SEITE ng nn eng aan a nnd ne nnd inch den nn nennteinbe her inreinakeenengn nn ae ann nungen: z = oe . er Beet teesn gene ne hehe een einen ee ee en ee ee - nn nn inne netten nr Naeh neh ee hranTe er ene en a en ern Bene yes je ehr beine Lernen een een ee = TEE Nr ahnen. a a nnd rer De Gew Ah wa hr en nnd ac Be 3 eh Dee Bere Bee Dee een N ee en a en nn enemmantishrebe na ne ne nurneng mins nein endete hate ne ante ne De Zen herleiten dm idee ran u Techn hen anime Grin dritter ec, nen hear Teen De nee nieder de DB En Set de en Bere ae Dee een a ne Ben en ne reise riesen Geschrei een meet che ech na ee a en a ee - > £ ne ABHANDLUNGEN AM UNTERM DEDIE DEN WISSENSeH Arten EN I ORRRIRREN. = | a FR. 7 Wi WEN wi ? % j u; Ne. ya "en ABHANDLUNGEN DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. 1832. ABHANDLUNGEN KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. AUS DEM JAHRE 1892. MIT 17 TAFELN UND 1 KARTE. „i@i id BERLIN. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 1892. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. Lach akt: Verzeichnifs der im Jahre 1892 stattgehabten Sitzungen der Akademie und der darin gelesenen Abhandlungen Verzeichnils der im Jahre 1892 gestellten Preisaufgaben and Ersehnisse von Preisbewerbungen . : Do Verzeichnils der im Jahre 1892 erfolgten Hesondare en Geldbewülhsnngen aus akademischen Mitteln zur Ausführung oder Unterstützung wissenschaftlicher Unternehmungen c £ RR Verzeichnils der im Jahre 1892 erschienenen im Aultrase oder mit Unterstützung der Akademie bearbeiteten oder herausgegebenen Werke c Veränderungen im Personalstande der Akademie im ak des Tahres 1892 ; B R R ; Verzeichnils der Mitglieder aer Akadeinie am N Schinsse des Jahres 1892 Abhandlungen. Physikalisch-mathematische Classe. Physikalische Abhandlungen. SCHWENDENER und G. KrasseE: Untersuchungen über die Orien- tirungstorsionen der Blätter und Blüthen. (Mit 3 Tafeln) . EnGteEr: Die systematische Anordnung der une Angio- spermen . re Er ie: enge Schutze: Über die inneren Hierin ieh Balachier Iiven (Zeile Mit- theilung. (Mit 6 Tafeln) Philosophisch -historische Classe. Weınmorp: Glücksrad und Lebensrad. (Mit 2 Tafeln) . S. vıı—xıv S. XV—xıx S. XIX—xxI S. xxıı S. xxII —xXIV un XXV — XXXIV Abh. I. S. 1—115. » I. S.1—55. » III. S. 1—66. Abh. I. S. 1—27. VI Anhang. Abhandlungen nicht zur Akademie gehöriger Gelehrter. Physikalische Abhandlungen. Kayser und Runge: Über die Speetren der Elemente. Fünfter Ab- schnitt. (Mit 1 Tafel) . Brauer: Über das Ei von Brunchines Grubii ı v. Dyb. von "den Baldanz bis zur Ablage. (Mit 3 Tafeln) Kayser und Runee: Über die Speetren der Hlemenke. Sechster Ns schnitt. (Mit 1 Tafel) . Mathematische Abhandlungen. ScHEINER: Der grolse Sternhaufen im Hercules Messier 13. (Mit 1 Tafel) . Philosophisch-historische Abhandlungen. MıLcHHoEFER: Untersuchungen über die Demenordnung des Klei- sthenes. (Mit 1 Karte) Abh. I. Abh. 1. Abh. I. S. 1—39. . 8. 1—66. . 8. 128. Ss. 1—55. S. 1—48. Jahr 1892. I Verzeichnifs der im Jahre 1892 stattgehabten Sitzungen der Akademie und der darin gelesenen Abhandlungen. Öffentliche Sitzungen. Sitzung am 28. Januar zum Gedächtnifs Friedrich’s II. und zur Feier des Geburtstages Seiner Majestät des Kaisers und Königs. Der an diesem Tage vorsitzende Secretar, Hr. du Bois- Reymond, eröffnete die Sitzung mit einer Festrede über Mau- pertuis. Sodann berichtete derselbe über die fortlaufenden gröfseren wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie und über die Thätigkeit der mit ihr verbundenen Stiftungen und Institute. Sitzung am 30. Juni zur Feier des Leibniz’schen Jahres- tages. Hr. Auwers, als vorsitzender Secretar, eröffnete die Sitzung mit einer Festrede. VII Hierauf hielten die neu eingetretenen Mitglieder der physi- kalisch-mathematischen Classe ihre Antrittsreden, welche von den Classensecretaren beantwortet wurden. Schliefslich wurde die Verleihung von vier Medaillen der Helmholtz-Stiftung, die Ertheilung des Preises der Diez-Stiftung, sowie das Ergebnifs der Bewerbung um den Preis der Charlotten- Stiftung für Philologie verkündet und eine neue Preisfrage aus dem Eller’schen Legat gestellt. Gesammtsitzungen der Akademie. Januar 14. Februar 4. Februar 18. März 3. März 17. März 31. Conze, über die Darstellung des menschlichen Auges in der griechischen Marmorplastik. (S. B.) Heiberg, Handschriftliches zum Commentar des Simplicius zu Aristoteles de caelo. (S. B.) Landolt, über den vermutheten Einflufs etwaiger bei chemischen Reactionen eintretenden Gewichts- änderungen auf die Werthe der Atomgewichte. Graeff, Dr. R., über die Plastık des menschlichen Auges am Lebenden und an den Bildwerken der Kunst. Vorgelegt von Waldeyer. (S. B.) v. d. Gabelentz, Vorbereitendes zur Kritik des Kuan-tsi. (S. B.) Schulze, über die inneren Kiemen der Batrachier- larven. Zweite Mittheilung. (Abh.) Schrader, die Vorstellung vom uovorepwc und ihr Ursprung. (S. B.) Möbius, die Behaarung des Mammuths und der lebenden Elephanten. (S. B.) April 21. Mai 5. Mai 19. Juli 7. Juli 21. IX Toepler: Beitrag zur Kenntnifs der elektrischen Öscillationen von sehr kurzer Schwingungsdauer. Rosenthal, Prof. I., über calorımetrische Unter- suchungen an Säugethieren. Vorgelegt von du Bois-Reymond. (S. B.) Schmoller, über die preufsische Seidenindustrie des 18. Jahrhunderts. Klatt, Dr. J., Specimen eines Jaina-Onomastikons. Vorgelegt von Weber. (S. B.) Munk, über die Fühlsphären der Grofshirnrinde. (S. B.) Milchhöfer, Prof. A., Untersuchungen über die Demenordnung des Kleisthenes. (Abh.) Köhler, über das Verhältnifs Alexander’s des Grofsen zu seinem Vater Philipp. (S. B.) Rohde, Dr. E., Muskel und Nerv bei Nematoden. Vorgelegt von Schulze. (S. B.) Harnack, die ältesten christlichen Datirungen und die Anfänge einer bischöflichen Chronologie in Rom. (S.B.) Kayser, Prof. H. und Runge, Prof. C., über die Spectren der Elemente. Abschnitt VI. Vorgelegt von v. Helmholtz. (Abh.) Rohde, Dr. E.: I. Über Muskel und Nerv bei Mermis und Amphioxus; II. Gibt es Holomyarier?? Vorgelegt von Schulze. (S. B.) Jahn, Dr. H., über die Molecularrefraction einiger einfacher organischer Verbmdungen für Strahlen von unendlich grofser Wellenlänge. Vorgelegt von Landolt. (S. BD.) X October 20. November November December December 3. 7 Hiller von Gaertringen, Dr., über ein bei Auf- nahme der rhodischen Inschriften in der süd- lichen Vorstadt des heutigen Rhodos aufge- fundenes Denkmal. Vorgelegt von Mommsen. (S. B.) Virchow, über den troıschen Ida und die Porta von Zeitunlü. (S. B.) Weber, Bemerkungen über Bähli, Bählika. (S. B.) Harnack, über Bruchstücke des Evangeliums und der Apokalypse des Petrus. (S. B.) Zeller, über die Entstehung ungeschichtlicher Überlieferungen. Usener, H., die Unterlage des Laertius Diogenes. Vorgelegt von Diels. (S. B.) v.d. Gabelentz, über Inschriftenfunde am Jenissei und Orkhon. (S. B.) v. Sybel, über die Mythenbildung im der Gegen- want. Leumann, Prof. E., über Jinabhadra’s Jitakalpa. Vorgelegt von Weber. (S. B.) Landolt, über Zahlenbeziehungen zwischen den Atomgewichten. Rimbach, Dr., über das Atomgewicht des Bors. Vorgelegt von Landolt. (S. B.) Dillmann, zweite Mittheilung über den neuge- fundenen griechischen Text des Henoch-Buches. (S. B.) Sitzungen der physikalisch-mathematischen Classe. Januar 7. Januar 21. Februar 11. Februar 25. März 10. März 24. April 7. Schwendener, über Orientirungstorsionen der Blät- ter und Blüthen. Auwers, Beiträge zur Kenntnifs des Sirius-Systems. Kayser und Runge, Proff., über die Spectren der Ele- mente. Abschnitt V. Vorgelegt von v. Helmholtz. (Abh.) Waldeyer, über Manatus americanus. (S. B.) Schulze, über freie Nervenenden in der Epidermis der Knochenfische. (S. B.) Gerhardt, Desargues und Pascal. (S. B.) Fuchs, über lineare Differentialgleichungen, welche von Parametern unabhängige Substitutionsgruppen besitzen. (S. DB.) Nagel, Dr. W., über die Entwickelung der Harn- blase bei dem Menschen und bei Säugethieren. Vorgelegt von Waldeyer. (S. B.) v. Bezold, zur Thermodynamik der Atmosphäre. Vierte Mittheilung. (S. B.) v. Helmholtz, über das Princip der kleinsten Action für die Elektrodynamik. (S. B.) Klein, über das Krystallsystem des Apophyllits und den Einflufs des Drucks und der Wärme auf seine optischen Eigenschaften. (S. B.) Schütt, Dr. Fr., über Organisationsverhältnisse des Plasmaleibes der Peridineen. Vorgelegt von Schulze. Kundt, über die Doppelbrechung bewegter reiben- der Flüssigkeiten. Xu @) April 28. Mai 12. Juni 2. Jun 283. Juli 14. Juli 28. October 27. November 10. November 24. Engler, über die systematische Anordnung der monokotyledoneen Angiospermen. (Abh.) Jaekel, Dr., über die Selachier von Monte Bolca und die Phylogenie der Rochen. Vorgelegt von Beyrich. v. Hofmann und Gabriel, Prof., über das Pro- duct der Einwirkung des Jods auf Thiobenzamid. Fleischmann, Dr. A., der einheitliche Plan der Placentarbildung der Nagethiere. Vorgelegt von Waldeyer. Rammelsberg, über die Leucit- Nephelingruppe. Scheiner, J., über den grofsen Sternhaufen in Hercules Messier 13. Vorgelegt von Vogel. (Abh.) Munk, über die Fühlsphären der Grofshirnrinde. Schlufs. (S. B.) Schwendener, zur Kritik der neuesten Unter- suchungen über das Saftsteigen. (S. B.) Goldstein, Prof. E., über dıe sogenannte Schich- tung des Kathodenlichts inducirter Entladungen. Vorgelegt von Kundt. (S. B.) v.Helmholtz, über die elektromagnetische Theorie der Farbenzerstreuung. (S. B.) Goette, A., über die Entwickelung von Pelagia noctiluca. Vorgelegt von Schulze. (S. B.) Pringsheim, über Wachsthum chemischer Nieder- schläge in Gallerte. Munk, Untersuchungen über die Schilddrüse. Fortsetzung. (S. BD.) XIII December 8. Waldeyer, Beiträge zur Kenntnifs der Anatomie des harten Gaumens. (Abh.) Ladenburg, Prof. A., über das Isoconiin, ein neues Isomeres des Conins, und über den asym- metrischen Stickstoff. Vorgelegt von Landolt. (S...) December 22. Fuchs, über die Relationen, welche die zwischen je zwei singulären Punkten erstreckten Integrale der Lösungen linearer Differentialgleichungen mit dem Coefficienten der Fundamentalsubstitu- tionen der Gruppen derselben verbinden. (S. B.) du Bois, Dr. G@. und Rubens, Dr. H., über Po- larısation ultrarother Strahlen beim Durchgang durch Metalldrahtgitter. Vorgelegtvon Kundt.(S. B.) Sitzungen der philosophisch-historischen Ulasse. Januar 7. Januar'21. Februar 11. Februar 25. März: 10. März ;24: PN G- Dillmann, über die griechische Übersetzung des @oheleth. (S. B.) Diels, zu Herodas. (S. B.) Tobler, über Handschriften und Ursprung der Pro- verbes dou vilain. Wattenbach, über erfundene Briefe in Hand- schriften, besonders Teufelsbriefe. (S. B.) Pernice, über den sogenannten Realverbalvertrag. Brunner, Untersuchungen über Rechtsgeschichte des Eides. Hirschfeld, über die aegyptische Polizei der römi- schen Kaiserzeit nach Papyrusurkunden. (S. B.) Sachau, zur historischen Geographie von Nord- syrien. (S. B.) XIV Köhler, die Zeiten der Herrschaft des Peisistra- tos im der moAıreia "AdHvalwv. (S. B.) April 28. Dilthey, Erfahren und Denken. Diels, zum sechsten und siebenten Gedichte des Herodas. (S. B.) Mai 12. Dümmler, zur Lebensgeschichte Alchvin’s. Latyschew, der Bürgereid der Chersonesiten. (S. B.) Juni 2. Weinhold, Glücksrad und Lebensrad. (Abh.) Juni 23. v. d. Gabelentz, zur Beurtheilung des koreani- schen Schrift- und Lautwesens. (S. B.) Juli 14. Mommsen, über die Stellung der juristischen Person im römischen Vermögensrecht. Juli 28. Weber, über den Väjapeya. (S. B.) October 27. Kirchhoff, der Roman eines Sophisten. (S. B.) November 10. Schrader, über die Asarhaddon-Stele von Sind- jerh. Harnack, Bruchstück der Apokalypse des Petrus. (S. B.) November 24. Vahlen, über das Säculargedicht des Horatius. (S. B.) December 8. Dillmann, über den neugefundenen griechischen Text des Henoch-Buches. (S. B.) December 22. Curtius, die Deichbauten der Minyer. (S. B.) Die mit S. B. bezeichneten Vorträge sind in den Sitzungsberichten, die mit AbA. be- zeichneten in den Abhandlungen abgedruckt. XV N. Verzeichnils der im Jahre 1892 gestellten Preisaufgaben und Ergebnisse von Preisbewerbungen. Errichtung der Helmholtz-Stiftung und Verleihung ihrer ersten vier Medaillen. Aus Anlals des im vergangenen Jahre gefeierten siebzigsten Geburtstages des Hrn. v. Helmholtz hat eim aus Fachgenossen, Freunden und Verehrern des Gelehrten in allen Ländern zusammen- gesetztes Comite ein Capital von nominell 43000 Mark 3 procentiger preufsischer consolidirter Anleihe mit laufenden Zinsen vom 1. October 1891 ab und nachträglich noch weitere 1155 Mark Überschufs der veranstalteten Sammlung der Akademie zur Be- gründung einer ihrer Leitung unterstellten Stiftung überwiesen, welche Helmholtz’ Namen tragen und ein dauerndes Denkmal des Dankes und der Anerkennung für seine wissenschaftliche Arbeit bilden soll. Nachdem die Akademie durch Beschlufs vom 9. Juli 1891 sich zur Annahme und bestimmungsmäfsigen Verwaltung der Schenkung bereit erklärt und Seine Majestät der Kaiser und König durch Allerhöchsten Erlafs vom 12. October 1891 der Akademie die Erlaubnifs zur Annahme ertheilt hat, ist im Einverständnils zwischen Hrn. v. Helmholtz und der Akademie ein Statut für die Stiftung aufgestellt und mit der unter dem 22. April 1592 erfolgten Bestätigung durch das vorgeordnete Königliche Minis- terıum in Kraft getreten. Nach diesem Statut ist die Helmholtz-Stiftung zur Aus- zeichnung wissenschaftlicher Forscher aller Länder bestimmt, welche XVI die in der physikalisch-mathematischen Classe der Akademie ver- tretenen Wissenschaften oder die Erkenntnifslehre durch hervor- ragende Leistungen gefördert baben. Die Auszeichnung besteht in der Verleihung einer Medaille in Gold, welche von den zur Herstellung der am 2. November 1891 Hrn. v. Helmholtz überreichten Medaille angefertigten Stempeln geprägt wird. Eine solche Medaille soll regelmäfsig jedes zweite Jahr und zwar erstmalig für das Jahr 1398 verliehen werden, durch Beschlu(s der Akademie, welcher auf Grund eines von den nach näherer Mafsgabe des Statuts stimmberechtigten Inhabern der Medaille gemachten Vorschlages gefafst wird. Der Überschufs der Stiftungserträge soll dazu benutzt werden, zugleich mit jeder zweiten regelmäfsigen Verleihung der Medaille, zuerst also mit derjenigen für das Jahr 1900, dem Verfasser einer ausgezeichneten innerhalb der letzten acht Jahre veröffentlichten Arbeit aus den oben genannten Gebieten eine zunächst auf 1500 Mark festgesetzte Prämie zu gewähren. Um das Collegium zu constituiren, welches weiterhin der Akademie den regelmäsigen Vorschlag für die Verleihung der Helmholtz-Medaille zu machen hat, ist bestimmt, dafs einmalig sogleich nach erfolgter Bestätigung des Statuts zugleich vier Me- daillen nach Vorschlag des Hrn. v. Helmholtz verliehen werden sollen. Seinen Vorschlägen entsprechend hat die Akademie durch Beschlufs vom 16. Juni 1592 ihre Helmholtz-Medaille verliehen an die HH. Emil du Bois-Reymond, Karl Weierstrafs, Robert Wilhelm Bunsen, Lord Kelvin (Sir William Thomson). xVvu Preis der Diez-Stiftung. Der Vorstand der Diez-Stiftung hat den statutenmälsig im Jahre 1592 aus der genannten Stiftung zu ertheilenden Preis von Zweitausend Mark dem Professor an der Universität zu Wien Hrn. Dr. Wilhelm Meyer-Lübke als dem Verfasser der zwei Werke: Romanische Lautlehre, Leipzig 1890 und Italiänische Grammatik, Leipzig 1590 zuerkannt. Preis der Charlotten-Stiftung für Philologie. Die Akademie hat im vorigen Jahre folgende Preisaufgabe der Charlotten-Stiftung für Philologie gestellt: »Von Damaskios de prineipis I $. 204—239 soll eine kritische Textbearbeitung gegeben und eine knapp gefalste Einleitung über Damaskios’ Leben und Schriften vorausgeschickt werden. « Es sind der Akademie zwei Bewerbungsarbeiten zur richtigen Zeit eingeliefert worden, die eine mit dem aus Damaskios ge- nommenen Motto: \ \ a. 3 ’ \ U 3 \, c / TA EV OUV AANDECTATA TEpL TOLTWV AUTO L0K01V OL Seo u.s.w., die andere mit dem Motto: Was man nicht weils, das eben brauchte man; Und was man weils, kann man nicht brauchen. Die erste Arbeit zeugt von Fleifs und Belesenheit, läfst aber tiefere Kenntnils des Gegenstandes und vor allem philologische Schulung vermissen, so dafs sie von vormherein bei der Preis- vertheilung nicht in Betracht gezogen werden kann. Die zweite Arbeit ist zwar nicht ganz gleichmäfsig ausgeführt, verräth aber durchweg gewissenhaftes Studium und Vertrautheit mit der philologischen Methode. Auch nach der philosophischen Seite hin leistet der Commentar recht Tüchtiges. Da nun ferner der Verfasser durch den Anhang über den Codex Mediceus des c XVII Proklos in Rempublicam bewiesen hat, dafs er auch bereits das weitere von der Akademie bezeichnete Ziel, die vollständige Heraus- gabe jener Schrift des Proklos ins Auge gefalst und einen er- folgreichen Anfang gemacht hat, so hat die Akademie kein Be- denken getragen, dem Verfasser der zweiten Arbeit den Preis, bestehend in einem Stipendium von jährlich 1200 Mark auf die Dauer von vier Jahren, zu ertheilen. Die nach Verkündung dieses Urtheils erfolgte Eröffnung des ver- siegelten Umschlages mit dem Göthe’schen Spruch ergab als Verfasser Hrn. Dr. phil. Wilhelm Kroll m Breslau und erbrachte zugleich den Nachweis, dafs die in $. 3 des Stif- tungsstatuts bestimmten Voraussetzungen bei dem Bewerber zu- treffen. R Der Preis ist demnach Hrn. Dr. Kroll ertheilt. Preisausschreiben aus dem Eller’schen Legat. Es soll entweder eine neue Methode zur Bestimmung der Intensität der Sonnenstrahlung angegeben oder eine der bereits bekannten Methoden soweit verbessert werden, dafs sich der Ein- flufs von Sonnennähe und Sonnenferne in den Beobachtungen unzweideutig erkennen läfst. Die gewählte Methode soll durch ausreichende, mindestens drei Perihelien und drei Aphelien umfassende Beobachtungsreihen geprüft werden. Der ausgesetzte Preis beträgt Zweitausend Mark. Die Bewerbungsschriften können in deutscher, lateinischer, französischer, englischer oder italiänischer Sprache abgefafst sein. Schriften, die in störender Weise unleserlich geschrieben sind, können durch Beschlufs der zuständigen Classe von der Bewerbung ausgeschlossen werden. XIX Jede Bewerbungsschrift ist mit einem Spruchwort zu be- zeichnen, und dieses auf einem beizufügenden versiegelten, inner- lich den Namen und die Adresse des Verfassers angebenden Zettel äufserlich zu wiederholen. Schriften, welche den Namen des Verfassers nennen oder deutlich ergeben, werden von der Be- werbung ausgeschlossen. Die Bewerbungsschriften sind bis zum 31. December 1897 ım Local der Akademie, Berlin NW. Universitätsstr. 8, einzuliefern. Die Verkündigung des Urtheils erfolgt in der Leibniz - Sitzung des Jahres 1898. Ill. Verzeichnils der im Jahre 1892 erfolgten besonderen Geldbewilligungen aus akademischen Mitteln zur Ausführung wissenschaftlicher Unternehmungen. Es wurden im Laufe des Jahres 1892 bewilligt: 3000 Mark dem Mitgliede der Akademie Hrn. Kirchhoff zur Fort- setzung des Corpus Inscriptionum Graecarum. 5000 » den Mitgliedern der Akademie HH. Zeller und Diels zur Fortsetzung der Arbeiten für eine kritische Aus- gabe der griechischen Commentatoren des Aristoteles. 6000 » den Mitgliedern der Akademie HH. von Sybel und Schmoller zur ferneren Herausgabe der politischen Correspondenz des Königs Friedrich’s I. 3000 » dem correspondirenden Mitgliede der Akademie, Hrn. Imhoof-Blumer in Winterthur zu den Vor- arbeiten einer Publication der antiken Münzen von Moesien, Thrakien und Makedonien. XX 282 Mark dem correspondirenden Mitgliede der Akademie Hrn. 1000 600 2000 600 1000 2000 1000 Gerhardt in Halle a. S. zur Catalogisirung der in der Bibliothek zu Hannover befindlichen mathematischen Manuseripte von Leibniz. Hrn. Dr. W. Müller in Greifswald zu Untersuchungen über die Ostrakoden. Hrn. Dr. G. W. Weltner hierselbst zu Untersuchungen über den Bau der Süfswasserschwämme. Hrn. Prof. Dr. OÖ. Taschenberg in Halle zur Fortsetzung seiner »Bibliotheca zoologica«. Hın. Prof. Dr. Fr. Schmitz in Greifswald zum Ab- schlufs seiner Bearbeitung der Florideen. Hrn. Dr. H. Schenck im Bonn zur Herausgabe des zweiten Theils seines Werks über die Anatomie der Lianen. Hrn. Prof. Dr. P. Ascherson hierselbst zu Vorarbeiten für eine neue Ausgabe von Koch’s Synopsis der Flora von Deutschland. Hrn. Oberlehrer Dr. F. Kränzlin hierselbst zu Unter- suchungen über die Orchidaceen. Hrn. Dr. Kuckuck in Kiel zum Studium der Helgo- länder Seealgen. Hrn. Medicimalrath Prof. Dr. Wernicke in Breslau zur Herstellung eines Atlas des Grofshirns. Hrn. Prof. Selenka in Erlangen zu einer Reise nach Borneo, behufs Erforschung der Entwickelung der An- thropomorphen. Hrn. Dr. C. Röse zu Freiburg i. B. zu Untersuchungen über die Zahnentwickelung bei den Beutelthieren, Eden- taten und Reptilien. XXI 500 Mark Hrn. Prof. Keibel in Freiburg 1. B. zur Fortsetzung seiner 171 1000 2000 s00 600 600 1000 900 540 » Untersuchungen über die Entwickelung des Schweins. Hın. Prof. Dr. H. W. Vogel in Charlottenburg zur In- standsetzung spectrographischer Apparate. Hrn. Prof. Dr. J. Franz in Königsberg zur Anschaffung eines Apparats zur Ausmessung der auf der Lick- Sternwarte aufgenommenen Mondphotographien. Hrn. Director Dr. E. Hartwig zu Bamberg zur Fort- setzung einer Beobachtungsreihe über die Veränderungen der Polhöhe und zur Bestimmung der Aberrations- constante. Hrn. Dr. N. Herz in Wien zur Fortsetzung der Berech- nung seiner Zonen-Beobachtungen auf der Kuffner- schen Sternwarte. Hrn. Dr. L. Wulff in Schwerin ı.M. zur Beschaffung von Instrumenten für krystallographische Untersuchungen. Hrn. Dr. H. Baumhauer in Lüdinghausen zu Unter- suchungen über die Ätzfiguren der Krystalle. Hrn. Dr. G. Linck in Strafsburg zum Abschlufs seiner petrographischen Untersuchungen im Veltlin. Hrn. Dr. Paul Viereck hierselbst zu Vorarbeiten für die Publication der aegyptischen Papyri der Königl. Museen. Hrn. Prof. Fausböll im Kopenhagen zur Herausgabe des 6. Bandes des Jataka-Werks. Hrn. Dr. John Meier in Halle zur Herausgabe rhei- nischer Sprachstudien in kartographischer Darstellung. Hrn. Prof. Dr. Holtzmann in Freiburg zur Heraus- gabe eines Sanskrit-Manuscripts des Mahäbhärata. XXI IV. Verzeichnils der im Jahre 1892 erschienenen im Auftrage oder mit Unterstützung der Akademie bearbeiteten oder herausgegebenen Werke, Supplementum Aristotelieum. — Alexandri Aphrodisiensis scripta minora II, P.II, ed. Ivo Bruns und Vol.XX ed. Heyl- butt. Berolini. Politische Correspondenz König Friedrich’s I. Bd. 19. Berlin. Preufsische Staatsschriften aus der Regierungszeit König Friedrich’s U. Herausgegeben von H. von Sybel und Schmoller. Bd. 3. Berlin. Acta Borussica. Bd. 1.2.3. Berlin. Corpus Inscriptionum Latinarum. Vol. II. Suppl. ed. Hübner. Be- rolini. Corpus Inscriptionum Graecarum. Vol.I, ed. Dittenberger. Be- rolini. Conwentz, Untersuchungen über die fossilen Hölzer Schwedens. Fleischmann, der einheitliche Plan der Placentarbildung der Nagethiere. Voigt, W., Bestimmung der Constanten der Elektrieität und Unter- suchung der inneren Reibung für einige Metalle. Aufrecht, Th., Florentine Sanskrit Manuscripts. Leipzig. Schmidt, Gnostische Schriften. Codex Bruscianus. Leipzig. Schumann, Morphologische Studien. Heft 1. Leipzig. Schenck, H., Beiträge zur Anatomie der Lianen. Jena 1892. XXIII V: Veränderungen im Personalstande der Akademie im Laufe Hr. des Jahres 1892. Gewählt wurden: zu ordentlichen Mitgliedern der physikalisch-mathematischen Classe: . Hermann Carl Vogel am 3. März, bestätigt durch K. Ca- binetsordre vom 30. März 1592, Wilhelm Dames am 3. März, bestätigt durch K. Cabinets- ordre vom 30. März 1892, Hermann Amandus Schwarz am 17. November 1892, be- stätigt durch K. Cabimetsordre vom 19. December 1892; zum auswärtigen Mitgliede derselben Classe, das bisherige correspondirende Mitglied: Albert von Kölliker in Würzburg, gewählt am 18. Februar 1892, bestätigt durch K. Cabinetsordre vom 16. März 1892. Gestorben sind: Sr die ordentlichen Mitglieder der physikalisch-mathematischen Classe: . Justus Roth am 1. April 1892, August Wilhelm von Hofmann am 5. Mai 1892, Werner von Siemens am 6. December 1892: die auswärtigen Mitglieder der physikalisch-mathematischen Classe: . Hermann Kopp in Heidelberg am 2. Februar 1892, ‚Sir Richard Owen in London am 18. December 1892; die correspondirenden Mitglieder der physikalisch -mathe- matischen Classe: XXIV '. Enrico Betti in Pisa am 12. August 1892, Ernst von Brücke ın Wien am 7. Januar 1892, Hermann Burmeister in Buenos Aires am 2. Mai 1892, Heinrich Schröter in Breslau am 3. Januar 1892; die correspondirenden Mitglieder der philosophisch -histori- schen Ulasse: . Graf Giambattista Carlo Giuliarı in Verona am 24. Fe- bruar 1892, Rudolf von Jhering in Göttingen am 17. September 1892, Rizo Rangabe in Athen am 29. Januar 1892, Ernest Renan ın Paris am 2. October 1892, Matthias de Vries im Leiden am 9. August 1892, Friedrich Wieseler in Göttingen am 3. December 1892. Verzeichnils der Mitglieder der Akademie der Wissenschaften am Schlusse des Jahres 1892. I. Beständige Secretare. Hr. du Bois-Reymond, Seer. der phys.-math. Classe. - Curtius, Seer. der phil.-hist. Classe. - Mommsen, Seer. der phil.-hist. Classe. - Auwers, Seer. der phys.-math. Classe. IH. Ordentliche Mitglieder der physikalisch-mathematischen Olasse. der philosophisch -historischen Classe. Datum der Königlichen Bestätigung. man — —— — — — — — Hr. Ems du Bois-Reymond . . m “a .uıe = 0 2 200. 1851 März. Hr. Heinrich Kieprt . . . . 1853 Juli 25. = Hesar Ermsb, Beirich > no wegen de Fine dena. e nei ar 1808, Aug. '1D. - Karl Friedr. Rammeldbeg - - - » ». 2 2... 00 0.00.1855 Aug.15. N EmswpBduard. Kummer 11855 Dee. Se KarlaVlesersivajs. mama uno ne Bee Kyea a1850. Noy.s19. - Albrecht Weber . . . . . 1857 Aug. 24. - Theodor Mommsen . . . 1858 April 27. - Adolf Kirchhof. . » - . 1860 März. - Ernst Ourtüus . » » . . 1862 März. Ant Auer ee 1860, 2 Auerele, = NathanaelPringekem 2 2.2.0. 2 m a ne. 1868 Aue: 17. - Hermann von Hemholiz . - - » = 2 2 2 2 2 02.0.1870 Junil. - Eduard Zeiler... . . . 1872 Dee. 9. XXVl Datum der Königlichen der physikalisch-mathematischen Classe. der philosophisch historischen Classe. Bestrine =) {= Bun nn DE pe Er Ele Hr, Rudolph'Verchow Ihn al u 2,52 U u es ee A 21873 Deer22 Hr. Johannes Vahlen . . . . 1874 Dec. 16. - Eberhard Schrader . . . 1875 Juni 14. - Heinrich von Sybl . . . 1875 Dee. 20. - August Dillmanın . . . . 1877 März 28. - Alexander Cnzee . . . . 1877 Apnil 23. = Sno nS ch nen denen See: = Hermann Munk na AE RTIE I , E, EIE880März iO: = Adolf Toblern 202022185 eAus ala: - Wilhelm Wattenbach . . . 1881 Ausg. 15. - „Hermann Diels. . 2. . 1881 Aug-15. SU Hansı Banden 22 ee SS‘ - Wilhelm Waldeyer N. REN, RE RE A a SSL HIEDTES" =. Alfred‘ Pernice ... ... . 1884 April. - Heimrich Brunner . . . . 1884 April 9. - Johannes Schmidt . . . . 1884 April 9. = Eazarusi Buchs = > = el Eu a: est April g% = Branz. Bnlhard. Schulze m ee a Fr a SAT un2ile - Otto Hürschfeld.. . ..... 1885 März). SS WalhelmvonBezold re eprilao: - Eduard Sachu. . . . . 1887 Jan. 24. - Gustav Schmollee . . . . 1887 Jan. 24. - Wilhelm Düthey . . . . 1887 Jan. 24. =, Karl Klem. +. gaharleisf - ale 1887 Apeilae Karl August, Mobwus 2 er SS SeNprle> 0 - August Kundt : De. ET 9 - Ernst Dümmle . . . . 1888 Dee. 19. - Ulrich Koehler . . . . . 1888 Dee. 19. - Karl Wenhold . . . . . 1889 Juli 25. - Georg v. d. Gabelentze . . 1889 Aug. 16. = Adolps Engler... 23 00 ee ee elle, ee lang - Adolf Harnack. . . . . 1890, Febr, 10. Zu Hermann Kaslı Vogel vr rer 92 ze Marze> 0: = WElRelm aD amesa 22.0 S92EHVEr7E308 - Hermann Amandus Schwarz - © = = = 2 2 2 2.2. ...1892 Dee. 19. XXVI II. Auswärtige Mitglieder Datum der Königlichen Bestätigung. m nn ee Sir Henry Rawlinson in London 1850 Mai 18. der physikalisch-mathematischen Classe der philosophisch -historischen Classe. ee Hr. Franz Neumann in Königs- Berger nie or ver ne un. OR A LE 18. - Robert Wilhelm Bunsen in Bieidelberg>... .+ .r,,AMAMIMIAN,. ENDEN a Ein MR 1862 März 3. Hr. Giovanni Battista de Rossi in: Romeaauin u lezraegulis9: Sr @harles !Hermate nm Panel SEA Jan. 2: Srlugust Belle ın Bonn ; „iu 2 2a 20.6 wu n..1885, März2. - Otto von Boehtlingk in Leipzig, . 2 2. 1885 'Novw.30. - Rudolf von Roth in Tü- binsen .. u =». „21889 Mailö, - Albert von Kölliker in Würz- Dar ee we ae E92 MärzL6: d* XXVII IV. Ehren-Mitglieder. Datum der Königlichen Bestätigung. Don Baldassare Boncompagni mn Rom . . . . 2. .2.2.2.....1862 Juli 21. Hr. Georg Hanssen in Göttingen . . ee Tuer Earl of Crawford and Balcarres in Donechz Ben 2...» 2188530. Hr. Max Lehmann in»Marburg ua. ash Sl. 2 20.05 0 1887 Sans 24: Hr. Ludwig Boltzmann in München . . . 2. ..2.2..2.....1883 Juni 29. Hr. V. Correspondirende Mitglieder. Physikalisch-mathematische Classe. Adolf von Baeyer in München . Friedrich Beilstein in Petersburg Eugenio Beltrami in Rom Eduard van Beneden in Lüttich P. J. van Beneden in Löwen Francesco Brioschi in Mailand . Alphonse de Candolle in Genf Stanislao Cannizzaro in Rom Arthur Cayley in Cambridge Elvin Bruno Christoffel in Strafsburg Ferdinand Cohn in Breslau . Luigi Cremona in Rom James Dana in New Haven, Bo Richard Dedekind in Braunschweig Louis - Hippolyte Fizeau in Paris . Edward Frankland in London . Remigius Fresenius in Wiesbaden . Carl Gegenbaur in Heidelberg . Archibald Geikie in London . Wollcott Gibbs in Newport, R.]. David Gil, Königl. Sternwarte am Cap der Ce Dee Benjamin Aehorp, Gould in Cambridge, Mass. Julius Hann im Wien . Franz von Hauer in Wien Rudolf Heidenhain in Breslau Heinrich Hertz in Bonn Johann Friedrich Flittorf in Münster . Joseph Dalton Hooker in Kew . . Thomas Huxley in London . Joseph Hyrt! in Wien . Lord Kelvin m Glasgow XXIX Datum der Wahl. 1884 1888 1881 1887 1855 1881 1574 1888 1866 1868 1889 1886 1855 1880 1863 1856 1888 1584 1889 1885 1890 1883 1589 1581 1854 1889 1884 1854 1865 1857 1871 ——— Jan. 17. Dee. 6. Jan. 6. Nov. 3. Juli 26. Jan. 6. April 16. Dee. 6. Juli 26. April 2. Dee. 19. Juli 15. Juli 26. März 11. Aug. 6. Nov. 8. Dee. 6. Jan. 17. Febr. 21. Jan. 29. Juni 5. Juni 7. Febr. 21. März 3. Janz 7. März 7. Juli 31. Juni 1. Aug. 3. Jan. 15. Juli 13. Hr. Sir Friedrich Kohlrausch in Stralsburg Nicolai von Kokscharow in St. Petersburg Adalbert Krueger in Kiel . Rudolph Leuckart in Leipzig Franz von Leydig in Würzburg Rudolph Lipschitz in Bonn . 5 Sven Ludwig Loven ın Stockholm Karl Ludwig in Leipzig . Charles Marignace in Genf Lothar Meyer in Tübingen . Simon Newcomb in Washington Wilhelm Pfeffer in Leipzig Eduard Pflüger in Bonn . Georg Quincke in Heidelberg 6 Friedrich von Recklinghausen in Strekihurg £ Ferdinand von Richthofen in Berlin Heinrich Rosenbusch in Heidelberg George Salmon in Dublin Arcangelo Scacchi in Neapel en Ernst Christian Julius Schering in Göttingen Giovanni Virginio Schiaparelli in Mailand Ludwig Schläfli in Bern . 5 Philipp Ludwig von Seidel in München : Japetus Steenstrup in Kopenhagen Gabriel Stokes in Cambridge Hr. Eduard Strasburger in Bonn Otto von Struve in St. Petersburg . ‚James Joseph Sylvester in London August Töpler in Dresden Moritz Traube in Berlin . : Pafnuti) Tscheb yschew in St. Paar : Gustav Tschermak in Wien Gustav Wiedemann in Leipzig Heinrich Wild in St. Petersburg Alexander William Williamson in High Pitfold, en August Winnecke in Strafsburg . Adolf Wüllner in Aachen . Ferdinand Zirkel in Leipzig . Datum der Wahl. 1884 Juli 31. 1887 Oct. 20. 1887 Febr. 10. 1887 Jan. 20. 1887 Jan. 20. 1872 April 18. 1875 Juli 8. 1864 Oct. 27. 1865 März 30. 1585 Dee. 6. 1883 Juni 7. 1889 Dee. 19. 1873 April 3. 1879 März 13. 1855 Febr. 26. 1881 März 3. 1887 Oct. 20. 18737. Jun@l2. 1872 April 18. 1875 Juli 8. 1879 Oct. 23. 1873 Juni 12. 1863 Juli 16. 1859 Juli 11. 1859 April 7 1889 Dee. 19. 1868 April 2. 1866 Juli 26. 1879 März 13. 1586 Juli 29. 1871 Juli 13. 1881 März 3. 1879 März 13. 1881 Jan. 6. 1875 Nov. 18 1879 Oet. 23. 1889 März 7. 1887 Oct. 20. XXXI Philosophisch-historische Classe. Datum der Wahl. — Hr. Wilhelm Christian Ahlwardt in Greifswald . . . . 2.....1888 Febr 2. - . Graziadio Isaia Ascok in Mailand. . . . . 2 .2..2.....1887 März 10. =. Theodor Aufrecht in Heidelberg . -. . . 2 2 2.2... .1864 Febr. 11 See hlemmichaBrugsehunn Berlin 0 RTETS ehrs 13; = Heinmich vony Brumnsan München „nl. nella 271866, Tuli, 26. Se nanzslBüchelern: ma Bonn ee 88 Frınials: alt eoromBihlesun Wen 2 ee a ITS April 11. ZelnoramyBuiwaleryinsllondon.. u en ISSTE Non. 17. - Giuseppe Canale in Genua . . 150 zNMarzulis: - Antonio Maria ÜCeriani in Mailand a ee SO IREN OA - Alexander Cunmingham in London. . . . » 2.2.2 .2...1875 Jwi 17. = Leopold Deliste in Paris... . 2 2 2 2.2.2 0000 0..1867 April 11. Se Henrich Denyierin Rom. kerks. Sinai alien tens m 1800. Dee ,18. - Wilhelm Dittenberger m Halle . . . 22 2.2. 2.2.....1882 Juni 15. =" Gauseppeskroreli, maRom 5 .. zn mem er anker zer 2 865. Jan, .T2. - Kuno, Fischer n Heidelberg . . . 2». 2 2.2... 1885 Jan. 29. - Paul Foucart in Athen . . a ee LSB 2A - Karl Immanuel Gerhardt in Halle LEN Ar l5eanaile - Aureliano Fernandez Guerra y Orbe in Madrid en el M ar! - Friedrich Wilhelm Karl Hegel in Erlangen. 4. U. .... 1820 April 6. - Hermann von Holst in Chicasop. 2 Pen ce era 21889, Ju: - Theophile Homolle in Athen. . . NSS Novize - Friedrich Imhoof- Blumer in a ae rn Alonso Aktun, Ile); SE Vratoslaue) age na Wen 880, Dec, 16: = Banagwis. Kabbadiasın Athen"... „le mel, 1887 Nov. 17 2 Georg! Kabeln Straisburger .. alla, jeevelntiese 1891 Juni 4, =. Hevymich AReking Halle, Pat Ma, Erkner Bars 4 aarl882, \Janı 15: => Prönz "Keelhorn un, Götlingenn en. aeneare e n s 1880, Dec. 16. - Sigismund Wilhelm Koelle in London. . . .» 2 2 2.2...1855 Mai 10. - Stephanos Kumanudes in Athen . . 2 2 2 2.2.2.2..1870 Nov. 3. SE Basıl?Lan)scheo m Kasanıı er isie Juni A: = Konrad Ireemansıın Leiden". +, Emm nn, Zu. W, .. 1844. Mai 9. Ze nacomo@DumbrosohnaRome. Kuna, ee als7a Nov. 3: = Konrad Mauren ANünchen, ana. hama 42.001889 Juli 25. = ‚Adolf‘ Michaehsssn., Stralsburg,.\.. “0leme ale de 2.0.1888 Juni. 21. Max, Müllers Ostordi 1865 ans ld: Eu OhartesENewtonuniondon, 2202000. ec ans al. - Theodor Nöldeke in Stralsburgt. rear. a0 RE ESTSNVEehre mA: Ze Jun Oppert InWParistıe 7 Elbe. AUORER IN IR» kl NR März, 13, XXXI Datum der Wahl. m — —— Hr. Gaston PorisinnBarnis. ms. 2 wann. 1882 Apelaal: = „Georges, BerrotGn@Banıs"®. 7. U nern 1884 Kulı aaa Sa WElNeEhn@Bertschan a Gothar 2 al8ssznkehr 28 = HelaaRaonoussonno Parse 817 una! = Rugenexde, Rozierenn WRarisee er rS6ASaRebranle - Hermann Sauppe in Göttingen. *. . . » =... . 1861, Jan. 31. = Theodor Sickel mn Rom Tele... 228870 Aprıll6, - . Christoph, Sigwart in Tübingen. . - » „2 2... . 1885 Jan. 29. - Friedrich Spiegel n München . . . ». . 2 2.2.2... 1862 März 13. -_ Aloys' Sprenger in Heidelberg . . - . .»'. 2 2 °,... 1858' März 2. I VRlkamStubbs nl Chester nn. 882 TMarzE30! - Hermann Usener inBonn . . ale > dam 2, - Theodore Hersant de la llemargu, in Br lea 10: - Louis Vivien de Saint- Martin in Paris . . . .». » ... ...1867 April. = ‚CuröWachsmucheinY leipzig = me ee re BO ah - William Waddington in Paris . . u cr 0 1666, Rebralin: - William Dwight Whitney in New Even, Bonn. 0 fi one OS Ber - Ulrich von Wilamowitz-Möllendorf in Göttingen . . . . . 1891 Juni 4. - Ludwig Wimmer in Kopenhagen . . . . » 2... ...1891 Juni 4. - Ferdinand Wüstenfeld in Göttingen . . den eg KSNIEAREHLRZT. - K. E. Zachariae von Lingenthal in Erofakmehle ler aa - Karl Zangemeister in Heidelberg . . . . . . ........ 1887 Febr. 10. Wohnungen der ordentlichen Mitglieder. Hr. Dr. Auwers, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Lindenstr. 91. SW. - = Beyrich, Prof., Geh. Bergrath, Kurfürstendamm 140. W. - = ». Bezold, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Lützowstr. 72. W. - = du Bois-Reymond, Prof., Geh. Medieinal-Rath, Neue Wilhelm- strasse 15. NW. - = Brunner, Prof., Geh. Justiz-Rath, Lutherstr. 36. W. - = Conze, Professor, Charlottenburg, Fasanenstr. 3. - - Curtius, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Matthäikirchstr. 4. W. - = Dames, Professor, Keithstr. 19. W. - = Diels, Professor, Magdeburgerstr. 20. W. - - Dillmann, Professor, Schillstr. 11°. W. - - Dilthey, Professor, Burggrafenstr. 4. W. - - Dümmler, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Königin Augustastr. 53. W. - = Engler, Professor, Motzstr. 89. W. - = Fuchs, Professor, Kronprinzen-Ufer 24. NW. - = v. d. Gabelentz, Professor, Kleiststr. 18-19. W. - = Harnack,, Professor, Wilmersdorf, Gravelottestr. 2. - - vo. Helmholtz, Prof., Wirkl. Geheimer Rath, Charlottenburg, Physi- kalische Reichsanstalt, Marchstr. 25°. - - Hirschfeld, Professor, Charlottenburg, Carmerstr. 3. - = Kiepert, Professor, Lindenstr. 11. SW. - = Kirchhoff, Professor, Matthäikirchstr. 23. W. - - Klein, Prof., Geh. Bergrath, Am Karlsbad 2. W. - = Koehler, Professor, Königin Augustastr. 42. W. - - Kummer, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Schönebergerstr. 10. SW. - = Kundt, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Neue Wilhelmstr. 16. NW. - - Landolt, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Königgrätzerstr. 123”. W. - - Möbius, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Sigismundstr. 8. W. e XXXI Datum der Wahl. — Ei Gaston®@ Parse WEarıse ee Er rEs2zerNDrElB20: = Georgesslkerronan Bars ee ra ulig2dr a] A ER e rraketeia N 2% Se Henn Ravarssonan Bars Sun! = Emgenerde Rozwene: in Bars 2 ee 86 KebrHille. - Hermann 'Sauppe mn Göttingen. *. » » » ..... . 1861, Jan. 3l. = TiRe00. 01.9 Stckelkn WR. on Er ralSToneNDprılao: - Christoph Sıqwart n Tübingen. . . . 2» 2.2.2... . 1885 Jan. 29. = Eriedrich Spiegel) in München 2. nn nn nn. 18622 März 13. = AlasaSpzengeruinW@Hlexdelberer en en 1853 Manz2b: = Willom®StubbsainU Chester 1882 TM AZ 30: - Hermann Usener n Bonn . . ee te A - Theodore Hersant de la Vi enge. in Parid ae a. Neal April): - Lowis Vivien de Saint- Martin m Paris . . ». . . .......1867 April. - „Curt Wachsmuchln Lapae "N. ers e „J8gl , IumiAr - William Waddington in Paris . . re a 5, 1860, Hebraks: - William Dwight Whitney in New Haven, a STB DREbTZIISN - Ulrich von Wilamowitz-Möllendorf in Göttingen . . . . . 1891 Juni 4. - Ludwig Wimmer in Kopenhagen . . . . . 2.2... ...1891 Juni 4. - Ferdinand Wüstenfeld in Göttingen . . ur ene x, 1879, PRebrg2r - K. E. Zachariae von Lingenthal in ke 18602 - Karl Zangemeister in Heidelberg . -. . - . . . . . .. 1887 Febr. 10. XXX Wohnungen der ordentlichen Mitglieder. Hr. Dr. Auwers, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Lindenstr. 91. SW. Beyrich, Prof., Geh. Bergrath, Kurfürstendamm 140. W. v. Bezold, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Lützowstr. 72. W. du Bois-Reymond, Prof., Geh. Medieinal-Rath, Neue Wilhelm- strasse 15. NW. Brunner, Prof., Geh. Justiz-Rath, Lutherstr. 36. W. Conze, Professor, Charlottenburg, Fasanenstr. 3. Curtius, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Matthäikirchstr. 4. W. Dames, Professor, Keithstr. 19. W. Diels, Professor, Magdeburgerstr. 20. W. Dillmann , Professor, Schillstr. 11°. W. Dilthey, Professor, Burggrafenstr. 4. W. Dümmler, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Königin Augustastr. 53. W. Engler, Professor, Motzstr. 89. W. Fuchs, Professor, Kronprinzen-Ufer 24. NW. v. d. Gabelentz, Professor, Kleiststr. 18-19. W. Harnack , Professor, Wilmersdorf, Gravelottestr. 2. v. Helmholtz, Prof., Wirkl. Geheimer Rath, Charlottenburg, Physi- kalische Reichsanstalt, Marchstr. 25°. Hirschfeld, Professor, Charlottenburg, Carmerstr. 3. Kiepert, Professor, Lindenstr. 11. SW. Kirchhoff, Professor, Matthäikirchstr. 23. W. Klein, Prof., Geh. Bergrath, Am Karlsbad 2. W. Koehler, Professor, Königin Augustastr. 42. W. Kummer, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Schönebergerstr. 10. SW. Kundt, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Neue Wilhelmstr. 16. NW. Landolt, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Königgrätzerstr. 123°. W. Möbius, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Sigismundstr. 8. W. e XXXIV IEIrDr: Mommsen, Professor, Charlottenburg, Marchstr. 8. H. Munk,, Professor, Matthäikirchstr. 4. W. Pernice, Prof., Geh. Justiz-Rath, Genthinerstr. 13. W. Pringsheim, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Königin Augustastr. 49. W. Rammelsberg, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Schönebergerstr. 10. SW. Sachau, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Wormserstr. 12. W. Joh. Schmidt, Professor, Lützower Ufer 24. W. Schmoller, Professor, Wormserstr. 13. W. Schrader, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Kronprinzen-Ufer 20. NW. Schulze, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Invalidenstr. 43. NW. Schwarz, Professor, Villen-Colonie Grunewald, Hubertus-Allee 13. Schwendener, Professor, Matthäikirchstr. 28. W. v. Sybel, Prof., Wirkl. Geh. Ober-Regierungs-Rath, Hohenzollern- strasse 6. W. Tobler, Professsor, Schillstr. 11. W. Vahlen , Prof., Geh. Regierungs-Rath, Genthinerstr. 22. W. Virchow, Prof., Geh. Mediecinal-Rath, Schellingstr. 10. W. Vogel, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Potsdam, Astrophysikalisches Observatorium. Waldeyer, Prof., Geh. Medieinal-Rath, Lutherstr. 35. W. Wattenbach, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Corneliusstr. 5. W. Albr. Weber, Professor, Ritterstr. 56. SW. Weierstrafs, Professor, Friedrich-Wilhelmstr. 14. W. Weinhold, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Hohenzollernstr. 10. W. Zeller, Prof., Geh.. Regierungs-Rath, Magdeburgerstr. 4. W. PHYSIKALISCHE ABHANDLUNGEN DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. AUS DEM JAHRE 1332. MIT 9 TAFELN. BERLIN. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 1892. GEDRUCKT IN DER REICHSDRUCKEREI. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. ae a ‚hi N. AR d vJadAal Mai) Ir. R ‚ Fer A I, ALBIN m; { ir v4 u R Aal: BAIRMIR ns VITYEH Jemaleat M alt. Eliten?‘ ‚AWIAHH IN luria ü eiriımas i Y rn TA Asabalsec ira ma „al AAHAAT oO TI 114194 YaTaRDaRgTERWE ac Annan Kakao a © “ ‚Kue ERSTE A Sr Tr ee u ATIABAN Bao km Mole Wim zZ Enkakt. SCHWENDENER und G. Krasse: Untersuchungen über die Orien- tirungstorsionen der Blätter und Blüthen. (Mit 3 Tafeln). . . Abh.I. S. 1—-115. EnGLER: Die systematische Anordnung der monokotyledoneen Angio- SELTEN We rel 99: Sc#uLze: Über die inneren Kiemen der Batrachierlarven. Zweite Mit- theıluno. /(Mit26. Dafeln)eggaer grey. erh weme er ea el: S..1—66. | Es Ka er zu 7 ee Ir: TR DR ı ra ua Bann Untersuchungen über die Orientirungstorsionen der Blätter und Blüthen. Von H” S. SCHWENDENER uw G. KRABBE. Phys. Abh. 1892. 1. 1 Gelesen in der Gesammtsitzung vom 19. Februar 1891 und in der Sitzung der phys.-math. Classe vom 7. Januar 1892 [Sitzungsberichte 1891 St. X. S. 155 und 1892 St. II. S. 21]. Zum Druck eingereicht am 7. Januar 1892, ausgegeben am 27. Juni 1892. Einleitung. Wi. schon die Überschrift vorliegender Abhandlung deutlich erkennen läfst, handelt es sich in derselben nur um eine Untersuchung derjenigen Örientirungsbewegungen von Blättern und Blüthen, an deren Zustande- kommen aufser Krümmungen auch noch bestimmte Torsionen betheiligt sind. Wir können hierbei wohl darauf verzichten, zunächst auf die allge- meine Verbreitung dieser Torsionsbewegungen hinzuweisen, die in der Natur von den meisten dorsiventralen Blättern und Blüthen zur Erreichung einer bestimmten Orientirung zur Tragaxe, zum Erdradius oder zur Be- leuchtungsrichtung ausgeführt werden, vorausgesetzt, dafs die betreffenden Organe nieht schon von Hause aus, z. B. gleich bei ihrer Entfaltung, sich in dieser Lage befinden. Auch dem äufseren Charakter nach können die hier in Frage stehenden Bewegungen, wenigstens für eine Reihe von Pflan- zen, im Allgemeinen als bekannt vorausgesetzt werden, da sie nach dieser Richtung wiederholt beschrieben wurden, theils in besonderen Abhandlun- gen, theils mehr gelegentlich in der systematischen und morphologischen Litteratur. Was aber die physiologische Behandlung des vorliegenden Gegenstan- des betrifft, so fehlt es noch immer an einer umfassenden Untersuchung desselben, vor allem an einer streng kritischen Prüfung der Frage, ob und in wie weit die im Dienste der Zweckmäfsigkeit stehenden Blatt- und Blüthenstieldrehungen einer mechanischen Erklä- rung fähig sind. Anläufe zur Lösung dieses Problems sind zwar wie- derholt gemacht worden, allein dieselben müssen sämmtlich in mechani- 1? 4 SCHWENDENER UND KrABBE: scher Hinsicht, wie später gezeigt werden soll, als verfehlt betrachtet werden. Um vorerst einen deutlichen Überblick über die hier zu lösenden Fragen zu gewinnen, wird es sich empfehlen, in aller Kürze an diejeni- gen Torsionen anzuknüpfen, deren Mechanik durch die Untersuchungen Schwendener’s'),, Zimmermann’s’), Eichholz’s’), Steinbrincek’s‘) u. A. gegenwärtig ziemlich klar gelegt ist. Es sind dies Drehungen, die an ausgewachsenen Pflanzentheilen, wie Gramineengrannen, Erodiumschnä- beln und einer Reihe anderer Objecte zur Beobachtung gelangen. Viele dieser Bewegungen stimmen mit denjenigen der Blätter und Blüthen inso- fern überein, als sie ebenfalls im Dienste der Zweckmäfsigkeit stehen; in anderer Hinsicht zeigen dieselben jedoch wesentliche Abweichungen, deren Hervorhebung für die richtige Beurtheilung der Blatt- und Blüthenstiel- drehungen nicht ohne Bedeutung ist. Wie wir wissen, liegen bei ausgewachsenen, hygroskopischen Pflan- zentheilen die Torsionsursachen stets in bestimmten Structurverhältnissen der Zellmembranen. Durch die Untersuchungen oben genannter Autoren kann hier wenigstens die wichtige Thatsache als sicher gestellt gelten, dafs die Drehungen in allen Fällen mit einem ungleichen Imbibitionsver- mögen, resp. mit einer ungleichen Aufnahme oder Abgabe von Wasser nach verschiedenen Richtungen der Wandsubstanz zusammenhängen. Da- bei handelt es sich gewöhnlich um eine auch mikroskopisch sichtbare spi- ralige Streifung der Wände, deren Quellung in der Richtung der Streifung eine andere ist als senkrecht zu dieser. Ob die Spiralstreifung mikrosko- pisch nachweisbar ist oder nicht, ist freilich an und für sich ohne Belang, wie es überhaupt für die mechanische Behandlung der Torsionsvorgänge unnöthig ist zu wissen, welche speciellen Structurverhältnisse dem un- gleichen Quellungsvermögen der Zellwände nach den angegebenen Rich- ) S. Schwendener, Über Quellung und Doppelbrechung vegetabilischer Membra- nen (Sitzungsber. der K. Preuls. Akademie d. Wissensch. zu Berlin, 1837). ?) A. Zimmermann, Über mechanische Einrichtungen zur Verbreitung der Samen und Früchte (Pringsheim’s Jahrb. f. wiss. Botanik, 1881). ®) Eichholz, Untersuchungen über den Mechanismus einiger zur Verbreitung von Samen und Früchten dienender Bewegungserscheinungen (Pringsheim’s Jahrb. 1886, Bd. XVII). *) C. Steinbrinck, Zur Theorie der hygroskopischen Flächenquellung und -schrum- pfung vegetabilischer Membranen (aus den Verhandl. des naturhist. Vereins der pr. Rhein- lande etc., Jahrg. 47, 1891). Orientirungstorsionen der Blätter und blüthen. 5 tungen zu Grunde liegen; es genügt zu diesem Zwecke vollständig, die Quellungsverhältnisse empirisch festgestellt zu haben. Aus der hervorgehobenen Thatsache läfst sich auch ohne näheres Eingehen auf die Mechanik der Torsion zunächst für die Richtung der- selben eine wichtige Folgerung ziehen: die Torsionsrichtung ist bei hy- groskopischen Pflanzentheilen eine von Hause aus gegebene; dieselbe ist darum keiner Änderung fähig, so lange die mit der Structur gegebenen Bedingungen ungleiecher Quellung nach verschiedenen Richtungen erhalten bleiben. Wesentlich anders liegen nun die Verhältnisse bezüglich aller Orien- tirungstorsionen der Blätter und Blüthen. Da diese nur so lange, als Wachsthum stattfindet, möglich sind, so folgt daraus zunächst, dafs die Torsionsursachen nicht, wie bei den oben erwähnten ausgewachsenen Pilan- zentheilen. in Structurverhältnissen der Zellwände, vielmehr in bestimmten Vorgängen innerhalb des Protoplasma’s gesucht werden müssen. Zwar entstehen, wie wir später sehen werden, auch an wachsenden Organen die Drehungen mechanisch erst in Folge eines bestimmten Verhaltens der Zell- wände, allein die dieses Verhalten bedingenden Factoren sind ganz andere als bei hygroskopischen Pflanzentheilen. Die Imbibition der Zellwände kann für das Zustandekommen der Dre- hungen wachsender Organe überhaupt nicht in Frage kommen, denn da sich alle Wände hier fortdauernd im wasserdurchtränkten Zustand befin- ‚len, so fehlen eben die Bedingungen zu einer ungleichen, mit einem sicht- haren Effeet verbundenen Quellung nach verschiedenen Richtungen. Wenn daher die Zellmembranen einmal für das mechanische Zustandekommen und dann für die Richtung der Orientirungstorsionen von Bedeutung sein sollen, so kann dies immer nur indireet durch Vermittelung des Proto- plasma’s der Fall sein, indem dasselbe das Wachsthum der Zellwände in bestimmter Weise beeinflufst. Zu diesem prineipiellen Unterschied zwischen den Torsionsursachen ausgewachsener und denen noch wachsender Pflanzentheile kommt weiter der beachtenswerthe Umstand, dafs bei letzteren die Torsionsrichtung keine unabänderliche ist. Wenn auch die Bewegungen der Blätter und Blüthen stets so erfolgen, dafs eine bestimmte Lage auf kürzestem Wege erreicht wird, so sind wir doch jeden Augenblick im stande, durch Änderung der Lage des Organs auch die anfängliche Richtung seiner Bewegung zu än- 6 SCHWENDENER UND KRABBE: dern. Ein Blattstiel, der sich z. B. in einer linksläufigen Drehung befin- det, kann sofort zu der entgegengesetzten Bewegung veranlafst werden; und mit Rücksicht hierauf kann die Richtung der Orientirungstorsionen als eine nieht von Hause aus gegebene bezeichnet werden. Wie wir später sehen werden, folgt aus der Abänderungsfähigkeit der Torsionsrichtung in Verbindung mit anderen Erscheinungen ganz all- gemein die für eine richtige Beurtheilung der Torsionsursachen wichtige Thatsache, dafs in der inneren Organisation der hierher gehörigen Pilan- zen keinerlei Factoren, weder in Strueturverhältnissen der Zellwände noch in irgend welchen anderen Momenten, gegeben sein können, die eine Tor- sion bedingen. Es müssen vielmehr nicht nur die Ursachen der Torsion, sondern auch die Bedingungen, welche die Richtung derselben bestim- men, jedesmal unter dem Einflufs äufserer Kräfte neu geschaffen werden. Wie schon diese wenigen Bemerkungen deutlich erkennen lassen, ist die Torsionsmechanik wachsender Organe viel complieirterer Natur und daher nicht in so einfacher Weise klar zu legen, wie die analogen Bewe- gungen hygroskopischer Pflanzentheile. Darum bedarf es auch kaum einer besonderen Hervorhebung, dafs es von vornherein nicht in unserer Ab- sicht liegen konnte, die Orientirungsbewegungen der dorsiventralen Blätter und Blüthen, sofern daran Torsionen betheiligt sind, nach allen Seiten zu erklären. Um zunächst für die mechanische Beurtheilung des vorliegenden Ge- genstandes eine möglichst sichere Grundlage zu gewinnen, kam es uns in erster Linie auf eine genaue Feststellung der Verhältnisse an, von wel- chen das Auftreten der Torsionen, unbekümmert um ihr mechanisches Zustandekommen, abhängig ist. Es fragt sich hierbei, in wie weit die Orientirungstorsionen in inneren Organisationsverhältnissen der Blätter und Blüthen begründet liegen, sowie ferner, ob und in welcher Weise an ihrem Eintreten aufserhalb der Pflanze gelegene Factoren, wie Licht und Schwer- kraft, betheiligt sind. Da die dorsiventralen Blätter und zygomorphen Blüthen zur Errei- chung ihrer normalen Orientirung in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle aufser Axendrehungen auch Krümmungen "ausführen müssen, so ist es vor allen Dingen wichtig zu entscheiden, in welcher Beziehung diese beiden Arten von Bewegungen zu einander stehen; es fragt sich z. B., ob sich die Torsionen, wie man dies bereits versucht hat, aus der Combination Orientirungstorsionen der blätter und blüthen. von Krümmungen erklären lassen. Hierher gehören auch die von Am- bronn') entwickelten Anschauungen, nach welchen unter gewissen Bedin- gungen durch die einseitige Wirkung der Schwerkraft und des Lichtes auf bogenförmig gekrümmte Organe Torsionen herbeigeführt werden können’). Mit der Klarlegung dieses Gegenstandes wird in Verbindung mit an- derweitigen Thatsachen auch die Entscheidung über einen andern wich- tigen Punkt gegeben sein, über die Frage nämlich, ob in Wirklichkeit geotropische und heliotropische Torsionen existiren, d. h. Drehungen, die in analoger Weise wie die geotropischen und heliotropischen Krümmun- gen ganz allein von der Schwerkraft oder dem Lieht, ohne Mitwirkung irgend welcher anderer Kräfte, verursacht werden. In der Litteratur fin- den sich zwar hier und da solche Torsionen erwähnt, allein es ist dabei selten deutlich zu erkennen, wie man die fraglichen Verhältnisse auffafst, ob das Licht oder die Schwere allein mafsgebend sein soll oder ob ne- benher auch noch andere Factoren im Spiele sind und die ersteren nur den Ausschlag geben. Die Frage, in welcher Weise die Torsionen unter dem Einflufs einer einzelnen äusseren Kraft mechanisch zu stande kommen, findet sich überhaupt nirgends erörtert, denn die von Frank°®) angenom- mene Polarität der Zellhäute kann ernstlich nieht hierher gerechnet werden. Fast alle Autoren, die sich nicht blos mit dem äufseren Charakter der Orientirungsbewegungen, sondern auch mit der Frage nach dem me- chanischen Zustandekommen derselben mehr oder weniger eingehend be- fassen, gehen hierbei von der theils als selbstverständlich betrachteten, theils ausdrücklich hervorgehobenen Voraussetzung aus, dafs das Licht oder die Schwere für sich allein — in Übereinstimmung mit jeder ande- ren einseitig angreifenden Kraft — wohl Krümmungen in einer Ebene, niemals aber direct Torsionen verursachen könne. Wo daher in der Na- tur an Blättern und Blüthen Drehungen zur Beobachtung gelangen, da sollen dieselben nicht aus einer unmittelbaren Einwirkung einer einzelnen ') H. Ambronn, Über heliotropische und geotropische Torsionen (Ber. der deutsch. botan. Gesellsch. Bd. Il p. 183ff.). ®?) H. Ambronn, Zur Mechanik des Windens (Separat-Abdruck aus den Berichten der math.-physik. Classe der Kgl. Sächs. Gesellsch. der Wissensch. 1884). ®) A. B. Frank, Die natürliche wagerechte Richtung von Pflanzentheilen und ihre Abhängigkeit vom Lichte und von der Gravitation. Leipzig, 1870. fo) SCHWENDENER UND KRrABBE: äufseren Kraft hervorgehen, sondern ausschliefslich oder doch zum grofsen Theil in ganz anderen Verhältnissen begründet liegen. Sehen wir von gelegentlichen Bemerkungen ab, so giebt es gegen- wärtig zwei Erklärungsversuche der hierher gehörigen Orentirungstorsio- nen. Nach H. de Vries'), Wiesner”) und Ose. Schmidt?) beruhen be- kanntlich die Blattstieltorsionen auf einem passiven Wachsthum, welches durch die drehende Wirkung des Blattgewichtes verursacht werden soll. Diese Anschauung, auf die wir später noch kurz zurückkommen, bedarf hier keiner weiteren Erörterung, nachdem durch die Untersuchungen Noll’s‘), Vöchting’s’) und Krabbe’s‘) gezeigt ist, dafs die Orientirungs- bewegungen in den meisten Fällen auch ohne Mitwirkung, ja selbst bei entgegengesetzter Wirkung der durch die Belastungsverhältnisse gegebenen Torsionsmomente zur Ausführung gelangen. Übrigens würde mit dieser Vorstellung nur ein Theil des ganzen Problems erklärt sein, denn wie schon Ose. Sehmidt hervorgehoben, gelangt die Bewegung in vielen Fäl- len gerade dann zum Stillstand, wenn sich nach der Stellung des Blattes das Eigengewicht der Spreite im Maximum seiner Wirkung befindet. Eine ganz andere Anschauung über das mechanische Zustandekom- men der Orientirungstorsionen ist von Noll für die zygomorphen Blüthen zu begründen versucht worden. Wenn wir hier auf diese Untersuchun- gen etwas näher eingehen, so geschieht dies hauptsächlich aus zwei Grün- den, einmal, weil dieselben bis jetzt die einzigen sind, die sich mit dem äufseren Charakter und dem mechanischen Zustandekommen der Blüthen- stieldrehungen eingehender beschäftigen, und sodann, weil der Verfasser wiederholt mit besonderem Nachdruck behauptet, die Mechanik der frag- lichen Bewegungen nach allen Seiten vollständig klar gelegt zu haben. ') H. de Vries, Über einige Ursachen der Richtung bilateral-symmetrischer Pflanzen- theile (Arb. des botan. Inst. in Würzburg, Bd. I p. 223ff.). ?) J. Wiesner, Die heliotropischen Erscheinungen im Pflanzenreich, II. (Denkschrif- ten der k. k. Akad. der Wissenschaften, Math.