicht umhin können, in XVIII den Verlust eines Eingangsdistichons statuiren zu müssen, und würde schwerlich im Stande sein zu erfinden, was diesen Zweck bes- ser und angemessener erfüllen könnte, als jenes im Guelferbytanus erhal- tene, im Puteaneus wenigstens beigeschriebene Distichon Mittit Abydenus quam mallet ferre salutem, Sı cadat unda maris, Sesta puella, tibi. Denn um auch das noch zu erwähnen, der spielende Gegensatz zwischen mittere salutem und ferre salutem, der in XIX durch mittere verbis und rebus habere wieder aufgenommen wird, ist dem Ovid nicht minder be- liebt (s. Ex Ponto I7. I 2, 3.4. II 5, 5.6) als das zu XI 1 (8.15) erwähnte Spiel mit dem Doppelsinn von salus. Indem wir daher mit den übrigen Eingängen auch dieses Distichon dem Puteaneus zum Trotz für ächt halten, wollen wir zugleich die an den Eingang von XVIII ge- knüpfte zwiefache Thatsache, dafs ein ächtes Distichon im Puteaneus ver- loren gegangen und an Stelle des vermilsten ein anderes gefälscht worden ist, in dem ihr gebührenden Gewicht nach beiden Seiten uns gegenwär- tig halten. Wir haben sonach zehn Heroiden (ich zähle die Sappho mit), und mit den zuerst behandelten vier, bei welchen aus inneren Gründen der Verlust eines Eingangsdistichons erwiesen ist, vierzehn, die uns ein gleich- artiges Verfahren des Dichters in den Anfängen dieser Briefe erkennen lassen. Es erübrigen noch sieben Episteln, von denen zwei ein Paar bil- den, bei welchen ein entsprechender Eingang in der besseren Ueberliefe- rung vermilst wird, auch nicht mit gleicher Evidenz wie bei jenen vier der Beweis eines Defectes aus inneren Gründen erbracht werden kann, denen aber doch die in fortschreitender Induction immer deutlicher zu Ueber die Anfänge der Heroiden des Ovid. 23 Tage tretende Analogie zu Gute kommen darf. Doch prüfen wir sie ein- zeln. Zuerst VIII. Hermione an Orestes. Pyrrhus Achillides animosus imagine patris Inclusam contra iusque piumque tenet. Quod potui renui, ne non invita tenerer. In diesem Eingang ist, wofern mich mein Gefühl nicht täuscht, Inclusam tenet, ohne dafs gesagt wird, auf wen es sich bezieht, mindestens hart und dem Dichter kaum recht zuzutrauen. Wenn Ovid Met. IV 96 schreibt Callida per tenebras versato cardine Thisbe Egreditur fallitque suos adopertaque vultum Pervenit ad tumulum dietaque sub arbore sedit. Audacem faciebat amor, so lassen, da Thxsbe eben genannt war, die Worte audacem faciebat ohne bezeichnetes Object kein Bedenken. Ebenso würde in unserer Epistel nach Nennung der Person Hermione dieit Oresti. Pyrrhus inclusam tenet, gleich- gültig ob man inchusam me oder inchısam eam tenet verstehen wollte, ohne Anstols sein, ganz so wie in dem Briefe selbst 101 Pars haec una mihi coniunx bene cessit Orestes: Is quoque, ni pro se pugnet, ademptus erit: Pyrrhus habet captam reduce et victore parente. Oder mit dem anderen Participium ebend. v. 9 Surdior ille freto elamantem nomen ÖOrestis Traxit inornatis in sua tecta comis, und XII 63 Mane erat, et thalamo cara recepta soror, Disiectamque comas aversaque in ora lacentem Invenit !). 1) Um kein Mifsverständnifs aufkommen zu lassen, ich stofse mich nicht daran, dals dem Partieipium eine Pronominalbestimmung fehlt, sondern nur daran, dafs der Brief anfängt: Pyrrhus inclusam tenet, zumal letzteres im Grunde nur Ein Begriff ist. Wollte aber Jemand dies damit rechtfertigen, dals der Tenor des Briefes an ein vorangestelltes prosaisches Hermione Oresti salutem anschliefse (wie man anderes zu rechtfertigen gesucht hat), so ist zu bedenken, dafs Ovid eben in dem Eingangsdistichon seiner poetischen Epi- steln den conventionellen Briefanfang zu versifieiren pflegt und dafs es in zahlreichen 94 VAHLEN: Daher der, dem die Ergänzung gehört Adloquor Hermione nuper fratremque vwirumque, Nune fratrem, nomen comiugıs alter habet. Pyrrhus Achillides anımosus imagine patris Inclusam contra iusque piumque tenet, wie mir scheint, von richtigem Gefühl für angemessene Form geleitet war, und tritt, so gefalst, dieser Eingang besonders dem von XIV an die Seite Mittit Hypermestra de tot modo fratribus uni (Cetera nuptarum crimine turba iacet): Clausa domo teneor. Vgl. XII. Ich will zwar diese Ergänzung selbst, gegen deren Sinn und Ausdruck kein Einwand zu erheben ist, nicht als ursprünglich verfechten gegenüber einer so spärlichen Ueberlieferung: Heinsius fand die beiden Verse in keiner seiner Handschriften, nur in einer nicht näher bezeich- neten nachträglich an den Rand gesetzt. Nach Hrn. Sedlmayer’s Angaben stehen sie abgesehen von einigen Editionen des XV. Jahrhunderts nur in einem cod. Gothanus saec. XIII. Aber das trage ich doch kein Bedenken auszusprechen, dafs mit diesen ergänzten Versen dem Dichter kein Unrecht geschehen würde, und dafs ich es wenig glaublich finde, Ovid habe seiner Gewohnheit untreu diesen Brief eines Briefeingangs, wie ihn doch die von ihm gewählte Form »nelusam tenet fast nothwendig verlangte, ent- behren lassen. Fällen lächerlich wäre, dem poetisch geformten €. T. salutem ein ebensolches in prosai- scher Form vorangeschickt zu denken. Dafs das Partieipium im Lateinischen eines Pro- nomens nicht bedarf, wenn es aus dem Zusammenhang der Rede sich ergiebt, ist bekannt genug (wie Catull. c. 35, 9 si sapiet viam vorabit Quamvis candida milies puella Euntem revocet), und ist dies nicht den Dichtern allein gestattet: Schriftsteller wie Livius, Petro- nius (auf dessen Gebrauch ich Hermes XV S. 273 f. hinwies), Suetonius, Seneca, Taeitus, geben zahlreiche Beispiele. Dahin gehört auch Taeitus Dialog. ce. 3 ut intravimus cubieu- lum Materni, sedentem ipsum quem pridie recitaverat librum intra mamus habentem deprehen- dimus, wo es ganz gleichgültig ist ob man sedentem et ipsum (ef. Cie. de nat. deor. I 6, 15) oder sedentem ipsumque quem schreibt, vielleicht keins von beiden erforderlich war (denn die unabhängige Rede war sedens ipsum quem reeitaverat librum intra manus habebat), und nur Schopen im Irrthum war, als er in der Meinung, das Pronomen ipsum müsse noth- wendig zu dem Participium sedentem gezogen werden, zu schreiben vorschlug sedentem ipsum, quemque. Und in ähnlicher Weise wird auch sonst geirrt. Ueber die Anfänge der Heroiden des Ovid. 25 Noch weniger hoffe ich auf Beistimmung bei folgender Argumenta- tion, die sich nicht an die Logik wendet, sondern auf die lebendige Nach- empfindung einer stilistischen Form rechnen muß. X. Ariadne an Theseus. 1 Mitius inveni quam te genus omne ferarum: Credita non ulli quam tibi peius eram. 3 Quae legis, ex ıllo, Thesen, tibi littore mitto, Unde tuam sine me vela tulere ratem. 5 In quo me somnusque meus male prodidit et tu, Per facinus somnis insidiate meis. Dies ist die Versfolge im cod. Puteaneus. Im cod. Guelferbytanus sind die Verse Anfangs so geordnet gewesen: 3 Quae legis, ex illo, Theseu, tibi littore mitto, Unde tuam sine me vela tulere ratem. or In quo me somnusque meus male prodidit et tu, Per facinus somnis insidiate meis. 1 Mitius inveni quam te genus omne ferarum: Credita non ulli quam tibi peius eram. | Tempus erat, vitrea quo primum terra pruina — Dann aber sind die beiden Verse 1. 2 hier getilst und von zweiter Hand in dem für den Titel freigelassenen Raum an den Anfang des Briefes ge- setzt worden. Schwerlich war es Zufall, was dem Distichon 1. 2 den Platz hinter V. 6 anwies, eher die Wahrnehmung, dafs dasselbe am An- fang zu abgerissen stehe, die Verse 3. 4 dagegen besser für den Anfang sich schickten. Aber obwohl dies beides nicht unrichtig überlegt wäre, hinter V. 6 stört das Distichon 1. 2 den Zusammenhang, und besser war es das Verspaar trotz seiner Abgerissenheit am Anfang zu belassen. Fehlte es ganz, würde Niemand es vermissen: denn der Brief konnte mit 3 Quae legis ex ıllo Thheseuw beginnen. Aber schwerlich würde auch Jemand zu sagen wissen, in welcher Absicht es geformt und hierher gesetzt worden, so wenig als Jemand gegen den Ausdruck einen gegründeten Tadel würde vorbringen können. Daher an der Aechtheit des Distichon nicht zu zwei- feln und dem Anstofs dafs es im Eingang zu abgerissen stehe, in anderer Weise zu begegnen sein wird. Nur nicht so, dafs man V.1. 2 Mitius inveni quam te — mit dem folgenden Distichon 3. 4 Quae legis — in en- Philos.-histor. Kl. 1881. Abh. 1. 4 36 VAHLEN: gere Verbindung bringe. Denn mit letzterem beginnt vielmehr ein neuer, von jenem abgetrennter und zu der weiteren Erzählung überleitender Ge- danke. Wohl aber in der Art, dafs ihm selbst ein anderes vorangestellt wird. Denn obwohl die Worte Mitius invent! quam te genus omne ferarum: credita non ulli quam tibi peius eram einen vollständigen und abgeschlos- senen Satz bilden, so meine ich doch zu empfinden, dafs der Gedanke als erläuternde Fortsetzung eines anderen gedacht war: “Ariadne schreibt, die treulos verlassene, den Thieren preisgegebene, lebt noch: milder als dich habe ich selbst die wilden Thiere gefunden. Alte Editionen und einige Handschriften bei Heinsius, aus Hrn. Sedlmayer’s Apparat nur zwei Aus- gaben des XV. Jahrhunderts haben folgenden Eingang: Ila relieta feris etiam nunc, improbe Thesen, Vivit: et haec aequa mente tulısse velis: Mitius inveni quam te genus omne ferarum: Credita non ulli quam tibi peius eram. Quae legis, ex illo, Theseu, tibi littore mitto — Die Ergänzung selbst, die im Pentameter, wenn ich anders richtig ver- stehe, schwächlich und wenig geschickt zu sein scheint, will ich nicht in Schutz nehmen: aber die Empfindung, welche dieses Distichon eingegeben, theile ich durchaus und hege die Ansicht, dafs auch hier in der besseren Ueberlieferung zwei Anfangsverse ähnlichen Inhalts verloren gegangen seien, deren Wiederherstellung dem jetzigen Anfangssatz die vermilste Unterlage sowie dem ganzen Eingang das der elegischen Dichtungsart so wesentliche Gleichgewicht der Gedanken restituiren würde. Anders liegt es bei V. Oenone an Paris. Perlegis an coniunx prohibet nova? Perlege, non est Ista Mycenaea littera facta manu: Pegasis Oenone Phrygiis celeberrima silvis Laesa queror de te si sinis ipsa meo. Der Anfang ist abrupt, aber abrupt in einer Weise, die keinen Tadel ver- dient. Wäre die Aufmerksamkeit nicht schon auf diesen Punkt gelenkt und die Ueberlieferung nicht geeignet, den Zweifel zu schärfen, würde wohl Niemand an diesen Eingang ein Bedenken heften, aus dem der Verlust eines Distichons nicht zu deduciren ist. Gleichwohl haben nicht blofs Ueber die Anfänge der Heroiden des Orid. 27 Excerpta Puteani und einige jüngere Handschriften eine Ergänzung er- halten, sondern dieselbe wird auch überliefert in der Handschrift von Eton, d.ı. nächst dem Puteaneus der ältesten, die wir heute kennen. Die Ergänzung lautet: Nympha suo Parıdi, quammıs suus esse recuset, Mittit ab Idaers verba legenda rugıs. Perlegis an coniunx prohibet nova? Perlege, non est Ista Mycenaea littera facta manu: Pegasis Oenone Phrygiis celeberrima silvis Laesa queror de te si sinis ipsa meo. Niemand möge wähnen, dafs durch diesen Zusatz eine unschöne Wieder- holung entstehe. Denn eng zu verbinden sind die Worte Non est sta My- cenaea httera facta manu: Oenone laesa queror de te: ‘Lies: denn den Brief hat keine Mycenäische Hand geschrieben, deine neue Gattin zurück- zufordern, sondern ich Oenone, die Phrygische Nymphe, führe Klage über dich). Die Möglichkeit dafs diesem so formulirten Gedanken der andere den Briefanfang markirende Satz ‘Die Nymphe sendet von den Idäischen Bergen ihrem Paris einen Brief’ voraufgeschickt war, kann unbefangene Beurtheilung nicht in Abrede stellen, und würden wir damit einen Ge- dankenfortschritt gewinnen vergleichbar dem in dem unverdächtigten Ein- sang von IV Qua nisi tu dederis caritura est ipsa salute, Mittit Amazonio Cressa puella viro. Perlege quodeumque est: quid epistula lecta nocebit? und ex Ponto II 2 (s. S. 32). Ob man aber einen Verlust statuiren und die an sich nicht tadelnswerthe Ergänzung dem Dichter zuschreiben dürfe, hängt theils von dem Werthe ab, den man der deutlich erkennbaren Ma- nier des Dichters beimilst, andererseits von dem Vertrauen, das man zu jener Ueberlieferung glaubt hegen zu können, welche uns, ohne dafs ein nöthigender Anlafs zu einer Ergänzung ersichtlich wäre, jenen vervollstän- digten Anfang erhalten hat. Ein ähnliches Urtheil ist über die Eingänge der noch übrigen vier Briefe zu fällen, von denen die zwei ersten (VI. IX) in einem analogen 1) Siehe Excurs 2. 38 VAHLEN: Verhältnils stehen, so dafs man, was dem einen eingeräumt wird, dem andern nicht wohl versagen kann, die beiden letzten (XX. XXT), welche Brief und Antwort sind, gleichartige Anfänge verlangen. Ich setze sie der Kürze halber gleich mit den erhaltenen Ergänzungen hierher. VI. Hypsipyle an Jason. Lemnias Hypsipyle, Bacchi genus, Aesone nato Dieit, et in verbis pars quota mentis erat. Littora Thessaliae reduci tetigisse carina Diceris auratae vellere dives ovis. Gratulor inecolumi, quantum sinis: hoc tamen ipso Debueram scripto certior esse tuo. IX. Deianira an Hercules. Mittor ad Alciden a coniuge conscia mentis Littera, si coniunx Deianira tua est. Gratulor Oechaliam titulis accedere nostris, Vietorem vietae suceubuisse queror. XX (19). Acontius an Oydippe. Acecipe, Uydippe, despecti nomen Aconti, Ilhus in pomo qui tibi verba dedit. Pone metum: nihil hie iterum iurabis amanti: Promissam satis est te semel esse mihi. Perlege, discedat sie corpore languor ab isto, (Qui meus est ulla parte dolere dolor. XXI (20). Cydippe an Acontius. Littera pervenit tua quo consuevit, Acontı, Et paene est oculıs insidiata meıs. Pertimui, seriptumque tuum sine murmure legi, Iuraret ne quos inscia lingua deos. Wenn man von den Ergänzungen absehend die überlieferten Anfänge für sich in Betracht zieht, mufs man eingestehen, dafs diese so wie sie sind trotz der abrupten Form, namentlich von XX, vom Dichter herrühren konnten und zu Vervollständigungen ein drängender Anlafs nicht gerade geboten war, so dafs wer darauf beharrt, diese Anfänge seien die ursprüng- lichen, aus ihnen selbst nicht widerlegt werden kann. Aber ebenso wird wer die ergänzten Verse ohne vorgefalste Meinung prüft, einräumen müs- u TEEN Te an Ueber die Anfänge der Heroiden des Ovid. 29 sen, dafs sie sich bequem an die überlieferten Anfänge anfügen und das Schroffe der unvermittelten Eingänge in angemessener und gefälliger Weise mildern. Nach meinem Gefühl wenigstens steht z. B. XX Pone metum besser, wenn Acontius vorher genannt war, ılle qui in pomo verba dedıt, letzteres in beabsichtistem Doppelsinn (vgl. XXI 121), und ergäbe das Ganze eine Gedankenfolge ungefähr wie Trist. V 2 Eequid ubi e Ponto nova venit epistula, palles, Et tibı sollieita solvitur ılla manu? Pone metum: valeo —. Auch das ist nicht zu bestreiten, dafs in den Ergänzungen selbst nichts enthalten ist, was nicht der Weise Ovid’s entsprechend wäre oder gegrün- deten Verdacht erwecken könnte. Denn selbst dafs Heinsius VI ments in- est verlangt, ist nicht begründet und wird erat durch den Briefstil gerecht- fertigt. Der Ausdruck selbst aber et in verbis pars quota mentis erat hat seine Parallelen an XII 89 Haec animum, et quota pars haec sunt, movere puellae, und XII 60 et seguitur regni pars quota quemque sur (vgl. XII 184). Ueber Dieit s. zu XII (S. 16).— Dals IX die Littera redend eingeführt ist, da- mit wird man nicht unpassend zusammenstellen Trist. V 4 Littore ab Euxino Nasonis epistula veni (vgl. Ex Pont. 17), und mit Littera conscıa ments vergleiche man XVII (16) 265 furtivae conscia mentis Littera. Das Poin- tirte des Zusatzes sz contunx Deranira tua est aber hat Analogien an V 4; Trist. V 13, 2; Ex Ponto I 3; 1 10. — Ueber Accıpe XX s. zu VII (S. 15), und mit XXI Littera pervenit tua vel. Ex Ponto IV 8; quo consuevit aber und paene insidiata est ist nicht unpassend und im Hinblick auf die Lit- tera in pomo gesagt (vgl. V. 55 u. 110). — So ist auch hier die Entschei- dung von der Ueberlieferung abhängig gemacht, und auch hier fällt es einigermalsen in das Gewicht, dafs die ergänzten Verse von VI (aufser in den Excerpta Puteani) in dem cod. Etonensis stehen, der, so weit er eben reicht, immer auch die Ergänzungen enthält, von V, VI, VII, und damit der Annahme die Möglichkeit eröffnet, dafs sein Zeugnils, wäre es erhal- ten, auch den übrigen vervollständigten Anfängen wenigstens ein beträcht- liches Alter sichern würde. Wer aber diesem Zeugen zu Liebe den er- gänzten Anfang von VI sich gefallen liefse, würde der hervorgehobenen Aehnlichkeit wegen den von IX nicht verwerfen wollen, obwohl für diesen jetzt kein anderer Zeuge als Excerpta Puteani, cod. Regius und Editionen 30 VAHLEN: des XV. Jahrhunderts namhaft gemacht wird. Auch für die Ergänzungen von XX und XXI treten jetzt nur Handschriften des XIII. XIV. XV. Jahr- hunderts und einige Editionen des XV. ein. Doch darf zu Gunsten dieser beiden den Briefeharakter besser ausdrückenden Ergänzungen noch auf die gleichfalls den Briefstil genau einhaltenden und einander vollkommen entsprechenden Schlüsse beider hingewiesen werden, die zusammen mit jenen vervollständigten Anfängen mir eine angemessenere Umrahmung bei- der Briefe abzugeben scheinen, als sie jetzt haben. Die Schlufsverse aber lauten XX. Longior infirmum ne lasset epistula corpus, Ölausaque consueto sit sıbı fine, vale. XXI. Jam satis invalidos calamo lassavimus artus Et manus officium longius aegra negat. Quid nisi quod cupio me iam coniungere tecum Restat ut adscribat littera nostra 'vale’, Schlufsformeln, denen man den Schlufs des Briefes Trist. III 3, 85 an die Seite setzen kann: Scribere plura libet, sed vox mihi fessa loquendo Dictandi vires siccaque lingua negat. Accipe supremo dietum mihi forsitan ore, Quod tibi qui mittit non habet ipse "vale'. Hiernach kann auch Hrn. Dilthey’s Verfahren nicht befriedigen, der die Schlufsverse von XX als Interpolation markirt, während er den Schlufs von XXI bestehen läfst. Aber wie man auch über diese letzte Epistel der Sammlung, welche im Puteaneus bei V. 12 abbricht, und deren Fort- setzung nur in jüngeren Handschriften erhalten ist, urtheilen mag, die Schlufsverse derselben fordern für XX den analogen Schlufs, dem hier auch nicht einmal von Seiten der Ueberlieferung ein Bedenken entgegen steht (vgl. XIV 131; XVII (16), 266; X 140). Doch wie die Ueberlieferung nun einmal ist, mehr als die Mög- lichkeit, dafs auch diesen vier Heroidenbriefen ein Eingangsdistichon ver- loren gegangen sei, wage ich nicht zu behaupten, diese aber spreche ich aus nicht ohne Rücksicht darauf, dafs ich einen solchen Verlust für vier Briefe als erwiesen, für zwei weitere als wahrscheinlich gemacht betrachte, sowie im Hinblick darauf, dafs die überwiegende Gewohnheit des Dichters mehr Ueber die Anfänge der Heroiden des Ovid. sl für als gegen derartige Briefeingänge spricht. Und um letzteres noch näher darzuthun, wird es nicht unnützlich sein, unsere Betrachtung über die Heroiden hinweg noch auf andere Dichtungen Ovid’s zu erstrecken. Wir besitzen aufser der Sammlung noch einen Ovidischen Heroiden- brief, den bei Erörterungen über jene nicht aufser Acht zu lassen, aus vielen Gründen geboten ist. Es ist der Brief der Byblis an ihren Bruder Caunus, Met. IX 520 ff., der obwohl als Theil der Erzählung kürzer ge- halten als die selbstständigen Briefe der Sammlung, dennoch in manchem Betracht Analogien bietet zu jenen. Ich begnüge mich den Anfang hier- her zu setzen: Sceripta soror fuerat: visum est delere sororem Verbaque correctis incidere talıa ceris: 530 “Quam nisi tu dederis non est habitura salutem, Hane tibi mittit amans: pudet, a pudet edere nomen. Et si quid cupiam quaeris, sine nomine vellem Posset agi mea causa meo, nec cognita Byblis Ante forem quam spes votorum certa fuisset. Auf die in diesen Briefeingängen beliebte Doppelverwendung von salus habe ich zu Her. XI (S. 15) hingewiesen. Für unseren Zweck aber ist nament- lich zu beachten, dafs der conventionelle Briefanfang nicht fehlt und ob- wohl dies hier zu besonderem Effeet verwerthet ist, so erkennt man doch, sich im Eingang zu nennen, erschien der Schreiberin als das natürliche und gebotene. Aber Ovid hat in der letzten Epoche seines Lebens so viele Briefe geschrieben, dafs wer in dieser Gattung seine Manier (und bei keinem Dichter galt die Manier so viel) kennen lernen will, auch diese nicht darf unberücksichtigt lassen. Obwohl die wichtigsten in. Betracht kommenden Briefeingänge schon im Lauf der Erörterung verwerthet sind, erscheint es doch für unsere Beweisführung nicht unräthlich, sie hier der Reihe nach aufzuführen. Ex Ponto b4 Naso Tomitanae iam non novus incola terrae Hoc tibi de Getico littore mittit opus. 12 Maxime — Forsitan haec a quo mittatur epistula quaeras 32 VAHLEN: Quisque loquar tecum certior esse velis: Ei mihi: quid faciam? vereor ne nomine lecto Durus et aversa cetera mente legas. 13 Hane tibı Naso tuus mittit, Rufine, salutem, (Qui miser est, ulli si suus esse potest. 15 Ille tuos quondam non ultimus inter amicos, Ut sua verba legas, Maxime, Naso rogat. I7 Littera pro verbis tibi, Messaline, salutem (uam legis a saevis attulit usque Getis. Indieat auctorem locus? an nisi nomine lecto Haec me Nasonem seribere verba latet? 18 A tibı dileeto missam Nasone salutem Accipe, pars anımae magna, Severe, meae. 710 Naso suo profugus mittit tibi, Flacce, salutem, Mittere rem si quis qua caret ipse potest. II 2 Ille domus vestrae primis venerator ab annis Pulsus ad Euxini Naso sinistra freti Mittit ab indomitis hanc, Messaline, salutem, (uam solitus praesens est tibi ferre, Getis. Eı mihi, si lecto vultus tibı nomine non est Qui fuit et dubites cetera perlegere. Perlege, nec mecum pariter mea verba relega: Urbe licet vestra versibus esse meis. II 4 Accipe colloquium gelido Nasonis ab Histro, Attice, iudiecio non dubitande meo. 115 Condita disparibus numeris ego Naso Salano Praeposita misi verba salute meo. Quae rata sit cupio, rebusque ut comprobet omen Te precor a salvo possit, amice, legi!). 1) Hier ist mir die Kritik der neuesten Herausgeber unverständlich, von denen der eine (Korn) quae rata sit cupio, res atque ut comprobet omen, Te precor, der andere (Riese) quae rata sit cupio. rebusque ut comprober, omen Te precor edirt, während die Handschriften, die beste, rebusque comprobet omen, die übrigen dies mit dem unentbehr- lichen ut darbieten. Ich construire Quae (salus) rata sit cupio et ut ea rebus comprobet omen, precor ut a te salvo legi possit: "ich beginne meinen Brief mit einem Heilgruls und Ueber die Anfänge der Heroiden des Ovid. 33 II 6 Carmine Graeeinum, qui praesens voce solebat, Tristis ab Euxinis Naso salutat aquis. Exulis haee vox est: praebet mihi littera linguam, Et si non liceat sceribere, mutus ero. 1% Esse salutatum vult te mea littera primum A male pacatis, Attice, missa Getis. Proxima subsequitur, quid agas, audire voluntas!), Et si quidquid agis sit tibi cura mei. II 10 Eequid ab impressae cognoscis imagine cerae Haec tibı Nasonem scribere verba, Macer? Auctorisque sul si non est anulus index, Cognitane est nostra littera facta manu? Dale Hoe tibi, Rufe, brevi properatum tempore mittit Naso, parum faustae conditor Artis, opus. III 2 Quam legis a nobis missam tibi, Cotta, salutem, Missa sit ut vere perveniatque precor. III 3 Si vacat exiguum profugo dare tempus amico, OÖ sidus Fabiae, Maxime, gentis ades, Dum tibi quae vidı refero — III 4 Haec tibi non vanam portantia verba salutem Naso Tomitana mittit ab urbe tuus. 115 Quam legis, unde tibi mittatur epistula, quaeris? Hine ubi caeruleis iungitur Hister aquıs. Ut regio dieta est, succurrere debet et auctor, Laesus ab ingenio Naso poeta suo. damit der im Worte ausgesprochene durch die That das gute Omen dieses Anfangs be- währe, wünsche ich, dafs du meinen Heilgrufs heil lesen mögest.. Rebus ‘durch die That’ schlielst den Gegensatz verbis in sich, hier wie Her. XIX (18), 1 Quam mihi misisti verbis, Leandre, salutem Ut possim missam rebus habere, veni, und wie Griechisch Aoyas — Eoyaıs ebenso im Gebrauch war wie Aoyu — Eoyu. 1) Beide Herausgeber ediren voluptas mit der besten Handschrift, während die ganze Schaar der übrigen voluntas giebt. Das dünkt mich die Reverenz vor einer guten Handschrift zu weit getrieben. Denn voluptas giebt keinen Sinn, voluntas den besten: "das erste ist mein Grufls (salus), das zweite mein Wunsch (voluntas) zu erfahren, wie es dir geht und ob du meiner eingedenk bist.’ Philos.-histor. Kl. 1881. Abh. I. b) 34 VAHLEN: Qui tibi, quam mallet praesens adferre salutem, Mittit ab hirsutis, Maxime Cotta, Getis. III 6 Naso suo, posuit nomen cui paene, sodali Mittit ab Euxinis hoc breve carmen aquis. IVı Accipe, Pompei, deduetum carmen ab illo Debitor est vitae qui tibi, Sexte, suae. IV 2 Quod legis, o vates magnorum maxime regum, Venit ab intonsis usque, Severe, Getis. IV 5 Ite, leves elegi, doctas ad consulis aures Verbaque honorato ferte legenda viro. IV 6 Quam legis, ex illis tibi venit epistula, Brute, Nasonem nolles in quibus esse locis. IV 8 Littera sera quidem, studiis exculte Suilli, Huc tua pervenit sed mihi grata tamen. IV 9 Unde licet, non unde iuvet, Graecine, salutem Mittit ab Euxinis hanc tıbı Naso vadis. IV ı1 Gallio, erimen erit vix excusabile nobis, Carmine te nomen non habuisse meo. IV 12 Quo minus in nostris ponaris, amice, libellis Nominis effieitur condicione tuı. IV 13 OÖ mihi non dubios inter memorande sodales Quique quod es vere Care vocaris, ave. Unde saluteris, color hie tibi protinus index Et structura mei carminis esse potest. IV 14 Haee tibi mittuntur, quem sum modo carmine questus Non aptum numeris nomen habere meis. Selbst in den Tristien, obwohl die in diesen fünf Büchern enthaltenen Elegien nur zum kleinsten Theile wirkliche Briefe sind oder sein sollen, begegnen wir da, wo eigentliche Briefe beabsichtigt sind, auch wieder den gleicharti- gen Eingangsformen, wie um Ill 3, das früher schon erwähnt, zu übergehen, 417 Vade salutatum subito perarata Perillam Littera, sermonis fida ministra mei. NA Quam legis ex illa tibi venit epistula terra, Latus ubi aequoreis addıtur Ister aquis. nn eg ne a nn ne Ueber die Anfänge der Heroiden des Ovid. 35 V13 Hane tuus e Getico mittit tibi Naso salutem, Mittere si quisquam quo caret ipse potest. Wer aus diesen zahlreichen Beispielen, welche die Heroiden selbst und die übrigen Briefsammlungen darbieten, Ovid’s Weise den Brief eines Brief- eingangs nicht entbehren zu lassen, sich zu heller Anschauung gebracht und auch das nicht unbeachtet gelassen hat, wie sehr hier abrupte Rede- form seiner Gewohnheit entgegen war, der wird, denke ich, um so mehr den Gedanken von sich weisen, er habe einige Heroidenbriefe statt mit ganzen und vollständigen mit halben und abgerissenen Gedanken und Sätzen eröffnet, und wird es der Wahrscheinlichkeit entsprechend finden, dafs er diese Episteln auch da mit einem den Briefeharakter anzeigenden Eingangs- distichon werde versehen haben, wo ein solches heute fehlt und der strenge Beweis eines Verlustes aus den überlieferten Anfängen nicht geführt werden kann. Ob die sporadisch in Quellen von verschiedenem Werth und Alter erhaltenen Ergänzungen, deren Unächtheit aus inneren Gründen nicht zu erweisen ist, als ächt und ursprünglich anzusehen sind, ist eine Frage der Ueberlieferung, die vielleicht überhaupt nicht mehr, sicherlich nicht bei unserer gegenwärtigen Kenntnis der Ueberlieferung mit Bestimmtheit beantwortet werden kann. Und mein Zweck war es nicht sowohl den He- roiden Ergänzungen zu gewinnen als zu bekannten und anerkannten De- feeten einen neuen aufzuweisen. Die einundzwanzig Heroidenbriefe, die Ovid schwerlich jemals in einem oder mehreren Büchern vereinigt hatte, stammen aus einem verstümmelten Urexemplar, in welchem XXI bei v. 12 abbrach, in XVI (Paris an Helena) in der Mitte ein erhebliches Stück, an funfzehnter Stelle der von Ovid geschriebene Brief der Sappho, und wie ich hinzufüge, dıe Eingangsdistichen mehrerer Briefe (letztere vermuthlich weil der Raum zu kalligraphischer Ausführung der Anfangsverse freigelassen war) fehlten. Aus diesem unvollständigen Exemplar sind die Heroiden, wie sie waren, ohne Markirung der Lücken in den Puteaneus abgeschrieben und durch seine Vermittelung verbreitet worden. Ob neben ihm eine an- dere alte Ueberlieferung hergegangen, aus welcher die Ergänzungen stam- men, das ist es, was ich unentschieden lasse, aber wie man auch darüber urtheilen mag, dafs Ovid einige seiner Heroiden ohne Anfang habe anfangen lassen, wird man künftig, wie ich hoffe, ebenso wenig glauben, wie, dafs er Her. XXI bei V. 12 abgebrochen habe. 36 VAHLEN: Exeurs zu 8. 21. Ob das Distichon XVII 23. 24, das ich in seinem Zusammenhang hersetzen will, Talıbus exiguo dietis mihi murmure verbis, 20 Cetera cum charta dextra locuta mea est. At quanto mallem quam seriberet illa nataret Meque per adsuetas sedula ferret aquas. 23 Aptior ılla quidem placido dare verbera ponto: 24 Est tamen et sensus apta ministra mei. worauf dann mit V. 25 Septima nox agitur — die Erzählung eingeleitet wird, ächt sei oder nicht, diese Frage kann ich für meinen Zweck unentschieden lassen, will aber doch nicht unterlassen, anzumerken, dafs meines Erachtens der Ausdruck untadelig ist (mit sensus apta ministra mei von der schreibenden Hand vgl. Trist. III 7, 2 hittera sermonis fida ministra mei), dals die beiden Verse dem Zusammenhang sich ebenso wohl anschmiegen, wie sie dem Gedanken und der Stimmung des Schreibenden entsprechend sind, und endlich dafs der Umstand, dafs das Verspaar im cod. Putean. von zweiter Hand an den Rand gesetzt ist, in meinen Augen allein nicht schwer genug wiegt, um es zu verwerfen. Ueberhaupt verlangen die im Context der Heroiden in jener Handschrift fehlenden. und anderweitig ergänzten Verse eine besondere Untersuchung, bei der sich, wie ich glaube, herausstellen wird, dafs man auch in dieser Hinsicht zu der Unversehrtheit der Pariser Handschrift zu grofses und un- berechtigtes Vertrauen hegt. Ich will hier nur beispielsweise einiges er- wähnen, das vielleicht auch für meine Behandlung der Anfänge von eini- sem Nutzen ist. Hermione in der Gewalt des Pyrrhus, der sie dem Örestes geraubt, schreibt an Orestes VIII 15 15 At tu, cura mei si te pia tangit, Öreste, Iniice non timidas in tua iura manus. Ueber die Anfänge der Heroiden des Ovid. 37 An sı quis rapiat stabulis armenta reclusis, Arma feras, rapta coniuge lentus eris? Sit socer exemplo nuptae repetitor ademptae 20 Nupta foret Paridi mater ut ante fuit. Die Verse 19. 20 hat Hr. Riese so abgeändert, Sis (socer exemplo est) nuptae repetitor ademptae: Nupta foret, Paridi mater ut ante fuit? aber mit seinen Aenderungen nur einen unverständlichen Ausdruck gewon- nen. Denn nupta foret, von der Hermione, wenn ich recht verstehe, hätte wenigstens Orest! oder raptori mupta foret heilsen müssen, damit ut Paridi mater sich passend anschliefsen konnte, und auch dann noch wäre weder ‚foret genügend noch ante am Platz. Die hypothetische Frageform aber, die hier völlig unfafsbar ıst, kann nicht durch die anders gearteten und lichtvollen Stellen Amor. II 7, 25. Ars. II 699 gerechtfertigt werden. Wer unbefangen zusieht, findet, dafs beide Verse, wie sie überliefert sind, einen deutlichen und unanfechtbaren Sinn und Ausdruck ergeben: nur fehlt dem Gedanken des Pentameter der Vordersatz, der nicht entbehrt werden kann. Die Lücke also zwischen beiden Versen wird nicht zu bestreiten sein; und wirklich geben ein paar Handschriften des XIV. und XV. Jahrhunderts und einige alte Ausgaben folgende Abfolge: 19 Sit socer exemplo, nuptae repetitor ademptae, Cui pia militiae causa puella fuit. St socer ignavus vidua stertisset in aula, 20 Nupta foret Paridi mater ut ante fuit. Sofort ıst helle Klarheit verbreitet und jedem Wort der alten Ueberliefe- rung sein volles Recht geworden. Die Lücke also und dafs mit jener Er- gänzung der Gedanke des Dichters richtig wiedergegeben wird, sollte kein besonnener Kritiker bestreiten. Aber die Macht des Vorurtheils, über die ich im Text meiner Untersuchung mich ausgesprochen, wirkt auch hier verblendend. Weil man jenen beiden ergänzten Versen aus Gründen der Ueberlieferung glaubt mifstrauen zu sollen, sträubt man sich auch gegen die unausweichliche Annahme des Defectes und ersinnt lieber unhaltbares und verkehrtes. Aber mögen jene beiden Verse, deren Form trotz stertis- set nicht zu tadeln ist, auf conjecturaler Ergänzung beruhen, so ist die Conjecetur nicht schlecht, trifft auch in der Hauptsache das Richtige, und 38 VAHLEN: es geschieht dem Dichter damit sicherlich weniger Unrecht, als mit Hrn. Riese’s Aenderungen oder Hrn. Sedlmayer’s Erklärung. V1 95 schreibt Dido, einst die Gemahlin des Sychäus, jetzt von Aeneas, nachdem sie ihm ihre Frauenehre geopfert, verlassen: Exige, laese pudor, poenas violate Sychei Ad quas (me miseram) plena pudoris eo. So vwiolate Sychei die beiden alten Handschriften Puteaneus und Guelferby- tanus, und mit dieser unverständlichen Lesung haben sich die älteren Kri- tiker und Erklärer weidlich abgequält. Die neuesten Herausgeber aber schreiben umbraeque Sychaei, und Hr. Riese hält nicht einmal für noth- wendig, anzumerken, dafs dieses umbraeque nichts ist als ein Einfall. Und es ist kein guter. Wer die überlieferten Worte ohne Vorurtheil betrachtet, wird leicht auf den Gedanken geführt, dafs die Stelle lückenhaft sei und dafs zwischen wolate und Sychaei ein paar Verse ausgefallen, in denen auch der Begriff enthalten war, an welchen ad quas sich anschlols. So bieten denn auch cod. Regius des Heinsius und ein Treviranus saec. XIII statt der zwei Verse folgende vier: Exige, laese pudor, poenas, violatague lecti Zura nec ad cineres fama retenta meos Vosque mei manes animaeque cinisque Sychaei Ad quas (me miseram) plena pudoris eo. Mir scheint nicht zweifelhaft, dafs die Lücke richtig angesetzt ist, in einer Weise, die auch den Anlafs des Defectes ersichtlich macht; und wie der Gedanke richtig getroffen, so ist auch an der Form der Ergänzung nichts Erhebliches auszusetzen (nec patris Anchisae cinerem manesve revelli sagt Virgil Aen. IV 427 (vgl. IV 34) und manes elicerent animas responsa da- turas Horatius Sat.1, 8,29). Aber mag die Ergänzung herrühren, von wem sie wolle, dem, der sie erfand, macht sie alle Ehre, und unsere Kritiker hätte sie wenigstens aufmerksam machen können, die Art und den Sitz der Verderbnifs der alten Ueberlieferung richtig zu erkennen. Ueber die Anfänge der Heroiden des Ovid. 39 Exeurs zu 8. 27. Recht unüberlegt hat unlängst Krit. Comm. S. 21 Hr. Sedlmayer über das Distichon V, 3. 4 geurtheilt, Pegasis Oenone Phrygiis celeberrima silvis Laesa queror de te si sinis ipsa meo, das er für ein untergeschobenes erklärt. Aber pegasıs kann dafür keinen Grund abgeben. Man hat in älterer und wieder in neuerer Zeit an Pe- dasıs gedacht, das nicht unpassend war, aber auch singulär wäre. Aber wer wollte behaupten, dafs Ovid nicht pegasis (das als nom. propr. einer Nymphe bezeugt ist) habe zur Bezeichnung der fontana nympha (fontana numina Naiades Met. XIV 327) bilden oder anwenden können, und edita de magno flumine nympha nennt sich Oenone selbst V. 10. Wer von Grie- chen oder Römern hat die Musen Mnemonides (von Mvyucvn) genannt aulser Ovid (Met. V 268.280)? Der ganze Ausdruck aber pegasıs Oenone Phry- güs celeberrima siluis ist genau geformt wie Naıs Amalthea Cretaea nobilis Ida Fast. V 115, und dafs Phrygüs c. silvis im Gegensatz gegen das voraus gegangene Mycenaea mamı steht, bemerke ich im Text. Ferner ıpsa soll ein Fliekwort sein, ein Urtheil, das wenig Vertrautheit mit Ovid’s Sprache und Art bekundet. Haupt (Opp. 2, 186) hatte, als er die griechische Wort- stellung &=’ aures aurs besprach (zu den prosaischen Beispielen, die er bringt, kann noch gefügt werden r. Ül. p. 33, 16 ra aures aurod ducw), nicht unterlassen, auf eine ähnliche Art der Wortstellung bei Ovid hinzu- weisen. Er zählt folgende Beispiele auf: Am. 1, 7,26 Et valuı poenam fortis in ipse meam Ars am. 3, 668 Mittor et indicio prodor ab ipse meo Ibis 403 quem reddere vitam Urbe Coronides vidit ab ipse sua 584 Et laesus lingua Battus ab ipse sua Ex Ponto 3, 3, 46 Diseipulo perii solus ab ipse meo Heroid. IX 96 Fertilis et damnis dives ab ipsa suis XI 18 Ut caderet cultu eultor ab ipse suo XIII 116 Languida laetitia solvar ab ipsa mea. 40 VAHLEN: Ueber die Anfänge der Heroiden des Ovid. Diese Beispiele hatte bereits Heinsius zu Heroid. IX 96 zusammengestellt. Ich füge hinzu (aufser Virg. Aen. XII 639 oculos ante ıpse meos u. IV 233) Fast. V 551 Ultor ad ipse suos caelo descendit honores. Die Beispiele aus den Heroiden betrachtet Haupt nur als Nachahmungen der Ovidischen Art, wiewohl man eine so einzige Liebhaberei in lateini- scher Poesie nicht ungern demselben Dichter zuschreiben möchte. Auch darin kann ich Haupt nicht beistimmen, wenn er meint, der oder die Dichter seien nur durch die Bequemlichkeit des Versmalses zu dieser Wort- stellung veranlafst worden: sie dient vielmehr ersichtlich demselben Zweck, wie die entsprechenden griechischen Beispiele, durch die Aneinanderrückung der verschiedenen Pronomina den in ihnen liegenden Gegensatz zu schärfen. Und denselben Dienst thut »psa an unserer Stelle, obwohl hier eine Ver- schränkung der Wortstellung nicht einmal vorliegt. Denn zusammen gehört queror de te ipsa meo, ganz so hier, wie V. 134 poteras falli legibus ipse tus, und oftmals sonst. Nichts unbegründeter also als dieses zpsa zu tadeln. Aber auch s? sinis wird nicht gewürdigt. Denn warum sollte dies nach VI3 quantum sinis geformt sein? Hat doch s sinis hier seinen guten Sinn: queror de te, qwi si sinis meus es. Und auch das gehört zur Manier des Ovid, solch pointirte Bedingungssätze zwischenzuschieben, worauf S. 29 hingewiesen ward. Ich rechne dahin auch X 75, welches Beispiel angeführt sei, um es vor Hrn. Riese’s Verbesserung zu schützen: Cum mihi dicebas ‘per ego ipsa pericula iuro Te fore, dum nostrum vivet uterque, meam. Vivimus et non sum, Theseu, tua, si modo vivit Femina periuri fraude sepulta viri. Denn Hr. Riese schreibt tua (s? modo vivis), Femina, was keinen Sinn giebt. Ariadne sagt “Wir leben beide und ich bin nicht dein, wenn anders leben heifsen kann ein Weib, das durch die Treulosigkeit des Mannes begraben ist” Auch hierüber urtheilt Hr. Sedimayer seltsam. — Ueber die Oenone bemerke ich noch, dafs auch an anderen Stellen die neueste Kritik diese Epistel mehr geschädigt als gefördert hat: denn welchen Sinn hat 154 Nec deus, wenn man die Verse 151. 