-naturw. Klasse, Bd. 43). ®) Ose. Sehmidt, Das Zustandekommen der fixen Lichtlage blattartiger Organe durch Torsion. Inaugural-Dissertation. Berlin, 1883. *) Fritz Noll, Über die normale Stellung zygomorpher Blüthen und ihre Orienti- rungsbewegungen zur Erreichung derselben (Arb. des botan. Inst. in Würzburg, Bd. III). ) H. Vöchting, Über die Lichtstellung der Lanbblätter (Botan. Zeit. 1888 p. 501ff.). °%) G. Krabbe, Zur Kenntnils der fixen Lichtlage der Laubblätter (Pringsheim’'s Jahrb. für wissensch. Botanik, Bd. 22). Orientirungstorsionen der Blätter und Blüthen. 9 Noll beschäftigt sich in zwei besonderen Abhandlungen') mit der bekannten Erscheinung, dafs die zygomorphen Blüthen nieht nur eine bestimmte Lage zum Erdradius einnehmen, sondern aufserdem noch in bestimmter Weise gegen ihre Tragaxe orientirt sind. Entfernt man sie aus dieser Stellung, so suchen sie dieselbe, so lange noch Wachsthum stattfindet, durch zweckentsprechende Krümmungen und Drehungen wieder zu erreichen. So sind bekanntlich, um ein paar Beispiele anzuführen, in der Familie der Leguminosen die Blüthen so an der Hauptspindel inserirt, dafs die Fahne nach oben und die Öffnung der Blüthe nach aufsen, von der Spindel hinweg gerichtet ist. Dasselbe gilt von den Blüthen der Gattungen Delphinium, Aconitum und zahlreichen anderen. Bei aufrechter Stellung der Tragaxe besitzen die hier in Frage stehenden Blüthen ge- wöhnlich gleich bei der Entfaltung die normale Orientirung: jedenfalls sind, von den Orchideen und einigen anderen Familien abgesehen, irgend- welche nennenswerthe Bewegungen zur Erreichung derselben nicht erfor- derlich. Nur wo die Entwicklung der Blüthen an abwärts gerichteter Spindel, wie bei Cytisus, Wistaria u. s. w. stattfindet, müssen die einzelnen Blüthen zur Erreichung der Normalstellung aufser einer geotropischen Auf- wärtskrümmung eine Drehung um 180° ausführen — die letztere, damit die Öffnung resp. die Vorderseite der Blüthe nach aufsen sieht. Dieselben Bewegungen lassen sich auch künstlich herbeiführen, wenn man die von Natur aufrecht wachsenden Blüthenspindeln in inverse Lage bringt und sie in dieser festhält. Noll sucht nun sämmtliche Orientirungstorsionen zygomorpher Blüthen auf zwei Krümmungen zurückzuführen, die er als Median- und Lateralkrüm- mung von einander unterscheidet: die erstere erfolgt in der durch Bauch- und Rückenseite der Blüthe gelegten Ebene, während die letztere, die Lateralkrümmung, auf einer Verlängerung der rechten oder linken Seite des Blüthenstieles beruht. Dafs diese Lateralbewegung unabhängig von der Wirkung äufserer Factoren ihre Entstehung einer »den Pflanzen inne- wohnenden Richtkraft« verdanken soll, mag hier nur nebenbei bemerkt sein, da wir auf diesen Punkt bei späterer Gelegenheit noch zurückkom- men. Aus der Combination dieser beiden Krümmungen, der Median- und Lateralkrümmung, soll nun nach der Vorstellung unseres Autors in jedem !) Arbeiten d. bot. Instituts in Würzburg, Bd. Ill. Phys. Abh. 1892. 1. [89] 10 SCHWENDENER UND KrABBE: Einzelfalle diejenige Bewegung resultiren, die zur Normalstellung der Blüthen nothwendig ist. Sind z. B. die Blüthen von Aconitım an natürlich oder künstlich invers geriehteter Spindel aufzublühen gezwungen, so bewirkt nach der Noll’schen Anschauung die Mediankrümmung die normale Orien- tirung der Blüthe zum Horizont, während darauf durch Hinzutritt der Lateralkrümmung eine Drehung um 180° entsteht, durch welche die Blüthe mit ihrer Vorderseite wiederum nach aufsen gerichtet wird. Es soll also nach Noll aus einer bestimmten Combination zweier Krümmungen Torsion erfolgen müssen, eine Vorstellung, deren Unrichtigkeit im folgenden Capitel sowohl empirisch als auch theoretisch ausführlich dargelegt werden soll. Trotzdem aber scheint es uns nicht überflüssig zu sein, hier aufserdem noch in Kürze zu zeigen, dafs Noll an keiner Stelle seiner Arbeit den Beweis zu liefern versucht, dafs auf Grund seiner Prämissen mit mecha- nischer Nothwendigkeit Torsionen entstehen müssen. Nachdem er seine beiden Krümmungen als Median- und Lateralkrümmung definirt hat, be- schränkt er sich im Folgenden nur noch auf eine Beschreibung des äufse- ren Charakters der Blüthenbewegungen, um daran jedesmal die Bemerkung zu knüpfen, dafs es die Median- und Lateralkrümmung seien, aus deren Zusammenwirken die zu beobachtende Bewegung resultire. So beschreibt er z. B. in den Versuchen mit invers gehaltenen Blüthenspindeln von Aconitum zunächst die mediane geotropische Aufwärtskrümmung der ein- zelnen Blüthen, um sodann die Bewegung, die zur normalen Orientirung der Blüthe gegen die Spindel führt, folgendermafsen zu schildern‘): » Wir haben es hier also mit dem Anfangsergebnifs derjenigen Bewegung zu thun, die als Lateralbewegung bezeichnet wurde; dieselbe nimmt von da an einige Tage lang bis zu einem gewissen Maximum zu, um dann langsam abnehmend zu dem Endergebnifs zu führen, dafs die Blüthenöffnung wie- der wie anfänglich von der Spindel weggewandt und gerade nach aufsen gerichtet ist. Man sieht, dafs damit derselbe Effeet erreicht ist, als ob die Blüthe auf ihrem Platz geblieben wäre, ihr Stiel sich aber um 150° tordirt hätte.«e — Es bedarf wohl keiner besonderen Auseinandersetzung, um einzusehen, dafs mit einer derartigen Beschreibung des äufseren Cha- rakters der Blüthenstielbewegung keine Einsicht in die Mechanik dersel- ben gewonnen ist. Wenn Noll trotzdem den Anspruch erhebt, die Blü- 1) lc. p. 208. Orientirungstorsionen der Blätter und Blüthen. 11 thenstieltorsionen nach allen Seiten mechanisch völlig befriedigend erklärt zu haben, so folgt daraus nur, dafs er Vorstellung und Beweisführung mit einander verwechselt resp. identifieirt. Nachdem er die Annahme, dafs aus der Combination zweier Krümmungen Torsion resultiren müsse, gemacht hat, sieht er sie auch schon als bewiesen an. Es ist darum nicht zu verwundern, wenn sich Noll im Laufe seiner Untersuchungen von der ursprünglichen Definition der Lateralkrümmung immer weiter entfernt, d. h. den Begriff und die Leistung derselben successive weiter- fafst, als nach der anfänglichen Definition zulässig ist. Während er im Beginn der Arbeit ausdrücklich von einer Verlängerung einer Seitenkante und dem entsprechend von einer Krümmung spricht, bezeichnet er diese Lateralkrümmung weiterhin als Lateralbewegung, dann als exotropische Lateralbewegung und schliefslieh kurzweg als Exotropie. Da durch diese Exotropie die geotropisch aufwärts gerichtete Blüthe die in jedem Ein- zelfall erforderliche Torsion erhalten soll, so ist die ursprünglich als Krümmung bezeichnete Bewegung in seiner Vorstellung nunmehr zur Torsion geworden. Überdies wird es an verschiedenen Stellen der Arbeit mehr als frag- lieh, ob die ursprüngliche Definition der Median- und Lateralkrümmung überhaupt aufrecht erhalten ist, auch wenn man an der Vorstellung Noll’s über das Zustandekommen der Torsionen festhält. Wenn man z.B.., wie dies Noll gethan hat, eine Blüthenspindel von Aconitum in horizon- tale Lage bringt und sie in dieser befestigt, so sind die rechts und links an der Spindel inserirten Blüthen mit der einen Flanke nach unten ge- richtet; die Medianebene dieser Blüthen liegt mit anderen Worten hori- zontal. Es ist klar, dafs die geotropische Aufwärtskrümmung dieser Blüthen nur durch stärkere Verlängerung der nach unten gerichteten Flanke zu stande kommen kann. Die so aufgerichtete Blüthe erfährt dann eine Stieltorsion von 90°, wodurch sie mit ihrer Vorderseite von der Spindel hinweg nach aufsen gerichtet wird. — Führt man nun in diesem Falle die Lateralbewegung nach der ursprünglichen Definition derselben auf eine Verlängerung der rechten oder linken Seite zygomorpher Blüthen zurück, dann mufs natürlich die Ebene der Lateralkrümmung mit derje- nigen der geotropischen Aufwärtskrümmung zusammenfallen; eine Torsion ist unter diesen Umständen auch nach der Anschauung Noll’s ausge- schlossen. Läfst man aber die Lateralbewegung durch stärkeres Wachs- 2% 11% SCHWENDENER UND KraABeBE: thum der Rücken- oder Bauchseite der Blüthe zu stande kommen, dann stimmt eben die ursprüngliche Definition nicht mehr. Noll geht über diese Fälle sehr kurz mit folgenden Worten hinweg (p. 212): » Auch hier gilt für die Lateralbewegung, welche immer so auftritt, dafs die Blüthe auf dem kürzesten Wege nach aufsen gerichtet wird, sonst das Gleiche, was oben bezüglich ihres Charakters gesagt wurde. « Wie aus dem vorstehend eitirten Satze und vielen anderen Stellen der Arbeit hervorgeht, ist Noll nicht nur der Ansicht, das blofse Zu- standekommen einer Torsion mechanisch erklärt zu haben; er glaubt aufser- dem auch noch die Erreichung der Normalstellung auf kürzestem Wege und damit die Richtung und den Grad der Torsion mechanisch vollstän- dig klar gelegt zu haben. Die Torsion erreicht bekanntlich je nach den Einzelfällen bald 90, bald 180, bald 360 Grad oder einen anderen Werth; die Bewegung gelangt mit anderen Worten jedesmal sofort zum Stillstand, wenn die Blüthe in die normale Stellung auf kürzestem Wege eingerückt ist. Mit diesen und anderen Erscheinungen beschäftigt sich Noll aller- dings nicht weiter als dafs er sagt, die Lateralbewegung sei es, die in Gemeinschaft mit der Mediankrümmung Alles mache. Am Schlusse der ersten Abhandlung sucht Noll die in der Natur zu beobaehtenden Blüthenbewegungen noch an einem künstlichen Modell für bestimmte Fälle zu veranschaulichen. Eine aus Papier gefertigte zygo- morphe Blüthe, die mit der Tragaxe in inverse Lage gebracht ist, wird mit der Hand zunächst aufwärts gekrümmt, um damit die Mediankrüm- mung zu demonstriren, und hierauf zur Herbeiführung der Aufsenstellung um 180 Grad tordirt, — ebenfalls mit der Hand. Aus diesem Experi- ment zieht Noll sodann folgende Schlufsfolgerung (p. 247): »An diesem Objeete wird der Charakter der Torsion, das rein mechanische Zustande- kommen derselben aus zwei verschiedenen Componenten, der geotropischen und einer Lateralbewegung, besonders klar.« Im Gegentheil, der Versuch zeigt nichts anderes, als dafs man einen Papierstreifen mit der Hand be- liebig krümmen und tordiren und damit die Blüthenbewegungen in ihrem äufseren Charakter nachahmen kann; das mechanische Zustandekommen dieser Bewegungen in der Natur wird dadurch nicht im Geringsten auf- gehellt. Aus der zweiten Abhandlung Noll’s (l. ec. p. 315) mag hier nur noch in Kürze auf die für einen bestimmten Fall gegebene Berechnung des Tor- Orientirungstorsionen der Blätter und Blüthen. 13 sionswinkels hingewiesen werden. Diese Berechnung stützt sich nicht etwa, wie man auf den ersten Blick glauben könnte, auf mechanische Erwä- gungen, sondern auf rein geometrische Beziehungen, welche thatsächlich bestehen, wenn man die angenommene Median- und Lateralbewegung dureh die Seiten x und 8 eines sphärischen Dreiecks und die gegebene Torsion + durch die diesen Seiten opponirten Winkel zum Ausdruck bringt. Mit der Frage, wie die Torsion mechanisch zu stande kommt, steht daher diese Berechnung in keinem Zusammenhang. Müssen nun auch die von Noll entwickelten Anschauungen über die Mechanik der Orientirungstorsionen zygomorpher Blüthen nach allen Seiten als verfehlt bezeichnet werden, so ist es doch immerhin als Verdienst an- zuerkennen, auf den Zweck und die grofse Verbreitung dieser Blüthen- bewegungen hingewiesen und für eine Reihe von Fällen eine übersieht- liche Darstellung von denselben gegeben zu haben. Zudem sind einige experimentelle Ergebnisse, auf die wir nachher noch zurückkommen, nicht ohne Interesse, wenn wir auch die daraus gezogenen Folgerungen gröfsten- theils für unrichtig halten. Was speciell die Lateralbewegung betrifft, so ist Noll hier nicht nur in der Verwerthung derselben zur Erklärung der Torsionsmechanik, sondern auch nach der experimentellen Seite voll- ständig auf Irrwege gerathen, denn dieselbe ist, wie gezeigt werden soll, in Wirklichkeit gar nicht vorhanden. Schon oben bei der Skizzirung einiger Fragen, die unter Anderem den Gegenstand unserer Untersuchungen bilden werden, ist auf die bekannte Thatsache hingewiesen worden, dafs die dorsiventralen Blätter und Blüthen zur Erreichung ihrer normalen Orientirung fast in allen Fällen aufser Dre- hungen auch Krümmungen ausführen. So lange man nun dem Licht und der Schwere nur eine krümmende Wirkung zuschreibt, liegt es nahe, diese beiden Arten von Bewegungen in einen causalen Zusammenhang mit ein- ander zu bringen, indem man es versucht, die in der Natur auftretenden Torsionen aus einer bestimmten Combination krümmend wirkender Kräfte abzuleiten. Bevor wir daher zur Besprechung der direct an Blättern und Blüthen ausgeführten Untersuchungen übergehen, soll zunächst ganz all- gemein die Frage behandelt werden, ob überhaupt auf dem angedeuteten Wege Torsionen entstehen können. 14 SCHWENDENER UND KRrABBE: I. Zur Theorie der Torsion. Kann durch Combination zweier oder mehrerer Kräfte, von denen jede für sich nur krümmend in einer bestimmten Ebene wirkt, eine Torsıion entstehen? Wir knüpfen die nachfolgenden Auseinandersetzungen an eine Mit- theilung Ambronn’s') an, in welcher die Ansicht zu begründen versucht wird, dafs unter Umständen durch die alleinige Wirkung des Lichtes oder der Schwerkraft an wachsenden Pflanzentheilen Torsion hervorgerufen werden könne. Dies sei nämlich dann der Fall, wenn es sich um mono- symmetrische resp. dorsiventrale Organe handle, bei denen sehr oft die widerstandsfähigen Elemente, wie Bast- und Collenehymrippen, an der Bauch- und Rückenseite ungleichmäfsig vertheilt seien. Kommt an solchen Organen das Licht oder die Schwerkraft in einer anderen als der Sym- metrieebene zur Wirkung, so soll nach der Ambronn’schen Anschauung statt der einfachen geotropischen oder heliotropischen Krümmung eine Torsion entstehen können. Wie man nun leicht einsieht, handelt es sich in diesem Beispiel um nichts anderes als um eine Combination zweier Kraftwirkungen, von denen jede, wenn sie allein zur Geltung gelangte, das Organ nur in einer Ebene krümmen würde. Aus den ungleichen Widerständen an der Ober- und Unterseite resultirt eine Wirkung, die das Organ in einer anderen Ebene als derjenigen der Licht- oder Schwerkraft- wirkung zu krümmen sucht. Dasselbe gilt von dem Modell Ambronn’s, welches aus drei ungleich gespannten und in diesem Zustand mit einander verbundenen Kautschukschläuchen besteht. Denn auch bei diesem Modell sind mit den Spannungen der Schläuche zwei Kraftsummen gegeben, von denen jede für sich allein nur krümmend in einer bestimmten Ebene wirken würde. Dafs beim Loslassen zweier in ungleichem Spannungs- zustand mit einander verbundener Kautschukschläuche nur ein einfach gekrümmter Körper entstehen kann, ist ohne Weiteres einleuchtend. Zieht ) H. Ambronn, Über heliotropische und geotropische Torsionen (Ber. d. deutsch. bot. Gesellschaft, Bd. II, p. 183). Orientirungstorsionen der Blätter und blüthen. 15 man nun diesen Körper wiederum gerade, und verbindet damit seitlich einen dritten Kautschukschlauch, so ist hiermit eine zweite Kraftquelle gegeben, die den Körper in einer anderen als der früheren Ebene zu krümmen sucht. Wie verhält sich nun thatsächlich der Körper, welcher entsteht, wenn man in der Ambronn'schen Weise drei ungleich gespannte Kautschuk- schläuche mit einander verbindet und sie dann losläfst, damit die Span- nungen der einzelnen Schläuche in sichtbarer Weise zur Wirkung gelan- gen können? Ambronn will in solchen Fällen nieht mehr einen einfach gekrümmten, sondern einen schraubenlinig gewundenen Körper erhalten haben, ein Ergebnifs, das, wie Ambronn anzunehmen scheint, auch theo- retisch nicht anders zu erwarten sei. Wir haben zunächst die Ambronn'schen Versuche wiederholt, allein mit einem anderen Ergebnifs. Statt einer Schraubenlinie entstand der Regel nach ein Körper, der sich in mehr oder weniger ausgesprochener Weise nur in einer Ebene gekrümmt zeigte. Zuweilen traten allerdings Andeutungen einer Schraubenlinie hervor, ohne dafs sich genau angeben liefs, worin dies abweichende Resultat begründet lag. Jedenfalls ist der Kautschuk wegen seiner Inhomogenität zu den hier in Frage stehenden Experimenten wenig geeignet, wozu noch kommt, dafs die Befestigung der ungleich gespannten Schläuche genau in der Querriehtung nicht so einfach ist; mit jeder schiefen Befestigung sind aber Factoren gegeben, die das Resultat in fehlerhafter Weise beeinflussen müssen. Um daher zu einem klaren und unzweideutigen Ergebnifs zu gelan- gen, wurde der Kautschuk verlassen und unter Anderem in folgender Weise experimentirt. Eine gröfsere Anzahl isolirter Eisen- oder Messing- ringe wurde suecessive über einander in bestimmten Abständen an drei Messingdrähten befestigt, in der Weise, wie es Fig. 13 Taf. I veranschau- licht. Die Gröfse der Abstände auf dem .einzelnen Draht entsprach der angenommenen Wachsthumsintensität in der betreffenden Längslinie des Organs. Bevor man die Befestigung ausführt, werden auf den Drähten dureh Einfeilen oder im anderer Weise Punkte markirt, deren Abstände bei jedem Draht gleich grofs, bei den dreien unter sich aber ungleich grofs sein müssen. Im Übrigen kann man die Gröfse dieser Abstände ziemlich nach Belieben bestimmen; betragen sie bei dem einen Draht und bei dem mm 10”® so kann man sie bei dem zweiten Draht zu 15 16 SCHWENDENER UND KRABBE: dritten etwa zu 20”® wählen. — Wie auf den Drähten, so müssen natür- lich auch an der Peripherie der einzelnen Ringe Punkte markirt werden, die nicht nothwendig gleich weit von einander abzustehen brauchen. Be- dingung ist aber, dafs alle Ringe dieselbe Eintheilung besitzen und dafs bei ihrer Verbindung mit den Drähten die gleich grofsen Abstände genau übereinander zu liegen kommen. Um jeder Sorge nach dieser Richtung überhoben zu sein, empfiehlt es sich, sämmtliche Ringe in drei gleich grofse Theile zu theilen. Sucht man nun die in der angegebenen Weise eingetheilten Ringe und Drähte mit einander zu verbinden, so werden natürlich die drei Punkte des ersten Ringes in den Nullpunkten der Drähte befestigt, während von den drei Punkten des zweiten Ringes der eine an dem ersten Draht 10””, der zweite an dem zweiten Draht 15””, und der dritte an dem dritten Draht 20”" über dem Nullpunkte zu liegen kommt. Dasselbe wiederholt sich natürlich beim dritten und allen folgen- den Ringen. Die Befestigung geschieht am besten durch Anlöthen der Drähte an der Peripherie der Ringe. Es bedarf wohl keines besonderen Hinweises darauf, dafs mit dem so erhaltenen Körper dieselben Verhältnisse, nur in präciserer Weise, zur Anschauung gebracht werden, wie durch drei ungleich gespannte Kaut- schukschläuche. Dafs hier ungleiche Verkürzungen, durch die Drähte da- gegen ungleiches Längenwachsthum veranschaulicht wird, ist ohne Belang. Auch in dem vorliegenden Falle handelt es sich also um die Combina- tionswirkung zweier Kräfte, von denen jede allein nur eine Krümmung in der Ebene liefern würde. Befestigt man an den Ringen nur zwei Drähte, von denen der eine in Abstände von 10””, der andere in solche 5) mm von 1 eingetheilt ist, so erhält man selbstverständlich nur einen ein- fach gekrümmten Körper. Bringt man nun zwischen diesen beiden Drähten einen dritten mit 20” weiten Abständen mit den Ringen in Verbindung, so ist damit wie mit dem dritten Kautschukschlauch eine Kraft einge- schaltet, die den Körper in einer anderen Ebene zu krümmen sucht. Experimentirt man nun in dieser Weise, so erhält man Körper, die nieht schraubenlinig gewunden sind, vielmehr stets nur eine einfache Krümmung zeigen. Es kann demnach keinem Zweifel unterliegen, dafs aus der Combination zweier krümmender Kräfte wiederum nur eine Krümmung, niemals aber eine Torsion re- sultirt. Orientirungstorsionen der Blätter und blüthen. 17 Die isolirten Ringe sind selbstverständlich nur gewählt, um irrefüh- rende Fehlerquellen so viel wie möglich auszuschliefsen. Man erhält das- selbe Resultat, wenn man in anderer Weise experimentirt, so z. B., wenn man an der Peripherie einer aus möglichst gleich weiten Windungen be- stehenden Drahtspirale drei Drähte in analoger Weise befestigt, wie an den Ringen. Dasselbe ergiebt sich, wenn man kurze dreiseitige Prismen aus Papier oder Holz mit ungleich langen Kanten so aneinander fügt, dafs immer die gleich langen Kanten übereinander zu stehen kommen, wie dies z. B. Fig. 9 Taf. I veranschaulicht. Je zwei der so aneinander gefügten Prismen bilden miteinander einen bestimmten Winkel, der von der Längendifferenz der Kanten eines Prismas abhängig ist; sämmtliche Pris- men liegen jedoch genau in einer Ebene, wiederum ein Beweis, dafs ein Körper, an dem drei Längszonen mit ungleichem Ausdehnungs-, resp. Contractionsbestreben gegeben sind, keine Schraubenlinie, sondern nur eine ebene Curve bildet. Diese Thatsache folgt im Grunde genommen schon aus der vorhin eitirten Mittheilung Ambronn’s. Im ersten Theile derselben legt dieser nämlich dar, wie ein kreisförmig gekrümmter Bogen durch eine zweite Krümmung, deren Ebene zu der ersten senkrecht steht, nur eine Verstär- kung der Krümmung erfährt und zugleich in eine andere Ebene zu liegen kommt. Entsteht aber in diesem Falle keine Schraubenlinie, so ist dies offenbar auch .bei den drei ungleich gespannten Kautschukschläuchen nicht möglich, weil es sich auch bei diesen, wie schon hervorgehoben, um nichts anderes als um eine bestimmte Combination zweier Schaaren krümmender Kräfte handelt. Durch die beim Experimentiren mit Kautschuk nicht zu vermeidenden Unregelmäfsigkeiten in der gegenseitigen Befesti- gung der Schläuche und durch die hieraus entspringenden Fehler hat sich Ambronn offenbar irre führen lassen. Die Richtigkeit der Thatsache, dafs ein Organ, welches der Einwir- kung krümmender Kräfte, die durch ein ungleiches Ausdehnungsbestreben bestimmter Längszonen repräsentirt werden, ausgesetzt ist, immer nur eine einfache Krümmung erfährt, läfst sich nicht blofs experimentell, sondern auch in ganz allgemeingültiger Weise mathematisch beweisen. Zu diesem Zwecke denke man sich einen eylindrischen Körper, der in drei verschie- denen Längszonen sich ungleich verlängert oder verkürzt. Der Querschnitt dieses Körpers sei ein Kreis von etwa 22”” Durchmesser und die zuletzt Phys. Abh. 1892. 1. 3 18 SCHWENDENER UND KrABBE: erreichte Länge betrage in den mit 10, 12 und 18 bezeichneten Punkten (Fig. 3 Taf. I) ebensoviele halbe Centimeter, als diese Ziffern angeben. Dann hat man nur nöthig, die Seite 10, 18 des in den Kreis ein- geschriebenen Dreieckes in vier gleiche Theile zu theilen (da der Unter- schied zwischen 12 und 18 das Dreifache des Unterschiedes zwischen 10 und 12 beträgt), sodann von 12 aus eine Linie dureh den ersten Theil- punkt p zu ziehen und- hierzu Parallelen durch die übrigen Theilpunkte zu führen, um sofort einzusehen, dafs eine Krümmung in der Ebene MN, welehe die genannten Parallelen rechtwinklig schneidet, allen Bedingun- gen für die Herstellung der bezeichneten Längen 10, 12 und 18 Genüge leistet. Der in Rede stehende Körper erscheint nämlich jetzt aus meh- reren Lamellen zusammengesetzt, deren Berührungsflächen im Querschnitt durch die gezogenen Parallelen angedeutet sind, und wenn die letzteren der Reihe nach den Längen 10, 12, 14, 16, 18 entsprechen (Fig. 2 Taf. ]), so sind hiermit nicht blofs die gewünschten Längenunterschiede verwirk- licht, sondern überdies auch die erforderlichen Anhaltspunkte gegeben, um die resultirende Krümmung zu construiren, wie es in Fig. 1 geschehen ist. Es ergeben sich nämlich folgende Zahlenverhältnisse. Da die Dicke der einzelnen Lamellen in sämmtlichen Figuren 0,5°, für die vier Lamel- len zusammen folglich 2° beträgt, so ist der Radius des Bogens 10, 10, den wir mit r bezeichnen wollen, um 2° kürzer als derjenige des Bogens 18,018.) Man’ hat folgliehirnu (rt 12), 10.4018, werausir =2a5% In gleicher Weise läfst sich auch die Krümmungsebene eines dorsi- ventralen Organs, z. B. eines Blattstiels, bestimmen, wenn die eine Flanke D (Fig. 4 Taf. I Querschnittsansicht) in horizontaler Lage dem Boden zu- gewandt ist und somit durch die Schwerkraft im Wachsthum gefördert wird, während gleichzeitig die morphologische Oberseite B in Folge der Epinastie ein ähnliches Übergewicht über die Unterseite A erhält. Käme hier der Geotropismus allein zur Geltung, so läge die Krüm- mungsebene offenbar lothrecht: wäre dagegen die Epinastie allein wirk- sam, so mülste jene Ebene sich horizontal stellen. Durch die Combination beider Wirkungen kommt eine mehr oder weniger geneigte Zwischenlage zu stande, aber die Krümmung bleibt eine ebene Curve. Um dies zu veranschaulichen, theilen wir den Querschnitt unseres Organs durch die Symmetrale AB (Fig. 4) in zwei Hälften und diese durch die Linie CD abermals in zwei Theile. Wenn wir jetzt den vier Orientirungstorsionen der blätter und Blüthen. 19 Quadranten des Querschnitts in den mit 1. 2. 3, 4 bezeichneten Punkten diesen Ziffern proportionale Längen zuschreiben, so erhält die durch Geo- tropismus und Epinastie bewirkte Ungleichheit des Längenwachsthums einen bestimmten arithmetischen Ausdruck. Ziehen wir endlich Parallele durch die genannten Punkte und zwar so, dafs dieselben successive den Längen 1, 2, 3, 4 entsprechen, so ist damit der angenommenen Wachs- thumsabstufung vollkommen Genüge geleistet, und die zu den Parallelen rechtwinklige Gerade MN deutet, wie vorhin, die Krümmungsebene an. Kommt zur geotropischen Aufwärtskrümmung und zur Epinastie noch ein weiteres Moment, etwa die unsymmetrische Vertheilung der Collenchym- rippen in Bezug auf die Wirkung der Schwerkraft, wie sie Ambronn voraussetzte, hinzu, so wird dadurch die Lage der Krümmungsebene zwar mitbestimmt, allein der Charakter der Krümmung bleibt unverändert. Übrigens läfst sich nicht blos in vorstehender Weise an der Hand künstlicher Modelle und auf mathematischem Wege. sondern auch durch direete Versuche an pflanzlichen Objeeten der sichere Nachweis führen, dafs ein Organ, an dem mehrere Längszonen mit ungleichem Ausdehnungs- resp. Wachsthumsbestreben gegeben sind, keine Drehung, vielmehr immer nur eine einfache Krümmung erfährt. Theilt man beispielsweise die Sprofs- enden junger, kräftig wachsender Pflanzen von Helianthus, Imuda u. s. w. vermittelst eines vom Scheitel aus geführten Medianschnittes in einer Länge von 6 bis 12° in zwei Hälften, so nehmen diese in Folge des stärkeren Ausdehnungsbestrebens des Markes eine gekrümmte Form an, die durch das noch fortdauernde Wachsthum des jungen Markgewebes eine allmähliche Steigerung erfährt. Biegt man nun die Basaltheile der so behandelten Pflanzen an ihren natürlichen Standorten vorsichtig soweit abwärts, dafs die Sprofshälften mit ihrer Krümmungsebene horizontal zu liegen kommen, und hält sie in dieser Lage durch Befestigung unterhalb des Schnittes fest, so gelangt nunmehr die Schwerkraft senkrecht zur Krümmungsebene jeder Sprofshälfte zur Wirkung. Dieselben stehen unter dem Einflufs zweier Kräfte, von denen die eine, gegeben in dem stärkeren Wachthumsbestreben des Markgewebes, jede Sprofshälfte in horizontaler, die andere, die Schwerkraft, dagegen in verticaler Ebene zu krümmen sucht. Bei dieser Versuchsanstellung gelangten immer nur Krümmungen, niemals Torsionen zur Beobachtung. Um ein Austrocknen des durch den Medianschnitt theilweise frei gelegten Markgewebes ohne besondere Vor- 3% 20 SCHWENDENER UND KrRABBE: kehrungen zu verhindern, empfiehlt es sich, die fraglichen Versuche an regnerischen Tagen auszuführen. Diese und andere Experimente wurden indessen als gegenstandslos bald abgebrochen, weil inzwischen die un- mittelbar an Blättern und Blüthen angestellten Beobachtungen und Ver- suche die Thatsache ergaben, dafs die Orientirungstorsionen mit den vor- her oder gleichzeitig auftretenden Blatt- und Blüthenstielkrümmungen in keinerlei Beziehung zu bringen sind, wie dies im folgenden Capitel näher dargelegt werden soll. ll. Experimentelle Untersuchungen über die Beziehungen der Orientirungstorsionen zu den gleichzeitig auftretenden Krümmungen. Indem wir nunmehr zur Besprechung der direet an Blüthen und Blättern ausgeführten Experimente übergehen, soll zunächst für bestimmte Fälle der äufsere Charakter der Orientirungsbewegungen genauer, als es von den bisherigen Beobachtern geschehen ist, festgestellt werden. Dies ist eine nothwendige Vorbedingung zur sicheren Entscheidung der Frage, ob und welche Beziehungen in mechanischer Hinsicht zwischen den ein- zelnen Bewegungsformen bestehen, von denen die dorsiventralen Blätter und Blüthen zur Erreichung ihrer normalen Orientirung Gebrauch machen. Die zu diesem Zwecke ausgeführten Versuche der Reihe nach oder auch nur auszugsweise zu schildern, ist dabei nach Lage der Dinge überflüssig; wir beschränken uns vorwiegend auf die Hervorhebung derjenigen Mo- mente, die zur Klarstellung prineipieller Punkte von Bedeutung sind. Die gewonnenen Resultate stützen sich jedoch überall, auch wo dies nicht betont ist, auf zahlreiche Versuche. Um vorerst über den äufseren Charakter der Bewegungen zygomor- pher Blüthen einen orientirenden Überblick zu gewinnen, liefern insbeson- dere die auch von Noll studirten Gattungen Delphinium, Aconitum, Sero- Orientirungstorsionen der Blätter und Blüthen. 21 phularia u. s. w. ausgezeichnetes Untersuchungsmaterial. Die Untersuchungen wurden darum zunächst an verschiedenen Vertretern dieser Gattungen aus- geführt, und zwar sämmtlich unmittelbar an den Standorten der Pflanzen im Garten. Die oft über 1 bis 1,5” langen Hauptsprosse wurden über Holzgestelle im flachen Bogen abwärts gekrümmt, so dafs der obere, mit Blüthen besetzte Theil der Spindel in senkrecht abwärts gerichtete Lage kam. Um die Blüthenspindel in dieser Lage festzuhalten, wurde ihre Spitze mit Bleigewichten oder in anderer Weise belastet. Bei der skizzirten Versuchsanstellung führen zunächst sämmtliche Blüthen mit noch wachsthumsfähigen Stielen eine geotropische Aufwärts- krümmung aus, die der Regel nach innerhalb 24 Stunden nach Inversion der Hauptspindel vollendet ist. Der äufsere Charakter dieser Blüthenstiel- krümmung zeigt je nach dem Entwickelungsstadium der einzelnen Blüthen nicht unerhebliche Differenzen. Während sich die geotropische Krümmung bei jüngeren, noch unentfalteten Blüthen gewöhnlich über die ganze Länge des Stieles erstreckt, ist dieselbe bei bereits entfalteten Blüthen fast stets auf eine bestimmte Region desselben beschränkt, auf welche nach vorn ein an der Krümmung vollständig unbetheiligt gebliebener Theil des Stieles folgt (Fig. 9 und 10 Taf. I). Je älter und länger die Blüthenstiele werden, desto mehr rückt die geotropische Krümmung nach dem Vorderende der- selben. In Fig. 10 Taf. I ist beispielsweise die Krümmung auf die basale Region des Stieles (a5) beschränkt, während der vordere, in die Blüthe übergehende Theil des Stieles an der fraglichen Krümmung vollständig unbetheiligt geblieben ist. Bei dem in Fig. 9 dargestellten Beispiel liegt die geotropische Krümmung so ziemlich in der Mitte des Stieles zwischen b und ce, die basale Region ab hat dagegen genau die Gestalt und Rich- tung behalten, die sie bei der Inversion der Tragaxe besafs. Der vordere Theil des Blüthenstieles von e bis e ist zwar in Folge der Krümmung in der Region be senkrecht aufwärts gerichtet worden, allein die ursprüng- liche, ziemlich gerade Form desselben ist davon gänzlich unbeeinflufst geblieben. In Fig. 8, einem schon älteren, bald ausgewachsenen Blüthen- stiel von Aconitum Lycoctonum liegt die geotropische Krümmung noch mehr nach vorn als in Fig. 9. Die geotropische Aufwärtskrümmung der einzelnen Blüthen repräsen- tirt selbstverständlich nur einen Theil der ganzen Orientirungsbewegung. Durch die fragliche Krümmung gelangen die Blüthen nur in ihre frühere 22 SCHWENDENER UND KrRABBE: Lage zum Erdradius, allein sie sind nunmehr sämmtlich mit ihrer Vorder- seite der Tragaxe zugewandt; um auch die ursprügliche Orientirung zur Spindel wieder zu gewinnen, müssen die Blüthen noch eine Bewegung vollziehen, die dahin führt, dafs ihre Vorderseite wiederum nach aufsen gerichtet ist. Um in Bezug auf das mechanische Zustandekommen dieser Bewegung nichts zu präjudieiren, mag dieselbe einstweilen als Auswärts- bewegung bezeichnet werden. Wie sich für Aconitum, Delphinium und in zahlreichen anderen Fällen leicht zeigen läfst, beginnt diese Auswärtsbewegung niemals vor oder wäh- rend der geotropischen Aufrichtung der Blüthen. Der Zeitpunkt ihres Eintritts nach der geotropischen Aufwärtskrümmung, sowie die Geschwin- digkeit, mit der sie zur Ausführung gelangt, sind wiederum in hohem Grade von dem Entwickelungsstadium der einzelnen Blüthen abhängig. Während die geotropische Krümmung schon wenige Stunden nach Inver- sion der Hauptspindel bemerkbar wird, pflegt die Auswärtsbewegung erst viel später in die Erscheinung zu treten. Hierbei läfst sich die inter- essante, nicht nur für Aconitum und Delphinium, sondern für fast alle zygo- morphen Blüthen geltende Regel eonstatiren, dafs die Orientirungsbewe- gung gegen die Tragaxe überhaupt immer erst in einem ziemlich vorge- rückten Entwicklungsstadium der Blüthen beginnt, das sich im Allgemeinen als die Zeit der Blüthenentfaltung charakterisiren läfst. Blüthen, die sich noch im Knospenstadium befinden, krümmen sich an inverser Spindel zwar ziemlich schnell geotropisch aufwärts, allein sie verharren so lange unbeweglich in dieser Lage, bis sie dem Zeitpunkt ihrer Entfaltung nahe kommen. Erst dann beginnt die Auswärtsbewegung, um in verhältnifs- mäfsig kurzer Zeit zum Abschlufs zu gelangen. Wie sich z. B. an Aconi- tum Liycoctonum wiederholt beobachten liefs, nahm bei gerade entfalteten Blüthen die Auswärtsbewegung nicht mehr als 24 bis 36 Stunden in An- spruch. Werden die Blüthen älter, so verringert sich auch die Geschwin- digkeit der Auswärtsbewegung; dafs sie an zu alten Blüthen gar nicht mehr auftritt, ist selbstverständlich, da es sich um durch Wachsthum vermittelte Bewegungen handelt, die darum auch nur so lange möglich sind, als noch Wachsthum stattfindet. In welcher Weise kommt nun die hier in Frage stehende Auswärts- bewegung zu stande und in welcher Beziehung steht dieselbe zu der geo- tropischen Aufwärtskrümmung? Dafs beide Bewegungen, die geotropische Örientirungstorsionen der Blätter und Blüthen. 23 Aufrichtung und die Orientirung gegen die Tragaxe, bei Aconitum und Delphinium zeitlich nieht zusammenfallen, ist soeben bereits hervorgehoben worden. Zwischen beiden Bewegungen bestehen aber auch in sehr vielen Fällen keinerlei räumliche Beziehungen, insofern als die geotropische Auf- wärtskrümmung in einer ganz anderen Blüthenstielregion erfolgt als die Auswärtsbewegung. Dies pflegt besonders klar hervorzutreten bei allen Blüthen mit längeren Stielen, bei welchen, wie wir sahen, die geotropisch gekrümmte Region nach vorn in einen kürzeren oder längeren geraden Theil des Stieles übergeht, wie dies beispielsweise die schon eitirten Fi- guren 9 und 10 Taf. II veranschaulichen. Versieht man in solehen Fällen die Stiele vor oder nach der geotropischen Aufwärtskrümmung mit einer longitudinalen Tuschlinie, so behält dieselbe während der Ausführung der Auswärtsbewegung ausnahmslos von der Basis des Stieles bis über die Region der geotropischen Krümmung hinaus ihren geraden Verlauf. Erst oberhalb der geotropisch gekrümmten Zone erfährt die fragliche Tusch- linie eine seitliche Ablenkung, die mit dem Grade der Auswärtsbewegung zunimmt, um schliefslich, wenn die Blüthe in die normale Lage gegen die Spindel einrückt, 180° zu betragen. Wie z. B. an den Figuren 8, 9 und 10 Taf. II direet zu sehen ist, geht die seitliche Ablenkung der durch eine Punktreihe angedeuteten Tuschlinie basalwärts nicht über die Region der geotropischen Krümmung hinaus. Damit ist constatirt, dafs die Wachsthumsvorgänge, durch welche die anfänglich mit der Vor- derseite der Tragaxe zugewandte Blüthe wiederum in die aus- wärts gerichtete Stellung gebracht wird, ausschliefslich auf den oberen Theil des Blüthenstiels beschränkt bleiben, auf eine Stiel- region, die sich an der geotropischen Krümmung in den hier in Frage stehenden Fällen nicht betheiligt. Diese Thatsache liefert den sicheren Beweis, dafs auch in mechanischer Hin- sicht zwischen den Wachsthumsvorgängen, welche die geotro- pische Krümmung bedingen, und den Wachsthumsvorgängen, aus denen die Orientirungsbewegung der Blüthe gegen ihre Trag- axe resultirt, keinerlei Beziehung besteht. Überall, wo die Verhält- nisse so liegen, scheidet die geotropische Krümmung aus der Frage nach der Entstehungsweise der Auswärtsbewegung von vornherein vollständig aus, Nachdem dies festgestellt, fragt es sich weiter, welche mechanischen Mittel die Blüthen anwenden, um nach stattgefundener geotropischer Auf- 24 SCHWENDENER UND KRrRABBE: wärtskrümmung zu ihrer normalen Orientirung gegen die Spindel zu ge- langen. Zu diesem Zwecke mögen zunächst wiederum nur die Fälle Be- rücksichtigung finden, in welchen die geotropische Krümmung auf eine bestimmte Region des Stieles beschränkt und der vordere, in die Blüthe übergehende Theil des Stieles ziemlich gerade bleibt. Die Blüthen selber nehmen, wie hier nebenbei bemerkt sein mag, an den Orientirungsbewe- gungen keinerlei direeten Antheil, sie werden vielmehr rein passiv in die Aufsenstellung übergeführt durch Wachsthumsprocesse, die sich nach den bereits mitgetheilten Versuchen in dem oberen, geraden Theil des Blüthen- stieles abspielen. Für die hier in Frage stehenden Fälle ist schon eine oberflächliche Verfolgung der Auswärtsbewegung hinreichend, um sich zu überzeugen, dafs an ihrem Zustandekommen Krümmungen irgend welcher Art nicht betheiligt sind; denn während die Blüthe allmählich ihre Vorderseite nach aufsen bewegt, behält der obere Theil des Stieles (be Fig. 10, ce Fig. 9) seine gerade Form. Die Blüthe wird durch den gerade bleibenden oberen Stieltheil an Ort und Stelle mit der Vorderseite nach aulsen gewandt, und dies ist selbstverständlich unter den vor- liegenden Verhältnissen nur durch eine unmittelbare Stieltor- sion möglich. Will man sich von der Richtigkeit dieser Thatsache noch genauer überzeugen, ist es am einfachsten, die Blüthenstiele vor dem Ein- tritt der Auswärtsbewegung mit einer möglichst genau longitudinal ver- laufenden Tuschlinie zu versehen. Man beobachtet dann ausnahmlos, wie diese Tuschlinie im Beginn der Auswärtsbewegung, zunächst unmittelbar unter der Ansatzstelle der Kelchblätter, eine deutliche Schiefstellung er- fährt, die genau der Gröfse der stattfindenden Herumbewegung der Blüthe entspricht. Dies ist wiederum ein sicherer Beweis, dafs es sich beim Zustandekommen der Auswärtsbewegung um eine direete Blüthenstieltor- sion handelt; denn wären Krümmungen im Spiele, so mülste die fragliche Tuschlinie wenigstens im Beginn der Bewegung ihren anfänglichen Längs- verlauf beibehalten, ganz abgesehen davon, dafs etwaige Krümmungen auch äufserlich in die Erscheinung treten mülsten. Wie demnach aus den mitgetheilten Versuchen und Beobachtungen mit Sicherheit hervorgeht, sind an der Bewegung der Aconitum- und Delphinium-Blüthen zur Erreichung der normalen Orientirung gegen die Spindel in sehr vielen Fällen Krümmungen irgend welcher Art nicht be- Orientirungstorsionen der Blätter und Blüthen. 25 theiligt. Die constatirte Stieltorsion kann darum auch weder zur geotro- pischen noch zu irgend einer anderen Krümmung in ursächlicher Beziehung stehen, wie ja schon aus der Thatsache hervorgeht, dafs die Wachsthums- vorgänge, aus welchen die geotropische Krümmung und die Auswärtsbe- wegung resultiren, auf ganz verschiedene Regionen des Blüthenstieles vertheilt sind. Die besprochenen Beispiele zeigen ferner, dafs die von Noll angenommene Lateralkrümmung in Wirklichkeit nieht existirt; denn wäre eine solche vorhanden, dann könnten die Blüthen nicht an Ort und Stelle, ohne ihre Lage im Raum zu ändern, in die normale Stellung übergeführt werden. Zudem würde, wie kaum hervorgehoben zu werden braucht, das stärkere Wachsthum einer Flanke des Stiels unter den hier obwaltenden Umständen für das Zustandekommen der Aufsenstellung der Blüthen ohne jede Bedeutung sein, denn aus dem fraglichen Wachsthum würde nur eine Blüthenbewegung in einer zur geotropischen Krümmung senkrecht stehenden Ebene hervorgehen, wodurch die anfängliche Richtung der Vorderseite der Blüthe nicht geändert wird. Wir werden nachher sehen, wie Noll zu der irrigen Annahme einer Lateralbewegung gekom- men ist. Dasselbe, was hier für zahlreiche Blüthen verschiedener Aconitum- und Delphinium- Arten gezeigt ist, gilt auch für eine Reihe anderer Pflan- zen. Überall, wo sich nachweisen läfst, dafs irgend eine Orientirungsbe- wegung an geraden und während der Bewegung gerade bleibenden Organen zur Ausführung gelangt, ist der sichere Beweis erbracht, dafs das Zustande- kommen der Bewegung auf einer unmittelbaren Torsion beruht. Im Hinblick auf die hervorragende Bedeutung dieser Thatsache für die hier zu lösenden Fragen wird es nicht überflüssig sein, im Anschlufs an die vorstehenden Auseinandersetzungen in Kürze noch auf einige andere hierher gehörige Fälle hinzuweisen. So enthält beispielsweise die Familie der Lobeliaceen eine Anzahl Arten, bei welchen die Resupination der Blüthen an ziemlich geraden Trägern zur Ausführung gelangt; besonders deutlich kann man dies sehr oft an den Blüthen von Lobelia Erinus, sowie bei verschiedenen Arten der Gattung Clintonia beobachten. Sind die Pflanzen einseitiger Beleuchtung ausgesetzt, dann bekommen allerdings die Blüthenstiele mehr oder weniger ausge- sprochene heliotropische Krümmungen; die Auswärtsbewegung resp. Re- supination mufs unter diesen Umständen natürlich an gekrümmten Trägern Phys. Abh. 1892. 1. 4 [8S) 6 SCHWENDENER UND KrABBE: erfolgen, wodurch, wie wir nachher sehen werden, der äufsere Charakter der Orientirungsbewegung in hervorragender Weise beeinflufst wird. Sorgt man aber für eine allseitig gleichmäfsige Beleuchtung der Objeete oder bringt man sie in den Dunkelraum, so bleiben die Blüthenstiele und die stielförmig verlängerten Fruchtknoten während der ganzen Dauer der Resupinationsbewegung wenigstens in vielen Fällen gerade. Gleiches gilt von den Fruchtknoten mancher Orchideen; der Regel nach sind zwar in dieser Familie die jugendlichen Fruchtknoten vor ihrer Torsion nach der Tragaxe gekrümmt, allein diese Krümmung ist durch- weg eine so geringe, dafs sie schon aus diesem Grunde für den Eintritt und die Art des Verlaufs der Resupinationsbewegung nicht in Betracht kommen kann. Bei einer Musterung der im hiesigen botanischen Garten eultivirten ausländischen Orchideen konnte an mehreren Arten beobachtet werden, dafs die Resupination der Blüthe an fast völlig geraden Frucht- knoten erfolgte. Sehr instructive Beispiele liefern nach dieser Richtung auch manche Arten der Gattung Viola, zumal V. trieolor und altaica. Bei den meisten Viola- Arten sitzen bekanntlich die zygomorphen Blüthen in vorgerückte- ren Entwicklungsstadien an ziemlich langen Stielen, die im oberen Theile unterhalb der Blüthe nach abwärts gekrümmt sind. (Fig. 10, 11 Taf. ID). Wie schon Vöchting') hervorgehoben, besitzt diese Krümmung stets eine bestimmte Beziehung zur Sprofsaxe; bei allseitig gleichmäfsiger Be- leuchtung erfolgt dieselbe nämlich in der Weise, dafs die Blüthe mit ihrer Vorderseite von der Sprofsaxe hinweg nach aufsen gerichtet wird. Nun aber sind die Blüthen der meisten Viola-Arten einseitiger Beleuch- tung gegenüber in hohem Grade empfindlich; sie suchen unter solchen Verhältnissen durch bestimmte Bewegungen in analoger Weise, wie die meisten dorsiventralen Blätter, eine fixe Lichtlage anzunehmen. Hierbei ist mit Rücksicht auf den vorliegenden Gegenstand die Thatsache von Bedeutung, dafs die Blüthen diese Lichtlage nicht durch heliotropische Krümmungen, sondern stets durch bestimmte Drehungen des Stiels errei- chen; diese Drehungen gelangen zum Stillstand, sobald die Blüthen mit der Vorderseite dem Lieht zugewandt sind (Fig. 10 Taf. I). Kommt das Licht beispielsweise von Süden, so müssen alle an der Nordseite der !) H. Vöchting, Bewegungen der Blüthen und Früchte. Bonn 1882, p. 137. Orientirungstorsionen der Blätter und blüthen. 27 Tragaxe inserirten Blüthen zur Erreichung ihrer Lichtlage Torsionen von 180° ausführen. Wie sich nun für Viola tricolor und altaica ziemlich leicht eonstatiren läfst, erfolgt diese Torsion ausnahmslos in dem unteren, geraden Theil des Blüthenstiels (a e Fig. 11 Taf. II), der auch während des Verlaufs der Torsion gerade bleibt. Wir haben demnach auch hier eine auf directer Torsion beruhende Orientirungsbewegung, zu deren Erklärung Krümmun- gen nicht herangezogen werden können, weil solche nicht vorhanden sind. Unter den zahlreichen hierher gehörigen Fällen erinnern wir nur noch an alle jene Blätter, an deren Orientirung gegenüber dem Erdradius oder der einseitigen Beleuchtung auch bestimmte Torsionen von Sprolsinterno- dien betheiligt sind. Die anfänglich decussirt stehenden Blätter vieler Pflanzen (z. B. Philadelphus, Deutzia, Lonicera, Hypericum humifusum, An- drosaemum officinale, die liegenden Sprosse von Lysimachia u. s. w.) werden durch Drehungen der Internodien in eine gemeinsame Ebene gebracht. Dafs die hierzu erforderlichen Drehungen in den auf einander folgenden Internodien entgegengesetzte Richtung besitzen, ist hier von nebensächlicher Bedeutung; wiehtig ist nur die Thatsache, dafs die fraglichen Torsionen an Örganen auftreten, die vor und während der ÖOrientirungs- bewegung keinerlei Krümmung zeigen. Das Ergebnifs der besprochenen Beobachtungen und Versuche ist wichtig genug, um es nochmals kurz zusammenzufassen: In sehr vielen Fällen wird die normale ÖOrientirung zygomorpher Blüthen gegen die Tragaxe, sowie die Orientirung der Blätter (und mancher Blüthen) dem Erdradius oder einseitiger Beleuchtung gegenüber durch Wachsthumsvorgänge vermittelt, die sich in geraden Organen resp. Theilen solcher abspielen. Unter solchen Verhältnissen beruhen die Orientirungsbewegungen der Blätter und Blüthen auf einer unmittelbaren Stieltorsion, an deren Zu- standekommen Krümmungen nicht betheiligt sein können. Geht daher der fraglichen Orientirungsbewegung eine geotropische Krümmung voraus, so steht dieselbe in mechanischer Hinsicht zu der auftretenden Torsion in keinerlei Beziehung. Den soeben erörterten Erscheinungen gegenüber entsteht nun die Frage, wie die Verhältnisse bezüglich des Zustandekommens der Auswärts- bewegung aufzufassen sind, wenn die Blätter und Blüthen diese Bewegung nicht an geraden, sondern an bogenförmig gekrümmten Stielen ausführen. 4* 28 SCHWENDENER UND KrRABBE: Dies ist ja eine so häufige Erscheinung, dafs die Anführung besonderer Beispiele fast überflüssig erscheint. An invers gehaltenen Blüthenspindeln von Aconitum und Delphinium finden sich besonders in jüngeren Entwicke- lungsstadien stets eine Anzahl Blüthen, bei denen sich die geotropische Krümmung über die ganze Länge des Stieles erstreckt. Hier, wie in vielen anderen Fällen, mufs daher die Orientirungsbewegung gegen die Tragaxe an mehr oder weniger ausgesprochen bogenförmig gekrümmten Organen ausgeführt werden. In derselben Lage befinden sich sehr oft die Blätter; kommen dieselben beispielsweise an senkrecht abwärts gerichteten Ästen, wie bei der Traueresche, zur Entfaltung, so erhalten sie durch den negativen Geotropismus eine bogenförmige Aufwärtskrümmung, und dann erst tritt die Auswärtsbewegung ein, wodurch die morphologische Ober- seite der Blätter nach oben resp. nach aufsen gebracht wird. In allen solchen Fällen ist nun der äufsere Charakter der Auswärtsbewegung ein anderer als dort, wo diese Bewegung an geraden Organen erfolgt. Denn an diesen werden die zygomorphen Blüthen und dorsiventralen Blattflächen, wie gezeigt wurde, an Ort und Stelle gedreht, während sie an gekrümmten Trägern zunächst aus der geotropischen Krümmungsebene je nach der Rich- tung der Torsion nach rechts oder links herausrücken und im Laufe der Orientirungsbewegung ihre Lage im Raum stetig ändern. Fafst man die ersten Stadien der Auswärtsbewegung ins Auge, so bekommt man äufser- lich den Eindruck, als ob die Blüthen und Blattflächen zunächst durch die Verlängerung der rechten oder linken Flanke ihres Trägers aus der geotropischen Krümmungsebene seitlich verschoben würden. Dies Heraus- rücken aus der »Medianebene« ist es offenbar gewesen, durch welches sich Noll zu der irrigen Annahme seiner Lateralkrümmung hat verleiten lassen. In Wirklichkeit kommt auch an gekrümmten Organen, wie sich leicht zeigen lälst, die Auswärtsbewegung durch eine unmittelbare Torsion zu stande; die bereits vorhandenen und während dieser Torsion auftretenden Krümmungen beeinflussen wohl den äufseren Charakter der Auswärts- bewegung, sind jedoch für das mechanische Zustandekommen derselben ohne Bedeutung. Wie ohne Weiteres einleuchtet, können die Blüthen und Blattflächen ihre normale Orientirung zur Sprofsaxe, sowie zur einseitigen Wirkung des Liehtes und der Schwerkraft, auf dem Wege der Torsion ohne Lagenände- rung im Raum nur dann erreichen, wenn sie mit geraden Trägern ver- Orientirungstorsionen der blätter und Blüthen. 29 sehen sind; dies wird unmöglich, sobald die Orientirungsbewegung an gekrümmten Organen zur Ausführung gelangen mufs. Denn wenn diese sich zu tordiren beginnen, mufs gleichzeitig aus rein mechanischen Gründen die ebene Curve zu einer Curve im Raum werden; neben resp. in Folge der Torsion sind die Blüthen- und Blattstiele gezwungen, eine mit der Torsionsrichtung gleichsinnig verlaufende Spiralwindung zu beschreiben. Um sich hiervon in der einfachsten Weise zu überzeugen, braucht man nur einen in senkrechter Ebene gekrümmten Kautschukschlauch an dem unteren Ende festzuhalten (wie dies ja auch bei Blüthen und Blattstielen in Folge ihrer Anheftung an der Sprofsaxe geschieht), und darauf die Tor- sion eintreten zu lassen. Läfst man dieselbe bis 180° fortschreiten, dann ist gleichzeitig eine halbe Spiralwindung entstanden. Das Heraus- rücken der Blüthe aus der geotropischen Krümmungsebene ist demnach nicht, wie Noll meint, die Ursache, sondern gerade umgekehrt die nothwendige Folge der Torsion. Die bereits vor- handene geotropische Krümmung und die darauf eintretende Torsion re- präsentiren somit auch hier zwei für sich bestehende, gesonderte Erschei- nungen, die in mechanischer Hinsicht nicht in einen ursächlichen Zu- sammenhang mit einander gebracht werden können. Da wir im folgenden Capitel auf den äufseren Charakter der Orien- tirungsbewegungen, speciell auf den eigenthümlichen Verlauf der Torsion noch eingehender zurückkommen, so können wir uns an dieser Stelle auf das Mitgetheilte beschränken und demnach von der Erörterung einzelner Beispiele Abstand nehmen. Hier sollte nur in Kürze gezeigt werden, dafs die in der Natur zur Beobachtung gelangenden Torsionen zu den gleich- zeitig auftretenden Krümmungen in keinerlei Beziehung stehen und daher auch nicht aus einer Combination derselben erklärt werden können. Um jeden Zweifel an der Richtigkeit dieser Thatsache auszuschliefsen, haben wir noch an Aconitum Lycoctonum eine Reihe von Versuchen aus- geführt, die zeigen, dafs die Torsionen auch dann eintreten, wenn man durch geeignete Vorkehrungen die gleichzeitige Ausführung von Krüm- mungen unmöglich macht. Zur Erreichung dieses Zieles halten wir fol- gendes Verfahren für das zweckmäfsigste. Hat man an einer Spindel eine Anzahl Blüthen von möglichst günstigen Entwickelungsstadien ausgesucht, so schneidet man für jede Blüthe in der Länge ihres Stieles eine Spule aus dem Kiele einer Hühner- oder Gänsefeder zurecht. Diese Federspulen 30 SCHWENDENER UND KrABBE: werden mit einem scharfen Messer an einer Seite der Länge nach auf- geschlitzt; dann sucht man mit den Nägeln der beiden Daumen diesen Sehlitz soweit zu erweitern, dafs sich der für die Spule vorher bestimmte Blüthenstiel bequem hindurchführen läfst. Da sich der Spalt beim Los- lassen der Federspule wiederum vollständig schliefst, so ist nunmehr der Blüthenstiel seiner ganzen Länge nach in einer festen Hülse locker ein- geschlossen (Fig. 11 Taf. D). Bringt man nun die Hauptspindel in inverse Lage, so sind die in vorstehender Weise behandelten Blüthen gezwungen, in ihrer schräg ab- wärts gerichteten Stellung zu verharren, da die geotropische sowie jede andere Krümmung durch die starren Federhülsen verhindert ist. Nur Torsionen sind durch die vorgenommenen Manipulationen nicht unmöglich gemacht. Diese gelangten denn auch in fast allen Versuchen ebenso vollständig und schnell zur Ausführung wie an Blüthen, deren Stiele sich gleichzeitig auch geotropisch aufwärts krüm- men konnten. Bei einer öfteren Wiederholung der Versuche ergab sich stets dasselbe Resultat. Um zu einem brauchbaren Ergebnifs zu gelangen, sind natürlich bei der Ausführung der fraglichen Experimente gewisse Vorsichtsmafsregeln zu beobachten. Zunächst liefern nur solche Blüthen brauchbare Objecte, welche die Auswärtsbewegung in 24 bis 36 Stunden ausführen; und nach dieser Richtung hat sich Aconitum Lycoetonum als ein sehr günstiges Unter- suchungsobjecet erwiesen. Ein schneller Verlauf der Torsion ist defshalb erforderlich, weil sonst das Längenwachsthum insofern störend auftritt, als dadurch die Stiele — gewöhnlich mit ihrem vorderen Ende — aus der Federspule herausgeschoben werden. Der von der Hülse befreite Theil des Stieles führt dann sofort die geotropische Aufwärtskrümmung aus (Fig. 12 Taf. I). Will man diesen störenden Factor eliminiren, so bleibt nur übrig, die Blüthenstiele ihrer Zuwachsgröfse entsprechend in successiv längere Manschetten zu bringen. Die hier gewonnenen Resultate stehen, wie man sieht, mit den früher besprochenen Beobachtungen und Versuchen in vollkommenem Einklang. Denn wie diese, so zeigen auch die Experimente mit den Federhülsen auf das Deutlichste, dafs die Auswärtsbewegung der Blüthen auf einer un- mittelbaren Stieltorsion beruht, an deren Zustandekommen irgendwelche Krümmungen nicht betheiligt sind. Orientirungstorsionen der Blätter und Blüthen. 31 Die letzteren Experimente ergeben ferner die uns später noch beschäf- tigende, wichtige Thatsache, dafs das Auftreten der Torsion von der Rich- tung der Blüthenstiele zum Erdradius unabhängig ist. Wo die geotro- pische Krümmung ungehindert zur Ausführung gelangen kann, erfolgt die Torsion bei zygomorphen Blüthen fast ausnahmslos an senkrecht stehen- den Organen. Die Drehung tritt indessen auch ein, und zwar ebenso vollständig und schnell, wenn man die Blüthenstiele in horizontaler oder abwärts gerichteter Lage festhält. III. Über den äufseren Verlauf der Torsion. Nachdem durch direete Beobachtungen und Versuche an Blüthen und Blättern gezeigt ist, dafs eine grofse Reihe von Orientirungsbewegungen auf einer Torsion beruht, die zu den gleichzeitig auftretenden Krümmun- gen in mechanischer Hinsicht keinerlei Beziehungen hat, sollen im Fol- genden an verschiedenen Beispielen die Blatt- und Blüthenstieldrehungen in Bezug auf die Art und Weise ihres äufseren Verlaufes genauer verfolgt werden. Die hierbei zu constatirenden Erscheinungen sind so eigenthüm- licher und auffallender Natur, dafs man sich wundern mufs, wie dieselben bisher gänzlich unbeachtet bleiben konnten. Um wiederum von Aconitum- und Delphinium-Blüthen auszugehen, mag zunächst an die schon besprochene Thatsache erinnert sein, dafs der äufsere Charakter der geotropischen Aufwärtskrümmung in hohem Maafse von dem Entwicklungsstadium abhängig ist, in welchem sich die Blüthen bei der Inversion ihrer Tragaxe befinden. Während in jungen Stadien die Krümmung ziemlich gleichmäfsig über die ganze Stiellänge vertheilt ist, beschränkt sich dieselbe späterhin in der Regel auf eine bestimmte Region, die bald an der Basis, bald in der Mitte, bald mehr im vorderen Theil des Stieles gelegen ist. ‘Dem gegenüber erfolgt nun die Tor- sion unabhängig vom Entwickelungsstadium der einzelnen Blü- 32 SCHWENDENER UND KrABBE: then ausnahmslos im oberen Theil des Stieles. Da an den Blüthen- stielen von Aconitum und Delphinium brauchbare natürliche Marken fehlen, so kann man sich über den Ort, an dem die Torsion, beginnt, sowie über die Art und Weise ihres Verlaufes nur Klarheit verschaffen, wenn man die Stiele vor Beginn der Auswärtsbewegung mit einer möglichst genau longitudinal verlaufenden Reihe von Tuschpunkten versieht. Es läfst sich dann leicht feststellen, dafs gleichzeitig mit dem Auftreten der Auswärts- bewegung die seitliche Verschiebung der Tuschpunkte dicht unterhalb der Ansatzstelle der Kelchblätter beginnt, um von hier aus basipetal fortzu- schreiten. In dem Augenblicke, wo die Blüthe in die normale Stellung zur Tragaxe einrückt, mit ihrer Vorderseite also wiederum nach aufsen sieht, zeigt sich der Regel nach nur der obere Theil der Blüthenstiele in mm einer Länge von 6 bis 15”” tordirt. Die Strecke liegt beispielsweise in Fig. 10 Taf. I zwischen 5 und ce, und in Fig. 9 zwischen d und e. Da nun die Stieltorsion. wie sie auch immer zu stande kommen mag, zweifellos die Ursache der Auswärtsbewegung ist, so sollte man meinen, dafs sie zum Stillstand gelangen würde, sobald die Blüthe ihre normale Örientirung gegen die Tragaxe erreicht hat. Wo die Bewegung an ver- hältnifsmäfsig kurzen Organen, wie z. B. an den Fruchtknoten der Orchi- deen und den kurzen Stielen vieler Blätter, zur Ausführung gelangt, ist dies der Regel nach auch der Fall. Zwar beginnt auch hier die 'Torsion am oberen Ende der die Bewegung ausführenden Organe und schreitet nach der Basis hin allmählich fort, allein sie pilegt hierbei selten den Werth zu überschreiten, der zur normalen Orientirung der Blattspreiten und Blüthen erforderlich ist. Über dieses Mafs geht aber die Tor- sion basalwärts in mehr oder weniger erheblicher Weise fast bei allen Pflanzen hinaus, deren Blätter und Blüthen mit län- geren Stielen versehen sind. Als z.B. an dem in Fig. 9 Taf. I dar- gestellten Blüthenstiel von Aconitum Napellus die Torsion bis zum Punkte d vorgerückt war, sah die Blüthe mit ihrer Vorderseite wiederum nach aufsen ; der Stiel zeigte dementsprechend in der Region ed eine Torsion von 180°. Wie aber der Verlauf der Tuschlinie in der eitirten Figur zeigt, ist die Torsion nicht in d stehen geblieben, sondern basalwärts bis zum Punkte c weiter fortgeschritten. Nimmt man in ziemlicher Übereinstimmung mit der Wirklichkeit an, dafs auch die Region cd in derselben Weise wie ed eine Torsion von 180° erfahren hat, so handelt es sich in Summa um Orientirungstorsionen der Blätter und blüthen. 33 eine Drehung von 360°. Wenn nicht besondere Bedingungen erfüllt wären, mülste unter diesen Umständen die Blüthe, sobald die Torsion in c an- langt, mit ihrer Vorderseite wiederum der Spindel zugekehrt sein. So etwas läfst sich aber in Wirklichkeit fast niemals beobachten; vielmehr pflegen die Blüthen und Blattspreiten die einmal erreichte normale Stel- lung auch in den Fällen nicht zu verlassen, in welchen nachweisbar die Torsion nach Erreichung der fraglichen Lage basalwärts noch weiter fort- schreitet. Diese eigenthümliche Thatsache findet sofort ihre Erklärung, wenn man während des basipetalen Vorrückens der Torsion das Verhalten der im oberen Theil der Organe gelegenen Tuschpunkte näher in's Auge falst. Dabei ergiebt sich, dafs diese Tuschpunkte, sobald die Torsion basalwärts über 180° hinausgeht, in der Region, in welcher sie ihren Anfang nahm, sich wiederum in eine gerade Linie stellen; die Drehung wird mit anderen Worten im oberen Theil der Blatt- und Blüthenstiele um soviel wiederum beseitigt, als sie basalwärts ein bestimm- tes Maafs überschreitet. Darum zeigen die hier in Frage kommenden Organe immer nur diejenige Torsionsgrölse, die zur Herbeiführung ihrer normalen Orientirung erforderlich ist; und dies ist der Grund, warum die Blüthen und Blattspreiten aus dieser Lage auch beim weiteren Fortschrei- ten der Torsion nicht wieder herausrücken. Wo die Torsion in basipetaler Richtung vorrückt und hierbei nach Erreichung eines bestimmten Grades am oberen Ende wiederum aufgelöst wird, da kann dieselbe, wie ohne Weiteres einleuchtet, nicht in einer be- stimmten Region des sich tordirenden Organes stehen bleiben; die Drehung läuft, äufserlich betrachtet, am Stiel herunter, mufs also auf immer tiefere Regionen desselben übergehen. Beim Einrücken der in Fig. 9 Taf. I dar- gestellten Blüthe in ihre normale Stellung lag die Torsion um 180° in der Region de; während nun die Drehung bis zum Punkte c weiter vorrückte, wurde dieselbe in der Region de wiederum rückgängig gemacht. Die anfänglich in ed gelegene Torsion ist damit auf die tiefere Region ce d übergegangen. Wie weit nun die Torsion an Aconitum- und Delphinium-Blüthenstielen basalwärts fortschreitet, läfst sich nach unsern Erfahrungen nicht in all- gemeingültiger Weise beantworten; die besprochene Erscheinung ist, wie man leicht einsieht, in hohem Mafse von dem Entwickelungsstadium ab- Phys. Abh. 1892. 1. 5 34 SCHWENDENER UND KrRABBE: hängig, in welchem sich die Blüthen während der Ausführung ihrer Örientirungsbewegungen befinden. So viel scheint festzustehen, dafs die Torsion bei Blüthen mit längeren Stielen niemals bis zur Basis derselben fortschreitet; wo die geotropische Krümmung auf eine bestimmte Stielregion localisirt ist, geht die Torsion sogar selten über diese hinaus (b c, Fig. 9). Für das Studium der Art und Weise des Torsionsverlaufes liefern Aconitum und Delphinium weniger günstige Objecte als solche Pflanzen, bei welchen die Torsion diejenigen Organe, welche die Orientirungsbewegung der Blüthen und Blattspreiten vermitteln, in ihrer ganzen Länge durchläuft. Da dies beispielsweise fast bei allen Blattstielen, vor allem bei der Mittelrippe ge- fiederter Blätter der Fall ist, so mögen hier die diesbezüglichen Verhält- nisse an einigen Beispielen kurz dargestellt werden. Wie die zygomorphen Blüthen an inverser Tragaxe, so führen auch die in gleicher Lage befindlichen Blätter aufser der geotropischen Auf- wärtskrümmung der Regel nach Torsionen von 180° aus. In Überein- stimmung mit den Blüthen der hängenden Trauben von Cytisus Laburnum, Wistaria, Robinia Pseudacacia u. s. w. befinden sich bei manchen Pflanzen auch die Blätter von Hause aus in der angegebenen Lage. So führen z. B. die Blätter an den senkrecht abwärts gerichteten Zweigen der Trauer- esche zur Erreichung ihrer normalen Orientirung Drehungen um 180° aus, sofern nicht eine einseitige Beleuchtung theilweise andere Bewegungen bedingt. An ausgewachsenen Blättern, deren Bewegungen abgeschlossen sind, ist die Torsion fast stets auf die Basis des Blattstieles in einer Länge von 1 bis 2°" beschränkt (x Fig. 2 u. 3 Taf. I), während der ganze übrige, bei gefiederten Blättern oft mehr als 20° lange Blattstiel frei von jeder Drehung ist. An dem in Fig. 2 Taf. II dargestellten Blatt von Wistaria, das in dieser Hinsicht als Beispiel für fast alle gefiederten Blätter gelten kann, nahm die Torsion in der Region a ihren Anfang, lief dann in basi- petaler Richtung der Mittelrippe entlang, um schliefslich in der mit & bezeichneten basalen Region stehen zu bleiben. In früheren Entwickelungs- stadien hat natürlich jede Region der Mittelrippe von der Länge x die- selbe Torsioun erfahren, wie sie jetzt noch an der Stielbasis vorhanden ist. Da nun die Mittelrippe etwa viermal so lang als x ist, so handelt es sich in Wirklichkeit um eine Torsion von 720°, von denen 540° successive wiederum aufgelöst wurden, und zwar von dem Augen- blicke an, wo die Torsion den Werth von 180° erreicht hatte. Orientirungstorsionen der blätter und blüthen. 35 Wie hier eingeschaltet werden mag, verhalten sich die Fiederblättchen während der fraglichen Torsion im Grofsen und Ganzen rein passiv; gehen sie rechtwinklig von der Mittelrippe ab, so werden sie durch die Drehung derselben im Kreise herum bewegt. Die Fiederblättchen nehmen nur dann an den Orientirungsbewegungen activen Antheil, wenn die Torsion nieht bis zur Basis der Mittelrippe fortschreitet, was bei älteren Blättern der Fall ist, die nach der Inversion nicht mehr so viel wachsen, dafs die Torsion die Mittelrippe in der ganzen Länge durchlaufen kann. Unter diesen Umständen suchen die Fiederblättchen in der untordirten Region der Mittelrippe durch eigene Bewegungen die normale Orientirung zu erreichen. Diese Erscheinung tritt jedoch nur unter künstlich herbei- geführten Bedingungen ein, wobei auch Blätter in vorgerückten Entwicke- lungsstadien in inverse Lage gebracht werden; wo dagegen, wie bei der Traueresche, die Blätter an abwärts gerichteten Sprossen zur Entfaltung kommen, kann die Torsion zeitig genug beginnen, um während des Blatt- wachsthums bis zur Basis des Stieles fortzuschreiten. Zur Information über die Anfangsstadien der Torsion wird eine kurze Erläuterung von Fig. 5 Taf. II, die ein noch jugendliches Blatt der Trauer- esche darstellt, genügen. Wie man sieht, zeigt sich hier erst die apicale Region der Mittelrippe, von der Basis des Endblättchens a bis zum Punkte 2 tordirt. Das Endblättchen a, sowie die beiden letzten Fiederblättchen Ö und c, sind bereits durch die hier 180° betragende Torsion der Mittelrippe in ihre normale Lage eingeführt worden. Da die Drehung des Blattstieles in der Region der Fiederblättchen d e erst 90° erreicht hat, so zeigen dieselben dementsprechend gegen die Blättchen a, b und « eine Verschiebung um 90°; in gleicher Weise gegen die Blättchen fg, die sich in einer noch untordirten Region der Mittelrippe befinden. Während a, b und e mit ihren Seiten bereits normal orientirt sind, befinden sich demnach die Fieder- blättchen fg noch in der ursprünglichen Lage, in welcher die morphologische Oberseite nach unten oder, falls die geotropische Aufwärtskrümmung noch nicht beendet, schräg abwärts der Sprofsaxe zugewandt ist. Indem nun die Torsion basipetal weiter vorrückt, werden zunächst die Blättehen d e in die Lage von a, b und ce gebracht, und in gleicher Weise späterhin auch die Blättchen fg. So läuft die Torsion an der Mittelrippe herunter, bis sie schlie(slich in der Region x zum Stillstand kommt. Ist das Blatt aus- gewachsen, zeigt sich nur noch diese basale Region des Blattstieles tordirt. 5* 36 SCHWENDENER UND KrABBE: Im Hinblick auf die Auseinandersetzungen bei Untersuchung der Aconitum- und Delphinium-Blüthen braucht für das soeben besprochene Beispiel kaum noch darauf hingewiesen zu werden, dafs die Blättchen a, b und ce ihre normale Orientirung wiederum verlassen mülsten, wenn dem nicht durch eine theilweise Wiederauflösung der Torsion entgegengewirkt würde. Da die Mittelrippe des in Fig. 5 dargestellten Blattes etwa drei- mal so lang ist als die um 180° gedrehte Region zwischen 1 und 2, so können wir annehmen, dafs das Blatt bei ungestörter Entwickelung eine Drehung von 540° erfahren haben würde. Bliebe diese bestehen, so würden die Blättchen a, 5 und ce 1'/;mal im Kreise herumgeführt werden. Um derartige zwecklose Bewegungen zu verhindern, wird die Torsion auch bei den Blättern in analoger Weise, wie bei zygomorphen Blüthen, in der oberen Region der sich tordirenden Stiele wieder um soviel rückgängig gemacht, als sie basalwärts über das zur normalen Orientirung der Blatt- spreiten erforderliche Maafs hinausgeht. Wie aus den geschilderten Verhältnissen ohne Weiteres einleuchtet, müssen die bei der Entfaltung in einer Ebene gelegenen Fiederblättchen durch die in der Mittelrippe sich fortbewegende Torsion gegen einander verschoben werden. Sie kommen erst wieder in eine Ebene zu liegen — und zwar mit anderer Orientirung ihrer Seiten, — wenn die Torsion über die Insertionsstelle des letzten Paares von Fiederblättchen (z. B. fg, Fig. 5) hinaus und auf die basale Region der Mittelrippe übergegangen ist. Dafs die vorausgehenden Darlegungen nicht in mathematisch strengem Sinne zu verstehen sind, ist für den Physiologen selbstverständlich. Das gilt vor allem von dem Zeitpunkt, in welchem die theilweise Wiederauf- lösung der Torsion zu beginnen pflegt. Dieser Procefs macht sich nicht nur bei gefiederten, sondern auch bei allen einfachen Blättern mit längerem Stiel oft erst bemerkbar, wenn die Torsion den zur normalen Blattorien- tirung erforderlichen Werth erheblich überschritten hat. Stehen die Blätter dabei, wie bei der Traueresche, an senkrecht abwärts gerichteten Sprossen, so werden die Blättchen natürlich um soviel über ihre normale Lage hinaus bewegt, als die Torsion 180° vor Beginn ihrer Wiederauflösung überschritten hat. Auf die schliefsliche Lage der Blattspreiten sind in- dessen diese Verhältnisse der Regel nach ohne Einflufs, denn wenn auch die Wiederauflösung der Torsion erst später beginnt, so pflegt sie doch stets so weit zu gehen, dafs nur der die normale Blattorientirung bedin- Orientirungstorsionen der blätter und bBlüthen. St gende Werth bestehen bleibt; die über das, Ziel hinausgerathenen Blatt- flächen werden somit wieder zurückbewegt. Obgleich die Torsion bei den Blättern unter normalen Umständen stets bis zur Basis des Stieles fortschreitet, ist doch der zuletzt erreichte Werth derselben nicht einmal bei den Blättern derselben Pflanze überall gleich. Da indessen dieser Punkt für den vorliegenden Gegenstand von nebensächlicher Bedeutung ist, brauchen wir nicht weiter darauf einzu- gehen. Erwähnt sei nur, dafs sich an dem zu unseren Versuchen be- nutzten Exemplar der Traueresche im Universitätsgarten eine verhältnifs- mälsig grofse Zahl von Blättern beobachten liefs, an welchen die Torsion nur zum geringen Theil oder überhaupt nicht rückgängig gemacht wurde. Diese Fälle sind insofern sehr instructiv, als die Gröfse der Torsion ohne genaue Verfolgung ihres Verlaufs an dem ausgewachsenen Blatt direet ab- gelesen werden kann. Blätter mit einer Torsion von 540 bis 600 Grad gelangten hierbei wiederholt zur Beobachtung. An einzelnen Blättern zeigte die Torsion in den verschiedenen Regionen der Mittelrippe entgegen- gesetzten Verlauf, indem die links- oder rechtsläufige Drehung in die anti- drome überging. Nach unseren Beobachtungen scheint die Wiederauf- lösung der Torsion nur dann zu unterbleiben, wenn die Zweige sehr dieht stehen, so dafs ihre Blätter sich in ihren freien Bewegungen hindern. Das beweisen vor allem die Exemplare, an welchen die Torsion in den verschiedenen Regionen der Mittelrippe entgegengesetzten Verlauf zeigt. Die besprochenen Verhältnisse repräsentiren eine Erscheinung von ziemlich allgemeiner Verbreitung. Wir haben den eigenthümlichen Verlauf der Torsion nicht blos an den soeben erläuterten Beispielen, an den Blü- then von Aconitum und Delphinium und an den Blättern der Traueresche, sondern aufserdem noch an einer Anzahl anderer Pflanzen genauer verfolgt und dabei im Grofsen und Ganzen überall die mitgetheilten Thatsachen bestätigt gefunden. Von den untersuchten Pflanzen seien hier zur Orien- tirung nur genannt: Wistaria, Glyeyrrhiza, Cassia marylandica, Galega: offi- cinalis, Ginkgo biloba, Sambucus nigra, Robinia Pseudacacia u. s. w. Bei diesen, wie bei zahlreichen anderen Pilanzen, beginnt die Torsion stets an der Spitze des Blattstiels oder, wenn das Blatt gefiedert ist, in der oberen Region der Mittelrippe, um bis zur Basis derselben fortzuschreiten, vorausgesetzt natürlich, dafs während der hierzu erforderlichen Zeit noch Wacechsthum stattfindet. 38 SCHWENDENER UND KrABBE: Unter den namhaft gemachten Pflanzen sind besonders die Blätter von Robinia Pseudacacia günstige Versuchsobjecte, weil hier die fragliche Torsion die Mittelrippe in ihrer ganzen Länge nicht selten innerhalb 24 bis 36 Stunden durchwandert, während dazu bei verschiedenen anderen Pflanzen oft mehrere Tage erforderlich sind. Wie übrigens auf der Hand liegt, ist die Geschwindigkeit der Torsion und der hierdurch bedingten Örientirungsbewegung in derselben Weise, wie bei zygomorphen Blüthen, in hohem Grade vom Alter der Blätter abhängig. An invers gerichteten Sprossen führen die jungen, soeben entfalteten Blätter zunächst nur eine mehr oder weniger ausgesprochene geotropische Aufwärtskrümmung aus; die Auswärtsbewegung beginnt erst, wenn die Blätter ein gewisses Alter erreicht haben. Das für die Ausführung der Torsion günstigste Entwicke- lungsstadium läfst sich indessen für die Blätter nicht mit der Genauigkeit angeben, wie für die zygomorphen Blüthen, wo dasselbe bekanntlich mit der Periode der Entfaltung der Blumenkrone zusammenfällt. Wir haben uns im Vorstehenden absichtlich auf die Erörterung des Torsionsverlaufes beschränkt, ohne die Bewegungen zu schildern, welche die Blätter und Blüthen während der Ausführung dieser Torsion im Raume be- schreiben. Nun aber sind, wie schon im vorausgehenden Capitel kurz gezeigt wurde, die Orientirungsbewegungen der Blüthen und Blattspreiten ohne Orts- veränderung im Raum nur möglich, wenn ihre Bewegungen durch die Torsion ° gerader Stiele zu stande kommen. Da aber die Blätter in der Mehrzahl der Fälle bereits vor Eintritt der Torsion mehr oder weniger ausgesprochene Krümmungen zeigen, so ist damit ein Factor gegeben, der den äufseren Cha- rakter der von den Torsionen bedingten Bewegungen in hohem Mafse be- eintlufst, wenn derselbe auch für die Drehung als solche, sowie für die Art und Weise ihres Verlaufes ohne Bedeutung ist. Während bei zygomorphen Blüthen die in Frage stehenden Krümmungen geotropischer und in einigen Fällen heliotropischer Natur sind, spielt in dieser Riehtung bei Blättern auch die Epinastie eine nicht unwesentliche Rolle. Sobald nun die Torsion an geotropisch, heliotropisch oder epinastisch gekrümmten Organen erfolgt, müssen diese mit mechanischer Nothwendigkeit eine schraubenlinige Form an- nehmen, die um so mehr in die Augen springt, je ausgesprochener die vor- handene Krümmung ist und einen je höheren Grad die Torsion erreicht. Es kann nun nieht in unserer Absicht liegen, die verschiedenen Form- verhältnisse der sich tordirenden Organe in den einzelnen Phasen der Orientirungstorsionen der Blätter und Blüthen. 39 Orientirungsbewegung genauer darzulegen, um sö weniger, als dies ohne Zuhülfenahme direet ad oculos zu demonstrirender Modelle kaum möglich sein würde. Zudem würden diese Einzelheiten kaum noch in den Rahmen dieser Arbeit gehören, da sie für die Frage nach dem mechanischen Zu- standekommen der Torsion keinerlei neue Momente enthalten. Die sehraubenlinigen Windungen, welche die Torsion gekrümmter Organe bedingt und die besonders deutlich an fast allen gefiederten Blät- tern zur Beobachtung gelangen, bleiben in vielen Fällen auch nach Er- reiehung der normalen Orientirung in mehr oder weniger ausgesprochener Weise erhalten, so z. B. bei den Fruchtknoten vieler Orchideen sowie den meisten kurz gestielten Blättern. Sehr oft aber ist von der schrauben- linigen Form der Stiele, wenn die Blüthen und Blattspreiten in die nor- male Lage eingerückt sind, nichts mehr wahrzunehmen. Die Mittelrippe gefiederter Blätter zeigt sich, wie wir jetzt wissen, am Schlufs der Orien- tirungsbewegung der Regel nach nur in der basalen Region tordirt, wäh- rend der ganze übrige Theil des Stieles gerade ist. Diese Erscheinung findet zum grofsen Theil ihre natürliche Erklärung in der ausführlich be- sprochenen Thatsache, dafs die Torsion während ihres basipetalen Vor- rückens am oberen Ende wiederum aufgelöst wird; in demselben Mafse, als dies geschieht, mufs selbstverständlich auch die schraubenlinige Form verschwinden. Dazu kommt noch, dafs bei lang gestielten Blättern die basale Region, auf die schliefslich die Torsion übergeht, selten in nennens- werther Weise gekrümmt ist. alle Über die Ursachen der Örientirungstorsionen. Wenn wir nunmehr die Frage nach den Ursachen der Orientirungs- torsionen zu beantworten versuchen, so kann das einstweilen nicht in der Absicht geschehen, diejenigen Momente genau festzustellen, die aus rein mechanischen Gründen eine Torsion bedingen. Bevor an ein Eingehen auf 40 SCHWENDENER UND KRrABBE: diese Verhältnisse zu denken ist, müssen die Kräfte bekannt sein, deren Wirkung zur Erzielung von Torsionen nothwendig ist, gleichgültig, wie diese dabei mechanisch zu stande kommen. Die Orientirungstorsionen können nun entweder in bestimmten inne- ren Organisationsverhältnissen der Pflanzen begründet liegen, oder sie ent- stehen erst unter dem Einflufs äufserer Factoren auf das Wachsthum der hier in Frage stehenden Organe. Vergegenwärtigt man sich den Zweck resp. das Ziel der Orientirungsbewegungen, so ist damit die Richtung, in der die Torsionsursachen zu suchen sind, schon ziemlich genau vorge- zeichnet. Wie wir wissen, führen die zygomorphen Blüthen und dorsi- ventralen Blätter Bewegungen aus, um eine bestimmte ÖOrientirung zur Tragaxe, zum Erdradius oder zum Lichteinfall zu gewinnen. Überall nun, wo es sich um die Einnahme einer bestimmten Erd- oder Lichtlage han- delt, darf von vornherein mit ziemlicher Sicherheit angenommen werden, dafs das Lieht und die Schwerkraft für das Zustandekommen der Torsio- nen von maalsgebender Bedeutung sind. Innere Wachsthumsursachen kön- nen als theilweise oder allein ausschlaggebend a priori nur dort in Frage kommen, wo es sich um eine ÖOrientirung seitlicher Organe gegenüber ihrer Tragaxe handelt, wie wir sie z. B. bei Besprechung der Aconitum- und Delphinium-Blüthen näher kennen gelernt haben. In der That ist von Noll die Ansicht zu begründen versucht worden, dafs die ÖOrientirungs- bewegungen zygomorpher Blüthen in wesentlichen Punkten in directer Abhängigkeit von inneren Organisationsverhältnissen der Pflanze stehen; denn wenn diese durch operative Eingriffe eine Änderung erfahren, blei- ben unter gewissen Verhältnissen die sonst auftretenden Torsionen aus. Dafs diese und andere Ercheinungen indessen nicht zu den Noll’schen Schlufsfolgerungen zwingen, sondern eine ganz andere Erklärung verlan- gen, soll erst am Schlufs des nächsten Capitels kurz gezeigt werden. Hier interessiren uns einstweilen nur diejenigen Bewegungserscheinungen, die an Blüthen und Blättern unverstümmelter Pflanzen zur Beobachtung gelangen. Sind die hier auftretenden Örientirungstorsionen das Resultat von Wachsthumsvorgängen, die unabhängig von äufseren Richtkräften in der inneren Organisation der Pflanze begründet liegen, so ist klar, dafs sie auch dann in die Erscheinung treten müssen, wenn man die Pflanzen der einseitigen Wirkung äufserer Factoren entzieht. Unsere in dieser Richtung ausgeführten Versuche haben jedoch in Übereinstimmung mit den bereits Orientirungstorsionen der Blätter und blüthen. 4] früher von Krabbe angestellten zu dem Ergebnifs geführt, dafs bei Aus- schlufs einseitiger Licht- und Schwerkraftwirkung auf dem Klinostaten wohl Krümmungen, niemals aber Torsionen zu beobachten sind, ein Be- weis, dafs die letzteren mit inneren Wachsthumsverhältnissen in keinerlei Beziehung stehen. Da wir auf diese und andere Klinostatenversuche später noch ausführlicher zurückkommen, so mag hier die kurze Hervorhebung des Versuchsergebnisses genügen. Torsionen, die aus inneren Organisations- verhältnissen entspringen, scheinen nach den bisherigen Erfahrungen an wachsenden Organen sehr selten vorzukommen; wir kennen sie eigentlich nur für die Sprosse windender Pflanzen, die sich nach den Untersuchun- gen Schwendener’s') auch bei Ausschlufs der Schwerkraftwirkung auf dem Klinostaten tordiren. Wenn man will, kann man beispielsweise auch die Drehungen des Thallus von Usnea und die neuerdings von H. de Vries’) eingehend studirten Zwangsdrehungen hierher rechnen. Es sind dies Alles Drehungen, die nicht im Dienste einer bestimmten Orientirung der Organe stehen. Die Ursachen der an Blättern und Blüthen zu beobachtenden Tor- sionen liegen dagegen aufserhalb der Pflanze; erst durch die Einwirkung bestimmter äufserer Factoren werden die hierher gehörigen Organe zu den- jenigen Wachsthumsvorgängen angeregt, die dann aus rein mechanischen Gründen Torsionen bedingen. Es läfst sich auch nieht etwa die Ansicht begründen, dafs die äufseren Factoren zur Erzielung von Torsionen mit inneren Wachsthumsursachen in Combination treten; denn wie die soeben erwähnten Klinostatenversuche lehren, entspringen aus inneren Organisa- tionsverhältnissen immer nur Krümmungen. Diese sind aber, wie ausführ- lich gezeigt wurde, zur Erklärung von Torsionen nicht nur unzureichend, sondern stehen aufserdem auch mit den im der Natur vorkommenden Blatt- und Blüthenstieldrehungen factisch in keinerlei Beziehung. Nach alledem bleibt also die wichtige Thatsache bestehen, dafs die zur Tor- sion führenden Wachsthumsvorgänge nicht von Hause aus in der inneren Organisation der Pflanze gegeben sind, vielmehr in allen Fällen erst unter der Einwirkung äufserer Factoren eintreten. !) S. Schwendener, Über das Winden der Pflanzen (Monatsber. der Kgl. Akademie der Wissensch. zu Berlin, December 1881). 2), H. de Vries, Monographie der Zwangsdrehungen (Pringsheim’s Jahrb. f. wiss. Botanik, Bd. 23). Phys. Abh. 1892. 1. 6 42 SCHWENDENER UND KrRABBE: Nachdem dies festgestellt, ergiebt sich zunächst die Frage, ob die Torsion bedingenden Wachsthumsprocesse activer oder passiver Natur sind. Würde es sich um passive Wachsthumsvorgänge handeln, dann mülsten in den Stellungsverhältnissen der Blätter und Blüthen, in der asymmetrischen Entwickelung derselben u. s. w. Momente gegeben sein, durch welche die Stiele in derselben Weise wie durch künstlich angebrachte Gewichte, in Folge der aus den Formverhältnissen resultirenden Belastung gedreht werden. Man hat zwar von verschiedenen Seiten die Orientirungstorsionen aus der- artigen Verhältnissen zu erklären versucht, allein schon dureh Beobachtungen in der freien Natur kann man sich überzeugen, dafs diese Torsionen nicht immer in der Richtung erfolgen, wie es nach den bestehenden Belastungs- verhältnissen der Fall sein mülste. Unter Hinweis auf die diesbezüglichen Bemerkungen in der Einleitung sei hier nur noch hervorgehoben, dafs die Orientirungsbewegungen auch dann zur Ausführung gelangen, wenn man die Belastungsverhältnisse künstlich derart gestaltet, dafs sie die entgegen- gesetzte Drehung von der factisch auftretenden bedingen müfsten. Mag auch das Eigengewicht der Blüthen und Blattspreiten in einzelnen Fällen nicht ohne Bedeutung sein, so kann doch durch die bisherigen Versuche als sicher gestellt gelten, dafs die Wachsthumsvorgänge, welche die Torsionen bedin- gen, activer Natur sind, weil sie Widerstände überwinden können und daher mit einer gewissen Kraftentfaltung vor sich gehen. Was nun die äufseren Faetoren betrifft, von denen dies active Wachs- thum angeregt wird, so können hier selbstverständlich nur das Licht und die Schwerkraft in Frage kommen. Temperatur, Feuchtigkeit, sowie andere Momente, sind jedenfalls, so lange sie ein normales Wachsthum ermöglichen, für den vorliegenden Gegenstand von so untergeordneter Bedeutung, dafs sie keiner weiteren Berücksichtigung bedürfen. Damit sind wir nun bei einem wichtigen Ergebnifs unserer Unter- suchungen angelangt. Um dies einzusehen, sei nochmals an die im vorletzten Capitel festgestellte Thatsache erinnert, dafs die Orientirungstorsionen eine Erscheinung sui generis repräsentiren, die nicht erst secundär aus der Combinationswirkung verschiedener Faetoren zu erklären ist. Die Torsionen entstehen vielmehr in analoger Weise, wie die geotro- pischen und heliotropischen Krümmungen, direet unter der Einwirkung des Lichtes und der Schwerkraft. Nach alledem ist die bisher von der Mehrzahl der Forscher vertretene Anschauung, wonach das Orientirungstorsionen der blätter und Blüthen. 43 Licht oder die Schwerkraft, wie jede andere einseitig angrei- fende Kraft, nur krümmend in einer Ebene, nicht aber un- mittelbar tordirend wirken soll, definitiv fallen zu lassen. Neben derjenigen Licht- und Schwerkraftwirkung, die in sicht- barer Weise in den bekannten geotropischen und heliotropi- schen Krümmungen zum Ausdruck gelangt, giebt es eine an- dere, aus welcher die Orientirungstorsionen hervorgehen. Beide Erscheinungen, Krümmungen sowohl wie Drehungen, beruhen zwar in übereinstimmender Weise auf einem activen Wachsthum, allein sie stehen dabei in keinerlei ursächlichem Zusammenhang miteinander, wie schon aus der früher besprochenen Thatsache hervorgeht, dafs man die Krümmungen verhindern kann, ohne dadurch die Torsionen aufzuheben. Es existiren also in Wirklichkeit heliotropische und geotropische Torsionen, die in jeder Hinsicht von den durch das Licht oder die Schwer- kraft bedingten Krümmungen zu trennen sind. Mit diesen Folgerungen haben wir freilich den Jogischen Gang der Untersuchung insoweit unterbrochen, als die Nothwendigkeit zur Annahme geotropischer und heliotropischer Torsionen erst mit dem Nachweis ge- geben ist, dafs sowohl das Licht als auch die Schwerkraft für sich allein auf die hier in Frage stehenden Organe tordirend zu wirken im stande ist. Da wohl in der Mehrzahl der Fälle die Blätter und Blüthen während der Ausführung ihrer Orientirungsbewegungen in der freien Natur unter dem gleichzeitigen Einflufs einseitiger Licht- und Schwerkraftwirkung stehen, so ist ohne Anstellung besonderer Versuche, zumal für die Blätter, schwer zu entscheiden, was von einer auftretenden Drehung auf die ein- seitige Lichtwirkung kommt und in wieweit dieselbe ihre Entstehung dem Einflufs der Schwerkraft verdankt. Für viele Fälle ist es a priori sogar nieht undenkbar, dafs weder das Licht noch die Schwerkraft allein Tor- sionen zu verursachen befähigt ist, dafs es hierzu vielmehr einer be- stimmten Combinationswirkung beider Kräfte bedarf. Jedenfalls aber ist eine richtige Beurtheilung der diesbezüglichen Verhältnisse erst möglich, nachdem auf experimentellem Wege die Bewegungen genauer festgestellt sind, die eintreten, wenn jede Kraft für sich allein zur Wirkung gelangt. 6* 44 SCHWENDENER UND KrABBE: V. Die Bedeutung der Schwerkraft für das Zustandekommen der Orientirungstorsionen. Auf Grund unserer bisherigen Versuchsergebnisse mufs jede an Blättern und Blüthen zu beobachtende Torsion der alleinigen Wirkung der Schwer- kraft zugeschrieben werden, sobald die folgenden zwei Bedingungen erfüllt sind: 1) Die fraglichen Drehungen müssen auch bei Ausschlufs der ein- seitigen Lichtwirkung im Dunkeln resp. unter allseitig gleichmäfsiger Be- leuchtung zu stande kommen; 2) sie dürfen dagegen nicht eintreten auf dem Klinostaten unter Elimination der einseitigen Schwerkraftwirkung. Zwar werden auf dem Klinostaten auch die durch das Eigengewicht ge- gebenen Torsionsmomente, sowie die geotropischen Krümmungen aufge- hoben, allein wir wissen jetzt, dafs diese und andere Faetoren für das Zustandekommen der Orientirungstorsionen ohne Bedeutung sind. Sind demnach die beiden hervorgehobenen Bedingungen erfüllt, so ist damit der sichere Beweis erbracht, dafs die in der freien Natur auftretenden Orienti- rungstorsionen durch Wachsthumsvorgänge vermittelt werden, die von der unmittelbaren Einwirkung der Schwerkraft herrühren. Es scheint uns nun mit Rücksicht auf die Ergebnisse der voraus- gehenden Capitel überflüssig zu sein, auf die unter den angegebenen Be- dingungen ausgeführten Experimente ausführlich einzugehen und die bei allseitig gleichmälsiger Beleuchtung oder im Dunkeln auftretenden Orien- tirungstorsionen für eine Reihe von Fällen zu schildern. Handelt es sich um Blätter, die an senkrecht stehenden Sprossen zur Entfaltung gelangen und zwar so, dafs die morphologische Oberseite resp. die bei einseitiger Beleuchtung dem Licht zugewandte Seite nach oben gerichtet ist, so machen sich im Dunkeln keinerlei nennenswerthe Bewegungen, vor allem keine Drehungen, bemerkbar. Denn wie die meisten zygomorphen Blüthen an aufrechter Spindel, so besitzen auch die Blätter unter solchen Verhältnissen gleich bei der Entfaltung ihre normale Orientirung gegenüber der Tragaxe und dem Erdradius. In jeder anderen Lage dagegen, mag dieselbe nun künstlich herbeigeführt oder von Hause aus gegeben sein, führen die Blätter im Dunkeln so lange Bewegungen aus, bis ihre morphologische Orientirungstorsionen der blätter und Blüthen. 45 Oberseite wiederum nach oben gerichtet ist. Die Gröfse der hierbei auf- tretenden Torsionen ist selbstverständlich ganz von der Lage des Sprosses abhängig, vorausgesetzt natürlich, dafs die ursprüngliche Orientirung der Blätter gegen den letzteren durch einseitige Beleuchtung noch keine Ände- rung erfahren hat. Bringt man unter diesen Bedingungen einen beblätterten Sprof[s in senkreeht abwärts gerichtete Lage, so tritt bei der Mehrzahl der Pilanzen an sämmtlichen noch wachsthumsfähigen Blättern aufser einer geotropischen Aufwärtskrümmung eine Drehung von 180° ein. Bei horizon- taler Lage des Sprosses bleiben die an seiner Unterseite inserirten Blätter untordirt, weil ihre morphologische Oberseite schon nach oben sieht oder diese Orientirung durch geringe Krümmung erreicht werden kann; die an der Sprofsoberseite stehenden Blätter führen dagegen, wie bei inverser Lage des Sprosses, Torsionen von 180° aus, wenn sie nicht, was auch vorkommt, durch intensive Zurückkrümmungen ihre Oberseite nach oben bringen. Stehen die Blätter an den Flanken des Sprosses, z. B. von den eben be- sprochenen um 90° entfernt, so müssen dieselben natürlich Drehungen um 90° ausführen; kurz, es werden, wie dies zuerst von Frank!) näher dargelegt wurde, in jedem Einzelfalle diejenigen Bewegungen ausgeführt, dureh welche das Organ auf kürzestem Wege seine normale Erdlage erreicht. Von Frank ist gleichfalls (l. e.) für verschiedene Pflanzen bereits gezeigt worden, dafs diese Orientirungen auch im Dunkeln zur Ausführung ge- langen. Dafs nun sämmtliche bei allseitig gleichmälsiger Beleuchtung oder im Dunkeln auftretende Orientirungstorsionen ganz allein von der Schwerkraft, ohne Mitwirkung irgend welcher anderer Richtkräfte, bedingt werden, ergiebt sich mit Sicherheit aus unseren Klinostatenversuchen. Da derartige Versuche in jedem Einzelfall gewöhnlich mehrere Tage in Anspruch nehmen, so empfiehlt es sich nicht, dieselben im Dunkelraum auszuführen, weil hier bald allerlei pathologische Erscheinungen eintreten, die eine zuverlässige Beurtheilung der. Beobachtungen sehr erschweren. Was nun das Verhalten der Ptlanzen betrifft, wenn sie auf dem Klinostaten der einseitigen Licht- und Schwerkraftwirkung entzogen sind, so halten wir eine eingehende Schilderung desselben an diesem Orte gleichfalls für überflüssig; hier ') A. B. Frank, Die natürliche wagerechte Richtung von Pflanzentheilen n. s. w., Leipz. 1870. ; 46 SCHWENDENER UND KrABBE: interessirt uns nur die Thatsache, dafs an Pflanzen, die unter den angegebenen Bedingungen wachsen, niemals Torsionen ein- treten. Wenn vorhin hervorgehoben wurde, dafs die Blätter an aufrechten Sprossen gleich bei der Entfaltung ihre normale Orientirung besitzen und darum unter gleichmäfsiger Beleuchtung oder beim Lichteinfall von oben weder Torsionen noch nennenswerthe Krümmungen ausführen, so sollte damit nur eine allgemeine Regel constatirt werden, die aber bekanntlich nicht ohne Ausnahme ist. So beobachtet man beispielsweise an den Blättern der Alstroemerien und mancher anderer Pilanzen auch an aufrechtstehen- den Sprossen Torsionen von 130°. Man kann jedoch diese Ausnahme eine scheinbare nennen, denn die Blätter der Alstroemerien befinden sich an aufrechter Tragaxe insofern in inverser Lage, als die im ungedrehten Zustand derselben nach unten gerichtete Seite in ihrer anatomischen Beschaffenheit mit der Oberseite derjenigen Blätter übereinstimmt, die in dieser Lage bei gleichmälsiger Beleuchtung keinerlei Bewegungen ausführen. Um daher die gleiche Orientirung wie diese zu erreichen, sind die Alstroemerien-Blätter auch an aufrechten Sprossen zur Ausführung bestimmter Drehungen ge- zwungen. Dafs diese bei Ausschlufs einseitiger Beleuchtung ausschliefslich von der Schwerkraft bedingt werden, folgt schon aus der Thatsache, dafs sie ausbleiben oder wiederum rückgängig gemacht werden, wenn man Sprosse in inverser Lage festhält. Die Orientirungstorsionen der Blüthen lassen die Bedeutung der Schwer- kraft noch viel klarer hervortreten als diejenigen der Blätter. Wie man sich schon durch unmittelbare Beobachtung in der freien Natur überzeugen kann, führen die dorsiventralen Blüthen im Gegensatz zu den gleich ge- bauten Blättern in sehr vielen Fällen ihre Orientirungsbewegung gegen die Tragaxe aus, ohne hierbei durch einseitige Beleuchtung in augenfälliger Weise beeinflufst zu werden. Es giebt, wie wir später sehen werden, nur sehr wenige Pflanzen, deren zygomorphe Blüthen unter einseitiger Beleuchtung in analoger Weise, wie die Blätter, eine fixe Lichtlage ein- zunehmen suchen. Die Blüthen von Aconitum, Delphinium u. s. w. richten ihre Vorderseite stets ziemlich genau von der Spindel hinweg, unbekümmert um die Beleuchtungsrichtung. Für eine grofse Zahl zygomorpher Blüthen sind darum kaum noch besondere Versuche erforderlich, um sich Gewifsheit darüber zu verschaffen, dafs die Törsionen auch im Dunkeln eintreten. Orientirungstorsionen der blätter und Blüthen. 47 Jedenfalls genügt es hier, auf die diesbezüglichen Versuche Noll’s hinzu- weisen, die wir nur bestätigen können. Auch die Klinostatenversuche mit zygomorphen Blüthen haben zu demselben Ergebnifs geführt, das soeben für die dorsiventralen Blätter eonstatirt wurde. Unter Ausschlufs einseitiger Licht- und Schwer- kraftwirkung gelangen auch an zygomorphen Blüthen niemals Torsionen zur Beobachtung. Zu dem gleichen Resultat ist bereits früher Noll gekommen, ohne daraus, wie wir nachher sehen werden, in Bezug auf die Bedeutung der Schwerkraft für das Zustandekommen der Torsionen die richtigen Folgerungen zu ziehen. Vereinigen wir die hier kurz skizzirten Versuchsergebnisse mit den Resultaten der vorausgehenden Capitel, so gelangen wir zu der sicheren Thatsache, dafs die unter Ausschlufs einseitiger Beleuchtung auf- tretenden Blatt- und Blüthenstieldrehungen echte geotropische Torsionen repräsentiren. Da uns demnach in den geotropischen Krüm- mungen und Torsionen zwei ganz verschiedene Wirkungserscheinungen ein und derselben Kraft entgegentreten, so empfiehlt es sich, dieselben auch in der Bezeichnungsweise auseinander zu halten. Soll dies nach dem sichtbaren Effect der Schwerkraft geschehen, so sind dazu die Ausdrücke »geotropische Krümmungen« und »geotropische Torsionen« hinreichend. Will man aber auch die verschiedenartige Reactionsfähigkeit der Organe gegenüber der Schwerkraft kurz zum Ausdruck bringen, so scheint uns die Bezeichnung Geotropismus ungenügend und irreführend, denn nach der vorhandenen Litteratur versteht man unter Geotropismus durchweg nur die Fähigkeit der Organe, unter der Einwirkung der Schwerkraft Krümmungen auszuführen. Die Eigenschaft der Organe, sich unter dem Einflufs der Schwerkraft zu tordiren, bedarf daher einer anderen Bezeichnung; wir schlagen zu diesem Zwecke das Wort »Geotortismus« vor, obgleich dasselbe schon wegen seiner hybriden Natur in Übereinstimmung mit manchen anderen botanischen Ter- minis vom philologischen Standpunkte aus nicht ganz einwurfsfrei ist. Um etwaigen Einwänden zu begegnen und irrigen Auffassungen vorzu- beugen, müssen wir bei dem gewonnenen Ergebnifs noch etwas stehen bleiben. Wenn man blofs das Ziel der Orientirungsbewegungen in’s Auge fafst, ohne das mechanische Zustandekommen derselben zu berücksichtigen, könnte es auf den ersten Blick den Anschein gewinnen, als ob die soeben als Geotortismus bezeichnete Eigenschaft der Organe nichts anderes als eine Theilerscheinung 48 SCHWENDENER UND KrABBE: des von Frank begründeten Transversalgeotropismus repräsentire, worunter man bekanntlich die Fähigkeit der Organe versteht, sich rechtwinklich zur Wirkungsriehtung der Schwerkraft zu stellen. Während radiäre Organe diese Lage durch einfache Krümmungen erreichen, führen dorsiventral gebaute in bestimmten Fällen aufser Krümmungen auch noch Torsionen aus, die letzteren, damit Bauch- und Rückenseite in bestimmter Weise dem Erdradius gegenüber orientirt werden. Frank hat nun bei der Begründung des Trans- versalgeotropismus nur die schliefsliche Lage der Organe im Auge gehabt, unbekümmert um die Mittel, durch welche diese Lage erreicht wird. Gerade diese Mittel repräsentiren aber ein sehr wichtiges Moment in der ganzen Erscheinung, denn aus der Verschiedenheit derselben folgt nach unseren Untersuchungen eine verschiedene Reaetionsfähigkeit der Organe gegenüber der Schwerkraft. Wenn daher die Blätter und Blüthen bald Krümmungen, bald Torsionen ausführen, so bleiben dies, unabhängig von der schliefslichen Lage, streng auseinander zu haltende Erscheinungen, sobald festgestellt ist, dafs die Drehungen in Übereinstimmung mit den Krümmungen aus der direeten Einwirkung der Schwerkraft hervorgehen. Denn die zur Torsion führenden Wachsthumsvorgänge sind ganz anderer Natur als diejenigen, die nur Krümmungen bedingen. Man könnte diese Erscheinungen nur dann mit einander vereinigen, wenn sich zeigen liefse, dafs die Torsionen durch das Eigengewicht der Blüthen und Blattspreiten herbeigeführt werden oder aus der Combination von Krümmungen hervorgehen. So lange die transversale Lage durch Krümmungen erreicht wird, haben wir es in Bezug auf das mechanische Zustandekommen der Be- wegungen genau mit denselben Factoren zu thun, wie bei den Krümmun- gen des longitudinalen Geotropismus. Es entspricht daher nicht den thatsächlichen Verhältnissen, wenn Frank l.c. p. 72 behauptet, dass die zur Erreichung der transversalen Lage auszuführenden Bewegungen wesentlich andere seien als diejenigen, »die an anderen Pflanzengliedern durch den gewöhnlichen Heliotropismus und Geotropismus erzielt werden«. In beiden Arten von Geotropismus, dem transversalen sowohl wie longitudinalen, sind die Bewegungen, soweit sie auf Krümmungen beruhen, genau dieselben ; sie unterscheiden sieh nur dureh das mechanisch nebensächliche Moment, dals sie in verschiedenen Lagen der Organe zum Stillstand kommen. Mit dem Auftreten von Torsionen beginnt dagegen nicht nur in mechanischer Hinsicht, sondern auch in Bezug auf die Reactionsfähigkeit Orientirungstorsionen der Blätter und Blüthen. 49 der Organe der Schwerkraft gegenüber ein ganz neues Gebiet von Er- scheinungen, das auch in der Bezeichnung von den krümmenden Schwer- kraftwirkungen zu trennen ist. Frank hat in den Transversalgeotropismus ein Moment hineingezogen, was strenge genommen nicht dahin gehört. Es ist dies die bestimmte Örientirung der verschiedenen Seiten dorsiventraler Organe, die, wenn sie nicht schon von Hause aus gegeben ist, der Regel nach durch Axendrehungen herbeigeführt wird. Allein dureh diese Drehungen wird die transversale Lage als solche in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle weder erreicht, noch dort, wo sie schon gegeben ist, in erheblicher Weise geändert. Be- findet sich z. B. ein Blatt in horizontaler Lage, so ist dasselbe tranversal zum Erdradius gerichtet; eine Torsion tritt unter diesen Umständen nur ein, wenn die morphologische Oberseite nach unten gekehrt ist. Durch diese Bewegung werden jedoch nur die Seiten anders orientirt, die transversale Lage bleibt dagegen unbeeinflufst. Stehen die Blätter an invers gehaltenen Sprossen, so machen sich die Torsionen sehr oft schon bemerkbar, bevor die horizontale Lage erreicht ist. Es liegt auf der Hand, dass eine solche Örientirung in diesem Falle durch die fraglichen Torsionen auch gar nicht herbeigeführt werden kann; dazu sind bestimmte Krümmungen erforderlich, also Bewegungen, die einem ganz anderen Gebiet von Wirkungserscheinungen der Schwerkraft angehören. Bei manchen Pflanzen, so z. B. bei Wistaria (Fig. 4, 6 Taf. II), werden die Blätter an inversen Sprossen zunächst durch eine intensive geotropische Krümmung fast senkrecht aufwärts gerichtet, und darauf tritt erst die Torsion ein. Auch in diesen Fällen steht die- selbe mit der transversalen Richtung der Blätter in keinerlei Beziehung. Noch klarer gelangt jedoch diese Thatsache in den Orientirungs- bewegungen zygomorpher Blüthen zum Ausdruck, denn hier werden die Torsionen fast ausnahmslos von ziemlich senkrecht stehenden Organen resp. Theilen solcher ausgeführt. Diese Drehungen werden aber in der- selben Weise von der Schwerkraft verursacht wie die Drehungen der Blätter. Wie aufserdem noch speciell für Aconitum Lycoctonum gezeigt wurde, treten die Torsionen in jeder Lage der Blüthe zum Horizont ein, in aufrechter, horizontaler oder schräg abwärts gerichteter Lage. Diese Bemerkungen werden genügen, um zu zeigen, dafs die Orientirungstorsionen im Allgemeinen von der Richtung der Organe zum Erdradius un- abhängig sind und darum schon aus diesem Grunde nicht als Phys. Abh. 1892. 1. - d 50 SCHWENDENER UND KrABBE: eine Theilerscheinung des transversalen oder longitudinalen Geotropismus aufgefasst werden können. Noch ein anderer Gegenstand mag an diesem Orte kurz berührt werden, da derselbe sonst gleichfalls zu irrigen Auffassungen Veranlassung geben könnte. Es ist dies die bereits früher aufgeworfene Frage, ob und inwieweit innere Wachsthumsursachen an dem Zustandekommen der Orientirungs- torsionen betheiligt sind. Nach unseren Versuchsergebnissen liegen in der inneren Organisation der hierher gehörigen Pflanzen keinerlei Factoren, die für sich allein oder in Combination mit äufseren Richtkräften Torsionen bedingen; vielmehr müssen die tordirend wirkenden Wachsthumsvorgänge in jedem Falle erst von Seiten der Schwerkraft ausgelöst werden. Das folgt unter Anderem besonders aus der Thatsache, dafs sich die Torsionsriehtung in jedem Augenblick abändern läfst, und aufserdem aus unseren Klinostaten- versuchen. Inneren Organisationsverhältnissen entspringende Wachsthums- vorgänge, wie sie beispielsweise in der Epinastie, in der Öurvipetalität und in den homodromen Torsionen windender Sprosse zum Ausdruck gelangen, treten ausnahmslos auch bei Aufhebung der einseitigen Schwerkraftwirkung auf dem Klinostaten ein, und zwar hier in viel ausgeprägterer Form als in der freien Natur, wo sie durch die gleichzeitig stattfindende Wirkung anderer Kräfte nicht selten verdeckt werden. Obgleich nun auch Noll in seinen Klinostatenversuchen mit zygo- morphen Blüthen niemals Torsionen beobachten konnte, gelangt er doch auf Grund anderer Experimente zu der Ansicht, dafs die Orientirungs- torsionen der Blüthen in wesentlichen Punkten ohne Mithülfe äufserer Factoren durch »innere Wachsthumsursachen« veranlafst werden. Es soll wenigstens die Lateralbewegung, ohne welche nach der Noll’schen Auf- fassung Torsionen unmöglich sind, durch eine »den Pflanzen innewohnende Richtkraft« zu stande kommen. Dies wird aus der Beobachtung gefolgert, wonach die Drehungen ausbleiben, wenn man bestimmte Operationen an den Pflanzen vornimmt. Schneidet man z. B. von einer Orchideen -Spindel mit noch untordirten Blüthen das obere Ende fort, so führen die Frucht- knoten der in unmittelbarer Nähe der Schnittfläche inserirten Blüthen keine Drehungen aus, während tiefer stehende Blüthen durch die fragliche Ope- ration in ihrer normalen Resupinationsbewegung nicht beeinflufst werden. »Diesem Versuch«, sagt Noll p. 337, »lege ich eine besondere Bedeutung bei, weil er deutlich darauf hinweist, dafs die geotropische Mediankrümmung Orientirungstorsionen der Dlätter und blüthen. al den Cardinalpunkt der ganzen Orientirungsbewegung darstellt. Es unter- bleibt hier eben nur die Lateralbewegung, welche sich sonst mit ihr com- binirt und durch Hervorrufen einer Torsion den Charakter jener ersteren etwas verwischt, aber nicht wesentlich alterirtt. Die Annahme, dafs die Gravitation direet auf eine Torsion hinwirke, ist, wenn man für diese künstlich endständig gemachten Blüthen nicht total andere Voraussetzungen als für die Schwesterblüthen machen will — was aber durch nichts ge- rechtfertigt ist — durch diesen Versuch vollständig ausgeschlossen. Weiter- hin, und das ist ein nicht minder wichtiger Punkt, geht aus diesem Ver- suche hervor, dafs die Lateralbewegung von den hier entfernten Theilen gewissermafsen indueirt wird.« Mit diesem Citat sollte nur gezeigt werden, von welchen Verhältnissen Noll das Zustandekommen der Orientirungs- bewegung zygomorpher Blüthen gegen die Tragaxe abhängig macht; die irrigen Schlufsfolgerungen im Einzelnen zu widerlegen ist unnöthig, da sie sämmtlich in sich zusammenfallen durch den Nachweis, dafs die Prämissen, von denen unser Autor ausgeht, sowohl theoretisch als auch empirisch unhaltbar sind. Am Schlufs seiner Arbeit kommt Noll auf die soeben skizzirten Versuche nochmals zurück, um an der Hand derselben seine Ansicht über die Ursachen der »Exotropie« p. 368 folgendermafsen zu formuliren: »Wir haben darmach die Lateralbewegung so aufzufassen, dafs sie aus inneren Wachsthumsursachen, inneren Reizen und zwar vermittelst des correlativen Zusammenhangs der Organe eines Sprosses indueirt wird. « Noch bestimmter und klarer heifst es in dieser Hinsicht einige Seiten weiter (p. 370): »Letztere (nämlich die Lateralbewegung) veranlafst die Aufsenstellung des Organs zu seiner Mutteraxe, also seine Orientirung gegenüber der Stammpflanze. Äufsere Richtkräfte sind dazu nieht direet befähigt, der Einflufs auf diese Orientirung geht von der Mutterpflanze selbst aus.« Schon in einem der früheren Capitel ist gezeigt worden, dafs die von Noll angenommene Exotropie in Wirklichkeit nicht existirt. Die vorstehend entwiekelten Anschauungen über die Ursachen der Lateralbewegung geben uns nun ein Mittel an die Hand, die Richtigkeit unserer Behauptung noch von einer ganz anderen Seite zu beweisen. Ist nämlich die Noll’sche Vorstellung riehtig, entspringt die Lateralbewegung »inneren Wachsthums- ursachen ohne Mitwirkung äufserer Richtkräfte«, so mufs dieselbe natürlich auch auf dem Klinostaten bei Ausschlufs der einseitigen Schwerkraft- ver 32 SCHWENDENER UND KrRABBE: wirkung auftreten. Das hat Noll auch ganz folgerichtig erwartet; als aber die »Exotropie« in keinem seiner Versuche eintrat, blieb er vor einem unlösbaren Räthsel stehen mit den Worten (p. 370): »Es wäre zu wünschen, dals bald mehr Licht in dieses noch etwas unverständliche Verhalten käme; es sind möglicher Weise Dinge, welche für unsere physiologischen Vor- stellungen von Bedeutung sind, welche sich da herausstellen, möglicher Weise löst sich aber das Räthsel ungeahnt einfach.« Die Lösung des Räthsels ist allerdings in Bezug auf die Bedeutung der Schwerkraft für die Orientirungstorsionen eine ziemlich einfache; wenn Noll diese Lösung nicht finden konnte, so rührt dies daher, dafs er bezüglich des mecha- nischen Zustandekommens der Drehungen, sowie in der Beurtheilung seiner an den Pflanzen ausgeführten Operationsversuche in irrigen Vorstellungen befangen war. Auch die Parallelen, die derselbe zwischen seinen Versuchs- ergebnissen und denjenigen Osc. Schmidt’s zieht, sind genau genommen nicht zutreffend. Ose. Schmidt hat zwar auch auf dem Klinostaten keine Drehungen beobachtet; da derselbe jedoch in Übereinstimmung mit H. de Vries die Torsionen von dem Eigengewicht der Blätter verursacht sein läfst, so konnte er wenigstens mit einigem Recht die Klinostatenversuche als Beweis seiner Annahme betrachten; denn auf dem Klinostaten wird natürlich auch die Wirkung des Eigengewichts aufgehoben. Mit den Noll’schen Prämissen stehen dagegen die Ergebnisse der Klinostaten- versuche in vollkommenem Widerspruch. Da die Bedeutung der Klinostatenversuche bereits hinreichend ge- würdigt ist, so bleibt nur noch die Frage zu beantworten, warum auch unter der Einwirkung der Schwerkraft die Orientirungstorsionen ausbleiben, wenn man an den hierher gehörigen Pflanzen bestimmte Operationen vor- nimmt, wenn man z. B. von den Blättern die Spreite, von den Blüthen- stielen die Blüthe oder einen Theil der Blüthenspindel wegschneidet. Man könnte aus dieser Erscheinung zunächst schliefsen, dafs durch die vor- genommene Verwundung das Protoplasma bis auf einen gröfseren oder geringeren Abstand von der Wundstelle so verändert wird, dafs es nicht mehr in der Weise auf die Schwerkraft reagirt, wie am intacten Orga- nismus. Will man andererseits die Ansicht geltend machen, dafs die Torsion an der intacten Pflanze durch die Theile indueirt werde, die man bei der Operation entfernt, so ist dagegen insofern nichts einzuwenden, als die Bedeutung der Klinostatenversuche davon gar nicht berührt wird. Orientirungstorsionen der Blätter und Blüthen. 