152 ausstreicht, und auch die Verse 140 —145 sind, richtig verstanden, weder "abscheulich’ noch neptr. Ueber eine alte Genealogie der Welfen. Von B-SWATTZ. Philos.-histor. Kl. 1881. Abh.I. 1 © g s ’ is 2 hand. ar 7 DE Berne air A EB 4 hie 5 Ir 1er a va “ 2 u gi h u ven: ” sans ’ { 19313 3i20insu9 Fr - 23177 3113 dal M a Li Bi > . au on vu ———— — us e “ LIZE E Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 21. April 1881. E22 “o w v us Das D.: Codex der Münchener Bibliothek Nr. 21563 (Weihenstephan 63) enthält eine kurze Genealogie oder Geschichte der Welfen, die bis- her für einen Auszug der bekannten Historia Welforum Weingartensis (zu- letzt herausgegeben von Weiland, SS. XXI, S. 454) gehalten worden !) und deshalb wohl ungedruckt geblieben ist. Im vorigen Herbst von Hrn. Bibliotheksecretär Dr. W. Meyer mit gewohnter Gefälligkeit auf die Handschrift aufmerksam gemacht, begann ich eine Abschrift, die, da die Zeit sehr kurz gemelsen war, Prof. Wattenbach die Güte hatte zu Ende zu führen. Als ich das Stück hier genauer untersuchte, stellte sich allerdings sofort der engste Zusammenhang mit jener Historia heraus; aber ebenso bald fing ich an zu zweifeln, ob wir wirklich nur einen Auszug vor uns haben, und je länger ich mich mit demselben be- schäftigte, je mehr befestigte sich mir die Meinung, dafs nicht eine Ab- leitung, sondern vielmehr die Grundlage der Historia hier erhalten ist. Diese Annahme werde ich versuchen etwas näher zu begründen und zugleich den Text mittheilen, der später auch in die Monumenta Germaniae historica aufzunehmen sein wird. Was zunächst den Gedanken nahe legen muls, ist der Schlufs. Die Historia, nach Weilands Ausführung, mit welcher Giesebrecht ganz über- . 1) Oefele, Geschichte der Grafen von Andechs S. 11. 4 WAITz: einstimmt, um d..J. 1170 geschrieben, ist bis Heinrich den Löwen fortgeführt und behandelt einen Theil seiner Geschichte, ausführlicher die seines Oheims Welf und dessen gleichnamigen Sohnes bis zu dem Tode des letz- tern im J. 1167. Die Genealogie dagegen geht nicht über Heinrich den Stolzen und Welf hinaus, erwähnt bei beiden weder der Nachkommenschaft noch der Vermählung, bei Heinrich auch nicht der herzoglichen Würde, die er 1126 nach dem Tode des Vaters empfing. Ein dritter Sohn Konrad, der in diesem Jahre, noch vor dem Vater, starb, wird gar nicht genannt. Es würde wohl zu viel gefolgert sein, wenn man hiernach die Abfalsung gerade in dieses Jahr (zwischen 17. März und 21. December) setzen wollte; dafs die Bezeichnung Heinrichs als "dux’ fehlt, mag auch um so weniger hoch angeschlagen werden, da sie sich bei dem Vater gleichfalls nicht findet. Dagegen scheint es mir kaum denkbar, dafs der Heirath mit der Tochter König Lothars 1127 nicht gedacht sein sollte, wenn sie damals bereits stattgefunden, oder dafs gar schon der junge Heinrich (der Löwe) geboren (1129). Interessiert sich auch der Autor mehr für die Schwäbi- sche Linie, bei der ganzen Tendenz des Aufsatzes mülste es als un- begreiflich erscheinen, wenn der Verbindung mit dem neuen Königs- hause nicht Erwähnung gethan wäre. Ebensowenig ist dann von den vier Schwestern und ihren Ehen, von Welfs Vermählung am Anfang der 30er Jahre (Adler, H. Welf VI. S. 104) die Rede. Und dafs man nicht sage, es habe dazu nur an Raum gefehlt, wenigstens in dieser Hand- schrift bleibt fast eine halbe Seite leer, und kann die Aufzeichnung hier auch keineswegs als original gelten — das verbieten ebenso wohl einige auffallende Schreibfehler, wie das Alter des Codex, der unter Abt Altum von Weihenstephan 1182— 1197 geschrieben ist —, so fehlt doch jeder Grund, um für die Vorlage etwas der Art anzunehmen. Wenden wir uns von dem Schluss zu dem Anfang, so komme ich da zu dem gleichen Resultat. Der Verfasser der Historia, der eine förmliche Geschichte des Hauses schreiben will, beginnt mit der Er- klärung: Generaciones principum nostrorum summa diligentia investigantes ac multum in diversis chronieis et historis sive antiquis privilegiis que- rendo laborantes, nullum nominatim ante Guelfonem comitem, qui tem- pore Karoli Magni fuerat, invenire poteramus; oder wie es wohl ur- sprünglich hiefs (Giesebrecht, SB. der Münch. Akad. 1870, S. 555): Ueber eine alte Genealogie der Welfen. 5 Guelfonem comitem, qui t. K. M. f., nominatim invenimus. Er meint den Welf, dessen Tochter Judith Karls Sohn Ludwig d. Fr. heirathete. Von diesem weils aber unsere Genealogie absolut nichts. Sollte ein Epitomator, der für manches kleine Detail nachher Raum hatte, sich diesen erlauchten Anfang des Hauses, von dem er handelt, haben entgehen lassen? Das scheint mir ganz undenkbar. Vollends undenkbar, dafs er statt dessen eine ganz falsche Nachricht eingeschoben hätte. Er beginnt den Stammbaum ein Glied später mit einem Eticho, den die Historia wahr- scheinlich ganz willkürlich zu dem Bruder der Judith, also Sohn des ersten Welf macht, und legt ihm eine Tochter Hildisarda bei, die Luduwieus Balbus imperator accepit uxorem’. Es hat weder eine solche Hildegard (aufser der Gemahlin Karl d. Gr., die hier nicht in Frage kommen kann) im Karolingischen Hause, noch einen Kaiser Luduwicus Balbus gegeben. Öhne Zweifel liegt eine ganz entstellte Ueberlieferung von der Verbindung einer Welfin mit einem Kaiser Ludwig zu grunde. Dass sie falsch sei, konnte der gelehrte Mönch von Weingarten in den von ihm benutzten Chroniken und Historien leicht finden und die Nachricht beseitigen; das Richtige steht auch schon in der andern Aufzeichnung über den Stamm der Welfen, beim Annalista Saxo 1126 (SS. VI, S. 764), von der es frei- lich zweifelhaft ist, ob der Autor der Historia sie benutzte, die jedenfalls dem der Genealogie unbekannt war. Sie unterscheidet sich von beiden dadurch, dafs sie Eticho und Welf als Namen desselben Mannes erklärt, dem sie dann sofort einen Sohn Heinrich zuschreibt. Ebenso die Genea- logie ihrem Eticho, die Historia dem Eticho, Sohn des Welt. Es ist klar, dafs der Annaliısta so den Heinrich bis in die Karo- lingische Zeit hinaufrückt, auch die Historia ihm als Enkel jenes alten Welf eine frühe Zeit anweist, während die Zeit des Eticho in der Ge- nealogie mehr unbestimmt bleibt und also auch sein Sohn sich eher den späteren Gliedern des Stammbaumes anschliesst. Ich will übrigens die Bedenken, welche neuerdings besonders Meyer von Knonau gegen die Richtigkeit desselben geltend gemacht hat (Forschungen z. D. G. XI, S.79) und die im übrigen auch für diese Genealogie gelten, nicht weiter anfechten; sie treffen aber diese immer etwas weniger als den, wie ich meine, später zurechtgemachten Bericht der Historia. 6 WAaıtz: Ich verweile zunächst noch bei der Abweichung in dem Anfang des Stammbaums. Indem die Historia hier einen Welf hat, beschäftigt sie sich auch ganz consequent gleich mit dem Ursprung des Namens. Die Genealogie kommt erst bedeutend später dazu, indem sie den Enkel Heinrichs, der ım 11. Jahrhundert lebte, als den ersten Welf erklärt. Die Historia sagt dann, einige leiteten den Namen von dem Römer Catilina ab, andere wülsten eine Geschichte zu erzählen wie das deutsche Wort “welf” (catulus) zu dem Namen Anlass gegeben, und fügt hinzu: Alü utrumque verum esse conieiunt. Dieunt enim, primo quidem, ut modo audistis, inventum esse, set deinde multo tempore refutatum et quasi in oblivionem tradıtum, denuo sie per imperatorem renovatum. Gerade das berichtet die Genealogie: Quod nomen quamvis a Romano nobilissimo Oa- tilina in hanc prosapiam sanguinis ratione descendit, a posterioribus ur- banıtatıs causa refutatum, sub hoc igitur renovatum dieitur. Soll man annehmen, dafs hier ein Epitomator von drei Meinungen gerade die dritte sich angeeignet hat? Weist nicht vielmehr das “Ali utrumque verum esse conieiunt direct auf diesen Bericht hin? Und wenn man dann die Geschichte von dem Kaiser bei beiden vergleicht, so kann es schwerlich einen Augenblick zweifelhaft sein, welche Fassung die ursprüngliche ist. Nach der Genealogie sagt der Kaiser spöttisch, da der Vater die Nach- richt von der Geburt des Sohnes erhalten: “Um des Welfen willen eilt ihr nach Haus‘, und jener antwortet: “Du hast einen Namen gegeben der bleiben soll. In der Historia fragt jener ebenso, aber der Vater erwidert: ‘Den Namen, den ihr dem Kinde gegeben, den: sollt ihr nach- her völliger ihm geben; wenn Gott nicht anderes zu bestimmen gut findet, sollt ihr ihn unter diesem Namen aus der Taufe heben‘. Dort, meine ich, die prägnante, volksthümliche Ueberlieferung; hier die kirchlich zurecht- gemachte Erzählung. Ich könnte glauben hiermit die Sache erledigt zu haben, wenn bei fast völliger Uebereinstimmung in den Nachrichten nicht einige Ab- weichungen sich fänden, die einer Erörterung bedürfen. Von der Tochter eines Grafen Cuno von Oehningen, dessen ver- wandtschaftliche Verhältnisse wenig im Klaren liegen (vgl. Meyer von Knonau, im Anz. für Schweiz. Gesch. 1870 Nr. 1), heisst es, dals sie einem comes de Andhese’ vermählt war. Statt dessen sagt die Historia: Ueber eine alte Genealogie der Welfen. 7 comes de ‘Diezon’. Nun ist Diefsen und Andechs allerdings die Be- zeichnung desselben Grafenhauses; aber jene die ältere, und es könnte daher scheinen, das der Text, welcher diese bietet, den Anspruch auf gröfsere Ursprünglichkeit hätte. Doch war in der Zeit, wo wir die Ab- fassung der Genealogie annehmen, die Bezeichnung von Andechs die ganz allgemeine, auch nicht erst seit der Gründung des Klosters Diefsen im J. 1132, wie Riezler (Gesch. Baierns I, S. 855) sagt, sondern, wie die Urkunden zeigen (s. die Regesten bei Oefele, Geschichte der Grafen von Andechs S. 112 ff.) seit ungefähr 1100. Es wird also wohl nur Diefsen eingesetzt sein, weil der Autor der Historia wulste, dafs für die Zeit um die es sich handelt jener Name noch nicht zutreffend war. — Ich mag bei der Gelegenheit bemerken, dafs unter dieser Tochter Cunos keine andere verstanden sein kann, als die Gemahlin Friedrich (II) Kunizza, der in den Aufzeichnungen von Diefsen (SS. XVII, S. 329) ebenso wie hier Otto d. Gr. zum Grofsvater gegeben wird und die im J. 1020 gestorben sein soll, was man sicher nicht mit Oefele (S. 14) in 1120 ändern darf; hier an die Frau eines andern Friedrich (I) zu denken, ist gewiss gar kein Grund. Als Schwester der Kunizza wird in den Notae Diefsenses Rich- gardis, die Stifterin von Ebersberg, genannt. Im Chron. Eberspergense aber heisst dieselbe Schwester des Markgrafen Markward von Kärnten (SS. XX, S. 12), Richlindis dagegen, die Frau von Udalrichs Sohn Adalbero, die in kinderloser Ehe lebten, filia Rudolfi Suevi (S. 13), und es ist daher ohne Zweifel nur eine Verwechslung, wenn in der Genealogie die Tochter Rudolfs Richarda genannt und zur Stifterin von Ebersberg, aufserdem Geissenfelds und Küebachs gemacht wird. Denselben Irrtbum theilt die Historia, nur dafs sie den Grafen statt der Frau die Gründungen vor- nehmen lälst. Offenbar ward Richardis aber als die angesehen welche vorzugsweise die Stiftung veranlafst hatte: nach dem Chron. Ebersperg. ist ihr eine himmlische Erscheinung zutheil geworden: und in der Diefsener Aufzeichnung heifst sie sancta’. Genau ist jedenfalls auch die Erzählung der Historia nicht; denn nicht der Gemahl der Welfin Richlindis, sondern sein Bruder Eberhard gründete Geissenfeld, während Küebach allerdings dem Adelbero verdankt zu werden scheint (vgl. Hirsch, Jahrb. Heinrich Il. Bd. U, 8. 236). 8 WAaAıITz: Die Ableitung der Richgarda von Otto dem Grofsen durch eine Tochter, die den Grafen Cuno, Vater von des Welfen Rudolf Gemahlin Ida, geheirathet, ist ebensowenig wie die der Kunizza in den Diefsener Auf- zeichnungen als historisch zu betrachten. Man mag bemerken, dafs die Genealogie den Namen dieser Tochter verschweigt, während die Historia sie Richlindis nennt, eine Benennung die, wie wir eben sahen, der Enkelin zukam. Da es eine solche Tochter Ottos nie gegeben, so kann man sagen, dafs der Irrthum der Genealogie geringer ist als der der Historia, die vielleicht, weil ja nicht selten Enkelkinder nach den Grofseltern be- nannt wurden, den Namen, den sie vorfand, willkürlich mit der be- rühmten Ahnfrau in Verbindung brachte. Was die Sache selbst betrifft, so scheint mir nicht zweifelhaft, dafs die Ueberlieferung den Welfen Cuno mit dem bekannten Schwiegersohn Ottos Herzog Konrad oder Cuno ver- wechselt hat. Was aber über die Nachkommenschaft gesagt wird, liegt sehr im Dunkeln, enthält gewils auch grofse Irrthümer, wenngleich ich nicht ohne weiteres alles für so reines Gebilde der Phantasie erklären möchte, wie es Meyer von Knonau gethan (Forschungen a. a. O.). Etwas weniger unrichtig ist zunächst wieder die Genealogie, wenn sie den einen Sohn nennt “Egebertum marchionem de Stadin’, während die Historia jedenfalls nicht glücklich amplificierend sagt: marchiam illam que est in finibus Saxonie versus Danos Stadin nominatam obtinuit; denn bekanntlich gab es keine Mark Stade und hatten die Grafen von Stade nicht die Mark gegen die Dänen, sondern die Slavische Nordmark inne. Dafs es unter ihnen keinen Ekbert gab, ist gewils genug: es scheint eine Verwechslung mit dem Braunschweiger Markgrafen von Meilsen vor- zuliegen, an den schon Eecard dachte (Orr. Guelf. II, S. 214), der dann freilich keinen Cuno zum Vater und nicht die drei hier genannten Brüder und Schwestern hatte, die unterzubringen allerdings vergebliche Mühe sein dürfte. Scheidt (a. a. OÖ. Anm.) hat dagegen an den Eebertus, Sohn der Ida von Elstorpe, gedacht, den der Graf Udo von Stade er- schlug und dessen Mutter 'nobilis femina de Suevia nata’ heilst. Man könnte anführen, dafs ihr Vater ein Graf Liudolf war, wie hier ein Bruder heifst, ihre Tochter Oda einen Rufsischen König heirathete, was hier von ihrer Schwester behauptet wird (vgl. Krause, Forschungen XV, S.639 #.), endlich noch an den Stiefvater des Liudolf, den König Ueber eine alte Genealogie der Welfen. g Konrad II. erinnern. Doch wäre so jedenfalls nur eine ganz verwirrte Kunde zu dem Autor der Genealogie gedrungen. Die Historia wiederholt einfach ihre Angaben. Die beiden Schriften decken sich hier vollständig; von einem Vorrang der einen oder andern kann nicht die Rede sein. Dasselbe gilt theilweise von einer Nachricht, die man auch wenig- stens angezweifelt hat: dafs aus einer unehelichen Verbindung eines Bru- ders des Grafen Rudolf, Eticho wie der Grofsvater genannt, mit einer Ministerialin die Familien von Hezilescella, Ustera, Ramphtiswilare (Rapreh- teswillare) stammen. Die erste hält Meyer von Knonau (a. a. O.) jeden- falls mit Unrecht für ein Geschöpf der Phantasie des Mönchs von Weingarten; denn nach dem Traditionsbuch des Klosters (Archiv VI, S. 491) schenkte im J. 1083 "quedam nobilis matrona Gisila nomine de Hezilescella’ dem Kloster Altorf ihr Erbgut “Hieinchoven nuncupatum ultra Danubium in pede Alpium situm’, was ja nicht blos die Existenz der Familie beweist, sondern auch eine Beziehung zu dem Welfischen Familienkloster wahrscheinlich macht. — Uebrigens weichen dann die beiden Darstellungen auffallend von einander ab. Nach der Historia (e.5) hat der Eticho nur eine Tochter, die der Oheim Rudolf, wohl als Haupt der Familie, frei läfst und mit reichen Gütern einem Edlen in Chur- walchen vermählt und die dann die Stammutter der genannten Familien wird. Dagegen sagt die Genealogie: Eticho habe mit seiner Frau Söhne und Töchter erzeugt und der Bruder jene sammt den Kindern frei- gelassen; von diesen stammten die drei Familien. Was richtiger — wenn überhaupt eins richtig ist —, läfst sich natürlich jetzt nicht ermitteln. Aber den Eindruck einer mehr ursprünglichen Ueberlieferung macht wenigstens mir die Erzählung der Genealogie, obschon — vielleicht kann man auch sagen weil — sie von dem "quidam nobilis de Retia Curiensi’ und den larga praedia’, die als Mitgift gegeben, nichts weils. Es ist aber eine Stelle, die man am ersten geneigt sein wird gegen die Selbständigkeit der Genealogie anzuführen. Von jenem noch halb der Sage angehörigen Heinrich, der mit an der Spitze des Stammes steht, sagt sie ganz kurz: imperatori hominium facit, und fügt hinzu: pater in Ambergov 12 monachos instituit. Es scheint das nur ein dürftiger Auszug aus jener bekannten Erzählung der Historia zu sein, dafs Heinrich ohne Wissen des Vaters dem Kaiser 'hominium et subjectionem fecit’ Philos.- histor. Kl. 1881. Abh. Il. 2 10 WaıItz: und dafür ein grofses Lehn in Baiern empfing, der Vater aber, der die alte Freiheit des Geschlechtes dadurch geschändet hielt, mit 12 Begleitern ‘ad villam que dieitur Ambirgou’ sich zurückzog, hier eine 'cella’ für Mönche begründete und dann sammt seinen 12 Begleitern in derselben begraben ward. Ich will auch nicht in Abrede nehmen, dafs der Autor der Genealogie diese Geschichte gekannt und auf sie hingedeutet hat, wie sie denn mit einigen Abweichungen auch in dem Bericht des Annalista Saxo vorkommt; aber dafs er seine kurze Notiz aus der Historia ge- nommen, scheint mir, abgesehen von allem andern was dagegen spricht, auch deshalb bedenklich anzunehmen, weil die Historia gar nicht von 12 Mönchen spricht, sondern den alten Eticho mit jenen mythischen 12 Begleitern, die überall in den Heldensagen auftauchen (D. VG. I, S. 488), in die Wildnis gehen läfst. Ebenso die Erzählung beim Ann. Saxo, die dann die weitere Geschichte von dem Erwerb des Landes mit dem goldenen Pflug hinzufügt und so zeigt, wie diese Sage in verschiedener Ausführung verbreitet war und also von dem Verfafser der Historia leicht der kurzen Andeutung der Genealogie substituiert werden konnte. Die Genealogie fährt fort, Heinrich habe die Mönche nach Alten- münster, von da nach Weingarten übertragen, ‘et dominas inde, que ibi erant, in Altenmünster transposuit'. Nur das Erste nımmt die Historia auf, statt des Zweiten läfst sie Heinrich zu Altorf ein Nonnenkloster gründen, und berichtet mehrere Capitel später, dafs Welf im 11. Jahr- hundert die Mönche von Altenmünster nach Altorf, die Nonnen von hier dorthin übertragen habe; und noch später, dafs ein gleichnamiger Sohn Weingarten gebaut und das Kloster von Altorf dahin verlegt. Dafs diese Angaben grofsen Bedenken unterliegen, ist schon öfter bemerkt (s. zuletzt Weiland S. 454 N.: Riezler I, S. 455); nach dem Bericht des wenig jüngeren Hermann von Reichenau hat vielmehr die Wittwe des ersten Welf Irmingard im J. 1036 in Altorf Nonnen an die Stelle von cleriei gesetzt; dann mufs die Verlegung derselben nach Altenmünster jedenfalls später erfolgt, Weingarten noch später erbaut sein, was man mit dem Brand von Altorf zusammenbringt, den Hermann 1053 berichtet. Sicher ist also die Erzählung der Genealogie falsch. Aber es scheint mir unmöglich, dafs sie aus der der Historia gemacht, entstellt sein kann, während der spätere Verfafser wohl den Irrthum einsehen und ver- Ueber eine alte Genealogie der Welfen. 11 suchen konnte ihn zu verbessern, ohne dabei doch das Richtige zu er- reichen. Der Autor der Genealogie nimmt, dafs ich so sage, überall den Standpunkt einer naiven Wiedergabe der Tradition ein, während in der Historia eine mehr gelehrte Ueberarbeitung entgegentritt, die bald mehr bald minder glücklich ihre Aufgabe löst. Jener braucht deshalb auch von Anfang an den späteren Namen Weingarten, wo diese noch von Altorf spricht. Und wenigstens unmittelbar daneben hat die Genealogie offenbar das Ursprüngliche erhalten. Sie nennt die Frau des Heinrich Atha, die Historia (ce. 5) dagegen Beata. Spricht an sich die gröfsere Wahrschein- lichkeit für den Deutschen Namen, so erhält er eine bestimmte Be- stätigung durch das Traditionsbuch des Klosters (Archiv VI, S. 490), wo dieselbe Ata genannt wird !). Die Bezeichnung “de Hohinwarte’ (so die älteste Handschrift nach Giesebrechts Mittheilung, SB. der Münch. Akad. 1870, S. 558), die die Historia hinzufügt, ist nicht weiter zu be- legen. — Bemerkenswerth ist auch die Verschiedenheit in der Benennung des Gemahls von Welfs Tochter Kunizza, die den Markgrafen Azzo aus dem Hause Este heirathete und damit das jüngere Welfische Haus be- gründete. In der Historia (ce. 10) als "Azzo ditissimus marchio Italiae’ bezeichnet, heifst er in der Genealogie kurz "marchio Etius’, eine Form die an Este erklingt, die aber auch aus Atho entstanden sein kann. Beide Erzählungen berichten, dafs er zur Mitgift die curtis Elisina in der Lombardei erhalten, die durch Imiza (Irmengard), die Gemahlin Welfs (II), an die Familie gekommen sein soll. Diese wird auch in beiden Berichten nach der Grafschaft Gleiberg benannt, obschon diese erst ein Bruder derselben durch Heirath erlangte; die Historia fügt hin- zu: de gente Salica, eine Bezeichnung, die auch sonst von dieser Luxem- burgischen Familie gebraucht wird (vgl. VG.V, S. 164 N.); die Genea- logie hat ‘Salice und eine Lücke nach dem Wort, die man, wenn auch nicht ganz sicher, mit 'gentis’ ausfüllen mag. — Anstos haben die Worte der Historia erregt: ‘Per eam habemus’ u. s. w., da die Güter Elisina und Moringen (Mehring in Baiern), die genannt werden, nicht im Besitz 1) Diese Form hat deshalb auch schon Stälin, Wirt. Gesch. I, S. 556, in den Stammbaum aufgenommen. 12 WaıtTz: -_ des Klosters Weingarten waren, auf das man jenes "habemus’ hier be- ziehen mülste. Von der Italischen Besitzung hat dieses schon Weiland bemerkt (S. 460 N.). Mit Mehring verhält es sich ebenso. Im Jahre 1078 dem Herzog Welf wegen seiner Empörung gegen Heinrich IV. abgesprochen, ward es von dem König an das Bisthum Augsburg geschenkt (Mon. B. XXIX, 1, S. 202; Stumpf Nr. 2812), kam aber ohne Zweifel nach der Aussöhnung Welfs mit dem König ebenso wie das Herzogthum an jenen zurück; 100 Jahre später, 1172, verfügte Welf (VI) über einen Theil des- selben zu Gunsten des Klosters S. Udalrich und Afra zu Augsburg (Mon. B. XXII, S. 185). Zu der Zeit als die Historia geschrieben, war es un- zweifelhaft im Besitz des Welfischen Hauses !). An Weingarten ist also hier in der That nicht zu denken: einen so ganz unbegründeten An- spruch kann ein Mönch des Klosters unmöglich beiläufig erhoben haben. Derselbe Ausdruck findet sich aber nun auch in der Genealogie und ist nach unserer Annahme einfach aus dieser in die Historia hin- übergenommen. Dort aber wird er nicht dieselbe Bedeutung haben wie hier. Denn kann darüber kein Zweifel sein, dafs die Historia im Kloster Weingarten geschrieben ist, so wird man das von der Genealogie keines- wegs bestimmt behaupten können. Weingarten wird dreimal genannt ohne direete Andeutung, dafs der Autor zu demselben eine nähere Be- ziehung hat. Nur aus einer Stelle könnte man es schliefsen wollen, wo es von dem jüngeren Welf aus dem Hause Este heilst: cum tota here- ditas ad Sanetum Martinum Wingarten esset destinata, superveniens he- reditatem optinuit, was dann in der Historia weiter ausgeführt wird in Uebereinstimmung mit der noch ausführlicheren Erzählung in dem Codex traditionum (a. a. O. S. 690). Aber wenigstens zwingend scheint mir die Stelle nicht. Aulserdem heifst es in der Genealogie ganz am Schlufs: Gwelfonem nostrum genuit, was den Eigenthümer oder Herrn des Klosters bezeichnen kann, aber sich auch allgemeiner fassen läfst. Es ist daher vielleicht eine nicht zu kühne Vermuthung, wenn ich jenes "habemus’ und dies 'nostrum’ so deute, dafs hier der Autor nicht sowohl im Namen 1) Vgl. Riezler, Das Herzogthum Bayern S. 237; auch Frey, Schicksale des königlichen Gutes S. ölff. Ueber eine alte Genealogie der Welfen. 13 des Klosters, sondern der Familie spricht, dafs wir es mit einer Auf- zeichnung zu thun haben, die für diese verfafst ward, zu der ein Mit- glied derselben selbst das Material lieferte, wenn auch eine geistliche Hand die Feder führte. Allerdings, mufs ich schliefsen, unsere Kenntnis wird durch dies Denkmal Welfischer Geschichte nicht bereichert. Wenn es aber von Werth ist, die ursprüngliche und einfache Grundlage historischer Ueber- lieferung zu kennen, so darf die Genealogia ein nicht ganz geringes Interesse in Anspruch nehmen. 1. Eticho genuit filium Heinricum et filiam Hiltigardam. Hilti- gardam Luduwieus Balbus inperator accepit uxorem. Hfeinrieus] inpe- ratorı hominium facit; pater in Ambergov 12 monachos instituit et ibi obüt. Heinricus monachos Altemunster transtulit, inde eos Wingarten, et dominas inde, que ıbi erant, in Altenm[unster] transposuit. 2. Heinricus Atham duxit uxorem et genuit sanctum Chünradum Constantiensem episcopum, Ethichonem et Rüdolfum. 3. Eticho sine legittimo matrimonio decessit, genuit autem ex quadam ministeriali sua, quam postea cum liberis Rüdolfus ob amorem fratris libertate donavit, genuit inquam filios et fillas, ex quibus illi de Hezilescella, de Ustera, de Ramphteswilaren !) descenderunt. 4. Rüdolfus uxorem accepit de Oningen Itam nomine, cuius pater fuit Chüno nobilissimus comes, mater vero filia Ottonis Magni inperatoris fuit?). Is Chüno vero 4 genuit filios, Egebertum marchionem de Stadin, Leopaldum, Liutoldum, Chunonem, et 4 filias, quarum una isti Rü- dolfo, alıa cuidam ?) de Rinvelden parenti Zaringorum, 3° regi Rugorum, !) Ramphtes. wilare Hs. 2) fuit filia Hs. 3) quidam Hs. 14 WaAıItTz: 4° comiti nupsit de Andhese. Rüdolfus ex sua genuit Heinricum, qui apud Lönon in venatione saxo percussus interiit, et Gwelfum huius no- minis primum. 5. Quod nomen quamvis a Romano nobilissimo Catilina in hanc prosapiam sanguinis ratione descendit, a posterioribus urbanitatis causa refutatum, sub hoe igitur renovatum dieitur, quod puero nato et mun- cio rei ad se facto inperator: "Pro catulo‘, ait, ‘qui tibi est natus, domum redire festinas. Et ille: ‘Nomen’, inquit, dedistis, quod mutari non de- bebit'. 6. Genuit quoque R[udolfus] ex eadem Ita Richardam, que mo- nasterium Ebersperch fundavit, cum filios ex quodam ditissimo Baw[arie] comite non haberet. Fundavit quoque Gisenvelt et Chübach; set Ebers- perch sepulta 1acet. 7. Gwelfo uxorem duxit Salice.....!) de Glizperch Imizam nomine, Heinrici Noricorum ducis sororem et Frideriei ducis Lotharin- gorum et Alberonis Metensis episcopi. Per eam habemus villam Moringen et Elisinam eurtem in Longobardia 1100 mansuum sub uno vallo. Hie Gwelfo eum Brunone Aug[ustensi] gwerram agens, ipsam cepit et ex- ussit ?) eivitatem; et Wingarten sepultus est, uxor eius Altenmunster. 8. Hie genuit fillam Cunizam; quam marchio Etius cum curte Elisina accepit uxorem, et genuit ex ea Gwelfonem; et), patre sine filio herede defuncto, cum tota hereditas ad Sanctum Martinum Wingarten esset destinata, superveniens #), hereditatem optinuit et primus in Baw[a- rıa]l huius nominis dux factus est. VENEN GraLeeDIe 5) filiam comitis Flandrie, reginam Anglıe, Juditam nomine, et genuit ex ea Gwelfonem et Heinricum ©), unum post unum duces Baw[ariel. Gwelfo cum Timone archiepiscopo Hieroso- limam ivit et in via obit. 1) In der Hs. leer. ?) excussit Hs. 3) a corr. etz vielleicht qui. *) supervenio Hs. 5) In der Hs. leer. %) nomine in der Hs. getilgt. Ueber eine alte Genealogie der Welfen. 15 10. Pro quo Gwelfo maior natu dux effectus Mathilde 1) comi- tisse nupsit ex Longoblardia]; set sine liberis obiit. Heinricus, frater eius, Wlfihildem, filıam.....?) et Sophie, sororis Cholomanni regis Ungarie, duxit, et ex ea Heinricum et Gwelfonem nostrum genuit. 1) x athilde Hs. 2) In der Hs. leer. I 0 ( aon ‘a EN N } j Sina u mern an ven an er NR a ka Ge Men Aa a FR | | | Mar rar a h | FE rs ‚ 5 “rt [ mn i ira og . | a Ä Ei . ei ja en er DER a m 7 AN care s b A f a Brain - - I Pr} ‘ KEN 3 Ueber die Messung psychischer Vorgänge. Von H" ZELLER. Philos.-histor. Kl. 1881. Abh. III. 1 r Ir Bi { et rer V mnahlorag BrroM ab ara — = we Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 3. März 1881. D SHE A Messung ist Vergleichung zweier Gröfsen, einer bekannten und einer unbekannten. Jene bildet den Masstab, diese den Gegenstand, der gemessen werden soll; und die Messung besteht darin, dafs festge- stellt wird, welchem Vielfachen des Masstabs die Gröfse des Gemessenen gleich ist. Alle Gröfsenbestimmungen sind daher an sich selbst blofse Verhältnifsbestimmungen: was sie angeben, ist nur das Gröfsenverhält- nifs eines Gegenstandes zu demjenigen, an dem er gemessen worden ist. Eine absolute Gröfsenbestimmung ist nur unter der Bedingung möglich, dafs der für sie verwendete Masstab ein absoluter, d. h. eine genau be- srenzte, allgemein bekannte und unveränderliche Gröfse ist; denn dann werden sich bei der nach diesem Masstab festgestellten Gröfse alle jeder- zeit dasselbe denken. Ein solcher absoluter Masstab ist nun die Zahl als das Mafs der diskreten Grölsen, alle Zahlenbestimmungen sind daher als solche durchaus genau und unzweideutig. Anders verhält es sich da- gegen mit den continuirlichen Gröfsen; und aus diesem Grunde büfsen auch die Zahlenbestimmungen bei der Anwendung auf gegebene Gegen- stände in demselben Mafse an ihrer Genauigkeit und Zuverlässigkeit ein, in dem es zweifelhaft wird, ob das, was als Einheit gezählt wird, wirk- lich etwas einheitliches, dem unter der gleichen Benennung mit ihm zu- sammengefafsten gleichartiges und von allem andern individuell verschie- 1® 4 ZELLER: denes sei. Mögen die continuirlichen Gröfsen intensive oder extensive, und in dem letzteren Fall Zeit- oder Raumgrölsen sein, so fehlt es uns an einem Malse, das für sie ebenso unbedingt gültig wäre, wie für die diskreten Gröfsen die Zahl, weil es für keine von ihnen etwas gibt, das sich ihrer Messung ebenso unbedingt als Malseinheit zugrunde legen liefse, wie der Zählung diskreter Gröfsen die Einzahl. Alle Masstäbe, die wir hier anlegen können, sind willkürlich gewählte; wir nehmen aus einer stetigen Grölse einen beliebigen Theil derselben heraus: einen Meter, eine Sekunde, ein Fufspfund u. s. w., und erklären ibn für die Mafseinheit, auf welche wir andere Gröfsen derselben Art zurückführen, mit der wir sie zum Zweck ihrer Messung vergleichen wollen. Bei stetigen Gröfsen ist daher überhaupt keine absolute, sondern immer nur eine relative Mafsbestimmung möglich: jede solche Bestimmung besagt nur, welchem Vielfachen einer willkürlich, begrenzten Gröfse die ihrige gleichkommt. Nichtsdestoweniger gibt es auch hier ein Mittel, um zu solchen Messun- gen zu gelangen, welche für uns den Werth einer absoluten Messung haben, indem man sich über möglichst genau bestimmte Masstäbe ver- ständigt, deren sich alle ın gleicher Weise bedienen, die daher bei allen die gleichen Gröfsenvorstellungen hervorrufen, wie etwa die Länge einer geraden Metallstange, oder die Zeit, die ein Pendel von gewisser Länge zu einer Schwingung braucht, oder das Gewicht eines aus reinem Wasser bestehenden Würfels von einer gewissen Ausdehnung. Aber wie schon diese Beispiele zeigen: jeder solche unveränderliche und allgemein an- erkannte Masstab muls von Raumgröfsen hergenommen werden, deren Mafs sich an gewissen langdauernden, oder in gleicher Beschaffenheit zu vervielfältigenden Körpern in einer allgemeingültigen Weise zur Anschau- ung bringen läfst. Wir messen die Zeit an dem Raume, den. ein be- stimmter Körper bei gleichmälsiger oder gleichmälsig wechselnder Be- wegung durchläuft; die Geschwindigkeit der Bewegung an dem Verhält- nifs der von verschiedenen Körpern gleichzeitig durchlaufenen Räume; die Kraft an der Gröfse der von ihr bewirkten Bewegung. Immer sind es schliefslich Raumgrölsen, welche das unveränderliche Element in un- sern Messungen bilden, und auf welche wir auch die Zeit- und Kraft- malse zurückführen müssen, um sie als einen sich gleichbleibenden Masstab verwenden zu können. Ueber die Messung psychischer Vorgänge. 5 Aber wenn auch alle anderen Veränderungen in der Natur sich als mechanische Bewegungen oder als Complexe solcher Bewegungen auffassen und daher einer genauen Messung an constanten Grölsen unter- werfen lassen, so ist diefs doch bei den Bewulstseinserscheinungen als solehen nicht der Fall; und sogar wenn man annehmen wollte, die Be- wegungen im Gehirn, an die ıhr Eintreten geknüpft ist, seien nicht blos ihre Bedingung, sondern auch ihre alleinige Ursache, mülste man doch einräumen, dafs sie sich uns selbst nicht als mechanische Bewegungen, sondern ausschliefslich als qualitative Veränderungen darstellen, die keiner räumlichen Bewegung gleichartig genug sind, um an ihr gemessen werden zu können, dafs es für sie kein mechanisches Aequivalent gibt. Wir sehen allerdings, dals gewisse Bewulstseinserscheinungen durch äufsere Reize, alle durch den Zustand unseres Organismus und die in demselben sich vollziehenden Veränderungen bedingt sind; und wenn diese ihre Be- dingungen untersucht werden sollen, ist auch die genaue Messung in der- selben Weise anwendbar, wie bei jeder anderen physikalischen und phy- siologischen Untersuchung. Das gleiche gilt von den Wirkungen, welche die psychischen Vorgänge auf den Leib und durch ihn auf die Aulfsen- welt ausüben. Aber diese Messung ihrer Bedingungen und ihrer Wir- kungen ist etwas anderes, als eine Messung der psychischen Vorgänge selbst. An die letzteren läfst sich keiner von den Masstäben anlegen, deren wir uns für die Messung der körperlichen Bewegungen bedienen. — Jede psychische Thätigkeit füllt allerdings, wie alles Geschehen, eine ge- wisse Zeit aus; und so können wir denn auch die Dauer einer stetig verlaufenden Reihe von psychischen Thätigkeiten auf die uns geläufigen Zeitmalse zurückführen, und wenn sie durch äufsere Reize successiv hervorgerufen werden, die Zeit und den Rhythmus ihrer Aufeinander- folge nach derjenigen der entsprechenden Reize bestimmen. Aber ihre Geschwindigkeit können wir nicht ebenso messen, wie die der mechani- schen Bewegungen, weil das Mals, dessen wir uns bei diesen bedienen, das Verhältnifs des durchlaufenen Raumes zu der Bewegungszeit, hier nicht anwendbar ist und durch keine analoge Bestimmung ersetzt werden kann. Denn das einzige, woran etwa gedacht werden könnte, die Zahl der in einem gegebenen Zeitraum vollzogenen psychischen Akte, lälst sich aus naheliegenden Gründen niemals feststellen; und ebensowenig 6 ZELLER: läfst sich die kürzeste Dauer eines solchen Aktes bestimmen, was man vielmehr derartiges versucht hat, beschränkte sich theils auf gewisse Sinnesempfindungen, theils war es schon defshalb sehr unsicher, weil nicht die Dauer der einfachen Empfindungen, sondern nur die Zeit ge- messen werden konnte, welche der Einzelne zu zwei aufeinanderfolgen- den Wahrnehmungen, oder zu einer Wahrnehmung und einer durch sie veranlalsten Bewegung braucht. — Jede psychische Thätigkeit hat ferner eine gewisse Intensität. Aber auch für diese fehlt es uns an dem festen Masstab, den wir besitzen müfsten, um ihre absolute Gröfse bestimmen zu können. Nicht einmal für die Sinnesempfindungen, wo man diefs noch am ehesten erwarten sollte, ist es möglich. Man könnte vielleicht ver- suchen, für jede Klasse von Empfindungen den mittleren Werth des kleinsten mittelst derselben wahrnehmbaren Reizes als Mafseinheit zu benutzen, und die Intensität jeder Empfindung in Vielfachen der ihm entsprechen- den eben merklichen Empfindung auszudrücken. Allein für’s erste sind diese eben merklichen Empfindungen nichts weniger als allgemein be- kannte und anerkannte, feste und unveränderliche Gröfsen, wie sie diefs doch sein mülsten, um als gemeinsamer Masstab für alle anderen dienen zu können; während sich vielmehr von der Länge eines Meters oder dem Gewicht eines Kilogramms jedermann mit leichter Mühe eine genaue und übereinstimmende Vorstellung beibringen läfst, würde man sich vergeblich bemühen, das gleiche Einverständnifs in Beziehung auf die schwächste Licht- oder Tonempfindung herbeizuführen. Sodann hätte aber auch die Anwendung dieses Masstabs mit unüberwindlichen Schwie- vigkeiten zu kämpfen. Die Aussagen unseres eigenen Bewulstseins über das Intensitätsverhältnifs unserer Empfindungen sind viel zu unsicher, als dafs sich in irgend einem Fall auf sie allein die Annahme gründen liefse, eine gegebene Empfindung habe, beispielsweise, die fünfzigfache oder hundertfache Stärke der eben merklichen Empfindungen dieser Klasse, Ist aber diese unmittelbare Messung der Empfindungen unthunlich, so bliebe nur übrig, sie mittelst der Reize zu messen, durch die sie erregt werden, indem man annähme, die Stärke jeder Empfindung verhalte sich zu der einer eben merklichen gleichartigen Empfindung, wie die Gröfse des Reizes, der sie erregt hat, sich zu der Gröfse des kleinsten wahr- nehmbaren Reizes gleicher Art verhält. Allein wir sind durchaus nicht Ueber die Messung psychischer Vorgänge. 74 berechtigt, das Stärkeverhältnifs der Empfindungen dem der äufseren Reize proportional zu setzen. Ein bekanntes Gesetz spricht ja vielmehr aus, dafs der Empfindungszuwachs nur dem Logarithmus des Reizzuwach- ses proportional sei. Wir müssen daher sogar bei den Empfindungen darauf verzichten, ihre absolute Stärke auch nur in dem Sinn zu be- stimmen, in dem bei Gegenständen der äufseren Wahrnehmung von einer absoluten Gröfsenbestimmung gesprochen werden kann. Bei allen an- deren psychischen Vorgängen liegt ohnediels am Tage, dafs es uns an einem Masstab zur Bestimmung ihrer absoluten Intensität ganz und gar fehlt. — Das gleiche gilt aber auch von der Qualität der psychischen Vorgänge. Die Messung könnte sich hier nur auf den Grad der Gleich- heit oder Ungleichheit, der Uebereinstimmung oder des Gegensatzes zwi- schen zwei Bewulstseinserscheinungen beziehen. Aber nach welchem un- veränderlichen objektiven Masstab liefse sich dieser bestimmen? Es könnte einen solchen, wenn überhaupt, nur für die Sinnesempfindungen geben; denn schon die sinnlichen Lust- und Schmerzgefühle richten sich keineswegs blos nach der Stärke der gegebenen Reize, die gleichen äufse- ren Einwirkungen rufen vielmehr zu verschiedenen Zeiten und bei ver- schiedenen Personen oft Gefühle von sehr verschiedener Qualität und Intensität hervor. Aber auch im Gebiet der Sinnesempfindungen sind es im Grunde nur die Unterschiede der Tonhöhe, für die sich ein objektiver Masstab ergibt; denn wenn auch die Qualität der Farbenempfindungen von der Schwingungszahl der sie erzeugenden Lichtstrahlen abhängt, so kann man doch nicht sagen, dafs sie an derselben gemessen werden könne: theils weil uns die Schwingungszahlen der verschiedenfarbigen Lichtstrahlen nur annäherungsweise bekannt sind, theils und besonders, weil die Farben für unsere eigene Empfindung keine im Verhältnifs der Scehwingungszahlen fortschreitende Reihe bilden: das Grün erscheint uns dem Roth um nichts ähnlicher, als das Blau oder das Violett, und was man gewöhnlich, auf Grund der unmittelbaren Empfindung, für den weite- sten Farbenunterschied hält, und in der Logik seit Aristoteles als ste- hendes Beispiel des conträren Gegensatzes gebraucht, Weils und Schwarz, bezeichnet gar keinen Unterschied der Farbe, sondern nur des Hellig- keitsgrades. Etwas anders verhält es sich allerdings in dieser Beziehung mit den Tonempfindungen. Wenn die Höhe der Töne mit ihrer Schwin- 8 ZIELILER: gungszahl steigt, so folgt daraus nicht blos im allgemeinen, dafs uns der Unterschied zweier Töne hinsichtlich ihrer Höhe um so kleiner erscheint, je kleiner, um so grölser, je gröfser der ihrer Schwingungszahlen ist, sondern es beruht hierauf auch die Möglichkeit, für die Höhenunterschiede der Töne in gewissen constanten Verhältnissen ihrer Schwingungszahlen, 1:2, 2:3, 3:4 u.s. w. ein festes Mafs zu gewinnen, das sich auf Ton- reihen von der verschiedensten absoluten Höhe gleichmäfsig anwenden läfst. Das ursprüngliche Mittel zur Messung der Tonhöhe und ihrer Ver- hältnisse besteht aber freilich weder in diesem noch in irgend einem an- dern künstlichen Verfahren: ihre Messung durch das blofse Gehör ist nicht allein um unvordenkliche Zeit früher, als die Kenntnifs der Schwin- gungszahlen, sondern sie wird auch von der weit älteren, schon in der pythagoreischen Schule ausgeführten Messung der Tonverhältnisse an der Länge der tönenden Saiten und von der ihr lange vorangehenden Ein- theilung der musikalischen Instrumente schon vorausgesetzt. Was jedoch für uns noch wichtiger ist: diese Messung bezieht sich nicht auf die Ton- empfindungen als solche, sondern nur auf die Beschaffenheit der Reize, durch welche diese Empfindungen hervorgerufen werden; fragt man da- gegen, woher wir wissen, dafs die Unterschiede der Empfindung, welche wir mit den Namen der musikalischen Intervalle bezeichnen, immer gleich grofs seien, dafs z. B. ein Ton von 128 Schwingungen von einem solchen von 256 ebenso weit entfernt sei, als dieser von einem Ton, der aus 512 Schwingungen in der Sekunde besteht, so kann man sich doch nur auf die Aussage unseres eigenen Bewulstseins berufen, dem eben die eine Entfernung der anderen gleich zu sein scheine. Und fragt man nun wieder, worauf diese Aussage sich gründe, und welches Verhältnifs un- serer Tonempfindungen mit dem Satz ausgedrückt werden solle, dafs ein Ton von einem zweiten ebenso weit entfernt sei, als dieser von einem dritten, so wird man kaum umhin können, der Ansicht beizutreten, dals es sich hiebei nicht sowohl um eine quantitative Messung, als um eine Ver- gleichung hinsichtlich gewisser qualitativer Merkmale handle. Zum Grund- mals für die musikalischen Intervalle ist dieser Ansicht nach die Oktave defshalb gewählt worden, weil hier die Klangverwandtschaft des höheren Tons mit dem Grundton die stärkste und auffälligste ist, indem jener die Theiltöne von diesem wiederholt, und ebenso sind die kleineren Inter- Ueber die Messung psychischer Vorgänge. 9 valle um so allgemeiner anerkannt und werden um so sicherer bemerkt, je ähnlicher sich nach demselben Masstab der Beurtheilung die Töne sind, um deren Vergleichung es sich handelt. Beruht aber auch diese Ver- wandtschaft der Töne auf dem Verhältnifs ihrer Schwingungszahlen, so ist es doch nicht dieses, unserer Empfindung gänzlich verborgene Ver- hältnils, sondern die qualitative Beschaffenheit der Tonempfindungen, auf welche die Bestimmung der musikalischen Intervalle sich ursprünglich bezieht. Alle diese Erörterungen werden nun dem Satz zur Bestätigung dienen, dafs die psychischen Vorgänge als solche überhaupt nicht in dem- selben Sinn melsbar sind, wie Raum- oder Zeitgröfsen, mechanische Bewegungen und Kräfte, weil es für sie an den unveränderlichen Mas- stäben fehlt, nach denen die Geschwindigkeit ihres Verlaufs, der Grad ihrer Stärke, ihrer Gleichheit oder Ungleichheit bestimmt werden könnte; und dafs es auch bei den Sinnesempfindungen immer nur die sie bedin- genden äufseren Reize und organischen Processe, aber nicht die Empfin- dungen selbst als diese bestimmten Bewulstseinserscheinungen sind, auf die alle genaueren Messungen sich beziehen. Die psychischen Vorgänge selbst sind uns nur in unserem Selbstbewulstsein gegeben, und können daher auch, abgesehen von einigen wenigen Eigenschaften, die sie mit jedem zeitlichen Verlauf theilen, nur mit Bewulstseinserscheinungen, also mit einander verglichen und an einander gemessen werden. Von welcher Malseinheit sollen wir aber hiebei ausgehen? Für mechanische Bewegungen und Kräfte läfst sich, wie bereits bemerkt wurde, an körperlichen Gröfsen ein Masstab finden; unter den geistigen Vorgängen ist keiner, dessen Dauer, Intensität oder Qualität sich so genau abgrenzen und so unver- ändert in der Erinnerung festhalten liefse, dafs wir sie als festes Mals an alle andern anlegen könnten. Hier sind wir daher weit ausschliefs- licher, als bei äufseren Dingen und Vorgängen, auf jene relativen Grölsen- bestimmungen beschränkt, mit denen zwar auch bei diesen alle Messung beginnt, die aber bei ihnen durch die Ausbildung unveränderlicher Mas- stäbe berichtigt und absoluten Bestimmungen angenähert wird. Wenn wir zwei gegebene Bewulstseinserscheinungen mit einander vergleichen, so ist die erste derselben der Masstab, den wir an die zweite anlegen: jede Aussage über ihren Grölsenunterschied spricht nur aus, dafs die eine Philos.-histor. Kl. 1881. Abh. Ill. 2 10 ZELLER: um einen Theil oder ein Vielfaches ihrer selbst über die andere hinaus- gehe oder hinter ihr zurückbleibe, sie liefert uns eine blofse Verhältnils- bestimmung; und auch wenn wir im Stande wären, dieses Verhältnifs genau in bestimmten Zahlenwerthen auszudrücken (wozu in Wirklichkeit unsere innere Selbstbeobachtung als solche uns nie in den Stand setzt), so erhielten wir damit immer noch keine absolute, sondern erst eine relative Gröfsenbestimmung. Wir wülfsten vielleicht, dafs ein Ton die doppelte Dauer oder Stärke eines andern gehabt habe, aber wie lange er dauerte und wie stark er war, könnten wir nicht angeben. Nun bilden sich allerdings aus der Erinnerung an eine grölsere Anzahl gleichartiger innerer Vorgänge ebenso, wie diefs bei Gegenständen der äufseren Wahr- nehmung der Fall ist, gewisse allgemeine Vorstellungen über ihren durch- schnittlichen Verlauf und Charakter; und indem wir diese aus unserer bisherigen Erfahrung abstrahirten, als Niederschlag derselben in uns zurückgebliebenen Gemeinbilder zur Norm für die Beurtheilung der neu auftretenden Bewulstseinserscheinungen machen, gewinnen wir ein Mittel, um sie an einer sich einigermalsen gleichbleibenden Gröfse zu messen. Wenn wir z. B. sagen, wir haben uns in einem gegebenen Falle gut oder schlecht unterhalten, so leitet uns hiebei die Erinnerung an die Art, wie wir uns gewöhnlich unterhalten, wir wollen mit dieser Aussage zu erkennen geben, dafs der Ablauf unserer Vorstellungen leichter oder mühsamer vor sich gegangen, die damit verbundenen Gefühle angenehmer oder unbefriedigender, lebhafter oder schwächer gewesen seien, als sie diefs durchschnittlich zu sein pflegen. Aber so viel auch die Sicherheit unserer Lebensführung durch diese Fixirung gewisser psychischer Durch- schnittswerthe gewinnt, so kann doch schon das obige Beispiel darthun, wie weit solche nur auf allgemeinen Erinnerungsbildern beruhende Urtheile von der Genauigkeit einer wirklichen Messung entfernt, wie relativ die Masstäbe sind, die bei denselben in Anwendung gebracht werden, und wie unsicher ihre Anwendung selbst ist. Denn es müssen schon sehr merkliche Unterschiede vorliegen, wenn wir überhaupt mit Bestimmtheit sollen sagen können, dafs wir uns das einemal besser unterhalten haben, als das anderemal; auf die Frage vollends, die doch bei jeder wirklichen Messung zunächst erledigt werden mülste: um wie viel die eine Unter- haltung von der andern an Werth übertroffen worden sei, ist augen- Ueber die Messung psychischer Vorgänge. 11 scheinlich gar keine Antwort möglich. Plato hat in der Republik (IX, 587, © fi.) allerdings ausgerechnet, dafs der wahre König 729 mal so angenehm lebe, als der Tyrann; aber im Ernste würde ihm wohl niemand diesen arithmetischen Scherz nachzumachen versucht sein. Diese Relativität aller psychischen Messungen erklärt nun einige Erscheinungen, die ich hier noch berühren will. Von malsgebender Bedeutung ist sie zunächst für die Gefühle der Lust und der Unlust. Die nächste Veranlassung jedes Gefühls liest in einer Veränderung unseres Zustandes, welche stark genug ist, um sich uns bemerkbar zu machen. Ob aber dieses Gefühl ein angenehmes oder ein unangenehmes, ein stärkeres oder schwächeres sein wird, diefs hängt lediglich von dem Verhältnifs des Eindrucks, den wir erhalten, zu dem Zustand ab, in dem er uns trifft. Derselbe Gegenstand ist nicht selten dem einen angenehm, dem andern unangenehm; der gleiche Vorgang ver- setzt eine Person in die lebhafteste Erregung, während er eine andere kalt läfst. Was in unserem Gefühl als solchem zum Ausdruck kommt, ist nicht die objektive Beschaffenheit und der objektive Werth des Gege- benen, sondern seine Bedeutung für uns: das Gefühl ist ein angenehmes, wenn die Veränderung unseres Zustandes, durch die es erregt wird, mit den in unserem Gesammtzustand begründeten Bedingungen unserer Lebens- thätigkeit übereinstimmt, und daher diese Thätigkeit fördert; es ist ein unangenehmes, wenn sie mit jenen Bedingungen nicht übereinstimmt und daher unsere Lebensthätiskeit hemmt oder stört. Und auch hiebei handelt es sich nicht um die allgemeinen und dauernden Bedingungen unserer Lebensthätiskeit, sondern nur um die in unserem jeweiligen, momentanen Zustand begründeten, die thatsächlich mit jenen zwar zu- sammenfallen können, aber nicht nothwendig zusammenfallen müssen. Unser sinnliches Gefühl belehrt uns darüber, ob eine Speise uns in diesem Augenblick zusagt oder nicht, aber nicht darüber, ob sie uns zuträglich oder nachtheilig ist; unser intellektuelles Gefühl darüber, ob eine Annahme mit unsern Ansichten übereinstimmt oder ihnen widerstreitet, aber für sich genommen nicht darüber, ob sie wahr oder falsch ist. Nun setzt sich allerdings unser Gesammtzustand in jedem Augenblick aus veränder- lichen und unveränderlichen, aus individuellen und aus generischen, zu der menschlichen Natur als solcher gehörigen Elementen zusammen; und DE 12 ZELLER: so gibt es freilich Dinge, die allen Menschen einen gleichartigen Eindruck machen, jedem angenehm oder unangenehm sind. Wir gewinnen ferner im Laufe unseres Lebens durch Erfahrung, Unterweisung, Gewöhnung, Uebung und Nachdenken Charaktereigenschaften, Neigungen und Ueber- zeugungen, welche uns als fester Masstab für die Schätzung des Gegebenen dienen; und es ist die Aufgabe aller Bildung und Erziehung, uns auf diesem Wege von dem Wechsel der äufseren Eindrücke unabhängig zu machen und uns zur Gleichmäfsigkeit und Folgerichtigkeit unseres inneren Lebens zu verhelfen: uns dahin zu bringen, dafs nur das Gute unserem sittlichen Gefühl zusage, nur das Schöne uns gefalle, nur das Wahre uns wahr erscheine. Wäre dieses Ideal in irgend einem Menschen verwirklicht, so würde der subjektive und relative Masstab seines Gefühls mit dem objek- tiven und absoluten des wissenschaftlichen Urtheils seinem Inhalt nach zusammenfallen; und so weit es in dem Einzelnen verwirklicht ist, stimmen beide materiell überem. Aber ihrer Form nach unterscheiden sie sich selbst in diesem Fall immer noch dadurch, dafs nur das Denken die Dinge nach einem absoluten Masstab beurtheilt, unser Gefühl dagegen als solches nur ein bestimmtes Verhältnifs des Gegebenen zu unserem subjektiven Leben ausdrückt. Wie es auf einen gegebenen Eindruck reagirt, be- stimmt sich zunächst immer nach dem inneren Zustand, in dem dieser Eindruck uns trifft. Ist dieser unser Zustand so beschaffen, dafs das an sich Richtige uns angenehm, das Unrichtige uns unangenehm ist, so wird der subjektive Masstab, den wir im Gefühl an das Gegebene anlegen, thatsächlich zwar mit dem objektiven übereinstimmen, an sich selbst aber ist er ein blos subjektiver und daher ein relativer. Wenn wir uns einer Veränderung unseres Zustandes bewulst werden, vergleichen wir den neu eintretenden Zustand mit dem bisherigen, dieser bildet den Masstab, nach dem wir den Werth des Neuen beurtheilen. War unser bisheriger Zustand ein angenehmer, so wird der neue uns nur in dem Malfse gefallen, in dem er ihn fortsetzt oder steigert, sofern er ihn dagegen stört oder hemmt, wird er zunächst ein unangenehmes Gefühl hervorrufen, gesetzt auch, dafs sich dieses in der Folge, wenn wir die Vorzüge des Neuen kennen gelernt haben, wieder verliert. War umgekehrt der bisherige Zustand ein unangenehmer, so wird uns seine Beseitigung angenehm, seine Fort- setzung und Steigerung unangenehm sein. Unser Gefühl mifst den späteren Ueber die Messung psychischer Vorgänge. 13 Zustand an dem früheren, so wie dieser aus dem Zusammentreffen aller seiner äulseren und inneren Bedingungen sich für unser eigenes Bewulst- sein gestaltet hat. Eben hierauf beruht die bekannte und vielbesprochene Wirkung des Contrastes auf das Gefühl. Der gleiche Verlust wirkt momentan erschütternder, wenn er uns ahnungslos, vielleicht in der Er- wartung des Gegentheils, trifft; dieselbe Freudenbotschaft aufregender, wenn wir nicht darauf gehofft haben. Die ergreifendsten tragischen Katastrophen sind die, welche über den Helden hereinbrechen, während er der Bedrängnils entronnen zu sein meint, wie Wallenstein, oder die er selbst dadurch auf sein Haupt herabzieht, dafs er die eigene Schuld enthüllt, indem er die fremde verfolgt, wie Oedipus; die durchschlagendste komische Wirkung entspringt aus dem Contrast zwischen dem scheinbaren Ernst der Lage und ihrer thatsächlichen Harmlosigkeit, zwischen der Nichtigkeit einer Sache und dem Pathos, mit dem sie betrieben wird. Diese Wirkung des Öontrastes beruht eben darauf, dafs unser Gefühl den Masstab für die Würdigung der Dinge zunächst dem Zustand entnimmt, aus dem wir in denjenigen übergegangen sind, auf den es sich bezieht. Wer einen seiner Angehörigen verliert, hat an sich selbst gleich viel verloren, ob er diesen Verlust erwartet hat, oder nicht; wem etwas Glück- liches widerfährt, der hat gleich viel gewonnen, ob er es gehofft, oder nicht gehofft hat; und nachdem der erste Eindruck vorüber ist, wird man sich auch schliefslich in dem einen Fall ebenso verhalten, wie in dem andern, die dauernden Wirkungen dessen, was wir erlebt haben, auch die psychischen, werden in beiden Fällen die gleichen sein. Wenn trotzdem das Unerwartete unser Gefühl um so viel lebhafter errest, als das, was wir vorhergesehen haben, so rührt dies lediglich von der Relativität des Masstabs her, dessen wir uns in unseren Gefühlen bedienen. Nicht anders verhält es sich aber auch mit unseren Sinnesempfin- dungen. Auch für diese gilt das Gesetz des Üontrastes. Das Weiss erscheint auf schwarzem Grund heller, das Schwarz auf weilsem Grund dunkler, jede Farbe neben ihrer Complementärfarbe gesättigter, als wenn sie für sich allein betrachtet werden; dieselben Speisen und Getränke machen einen verschiedenen Eindruck auf den Geschmack, je nachdem man diese oder jene andern vorher genossen hat; ein Stralsengeräusch, das die Bewohner einer grolsen Stadt kaum bemerken, kann dem, der an 14 ZELLER: ländliche Stille gewöhnt ist, überlaut vorkommen; und das gleiche wieder- holt sich bei allen Arten sinnlicher Eindrücke. Der Grund kann hier gleichfalls nur darin liegen, dafs durch den Contrast der Masstab unseres Urtheils verändert wird, denn die Empfindungen als solche sind (abge- sehen von einzelnen, zu der Allgemeinheit der fraglichen Erscheinung in keinem Verhältnifs stehenden Fällen) die gleichen, was für andere Empfindungen ihnen auch vorangegangen sind oder neben ihnen hergehen. Ein und dasselbe erscheint uns verschieden, je nachdem wir es mit diesem oder mit jenem andern Gegenstand vergleichen, weil unsere Vorstellung von ihm erst durch diese Vergleichung ihre volle Bestimmtheit erhält, und diese Verschiedenheit in der Beurtheilung des gleichen Gegenstandes wird um so grösser sein, je weniger wir für dieselbe einen aus früheren Erfahrungen abstrahirten constanten Masstab mitbringen, oder einen solchen nach .den Umständen des gegebenen Falles anwenden können. Nur als ein Specialfall des bisher besprochenen, für alle unmittel- baren psychischen Messungen gültigen Gesetzes wird aber auch das schon S. 7 berührte Weber’sche Gesetz anzusehen sein. Dieses Gesetz spricht bekanntlich aus, dafs der Unterschied zweier qualitativ gleichartiger und daher hinsichtlich ihres quantitativen Verhältnisses vergleichbarer Empfin- dungen als gleich grofs empfunden werde, so lange ihr Verhältnils sich gleich bleibt, welches auch ihre absolute Gröfse sein mag; dafs daher bei der Steigerung der äufseren Reize der Empfindungszuwachs nicht dem absoluten, sondern dem relativen Reizzuwachs (oder, was dasselbe, dem Logarithmus des Reizes) proportional sei. Dieses Gesetz gilt nun aller- dings nur innerhalb gewisser, von der absoluten Empfindlichkeit unserer Sinne abhängiger, Grenzen, und auch hier nicht ohne Schwankungen, welche sich eben daraus erklären, dafs wir nur die Stärke und den Stärkezuwachs der äufseren Reize, die der Gehirnreize dagegen so wenig, wie die der Empfindungen, direkt messen können. Wenn wir ferner nach den Thatsachen fragen, aus denen es abgeleitet ist, so erscheint (abgesehen von der Bestimmung der Tonhöhe, bei der es sich nach dem früher bemerkten nicht um ein quantitatives, sondern um ein qualitatives Ver- hältnifs der Empfindungen handelt) als entscheidend nur die Beobachtung, dafs die kleinsten für uns bemerkbaren Intensitätsunterschiede der Empfin- dungen, und ebenso die kleinsten wahrnehmbaren Unterschiede der räum- Ueber die Messung psychischer Vorgänge. 6) lichen Ausdehnung, innerhalb gewisser Grenzen nicht von dem absoluten, sondern von dem relativen Verhältnifs der entsprechenden Reize abhängen. Dafs es sich aber hiebei nicht um ein specielles, auf den eigenthümlichen Bedingungen der Sinnesempfindung beruhendes, sondern um ein allge- meines psychologisches Gesetz handelt, mülste uns auch abgesehen von den bisherigen Erörterungen schon durch den Umstand wahrscheinlich werden, dals dasselbe nicht blos auf die Unterschiede der Licht- und Schallstärke, des Druckes, des Gewichts, der Temperatur, sondern auch auf die Abschätzung der räumlichen Ausdehnung Anwendung findet. Wenn wir zwei horizontale oder vertikale Linien mit einander vergleichen, um zu bestimmen, welche von beiden die längere ist, so bilden den Gegen- stand dieser Vergleichung nicht zwei Empfindungen, sondern zwei Raum- gebilde, die sich uns erst aus einer bestimmten Combination gewisser Empfindungen ergeben haben, und die Vergleichung selbst besteht darin, dafs wir das uns von der Anschauung der ersten zurückgebliebene Erinnerungsbild an das Anschauungsbild der zweiten als Masstab anlegen. Zeigt es sich daher, dafs uns, beispielsweise, der Längenunterschied von 100 Linien und 101 Linien ebenso bemerkbar ist, als der von 100 Zollen und 101 Zollen, so folgt daraus nur, dafs jene kleineren Linien ein ebenso genaues Bild in uns erzeugt haben, als die gröfseren. Nicht anders wird es sich aber auch mit der Vergleichung unserer Empfindungen verhalten: je deutlicher sie sind, um so feinere Unterschiede zwischen ihnen und andern gleichartigen werden uns noch bemerkbar sein, um so gröfser wird, m. A. W., in Beziehung auf diese bestimmte Klasse von Empfindungen unsere absolute Unterschiedsempfindlichkeit sein; immer aber wird der Grad des Unterschieds zwischen zwei Empfindungen unserem eigenen unmittelbaren Bewulstsein sich ebenso grofs darstellen, wie der zwischen zwei anderen, wenn die zweite zu der ersten sich ebenso verhält, wie die vierte zu der dritten, weil wir für die Bestimmung desselben gar kein anderes Mafs haben, als das in dem Verhältnifs der verglichenen Empfin- dungen selbst liegende, und daher immer nur sagen können, dafs die Empfindung B um so oder so viel Theile oder Vielfache von A, nicht, dals sie um so oder so viel Theile oder Vielfache einer dritten, als absolutes Mafs an A und B anzulegenden Gröfse, von B differire; weil somit alle von uns bemerkten Unterschiede zwischen zwei Empfindungen 16 ZELLER: nur ein bestimmtes Verhältnifs derselben darstellen, und daher auch bei der Veränderung ihrer absoluten Grölse uns unverändert erscheinen müssen, so lange jenes Verhältnifs sich nicht ändert.!) Es ist aber aller- dings möglich, dafs unter gewissen Bedingungen das Verhältnifs der Empfindungen selbst sich ändert, während das der äufseren Reize als solcher sich gleich bleibt; und eben hierauf möchte ich die scheinbaren Abweichungen von dem Weber’schen Gesetz, welche die Erfahrung zeigt, zurückführen. Es wäre von Interesse, die Richtigkeit der im vorstehenden ent- wickelten Auffassung auch noch durch weitere Beobachtungen und Versuche zu prüfen, indem z. B. untersucht würde, wie es sich in dieser Beziehung mit der Beurtheilung der Farbenunterschiede verhält, welche ebenso, wie die der Tonhöhe, qualitativer Art sind; ob für die Beurtheilung der zeitlichen Ausdehnung das gleiche Gesetz gilt, wie für die der räumlichen, so dafs der Unterschied in der Dauer zweier Vorgänge (etwa zwei auf- einanderfolgender Töne von gleichem Klang und gleicher Höhe) gleich bemerkbar bliebe, so lange das Verhältnifs der beiderseitigen Dauer sich gleich bleibt. Je mehr thatsächliches Material solche Untersuchungen liefern, und je schärfer bei ihnen darauf geachtet wird, welcher Art die psychischen Vorgänge sind, auf die sie sich beziehen, ob es die Intensität oder die Qualität, oder die räumliche und zeitliche Verknüpfung unserer Empfindungen ist, um deren Messung es sich handelt, um so sicherer werden sie uns darüber unterrichten, ob wir es hier mit physiologischen oder mit psychologischen Gesetzen zu thun haben. 1) Die obige Deutung des Weber’schen Gesetzes, welche mir selbst von Anfang an als die wahrscheinlichste erschien, finde ich unter den mir bekannten neueren Dar- stellungen am bestimmtesten, wenn auch mit Beschränkung auf die Sinnesempfindungen, von Wundt, Physiolog. Psychol. 421 ff. 1. Aufl. ausgesprochen. Weiter vgl. m. G. E. Müller zur Grundlegung der Psychophysik 382 ff., wiewohl dieser selbst einer anderen rein physiologischen Deutung jenes Gesetzes den Vorzug gibt. Der Tempel der Athena Polias zu Pergamon von H" RICHARD BOHN, vorgelegt von H"" ALEXANDER COONZE. Philos.-histor. Kl. 1881. Abh.IV. 1 ii ” £ 1 hr 189193 118 20T sa), Tb Joint se as Y he ad da hr in A i Tr ka Yd, u Ba B ir “. ya f 7 WIEPEG vr Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 7. Juli 1881. = a Bu [4 Beisits bei der von Hrn. Humann angeregten und durchgeführ- ten Wiederentdeckung des grofsen Altars auf der Burg zu Pergamon lieferte die Ausgrabung und der Abbruch der Festungsmauer zahlreiche Bruchstücke, welche darauf hinwiesen, dafs man sich auch dem Heilig- thume der Athena Polias, dem ältesten und vornehmsten der Burg, nahe befand. Zwei Inschriften enthielten die Bestimmung, derzufolge sie einst im Hieron der Athena aufgestellt waren. Dieses Hieron konnte nicht ohne einen Tempel gedacht werden; denn das auf den Münzen von Per- gamon abgebildete alte Idol der Göttin stand gewils unter Dach. Jene zwei Inschriften aber waren längst von ihrem ursprünglichen Standorte entrückt und in die grofse Festungsmauer verbaut. Aufserdem galten acht andre Inschriften einzelnen Priesterinnen der Athena Polıas. Vier wiederum gehörten zu grofsen Weihgeschenken; als Gottheit, der die Darbringungen galten, erschien Athena entweder allein oder neben Zeus, wie sie mit ihm ja auch in den Hochreliefs des Altars besonders ausgezeichnet hervortritt. Von den im Umkreise des Altarbaus gefundenen Bildwerken stellten ferner eine unbedeutende Mar- morstatuette, so wie ein Relieffragment Athena dar. 12 4 Rıcnarp Bonn: Endlich kam aber aus der grofsen Mauer beim Abbruche eine un- kannelirte Säulentrommel 'von Trachyt zum Vorschein und auf ihr eine Inschrift, welche die Säule ausdrücklich als eine Weihung an die Trito- geneia bezeichnet. Ich lasse diese Inschrift hier in Facsimile folgen. Aus diesem erhellt beim Vergleiche mit den übrigen uns überkommenen Inschriften, dafs alle für den Wandel der Formen besonders charakte- ristischen Buchstaben in ihr erheblich alterthümlicher sind, als die der sonst frühesten für uns datirbaren Inschriften der Königszeit, nämlich die Attalos des Ersten. Bei der ersten vorläufigen Mittheilung der Inschrift!) habe ich zu Anfang das Wort zieva, ergänzt. Dieses kann aber wenigstens unmittelbar vor revde nicht gestanden haben; wiederholte Nachverglei- chung ergiebt vielmehr ein auf cs endendes Wort. Hierzu ist noch zu bemerken, dafs die erste. der drei Schriftzeilen unmittelbar unter dem oberen Rande der Säulentrommel steht, so dafs sehr wohl auf der über dieser liegenden Trommel der eigentliche Anfang der Inschrift gestanden haben kann. Immer bleibt aber die Ergänzung xieva wenigstens dem Sinne entsprechend. Nicht ein auf der etwa einzeln stehenden Säule auf- gestelltes Anathem kann der Gegenstand der Weihung gewesen sein; denn die Säulentrommel giebt sich namentlich durch die tiefe Spur eines Ver- schlufses als Theil eines Gebäudes zu erkennen. Wenn man nun eine Widmung des ‚ganzen Baus nicht auf eine der Säulen aufgeschrieben suchen wird, so bleibt eben nur die Weihung der Säule selbst übrig. Weihungen einzelner Theile eines Tempels sind auch sonst bezeugt und haben an sich nichts auffallendes. Somit durfte man diese Trachytsäule 1) Die Ergebnisse der Ausgrabungen zu Pergamon. Aus dem Jahrb. der k. preufs. Kunstsammlungen Band I. Separatabdruck S. 75 f. Auf diesen Bericht mufs hier überhaupt verwiesen werden. Der Tempel der Athena Polias zu Pergamon. 5 mit einiger Wahrscheinlichkeit als zum Tempel der Athena gehörig an- sehen. Nur gewährte ihr Fundort, da sie als Baustück in der grofsen Mauer verwandt war, dennoch wiederum keinen direkten Hinweis auf den einstigen Standort des Tempels. Bei täglich wiederholter Umschau auf der pergamenischen Burg glaubten jedoch schon gegen Ende der ersten Ausgrabungscampagne die Hrn. Stiller und Bohn einen Platz als den wahrschemlichsten Standort des Tempels bezeichnen zu können. Sie faflsten jene hohe Terrainecke nördlich oberhalb des Altarbaus ins Auge, welche von dem auf antiken Fundamenten ruhenden höchsten türkischen Mauerzuge eingefalst war. Machte Hr. Stiller die für einen ausgezeichneten Tempel seines Erach- tens besonders geeignete landschaftlich dominirende Lage geltend, so glaubte Hr. Bohn, wenn auch einige aus dem Rasenfelde hervorragende Säulenstumpfe sich nicht mehr in situ befinden sollten, dennoch in ihnen und einzelnen dazu passenden Baugliedern gradezu Reste des Tempels vermuthen zu dürfen, und gab der ganzen Annahme auf Tafel II des vorläufigen Berichts Ausdruck. Die Säulenstumpfe waren unkannelirt und aus dem Trachyt des Burgberges gearbeitet, wie jener mit der Weihin- schrift; sie stimmten jedoch in den Maalsen nicht ganz mit ihm überein, so dals in so weit über die Zugehörigkeit der Inschriftsäule einiger Zweifel blieb. Bei allem Umhersuchen nach dem Tempelplatze war eine frühere Annahme!) bereits ganz aufgegeben, dafs nämlich der auf allerhöchster Höhe der Akropolis in seinen Resten noch ansehnliche Tempel korinthi- schen Stils der Athena geheilist gewesen sein könnte; denn bei genauer Untersuchung dieser Ruine hatte sich aus den Gründen, welche auf S. 94 des vorläufigen Berichts kurz zusammengefafst sind, ergeben, dafs der Bau dort oben vielmehr das im Jahre 29 v. Chr. errichtete Augusteum war. Die Hoffnung bei weiterem Nachsuchen in der Umgegend des Altarbaus noch Ergänzungsstücke zu den Skulpturen im Königl. Museum zu gewinnen führte im August 1880 zu einer Wiederaufnahme der Ar- beiten unter Hrn. Humanns bewährter Leitung. Vom December an trat ihm als Architekt Hr. Bohn zur Seite. Weitere historisch-topographische 1) Abh. der Königl. Akad. der Wissenschaften zu Berlin 1872, S.49. 61. 6 RıcuAarp Bonus: Aufklärung über die Akropolis der Attaliden konnte dabei nicht ausbleiben und Nichts durfte in dieser Richtung wichtiger erscheinen, als eine end- gültige Antwort auf die Frage nach Lage und Gestalt des Athenatempels als des Hauptheilisthums der Burg. Am 30. August 1880, wie ich den Berichten des Hrn. Humann entnehme, begann die Abräumung des Plateaus, auf dem, wie soeben dargelegt ist, vermuthungsweise der Tempel angesetzt wurde. Jene aus dem Boden herausragenden Säulenstümpfe erwiesen sich alsbald als auf späten Schutt ohne Fundirung aufgesetzt; auch andere ın sıtu befindliche Reste, die man dem Tempel hätte zuschreiben können, wollten sich zu- nächst durchaus nicht zeigen. Dagegen gab sich im Verlaufe der Auf- deckung der ganze Platz als antik gepflastert und im Norden und Osten durch eine Säulenhalle umfafst zu erkennen. Geläufiger antiker Weise schien es nur zu entsprechen diesen Platz nicht frei, sondern mit einem wichtigen Gebäude versehen zu denken, und dals auf einer Brüstung der Halle in reicher Zusammenstellung dem Land- und Seekriege ange- hörige Waffenstücke aller Art in Relief sich dargestellt zeigten, mulste aufs Neue zu der Annahme führen, dafs ein solcher baulicher Mittelpunkt des hallenumgebenen Platzes eben der Tempel der Athena Polias, die mit Beinamen Nıxy$eges genannt wurde, gewesen sein möchte. Dessen, wie einstweilen schien, vollständiges Verschwinden konnte immerhin durch fortgesetzte Benutzung des Platzes namentlich zu einem byzantinischen Kirchenbau, welcher bei der Aufräumung im Grundrisse hervortrat, er- klärt werden. Während die Ausgrabung inzwischen auch aufserhalb der Säulen- hallen fortgeführt wurde und im Osten derselben den antiken Eingang des oberen Burgplateaus, im Norden ein offenbar einst zur Bewohnung dienendes Gebäude mit unregelmäfsig zu einander liegenden Gemächern freilegte, gelang es endlich am 7. Februar d. J. Hrn. Bohn das Funda- ment und von da weiter beobachtend und schliefsend die schon früher in diesem Sinne ins Auge gefalsten Werkstücke eines dorischen Tempels als zu demselben gehörig zu erkennen. Dieser Tempel kann sowohl an sich, als nach Allem bereits sonst in Anschlag gebrachten und nach dem, was die Ausgrabungscampagne 1880/81 an neuen Fundstücken geliefert hat, nur der gesuchte Tempel der Athena Polias sein. Der Tempel der Athena Polias zu Pergamon. Y; Ich lege der Königl. Akademie die Entdeckung des Hrn. Bohn in seiner eignen Aufzeichnung als erste Mittheilung vor. Eine eingehen- dere Publikation bleibt dem in Vorbereitung begriffenen Werke über die Alterthümer von Pergamon vorbehalten. Conze. D.: Ausgrabungen der zweiten Campagne hatten auf dem Pla- teau nördlich des Altars bereits an manchen Stellen den gewachsenen Felsen freigelegt, an anderen zeigte sich hochalter Schutt als Füllmaterial, ein Zeichen, dafs dort niemals Fundamente gewesen. Bei genauerer Be- trachtung aber lenkten in dem westlichen Theile des Platzes einige zu- sammenhängende, direkt auf den Felsen gestreckte Platten meine Aufmerk- samkeit auf sich, die aus einem Material bestanden, wie es die Burg selbst liefert. Sie laufen in einer mit den übrigen Baulichkeiten diver- girenden, aber dem Westrande des Plateaus parallelen Richtung. Unmittel- bar nach einem Regen liefs aber die hellere Färbung der schneller trock- nenden, weil nur in dünner Schicht darauf lagernden Erde eine wenn auch unterbrochene Fortsetzung dieser Platten in südlicher Richtung er- kennen, namentlich aber auch zwischen ihnen und dem Westrande noch eine zweite Plattenreihe bemerkbar werden. Die in Folge dessen sofort begonnene sorgfältigere Reinigung dieses Abschnittes ergab zunächst, dafs wir hier die Reste von zwei parallelen eirca 1,35 Meter breiten Mauern vor uns hatten, deren von einander ab- gekehrte Seiten fluchtrecht waren, während die Innencontouren unregel- mälsige Linienführung zeigten. Dieser Umstand legte den Gedanken nahe, dafs beide Mauern zu einem Tempelstereobat gehören könnten. Beim weiteren Fortschritt der Grabungen, und nachdem der den nördlichen Theil deckende Rest einer byzantinischen Kirche abgebrochen war, kam denn auch die Krepis in ihrer Gesammtheit zu Tage, wie sie auf Blatt II, No. 1 dargestellt ist. Nördlich, östlich und südlich nur theil- weise noch in einer direkt auf den dazu geebneten Fels gestreckten Platte erhalten, westlich bei fallendem Terrain, noch bis zu vier Schichten 8 Rıcuarp Bonn: hinabreichend. Die Dimensionen bestimmen sich auf 13,02 Meter Breite bei 22,53 Länge. Die Längsaxe weicht nur um 5° östlich von der Süd- Nord-Linie ab. Die Orientirung ist also nordsüdlich, wie auch bei der Rekonstruktion des grofsen Altars angenommen worden ist, auf dessen Anlage also die Richtung des Tempels nicht ohne Einfluls gewesen sein dürfte. In dem so umschlossenen Areal trat durchweg der gewachsene Fels auf und schien anfänglich für jede weitere Erkenntnifs zu versagen. Erst die minutiöseste Reinigung liels einige für die Eintheilung entschei- dende Anhaltspunkte gewinnen: zunächst Reste der Fundirung für die westliche Cellawand, nördlich einige Platten, südlich nur unbearbeitete Blöcke zur Ausgleichung des unebenen Terrains, an letztere anschliefsend eine mittlere Quertheilung; sodann symmetrisch zu beiden Axen nahe der Nord- resp. Südfront je zwei Felsbearbeitungen, welche auf die sorgfälti- gere Fundirung einer Stütze hinweisen, also die Stellung der Säulen im Pronaos und Opisthodomus ergeben !). War somit die Disposition als die eines Peripteraltempels im All- gemeinen gegeben, so versagten die geringen Reste jedoch irgend einen Schlufs auf die Gestaltung des Aufbaus vollständig. Aufklärung hierüber konnte nur durch die vergleichende Messung sämmtlicher in der Umge- bung auf dem Tempelplateau und an dessen Hängen südlich und westlich verstreuten Bauglieder gewonnen werden. Dafs die schon im Vorjahr ver- muthungsweise als Theile des Athenatempels angesehenen Stücke wirklich zu ihm gehörten, bestätigten die Fundumstände sowohl, wie namentlich die Beobachtung, dals die ermittelte Triglyphenaxe von 0,79 Meter in der Eintheilung der Fundamentplinthen wiederkehrte. Nachstehend gebe ich eine kurze Erläuterung zu dem auf Blatt III, dargestellten System des Aufbaus, so weit es sich mit Sicherheit bestim- men liefs. Der Tempel war durch zwei Stufen von je 0,24 Meter Höhe über das ihn umgebende Niveau des Peribolus emporgehoben. Auf der Mitte jeder dritten von denjenigen Platten, welche die Oberstufe bildeten, stan- den die Säulen, je sechs in der Front, zehn in den Längsseiten; ihre 1) Die auf dem Plane dargestellten oblongen Eintiefungen sind in den Fels ge- arbeitete Gräber aus byzantinischer Zeit. Der Tempel der Athena Polias zu Pergamon. 