53 Denn nach wie vor bleibt die Thatsache bestehen, dafs die Torsionen durch die Schwerkraft verursacht werden, mag dieselbe hierbei nun unmittelbar auf das Wachsthum der sich tordirenden Organe einwirken oder erst durch Vermittelung benachbarter Organtheile. Wenn man die Wurzelspitze in einer bestimmten Länge wegschneidet, unterbleiben bekanntlich auch die geotropischen Krümmungen. Daraus aber folgt nicht, dafs die letzteren aus inneren Wachsthumsursachen entspringen, sondern nur, dafs die Wurzel- spitze den von der Schwerkraft‘ ausgeübten Reiz aufnimmt und ihn auf weiter rückwärts gelegene Zelleomplexe überträgt. Wie nun die Verhältnisse in dieser Hinsicht bezüglich der geotropischen Torsionen liegen, läfst sich erst auf Grund umfangreicher und kritisch durch- geführter Versuche entscheiden. An den Blättern hat bekanntlich H. de Vries') die verschiedenartigsten Operationen ausgeführt und aus den nach- her eintretenden Erscheinungen zu beweisen versucht, dafs das Eigengewicht der Blätter für das Zustandekommen der Torsionen nothwendig sei. Wenn man nun auch einerseits von einem Blattstiel, den man nach dem H. de Vries’schen Beispiel der Spreite beraubt und aufserdem noch von der Pflanze trennt, billiger Weise keine Drehungen mehr verlangen kann, so können doch andererseits manche nach gewissen Verwundungen zu beob- achtende Erscheinungen nicht einfach als pathologische bezeichnet werden. Ohne damit in mechanischer Hinsicht irgend etwas erklären zu wollen, sei hier doch in Kürze auf ein Moment hingewiesen, das in allen Operations- versuchen ziemlich klar zum Ausdruck gelangt. Es ist dies das zweck- mäfsige Verhalten der Pflanzen. Der Zweck der Orientirungsbewegungen zygomorpher Blüthen und dorsiventraler Blätter ist durchweg ein so klar in die Augen springender, dafs es nicht zu verwundern ist, wenn wir diese Thatsache fast bei allen, die sich mit dem vorliegenden Gegenstand beschäftigt, mit besonderer Betonung hervorgehoben finden. Indem die Blätter ihre Oberseite dem Licht zuwenden, nehmen sie eine Lage an, die der Regel nach für ihre Assimilationsthätigkeit die günstigste ist; und wenn die zygomorphen Blüthen ihre Vorderseite von der Tragaxe hinweg- wenden, so steht diese Bewegung offenbar im Dienste der Fremdbestäu- bung. Dieselbe würde, — mag sie nun durch Inseeten oder durch andere Mittel erzielt werden —, ohne Zweifel erschwert, bei dichtem Stande der !) Arbeiten des botan. Instituts in Würzburg, Bd.1, 1. c. 54 SCHWENDENER UND KRABBE: Blüthen vielleicht ganz unmöglich gemacht sein, wenn sämmtliche Blüthen mit ihrer Vorderseite nach der Spindel gerichtet wären. Nun sehen wir die hierher gehörigen Organe im Allgemeinen die von Frank gefundene Regel befolgen, ihre günstigste Lage auf kürzestem Wege zu erreichen; sie machen von einer Torsion gewöhnlich nur dann Gebrauch, wenn ihnen einfachere Mittel zur Erreichung ihres Zieles nicht zu Gebote stehen. — Wir können dem nun die weitere Regel hinzufügen, dafs durch das Wegschneiden benachbarter Organe oder durch andere Operationen an dem gewöhnlichen Verhalten der Blüthen und Blätter nichts geändert wird, wenn dieselben zur Erreichung ihrer normalen Lage nach der Verwundung dieselben Bewegungen ausführen müssen, wie an der unverletzten Pflanze. Dagegen sind die Verwundungen von weitgehendem Einflufs, wenn dadurch Verhältnisse geschaffen werden, unter welehen die seitlichen Organe ihre zweckmäfsige Lage in viel einfacherer Weise als an der intacten Pflanze erreichen können. Entfernt man von einer Orchideen-Spindel den oberen Theil, so ist es für die in unmittelbarer Nähe der Schnittfläche stehenden Blüthen zwecklos geworden, eine Torsion auszuführen, denn es ist für sie eigentlich keine Spindel mehr vorhanden, von der sie sich hinwegzuwenden hätten. Wenn nur die Blüthen mit ihrer Vorderseite über die Schnittfläche hinwegsehen, so sind sie ebenso zweckmäfsig orientirt, wie die tieferstehenden Blüthen, die auch nach der fraglichen Operation durch Torsion von 180° ihre Vorderseite nach aufsen richten. Noch klarer treten diese Verhältnisse in einem schon von H. de Vries (l. e. p. 275) ausgeführten Versuch hervor, der hier als Beispiel für viele andere Platz finden mag. Bei manchen Pilanzen werden bekanntlich die deeussirt stehenden Blätter durch Drehungen der Sprofsinternodien um 90° in eine Ebene gebracht, deren Lage zum Horizont, wie wir später sehen werden, nicht blos von der Schwerkraft, sondern in noch höherem Mafse von der Beleuchtungsrichtung bedingt wird. Kommt das Licht von oben, dann werden sämmtliche Blattpaare mit ihrer Insertionsebene durch die fraglichen Internodialdrehungen in die horizontale Lage gebracht, in welcher dann weiterhin die einzelnen Blätter, um ihre Oberseite nach oben zu bringen, Drehungen von 90° ausführen. An dem noch untordirten Inter- nodium, welches zunächst auf die schon gedrehten folgt, sind die beiden Blätter natürlich an der Unter- und Oberseite inserirt; die jungen Blatt- Orientirungstorsionen der Blätter und bBlüthen. 55 spreiten liegen dabei in horizontaler Ebene übereinander, sich mit der morphologischen Oberseite gegenseitig berührend. Schneidet man nun von diesen beiden Blättern das untere fort, so wird dadurch an der normalen Orientirungsbewegung keinerlei Änderung hervorgerufen; sowohl das Inter- nodium wie auch das stehengebliebene Blatt führen, wie an der unverletzten Pflanze, eine Drehung von 90° aus. Ganz anders ist dagegen der Effect, wenn man statt des unteren das obere Blatt wegschneidet, obgleich damit der Pflanze keine tiefergehende Verwundung zugefügt wird als im ersten Falle. Nunmehr zeigt weder das Internodium noch das stehengebliebene Blatt eine Spur von Torsion. Eine solche würde auch im höchsten Grade unzweckmälsig sein, denn das an der Unterseite des Internodiums inserirte Blatt ist durch Wegnahme des oberen direet in die günstigste Lichtlage gekommen; es sind zur Erreichung derselben keinerlei Bewegungen mehr erforderlich. Durch die Wegnahme des oberen Blattes werden indessen nicht nur die Bewegungen des Internodiums, an dem dieses Blatt inserirt war, sondern auch noch die Bewegungen des nächst jüngeren Internodiums beeinflufst. An diesem steht die Insertionsebene der beiden opponirten Blätter, da das vorausgehende Internodium in Folge der fraglichen Operation keinerlei Bewegungen ausführt, natürlich horizontal. In dieser Lage ist zur Erreichung der günstigen Lichtlage nur eine Drehung der Blätter erforderlich; eine Torsion des Internodiums ist überflüssig und tritt auch in Wirklichkeit nicht ein. Es ist zuzugeben, dafs die Belastungsverhältnisse eines Internodiums ganz verschiedene sind, je nachdem man das untere oder obere Blatt wegnimmt. Mögen diese Factoren auf die Bewegungen des Internodiums auch nicht ohne Einflufs sein, so reichen sie doch zur Erklärung der Erscheinung nicht aus; denn das von der Schwerkraft ausgelöste active Waehsthum ist stark genug, um das entgegengesetzt wirkende Gewicht des unteren Blattes zu überwinden, sofern dies zur Orientirung der Blatt- fläche nothwendig wäre. Um nun wieder auf unsere früheren Untersuchungen zurückzukommen, so geben uns dieselben ein hinreichendes Material zur Beantwortung der wichtigen Frage, ob und in wie weit die Orientirungstorsionen zur Zeit einer mechanischen Erklärung fähig sind. Bevor wir jedoch in die Erörte- rung dieses Gegenstandes eintreten, wird es sich empfehlen, die Haupt- 56 SCHWENDENER UND KrABBE: ergebnisse unserer bisherigen Untersuchungen nochmals kurz übersichtlich zusammenzufassen. l. Aus der Combination zweier oder mehrerer Kräfte, von denen jede für sich allein nur krümmend in einer Ebene wirkt, entsteht wiederum nur eine einfache Krümmung, niemals aber eine Torsion. 2. Die bisher gegebenen mechanischen Erklärungen der Örientirungstorsionen sind unrichtig. — Die von Noll ange- nommene Lateralbewegung ist aulserdem in Wirklichkeit nicht vorhanden. 3. Die Zurückführung der in der Natur auftretenden Blatt- und Blüthenstieldrehungen auf Krümmungen ist schon deshalb unmöglich, weil a) die Torsionen in sehr vielen Fällen an geraden Organen oder Theilen soleher erfolgen, die auch im Laufe der Orientirungsbewegungen keinerlei nennenswerthe Krümmungen zeigen, und weil b) die Torsionen auch dann auftreten, wenn man durch geeignete Vorkehrungen die Ausführung von Krüm- mungen unmöglich macht. 4. Geotropische, heliotropische, epinastische sowie andere Krümmungen sind wohl im stande, den äufseren Charakter der Orientirungsbewegungen in bestimmter Weise zu beeinflussen, stehen jedoch in mechanischer Hinsicht zu den gleichzeitig oder nachträglich auftretenden Torsionen in keinerlei Beziehung. 5. Die Torsion beginnt bei Blüthen der Regel nach direct unter der Ansatzstelle der Kelch- und Blumenblätter und bei gestielten Blättern in der apicalen Region des Stieles (oder der Mittelrippe), um von hier aus basipetal fortzuschreiten. 6. An längeren Organen pflegt die Torsion den zur normalen Örientirung der Blattspreiten und Blüthen erforderlichen Grad in basipetaler Richtung erheblich zu überschreiten; in dem Mafse, als dies geschieht, wird jedoch die Torsion in der oberen Region der sich tordirenden Organe wiederum aufgelöst. 7. Die Orientirungstorsionen dorsiventraler Blüthen und Blätter gehen direct aus einer bestimmten Einwirkung der 7 OU Orientirungstorsionen der Blätter und Blüthen. Schwerkraft auf das Wachsthum der sich tordirenden Organe hervor. Neben geotropischen Krümmungen existiren darum auch geotropische Torsionen. 8. Das Auftreten der geotropischen Torsionen ist von der Lage der Organe zum Horizont unabhängig. Bemerkungen zur Mechanik der Örientirungstorsionen. Für eine Erörterung der Art und Weise, wie man sich das Zustande- kommen der Orientirungstorsionen in mechanischer Hinsicht vorzustellen hat, ist unter den soeben kurz formulirten Versuchsergebnissen in erster Linie die Thatsache von Bedeutung, dafs die zur Torsion führenden Wachs- thumsvorgänge in analoger Weise, wie bei geotropischen Krümmungen, einer direeten Einwirkung der Schwerkraft entspringen. Es fragt sich nun, ob es zur Zeit möglich ist, über die Natur dieser Wachsthumsvorgänge genauere Auskunft zu erlangen. Um dies zu entscheiden, ist es vor allem nothwendig, sich die einzelnen Momente zu vergegenwärtigen, deren Klar- legung zur völlig befriedigenden Lösung unseres Problems verlangt werden mufs. Es sind dies 1. das Zustandekommen der Torsion, 2. ihre Richtung in den einzelnen Fällen, und 3. ihr Stillstehen, sobald die zu orientirenden Organe in eine bestimmte Lage einrücken. Dafs der letztere Punkt von vornherein aus der mechanischen Betrachtung unsers Problems ausscheiden mufs, bedarf wohl keiner besonderen Begründung. Denn wenn auch die Art des Zustandekommens der Orientirungstorsionen bekannt wäre, würde es doch einstweilen unerklärt bleiben müssen, warum die Bewegungen jedesmal gerade dann zum Stillstand gelangen, wenn die Organe eine bestimmte Lage zur Angriffsrichtung der die Bewegung bedingenden Kräfte erreicht haben. Was nun die Torsion als solche betrifft, so kann dieselbe, wie sich schon im »Mikroskop« von Nägeli und Schwendener im Allgemeinen Phys. Abh. 1892. 1. 8 58 SCHWENDENER UND KrABBE: auseinandergesetzt findet, auf verschiedene Weise zu stande kommen, speeiell im vorliegenden Falle, wo wachsende Organe in Frage stehen, einmal da- durch, dafs das Wachsthum der äufseren Gewebeschichten gegenüber den mittleren von Seiten der Schwerkraft eine Steigerung erfährt, oder dadurch, dafs diese Wachsthumssteigerung in einer schiefen Richtung zur Längsaxe des ganzen Organs erfolgt, oder endlich, indem die einzelnen Zellen in letzterem Sinne wachsen, denn es mufs natürlich auch durch das Torsions- bestreben der einzelnen Zellen eine Drehung des ganzen Organs zu stande kommen. Dafs auch durch das Eigengewicht der Blüthen und Blattflächen unter Umständen eine Torsion erzielt werden kann, ist selbstverständlich. Allein dieser Factor und die bereits besprochenen Krümmungen scheiden nach unsern Untersuchungsergebnissen aus der Betrachtung des vorliegenden Gegenstandes aus; und was die Wirkungsweise der Schwerkraft auf bogen- förmig gekrümmte Organe betrifft, so kommen wir darauf noch in einem besonderen Capitel zurück. In welcher Weise nun auch immer die Torsion herbeigeführt sein mag, im gedrehten Zustande eines Organs sind selbstverständlich die nunmehr spiralig verlaufenden Längsseiten im peripherischen Theile desselben länger als in der Mitte. Es wäre jedoch ein Irrthum, aus dieser Thatsache folgern zu wollen, dafs von der Schwerkraft das Längenwachsthum der äufseren Gewebeschichten gegenüber den mittleren gesteigert werde. Denn wenn dies der Fall wäre, dann mülfste die Richtung der Torsion rein vom Zufall abhängen; es würde unter diesen Umständen unerklärt bleiben, warum die Drehung stets so erfolgt, dafs das Organ auf kürzestem Wege seine normale Örientirung erreicht. Damit aber die Torsion in manchen Lagen der Organe in bestimmter Richtung erfolgen kann, mufs angenommen werden, dafs das Wachsthum in einer zur Längsaxe schiefen Richtung, sei es des ganzen Organs oder der einzelnen Zellen, gefördert oder herabgesetzt wird. Eine Drehung des ganzen Organs kann ohne Torsionsbestreben der einzelnen Zellen nur zu stande kommen bei einer Anordnung der letzteren in spiralig verlaufenden Reihen, in welchen das Wachsthum stärker oder schwächer ist, als in der Längsrichtung des ganzen Organs. Es ist ein- leuchtend, dafs unter diesen Umständen das Organ tordirt werden mulfs, obgleich die einzelnen Zellen für sich betrachtet ein normales longitudinales Wachsthum zeigen und daher ungedreht bleiben. Von einer derartigen Orientirungstorsionen der Blätter und blüthen. 59 Gewebestruetur ist jedoch in Wirklichkeit nichts zu beobachten, vielmehr zeigen die sich tordirenden Pflanzentheile genau dieselbe longitudinale Zellen- anordnung, wie verwandte Organe, an denen niemals Torsionen auftreten. Da nun aber die hier im Frage stehenden Orientirungstorsionen zu ihrer Erklärung die Annahme einer Beeinflussung des Wachsthums in schiefer Richtung verlangen, so können die unmittelbaren Torsionsursachen nur in einem bestimmten Verhalten der einzelnen Zellen gesucht werden. Unter dem Einflufs der Schwerkraft erfährt das Membran- wachsthum der einzelnen Zellen in schiefer Richtung zu ihrer Längsaxe eine Zu- oder Abnahme. Damit ist ein Torsions- bestreben der einzelnen Zellen gegeben, welches auch die Tor- sion des ganzen Organes bedingt. Warum nun dieses Membranwachsthum in den verschiedenen Lagen eines Organs das eine Mal in einer linksschiefen, das andere Mal in einer rechtsschiefen Richtung beeinflufst wird, läfst sich natürlich mecha- nisch nicht erklären, weil wir es hierbei mit Vorgängen im Plasma zu thun haben, in die uns einstweilen jeder tiefere Einblick versagt ist. Wenn wir auch mit Sicherheit glauben behaupten zu können, dafs die Torsionen der hierher gehörigen Organe durch die angegebene Art und Weise des Membranwachsthums mechanisch zu stande kommen, so ist doch nicht anzunehmen, dafs die Schwerkraft direet das Wachsthum der Cellu- losehäute zu beeinflussen vermag. Dazu gebraucht sie die Vermittelung des lebenden Protoplasma’s, welches nach Aufnahme des von der Schwer- kraft ausgeübten Reizes das Wachsthum der Membran in dem angegebenen Sinne regulirt. Diese Beeinflussung des Membranwachsthums kann über- dies nur von demjenigen Theile des Protoplasmakörpers direct ausgehen, der mit der Zellwand in unmittelbarem Contact steht, also von dem Plasma- schlauch. Ob dieser hierbei der Schwerkraft gegenüber direet reizempfäng- lich ist oder erst von anderen Plasmatheilen, etwa dem Zellkern, einen Im- puls erhält, ist für das mechanische Zustandekommen der Torsionen ohne Bedeutung. Ebenso ist es irrelevant, ob die Schwerkraft unmittelbar auf die sich tordirenden Organe einwirkt oder erst durch Vermittelung anderer Pflanzentheile.. — Eine unmittelbare Einwirkung der Schwerkraft auf das Wachsthum der Zellmembranen wäre z. B. auf Grund der Wiesner’schen') !) Jul. Wiesner, Die Elementarstruetur und das Wachsthum der lebenden Substanz. Wien 1892. 8E 60 SCHWENDENER UND KrABBE: Vorstellung möglich, wonach bekanntlich die Zellhäute einen Theil des lebenden Plasmakörpers repräsentiren und somit ein mehr oder minder selbständiges Leben führen. Die lebenden Plasomen müssen dann gleich- zeitig als reizaufnehmende und als wachsthumregulirende Organe func- tioniren. Der vorliegende Gegenstand giebt indefs keinerlei Veranlassung, in eine Discussion dieser und anderer Anschauungen einzutreten, weil davon die Mechanik der Torsionen unberührt bleibt. Dafs das Protoplasma nicht für sich allein, sondern nur mit Hülfe eines bestimmten Membranwachsthums Torsionen bedingen kann, bedarf im Hinblick auf den Aggregatzustand desselben keiner weiteren Erörterung. Will man das hier in Frage stehende Membranwachsthum erst von be- stimmten Turgescenzänderungen der Zellen abhängig machen, so wird damit an der Lage der Dinge nichts geändert. Denn ebensowenig, wie die Schwerkraft direct auf die Membranen der Zellen einwirken kann, vermag sie den hydrostatischen Druck des Zellinhaltes ohne Mitwirkung des lebenden Plasma’s zu beeinflussen. Dazu kommt noch, dafs durch Turgescenzänderungen, wie ohne Weiteres einleuchtet, das Wachsthum in einer zur Längsaxe der Zelle schiefen Richtung, so fern diese nicht schon vorher durch eine ungleiche Dehnbarkeit der Membran gegeben ist, gar nicht beeinflufst werden kann; es ist dies ein Wachsthum, welches mit dem hydrostatischen Druck des Zellinhaltes in keiner unmittelbaren Be- ziehung steht. Was demnach auf Grund unserer Untersuchungsergebnisse über die Mechanik der Orientirungstorsionen mit ziemlicher Sicherheit ausgesagt werden kann, läfst sich in den soeben begründeten Satz zusammenfassen, dafs die Schwerkraft durch Vermittelung des Protoplasma’s das Membranwachsthum der einzelnen Zellen in schiefer Rich- tung beeinflufst. Alles Übrige ist nach der mechanischen Seite dunkel. Es ist darum auch unnöthig, hier auf die am Schlufs des vorausgehenden Capitels zusammengestellten Einzelergebnisse zurückzukommen, z. B. auf die interessante Thatsache, dafs die drehende Wirkung der Schwerkraft von der Lage der Blätter und Blüthen zum Horizont unabhängig ist. Da diese und andere Ergebnisse die Torsionsmechanik nicht weiter aufzuhellen vermögen, so liegt ihr Werth einstweilen auf dem Gebiete des rein That- sächlichen. Das gilt insbesondere auch von dem eigenthümlichen Verlauf der Torsion bei allen Blättern und Blüthen mit längeren Stielen; wie wir Orientirungstorsionen der Blätter und Blüthen. 61 sahen, gelangt hier die Torsion mit dem Einrücken der Blüthen und Blatt- spreiten in ihre normale Lage selten zum Stillstand, sondern sie schreitet an den die Bewegung vermittelnden Organen in basipetaler Richtung weiter fort und geht somit, da sie nach Erreichung eines bestimmten Grades in der früher angegebenen Weise zum Theil wiederum aufgelöst wird, allmählich auf tiefer gelegene Regionen der sich tordirenden Organe über. In mecha- nischer Hinsicht ist auch diese eigenthümliche Erscheinung einstweilen keiner Verwerthung fähig; nur das Zweckmäflsige derselben tritt wenigstens bei den gefiederten Blättern ziemlich klar hervor. Wenn hier einmal die Torsion in der apicalen Region der Mittelrippe beginnt, so ist einleuchtend, dafs dieselbe die letztere gewissermafsen durchwandern und schliefslich auf den basalen, fiederblättchenlosen Stieltheil übergehen mufs, sofern die Fiederblättchen sämmtlich in eine Ebene gebracht werden sollen. Dieser Zweck würde ohne Zuhülfenahme besonderer Mittel nicht erreicht werden, wenn die Torsion in der mit Fiederblättchen versehenen Region der Mittel- rippe stehen bliebe. Wo man in der Litteratur auf die Orientirungstorsionen etwas näher eingeht, findet man gewöhnlich den dorsiventralen Bau der hierher ge- hörigen Organe mit besonderem Nachdruck hervorgehoben; man bekommt dabei zuweilen den Eindruck, als ob die betreffenden Autoren der Meinung seien, dass dieses Moment auch beim mechanischen Zustandekommen der Drehungen eine Rolle spiele. Wenn ein Organ verschieden organisirte und mit verschiedenen Functionen ausgestattete Seiten besitzt, so begreift man, warum dasselbe diese Seiten in bestimmter Weise zu orientiren sucht. Der dorsiventrale Bau lässt daher zwar den Zweck der stattfindenden Bewegung hervortreten, allein für das mechanische Zustandekommen der Torsionen ist jener, wie hier wohl nicht weiter auseinandergesetzt zu werden braucht, ohne Bedeutung. Zudem giebt es bekanntlich eine verhältnifsmäfsig grofse Zahl von Fällen, unter Blüthen sowohl wie unter Blättern, in welchen die dorsiventralen Ge- bilde, nämlich die Blüthen und Blattflächen, auf deren Orientirung es an- kommt, an den hierzu erforderlichen Bewegungen selber keinerlei activen Antheil nehmen; sie werden vielmehr rein passiv in ihre Lage durch Wachs- thumsvorgänge übergeführt, die sich in ihren Stielen abspielen. Diese, die Bewegung ausführenden Organe, lassen aber sehr oft nicht das Geringste eines dorsiventralen Baues erkennen; dies ist beispielsweise der Fall bei 62 SCHWENDENER UND KrABBE: den Blüthenstielen von Aconitum, Delphinium, Cytisus, den Internodien von Philadelphus, Deutzia u. s. w. Die Bewegung gelangt hier jedoch genau in derselben Weise zur Ausführung, wie an Organen mit ausgesprochenem dorsiventralen Bau. Wir haben zum Überflufs noch eine Anzahl hierher gehöriger Organe anatomisch untersucht; es würde jedoch der Charakter dieser Arbeit gänzlich verwischt werden, wollten wir hier auf das Resultat derselben näher ein- gehen, zumal dasselbe zur weiteren Aufklärung der Torsionsmechanik keinerlei Material bietet. Dagegen ist es nicht ausgeschlossen, dafs sich auf diesem Wege unter gleichzeitiger Ausführung bestimmter Experimente entscheiden läfst, ob alle noch wachsthumsfähigen Zellen in gleicher Weise an der Erzielung einer Torsion betheiligt sind, oder ob sich die tordirend wirkenden Wachsthumsprocesse auf bestimmte Zellen beschränken. Da es sich um durch Wachsthum vermittelte Bewegungen handelt, so verhalten sich selbstverständlich alle abgestorbenen Zellen während der Ausführung der Torsion rein passiv; Gleiches gilt wohl auch von allen Zellen, die in dem noch untordirten Organ nur passives Wachsthum zeigen, wie z. B. die Rindenzellen der Internodien von Philadelphus u. s. w. nach Ausbildung eines activ wachsenden Cambiumringes. Möglicher Weise aber sind unter den activ wachsenden Zellen wiederum nur bestimmte der Schwerkraft gegen- über reizempfänglich und daher mit der Function zur Vermittelung gewisser Orientirungsbewegungen ausgestattet. Diese und andere Punkte, auf die wir hier nicht weiter eingehen können, sind offenbar einer experimentellen Lösung zugänglich. vm. Die Bedeutung des Lichtes für das Zustandekommen und den Verlauf der Orientirungstorsionen bei einseitiger Beleuchtung der Organe. Die Frage nach der Rolle, die das Licht beim Zustandekommen gewisser ÖOrientirungstorsionen spielt, findet ihre Beantwortung zum Theil schon durch die in den vorausgehenden Capiteln besprochenen Unter- suchungsergebnisse. Welches auch immer die Bedeutung des Lichtes sein Örientirungstorsionen der Blätter und Blüthen. 63 mag, so viel steht von vornherein fest, dafs alle Torsionen, welche manche zygomorphe Blüthen und die meisten dorsiventralen Blätter zur Erreichung einer bestimmten Lichtlage ausführen, ebensowenig wie die bereits behan- delten geogenen Drehungen aus der Combination von Krümmungen erklärt werden können. Auch sei nochmals daran erinnert, dafs in den Organi- sationsverhältnissen der hierher gehörigen Organe keinerlei Factoren gegeben sind, die tordirend wirken können, weil sonst die Drehungen auch bei Ausschlufs äufserer Richtkräfte auf dem Klinostaten in die Erscheinung treten mülsten. Da alle Pflanzentheile, die sich einseitiger Beleuchtung gegenüber in bestimmter Weise zu orientiren suchen, während der Ausführung der hierzu erforderlichen Bewegungen in der freien Natur unter dem gleichzeitigen Einflufs von Licht und Schwerkraft stehen, so fragt es sich, welche Be- deutung dem Licht in diesen Fällen für das Zustandekommen und den Verlauf der Torsion zugeschrieben werden mufs. Zur Beantwortung dieser Frage ist natürlich in erster Linie eine Kenntnifs derjenigen Bewegungen erforderlich, die eintreten, wenn jede Kraft für sich allein zur Wirkung gelangt. Wie wir bereits wissen, richten die zygomorphen Blüthen unter dem alleinigen Einflufs der Schwerkraft in der Mehrzahl der Fälle ihre Vorderseite von der Spindel hinweg nach aufsen, während die dorsi- ventralen Blätter unter gleichen Verhältnissen ihre morphologische Ober- seite nach oben kehren, immer vorausgesetzt, dafs diese Orientirung nicht schon von Anfang an gegeben ist. Setzt man nun die fraglichen Organe auch der einseitigen Beleuchtung aus, so treten in vielen Fällen die entgegengesetzten Bewegungen von denen ein, welche die Schwerkraft für sich allein bedingen würde. Sofern Krümmungen dazu nicht ausreichen, suchen bekanntlich fast alle dorsiventralen Blätter durch Drehungen ihre morphologische Oberseite senkrecht zum einfallenden Lieht zu stellen; und wir sehen, dafs diese Lage in der Regel ziemlich vollkommen erreicht wird, mag die Schwerkraft hierbei mit dem Licht in gleichem oder ungleichem Sinne wirken. Wo sich nun die Organe in der angegebenen Weise orientiren, ist mit Sicherheit anzunehmen, dafs das Licht wenigstens für die Richtung und das Mafs der Torsionen den allein ausschlaggebenden Factor liefert. Wäre dies nicht der Fall, dann könnte weder die Lichtlage auf kürzestem Wege erreicht werden, noch die Be- wegung jedesmal bei dieser Stellung der Organe zum Stillstand gelangen. 64 SCHWENDENER UND KrABBE: Diese Thatsache würde im Wesentlichen auch dann bestehen bleiben wenn die Drehungen nach den Anschauungen von H. de Vries, Wiesner und Ose. Schmidt durch das Eigengewicht der Blätter zu stande kämen. Denn die durch das Eigengewicht gegebenen Torsionsmomente hören jedesmal auf, eine sichtbare Wirkung zu erzielen, wenn das Blatt mit seiner Oberseite senkrecht zum Lichteinfall gestellt ist; und dies ist, wie schon früher hervorgehoben, unter allen Umständen eine Erscheinung, die nur mit einer specifischen, einstweilen nicht weiter zu erklärenden Lichtwirkung in Beziehung gebracht werden kann. Von verschiedenen Seiten sind allerdings gerade in diesem Punkte entgegengesetzte Anschauungen vertreten worden; man hat die Orientirungs- bewegungen der Blätter unter einseitiger Beleuchtung in sofern rein mecha- nisch zu erklären versucht, als man in der Lichtstellung nichts anderes als eine Gleichgewichtslage zwischen bekannten Richtkräften, wie Geo- tropismus, Heliotropismus, Epinastie u. s. w., erblickte. Der Beweis für diese Behauptung ist jedoch in keinem einzigen Fall erbracht worden; man hat vielmehr in den diesbezüglichen Arbeiten die fragliche Gleich- gewichtslage immer nur in Gedanken construirt, indem man die angenom- menen Richtkräfte so wirken liefs, wie es zur Erzielung der vermeintlichen Gleichgewichtslage nothwendig ist. Eine derartige Auffassung der Ver- hältnisse ist schon aus dem Grunde als verfehlt zu betrachten, weil die Stellungsverhältnisse der Blätter am Sprofs bestimmten Regeln unterworfen sind, während das Licht aus allen möglichen Richtungen kommen kann. Da unter diesen Umständen zwischen den zur Erreichung der Lichtlage auszuführenden Bewegungen in den Einzelfällen weitgehende Differenzen bestehen, so ist es unmöglich, dafs sich die oben genannten Richtkräfte jedesmal bei senkrechter Stellung der Organe zum Licht im Gleichgewicht befinden. Diese Vorstellung würde nur dann einigermafsen berechtigt sein, wenn man mit H. de Vries') die senkrechte Stellung zum Licht nicht als regelmäfsige Erscheinung anerkennt, sondern als eine Lage betrachtet, die zufällig neben vielen anderen vorkommt. Ist nun auch nach dem Vorstehenden von vornherein jeder Zweifel darüber ausgeschlossen, dafs alle zu einer bestimmten Lichtstellung füh- renden Torsionen in ihrer Richtung und Gröfse unter der ausschliefslichen !) Arbeit. des bot. Instituts in Würzburg, Bd. I, p. 238. Orientirungstorsionen der Blätter und Blüthen. 65 Herrschaft des Lichtes stehen, so ist damit natürlich noch keineswegs die Frage nach der Art und Weise des Zustandekommens der Torsionen er- ledigt. Um hierüber Klarheit zu bekommen, wird es die nächste Aufgabe unserer experimentellen Untersuchung sein, zu entscheiden, ob das Licht für sich allein tordirend zu wirken vermag oder ob zur Erzielung von Drehungen die gleichzeitige Mitwirkung anderer Factoren, vor allem der Schwerkraft, nothwendig ist. Ist das letztere der Fall, so fragt es sich weiter, welche Beziehungen zwischen der Wirkung des Lichtes und der- jenigen der Schwerkraft bestehen. An solche Beziehungen ist vor allem dann zu denken, wenn die Blätter während der Ausführung ihrer Orien- tirungsbewegungen zum Licht eine Lage zum Horizont einnehmen müssen, in welcher nach unseren früheren Untersuchungsergebnissen auch die Schwerkraft ihre tordirende Wirkung geltend zu machen sucht. Von Ausnahmefällen abgesehen, erfahren beispielsweise die Blätter an aufrechter Sprofsaxe unter der alleinigen Wirkung der Schwerkraft keine Drehungen, und solche treten auch nicht ein bei allseitig gleichmäfsiger Beleuchtung oder beim Lichteinfall von oben. Kommt aber das Lieht von seitwärts in horizontaler Richtung, so führen alle Blätter, deren Insertions- ebene senkrecht zum Licht steht, zur Erreichung der bekannten Lichtlage Drehungen von 90° aus. Allein es ist anzunehmen, dafs während der Ausführung dieser Orientirungsbewegung auch die Schwerkraft die Blätter zu drehen sucht und zwar in entgegengesetztem Sinne. Um sich hiervon zu überzeugen, braucht man die einseitige Beleuchtung nur aufzuheben oder die Objeete zu verdunkeln, dann wird die vorhandene Drehung, sofern noch Wachsthum stattfindet, von Seiten der Schwerkraft sofort wiederum rückgängig gemacht. — Sehr lehrreiche Beispiele liefern in dieser Beziehung wiederum die Zweige von Philadelphus, Deutzia u. s. w., die durch bestimmte Internodialdrehungen ihre decussirt stehenden Blätter in eine Ebene bringen. Unter der alleinigen Einwirkung der Schwerkraft wird durch Torsion der einzelnen Internodien um 90° die Insertionsebene sämmtlicher Blattpaare horizontal gestellt, während darauf die Blätter dureh Drehungen von 90° ihre morphologische Oberseite nach oben kehren. Unter gleichzeitiger Einwirkung einseitiger Beleuchtung werden nun dem Grade nach dieselben Drehungen ausgeführt, welche Seite auch die beleuchtete sein mag. Fällt das Licht horizontal ein, so dreht sich jedes Internodium in derselben Weise wie unter dem alleinigen Einfluls Phys. Abh. 1892. 1. 9 66 SCHWENDENER UND KRrABBE: der Schwerkraft, nur wird hierbei die Insertionsebene der Blattpaare nicht horizontal, sondern vertical gestellt; zur Erreichung der Lichtlage müssen sodann die einzelnen Blätter gleichfalls Drehungen von 90° ausführen. Das- selbe ist der Fall, wenn man die Zweige von unten beleuchtet. Unter diesen Verhältnissen werden die Blattpaare zunächst wiederum durch Drehungen der Internodien zweizeilig in horizontaler Ebene angeordnet, worauf sich dann die einzelnen Blätter um 90° tordiren, um ihre morphologische Ober- seite nach unten zu kehren. Die Internodien und Blätter der hori- zontalen Zweige mancher Pflanzen zeigen demnach sowohl unter dem alleinigen Einflufs der Schwerkraft, als auch bei gleich- zeitiger Mitwirkung einseitiger Beleuchtung stets dieselbe Tor- sionsgrölse; und es ist hierbei ganz gleichgültig, ob Licht und Schwerkraft die Organe in gleichem oder ungleichem Sinne zu drehen suchen. Die besprochenen Beispiele beweisen in Übereinstimmung mit vielen anderen unsere obige Behauptung, dafs überall, wo es sich um die Einnahme einer bestimmten Lichtlage handelt, das Licht ganz allein nicht nur die Gröfse, sondern auch die Richtung der Drehung bestimmt. Zu entscheiden bleibt nur noch die Frage, wie die Torsionen selber zu stande kommen. Bevor wir in die experimentelle Prüfung dieses Gegenstandes eintreten, mögen in einem kurzen Überblick diejenigen Momente zusammengestellt werden, die nach unseren bisherigen Versuchsergebnissen für die Erklärung der bei einsei- tiger Beleuchtung auftretenden Torsionen überhaupt in Frage kommen können. Am nächsten liegt die Annahme, dafs die Schwerkraft, wenn sich die Organe einseitiger Beleuchtung gegenüber in bestimmter Weise zu orientiren suchen, in ihrer tordirenden Wirkung hinter derjenigen des Lichtes zurück- steht. Unter diesen Umständen ist es allein das Licht, welches unabhängig von der gleichzeitigen Mitwirkung der Schwerkraft die Orientirungstorsionen nach allen Seiten beherrscht; es bedingt nicht nur die Richtung und Gröfse, sondern veranlafst auch das Zustandekommen der Drehungen, indem es in gleicher Weise, wie die Schwerkraft, tordirend wirkende Wachsthumsvor- gänge auszulösen vermag. Wie ohne Weiteres einleuchtet, ist es unter den fraglichen Verhältnissen für die schliefsliche Lage der Organe ganz gleich- gültig, ob die Schwerkraft diese mit dem Licht in gleicher oder entgegen- gesetzter Richtung zu drehen sucht; die Lichtlage wird im ersteren Falle nur schneller erreicht als im letzteren. Orientirungstorsionen der blätter und blüthen. 67 Nun wissen wir über die Intensität, mit welcher die vom Licht und der Schwerkraft indueirten Wachsthumsvorgänge die Organe drehen, nichts Zuverlässiges. Es würden sich aber vielleieht schon dadurch einige Anhalts- punkte gewinnen lassen, dafs man in bestimmten Fällen, so z. B. bei den Zweigen von Philadelphus, jede Kraft für sich allein zur Wirkung gelangen läfst und nun die Schnelligkeit bestimmt, mit welcher die Torsionen aus- geführt werden. Angenommen, die Schwerkraft stelle sieh hierbei als die stärker wirkende Kraft heraus, so sind die zur Erreichung einer günstigen Lichtlage erforderlichen Drehungen in allen Fällen, in welehen Licht und Schwerkraft in Antagonismus mit einander stehen, nur unter der Voraus- setzung möglich, dafs der Geotortismus der Organe und damit auch die tordirende Schwerkraftwirkung unter dem Einflufs des Lichtes eine Schwächung erfährt, und zwar soweit, dafs die Wirkung der Schwerkraft hinter derjenigen des Lichtes zurück- bleibt. Damit ist dann wieder unsere erste Annahme verwirklicht, wonach das Licht ganz allein die Orientirungstorsionen nach allen Seiten beherrscht. Es ist aber auch möglich, dafs das Licht im Gegensatz zur Schwer- kraft aufser stande ist, Torsionen zu veranlassen. In diesem Falle würden auch die zur Erreichung einer Lichtlage erforderlichen Drehungen von Seiten der Schwerkraft verursacht werden; diese würde jedoch zur Ausübung dieser Wirkung erst befähigt sein, nachdem das Protoplasma der sich tordirenden Organe unter dem Einflufs des Lichtes der Schwerkraft gegenüber in einen bestimmten reizempfänglichen Zustand versetzt worden. Wie man aber sofort einsieht, genügt es unter diesen Umständen nicht mehr, dafs die geotortische Empfindlichkeit durch das Licht geschwächt wird, dieselbe mufs vielmehr eine totale Umänderung erfahren, denn die zur Lichtlage führenden Torsionen sind ja in den meisten Fällen entgegengesetzt denjenigen, welche die Schwerkraft für sich allein bedingt. Ohne hier weiter auf diesen Gegenstand einzugehen, sei nur hervorgehoben, dafs die skizzirten Beziehungen zwischen Lieht und Schwerkraft nieht ohne Weiteres in das Reich der Unmöglichkeit zu ver- weisen sind. Wie bereits vor 10 Jahren von Ose. Schmidt!) gezeigt wurde, treten an den Blättern von Phaseolus multiflorus nach Aufhebung ı) Ose. Schmidt, Das Zustandekommen der fixen Lichtlage blattartiger Organe durch Torsion. Berlin 1883. 68 SCHWENDENER UND KRABBE: der einseitigen Schwerkraftwirkung keine Drehungen mehr auf. In den Stahl’schen') Untersuchungen über die Bewegungen der Rhizome von Adoxa u. s. w. handelt es sich zwar nur um Krümmungen, allein die mitgetheilten Beobachtungen gehören doch in sofern hierher, als sie mit aller Sicherheit zeigen, dafs die geotropischen Eigenschaften der fraglichen Organe unter dem Einflufs des Lichtes eine weitgehende Veränderung erfahren. Denn so lange die Rhizome der Beleuchtung ausgesetzt sind, verursacht die Schwerkraft ganz andere Bewegungen, als wenn sie für sich allein zur Wirkung gelangt. Dafs die Rhizome durch die von der Schwerkraft ver- anlafsten Bewegung dem Licht entzogen, während die dorsiventralen Blätter gerade umgekehrt dem Licht zugeführt werden, ist für die Sache, auf die es hier ankommt, von mehr nebensächlicher Bedeutung. Wie wir nachher bei Besprechung des Verhaltens dorsiventraler Blätter auf dem Klinostaten sehen werden, gestatten unsere Ergebnisse noch eine andere Auffassung der Verhältnisse. Wenn auch das Licht in vielen Fällen aulser stande ist, für sich allein tordirend zu wirken, so folgt daraus noch nicht, dafs es die Schwerkraft ist, welche die Torsionen veranlafst. Viel- mehr beweist diese Thatsache nur, dafs die Organe auch unter der Ein- wirkung der Schwerkraft stehen müssen, wenn sie befähigt sein sollen, sich dem Licht gegenüber in bestimmter Weise zu orientiren. Unter dem Einflufs der Schwerkraft werden im Protoplasma diejenigen Zustände geschaffen, die erforderlich sind, damit das Licht tordirend wirkende Wachsthumsvorgänge auszulösen vermag. Trotz aller sonstigen Verschieden- heiten handelt es sich offenbar um ähnliche Verhältnisse bei der neuerdings von A. Fischer”) mitgetheilten Beobachtung, wonach die nyetitropischen Bewegungen von Phaseolus und Lupinus nach Aufhebung der einseitigen Schwerkraftwirkung aufhören sollen. Sollten sich diese Angaben bestä- tigen’), so würde daraus folgen, dafs das Protoplasma nur unter gleich- !) E. Stahl, Einfluls des Lichtes auf den Geotropismus einiger Pflanzenorgane. (Ber. d. deutsch. bot. Gesellsch. Bd. II, p. 383). 2) A. Fischer, Über den Einflufs der Schwerkraft auf die Schlafbewegungen der Blätter (Bot. Zeit. 1890, p. 673 ff.). ®) Zur Entscheidung der Frage, in wieweit die nyctitropischen Bewegungen der Blätter auch von der Schwerkraft abhängig sind, wurden bereits vor der Fischer’schen Veröffent- liehung von uns mit Phaseolus verschiedene Versuche ausgeführt, deren Ergebnils mit den Angaben Fischer’s nicht vollkommen übereinstimmt. Der Gegenstand bedarf jedenfalls erneuter Untersuchung, schon aus dem Grunde, weil Fischer die nach Aufhebung der Orientirungstorsionen der Blätter und Blüthen. 69 zeitiger Einwirkung der Schwerkraft im stande ist, auf den Beleuchtungs- wechsel in normaler Weise zu reagiren. Bei der grofsen Bedeutung der Klinostatenversuche für die richtige Beurtheilung der Licht- und Schwerkraftwirkung auf die Bewegungen der hier in Frage stehenden Organe scheint es uns geboten, der nachfolgenden Besprechung unserer Ergebnisse einige Bemerkungen über die Beschaffen- heit der benutzten Apparate, sowie über die sonstige Art der Versuchs- anstellung vorauszuschicken. — Die Bewegungen, welche die verschiedenen Organe einer Pilanze nach Aufhebung der einseitigen Schwerkraftwirkung ausführen, sind in vielen Fällen so mannigfacher Natur, dafs es nicht immer leicht ist, mit Sicherheit zu entscheiden, wie weit die zu beobachtenden Erscheinungen mit der Elimination der Schwerkraftwirkung zusammen- hängen und wie weit sie in anderen Verhältnissen begründet liegen. Denn die meisten Pflanzen erfahren durch eine länger dauernde Rotation in ihrem normalen Befinden zweifellos eine beträchtliche Störung, so dafs sie schon aus diesem Grunde auf die Einwirkung anderer Factoren nicht mehr mit der Präcision und Regelmäfsigkeit antworten, wie wenn sie unter sonst gleichen Verhältnissen auch dem Einflufs der Schwerkraft unterworfen sind. Jedenfalls ist nach unseren Erfahrungen zur Erzielung brauchbarer Resultate mit grofser Sorgfalt darauf zu achten, dafs sich die Pflanzen, abgesehen von der veränderten Schwerkraftwirkung, auf dem Klinostaten unter genau denselben Bedingungen befinden wie vor der Rotation. Daher empfiehlt es sich z. B. nicht, mit Gewächshaus- oder Freilandpflanzen in Instituts- räumen zu operiren, weil hier trotz Anwendung aller Vorsichtsmafsregeln schon die Temperatur- und Feuchtigkeitsverhältnisse nicht genau dieselben sind, wie an den früheren Standorten der Pflanzen. Um die angedeuteten und etwaige andere Fehlerquellen auf ein möglichst geringes Mafs zu reduciren, entschlossen wir uns, die Klinostaten- versuche direct am Standorte der Versuchsobjecte, im Universitätsgarten, auszuführen. Zu diesem Zwecke wurde eine an einer Seite offene Bretter- einseitigen Schwerkraftwirkung in Folge von Epinastie eintretende weitgehende Änderung in der Stellung der Blätter nicht genügend berücksichtigt hat, von anderen Factoren ganz abgesehen. Dals die Phaseolus-Blätter wenigstens in den ersten Tagen der Rotation ihre Empfindlichkeit einem Beleuchtungswechsel gegenüber nicht verlieren, davon kann man sich durch einen, von Fischer allerdings nicht ausgeführten, sehr einfachen Versuch überzeugen, indem man am Tage über die Versuchsobjeete vorübergehend den Dunkelreeipienten stülpt. 70 SCHWENDENER UND KrABBE: bude errichtet, in welcher die Apparate zum Schutz gegen Regen Platz fanden. Die Versuchsobjecte waren nur dem durch die offene Seite ein- fallenden Licht ausgesetzt, da die Bude innen schwarz angestrichen war. Um die Versuche in der von uns beabsichtigten Weise durchführen zu können, erwiesen sich die bisher gebräuchlichen Klinostate sehr bald als unzureichend. Die geringe Federkraft derselben ist hauptsächlich der Grund, weshalb man sich in den bisherigen Versuchen fast ausschliefslich auf Keimpflanzen, abgeschnittene Pflanzentheile oder Topfpftlanzen von geringem Gewicht beschränken mufste. Aus verschiedenen Gründen lag uns daran, in der Wahl der Objeete möglichst weiten Spielraum zu ge- winnen und die Untersuchungen auch auf gröfsere, z. B. strauchartige Pflanzen ausdehnen zu können, da hier die Orientirungstorsionen in be- sonders ausgeprägter Form zur Beobachtung gelangen. Da abgeschnittene Pilanzentheile fast stets unbrauchbare Ergebnisse liefern, so mufsten die Apparate "befähigt sein, die Pflanzen in toto mit dem oft ziemlich schweren Blumentopf zu drehen. Zur Erzielung einer solchen Leistungsfähigkeit wurden von dem hiesigen Mechaniker Heele zwei grofse Apparate mit bedeutender Federkraft angefertigt. Da dieselben bereits in der Zeitschrift für Instrumentenkunde 1885, Heft 4, — jedoch ohne die später an- gebrachten Veränderungen, — beschrieben sind, so genügen hier ein paar orientirende Bemerkungen. Bei richtiger Benutzung der zum Üentriren und Contrebalaneiren der Versuchsobjeete angebrachten Vorrichtungen vermögen unsere Apparate mehrere Kilogramm schwere Töpfe mit Leichtigkeit zu drehen; dabei zeigen sie einen überaus gleichmäfsigen und so ruhigen Gang, dafs auch die geringste Erschütterung der Objeete vermieden ist. Die Rotationsgeschwindigkeit läfst sich innerhalb weiter Grenzen beliebig bestimmen, so dafs ein Umlauf der Rotationsaxe alle Werthe von 10 bis 60 Minuten erreichen kann. In unseren Versuchen erfolgte eine Um- drehung gewöhnlich in 30 Minuten, wobei die Apparate etwa 36 bis 40 Stunden laufen. Von der geringen Federkraft und anderen Momenten abgesehen, liegt ein fühlbarer Mangel in der Construction der kleineren Klinostate auch in dem Umstande, dafs die zur Aufnahme der Versuchsobjecte bestimmte Rotationsstange unbeweglich an die zapfenförmige Verlängerung einer der Laufaxen des Uhrwerks festgeschraubt wird. Das bedingt bei etwäs schwereren Gewichten leicht Verbiegungen der Axen und Störungen im Orientirungstorsionen der blätter und Blüthen. 71 Gange des Apparates, und aufserdem ist eine Änderung in der Lage der Rotationsstange nicht möglich ohne gleichzeitige Lagenänderung des Gang- werkes. Um die Rotationsaxe in ihrer Lage von derjenigen des Gangwerkes unabhängig zu machen, wurde dieselbe mit einem Hook’schen Gelenk (Kugelgelenk) versehen. Bezüglich weiterer Einzelheiten sei schliefslich nochmals auf die eitirte Beschreibung in der Zeitschrift für Instrumenten- kunde verwiesen. l. Versuche mit zygomorphen Blüthen. Dafs sich Blüthen einseitiger Beleuchtung gegenüber in bestimmter Weise zu orientiren suchen, ist im Allgemeinen wohl als eine oft vor- kommende Erscheinung zu betrachten; die Fälle sind jedoch selten, in welchen die Lichtlage ausschliefslich durch Drehungen der Stiele oder an- derer Organe (z.B. Fruchtknoten) erreicht wird. Wie schon in einem frü- heren Capitel kurz hervorgehoben wurde, sind unter den Pflanzen mit zygomorphen Blüthen besonders verschiedene Arten der Gattung Viola dadurch ausgezeichnet, dafs ihre Blüthen bei einseitiger Beleuchtung stets ausgesprochene Drehungen zeigen. Es ist uns bisher nieht gelungen, zur Lösung der Frage nach der Bedeutung des Lichtes für das Zustandekom- men von Drehungen unter den zygomorphen Blüthen günstigere Objeete zu finden als V. tricolor und altaica, das Folgende bezieht sich daher aus- schliefslich auf diese Pflanzen. Die morphologischen Verhältnisse von V. tricolor und altaica sind so bekannt, dafs wir uns hier auf die Hervorhebung dessen beschränken können, was zum Verständnifs der auf dem Klinostaten auftretenden Er- scheinungen nothwendig ist. V. tricolor blüht bekanntlich mehrere Monate hindureh, indem in den Blattachseln des fortwachsenden Sprofsseheitels fast ununterbrochen neue Blüthen entstehen, während gleichzeitig die tiefer stehenden verblühen und reife Samen entwiekeln. Viola trieolor ist daher schon aus dem Grunde ein vorzügliches Untersuchungsobjeet, weil die älteren Sprosse mit Blüthen in allen möglichen Entwickelungsstadien ver- sehen sind. Die nach der */, Stellung angeordneten Blüthen werden im Stadium der Entfaltung an lebhaft wachsenden Sprossen stets von mehrere Centimeter langen Stielen getragen, die in ihrem oberen Theile, einige Millimeter unterhalb der Blüthe, hakenförmig nach abwärts gekrümmt sind, AD, SCHWENDENER UND KrRABEBE: und zwar bei allseitig gleichmäfsiger Beleuchtung stets so, dafs die Blüthe mit ihrer Vorderseite von der Sprofsaxe hinweg nach aufsen sieht. In ver- ticaler Richtung sind die einzelnen Blüthen durch 2 bis 5°” lange Sprofs- internodien von einander getrennt, die zusammen jedoch keine gerade, sondern eine ziekzackförmige Linie bilden, da jedes Internodium an der Ansatzstelle eines Blattes nach der gegenüberliegenden Seite abgelenkt ist (Fig. 10 Taf. II). Dabei ist der Winkel, den die Internodien mit der Ver- ticalen bilden, gröfser als der Winkel zwischen dieser und den Blüthen- stielen; diese besitzen daher eine ziemlich senkrechte Stellung, die auch bei einseitiger Beleuchtung nicht verloren geht (Fig. 10). Nur führen unter diesen Umständen alle nicht an der Lichtseite der Sprosse inserirten Blüthen so lange Drehungen aus, bis sie mit ihrer Vorderseite ziemlich senkrecht gegen das einfallende Licht orien- tirt sind, wie dies an dem in Fig. 10 Taf. III dargestellten Beispiel zu sehen ist. Das gezeichnete Sprofsstück entspricht nur insofern nicht genau der Wirklichkeit, als die drei Blüthen um 90° (statt um 144°) der Kreis- peripherie von einander abstehen. Während für die Blüthe 5 die Licht- lage von vornherein gegeben war, mulste a zur Erreichung derselben eine Drehung von 90°, und c eine solche von 180° ausführen. Die Drehung beginnt hierbei, wie schon früher hervorgehoben, stets unmittelbar unter- halb der hakenförmigen Krümmung, im geraden Theil des Stieles, um von hier aus basipetal weiter fortzuschreiten. Kommt es dabei vor, dafs die Stiele, auch wenn die Blüthe bereits in die Lichtlage eingerückt ist, ihre Drehung basalwärts noch weiter fortsetzen, so wird diese im oberen Theil des Stiels wiederum rückgängig gemacht, wie dies in einem früheren Capitel für andere Objecte ausführlich dargelegt ist. Hier sei nur zur Erinnerung an diese Verhältnisse auf das im Fig. 11 Taf. III wiedergegebene Beispiel hingewiesen, in welchem sich die 180° betragende Drehung auf die basale Region ab beschränkt; der obere Stieltheil dc, der jetzt ungedreht ist, zeigte in einem früheren Stadium dieselbe Torsion wie «ab. Da die Geschwindigkeit der Orientirungsbewegung von dem Grade der zur Herbeiführung der Lichtlage erforderlichen Drehung, von der Wachs- thumsintensität der Blüthenstiele und anderen Verhältnissen abhängig ist, so kann dieselbe natürlich nicht in allen Fällen dieselbe sein. Nach ver- schiedenen Versuchen gebrauchten die an der Schattenseite des Sprosses inserirten Blüthen zur Erreichung ihrer Lichtstellung, also zur Ausführung Orientirungstorsionen der blätter und Blüthen. 73 einer Drehung von 180°, etwa 4 bis 5 Tage. Dabei beginnen die Blüthen auf die einseitige Beleuchtung erst zu reagiren, wenn sie dem Stadium ihrer Entfaltung nahe kommen. Nicht unerwähnt mag bleiben, dafs die Blüthen, der direeten Beson- nung ausgesetzt, dem Stande der Sonne mehr oder weniger vollkommen folgen. Auf einem nach Osten, Süden und Westen frei gelegenen Beete sind daher unter direeter Besonnung alle Blüthen am Morgen nach Osten und des Abends nach Westen gerichtet, um nach Sonnenuntergang eine Rückwärtsbewegung auszuführen. Auf die Lichtlage im diffusen Tageslicht, auf die es hier ankommt, sind indessen diese Verhältnisse ohne wesent- lichen Einflufs; bekommen die Pflanzen das Licht ziemlich einseitig, z. B. aus Süden, so erfahren alle an der Nordseite der Sprosse stehenden Blüthen Drehungen von 180°, und diese bleiben unverändert bestehen, abgesehen von den täglichen Schwankungen in Folge directer Besonnung. Die zu den Klinostatenversuchen benutzten Pflanzen wurden zur Ver- meidung von Wurzelverletzungen jedesmal mit grofsem Erdballen den Garten- beeten entnommen und in weite Blumentöpfe gesetzt, um darauf nach eini- gen Tagen mit Ausschlufs der Controlexemplare der Rotation ausgesetzt zu werden. Damit die Sprosse während der Aufhebung der einseitigen Schwer- kraftwirkung keine heliotropische Krümmungen auszuführen vermögen, müssen dieselben natürlich an senkrechten Stäben in verschiedenen Höhen befestigt werden, und zwar so, dafs sie sich während der interealaren Streckung leicht nach oben verschieben können. Da vor jedem Versuch sämmtliche bereits entfalteten Blüthen entfernt wurden, so konnten von vornherein nur solche Blüthen in Frage kommen, die ihren Entwicklungs- gang entweder vollständig oder doch in dem Theile, auf den es hier an- kommt, auf dem Klinostaten durchmachten. Schliefslich braucht wohl kaum noch besonders bemerkt zu werden, dafs die Pflanzen so an der horizontal gerichteten Rotationsaxe der Apparate befestigt wurden, dafs sie mit ihrer Sprofsaxe eine zum Lichteinfall senkrecht stehende Kreisfläche beschreiben mulsten. Bevor wir nun auf das Verhalten der Ptlanzen eingehen, welches für die Entscheidung der Frage nach der Bedeutung des Lichtes für das Zu- standekommen der Stieldrehungen vor allem in Betracht kommt, seien einige Erscheinungen besprochen, die wenigstens insofern nicht ohne Be- deutung sind, als sie den äufseren Charakter der auf dem Klinostaten auf- Phys. Abh. 1892. 1. 10 74 SCHWENDENER UND KRABBE: tretenden Bewegungen in hohem Mafse beeintlussen. Lebhaft wachsende Pilanzen erfahren auf dem Klinostaten in ihrem Aussehen oft innerhalb 12 Stunden eine so weitgehende Veränderung, dafs sie mit Exemplaren, die gleichzeitig auch der Einwirkung der Schwerkraft ausgesetzt waren, kaum noch zu vergleichen sind. Die Hauptursachen dieser habituellen Veränderung resultiren aus epinastischen und heliotropischen Krümmungen der Blätter und Blüthen, die aufserhalb des Klinostaten an aufrecht stehen- den Sprossen aus naheliegenden Gründen entweder gar nicht möglich sind oder doch nicht in der ausgesprochenen Form auftreten, wie nach Elimi- nation der einseitigen Schwerkraftwirkung. In Folge der ungehindert zur Wirkung kommenden Epinastie krümmen sich auf dem Klinostaten alle noch wachsthumsfähigen Blätter nach rückwärts, oft so weit, dafs sie mit ihrem Scheitel die Sprofsaxe berühren und sich seitlich an derselben vor- beischieben (Fig. 9 Taf. II). Auch die Blüthenstiele sind wenigstens in der basalen Region in geringem Mafse epinastisch; daher erfährt der Winkel zwischen Blüthenstiel und Sprofsaxe während der Rotation eine kleine Vergröfserung. Wichtiger jedoch sind die ausgesprochenen heliotropischen Krümmungen, die zu den epinastischen hinzukommen und in erster Linie die Form- verhältnisse und Bewegungen der Blüthenstiele bestimmen. Es ist klar, dafs das Verhalten der letzteren verschieden sein muls, je nachdem die Rücken- oder die Bauchseite oder eine der Flanken das Licht empfängt. Die an der Lichtseite der Sprosse stehenden Blüthen führen aufserhalb des Klinostaten keinerlei Bewegungen aus; sie befinden sich ja von vorn- herein in der Lichtlage, und erhebliche heliotropische Krümmungen der Stiele sind schon aus dem Grunde nieht möglich, weil sie durch die ent- gegengesetzte Wirkung der Schwerkraft verhindert werden. Nach Auf- hebung der letzteren zeigen jedoch die an der Bauchseite beleuchteten Blüthenstiele in Folge gleichsinniger Wirkung von Epinastie und Heliotropismus intensive Abwärtskrümmungen, die oft so weit gehen, dafs die Stiele fast eine horizontale Lage annehmen und nunmehr parallel zu den einfallenden Lichtstrahlen orientirt sind (Fig. 6, 13 Taf. ID). Da die hakenförmige Krümmung im oberen Theil der Stiele auf dem Klinostaten wenig oder gar nicht beeinflufst wird, so werden die Blüthen durch die angegebene Stielbewegung aus der bereits eingenommenen Lichtstellung entfernt und in eine Lage gebracht, in welcher sie mit ihrer Vorderseite nach unten 7 oa Orientirungstorsionen der blätter und Blüthen. resp. nach der Sprolsbasis gerichtet sind (Fig. 13 Taf. II). Aus dieser Stellung werden jedoch die Blüthen in den meisten Fällen wieder in die Lichtlage zurückgeführt, und zwar theils durch Verflachung der haken- förmigen Krümmung, theils dadurch, dafs sich dieht unter der Ansatzstelle der Kelchblätter, auf eine verhältnifsmäfsig kleine Region beschränkt, eine heliotropische Krümmung bildet, wodurch jedoch der Charakter der haken- förmigen Krümmung wenig beeintlufst wird. Was nun alle diejenigen Blüthen betrifft, deren eine Flanke das Licht empfängt, so sei hier nur bemerkt, dafs dieselben der Regel nach durch stärkeres Wachsthum der unbeleuchteten Seite zunächst aus der Median- ebene in der Richtung nach dem Licht verschoben werden, in der Weise etwa, wie es Fig. 12 Taf. II für ein noch jugendliches Entwickelungs- stadium veranschaulicht. Von viel gröfserem Interesse ist jedoch das Verhalten der an der Schattenseite der Sprosse inserirten Blüthen, deren Dorsalseite die be- leuchtete ist. Epinastie und Licht, soweit dieses Krümmungen bedingt, wirken hier in entgegengesetzter Richtung, und da das Licht die stärkere Wirkung zu erzielen vermag, so bekommen die Stiele in ihrem geraden Theile zunächst eine flache, bogenförmige Rückwärtskrümmung (Fig. 9 Taf. ID). In manchen Fällen werden die Blüthen in Folge dieser Stiel- krümmung rückwärts an die Sprofsaxe angedrückt und zuweilen eine Strecke an derselben nach der gegenüberliegenden Seite vorbeibewegt. Damit sind dann aber auch die Grenzen der krümmenden Liehtwirkung erreicht; die- selbe geht niemals soweit wie bei den Blüthen, deren Ventralseite dem Licht zugekehrt ist. Die an der Dorsalseite beleuchteten Blüthen sind deshalb von so grofsem Interesse, weil sie zur Frreichung der Lichtlage aufserhalb des Klinostaten stets Drehungen von 180° ausführen, die in dieser ausgesprochenen Form auch bei gleichzeitigem Auftreten anderer Bewegungsformen der Beobachtung nicht entgehen können. Wie nun ohne Weiteres einleuchtet, sind zur Erreichung der Lichtlage für die Viola-Blüthen auf dem Klinostaten genau dieselben Bewegungen erforderlich wie aufserhalb desselben, was für die dorsiventralen Blätter, wie wir nachher sehen werden, nicht immer zutrifft. Zwar können die an der Schattenseite der Sprosse inserirten Blüthen auch durch intensive Zurückkrümmungen in die Lichtlage übergeführt werden, sie kommen dabei jedoch, wie eine Betrachtung der Fig. 9 sofort zeigt, 10* 76 SCHWENDENER UND KRrRABBE: in inverse Lage. Denn krümmt sich der Stiel in Fig. 9 noch weiter zurück, bis die Blüthe mit ihrer Vorderseite senkrecht zum Lichteinfall orientirt ist, so sieht der Scheitel 5 in Bezug auf die Sprofsaxe nach unten; die Blüthe hat damit eine Lage erhalten, wie sie in der freien Natur niemals vorkommt. Unsere Untersuchungen ergeben nun für die Viola-Blüthen die wichtige Thatsache, dafs auf dem Klinostaten im Allgemeinen genau die- selben Drehungen auftreten wie in den Fällen, in welchen die Versuchsobjeete gleichzeitig auch unter der Einwirkung der Schwerkraft stehen. Zur Illustration dieses Gegenstandes wird es ge- nügen, wenn wir aus der Reihe der diesbezüglichen Versuche einige hier in Kürze anführen, unter Fortlassung aller bereits besprochenen Erscheinungen. 