9 Axweite beträgt 2,37 Meter, der untere Durchmesser 0,755, der obere 0,605 Meter. Sie bestehen mit Ausschlufs des Capitäls aus je fünf Trom- meln, und die Gesammthöhe von 5,25 konnte deshalb genau bestimmt werden, weil die entsprechenden Trommeln jeder Säule gleich hoch sind und zwar in aufsteigender Folge 1,248 1,120 0,961 0,876 0,750; hierzu kommt das Capitäl von 0,295 Höhe mit dreitheiliger Riemchenfessel, kleinem aber strammem Echinus und niedrigem Abakus. Während an demselben die zwanzig Oanneluren angearbeitet erscheinen, sind die Trom- meln glatt. Man muls also annehmen, dafs sie die letzte Vollendung nicht erhalten haben. Der Contour zeist eine schwache Entasis. Der Architrav, 0,480 hoch, besteht aus zwei neben einander liegen- den Blöcken, der äufsere glatt mit niedrigem Abacus und Tropfenresula, je einer halben an beiden Enden und dazwischen zwei ganzen; also ein direkter Beweis für dreitriglyphisches System. Das Innenstück ist nie- driger und hat zwei Fascien, auf welchen, aus einem besonderen Block gearbeitet und auf den dazu ausgefalzten Architrav übergreifend, ein Kyma mit Abacus ruht. Das Triglyphon 0,535 hoch, besteht aus einzelnen Blöcken, deren jeder eine Triglyphe von 0,310 Breite mit anschliefsender Metope um- falst. Das Relief ist gering, die Glyphen sind oben rund geschlossen. Darauf ruht das Geison, welches in guter dorischer Formenbildung verhältnilsmäfsig wenig Höhe (0,208) bei knapper Ausladung zeist. Für die weitere Gliederfolge versagen die Funde; wohl ist es wahrscheinlich, dafs einige unweit gefundene schlichte Akroterien die obere freie Endigung der Längsfronten bildeten, doch mulste von Darstel- lung derselben in der Zeichnung Abstand genommen werden, da nament- lich auch die Art ihrer Verbindung mit dem Geison fraglich erscheint. Die Cella erhob sich mit einer Stufe von 0,29 Meter über das Niveau des Pteron. Ist auch ihre Disposition nicht durchweg sicher, so erscheint doch die Gestaltung des Pronaos und Opisthodomus zweifel- los: je zwei Säulen zwischen Anten. Welche Trommeln zu den Säulen des Pronaos und Opisthodomos gehören, konnte Anfangs nicht fest be- stimmt werden; doch ergab sich schliefslich nach Material, Technik und Maafsstab, so wie aus dem Funde einer zweiten zugehörigen Trom- mel, dafs die oben S. 4 erwähnte Säule mit der Weihimschrift in der Philos.-histor. Kl. 1881. Abh. IV. 2 10 Rıcuarp Bonn: That dahin gehören wird. Die Anten sind mit einer der Front zugewen- deten Stirn und zwei anschliefsenden Schmalseiten gebildet und zwar als vertikale Pfosten abwechselnd mit Plinthen, welche in die Wand einbin- den. Gekrönt wird die Cellawand durch einen der Innenseite des Ar- chitravs entsprechend profilirten Block. Für die Rekonstruktion der wahr- scheinlich aus Holz hergestellten Pterondecke, der Giebelneigung und des Dachgerüstes fehlt jeder nähere Anhalt. Eine Thür ist durch die in Fragmenten vorhandene einfach profi- lirte Umrahmung mit krönendem Gesims bezeugt. Da einige Reste vor der gesicherten mittleren Trennungswand etwa als Theile der Fundirung einer aufgestellten Statue gedeutet werden können, so wird der Stand- punkt der Thür, was auch nach ihrer Formengebung wahrscheinlich ist, nur zwischen Pronaos, bezüglich Opisthodomus und Cella angenommen werden können. Zahlreiche seitliche Dübellöcher in den Säulen bekunden, dafs ein theils fester, theils beweglicher Verschlufs des Pteron vorhanden war. Unmittelbar vor der Südfront läfst die erweiterte Felsbearbeitung sich als Stelle für einen Altar deuten, womit eine daneben befindliche noch jetzt erhaltene Cisterne zum Wasserschöpfen in Verbindung gedacht werden könnte. Vor der Südwestecke fand sich der Rest eines vertikalen Ab- fallrohres aus Thon. Ich füge noch einige Bemerkungen über die Technik hinzu. Das Fundament zeigt exakten Fugenschlufs; sämmtliche Plinthen waren durch Klammerbänder und zwar aus Holz verbunden, die jetzt allerdings durch die eingedrungene Erdfeuchtigkeit vollständig verwittert sind; nur die Eekplatten sind durch noch vorhandene schmale Eisenklammern, sowie durch Vertikaldübel gehalten. Die Form der Holzklammer war annähernd stets die gleiche und zwar, wie aus dem noch gut erhaltenen Umrifs der Bettungen hervorgeht, in medio 0,23 lang, doppelschwalbenschwanzförmig, in der Fuge 0,045, an den Enden 0,065 breit, bei 0,030 Tiefe. Beson- dere Erwähnung verdient, dafs die in der Unterfläche befindlichen Eintie- fungen an den oberen Stylobatplinthen durch dünne Vertikalröhren mit der Oberfläche verbunden sind, was wohl nur dazu dienen konnte, das Vergufsmaterial, statt wie sonst seitlich, von oben einzuführen. Die Säu- lentrommeln haben einen Dübel in der Mitte mit seitlichem Gufskanal. Der Tempel der Athena Polhias zu Pergamon. al Als Maafseinheit ist dem gesammten Bau der Philetairische Fufs — 0,34994 zu Grunde gelegt; beispielsweise sei nur die Frontbreite, in der obersten Stufe gemessen, mit 12,250 — 35’, die Säulenhöhe mit 5,25 — 15’, die Gebälkhöhe 1,22 — 3}’ erwähnt. Um zum Schlufs auch auf die Benennung des Tempels als den der Athena Polias näher einzugehen, darf zunächst die Lage nicht unbeachtet bleiben (siehe den Situationsplan Taf. I). Sie ist besonders ausgezeichnet, nicht auf dem höchsten Gipfel, sondern auf der zunächst unterhalb des- selben gelegenen, aber weit vorspringenden Kuppe, wie wir einen solchen für Anblick und Aussicht gleich günstigen Standpunkt mit feinem künst-- lerischen Gefühl auch sonst wohl — ich erinnere nur an den Appollo- tempel bei Phigalia — gewählt finden. Als der Tempel gegründet wurde, war man in der Wahl des Bauplatzes noch nicht beschränkt. Wenn auch dieser Zeitpunkt nicht genau bestimmbar ist, so fällt er doch sicher vor die Königszeit. Denn hier bildet noch nicht Marmor, sondern der schlichte Stein, wie ihn der Burgfelsen selbst liefert, das Baumaterial, hier herrscht Holzverdübelung vor, hier zeigt sich strikte Gebundenheit in den Stofs- fugen bis in die Fundamente hinab und die Details sind streng gezeich- net: Alles Dinge, welche der Königszeit, wie die durch unsere Ausgrabun- gen wiedergewonnenen Denkmäler beweisen, schon vollständig fremd sind. Gehört die oben erwähnte Säule mit der Widmungsinschrift wirk- lich zum Tempel, so tritt der palaeographische Beweis für das Alter des Baues zu den andern hinzu, und die Benennung des Tempels ist dann an ihm selbst gegeben. Aber auch abgesehen davon lassen die Fundstücke in und um das Heiligthum die Athena in Bildwerk und Inschrift als die Tempelgöttin hervortreten. Die letzte Ausgrabungscampagne hat in unmittelbarer Um- gebung des Tempels zwei Athena-Statuen und ein Relief geliefert, auf welchem letzteren in ornamental symmetrischer Anordnung zwei Stiere vor dem Idole der Athena Polias von Löwen zerrissen werden. Ferner sind mehrere inschriftliche Weihungen an Athena namentlich von plastischen Stif- tungen der Könige auf und unterhalb des Plateaus gefunden worden. Sie alle mögen ihre Aufstellung rings um den Tempel, namentlich nördlich und östlich, gehabt haben, wo sich ein weiter plattenbelegter Platz aus- dehnt. Abgeschlossen war dieser an den gedachten Seiten durch eine erst I* 12 Rıcn. Boun: Der Tempel der Athena Pohas zu Pergamon. in der Königszeit hinzugefügte doppelgeschossige Halle, zweischiffig im Norden, einschifig im Osten. Die beifolgende Skizze zeigt das System, dessen Verwandtschaft mit dem der Halle Attalos des Zweiten in Athen augenschemlich ist. Auf den unteren dorischen Säulen, bei denen in Hö- henverhältnifs und Formengebung der Einflufs des Athenatempels offenbar erscheint, ruht ein dorisches Gebälk; das Obergeschofs hat ionisch canne- lirte Säulen. Dafs diese auch Capitäle gleicher Ordnung getragen haben, kann nach einem in diesem Sinne gebilde- ten Pfeilercapitäl nur als sehr wahr- scheinlich hingestellt werden, da sonst nichts gefunden wurde, was dahin pas- sen könnte. Das obere Gebälk endlich zeist ein Gemisch von ionischen und dorischen Kunstformen. Dafs aber ein älteres Heilisthum zur Königszeit in solcher Weise mit einem reichen Hallenschmuck umge- ben wurde, beweist unzweifelhaft die 1.100 hohe Bedeutung, welche dasselbe fort- dauernd besals. Und was in diesem Zusammenhange noch besonders auf die Athena Nikephoros als Göttin des Platzes hindeutet, sind die Reliefs, welche die Schranke zwischen den Säulen des Obergeschosses bildeten und mit Abbildungen der mannigfaltigsten Waffen und Kriegsgeräthe vollstän- dig ausgefüllt sind, eine sprechende Erinnerung an die Siege der perga- menischen Könige. Endlich läfst auch der Hauptrest der auf dem unteren Architrav befindlichen Weihinschrift .. AI in Anbetracht der Fundstelle am öst- lichen Ende der Nordstoa die Ergänzung AOHNAI POAIA]JAI als Schluls der Weihinschrift zu. * In, “ 4 ZEN PEN radırt : Ritter u. Riegel PR A SE rer EEK AAEN Br ‚Abh.d.k.Ak.d.Wiss.188l. aufg. u.rest v- R.Bohn. radırt:Ritter ı1 Riegel 1.150 * N ir NT DE TE ET ze = 2722025222 202 un Bun I a u ES Sl IE ET De rer ee ne ee a ee eg - han re a Bro D a Fa a: Zu H ui + . De ge, N er’ v * s + P ?. j Abh. dk. Ak. d.Wiss.l8äl: | WIE, ——— | DT, E rest:u.gez, wR.Bohn. : radirt: Ritter uw. Riegel {Be 2 r 5 EN i Ada Bar EZ — N, | iR: N k as Bed, N MR n ua K ie ‘ hr u). D Ä ie, Über die sprache des volkes Röng oder Leptscha in Sikkim H" W. SCHOTT. Philos.-histor. Kl. 1881. Abh. V. 1 2noH asıllor aob adoaıga sih 13dd ® sriddid ni adoarged 13560 5 Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 8. Dec 1881. FTOHRDA WW H NN rr er: fi H .t .ıida, Sat TA ‚wiuhheT D [} m" Wohnsitz dieses völkchens oder seiner überbleibsel ist die im nor- den an Tibet stoszende kleine alpenlandschaft Siıkkım zwischen Bütän im osten und Nepäl im westen. Von den Gürka’s nach unterwerfung des letzteren landes unterjocht, wurden die Röng (wie sie sich selbst nennen) in den ersten jahrzehnten unseres jahrhunderts durch die indobritische regirung wieder befreit, und die Briten gründeten in Dordscheling (tibe- tisch "jawelenort‘), der erquickendsten sommerfrische des ganzen Hima- laja, ein sogenanntes sanatarium welches 1835 an die Compagnie abge- treten ward. Nach oberst Mainwaring’s (vom bengalischen Stabskörper) einlei- tung zu dem von ihm bearbeiteten ersten lehrbuche des Röng (Caleutta 1876), welchem ein wörterbuch nachfolgen soll, sind oder waren wenig- stens die Leptscha ein harmloses naturvolk von einfachem gottesbegriff und einfachster lebensweise. Der aus Tibet ihnen aufgedrungene Lamais- mus soll ihren heimischen glauben geschädigt haben ohne ihn zu ver- drängen. Über die zeit ihrer einwanderung aus norden kann herr M., der, von dem gesichtstypus des volkes geleitet oder verleitet, dessen ursitze bis nach der Mongolei und Mandschurei hinauf rücken möchte, genauere kunde nicht geben. Man will nur wissen dass die Röng eine lange pe- riode hindurch unter vier auf einander folgenden oberhäuptern, deren erstes etwa im 15°” jahrh. u. z. regirte, ruhig und zufrieden lebten. Nach 1* + W. Scuort: Über die sprache des volkes des vierten häuptlings ableben bemeisterte sich ein Tibeter der herrschaft. Dieser sowohl als seine nachfolger vermischten sich mit töchtern des lan- des und verschafften dem Lamaismus eingang. Die fremden mönche stif- teten klöster, zerstörten angeblich handschriftliche urkunden des volkes und übersetzten eines ihrer eignen heiligen bücher unter dem titel Ta schi sung (s. w. u.) in die landessprache. Ein verfall in jeder hinsicht begann, wie herr M. behauptet, erst durch europäische einwirkung, besonders seitdem Campbell (Lord Clyde) fremden stämmen ohne unterschied der bildung und gesittung in Sikkim unterkunft verschaffte. Der verfasser hat das beinahe erdrückte völkchen von so liebenswürdigen seiten kennen gelernt, dass ihr schicksal ihm bis zur erbitterung gegen seine eignen stammesgenossen zu herzen geht. Ihre sprache als solche ist schon gegenstand seiner vorliebe und be- wunderung. !) Das vorerwähnte, durch tibetische mönche dem Röng angeeignete buch muss der beschreibung nach eine sammlung legenden sein deren held ein zum geistlichen oberhaupte beförderter Bödhiszattwa ist, viel- leicht der Dalai-lama selber. 7a schi sung soll in der Röngsprache ‘des Allsehers (Allwissers) geschichte heissen.?) Die schlauen mönche bedien- ten sich der jedem Leptscha geläufigen bezeichnung des undurchschaut alles durchschauenden wesens, um ihr werk den bekehrten desto glaub- und ehrwürdiger zu machen. Die Röngsprache wird mit einer buchstabenschrift geschrieben welche indischen ursprung verkündet. Wann und woher diese schrift nach Sikkim gekommen erfährt man nicht. Zu den dargestellten lauten der sprache gehört das den Tibetern wie den Hindu gänzlich fehlende f, dem / und r unmittelbar folgen können z. b. flet waschen, fram fürchten. Die sprache selbst wird aus bequemlichkeit den einsilbigen und unver- änderlichen zugezählt, obgleich sie sehr viele mehrsilbige wörter aufweist !) Beim schreiben derselben vertausche ich die englische art mit der deutschen. *) ‚Schi heisst allerdings ‘sehen’, aber auch 'existiren‘, woher schim a being. Was aber das vorgesetzte ta in dieser verbindung bedeutet ist mir unklar. Ein ta-schö der Tibeter (geschrieben bkra-schisz) propitious, lucky, welches mit zugegebenem ma mutter den namen einer weiblichen gottheit und mit /hun-po den des berühmten klosterpalastes bildet, gehört nicht hierher. Röng oder Leptscha in Sikkim. 5 und obgleich ausdrücke für grammatische verhältnisse der ihnen voran- gehenden wurzel oft etwas hinzufügen. ‚Die wortstellung entspricht ganz der des Tibetischen d. h. auch im Röng folgt das verbum ohne ausnahme seinem objeete, der positiv den steigerungsgraden, artikel, adjectiv, zahlwort folgen dem substantive, und statt der praepositionen giebt es nur postpositionen. Was aber den wortschatz betrifft, so wird die sprache im groszen und ganzen von der tibetischen wesentlich verschieden bleiben bevor neue schachte der laut- wandlung eröffnet sind. Probe sei vorläufig ein kleines dietum (seite 128) das herr M. aus- drücklich als dem Ta-schi-sung entlehnt bezeichnet: Tschho ma mat na gang, muk ndm hang man-po, won hang ma nun ne. Wenn man nicht religion übt, so kommt man ausser dem orte abgeschiedener (verdammter?) geister an keinen anderen.!) Wo ein wort der Röngsprache mit einem tibetischen von gleicher oder verwandter bedeutung sich lautlich deckt, trägt es häufigst das ge- präge der entlehnung, nur ausnahmsweise unverkennbarer urverwandt- schaft die übrigens auch im verhältnisse zu gewissen sprachen des landes Nepäl, der meisten bekannten idiome Hinterindiens und der sprache Chinas (wobeı besonders die südlichen dialecte letzterer und veraltete wortformen in betracht kommen) sich deutlich kund giebt. Vor allem gehören hierher die meisten grundzahlwörter von eins bis zehn, in welchen überhaupt eine reihe ursprachen beider Indien (dies- seit und jenseit des Ganges) wesentlich zusammenstimmen. Das ursprüng- liche wort für diese oder jene zahl erscheint aber bald in nackter ein- silbigkeit, bald gleichsam verstecken spielend vor oder hinter einer auch 1) Wörtlich: Religion nicht machen (üben) nicht wenn, abgeschiedne geister ort ausser anderer ort nicht ist nicht. Tschho ist das tibetische tschhos2 oder tschhö religion als lehre und in ausübung; mdt heisst machen, ausüben; ma vor und na oder ne hinter dem was verneint wird sind zwei verneinungen die einander stützen statt eine bejahung zu erzeugen, zwischen ihnen wird ni sein und haben zu rin. ljäng heisst ort. Muk-nam übersetzt herr M. mit ‘departed spirits. Wenn man-pd ausgenommen, ausser (nach seite 128) auf mat in der bedeutung ‘to become, to acquire zurückgeht, so ist mir der weg mindestens dunkel. 6 W. Sonort: Über die sprache des volkes einsilbigen aber unerklärten zugabe welche dem wesentlichen stücke einige- mal sich einkörpert und es dann beinahe verschwinden lässt. Gehen wir nun ins einzelne, mit benutzung der fleissigen wörter- sammlungen Hodgson’s in seinen ‘Aborigines of India‘ (Cale. 1847). Eins heisst in der Leptschasprache kat, in zwei Naga-sprachen des Barmanenreiches khatu (ob chatu?) und katang. Kehrt vielleicht abge- kürzt wieder in ‚den zusammensetzungen ka-kjak sieben, ka-ku acht, ka-t zehn. Zwei ist Rat und Ri, doch letzteres nur in hu nr er zwei d. h. beide. Im Barmanischen entspricht das derbere natsch, im Tibetischen #zsz und m. Mi, ji und reines 7 sind die südchinesischen formen während das ar der Kassiasprache dem dumpfen nordehinesischen or oder ür sehr nahe wo nicht gleich kommen muss.!) Die stämme Bodo und Dhimäl (im nördlichen Bengalen) sprechen ne, dem aber bei ersterem die silbe man untrennbar vorhergeht und beim anderen die silbe /ong untrennbar nach- folgt. Der stamm Bähing in Nepäl hat die seltsame form mksı (ob ni + ksı?). Drei heisst sam. Diesem zunächst kommen: chinesisch sam, im norden sän, in Fu-tscheu sang; siamisch säm; Bähing sam; tibetisch sum, barman. sung und thong; Naga sam und säm mit vortretendem lan- gen d; Singpho (im Barmanenreich) süm mit ma vorher; Bodo tham (vgl. barman. thong) mit man vorher; Dhimäl süm mit long dahinter. Vgl. man-ne und Ae-long für zwei. Vier ist im Röng nur fa-h. Nagasprachen: phä-le, be-h, me-I, in einem dialecte sogar pazr, dessen zr (ob /r?) einen mittelton zwischen 7 und gelindem s darstellen mag. Dem dre der Bodosprache muss bie — bele zu grunde liegen. Barmanisch noch reines /@!?) Fünf nur fa-ngo; Naga: ba-ngd und pu-ngu; Sing-pho: ma-nga; Miri: ö-ngo. Ohne vorsetzlinge: chinesisch „gi, wi, und “; Bähing no; tibet. nga; siamisch ha. 1) Grammatik und wörterbuch der Kassiasprache von von der Gabelentz. 1858. W. Schott: die Kassiasprache im nordöstlichen Indien. 1359. 2) Hier lassen uns das tibet. & (b&), siamische sö und chines. s2y unter sich zu- sammenhaltend im stiche. Röng oder Leptscha in Sikkim. 7 Sechs nur ta-rak. Das praefix ta, auch the.kehrt wieder in dem ta-rok, the-lok zweier Nagasprachen; eine dritte hat i in i-rök. Die Kassia- sprache bietet uns ein praefix hin: hin-riu. Das krü des Singpho ist wohl ein verschobenes ruk; tibetisch rug; das khjok der Barmanen statt krok? Siamisch hok. Chinesisch im süden Juk, lok, lak, im norden du. Zu sieben und acht (ka-kjyak, ka-ku) fehlt jede parallele. Dagegen erinnert ka-kjöt neun, nach abzug des vorsetzlings, wieder lebhaft an die chines. formen güt, gu, ku, kiu, gau, an das gu der Tibeter, gyhut des Ba- hing, k&o der Siamer, kö der Barmanen. Auch die Naga sprechen ku und khu, aber nicht ohne vorgeschobenes a, tse oder i. Ganz absonder- lich wegen doppelanhangs erscheint das küu-hä-long der Dhimäl, Die Miri sprechen nicht minder rätselhaft zwei durch nang getrennte ko: ko- nang-ko. Das wesentliche stück des wortes für zehn (ka-ti), also ti kehrt deutlich genug wieder im Naga tschr, chines. schi, se u. s. w., Singpho si, barman. ischhe, tibet. ischu. Das tsch” der Naga wird durch i einge- führt: +-tschn. Wir machen also mit folgenden parasiten an der reinen zahlwurzel bekanntschaft: d am Nagaworte d-sam drei; d in den Nagawörtern i-rök sechs, -ihu neun und t-tschi zehn; & in dem ä-ngo der Miri; ka an den Röngwörtern für 7, 8, 9 und 10; hin am Kassiaworte hıin-rih 6; sı (oder ksi?) am Bähingworte nıksi 2; ta und the an Nagaformen für 6; long an ne-long zwei und sum-long drei der Bodo und Dhimäl; eingeschobenes nang im ko-nang-ko der Miri; ha—-long ım Ku-ha-long der Dhimal; ma in ma-sim drei und ma-nga fünf (Singpho); man in man-tham drei (Bodo); pu in pu-ng& und ba in ba-ngd fünf (Naga); me, pha, pa, fa, be und rei- nes b an formen für die zahl vier. Das persönliche fürwort erster person bietet uns die Röngsprache in den formen 96 und ka. Die erste derselben kehrt wieder im Bähing. Ferner entsprechen ihr das ngo der Miri und ngö, «wo des Chinesischen. Die andere form berührt sich stärker mit dem nga der Tibeter, nga der Barmanen, ngai der Singpho, ni der Naga. Die dritte person hu, aus deren einklang mit der bekannten semitischen ich keine folgerung zie- hen will, gehört in gleiche reihe mit dem v des Kassia, dem /ho der Ti- beter und den chinesischen gestaltungen kun, gu, khoıi, khi. 8 W. Scnorr: Über die sprache des volkes Zu den aus Tibet eingeschleppten wörtern oder phrasen gehören vor allem die von herren M. sogenannten 'honorary words’ welche er neben entsprechenden ‘ordinary words’ (s. 133—135) verzeichnet. Aus- nahmsweise sind jedoch beide ausdrücke, was herr M. übersieht, der einen sprache so erbeigentümlich wie der anderen: das ehrenwerte Zschan für auge z. b. ist allerdings rein tibetisch, aber auf das minder ehrbare mıg oder mik (chinesisch mok, muk, mi) machen beide gleichen anspruch. Ein Al in der bedeutung zwei ist oben erwähnt. Dasselbe nr be- deutet unter mehrerem anderen auch sonne und tag: so bei den Tibetern, meist mit der gefälligen zugabe ma: ni-ma,!) den Khasiern wo es ng? und sngi lautet, und in zahlreichen chinesischen gestaltungen wie niet, nat, it, jät, mi, &, &, i! Die Leptschasprache besitzt es gleichfalls, aber wie verschämt geborgen hinter einer für uns bedeutungslosen vorsilbe sa oder suk: sa-ni, suk-Nt. Das nor der Leptscha für ohr ıst deshalb merkwürdig, weil es einer parung des südchimesischen A mit dem nordchinesischen orh, wrh, welches letztere wie eine dumpfe oder am gaumen stecken bleibende form unseres deutschen wortes ohr sich ausnimmt, überaus ähnlich sieht. ?) Man könnte annehmen, Nor sei eine urgestalt und so auseinander gegan- gen dass den Südchinesen die erste und den Nordchinesen die zweite hälfte verblieb. Den tiefer sich einschachtenden sprachvergleicher dürften jedoch die beiden gleichberechtigten rein tibetischen wörter für ohr, nan und rna, ebenfalls zu nor führen. Andere zu denken gebende wörter der Röngsprache sind die nur im anlautenden p sich berührenden pa-no könig und pun-di königin. Das letztere geht vielleicht auf eine verschiebung des sanskritischen patnı uxor zurück. Dem ersteren am nächsten bietet sich das tibetische pon-po herr, oberhaupt, fürst, dessen stamm pon mit dem slawischen pan, ban und littauischen pon, z. b. in pönas herr, pondtis herr junker, ponawöt herr 1) Wenn herr M. auf s. 10 vermutet, ind‘, der name des letzten, den laut ang dar- stellenden buchstaben der Leptschaschrift, sei aus den tibetischen worten ni sonne und slawa mond entstanden, so muss ihm indu, ein sanskritischer name des mondes vorge- schwebt haben. Wir haben also hier ein vielleicht ‘unparalleled’ beispiel von zusammen- schweissung eines tibetischen kernwortes mit einem sanskritischen. 2) Kein europäisches r ist den Chinesen mundrechter als z. b. das Berlinische! Röng oder Leptscha in Sıkkım. 9 sein, überraschend gleich lautet. Mag hier der zufall gespielt haben, in jedem falle irrt aber herr M. wenn er pa-no so abteilt wie ich es nach ihm schreibe und das pa hier als bloszen vorsetzling betrachtet, wie es ihm bei /a-wa mond mit dem /a begegnet, denn das /a dieses wortes (tibetisch /la) ist ganz unbestreitbar die hauptwurzel.!) In manchem worte berührt das Röng sich mehr mit dem Chine- sischen als mit anderen urverwandten sprachen. Dahin gehört z. b. fük tun, chin. {E tsok, tsak, tso; khu können, 17] khöo; ju regen (pluvia), | Jü; mong traum (tibet. rmang), BE mong, mung, mäng; kom silber da seld, 2 kom im süden und ken im norden Chinas: metall, gold und geld; ong kind, == Jong, sg, ang; wi blut, m hät, hjüe, hjie; buk schlagen, ir pok, pö; rıı alt, 3Z- lau; g6 charity, 4 ng6, hjau (piety); mak sterben, HE mok, mak, mö; ngan sitzen, ruhen, Z£ ngan ruhe; schi sehen, in scht; schi sein (esse), FE schi; gen affair, business, kjen, kin, ken; schl wer, was? #4 schü; daher schri-mat welches ding, was? offenbar das chinesische u 39 schü wü, im dialeete von Canton schü mat, denn das zweite wort (sache, ding) lautet in diesem oo. mat. No weib und nu muhme, tante erinnern zunächst an Kim L, nu weib, mädchen, und IuR nal zitze, milch, mutter, gattin, gnädige frau; ferner an die tibetischen wörter nu-ma zitze und Aa-ma oder Na-mo hausmutter. Ein dem weiblichen geschlechte angeeignetes n oder % mit einfachem sowohl als doppeltem vocalischen nachlaut erstreckt aber seine herrschaft unermesslich weit über das uns vorliegende sprachengebiet hin- aus: wir begesnen ihm auf den entferntesten tundern der Samojeden wie an Ungarns äusserster grenze gegen Deutschland, vom ne, ne, nd, nei der nördlichen polarwelt bis zum nej (no) von Buda-Pest.?) 1) nt das n von pano durchaus dem kernwort entziehen will, der mag auf das chinesische = =] pd unumschränkter herrscher sich berufen. ?) Bedenklich wäre en hierherziehung der mongolischen wörter naidschi und naid- Phys. Kl. 1851. Abh. V. 2 10 W. Scrorr: Über die sprache des volkes Betrachten wir nun eine auswahl grammatischer eigentümlichkeiten der Röngsprache. Eine ansehnliche rolle spielen die teils trennbaren teils untrenn- baren vorsetzlinge (prefixes) ohne nachweisbare selbständige bedeutung. Dagegen fehlt jede spur von modification wurzelhafter con- sonantischer anlaute welche doch im verbum der Tibeter zeiten und arten (in heissender art zuweilen mit veränderung des stammvocals) zu unterscheiden pflegt und wobei gewisse nur consonantische vorsetzlinge einwirken. Bei aufzählung der untrennbaren 'prefixes' vergreift der verf. sich zweifelsohne in einigen fällen, indem er zum praefixe erniedrigt was die wurzel selbst ist. Das sa von sa-hör stern, sa-gor fels, sa-nöng schnee mag dieses subalterne amt unbehelligt verwalten, mit dem pa von pa-no und /a von la-wa z. b. (s. o.) verhält sichs gewiss anders. Das num von num-prüm altes weib und dem rätselhaften num-schim-no mensch hat die selbständige bedeutung 'geschaffenes ding‘, wirkt also in beiden offenbar zur bestimmung des begriffes. Da das zweite wort auf no weib ausgeht, so scheint der begriff ‘mensch’ hier aus beiden geschlechtern mit vortre- tendem ‘geschöpf’ gleichsam aufgebaut. !) Der trennbaren vorsetzlinge sind viel weniger. Zu diesen gehören beispielsweise ein langes d, wie in d-ka neben ka hand, «-fo neben Jo zahn, ein sa in sa-tsuk neben tsuk sonne, ein fa in ta-sö neben sö gestern. schiner, obgleich Kowalewski das erstere mit genossin, freundin übersetzt, das andere weib, frauenzimmer bedeutet, und obgleich z. b. suomi-finnische wörter wie neitsy, neiti, neito und wieder naise (nainen) für mädchen, weib, gattin auffallend anklingen. Aber nach Zwick im westmongol. wörterbuche ist naidschi freund überhaupt, nicht freundin allein, naidschiner ehegattin, und so werden wir hier an ein kernwort für einigkeit, gleichge- stimmtheit, harmonie der gefühle, daher verträglichkeit hingewiesen wie es uns sonst in den mongol. kernwörtern naisz, nair, auch nei und descendenten vielfach begegnet. Auch erklärt Kowalewski selbst 'naidschi barichw schlechthin durch freund nehmen, sich befreun- den (noapyanmsen). Analog ist nökür freund, gefährte, dann ehegatte (im munde sei- ner frau). 1) So schiebt der Tibeter seinen wörtern für mann und weib das wort für mensch überhaupt voran: szkje-mtho (tsche-mto) mensch-mann, szkje-ma (tsche-ma) mensch-weib. Röng oder Leptscha in Sikkım. al Tsuk ıst offenbar das ächtere Röngwort für den himmelskörper dessen an- derer, in sa-At steckender name, wie wir oben gesehen, dem tibetischen namen gleich lautet; der vorsetzling sa kann aber in beiden das tibetische sa (gsa) planet sein welches die Tibeter selber ihrem #r-ma sonne und sla-wa mond zuweilen missbräuchlich vorsetzen. Es giebt aber auch ein untrennbares d, dasjenige nämlich welches nennwörter und nebenwörter bildend verbalwurzeln vortritt. So entsteht aus Zschör sauer sein (tibet. szAjur, tschur) d-tschör sauer, aus nok schwarz sein d-nok schwarz (tibet. nay), d-nok mat schw. machen, schwärzen. Als dritte gattung praefixen werden wenige veränderliche aufge- führt, z. b. kum-bjong neben pum-bjong wolke, tuk-mo neben kut-mo dieb- stahl. Ist aber fuk oder kut hier wirklich praefix und nicht vielmehr kernwort und mo blosze zugabe? Nachsetzlinge sind ausser angehängtem, einen letzten eonsonanten schärfenden @ gewisse einfache consonantische laute die einer verbalwurzel an ende sich anschmiegen als bildeten sie mit ihr ein untrennbares gan- zes. So ist Akk-a rufe der imperativ von "ik rufen, dängng-a laufe, von däng laufen.!) Andere beispiele dieses @ in gewissen adverbialen aus- drücken, s. w. u. Von eonsonanten dienen Z, m und n als nachsetzlinge. So schiebt man ?zwischen die wurzel und ein den täter anzeigendes bo, desgleichen zwi- schen zwei verbalwurzeln von denen die zweite ein zulassen oder milderes heissen ausdrückt: di kommen, dit-bo a comer, dit-kön mag er kommen!?) Viel beliebter ist m oder n in dieser eigenschaft: $ sehen, sim-kön mag er sehen, söm-khu sehen können, jd wissen, verstehen, Jdm-bo prudens. An gewissen verben entscheidet der sprachgebrauch für »: dji geben, bjin-kön, li sprechen, /in-khu sprechen können. Wenn das durch vortretendes «4 zum nomen gewordene verbum 1) Beiläufig bemerke ich, dass noch ein o hinterher zum vollständigen imperativ ge- hört, also Kikka-o u. Ss. w. ?) Als radicaler schlussconsonant assimilirt sich ? dem w der partieipialen zugabe: maät-wung doing z. b. wird mat-tung. 12 W. Scuorr: Über die sprache des volkes auf einen vocal ausgeht so wird ebenfalls m, auch n oder ? der wurzel angehängt: rjü gut sein, d-rjüm der gute, kri bitter sein, d-krim bitter. N oder t geben in solchem falle öfter substantivische bedeutung: dju kämpfen, d-djut krieg, schlacht, hri heiss sein, a-hrum heiss, aber d-hriun hitze. Die verneinung bezeichnet ma vor dem verbum und gleichbedeu- tendes na, ne (in der heissenden art num, nun) hinter demselben.!) Das n von na, ne geht gern, den vorhergehenden consonanten schärfend, in demselben unter. Dasselbe kann ein erstesmal ohne seinen vocal an die wurzel treten und dann noch selbständig mit seinem vocale nachfolgen z.b. khu fähig sein, können, ma khu-n oder ma khun ne not to be able. Nach einem vocale verdrängt es das w der participien bildenden zugabe wung: mat-tung (statt mät-wung) doing, ma mät-tung (statt ma mdt na wung) not doing. Läugnet die verneinung einen durch zwei einander syonyme oder den begriff umschreibende verbalwurzeln ausgedrückten zustand, so schiebt sich ma zwischen beide: mik-krap augen schliessen, schlafen, statt des gemeinen fum: mik ma krap ne er schläft nicht, sak-tsching denken: sak ma tsching ne denkt nicht; den-ri glauben, den ma ri ne glaubt nicht. Veränderung des wurzelvocals kann, wenn ein wort, den zustand unserem ohre gleichsam malend zweimal nach einander ausgesprochen wird, bei der wiederholung eintreten. Beide male geschieht dies mit schärfung des endeonsonanten und nachtönendem a oder statt dessen mit dem adverbien bildenden nachsetzwörtchen la, z. b. lak-ka lok-ka unstät, flüchtig, hrjap-pa hrjöp-pa locker, schlaf; fuk-fjek-la zerrieben ; tum-tom- /a aufgeschwollen. Sehr ähnliche wortbildungen hat man im Mongoli- schen, Türkischen, Magyarischen, und selbst unser Deutsch hat sein bimmel-bammel, klipp-klapp, vermimpeln und vermampeln u. s. w. auf- zuweisen. 1) Ausdruck der negation durch einen lippenlaut oder n vor dem selbstlauter hat das Röng gemein mit dem Chinesischen (pu, mu, mo, wu, ue), dem Tibetischen (ma, mi), dem Türkischen im verbum (ma, mä), dem Mongolischen im verneinenden imperativ (bu, bü), und unserem ganzen arischen geschlechte (na, ne, me, mi). Röng oder Leptscha in Sikkim. 13 Etwas in der ganzen sprachenclasse wohl einzig dastehendes ist bezeichnung der verursachung durch hinter dem consonantischen an- fang eingeschobenes 7: pok to cast down, to depose, pjok to cause to cast down, thör to escape, thjör to cause to escape. Ein schlieszendes ng wird in solchen fällen 2: däng to run, djädn to fling away, hröng to ascend, hrön to cause to ascend. Als nachsetzwörter welche ihrem gebrauche nach den casus ari- scher sprachen analog sind, kann man die folgenden bezeichnen: sa, ka, mum oder m allein, nun. Sa ist das ‘mit’ des werkzeugs und der begleitung, dann zeichen des angehörens und dem genitiv zunächst: dan sa ngot messer mit schneiden; go ho sa ma bam na scho ich du mit (mit dir) nicht bleiben (wohnen, leben) werde. Za-jo sa ma bam mam sünde mit nicht bleibet, lebt nicht in sünden,!) pa-no sa phoröng könig für palast, königsburg. ?) Mum erinnert in seiner verkürzung an die wahrscheinliche urform der altaischen partikel zu bezeichnung des unmittelbaren, oft auch in unserem sinne mittelbaren objectes: hu-m bji ihn begabt er, ihm giebt er, ho mum li dich spricht er an, zu dir spricht er.) Ka bezeichnet ein räumliches und zeitliches insein (locativ), das mittel- bare object (wie im Tatar-türkischen), und ein streben oder absicht: hu ma di-nung ka ho nong khu er nicht kommend in (wann) du gehen können, d. h. kommt er nicht, so kannst du sehen; schu ka wozu? 1) Man sehe das oben über den ausdruck der verneinung gesagte. 2) pho-röng ist das tibetische pho-brang. 3) Vgl. meine Altaischen studien, heft 5, s. 10 ff. 14 W. Scnort: Über die sprache des volkes Nun entspricht unserem aus, durch, von, und steht wie das gleich- deutige tibetische Ayisz, gjisz (tschi, dschi) sehr oft als zeichen des logisch gefassten subjeetes; es scheint besonders angebracht wenn ein ganzer vom nachfolgenden verbum regirter satz zwischen beide sich einschiebt. Hier ein par längere beispiele von denen das zweite dem buche Ta-schi sung (s. oben) entlehnt scheint: Hu ma-rö re gum to num er mensch der ist wen durch a-djut ka gje-fat. schlacht in siegen. Er ist's der im kampfe gesiest hat. Hu nun hu-ju-ka kasu a-mle-m er durch ihnen mein antlitz ik sa-thala ma schi na scho wieder jemals nicht sehen werdet yang |. so sprach. Er spricht zu ihnen (sagt ihnen): ihr werdet mein antlitz nie wieder sehen. Ma-ro jän-bo nun bong kjang Mensch verständig durch mundwinkel Yu ren mik kjang Yu ren zucken aus, augenwinkel zucken aus Röng oder Leptscha in Sıkkım. 15 schi wang jd scho sehend verstehen wird. Ein verständiger sieht am zucken des mund- und augenwinkels was der andere meint. d j f r Kunde er } j nah oh hucnı Br win m. v Die Sargonsstele des Berliner Museums. Von H" SCHRADER. Philos.-histor. Kl. 1881. Abh. VI. 1 Eu u 5 5 Ei aa en Kr er 1,9 1 PT} Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 2. Jani 1881. aan Sara >? i ei er HArHNN 13 . o" Nr . - - » , = - * » IB» schwarze Stele des Königs Sargon von Assyrien (722—705 v. Chr.), welche sich im hiesigen Königl. Museum befindet, ist mit ihrer Inschrift bereits wiederholt der Gegenstand wissenschaftlicher Behandlung gewesen. Nachdem schon im J. 1850 H. Rawlinson bei einer Durchreise die Ber- liner Stele als eine solche König Sargons erkannt und bezeichnet hatte!), hat derselbe unter der Assistenz von George Smith im III. Bande des englischen Inschriftenwerkes pl. 11 den Text herausgegeben, und der letz- tere hat alsdann in der Zeitschrift für ägyptische Sprache und Alterthums- kunde Jahrg. 1871 S. 68 ff. unter Beifügung einer Transseription des Textes eine gewissenhaft gefertigte Übersetzung der Inschrift gegeben. Mit derselben hält die drei Jahre später erschienene Übersetzung M&- nant’s (Annales des rois d’Assyrie, Paris 1874 p. 206—8), der einst mit Oppert zusammen den Grund zum Verständnifs der Sargonsinschriften gelegt hatte, den Vergleich nicht aus. Aber auch die Übersetzung G. Smith’s bedarf wie desselben Textesedition in mehreren Punkten der Be- richtisung und Verbesserung, und dazu dürfte eine etwas eingehendere Untersuchung über Ursprung, Zweck und nähere Beschaffenheit des Mo- numentes wünschbar sein. Vielleicht kann das Nachfolgende in etwas die Lücke ausfüllen. 1) Athenaeum 1850 Nr. 1166. Vgl. L. Rofs, Reisen auf den griechischen In- seln IV, 87 Anm. 6, sowie des Verfassers „Keilinschriften und Geschichtsforschung‘“, Giefsen 1878 S. 245. 4 SCHRADER: Über die Art und die Zeit der Auffindung des Monuments, sowie über den Fundort, als welcher bei den Engländern aus einem noch nicht aufgeklärten Grunde Idalium auf Oypern, in der Mitte der Insel, silt, habe ich mich an der Hand der mir durch Herrn Dielitz vom K. Museum aus den Acten gemachten Mittheilungen bereits früher ausgesprochen (s. Keilinschriften und Geschichtsforschung, 1878 S. 245 fle.). Der Stein ward von Prof. L. Rofs im Spätjahr 1845 bei dem heutigen Larnaka auf Cypern, unter den Ruinen des alten Kition in einem Schutthaufen gefun- den, den Rofs als westlich von dem Teiche, dem Salzsee, dem Reste des alten Hafens, zwischen Larnaka und Marine, der jetzigen Hafenstadt, sich erhebend beschreibt. Ob dieses die ursprüngliche Stelle war, wo einst das Monument aufgestellt ward, ist freilich damit nicht gesagt. Durch Rofs wird nämlich dieser Schutthaufen für mittelalterlich erklärt, wenn- auch aus antikem Material erbaut. Der Stein kann somit erst später und von einer andern Localität hierher verbracht worden sein. Es wird die- ses sogar bis zu einem gewissen Grade wahrscheinlich, wenn man erwägt, dafs die Stele nur zu einem Theile, nämlich nach ihrem vorderen Theile noch erhalten ist; der hintere Theil derselben ist augenscheinlich abge- sägt und zwar, als die die Seitenflächen bedeckende Keilschrift bereits eingegraben war. Das ursprüngliche Monument war im Querdurchschnitt nahezu quadratisch. Die Wegsägung des hinteren Theiles ward vermuth- lich vorgenommen, als man das Monument zu baulichen Zwecken ander- weit verwenden wollte. Ich mufs dabei jedoch bemerken, dafs es bei dieser Verwendung des Steines zu baulichen Zwecken nicht sowohl auf den erhaltenen und uns beschäftigenden vorderen Theil der Stele, denn vielmehr lediglich auf das bis jetzt nicht wiedergefundene erheblich dün- nere hintere Stück abgesehen gewesen zu sein scheint. Wenigstens finde ich keinerlei Spur, die darauf hindeutete, dafs der erhaltene Rest des Steins jemals in eine Mauer oder Wand eingelassen, in diese eingemauert gewesen war; die Beschädigungen aber, die das Relief erlitten, können auf mancherlei andere Ursachen zurückgehen. Wie immer es sich indels mit diesem ursprünglichen Aufstellungsorte verhalten möge, daran kann kein Zweifel sein, dafs das Monument irgendwie im Stadtgebiete des alten Kition seinen Platz erhalten hatte, ein Umstand, dessen Wichtigkeit in historischer Beziehung des Näheren ins Licht zu setzen nicht nöthig ist. Die Sargonsstele des Berliner Museums. 5 Die Höhe der Stele!) beträgt bis zur Spitze des Bogens 1,50+0,59 M. = 2,09 M.; seine Breite 0,68 M.; die der Seitenflächen je 0,32 resp. 33 M. (die Seitenflächen sind auf den beiden Seiten nicht ganz gleichmäfsig breit weggenommen). Da die erhaltene Stele lediglich die (gröfsere) Hälfte des ursprüng- lichen Monuments repräsentirt, das Gestein selber — nach J. Roth ist es Gabbro (Euphotide) — ein sehr festes und relativ schweres ist, so kann die Frage entstehen, ob es eine Wahrscheinlichkeit für sich habe, dafs die Stele wirklich in Assyrien gearbeitet und durch Mesopotamien und über das Meer nach Öypern geschafft sei oder aber vielleicht in Cypern selber durch einen dorthin gesandten Künstler hergestellt ward? — Im Hinblick auf das nicht unbeträchtliche Gewicht des Monuments in seiner ursprünglichen Gestalt, sowie in Anbetracht des Umstandes, dafs Gabbro nach Gaudry gemäfs einer gütigen Mittheilung Roth’s in Cypern an- steht, könnte man geneigt sein, Herstellung des Monuments auf Oypern selber, natürlich durch einen dorthin entsandten assyrischen Künstler, an- zunehmen; und dafs assyrische Künstler — fern von der Heimath — auch sonst derartige Sculpturen ausführten, ist bekannt. Ich begnüge mich, an das Relief Asarhaddon’s sammt Inschrift an der Felsenstrafse bei Beirut, an der Mündung des Nahr-el-Kelb, und die sonst dort in Keilschrift angebrachten Inschriften zu erinnern. Auch der Wortlaut der Stelle der Inschrift, in welcher der König von der Anfertigung und Auf- stellung der Stele redet, legst kein entscheidendes Veto gegen eine solche Annahme der Herstellung des Monuments in Öypern ein: der König sagt lediglich, dafs er die Stele mit seinem Bilde habe anfertigen, mit der In- schrift versehen und in einem der Thäler des „Landes Jatnan“ d. ı. Cy- perns habe aufstellen lassen (Col. II (IV), 43—53). Natürlich können diese Worte mit Rücksicht auf die künftige Bestimmung des Monuments be- reits in Niniveh selber gewählt und eingemeilselt sein; es ist diese An- nahme sogar die nächstliegende, zumal wenn man auf den Schlufs der Inschrift blickt, wo „von den Göttern“ die Rede ist, die da na tıdmtiı "rapastiv „in der weiten See“ wohnen und die den etwaigen Zerstörer des Mo- 1) Eine bildliche Darstellung der Reliefseite derselben habe ich in Riehm’s HWBA. 1374a gegeben. 6 SCHRADER: numents verfluchen möchten (Z. 66 ff.); dieses ist augenscheinlich vom Stand- punkte in Niniveh aus gedacht und geredet. Aber es hindert doch auch nichts anzunehmen, dafs der oder die die eyprischen Gesandten zurückbeglei- tenden assyrischen Künstler das Ooncept zu der Inschrift und die Vor- lage für das Relief von Niniveh mitnahmen, wie das ja in irgend einer Weise z. B. für Bild und Inschrift Asarhaddon’s an der Felswand bei Beirut sowieso anzunehmen ist. Anderseits darf freilich auch wie- derum nicht verkannt werden, dafs auch der Annahme der Anfertigung des Monuments in Niniveh selber und seiner Herüberschaffung nach Cypern eigentlich nichts Durchschlagendes entgegengestellt werden kann. Gewils wird der Transport eines solchen gewaltigen Steinblocks durch die mesopotamische Wüste seine Schwierigkeit gehabt haben; aber auf den Wegen, auf denen die Heere Assurs mit Sack und Pack hinzogen, auf denen die Assyrer von den Bergen des Libanon und des Amanus die Cedernbalken nach Niniveh transportirten, werden diese selben Assyrer, die dazu die Stier- und Löwencolosse fortzubewegen verstanden, vor der Überführung eines solehen Monuments bis an die Meeresküste und von da übers Meer nach Cypern nicht zurückgeschreckt sein. Entscheidend könnte vielleicht werden, wenn sich über die geognostische Herkunft des Steines des Monuments Sicheres ausmachen liefse, darüber nämlich ob, da Gabbro in Cypern sicher ansteht (s. o.), das Nichtvorkommen dessel- ben in Armenien und den die assyrischen Ebenen umgrenzenden Gebirgen sich constatiren liefse. Darüber aber gerade scheint sich bis jetzt nichts Sicheres ausfindig machen zu lassen. Herr Dr. Arzruni, ein mit der geognostischen Natur Nord-West-Asiens, insbes. Armeniens wıe Wenige vertrauter Gelehrter, an den ich mich in Abwesenheit des Herrn Roth wandte, vermochte mir über die petrographische Natur der Gegend um Mosul Sicheres nieht mitzutheilen. Er schreibt mir: „Tehichatscheff, der allein sich eingehender mit der Geologie Kleinasiens beschäftigt hat und dessen Belegstücke im Besitze unseres Museums sind, ist nicht soweit nach SO. vorgedrungen und thut der Sie interressirenden Gegend keine Erwähnung. Von Gabbro-ähnlichen Gesteinen giebt er blofs solche bei Göksün und Korkun-Su in Cappadocien an (Geologie de l’Asie Mi- neure I, 438. 455. 466)*.1) — Bei dieser Lage der Dinge wird man sich 1) Nachschrift. Constatirt scheint bis jetzt und zwar für Nordostsyrien, näher Die Sargonsstele des Berliner Museums. 7 bezüglich der ursprünglichen Anfertigung des Denkmals, ob in Niniveh oder in Cypern, wohl bis auf Weiteres noch bei einem Non liquet be- ruhigen müssen. Nämlich, um auch das noch anzufügen, aus der Be- schaffenheit sowohl der Seulptur als der Schrift des Denkmals lälst sich darüber, ob dadurch eine Herstellung des Monuments in Niniveh viel- leicht fraglich gemacht werden könnte, nichts aussagen. Sculptur und Inschrift tragen durchaus heimisch -assyrischen Typus, so eigenthümlich es sich im Übrigen gerade mit der Beschaffenheit der Schrift dieser In- schrift verhält. Und das führt uns auf etwas Weiteres. Unsere Inschrift ist, wie wir zeigen werden, die älteste derjenigen Sargonsinschriften, welche jenen eigenthümlich archaistisch gehaltenen Schrifttypus aufweisen, welchen die sogen. Khorsäbädinschriften, näher die Palast-Inschriften von Dür-Sarukin bieten. Die beträchtlich ältere Nimrüdinschrift (Lay. 33. 34), welche (s. das Nähere unten) jedenfalls noch aus der Zeit vor der Eroberung Babylons im J. 710 stammt, ist in dem gewöhnlichen ninivitischen Cursiv geschrieben. Dies kann nicht zu- fällig sein und wir werden schwerlich fehl gehen, wenn wir die Wahl des archaisirenden Schrifttypus eben mit jenem Ereignisse der Eroberung, Babylons durch den Assyrer in Zusammenhang bringen. Die überwun- dene chaldäische Königin der Städte übte bereits auf Sargon einen ähn- lichen, fascinirenden Einflufs aus, wie später auf Alexander. In Babylon nun aber wurden, so weit wir wissen, alle Steininschriften in archaisti- scher Keilschrift eingegraben, auch die Zeichen der Stempel der babylo- nischen Backsteine zeigen die archaistische Form. Die babylonische Öur- sivschrift war für die gewöhnlichen Thoninschriften (Oylinder und Täfel- chen) reservirt. In Niniveh hatte man dagegen das Cursiv seit lange auch auf Steininschriften: Obelisken, Platten, Statuen u. s. w. in Anwen- dung gebracht; nur ganz vereinzelt begegnen wir in späterer Zeit einer in archaistischen Zeichen eingemeifselten Inschrift, z. B. auf der Stele Samsi-Ramman’s im 9. Jahrhundert. Die Steininschriften Asurnafsirha- bals, Salmanassar’s II, Rammanirar’s III und Tiglath-Pileser’s II sind in ge- wöhnlichem, ninivitischem Cursiv eingemeifselt; und so auch noch die aus die Gegend südöstlich von Aleppo, das Vorkommen von Basalt zu sein, selber allerdings, wie Gabbro, ein plutonisches Gestein. S. Ed. Sachau in Monatsberr. 1881 S. 172; J. Roth ebenda 190. 8 SCHRADER: Sargons erster Zeit d. h. aus der Zeit vor der Eroberung Babylons stam- mende Inschrift des Nordwestpalastes zu Nimrüd, wo Sargon während der ersten Zeit seiner Regierung residirte (Lay. 33 flg.).!) Wie wenig geläufig den Steinmetzen oder Inschriftverfertigern diese archaisirende Schrift war, kann man gerade bei unserer Inschrift sehen, wo Col. I (ID) Z. 4 statt des archaistischen Gotteszeichens 8X in den Wörtern «di rabütı das gewöhnliche cursive Zeichen »>] auftritt (wie übrigens auch gleich an der Spitze der Frontinschrift! s. u. —); sonst fast durchgängig das ent- sprechende archaistische Zeichen (beide in derselben Zeile z. B. II, 18. 261). Für mu erscheint in der Regel das archaistische Zeichen; aber wie Col. IL (IV), 21, so kommt noch in der 5. Zeile vom Ende dem Tafelschreiber das entspre- chende eursive Zeichen in den Meifsel; das Zeichen für a erscheint wiederholt An regelrecht in der archaistischen Form T T, aber daneben doch auch wie- derholt in der ninivitisch-cursiven Yf (vgl. hierzu die unmittelbar auf einander folgenden Zeilen Col. II (IV), 21.22 u. ö). Dasselbe gilt von den Zeichen EITE neben ET; «JEE neben LI; >-T neben »-T-Y u.a. m. (7T tritt, soweit ich sehe, immer nur in dieser cursiven Form auf). Die Khorsäbädinschriften Sargons sind in dieser Beziehung er- heblich consequenter. Man wird so auf den Schlufs geführt, dafs diese Inschrift eine der ersten Inschriften Sargons nach der Eroberung Ba- bylons sei und irgendwie noch in die Zeit vor der Aufsetzung der Khorsäbädinschriften d. ı. aber noch in die Zeit vor der Vollendung des Prachtpalastes von Dür-Sarukin falle. Dazu endlich trifft die Auf- setzung der Inschrift, wie bereits oben bemerkt ward, in die Zeit, nachdem, wie wir der Inschrift selber (Col. II (IV) 28 ff.) entnehmen, die eyprischen Abgesandten nach Babylon gekommen waren, um dem 1) Das Alter dieser Inschrift bezw. die Zeit ihrer Abfassung lälst sich auf ne- gativem Wege, wie ich beiläufig bemerken will, ziemlich genau bestimmen. Die letzten Ereignisse nämlich, deren in derselben Erwähnung geschieht, sind die in das 5. Jahr Sargons — 717 fallende Eroberung Karkemisch’s (Z. 10. 22) und die in das 6. Jahr = 716 desselben treffende Unterjochung des Landes Karalla Z. 12 (der für das 9. Jahr — 713 berichtete Aufstand der Karalläer gegen die von Sargon eingesetzten assyrischen Statt- halter kann unter keinen Unständen gemeint sein). Die Inschrift wird nach diesen Er- eignissen, frühestens somit noch 716 oder 715 aufgesetzt sein; spätestens fällt ander- seits ihre Abfassung in die Zeit noch vor der Eroberung Babylons im Jahre 710. Die Sargonsstele des Berliner Museums. 9 Grofskönige ihre Huldigung darzubringen. Dafs aber diese Huldigung und das Ereignifs der Eroberung Babylons nicht aufser ursächlichem Zusammenhange stehen, bedarf keiner Erörterung. Schliefslich berichten die Annalen Sargons (Botta 91, 3—10) das Eintreffen der eyprischen Gesandten in Babylon ganz ausdrücklich für des Königs 13. Jahr, d. ı. aber für das Jahr 709. In die Zeit bald nachher wird auch die Anfer- tigung des Monuments fallen. Anderseits kann die Inschrift und somit das Denkmal selber auch nicht aus erheblich späterer Zeit stammen. Wie schon die allgemeine Lage der Dinge eine Anfertigung derselben nicht zu lange nach dem Eintreffen der cyprischen Gesandten in Babylon vermuthen läfst, die sei es den Stein ursprünglich als Geschenk des Königs mit zurücknehmen sollten, sei es nach dem heimgebrachten assyrischen Modell in Cypern demnächst die Herrichtung der Stele ihrerseits veran- lalsten, und das Gleiche nicht minder aus dem Umstande sich schliefsen läfst, dafs der König in dieser Inschrift das Ereignifs der Eroberung Babylons mit besonderer Ausführlichkeit und Geflissentlichkeit berichtet, welches somit gewissermalsen als das letzte grofse Hauptereignifs noch in frischer Erin- nerung war, so führt anderseits auf die gleiche Ansicht auch die ausdrück- liche Angabe auf unserer Stele Col. II (IV), 18— 22, dafs der König „vom Beginn seiner Herrschaft bis zum 3. Jahre“ den (babylonischen) Gotthei- ten: dem Bel und der Zirbänit, dem Nebo und der Tasmit, Geschenke dargebracht habe. „Bis zum 3. Jahre“ heifst es hier. Diese Aussage kann befremden und hat befremdet. Von wo ab ist hier gezählt? — und welcher „Anfang der Herrschaft“ ist in Aussicht genommen? — Man könnte — redet ja doch ein Assyrerkönig! — an den Regierungs- antritt Sargons als König von Assyrien und an sein 3. Jahr als assyri- scher Herrscher denken. Dafs diese Annahme mit dem Inhalte der Aus- sage des Textes Vs. 18—22 in absolut unvereinbarem Widerspruch steht, bedarf keiner Erörterung: erst seit 710/709 d.ı. seit dem 12., bezw. 13. Jahre seines ninivitischen Königthums drang ja Sargon überall in der hier vorausgesetzten Weise in Babylonien ein. So hat denn J. Menant kurzer Hand die Zahl II in die andere XI verwandelt, auf diese Weise das XI. Regierungsjahr (natürlich nicht campagne!) als Jahr der Aufsetzung der Inschrift der Stele gewinnend (Annales des R. A. (1864) p. 206. 208), offenbar in der Meinung, dafs die eyprischen Könige in diesem Jahre nach Philos.-histor. Kl. 1881. Abh. VI. 2 10 SCHRADER: Babylon gekommen seien. Nun aber ergiebt sich aus Botta 91, 3—10, verglichen mit den Parallelstellen, dafs dieses Jahr nicht das XI., sondern das XIII. Jahr des Königs war: die Änderung XI hätte wenigstens einer solchen in XIII Platz machen sollen. Beide Änderungen aber wären trotzalledem monumental gleich verwerflich: die Stele bietet klar und deutlich die Zeichen YJf d. i. IH: nur von einem „dritten“ Jahre des Königs ist in der Inschrift die Rede. Was für ein „drittes Jahr“ ist dann aber hier gemeint, wenn das dritte Jahr des Königs als König von Assur-Niniveh nicht in Aussicht genommen sein kann? — Schon die Aus- drucksweise: Tf (TER TI 8 «X = a-di III Sandti hätte auf die Spur führen können. Wenn auf assyrischen Königsinschriften von Regenten- jahren eines Assyrerkönigs d. h. von Jahren des Königs als König von Assur sonst die Rede ist, erscheint, auch bei Sargon, als Wort für dieses Regentenjahr das Wort „Ta palü, also z. B. ina Il. pali-ja; ina III. pali-ja ete. In unserer Inschrift nun aber begegnen wir an Stelle dieses »=Ta dem Ideogramme für „Jahr“ satt, nämlich ». Letzteres ist nun die gewöhnliche Bezeichnung des Regierungsjahres in Babylon und dieselbe erscheint auch auf assyrischen privaten Thontäfelchen aus der Zeit Sar- gons. Auf öffentlichen Monumenten sind es lediglich Babylonierkö- nige, die so von einem „AL — Sattu anstatt von einem „Ta — palü reden. Wenn wir nun in unserer Inschrift, d. i. aber auf einem öffent- lichen assyrischen Monumente, einer solchen Zählung nach Sandt! „Jahren“ statt nach pali „Regierungsjahren“ begegnen, so muls das einen besonde- ren Grund haben, einen Grund, den wir füglich nur in dem Umstande sehen können, dafs die Zählung, die wir hier haben, eben nicht eine assy- rische, denn vielmehr eine babylonische ist, d. h. aber in diesem Falle, dafs dieselbe sich nicht auf die Jahre des Sargon als „König von As- syrien“, denn vielmehr auf solche desselben als „König von Babylon“ bezieht. Die „Schenkungen“ an babylonische Städte, von denen an der betr. Stelle der Inschrift die Rede ist als solchen, die während des ersten bis dritten Regierungsjahres seitens des Königs gemacht wurden, beziehen sich auf die Zeit vom 1. bis 3. Jahr des „Königs von Babylon“ d. ı. aber auf die Zeit vom 13.—15. Jahr desselben als „König von Assyrien*“ — 709 —707 v. Chr. (s. KAT!, 333). In diesem Jahre 707 wird die In- schrift aufgesetzt sein. Da nun bis zu diesem selben 15. Regierungsjahre Die Sargonsstele des Berliner Museums. 11 d. i. 707 auch die grofsen Prunkinschriften ausdrücklich in ihrer Darstel- lung, wenigstens der kriegerischen Thaten des Königs, sich erstrecken wollen (Khors. 23; für die Annalen s. KAT!. 266), so leuchtet ein, dafs auch unsere Inschrift schliefslich etwa um dieselbe Zeit entworfen ist, wie die Inschriften des Palastes von Khorsäbäd. Immerhin läfst die von der der übrigen Prunkinschriften Sargons: der grofsen Khorsäbädinschrift, der Stierinschriften, der Inschriften des paves des portes, der weiteren der revers des plaques etc. erheblich abweichende Anlage der Inschrift; der Schrifttypus mit den tastenden Versuchen des Tafelschreibers, den augen- scheinlich ihm anbefohlenen, ihm aber noch ungewohnten archaistischen Typus in die Schreibweise einzuführen (s. 0.); dazu die Zählweise nach Jahren des Königs ausschliefslich als König von Babylon, nicht zugleich als „König von Assyrien“ (s. vorhin); endlich, was hier ent- scheidend ist, das gänzliche Stillschweigen über den sei es unternomme- nen sei es vollendeten Palastbau von Dür-Sarukin, darauf schliefsen, dafs die Ausführung derselben noch vor diejenige der Khorsäbädinschriften fällt, welche zu einander wieder in einem näheren Verhältnifs stehen, als unsere Inschrift zu diesen letzteren. Wahrscheinlich wurden — be- achte die ın den „Bemerkungen“ beigezogenen wörtlich übereinstimmen- den, theilweis geradezu identischen Passagen!) unserer Inschrift einerseits, der grofsen Prunkinschrift von Khorsäbäd anderseits — die Khorsäbädin- schriften überhaupt unter Zugrundelegung dieser unserer Inschrift (oder einer im Wesentlichen mit ihr übereinstimmenden) entworfen und durch die Hinzufügung insbesondere des Berichts über den Palastbau erweitert. Unsere Inschrift ward mit Rücksicht auf das letzte grofse Hauptereignils, die Eroberung Babylons, abgefalst, auf das hin ja unzweifelhaft eben die eyprischen Gesandten nach Babylon gekommen waren, wie denn der Be- schluls der Anfertigung des Denkmals vermuthlich noch während der Zeit !) Beachtung verdient in dieser Hinsicht gerade auch der für uns hier wichtige Abschnitt, in welchem (Khors. 144) von dem „III. Jahre“ der Herrschaft des Königs die Rede ist. Diese Aussage ist in der Khorsäbädinschrift, die ja (Z. 23) nach Jahren des Königs von Assyrien rechnet, einfach unverständlich. Dieselbe wird verständlich ledig- lich durch die Cyprus-Stele, welche ausschliefslich nach Jahren des Königs als Königs von Babylon d. i. aber „Sargons, des Kaisers“ zählt. Der betr. Abschnitt der Khorsä- bädinschrift ist gedankenloser Abklatsch der betr. Partie der Inschrift von Cypern oder einer anderen der Art. 9% p7 12 SCHRADER: der Anwesenheit der eyprischen Gesandten am Hofe des Königs zu Ba- bylon gefafst ward. Beiläufig sei bei diesem Anlals noch angemerkt, dafs der Plan der Erbauung eines Prachtpalastes und der Gründung einer Re- sidenz zu Khorsäbäd-Dür-Sarukin mit dem Ereignisse der Eroberung Ba- bylons und der Niederwerfung Chaldäa’s vermuthlich auch seinerseits in einem ursachlichen Zusammenhange stehen wird. Der Prachtpalast zu Khorsäbäd sollte der Kaiserpalast werden, der auch äulserlich in seiner grandiosen Anlage und glänzenden Ausführung ein redendes Zeugnils wäre der durch die Eroberung Babylon’s neu gewonnenen Machtstellung Assyriens. Wenden wir uns nunmehr zu der Inschrift selber, so sind uns von derselben erhalten lediglich die Inschrifttheile der beiden Seitenflä- chen, soweit sie nicht zugleich auf dem weggesägten Stücke standen, und dazu derjenige Theil derselben, welcher auf der Front- oder Reliefseite, von der Mitte an abwärts, eingemeilselt war, der aber bis auf wenige unzusammen- hängende Reste gänzlich vernichtet ist. @. Smith hat nun die Vermu- thung ausgesprochen (a. a. O. 68), dafs der unversehrte Stein noch eine vierte, jetzt völlig verlorene Columne enthielt, welche einst den „Raum zwischen den beiden Seitencolumnen“ ausfüllte. Es leidet wohl kaum einen Zweifel, dafs Smith der Ansicht war, dafs diese zwischen der ersten und zweiten Seitencolumne einzuschiebende Columne ihren Platz auf der jetzt weggesägten Rückseite des Monuments hatte, wie dieses in ganz ähnlicher Weise bei den Stelen Asurnalsirhabal’s, Salmanassar’s II (Karch), sowie insbesondere bei der Stele Samsi-Rammän’s der Fall war. Die Richtig- keit seiner Vermuthung steht für uns, obgleich Smith selber seine An- sicht nicht näher begründet hat, aufser Frage. Abgesehen von den nam- haft gemachten Analogien ergiebt sich dieses aus einer Vergleichung des Inhalts der zweiten Seiteneolumne mit dem der ersten einerseits, mit dem Tenor der Berichte der übrigen Sargonsinschriften, insbesondere der An- nalen und der grofsen Khorsäbäd-Prunkinschrift anderseits. Nachdem am Schlusse der vorigen (ersten Seiten-) Columne Z. 51—65 sehr ausführlich die Niederwerfung Hamath’s, die Gefangenfortführung des Königs und vieler Hamathenser, sowie die Ansiedelung von Assyrern in Hamath be- richtet ist, ein Bericht, der mit den Worten: „meinen Statthalter ... setzte Die Sargonsstele des Berliner Museums. 13 ich über sie und die Leistung von Tribut legte ich ihnen auf“ in sich völlig abschliefst, beginnt die erste Zeile der zweiten Seitencolumne mit den Worten: „[in Babylon], der Veste des Herrn der Götter, — — zog ich ein“ (1—3), eine Notiz, die in dieser Unvermitteltheit unter keinen Umständen an das am Ende der ersten Columne Berichtete sich ange- schlossen haben kann. Die Angabe setzt mit Nothwendigkeit den Bericht über den Kampf gegen Merodoch-Baladan, seine Besiegung, die Erobe- rung Babylons selber voraus: dieses muls vorher erzählt gewesen sein; es kann dieses nur in einer verlorengegangenen, eben jener hinteren, III. Columne berichtet gewesen sein. Bei einem Berichte ferner von der Ausführlichkeit, wie der unsrige, ist es ganz unmöglich, dafs so wichtige Ereignisse und Kriegsthaten, wie die Expedition gegen Gargamis-Karke- misch, die Eroberung Asdod’s, die Schlacht bei Raphia und die Gefangen- nahme Hanünu’s von Gaza u. s. w., von der Eroberung Samaria’s gar nicht zu reden, sollten in der Inschrift völlig übergangen sein. Wie sehr dieser Verlust einer ganzen und grolsen Columne der Inschrift zu be- klagen, bedarf zumal bei dem mannigfach Eigenartigen, das sonst ent- schieden die Inschrift in Inhalt und Form bietet, keiner Auseinander- setzung. Ich gebe nunmehr eine Umschrift des Textes der Inschrift, gemäfs der von mir in meiner Publication: „Assyrisches Syllabar“ u. s. w. Berlin 1880. 4. befolgten Art der Transeription, eine Übersetzung bei- fügend, sowie einige exegetisch-kritische Bemerkungen anschliefsend; be- schränke mich dabei aber auf die beiden Seitencolumnen, die sich, abgesehen von den je am Anfang oder Ende der Zeilen fehlenden Zei- chen, allein in einem überwiegend lesbaren Zustande befinden. Die hin- tere, mittlere Columne der Hauptinschrift ist, wie bemerkt, sowieso ret- tungslos verloren, und bezüglich der über den unteren Theil des Reliefs hinlaufenden, arg beschädigten und theilweis völlig vernichteten Inschrift bemerke ich lediglich, dafs, wie schon Smith vermuthete, dieselbe eine An- rufung der Götter enthielt, ähnlich dem Eingange der Obeliskinschrift Sal- manassar’s, der Stele Samsi-Rammän’s u. a. m. Von einer Reproducirung aber oder auch nur Restauration dieses Theiles der Inschrift kann keine Rede sein. In Folge des Umstandes, dafs die Inschrift auch über den erhaben gearbeite- ten Körper der Figur hin eingegraben war, des Theiles der Stele, der durch 14 SCHRADER: die Ungunst der Zeit weitaus am meisten gelitten hat, ist der ganze mitt- lere Theil der Zeilen dieses Eingangs der Inschrift bis zur 11. Zeile völlig und von der 12. Zeile an so gut wie völlig vernichtet. Einigermafsen lesbar sind lediglich diejenigen Zeichen, welche in der geschützten Ver- tiefung zwischen Figur und Stelenrand ihren Platz gefunden hatten. Was ich in dieser Hinsicht noch habe herausbringen können, ist dieses. Die Inschrift begann auf der Frontseite sicher Z. 1 mit den Zeichen »>T»>yyr d. i. mit dem Gottesnamen Asur, dem Namen des assyrischen Öbergottes. Am Schlusse der Zeile bieten sich noch lesbar dar die Zei- chen Yy HF > 7, die sich leicht zu »>T] TYy FH >T [T «dd. i. „Gott Sin“ (Mondgott); der Ausgang der Zeile bietet (JET \ d. i. irsi-tiv „(der) Erde“. Z. 4 beginnt mit dem Zeichen Sn, am Ende steht sicher £T; was folgt, ist unsicher. Die Eingangszeichen der 5. Zeile sind ver- muthlich »— ZYJYT ; am Ausgange derselben ist ein HH: noch einigermalsen sicher zu erkennen; das schliefsende Zeichen könnte ein 17 sein; es er- scheint auch Z. 6. Der Eingang von Z. 6 bietet deutlich den Namen des Sonnengottes »>-T £]. Z.7 sicher En; Schlufs undeutlich. Z. 8 viel- leicht £1- 1077 — pi. $a; Ausgang undeutlich. Z.9 am Beginn das Gottes- zeichen; Schlufs Y%y. Z. 10 am Beginn wohl >>] ; rechts ist Z. 10 noch deutlich das Zeichen 2 zu sehen. Z. 11 bietet einigermalsen lesbar ein gEYIF (9; Schluls 54. Von hier an hört die Öorrespon- denz der Zeilenanfänge und Zeilenenden auf, da die Keule, die der König in der Hand hält, auf der rechten Seite des Beschauers den Raum für Zeichen zu sehr beengte. Auf der linken Seite ist am Beginn der Z. 12 nichts Sicheres mehr zu erkennen; in der Mitte stand vielleicht ein zIy 2£T- ]. Alsdann folgt Z. 13 ein unverständliches (2 — zur, das aber vielleicht auch das Zeichen »+4 d. ıi. mu vgl. Col. 1 AI) Z.5 v. u. sein könnte; Z. 14 vielleicht ein sa m endlich Z. 15 begegnen wir noch dem unverkennbaren Gottesideogramm 8%. — Rechts ist Z. 16 noch sicher zu erkennen ein EP Tr; Z. 17 ein »TJAL; Z. 18 ein m EI?) Sr; Z. 19 ganz deutlich ein >T]1r MT «IE: 7.20 ziem- lich deutlich ein > mit doppeltem 91T & 0); Z- 21 ein wm El.oer} 7.22 vielleicht: „4 w 2 =]; Z.23 sicher ein (ET -. irsi-tv; 2. 24 Die Sargonsstele des Berliner ‚Museums. 15 wm ; 2.25 Ende (Mitte unsicher) das Zeichen Elaye-; endlich Z. 26 die Zeiahbn > 75 »-\ und Z. 27 in der Mitte w PT; am Schlufs vielleicht ein (JEJ. Auf dem unteren Theile der über die Figur selber hinlaufenden In- schrift kann man noch deutlich sehen, wie die Richtung der Zeilen war, auch hier und da noch die Reste der Buchstaben constatiren, ohne dafs indels an irgend eine Herstellung der Zeilen, kaum etlicher Zeichen, hinter einander (doch s. Z. 21) zu denken wäre. Trotzdem kann über Inhalt und Absicht des Ganzen der Frontinschrift kein Zweifel sein. Die Anrufung hinter ein- ander des Asur, Sin, Samas, assyrischer Gottheiten; nicht minder die zweimalige Erwähnung der Anunnaki, dazu das ıdu Marduk ... il rabüti 2.21, das wiederholte irsitiv, „der Erde“, was sich zu einem pakıd kıissat Samı u irsitiv, auch einem $ar irsitiv (Salmanassarinschr.) oder sonst sich leicht ergänzt, geben bei Vergleichung der ähnlichen Anfänge der grofsen In- schriften Asurnalsirhabals und Salmanassars an dıe Hand, dafs wir es mit einer Anrufung und Glorification der assyrischen Hauptgottheiten, bezw. der von dem Grofskönige für besonders heilig erachteten Götter zu thun haben. Von diesem Eingange ist die eigentliche Inschrift, welche mit der ersten, rechten Seitencolumne beginnt, durchaus unabhängig: die letztere be- ginnt völlig neu und ohne irgend auf diesen Eingang Rücksicht zu nehmen. Wir bezeichnen die Columnen, indem wir den Nummern der bei- den, abgesehen von den Anfängen bezw. Ausgängen der Zeilen, jetzt noch vollständig erhaltenen Seitencolumnen I u. II die ihnen ursprünglich zukommenden Zahlen II u. IV in Klammer beifügen; also: I (ID); II (IV). Die Relief-Inschrift bezeichnen wir durch ein in Klammer beigefügtes (I). Wir lassen nun zuvörderst eine Wiedergabe der Relief-Inschrift (I) in ihrer wenn auch noch so trümmerhaft uns überkommenen Gestalt fol- gen, und zwar indem wir gleichzeitig wenigstens annähernd ein Bild der Inschrift nach ihrer ursprünglichen äufseren Form geben. Zur Erläute- rung bemerke ich, dafs die durch lichte Schraffirung bezeichnete Mittel- fläche den vernichteten, über die erhaben gearbeitete Figur des Königs hinlaufenden Theil der Inschrift repräsentirt und dafs der rechts von oben hineinragende schmale, unbeschriebene Streif den vom König in der lin- ken Hand gehaltenen, oben mit einem Knopf versehenen (auf dem Monu- menten beiläufig arg zugerichteten) Streitkolben andeutet. Die Relief-Inschrift (I) lautet: 16 SCHRADER: ARE BEE ECT ı “To ARE: Ur > m Jr N 3 I dddrserseirneerterrerreiertt OL. 4 Tr III 5 Zn 1 2 6 1 APILITITTTTIEETITILETTIDTTHNINN =Y 7 2 MU an RE «+ FO 9 u PILTITTTLELLTLTLITDTTDLELDLITTTTTINN 10 nr << Z Sn = AZ) ir Ines ET ee) > a1 »=| 13 el 008 WrY /ILILILILLLILLILE Pan 25 Kin ZTIEITEIETTIN 16 TIER TTÄSTTETIETTIIS >, 17 Bm: az \ | + (Ill 1 Eat CO III HET EEELILLELTTLILL NET TR ern u > T >=] EB im an. ER \3 Fi | = FI EELEERIIEELLEELLODEELLDEILEREEEEELENEN FO wi=E = mann. Die Sargonsstele des Berliner Museums. 17 Die Inschrift der Seiten - Columnen. Text und Übersetzung. Philos.-histor. Kl. 1881. Abh. VI. 3 18 SCHRADER: Text.') Col. L.(M). 1. Sar-ukin Sarru rabu-u [sarru dan-nu) 2. Sar kıssatı sar mat Assur sakkanak [Bab-ılu) 3. $ar mät Sumiri u Akkadı $ar kıb-ralt arba-ti] 4. mi-gir ih rabütı a(?)-[...sa] 5. Asur Nabü [Marduk] 6. Sarru-ut la Sa-na-an u-sad-I[i- mu-Su-ma] 7. zi-kir Sumi-ja [nin’- ku) - 83. u-St-su-u a-na rı-[Sı-V-t] 9. 5a Sıpar Nipur Bab-[rvdu] 10. za-nin-us-su-un V-(tip-pu-sa] 11. Sa sabi ki-tin-ni mal-ba-[su-u] 12. hi-bil-ta-Su-nu a-|dan-ma] 13. u-Sa-as'--Si-ik mus-sik-kı Ür Dür-[il) 14. Uru-Ki, Arku-KI, I’r-[tu- Kl] 15. La-ar-sa-K]I, Kul-[unu- KT) 16. Ki-sik- KI Ür Ni-vit-(idu) La-[gu-da] 17. u-Sap-pih misi-[Su-un] ıs. za-ku-ut BAL. BI. KI u vr [Har-ra-nı] 19. Sa ul-tu ümi ru-[ku-t) 20. im-ma-Su-ma ki-tin-nu-su-un [ba-dıl-ta] 21. u-Ür as-ru-[us-su-un]. 22. Ina tukul-t ih rabüti lu at-|tal-lak-ma] 23. msi ndr mar-ra-u Ü-[h-t) 24. a-di ndr mar-ra-ti Sap-[ki-ti) 2. ki-.\-is-ık'al......)] 1) Bei der Drucklegung sowohl des transeribirten Textes und der Übersetzung, als auch der angeschlossenen Bemerkungen ist die inzwischen erschienene bezügliche Li- teratur thunlichst berücksichtigt. Die Sargonsstele des Berliner Museums. 19 Übersetzung. Col. I(ID. Sargon, der grolse König, [der mächtige König], König der Völkerschaar, König von Assyrien, Herr [von Babylon], König von Sumir und Akkad, König der [vier] Gegenden, der Erhörung findet bei den grofsen Göttern ..., [dem] Asur, Nebo, [Merodach] die Herrschaft ohne Gleichen über[gaben und] die Nennung meines [ruhmwürdigen] Namens herausführten wider die [Schlechtigkeit], der Sipar, Nipur, Baby[lon] wiederher[stellte], der den Leuten des Vertrags, wie viel [immer ihrer sind], ihre Schäden ersetzt. Ich machte botmäfsig’ die Städte Durfilu], Ur, Erech, I{rid], Larsa, Kul[lunu], Kisik, die Stadt der Wohnung des Gottes La[guda], führte [ihre] Bewohner fort. Die Gesetze der Stadt Asur und der Stadt [Harran], welche seit [fernen] Tagen in Vergessenheit gerathen waren, und ihre [in Abgang gekommenen] Verträge stellte ich [wieder] her. In Verehrung der srofsen Götter wahrlich wandle [ich einher]; so [unterjochte ich] die Bewohner der o[beren] See bis zur [unteren] See, RER SCHRADER: ul-tı mät Mu-us-ri a-di mät ... u-Sak-ni-3a SÜ-pu-U-a u-[par-ri-ru) Ül-lat Hum-ba-ni-ga-as avi’! [mät I'lamiı) u-ab-bid mät Kar-al-la, mät...... Ür Ki-Sl-si-im Ür [Har- har] mät Ma-da-ai mät Tl-[h-pi) la Ü-zi-bu pi-ri-[.....]. Nisi mät Hat-ti ki-Sid-[t ka-t-ja] ki-rib-Sun u-SÜ-Si-ba avi! Su-[ut(?)-sak- ja] a-na Saknu-u-u VÜl-su-nu as-[kun-ma] u-Sal-di-da si-[ru-us’-Su-"un] u-Sak-nı$ mät Man-na-[ai ..... mät An-di-a mät Zi-klir-tu) Ur-za-na $ar Ü'r Mu-sa-sir a-[di... (hi) Hal-di-a (ih) Ba-ag-bar-Yu vh-Su] a-na Sal-la-ti am-[nu-ma] [mät] Ur-ar-tu a-na pad [gim-ri-Sa] ..Sa-as. . !-$a-a nak-la-ba Pia ... msi] a-sib hb-3u a-na ar-[du-t}] -mi(d]-da si-bit-tu u... [di)-ik-t Ur-sa-a mät [Urta-av!)] [ina] sad U-$a-us’?) Sadi-i mar-si [a-duk] ta-ha-zi dan-nu Ü-[mur-ma ...) ina katd ram-ni-$u ina patri parzilli [Sib-bi-su] na-pis-ta-su u-[kat-t] mät A-ma-at-tu a-na pad [gim-ri-sa] a-bu-bis as-pu-[un]. (Ih) Ja-u-bi--di Sa[r-ra-Su-un] a-di kim-t-Su awel mun-tah-s[k- Su] Sal-lat mäti-su ka-mu-us-[su] 1) Geschrieben stand, wie G. Smith richtig vermuthet, das ideographische mät Akkad-ai im Sinne von mdt Urtai = mät Urartai. S. darüber KGF. 30; vgl. Khors. 31 und dazu Oppert. Für ein ausgeschriebenes mdt Ur-ar-ta-ai war auch auf der ver- stümmelten Columne kein Raum. 2) U-$a-nit? Sam-Sa-us? Sam-sa-nit? Die Sargonsstele des Berliner Museums. 21 von Ägypten bis zum Lande [. . .] unterwarf ich mir. [Ich zerbrach] die Heeresmacht des Humbanigas, des [Elamiters], knechtete das Land Karalla, das Land... .. die Stadt Kisisim, die Stadt [Charchar), das Land Medien, das Land Tflip]: ich liefs keine pirr.... übrig. Die Bewohner des Landes Chatti, die Beute [meiner Hände), siedelte ich in ıhrer Mitte an; meinen Statthalter setz[te ich] zur Verwaltung für sie ein, installirte ich [über sie]. Ich unterjochte die Mann[äer, ..... .], das Land Andia, das Land Zik[irtu]. Urzana, den König der Stadt Musasir, sam[mt .... .], den Gott Chaldia, den Gott Bagbar[tu, seine Götter], rechnete ich zur Beute [und] das Land Urartu nach seinem [ganzen] Gebiete Ä HAnde (2) die Bewohner, die darinnen salsen, in Knecht[schaft] brachtevieh.