1. — Versuchsdauer 6 Tage. Die bereits entfalteten Blüthen wurden vor der Rotation weggeschnitten. Während des Versuchs gelangten an den verschiedenen Sprossen 10 Blüthen zur vollen Entfaltung; daneben hatten sich mehrere Knospen bereits so weit entwickelt, dafs sie einige Centimeter lange Stiele besafsen. Von den 10 entfalteten Blüthen standen 4 ziemlich genau an der Lichtseite der Sprosse; sie zeigten dementsprechend zwar starke heliotropische Krümmungen, aber keine Torsionen. 3 Blüthen standen an der Schattenseite der Sprosse; sie mulsten daher zur Er- reichung der Lichtlage Drehungen von 180° ausführen, die auch in allen drei Fällen ziemlich genau eingetreten waren, unter Begleitung von starken heliotropischen Krümmungen. Die 3 mit Bezug auf den Lichteinfall seit- lich an den Sprossen stehenden Blüthen hatten gleichfalls durch Dre- hungen ihrer Stiele die Lichtlage erreicht. 2. — Versuchsdauer 8 Tage. Alle bereits entfalteten Blüthen wurden vorher entfernt. Während des Versuchs brachten 20 Blüthen ihre Krone zur vollen Entfaltung. Unter diesen zeigten die an der Bauchseite be- leuchteten keine Drehungen, während von den an der Dorsalseite be- leuchteten Blüthen 3 Torsionen von genau 180° zeigten. Zwei gleichfalls an der Schattenseite der Sprosse stehende Blüthen hatten sich jedoch nicht tordirt, sondern die Lichtlage durch intensive Zurückkrümmungen erreicht. 3. — Versuchsdauer 8 Tage. Während der Rotation gelangten 12 Blü- then zur Entfaltung, darunter 4 mit deutlichen Stieltorsionen von ca. 9 bis 150°. 6 Blüthen standen an der Lichtseite der Sprosse, konnten also die Lichtstellung ohne Torsion ihrer Stiele erreichen. Eine von den an Orientirungstorsionen der Blätter und Blüthen. 77 der Rückenseite beleuchteten Blüthen hatte sich nicht tordirt, sondern nur zurückgekrümmt. ohne dabei die Lichtlage zu erreichen. Es wäre überflüssig, in der Aufzählung derartiger Versuche weiter fortzufahren, denn schon die angeführten Beispiele lassen die Thatsache, auf die es hier ankommt, genügend klar hervortreten. Wenn auch die Blüthen auf dem Klinostaten ihre Drehungen nicht mit der Regelmäfsig- keit wie unter dem gleichzeitigen Einflufs der Schwerkraft ausführen, so kann doch nach dem Vorausgehenden kein Zweifel darüber bestehen, dafs das Lieht ganz allein im stande ist, Torsionen zu veranlassen. Während unter den an der Rückenseite beleuchteten Blüthen einige keine Drehungen ausführten, konnten solche in manchen Fällen an den Blüthen der Liehtseite der Sprosse beobachtet werden. Dieses abnormale Verhalten einzelner Blüthen findet zum Theil schon seine Erklärung in dem Um- stande, dafs die Pflanzen während der Rotation auf dem Klinostaten das Licht nicht genau unter demselben Winkel empfangen wie in der freien Natur. Unter der gleichzeitigen Einwirkung der Schwerkraft verharren die einzelnen Blüthen ziemlich unbeweglich an derselben Stelle, während sie an etwas längeren Sprofsaxen auf dem Klinostaten in einem ver- hähnifsmäfsig grofsen Kreis herumgeführt werden. Dazu kommt noch, dafs die Sprofsaxen zur Verhinderung heliotropischer Krümmungen an Stäben befestigt werden müssen; und wenn sie sich auch an diesen während ihres interealaren Wachsthums emporschieben können, so sind doch gelegentliche Verbiegungen und daraus resultirende Stellungsände- rungen der Blüthen zum Licht nicht zu vermeiden. Endlich sei hier an unsere bereits früher hervorgehobene Erfahrung erinnert, nach welcher die Pflanzen durch eine länger dauernde Aufhebung der Schwerkraft offenbar irritirt werden und daher schliefslich in einen Zustand gerathen, in welchem sie überhaupt nicht mehr mit der Präeision auf die Einwir- kung äufserer Factoren reagiren, wie unter der gleichzeitigen Einwirkung der Schwerkraft. Wie dem aber auch sein mag, jedenfalls vermag das gelegentliche Ausbleiben der Drehungen im Allgemeinen nichts an der Thatsache zu ändern, dafs die Blüthen von Viola tricolor mit der Fähigkeit ausgestattet sind, unter der alleinigen Einwirkung des Lichtes bestimmte Orientirungstorsionen auszuführen. Die Schwer- kraft hat hier im Wesentlichen keine andere Aufgabe, als dafs sie die Sprofs- axen und Blüthenstiele in senkrechte Lage bringt und sie in dieser festhält. 78 SCHWENDENER UND KrABBE: Wie die Schwerkraft, so ist demnach auch das Licht im stande, wenigstens an den zygomorphen Blüthen von Viola und in Übereinstim- mung hiermit wohl auch noch in anderen Fällen ohne Mitwirkung anderer Richtkräfte unmittelbar tordirend wirkende Wachsthumsvorgänge auszu- lösen, von deren Natur im Wesentlichen genau dasselbe gilt, was bereits im Capitel über die Entstehungsweise der geogenen Drehungen auseinander- gesetzt ist. Auch das Zustandekommen der heliogenen Drehungen ist nicht anders denkbar, als dafs von Seiten des Lichtes das Membranwachsthum der einzelnen Zellen in einer zur Längsaxe schiefen Richtung gesteigert oder herabgesetzt wird. Da also verschiedene pflanzliche Organe die Fähig- keit besitzen, unter der unmittelbaren Einwirkung des Lichtes nicht blos Krümmungen, sondern auch Drehungen auszuführen, so ist zwischen Heliotropismus und Heliotortismus zu unterscheiden; neben heliogenen Krümmungen existiren heliogene Drehungen. Dafs auch bei allen Orientirungsbewegungen der Organe gegenüber einseitiger Beleuchtung Krümmungen und Drehungen zwei für sich be- stehende Erscheinungen sind, die in keiner ursächlichen Beziehung zu einander stehen, dafür liefern unter anderem die oben besprochenen Klino- statenversuche ein vorzügliches Beweismaterial. Ebensowenig wie die geo- genen Drehungen kann man die heliogenen aus der Combination von Krümmungen ableiten. Während die Viola-Blüthen ihre Orientirungs- bewegungen gegenüber dem Licht aufserhalb des Klinostaten an geraden Stielen ausführen (die obere hakenförmige Krümmung kommt ja nicht in Betracht), gelangen nach Aufhebung der einseitigen Schwerkraftwirkung in fast allen Fällen schon vor der Torsion ziemlich ausgesprochene helio- tropische Krümmungen zur Beobachtung. Wie wir sehen, erfahren bei- spielsweise die an der Schattenseite der Sprosse inserirten Blüthen zu- nächst eine Zurückkrümmung; dann erst wird die Torsion ausgeführt und zwar in derselben Weise, wie aufserhalb des Klinostaten, wo Krümmungen überhaupt nicht in Frage kommen, weil solche nicht entstehen. Dafs der äufsere Charakter der von den Torsionen bedingten Bewegungen von gleich- zeitig auftretenden Krümmungen in hohem Mafse beeinflufst wird, ist selbst- verständlich und bereits in den Untersuchungen über die Schwerkraft- wirkung hinreichend gewürdigt worden. Wie schon am Anfang dieses Capitels bemerkt wurde, scheinen Blüthen, die sich einseitiger Beleuchtung gegenüber in gleicher Weise wie die Viola- Orientirungstorsionen der Blätter und blüthen. 79 Blüthen ausschliefslich durch Drehungen zu orientiren suchen, verhältnils- mäfsig selten zu sein. Dies ist zum Theil erklärlich, wenn man bedenkt, dafs an Torsionen überhaupt nur bei zygomorphen Blüthen zu denken ist, denn die aktinomorphen vermögen durch einfache Krümmungen in ver- schiedenen Ebenen jede beliebige Lage zum Lichteinfall zu erreichen. Wie weit sich die zygomorphen Blüthen anderer Pflanzen in ihrem Verhalten zum Licht der Gattung Viola anschliefsen, bleibt weiteren Untersuchungen zu entscheiden vorbehalten. Dafs es sich hierbei immer nur um vereinzelte Fälle handeln kann, ist schon jetzt klar, denn die Mehrzahl der zygo- morphen Blüthen (so z. B. Aconitum, Delphinium, Serophularia u. s. w.) reagirt auf eine einseitige Beleuchtung überhaupt nicht oder doch in einer Weise, dals von einer tordirenden Lichtwirkung von vornherein nicht die Rede sein kann. Nach unseren Beobachtungen scheinen die Blüthen verschiedener Arten der Gattung Clintonia in gleicher Weise wie die Viola- Arten durch Drehungen ihrer Stiele (Fruchtknoten) eine fixe Lichtlage einzunehmen; das- selbe gilt wohl auch von den Alstroemerien und einigen anderen Pilanzen- gattungen. Es ist aber nicht aufser Acht zu lassen, dafs an den Blüthen der GClintonien und Alstroemerien nicht blos das Lieht, sondern auch die Schwerkraft dreht, indem sie die Resupinationsbewegung der Blüthen veranlafst. Bei Viola liegen in dieser Beziehung die Verhältnisse insofern anders, als bei aufrechter Stellung der Sprosse an den Blüthen nur das Lieht dreht; denn im Dunkeln unter der alleinigen Einwirkung der Schwer- kraft führen die Viola-Blüthen im Gegensatz zu Clintonia und Alstroemeria keine Drehungen aus. Es bliebe freilich noch zu ermitteln, ob die vom Licht verursachten Drehungen der Blüthen von Viola, wenn man sie in's Dunkle bringt, erhalten bleiben oder von Seiten der Schwerkraft wiederum rückgängig gemacht werden. Wäre das letztere der Fall, so würde man allerdings zu der Annahme gezwungen sein, dafs die Viola- Blüthen, während sie in Folge einseitiger Beleuchtung bestimmte Drehungen ausführen, gleich- zeitig unter der entgegengesetzt drehenden Wirkung der Schwerkraft stehen. Auf die Klarlegung dieser Verhältnisse konnten wir um so eher verzichten, als davon die Thatsache, dafs das Licht für sich allein tordirend zu wirken im stande ist, unberührt bleibt. Um die Darstellung möglichst zu vereinfachen, hat im Vorstehenden eine ziemlich wichtige Erscheinung in den Formverhältnissen der Viola- Blüthen keine eingehendere Berücksichtigung gefunden. Es ist dies die 80 SCHWENDENER UND KrRABBE: hakenförmige Abwärtskrümmung des oberen Theils der Stiele, deren Ur- sachen bereits Vöchting in seinen Untersuchungen über die »Bewegungen der Blüthen und Früchte« für V. odorata klar zu legen versucht hat. Vöchting neigt sich der Ansicht zu, dafs die fragliche Abwärtskrümmung erst unter der Einwirkung der Schwerkraft entstehe, die Blüthenstiele von V. odorata daher rectipetal seien, obgleich dies aus den mitgetheilten Ver- suchsergebnissen nicht hervorgeht, denn nach denselben führten die Blüthen- stiele auf dem Klinostaten alle möglichen Bewegungen aus. Für die Blüthen von V. tricolor kann nach unseren Ergebnissen kein Zweifel darüber bestehen, dals die Krümmung unterhalb der Blüthe in inneren Organisationsverhält- nissen begründet liegt und daher unabhängig von äufseren Richtkräften zu stande kommt; denn sie bleibt auf dem Klinostaten nicht nur an Knospen und entfalteten Blüthen, die noch lebhaft wachsen, ziemlich un- verändert bestehen, sondern kommt auch an Blüthen, die auf dem Klino- staten erst angelegt werden, zur Ausbildung. Nach alledem sind die Blüthenstiele von V. tricolor in ihrem oberen Theile nach der Definition Vöchting’s als curvipetal zu bezeichnen. Wären sie rectipetal und daher nur unter der Einwirkung der Schwerkraft krümmungsfähig, so würden auf dem Klinostaten die Blüthen durch die Geradestreekung ihrer Stiele in ihrer Stellung eine so totale Änderung erfahren, dafs sie in dieser Hin- sicht mit den Blüthen aufserhalb des Klinostaten kaum noch verglichen werden könnten. Es ist klar, dafs unter diesen Umständen zur Erreichung der Lichtlage auf dem Klinostaten ganz andere Bewegungen erforderlich sein würden, wie unter gleichzeitiger Mitwirkung der Schwerkraft. Wie jedoch nieht unerwähnt bleiben mag, stützt sich das mitgetheilte Ergebnifs auf Experimente, die direct am Standort der Pflanzen im Freien ausgeführt wurden. Bei einer anderen Reihe von Versuchen, die in In- stitutsräumen mit Freilandpflanzen angestellt wurden, zeigten sich zum Theil alle jene Unregelmäfsigkeiten in den Bewegungen des oberen Theils der Blüthenstiele, wie sie Vöchting für Viola odorata beschreibt und p. 138 allgemein mit den Worten charakterisirt: »Die Wachsthumsvorgänge, welche die mit Blüthen oder Knospen versehenen Stiele am Klinostat beschreiben, verlaufen in verschiedener Art, sind meistens sehr eigenthümlich und oft höchst verwickelt.« Es bleibt hier nach unseren Erfahrungen nur die An- nahme, dafs die von Vöchting beobachteten Erscheinungen gröfsten Theils pathologischer Natur waren und daher mit der Aufhebung der einseitigen Orientirungstorsionen der blälter und Blüthen. 81 Schwerkraftwirkung in keinerlei Beziehung standen. Diese Annahme ist um so mehr gerechtfertigt, als Vöchting zu seinen Versuchen nicht einmal Topfexemplare, sondern abgeschnittene Rhizome und Stengelstücke be- nutzte, die an Korkplatten befestigt wurden. 2. Versuche mit dorsiventralen Blättern. Während Torsionen, die von wachsenden Pflanzentheilen zur Er- reichung einer bestimmten Lichtstellung ausgeführt werden, in der Litte- ratur bei zygomorphen Blüthen höchstens gelegentliche Erwähnung finden, sind die unter einseitiger Beleuchtung auftretenden Orientirungsbewegungen dorsiventraler Blätter wiederholt Gegenstand der Untersuchung gewesen. Hier sind jedoch nur diejenigen Arbeiten von Interesse, in welchen zur Lösung unseres Problems auch der Klinostat zu Hülfe gezogen wurde, denn es liegt auf der Hand, dafs man die Bedeutung des Lichtes für die Blattbewegungen nur richtig beurtheilen kann, wenn man die Erscheinungen kennt, die bei Ausschlufs aller übrigen Richtkräfte unter dem alleinigen Einflufs des Lichtes auftreten. Derartige Versuche liegen bereits von Osc. Schmidt,' Fr. Darwin,’ Vöchting?’ und Krabbe vor, allein gerade in dem für uns wichtigsten Punkte, in der Frage nach dem Zustande- kommen der Torsionen, ist ein übereinstimmendes Ergebnifs nicht erreicht worden. Objeetiv ist es allerdings nicht ganz zutreffend, bezüglich der Torsionen von einer Nichtübereinstimmung zwischen den genannten Autoren zu sprechen, weil in den von Vöchting und Darwin behandelten Fällen die Lichtlage durch blofse Krümmungen erreicht werden konnte. Vöchting betont indessen Osc. Schmidt gegenüber ausdrücklich, dafs es auch »helio- tropische Torsionen« gebe, ohne indessen diese Behauptung näher zu er- läutern und zu begründen. ? Obgleich nun alle Krümmungserscheinungen hier von nebensächlicher Bedeutung sind, verdient es doch in anderer Hinsicht hervorgehoben zu 1) Öse. Schmidt, Das Zustandekommen der fixen Lichtlage durch Torsion. Berlin 1883. ?) Fr. Darwin, On the power possessed by leaves of placing themselves at right angles to the direction of incident light. (Journal of the Linnean Soeiety, vol. XVIH, 1881). 3) H. Vöchting, Über die Lichtstellung der Laubblätter. (Bot. Zeit. 1888, p. 501.) 4, G. Krabbe, Zur Kenntnils der fixen Lichtlage der Laubblätter (Pringsheim’s Jahrb. Bd. 22). Phys. Abh. 1892. T. 11 82 SCHWENDENER UND KrABBE: werden, dafs nach den übereinstimmenden Angaben obiger Autoren die Lichtlage durchweg auch auf dem Klinostaten eintritt, wenn zur Erreichung derselben einfache Krümmungen genügen. Damit wird wiederum die von verschiedenen Seiten vertretene Anschauung widerlegt, wonach die Licht- stellung der Blätter nichts anderes als eine Gleichgewichtslage zwischen den verschiedenen auf die Blattbewegungen einwirkenden Richtkräften repräsentiren soll. Wäre diese Anschauung richtig, dann dürfte die Licht- lage auf dem Klinostaten überhaupt nicht oder nur zufällig eintreten, weil man durch denselben Kräfte ausschaltet, deren Mitwirkung zur Erreichung jener Lage nothwendig sein soll. Zur Besprechung unserer eigenen Versuche übergehend, bemerken wir zunächst ganz allgemein, dafs die verschiedenen Pflanzenarten in ihrem Verhalten auf dem Klinostaten ziemlich erheblich von einander abweichen, und dafs weiterhin die Blattbewegungen derselben Pflanze ungleich sind, je nach der Stellung, welche die Blätter der einseitigen Beleuchtung gegen- über einnehmen. Um bei dieser Mannigfaltigkeit der Erscheinungen ermü- dende Einzelbeschreibungen möglichst zu vermeiden, sollen die Bewegungen nach den Pflanzen mit gleichem Verhalten bei gleicher Stellung zum Licht kurz besprochen werden. Wie in so vielen anderen Beziehungen, so liefern auch zur Lösung unseres Problems die mit Gelenkpolstern versehenen Leguminosen ziemlich günstiges Untersuchungsmaterial. Unsere Versuche wurden daher zunächst mit Vertretern dieser Pilanzenfamilie, und zwar vorwiegend mit Phaseolus multiflorus und Soja hispida ausgeführt. Beide Pflanzen stimmen bekannt- lieh darin überein, dafs auf die beiden einfachen, opponirt stehenden Pri- mordialblätter dreigetheilte Blätter folgen. Sobald jedoch die letzteren in einiger Anzahl vorhanden sind, hat die Sprofsaxe meistens eine solche Länge erreicht, dafs Versuche, in welchen die Pflanze mit ihrer Axe als Radius einen Kreis beschreiben mufs, nur noch mit Schwierigkeiten auszuführen sind. Daher haben wir uns vorwiegend darauf beschränkt, das Verhalten der Primordialblätter festzustellen. An normal wachsenden, aufrecht stehenden Exemplaren von Soja und Phaseolus bilden die Stiele der primordialen Blätter mit dem Sprofs nach oben einen Winkel von etwa 45°; und da beim Lichteinfall von oben der Winkel zwischen der Verlängerung des Blattstiels und der Lamina gleich- falls annähernd 45° beträgt, so ist diese in fast horizontaler Lage ziemlich Orientirungstorsionen der blätter und blüthen. 83 rechtwinklig zum einfallenden Licht orientirt. Die Blätter besitzen unter diesen Verhältnissen eine Stellung, wie sie durch die Skizze in Fig. 1 Taf. II veranschaulicht wird. — Läfst man nun das Licht, statt senkrecht von oben, horizontal und zwar annähernd senkrecht zur Insertionsebene der beiden opponirten Blätter einfallen, so tritt im oberen Polster und im Blattstiel, sofern derselbe noch wächst, eine Drehung von 90° ein, wodurch die Blattflächen ihre frühere senkrechte Stellung zum einfallenden Licht wiedergewinnen. Diese Orientirung veranschaulicht Fig. 3 Taf. III, in welcher die Blattflächen in der Ebene des Papiers liegen, während das Lieht senkrecht zu diesem einfällt. Ganz anders gestalten sich nun die Blattbewegungen, wenn man Soja- und Phaseolus-Pflanzen mit der Blattstellung von Fig. 1 mit ihrer Sprofsaxe auf dem Klinostaten eine senkrecht stehende Kreisfläche beschreiben läfst, während das Licht ziemlich senkrecht zur Insertionsebene der Blätter ein- fällt. Die Beleuchtung der Blätter ist unter diesen Umständen genau die- selbe wie in Fig. 3, nur mit dem Unterschiede, dafs die einseitige Schwer- kraftwirkung eliminirt ist. Bevor die Blätter der einseitigen Beleuchtung gegenüber in sichtbarer Weise reagiren, gelangen Bewegungen zur Aus- führung, wodurch die Blätter die in Fig. 2 angegebene Stellung erhalten; dieselbe ist, wie man sofort sieht, eine total andere wie in Fig. 1 und 3. Sobald man die einseitige Schwerkraftwirkung aufhebt, kommt in der Medianebene die Epinastie zur ungehinderten Wirkung; beide Blattpolster, sowohl das an der Basis des Blattstieles wie das am Grunde der Blatt- fläche, sind in hohem Grade epinastisch. Während sich der Blattstiel in Folge der Epinastie seines unteren Polsters so weit abwärts bewegt, dafs er rechtwinklig von der Sprofsaxe absteht, wird der Winkel zwischen La- mina und Blattstiel in Folge des gleichen Verhaltens des oberen Polsters ebenfalls zu einem rechten. Die Blätter erhalten dadurch die in Fig. 2 Taf. III angegebene Stellung, in welcher die Blattspreite mit ihrem Scheitel senkrecht nach abwärts gerichtet und ziemlich parallel zum einfallenden Licht orientirt ist. Damit sind in Kürze die Bewegungen charakterisirt, die unter den angegebenen Verhältnissen an den primordialen Blättern von Soja und Pha- seolus vegelmäfsig zur Beobachtung gelangen, abgesehen von geringen indi- viduellen Schwankungen und von den Verschiedenheiten, die mit dem Ent- wickelungsstadium der Blätter zusammenhängen. In manchen Fällen, zumal 1M® 54 SCHWENDENER UND KrRABBE: bei älteren Blättern, wird die rechtwinklige Stellung der Blattstiele zum Sprofs nicht vollständig erreicht, während die Bewegung bei jüngeren Blättern über diese Lage hinausgeht. Das sind jedoch Abweichungen untergeordneter Natur. Man vergegenwärtige sich nun einmal, dafs das Licht auch auf dem Klinostaten an den Blättern mit der Stellung von Fig. 2 dieselben Drehungen hervorrufe wie aufserhalb des Klinostaten an den Blättern mit der Stellung, wie sie Fig. 1 veranschaulicht, was würde dadurch erreicht werden? Wie eine Betrachtung der Fig. 2 sofort lehrt, würde die Blattspreite durch eine Drehung des Blattstieles einfach im Kreise herumgeführt werden, ohne dadurch ihre parallele Stellung zum Lichteinfall zu verlieren. Die Blätter sind unter diesen Verhältnissen aufser stande, durch Drehungen ihrer Stiele und Polster die Spreite rechtwinklig zum Lichteinfall zu orientiren. Und es mag schon hier ganz allgemein hervorgehoben werden, dafs nach Aus- schlufs der einseitigen Schwerkraftwirkung an den Blättern von Soja und Phaseolus niemals Torsionen eintreten. Trotzdem wird die Lichtlage auch auf dem Klinostaten ziemlich voll- kommen erreicht, wenn auch in ganz anderer Weise, wie unter gleichzeiti- ger Mitwirkung der Schwerkraft. Nachdem die Blätter anf dem Klinostaten dureh die Epinastie der beiden Gelenkpolster in die durch Fig. 2 angegebene Lage gebracht sind, tritt in dem oberen Gelenkpolster, und sofern der Stiel noch wächst, gleichzeitig auch in diesem eine heliotropische Krümmung ein, durch welche die Lamina schräg nach vorn dem Licht zugewandt wird, wie an Fig. 4 zu sehen ist. Es kommt also darauf an, zwischen der Lichtlage und den Bewegungen, durch welche sie erreicht wird, strenge zu unterscheiden, weil, wie wir sehen, die Pilanze zur Erreichung desselben Endziels unter verschiedenen Bedingungen verschiedene Wege benutzt. Dafs die primordialen Blätter von Phaseolus bei der hier in Betracht kommenden Stellung zum Licht auf dem Klinostaten keine Drehungen ausführen, ist bekanntlich schon von Ose. Sehmidt constatirt worden. Seine Behauptung, dafs auch die Lichtlage auf dem Klinostaten nicht ein- getreten sei, stimmt jedoch mit unseren Beobachtungen nicht überein. Da Öse. Schmidt die soeben skizzirten epinastischen Bewegungen gar nicht er- wähnt, so hat er denselben entweder nicht die nöthige Beachtung geschenkt oder mit nicht normal wachsendem Untersuchungsmaterial operirt. Die letztere Annahme liegt jedenfalls nahe, wenn man bedenkt, dafs die Schmidt’schen Orientirungstorsionen der Blätter und Blüthen. 85 Pilanzen zur Winterszeit im Gewächshause gezogen wurden, um darauf in einem Raume mit anderen Temperatur- und Feuchtigkeitsverhältnissen zu den Experimenten benutzt zu werden. Bevor wir nun in der Mittheilung unserer Beobachtungen weiter fort- fahren, mag schon hier in Kürze die Frage diseutirt werden, ob und wie die besprochenen Erscheinungen zu erklären sind. Wir sind von einer Stellung der Blätter ausgegangen, wie sie Fig. 1 zur Anschauung bringt. Unter dem alleinigen Einflu(s der Schwerkraft erfahren die Blätter bei dieser Stellung keine Drehung, und eine solche tritt auch nieht ein beim Licht- einfall von oben. Läfst man aber das Licht horizontal, senkrecht zur Insertionsebene der Blätter, einfallen, so führen diese aufserhalb des Klino- staten Drehungen von 90° aus, während sie bei der gleichen Stellung zum Licht auf dem Klinostaten untordirt bleiben. Es liegt auf der Hand, dafs an eine exact wissenschaftliche, d.h. causal mechanische Erklärung dieses eigenthümlichen Verhaltens der Blätter einstweilen nicht zu denken ist. Nur soviel steht fest, weil dies ja un- mittelbar aus den mitgetheilten Beobachtungen folgt, dafs die Drehungen nur möglich sind, wenn sich die Blätter unter dem gleichzeitigen Eintlufs von Licht und Schwerkraft befinden, und dafs darum zwischen diesen beiden Richtkräften irgendwelche Beziehungen bestehen. Wir sind indessen streng genommen nicht einmal im stande, über die Natur dieser Beziehungen sichere Auskunft zu ertheilen. Denn die Art und Weise der gegenseitigen Beeinflussung von Licht- und Schwerkraft ist von bestimmten Vorgängen im lebenden Protoplasma abhängig, in welche uns einstweilen jeder tiefere Einblick versagt ist. Durch unsere Versuche wird nun zunächst die allgemeine Thatsache constatirt, dafs entweder unter dem Einflufs des Lichtes die Empfindlich- keit des Protoplasmas gegenüber der Schwerkraft eine Änderung erfährt oder umgekehrt. Wie schon früher an der Hand einiger willkürlich ge- wählter Beispiele gezeigt wurde, kann man von der Annahme ausgehen, dafs das Licht nur den Grad und die Richtung der Torsion bestimmt, während die zur Torsion führenden Wachsthumsvorgänge auch in den Fällen, in welchen es sich um die Einnahme einer Lichtlage handelt, ganz allein von Seiten der Schwerkraft ausgelöst werden. Zu einer solchen Wirkung würde die letztere jedoch unter den hier vorliegenden Verhält- nissen erst befähigt, nachdem das Protoplasma unter der Direction des 86 SCHWENDENER UND KrABBE: Lichtes in Bezug auf seine Reactionsfähigkeit gegenüber der Schwerkraft in einen bestimmten Zustand versetzt ist. Das Licht würde demnach durch Vermittlung des Protoplasma’s die Schwerkraft zur Aus- führung von Bewegungen veranlassen, die oft entgegengesetzt sind denjenigen, welche die Schwerkraft für sich allein be- dingt. Wir sind nun wenigstens einigermafsen in der Lage, die vorstehende Ansicht auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Ist es die Schwerkraft, welche die zur Lichtstellung führenden Drehungen veranlafst, so sollte auch etwas von einer Nachwirkung wahrzunehmen sein, wenn man die Objeete in’s Dunkle bringt oder einer allseitig gleichmäfsigen Beleuchtung aussetzt. Man beobachtet hierbei jedoch, dafs die unter der Herrschaft des Lichtes in Gang gebrachten Drehungen durch die Schwerkraft ziemlich schnell wiederum in die entgegengesetzte Richtung übergeführt werden. Daraus läfst sich wenigstens mit einiger Sicherheit die Folgerung ziehen, dafs die Blätter von Soja und Phaseolus während der Ausführung ihrer Orientirungsbewegung gegenüber dem Licht der entgegengesetzt drehenden Wirkung der Schwer- kraft nicht entzogen sind, und dafs es demnach diese auch nicht sein kann, welche die zur Lichtstellung führenden Drehungen direct verursacht. Ohne Zweifel kommt man dem wahren Sachverhalt näher durch die An- nahme, dafs von Seiten des Lichtes nicht nur der Grad und die Richtung der Drehung bestimmt, sondern auch die tordirend wirkenden Wachsthums- vorgänge ausgelöst werden. Nach unseren Versuchsergebnissen vermag jedoch das Licht diesen Einflufs auf das Wachsthum der Blätter nur aus- zuüben, wenn diese gleichzeitig auch unter dem Einflufs der Schwerkraft stehen. Durch diese mufs das Protoplasma dem Licht gegenüber in den zur Ausführung der Drehungen erforderlichen reactionsfähigen Zustand versetzt werden, vergleichbar einer Maschine, die durch eine Kraft erst in Bewegung gesetzt werden kann, nachdem sie durch eine andere in den betriebsfähigen Zustand gebracht ist. Übrigens lassen sich die besprochenen Erscheinungen möglicher Weise auch noch in anderer, viel einfacherer Weise »erklären«. Es sei daran erinnert, dafs die Stellung der Blätter auf dem Klinostaten durch die nun- mehr in der Medianebene allein wirkende Epinastie eine weitgehende Änderung erfährt, wie ein Vergleich von Fig. 1 mit Fig. 2 Taf. III sofort zeigt. Nach den mitgetheilten Beobachtungen wirkt das senkrecht zur Orientirungstorsionen der blätter und Blüthen. 87 Insertionsebene der Blätter einfallende Lieht nur dann tordirend, wenn die Blätter die in Fig. 1 angegebene Stellung besitzen. In dieser ver- mögen sie aber nur unter gleichzeitiger Einwirkung der Schwerkraft zu verharren. Die Schwerkraft würde unter diesen Umständen gewissermafsen nur die Rolle des Gärtners spielen, der die Pflanzentheile durch Festbinden oder andere Manipulationen den äufseren Richtkräften gegenüber in be- stimmte Lagen bringt, ohne dadurch Drehungen unmöglich zu machen. Hat die Schwerkraft nur diese Function, dann müssen selbstverständlich die Torsionen auch auf dem Klinostaten eintreten, sobald man durch ge- eignete Vorkehrungen dafür sorgt, dafs die Blätter während der Aufhebung der einseitigen Schwerkraftwirkung ihre Stellung in Fig. 1 beibehalten, ohne indessen an der Ausführung von Drehungen verhindert zu sein. Wie die Verhältnisse in dieser Richtung liegen, mufs einstweilen dahingestellt bleiben, da wir über entscheidende Versuche nicht verfügen. Was nun das Verhalten der Pflanzen mit Blättern ohne Gelenkpolster betrifft, so bedarf dasselbe nach dem Vorstehenden wohl keiner ausführlichen Schilderung mehr. Die Bewegungen polsterloser Blätter zeigen auf dem Klinostaten selten die prägnante Form, wie bei Soja und Phaseolus. Da sich die Epinastie an noch wachsenden Blättern gewöhnlich über die ganze Länge des Stieles und der Mittelrippe der Spreite, — wenn auch mit localen Differenzen — erstreckt, so erfahren die Blätter nach Aufhebung der einseitigen Schwerkraftwirkung zunächst ausgesprochene bogenförmige Abwärtskrümmungen, bis sie mit ihrer Spitze, wie bei Soja und Phaseolus, senkrecht nach abwärts gerichtet sind (Fig. 7 Taf. II). Hierbei ist selbst- verständlich die bereits oben bei Soja angegebene Stellung vorausgesetzt, in welcher das Licht während der Aufhebung der einseitigen Schwerkraft- wirkung senkrecht zur Insertionsebene der Blätter einfällt. Bei manchen Pflanzen, so bei Dahlia und Viola, wird an der von der Epinastie herbei- geführten Lage der Blätter durch die einseitige Beleuchtung wenig geändert; Torsionen treten nach unseren Erfahrungen niemals ein, und ebensowenig wird im Gegensatz zu Soja und Phaseolus die fixe Lichtlage erreicht. Übrigens gehört besonders Viola in Übereinstimmung mit vielen anderen krautigen Pflanzen nach dieser Richtung nicht zu den günstigen Untersuchungsobjeeten. Die opponirt stehenden, ziemlich kurz gestielten Blätter von Fuchsia werden dagegen schon während der Ausführung der epinastischen Abwärts- tere) SCHWENDENER UND KrRABBE: bewegung durch eine heliotropische Krümmung der Stiele schräg nach vorn dem Licht zugewandt: sie erhalten damit in der Regel eine Stellung, wie sie Fig. 7 Taf. III angiebt, in welcher der Lichteinfall senkrecht zur Blattfläche gedacht ist. Die Lichtlage wird demnach bei Fuchsia auch auf dem Klinostaten in den meisten Fällen ziemlich vollkommen erreicht, allein die Bewegungen und die schliefsliche Stellung der Blätter zum Sprofs sind ganz andere, wie unter gleichzeitiger Mitwirkung der Schwerkraft. Ein Vergleich von Fig. 5 mit Fig. 7 läfst die diesbezüglichen Differenzen deutlicher hervortreten als eine ausführliche Beschreibung. Während die Blattspreiten in Fig. 5, wo auch die Schwerkraft mitwirkte, durch nicht zu übersehende Drehungen der Stiele in die Lichtlage übergeführt sind, handelt es sich bei dem Klinostatenexemplar in Fig. 7 nur um Krümmungen. Übrigens eomplieiren sich die Verhältnisse auf dem Klinostaten in Folge der intensiven epinastischen Bewegung und dem gleichzeitigen Hinzutritt einer heliotropischen Krümmung oft derart, dafs es schwer zu entscheiden ist, ob eine Torsion stattgefunden hat oder nicht. Wie dem aber auch sein mag, jedenfalls erreichen die Drehungen nur einen geringen Grad und zeigen daher niemals die ausgesprochene Form, wie aufserhalb des Klinostaten. Klarer und unzweideutiger wird das Ergebnifs, wenn man bei hori- zontalem Lichteinfall die Pflanzen gleichfalls in horizontaler Lage so am Klinostaten rotiren läfst, dafs die Blätter nur an der Rücken- resp. mor- phologischen Unterseite beleuchtet werden. Bei dieser Versuchsanstellung treten nach unseren Erfahrungen immer nur intensive Krümmungen, niemals aber Drehungen ein. Unter diesen Verhältnissen befinden sich die Blätter dem Licht gegenüber in derselben Stellung wie gegenüber der Schwerkraft in denjenigen Fällen, in welchen man beblätterten Sprossen bei allseitig gleichmäfsiger Beleuchtung oder im Dunkeln eine inverse Lage giebt. In dieser Weise der Schwerkraftwirkung ausgesetzt, führen bekanntlich die meisten Blätter Drehungen von 150° aus, die beispielsweise bei den drei- getheilten Blättern von Soja und Phaseolus im Polster des Endblättchens beginnen, um von hier aus allmählich auf den Hauptstiel überzugehen. Die beiden Seitenblättehen werden dadurch ohne Drehung ihrer eigenen Polster mit ihrer morphologischen Oberseite nach oben gekehrt. Empfangen nun die dreigetheilten Blätter von Soja und Phaseolus während der angegebenen Rotation auf dem Klinostaten das Licht an der Rückenseite, so wirken Epinastie und Heliotropismus in gleichem Sinne; Orientirungstorsionen der blätter und Blüthen. to) und es treten offenbar in Folge hiervon schon in kurzer Zeit intensive Zurückkrümmungen ein, die bei lebhaft wachsenden Blättern nicht selten soweit gehen, dafs sich der Hauptstiel rückwärts an die Sprofsaxe anlegt und sich zuweilen sogar an derselben nach der gegenüberliegenden Seite vorbeischiebt. Gleichzeitig nimmt das Endblättchen dureh epinastische Be- wegung seines Polsters eine annähernd senkrechte Stellung zum Blattstiel ein, während die vorher in einer gemeinsamen Ebene flach ausgebreiteten Seitenblättchen in Folge gleichen Verhaltens ihrer Polster sich bis zur gegenseitigen parallelen Stellung zurückkrümmen. Sobald bei einer der- artigen Anordnung der drei Blättchen der Blattstiel ungefähr parallel zur Sprofsaxe gerichtet ist, befindet sich das Endblättchen in der fixen Licht- lage, während die beiden Seitenblättchen parallel zum einfallenden Licht orientirt sind. Von dieser Orientirung der Blätter treten zwar hier und da Abweichungen ein, dieselben sind jedoch zu untergeordneter Natur, um sie hier zu schildern. Hier ist nur die Thatsache von Bedeu- tung, dafs bei der angegebenen Stellung der Blätter zum Licht niemals Torsionen zur Beobachtung gelangen. Und in diesem Verhalten stimmen mit Soja und Phaseolus eine Reihe anderer Pflanzen überein, nach unseren Untersuchungen z. B. Fuchsia, Dahlia und Acacia lophanta. Die Stellung, welche die doppelt gefiederten Blätter von A. lophanta auf dem Klinostaten bei Beleuchtung ihrer Rückenseite einnehmen, mag durch Fig. 14, Taf. III veranschaulicht werden; der Pfeil gibt die Lage des Sprofsscheitels an. In inverser Lage unter der alleinigen Einwirkung der Schwerkraft werden sämmtliche Fiederblättchen durch Drehung des Hauptblattstiels mit ihrer morphologischen Oberseite nach oben gebracht, während der Stiel auf dem Klinostaten in Folge Epinastie des basalen Polsters «a nur eine intensive Rückwärtskrümmung erfährt, die in manchen Fällen noch erheblicher ist als in Fig. 14. Die Stiele zweiter Ordnung, die mit dem Hauptstiel nach vorn etwa einen Winkel von 45° bilden, werden auf dem Klinostaten durch Epinastie ihrer eigenen Polster rück- wärts bewegt, in einer Ebene, die den Hauptstiel etwa unter einem Winkel von 45° schneidet. Da durch alle diese Bewegungen, wie Fig. 14 zeigt, die Fiederblättehen schräg nach vorn (mit Bezug auf die Sprofsaxe natürlich nach hinten) dem Licht zugewandt werden, so wird die Lichtlage wenig- stens einigermalsen erreicht. Phys. Abh. 1892. T. 12 90 SCHWENDENER UND KrRABBE: Nach dem Vorstehenden kann es keinem Zweifel unterliegen, dafs die dorsiventralen Blätter einer grölseren Zahl von Pflanzen zur Aus- führung von Örientirungstorsionen gegenüber einseitiger Beleuchtung nur befähigt sind, wenn sie unter der gleichzeitigen Einwirkung von Licht und Schwerkraft stehen. Dafs dieses Ergebnifs jedoch nieht ohne Weiteres für alle dorsiventralen Blätter als Regel aufgestellt werden kann, ist wohl selbstverständlich. Wie wir sahen, vermag das Licht ganz allein die Blüthenstiele von Viola tricolor und altaica zu drehen; und von vornherein ist nicht einzusehen, warum das Licht diese Fähigkeit nicht auch bei verschiedenen dorsiventralen Blättern besitzen soll. Nach unseren bisherigen Versuchsergebnissen scheinen z. B. die Al- stroemerien-Blätter einen Fall zu repräsentiren, in welchem das Licht in gleicher Weise wie bei Viola ohne Mitwirkung der Schwerkraft Torsionen zu veranlassen im stande ist. Die Blätter von Alstroemeria sind bekanntlich dadurch ausgezeichnet, dafs sie an aufrecht stehender Sprofsaxe Drehungen von 180° ausführen (Fig. 7, Taf. I). Da, wie schon früher hervorgehoben, diese Drehungen an invers gehaltenen Sprossen ausbleiben oder wiederum rückgängig gemacht werden, so ist auch ohne Anstellung von Klinostaten- versuchen wohl mit Sicherheit anzunehmen, dafs sie bei Ausschlufs ein- seitiger Beleuchtung ganz allein von der Schwerkraft verursacht werden. Läfst man nun Sprosse von Alstroemeria in horizontaler Lage um 'ihre eigene Axe rotiren und zwar so, dafs der Sprofsscheitel dem horizontal einfallenden Licht zugewandt ist, so ist die einseitige Schwerkraftwirkung aufgehoben; wenn die Blätter unter diesen Umständen Drehungen aus- führen, so können dieselben natürlich nur vom Licht verursacht sein. Nach unseren bisherigen Versuchen treten die Drehungen der Alstroemerien- Blätter auch auf dem Klinostaten unter alleiniger Wirkung des Lichtes ein; die gewonnenen Resultate bedürfen indessen noch der weiteren Be- stätigung. Denn das aus dem Kgl. botanischen Garten in Schöneberg stammende Untersuchungsmaterial befand sich in einem etwas krankhaften Zustand, der sich während der Ausführung der Versuche noch steigerte, so dafs diese schliefslich abgebrochen werden mufsten. Von den Alstroemerien abgesehen, kommen reine heliogene Drehungen an vegetativen Organen höchst wahrscheinlich noch in verschiedenen anderen Fällen vor. Die Annahme solcher Bewegungen ist wenigstens sehr nahe gelegt, wenn sich beispielsweise die Internodien aufrechter Sprosse unter Orientirungstorsionen der Blätter und bBlüthen. 9] einseitiger Beleuchtung so drehen, dafs die Blätter zweizeilig in eine zum Lichteinfall senkrechte Ebene gestellt werden. Dies geschieht z. B., wie sehon Goebel') angegeben, bei Urtica dioica, sobald dieselbe an hohen Mauern oder Waldrändern einer extrem einseitigen Beleuchtung ausgesetzt ist. Dasselbe läfst sich an den mehr oder weniger senkrecht nach oben oder nach unten wachsenden Zweigen von Pheladelphus und verschiedenen anderen Sträuchern beobachten. Wie bereits früher gezeigt wurde, werden die Blattpaare an wagerechten Zweigen unter horizontaler Beleuchtung in eine gemeinsame Ebene gebracht, so dafs die Blätter zweizeilig an der Ober- und Unterseite der Sprosse stehen (Fig. le, d, e, f Taf. I). Von den Achselknospen dieser Blätter, die im nächsten Jahre unter derselben ein- seitigen Beleuchtung zur Entwickelung gelangen, wachsen die an der Ober- seite des Muttersprosses stehenden nach oben, die an der ‚Unterseite da- gegen nach unten. Dabei werden auch an diesen Sprossen sämmtliche Blattpaare durch Internodialdrehungen in eine zum einfallenden Licht senk- recht stehende Ebene gebracht; die Blätter stehen jedoch in Bezug auf die Beleuchtungsriehtung zweizeilig an den Seiten des Sprosses, wie die Zweige c, d, e, f an der senkrechten Sprofsaxe ab in Fig. 1 Taf. I. Die aus den Blattachseln dieser Sprosse hervorgehenden Knospen nehmen bei ihrer Entwickelung im nächsten Jahre wagerechte Richtung an. Dafs die Schwerkraft für sich allein, d.h. im Dunkeln oder unter allseitig gleiehmäfsiger Beleuchtung der Objeete, die Internodien aufrechter Sprosse von Urtica, Philadelphus u. s. w. nicht dreht, darf mit Sicherheit angenommen werden; es ist daher mehr als wahrscheinlich, dafs das Licht in diesen Fällen nicht nur die Riehtung und Gröfse der Drehung bestimmt, sondern auch die Wachsthumsvorgänge auslöst, aus welchen die Drehungen resultiren. Ob jedoch die Organe in dieser Weise auch auf das Licht reagiren, wenn sie der einseitigen Schwerkraftwirkung entzogen sind, bleibt dabei immer noch eine offene Frage. In einem kurzen Rückblick auf vorstehende Untersuchungen über die Bedeutung des Lichtes für das Zustandekommen gewisser Orientirungs- torsionen verdient zunächst hervorgehoben zu werden, dafs sich bezüglich !) Botan. Zeit. 1880, p. 843. 92 SCHWENDENER UND KrABBE: der Lichtwirkung keine allgemeine Regel aufstellen läfst. Während das Licht bei den Blüthen von Viola und wahrscheinlich auch bei den Blät- tern von Alstroemeria die zur Erreichung einer bestimmten Lichtstellung erforderlichen Torsionen ganz allein zu erzielen vermag, bedarf es hierzu in anderen Fällen der Mitwirkung der Schwerkraft. Bei dieser letzteren liegen die Verhältnisse ganz anders; es ist uns wenigstens kein Fall be- kannt, in welchem ein Organ erst unter der gleichzeitigen Einwirkung einer anderen Richtkraft die Fähigkeit erlangt, sich dem Erdradius gegen- über oder gegen die Tragaxe in bestimmter Weise zu orientiren. Stets ist es die Schwerkraft allein, welche die hierzu erforderlichen Torsionen zu verursachen im stande ist, vorausgesetzt, dafs sich die Organe in normalem Wachsthum befinden. Da nun das Licht wenigstens in einigen Fällen in gleicher Weise, wie die Schwerkraft, unabhängig von der Mitwirkung anderer Kräfte Drehungen zu verursachen im stande ist, so sind wir auch zur Annahme eines Heliotortismus gezwungen; darunter ist also die Fähigkeit der Organe verstanden, unter der alleinigen Einwirkung des Lichtes nicht nur Krümmungen, sondern auch bestimmte Drehungen aus- zuführen. Die Art und Weise, wie diese Torsionen mechanisch zu stande kommen, braucht hier nieht mehr erörtert zu werden; es sei nur an die mit Viola ausgeführten Klinostatenversuche erinnert, aus welchen hervor- geht, dafs die heliogenen Drehungen in gleicher Weise wie die geogenen eine für sich bestehende Erscheinung repräsentiren, die zu den gleichzeitig auftretenden Krümmungen in keiner ursächlichen Beziehung steht. Was nun die dorsiventralen Blätter betrifft, die nach den voraus- gehenden Untersuchungen zur Ausführung von Orientirungstorsionen gegen- über einseitiger Beleuchtung in vielen Fällen erst befähigt werden, wenn sie sich gleichzeitig unter dem Einflufs der Schwerkraft befinden, so sind wir hier bei einem Gegenstand angelangt, der sich in Bezug auf das rein Thatsächliche mit wenigen Worten erledigen läfst. Alles Wesentliche liegt in der Thatsache, dafs sich Licht und Schwerkraft durch Vermittlung des Protoplasma’s in ihren Wirkungen zu beeinflussen vermögen. An eine befriedigende Erklärung der vorliegenden Verhältnisse ist jedoch, wie schon früher betont, einstweilen nicht zu denken, da die Art der gegenseitigen Beeinflussung der fraglichen Kräfte von dem jeweiligen Verhalten der lebenden Protoplasmasubstanz bedingt wird. Auch zwischen dem Licht Orientirungstorsionen der Blätter und Blüthen. 93 und dem von ihm ohne Mitwirkung anderer Richtkräfte erzielten Bewegun- gen besteht ja kein unmittelbares causales Verhälnifs, sondern Ursache und Wirkung sind durch die Reizbarkeit des Protoplasma’s mit einander ver- bunden. Da es nun ganz allein von der Natur dieser Reizbarkeit abhängt, in welcher Weise die Organe auf die Einwirkung einer äufseren Richtkraft reagiren, so kann die gleiche Ursache, resp. dieselbe Kraft je nach dem im Protoplasma verwirklichten Mechanismus verschiedene Bewegungen erzielen. Obgleich es sich hier um klar zu Tage liegende Beziehungen handelt, hat man sie gleichwohl nicht immer genügend beachtet, wie die wiederholten Generali- sirungen irgendwelcher Versuchsergebnisse auf vorliegendem Gebiete beweisen. Die hervorgehobenen Verhältnisse erfahren nun eine weitere Compli- eirung durch die im Vorstehenden constatirte Thatsache, dafs manche Organe, wie die dorsiventralen Blätter, unter dem Einflufs der Schwerkraft erst denjenigen Zustand erlangen, in welchem sie befähigt sind, unter der Direction des Lichtes bestimmte Bewegungen auszuführen. Da hier wiederum die räthselhafte Reizbarkeit des Protoplasmas in Frage kommt, so sind alle weiteren Erörterungen überflüssig, da uns dieselben nach der mechani- schen Seite doch keinen tieferen Einblick in die Vorgänge innerhalb des lebenden Protoplasmas zu verschaffen vermögen. Es fragt sich nur, ob wir auch in den vorliegenden Fällen berechtigt sind, von heliogenen Drehungen und dem entsprechend von einem Heliotortismus zu sprechen. Sind die früheren Auseinandersetzungen über die Beziehungen zwischen Licht und Schwerkraft zutreffend, so kann darüber kein Zweifel bestehen; denn danach ist es das Licht, welches auch bei den dorsiventralen Blättern die zur Torsion führenden Wachsthumsvorgänge aus- löst. vm. Die Bewegungen bogenförmiger Organe unter der krümmenden Wirkung des Lichtes oder der Schwerkraft. Soweit unsere an Blättern, Blüthen und Sprofsinternodien ausgeführten Versuche reichen, entstehen die Orientirungstorsionen überall unter der un- mittelbaren Einwirkung der Schwerkraft und des Lichtes. Demnach ist die 94 SCHWENDENER UND KrABBE: von verschiedenen Seiten vertretene Ansicht, dafs Licht und Schwerkraft immer nur Krümmungen in einer Ebene zu verursachen im stande seien, nicht mehr aufrecht zu erhälten. Wie in den vorausgehenden Capiteln unter: Anderem gezeigt wurde, sind alle auf Grund dieser Annahme unter- nommenen Erklärungsversuche der sogenannten »geotropischen« und »helio- tropischen Torsionen« sowohl theoretisch als auch empirisch unhaltbar. Um jeden Zweifel an der Richtigkeit dieses Ergebnisses auszuschliefsen, bleibt noch em Gegenstand zu erörtern, der im Vorausgehenden nur ge- legentlich gestreift wurde. Im Anschlufs an die Untersuchungen Schwendener’s über »Das Winden der Pflanzen«') hat Ambronn in seinen bekannten Abhandlungen?) über den gleichen Gegenstand, sowie in einer früheren Mittheilung »Über heliotropische und geotropische Torsionen«°) zu zeigen versucht, dafs unter gewissen Bedingungen wachsende Pflanzentheile unter dem Eintlufs des Lichtes oder der Schwerkraft reelle Torsionen erfahren können, ohne dafs man deshalb gezwungen sei, den fraglichen Kräften eine andere als krüm- mende Wirkung zuzuschreiben. Derartige Drehungen können nach den Darlegungen Ambronn’s eintreten, wenn Licht und Schwerkraft auf be- reits gekrümmte Organe einwirken, unter der Voraussetzung, dafs die Ebene der vorhandenen Krümmung nicht parallel zum Erdradius oder zu den einfallenden Lichtstrahlen orientirt ist. Ambronn beschränkt sich hierbei naturgemäls auf die Erörterung des einfachsten Falles, in welchem die Krümmungsebene senkrecht zur Angriffsrichtung der Kraft gestellt ist, Verhältnisse, die sich nieht blos .an den von Ambronn untersuchten Sprossen windender Pflanzen, sondern auch an Blättern und Blüthen nicht selten verwirklicht finden. Wiederholt haben wir im Vorausgehenden darauf hingewiesen, dafs die ÖOrientirungstorsionen sehr oft an bereits ge- krümmten Organen zur Ausführung gelangen, und hierbei finden sich auch Fälle, in welchen die Krümmungsebene ziemlich rechtwinklig zum ein- fallenden Licht oder Erdradius orientirt ist. Hält man z. B. einen be- blätterten Sprofs in horizontaler Lage fest, so krümmen sich die seitlich inserirten Blätter in Folge ihrer Epinastie in horizontaler Ebene, die also senkrecht zur Angriffsrichtung der Schwerkraft steht. Darauf tritt erst !) Monatsberichte der Kgl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin, December 1881. 2) Berichte der math.-phys. Classe der Kgl. Sächs. Gesellsch. der Wissenschaften 1884. ®) Berichte der Deutsch. bot. Gesellsch. Bd. II. p. 183. Orientirungstorsionen der Blätter und Blüthen. 95 die Torsion ein, durch welche die Oberseite der Blätter nach oben ge- bracht wird. Es mag jedoch schon hier betont werden, dafs die von Ambronn hervorgehobenen Momente für die mechanische Erklärung der Orientirungs- torsionen im Allgemeinen nicht in Betracht kommen. Zunächst ist das Auftreten der hierher gehörigen Drehungen von der Lage der Krümmungs- ebene zur Angriffsrichtung der Kräfte unabhängig; die Orientirungstorsionen gelangen auch zur Ausführung bei paralleler Stellung der Krümmungsebene zum einfallenden Lieht oder zum Erdradius; sie erreichen bekanntlich bei dieser Orientirung der Organe in der Regel den höchsten Werth, nämlich 150° oder sogar 360° (Bewegungen dorsiventraler Blüthen und Blätter an inverser Tragaxe). Sodann können in einer Reihe von Fällen Krümmungen überhaupt nicht in Frage kommen, weil die sich tordirenden Organe gerade sind. Für die Blüthen von Aconitum Lycoctonum ist aufserdem gezeigt wor- den, dafs man die Ausführung von Krümmungen verhindern kann, ohne damit die Torsionen aufzuheben. Nichtsdestoweniger lag uns daran, durch besondere Experimente festzustellen, ob an wachsenden Pflanzentheilen, wenn sie den von Ambronn angegebenen Bedingungen unterliegen, reelle Drehungen, wenn auch nur in geringem Grade, auftreten. Um diese Ver- suche und ihr Ergebnifs zu verstehen, glauben wir eine kurze Hervor- hebung der Punkte, auf die es hier ankommt, nicht ganz umgehen zu können. Wenn sich ein bogenförmiges Organ in einer zur vorhandenen Krüm- mung senkrecht stehenden Ebene krümmt, indem sich die einzelnen Quer- abschnitte um genau quergestellte Axen gegeneinander bewegen, so erfährt dasselbe während der Ausführung dieser zweiten Krümmung zunächst eine scheinbare antidrome Torsion. Hält man z. B. das horizontal gelegte Bogen- stück in Fig. 10 Taf. Ian dem einen Ende abc fest, während sich das Bogenstück II gegen I um die horizontale Queraxe gh, und ebenso II gegen II um die Axe ik in verticaler Ebene bewegt, so erhalten damit die anfänglich longitudinal verlaufenden Linien cf, be u. s. w. eine vom festgehaltenen bis zum frei beweglichen Ende zunehmende seitliche Ver- schiebung, und zwar hier im Sinne einer rechtsläufigen Spirallinie. Da es hier nur auf eine Orientirung ankommt, so dürfen wir willkürlich an- nehmen, dafs die fragliche Verschiebung der Longitudinallinien am frei beweglichen Ende des gezeichneten Bogenstückes nach Beendigung der 96 SCHWENDENER UND KrABBE: zweiten Krümmung 90° betrage: Dann ist cf in die Richtung der ge- strichelten Linie ce, be in die Richtung von bd u. s. w. übergegangen. Die hierdurch zum Ausdruck kommende Torsion ist jedoch, wie aus der skizzirten Entwickelungsgeschichte unmittelbar hervorgeht, nur eine schein- bare. Es leuchtet nun sofort ein, dafs z. B. an einem horizontal ge- krümmten Organ, das unter dem Einflufs der Schwerkraft eine zweite Krümmung in verticaler Ebene ausführt, in Folge der hiermit verbundenen scheinbaren antidromen Torsion nicht immer dieselbe Längszone nach unten gerichtet sein kann; der wachsthumfördernde Einflufs der Schwerkraft mufs demnach successive auf andere Längszonen übergehen. Da die den direeten Impulsen der Schwerkraft ausgesetzte Zone eine linksläufige und zwar in Bezug auf die vorhandene Krümmung homodrom um das Organ verlaufende Schraubenlinie repräsentirt, so mufs das maximale Wachsthum dieser Zone auch eine reelle homodrome Torsion zur Folge haben. Ambronn hat sich in seinen oben eitirten Untersuchungen auf die Klarlegung der scheinbaren antidromen Torsion beschränkt; über die reelle homodrome Drehung äulsert er sich im Allgemeinen nur vermuthungsweise, indem er nicht einmal behauptet, dafs sie auftreten müsse, sondern nur, dafs sie eintreten könne; p. 61 heifst es z. B.: »In der mehrfach erwähnten vorläufigen Mittheilung in den Ber. d. Deutsch. bot. Gesellsch. habe ich darauf hingewiesen, dafs mit dem eben angedeuteten Verlauf der Krümmung auch zugleich eine wirkliche Torsion und zwar eine homodrome verbunden sein könne, und zwar deshalb, weil die am stärksten wachsende Zone ähnlich wie eine homodrom verlaufende Schraubenlinie um das betreffende Organ herumgehe.« Eine allgemeine theoretische Behandlung der Frage, ob unter den Ambronn'’schen Bedingungen reelle homodrome Drehungen entstehen und, was wichtiger ist, welchen Grad dieselben in concreten Fällen erreichen, ist selbstverständlich nur möglich, wenn man betreffs der Nachwirkung der Schwerkraft in den antidromen Schraubenlinien bestimmte Annahmen macht. Wir nehmen jedoch von einer derartigen Erörterung Abstand, da die so gewonnenen Ergebnisse nach den sofort mitzutheilenden Beobach- tungen den in der Natur eintretenden Formveränderungen bogenförmiger Organe unter der krümmenden Wirkung äufserer Richtkräfte nicht ent- sprechen würden. Dasselbe gilt von den Darlegungen Ambronn’s über die scheinbare antidrome Torsion; dieselben sind zwar theoretisch voll- Orientirungstorsionen der blätter und Blüthen. 97 kommen richtig, allein sie verlieren ihre praktische Bedeutung, weil in den Prämissen ein Factor fehlt, von welchem, wie wir sehen werden, die Veränderungen bogenförmig gekrümmter Organe unter dem Einflufs des Lichtes oder der Schwerkraft in ganz hervorragendem Mafse bestimmt werden, und zwar so, dafs während der Ausführung der zweiten Krümmung keine Drehungen entstehen. Ambronn behauptet frei- lich, dafs sich wenigstens die scheinbare antidrome Torsion nicht blos an künstlichen Modellen demonstriren, sondern auch an wachsenden Pilanzen- theilen, wie dem hypocotylen Glied von Helianthus, stets deutlich beob- achten lasse. Helianthus-Keimlinge, die sich in horizontaler Lage unter dem Einflufs der Schwerkraft gekrümmt hatten, wurden um 90° gedreht, so dafs nunmehr die Schwerkraft senkrecht zur Ebene der ersten Krüm- mung zur Wirkung gelangte. Zwei Glasnadeln, die zuvor in der ge- krümmten Region in genau derselben Ebene an dem Keimling befestigt wurden, sollen während der Ausführung der zweiten Krümmung gegen- einander verschoben worden sein. Wir haben zunächst die hier skizzirten Versuche mit Helianthus- Keimlingen des Öfteren wiederholt, ohne jedoch zu dem Ambronn’schen Ergebnifs zu gelangen. Während der Ausführung der zweiten Krümmung behielten nach unseren Beobachtungen zuvor in derselben Ebene angebrachte Glasnadeln ziemlich genau ihre ursprüngliche Stellung zu einander, und in gleicher Weise zeigten longitudinale Tuschlinien in allen Phasen der Bewegung unverändert ihre ursprüngliche Richtung. Es liefs sich mit anderen Worten an unseren Helianthus-Keimlingen während des allmählichen Zustandekommens, sowie am Schlufs der zweiten Krümmung weder eine antidrome noch eine reelle homodrome Drehung constatiren. Da uns dies Resultat unerwartet kam, so wurden die Untersuchungen noch auf eine Reihe anderer Pflanzen (Dahlia, Acroclinium, Mimulus, Pha- seolus u. s. w.) ausgedehnt, aber stets mit demselben Erfolg. Bei leb- haft wachsenden Sprossen war am Schlufs eines jeden Versuches die horizontale Krümmung gänzlich verschwunden, und dafür eine solche in verticaler Ebene entstanden, von den Formverhältnissen des ursprüng- lichen, horizontal gelegten Bogens. Wichtiger ist jedoch die oben be- tonte Thatsache, dafs an den nunmehr in senkrechter Ebene gekrümmten Sprossen longitudinale Tuschlinien keine Ablenkung von ihrem früheren Phys. Abh. 1892. 1. 