(?); Sieben Mr. 9 der Mannschaften des Ursä, des [Urtäers], [tödtete ich] auf dem Gebirge Usaus (?), unzugänglichen Bergen; die gewaltige Schlacht sah [er], mit eigener Hand mit dem eisernen Schwerte [seines Gürtels] nahm er sich das Leben. Das Land Amattu nach seinem ganzen Gebiete warf ich gleich einer Sturmfluth nieder. Jahubrdi, [ihren] König, 54. sammt seiner Familie, [seinen] Soldaten, 55. die Gefangenen seines Landes, gefes[selt], m [9 SCHRADER: a-na mät Assur all-ka-a] III. ©. narkabäti VI. ©. bat-[hal-l) na-as is ka-ba-bi is as-ma-[ri-%) i-na hb-bi-Su-nu ak-[sur-ma] Üh ki-sir Sarru-t-ja u-[rad-di) VI. M. III. C. avi! Assur-ai bil..... ina ki-rıb mät Ha-am-ma-t u-[sÜ-sib-ma] av! Su-ut-sak-ja avi’! [Sakmiti-ja) Üh-Su-nu as-kun-ma bil-tu ma-[da-tu) u-kin Üh-su-[un]. Col. II (IV). [a-na Bäb-i]lu ma-haz bl ik i-na Ü-W]- is hb-bi u nu-mur pa-ni [ha-dıs]) Ü-ru-um-ma [katä bil rabi)-Ü Marduk as-bat-ma fu-Sal-Tii-ma u-ru-uh Bit- Id- ki-tı [7. ©. L. IV. biläti XXVI ma-na VI SU huräst [bir-Su-u] I. M. VIII C. IV bilat! XAX ma-na [kaspi], bi-lat iri madi, par-zil-k [sa la] i-su-u ni-ba-su-un, [aban KA, aban) Ukni, aban PI, aban Mus-gir [aban .... abaln Muh-ri(?), II di-gil aban PI eh ] sa ni-ba la d-su-u [ubulti ta-kıl]-tu lubulti ar-ga-ma-nu [ubulti) bir-mi u KUM Bit ]-nu is Ör-nu ıs Sur-man [ka-Na ri-ık-ki bi-ib-lat sad Ha-ma-ni [sa Ü-ry-su-un ta-a-bu [a-na] Bilu u Zir-bäni-t Nabü [u Tas-mi'|-tuw u ih a-Si-bu-ut Ima-ha-zr]) mät Sumi’ri u Akkadı fultu vis] Sarru-t-ja a-di III Sandtı u =} Die Sargonsstele des Berliner Museums. [führte] ich nach dem Lande Assur ab. 300 Wagen, 600 Reit[pferde,] Schild und Spee[re] tragend, nahm ich unter ihnen [vorweg und] [fügte] ich meinem königlichen Antheile hinzu. 6300 Assyrer, [Besitzer von . .. .], [siedelte] ich inmitten des Landes Hammatu an; meinen Statthalter, [meine Beamten?] setzte ich über sie und Abgabe (und) Trilbut] legte ich ihnen auf. Col. II (IV). [In Baby]lon, der Veste des Herrn der Götter, [in dem Frohlo]cken des Herzens und unter Leuchten des Antlitzes [freudig] zog ich ein und [die beiden Hände des] grofsen [Herrn], des Merodoch, ergriff ich und machte zu einem Heilspfade den Weg zum Tempel Iakiti. 154 Talente, 26 Minen, 6 SU Gold, birsü (2), 1804 Talente, 20 Minen [Silbers], Tribut, bestehend in vielem Erz, in Eisen, dessen (Menge) [nicht zu] zählen war, [Ka-Steine], Ukni-Steine, Pi-Steine, Musgir-Steine, ... . Muchrü(?)-Steine, 2 dıgıl Pi-Steine, Bee ] die nicht zu zählen, [Gewänder] von violettem und Gewänder von rothem Purpur, [Gewänder] von Birmi' und KUM, Kahn ]» Cedernholz, Surmanholz, [jegliches] Grün, Erzeugnils des Amanusgebirges, deren [Wald] ein guter, [dem Gotte] Bel und der Zirbänit, dem Nebo [und der Tasmi]t, sowie den Göttern, welche wohnen in [den Städten] von Sumi’r und Akkad, [von Beginn] meiner Herrschaft bis zum 3. Jahre 94 SCHRADER: 22. [u-ka]-i-Sa ki-sa-a-ü. 23. [U-pi-V-r]i Sar Dil-mun KI sa ma-lak XXX kas-bu 94. [ira kabal tiäm]-tv Sa ni-pi-ih sam-si 25. [Ama nüni Sit)- ku-nu nar-ba-su 2». [da-na-an] Asur Nabü Marduk 27. [S-miÜ)-ma 18-pu-ra ar-du-tav; 23. [w VII Sarra]-ni Sa mät Ja- na-gi-r 29. [5a mät At)- na-na $a ma-lak VII ü-mı 0. [-na kabal] täm-tv V-rıb sam-$i 31. [St-ku-nu]-ma ni-sa-at su-bat-sun 32. [5a ul-ti) dmi ruküti si-bit mät Assur a na ina Sarra-ni abütl-ja 34. [a-h-kut] mah-ri ma-am-man 35. [la is-mJu-u zi-kir mäti-Su-un 36. Pp-Sit ina) ki-rib mät Kal-di u mät Hat-u 37. [-Hb-bu]-su i-na kabal tiäm-tiv 33. [ru-kis is ]- mu-ma lib-bu-Su-un ü-ru-ku 39. [hat-tu ik-Su-)da-Su-un. Hurasu u kaspu 10. [u-nu-ut is) KAL is KU mi-sir-ti mäti-Su-un 11. [a-na ki-rib Bab)- iu a-di mah-ri-ja 22. [u-bi- lu-num-ma) u-na-si-ku Sı'pd-ja. 43. [Ina ü-mi’-$u-]ma (aban) nara u-Sl-pis-ma u: RR ik rabüt bi-ja a ] ki-rib-Su; sa-lam sarru-t-ja 4. [.. . .a-n]a baläti-ja ma-har-Su-un ul- 212. a7. TERER! ] sa 8-tu si-ü sam-sı as. [a-di Ü-rib] Sam-Si ina tukul-t Asur, 49. [Nabi) Marduk ih tik-W-ja 50. [a-na m]-ir bi-Iu-ü-ja u-sak-m-su 51. [al-tu]-ra si-ru-us-su, Ne ] ba-iÜ hur-ri Sadi-v 53. [....] -7 (Pl) mät At-na-na ul-zız. [>] [sb Die Sargonsstele des Berliner Museums. [brachte] ich an Geschenken dar. [Upr]ri, König von Dilmun, welcher 30 Kaspu [inmitten des Mee]res des Aufsangs der Sonne, [einem Fische gleich] den Wohnsitz aufgeschlagen hatte, [vernahm] von der [Machtstärke] Asur’s, Nebo’s, Merodach’s, und sandte Unterwerfung. [Auch die 7 Kö]nige des Landes Jah, einer Gegend [des Landes At]nan, welche eine Wegstrecke von 7 Tagen [inmitten] des Meeres des Untergangs der Sonne [wohnen] und deren Wohnsitz nısat, [deren] Landesnamen [seit] fernen Tagen, (seit) der Gründung Assyriens .... . unter den Königen, meinen Vätern, die da vor mir [wandelten], Niemand vernommen hatte: sie hatten von den Thaten, (welche) ich inmitten des Landes Kaldı und des Chattilandes verrichtet] hatte, mitten im Meere [in der Ferne] vernommen, ihr Muth verliefs (sie), [Furcht er]griff sie. Gold, Silber, [Geräthe aus] KAL-Holz, aus KU-Holz, den Schatz ihres Landes, [nach] Babylon zu mir [brachten sie und] külsten meine Füfse. [In jenen Tagen] liefs ich eine Steintafel anfertigen, [. - =. . .] der grofsen Götter, meiner Herren, F - » -.. .] auf derselben; mein königliches "Bild [liefs ich fertigen; zu] meinem Leben richtete ich es auf. [Die Länder (?)], welche ich vom Aufgang der Sonne [bis zum Untergang] der Sonne im Dienste Asur’s, [Nebo’s,] Merodach’s, der Götter meines Vertrauens, [dem Jo]che meiner Herrschaft unterworfen hatte, [schrieb] ich darauf; [In..... .]-da-«d Schluchten der Berge "-......] des Landes Atnan richtete ich (es) auf. Philos.-histor. Kl. 1881. Abh. VI. 4 SCHRADER: [Sa ina tuklat) ii rabüt bili-ja [- -- . .] $Su-un ki-ni at-tal-la- ku-ma sa-nin-su] la v-su-u [ana Sarra-ni] habli-ja sa-t-is !-zib. [I-na ar-)kat u-mi rubü arku-u [mu-sar-ra]-ai k-mur-ma hl-ta-si [da-na-an’) il rabüti hit-ta-id-ma [aban nard’) Ip-Su-us ni-ka-a lik-kı. [Sa .....] u-nak-kar a-Sar- su [-.......]-Air (aban) nard-ja Berk. .]-ıb sit-ri Sumi-ja: [ll rabü]ti ma-la ina (aban) nari [an-mi-i sulm-su-nu na-bu-u u al [a-si-bu-Jut ki-rib ham-tiv rapas’- iv [ar-rat Ii-ru-ru-su-ma sum-su zÜr- Su [-na mälti k-hal-h-ku [-.......] P7-Ü-mu ina sunuk bubüti(?) hu-Sah-hi De ..) W-bit [lu] Dibbar-ra =. AP RHdrU nr -na pan] nakrıi-su ka-mıs h-SÜ-si-bu-su-ma [i-na pan) Und-Su mät-su hs-tap- par. Die Sargonsstele des Berliner Museums. 27 [Ich, der ich in der Verehrung] der grofsen Götter, meiner Herren, [in Gemäflsheit ihrer] festen [Satzung?] einherwandle, [der ich einen Nebenbuhler] nicht habe, [den Könilgen, meinen Söhnen, für die Zukunft es hinterliefs. [In der Ferne] der Tage, der Grofse, der Ferne, möge sehen meine [Schriftzeilen] und /itası; [die Macht?] der grolsen Götter möge der verherrlichen und [die Tafel?] er reinigen, Trankopfer ausgielsen. Wer ihren (der Stele) Standort ändert, meine Tafel [vernichtet ?], [auslöscht?] die Schrift meines Namens: [die grofsen Götter] allzumal, deren Namen auf [dieser] Tafel verkündet sind, und die Götter, welche inmitten des weiten Meeres [wohn]en, mögen fluchend ihn verfluchen und seinen Namen, seinen Samen [im Lande] vertilgen. [Anstatt mit?] Gnade mit Nahrungsmangel‘, Noth, [2 2 8 E]ladBat e)udae: Pest, Bee ahgs-il, senekBewohner. [Angesichts seines] Feindes mögen sie gefesselt ihn dasitzen lassen; [vor] seinen Augen möge sein Land zerbrochen werden. A 38 SCHRADER: Bemerkungen. Zu Col.I (I). Vs. 1. Sarukin geschr. Sar-ukin. Ich bemerke in Ergänzung und Präcisirung meiner Ausführung vom J. 1872 (s. Die Ass.-Bab. Keilinschrr. S. 158 ff.), einmal, dafs, wie ich in meiner Nachschrift ebend. S. 162 be- reits anmerken konnte, die verbale Auflösung des Ideogramms @/. NA — DU als ukin!) durch die bereits dort angezogenen Stellen aus den nach Regierungsjahren Sargon’s datirten Thontäfelchen gewährleistet und als die einzig zulässige an die Hand gegeben wird; sodann aber, dafs wohl kein Grund vorliegt, das substantivische Ideogramm für „König“, welches wir im Ace. stehend zu denken haben, als Sarra oder $arr zu transeribiren. Wie schon die uns einmal begegnende durchaus phonetische Schreibung Sa-ru- ki-na (mit unregelmälsigem Zischlaute, worüber ebend. 160 Anm.) an die Hand giebt, hat der Assyrer einfach Sarukin, beziehungsw. Sarukın ge- sprochen, was ohnehin zu dem hebräischen 7'570, auch und zwar gemäss correcter masorethischer Punctation (Frz. Del.; B. Stade) 7172 (mit Raphe des 5), faktisch stimmt.?) Analog ist die Wiedergabe des babylonischen (Nirgal) -Sar-usur durch "zn7® >37 Jer. 39, 3. 13; vgl. das einfache "xx 7W 2. Kön. 19, 37; Jes. 37, 38 und dazu beidemal das Sagar@g der LXX (Jer. 39 ist der betr. Name in der griech. Version völlig verderbt). Die auf- fällige Wiedergabe des assyrischen vw ebenfalls durch w in "zu"w als Na- men eines Assyrers, wofür man — vergl. j77° — ein "075 erwarten sollte, erklärt sich wohl am einfachsten aus der verhältnilsmäfsig späten Redaction des betreffenden ohnehin aus dem Königsbuche erst in das B. Jesaja herübergenommenen Abschnitts der Königsbücher. Zu der Zeit war eben die babylonische Aussprache dieses Namens mit dem breiten Zischlaute durch die Babylonier selber den Hebräern bekannt und mund- 1) Für ukin als Impft. Pa. von > s. P. Haupt, sum. Familiengess. I S. 58 Anm. 8. °) Ob aus dieser Thatsache weitere Schlüsse zu ziehen, ist eine andere Frage. S. darüber G. Hoffmann, Auszüge aus syr. Akten pers. Märtyrer. Lpz. 18850 S. 183. Die Sargonsstele des Berliner Museums. 29 gerecht geworden, wie sowohl das angeführte "sa7& =57> als auch das danielische 28W52 — BDfVl-sar-usur, sogar auch "saWn>2 — Baläta-su- usur beweisen (den im B. Jesaja bereits seit Alters gebrauchten Namen des Assyrers 77370 liefs man wie die Namen der übrigen Assyrerkönige in dieser Hinsicht unverändert). Lediglich in parenthesi sei noch angemerkt, dals natürlich die Punktation des letzten der aufgeführten babylonischen Namen bei den Masorethen als "zswv>2 (mit Ssere im Beginn der Sylbe) lediglich auf einen Schlufs ex analogia zurückgeht: man hielt eben das >= dieses, begreiflicherweise unverstandenen, babylonischen Namens für das gleiche >=2 wie dasjenige des Namens Belsazar d. i. für den Gottesnamen Bel. Noch weiter gingen in der Uniformirung der beiden Namen die grie- chischen Übersetzer, die für beide gleicherweise BaArarap d. i. das cor- rumpirte Beltesassar des masorethischen Textes substituiren. Ebenso und danach die Vulgata: Baltassar. Erst Luther kehrte mit seinen differenzi- renden Aussprachen Belsazar und Beltsazar zu der ursprünglichen Scheidung der Namen, wie sie in dem ÜÖonsonantentext des A. T. noch klar vorliest und auch noch in der masor. Punktation zu Tage tritt, zu- rück. — Für die Aussprache des Namens Sargon ist übrigens den LXX nichts zu entnehmen: der Name, den sie Jes. 20 bietet, ist augenscheinlich ein völlig verstümmelter. 2. sar kıssati sar mät Assur. Der assyrısche Text transeribirt sich in Oursiv: „Ep ] «( “ »>%Y DT, wonach III R. 11. 1, 2 zu berichtigen ist. sakkanaku ist von Anderen und mir selber in der Regel durch „Statthalter“ übersetzt, indem dabei an ein von dem W. sakan abgeleite- tes Substantiv, an ein in der Bildung erweitertes sakan, saknı „Statthal- ter“ hebraisirt als 7x0, gedacht ward. Indefs abgesehen von der Schwie- rigkeit die Endung ak, akku in diesem Falle befriedigend zu erklären, würde die Bedeutung „Statthalter“ weder zu Stellen wie Bors. 1, 6 sakka- nakı la a-nd-hu, noch zu den bezüglichen Stellen der Inschriften assy- rischer Könige, insbesondere Sargons stimmen, die sich besonders gern als sakkanak Babrlu tituliren. Ein Assyrerkönig, Sargon eingeschlossen (vgl. die Gylinderinschrift I R. 36 init.), bezeichnet sich wohl als saknu „Statthalter“ irgend eines Gottes, des (alten) Bel u. s. f.; aber „Statthalter“ einer Stadt oder eines Landes würde sich ein Assy- 30 SCHRADER: rerkönig niemals genannt haben, Dazu wechselt das hier in Betracht kommende Ideogramm &= >>] NT. NIT auf den Asarhaddonbacksteinen einfach mit dem Königsideogramm = Sarru s. I Rawl. 48 Nr. 5. 6 einer- seits, Nr. 7 und 9 anderseits. Gewils hat demgemäls F. Delitzsch neuer- dings mit weit mehr Recht die allgemeinere Bedeutung: „Machthaber“, „Oberherr“ statuirt (Ass. Lesest. 2. A. Schriftt. 242). Dazu stimmt auch die ideogrammatische Bezeichnung. Bekanntlich bedeutet &= im Assyr. s’pu = „Fuls“ und 7 zikaru „Bursch“, aber auch ardu „Sklav*. Aus „Fufs“ und „Sklav“ setzt sich ächt orientalisch der Begriff des „Macht- habers“ zusammen: man denke nur an die bekannten bildlichen Darstel- lungen auf den Reliefs des Assyrers Asurnafsirpal’s und des Persers Da- rius (Behistun), beide den König darstellend, wie er den Fuls auf den Nacken des Unterworfenen setzt! Vgl. auch die bekannte Phrase in der Standardinschrift (Z. 4) und sonst: mu-kab-bi-is kisad ai-bi-su d. 1. „(der König), der seinen Fuls setzt auf den Nacken seines Feindes*, Nun aber erklären die Syllabaren das Ideogramm bezw. akkadische Wort NI wei- ter sowohl durch !muku d. ı. „Macht“ als durch gasru d. ı. (vgl. das Adj. gisru!) dasselbe (Haupt ASKT. p. 30. 29 Nro. 669. 668). Der (avı’l) NT. NIT ist hiernach „der Machthaber über Sklaven oder Unterworfene*“, und der Sinn des Ideogramms allerdines gerade entgegengesetzt demjenigen, den ihm Opp. J. A.V1,2 1863 p.485 glaubte zueignen zu sollen — derselbe, der gerade zu dem richtigen Verständnisse desselben den Weg gebahnt hatte —, indem er meinte: „e’est done un ideogramme qui a un sens des plus hum- bles“. Auf der richtigen Spur war ich bereits 1872, als ich KAT!. S. 210 dem Worte den Begriff „Lehnsherr“ vindieirte. — Wie schon oben an- gedeutet ist der Name schwerlich semitischen Ursprungs. Es kommt hinzu, dafs wir der Bildung mit auslautendem aku (bezw. akku) auch sonst gar nicht so selten bei akkadischen Wörtern begegnen. Erwägen wir nun, dafs in der Sylbe $ak sehr wohl das bekannte sak d.i. „Haupt“, „Fürst“ stecken kann (für den Wechsel von s und 5 zwischen Babylo- nisch und Assyrisch vgl. babyl. hursanis‘ gegenüber assyr. hursanis u. a.m.), so würden wir für Sak-kan-ak(kyu etwa die Bedeutung „Haupt“, „Häupt- ling“ im Sinne von „Oberherr“ gewinnen. Vgl. zu den akkadischen Bil- dungen auf akku Lotz TP. 176. — G. Smith’s „highpriest“ läfst sich nicht rechtfertigen. Die Sargonsstele des Berliner Museums. 31 3. Über die Bedeutung der Bezeichnungen mät Sumi'ri und mät Akkadı s. KGF. 296. 533 flg.; F. Del. Paradies 196 ff. 4. migir, eigtl. „Gehorsam“, dann abstr. pro coner. „der Gehor- same“, „der Diener“. — Am Schlufs lieft Sm. 3a [rk]. Allein das erste Zeichen ist sicher kein w: eher ein Y; und ein : vor einem nachfol- senden vu Asur u. s. w. wäre seltsam. 7. Für die Ergänzung mnku s. Khors. 5 sammt Parallelen. S. weiter DMG. XXVIII 126 fle. S. hier auch für Vs. 8. 9. 12. adan-ma wörtl. „(Ghre Schäden ihnen) wiedergab.“ Dieser Sinn wird durch das parallele mausallimu der Cylinderinschr. Z. 4 an die Hand gegeben. S. hierzu Oppert im Journ. Asiat. VI, 2. 1863 p. 488, der freilich a-rıb gelesen und „je combattis les transgressions des hommes soumis & des lois respectables“ übersetzt wissen will. 13. Für usassıik mussikki (2 — mussikki?) s. ZDMG. XXVII, 129; vgl. aber inzwischen auch V. R. 10, 92! — Für die hier und V. 14 nam- haft gemachten babylonischen Städte s. Del. PD. 220 ff. 250 ff. KAT?. IS H. 129 fg. 135 ff. 15. Über Kullunu] = Zirlab s. Del. Par. 225 fig. — Über Kı- sık und Nivit-Laguda ebend. 231. 17—21. Vgl. hierzu ZDMG. a. a. O. 129 fe. 23flg. Über ndr marratu „Meerstrom“ u. s. w. s. „die Namen der Meere“ S. 176 und vgl. ebend. 173. 26. Über mät Musri. = „Ägypten“ an dieser Stelle s. KGF. 252. 27. Die bereits von Smith vorgeschlagene Ergänzung u-[par-rı-r«] Vllatsu nach Stellen wie IR. 39 col. III, 53; DIR. 29 Nr. IL 9 u. a.m. Vgl. KAT! 212. 224. 288. 36. usaldıda R. 7&. Wörtlich: „ich machte sie gewaltig über sie“. 46. S. S.20 Ann... 49. Für die Ergänzung Sıbbısu (Rawl.-Smith) s. IR. 7. IX, C. 4. 51. Über (mit) Amattu = (mät) Hammatu „Hamäth“ Z.57 s.KAT?. 106 Anm. — (ana pad) gimrisa. So nach Stellen wie Khors. 88. Rawl.- G [ep] Smith mit männlichem Suffix: gimri-su — weniger correkt, aber nicht unmöglich s. IR. 35 Nr. I Z. 10. 55. kamüt „gefesselt“. S. Del. bei Haupt, sum. Familiengesetze I, 75 und vgl. Lotz, Tigl. Pil. 148. 32 SCHRADER: 59. aksur R. 27 1) „zusammennehmen“, 2) „wegnehmen“. Vgl. für den Bedeutungsübergang hebr. zo8 und s. Lotz 137; KAT?. 9. Zur Ergänzung vgl. Botta 145, I fin. u. a. St. Zu Col. II (IV). Vs.2. /ls 727 „Jubel“ „Frohlocken“. Die Ergänzung nach Stellen wie Khors. 140 u. a. Ob die Wurzel y>> oder >», ist aus den mir gegenwärtigen Stellen mit Sicherheit nicht zu ersehen. 3—10. Für die Ergänzungen s. Khors. 141 flg. Vgl. Rawl.-Smith. 6. Über SU = ein Sechstel der Mine —= 10 Schekel (vgl. Khors. 141) s. meine Bemerkungen in der Ägypt. Zeitschr. 1878, S. 112 fe. 13. Für die Ergänzung s. Khors. 142. 15. Über akkad. $urman —= assyr. Surmi'nu ($urmini) —= aram. W.o@a sau s. Monatsberichte 1881 (5. Mai) S. 421. 16. Für die Ergänzung ist Khors. 143 zu vergleichen. Aıkkr (sie!) R. 778 = hebr. 7”, vgl. das hebr. 777">2 Gen. 1, 30; 9,3, welches unserm kala rikkt völlig entsprechen würde; für die Bildung s. Ew. $. 153b; Olsh. $. 1514. Vorab sind hier unter dem „Grün allerlei Art“ des Amanus die verschie- denen immergrünen Pinusarten desselben zu verstehen (V. 15). Bekanntlich steht auch das hebr. #77 zugleich vom „Grün“ der Bäume. — Statt des Sad Ha-ma-ni unserer Stelle bietet die Parallelstelle der Khorsäbädinschrift das correctere $ad Ha-ma-a-m. Zu vgl. KGF. 191. — Über bibil, biblat (Plur. fem.?) — „Erzeugnisse“ s. Del. bei Lotz, TP: 95. 17. [rk-su-nu. Die Ergänzung nach Khors. 143. Irit wird unter Vergleich von ürsit — hebr. "8 von Oppert scharfsinnig mit hebr. > „Wald“ zusammengestellt (J. A. VI, 3. 1864 p. 264). 20. Über mahäzu „Stadt“, „Burg“ = syima s. Lotz, TP. 109. 21. Wörtlich so Khors. 144. — Der hier in Aussicht genommene „Beginn der Herrschaft“ des Königs ist seine Herrschaft über Babylon. S. darüber oben S. 10; ebenso ist das „3. Jahr“ das dritte Jahr seiner Herrschaft als „König von Babylon“. Anders Oppert, der zu dieser Stelle J. A. VI, 3 1864 p. 265 bemerkt: „Nous voyons la raison de cette fivation chronologique dans le fait resultant des eponymes, que Sargon regna Die Sargonsstele des Berliner Museums. 35 3 ans avec un roi que nous nommons Ninip-touya. Arrive a Tewercice absolu du powvorr, ıl enumere ce quil avalt deja fait, pendant qwil par- tageait le tröne avec un autre prince“. — 22. Über die Redensart: ukarsa kisät! s. Del. bei Lotz 100. Vol. die Parallelstelle Khors. 144, wo natürlich ebenfalls u-ka-r-sa (nicht u-ka-li!) zu lesen ist. 25—42. Zu den Ergänzungen vgl. die Khorsäbädinschr. 144— 149. 23. Über Dilmun s. Del. PD. 178f. 229. 24. Sanıpıh samsı „des Aufgangs der Sonne“. Gemeint ist natürlich, wie der Zusammenhang an die Hand giebt, der persische Meerbusen. Dieser selbe Meerbusen heifst an anderen Stellen „das grofse Meer des Aufgangs der Sonne“ (hämtw rabitw Sa sit Samsı); auch wohl „das untere Meer des Aufgangs der Sonne“ (kamtuv Saplitu Sa sit Samsi) s. unsere Abhdleg. „die Namen der Meere in den assyrischen Inschriften“ (A. d. W. 1876 (1877) S. 174). Ebenso stellt Rammannirar IR. 35 Nr. 3 (Lay. 70) dem „grofsen Meere des Unterganges der Sonne* die kadmtuv rabitu Sa napah samsı d. i. „das grofse Meer des Aufgangs der Sonne“ gegenüber (ebend. 177). Es leuchtet ein, dafs nıpıh, napah nur (die Gegend nach) Sonnen- aufgang, also den Osten bezeichnen kann. Damit’ erledigt sich die wohl neuerdings aufgestellte Vermuthung, dass nıpık samsı den „Süden“, die Gegend „nach Mittag zu“ bezeichne. — Über die Bedeutung der W. napah vgl. noch 11 R. 35, 4—9 e. f. und dazu Lotz 83. 25. sıtkunu (so lies gemäfs Khors. 144) Perf. Ifte., scheint hier, wie ıstakan u. Ss. w., nur active Bedeutung haben zu können. Doch vgl. zu Vs. 31. — narbäsu R. 727%. Lesung und Ableitung schon richtig bei Oppert zu Khors. 144; nur ist dieses 727 nicht als „etre ä la piste* zu interpretiren und narbasu nicht durch latebrae zu übersetzen. 29. [mät Atjnana. So ergänze gemäls Z. 53. Sonst überwiegend mät Jatnana. 8. das Nähere hierüber, sowie über den Distriet ındt Ia KGF. 242. 243 ff. (mät Atnana übrigens auch in den Annalen Botta 91, 3). 31. [Sitkumu]. So liegt es am nächsten mit G. Smith gemäfs der Parallelstelle in der Khorsäbädinschrift zu ergänzen. In diesem Falle aber drängt sich ebenfalls als nächste Construction auf, das Relati- vum auf das nachdrucksvoll voraufgestellte persönliche: „die sieben Philos.-histor. Kl. 1881. Abh. VI. 5 34 SCHRADER: Könige des Landes Jah“ zu beziehen, demgemäls — vgl. zu Vs. 25 — zu übersetzen: „welche (ihren Wohnsitz) inmitten des westlichen Meeres .. aufgeschlagen haben“. Man müfste in diesem Falle aus dem nach- folgenden Subatsun „ihren Wohnsitz“ den entsprechenden Accusativ zu dem Verbum sitkumı dem Sinne nach voraufnehmen. Andernfalls wäre sitkunu passivisch im Sinne von „belegen“, „angesiedelt“ zu fassen und zu übersetzen sei es: „welche (die Könige) — angesiedelt sind“, sei es: „deren Wohnsitz — belegen ist“, in welchem Falle man aber — auf $u- bat-sun bezüglich — nicht ein sitkunu, denn vielmehr ein sıtkunat er- wartete, was freilich nach Oppert, les inseriptions de Dour-Sarkayan p. 5, 39 sich in der That einmal findet. — Nisat ist dunkel. An eine Wur- zel ©: „elever“* kann nicht gedacht werden. Del. PD. 291, der „ent- fernt“ übersetzt, dachte wohl an eine Wurzel >02, wovon nısät (wie Del. transeribirt) vielleicht ein Perf. Nif. sein könnte. Aber die Bedeutung? — 32. sıbit mät As$ur. Für sabätu #22 in der hier durch den Zu- sammenhang an die Hand gegebenen Bedeutung vgl. die in den histori- schen Inschriften häufige Redensart ana 13$utl asbat „von Neuem grün- dete ich“ wechselnd mit der andern: ana issut! abni „von Neuem erbaute ich“. Die Lesung ist — gegen G. Smith — paläographisch eine unzwei- felhafte. Mit Recht übersetzt demgemäfs Oppert in Records of the Past VI 23: „(from) the constitution of Assyria*. Derselbe ergänzt den An- fang der folgenden Zeile zu [a-di mu-an]-na „bis jetzt“. — Für die schwierige Parallelstelle Khors. 145 flg., vgl. 110 flg., vgl. Del. PD. 291g. einerseits, Opp. l. c. 22 anderseits. 38. Für itruku R. SS s. schon Oppert |. ce. 377. 39. [hattu iksu]-da, eine wohl zweifellos richtige Ergänzung G. Smith’s. Vgl. die Parallele imnasunüti hattu Khors. 148 einerseits, das ittapiksu hattu Botta 150, 3 anderseits. 46. ana balätija „zu meinem Leben“. So ergänze ich zuversicht- lich nach Analogie von Stellen wie I. Rawl.2 Nr. 53 Z.12 u.a. m. Für TI.LA —= balätu s. ABK. 134. — Für die Form ulziz s. Pognon, inscrip- tion de Bavian. Par. 1879 p. 198. 48 ff. Die durch die Parallelen in allem Wesentlichen an die Hand gegebenen Ergänzungen bereits bei Rawlinson-Smith. Die Sargonsstele des Berliner Museums. 35 52. Für die Aussprache hurru (nicht harru) — ar. > (vgl. auch hebr. m), s. Lotz 115 und vgl. für den Lautwerth kur des Zeichens den Wechsel von am-hur mit am-hu-ru, u. Ss. w. 57. satıs Adv. von sat—=nax R. xın —= hebr. am», 59. dıltası — verstehe ich nicht. 60. Kttand d. 1. Ktta’id = ne» Nif. R. me. VR.1;9. 61—74. Vgl. die Parallelen Tigl. Pil. I col. VIII, 50 f£.; II R. 41. II, 13 ff.; 43. III, 23 £. 66. Für die assyr. Redensart: „seinen Namen verkünden“ im Sinne von „genannt werden“ vgl. KAT?. S.5 Z. 13 fie. 68. Für Smith’s Ergänzung s. Tigl. Pil. VII, 76; DIR. 41. M..15; 43. II, 55. 70. Vgl. Tigl. Pil. col. VIII, 85, welche Stelle auch die muthmafs- liche Auflösung des Ideogramms für den Begriff: „Mangel-Nahrung“ an die Hand giebt (zu dbubütu „Nahrung“ vgl. Höllenf. Ist. Av. 8). Dalfs sunuk bubüt! nicht als zwei verschiedene Ausdrücke für denselben Be- griff „Mangel“, bezw. „Hungersnoth“ zu nehmen sind (Lotz u. A.), er- giebt sich, abgesehen von bubütu, dessen Bedeutung „Nahrung“ nicht ohne Weiteres in ihr Gegentheil zu verkehren ist (der Fall II R. 17 22d = Haupt, ASKT. 89, 22 liest anders), aus Asurnafsirhabal, Monol. Schlufs IR. 27, 94 fle.., wo in den Worten su-un-ka bu-bu-ta u ni-ip-pal(?) u hu-Sa-ah-ha drei Glieder des Satzes unterschieden werden und sunka bubüta als ein Glied erscheint. Die Nichtbezeichnung des Statusconstructus an letzterer Stelle kann schwerlich einen Gegengrund abgeben ABK. 230. — husahhu = husähu (nicht husuhhu!) ist eine Bildung wie hurasu „Gold* = hebr. 7777 (ABK. 210) u. a. m. Sonst vgl. Haupt in NGGW. 1880 8.516 flg. 71. Für den Pestgott Dibbarra s. G. Smith, Chaldäische Gene- Bis. ıD. A. Lpz.. 18768. 110 ff. 73. kamis Adv. „gefesselt“. S. zu Col. I(ID), 55. 74. Ifta. R. »2W. Das Verbum steht hier in dem aus dem A.T. bekannten übertragenen und allgemeineren Sinne von „vernichten“, „ver- wüsten“, „dem Untergange weihen“. 36 SCHRADER: Die Sargonsstele des Berliner Museums. Zusatz. Zu 8.30 Z.5 v.u. Hinter: u. a. m. füge hinzu: dazu handelt es sich in dem in Rede stehenden Falle noch aufserdem um Semitisirung eines fremden, nichtsemitischen Wortes. Vgl. KAT?. 8.5. 2.27 f. Verbesserungen des Drucks. Seite 13 Zeile 7 anstatt Merodoch lies Merodach 30 11 n n Asurnalsirpal's lies Asurnalsirpal UM ALDMIARE Syllabaren lies Syllabare. In meiner Abhandlung: „Zur Kritik der Inschriften Tiglath-Pileser’s II, des Asar- haddon und des Asurbanipal“ (Abhdlg. VIII der Philos.-histor. Kl. 1579) Taf. I: Z. 1 anstatt „Im lies nis 23 a naar Gera Kr Berichtigung. In Abhandl. VI der philosophisch-historischen Klasse 1881 S. 19 Z. 6 lies: 4. der willfährige Diener der grofsen Götter u. s. w. S. die Bemerkung z. d. St. auf S. 31 ebendaselbst. j "” . Sellin. Ey r ur y TR f Pr | R 04 sera ori ih IV ine N Re N A 3 & I Ars DR re ” i ; ' NUDE PR I, ae so re a a u au, sahen # Wo BR 4 1. £ n [a u NETTER Pre IK) r& a Li a ‘ = Sm le | ie PHOT. L. HAASE & CO. KÖNIGL. HOF-PHOTOGRAPHEN, BERLIN. STINTITESEITIIPT ZA N&E 7 EI: “ SE ST Tanner Sr Se EN ISIS ErvS] | EITSFRBE SELENNE- . iz TE m S = TRrS SE = nf | Sm MAN, IR ", rn _—— - - 0 _ ——- Er Bu Vorgelegt in der Akademie der Wissenschaften am 2. Dec. 1880 und 15. Dec. Er ud A 0 ro Mi ist gewohnt, Olympia nur als Schauplatz der nationalen Fest- lichkeiten in das Auge zu fassen. Es hat aber auch für den von den Fest- spielen unabhängigen Cultus eine hervorragende Bedeutung, weil es kei- nen Ort im alten Griechenland giebt, wo unsers Wissens so viel Cultus- stätten auf engem Raume neben einander lagen und wo wir von densel- ben eine so genaue Kenntnifs haben. Denn Pausanias beginnt V 14, 4 mit den Worten: dege du EreAYunev nal ra eis amavras Ev "OAuumia reis Bw- #ovs, mit denen er an einen ihm besonders wichtigen Gegenstand heran- tritt und sich zu einem vollständigen Bericht verpflichtet, eine Aufzäh- lung der Altäre innerhalb und aufserhalb der Altis, wie sie ihm auf dem Rundgang, dem der Text genau folgt (suursgworrei), von einem sachkundigen Führer gezeigt waren, und zwar nicht so, wie sie örtlich neben einander lagen (zara aroiyev Ns idgurews!)), sondern nach der Reihenfolge, in welcher nach Satzung der Eleer an ihnen geopfert wurde (zara rafw zu yv ci Melcı Svav Em av Quuav vouiZourw), so dafs dieser Abschnitt eine Art Ritualbuch für Olympia ist, eine in ihrer Art einzige Urkunde für das griechische Sacralwesen. Die Altarperiegese kreuzt also mehrfach die anderen Wanderungen des Periegeten; da es aber häufig vorkam, dafs die durch den Cultus mit einander verbundenen Altäre auch räumlich benachbart waren, versäumte Pausanıas es nicht, wenn ein besonders srolser Abstand zwischen zwei nach einander genannten Altären vorhan- den war (wie zwischen den Altären der Themis und des Zeus Kataibates), seine Leser ausdrücklich darauf aufmerksam zu machen, dafs sie aus der Reihenfolge keine topographischen Schlüsse machen möchten: eine Gewis- 1) V 14,10. 4 CURTIUS: senhaftigkeit, welche wohl geeignet ist das Vertrauen zu seiner Führung zu erhöhen. Aufserdem läfst er es aber auch an mancherlei die Lage betreffen- den Andeutungen nicht fehlen, um dem topographischen Gesichtspunkte seines Werks Rechnung zu tragen, und so gering auch die Zahl der Al- täre ist, die wir in Fundamenten nachweisen können!), so wird es bei unserer jetzigen Terrainkenntnils doch gelingen, uns Olympia in seinen Gottesdiensten deutlicher zu veranschaulichen. Die chaotische Menge der Cultusplätze läfst sich doch übersichtlicher ordnen und deshalb ver- dient die Altarperiegese eine eingehendere Beachtung. Eine Übersicht ihres Inhalts giebt die angehängte Tabelle. Wir unterscheiden zunächst die wirklichen Altäre von den schein- baren, d. h. von solchen, welche ihrer Form wegen Altäre genannt wur- den, aber nicht zum Opfer dienten. So stand in der Altis neben dem Eingang zum Stadion ein Postament in Altarform, auf welchem die Trom- peter wie die Herolde standen, wenn sie vor dem versammelten Volke ihre Wettkämpfe hielten (V 22, 1). So war der Taraxippos am Südrande des Hippodroms seiner Form nach ein Rundaltar (sxru« Bwuov megubegoüs VI 20, 15). Auch zu Denksteinen wurde die Altarforın von den Eleern benutzt, wie die Altäre bezeugen, welche sie im Ammonion weihten als Denkmä- ler ihrer alten Verbindung mit dem libyschen Heiligthum (V 15, 11). Denn auf denselben waren die Fragen geschrieben, welche man an den Zeus Ammon gerichtet hatte, sowie die darauf ertheilten Antworten. Bei den Altären, die Opferaltäre waren, beginnen wir mit den äus- serlichen Gesichtspunkten. Die Gröfse ist nur bei einem Altar der Altıs überliefert, der durch Umfang und Höhe eine Merkwürdigkeit von Hellas war, dem Brandopfer- altar des olympischen Zeus, welcher, als ein Mittelpunkt des heidnischen Cultus gewifs absichtlich zerstört worden ist, so dals sich von seinem steinernen Stufenbau nichts erhalten hat. Um so wichtiger war es, dafs nach langem Suchen im vierten Jahre unserer Ausgrabung der elliptische, 1) Es sind die in ‘Olympia und Umgegend’ Berlin 1882 Blatt 3 mit A bezeich- neten Stellen denen $. 26f. noch einige andere angereiht werden. Die Altäre von Olympia. 5 aus Flufskieseln gebildete Ring zum Vorschein kam in der Mitte der Altis, die uralte Umgränzung des heiligen Platzes, auf dem im Laufe von Jahrhunderten immer prächtiger und höher, mit einem Unterbau von 125 Fufs Umfang, der Altar seinen aus Opferresten anwachsenden Gipfel 22Fufs hoch emporhob, alle anderen Altäre weit überragend, der König der Altis, wie ja der Zeusaltar auf der heiligen Höhe Arkadiens von Pindar der König des Lykaion genannt wird!). Darum wird der ‘grolse Altar’ von Pausanias auch schon vor der Altarperiegese besonders angeführt, um später in der Reihe noch einmal genannt zu werden. Es war das Kennzeichen einer altheiligen Opferstätte, dafs Menschen- hand möglichst wenig daran gemacht hatte. Daher der Aufbau aus zu- sammengelesenen Felsstücken, wie wir ihn auf alten Altarzeichnungen sehen; daher auch bei dem Zeusaltare der Ring unbehauener Steine ?). Die Gott- gefälligkeit einer Opferstätte sollte darauf beruhen, dafs dieselbe ohne künstliche Vorrichtung gleichsam naturwüchsig und wie von selbst sich gestaltete, nämlich aus den Überresten, welche vom Brandopfer an Ort und Stelle zurückblieben und sorgfältig gesammelt wurden. So waren auch unter den olympischen Götteraltären die Aschenaltäre ausgezeichnet, an welche sich die Wundersage knüpfte, dafs nur das den Göttern be- sonders wohlgefällige Alpheioswasser die Eigenschaft besitze, sich so mit der Opferasche zu mischen, dafs sich daraus ein fester Teig zur stetigen Aufhöhung der Altäre bildete?). Die Höhe derselben war also keine willkürlich bestimmte, sondern eine geschichtlich gewordene, ein Denk- mal und Mafsstab für das Alter des Dienstes und den pflichttreuen Eifer der Gemeinde. Solche Aschenaltäre waren unter den 69 olympischen vier, der grofse des Zeus (19), der der Hestia (1), der Hera (24) und der Gaia (32). Bei den übrigen Altären wird nur ausnahmsweise eine besondere Be- schaffenheit oder Gestalt bezeichnet; so die längliche Gestalt bei dem der Moiren (Bunos Erıunzns 48). Die Götteraltäre hatten alle einen stufen- 1) Ol. XIH, 107. 2) Vgl. Attische Studien I, S. 89, Abh. der K. Ges. der Wissensch. in Göttingen, hist.-phil. Kl. XI. Altar aus Felsstücken: Arch. Zeitg. 1845 S. 163. 3) So finden wir auch auf Abbildungen von Altären die Oberfläche so gezeichnet, dafs sie nicht künstlich geebnet erscheint, sondern eine mehr zufällige Form zeigt. Vgl. das Relief Torlonia bei Roma vecchia an der Via Appia gefunden. Abguls im Berl. Mus. n. 246D. 6 OÖURTIDS: artigen Unterbau; nur der der Artemis (8) zeichnete sich dadurch aus, dafs er eine pyramidale Form hatte (igeua dvnawv eis Uber), indem die vier Seiten desselben sich allmählich nach oben zusammenneigten: eine Zurichtung, welche an den rampenartigen Aufgang erinnert, den man über dem Stufenbau des Artemisaltars in Patrai herstellte, um auf schrä- gen Flächen die Opferthiere hinanzutreiben (Paus. VII 18, 11).— Die Altäre lagen frei innerhalb der Altis oder sie waren von einer besonderen Ein- fassung umgeben, wie der des Zeus Kataibates (34) mit seinem Zaune (beayua), dessen er des Blitzmals wegen nicht entbehren konnte!). Sie waren dem allgemeinen Cultus zugänglich, oder sie waren besonderen Personen zu bestimmten Zwecken vorbehalten, wie der Erganealtar der Phaidrynten (6). Die Altäre gehörten entweder dem ganzen Heiligthume an, oder sie waren mit bestimmten Gebäuden und Räumlichkeiten verbunden; so der Hestiaaltar mit dem Prytaneion, der Zeusaltar (17) mit dem Palaste des Oinomaos, der bis auf geringe Überreste verschwunden war, während der Altar, an dem der alte König seinem Zeus Herkeios geopfert haben sollte, noch vorhanden war; er war das Denkmal der Gründung des Königs- hauses, während der des Zeus Keraunios (18) daneben an das Gewitter erinnerte, welches dem Hause ein Ende gemacht hatte. So gehörte der Zwölfgötteraltar (38) zu der Werkstätte des Pheidias und seiner Nachkommen, um die verschiedenartigen Kunstarbeiten, wenn sie religiöser Art waren, mit Anrufung der Gottheit, auf welche sie sich bezogen, beginnen zu können. Die Altäre des Hermes Enagonios und des Kairos (29 und 30) gehörten zum Stadion; am Eingange zu dem Schnabel (&ußerev) des Hippodroms standen (r7 uev — r7 de V 15, 6) die Altäre des Ares Hippios und Athene Hippia (55, 56) symmetrisch aufgestellt; ebenso entsprechen sich Poseidon und Hera (52, 53) mit gleichen Beiwörtern. So sind auch den Dioskuren nebst der Tyche und dem Moiragetas wie den Moiren, mit Rücksicht auf die Rennspiele, die Altäre errichtet worden. Diese gehörten also zur Aus- stattung der grolsen Anlagen, während andere daselbst schon früher ge- standen haben mögen, wie die benachbarten Altäre von Pan und Aphro- R e, 5 ern , er A E 1) Pollux IX 41: Zummuere)" ourws wvonagero, eis @ zurarandeıe Qeros eE ovpavou" (<= x x > FR} ” > m .. megieıgy DET de TER EUNUTIK alavusre dveiro. Weleker, Gr. Götterl. IT, 190. Die Altäre von Olympia. 7 dite (58, 59) und der Nymphai Akmenai (59), die wohl an den zur Trän- kung der Renner dienenden Becken verehrt wurden. Wir haben noch eine andere Gruppe von Gottheiten, deren Beiwörter einen topographi- schen Anhalt geben: Artemis Agoraia, Zeus Agoraios (42, 44). Ihre Al- täre standen auf dem centralen Platze, welcher den grofsen Brandopfer- altar umgab. Um aber an den Opferhandlungen den Festgesandten, den Beamten und anderen hervorragenden Personen die Theilnahme an einem ausgezeichneten Platze zu sichern, diente, wie eine Art Tribüne, die ‘Proe- dria‘, deren Lage vor der Echohalle, dem grofsen Altar gegenüber, am Östrande der Agora mit Wahrscheinlichkeit nachgewiesen worden ist, und es palst durchaus, wenn den Marktgötteraltären sich in der Altarreihe Apollon Pythios (45) anschliefst; denn dessen Altar wird von Pausanias vor der Proedria angesetzt. Der Phaidryntenaltar lag wahrscheinlich in der Nähe des Goldelfen- beinbildes, weil mit einem Opfer an ihm die technische Arbeit begonnen wurde, welche in der grofsen Bauhütte nicht gemacht werden konnte (V 14,5). Durch ihre Beziehungen zu bestimmten Lokalitäten werden ein- zelne Altäre als verhältnilsmäfsig junge Stiftungen erkannt; so diejenigen, welche der Ausbildung der Agonistik ihre Entstehung verdanken; sie unter- scheiden sich von denen, welche Pausanias zu dem alten Stamm der Altäre (ei rarcı) rechnet. Einzelne waren unter priesterlicher Autorität von Privatpersonen als Weihgeschenke gestiftet, wie der des Dionysos (46). Es gab Altäre mit Inschriften, die den Namen der Gottheit anga- ben oder blols ein Epitheton, wie ‘Moiragetas’. Bei anderen konnte man über den Inhaber zweifelhaft sein. Den bei dem sikyonischen Schatzhaus gelegenen eigneten die Einen dem Kureten Herakles, die Andern dem Sohne der Alkmene zu. Auch die Altäre der Brüder des Herakles (13— 16) gehörten in sofern zu den problematischen, als man an zweiter Stelle zwischen Idas und Akesidas schwankte; dies war, wie es scheint, nur eine Verschiedenheit der Lesung. Diese ÖOpferstätte der ‘Brüder’ muls eine Gruppe von vier Altären gewesen sein, da einer von ihnen als ein Altar für sich erwähnt wird; sie standen wohl auf gemeinsamer Basis, wie etwa die Altäre in Pompeji vor der SOEcke des Cerestempels!). Auf Altar 21 wurde Nike neben Zeus verehrt. 1) Nissen, Pompejanische Studien, S. 35. 8 Currtivs: Von besonderer Wichtigkeit waren aber für Olympia diejenigen Altäre, an welchen je zwei Gottheiten (&v zow& &9° Eves Buuod) geopfert wurde, indem jede ihren eigenen besonderen Öpferplatz hatte. Nach alter Überlieferung hatte Herakles die sechs Doppelaltäre gestiftet, die zu den charakteristischen Eigenthümlichkeiten der Altis gehörten!). Drei der- selben sind in der Reihenfolge bei Pausanias erhalten: Artemis und Al- pheios (4), Hermes und Apollon, Dionysos und die Chariten (25. 35); von dem vierten Doppelaltar ist die Dedication nur in verstümmelter Form kenntlich: Athena Laoitis (5); sie ist von Buttmann glücklich ergänzt: Hera Laoitis und Athena Laoitis. Zwei Götterpaare sind ausgefallen in der Lücke, an welcher der Anfang der Altarperiegese leidet; man hat sie nach cap. 24, 1, wie ich glaube, dem Sinne nach richtig: Kronos und Rhea, Zeus Laoitas und Poseidon Laoitas hergestellt?). Diese Doppelaltäre waren ihrer Einrichtung nach verschieden von den gemeinsamen Altären, wie sie z. B. neuerdings am Südabhange der Akropolis gefunden sind, länglichte Steine mit einer Reihe von Escharen in der Deckplatte, welchen die verschiedenen Dedicationsinschriften an der Vorderseite des Steins entsprechen (Mittheilungen des Deutschen In- stituts in Athen Il 216) oder der im Fels ausgemeiflselte Opfertisch der hymettischen Nymphengrotte (Atlas von Athen T. VID. Es waren viel- mehr gesonderte Altarwürfel, wie wir annehmen müssen, da zwischen je zwei Altären der Seo ouußwnca ein dritter eingeschoben werden konnte, wie z. B. der Musenaltar zwischen Dionysos und den Chariten (35). Die Einrichtung der sechs Doppelaltäre beruht auf einem lokalen Götter- cyklus, dem Ergebnisse einer amphiktyonischen Vereinbarung. Die Mo- tive, welche der Paarung der olympischen Altargötter zu Grunde lagen, sind nur an einer Stelle von Pausanias angedeutet, wo es sich um Arte- mis und Alpheios handelt. Auch unter den Einzelaltären lassen sich gewisse Nachbargruppen erkennen, und zwar nicht blofs solche, die sich an Örtlichkeiten, wie Hip- !) Pind. Ol. V,5 mit den Scholien und Böckh Expl. p. 147 Apollod. II, 7, 2. ?) Also die ganze Stelle (V 14,4) ist mit I. Bekker zu lesen: rair« de emı &vos Awnod Kocvw Sousı zu ‘Pia: eirc Auoırg Al zur Hosadavı Acoıra' emı Ö8 Evog Bunod zu urn ’ e nn ! ’ es. , a) x ’ \Y > Er ZuSEsTnREV N DUSIR" TEURER Ho Aacrıdı Svousı zur Acoırıdı ASyve, Die Altäre von Olympia. 9 podrom und Stadion, anschliefsen. So finden wir den Moiragetas und die Moiren neben einander (47, 48); so zwei Hypsistos- (50, 51), zwei Athenaaltäre (6, 7) neben einander. Hier waren es also den Göttern ge- weihte Räume, wo sich die Altäre aneinander reihten. So bildete auch der Heraklesaltar mit dem der Brüder eine Gruppe (12—16); so die Altäre aller Götter (23). An einer Stelle zählt Pausanias fünf Altäre auf, deren Reihe mit dem des Kladeos (62) hinter dem Heraion schliefst und zwei Artemis- wie zwei Apolloaltäre enthält. Häufig werden auch die nach der Folge des Opferdienstes an einander gereihten Altäre durch Aysıer, magd, era, &befns als örtlich benachbart bezeichnet. Andererseits stehen auch weit von einander entlegene Altäre mit einander in liturgischem Zusammenhange. So folgt auf Gaia und Themis, die wir westlich von der Altıs anzusetzen Ursache haben, Zeus Kataiba- tes (34) neben dem grolsen Brandopferaltar, ein Sprung, der sich da- durch erklärt, dafs der Sitz des Orakels von Themis und Gaia hierher verpflanzt worden ist. So lassen sich wohl hie und da Motive der Opferordnung erken- nen; im Allgemeinen aber wird es unmöglich bleiben, sie zu erklären. Auf keinen Fall ist es die Anciennität, welche der Folge zu Grunde liegt. Denn inmitten derselben werden einzelne angeführt, die nicht zu den al- ten (ei raAaı) gehören und die von Privaten gestiftet sind. Eine ge- wisse Systematik des Dienstes glauben wir darin zu erkennen, dafs der Rundgang, welcher jeden Monat an den 69 Altären gemacht wird, mit der Hestia beginnt, der zgwg« Acı@9s, wie sie Sophokles nennt (Fragm. 650), und im Prytaneion, dem Sitze der Hestia, abschlielst. Ganz Olympia war Jahrhunderte lang ein Heiligthum ohne Tem- pel, ein grofser Altarplatz, ähnlichen gottesdienstlichen Plätzen vergleich- bar, die uns auf klassischem Boden bekannt sind; so die Terrasse bei Argos, der ausgedehnte Bezirk (Revge» zal Beßyrer @Accs) mit zahlreichen Oultusstätten, die auch um Zeus gruppirt waren, ein Sammelort der Um- wohner (Aasv xw@ges), eine zewoßwmia mit ihren &gar reruSec, ein Fayes 1) Vgl. Attische Studien in den Abhandlungen der Gött. Ges. der Wiss. XI. Histor.-phil. Klasse S. 91, wo die topographischen Bezeichnungen aus Aeschylos zusam- mengestellt sind. Philos.-histor. Kl. 1881. Abh. VII. 2 10 ÖURTILUS% dyuviwv Zewv, wo das Epitheton mit der Agonistik nichts zu thun hat, die auch in Olympia erst das später Hinzukommende war. Denn @yav be- zeichnet nach epischem Sprachgebrauch eine suvaywyn Sewv. Eine solche zcweß@wnie habe ich in der Terrasse des Zeus Hypsistos in Athen nach- zuweisen gesucht; eine solche war auch die Altis von Olympia vor der Stadt der Pisäer, wie die der Argiver aulserhalb Argos. Wie aber die argivische Götterterrasse nicht blofs ein Platz der Wallfahrten und Opferdienste war, sondern auch ein Platz, wo öffentliche Angelegenheiten berathen und unter Vorsitz des Staatsoberhaupts Beschlüsse gefalst wurden!), so finden wir auch in der Altis nicht blofs heilige Gründungen, sondern auch die Spuren eines Herrscherpalastes, wo der Landeskönig dem Zeus als seinem Hausgotte opfert; so stehen bürger- liches und gottesdienstliches Gemeindeleben im engsten Zusammenhange. Die Altäre waren aber nicht blofs Opferplätze, sondern auch Nie- derlagen von Weihegaben; denn man schmückte sie nicht nur vorüber- gehend mit Laubgewinden, Blumen und Bändern, sondern man liefs als Er- innerungszeichen Geschenke zurück, Geräthe und Figuren aus Thon und Erz, welche, wie wir es neuerdings an den altkorinthischen Thontäfelchen kennen gelernt haben, an den umherstehenden Bäumen aufgehängt oder auf den Altarstufen niedergelegt wurden. Die massenhafte Auffindung dieser Weihegaben gehört zu den merk- würdigsten Ergebnissen unserer Ausgrabungen in Betreff der Gottesdienste von Olympial). Die Altäre selbst (die in byzantinischer Zeit gewils mit besonderem Eifer zerstört wurden) sind bis auf geringe Spuren verschwun- den, aber in breiten Lagen haben sich die Schichten der Opferasche er- halten, tief unter dem Niveau der Bauten, welche für das geschichtliche Olympia charakteristisch waren. Die aus der Aschenschicht hervorgezoge- nen Fundstücke, einzeln betrachtet so unscheinbar, geringfügig und werth- los, gehören dennoch zu denen, die uns in ihrer Art am Meisten über- raschen mufsten, und sie sind in ihrer Gesammtheit ein ganz unschätz- bares Material zur Geschichte von Olympia. Wir können uns Olympia 1) Daher rguuve rorews: (Attische Studien $. 92 = 40) der Platz, wo das Staats- schiff die entscheidende Lenkung erhält. Über «ywv $. 91 (39). 2) A. Furtwängler, Die Bronzefunde von Ol. Abh. d. K. Ak. der Wiss. 1830. Die Altäre von Olympia. 11 jetzt in einem ältern Zustande veranschaulichen, als es die Alten selbst kannten, ein Olympia ohne Tempel, ohne Statuen, ohne Nationalfest, ohne hellenische Kunst, als einen Hain mit Altären, und von diesen Altären können wir aus den massenhaften Überresten ältester Pietät diejenigen er- kennen, welche in hervorragender Weise von der umwohnenden Landbe- völkerung geehrt wurden. Das war der grolse Zeusaltar (9), der Altar vor der Westseite des Metroon, der auch durch die dort gefundenen me- tallenen Schallbecken als der Göttermutter gehörig (28) erkannt worden); drittens der Altar vor der Ostseite des Heraion, viertens der vor der Südseite, von dem sich die Fundschicht von Votivgegenständen unter die Fundamente des Heraion hinzieht (wahrscheinlich der Aschenaltar der Hera N. 24); endlich die unter dem Bauschutt des Zeustempels nachge- wiesenen Opferstätten, deren Centrum vor der Südhalle des Tempels ge- legen haben muls. ; So sehr sich nun Olympia seit jener, wir können sagen, vorhisto- rischen Zeit umgewandelt hat, der Cultus ist immer derselbe geblieben, ein von Bild und Gotteshaus unabhängiger Altardienst, wie sich aus Pau- sanias ergiebt, welcher die Altardienste sorgfältig aufzeichnet ohne eines Tempeldienstes zu gedenken, und die Beschreibung der beiden Haupttem- pel von der der Gottesdienste vollständig getrennt hat. Allerdings folgen in dem lückenhaften und verderbten Texte auf Hestia Opferdienste an einer oder an mehreren Stellen innerhalb des Zeus- tempels. Diese Opferplätze haben aber ohne Zweifel auf der Tempel- terrasse bestanden, ehe der Tempel gebaut war, der ja eine verhältnifsmä- [sig sehr späte Gründung war und, soviel wir wissen, keinem ältern Ge- bäude gefolgt ist. "Wir müssen voraussetzen, dafs der Tempel des Zeus auf einem Platze erbaut worden ist, der seit Gründung der Panegyris eine hervor- ragende Bedeutung gehabt und wohl schon seit älterer Zeit zur Vertheilung der Preise gedient hat. Dieser Platz war durch Altäre geweiht, die bei dem Tempelbau nicht beseitigt werden durften. Man wird also bei Auf- höhung der Terrasse auch die alten Opferplätze an alter Stelle auf dem erhöhten Boden hergestellt haben, so dafs sie nun in dem hypäthralen 1) Furtwängler a. a. ©. 8.533. 9* 12 ÖUrRTIVS: Raume ihre Stätte fanden. Die Opferdienste daselbst folgten unmittel- bar auf den der Hestia; die Beschreibung derselben läfst sich im Texte des Pausanias nicht mit Sicherheit herstellen; die Vulgate ivres ist sinn- los; ich schlage vor Suovres Em rüv Awuav rWv Evros Tod ver und dann, mit Buttmann: Kecvw xzai ‘Peg, eira Aacir@ Au xal Meredavı Aaora: &mı d8 ives Bwusd za aurm naserryuev A Iuria. Von den Opferdiensten dieser in den Zeustempel aufgenommenen Altargruppe sind im Bauschutte des Tempels die Spuren zu Tage ge- kommen. Der ursprüngliche Zeusdienst aber, der an dem grolsen Brand- opferaltar inmitten der Altis seine Stätte hatte, steht mit dem Zeustempel in keinerlei örtlicher oder liturgischer Beziehung. In Betreff des Heraion läfst sich nachweisen, dafs der Tempel ebenfalls mit seiner Terrasse auf einem durch Altardienst geweihten Platze nachträglich erbaut worden ist. Der ganze Bau ist auf engem Raum zwischen Altar und dem Rande der Felshöhe eingeklemmt, so dafs der Weg auf die Höhe durch die Westhalle des Tempels hindurch führte; der Tempel hatte gar keine freie area, so dals ein feierliches Umwandeln des- selben ganz unmöglich war. Der Zugang war von Süden, also von der- selben Seite, auf welcher der Altar stand, von dem sich die ihm gespen- deten Weihegaben in tiefen Bodenschichten unter dem Stufenbau des Tempels gefunden haben. Die Ausstattung des Innern ist in zwei bestimmt getrennten Epo- chen erfolst, einer früheren, welche nur durch ganz alterthümliche Kunst- werke vertreten war, und einer viel späteren. Von der ersteren nennt Pausanias eine thronende Hera mit einem daneben stehenden bärtigen Zeus mit Helm!), eine Gruppe, die wir uns in der Mitte der schmalen Rückwand des Tempelhauses zu denken haben, das Werk eines Künstlers, dessen Name in den verdorbenen Wörtern eoya drr@ steckt.?) Es folgen die Horen und Themis, als Mutter ihnen beigesellt; diese das Werk des Lakedämoniers Dorykleidas, die Horen von Smilis, dem Aegineten. Dann die fünf Hesperiden von Theokles, dem Lakedämonier, und die behelmte 1) V 17,1. Einen dritten Namen hier einZuschieben ist kein genügender Grund. Vgl. Franz, Berl. Jahrbücher für wiss. Kritik 1841 S. 223. ?) So urteilen auch I. Bekker und Brunn, Künstlergesch. I, 47. Die Altäre von Olympia. 13 Athena von Dorykleidas’ Bruder (Medon oder Dontas). Dann vier Bil- der, einerseits Kora und Demeter, einander gegenüber sitzend, anderer- seits Apollon und Artemis einander gegenüber stehend. Endlich wie- derum vier Gestalten, Leto, Tyche, Dionysos und die geflügelte Nike. Ihre Meister waren unbekannt, aber auch sie, wie Pausanias meldet, of- fenbar sehr alt, und die aufgezählten Bildwerke, fährt er fort, sind von Gold und Elfenbein. | Diese Sculpturen haben lange Zeit allein das Tempelhaus gefüllt, bis in einer viel späteren Zeit zwei andere Bildwerke dazu kamen, die sich wieder einander entsprechen, der Hermes des Praxiteles mit dem Dionysoskinde und die eherne Aphrodite des Kleon mit einem vor ihr sitzenden Eros. Bei keinem Tempel des Alterthums ist der Inhalt so genau inven- tarisirt uns überliefert. Es müssen hier besonders sorgfältige Aufzeich- nungen vorgelegen haben, die sich auch auf die für den Tempel beschäf- tigten Künstler und ihren geschichtlichen Zusammenhang erstreckten. In der älteren Abtheilung waren lauter Werke einer Schule, der Schule des Dipoinos und Skyllis. Es ist die aus Kreta stammende Schule der Pla- stik, deren besondere Virtuosität in der Bildschnitzerei lag. Diese Tech- nik der @yaruara eüfc« hat in Lakedämon besondere Pflege gefunden; es sind auch meist lakedämonische Künstler, Dorykleidas und sein Bruder, dessen Namen unsicher ist; ebenso Theokles und vielleicht auch der Vierte, dessen Namen in dem verdorbenen «rA@ steckt. Dadurch wird die Zeit der Ausführung im Allgemeinen gesichert; denn Dipoinos und Skyllis Schüler können nicht vor der Mitte des sechsten Jahrhunderts als Mei- ster thätig gewesen sein. Dies war aber die Zeit, da Sparta auf der Höhe seines Einflusses stand, wo es für den damals modernen Putzstil, die polychrome Bildschnitzerei, das Gold aus Lydien bezog. Mit dieser Austattung bezeugte Sparta in Olympia seinen Einflufs und sühnte die Gewaltthätiskeit, mit der es in die Landesverhältnisse eingegriffen und die Ehre der alten Landesgöttin beeinträchtigt hatte. Das ganze Heraion war ein Kunstmuseum mit genau geführten Inventa- rien, und Pausanias kommt nur auf den Tempel zu sprechen, um das in demselben Aufbewahrte nach der Reihe aufzuführen. Es war lange Zeit das einzige Schatzhaus in der Altis, wo auch Korinth seine Gaben nie- 14 Currtıvus; derlegte. Auch die Säulen des Peristyls sind, namentlich nach Süden, der alten Vorderseite, mit tiefen und breiten Einschnitten versehen, die zur Aufnahme geweihter Tafeln dienten; das ganze Innere des Tempel- hauses mit seinen einander gegenüber liegenden Bildkapellen scheint zur Aufnahme von Weihgeschenken eingerichtet. Von dem dritten Tempelgebäude der Altis, dem Metroon, ist es vollkommen deutlich, dafs der benachbarte Altardienst der Tempelgrün- dung lange vorhergegangen ist; zwei Schichten von Aschenerde liegen unter der Unterkante des Tempels.!) Ein besonderes Interesse nehmen die Altäre in Anspruch, welche sich auf die Mantik beziehen, der Aschenaltar der Ge nebst dem Altare der Themis und des Zeus Kataibates (N. 33 und 34). Strabo p. 350 unterscheidet zwei Perioden des nationalen Ansehens von Olympia und zwei verschiedene Grundlagen desselben. Die erste war das Orakel, die zweite, nachdem dasselbe an Bedeutung verloren hatte, die Panegsyris und der Wettkampf. Auch die Mantik in Olympia hat ihre Geschichte. Das älteste Manteion war ein Erdorakel, Gaia ist die Urprophe- tin, welche auch den Göttern weissagt?). Bodenrisse, Erdspalten, feuchte Grotten sind es, aus denen die Dünste aufstiegen, welchen man die auf- regende Kraft zuschrieb. In Delphi sind noch Spuren des Conflikts zwi- schen der älteren und der jüngeren Mantik erhalten?) und es waren gewils örtliche Legenden, auf welche sich Euripides bezieht, wenn er Zeus von Apollon anrufen läfst, er möge die Sterblichen aus der Abhängigkeit von nächtlichen Orakeln erlösen®). Durch ganz Hellas verbreitet finden wir Stätten des Erdorakels, die sich an den Namen der Gaia, Chthon, Demeter anschliefsen; auch 1) Furtwängler a. a. ©. S.10. ?) Bouche-Leclereg Histoire de la divination II, 251. 3) A. Mommsen, Delphica p. 21. 161. *) Iphigen. Taur. 1270. Die Altäre von Olympia. 15 die Nyx, welche in Megara Orakel spendet (Paus. 1, 40. 6) ist dasselbe We- sen, da die nächtige Tiefe für Erdorakel charakteristisch ist. Die Stätten der tellurischen Mantik pflegten ihrer Natur nach so gelegen zu sein, dals man daselbst der Erdtiefe näher zu sein glaubte. Bei Aigeira (Paus. VlI 25,13) stieg die Priesterin der Gaia eÜpUTTegVes als Pro- phetin zur Tiefe hinunter; in Patrai holten sich die Orakelsuchenden selbst in der Tiefe der Demetergrotte aus dem dortigen Quellspiegel die Zeichen der Zukunft (Paus. VII 21, 12). Auch das Heilisthum der Demeter Cha- myne (VI 21,1) im Olympia war mit einem Zugange zum Hades verbun- den. Im Olympieion zu Athen knüpfte sich der Gaiadienst an einen Erd- spalt, den tiefst gelegenen Punkt der Umgegend, wo die letzten Wellen der Fluth sich verlaufen haben sollten (Paus. 118,7). Die Tieflage des spartanischen Gaiaheilisthums erhellt daraus, dafs über demselben ein Apolloheilisthum errichtet war (III 12,8). Auch der Name ro Taryrrev 1) zeugt von dem Alter des Dienstes, und ebenso alterthümlich ist die Be- nennung des Gaiaheilisthums bei Bura (VII 25, 13): ö Taics, wo ein uraltes Xoanon der Eurysternos vorhanden war.?) Daran reiht sich die Stätte in Olympia: mi r& Taiw zurounew Qwues Ts nal oromov Em Tw aroum @euıdes Owuss versiyraı (V 14, 10). Wir können hier aus den angeführten Analogien also zuerst den Namen in der Form Taics d. h. 6 yalos roros und aufserdem das hohe Alter des Dienstes erweisen. Dasselbe wird für Olympia noch dadurch bezeugt, dafs der Gaiaaltar einer der vier Aschen- altäre war. Diese Orakelstätten, die Denkmäler vorzeitlicher Religion, sind nicht isolirt geblieben; sie wurden mit den olympischen Gottheiten in Zusammenhang gebracht, vor Allem mit Zeus, dem als zarußarns die Erdspaltung zugeschrieben wurde. Das Gaiaorakel wurde Zeusorakel und als solches in die Altis verpflanzt. Der Kataibatesaltar stand neben dem grofsen Brandopferheerde, und dafs hier auch ein Erdspalt vorhanden war, geht schon daraus hervor, dafs derselbe wie ein Blitzmal von einer Schranke (Peayua) umgeben war. Der ursprüngliche Zusammenhang mit 1) Vielleicht (nach Analogie von orrw —= c#rw) soviel wie T7s snz0c, Terrae saep- tum. Andere Lesart: D&ssrrov (von seßesSa: nach Analogie von Seoserrov?). 2) Peloponnesos I 471. 16 CuUrRTIvS: dem Gaios wird aber dadurch bezeugt, dafs der elischen Opferordnung zufolge immer erst am Altar der Gaia und dann an dem des Kataibates geopfert wurde. Während also in Delphi auch nach dem Siege Apollons das Erdorakel thatsächlich als solches fortbestand, wurde in Olympia die chthonische Mantik wesentlich zur Pyromantie; der grofse Altar wurde das Manteion, der offizielle Sitz der olympischen Weissagung. Das Opfern am Zeusaltar galt schon als eine Frage an den Gott. Deshalb wurde König Agis garnicht zum Opfer zugelassen («@Sures driASev), weil es verboten war: un Konnrnaader Ic "Erryvas Ed “Erryvav.1) Nachdem das Orakel in die Mitte der Altis verlegt war, blieb der ursprüngliche Orakelsitz dennoch in Ehren, wie die Periegese des Pau- sanias bezeugt, und von ihm lernen wir auch, wie die Überleitung des ehthonischen Orakels in eine höhere Sphäre hier wie bei den Delphiern durch die Göttin Themis erfolgte. Während sonst aber Themis und Gaia ganz in einander übergehen, waren die Öulte hier benachbart, aber be- stimmt geschieden; der Themisaltar stand &ri red övonalouevov srowiov und war schon dadurch, dafs er kein Aschenaltar war, als der jüngere neben dem Graiaaltare bezeichnet. Das chthonische Orakel hat sich in Olympia an Zeus angeschlos- sen, wie anderswo an Apollo. Wie in Delphi die Erdspalte in den py- thischen Tempelraum aufgenommen wurde, so wurde in Sparta das Ga- septon eine Art Krypte des Apolloheiligthums?). Auch in Olympia ist der Einflufs der apollinischen Religion sehr deutlich zu erkennen. Apol- lon ist als Thermios der Gesetzgeber von Olympia gewesen, hier aber hat kein Conflikt stattgefunden, wie in Delphi; hier ist das Orakel nicht von Gaia-Themis durch Zeus an Apollo übergegangen, sondern es hat die Hebung der Mantik auf eine höhere Stufe hellenischer Weissagung da- durch stattgefunden, dafs Prophetengeschlechter, die von Apollo ihr Amt herleiteten, die Mantik in Olympia übernahmen. Apollon giebt seinem Sohne lIamos mit dem Seherblicke zugleich das Ehrenamt Zuyvos Er axgo- Tarw Rwus.3) Das Gaiaorakel wird also apollinisch wie in Delphi, aber 1) Xenoph. Hellen. II 2, 23. 2) III, 12, 8: Deoymrov iegov S)Pındar Ol. VI.270! EERER RER ER Tys’ ’Amorruv de Urea aUroU töguran, Die Altäre von Olympia. 17 Zeus bleibt wie in Dodona der eigentliche Orakelgott, dessen Zeichen die Jamiden deuten. Nur diese werden bei Pindar genannt, während Pau- sanıas neben ihnen die Klytiaden nennt. Mit Pindar stimmt Herodot IX 33, 2: Tırausvos ’HAeios nal yeveos rev Tauıdewv Kiurıadys. Der Text Hero- dots ist von Valekenaer angefochten, weil die Klytiaden zu den Melam- podiden gerechnet werden, und Böckh hat dies Bedenken wieder aufge- nommen; man hat eö KAvrıadys oder 9 KAurıadys lesen wollen oder auch Kiuri@öns für eine ‚Glosse erklärt. Der Text ist aber wohl bezeugt und ohne Zweifel richtig. Wir müssen nur eine zwiefache Überlieferung an- erkennen. Nach der einen gingen die Stammbäume beider Prophetenge- schlechter neben einander her, nach der anderen wurden auch die Kly- tiaden auf Jamos als den gemeinsamen Patriarchen der olympischen Man- tik zurückgeführt. Beide Geschlechter sind peloponnesische. Die Eurotasnymphe Pi- tane gebar dem Poseidon die Euadne, die, in Arkadien aufgezogen, am Alpheios von Apollon Mutter des Jamos ward. Die Klytiaden sind Ab- kömmlinge des Amphiaraos. Mit der Ausbildung des peloponnesischen Staatensystems hängt auch die Organisation einer peloponnesischen Man- tik zusammen. Die Herakliden in Messenien!) und in Korinth?) benutz- ten die elische Prophetenschule, und je mehr Sparta die Leitung der Halb- inselstaaten in seine Hand nahm, um so mehr ehrte man dort die Seher von Elis, errichtete ihnen Denkmäler in der Stadt (uvgu« reis E£ "Haudes navresı Il 12, 8, wo der Jamidenname wieder als Gesamtname dient) und machte Tisamenos zum Bürger. Man that Alles, um sich der elischen Mantik, die eine Macht im Peloponnes war, zu versichern und um dem vorzubeugen, was später eintrat, dafs nämlich diese Macht sich bei inneren Zerwürfnissen auf die Seite der Particularisten stelle und gegen den Vor- ort Partei nehme. Während also in Delphi die Mantik dem Priesterthum durchaus untergeordnet wurde, haben in Olympia mantische Geschlechter eine selb- ständige Bedeutung behauptet; sie sind aber in ein priesterliches Colle- gium aufgenommen und einer Corporation eingegliedert worden, von der 1) Kresphontes und Eumantis: Paus. IV 16,1. 2) Böckh zu Pind. Ol. VI, 71 p. 153. Philos.-histor. Kl. 1881. Abh. VII. B) 18 OURTIUS: wir voraussetzen können, dafs sie nach gemeinsamen Grundsätzen han- delte und gleiche Interessen vertrat. Auf Grund des Pausanias und der grofsen Menge olympischer In- schriften, deren Sammlung und Revision noch nicht vollendet ist, haben wir jetzt eine so vollständige Übersicht der geistlichen Ämter in Olympia, wie sie uns sonst nirgends vorliegt; wir erkennen die ganze Organisation eines geistlichen Consistoriums. Die Spondophoren warten des heiligen Rechts, die Kleiduchen haben die Tempelhut, die Manteis üben und leh- ren die Kunst der Weissagung; für Opferdienst und Feste sorgen die Tagesopferer (zaInuegoSurng), die Auleten, die Tänzer (Erismovdoognrrai), die Weinschenken und Köche; der Baumeister (rreyavenos oder apyxırexrwv) sorgt für die Baulichkeiten, der Förster (Zurevs) für die Forsten, die das zum Opfern vorgeschriebene Holz liefern. Dem ganzen Collegium präsi- diren die Theekolen, welche einen Grammateus zur Seite haben. Man erkennt, dafs hier eine Ordnung vorliegt, welche von einem herrschenden Punkte aus eingerichtet worden ist. Die einzelnen Oulte sind alle in einen olympischen Gesamtdienst aufgegangen; ein Zeusprie- sterthum wird nur als Ehrenposten erwähnt. Von Elis mufs diese Orga- nisation ausgegangen sein. Olympia war die sacrale Vorstadt von Elıs, wie Eleusis von Athen; alles Religiöse geschah daselbst im Namen der Landeshauptstadt: ei "HAea Seusı, und wir dürfen voraussetzen, dafs diese Einrichtung sich von der Zeit herschreibt, da Elis nach dem Synoikismos als die einzige Stadt der Landschaft auftrat. Seitdem waren die Pfründen und Würden des olympischen Heilig- thums ein Privilesium des elischen Stadtadels, welchem auch die lami- den eingeordnet waren, die Einzigen, die als Geschlecht fortbestanden und dureb_Adoption bis in die spätesten Zeiten erhalten wurden; sie werden auch in Olympia selbst ihren Sitz behalten haben. Die andern Beamten, wenigstens die Vornehmeren derselben, denken wir uns in Elıs wohnhaft, von wo aus diejenigen, welche dort Dienst hatten, für die Zeit desselben nach Olympia gingen, wo sie wie eine priesterliche Garnison den täg- lichen Götterdienst besorgten, bis sie von einer anderen Mannschaft ab- gelöst wurden!). 1) Vgl. Dittenberger Archäol. Zeitung XXXVII, S. 59. Die Altäre von Olympia. 19 Bei dieser Einriehtung müssen also auch Gebäude vorhanden ge- wesen sein, die zur Aufnahme der dienstthuenden Beamten sowie zur Besorgung der gemeinsamen Geschäfte dienten. Die Lage dieser Lo- kale kann im Allgemeinen nicht zweifelhaft sein; denn die Fragmente der geistlichen Personallisten sind sämtlich im Westen der Altis aufge- funden; hier finden sich auch Gruppen von Bauanlagen, welche nach ihren Grundrissen für solche Zwecke geeignet waren. Zunächst sind es zwei quadratische Bauanlagen, jede mit einem ge- räumigen Hofe in der Mitte. Die kleinere, westlich gelegene, auf Tafel II im Grundrifs dargestellte, ist der ältere Bau, ein Bau aus guter helleni- scher Zeit. Er enthält acht Gemächer; vier derselben öffnen sich nach dem Brunnenhofe; die vier Eckzimmer stehen durch Thüren mit den an- deren in Verbindung. Der Haupteingang war in der Mitte der Südseite. Um mehr Raum zu schaffen, ist östlich ein dreitheiliger Vorbau angelegt, welcher auch noch hellenischer Zeit angehört. Dieselbe Anlage wiederholt sich in dem östlich anliegenden, dop- pelt so grofsen Bau römischer Epoche mit einem umsäulten Binnenhofe, von dem die Thüren nach den an den vier Seiten herumliegenden Ge- mächern führen. Dieser zweite Bau ist eine geräumigere Wiederholung des ersten, dessen Anlage man bei dem Neubau möglichst geschont hat, und es läfst sich nach meinem Urteil für die beiden quadratischen Gebäude, die vielleicht auch noch obere Gemächer hatten, kaum ein anderer Zweck voraussetzen, als dafs es Wohnräume für Amtscollegien waren, »cwoßıe, Wohngebäude, welche an Klöster erinnern, deren Zellen um einen Brunnenhof gruppirt sind. Das gröfsere Quadrat, welches von den Überresten des spätrömi- schen Baus eingenommen wird, stammt aber seiner Raumanlage nach aus einer viel älteren Zeit. Das erkennen wir daraus, dafs eine alte Wasserlei- tung den äufseren Rand in Osten und Süden genau umzieht. Es mufs also ein alter Bezirk von gleicher Gröfse hier gelegen haben, vielleicht ein Gartenbezirk, der zu der ältern Priesterwohnung gehörte und dann als Bauplatz für die Erweiterung derselben benutzt wurde, so dafs die Garten- anlage auf den inneren Hof beschränkt wurde. Vertiefungen im Boden, welche zu Pflanzungen gedient zu haben scheinen, haben sich in dem gepflasterten Hofe des kleineren Quadrats gefunden. 30 CuURTIUS: Die geistlichen Beamten mufsten aber auch einen Versammlungs- raum haben, wo unter Vorsitz des Theekolos die Sitzungen des Oollegiums stattfanden und wo das Archiv war, das von dem Grammateus verwaltet und auch von Privaten benutzt wurde, um Dokumente zu deponiren, wie wir aus der Analogie von Chalia schliefsen dürfen.!) Wir werden also den Sitz des Theokolos oder Theekolos, den sogenannten Theekoleon, den Pausanias V 15, 8 als ein namhaftes Gebäude in Olympia anführt, im Westen von der Altis suchen, wo die priesterlichen Beamten ihr Quar- tier hatten und durch die nahen Pforten der Westmauer täglich die Altıs betraten, um dort der regelmäfsigen Opferdienste zu warten. Wir müs- sen uns also die Centralstelle dieses geistlichen Collegiums als ein Gebäude denken, welches einen ansehnlichen Versammlungsraum hatte und einen gewissen festlichen Charakter an sich trug. Denn wir können voraus- setzen, dafs hier die Festschmäuse gehalten wurden, welche bei priester- lichen Genossenschaften nirgends fehlen, bei denen die unter den stän- digen Würdenträgern genannten Mundschenk und Küchenmeister ihre Pflicht thaten, und zu denen auch die auswärtigen Festgesandten, namentlich die das Orakel befragenden, hinzugezogen wurden. Als ein zu gastlicher Auf- nahme bestimmtes Gebäude mufste also der Theekoleon charakterisirt sein, und diese Voraussetzungen erfüllen sich, wie mir scheint, in vorzüg- lichem Grade bei der byzantinischen Kirche, deren östlicher Vorraum durch eine ganz ungewöhnlich breite Thür (4, 50) ausgezeichnet ist. Sie ist ein antikes Gebäude der besten Zeit, deren Backsteinwände auf treff- lich gearbeiteten Porosquadern ruhen. Es war kein Tempel, aber ein zu öffentlichen Zwecken bestimmter, monumentaler Bau, ein Prachtbau, des- sen Hauptbestandtheil ein 100 Fufs tiefer Saal war, wo ce. hundert Personen sich feierlich versammeln konnten, mit zwiefacher Säulenreihe, durch hohes Seitenlicht erhellt, mit einem Vorraum, der zum Empfang der Festgäste bestimmt scheint. War hier in alter Zeit das Centrum der priesterlichen Verwaltung, so begreift sich auch, wie man in byzantinischer Zeit darauf kam, hier die christlichen Gottesdienste einzurichten. Kein olympisches Gebäude 1) C. Inser. Gr. 1607: r@s wvas 70 avriygacov purassovrı ci Seororcı roV "Amor- Auvos‘ Theokolen mit Grammateus an der Spitze eines Synedrion in Dyme: n. 1543. Die Altäre von Olympia. 21 war von Anfang an zu einem Versammlungs- und Gemeindehause mehr geeignet. Nördlich von der byzantinischen Kirche und westlich von dem äl- tern der beiden quadratischen Gebäude, von letzterem durch eine schmale Gasse getrennt, findet sich eine alte Bauanlage, die in jeder Hinsicht un- sere besondere Aufmerksamkeit erregt. Den Kern bildet ein kreisförmi- ger Raum, von einem polygonalen Ring mächtiger Porosquadern eingefafst. Dieser Ring ist von einem Quadrat gleich hoher Steinplatten umgeben, an das sich im Westen wie im Süden ein Vorbau anschlofs. Der Stein- ring hat einen Durchmesser von 8 Meter; an seinem innern Rande auf der südlichen Seite stand der Heroenaltar, von dem wir den sanzen Bau als Heroon bezeichnet haben (Ausgrabungen von Olympia V S. 38). Dieser Fund gehört zu den merkwürdigsten unter den kleineren Ergebnissen unserer olympischen Ausgrabungen und verdient, weil er ein- zig in seiner Art ist, wohl eine genauere Beschreibung und Darstellung. Es ist das an seinem ursprünglichen Standort wohl erhaltene Denkmal eines alten Gottesdienstes; ein vierseitiger Altar aus Erde geformt, an den drei sichtbaren Seiten mit Kalkputz bekleidet, oben mit einer Ziegelplatte, 0,57 hoch, 0,38 breit, ohne Stufen auf dem Boden stehend, also eine echte Eschara, (Eryaga — Ev9a opayızloumı rols narw, un Eyeura Uos dAX mi ns y9s oösa im Gegensatz zu den une &r Ara ulwurva: Qwuci inomedor oVd” Ex AYwv meromueva!). Der Altar ist ein Brandopferaltar gewesen, wie die deutliche Brand- stätte auf der oberen Fläche zeigt; auch finden sich unten Aschen- und Kohlenreste. An beiden Seiten bemerkte man die Reste von Opfergüssen, welche hier herabgeflossen waren. An den Rändern des Altarwürfels konnte man sehen, dafs etwa zwölf Putzschichten, eine über der anderen, salsen; es hatte also von Zeit zu Zeit ein neuer Überzug stattgefunden, indem man weilse Tünche mit dem Pinsel auftrug?). Da sich bei genauerer Untersuchung auch noch Spuren von Malerei 1) Schol. Eur. Phoen. 274. 234 Nitzsch Odyssee III 60. 2) Vgl. calce linere, calce uda dealbare in C. I. Lat. I n. 577 II 18 und das Verbot des Überweilsens eines Altars n. 5712 hanc aram nequis DEALB. 22 CURTIUS: und Schrift erkennen liefsen, konnten wir nicht anstehen, die Vorderseite des Altars wie einen Palimpsest zu behandeln und eine Schicht nach der andern vorsichtig abzulösen. Von jeder Schicht wurde durch Hrn. Gräf eine genaue Durchzeichnung angefertigt; demselben verdanke ich auch die farbige Skizze des Altars auf Tafel 1. Die Durchzeichnungen sind, pho- tographisch auf + verkleinert, in Holzschnitt wiedergegeben. Die oberste Schicht trug die Inschrift HPOLO P mit den in Farben wohl erhaltenen Verzierungen. Es sind zwei von den Seitenflächen her nach vorn zusammengebogene Blattzweige. Die Stengel sind braun, die Blätter grün. Man sieht, dafs erst die Stengel gemalt sind, dann die Blätter, beide aus freier Hand. Siehe Tafel 1 Fig. 1. Auf der nächsten Lage war die Schrift flüchtiger: Die Altäre von Olympia. 23 Die vierte durch eine Blume, welche die Mitte einnimmt; es ist eine weit geöffnete Rose mit einer äulseren und einer inneren Blattreihe, die äulsere roth, die innere gelb; das Braungelbe bezeichnet den Stempel. 2ESS = I 4 Die Rosenschicht ist auf Tafel I Fig. 2 dargestellt. Es folgen nach einander: 24 Curtıuvs: Schicht 8: Schicht 9 zeichnet sich durch die Pluralform aus; Vorder- und Seitenflächen waren hier ohne Malerei. Schicht 11: Hfmoy' Ä Die Blattzweige sind zu flüchtig gezeichnet, als dals sie botanisch zu bestimmen und als Kennzeichen des im Rundbau verehrten Heros zu benutzen wären. Über Heroeneultus in Olympia sind wir, von Pelops abgesehen, nicht durch schriftliche Überlieferung unterrichtet. Von zwei Geschlech- tern aber wissen wir, dafs sie mit den Priestern zusammen hier ım We- sten der Altis ansäfsig waren, und dafs sie einen Ahneneultus hatten, welcher bald auf einen, bald auf zwei Heroen zurückgeführt wurde — das waren die Jamiden und die Klytiaden. Auf diese Weise würde sich am einfachsten der seltsame Umstand erklären, dafs derselbe Altar einem und mehreren Heroen gelten konnte, wie die Inschriften bezeugen. Fassen wir nun das Gebäude in’s Auge, an dessen innerem Rande & und dem oO der Altar stand, so zeugt schon dieser Platz von der Bedeutun Alter des Heroendienstes, der hier gepflegt wurde. Der Steinring um- Die Altäre von Olympia. 25 schlofs offenbar eine besonders heilige Stätte; er gleicht einem festen Ein- schluls ($g«yue), mit welchem man geweihte Plätze einhegte, die unnah- bar waren und unter freiem Himmel liegen mufsten (wie der Erdschlund beim Zeus Kataibates S. 6). Ein fester Boden hat sich im Innern nicht gefunden, sondern ein trichterförmiges Loch (oben 2,40, unten 1,70 lichtes Mafs), das in byzantinischer Zeit als Kalkofen benutzt worden ist. Im Innern des Rings zeigte sich gelbliche Thonerde, wie sie sich nur im Kronion findet. Wenn dieselbe von dem Sitz des ältesten Landeseultus hergebracht ist, so wird dadurch eine enge religiöse Verbindung mit dem- selben und ein hohes Alter dieser Cultusstätte bewiesen. Ich glaube es daher als eine nicht unbegründete Vermuthung aus- sprechen zu dürfen, dafs dieser Steinring der alte Gaios ist, den wir, wie oben bemerkt, an einer tiefgelesenen Stelle vorauszusetzen haben, der Ursitz der Mantik in Olympia, und dafs an seinem Rande lamos, der Stammvater der dortigen Propheten, seinen Heroendienst hatte, dem ein zweiter Prophet aus dem Stamm der Melampodiden ebenbürtig an die Seite gestellt wurde (S. 17). Es war der Ahnencultus des Doppel- seschlechts, welcher durch Adoption bis in die späte Kaiserzeit erhal- ten blieb. Ist diese Vermuthung richtig, so werden auch die Vorbauten nach Westen und Süden, welche von dem (Quadrat ausgehen, in welches der alte Steinring, der Kern des Ganzen, eingehegt ist, mit der Mantik zu- sammenhängen. Der Westbau war die Eingangshalle, wo die sich melde- ten, die Orakel begehrten; der südliche Vorbau läfst sich nieht mit Sicher- heit im Grundrifs herstellen. Man hat in demselben die Basis eines Altars zu erkennen geglaubt. War es ein heiliger Raum, wie der un- mittelbare Anschlufs an den Centralbau voraussetzen läfst, so würden wir darin das Heiligthum der Themis erkennen, die bei dem Erdspalt des Gaios (Emi Fo0 dvouagouevov areulev) ihren Altar hatte. Diese heiligen Stätten mulsten mit dem Heroenaltar der Prophetenfamilien einen gemeinsamen Platz haben, und ich wülste nicht, an welcher anderen Stelle wir sie su- chen sollten. Hier war der Schwerpunkt des religiösen Olympia, ehe es ein agonistischer Centralpunkt wurde; hier blieben die Sehergeschlechter thä- tig, auch nachdem sie in das Priestercollegium eingeordnet waren, das Philos.