13 98 SCHWENDENER UND KrABBE: Verlauf erkennen liefsen. Allgemein ausgedrückt, ist die erste horizontale Krümmung auf die Form und Beschaffenheit der zweiten, in senkrechter Ebene erfolgenden Krümmung ohne wesentlichen Einflufs. Die Concav- und Convexseite des horizontalen Bogens sind natürlich an dem senkrechten zu den Flanken geworden, während von den beiden Flanken des ersten Bogens die obere der Concav- seite und die untere der Convexseite des zweiten Bogens entspricht, wie dies eine Betrachtung von Fig. 12 Taf. I ohne Weiteres zeigt. Der in der Papierebene gelegene Bogen I geht unter der Einwirkung der Schwer- kraft allmählich in den senkrecht zur Papierfläche stehenden Bogen I über, dessen Concavität in der Zeichnung genau nach oben gerichtet ist. Man sieht aus der Figur sofort, dafs die obere Flanke (bf) von I an dem Bogen II zur Concavseite (bf‘), die nach unten gelegene Flanke (dh) von I an Bogen II zur Convexseite (dh’) geworden ist, während die Concav- seite (ae) und die Convexseite (eg) von I an II die beiden Flanken (ae’ und cg‘) einnehmen. Die Linien zeigen jedoch an Bogen II genau den- selben longitudinalen Verlauf wie an I. Das Schlufsergebnifs macht dem- nach den Eindruck, als ob sich das in horizontaler Ebene gekrümmte Organ zunächst gerade gestreckt und sich darauf erst in verticaler Ebene gekrümmt hätte. Setzt man neben gekrümmten Sprossen ungekrümmte in horizontaler Lage der Einwirkung der Schwerkraft aus, so ist nach einiger Zeit eine verticale Krümmung entstanden, die bei allen Sprossen ziemlich genau dieselbe Form und Beschaffenheit besitzt. Wie ist nun dies auf den ersten Blick eigenthümliche Ergebnifs zu erklären? In Wirklichkeit nehmen ja (von Ausnahmefällen abgesehen) die in horizontaler Ebene gekrümmten Sprosse nicht erst die gerade Form an, bevor sie die zweite Krümmung ausführen; vielmehr entwickelt sich der Regel nach der senkrechte Bogen ganz allmählich aus dem horizontalen. Die Formverhältnisse, die hierbei an den Organen in den einzelnen Phasen der Bewegung zu beobachten sind, mögen einstweilen unerörtert bleiben; denn es liegt uns hier zunächst an der allgemeinen Beantwortung der Frage, wie die Entstehung des senkrechten Bogens aus dem horizontalen möglich ist, ohne dass gleichzeitig eine scheinbare antidrome Torsion ent- steht, von der homodromen ganz abgesehen. Wie nach den einleitenden Auseinandersetzungen dieses Capitels ohne Weiteres einleuchtet, mülsten ursprüngliche Logitudinallinien an dem senk- Orientirungstorsionen der Blätter und Blüthen. 99 rechten Bogen unter allen Umständen wenigstens eine Ablenkung im Sinne einer antidromen Torsion zeigen, wenn die im horizontalen Bogen zum Ausdruck gelangende Schwerkraftwirkung während der Entstehung der zweiten Krümmung erhalten bliebe. Diese von Ambronn angenommene Bedingung ist jedoch in Wirklichkeit nicht erfüllt; thatsächlich wird während der Ausbildung der zweiten Krümmung die ursprüng- liche Wirkung der Schwerkraft wiederum beseitigt. Die hier in Frage stehenden Organe sind nämlich, wie zuerst Vöchting') gezeigt hat, rectipetal, sie haben aus inneren Ursachen das Bestreben sich gerade zu strecken. Da nun die Schwerkraft an radiären Organen ihre krümmende Wirkung nur in vertikaler Ebene geltend zu machen vermag, so ist sie ausser Stande, die horizontale Krümmung des Bogens zu beeinflussen; der- selbe kann durch die in dieser Ebene ungehindert zur Wirkung kommende Reetipetalität beseitigt werden. Wir haben es hier, wie man sieht, mit einem eigenthümlichen Zusammenwirken einer äufseren und einer inneren Richtkraft zu thun, deren sichtbares Ergebnifs dasselbe ist, als wenn man die Sprosse zunächst gerade strecken würde, um sie darauf in horizontaler Lage dem Einflufs der Schwerkraft auszusetzen. Dafs unter diesen Um- ständen Torsionen unmöglich sind, bedarf kaum einer Hervorhebung. Um sich von dem Vorhandensein der Reetipetalität in der einfachsten Weise zu überzeugen, hat man nur nöthig, geotropisch gekrümmte Sprosse nach dem Beispiele Vöchting’s der Rotation auf dem Klinostaten aus- zusetzen. Man beobachtet dann, wie sich die Organe, sofern sie in der gekrümmten Region noch wachsen, allmählich wiederum gerade strecken, und zwar stimmt die hierzu erforderliche Zeit im Grofsen und Ganzen mit derjenigen überein, welche die Schwerkraft zur Bildung der Krümmung gebraucht. Dafs nun diese Rectipetalität ihre Thätigkeit auch an gekrümmten Organen entfaltet, die in der oben besprochenen Weise dem Einflufs der Schwerkraft unterliegen, dafür liefert das Ausbleiben von Torsionen während der Entstehung des senkrechten Bogens den sicheren Beweis. Es bedarf keiner besonderen mathematischen Darlegung, um einzusehen, dafs von Seiten der Rectipetalität, wenn die zweite Krümmung in verticaler Ebene entstanden ist, die horizontale vollständig beseitigt sein mufs. Wäre dies !) H. Vöchting, Bewegungen der Blüthen und Früchte. Bonn 1882. S. 182. 13% 100 SCHWENDENER UND KrABBE: nieht der Fall, so würde die Schwerkraft unter den Ambronn’schen Bedingungen auf gekrümmte Organe wirken und nothwendig zunächst scheinbare antidrome Torsionen zur Folge haben müssen. Indem wir von einer eingehenden Schilderung der succesiven Form- veränderungen gekrümmter Organe Abstand nehmen, sollen nur einige Beobachtungen registrirt werden, aus welchen die Thätigkeit der Reecti- petalität und ihre Bedeutung für die schliefsliehe Form der Sprosse be- sonders klar hervorgeht. In erster Linie kommt es natürlich darauf an, die Veränderungen festzustellen, welche die horizontale Krümmung erleidet, bevor von der zweiten, verticalen etwas wahrzunehmen ist. Zu diesem Zwecke wurde in den einzelnen Versuchen in gleicher Ebene mit der vor- handenen Krümmung eine Glasnadel quer durch den Sprofs geschoben, und zwar unterhalb der Krümmung in dem bereits ausgewachsenen Theile des Sprosses (a b in Fig. 7, S und 11 Taf. I). Nachdem sodann die ge- krümmten Sprosse so auf Cartonpapier gelegt waren, dafs sich die fragliche Glasnadel mit einer auf dem Papier gezogenen Linie deckte (a b Fig. 7, S und 11), liefs sich die Gestalt des Bogens direct mit dem Bleistift nach dem ÖObjeete abzeichnen. Bei den folgenden Messungen brauchte man natürlich nur die Glasnadel mit der Linie in Deckung zu bringen, um so- fort zu sehen, ob sich der Bogen inzwischen geändert hatte oder nicht. In all’ diesen Versuchen konnte eine anfängliche Zunahme in der Krümmung des horizontal gelegten Bogens mit Sicherheit nicht constatirt werden; daraus folgt selbstverständlich nicht, dafs die Schwerkraft keine Nach- wirkung besitzt, sondern nur, dafs diese nicht grofs genug ist, um die gleichzeitig in entgegengesetztem Sinne wirkende Reectipetalität zu über- winden. An lebhaft wachsenden Pflanzen bleibt der von der Schwerkraft ge- bildete Bogen in horizontaler Lage nur eine verhältnifsmäfsig kurze Zeit — etwa 15 bis 30 Minuten — unverändert; dann tritt eine deutlich nach- weisbare Verflachung ein, ein Beweis, dafs die Nachwirkung der Schwer- kraft nicht mehr stark genug ist, um der in derselben Ebene wirksamen Rectipetalität das Gleichgewicht zu halten. Hierbei ist die Thatsache von Interesse, dafs die Geradestreckung in der oberen Region der Sprosse be- ginnt, um von hier aus basipetal fortzuschreiten, wie dies an ein paar Beispielen kurz gezeigt werden mag. Der in Fig. 7 Taf. I wiedergegebene Spro[s von Phaseolus multiflorus zeigte bei der Horizontallegung die Form Orientirungstorsionen der Blätter und Blüthen. 101 von cf, eine Stunde später die Form von cg und nach einer weiteren Stunde die Gestalt von ch. Wie man sieht, hat die Rectipetalität in der angegebenen Zeit die Krümmung nur in der Region fd beeinflufst, ed ist unverändert geblieben. Ähnliches zeigen die Figuren 8 und 11, in welchen cf die ursprüngliche Form des Bogens angiebt, während ch die Lage des- selben nach etwa 3 Stunden repräsentirt. Wenn die zweite, verticale Krümmung sich zu bilden beginnt, haben besonders lebhaft wachsende Sprosse in der oberen Region vermöge ihrer Reetipetalität zuweilen schon eine ziemlich gerade Form angenommen, so die in Fig. 7 und 11 wiedergegebenen Beispiele. Die verticale Krümmung trat hier, wie in verschiedenen anderen Fällen, erst in die Erscheinung, als die Sprosse die Lage von ch angenommen hatten. Wie man sieht, erstreckt sich die horizontale Krümmung nur noch auf die Region de, während dh bereits eine annähernd gerade Form zeigt. Da die Entwicke- lung der verticalen Krümmung in Übereinstimmung mit der Rectipetalität in basipetaler Richtung fortschreitet, so zeigen die Sprosse in manchen Fällen anfänglich zwei ziemlich scharf von einander getrennte Krümmungen, eine verticale in dh und eine horizontale in cd. Wenn nun die zur ver- ticalen Krümmung führenden Wachsthumsprocesse auf tiefere resp. ältere Regionen (cd) übergreifen, hat auch hier «die Rectipetalität die horizontale Krümmung so ziemlich beseitigt. Es kommt also vor, dafs die verticale Krümmung in ihrer Entwickelung der in horizontaler Ebene thätigen Recti- petalität gewissermafsen Schritt für Schritt folgt. Wo dies der Fall, ist von vornherein die Bildung von Torsionen ausgeschlossen, denn die Schwer- kraft wirkt ja nicht mehr auf bogenförmige, sondern auf gerade Organe. Nun aber zeigen die Bewegungen nieht immer den soeben skizzirten Verlauf. In vielen Fällen machen sich die Anfangsstadien der verticalen Krümmung bereits bemerkbar, bevor die horizontale durch die Rectipeta- lität beseitigt ist. Rectipetalität und Schwerkraft fallen in ihrer Wirkung zeitlich und räumlich zusammen, ohne dadurch nach unsern Beobachtungen an den hier in Frage stehenden Verhältnissen etwas zu ändern. Auch bei dieser Art des Zusammenwirkens jener Kräfte bleiben die Sprosse in allen Abschnitten der Bewegung ohne wahrnehmbare Torsion; an die Stelle des horizontalen Bogens ist schliefslich ein verticaler getreten, an welchem irgendwelche Marken ziemlich genau ihre ursprüng- liche Stellung zu einander beibehalten haben. 102 SCHWENDENER UND KrABBE: Im Grunde genommen ist etwas Anderes auch kaum zu erwarten, denn ob man die fraglichen Kräfte nach einander oder gleichzeitig wirken läfst, ist für das schliefsliche Ergebnifs ohne Belang. Ohne auf specielle Fälle einzugehen, wird es genügen, wenn wir die Bewegungen bogenförmiger Organe bei der hervorgehobenen Art des Zu- sammenwirkens von Rectipetalität und Schwerkraft im Allgemeinen an der schematisirten Zeichnung in Fig. 5 Taf. I kurz erläutern. Zerlegt man das in dieser Figur durch die punktirte Linie angedeutete halbkreisförmige Sprofsende in die vier geraden Abschnitte 1, 2, 3 und 4, so bildet jedes vorausgehende Sprofsstück mit der Verlängerung des nächstfolgenden einen Winkel (, 8 u. s. w.), der durch die basipetal fortschreitende Wirkung der Rectipetalität beseitigt wird. Zunächst verschwindet die horizontale Krümmung in der oberen resp. jüngsten Sprofsregion, indem sich 1 in die Verlängerung von 2 stellt. Damit ist die selbständige Bewegung in der Region 1 resp. 1’ abgeschlossen, weil ja hier die gerade Form erreicht ist. Das Sprofsstück 1’ wird nur noch passiv, zunächst von dem gleich- falls sich gerade streckenden Bogenstück 2, in horizontaler Ebene rück- wärts bewegt. Indem auch 2 die gerade Form annimmt, stellt sich 1’+ 2 in die Verlängerung von 3; der Bogen wird nunmehr in seiner Lage und Form durch die Abschnitte 1’, 2', 3 und 4 repräsentirt. In dieser Weise wird die horizontale Krümmung durch die Rectipetalität successive auf- gelöst, so dafs das obere Sprofsende (1’, 2/, 3, 4) schließslich die gerade Verlängerung des ausgewachsenen und daher ungekrümmten basalen Sprofs- theiles 5 bildet. Nun aber handelt es sich hier um eine gleichzeitige Wirkung der Rectipetalität und einer in verticaler Ebene krümmenden Kraft. Da nach unsern Beobachtungen mit der Ausbildung des verticalen Bogens keine Torsionen verbunden sind, so mufs, wie schon hervorgehoben, angenom- men werden, dafs die horizontale Krümmung ziemlich vollständig beseitigt ist, sobald die verticale vollendet. Während die Rectipetalität die im horizontalen Bogen gegebene Schwerkraftwirkung rückgängig macht resp. vernichtet, wird von Seiten der Schwerkraft eine gleich grofse Wirkung in verticaler Ebene erzielt. Denn der verticale Bogen stimmt in seinen Formverhältnissen ziemlich genau mit dem vorher vorhandenen, horizon- talen überein. Unter diesen Bedingungen hat die verticale Kraft, sobald durch die Rectipetalität der horizontale Winkel zwischen 1 und der Ver- Orientirungstorsionen der Blätter und Blüthen. 103 längerung von 2 beseitigt ist, einen gleich grofsen Winkel zwischen 1’ und 2 in verticaler Ebene hergestellt. Dasselbe gilt von dem Winkel zwischen 1’+ 2 und der Verlängerung von 3 u.s. w. Wie man ohne Weiteres ein- sieht, mufs unter diesen Umständen während des allmählichen Verschwindens der horizontalen Krümmung eine solche von denselben Formverhältnissen in verticaler Ebene zur Ausbildung gelangen; es ist ferner ohne besondere Auseinandersetzung einleuchtend, dafs hierbei weder scheinbare antidrome, noch reelle homodrome Torsionen entstehen können, denn mit der vor- liegenden Combination von Rectipetalität und Schwerkraft kann ja nichts Anderes erzielt werden, als wenn sich das in horizontaler Ebene gekrümmte Organ zunächst gerade streckt, um darauf erst die verticale Krümmung zu bilden. Man kann die hier in Frage stehenden Bewegungen der Wirklichkeit ziemlich genau entsprechend mit einem aus Holz oder anderem Material hergestellten Bogen nachahmen, wenn man diesen in einzelne Querabschnitte zerlegt, die sich durch Charniere gegen einander bewegen lassen. Einen solchen Bogen zeigt Fig. 14, Taf. I. Es fragt sich nur, wie die Charniere an dem Bogen anzubringen sind, um dessen Bewegungen mit denjenigen bogenförmiger Sprosse in Übereinstimmung zu bringen. Darüber giebt eine Betrachtung des Bogenquerschnitts in Fig. 6 sofort den erforderlichen Auf- schlufs. Das Rechteek ist selbstverständlich nur der Einfachheit wegen gewählt; die Querschnittsform kann eine beliebige andere sein, ohne dafs deshalb die durch die Charniere vermittelte Bewegung eine Änderung erfährt. An dem Querschnitt in Fig. 6 repräsentiren ab und dc die beiden Flanken (ab die untere und dc die obere Flanke), während ad der Convexseite und bc der Concavseite des Bogens entspricht. Dieser steht unter der Einwirkung zweier Kräfte, von denen die eine denselben in vertiealer Ebene (in der Riehtung der Pfeile bei &) zu krümmen sucht, während die andere in horizontaler Ebene (in der Richtung der Pfeile bei &) wirkt. Würde die verticale Kraft (&) allein zur Wirkung gelangen, so würden die Charniere der oberen Bogenflanke entlang in horizontaler Ebene anzu- bringen sein. Läfst man nun die Charniere spielen, während man den Bogen an einem Ende festhält, so sind die Formveränderungen des Bogens, wie Ambronn gezeigt hat, ohne scheinbare antidrome Torsion nicht möglich. Würde die Reectipetalität (3) allein wirken, so müfsten die Charniere der Convexseite entlang in verticaler Ebene an dem Bogen befestigt werden. 104 SCHWENDENER UND KrABBE: Dieser würde unter diesen Umständen allmählich die gerade Form annehmen, ohne Torsionen zu erfahren. Läfst man nun die in verticaler und horizon- taler Ebene thätigen Kräfte gleichzeitig auf den Bogen einwirken, so sind die Charniere nach dem Parallelogramm der Kräfte unter einer Neigung von 45° zum Horizont, und zwar an der von der oberen Flanke (de) und der Convexseite (ad) gebildeten Kante, anzubringen. Zu diesem Zwecke empfiehlt es sich, die fragliche Kante senkrecht zur Diagonale db d abzu- flachen, was an unserem Bogen bis zur Linie ef geschehen ist. Hält man nun einen so eonstruirten Bogen an einem Ende fest, während man vom anderen Ende aus die einzelnen Querabschnitte successive bis zur jedesmaligen Beseitigung der horizontalen Krümmung (wie an Fig. 5 gezeigt) gegeneinander bewegt, so überzeugt man sich sofort, dals die hier- bei stattfindenden Formveränderungen des Bogens ziemlich genau denjenigen entsprechen, welche bogenförmig gekrümmte Sprosse unter der gleichzeitigen Einwirkung von Rectipetalität und Schwerkraft erfahren. Bewegt man Glied 1 (Fig. 14) so weit, dafs in horizontaler Ebene der Winkel zwischen ihm und der Verlängerung von 2 verschwunden, so ist, wie das Modell direet zeigt, ein gleich grofser Winkel zwischen den beiden Gliedern in verticaler Ebene entstanden. Befestigt man in dieser Lage 1 mit 2 unbeweglich, und läfst darauf dieselbe Charnierbewegung zwischen 2 und 3 u. s. w. stattfinden, so entsteht allmählich an Stelle des horizontalen Bogens ein gleichge- stalteter verticaler ohne Torsion, nur mit dem schon an Fig. 12 demonstrirten Unterschiede, dafs die Concav- und Üonvexseite des hori- zontalen Bogens den Flanken des verticalen entsprechen. Dals in der Natur die Bewegungen nicht genau mit der hier de- monstrirten Regelmäfsigkeit erfolgen, bedarf wohl kaum einer Bemerkung. Das Parallelogramm der Kräfte, welches der vorstehenden Betrachtung zu Grunde liegt, gilt immer nur für die Bewegung eines einzelnen Charnieres resp. eines einzelnen Bogenstückes. Daher mufs der Winkel beispielsweise zwischen dem Bogenstück 1 und der Verlängerung von 2 (Fig. 14) be- seitigt sein, wenn das nächstfolgende Charnier zwischen 2 und 3 in Thätigkeit tritt. - Beginnt hier die Bewegung schon in einem früheren Stadium, so ist damit, worüber man sich am einfachsten direct am Modell orientirt, eine wenn auch geringe Schiefstellung der Längsseiten des Bogenstückes 1 in antidromer Richtung verbunden. Derartige seitliche Verschiebungen mögen auch an bogenförmigen Sprossen während der Aus- Orientirungstorsionen der blätter und blüthen. 105 bildung der zweiten Krümmung vorkommen; immerhin sind sie so gering, dafs sie sich mit Sicherheit nicht beobachten lassen. Auch sind sie nur vorübergehender Natur und daher auf die schliefsliche Beschaffenheit des senkrechten Bogens ohne Einflufs; denn solange noch Wachsthum stattfindet, beseitigt die Reetipetalität früher oder später jede von der Schwerkraft erzielte Wirkung, die nicht in die Vertical- ebene fällt. Im Allgemeinen entsprechen daher die an dem künstlichen Modell veranschaulichten Bewegungen denjenigen gekrümmter Sprosse unter den hier in Frage stehenden Bedingungen, um so mehr, als auch, wie wir gesehen haben, an den Sprossen die Kräfte nicht gleichzeitig auf die ganze Länge des Bogens, sondern in basipetaler Richtung fortschreitend wirken. Zur Vereinfachung der Darstellung haben wir im Vorstehenden kurz- weg von einer in verticaler Ebene wirkenden Kraft gesprochen und die- selbe der in horizontaler Ebene thätigen Rectipetalität gleich gesetzt. In Wirklichkeit sind in der Verticalebene zwei Kräfte thätig, die Schwerkraft und die Reectipetalität, welche letztere von der ersteren überwunden werden muls. Nur die Differenz der von diesen Kräften erzielten Leistungen besitzt dieselbe Gröfse wie die Leistung der horizontalen Rectipetalität. Bezeichnet man die von der Schwerkraft in der verticalen Ebene ausgelöste Arbeits- leistung mit s, die Leistung der in gleicher Ebene thätigen Rectipetalität mit r und diejenige der horizontalen Rectipetalität mit r’, so ist dem- nach s—r=r Da wir nun auf Grund unserer Beobachtungen annehmen dürfen, dafs r = r’ ist, so muls die während der Ausbildung des zweiten, verticalen Bogens von der Schwerkraft erzielte Leistung gleich 2 r, d.h. doppelt so grofs sein, als die gleichzeitige Leistung der Reetipetalität. Dafs jene gröfser sein muls als diese, folgt übrigens schon aus der That- sache, dafs die Sprosse stets in die lothrechte Lage übergeführt werden. Man wird hier vielleicht den Einwand erheben, dafs sich das obige, an radiär gebauten Organen gewonnene Ergebnifs nicht ohne Weiteres auf dorsi- ventrale Blüthen und Blätter übertragen lasse, so lange nicht bewiesen, dafs dieselben in gleicher Weise, wie die vegetativen Sprosse, der Einwirkung der Rectipetalität unterliegen. Dafs die letztere auch an Pflanzentheilen, die Örientirungstorsionen ausführen, vorkommt, geht aus den Untersuchungen der vorausgehenden Capitel zur Genüge hervor; es sei hier nur an die sich tordirenden Sprofsinternodien vieler Pflanzen erinnert. Da nun rectipetale und curvipetale Organe in der Ausführung ihrer Orientirungstorsionen voll- Phys. Abh. 1892. 1. 14 106 SCHWENDENER UND KRABBE: kommen mit einander übereinstimmen, so läfst sich hieraus sehon mit ziem- licher Sicherheit die Folgerung ziehen, dafs die Drehungen überall auch in derselben Weise zu stande kommen, nämlich durch eine unmittelbare Ein- wirkung des Lichtes oder der Schwerkraft. Übrigens wird der obige Ein- wand schon dureh die auf Seite 95 hervorgehobenen Thatsachen widerlegt, besonders durch die Beobachtung, wonach die Torsionen von der Lage der Krümmungsebene zur Angriffsrichtung der Kraft unabhängig sind. Im Vorstehenden hat in erster Linie nur das Hauptergebnifs aller Versuche Berücksichtigung gefunden; die Schilderung sonstiger Einzelheiten wäre nach Lage der Dinge überflüssig gewesen. Was z.B. die Zeit betrifft, die erforderlich ist, bis unter dem Zusammenwirken von Reectipetalität und Sehwerkraft an Stelle des horizontalen ein verticaler Bogen entsteht, so ist dieselbe natürlich in erster Linie von der Wachsthumsintensität der Versuchsobjecte abhängig und daher nicht nur bei verschiedenen Pflanzen- arten, sondern auch bei den einzelnen Individuen derselben Art ungleich. An lebhaft wachsenden Sprossen von Helianthus, Phaseohıs , Acroclinium u. s. w., die in horizontaler Lage der Einwirkung der Schwerkraft unterliegen, ent- steht eine ausgesprochene Krümmung innerhalb 3 bis 6 Stunden; dreht man hierauf diese Sprosse um 90°, so ist in weiteren 3 bis 6 Stunden die horizontale Krümmung gänzlich verschwunden und dafür eine verticale entstanden. Läfst man die Schwerkraft längere Zeit, etwa 24 Stunden, einwirken, so wird bei einer Horizontallegung des Bogens die Krümmung nieht vollständig beseitigt, weil inzwischen das Längenwachsthum auf jüngere Sprofsregionen übergegangen ist. Die Rectipetalität kann in Über- einstimmung mit der Schwerkraft nur so lange wirken als noch Wachs- thum stattfindet. Diese und andere Einzelheiten sind so selbstverständlich, dals sie keiner weiteren Auseinandersetzung bedürfen. Erwähnt sei nur noch, dafs sich unter unserem Versuchsmaterial auch eine windende Pflanze, Phaseolus, befand. Diese kann zu den vor- liegenden Versuchen nur in jugendlichen Stadien benutzt werden, so lange dieselbe noch keine Neigung zum Winden zeigt. Sobald die Sprosse länger werden und nicht winden, erhalten dieselben bekanntlich aus rein inneren Gründen homodrome Drehungen, die es natürlich unmöglich machen, die Wirkung äufserer Richtkräfte klar zu überschauen. Orientirungstorsionen der Blätter und Blüthen. 107 Schlufs. Da unsere Untersuchungsergebnisse in ziemlich übersichtlicher Gruppi- rung auf besondere Capitel vertheilt sind, so glauben wir von einer kurzen Recapitulirung derselben am Sehlufs dieser Abhandlung Abstand nehmen zu können. Das Hauptergebnils, um dies nochmals hervorzuheben, besteht darin, dafs sowohl die Schwerkraft als auch das Licht‘ an Organen, die Orien- tirungstorsionen ausführen, nicht nur krümmend, sondern auch direet tordi- rend zu wirken im stande ist. Es bleibt nur noch die Frage zu beantworten, ob dieses Ergebnifs für sämmtliche Orientirungstorsionen oder nur für eine Reihe von Fällen Gültigkeit beanspruchen kann. Wenn auch für die unter- suchten Blüthen, Blätter und Sprofsinternodien gezeigt wurde, dafs ihre Örientirungstorsionen stets von denselben Kräften in derselben Weise bewirkt werden, so ist damit die Frage nach der Generalisirungsfähigkeit dieses Ergebnisses noch nicht erledigt. Denn unsere Untersuchungen liegen auf einem Gebiete der Physiologie, auf welchem man aus den gleichen äufseren Erscheinungen nicht ohne Weiteres auf die gleichen Ursachen schliefsen kann; speciell Torsionen können in verschiedener Weise zu stande kommen. Gleichwohl kann es nicht zweifelhaft sein, wie die aufgeworfene Frage zu beantworten ist. Alle Orientirungsbewegungen beruhen auf Krümmungen und Torsionen. Nun ist im Vorausgehenden nicht blos an künstlichen Modellen und durch directe Versuche an wachsenden Pflanzen- theilen, sondern aufserdem auch noch theoretisch in allgemeingültiger Weise der Beweis geliefert worden, dafs aus der Combination von Krüm- mungen niemals Drehungen resultiren können: darum können zur Er- klärung der Örientirungstorsionen Krümmungen irgend welcher Art nicht herangezogen werden. Wie ferner im letzten Capitel gezeigt wurde, be- sitzen die von Ambronn hervorgehobenen Momente für den vorliegenden Gegenstand keine Bedeutung. Dasselbe gilt von dem Eigengewicht der Blätter und Blüthen; dasselbe mag hier und da für das Zustandekommen und den Verlauf der Torsion eine gewisse Rolle spielen; im Allgemeinen aber kann es als feststehende Thatsache betrachtet werden, dafs die Orien- tirungsbewegungen durch active Wachsthumsvorgänge vermittelt werden, welche die entgegengesetzte Wirkung des Eigengewichts zu überwinden vermögen. Wie wir endlich gesehen haben, sind auch in der inneren 14* 108 SCHWENDENER UND KrABBE: Organisation der hierher gehörigen Organe keinerlei Factoren gegeben, die Torsionen bedingen, weil diese sonst auch auftreten müfsten, wenn man die einseitige Wirkung äufserer Richtkräfte aufhebt. Nach alledem läfst sich allgemeingültig behaupten, dafs sämmt- liche auf Torsion beruhende Bewegungen, welche wachsende Pflanzentheile zur Erzielung einer bestimmten Orientirung zum Erdradius, zum einfallenden Licht oder zur Tragaxe ausführen, unter dem unmittelbaren Einflufs des Lichtes oder der Schwer- kraft zu stande kommen, indem von diesen Kräften tordirend wirkende Wachsthumsvorgänge ausgelöst werden. Dafs von dem Lieht diese Wirkung in manchen Fällen nur erzielt werden kann, wenn die Organe gleichzeitig auch unter dem Einflufs der Schwerkraft stehen, ist für das mechanische Zustandekommen der Torsion ohne Belang. Orientirungstorsionen der blätter und Blüthen. 109 Figurenerklärung. Bartel Tl. Sämmtliche Figuren auf Taf. I sind nur an der Hand des Textes verständlich. Die Figuren 1, 2, 3, 4, 9 und 13 gehören zum Capitel I, p. 14, die Figuren 6, 7, 8, 10, 11, 12 und 14 zum Capitel VIII, p. 93. — Fig. 1, 2, 3 und 4, p. 18. — Fig. 5, p. 102. — Fig. 6, p. 103. — Fig. 7 und 8, p. 100. — Fig. 9, p. 17. — Fig. 10, p. 95. — Fig. 11, p. 100. — Fig. 12, p. 98. — Fig. 13, p. 15. — Fig. 14, p. 103. Tafel. Fig. 1, siehe Text p. 91. An dem ziemlich senkrecht gewachsenen Sprols a 5 haben die Blätter unter einseitiger, horizontaler Beleuchtung durch bestimmte Internodialdrehung eine zweizeilige Anordnung an der rechten und linken Sprolsseite erhalten. Die aus den Achseln dieser Blätter hervorgegangenen Zweige c, d, e und / sind ziemlich horizontal ge- richtet; ihre Blätter haben gleichfalls in Folge einseitiger Beleuchtung eine zweizeilige Anordnung, jedoch an der Ober- und Unterseite der Zweige, erhalten. Fig. 2. Wistaria. Ein an inverser Sprolsaxe um 180° tordirtes Blatt. Die in der basalen Region » sichtbare Torsion nahm in a ihren Anfang, um von hier aus die Mittel- rippe in ihrer ganzen Länge zu durchlaufen. Fig. 3. Junges Sprolsende von Ginkgo bilaba. Die Drehung der Blattstiele beginnt dicht unterhalb der Spreite, um von hier aus basipetal weiter fortzuschreiten. Fig. 4. Wistaria. Ein an inverser Sprolsaxe geotropisch aufwärts gekrümmtes Blatt. Die Drehung um 180° erfolgt in dieser senkrechten Stellung des Blattes. Fig. 5. Ein fast senkrecht abwärts gerichtetes Blatt der Traueresche zur Demonstration des Torsionsverlaufes bei gefiederten Blättern; siehe p. 35 ff. Fig. 6. Wistaria. Ein an inverser Sprofsaxe geotropisch aufwärts gekrümmtes Blatt, dessen Torsion um 180° in dieser schräg aufwärts gerichteten Stellung erfolgt ist. Fig. 7. Alstroemeria. Der obere Theil eines Sprosses mit 180° tordirten Blättern. Fig. 8, 9 und 10. Aconitum-Blüthen zur Demonstration der Orientirungsbewegungen der einzelnen Blüthen gegen die invers gerichtete Spindel. Nähere Erläuterung im Capitel IL und Il. Fig. 11 und 12 siehe p. 29. 110 SCHWENDENER UND KrRABBE: Tarel.lie Fig. 1, 2, 3 und 4. Durch diese Figuren sollen die Bewegungen der primordialen Blätter von Soja und Phaseolus unter einseitiger, senkrecht zur Insertionsebene erfolgender Beleuchtung demonstrirt werden. In Fig. 3 standen die Blätter unter gleichzeitiger Ein- wirkung der Schwerkraft; in Fig. 2 und 4 war die einseitige Schwerkraftwirkung aufgehoben. Näheres siehe p. 82 fi. Fig. 5 und 7 siehe p. 87. Fig. 6. Ein mit einer Blüthe versehenes Sprolsstück von Viola tricolor. Text p. 74. Fig. 8. Ein in horizontaler Lage von oben beleuchteter Sprols von Ginkgo bioba. Die in der basalen Region der Blätter @ und 5 sichtbare Drehung begann im oberen Theil der Stiele, der jetzt untordirt ist. Fig. 9, 10, 11, 12 und 13. Blüthen von V. tricolor. Siehe Text p. 74 ff. Fig. 9. Ein Sprofsstück mit einer Blüthe, deren Stiel während der Aufhebung der einseitigen Schwerkraftwirkung an der Dorsalseite beleuchtet wurde; p. 74. Fig. 10. Sprolspartie mit drei Blüthen zur Demonstration der fixen Lichtlage. Das Licht fiel horizontal, senkrecht zur Vorderseite der Blüthen ein. 5 hat von Hause aus die fixe Lichtlage, während zur Erreichung dieser a eine Drehung von 90° und c eine Drehung von 180° ausführen mulste; p. 72. Fig. 11. Ein Sprolsstück mit einer Blüthe, deren Stiel in der Region a db um 180° gedreht ist; p. 72. Fig. 12. Eine noch unentfaltete Blüthe, deren Stiel während der Aufhebung der ein- seitigen Schwerkraftwirkung an einer Flanke beleuchtet war; p. 75. Fig. 13. Eine junge Blüthe, die während der Aufhebung der einseitigen Schwerkraft- wirkung an der Vorderseite das Licht empfing; p. 75. Fig. 14. Acacia lophanta. Ein Blatt, das während der Rotation auf dem Klinostaten an der Rückenseite beleuchtet wurde. Über die stattgefundenen Bewegungen siehe Text p. 89. Orientirungstorsionen der Blätter und Blüthen. In,kaykı: Einleitung. Feststellung der zu lösenden Fragen 6 : ö © & ae Die Örientirungstorsionen wachsender Organe werglichen mit den Dich angen aus- gewachsener, hygroskopischer Pflanzentheile FIRE: : Verschiedenheit der Torsionsursachen bei wachsenden und, een Bllanzen: theilen . .. > a ch ur - B Die Torsionsrichtung br noskonischen Pflanzengngane ist im Gegensatz zu ae Our: tirungstorsionen eine unabänderliche OA RER RE NO. 75 Die Torsionsursachen können bei wachsenden Bilanssutheilen ab in inneren Organi- sationsverhältnissen liegen, müssen vielmehr unter dem Einfluss äufserer Richt- kräfte stets neu geschaffen werden i b Die bisherigen Ansichten über das Zustandekommen der Orion irungstorsibnen h Kritik der Noll’schen Untersuchungen über die Orientirungsbewegungen zygomorpher Blüthen Il. Zur Theorie der Torsionen. Kann durch Combination zweier oder mehrerer Kräfte, von denen jede für sich nur krümmend in einer Ebene wirkt, eine Torsion entstehen?. Die Anschauungen Ambronn’s über das Zustandekommen »heliotropischer und geo- tropischer Torsionen« Bir Wiederholung der Ambronn' ehe er suche : 5 Ein Organ, an dem verschiedene Längszonen mit ungleichem Ausdehnung ade Conz tractionsbestreben gegeben sind, erfährt niemals eine Torsion, sondern immer nur eine Krümmung in einer Ebene . . TREE Experimenteller Beweis des vorstehenden Sakzes 2 Mathematische Begründung der experimentellen Ergebnisse, SE era: Direete Versuche an pflanzlichen Objecten 111 Seite [SX1 {er} 14 14 15 16 16 17 19 112 SCHWENDENER UND KRABBE: I. Experimentelle Untersuchungen über die Beziehungen der Orien- tirungstorsionen zu den gleichzeitig auftretenden Krümmungen Untersuchungsobjeete und Art der Versuchsanstellung . Die Blüthenbewegungen an invers gehaltener Spindel . Lage und Form der geotropischen Aufwärtskrümmung Easlls : Die Auswärtsbewegung und ihre Beziehung zu der geotropischen Krümmung Zwischen den Wachsthumsvorgängen, welche die geotropische Aufwärtskrümmung be- dingen, und denjenigen, aus welchen die Orientirungsbewegung der Blüthe gegen die Tragaxe resultirt, bestehen keinerlei Beziehungen Auswärtsbewegung der Blüthen an geraden Stielen Nichtexistenz der von Noll angenommenen Lateralkrümmung . 5 0 ad Das Zustandekommen der Auswärtsbewegung an bogenförmig Pekrrnmten Organen. Äufserer Charakter der Bewegung . 6 6 Das Herausrücken der Blüthe aus der Mertinnebene (Gateralbenegung Noll: s) und die Ursache dieser Erscheinung Sie Verhinderung der Krümmung während der Auswärisbewegung in ersuchen an Aconitum Lycoctonum . . . h DER . © Die Drehungen sind von den iehtaas der Blüthenstiele zum Brdradius umnabhäneie II. Über den äufseren Verlauf der Torsion. Die Torsionen beginnen stets im oberen Theil der die Orientirungsbewegung aus- führenden Organe, um von da aus basipetal weiter fortzuschreiten o An längeren Stielen gelangt die Drehung mit dem Einrücken der Blüthen tun Blatt, spreiten in die normale Lage nicht zum Stillstand In dem Malse, als die Torsion den zur normalen ÖOrientirung der Blüthen and Blatt. spreiten erforderlichen Werth basalwärts überschreitet, wird sie im oberen Theil der sich tordirenden Organe wieder aufgelöst . Schilderung des Torsionsverlaufs an einzelnen Beispielen 5 Bei gefiederten Blättern durchläuft die Torsion die ganze Miktehippe,) um in jahr Hasılln, fiederblattlosen Region des Stieles stehen zu bleiben Torsionsgrößse . . . au are Allgemeine Verbreitung den besprochenen Erscheinen a: 5 or Bewegungen der Blätter und Blüthen im Raum während der Aasfuhrung a Torsion. Schraubenlinige Windungen IV. Über die Ursachen der Orientirungstorsion. Feststellung der Kräfte, deren Wirkung zur Erzielung von Torsionen nothwendig ist Nach Ausschluss äulserer Richtkräfte zeigen die Organe wohl Krümmungen, niemals aber Torsionen 6 © Allgemeine Feststellung der rbrkiorkirsakhen Die zur Torsion führenden Wachsthumsvorgänge sind activer Natur Die Torsionen entstehen unter der direeten Einwirkung des Lichtes und der Schwerkraft Neben der krümmenden Wirkung des Lichtes und der Schwerkraft giebt es eine andere, aus welcher die Orientirungstorsionen hervorgehen; geotropische Torsionen 38 39 39 40 41 42 42 43 Orientirungstorsionen der Blätter und Blüthen. V. Die Bedeutung der Schwerkraft für das Zustandekommen der Orcseniinnumnlestorstiomen u Eu MR Die Bewegungen der Blätter bei Ausschluss einseitiger Beleuchtung . . . . Die Bewegungen der Blätter und Blüthen auf dem Klinostaten . . . Bedeutung der Schwerkraft für die Orientirungstorsionen der Blüthen Echte .geotropische Torsionen. Geotortistus . 2. 2 nn nn nn Der Geotortismus ist keine Theilerscheinung des Transversalgeotropismus Krümmungen und Drehungen bleiben unabhängig von der schlielslichen Lage der Organe streng auseinander zu haltende Erscheinungen . . 2... 0.0. Die transversale Lage wird in der Mehrzahl der Fälle nicht durch Axendrehungen EIETCHU a ee Die Bedeutung innerer Wachsthumsursachen für das Zustandekommen der Orientirungs torstonene Pa mr Kritik der Noll’schen Verstimmelungsv ersuche + rau ME : Erklärung der Erscheinungen, die nach bestimmten an der Pflanze vorgenommenen Operationen auftreten . . . .» Ziweck"'der"Orientirunasbewesung nr: 2 Zusammenfassung der gewonnenen Ergebnisse . . 2. 2 2 2 2. VI. Bemerkungen zur Mechanik der ÖOrientirungstorsionen Eine Torsion kann in verschiedener Weise zustande kommen. . 2.2... : Hervorhebung der Momente, die für die Klarlegung der Torsionsmeehanik wachsender Organe in Frage kommen . . . . ee A Zur Erzielung einer Torsion muls unter dem Einfuks der Schwerkraft das Wachsthum in einer zur Längsaxe schiefen Richtung, entweder des ganzen Organs oder der einzelnen Zellen, gefördert oder herabgesetzt werden . » 2. 2.2... Das mechanische Zustandekommen der Örientirungstorsionen durch ein bestimmtes Membranwachsthum der einzelnen Zellen . . . . RRRREH Te Die Beziehungen des lebenden Protoplasmas zu diesem Wachsihuran Das Protoplasma allein kann keine Torsion verursachen. . . 2.2 200. Die Bedeutung des dorsiventralen Baues der Organe für das Zustandekommen der Torsionen, co aaa u A. bush, al ie Die Reizempfänglichkeit des Protoplasmas gegenüber der Schwerkraft ist möglicher Weise auf bestimmte Zellen beschränkt . . . . . VII. Die Bedeutung des Lichtes für das Zustandekommen und den Verlauf der Orientirungstorsionen bei einseitiger Beleuchtung GEIL TIOtane N leer Se Die Bedeutung der bisherigen Versuchsergebnisse für die Erklärung der unter ein- seitiger Beleuchtung der Organe eintretenden Orientirungsbewegungen . . . . Bei Einnahme einer Lichtlage bestimmt stets das Licht allein die Richtung und die Gmölsetder SRonstonnaintie HN gen ul En RER. Wenn Beritik der. bisherigenl Anschauungen... 2 22 00 elkBeknkeunrillnee Sale EHREREESSR SAERERLIENT Während der Ausführung der Torsion zur Einnahme einer bestimmten Lichtlage stehen die Organe häufig unter der entgegengesetzt drehenden Wirkung der Schwerkraft Phys. Abh. 1892. 1. 15 62 114 SCHWENDENER UND KrABBE: Manche Pflanzen zeigen sowohl unter der alleinigen Einwirkung der Schwerkraft als auch unter gleichzeitigem Einfluls des Lichtes stets dieselbe Torsionsgrölse. Diese ist unabhängig von der gleichsinnigen oder ungleichsinnigen Wirkung der beiden Richtkräfte . ae Me igrrh er NE 1 (ul: a: Hervorhebung der Momente, die für die Erklärung der bei einseitiger Beleuchtung auftretenden Torsionen in Frage kommen . . - 5 a Art der Versuchsanstellung und Beschreibung der Den alan Apres ENT l. Versuche mit zygomorphen Blüthen Die Blüthen von Viola nehmen eine fixe Lichtlage ein durch bestimmte Drehungen ihrer Stiele . 5 : 3.0 Die morphologischen Ver hältnisse von Y. color nd allen Bewegungen der Blüthen bei direeter Besonnung Verhalten der Blüthen auf dem Klinostaten Die Bedeutung der epinastischen und heliotropischen Kotmeraeen . Blüthenstieldrehungen auf dem Klinostaten 3 Die Abhängigkeit der Orientirungstorsionen von de allcmren rang des Lichtes; heliogene Drehungen . . 5 B ß ro: e TG Heliotropische Krümmungen und Dechonsen Senn in Eeler EB achlichen Beziehung zu einander . 3.00 5 Verbreitung der heliogenen Drehansend unter dem Blüthen . : Ursache der hakenförmigen Abwärtskrümmung im oberen Theil der Blüthenstiele e 2. Versuche mit dorsiventralen Blättern Untersuchungen anderer Autoren . Versuche mit Soja und Phaseolus . NUT SORL TREE 07 0 EN REIN EEE Die bei einseitiger Beleuchtung eintretenden Blattbewegungen sind unter dem gleich- zeitigen Einfluls der Schwerkraft andere als auf dem Klinostaten Ausbleiben der Torsionen auf dem Klinostaten . Eintreten der Lichtlage auf dem Klinostaten . Erklärung der gemachten Beobachtungen lm Beziehungen zwischen Licht- und Schwerkraftwirkung De 1) .c Von Seiten des Lichtes werden tordirend wirkende ächstiumsrorgäuge ausgelöst Verhalten der Pflanzen mit polsterlosen Blättern Abweichendes Verhalten von Alstroemeria . 5 10 ee < Verbreitung der heliogenen Drehungen unter den vegetativen Organen Recapitulation der Ergebnisse VII. Die Bewegungen bogenförmiger Organe unter der krümmenden Wirkung des Lichtes oder der Schwerkraft. Untersuchungen Ambronn’s über die Bewegungen bogenförmiger Organe unter be- stimmtem Einfluls der Schwerkraft . Örientirung über die unter den Ambronn’ schen Bedingungen Stanfndenden Be wegungen Seite 86 56 93 94 95 Orientirungstorsionen der blätter und Blüthen. 115 Seite Bogenförmig gekrümmte Organe erfahren während der Ausführung einer zweiten Krümmung, die senkrecht zur ersten gerichtet ist, keine a aaa Experimenteller Beweis . . . £ : en Be 9 Eine horizontale Krümmung ist N die Bosın und Beschaffenheit einer zweiten, in verticaler Ebene erfolgenden, ohne Einfluss . » . . 2. 22m 200.298 Erklärung der Versuchsergebnise . . . a ao ck Die Rectipetalität und ihre Bedeutung für die Bewegungen bogenfärnig gekrümmter Orsaneg ar: NO Bee ON oe oe KOREA |:) Zusammenwirken von Rectipetalität ad Schwerkraft WESEL OO Ve ei) Erläuterung der Bewegungen an einem künstlichen Modell. . . 2 2.2.2.2.2...108 EB er, a ae ee ee 05 SICHT SE ee el u y k Y n u R Pen ö DL M ne hi u ra 0 ner eh bach hi inne A m hr re Be Ei 4; 0 Bee ar 1 mr? I BA or Pi „lei er N re { .. i on h Kara als m had re vi bu wR "2 ne y ra - ’ wa ’ De u . v u Fu me hi: e | um Er j E j u 0 = ‘u . Pe 2. m MR : a.‘ - 3 | i): j Win Ar AN Ai An , V 2 un I: SI) j x er A 5 RBeRT IE a 1 Ta Pe a TR » KPreuls. Akad.d.Wissensch Phys. Abh. 1892. ELaue lith, ‚Berlin Schwendener und Krabbe, Orientirungstorsionen. Taf.l N EEE Y rn = x iR } e n 17 6 RR KEIN a we “7 u R U \ Fu Pu \ m a 1 1) u h E \ . ) { ” di yr. w ’ r N D . nr r IN “ SE L I ) . ai E* y “ 4 3 ö + 5 ’ # " x Fi vg 3 ’ w { B f d Ru . “ 5 f a ei s \ Ir} ucY, % 2 j “ ’ » ’ 7 j vr u E u. 2 * [3 Im ® Di A " i i = ns Phys. Abh.1892. KPreuls. Akad. d.Wissensch 7 un E.Laue lith ‚Berlin Schwendener und Krabbe, Orientirungstorsionen Tat.ll. KPreuls. Akad.d Wissensch Phys. Abh. 1892 ELaue lith‚Berlin Schwendener und Krabbe, Orientirungstorsionen. Taf. Die systematische Anordnung der monokotyledoneen Angiospermen. Von H” ENGLER. Phys. Abh. 1892. I. 1 Vorgelegt in der Sitzung der phys.-math. Classe am 28. April 1892 [Sitzungsberichte St. XXIV. S. 375]. Zum Druck eingereicht am 12. Mai 1892, ausgegeben am 10. August 1892. Einleitung. "DB die pflanzenpaläontologischen Thatsachen nicht im Entferntesten aus- reichen und auch niemals ausreichen können, um auf Grund derselben die angiospermen Familien nach der Reihenfolge ihrer Entwickelung an- zuordnen, so bleibt als die wesentlichste Grundlage für die Bestimmung ihrer Aufeinanderfolge im System nur die Stufenfolge übrig, welche in den Verschiedenheiten des morphologischen Aufbaues und auch der Ge- webe zum Ausdruck kommt. DBereitet aber schon der Umstand, dafs bei oft nahestehenden angiospermen Familien in der einen Formation ein morphologischer Fortschritt, in anderen Formationen ein Stehenbleiben auf niederer Stufe beobachtet wird, Schwierigkeiten, so werden dieselben noch dadurch erhöht, dafs in manchen Verwandtschaftskreisen neben sicher weit vorgeschrittenen Formen andere existiren, betreffs deren es unent- schieden bleibt, ob sie auf ursprünglieher niederer Stufe stehen geblieben sind oder durch eine neuen Existenzverhältnissen entsprechende Reduction so umgestaltet sind, dafs sie, obwohl jüngeren Ursprungs, doch einen älteren Typus zu repräsentiren scheinen. Schon Delpino') hat darauf hingewiesen, dafs zu unterscheiden sei zwischen ursprünglicher Einfach- heit (semplieita) und Vereinfachung (semplificazione) oder Reduction. Die Einfachheit der Blüthen z. B. ist etwas Primitives, sehr Altes, dagegen die Reduction etwas relativ Spätes. Die zahlreichen Fälle sowohl in den !) F. Delpino, Contribuzione alla storia del sviluppo del regno vegetale I. Smila- ceae. — Atti della R. Universitä di Genova IV, 1 (Genova 1880). — Referat in Engler’s Bot. Jahrb. I (1881) p. 291. 15° 4 A. En6tER: Familiencomplexen der Monokotyledoneen wie in denen der Dikotyledo- neen, bei denen thatsächlich Reduetion nachgewiesen ist, haben Syste- matiker und Morphologen vielfach zu einem etwas ausgedehnten Gebrauch von der Annahme der Reduction veranlafst, der allmählich, namentlich auch schon von Eichler bei den Dikotyledoneen sehr eingeschränkt worden ist. Besonders die früher vielfach so beliebte Annahme des Ab- ortes von Blumenblättern in homoiochlamydeischen Blüthen hat Eichler') bei den Fagales, Urticales, Centrospermae als unberechtigt erkannt, ein für die wissenschaftliche Systematik ganz erheblicher Fortschritt. — Aber auch in anderer Beziehung ist man in der Annahme von Reduction etwas zu weit gegangen, indem man ohne Weiteres in Verwandtschaftskreisen, welche in einer Formation eine wechselnde Zahl von Gliedern aufwiesen, die mindergliedrigen Gattungen den mehrgliedrigen als redueirte gegen- überstellte und ebenso in Verwandtschaftskreisen mit ungleicher Zahl der Quirle die minderquirligen als typisch mehrquirlige, aber redueirte auf- fafste. Besonders steht von Nägeli’) in seiner Theorie der Abstammungs- lehre noch entschieden auf diesem Standpunkt. Nachdem er die spiroi- dischen, spirocyklischen und holocyklischen Blüthen, welche ich’) als ur- sprünglich gleichwerthig ansehe, als auf einander folgende Entwickelungs- stufen bezeichnet, sagt er: »Jede dieser 3 Stellungen kann durch Reduction mehr oder weniger verändert werden. Die spiralständigen Blüthenphyllome treten zuerst in grofser und unbestimmter Zahl auf und werden zuletzt auf wenige beschränkt, es läfst sich bei ihnen eine Anfangs- und eine Endstufe unterscheiden: 1. polymer, 2. oligomer. Die eyklischen Phyllome erscheinen zuerst in gröfserer und unbestimmter Quirlzahl und werden dann auf eine bestimmte oder gesetzmäfsige Zahl von Quirlen redueirt, die regelmäfsig alterniren. Eine weitere Reduetion führt eine Vermin- derung ohne Stellungsänderung herbei: Daraus ergeben sich 3 phylo- genetische Stufen: 1. polyeyklisch, 2. monocyklisch, 3. oligocyklisch.« S. 501 wird dann noch gesagt: »Die höchsten Stufen der Entwicke- lungsreihen sind erreicht, wenn in der Blüthe die Quirlbildung vollständig und am weitesten durchgeführt ist.« Diesen Ausführungen ist entgegen- !) Eichler, Blüthendiagramme II S. 1ff. 2) von Nägeli, Theorie der Abstammungslehre, S. 491, 492. ®) Vergl. Engler, Syllabus, grofse Ausgabe, S. XI. 8. 18. Die systematische Anordnung der monokotyledoneen Angiospermen. 5 zuhalten, dafs thatsächlich bei einer und derselben Pflanzenart die Zahl der Glieder in einer Formation fallen und wachsen kann und dafs es ebenso Arten gibt, bei denen die Zahl der Quirle bald eine geringere, bald eine gröfsere ist, gerade so, wie ein Sprofs, bevor er mit einem Blüthenstand abschliefst, bald eine gröfsere, bald eine geringere Zahl von Niederblättern und Laubblättern entwickelt. Man kann daher nicht in einem Verwandtschaftskreise, in welchem schwankende Zahl der Glieder oder der Quirle beobachtet wird, die Minderzähligkeit ohne Weiteres als die jüngere, die Vielzähligkeit als die ältere Stufe annehmen; es ist möglich, dafs sie sich so zu einander verhalten, aber es braucht nicht so zu sein; es kann auch die umgekehrte Entwickelung stattgefunden haben oder es können auch beide Typen neben einander entstanden sein. Da- gegen sind sicher ebenso wie die in Sympodien häufig vorkommenden Sprosse mit fixirter Zahl von Laubblättern auch die Blüthensprosse mit fixirter Zahl der Glieder die weiter vorgeschrittenen und dann noch weiter vorgeschritten diejenigen, welche bei Bewahrung der typischen Stellungs- verhältnisse durch Ausfall einzelner Glieder oder eines ganzen Quirles redueirt sind. Der Gegensatz liegt also nicht in der Zahl der Glieder und der Quirle, sondern vorzugsweise darin, dafs die- selben unbestimmt oder fixirt sind. Damit scheint mir ein sehr wesentlicher Anhalt sowohl für die Anordnung der Familien innerhalb der Reihen, wie für die Anordnung der Gattungen innerhalb der Familien gegeben zu sein. Diese und andere Prineipien der systematischen Anordnung der An- giospermen, welche ich neuerdings in meinem »Syllabus« aufgestellt habe, haben mich schon im Jahre 1886 bei der Ausarbeitung des Systemes für den Führer durch den botanischen Garten zu Breslau und bald darauf bei der Anordnung des Stoffes der »natürlichen Pflanzenfamilien« geleitet. Es fehlt nun noch eine eingehendere Motivirung der Anordnung der Reihen und Familien, welche ich allmählich an dieser Stelle zu veröffentlichen be- absichtige, zunächst für die Monokotyledoneen. 6 A. En6Ler: A. Monokotyledonee Familienreihen mit vorherrschender Unbeständigkeit in der Zahl der Blüthentheile. Bei der Gruppirung der monokotyledoneen Angiospermen waren die Systematiker meist von der Ansicht beherrscht, dafs allen Blüthen der- selben ein gemeinsames Schema (P3+3, A3+3, C3) zu Grunde liege, auch in Eichler’s Blüthendiagrammen macht sich dieses Streben stark bemerkbar, obgleich er auf S. 72 desselben Werkes sich dahin ausgesprochen hatte, dafs es ausser dem herrschenden Typus eine ganze Reihe von Fällen gebe, in denen eine Zurückführung zum Typus nicht möglich sei. Nach den von mir gegebenen Ausführungen (Syllabus, grosse Ausgabe S. XI— XII) befinden sich auf einer weniger vorgeschrittenen Stufe die- Jenigen Familienreihen, in denen noch typische Nacktblüthigkeit, spiralige Anordnung und Unbeständigkeit in der Zahl der Blüthentheile beobachtet wird. Hierauf basirt die folgende Anordnung. I. Pandanales. Die eine niedere Stufe der Blüthenentwickelung anzeigenden Verhält- nisse treten in der Unterklasse der Monokotyledoneen unzweifelhaft am stärksten bei den Pandanaceae hervor, an welche sich die Typhaceae und auch die Sparganiaceae anschliefsen. Die Pandanaceae hat man früher aus rein äusserlichen Gründen mit den Palmen und Araceen zusammengebracht. Bei Endlicher bilden die Aroideae, Typhaceae, Pandanaceae die Classe der Spadiciflorae, welche nur durch das eine gemeinsame Merkmal charakterisirt ist, dafs die Blüthen an einem mit einer Spatha oder mit einigen Spathen versehenen Kolben stehen, welche im Übrigen aber durch Einbeziehung der Araceae in diese Classe recht mannigfache Blüthenbildungen und Frucht- verhältnisse aufweist. Eichler hat in seinem Syllabus') diese Reihe der Spadieiflorae noch mehr erweitert und in dieselbe auch die Palnae, Cyelan- !haceae und Najadaceae einbezogen; die Reihe wird dann folgendermalsen characterisirt: »Blüthen meist diklin, mehr oder weniger redueirt und un- ansehnlich, dafür in dichten, oft kolbigen und mit Spatha behüllten In- ilorescenzen«. Indessen sind bei vielen Araceae und bei den meisten Palmae, ') Eichler, Syllabus. 4. Ausgabe 1886 S. 36. Die systematische Anordnung der monokotyledoneen Angiospermen. 7 auch bei den Cyelanthaceae die Blüthen nicht redueirt und ferner sind die kolbigen Intloreseenzen bei den Araceae, Cyelanthaceae, Najadaceae immer einfache Ähren, bei den Palmae, Pandanaceae und Typhaceae zusammen- gesetzte. Die Familie der Pandanaceae hat Eichler in seinen Diagrammen gar nicht erwähnt, wahrscheinlich, weil ihm, als er den ersten Theil dieses Werkes schrieb, kein Untersuchungsmaterial zur Verfügung stand. Erst später wurden die Blüthenverhältnisse der Pandanaceae durch die Unter- suchungen von Graf Solms-Laubach!) aufgeklärt. Auch nicht die Spur einer Blüthenhülle hat sich bei einer der zahlreichen untersuchten Pan- ddanaceae ergeben. Im Jahre 1878 scheint Graf Solms noch der Ansicht gewesen zu sein, dals ursprünglich eine solche vorhanden gewesen ist; denn er sagt in der Bot. Zeit. S. 341: In der weiblichen Blüthe hat dem- nach Schwund der Antheren stattgefunden, dieselben sind den Weg des Perigons, welches bei nahestehenden Gattungen (Carlıdovica, Phytelephas) noch vorkommt, gegangen, es ist nur das polymere Gynaeceum, die Pha- lange bildend, übrig geblieben. In der Bearbeitung für die Pilanzenfamilien findet sich aber eine derartige Annahme nicht angedeutet. Es ist auch absolut nieht einzusehen, weshalb gerade alle angiospermen Pflanzen ein- mal eine Blüthenhülle besessen haben sollen, während wir doch eine solche bei der Mehrzahl der Gymnospermen nicht finden. Dafs in anderer Be- ziehung Reduction und Abort bei der Gestaltung der Blüthenstände und Blüthen der Pandanaceae mitgewirkt haben, ist nieht zu bezweifeln. Das gänzliche Fehlen von Deckblättern am Grunde der Blüthen haben die Pandanaceoe mit den Araceae und mit den Potamogetonaceae gemeinsam; es ist immerhin möglich, dafs auch bei den Vorfahren dieser Pflanzen solche überhaupt nie entwickelt waren. Dagegen spricht das Vorkommen von Staminodien in den weiblichen Blüthen von Freycineta (Graf Solms in Pflanzenfam. II. 1. S. 189 Fig. 148ec), von verkümmerten Gynaeceen in den männlichen Blüthen derselben Gattung entschieden dafür, dafs ursprünglich die Blüthen zwittrig gewesen sind; bei Pandanus freilich ist keine Spur mehr von rudimentären Sexualblättern des anderen Geschlechtes in den männlichen oder weiblichen Blüthen zu finden. Wenn nun auch diese !, H. Graf zu Solms-Laubach, Über den Bau von Blüthe und Frucht in der Fa- milie der Pandanaceen, Bot. Zeit. 1878, S. 331 — 332, 337— 350, 353— 359 und Taf. X. — Derselbe, Monographia Pandanacearum in Linnaea Bd. XLU. Heft 1. — Derselbe, Pandanaceae in Engler und Prantl, Nat. Pflanzenfam. II. 1. p. 136—191. 8 A. EnGLER: Reductionen darauf hinweisen, dafs die Pandanaceae in gewisser Beziehung vorgeschritten sind, so stehen sie doch durch die unbestimmte und oft grofse Zahl ihrer Staubblätter und Fruchtblätter gegenüber vielen Mono- kotyledoneen auf niederer Stufe. Bei Freyeinelia, z. B. Freycinetia insignis Blume beträgt die Zahl der zu einer männlichen Blüthe gehörenden Staub- blätter 7— 10, bei den Arten von Pandanus aber ist sie noch erheblich gröfser (vergl. Graf Solms in Pflanzenfamilien S. 189). Bei Pandanus macrocarpus Brongn. finden wir über 100 Staubblätter an kreiselförmiger Blüthenaxe, bei Pandanus fragrans Brongn. über 20 an eylindrischer Axe, bei Pandanus Lais Kurz über 101, bei P. furcatus Roxb. etwa 15 Staub- blätter am Ende einer fast trichterförmig erweiterten Axe. Ebenso un- beständig ist die Zahl der Carpelle in den weiblichen Blüthen. Freycinetia Baueriana Endl. enthält deren 9—12, F. arborea Gaudich. 6 — 10; die an- deren enthalten 6 oder weniger. Von Pandanus sind P. utilis Bory, P. fasei- cularis Lam., P. altissimus Brongn. und die ihnen verwandten Arten mit 6—12 und mehr Carpellen versehen, während P. Kurzianus Solms, P. foetidus Roxb., P. furcatus Roxb., P. racemosus Gaudich. u.a. nur 1 Carpell in jeder weiblichen Blüthe besitzen. Wir haben also in dieser Familie trotz der verhältnifsmäfsig geringen Zahl von Arten einen aufserordentlich grofsen Wechsel in der Zahl der Blüthentheile. Noch sei darauf hingewiesen, dafs ich bei einem in Alcohol conservirten Blüthenstande des Pandanus furcatus Roxb. aus dem Berliner botanischen Garten die seitlichen Kolben an der primären Blüthenstandsaxe hinaufgewachsen fand, wie es ganz ähnlich bei Sparganium simplex Huds. beobachtet wird. Die Gattung Sparganium, welche allein die Familie der Sparganiaceae repräsentirt, steht überhaupt den Pandanaceae recht nahe und kann nur in der Nachbarschaft dieser Familie ihren Platz haben. In den männlichen Blüthen beträgt die Zahl der Staubblätter 3—8, der Blüthenhüllblätter 3—5, die Stellung der Staubblätter ist bei Gleichzähligkeit meist alternirend, doch fallen auch bisweilen einzelne Staubblätter vor die Blüthenhüllblätter, Variationen, welche wohl mit der Zusammendrängung der Blüthen in Ver- bindung stehen mögen.') In den weiblichen Blüthen kommen bald 1, bald 2 Blürthenhüllkreise von je 3 Blättern vor oder es wird auch der innere ') S. Dietz, Über die Entwiekelung der Blüthen und Früchte von Sparganium und Typha, S. 42. Die systematische Anordnung der monokotyledoneen Angiospermen. 9 Kreis nur theilweise entwickelt.') Für gewöhnlich findet sich nur 1 Carpell; aber bei Sparganium ramosum Huds. habe ich nieht selten 2 mit einander verwachsene Carpelle beobachtet (Pilanzenfam. II. 1. S. 192 Fig. 150 B.); auch Dietz (a.a.O. S.47) hat entwickelungsgeschichtlich 2 Carpelle verfolgt und bei Sparganium eurycarpum Engelm. (in Asa Gray Manual of the botany of the Northern United States 5. ed. 1868 p. 481), welches dem Sparganium ramosum Huds. nahe verwandt ist, finden sich sehr häufig 2 Carpelle. Die von Eichler aus gesprochene Behauptung (Diagr. 1. 111), dafs der bica- pellare Fruchtknoten bei Sparganium durch Verwachsung zweier Blüthen entstehe, ist demnach hinfällig. Während bei den Pandanaceae die Samen- anlagen entweder parietal oder nahe am Grunde aufrecht sind, mit nach unten gekehrter Mikropyle, ist bei Sparganium die eine Samenanlage hängend mit nach oben gekehrter Mikropyle. Der wesentliche Unterschied der Spar- ganiaceae gegenüber den Pandanaceae besteht in dem Vorhandensein von Blüthenhüllblättern und Tragblättern. Die ersten Anlagen der Blüthen- hüllblätter gleichen denen der Staubblätter und es ist nieht ganz unwahr- scheinlich, dafs sie phylogenetisch aus Staubblättern entstanden sind. Die Gattung Typha, welche meist mit Sparganium vereinigt wird, habe ich in den Pflanzenfamilien als Vertreter einer eigenen Familie, der Typhaceae hingestellt, und zwar wegen der eigenartigen Entwickelung des Blüthenstandes, wegen des Mangels der Blüthenhülle und des unicarpellaren Gynaeceums. Prof. Celakovsky hat neuerdings, nachdem er schon 1885?) den Blüthenstand von Typha mit demjenigen von Sparganium simplex in Einklang zu bringen versucht hat, in einer zweiten Abhandlung‘) den Gegenstand noch einmal behandelt und hierbei auch den Versuch gemacht, die unterhalb der Blüthen auftretenden Trichome als ein dureh Spaltung von Blattanlagen entstandenes Perigon zu deuten. Die Ausführungen Celakovsky’s bezüglich des Blüthenstandes kann ich zwar nieht für absolut beweisend anerkennen, da das thatsächliche Verhalten in der Ent- wickelung der Blüthen von Typha mir hierzu keine Anhaltspunkte bietet; jedoch halte ich theorethisch mit Rücksicht auf die bei Sparganium simplex vorkommenden Verhältnisse und mit Rücksicht darauf dafs auch bei Pan- 1). S. Dietz, a. a. ©. S. 45. 2) Celakovsky, Über die Inflorescenz von Typha, in Flora 1885 Nr. 35. 3) Celakovsky, Über die Verwandtschaft von Typha und Sparganium, in Oest. Bot. Zeitschr. 1891 Nr. 4 ff. Phys. Abh. 1892. II. 2 10 AENELERE danus wie bei Sparganium die Seitenzweige der Intlorescenz unterwärts oft einige Centimeter weit mit der primären Axe vereint bleiben, Cela- kovsky’s Auffassung nicht für unbegründet. Was dagegen die Deutung der Haare als Perigon betrifft, so ist es mir nicht möglich, hierin Celakovsky zu folgen. Bei den Pandanaceae, mit deren Blüthenstand man den Blüthenstand von 7ypha ebenso vergleichen könnte, wie mit demjenigen von Sparganium, fehlt jede Spur von Blüthenhülle, obgleich diese Familie gerade eine sehr ursprüngliche Blüthenform aufweist. Cela- kovsky sagt schr apodiktisch: »Nackte Blüthen sind redueirte Blüthen, die gewöhnlich auch in anderen Beziehungen redueirt zu sein pflegen. « Die Pandanaceae aber haben exquisit nackte Blüthen und doch sind sie, abgesehen von der Eingeschlechtlichkeit durchaus nicht redueirt. Wenn aber zugestanden werden mufs, dafs auch angiosperme Pflanzen so wie gymnosperme von Anfang an nacktblättrig sein konnten, dann brauchen wir auch nicht die von Öelakovsky angewendete gewaltsame Hypothese zur Construction einer Blüthenhülle bei Zypha, dafs nämlich ursprünglich Perigonblätter wie bei Sparganium vorhanden gewesen seien, dafs bei diesen Perigonblattanlagen nicht blofs seitliche, sondern auch seriale Spaltungen eingetreten seien und dafs diese Blatttheilchen dann in mehrere Stockwerke übereinander (man vergl. Nat. Pflanzenfam. I. 1. S. 184. Fig. 143 A, E) zu liegen kamen. Dafs die Typhaceae und Sparyaniaceae viel Gemeinsames haben, ist zweifellos; aber beide stehen der Pandanaceae in gleicher Weise nahe, so dafs man auch alle drei nach dem Vorgange Reichenbach’s') in eine einzige Familie vereinigen könnte. Doch müfsten sie innerhalb der- selben als Unterfamilien unterschieden werden, da weder die Sparganiaceae noch die Typhaceae Übergänge zu den Pandanaceae aufweisen. Dafs die Sparganiaceae mit ihrem nicht selten bicarpellaren Gynaeceum, mit ihren spatelförmigen Narben, mit ihrem langen cylindrischen Embryo sich an die Cyperaceae anschliefsen könnten, halte ich für völlig ausgeschlossen. Im anatomischen Bau des Stengels stimmen die Sparganiaceae und Typhaceae insofern überein, als bei beiden Familien das mechanische Gewebe wie bei der Mehrzahl der Liliitloren dem siebenten System Schwende- ner’s?) angehört; es ist ein einfacher Hohleylinder vorhanden, welchem !) Reichenbach, lceones fl. germ. et helv. vol. IX. 1847. 2) Schwendener, Das mechanische Prineip im anatomischen Bau der Monokotylen, S. 74. Die systematische Anordnung der monokotyledoneen Angiospermen. 11 Mestomstränge theils eingebettet sind, theils anliegen, während die übrigen innerhalb und aufserhalb des Hohleylinders befindlichen Stränge mit Bast- belegen versehen sind. Weder finden sich zusammengesetzte peripherische Träger, wie bei den Cyperaceae noch ein gerippter Hohleylinder wie bei den (Gramineae. Die Pandanaceae verhalten sich zu beiden Familien hinsichtlich des mechanischen Gewebes ähnlich wie die Dracaenoideae zu den übrigen Unterfamilien der Liliaceae, das heifst, es sind bei den Pandanaceae (unter- sucht wurden einige Pandanus und Freyeinetia) ebenso wie bei den Dracae- noideae und Palmen subeorticale Stränge mit starker Bastentwiekelung und bisweilen eintretender Verschmelzung vorhanden (fünftes System Schwen- dener’s). Da hei den Typhaceae und Pandanaceae die Blüthenhülle fehlt, bei den Sparganiaceae eine solche auftritt, so ist die Reihenfolge Typhaceae ’ Pandanacear,, Sparganiaceae gerechtfertigt. IE. ZZeloßiae.') In der Reihe der Helobiae habe ich nieht nur, wie Eichler die Junca- ginaceae, Alismaceae, Bulomaceae und Hydrocharitaceae vereinigt, sondern auch noch die Potamogetonaceae, Najadaceae, Aponogetonaceae mit eingeschlossen. Auch die in Folge ihrer parasitären Lebensweise mit ungegliedertem Embryo versehenen Triuridaceae werden vorläufig noch dahin gestellt. Auf den ersten Blick mag die Vereinigung so vieler Familien und auch deren Stellung nach den Pandanales etwas Befremdliches haben; aber der Zusammenhang dieser Familien unter einander läfst sich darthun und auch für ihre Stellung am Anfang der Monokotylen sind einige Gründe vorhanden. Sehen wir von den Triuridaceae ab, bei welehen Dr. K. Schumann nach einer mir persönlich gemachten Mittheilung einen kugeligen von Nährgewebe umgebenen Embryo gefunden hat, so ist ein gemeinsames Merkmal der übrigen Familien das, dafs der Embryo das Nährgewebe vor der Keimung aufzehrt und im Samen zuletzt von solchem nicht mehr um- geben ist. Ferner finden wir bei allen die Carpelle entweder getrennt oder wenn sie durch Versenkung in die Blüthenaxe verbunden sind, wenigstens !) Drude hat in Schenk’s Handh.f. Bot. III.2 S. 3 diese Reihe als Macroblastae den übrigen (Microblastae benannten) Reihen der Monokotyledoneen gegenübergestellt, allerdings auch schon erwähnt, dafs bei den Araceen ebenfalls ein maeroblastischer Embryo vor- kommt. 12 A, ENGLER: freie Griffel in der Zahl der Carpelle. Ein anderes wahrscheinlich gemein- sames Merkmal sind die Squamulae intravaginales. Dieselben sind bis jetzt noch nicht constatirt bei den Triuridaceae und den Aponogetonaceae. Während so die Familien durch das Verhalten des Nährgewebes, der Griffel und wahrscheinlich auch durch die Squamulae intravaginales ver- bunden sind, sondern sie sich in 2 Gruppen nach der Beschaffenheit der Blüthenhülle und nach der Zahl der Quirle. Bei den Potamogetonaceae und Najadaceae ist die Blüthenhülle schwach entwickelt oder fehlt ganz, während sie bei den übrigen Familien alle Stufen von der Haplochlamydie und Homoiochlamydie bis zur Heterochlamydie durchmacht. Bei den Pota- mogetonaceae und Najadaceae ist die Zahl der Quirle eine geringe, bei den anderen dagegen eine gröfsere oder wir finden im Gynaeceum zahlreiche Glieder in spiraliger Anordnung. Wollte man annehmen, dafs die Formen mit spiraliger Anordnung der Fruchtblätter den ursprünglichen Typus re- präsentiren, so müsste man von Sagittaria ausgehen und mit Najyas enden; aber man würde dabei, ganz abgesehen davon, dafs spiralige und eyklische Anordnung ursprünglich gleichwerthig sind, einseitig nur einer Stufenfolge Rechnung tragen, während in dem Verwandschaftskreis der Helobiae noch andere Stufenfolgen hervortreten. Auch aus der Zahl der Quirle und ihrer Glieder können wir nicht eine Stufenfolge construiren, da wir es hier mit einer Familienreihe zu thun haben, in welcher die Zahl der Quirle noch nieht fixirt ist, wie auf den höheren Stufen der Monokotyledoneen. Wenn ich also die Potamoge- tonaceae an den Anfang der Helobiae stelle, so soll damit nicht gesagt sein, dafs die übrigen Familien alle von ihnen herzuleiten seien. Ebensowenig existirt ein triftiger Grund für die Annahme, dafs sie selbst von mehr- quirligen Formen abstammen. Der Helobiae-Typus ist charakterisirt durch variable Zahl der Quirle und die Potamogetonaceae stellen eine Auszweigung desselben dar, in welchem nur wenige Quirle entwickelt werden. Ob die 4 Hüllblätter der Blüthen von Potamogeton als selbständige Blattgebilde anzusehen sind, wie Hegelmaier') durch die Darlegung der Entwiekelungs- geschichte wahrscheinlich gemacht hat oder als Connectivschuppen, ist nicht allzu wichtig, indessen möchte ich die von Hegelmaier und auch Die systematische Anordnung der monokotyledoneen Angiospermen. 13 von Buchenau!') vertretene Ansicht für die richtigere halten. Auf jeden Fall nimmt Potamogeton unter den Potamogetonaceae die erste Stufe ein und Ruppia die zweite, da bei Ruppia nur 2 Staubblätter vorhanden sind, wäh- rend die Zahl der Carpelle wie bei Potamogeton 4 beträgt; diese Vierzahl ist auch in den weiblichen Blüthen von Zannichellia noch erhalten, deren becherförmige Blüthenhülle wohl doch phylogenetisch als ein aus 4 eonso- eiirten Blattanlagen entstandenes Gebilde anzusehen sein dürfte, um so mehr, als bei der mit Zannichellia verwandten Gattung Althenia die Blüthenhülle der weiblichen Blüthe aus 3 getrennten Blättern besteht, die der männ- lichen Blüthe becherförmig und dreilappig ist. Zannichellia und Althenia weisen auch allein einige Analogieen mit Najas auf, doch zeigt die Gat- tung im Übrigen so viel Eigenthümlichkeiten, dafs die von Magnus?) voll- zogene Abtrennung dieser Familie von den Potamogetonaceae vollkommen gebilligt werden mufs. Eine durchaus selbständige Gruppe bilden die Posi- donieae mit Posidonia. Trotz der Zwitterblüthigkeit und trotz der mächtigen Entwicklung des Connectives sind doch keine näheren Beziehungen zu den Potamogetoneae vorhanden, nur stimmt die Beschaffenheit der Narben mehr mit derjenigen von Potamogeton, als mit der von Zostera und Cymodocea überein, welehe durch 2 federförmige Narben an jedem Carpell ausge- zeichnet sind. Obwohl von den Zostereae (Zostera und Phyllospadix) zu den Oymodoceae (Cymodocea und Halodule) keine Brücke existirt, so ist doch wegen der gleichen Beschaffenheit der Narben und der hängenden Samen- anlage ein gemeinsamer Ursprung wahrscheinlich. Die Cymodoceae verhalten sich zu den Zostereae, wie die Zannichellieae zu den Potamogetoneae. Beide stehen auf gleicher Stufe hinsichtlich des Blüthenstandes; aber sie gehören verschiedenen Progressionsreihen an. Demnach würde folgende Anordnung den Verwandschaftsverhältnissen der von Ascherson’) aufgestellten Grup- pen am besten entsprechen. Potamogetoneae Posidonieae Zostereae Potamogeton — Ruppia Zostera, Phyllospadix | | Zannichellicae Cymodoceae Althenia, Zanniehellia Cymodocea, Halodule !) Buchenau, Beiträge zur Kenntnils der Alismaceen, Batomaceen und Juncaginaceen in Engler’s botanischen Jahrb., S. 492. 2) Magnus in Engler und Prantl, Nat. Pflanzenfam. II. 1. S. 214. 3) P. Ascherson in Nat. Pflanzenfam. Il. 1. S. 194. 14 A. ENn6GLER: Alle übrigen Familien der Helobiae haben stets eine Blüthenhülle. Bei den Aponogetonaceae ist dieselbe noch einfach. Wie ich in meiner Ab- handlung über diese Familie‘) dargethan habe, kommen bisweilen 3 Blüthen- hüllblätter vor, bei Aponogeton monostachyus L. fil. 2 und bei Aponogeton distachyus L. fil. nur 1; immer aber sind die Blüthenhüllblätter corollinisch. Bemerkenswerth ist ferner die wechselnde Zahl der Quirle; die meisten Arten haben 2 Quirle Staubblätter und 1 Quirl Carpelle; aber bei Apono- geton distachyus steigert sich die Zahl der Staubblattquirle auf 4 und die der Fruchtblattquirle auf 2. Dies beweist, dafs in dieser Familie die Zahl der Quirle noch keine gefestigte ist. Auch die Samenanlagen sind noch wechselnd, entweder in 2 Reihen längs der ganzen Bauchnath oder in nur geringer Anzahl am Grunde. Während also die Aponogetonaceae durch die eorollinische Blüthenhülle höher stehen, als die Potamogetonaceae, so stehen sie wegen der noch stattfindenden Unbeständigkeit in der Zahl der Quirle auf einer niederen Stufe. Innerhalb der artenreichen Gattung ist eine Stufenfolge nicht blofs in der Umbildung der Blüthenhülle, sondern auch in der Gestaltung des Blüthenstandes zu constatiren. Die ursprüngliche Form ist die einfache Ähre. Bei mehreren spaltet sich dieselbe von Grund aus in 2 bis 5 Schenkel: ein Analogon hierfür beobachtete ich neuerdings auch bei Anthurüum Ferreirense, einem Bastard des Anthurium Andraeamum Linden, an welchem der Kolben am Grunde sich in 3 Äste spaltete. Wäh- rend nun bei einigen 2—-5-ährigen Arten, z. B. Aponogeton abyssinieus Hochst. die Blüthen ringsum an den Ährensehenkeln stehen, wie bei den Arten mit einfacher Ähre, stehen sie bei anderen, z. B. Aponogeton spatha- ceus E. Mey., in gröfserer Zahl an den gegen einander gekehrten Seiten der Schenkel und bei Aponogeton distachyus L. fl. nur an den gegen ein- ander gekehrten Flächen. Die Ursache dieser einseitigen Blüthenentwicke- lung möchte ich darin suchen, dafs nach erfolgter Spaltung der Ähre an den auseinandergespreizten Schenkeln nur die nach oben gerichteten Blüthen von den Inseeten besucht wurden und bei der Fortpflanzung in Action traten, die nach unten gerichteten aber verkümmerten und schliefslich gar nicht mehr entwickelt wurden. Dafs man, da bei allen anderen Apono- geton- Arten die Blüthen keine Tragblätter besitzen, auch bei Aponogeton distachyus das am Grunde jeder Blüthe stehende und mit der Axe fest !) A. Engler, Beiträge zur Kenntniss der Aponogetonaceae in Bot. Jahrb. VIII, 261 t. V1. Die systematische Anordnung der monokotyledoneen Angiospermen. 15 verbundene Blatt nicht als Tragblatt, sondern als Blüthenhüllblatt auf- fassen mufs, ist aufser Zweifel. Würden wir nur Aponogeton distachyus kennen, dann könnte man wohl die Richtigkeit dieser Deutung in Frage stellen, zumal die Entwiekelungsgeschichte über den phylogenetischen Ur- sprung dieser Blätter keine Aufklärung gibt. Glücklicherweise sind auch nach dieser Richtung hin Übergangsstufen vorhanden, so dafs schliefslich die eigenartige Inflorescenz von Aponogeton distachyus schrittweise von einer einfachen Ähre ohne Tragblätter abgeleitet werden mufs. (Vergl. die oben eitirte Abhandlung in den Bot. Jahrb. VII.) Die Juncaginaceae nehmen zwischen den bereits besprochenen Fa- milien und den folgenden gewissermafsen eine Mittelstellung ein. Bei ihnen finden wir, abgesehen von der ihnen zweifellos zuzureehnenden, aber durch reducirte Blüthen ausgezeichneten Gattung Lilaea stets eine aus 2 Kreisen gebildete Blüthenhülle, welche bei Triglochin und Scheuchzeria 3 + 3 - glie- drig, bei Trtroneium 2 + 2-gliedrig ist. Darauf folgen bekanntlich 2 Staub- blattquirle und 2 Fruchtblattquirle, von denen bei Scheuchzeria meist nur der äufsere, bei Triglochin meist nur der innere fertil wird (vergl. Buchenau in Bot. Jahrb. II (1882) p. 492-495), während bei Trironeium in den weib- lichen Blüthen beide Fruchtblattkreise fertil sind. Buchenau bezeichnet, wie Hooker fil. (Flora antaretica I, t. OXXVIM), die Blüthe von Tetron- ciım als 4-gliedrig. Doch zeigt schon in den männlichen Blüthen die Stellung der Staubblätter, dafs hier, wie bei Potamogeton, 2 2-gliedrige Quirle vorhanden sind; sodann ist namentlich auch zu beachten, dafs in den weiblichen Blüthen die 4 Carpelle vor den Blüthenhüllblättern stehen, ein Stellungsverhältnifs, welches ohne Zwang sich erklärt, wenn, wie bei Triglochin und Scheuchzeria diese Carpelle als 2 vereinigten Quirlen an- gehörig angesehen werden, mag man nun annehmen, dafs Staubblattanlagen abortirt sind oder überhaupt nicht entwickelt wurden. Würden die 4 Car- pelle einem Quirle angehören, dann wäre zu erwarten, dafs sie wie bei Potamogeton zu den vorangegangenen 2-gliedrigen Quirlen diagonal ständen. Diese Stellung der Carpelle von Tretroncium verdient besondere Beachtung. weil sie dem Versuch, Potamogeton direet von Tetroneium abzuleiten, ent- gegensteht, während andererseits auch die Stellung der Samenanlage sehr dazu verführt. Die Gattung ZLilaea läfst trotz aller Eigenthümlichkeiten ihre Beziehungen zu den übrigen Juncaginaceae nieht verkennen. Ob das eine am Grunde der Blüthen vorhandene Blatt als Blüthenhüllblatt oder 16 A. ENGLER: als Deckblatt aufzufassen ist, kann zweifelhaft sein, da in der Familie der Juncaginaceae zwar bei Triglochin und Tetroneium die Blüthen nicht in den Axeln von Tragblättern stehen, bei Scheuchzeria dies aber der Fall ist. Wenn man jedoch berücksichtigt, dafs bei Triglochin und Tetroncium der Blüthenstiel erst bei der Fruchtreife sich streekt, bei Scheuchzeria aber lange vorher, wenn man ferner in Betracht zieht, dafs bei Lilaea die Blüthen immer sitzend bleiben, wie sie anfangs bei Triglochin sitzend sind, so spricht dies mehr dafür, dafs das am Grunde der Blüthe von Lilaea stehende Blatt ebenso wie das am Grunde der Blüthen von Aponogeton stehende als Blüthenhüllblatt aufzufassen ist. Welche Umstände es be- wirkt haben, dafs in der Blüthe von Zilaea nur 3 in der Radialebene liegende Blüthentheile entwickelt wurden, mufs dahingestellt bleiben. Als ein Bindeglied zwischen den redueirten Formen der Potamogetonaceae und der Juncaginaceae kann Lilaea nicht angesehen werden; sie schliefst sich in ihren Vegetationsorganen zu sehr an Triglochin an. Die Potamogetonaceae mit den sich ihnen vielleicht anschliefsenden Na- ‚jadaceae, die Aponogetonaceae und Juncaginaceae sehe ich als 3 neben ein- ander hergehende Familien an, von denen die Juncaginaceae deshalb zuletzt stehen, weil die bei ihnen auftretende doppelte Blüthenhülle bei den fol- genden Familien zu höherer Entwickelung schreitet und ebenso die Mehr- quirlichkeit der Blüthentheile sie mit den folgenden Familien verbindet. In der Familie der Alösmaceae herrscht sowohl im Androeceum, wie im Gynaeceum eine aufserordentliche Unbeständigkeit m der Zahl der Staubblätter und der Carpelle und zwar nicht blofs innerhalb derselben Gattung, sondern auch häufig bei einer und derselben Art. Die Unbestän- digkeit zeigt sich ebenso wie bei Aponogeton nicht blofs darin, dafs die Zahl der Quirle wächst, sondern auch darin, dafs in den Quirlen an Stelle einzelner Glieder 2 auftreten, ein Verhalten, das von Eichler') auf con- genitales Dedoublement zurückgeführt wurde, das aber Micheli’) und Heinricher’) richtiger als Ersatz einer Staubblattanlage durch 2 getrennte, bedingt durch die Vergröfserung der Lücken oberhalb der Sepalen auf- fafsten. Dafs in so vielen anderen Familien die Vergröfserung der Lücken !) Eichler, Diagramme I, S. 100. ®) Micheli in De Candolle, Suites au Prodr. III, p. 16. ®) Heinricher, Beiträge zur Pflanzenteratologie u. Blüthenmorphologie in Sitzungsber. d. K. Akad. der Wiss. LXXXVII Bd. (1883), I. Abth. Febr. S. 1-17, Taf. ]. Die sıystematische Anordnung der monokotyledoneen Angiospermen. 17 nicht von einem gleichen Erfolge begleitet ist, hat darin seinen Grund, dafs bei diesen die Zahl der Glieder durch Erblichkeit fixirt ist, während hier noch ein Wechsel möglich ist. Innerhalb der Gattungen Echinodorus, Lophiocarpus und Sagittaria ist dieser Wechsel besonders grofs. Lophiocar- pus calycinus (Engelm.) Mich. zeigt nach Aufnahmen Engelmann'’s (vergl. Eichler, Diagr. I, 99) folgende Fälle: 1.) 6 Staubblätter in einem Quirl, 2.) 6+3 in 2 Quirlen, 3.) 6+3+3 in 3 Quirlen, 4) 6+3+3+3 in 4 Quirlen. So in den weiblichen Blüthen; in den rein männlichen Blüthen steigt aber die Zahl der Staubblätter noch mehr. Auch bei Erhinodorus rostratus (Nutt.) Engelm. sind deutlich 3 Quirle zu erkennen, während bei Echinodorus radicans (Nutt.) Engelm. und bei Sagittaria sagittifolia L. eine bestimmte Anordnung der Staubblätter schwer zu ermitteln ist. Diesen Gattungen mit convexer Axe und mehreren Staubblattquirlen stehen die tlachaxigen mit 2 3-gliedrigen Quirlen (Caldesia, Limnophyton) oder mit nur einem 6-zähligen Staubblattquirl (Alisma, Damasonium, Elisma) gegen- über. Bei Caldesia parnassifolia (Bassi) Parl. beobachteten Micheli') und Heinricher aber auch 7, 8 und 9 Staubblätter, je nachdem 1, 2 oder 3 des äufseren Kreises durch 2 ersetzt waren. Die Gattungen der ersten Gruppe sind gegenüber den meisten der zweiten Gruppe auch durch eine gröfsere Anzahl von Carpellen ausgezeichnet, doch kommen auch bei Cal- desia und Limnophyton Carpelle in 4 Quirlen vor; Limnophyton obtusifolius (L.) Mig. besitzt aber auch bisweilen nur 2 und 3 Quirle, Caldesia oligo- cocca (F. v. Müll.) Buchenau 2 Quirle oder nur einen. Zu Burnalia enne- andra (Hochst.) Micheli bemerkt Buchenau (Nat. Pilanzenfam. I. 1 p. 232): ».lem Alisma Plantago auffallend ähnlich, vielleicht aus dieser Pflanze durch Umwandlung der inneren Blüthenhüllblätter in Staubfäden und eintretende Dielinie entstanden.« Wäre diese Annahme richtig, dann müfsten in den männlichen Blüthen von Burnatia die 3 einzelnen Staubblätter aufserhalb der 6 in Paaren stehenden Staubblätter angetroffen werden; sie verhalten sich aber umgekehrt; auf 6 äufsere Staubblätter in derselben Stellung wie bei Alisma Plantago folgen 3 innere. Da aufserdem die Carpelle an con- vexer Axe stehen, so scheint sich Burnatia eher an Eehinodorus anzu- schliefsen. Dagegen stimme ich Buchenau darin zu, dafs Wiesneria mit zweiquirliger homoiochlamydeischer Blüthenhülle, mit 3 Staubblättern vor l) Micheli in De Candolle, Suites au Prodr. III, p. 35. Phys. Abh. 1892. II. 3 18 A. En6LeEr: den äufseren Blüthenhüllblättern der männlichen Blüthen und mit 3 Car- pellen vor den inneren Tepalen der weiblichen Blüthen einen redueirten Typus darstellt, namentlich deshalb, weil die inneren Tepalen kleiner als die äufseren und abfällig sind, durch letzteres Merkmal also noch Blumen- blattnatur zeigen. Die Butomaceae stehen mit den Alismaceae vollkommen auf gleicher Höhe; durch die bekannte eigenthümliche Stellung ihrer Samenanlagen auf der inneren Fläche der Carpelle sind sie genügend als selbständige Familie charakterisirt. Den ursprünglichsten Typus repräsentirt Limnocharis mit zahlreichen Staubblättern und Carpellen. Hieran schliefst sich die in dem- selben Vegetationsgebiet vorkommende Hydrocleis mit ebenfalls zahlreichen Staubblättern; aber nur 6 Carpellen. Dagegen sind die beiden altwelt- lichen Gattungen Tenagocharis und Butomus mit ihren 9 (d.h. 6+ 3) Staub- blättern die Repräsentanten eines bereits fixirten Typus. Unter den Hodrocharitaceae ist die Unterfamilie der Stratiotoideae jedenfalls diejenige, welche den Alismaceae und Butomaceae am nächsten kommt; da bei ihnen die Samenanlagen entweder an der ganzen Wandung der Carpelle dicht (Ottelieae) oder zerstreut (Hydrochariteae) oder nur an dem Winkel zwischen Aufsenwandung und Scheidewand stehen, so ist der nächste Anschlufs bei den Dutomaceae zu suchen. Es scheint mir sogar nicht unwahrscheinlich, dafs sie aus ehemaligen Angehörigen dieser Familie direct durch Versenkung der Carpelle in die Blüthenaxe hervorgegangen sind. Jedenfalls steht diese Unterfamilie den Butomaceae und Alismaceae auch deshalb näher, weil das Gynaeceum gefächert ist. Ottelia besitzt in ihren Zwitterblüthen sogar wie Butomus und viele Alisma nur einen äufseren Kreis von 6 Staubblättern und dann häufig noch 3 oder 3+ 3 innere Staub- blätter, sodann 6 Carpelle mit umgewendeten Samenanlagen wie diese; es besteht also in der That eine ganz aufserordentliche Übereinstimmung mit Butomus. Boottia mit 2—-4 fertilen Staubblattquirlen und einem Pistillodial- quirl in den männlichen Blüthen (die 2-schenkeligen Gebilde” halte ich 5 Quirlen Staminodien und 3—5 Quirlen Carpellen in den weiblichen Blüthen findet bei den jetzt lebenden Buto- nicht für Staminodien), mit 3 maceae zunächst kein Analogon; aber nach dem über die Alismaceae Ge- sagten ist es klar, dafs solche vielquirlige Blüthen auch bei den Buto- ') Vergl. Ascherson und Gürke in Nat. Pflanzenfamilien II. 1, S. 255, Fig. 189. Die systematische Anordnung der monokotyledoneen Angiospermen. 19 maceae existirt haben konnten. Auch Siratiots, welche Gattung sich durch die geringere Zahl der Samenanlagen etwas von den Oltelieae entfernt, hat 6+3-+3 Staubblätter in den männlichen Blüthen und 6 Carpelle in den weiblichen, zudem wie die Ottelieae umgewendete Samenanlagen. Bei den durch geradläufige Samenanlagen ausgezeichneten Hydrochariteae treffen wir, wie bei Boottia nur 3-gliedrige Quirle an, in den männlichen Blüthen in gröfserer Zahl (4—5 Quirle Staubblätter und Staminodien) als in den weib- lichen Blüthen. Da bei Hydrocharis und Hydromystria die Zahl der Carpellquirle auf 3 heruntergeht und bei Hydromystria auch noch Abort der Blumenblätter hinzukommt, so kann über die Stufenfolge dieser Gattungen kein Zweifel sein. Die letztgenannte Gattung ist gegenüber den anderen auch durch ein sehr geringes Einspringen der Placenten ausgezeichnet. — Die Unter- familie der Thalassioideae ist jedenfalls nicht direet von den Stratiotideae abzuleiten. Schon die zweizeilige Stellung der Blätter entfernt sie von diesen; da sie aber auch nach innen weit vorspringende Placenten haben, so nähern sie sich dem ursprünglichen Typus etwas mehr, als die folgenden Unterfamilien, bei denen die Placenten vollständig parietal sind. — In der Unterfamilie der Vallisnerioideae besitzt nur noch die Gattung Blyxa Arten mit 5 Quirlen von Staubblättern; aber in derselben Gattung gehen diese auch schon auf einen Quirl herunter, der bei Vallisneria und Lagarosiphon constant anzutreffen ist. Carpelle werden bei keiner Gattung dieser Unter- familie mehr als 3 entwickelt. Im Übrigen zeigen diese 3 Gattungen so erhebliche Verschiedenheiten, dafs an eine Ableitung derselben aus einander nicht zu denken ist. Dagegen stehen die Hydrilleae mit Hydrilla und Elodea in näherer Beziehung zu Lagarosiphon, bei welcher Gattung ebenfalls an einem verlängerten Stengel einnervige Blätter stehen, die auch bisweilen quirlartig genähert sind, aber nicht in alternirenden Quirlen, wie bei Ay- drilla und Elodea. Bei Elodea findet sich bisweilen noch eine gröfsere Quirlzahl; es können in den männlichen Blüthen bis zu 3 Staubblattquirle vorkommen, in den weiblichen Blüthen bis 2 Quirle Staminodien; aber andererseits giebt es auch männliche Blüthen mit nur einem Quirl Staub- blätter und weibliche Blüthen ohne Staminodien. Da im letzteren Fall die Narben mit den Petalen alterniren, so sind hier die Carpelle unmittelbar auf die Petalen gefolgt. Somit ist also auch bei Zlodea die Quirlzahl eine wechselnde, wie in den übrigen Gruppen der Hydrocharitaceae. — Die Halo- 20 A. En6LeEr: pliloideae weichen von den übrigen Hydrocharitaceae am meisten ab; die Stellung der Staubblätter und der Carpelle zu den Blättern der einfachen Blüthenhülle ist nieht so, dafs man einen Abort annehmen dürfte. Hüll- blätter und Sexualblätter stehen in direeter Alternation; wir haben keinen Anhaltspunkt für Abort von Blumenblättern. Nichtsdestoweniger gehören die Halophiloideae in die Familie der Hydrocharitaceae wegen der ebenfalls halsartigen Verlängerung der röhrigen Blüthenaxe und der parietalen Pla- centation der Samenanlagen. Am nächsten dürften sie wohl noch den Thalassioideae verwandt sein. Die erheblichen Verschiedenheiten, welche der anatomische Bau der Familien der Helobiae aufweist, erklären sich leicht durch die verschieden- artigen Lebensverhältnisse. Die Najadaceae, Potamogetonaceae und die sub- marinen Hydrocharitaceae zeigen übereinstimmend einen axilen Fibrovasal- eylinder oder wenigstens Zusammendrängung der Stränge in der Nähe der Axe und mehr oder weniger schwaches mechanisches Gewebe, mitunter entbehren sie desselben auch ganz.') Zu beachten ist auch, dafs die marinen Thalassioideae, trotzdem ihr Blüthenbau sich ebenso wie der der übrigen Hydrocharitaceae an den der Butomaceae anschliefst, zum Theil (Thalassia) an den Blättern Flossenzähne und epidermoidale Schlauchzellen aufweisen. Die Juncaginaceae, Alismaceae und Butomaceae zeigen übereinstimmend einen ein- fachen Hohleylinder mit eingebetteten oder angelehnten Mestomsträngen, der bei den fluthenden Arten von Alisma und Hydrocleis nur in geringeren Abstand von der Axe verläuft, als bei den Arten mit aufrechtem Stengel. Ausserdem finden sich auch markständige Stränge mit Bastbelägen. Die Mannigfaltigkeit der anatomischen Verhältnisse innerhalb der Reihe der Helobiae beruht also fast durchweg, wie dies schon Sehwendener gezeigt hat, auf Anpassung und steht der Zusammenfassung der genannten Familien in eine Reihe nicht entgegen. HIE. Glumiftorae. Die Gramineae und Cyperaceae werden mit Vorliebe von den Syste- matikern als sehr nahe verwandte Familien angesehen und man streitet sich, meiner Ansicht nach vollkommen nutzlos, darüber, welehe der beiden !) Vergl. Schwendener, Das mechanische Prineip, S.118—123, Ascherson, Pota- mogetonaceae, Magnus, Najadaceae, Ascherson und Gürke, Hydrocharitaceae in Engler und Prantl, Natürl. Pflanzenfam. Il. 1. Die systematische Anordnung der monokotyledoneen Angiospermen. 21 Familien als die primäre und welche als die abgeleitete anzunehmen sei; man hat sich ferner bei diesen Familien die gröfste Mühe gegeben, ihren Blüthenbau auf das sogenannte Monokotyledonenschema zurückzuführen, das eben doch nur in der Einbildung der älteren Systematiker existirte und auch schon von Eichler als nicht allgemein geltend bezeichnet wurde. Die Verbreitung beider Familien über alle Vegetationsgebiete der Erde, namentlich das gleichzeitige Vorkommen vieler Gattungen in den Tropen- ländern der östlichen und westlichen Hemisphäre sprechen für ein hohes Alter beider Familien. Ferner sind die Blüthen bei beiden Familien durch- weg anemophil und deshalb suchen diejenigen, welche das Monokotyle- donenschema nicht entbehren zu können glauben, die Cyperaceen und Gra- mineen an die Juneaceen anzuschliefsen; jedenfalls spricht aber die Wind- blüthigkeit dafür, dafs die Typen beider Familien sehr alte sind. Da aber die Nacktblüthigkeit alter Angiospermen-Familien eine ursprüngliche ist und nicht durch Reduction erklärt zu werden braucht, so ist auch gar kein Grund vorhanden, die Nacktblüthigkeit der Gramineae und Cyperaceae auf Reduetion zurückzuführen. So wie die Gramineen und Öyperaceen be- schaffen sind, bedurften sie gar keiner Blüthenhülle. Ihre Staubblätter und Pistille sind in der Jugend ausreichend durch die lange persistirenden Tragblätter der Blüthen geschützt, bis sie geschlechtsreif sich unter den Braeteen hervordrängen. Wollte man die Gramineen und Cyperaceen durech- aus von Monokotyledoneen mit Blüthenhülle ableiten, so mülfste man an- nehmen, dafs ursprünglich die Bracteen im Verhältnifs zur eigentlichen Blüthe mehr zurückgetreten seien und dafs später bei stärkerer Entwicke- lung der Bracteen die Blüthenhüllblätter in ihrer Entwiekelung theils zurück- geblieben, theils abortirt seien. Bei gedrängtblüthigen und umhüllten Blüthen- ständen ist ein Abort der Blüthenhülle wohl erklärlich, wie etwa bei den durch ein stark metamorphosirtes Hochblatt ausgezeichneten Araceen; bei den Gramineen und Cyperaceen verhalten sich jedoch die Blüthen in den verschiedenartigsten Blüthenständen gleichartig; eine Correlation zwischen den Blüthen und den dem Blüthenstand vorangehenden Blättern ist hier nicht vorhanden. @Gramineae. Gegen die von Hackel') gegebene, auf entwickelungs- geschichtlicher Untersuchung beruhende und mit grofsem Beifall aufgenom- !) Hackel, Untersuchungen über die Lodieulae der Gräser in Engler’s Bot. Jahrb., I. 336. 2, A. V\ENGLER: mene Auffassung des Gramineenährchens, nach der die Lodieulae nur an die vorangehende Vorspelze ohne Wechsel der Blattstellung anschliessende, meist zur Ausspreizung der Deck- und Vorblätter dienende Hochblattgebilde sind, scheint das Verhalten einzelner Bambuseae und das von Streptochaete zu sprechen. Am auffallendsten ist zunächst die ostindische Gattung Ochlandra Thwaites. Bei Ochlandra stridula (Moon) Thwaites enthalten die einblüthigen Ährcehen nach 3—7 Hüllspelzen eine Deckspelze, eine Vorspelze und 8 oder mehr grofse von der Vorspelze nur wenig verschiedene, dünne, den Staub- blättern gleich lange Lodiculae, sodann 20—30 Staubblätter in spiraliger Anordnung und ein Pistill mit 4—6 Griffelschenkeln. Diese Verhältnisse sind nicht vereinbar mit denen des sogenannten Monokotyledoneentypus, noch mit denen der anderen Gramineen; sie beweisen, dafs man mit einem sogenannten Grundplandiagramm bei den Gramineen wie bei so vielen an- deren Familien nicht auskommen kann. Mit der Spiralstellung sind in den Blüthenständen dieser Gramineen andere Zahlenverhältnisse, als die gewöhn- lichen verbunden. Eine gröfsere Zahl von Staubblättern wird auch noch bei mehreren anderen Gramineen-Gattungen entwickelt. Bei Pariana kommen 10-——40 und bei Zauziola in den männlichen Blüthen bis 18 vor. Es fällt also jeder Zwang, für die Gramineen einen gemeinsamen Blüthentypus an- nehmen zu müssen. Auch die bei Streptochaete von Celakovsky') zuerst richtig erkannten, von Schumann’) bestätigten Verhältnisse zwingen nicht, die Gramineenblüthe von der Juncaceenblüthe oder etwa der Restionaceen- blüthe abzuleiten. Die Auffassung der Blüthe von Streptochaete als einer pseudoterminalen scheint mir durchaus richtig; ich finde aber andererseits auch nichts Auffallendes darin, dafs im Verein mit der Spiralstellung nun andere Zahlenverhältnisse, als bei den übrigen Gramineen auftreten, dafs an Stelle eines dem Deckblatt gegenüber liegenden Vorblattes nun 2 Vor- blätter auftreten und dafs nun auf diese 3 Blätter 3 unter einander gleich- werthige Lodieulae gefolgt sind. Dafs man diese 3 Lodieulae nun auch als ein Perigon bezeichnen kann, gebe ich zu; aber ich sehe hierin nur den Ansatz zu einer Perigonbildung, wie etwa in den den Staubblättern und Fruchtblättern einzelner Cupressineae (Actinostrobus, Fitzroya) und von Taxus vorangehenden Hochblättern. EZ Celakovsky: Über die Ährehen der brasilianischen Grasgattung Streptochaete Schrad. — Sitzungsber. d. k. böhm. Ges. d. Wiss.1889 mit Taf. Il. ?) P. Schumann: Neue Untersuchungen über den Blüthenanschluss, S.108, 109. Die systematische Anordnung der monokotyledoneen Angiospermen. 23 Es ist auch kein zwingender Grund dafür vorhanden, das Gynaeceum der Gramineae als tricarpellar anzusehen. Die Entwiekelungsgeschichte spricht für ein Carpell und es ist nicht einzusehen, warum nicht die Spitze des einen Carpellblattes einer ähnlichen Theilung fähig sein soll, wie die tief dreispaltige Deckspelze von Amphipogon und die dreigrannige Deckspelze von Aristida. Wäre die Theorie richtig, dafs die Zahl der Narben bei den Gramineae jedesmal der Zahl der am Gynaeceum betheiligten Carpelle ent- sprechen müsse, dann müfsten bei Ochlandra und Melocanna 4-6 Carpelle angenommen werden. Bekanntlich kommen nach Schwendener’s') Untersuchungen bei den Gramineae 3 Formen des mechanischen Systems vor, bei den Bambuseae sub- cortieale Fibrovasalstränge mit starker Bastentwickelung wie bei den Liliaceae- Dracaenoideae, sodann peripherische durch Mestom verstärkte Bastbündel mit unregelmäfsigen Verschmelzungen bei den Andropogoneae und Maydeae und ein gerippter Hohleylinder mit Anschluss der Rippen an die Epidermis bei den Paniceae, Phalarideae, Festuceae. Die Bambuseae, welche im Blatt- bau, Blüthenbau und in der Fruchtentwickelung von den übrigen Gruppen der Gramineae vielfach abweichen, sind also auch in anatomischer Beziehung von denselben verschieden; es dürfte sich daher vielleicht in Zukunft empfehlen, die Bambuseae als Unterfamilie allen übrigen Gramineae gegen- über zu stellen, da eine Ableitung der übrigen Gruppen von den Bambuseae nicht berechtigt erscheint. Die Cyperaceae weisen wie die Gramineae ähnliche Verhältnisse auf, welche gegen eine Ableitung von den pentaeyklischen Monokotyledoneen 20 Staub- blätter und 8 Narben vor. Da hier gar keine Schüppehen vorhanden sprechen. Bei der australischen Gattung Zvandra kommen 15 sind, so ist jede Vermuthung, dafs hier mehrere Blüthen vereinigt seien, zurückzuweisen. Bei der Gattung Chrysithrie dagegen, wo zahlreiche schmal linealische Schüppcehen um die zahlreichen Staubblätter herum- stehen, wo ferner hinter einem Theil der schuppenförmigen Hochblätter je ein Staubblatt steht, ebenso bei Lepironia Rich. und bei Chorisandra R. Br. scheint jedes Staubblatt einer Blüthe zu entsprechen, wie dies Pax’) in seiner Bearbeitung der Uyperaceae aufgefasst hat. Was nun das Perigon der Cyperaceae betrifft, so ist ein solches bei einem Theil der Cyperaceae !) Schwendener. Das mechanische Princip, S. 60 —65. 2) Pax, Cyperaceae in Pflanzenfamilien, U. 2. 8.118. 24 A. ENGLER: wohl vorhanden; aber selbst da, wo die Blüthenhülle am vollkommensten ist, nehmlich bei Oreobolus, besteht sie nur aus schuppenförmigen Blättern, während sie bei vielen anderen Gattungen die Neigung hat in trichomatische Bildungen überzugehen; es scheint daher unwahrscheinlich, dass die (y- peraceae jemals zu einer corollinischen Blüthenhüllbildung, wie sie bei den Lihiflorae vorkommt, vorgeschritten sind. Doch stehen die Cyperaceae be- züglich der Entwickelung einer Blüthenhülle höher als die Gramineae. Gegen eine Ableitung der Gramineae von den Cyperaceae spricht 1.) die durch- greifende Verschiedenheit in der Stellung der Samenanlagen, 2.) die Ver- schiedenheit des mechanischen Gewebesystems, welches nach Schwende- ner’s Untersuchungen bei den Cyperaceae aus zusammengesetzten peri- pherischen Trägern besteht, wie sie bei den Gramineae nie vorkommen, 3.) das Vorkommen von Schutzscheiden um die Mestombündel der Cypera- ceen, das Fehlen solcher bei den Gramineen, 4.) die Verschiedenheit im anatomischen Bau der Wurzeln, welche Klinge') festgestellt hat, wonach in den Wurzeln der Gramineae die Innenrindenzellen radial collabiren und das Pericambium ungleichmäfsig ist, während bei den Cyperaceae die Innenrindenzellen der Wurzeln tangential collabiren und die Zellen des Pericambiums gleichmässig sind. Wenn ich, wie die früheren Autoren die Gramineae mit den Cyperaceae in eine Reihe stelle, so geschieht dies nur deshalb, weil in beiden Familien der Schutz der Blüthen vorzugsweise von den Tragblättern verrichtet wird, die Hochblätter entweder noch nicht zu einem deutlichen Perigon zusammen- getreten sind oder, wenn dieses geschieht, auf einer niederen Stufe stehen blieben, weil ferner in beiden Familien die Zahl der Staubblätter sich zwi- schen 1 und einer grossen unbestimmten Zahl bewegt, weil ferner in beiden Familien das Gynaeceum auf ein einziges fruchtbares Carpell beschränkt (möglicherweise zurückgegangen) ist, weil endlich in beiden Familien die Spaltöffnungen übereinstimmend von denen anderer Monokotyledoneen da- durch abweichen, dafs die englumigen Schliefszellen mit starken nahezu median gelegenen Verdiekungsleisten versehen sind.) Von Wichtigkeit ') Klinge, Vergleichend histologische Untersuchungen der Gramineen- und Cyperaceen- Wurzeln in Memoires de l’Academie imp£riale des sciences de St. Petersbourg, Bd.26 p. 12; Referat in Engler, Bot. Jahrb. I. 503. °) Vergl. Schwendener, Die Spaltöffnungen der Gramineen und Cyperaceen, Sitzungs- berichte der k. preuss. Akad. d. Wiss. 1889 VI. Die systematische Anordnung der monokotyledoneen Angiospermen. 25 scheint mir ferner der Umstand, dafs unter den so vielgestaltigen Lilü- florae und den ebenfalls später zu besprechenden Farinosae ausserordentlich wenige ein ähnliches mechanisches Gewebe besitzen, wie die Gramineae und Oyperaceae, obgleich doch häufig habituelle Ähnlichkeit zwischen ein- zelnen Vertretern dieser Reihen vorhanden ist. Nach einer für die Be- arbeitung der Liliaceen in den »Pflanzenfamilien« angeführten eursorischen Untersuchung und nach sehr umfangreichen Untersuchungen der Liliaceen von Cand. phil. R. Schulze im Laboratorium des botanischen Gartens, nach den Untersuchungen von Dr. Pax an den Haemodoraceen, Amaryllidaceen, Taccaceen, Velloziaceen, Dioscoreaceen, Haemodoraceen und Iridaceen treffen wir bei der Mehrzahl der Arten, welche überhaupt ein mechanisches System im Stengel entwickeln, nur einen Hohleylinder mit eingebetteten oder an- gelehnten Mestomsträngen an; nur die Dracaenoideae besitzen subeorticale Fibrovasalstränge mit starker Bastentwickelung, wie die Bambuseae, Pan- danaceae und Palmae. Bis jetzt haben sich nach den Untersuchungen von R. Schulze erst bei einer einzigen Liliacee, der Johnsonia lupulina R. Brown im Blüthenschaft oder Stengel zusammengesetzte peripherische Träger wie bei den Cyperaceae vorgefunden, wärend andere Arten derselben Gattung einen mechanischen Ring besitzen. Um so auffallender und systematisch nieht unwichtig ist es, dafs nach den Untersuchungen Schwendener’s') und Buchenau’s’) ein Theil der Junci genwini, thalassici und poiophylli, welche sich auch sonst nahe stehen, dasselbe mechanische System wie die Öyperaceae zeigt, während die meisten anderen Juncaceae entweder sub- corticale in tangentialer Richtung verbundene Stränge (6. System Schwen- dener’s) oder wie die meisten Liliaceen einen geschlossenen Stereomeylinder mit eingestreuten Mestomsträngen besitzen (Marsippospermum, Rostkovia) und der armdicke Stamm von Prionium wieder dem der Dracaenen und Palmen ähnlich gebaut ist. Endlich ist auch noch zu berücksichtigen, dafs das Samennährgewebe der Juncaceae von dem der meisten anderen Zilüflorae dadurch ausgezeichnet ist, dafs es Stärke enthält, wie das bei den Cyperaceae und Gramineae der Fall ist. Eine dem mechanischen Gewebesystem der meisten Gramineae gleiche Bildung ist bis jetzt unter den Lilüflorae nieht bekannt geworden, wohl aber !) Schwendener, Das mechanische Prineip, S. 51, 54, 58. 2) Buchenau, Monographia Juncacearum, in Engler’s Botanischen Jahrbüchern XH. Ss. 9—11. Phys. Abh. 1892. II. 4 26 A. En6sLEr: in der Parallelreihe derselben, bei den später ausführlicher zu behandelnden Farinosae, welche alle stärkereiches Samennährgewebe besitzen; auch tritt in derselben Reihe der Cyperaceen-Typus vereinzelt auf, während die weitaus gröfste Mehrzahl einen mechanischen Ring wie die Liliifloren besitzt. Die Restionaceae, neuerdings von Dr. Gilg') auf ihren anatomischen Bau hin untersucht, haben auch, wie ihre meisten Schwesterfamilien, im Stengel einen mechanischen Ring; aber Anarthria gracilis Nees folgt dem Cyperaceen- Typus durch Entwiekelung zusammengesetzter peripherischer Träger, und mehrere Arten von Hypodiscus sowie Anthochortus Ecklonü Nees haben einen «mechanischen Ring, mit welchem subepidermale Bastrippen verbunden sind, die bei der Gattung Anthochortus eine eigenthümliche T förmige Ausbildung haben: letztere repräsentiren also den Gramineen-Typus. Auch bei eini- gen Eriocaulaceae (Eriocaulon flaceidulum Michx. und E. decandrum L. nach Schwendener a.a. 0. S. 46) tritt der Cyperaceen-Typus auf. Sowohl die ‚Juncaceae wie die Restionaceae stehen innerhalb ihrer Reihen bezüglich der Blüthenentwickelung auf niederer Stufe; es sind daher die bei ihnen auftretende Mannigfaltigkeit des mechanischen Systems und die Anklänge an die Oyperaceae und Gramineae besonders bemerkenswerth, weil dadurch ein ehemaliger Zusammenhang der drei jetzt eine eigenartige Entwickelung verfolgenden Reihen Glumiflorae, Lilüflorae und Farinosae wahrscheinlich gemacht wird. Aber dies ist Hypothese und das unbestreitbare bei der systematischen Anordnung berücksichtigte Factum ist, dafs bei den Glımi- florae die Blüthenverhältnisse noch sehr wechselnd; bei den Zilüflorae und Farinosae aber in höherem Grade fixirt sind und eine Weiterentwickelung zu den vorgeschrittensten Stufen der Monokotyledoneenblüthen gestatten. IV. Principes. Auch in der nur die Palmae im weitesten Sinne umfassenden Reihe der Prineipes sind die Blüthenverhältnisse noch nicht vollkommen fixirt. Sie stehen zwar insofern über den vorangegangenen Reihen, als hier eine 3+ 3-gliedrige Blüthenhülle fast constant geworden ist, die dazu noch wenigstens hinsicht- lich der Gröfse häufig Verschiedenheiten in beiden Quirlen aufweist und auch ‘) Gilg, Beiträge zur vergleichenden Anatomie der xerophilen Familie der Restiaceae, in Engler, Botanische Jahrbücher XIII, S. 550 ff. Die systematische Anordnung der monokotyledoneen Angiospermen. 27 nicht selten einen schwachen Anlauf zur corollinischen Ausbildung nimmt. Anderseits ist aber in der Unterfamilie der Phytelephantoideae die gröfste Un- bestimmtheit vorhanden, eine Fixirung der Glieder noch nicht eingetreten. In den männlichen Blüthen folgen auf eine mehrblättrige und vereint- blättrige Blüthenhülle 30—90 Staubblätter, in den weiblichen Blüthen auf eine getrenntblättrige heterochlamydeische Blüthenhülle von 3 Kelchblättern und 5—10 Blumenblättern zahlreiche Staubblätter und ein aus 4—9 Carpellen gebildetes Gynaeceum. Dies sind Verhältnisse, welche an die Pandanaceae erinnern, in deren Nähe man früher auch die Palmen und insbesondere Phytelephas stellen wollte; jedoch zeigen die Phytelephantoideae im Bau ihrer Samen so grofse Übereinstimmung mit den echten Palmen ‚') dafs an der näheren Verwandtschaft mit diesen nicht zu zweifeln ist, zumal auch bei den Palmen die gleiche Blattentwickelung stattfindet und die Zahl der Staubblätter noch durchaus schwankend ist. Es kommen vor bei Orbignya 12— 24 Staubblätter, bei Attalea 6 bis zahlreiche, bei Jubaea 12—15 und mehr, bei Actinorhytis 24— 30, bei Ptychococcus 110—200, bei Piycho- sperma 20 —30, bei Drymophloeus und Kentiopsis zahlreiche, bei Phoeni- 50, bei Howea 30—-40, bei Iriartea 6 bis viele, bei Welfia zahlreiche, bei Manicaria 20—30, bei Sele- cophorium 15—20, bei Nephrosperma 40 rosperma zahlreiche, bei Caryota 9 bis viele, bei Hugeissona viele, bei Raphia 6 bis viele, bei Latania 15 —30. Mit Ausnahme der Coryphinae enthalten alle Gruppen der Palmen Gattungen mit einer grofsen Zahl von Staub- blättern und ausserdem giebt es in allen Gruppen Gattungen mit 9 und 12 Staubblättern, während anderseits bei einzelnen nur 3 Staubblätter vor- handen sind. Die Zahl der Carpelle geht über 6 (bei den Cocoineae) nicht heraus und meistens finden sich 3 Carpelle, so dafs schliefslich bei einer grofsen Anzahl von Palmen mit 2 dreigliedrigen Blüthenhüllkreisen und 2 dreigliedrigen Staubblattkreisen dasselbe Schema resultirt, welches wir bei den Lilüflorae, Farinosae u. a. fast ausschliefslich fixirt finden. Dem- nach stehen die Principes in der Mitte zwischen den Monokotyledoneen mit unbestimmter Gliederzahl im Androeceum und denjenigen mit fixirter Quirl- und Gliederzahl; sie sind aber weiter vorgeschritten, als die Glumiflorae, weil sie constant eine 2-gliedrige Blüthenhülle entwickeln, die mitunter corollinische Ausbildung zeigt, auch sind sie weiter vorgeschritten, als die am ‘ !) Drude, Palmae in Engler u. Prantl, Nat. Pflanzenfam. 1]. 3. S. 87. 4 * 28 A. En6tERrR: Helobiae, weil bei ihnen das Gynaeceum in höherem Grade fixirt ist. Welche Unterfamilie innerhalb der Palmen den ersten Platz einnehmen soll, ist fraglich. Die Phytelephantoideae könnte man wegen der unbestimmten Zahl der Blüthenhüllblätter, der Staubblätter und Carpelle an den Anfang stellen; anderseits haben die Coryphoideae auf diesen Platz Anspruch wegen ihres noch apocarpen Gynaeceums. Auf jeden Fall schliefsen sich an die Cory- phoideae die Cerowyloideae an und die Nipoideae gehören wegen ihrer redu- eirten Blüthen und verwachsenen Staubblätter sicher an das Ende. V. Synanthae. Mit den Palmae und auch mit den Pandanaceae hat man früher viel- fach die Cyelanthaceae in eine Reihe zusammengestellt. Es ist nicht zu leugnen, dafs dieselben in ihren vegetativen Organen mit den ersteren sehr übereinstimmen und in ihrem Blüthenbau gewisse Anklänge an die letzteren zeigen; aber diese Anklänge beruhen auch nur darauf, dafs die männlichen Blüthen der Gattung Carludovica so wie die Blüthen vieler Palmen eine grofse Anzahl von Staubblättern enthalten, dafs das Gynaeceum ähnlich wie bei Freyeinetia an einigen parietalen Placenten zahlreiche Samen- anlagen enthält, ein Merkmal, wodurch sich die Cyelanthaceae durchweg von den Palmen unterscheiden. Eine andere Eigenthümlichkeit dieser Familie ist die durchaus eigenartige Geschlechtsvertheilung in den Blüthen- ständen, welche eine grofse Anzahl untergegangener Vorstufen wahrscheinlich macht. Halten wir uns aber an das Thatsächliche, an das uns Bekannte, so genügt dies auch schon, um den Cyelanthaceae die Stellung im System anzuweisen, welche ich ihnen gegeben habe. Durch ihre männlichen Blüthen steht ohne Zweifel Carludovica auf einer früheren Stufe als Cyelanthus ; denn bei Carhıdovica‘) finden wir eine aus zahlreichen vereinigten Blättern bestehende Blüthenhülle und eine grofse Anzahl von Staubblättern. Von einem Gynaeceum findet sich hier, wie auch bei vielen polyandrischen Palmen- und den Pandanaceenblüthen keine Spur; doch ist nicht zu be- zweifeln, dafs auch diese Blüthen aus ursprünglich zwitterigen Blüthen hervorgegangen sind. Ebenso ist es bei Sarceinanthus und Ludovia, während bei Evodianthus eine doppelte Blüthenhülle vorhanden ist. Die nur Cy- ') Vergl. Drude, Cyelanthaceae in Nat. Pflanzenfam. II. 3. S. 96. Die systematische Anordnung der monokotyledoneen Angiospermen. 29 clanthus umfassenden Cyclantheae basitzen keine Blüthenhülle. Es ist zweifel- haft, welcher der beiden Typen in Bezug auf die Blüthenhülle der vor- geschrittene ist. Waren die Blüthenhüllblätter ursprünglich Hochblätter, dann wäre Cyelanthus durch Abort derselben weiter vorgeschritten; sind die Blüthenhüllblätter aber aus Staubblattanlagen einer ursprünglich nackten Blüthenhülle hervorgegangen, was nicht unwahrscheinlich ist, dann sind die Carludoviceae die vorgeschritteneren. Sicher aber stehen die Cyelantha- ceae höher durch die Fixirung der Staubblätter auf die Zahl 6. Die weib- lichen Blüthen der Carludoviceae zeigen im Gegensatz zu den männlichen Blüthen die schönste eyklische Anordnung und die weiblichen Blüthen der Oyclantheae beweisen ebenso wie die der Carludoviceae durch die Entwicke- lung von Staminodien ihren Ursprung aus «hemaligen Zwitterblüthen. Während bei den Carludoviceae der Fruchtknoten entweder oberständig oder unterständig ist, ist er bei den Cyelantheae stets unterständig. Da aulserdem bei letzteren die Blüthen alle unter einander verwachsen sind und die vereinigten Gynaeceen sogar eine gemeinsame Fruchtknotenhöhlung besitzen, so ist kein Zweifel, dafs sie als die weiter vorgeschrittenen die zweite Stelle in der Familie der Cyelanthaceae und in der den Principes verwandten, aber doch durch ganz eigenartigen Entwickelungsgang cha- rakterisirten Reihe der Synanthae einnehmen. VE Spathiflorae. Auf die Synanthae lasse ich die Araceae und Lemnaceae als Spathiflorae folgen; ich will mich über diese hochinteressante Reihe, welche ich früher in mehreren Abhandlungen') eingehend behandelt habe und welche mir für die Erkenntnifs fortschreitender Umgestaltung eines Blüthentypus besonders lehrreich gewesen ist, hier ganz kurz fassen. Soweit wir die Araceae jetzt kennen, liegt trotz der Mannigfaltigkeit, welche in anatomischer Beziehung bei ihnen eingetreten ist, ihrem Blüthenbau ein gemeinsamer Typus zu Grunde. Wie bei den Pandanaceae, wie bei den Oyelanthaceae, wie bei den !) Vergleichende Untersuchungen über die morphologischen Verhältnisse der Araceae, in Nova Acta Acad. Leopold. Carol. Nat. Cur. XXXIX. n. 2 (1876), Araceae in Flora bra- siliensis III. 2. (1878), Araceae in De Candolle Suites au Prodr. II. (1879); Beiträge zur Kenntnils der Araceae in Engler, Bot. Jahrb.V. 141—188, 287—336; Araceae in Engler und Prantl, Nat. Pflanzenfam. II. 3 p. 102 und Lemnaceae, ebenda p. 154. 30 A. EnNGLER: Potamogetonaceae und Aponogetonaceae sind ihre Blüthen stets vorblattlos; ihr Blüthenstand ist stets einfach ährig. Ferner zeigen alle die Formen, bei denen das dem ganzen Blüthenstand vorangehende Hochblatt noch nicht petaloid geworden ist und auch ein Theil derjenigen, bei denen dies der Fall ist, 2 Kreise von Blüthenhüllblättern, 2 Kreise von Staubblättern und einen Kreis von Carpellen, mit je 2 oder 3 Gliedern, so dafs ihr Diagramm sich mit demjenigen der Zilüflorae deckt. Bei dem gröfsten Theil der Gattun- gen jedoch, deren Spatha eorollinisch wird und bis zur Geschlechtsreife die Blüthen einschliesst, namentlich aber da, wo der weibliche Theil des Blüthen- standes von dem männlichen gesondert wird, da unterbleibt meist die Ent- wickelung einer Blüthenhülle. Dafs aber die Nacktblüthigkeit nicht immer mit einer vorgeschrittenen Entwickelung der Spatha verbunden ist, habe ich schon früher betont (Botan. Jahrb. V.153, 154). Trotzdem z.B. die Spatha von Calla, Spathicarpa, Stauro- stigma zur Blüthezeit ausgebreitet ist, fehlt auch bei diesen Gattungen eine Blüthenhülle. In den nackten Blüthen ist die Zahl der Staubblätter meist 4,5, 6 oder sie geht herunter auf 3 und in manchen ungeschlechtlichen so- gar auf 2 und 1; die Zahl der Carpelle ist meist 2 und 3; jedoch geht sie bei den nacktblüthigen auch bis auf 1 herunter, steigt aber anderseits bei Phxlo- dendron auf 7—14. Auch im letzteren Falle stehen dieselben in einem Quirl. Am meisten dürften die Araceae mit den Helobiae und zwar den Potamogetonaceae Analogieen zeigen, doch besteht zwischen beiden Familien keine nähere Ver- wandtschaft. Es ist nur dieselbe weitgehende Reduction, welche bei beiden Familien eintritt und in beiden zu Blüthen mit nur einem Sexualblatt führt. Während aber bei den Helobiae die Zahl der Quirle häufig auch eine sehr grolse ist, erhebt sie sich bei den Araceae nie über 5. Wegen dieser beschränk- ten Zahl der Quirle, innerhalb deren sich die Variation der Araceenblüthe bewegt, stelle ich die Spathiflorae mit den Araceae und den sich an sie an- schliefsenden Lemnaceae') höher als die Helobiae. In anderer Beziehung stehen sie niedriger als diese; denn während bei diesen die Blüthenhülle einer sehr weitgehenden Umgestaltung fähig ist und von der prophylloiden Homoio- chlamydie zur Heterochlamydie vorschreitet, bleibt bei den Araceae der Blüthen- hülle immer homoiochlamydeisch und vergrössert sich nur wenig, auch wenn sie sich eorollinisch färbt; viel häufiger tritt sie zurück und wird gar nicht ') Vergl. hierüber Engler in Nat. Pflanzenfam. 11. 3. p. 158. Die systematische Anordnung der monokotyledoneen Angiospermen. 31 entwickelt. Während bei den Helobiae die Blüthenaxe alle möglichen Ab- stufungen zeigt, bleibt bei den Araceae das Gynaeceum stets oberständig. In einer Beziehung aber zeigen die Araceae Fortschritte wie keine andere Familie der Monokotyledoneen, nehmlich in der mannigfaltigen Entwickelung der der Inflorescenz vorangehenden Spatha; in der weitgehenden Reduction der Blüthen und der Vereinigung ungeschlechtlicher Blüthen zu blüthen- ähnlichen Inflorescenzen verhalten sich auch manche Gramineen und Öype- raceen ähnlich. Entsprechend den aufserordentlich mannigfachen Wachs- thumsverhältnissen finden wir auch bei den Araceae eine sehr verschiedenartige Entwickelung des mechanischen Systems, auf welche ich bereits in meinen früheren Abhandlungen über die Araceae, zuerst in der Flora brasiliensis, II. 2 p. 31—34') hingewiesen habe. Da bei den Araceae oft in einer Unter- familie sehr verschiedene Wachsthumsverhältnisse vorkommen und die Sten- geltheile oft von sehr verschiedener Dauer sind, so entwickelt sich das stereomatische Gewebe auch dementsprechend verschieden; bis zu einem gewissen Grade treten aber auch bei annähernd gleichen Wachsthumsver- hältnissen Verschiedenheiten auf, welche als erbliche Eigenthümlichkeiten der Gruppen angesehen werden können. So wird z. B. bei den kletternden Pothoideae und Monsteroideae die Biegungsfestigkeit der Stengel durch Bast- belege der zahlreichen Fibrovasalstränge, wie bei den Palmen und Pandana- ceen, bisweilen auch noch durch Zusammendrängung der in der mittleren Zone gelegenen und Umgebung derselben mit einer Sklerenchymscheide bewirkt: bei den kletternden Philodendroideae dagegen und auch bei Syn- gonium wird die Biegungsfestigkeit ausschliefslich dureh das stark turges- eirende Grundgewebe und einen collenehymähnlichen subepidermalen me- chanischen Ring besorgt, den wir auch in den Stengeln von nicht kletternden Philodendroideae, von Aglaonema, Dieffenbachia, Homalomena , Schismatoglottis ete. antreffen; die kletternde Gattung Syngonium aber gehört zu den Colo- casioideae, deren andere meist mit knolligem Rhizom oder sympodialem Stamm versehenen Gattungen in ihren Inflorescenzstielen collenchymähnliche oder aus echtem Bast bestehende subepidermale Rippen besitzen. Bei den Lasioideae vertreten sich auch diekwandiger Bast und collen- chymähnlicher Bast, die länger dauernden Stengel von Lasia, Oyrtosperma, Dracontium u. a. haben subepidermale Bastrippen, die rascher vergehenden ') Vergl. auch Engler, Araceae in De Candolle, Suites au Prodromus II. p. 2—8. 