-histor. Kl. 1881. Abh. VII. 4 236 OCURTIUS: im Westen der Altis seine Geschäfte besorgte, seine Feste feierte und seine Ehrendenkmäler erhielt. Nördlich von der Kirche sind die Basen von Ehrenstatuen geistlicher Würdenträger gefunden (Arch. Zeitung XXXV, 96). Der Altar im Rundbau wird von Pausanias nicht erwähnt; er ge- hörte ja auch ganz dem Geschlechtscultus an. Aber auch den berühm- testen aller Heroenaltäre Olympias übergeht der Perieget, den Altar im Pelopion, den von Herakles gegründeten, wo Pelops die „herrlichen Brand- opfer genofs an seinem umwandelten Grabhügel unfern des vielbesuchten Zeusaltars“!). Man hat südlich von dem Erdhügel, der in seinen Über- resten noch zu erkennen ist, Reste von Asche und Kohle im Boden ge- funden und auf die Altarstätte geschlossen, wo das Jahresopfer des schwarzen Widders von den Beamten dargebracht wurde. In den Oy- klus der priesterlichen Opfer gehörte dieser Altar nicht und deshalb wird er im Register der Altäre nicht aufgeführt. Von den der Reihe nach aufgezählten können wir aufser dem He- raklesaltar neben dem Schatzhause von Sikyon (N. 31), dem Zeus- und Heraaltar vielleicht noch einen an alter Stelle nachweisen. Es ist der Nymphenaltar (N. 41) an dem Hinterhause des Zeustempels. Derselbe bedurfte zum Nymphendienste und zur Pflege des Kranzbaums, der &ai« zarrısrepavos, eines ergiebigen Wasserzuflusses, und wir finden eine alte, der Altismauer parallel laufende, Thonröhrenleitung vom Kronion- fulse in gerader Richtung auf einen Platz gerichtet, der hinter dem Tem- pel am Rande der Tempelterrasse liegt und die Spuren einer alten Grün- dung nebst zwei benachbarten Bassins zeigt. Wurzelte hier in ausgetief- tem Boden der auch seines Alters wegen berühmte Kotinos, so können wir daraus die Ansicht beglaubigen, dafs vor dem Bau des Tempels und der Tempelterrasse derselbe Platz zur Vertheilung der Siegespreise benutzt worden ist (S. 11). Ein zweiter Altar, dessen Lage wir vielleicht nachweisen können, ist der des Zeus Horkios im Buleuterion. Wenn nämlich dies Gebäude mit grofser Wahrscheinlichkeit in der grofsen, dreitheiligen Bauanlage . > e N - ’ , 1) Pind. Ol. I, 90: ev inazougiens ayAacisı Wenızren, "AAdeod mogu #2uTeic, ruußor [} 1 7 , x 65 aschimorov EX, uv moruEevurarw Tap« Bun. Die Altäre von Olympia. 27 südlich unterhalb der Tempelterrasse erkannt worden ist, so liegt die Vermuthung sehr nahe, dafs in dem quadratischen Mittelbau, der mit den beiden Langhäusern nicht unmittelbar zusammenhängt und in seiner ganzen Anlage den Eindruck einer mit der Religion zusammenhängenden Einfriedigung, eines unbedeckten Temenos von selbständiger Bedeu- tung macht, der heilige Bezirk zu erkennen sei, in dessen Mitte das Bild des Zeus Horkios gestanden hat, vor welchem die Athleten und die Beamten auf die olympischen Satzungen im Buleuterion vereidigt wurden (Paus. V 24,9). Dazu bedurfte es eines eingehesten Ver- sammlungsraumes, dazu bedurfte es eines Altars, um die Eidopfer zu vollziehen. Es ist also sehr wahrscheinlich, dafs die Fundamente inmitten des quadratischen Bezirks, die man auch auf eine Dach- stützung bezogen hat, den Standort des Zeus Horkios bezeichnen (vgl. Ausgrabungen von Ol. IV, S. 45). Der hier befindliche Altar ge- hörte nicht zu dem grofsen Altareyklus, weil er nur bei ganz besonderen Gelegenheiten benutzt wurde. — Endlich können wir noch eine, bei Pau- sanıas nicht erwähnte Altarstelle nachweisen, nämlich in dem Gemache, welches neben dem östlichen Eingange an der Südseite der Palästra lag. (Siehe den Grundrifs auf Tafel II, welcher die Ostecke der Südfront dar- stellt.) Man trat von der Eingangshalle, die im Innern mit Sitzbänken umgeben war, links in einen quadratischen Raum, an dessen West- wand, dem Eintretenden gegenüber, das Fundament eines Altars steht, von dessen Benutzung der mit Aschen- und Kohlenresten durchsetzte Boden zeugt (Ausgrabungen V, 40). Es liegt die Vermuthung nahe, dafs die zur Theilnahme an den Übungen sich meldenden Jünglinge hier auf die Gesetze des Gymnasions vereidigt wurden. Es ist auch für die bau- liche Einrichtung griechischer Altäre nicht ohne Interesse, dafs wir deut- lich das Beispiel eines an die Wand gelehnten, nicht umwandelbaren Opfer- altars haben. Vgl. unten 8. 42. Wenn die monumentalen Überreste olympischer Altäre im Gan- zen so geringfügig sind, so erklärt sich dies aus verschiedenen Gründen. Erstens sind die Opferstätten des Alterthums, an denen die Pietät der Alten am längsten festhielt, mit Absicht zerstört worden; zweitens wa- ren die Gründungen selbst von Anfang an bescheiden und gerade an den heiligsten Plätzen absichtlich kunstlos. Auch bei dem Altar nördlich vom 4* 38 GURTIUS: Pelopion (S. 26), einem der heiligsten Plätze, fanden sich nach Dörp- feld’s Untersuchungen zusammengesuchte Feldsteine und formlose Mergel- kalkbrocken. Dazu kommen, um die ursprünglichen Gründungen unkennt- lich zu machen, die vielfachen Umbauten, welche durch die fortschrei- tende Veränderung der Niveauverhältnisse nothwendig wurden. So ist auch das, was jetzt vom Heraklesaltar bei der Exedra sichtbar ist, der Überrest eines späteren Baus, und von dem Altar im Westen des Metroon liegen die Erdschichten mit den alten Votivbildern unter der Sohle der jetzt sichtbaren Fundamente. Die sichersten, urkundlichen Zeugnisse des Altardienstes bleiben die Aschen- und Kohlenreste, an manchen Stellen, wie beim Pelopsaltar, die einzigen übrigen Zeugnisse, und je nachdem sie mit Votivgegenständen angefüllt sind oder nicht, zeugen sie noch heute von der Bedeutung des Altardienstes. Diese unterirdischen Überreste, zu denen auch die alten Wasserleitungen gehören, sind die sichersten und lehrreichsten Weg- weiser für die Religionsgeschichte und Topographie von Olympia. Die vorstehenden Untersuchungen sind nur ein erster Versuch, die noch wenig bearbeiteten Gebiete der gottesdienstlichen Alterthümer Olym- pia’s schärfer in das Auge zu fassen. Was wir an andern Orten in Hellas von Gottesdiensten kennen, knüpft sich immer an Stadtgeschichte an und kommt, wie ein dunkler Hintergrund, von dem politischen Treiben des Tages überdeckt, nur hie und da gelegentlich zum Vorschein. Hier hat schon 100 Jahre vor der Schlacht bei Salamis alle Geschichte aufgehört. Hier finden wir keine Bürgergemeinde ansäfsig; hier giebt es keine Wohnquartiere einer städti- schen Bevölkerung, keine Verkehrstrafsen der lebenden, keine Friedhöfe der vorangegangenen Generationen. Die Welle, welche in jedem fünften Jahre eine Menschenmenge, so grols wie die Bevölkerung einer ansehn- lichen Stadt, zu Festspiel und Jahrmarkt zusammenführte, flofs vorüber. Das grofse Thor der Altis wurde geschlossen, und es blieb keine andere Die Altäre von Olympra. 99 Bevölkerung zurück, als die priesterliche mit ihrem Dienerpersonal; keine Fremden kamen, als die, welche die Merkwürdigkeiten sehen und das Orakel befragen wollten; keine Thätigkeit herrschte, als der Opferdienst, welcher in einförmigem Kreislaufe Tag für Tag an den Altären pflicht- mäfsıg wahrgenommen wurde. Das Wesen des antiken Cultus hat sich also ungestört ausge- bildet und in grofser Reinheit erhalten; wir können auch die verschie- denen Gottesdienste, welche nach einander in Hellas Geltung gewonnen haben, hier deutlicher als anderswo erkennen, wie sie sich über einander abgelagert und neben einander gestaltet haben. Darum ist Pausanias’ Be- schreibung des gottesdienstlichen Olympia eine so wichtige Urkunde für griechische Cultus- und Oulturgeschichte. Versuchen wir uns die verschiedenen Schichten des religiösen Le- bens in ihrer geschichtlichen Folge zu veranschaulichen, so liegen zu Grunde diejenigen Culte, welche wir aller Orten als die ältesten und au- tochthonen ansehen dürfen, die der Landesflüsse und Quellnymphen, ohne welche wir uns die im Lande zerstreute Urbevölkerung nicht denken können. Das geschichtliche Leben beginnt mit überseeischen Zuwanderun- sen, für welche das Mündungsland des grölsten Flusses der Halbinsel eine besondere Anziehung haben mulste. Sie sind durch Gottesdienste bezeugt, welche nicht im Lande einheimisch sind, vor allen durch den Dienst des Kronos, der nach dem Volksglauben der Hellenen Repräsen- tant ihrer frühesten Vorzeit ist. Nirgends ist er deutlicher bezeugt als in Olympia. Von ihm trägt die herrschende Höhe ihren geschichtlichen Namen. Sein weitschauender Gipfel ist die älteste Opferstelle, einer der heiligen Berggipfelaltare (£ri r7 axg@ 7 dvwrarw roü öpous Paus. VIII 38,7), sein Fuls der Baugrund der ältesten Heilisthümer; seine Erde wurde an andere Stellen übertragen, die man mit ihm in Verbindung setzen wollte (S. 25). Der unstät wandernde, listig verschlagen («yxvAcunrss!)) und doch getäuschte Kronos, dessen Sagen mit barbarischen Opferbräuchen verwachsen sind, ist unverkennbar ein Vertreter des semitischen Seevolks, 1) Vgl. die entsprechenden Züge bei Sisyphos, Palamedes, Atlas (Mittheilungen des Ath. Instituts I, 211). 30 CGURTIUS: das gewils auch diese Küsten aufgesucht hat. Davon zeugen der Jar- danos und andere schon besprochene Spuren des Alterthums. Dann wurde Kreta der Kreuzpunkt, welcher durch den Kronos- dienst einerseits mit den Syrern und Solymern, andererseits mit Hellas in Verbindung steht. In Kreta wurde der phönikische Kronos mit dem hellenischen Zeus verwoben, und als Ausgangspunkt olympischer Gottes- dienste wird es durch den orgiastischen Cultus der Göttermutter, durch die idäische Grotte im Kronion!), durch die Person des Klymenos, durch Kureten und Korybanten reichlich bezeugt. Es folgen die Einwirkungen anderer Seevölker. Von der karischen Küste stammt der Dienst des Zeus Areios (in Hoplitengestalt?), der Poseidondienst, die Endymionsage; ioni- schen Einflufs bezeugt der benachbarte Dienst ionischer Nymphen°). Das ist der Inhalt der vorhistorischen Zeit, welche nur in Sagen und Culten nachklingt; die Zeit der Abhängigkeit des unteren Alpheios- thals von überseeischen Inseln und Küsten, die Zeit vor Beginn der con- tinentalen Wanderungen und Umwälzungen im diesseitigen Griechenland. Von dieser Periode zeugen auch die Fundstücke in den untersten Schichten des Altısbodens, die ältesten der Votivgegenstände, welche hier eben so gefunden worden sind, wie in den Heilisthümern von Idalion und Golgos. Ferner die Symbole der karischen Doppelaxt, die Kymbeln der Rhea u. a.*) Einheimische Geschichte beginnt mit den Gauverbindungen an bei- den Ufern des Alpheios. Die Muttergöttin am Kronionfufse wird als Hera eine amphiktyonische Göttin; für ihr Bild wird von den umliegenden Ge- meinden der Peplos gewoben; das alte Erdorakel gab dem Bundesorte eine höhere Bedeutung, und wenn uns überliefert wird, dafs acht Jahre nach Oxylos’ Ankunft der Heratempel von den Skilluntiern erbaut worden sei°), so liegt dieser Überlieferung wohl die Ansicht zu Grunde, dafs man den von Norden vordringenden Fremdlingen gegenüber die Gemeinschaft der 1) Böckh Explic. Pind. p. 150. ?) Welcker Gr. Götterl. II 24. 3) Peloponnesos II 72. 4) Furtwängler, a. a. O. S. 32£. B)EBauseV, 16. oO Die Altäre von Olympia. Sl in Triphylien und Pisatis umher wohnenden Gemeinde zu befestigen bestrebt war!). Mit den Aetolern ziehen Achäer ein. Jene brachten wahrschein- lich ihren Artemisdienst in das Land; diese, das Gefolge des Agorios aus Helike, waren für die weitere Entwickelung von Olympia von eingreifen- dem Einflusse. Denn sie bringen, als Orestes Nachkommen, den Dienst des Pelops und schütten des Ahnherrn Grabhügel zwischen Kronion und Alpheios auf. Die Altis wird nach Süden erweitert und auch Zeus, der hier als Kataibates verehrt war und als Zeus Areios der Hausgott des Oinomaos war, erhält nun neben Pelops, dem Ersten der Heroen, als Göt- terkönig eine neue Bedeutung. Der Brandopferaltar des Zeus erhebt sich inmitten der Altis; auf ihn wird jetzt von der Landesgöttin Hera die Herrschaft übertragen; die Festlokale der Heräen werden für die neue Feier eingerichtet. Die Gründung des olympischen Festes wird von Epho- ros den Achäern zugeschrieben und die herrschende Stellung, welche ihre Geschlechter hier eingenommen haben, erhellt auch daraus, dafs am Al- tare des Pelops bis in die späteste Zeit die jährlichen Beamten von Olym- pia noch alterthümliche Todtenopfer darbrachten?). Die achäischen Einrichtungen gingen in die Hände der elischen Adelsgeschlechter über?), welche mit den Herakliden in Sparta verbunden sind. Ihr Vertreter ist Herakles, der nun als Heros neben dem älteren Gotte (dem Parastates) in die Geschichte von Olympia eintritt. Er er- neuert die Pelopsfeier und macht aus dem nachbarlichen Landesfeste eine peloponnesische Panegyris. Das ist die letzte der Entwicklungsstufen, die Epoche des dorischen Einflusses. Von ihm zeugen die dorischen Hym- nen im olympischen Ritus, von ihm die Einführung des Apollodienstes und der apollinischen Mantık*) und die Beziehungen des peloponnesischen Heilisthums zu Nordgriechenland, dem alten Wohnsitze der Dorier. Von 1) Peloponnesos II 47. S SC u 7 e 5 u y R 2) Paus. V 13, 2: Svousw airw zur wÜv erı ol zur Eros Tas Apyds Exy,ovres' TO SEE ’ de lepelov Errı za0G MEAaS. 5 > GI ” - x ’ x x > ’ 3) IeoaraeQeiv, meldet Ephoros bei Strabo 357, (rous AirwAovs) zaı rnv erımersiav me n N = FoU iegod, nv Eiyov 08 "Ayaıcı. #) Vgl. Olympia und Delphi, Hermes XIV, 137. 32 OURTIUS: den Hyperboreern bringt Herakles den Kotinos an den Alpheios und vielleicht trat damit erst die Übertragung der Namen Olympos und Ossa auf die Höhen von Pisa und des Namens Olympia auf die Flufsebene ein. Wie in der nordischen Heimath des dorischen Stamms wurde jetzt auch hier ein Zwölfgöttereyklus gegründet, die Stiftung desselben Herakles, und zwar wurden dabei die älteren Überlieferungen des Orts in merk- würdiger Weise berücksichtigt, so dals der Landesflufs neben der Arte- mis, dafs Kronos und Rhea an den Doppelaltären des Herakles ihre Ver- ehrung fanden. Diese Satzungen, die mit der Gründung des peloponnesischen Staa- tensystems zusammenhangen, sind alle Zeit unverändert geblieben, wäh- rend Alles, was mit der Agonistik zusammenhängt, den mannigfaltigsten Neuerungen unterlag. Im Cultus von Olympia hat sich das alte Her- kommen besonders fest erhalten, und zugleich ist hier, als an einem Orte von centralen Ansehen Manches ausgebildet, was auch für die Hellenen auswärts malsgebend wurde. So spricht Plato (Politeia IX, p. 585) von einer eigenthümlichen Spendeform, die man "OAuurızas arevdev nannte. Ebenso gab es für religiöse Enthaltsamkeit in Olympia besondere, strenge Formen («yırrevew 7% vouw ra "HAciuv Paus. VI 20,2). Charakteristisch ist auch die strenge und scharfe Normirung der Malse in Allem, was zum Gottesdienste gehört. So war Pelops, dem Heros, das Temenos gerade auf die Hälfte der Länge des Zeustempels bemessen (Paus. V 13, 1). Hundert Fufs als hieratisches Mals finden wir bei dem quadratischen Bau des Pryta- neion, bei dem von mir sogenannten Theekoleon, bei der Krypte des Stadions und als durchschnittliches Breitenmafs bei dem Stadion. Es wurde also nach dem hergebrachten Brauch das hieratische Mafs auch auf solche Anlagen angewendet, welche an und für sich keine sacrale Be- deutung hatten. Mit der Reform von Olympia, welche sich an Herakles Namen anschliefst, sollen durch seinen Schritt auch die Mafse in Olympia geregelt worden sein, und, während wir früher nur vom Stadion wuls- ten, dals es neu vermessen worden sei, seit es aus der Bestimmung für die Heräen in den Dienst bei dem Zeusfeste überging!), können wir jetzt 1) Gellius I, 1. Paus. V 16, 3: adaıgousıw aurcıs (d. h. den Jungfrauen der Hera) Es Tov dacmov To0 sradiov 79 Errov merırre. Dies verkürzte Stadion war aber das ur- Die Altäre von Olympia. 33 nach Dörpfelds Untersuchungen auch im Tempelbau den olympischen Fufs genau von dem unterscheiden, der dem Bau des Heraion zu Grunde lag. Auch die Breite der Wege mufs genau normirt gewesen sein, denn das Wort äyvıe wird als Mafsbestimmung benutzt (dyviev dierrnze Paus. V 15,2). Typische Dimensionen gehen durch Alles hindurch, was näher oder ferner zum Gottesdienste in Beziehung steht, auch bei den heiligen Geräthen und deren Nachbildungen. So bei den Votivdreifüfsen, auf de- ren fest normirte Proportionen (Durchmesser des Kessels gleich Höhe der Fülse) Furtwängler aufmerksam gemacht hat!). Das Festhalten am Gegebenen zeigt sich auf allen Gebieten. Die zahllosen Votivbilder in Thon und Erz wiederholen dieselben kunstlosen Formen, und ebenso bleiben die Kunstformen stereotyp, wie es an den Profilen der Simen und anderen Baugliedern von unsern Architekten häufig beobachtet worden ist. In der Sprache wurde das Provinzielle und Alterthümliche festgehalten (z. B. @yuı@ für arevwres Paus. V 15,2) und Nie- mand konnte einen so langen Fortbestand des Aeoliısmus voraussetzen, wie es die Inschriftfunde in überraschender Weise gelehrt haben. Zeugt doch auch der Heroenaltar wieder von dem zähen Festhalten am Rhotacis- mus. Unter dem Einflufs der dorischen Staaten wurden dorische Hymnen eingeführt; sie wurden aber nur im Prytaneion gesungen, dem Mittelpunkt staatlicher Verwaltung, und auch hier waren es immer dieselben alten Weisen, deren Urheber, wie Pausanias ausdrücklich bemerkt (V 15, 12), nicht genannt werden. Alles Persönliche sollte im Cultus zurücktreten. Zu den charakteristischen Zügen der Alterthümlichkeit gehört auch der Reliquiendienst, wie er sich z. B. an die Gebeine des Pelops anschlofs, deren Hut den Nachkommen des Damarmenos (der sie im euböischen Meer aufgefischt hatte) als erbliches Ehrenrecht übertragen war (V 13, 5), und ebenso die mancherlei Wundersagen, welche sich an den olympischen Altardienst anschlossen; so die Sage von der einzigartigen Beschaffenheit des Alpheioswassers (S. 5), von den Raubvögeln, welche keinen Altar sprünglich das zu dem Festlokale der Landesgöttin gehörige, bis zur Einrichtung der Zeusfeste. Vgl. über die olympischen Malse Dörpfeld Ausgrabungen III, 20. V, 37. DER a OST. Philos.-histor. Kl. 1881. Abh. VII. B) 34 OURTIUS: schonten mit Ausnahme des grofsen Brandopferaltars der Altis (V 14, 1), von den Stechmücken, welche durch das dem Zeus Apomyios dargebrachte Opfer jenseits des Alpheios gebannt wurden, um den heiligen Dienst nicht zu stören (V 14, 1), ebenso die Sage von der Trübung der Arethusa wäh- rend der olympischen Festzeit u. A. Auch die Mantik, welche ihre Bedeutung in Olympia nie verloren hat ((Orvuria dermew' araSeias Pind. Ol. VIIIL), verharrte in gewissen alter- thümlichen Formen. Die chthonische Mantik ist nie erloschen. Auch die von Apollo eingesetzte Mantik ist immer Zeichenorakel geblieben, und, wie uns das Standbild des lamiden Thrasybulos lehrt, dem eine Eidechse die Schulter hinaufkroch und ein Hund mit aufgeschnittenem Leibe zur Seite lag (Paus. VI 2,4), ist die Eingeweideschau an den Opferthieren im- mer in Übung geblieben. Die beiden Sehergeschlechter, welche die alte Tradition erhielten, hatten innerhalb des Priestercollegiums eine ausge- zeichnete Stellung. Sie waren in allen Angelegenheiten des heiligen Rechts die Sachverständigen und mit den politischen Vorständen zusammen die Aufsichtsbehörde, welche jeder Entweihung der Altäre vorzubeugen und alle Unreinen von denselben fern zu halten hatte (Arch. Zeitung XXXVILU S. 119). Sie ordneten den Festkalender und hatten bei dem liturgischen Ceremoniell die Jahrestage zu beachten (PvAafavres rrv Evarıy Eri dera rov ’EAadiev unvos V 13, 11). Das Merkwürdigste bleibt immer die in Olympia deutlicher als sonst bezeugte Autonomie der Altäre, neben denen die Tempel als Luxus- bauten erscheinen, welche für den Gottesdienst völlig entbehrlich sind. Die Altäre und Altargruppen sind von der vorgeschichtlichen Zeit an die geschichtlichen Urkunden für die allmähliche Entwickelung des olympi- schen Cultus. Das Kronion ist immer der Mittelpunkt geblieben, nach welehem ganz Olympia bezeichnet wurde; denn so sind Pindars Worte zu verstehen: ixovro d’ unbyAcio merguv arılarsv Koovicv (Ol. VI, 64). Der heilige Berg ist, wie es scheint, von der Altis nie durch eine Mauer abge- schieden gewesen, wenn auch der Bergaltar, an welchem als ein Über- rest pisäischer Vorzeit die Basilai in der Tag- und Nachtgleiche des Früh- lings opferten, und das Eileithyiaheilisthum daselbst mit dem mystischen Dienste des Sosipolis, des alten genius loci, in den Cyklus der olympi- schen Altardienste nicht aufgenommen waren. Die Altäre von Olympra. 35 Nirgends ist auch so deutlich wie hier Herakles als Gott, Parasta- tes, der älteste der Daktylen, von dem späteren Heroen im Dienste zu unterscheiden. Seine alte Opferstätte am Fufse des Kronion ist, wie die Fundamente bei der Exedra zeigen, an alter Stelle erhöht und dann aus einem Rundbau (der noch heute den Kern der Ruine bildet) in einen viereckigen umgemodelt worden. Hier ist auch der Standort noch zu er- kennen, so dafs der Opfernde nach Osten schaute. Wenn man also auch bei diesem Altar zweifelte, ob er dem ältern Herakles, dem phönikisch- kretischen Gotte, oder dem. Sohne der Alkmene geweiht gewesen sei (V 14, 9), so spricht die Orientirung für den Gottesdienst. Die vorhellenischen Culte, welche Hellas mit dem Morgenlande verbinden, sind aber nicht nur in den Altären bezeugt. Vielmehr sind aus den Tiefen der Altis neuerdings auch Denkmäler wieder an das Licht gezogen, welche den Zusammenhang mit der assyrisch-phönikischen Welt zweifellos bezeugen, Reliefstreifen, Schalen mit punischer Schrift, und jene decorativen Flügelgestalten, welche an den ältesten Bronzen, den Kesseln aus Blech, angebracht waren, Figuren mit assyrischem Gesichtstypus, mit assyrischen Symbolen, ganz so, wie sie einerseits in Präneste, anderer- seits in Armenien gefunden werden. Es sind handgreifliche Zeugnisse des phönikischen Küstenverkehrs, mit welchem auch hier die Landesge- schichte begonnen hat, und beglaubigen die Überlieferung von den auf dem Kronion und am Fufse desselben errichteten Altären!). Vom Kronion rückten die Altäre immer weiter in die Ebene hin- unter. Kronos, oben allein, am Bergfulse mit der Muttergöttin gepaart, wird unten in den Zwölfkreis der Olympier aufgenommen; so treu ist man hier dem geschichtlich Überlieferten geblieben. Andererseits ist der religiöse Particularismus der griechischen Städte, deren Götterdienste in einzelnen Culten zu gipfeln pflegten, hier nie zur Herrschaft gekommen. In der Achäerzeit wurde freilich die Altis das Haus des Zeus und die Priesterschaft sein Hausgesinde (sizeraı red Aus Paus. V 13, 5). Die Altis hatte ihren Hausherd mit ewiger Flamme, und die vom Hestia- zum Zeus- altare übertragene Asche war der symbolische Ausdruck für die Einheit des idealen Hausstandes. Innerhalb des Zeusbezirks waren aber alle Culte 1) Furtwängler in der Arch. Zeitung XXXVII S. 180. 36 OURTIUS: der Hellenen gleich berechtigt, sie wurden alle von denselben Händen bedient. Die jungen und die älteren Götter waren mehr als anderswo gleichberechtigte Hausgenossen und diesen amphiktyonischen Charakter zu pflegen lag in dem wohlverstandenen Interesse der Eleer. In besonderem Sinne amphiktyonisch waren die sechs Doppelaltäre, die deshalb auch für die Siegesfeier eine hervorragende Bedeutung hatten!). An ihnen opferten die Sieger, wie es Böckh zu Pindars fünfter olympi- schen Ode von Psaumis nachgewiesen hat. Eine andere, jüngere Gruppe bildeten die Altäre von rein agonisti- scher Geltung, wie die des Hermes Enagonios, des Kairos, der Tyche und der Hippioi. Ein symbolischer Ausdruck für den nationalen Gedan- ken, welchen Olympia vertrat, war der Altar der Concordia ((Ousveie), der sich an volksthümliche Bräuche anschlofs?) und wieder für viele andere Orte vorbildlich geworden ist. Im Sinne dieser Stiftung sind die ‘olym- pischen Reden’ entstanden, wie die des Lysias. Endlich die Altäre ausländischer Gottheiten d.h. solcher, welche nicht in der Vorzeit der Hellenen sich eingebürgert haben. Denn, wenn Olympia auch strenger national war als Delphi, so verschmähte es doch die Verbindungen mit dem Auslande nicht, am wenigsten die mit Libyen (S. 4), wie Hera Ammonia und Hermes Parammon bezeugen (Paus. V.35,chl). So sind die Altäre von Olympia ein Archiv der Geschiehte, weil die Denkmäler der verschiedensten Epochen der Volksgeschichte hier voll- ständiger als anderswo nebeneinander fortbestanden haben. Die Vorzeit, welche im städtischen Leben vergessen wurde, hat sich hier um so treuer im Gedächtnifs erhalten, je weniger eine politisch bewegte Gegenwart die Aufmerksamkeit fesselte und Neuerungen der Gottesdienste veranlalste. Um noch anderer Züge des Alterthümlichen in Olympia zu gedenken, erinnere ich an die Aschenaltäre, die unsers Wissens nir- gends so zahlreich und angesehen waren wie hier, an die Grundlegung der Altäre mit losen Feldsteinen, an die massenhafte Darbringung primi- 1) Darauf bezieht sich wohl das mir noch räthselhafte Beiwort Acoıras und Accır!s, dem vielleicht die Bedeutung der ‘Volksammler’ beiwohnt. 2) Xenophon Memor. IV 4, 168 ravreyoT Zv 7 ‘ErAadı vouos zeiraı FoUs morITas > ’ e , OJAVUVCEL OJKOVONTEI,. Die Altäre von Olympia. 37 tiver Votivgaben an den Stufen der Altäre. Besonders merkwürdig ist dabei die Abwesenheit aller Zeichen von Idololatrie. Furtwängler hat schon (a. a. 0.28, 32) darauf hingewiesen, dafs kein einziges altes Idol von Zeus oder Hera im Altisboden gefunden worden ist: eine Thatsache, die reinen Altardienst, den bildlosen Cultus in Olympia, deutlich bezeugt. Ja, wir sind trotz des massenhaften Materials von Fundstücken bis jetzt noch aufser Stande, uns von der Gestalt der alten Landesgottheit, welcher der Peplos gewoben wurde, und von dem Orte, wo sie gestanden hat, eine sichere Vorstellung zu machen !). Auch die Opfergebräuche haben sich in Olympia besonders alter- thümlich erhalten: Svousw dpxatev rıva rgerov (V 15, 10). Rauchopfer mit Gerste und Honig war die herkömmliche Darbringung. An den drei Al- tären (denen der Nymphen, der Despoina und aller Götter) wurden nur weinlose Spenden dargebracht. Für alle Brandopfer war das Ceremoniell so streng geordnet, dafs Gemeinden wie Privatpersonen verpflichtet wa- ren, sich das vorgeschriebene Brennholz in abgemessenen Stücken von dem olympischen Holzverwalter zu verschaffen. Die strenge Handhabung des heiligen Rechts in Olympia kannten wir schon aus dem Prozefs gegen den Erzstier, an dem ein Knabe sich verletzt hatte (Paus. V 27, 10) u. a. Zügen. Jetzt erkennen wir die strengen Ordnungen des heiligen Rechts aus den neu gefundenen Bronze- tafeln, so weit das Verständnils derselben bis jetzt gelungen ist, die strenge Zucht in Geldbufsen und Körperstrafen so wie die Excom- munication von Altar und Mantik. In nächster Beziehung zum Opfer- dienst stehen die religiösen Ordnungen, welche den Mifsbrauch des Altars ahnden, und wie es in Olympia verboten war, dafs hellenische Staaten wider einander am Hochaltare des Zeus Orakel begehren sollten (S. 16), so war es auch verpönt, Opfer darzubringen, die einem Volksgenossen zum Schaden gereichen sollten. Das ist das zarıagavew (in dem Sinne von zarsvysSai) nach der Erklärung von Ahrens in der olympischen Inschrift n. 362 — Inseriptiones Gr. Antiquissimae n. 112; Rheinisches Museum XXXV, S. 578. Ist diese Deutung richtig, so schliefst sich hier an die 1) Dafs Herakles der Gott in Olympia bildlich verehrt worden sei, könnte man aus der Geschichte von Daidalos schlielsen, bei Apollodor II, 6. Die Erwähnung von Pisa ist sehr merkwürdig. 38 CURTIUS: äufsere Zucht eine ethische Norm von tiefem Sinne, der Grundsatz, dafs ein Opfer nur dann wohlgefällig sein könne, wenn es arglos und mit reinem Gewissen dargebracht werde. Wo so viel Wissen von allen Seiten zusammenströmte, wurde die Autbewahrung der Tradition unwillkürlich ein besonderer Gegenstand der Aufmerksamkeit. So war es auch eine Art von Reliquiendienst, wenn man die eine alterschwache Holzsäule des Königspalastes, mit Klammern rings umfalst, unter einem von vier Säulen getragenen Sehirmdache mit ängstlicher Sorgfalt aufrecht zu erhalten suchte. Endlich gehört zu den Zügen des alterthümlichen Wesens das streng geordnete System geistlicher Ämter, wie es uns hier vorliegt und das auch Pausanias so merkwürdig erschien, dafs er genau darüber berichtet (V 15, 10) in fast vollkommener Übereinstimmung mit den jetzt gefun- denen Urkunden. Wir finden hier eine Organisation geistlicher Würden, einen Fortbestand uralter Sehergeschlechter, eine Verbindung von Priester- thum mit städtischem Patriziat, dessen Söhne sich in diesen Ämtern fol- gen, eine hierarchische Stufenfolge der Ämter, wie sie uns sonst nirgends in Griechenland überliefert ist, und so führen uns die Studien über Olym- pia, welche jetzt erst begonnen haben, des neu gewonnenen Materials allmählich Herr zu werden, zu neuen Anschauungen des höheren Alter- thums und ergänzen unsere Kenntnils hellenischer Culturgeschichte auch auf den Gebieten, für welehe wir am wenigsten Aufklärung erwartet hat- ten. In dem stillen Olympia, das Jahr aus Jahr ein seiner Altardienste wahrnahm, dem Olympia @vev rAs mavnyupews (Paus. V 13, 10) lernen wir das Volksleben von einer Seite kennen, wie es uns in der griechischen Staatengeschichte am wenigsten vor Augen tritt. Die Altäre von Olympia. 39 Übersicht der Altäre nach der Reihenfolge der Opfer. 1. Hestia (Aschenaltar im Prytaneion). 2. Zeus Olympios, im Zeustempel. 3°» (Kronos und Rhea). aub. : : : 4°" (Zeus Laoitas, Poseidon Laoitas). 5°" (Hera Laoitis, Athena Laoitis). 6. Ergane (Phädryntenaltar). 7. Athena. 8. Artemis. 9°» Alpheios und Artemis, 10. Alpheios. 11. Hephaistos (= Zeus Areios) Oinomaosaltar. 12. Herakles Parastates. 15—16 Heraklesbrüder. Epimedes. Idas (Akesidas). Paionaios. Iasos. 17. Zeus Herkeios. 18. Zeus Keraunios. 19. Zeus Aschenaltar. 20. Altar der unbekannten Götter. 21. Zeus Katharsios und Nike. 22. Zeus Chthonios. 23. Altäre aller Götter. 24. Hera Olympia des Klymenos (Aschenaltar). 25°" Apollon, Hermes. 26. Homonoia. 27. Athena. 28. Göttermutter. 29. Hermes Enagonios. 30. Kairos. öl. Herakles bei dem Schatzhause der Si- kyonier. 32. Ge Aschenaltar auf dem Gaios. 33. Themis bei dem “Stomion’. 34. Zeus Kataibates eingezäunt bei dem grolsen Aschen- altar. 35°" Dionysos, Charites bei dem Pelopion. 40 Musenaltar zwischen ihnen. Nymphenaltar. Aller Götter Altar im Ergasterion. Aphrodite. Horen. Nymphai Kallistephanoi. Artemis Agoraia. Despoina. Zeus Agoraios. Apollon Pythios vor der Proedria. Dionysos. (Zeus) Moiragetas. Moıiraı. Hermes. Zeus Hypsistos. Zeus Hypsistos. Poseidon Hippios. Hera Hippia. CuUrRTIUS: 61. 69. Dioskurenaltar. Ares Hippios. Athena Hippia. Tyche Agathe. Pan: Aphrodite. Nymphai Akmenai. Artemis. Kladeos hinter dem Heraion. Artemis. Apollon. Artemis Kokkoka. Apollon Thermios. Pan Nm nn nm im Embolon. im Gemach vor dem Theekoleon. Artemis Agrotera vor dem Prytaneion. Pan im Prytaneion. Die Altäre von Olympia. 41 Erklärung der Tafeln. Beide Tafeln verdanke ich der Künstlerhand des Bauführers Herrn P. Graef, der mich bei der Untersuchung des Heroenaltars auf das Freundlichste unterstützt und — von Olympia nach Neu-Ruppin versetzt — mir auf meine Bitte die Zeichnungen über- sandt hat. Er selbst hat in Band V der Ausgrabungen S. 38 über unsern Fund berichtet. Als ich Anfang April 1580 nach Olympia kam, stand der formlose Erdklumpen in einer dunkeln Ecke unseres Magazins und erst allmählich wurden wir seiner Bedeutung inne. Vgl. Arch. Zeitung XXXVIH S. 113. Von der Farbenskizze, die den Anblick des Originals treu wiedergiebt, zeigt Figur 1 die oberste Schicht der Vorderseite des Heroenaltars und Figur 2 die vierte, dieselbe, welche S. 23 in Umrifs dargestellt ist. Dem oben Gesagten füge ich nur noch hinzu, dafs das Naturtreue, welches sich in der flüchtigen Malerei nachweisen läfst, we- sentlich auf der richtigen Unterscheidung der drei Organe (Blätter, Staubfäden und Stem- pel) sich beschränkt, die ja auch in der Regel verschiedene Farben haben. Sonst ist selbst das Charakteristische einer Rose keineswegs mit Sicherheit gegeben. Es ist, wenn auch eine Blume in natürlicher Gestalt, doch schon eine stilisirte.. Gewils aber ist die Rose, der herkömmliche Grabschmuck bei Griechen und Römern (Bötticher Baumkultus S. 457) auch für ein Heroenmal das passendste Symbol. Was die Zweige betrifft, so hatten wir den Eindruck, wie es auch Herr Graef S. 39 ausgesprochen hat, dals die Blattform auf den meisten Schichten dem Lorbeerty- pus näher steht, als dem des Ölbaums. Taf. II stellt die Gruppe der drei Gebäude im Westen der Altis dar, die ich S. 19 ff. in ihrem Zusammenhange nachzuweisen gesucht habe: Links Gaios mit Eingangs- halle und Themisheiligthum, rechts Wohngebäude des Priestercollegiums, unten (südlich) Theekoleon. Die jüngere Anlage rechts vom Wohngebäude (als Bezirk aus alter Zeit S. 19) mag ursprünglich zur Aufnahme der Unterbeamten gedient haben, wie sie dem Forstverwalter, dem Baumeister, dem Oberkoch und den anderen Mitgliedern des geist- lichen Synedriums nicht fehlen konnten. Es muls hier eine grolse Menge von Hierodulen gewesen sein und wir finden in Zusammenhang mit der Hierodulie auch hier das Institut der manumissio sacra, wovon die Inschrift in der Arch. Zeitung n. 225 (Inser. antiquissimae 552) zeugt. In Karnasion, das auch eine Altis war wie der innere Raum von Olympia, fin- den wir auch ein Synedrion von Priestern, auch einen Grammateus der Synedroi und eine grolse Anzahl von isoo: unter strenger Zucht. Vgl. Arch. Ztg. XV, 253*. — Hallen, die einen offenen Bezirk einschlossen und zur Unterbringung des Dienstpersonals benutzt wurden, werden bei dem Heiligthum der Athena Kranaia bei Elateia erwähnt, wo die zu- sammenliegenden Wohnungen der höheren und niederen Beamten am genauesten angege- ben werden: sro«i 2 eisı zur oiarrsıs did rWv aroWv, 2vSe oizolaıw os Tv Seov Segumrevsw RaRSisryze zur @AA0ıS zur Marırre ru LegwuEvu. (Paus. X 34,7). Philos.-histor. Kl. 1881. Abh. VII. 6 43 CURTIUS: Das Innere des Steinrings ist durch die Aulage des Kalkofens (S. 25) so um- gewühlt worden, dafs sich nicht mehr constatiren läfst, ob die 0,5 tiefe Schicht von Kronionerde damals durehstochen worden ist oder ob hier eine in die Tiefe gehende Öf- nung vorhanden war. Sicher aber ist, dafs von einem alten Boden aus Stein oder Estrich keine Spur gefunden worden ist. Da man bei der byzantinischen Kirche auch an die Werkstätte des Pheidias ge- dacht hat, so bemerke ich, dafs diese nach meiner Ansicht am anderen Ende von der Altis gelegen hat, unweit des Leonidaion; ein umfangreiches, vielgetheiltes Gebäude mit besonderen Ateliers für alle Zweige des antiken Kunsthandwerks, wahrscheinlich um einen Mittelhof gruppirt, auf dem der Zwölfgötteraltar stand. Hier wurde stückweise gearbeitet (wie man dem Pausanias ausdrücklich sagte: z«>° Exaorov ro) ayaruaros 6 ®. Evraude sigyagero V 15, 1), was im Tempel erst zu einem Ganzen zusammengesetzt wurde. Im Tempelhause empfing Pheidias nach der Legende (Paus. V 11, 9) die Gewifsheit des glück- lichen Erfolgs. Unten auf Taf. II ist von dem grofsen quadratischen Gebäude der Palästra die Südostecke im Grundrils dargestellt. Die Südfront der Palästra war in ganzer Breite durch eine Mauer geschlossen, hinter welcher die Räume lagen, wo die Epheben sich aus- kleideten und zu den Übungen vorbereiteten. Die Eingänge lagen an den Ecken. Auf der Ostecke trat man durch ein Portal in die Eingangshalle, deren Wände rechts und dem Portal gegenüber mit Sitzbänken ausgestattet waren. Links trat man in den $. 27 beschriebenen Altarraum, in welchem, wie ich vermuthe, die neu eintretenden Epheben, einzeln oder gruppenweise, auf die bei den Übungen im Gymnasion geltenden Gesetze verpflichtet wurden. Es ist wahrscheinlich, dafs der Cultus, dessen Stätte hier nachge- wiesen ist, dem Herakles galt als dem nationalen Vorbilde gymnastischer Tüchtigkeit. Die Altäre von Olympra. Inhaltsverzeichnils. Altarperiegese des Pausanias . Formen, Arten, Gruppen der Altäre Olympia ein Altarplatz . Die Mantik in Olympia Wohn- und Versammlungsräume 36 Pristerollgiung > Rundbau und Heroenaltar . Pelops-, Nymphen- und andere Altäre- Der olympische Cultus in geschichtlicher Übersicht Das religiöse Olympia e Die Altäre als geschichtliche Uckaoden Der alterthümliche Charakter von Olympia . Übersicht der Altäre Erklärung der Tafeln Sa nue2g 9a ne ao! „21—26 „26 — 28 (28.232 „32—35 „35—36 „36— 38 „39 —40 41—42 ABH.D.KGL.AKAD.D,WISS, 1882 TAFEL I HEROEN-ALTAR SCHICHT IV P. GRAEF AUFGEN. U. GEZ! RA I 0 ‘ 'ABH D. KGL. AKAD. D. WISS. 1882. TAFEL I. OLYMPIA PRIESTERLICHE GEBAEUDE IM WESTEN DER ALTIS STRASSE GASSE 7a \ ! Be _ | . PA METZ \- 1 GE REEL A 4 I, G W | SUED-OST-EINGANG DER PALAESTRA eg a a a ® ef & ® ® m 0 5 o 15 20 25 METER a ie a En 1:300 P GRAEF AUFGEN. U.GEZ. Lith.Instu.Steindr v.W.Greve K$l Hoflilh. Berlin e@ @ ® ® ches Ehe, 3