32 A. Ensuer: Stengel von Hydrosme, Amorphophallus, eollenchymähnliche Rippen wie die meisten Aroideae, während Staurostigma, aus der Tribus der Staurostigmateae einen subepidermalen collenchymatischen Ring besitzt. Bei einzelnen Gattun- gen wie Anchomanes, Dracontium und Gymnostachys wird die Biegungsfestig- keit des starken Blüthenschaftes noch durch Stereomgewebe zwischen den Fibrovasalsträngen sowie durch einen Bastbelag auf der Innenseite der Stränge erhöht. Hier findet sich also einige Ähnliehkeit mit dem mechanischen System der Cyperaceae. Endlich kommt auch bei einzelnen Gattungen mit kurzem saftreichem Schaft gar kein mechanisches Gewebe vor, weder als Belag der Mestomstränge, noch in Form von selbständigen Rippen, so bei Symplocarpus Ffoetidus L. Interessant ist übrigens auch noch, dafs die Berücksichtigung an- derer anatomischer Verhältnisse, der Excretorgane, der Nervatur und der Blüthenverhältnisse dazu führt, in den Pothoideae und Monsteroideae die ältesten Unterfamilien zu erblicken und dafs diese ebenso wie die Dracaenoideae unter den Liliaceae, die Bambuseae unter den Gramineae, die Flagellariaceae unter den Farinosae in der Beschaffenheit ihres mechanischen Gewebesystemes den Palmen und Pandanaceen am nächsten kommen. B. Monokotyledonee Familienreihen mit vollständigen oder reducirten pentacyklischen Blüthen. Im Gegensatz zn allen besprochenen Reihen mit noch schwankender Zahl der Quirle stehen die folgenden, bei denen der sogenannte Monoko- tyledonentypus, d.h. eine Blüthe mit 5 gleichzähligen Quirlen fast ausschliefs- lich herrschend geworden ist, bei denen die aus 2 Kreisen gebildete Blüthen- hülle mit fortschreitender Anpassung an die Bestäubung durch Insecten immer mehr in den Vordergrund tritt und mannigfache Umgestaltungen erfährt, die zu den auffallendsten Blüthenbildungen führt, bei denen aufserdem auch die in den vorher besprochenen Reihen verhältnifsmälsig seltene Hypogynie ein- tritt, bei denen ferner auch im Androeceum mancherlei Umgestaltungen und Reduetionen auftreten, aber immer mit der Beibehaltung typischer Stellungs- verhältnisse, bei denen endlich auch das Gynaeceum nur Schwankungen in der Zahl der Glieder des einen, ursprünglich vorhandenen Quirles zeigt. Trotz des einen diesen Reihen zu Grunde liegenden Diagrammes (ich sehe Die systematische Anordnung der monokotyledoneen Angiospermen. 33 hierbei davon ab, dafs an Stelle der Dreigliedrigkeit mitunter auch Zwei-, Vier- Vielgliedrigkeit der Quirle treten kann) ist es nicht nothwendig, dafs sie einen gemeinsamen Ursprung haben; denn der pentacyklische Blüthen- typus kann, wie wir gesehen haben, in Verwandtschaftsgruppen zu Stande kommen, welche ihrer ganzen Organisation nach sehr weit verschieden sind: man denke nur an die Palmen und an die Helobiae. Über die Aufeinander- folge der exquisit pentaeyklischen Monokotyledoneen ist man sich seit langer Zeit einig. Es besteht kein Zweifel darüber, dafs die Seitamineae und die Orchidaceae am äufsersten Ende derselben stehen, ebenso läfst man allge- mein in den Reihen der Zilüflorae die constant hypogynischen Amaryllida- ceae, welche mit den Ziliaceae eng verknüpft sind, diesen folgen und schliefst den letzteren die Iridaceae an, welche einen Blüthenquirl verloren haben. VIE Furinosae. Eine grofse Anzahl kleinerer Familien, welche theils mit den Zilüflorae vereinigt wurden, theils die Reihe der Znantioblastae bildeten, habe ich zu einer selbständigen Reihe, den Farinosae vereinigt. Diagrammatisch verhalten sie sich wie die Zilüflorae,; sie sind aber unter sich, wie ich in Folgendem zeigen will, enger verknüpft, als mit den Liliaceae und den sich an diese anschliefsenden Familien. Es ist jedenfalls eine sehr be- merkenswerthe Thatsache, dafs die habituell so sehr verschiedenen Liliaceae, mit all ihren zahlreichen Unterfamilien und Gruppen, welche man früher für eigene Familien angesehen hat, ebenso die sehr mannigfaltigen Amaryll- daceae, die ihnen nahe stehenden Taccaceae, Dioscoreaceae und Jridaceae ein Nährgewebe besitzen, dessen meist diekwandige Zellen nur Plasma und Öl einschliefsen, dafs dagegen die durch geradläufige Samenanlagen und einen kleinen Embryo charakterisirten Restionaceae , Centrolepidaceae , Erio- caulaceae, Xyridaceae, Commelinaceae ein meist dünnwandiges Nährgewebe mit zusammengesetzten Stärkekörnern haben und daher das Nährgewebe mehlig erscheint. Dieses eigenthümliche Verhalten veranlafste mich, die Lilüflorae der früheren Autoren auf die Beschaffenheit des Nährgewebes zu prüfen und die Familien mit entschieden mehligem Nährgewebe, so- fern nicht andere gewichtige Gründe dagegen sprechen, mit den oben genannten Familien zusammen in eine Reihe, Farinosae, zu vereinigen, während die übrig bleibenden die Lilüflorae bildeten. Den oben genannten Phys. Abh. 1892. II. 5 34 A. ENn6Ler: Familien schlofs ich an die Rapateaceae und Flagellariaceae, welche zwar nicht zusammengesetzte, sondern nur einfache Stärkekörner im Nährgewebe haben, auch nieht geradläufige Samenanlagen, jedoch einen ebensolchen Embryo wie die Restionaceae besitzen; ferner die Bromeliaceae, welche zwar durch ihren Embryo abweichen, hingegen im Nährgewebe auch zusammengesetzte Stärkekörner enthalten, endlich die Pontederiaceae , bei denen die aus umgewendeten Samenanlagen hervorgehenden Samen einfache Stärkekörner führen. Bei allen diesen Familien kommt noch hinzu, dafs das Nährgewebe ungemein spröde ist und beim Zerschneiden desselben die Zellen sich leicht von einander loslösen. Bei den Phylidraceae ist dies nieht so; hier ist das Gewebe mehr zusammenhängend und wird daher auch von den Systematikern als » Albumen subearnosum« bezeichnet, doch glaubte ich, sie noch den Farinosae anschliefsen zu dürfen. Auch die ‚Juncaceae, Haemodoraceae und Velloziaceae besitzen ein stärkehaltiges Nähr- gewebe; aber bei den ‚Juncaceae bleiben die einfachen Stärkekörner und auch Protoplasma enthaltenden Zellen desselben im Zusammenhang, so dafs sie zwischen beiden Reihen eine Mittelstellung einnehmen. Aus diesem Grunde und auch wegen ihrer durchweg hochblattartigen Blüthenhülle habe ich sie an den Anfang der Reihe der Lilüflorae gestellt. Ob die Haemo- doraceae, die jetzt durch Pax') sehr eingeschränkt sind, nieht doch besser den Farinosae zuzurechnen sein werden, mufs noch durch weitere Unter- suchungen entschieden werden. Jedenfalls stehen sie den Liliaceen und Amaryllidaceen nicht so nahe, als früher angenommen wurde. 4 Gattungen derselben, Dilatris, Lachnanthes, Haemodorum und Wachendorfia wurden bereits von Nägeli”) untersucht und verhalten sich nach dessen Angaben ver- schieden; Dilatris corymbosa Thunb. enthält in den Nährgewebezellen Öl und Protoplasma, Lachnanthes tinetoria Ell. einfache Stärkekörner, Haemodorum und Wachendorfia besitzen zusammengesetzte. Diesen Gattungen kann ich noch Aiphidium hinzufügen, von der Xiph. floridundum Sw. in dem Samen reichlich Stärke enthält. Auch bei Barbacenia, einer Gattung der Velloziaceae, kommen zusammengesetzte Stärkekörner vor. Weitere Untersuchungen über diese Familien und die definitive Entscheidung darüber, welcher der beiden Parallelreihen sie angehören, behalte ich mir noch vor. Die vergleichende !) Pax, Haemodoraceae in Nat. Pfilanzenfam. II. 5. S. 92. ?), Nägeli, Die Stärkekörner, in Nägeli und Cramer, pflanzenphysiologische Unter- suchungen Il. S. 545. Die systematische Anordnung der monokotyledoneen Angiospermen. 35 Anatomie hat hier noch Aufgaben zu lösen; doch darf sich die Unter- suchung nicht auf wenige Arten beschränken. Dafs es bei den Farinosae und ZLilüaceae einzelne Familien giebt, welche zwischen beiden Reihen schwanken, ist nicht gerade auffallend. Ähnliches finden wir auch bei manchen Reihen der Dikotyledonen, z. B. Geraniales und Sapindales. Die einzelnen Familien der Farinosae stehen meist selbständig da, ohne An- schlufs an einander. Mit den Flagellariaceae, welche nur wenige Arten umfassen, ist keine der anderen Familien nahe verwandt. In ihren Blüthen, die auf Windbestäubung eingerichtet sind, zeigen sie grofse Übereinstimmung mit den Juncaceae'‘); aber das Nährgewebe ihrer grofsen Samen ist unge- mein brüchig und stärkereich und der Embryo klein linsenförmig, wie bei den folgenden Familien. Zudem besitzen sie alle zahlreiche sub- corticale Fibrovasalstränge mit starker Bastentwickelung. Die Restionaceae sind ebenfalls noch windblüthig und gegenüber den Flagellariaceae durch völlig andere Tracht und orthotrope Samenanlagen ausgezeichnet. Sowohl in der Blüthenhülle, wie im Androeceum und Gynaeceum fallen häufig einzelne Glieder, ja ganze Quirle aus, die weib- lichen Blüthen von Restio entbehren sogar bisweilen gänzlich der Blüthen- hülle; es entstehen so Blüthen, welche diagrammatisch an einzelne Cype- raceae erinnern. Trotzdem nun auch einzelne Restionaceae (s. oben S. 26) zusammengesetzte peripherische Träger wie die Cyperaceae besitzen, so kann doch von einer Ableitung der letzteren von den Restionaceae durch- aus nicht die Rede sein, da die Cyperaceae stets aufsteigende und um- gewendete Samenanlagen und auch nicht den linsenförmigen Embryo der Restionaceae aufweisen. Dieser linsenförmige, dem mehligen Nährgewebe anliegende Embryo steht auch der Ableitung der Gramineae von den Restionaceae im Wege, selbst wenn man auf das Schema der Restionaceen- blüthe die Gramineenblüthe zurückführen und das Vorkommen eines ge- rippten Hohleylinders im Stengel einzelner Restionaceae (s. oben S. 26) in Betracht ziehen wollte. Mit den Restionaceae stehen die Centrolepidaceae in naher Beziehung; sie dürften aber von den jetzt lebenden Restionaceae kaum direct abzuleiten sein, da im Gynaeceum bisweilen noch mehr als 6 Carpiden vorkommen und dieselben nur wenig vereint sind. Durch dieses Verhalten nähern sich !) Drude vereinigt die Juncaceae mit den Flagellariaceae in Schenk’s Handbuch II. 2. S. 338 zu einer selbständigen Ordnung der ‚Juncoideae. [9] 36 A. ENnGLER: die Centrolepidaceae einem ursprünglicheren Typus mit nicht fixirter Zahl der Glieder mehr, als die Restionaceae, amdrerseits sind sie weiter vor- geschritten als diese in der Reduction der Blüthenhülle und des Androe- ceums. Es ist somit jedenfalls richtiger, die Centrolepidaceae als selbständige Familie und nicht als Unterfamilie der Restionaceae hinzustellen. Ebenso selbständig sind die folgenden Familien, trotzdem ihr Embryo sich so ver- hält, wie der der Restionaceae. Bei den Mayacaceae ist die Blüthenhülle zur Heterochlamydie vor- geschritten und ein Kreis Staubblätter ist ausgefallen; die an den parietalen Placenten der vereinten Carpelle stehenden Samenalagen sind aber eben- falls orthotrop. Ziemlich auf derselben Stufe stehen die nur durch andere Vegetations- organe ausgezeichneten Xyrödaceae; hinsichtlich des Androeceums stehen sie sogar auf niederer Stufe, als die Mayacaceae, weil bei ihnen die Staub- blätter des äusseren Kreises noch durch Staminodien vertreten sind, aber ihre Blüthe macht einen kleinen Fortschritt, welcher bei den Mayacaceae noch nicht beobachtet wird; von den Kelchblättern vergröfsert sich das vordere und umschliefst die Corolle, während die Phyllome der letzteren unter einander und auch mit den Staubblättern etwas zusammenliegen. Ihr mechanisches System verhält sich wie das der meisten Restionaceae. Die Eriocaulaceae zeigen in ihren Blüthen viel Analogie mit denen der Restionaceae; aber sie sind durch ihre kopfförmigen Blüthenstände, welche mit denen der Compositae sehr übereinstimmen, ferner durch ihre Blatt- entwickelung von den Restionaceae sehr verschieden. Die Entwickelung der Blüthenhülle ist mannigfaltiger, als bei den Restionaceae, indem Verwachsun- gen, Zygomorphie und auch Abort vorkommen. Ein morphologischer Fort- schritt gegenüber den Restionaceae zeigt sich auch in der häufig vorkom- menden Vereinigung der Staubblätter mit den Blättern der Blüthenhülle. Im Androeceum finden ähnliche Schwankungen statt, wie bei den Restionaceae, namentlich ist auch hier häufig der äussere Staminalkreis unterdrückt. Der Bau der Staubblätter ist auch ganz ähnlich, wie bei jener Familie. Die Griffelschenkei sind zwar hier auch noch fadenförmig, wie bei den Restionaceae, jedoch nieht so lang, wie bei diesen. Es wird vermuthet, dafs bei ihnen Inseetenbestäubung stattfindet, doch würde die Beschaffen- heit der Narben auch Windbestäubung gestatten. Wie bereits Schwen- dener gezeigt hat, kommen bei der Gattung Zriocaulon sowohl Stengel Die systematische Anordnuug der monokotyledoneen Angiospermen. 37 mit zusammengesetzten peripherischen Trägern als auch solche mit mechani- schem Ring vor. Der letztere Fall ist der häufigere. Entschiedener als die Zriocaulaceae sind durch ihre einfachen schwach entwickelten Narben für Inseetenbestäubung befähigt die Rapateaceae'), welche ebenfalls linsenförmigen Embryo wie die vorigen; aber mehrere oder 1—2 umgewendete Samenanlagen in ihren Carpellen besitzen. Im Übrigen stehen sie durch ausgesprochene Heterochlamydie und vereint- blättrige Blumenkrone etwa auf gleicher Stufe mit den Zriocaulaceae. Ana- tomisch sind sie dadurch charakterisirt, dafs ungemein zahlreiche und dicht stehende subepidermale Rippen vorhanden sind und innerbalb dieses Rippen- ringes erst ein mechanischer Ring auftritt, an welchen sich die Mestom- stränge anlehnen. Es kommt dieses Verhalten einigermafsen demjenigen der Cyperaceae nahe, mit welchen ja auch die Rapateaceae habituell einige Ähnlichkeit haben. Durch ihre umgewendeten Samenanlagen führen die Rapateaceae hin- über zu den viel zahlreicheren, ebenfalls auf Amerika beschränkten Bro- meliaceae. Beide Familien haben gemeinsam die ährigen Blüthenstände, welche allerdings bei den Rapateaceae immer nur 1 Blüthe tragen, während sie bei den Bromeliaceae mehrblüthig sind. Beide Familien haben auch gemeinsam die HHeterochlamydie, die gedrehte Knospenlage der Corolle. Während bei den ZAuapateaceae der Embryo mit dem der Eriocaulaceae, Restionaceae ete. übereinstimmt, ist er bei den Bromeliaceae zwar auch klein; aber nicht linsenförmig oder breit kreiselförmig und quer am Mikro- pylende sitzend, sondern länglich und entweder schief oder quer zur Längs- axe der Samenanlagen oder parallel derselben. Unter den zahlreichen Bromeliaceae sind am weitesten vorgeschritten die Bromeliacese mit unter- ständigem Fruchtknoten und Beerenfrucht, während die mit oberständigem Fruchtknoten versehenen Tillandsieae und Puyeae sowie die mit halb- unterständigem Fruchtknoten versehenen Pitcairnieae auf niederer Stufe stehen. Eine Anzahl Bromeliaceae, welche ich anatomisch untersuchte (Arten von Vriesea, Billbergia, Chevaliera, Aechmea, Hoplophytum) zeigten im Stengel subeortieale in tangentialer Richtung verbundene Fibrovasalstränge und aufserdem noch innerhalb des so entstehenden Ringes zahlreiche dureh !) Die nahen Beziehungen der Rapateaceae zu den Bromeliaceae hat auch Drude erkannt, der in Schenk’s Handbuch 111. 2. S.332 beide Familien als Bromelioideae zusammenfalst. 38 A. ENGLER: Bast verstärkte Stränge in einigen Kreisen, manchmal auch einen Kreis soleher Stränge aufserhalb des Ringes. Die Commelinaceae haben schon die früheren Systematiker, wie Bart- ling!) und Endlicher”) neben die Restionaceae und Xyridaceae gestellt. Wie die übrigen bereits besprochenen Familien der Farinosae ist auch diese scharf begrenzt; es ist kein unmittelbarer Anschlufs an eine der anderen Familien zu finden. Dagegen ist innerhalb der Familie eine formenreiche Stufenfolge von ursprünglicheren Blüthenbildungen zu mehr umgestalteten erkennbar’). Die Blüthenhülle ist zwar immer heterochlamydeisch, indem die inneren Blätter zarter sind, als die äufseren; aber bei einigen, wie Pollia, Palisota, Forrestia ist der Unterschied nur sehr gering. Meist sind die Blüthenhüllen aktinomorph; aber leichte Zygomorphie ist nicht selten, so bei Palisota, Athyrocarpus, Commelina, Polyspatha, Cochliostema und anderen. In der Regel sind die Blüthenhüllblätter getrennt; aber die Kelehblätter sind vereinigt bei Coleotrype, COyanotis, Zebrina und Weldenia; endlich tritt bei letzteren beiden auch Vereinigung der Blumenblätter und schliefslich bei Weldenia auch Vereinigung dieser mit den Staubblättern auf. Bekannt sind die mannig- fachen Formen des Androeceums, welche sich alle von dem 3 + 3-gliedrigen Typus ableiten und in sehr vielen Fällen noch durch Spuren der verkümmer- ten Glieder von der Wirkung der Reduction Zeugnifs ablegen. Im Gynae- ceum macht dieselbe sich auch bisweilen geltend, indem bisweilen, z. B. bei Rhoeo nur 1 oder 2 Fächer fertil werden. Das mechanische System wird auch in dieser Familie durch einen einfachen Hohleylinder mit angelehnten Mestomsträngen gebildet. Die Pontederiaceae weichen von allen besprochenen Familien der Fari- nosae durch einen ceylindrischen, centralen Embryo ab, welcher nur wenig kürzer ist als das mehlige Nährgewebe, das einfache und zusammenge- setzte Stärkekörner enthält. Da ferner die beiden Kreise der Blüthenhülle vereint emporwachsen und ecorollinisch sind, die Reduction im Androeceum und Gynaeceum eintritt und die Blüthen auch Neigung zur Zygomorphie haben, so kann diese Familie ihren Platz nur gegen das Ende der Reihe haben. Anatomisch sind die Pontederiaceae verschieden, je nachdem die !) Bartling, ÖOrdines naturales p. 39. ®) Endlicher, Genera p. 124, Enchiridion p. 70. ®) Vergl. Clarke, Commelinaccae in De Candolle, Suites au Prodr. II. p. 115 und Schönland. Commelinaceae in Nat. Pflanzenfam. II. 4. S. 60. Die systematische Anordnung der monokotyledoneen Angiospermen. 39 Stengel aufrecht sind, wie bei Pontederia cordata L. oder horizontal wachsen, wie bei Eichhornia azurea (Sw.) Kunth. Die mit schwachen Bastbelegen versehenen Mestomstränge sind im ersten Fall in dem von zahlreichen Luft- kammern durchsetzten Gewebe zerstreut, im zweiten Falle aber ist der gröfste Theil der Stränge gegen die Mitte zusammen gedrängt und von einem Ste- reomring umgeben, dabei sind die am meisten in der Mitte gelegenen Stränge mehr durch Bast verstärkt als die dem Ringe näher gelegenen. Endlich bleiben noch die Philydraceae übrig, die ebenso wie die Ponte- deriaceae einen langen eylindrischen Embryo besitzen. In ihrem Nährgewebe enthalten sie zwar Stärke, aber das ganze Gewebe erscheint mehr zusam- menhängend als bei den echten Farinosar. Sie besitzen nur ein einziges Staubblatt und eine sehr eigenthümliche zygomorphe Blüthenhülle mit scheinbar nur 4 Blättern. Die von Caruel') gegebene Deutung der Blüthen- hülle halte ich für durchaus zutreffend. Dafs das nach hinten gerichtete Blatt der Blüthenhülle in Wahrheit 2 mit einander emporgewachsenen Blät- tern entspricht, kann kaum zweifelhaft sein; die Stellung der beiden inneren, nach vorn gerichteten Blätter ist so, wie sie bei einem vollkommen 3-gliedri- gen Quirl sein würde; es hat daher die Annahme, dafs das hintere Blatt des inneren Kreises ausgefallen sei, durchaus nichts Gezwungenes; der Ausfall erklärt sich auch einigermafsen durch das vereinte Emporwachsen der beiden hinteren Blätter des äufseren Kreises. Da nun das dreigliedrige Gynaeceum dieselbe Stellung hat, wie in dreigliedrigen pentaeyklischen Blüthen, da aufserdem auch bei einzelnen Pontederiaceae, nehmlich bei Heteranthera Potamogeton Solms-Laubach alle Staubblätter bis auf das eine vordere des äufseren Kreises abortirt sind, so ist man wohl berechtigt, das eine Staubblatt von Philydrum als den einzigen noch vorhandenen Rest eines ursprünglich 6-blättrigen Androeceums aufzufassen. viel Aödiiforeae. Über die echten ZLilüflorae ist nur wenig zu sagen, zumal ich bezüg- lich dieser Reihe schon Vieles bei der Besprechung anderer Reihen, na- mentlich der Glumiflorae, welche man früher zu den Lilüflorae in Beziehung bringen wollte, vorweg genommen haben. !) Caruel, in De Candolle Monographiae Phanerogamarum III. 4. AN ANENETLER: Insbesondere habe ich bei der Besprechung der Cyperaceae (s. S. 25) auf die Mannigfaltigkeit des mechanischen Systemes und bei der Besprechung der Farinosae (s. 8.34) auf das stärkereiche Nährgewebe der Juncaceae hingewiesen und daran erinnert, dafs dureh die Vereinigung dieser Eigen- schaften die Juncaceae von den übrigen Lilüflorae abweichen, sich beinahe ebenso gut an die Farinosae anschliefsen und gewissermalsen in der Mitte zwischen beiden Reihen stehen. Die kleine Familie der Stemonaceae') (Roxburghiaceae) kannte ich früher nur aus Abbildungen, da das Material des Berliner Herbariums nicht zugänglich war. Neue Untersuchungen von Lachner-Sandoval’) an Alkoholmaterial haben die Angaben von Griffith’) und Baillon‘) bestätigt, dafs in den 2-gliedrigen Blüthen von Stemona das einfächerige, bei der Fruchtreife in 2 Klappen zerfallende Gynaeceum nicht aus 2 Car- pellen, sondern aus einem gebildet ist. Dasselbe ist wahrscheinlich auch bei Croomia der Fall, obgleich die Abbildung in Asa Gray’s Genera Florae Americae bor.-or. t. 37 mehr dafür zu sprechen scheint, dafs 2 Carpelle das Gynaeceum zusammensetzen. Durch das eigenthümliche Aufspringen der Frucht in 2 Klappen, welches auch bei Croomia vor- kommt, unterscheidet sich die Familie von allen Liliaceae. Wichtig ist aber auch das Vorkommen von nur einem Carpell; denn dieses zeigt, dafs den Stemonaceae ein Typus mit apocarpem Gynaeceum zu Grunde liegt, während bei den so zahlreichen Liliaceae das Gynaeceum fast durchweg zur Synearpie vorgeschritten ist und nur die Gattung Petrosavia Beccari ein fast apocarpes Gynaeceum hat. Mit der bei einzelnen Liliaceen (Dra- caena) vorkommenden Einfächerigkeit der Frucht ist die bei den Stemo- naceae vorkommende selbstverständlich nicht zu vergleichen, da jene nur auf Sterilität zweier am Gynaeceum betheiligten Carpelle beruht, ebenso- wenig ist der einfächerige Fruchtknoten der Stemonaceae dem einfächerigen Fruchtknoten derjenigen Liliaceen zu vergleichen, welche parietale Placen- tation besitzen. Ferner ist die neben der Mikropyle auftretende Ent- wiekelung zahlreicher einen Arillus bildenden Gewebezäpfehen eigenartig !) Engler, in Nat. Pflanzenfam. 11. 5. S. 8. 2) Lachner-Sandoval, Beitrag zur Kenntnils der Gattung Rorburghia in Bot. Central- blatt XIII (1892) Bd.L. S. 66ff. ®) Griffith, Caleutta’s Journal of Nat. History p. 143. 4) Baillon, Organog£nie florale des Roxburghiees, in Adansonia 1, 245. Die systematische Anordnung der monokolyledoneen Angiospermen. 4] genug, um die Stemonaceae den Liliaceae gegenüberzustellen; auch die zahlreichen zwischen den Hauptnerven der Blätter dicht parallel quer- verlaufenden Adern finden sich nur bei einer Liliacee, der Enargioidee Behnia, welche aber sonst gar keine Anknüpfungspunkte an die Stemonaceae bietet. Bei Croomia verlaufen die Transversalnerven ersten Grades zwischen den Hauptnerven schräg und erst diejenigen zweiten Grades horizontal; im Wesentlichen ist aber doch die Nervatur ähnlich wie bei Stemona und Stichoneuron. Schliefslieh ist auch noch zu erwähnen, dafs Lachner- Sandoval im Samennährgewebe der Stemona javanica (Kunth) Engl. zwar reichlich Stärke und Fett gefunden hat, dafs aber die Membranen der Nährgewebezellen derbwandig sind und das ganze Gewebe fleischig, nicht mehlig erscheint. Im anatomischen Bau schliefsen sich die Stemonaceae im Wesentlichen den Liliaceae an, da ihre Bündel sich an einen mächtigen Sklerenchymmantel anlegen; sie stehen in einem einzigen Kreise, sind eon- centrisch gebaut und bei Croomia parviflora Torr. noch von einer Schicht diekwandigen Bastes umgeben. Während bei den Farinosae niemals mehr als 5 Quirle vorkommen, ist dies bei einigen Liliaceae, nehmlich bei Smilax Seet. Pleiosmilax in den männlichen Blüthen der Fall. Dieses Verhalten ist um so interessanter, als es bei mehreren Arten vorkommt, welche sich nur auf Inseln des stillen Oceans finden; S. orbieulata Labill. in Neu-Caledonien hat in den männlichen Blüthen 8—10, 8. ritiensis (Seem.) auf den Fidji-Inseln 12, S. sandwicensis Kunth 12—18, manchmal auch 8 und 20, S. melastomaefolia Smith 12 Staubblätter; in den weiblichen Blüthen derselben Arten finden sich meist 6 Staubblätter. Sodann kommen auch bei der Melanthioidee Pleea bis 12 Staubblätter vor. Da beide Gattungen homoiochlamydeische Blüthenhüllen besitzen, also gegenüber den meisten anderen Liliaceae auf niederer Stufe stehen, so bin ich der Ansicht, dafs hier Formen vorliegen, welehe noch etwas von der bei Monokotyledoneen ursprünglich häufigeren Polyandrie bewahrt haben, jedenfalls verschwinden diese wenigen Formen gegenüber den Tausenden von Liliaceen mit freiester Staubblattzahl. Dagegen finden wir die ursprüngliche hochblattartige Beschaffenheit der Blüthenhülle nicht blofs bei den Smilacoideae und den meist durch gröfsere Selbständig- keit der Carpelle ausgezeichneten Melanthioideae, sondern auch bei den Herrerioideae und den Asphodeloideae — Dasypogoneae und Lomandreae, welche Bentham und Hooker mit den Juncaceae vereinigen wollten, bei einzelnen Phys. Abh. 1892. II. 6 42 A. EnGLERr: Dracaenoideae und Asparagoideae. In mehreren dieser Gruppen sehen wir Übergangsstufen zu eorollinischer Ausbildung, welche häufig auch mit Synte- palie verbunden ist; recht selten ist Heterochlamydie, nur bei den Parideae und Calochortus, verhältnifsmäfsig selten auch Zygomorphie (Gülliesieae, Hemerocallideae, Gasteria) und Eingeschlechtlichkeit der Blüthen, welche überhaupt bei Pflanzen mit lebhaft gefärbten Corollen weniger häufig zu Stande kommt, als bei solchen mit hochblattartiger Blüthenhülle. Auch bei den Liliaceae sind es nur einzelme Nolineae (Nolina, Dasylirion), Aspara- goideae (Ruscus) und Smilacoideae (Smilax, Heterosmilax), deren homoio- chlamydeische Blüthen eingeschlechtlich geworden sind. Die bei den Liliaceae aufser der vorher erwähnten Polyandrie sonst noch vorkommenden Abweichungen vom trimeren pentacyklischen Diagramm sind dieselben, welche auch bei den Farinosae beobachtet werden und beruhen aus- schliefslieh auf Reduetion. Reduction des Androeceums auf 1 Staubblatt- kreis kommt mehrfach vor; aber nur in einigen Gruppen der Liliaceae ; bei der Allioidee Leueocoryne zeigen die inneren Staubblätter Neigung zur Verkümmerung und bei Heterosmilax sind sie gar nicht mehr wahrzunehmen; diese Gattungen verhalten sich also so, wie die ziemlich zahlreichen Arten von Luzula Seet. Gymnodes und Juneus'), bei denen die inneren Staub- blätter schwinden. Viel häufiger sind bei den Liliaceae die äufseren Staub- blätter geschwächt oder gar nicht entwickelt, vorzugsweise bei Asphode- loideae. Mehrere Arten von Sowerbaea und Arnocrinum, ferner die Gattungen Anemarrhena, Hewardia und Hodgsoniola, die Allioideae Brodiaea, Stropho- lirion und brevortia besitzen an Stelle der äufseren Staubblätter Stamino- dien, dagegen kommen bei anderen Arten von Sowerbaea und Arnoerimum, bei Stawellia, Johnsonia und Ruscus überhaupt nur die inneren Staubblätter vor. Eine andere Richtung nimmt die Reduction des Androeceums bei den Gülliesieae, wo nur 3 oder 2 vordere Staubblätter in den zygomorphen Blüthen zur Entwickelung gelangen’). Für gewöhnlich ist das Gynaeceum der Liliaceae oberständig; aber bei einigen Gattungen, welche ich als Ophiopogonoideae zusammengefalst habe, ist es unterständig. Diese Unter- familie der Ophiopogonoideae ist schwerlich einheitlichen Ursprungs; ob sie nicht vielmehr zwei verschiedene Typen umfafst, von denen der eine (Sanseviera) sich an die Dracaenoideae, der andere (Ophiopogon, Liriope und !) Buchenau, Monographia Juncacearum, S. 28. ®) Vergl. Engler in Nat. Pflanzenfam. 11.5. p.58 und E. Reiche in Bot. Jahrb. XVI. Bd. Die systematische Anordnung der monokotiyledoneen Angiospermen. 43 Peliosanthes) sich an die Asparagoideae anschliefst, werden noch weitere Untersuchungen zu erweisen haben. So übereinstimmend auch die Blüthen- verhältnisse der ZLiliaceae sind, so bin ich doch zu der Überzeugung ge- kommen, dafs diese Familie verschiedene Stämme umfafst, welche schon frühzeitig auseinandergingen und sich selbständig weiter entwickelten. Es geht dies daraus hervor, dafs in den meisten Unterfamilien niedere Stufen vorhanden sind, dafs aber diese niederen Stufen der einzelnen Unter- familien sich schon recht verschieden verhalten, so dafs an eine nähere Verwandtschaft nicht gut gedacht werden kann. Die Melanthioideae und Herrerioideae, bei denen beiden die Carpellen in den meisten Fällen nicht eine so innige Verbindung zeigen, als bei den übrigen Liliaceen, stehen in dieser Beziehung auf einer etwas niederen Stufe, als diejenigen, deren Carpelle auch noch bei der Fruchtreife innig verbunden sind; aber sie ver- halten sich doch nicht so zu den Lilioideae oder Asparagoideae, dafs man diese von ihnen ableiten könnte. Auch einzelne Triben der Melianthoideae stehen erheblich auseinander; ich glaube aber dadurch, dafs ich die Be- schaffenheit der Samen bei der Eintheilung berücksichtigte, das Richtige darin getroffen zu haben, dafs ich Tofieldieae, Helonieae und Veratreae einer- seits, Üvularieae, Anguillarieae, Colchieeae andererseits zu einander in nähere Beziehung brachte; hierbei ist namentlich bemerkenswerth, dafs die 3 ersten Gruppen von Afrika und Vorderindien ausgeschlossen, die 3 anderen aber in Afrika stark vertreten sind. Die Asphodeloideae sind trotz ihrer grofsen Mannigfaltigkeit und trotzdem, dafs sie Formen mit niedriger Blüthenhüll- bildung enthalten (Johnsonieae, Dasypogoneae, Lomandreae),; von den Melan- thioideae nicht abzuleiten; dagegen können die Allioideae mit ihrem schein- doldigen Blüthenstand als den Asphodeloideae nalie verwandt angesehen werden. Die ZLilioideae haben mit den Melianthioideae zwar oft bedeutende habituelle Ähnlichkeit, sind aber durch ihre charakteristische Zwiebelbildung von allen Melanthioideae unterschieden, auch von denjenigen Gattungen (Narthecium, Metanarthecium), welche allein unter den Melanthioideae in gleicher Weise wie die Lilioideae ihre Antheren und Kapseln öffnen. Die Dracaenoideae, Asparagoideae und Ophiopogonoideae sind unter einander durch Entwickelung von Beerenfrüchten inniger verbunden, als mit einer der vorher genannten Unterfamilien; die verschiedenen Wachsthumsverhältnisse, welche bei den Gruppen dieser Unterfamilien auftreten, lassen sich ebenso leicht verknüpfen, wie die verschiedenen Formen der Blüthenausbildung, doch müssen die ein- 6* 44 A. ENELER: zelnen Gruppen, wie Yucceae, Nolineae und Dracaeneae, desgleichen Aspara- geae, Convallarieae und Parideae schon sehr früh eine selbständige Ent- wiekelung genommen haben; mir ist keine Gattung bekannt, welche etwa als Ausgangspunkt aller dieser Gruppen angesehen werden könnte; Cor- dyline zeigt uns nicht blofs mit den Dracaeneae, sondern auch mit‘ den Convallarieae und Ophiophogoneae Berührungspunkte, ist aber schwerlich mit den Asparageae, Polygonateae und schon gar nicht mit den Parideae, in Ver- bindung zu bringen. Durch ihre Beerenfrüchte waren die Formen dieser Gruppen zur Verbreitung über grolse Areale befähigt; aber trotzdem hat ihre Verbreitung eine gewisse Beschränkung erfahren, die nicht blofs auf klimatischen Ursaehen beruht und vielmehr darin ihren Grund haben mufs, dafs an verschiedenen Stellen der Erde Vorfahren der Liliaceen verbreitet waren, welche in ihrer Vegetationsweise sich den verschiedenen klimatischen Verhältnissen entsprechend entwickelten. Die Aletroideae stehen ganz isolirt. Die Luzuriagoideae oder richtiger Enargeoideae haben ja wohl ebenso wie die Smilacoideae in ihrer Fruchtbildung und in ihrer Blattbildung Anklänge an die Asparagoideae aufzuweisen; aber ein Anschlufs an irgend eine Gattung derselben ist nieht zu ermitteln; namentlich spricht bei den Smilacoideae die Beschaffenheit der Samenanlagen, das Vorkommen polyandrischer Blüthen, die ausgedehnte geographische Verbreitung, ihr sicher verbürgtes Vorkommen im Tertiär für eine durchaus selbständige Stellung innerhalb der Liliaceen. Alle diese Verhältnisse, welche in ähnlicher Weise auch bei noch manchen anderen grolsen über die ganze Erde verbreiteten Familien auftreten, zeigen deutlich, dafs die Annahme eines einheitlichen Ursprunges nicht begründet ist; d. h. die Sippen, welche in den jetzt vorhandenen Unterfamilien der Liliaceen auslaufen, müssen zum Theil schon bestanden haben, bevor es noch zur Fixirung des in der ganzen Familie herrschenden Diagrammes kam. Die Vereinigung aller dieser Sippen in einer Familie beruht mehr auf der Erreichung eines gleichen Zieles, als auf gleichartigen Ausgangs- stufen, es war nicht ursprünglich ein gleichartiger Liliaceentypus mit dem Blüthendiagramm der jetzt lebend über einen grofsen Theil der Erde verbreitet, sondern verschiedene Sippen, deren Zusammenhang jeden- falls sehr weit zurückdatirt, die aber wahrscheinlich auch mit den Sippen der Juncaceen und Amaryllidaceen einmal auf gleicher Stufe standen, sind schliefslich zu der die Liliaceen charakterisirenden Blüthen- und Samen- bildung gelangt. Dafs aber innerhalb dieser Sippen noch in verhältnifs- Die sıystematische Anordnung der monokotyledoneen Angiospermen. 45 mäfsig junger Zeit sich neue Gattungen und Arten abspalteten, ist für mich zweifellos. Bei der grofsen Mannigfaltigkeit der Liliaceen in Bezug auf die Vege- tationsorgane sollte man erwarten, dafs dieselben erhebliche Verschieden- heiten im anatomischen Bau aufweisen würden; aber schon Schwendener’s Untersuchungen, welche sich nur auf das mechanische Gewebesystem und eine verhältnilsmälsig geringe Zahl von Gattungen erstreckten, ergaben eine sehr grofse Übereinstimmung, im Wesentlichen nur zwei Typen, einmal subeorticale Stränge mit starker Bastentwickelung, welche bisweilen mit einander verschmelzen (Dracaenoideae) , andererseits und zwar vorherrschend, Mestomstränge einem mechanischen Ring angelehnt oder eingebettet. Aus- gedehntere Untersuchungen für die Bearbeitung der Ziliaceae in den natür- lichen Pflanzenfamilien ergaben mir auch keine wichtigen Anhaltspunkte zur Unterscheidung der Gruppen nach dem mechanischen Gewebe, was um so auffallender war, als Dr. Pax gleichzeitig bei den Amaryllidaceae die kleineren Gruppen durch verschiedenartige Entwickelung des mechanischen Gewebes charakterisirt fand. Dafs das angedeutete negative Resultat nicht etwa auf falscher Gruppirung der Gattungen beruht, geht schon daraus hervor, dafs bei derselben Gattung Allium die meisten Arten einen Skle- renchymmantel besitzen, dagegen Allüum fistılosum und A. ursinum desselben entbehren, wie die doch jedenfalls anderen Gruppen angehörigen Gattungen Paris, Trilliüum und Rhodea'), dafs ebenso in der sehr natürlichen und den Allieae nahestehenden Gruppen der Gäilliesieae”) bei Miersia chilensis und So- laria miersioides sowohl Bastbelege, wie ein subepidermaler Sklerenchymring fehlen, bei Gilliesia monophylla dagegen ein solcher vorhanden ist. Seit einem Jahr beschäftigt sich auf meine Veranlassung Herr Cand. Rudolf Schulze eingehend mit einer vollständigen vergleichend-anatomischen Untersuchung der Liliaceae, doch haben dessen umfangreiche Untersuchungen im Wesent- lichen das Obige bestätigt; derselbe fand z. B. einen Sklerenchymmantel bei Aletris aurea Walt., dagegen keinen bei A. farinosa L., ferner keinen bei Speiranthe convallarioides Baker und Reineckia carnea Kunth, bei Erythronium Dens canis L. und Bulbinella Rossü. Subepidermale Rippen fand R. Schulze nur bei den australischen Arten Borya septentrionalis F. Muell. und B. nitida !) Vergl. Engler in Natürl. Pflanzenfam. II. 5. S.12. ?) Vergl. C. Reiche, Beiträge zur Kenntnils der Likiaceae- Gilliesieae in Engler's Botan. Jahrb. XV. 46 A. ENGLER: Labill. und die bei den Cyperaceen so verbreiteten zusammengesetzten pe- ripherischen Träger nur bei der ebenfalls australischen Johnsonia lupulina R. Brown, insofern ein interessanter Fall, als er eine gleiche Ausnahme von dem gewöhnlichen Verhalten der Liliaceae darstellt, wie sie Anarthria gracilis oder die Restionaceae bildet. Über die Haemodoraceae, welche in den natürlichen Pflanzenfamilien (U. 5 S.92) und im Syllabus (S. 85) wahrscheinlich mit Unrecht ihren Platz zwischen den Liliaceae und Amaryllidaceae haben, wurde schon oben (S. 34) einiges gesagt. Hier sei noch hinzugefügt, dafs nach den noch nicht veröffentlichten Untersuchungen von R. Schulze bei ihnen im Gegen- satze zu den Liliaceae Spaltöffnungen mit Nebenzellen vorkommen. Dies sprieht gegen die Vermuthung von Pax, dafs die Haemodoraceae möglicher- weise verschiedenen Ursprunges sind. Die gleichartige Entwickelung des Androeceums, in welchem immer nur der innere Staubblattkreis vorhanden ist, beweist allein noch nicht ihre Zusammengehörigkeit, da wie wir oben sahen, dafs dasselbe auch in verschiedenen Gruppen der Liliaceae vor- kommt. Mehr spricht aber für die Selbständigkeit der Haemodoraceae gegen- über den Ziliaceae und Amaryllidaceae die oben erwähnte Beschaffenheit der Spaltöffnungen und der Umstand, dafs im Nährgewebe der Samen sich Stärke findet. Leider sind mir bis jetzt noch nicht Samen von allen Gattungen der Haemodoraceae erreichbar gewesen, um zu entscheiden, ob alle in ihrem Nährgewebe Stärke enthalten und dadurch ihre Zusammen- gehörigkeit in höherem Grade bewiesen wird. Die Amaryllidaceae sind jedenfalls theilweise mit den Liliacese sehr eng verwandt; aber der einheitliche Ursprung scheint auch hier sehr frag- lich. Die Verschiedenheiten des mechanischen Gewebes, welche Pax') bei den einzelnen Gruppen constatirt hat, werden noch weiter zu verfolgen sein und vielleicht im Zusammenhang mit eingehenderen Untersuchungen der Samen dazu führen, einzelne Gruppen der Amaryllidaceae näher an die Liliacese anzuschliefsen. Eine durchaus eigenartige, von den vorher genannten weit abstehende Familie sind die Velloziaceae’), charakterisirt durch die bei Monokotyle- doneen nur sehr selten vorkommende Spaltung der Staubblattanlagen und durch ihre stark entwickelten Placenten. !) Pax, in Nat. Pflanzenfam. 11.5. S. 98. 2), Pax, ebenda S. 125. Die systematische Anordnung der monokotyledoneen Angiospermen. 47 Ebenso sondern sich anch die Taccaceae') ab. Zwar finden sich für ihre Blüthenmerkmale Analogieen bei den Liliaceae und Amaryllidaceae (Amaryllis, Orinum, Paneratium), aber bei keiner anderen Liliiflore kommt eine solche Laubblattbildung vor, wie sie ein Theil der Taecaceae in Über- einstimmung mit den Araceae Amorphophalleae besitzt; durchaus eigen- artig ist ferner die Ausbildung der Braeteen, welche um so mehr Beachtung verdient, als sie bei allen Arten der Familie constant auftritt. Während die Merkmale der Taecaceae im Einzelnen nicht ausreichen, um sie von den Amaryllidaceae abzusondern, so fällt doch die eonstante Combination derselben für die selbständige Stellung der Taccaceae in's Gewicht. Jeden- falls ist diese nur aus 10 Arten bestehende Sippe von hohem Alter, da fast in allen Tropenländern eigenthümliche Arten derselben vorkommen. In dem Infloresceenzstiel von Tacca pinnatifida Forst. fand ich die, äufseren Mestomstränge an einen kräftigen mechanischen Ring angelehnt, die inneren Stränge an ihrer Aufsenseite durch Bastlagen verstärkt, also ähnliche Ver- hältnisse wie bei den Liliaceae. Die Familie der Dioscoreaceae steht jedenfalls zu den Liliaceae in ebenso naher Beziehung wie die der Amaryllidaceae;, ich habe hierbei nur noch darauf aufmerksam zu machen, dafs die zwitterblüthigen Stenomerideae den mit eingeschlechtlichen Blüthen versehenen Dioscoreaceae vorangestellt werden müssen, zumal in dieser Gruppe auch noch Formen mit zahlreichen Samenanlagen in jedem Fach vorkommen. Rajania mit eingeschlechtlichen Blüthen, mit nur einem fertilen Fach des Fruchtknotens und nur einem Samen in der nieht aufspringenden Flügelfrucht ist sicher die durch nach- weisbare Reduetion am weitesten vorgeschrittene Gattung und daher an das Ende der Familie zu stellen. Die Iridaceae werden diagrammatisch von den meisten Botanikern auf die Liliaceae zurückgeführt und ich stehe auch nicht an, das Vorhandensein nur eines Staminalkreises auf das Ausfallen eines ursprünglich noch vor- handenen zweiten zurückzuführen, um so mehr, als Heinricher’) bei Iris pallida nicht blofs, wie einige Beobachter schon bei anderen Iridaceen con- statirt hatten, die Glieder des inneren Staubblattkreises entweder sämmtlich als Staubblätter oder theilweise als Staubblätter, theilweise als Staminodien, t) Pax, ebenda S. 129. 2) Heinricher, Vorhandensein des inneren Staubblattkreises bei Iris pallida Lam., im IV. Jahresber. d. akad. naturwiss. Ver. zu Graz 1878. 48 A. En6GLeEr: theilweise als Mittelding zwischen Staubblatt und Fruchtblatt ausgebildet fand, sondern auch in gewöhnlich gebauten Blüthen derselben Art die Gefäfsspuren der sonst nieht ausgegliederten inneren Staubblätter in der röhrigen Blüthenaxe nachweisen konnte, wie dies auch van Tieghem!') gelungen war. Trotzdem die Jridaceae sich diagrammatisch eng an die Liliaceae und Amaryllidaceae anschliefsen, so scheinen sie doch einen frühzeitig abgeson- derten Zweig der Lilüflorae darzustellen, bei welchen die blattartige Ent- wiekelung und Spaltung der Griffeläste sowie die reitende Stellung der Blätter so dominirend wurden, dafs abgesehen von wenigen Ausnahmen auch hierdurch die Familie wesentlich charakterisirt wird. IX. Seitamineae. Bei den Familien der Scitamineae, von deren Zusammengehörigkeit die Systematiker seit Langem überzeugt waren, haben die Morphologen durch zahlreiche Untersuchungen den Nachweis zu führen gesucht, dafs die von den Blüthen der Musaceae scheinbar so abweichenden Blüthen der Zingiberaceae, Cannaceae und Marantaceae ebenso wie die ersteren sich auf das pentacyklische dreigliedrige Diagramm der Zilüflorae zurückführen lassen. Wenn auch bezüglich der Zingiberaceae zwei verschiedene Ansichten ihre Anhänger hatten, nehmlich einerseits die von Robert Brown, anderer- seits die von Lestiboudois’), so waren doch die Anhänger beider An- schauungen sich darüber einig, dafs ein ursprünglich sechsgliedriges An- droeceum bei den 3 drei letztgenannten Familien zu Grunde liege. Welchen Staubblättern des typischen Diagramm’s die petaloiden Staminodialgebilde der Zingiberaceae, Cannaceae und Marantaceae entsprechen, ist schliefs- lich dureh Eichler’s’) an dieser Stelle gelesene Abhandlungen endgültig entschieden worden. Nichts desto weniger halte ich es für völlig ver- fehlt, die Scitamineae direet von den Liliaceae oder von den mit ihnen !) Van Tieghem, Anatomie comparee de la fleur p. 123, t. 5. 2) Vergl. hierüber Eichler, Diagramme I. 167ff. und Petersen in Engler und Prantl, Nat. Pflanzenfam. 11. 6. S. 14. °) Eichler, Über den Blüthenban der Zingiberaceae, in Sitzungsberichte der Königl. Preuss. Akademie d. Wiss. XXVI. 1884 und Beiträge zur Morphologie und Systematik der Marantaceae, mit 7 Taf.; Abhandl. d. Königl. Preuss. Akad. d. Wiss. 1883. Die systematische Anordmung der monokotyledoneen Angiospermen. 49 durch unterständigen Fruchtknoten auf gleicher Stufe stehenden Amarylli- daceae ableiten zu wollen. Zwar erinnern die Scitamineae in ihrer Blatt- gestaltung und Nervatur einigermafsen an Dracaena und Cordyline, so dafs man an die Dracaenoideae anknüpfen könnte; aber es sind mehrere die Scitamineae gemeinsam charakterisirende Merkmale da, welche gegen einen Anschlufs an die Lilüflorae sprechen: 1.) die Entwickelung von Endosperm und Perisperm, 2.) die Beschaffenheit der Pollenkörner mit glatter Exine und dieker Intine, 3.) das Vorkommen von einfachen und zusammengesetzten Stärkekörnern') im Nährgewebe des Samens, während die Lilüflorae abge- sehen von den wenigen den Seitamineae jedenfalls nicht nahe stehenden Ausnahmen im Nährgewebe nicht Stärke führen. Dazu kommen als zwar nicht durchgehende, aber sehr häufig auftretende Merkmale das verbreitete Auftreten von Ölzellen in den Rhizomen und die ebenfalls schr verbreitete Entwickelung eines Arillus. Über die phylogenetische Reihenfolge der 4 Familien der Seitamineae kann kein Zweifel bestehen, die Verschieden- heiten derselben zeigen sich hauptsächlich in der Reduction des Androe- ceums und Gynaeceums; dieselbe ist am meisten vorgeschritten bei den Marantaceae, wo nicht blofs, wie bei den Cannaceae, nur eine Staubblatt- hälfte fertil wird, sondern auch viele (die Maranteae) nur ein fertiles Frucht- blatt mit einer einzigen Samenanlage besitzen. Die Phrynieae, welche bis- weilen noch in jedem Fach des Fruchtknotens 1 Samenanlage entwickeln, stehen den Cannaceae näher. Eine directe Ableitung der Marantaceae von den Cannaceae ist aber nicht statthaft; denn einmal sind die Marantaceae alle durch ein eigenthümliches Geniculum am Ende des Blattstieles aus- gezeichnet, anderseits sind auch bei den Marantaceae alle 3 Staubblätter des inneren Kreises vorhanden (davon 2 Staminodien), während bei den Cannaceae nur 2 innere Staminodien aufzufinden sind. In Bezug auf die äufseren Staminodien sind die Verhältnisse in beiden Familien schwankend. Ebensowenig kann man die Marantaceae oder Cannaceae direet an die Zingiberaceae anschliefsen, wo sich das Androeceum bekanntlich wieder anders verhält; jedoch ist zu beachten, dafs bei den Marantaceae dieselben Glieder des Androeceums zur Entwickelung gelangen, welche wir auch bei den Zingiberaceae — Hedychieae ausgegliedert finden. Endlich kommen diese 3 Familien gegenüber den Musaceae darin überein, dafs bei ihnen der !) Vergl. Nägeli, Die Stärkekörner a. a. OÖ. p. 545. Phys. Abh. 1892. II. Be | 50 A. ENGLER: äufsere Kreis der Blüthenhülle nieht eorollinisch ist, bei den Musaceae aber beide Kreise ziemlich gleichartig ausgebildet werden. So weit jetzt die anatomischen Untersuchungen reichen, ist bei den Musaceae und Ma- ranlaceae die Vertheilung der Fibrovasalstränge und die Entwickelung des mechanischen Gewebes wie bei den Dracaenoideae, bei den Zingiberaceae dagegen so wie bei den übrigen LZiliaceae. X. Microspermae. Betreffs der nun noch übrigen Burmanniaceae und Orchidaceae ist eine gewisse Verwandtschaft nicht zu leugnen; dieselbe spricht sich hauptsäch- lich darin aus, dafs bei beiden, wie sonst bei keiner anderen Familie der Monokotyledoneen die Placenten mit zahlreichen kleinen Samenanlagen dicht besetzt sind und dafs sie bei den Burmanniaceae wie bei den ÖOrchidaceae parietal sind. Im Übrigen aber gehen die beiden Familien auseinander. Durch die Entwickelung eines Nährgewebes kommen die Burmanniaceae den Amaryllidaceae näher und ebenso nähern sie sich diesen mehr durch die häufig weitgehende Verwachsung der Blüthenhüllblätter. Mit den Orchi- daceae haben die Burmanniaceae noch gemein, dafs bei ihnen eine so weit gehende Zygomorphie der Blüthenhülle erreicht wird, wie sie sich sonst nur bei wenigen Monokotyledoneen findet; aber die Blüthe von COorsia') unterscheidet sieh von einer typischen Orchidaceenblüthe nicht blofs dureh das Vorhandensein von 6 fruchtbaren Staubblättern, sondern hauptsächlich darin, dafs das vergröfserte Blüthenhüllblatt dem äufseren Kreise angehört, während bei den Orchidaceen das Labellum im inneren Kreise steht. Die in den Tropen weit verbreiteten Burmanniaceae sind jedenfalls eine der ältesten Familien, was schon daraus hervorgeht, dafs die Mehrzahl der- selben zum Parasitismus vorgeschritten ist und dafs die wenigen bekannten Gattungen recht verschieden sind. Die Orchidaceae sind von den Burmanniaceae und somit auch von den Lilüflorae besonders verschieden durch den nährgewebslosen Embryo, der dazu noch in den meisten Fällen sehr redueirt ist. Fehlt es in dieser Beziehung an jeglicehem Mittelgliel zwischen den Orchidaceae und dieser Reihe, so auch hinsichtlich der einseitigen Entwickelung des Androeeeums. !) Vergl. Beccari, Malesia I. t. 9. Die systematische Anordnung der monokotyledoneen Angiospermen. 51 Obwohl bei Apostasia und Neuwiedia die Blüthenhüllen nahezu radiär sind und diese beiden Gattungen auch durch ihre centralwinkelständigen Pla- centen den Amaryllidaceeae — Hypoxideae nahe stehen, so fehlen doch bei diesen, wie bei fast allen anderen Orchidaceae stets die 3 vorderen Staubblätter. Es nähern sich auch diese beiden Gattungen und ebenso die Cypripedilinae den ZLiliiflorae dadurch, dafs die Pollenzellen isolirt und alle drei Narben gleichmäfsig entwickelt sind. Endlich sei noch darauf hingewiesen, dafs auch für die Entwickelung von 3 Staubblättern auf einer Seite der Blüthe sich ein zwar nicht ganz vollständiges, nichtsdestoweniger beachtenswerthes Analogon bei Tecophilea (Amaryllidaceae — Hypoxideae) in Chile findet, in- sofern nehmlich hier die 3 Staubblätter der einen Seite als Staminodien entwickelt sind. Formen von dem Blüthentypus der Gattung Neuwiedia müssen der Ausgangspunkt gewesen sein, sowohl für die Gruppe der Dian- drae, bei welcher die Pollenzellen isolirt werden, wie für die Monandrae, bei welchen neben der mannigfachen Entwickelung des einzigen Staub- blattes und des einen Narbenlappens eine wechselreiche Gestaltung der Blüthenaxe und der Blüthenhüllblätter zu den abenteuerlichsten Formen führt. Das vortreffliche Orchidaceensystem Pfitzer’'s bringt deutlich zum Ausdruck, wie innerhalb der Monandrae verschiedene Typen eine weiter- gehende Umgestaltung erfahren haben; es ist daher auch nicht ganz un- wahrscheinlich, dafs die Monandrie bei den Orchidaceae einige Male sich aus der Triandrie entwickelt hat — wie ich glauben möchte, immer in Folge derselben Ursache, nehmlich in Folge der steten Vernachlässigung der seitlichen Staubblätter durch die nach dem ebenfalls median gelegenen Sporn oder Nektarium hinstrebenden Befruchter. In ihrem mechanischen Gewebe stimmen die Orchidaceae mit den Liliaceae überein; dafs unsere heimischen Erdorchideen den bei den Liliaceen so verbreiteten mechani- schen Ring besitzen, hat bereits Schwendener in seinem Werk über das mechanische Prineip angegeben; die tropischen Orchidaceae dagegen mit länger ausdauerndem Stamm, die Arten von Epidendrum, Ornithidium, Catt- leya, Vanda, Sarcochilus ete. haben alle, wie ich mich überzeugte, Bündel mit starken Bastbelegen, die bald mehr, bald weniger zusammentreten, bisweilen fast ganz in der Mitte zusammengedrängt sind. Bei mehreren Epidendrum findet sich aufserdem unmittelbar unter der Epidermis ein ein- bis zweischichtiger Ring von langgestrecktem Sklerenchym. bi | [8] A. ENn6LER: Schliefslich möchte ich meine Ansichten über den Entwickelungsgang der Monokotyledoneen folgendermafsen zusammenfassen. Sie müssen mit den Dikotyledoneen einen gemeinsamen Ursprung haben, sind aber schwerlich von einer der heut lebenden Gymnospermen- Reihen herzuleiten; die Mono- kotyledoneen sind den Dikotyledoneen gleichwerthig; es ist unmöglich, die einen auf die anderen zurückzuführen, wie das auch von Nägeli (Theorie der Abstammungslehre S. 522) betont hatte. Die ältesten Monokotyledoneen verhielten sich analog den heut noch lebenden Gymnospermen; sie hatten keine Blüthenhülle und eine unbestimmte Anzahl von Staubblättern und Fruchtblättern in ihren Blüthen, die oft in derselben Sippe spiralig oder quirlig angeordnet waren. Aus den den Sexualblättern vorangehenden Hochblättern oder auch aus den untersten Staubblättern entwickelte sich die Blüthenhülle. In einzelnen Sippen der Monokotyledoneen sind diese niede- ren Stufen noch anzutreffen, in anderen, bei welchen jetzt eyklische An- ordnung, bestimmte Quirl- und Gliederzahl in den Blüthen herrscht, nicht mehr. Ob die letzteren ursprünglich auch spiralige Anordnung der Glieder gezeigt haben, können wir nicht wissen; es ist auch nicht nothwendig, dafs dies der Fall war; denn es konnten gleich bei der Entwickelung der Monokotyledoneen-Sippen Formen mit spiraliger und solche mit eyklischer Anordnung entstehen; auch konnte bei den einen Fixirung der Glieder- zahl früher, bei den anderen später eintreten. Es ist also aus der cykli- schen Anordnung und aus der Fixirung der Glieder kein Schlufs auf das Alter der Sippen zu machen. Wäre die Hypothese von Nägeli’s richtig, dafs jede Sippe von zahlreichen spiralig angeordneten Blüthenphyllomen ausgehen mufste, dann mülsten die Orchidaceen als einer der ältesten Monokotyledoneentypen angesehen werden, weil sie die meisten Wandlungen durchgemacht hätten; es liegt aber meiner Ansicht nach kein Grund gegen die Annahme vor, dafs in einzelnen Sippen die ceyklische Anordnung von vornherein zu Stande kam. In den meisten Sippen oder Reihen der Monokotyledoneen kam es schliefslich zu einer bestimmten Quirl- und Gliederzahl und von denjenigen, die hierzu gelangt waren, erlitten viele Umgestaltungen ihrer Blüthen durch Verkleinerung einzelner Glieder und Förderung anderer. In denjenigen Sippen, in welchen, wie bei den Pan- danales, den Glumiflorae, den Principes Windbestäubung herrschend geworden war, konnte die Ausbildung einer hochentwiekelten Corolle nicht von Werth sein und nicht Aussicht auf Vererbung haben; es konnte daher bei ihnen Die systematische Anordnung der monokotyledoneen Angiospermen. 53 nur nach anderen Richtungen hin eine Umgestaltung stattfinden, vorzugs- weise durch Reduetion der Gliederzahl, welche bei einzelnen Glumiflorae auch die äusserste Grenze erreicht hat, anderseits auch durch complicirtere Ausbildung der Blüthenstände. Bei den amphibischen Helobiae, theilweise auch noch bei den Lilüflorae und Farinosae, sehen wir Entwiekelung der Blüthen nach beiden Richtungen hin, bei hochblattartig bleibender oder verkümmernder Blüthenhülle giebt es keine weiteren Umgestaltungen, als die der Reduetion und der Gruppirung der Blüthen; wo aber die Blüthen- hülle eorollinisch wird und Inseetenbestäubung zur Regel wird, da kommt es schliefslich auch zur Zygomorphie und im Zusammenhang damit zu Reductionen, die bei den Pontederiaceae und Philydraceae schon recht weit gehen. Bei den Spathiflorae tritt naturgemäls durch die mannigfache Gestaltungsfähigkeit der Spatha die Entwickelung der Blüthen in den Hintergrund; die fortschreitende Entwickelung der Blüthenhüllen ist durch die fortschreitende Entwickelung der Spatha gehemmt; eine um so gröfsere Rolle spielt auch hier bei der Umgestaltung der Blüthen die Reduetion. Die Seitamineae und die Microspermae (Orchidaceae) überragen alle anderen Monokotyledoneen in der Entwickelung petaloider Blüthentheile, dazu kom- men Zygomorphie und Reduction, ersichtlich gefestigt durch fortdauernde Inseetenbestäubung. Trotzdem die Reihen der Monokotyledeneen ver- schiedene Entwickelungsstufen erreicht haben, so ist doch nicht die eine als die Entwiekelungssufe der anderen auzusehen; die Verbindung der Reihen unter einander ist eine viel losere, als gewöhnlich angenommen wird und kommt am besten in folgenden Zusammenstellungen zum Ausdruck. 54 Ar ENGLER: I. Übersieht über die Reihen der Monokotyledoneen nach den von ihnen durchlaufenen und erreichten Hauptstufen der Blüthen- bildung. oO o o o N “ I Fo S S © N S SQ N S S Ss S IS IS N N SR Sinn, Ester Es Sr Se = S Q S S ‘S ES S S Sy es Be SE ee a RS ET INchlamydıekeseemsen. user bee Uanfenppee) 1228 Indefinirte Stb. u. Cp. Definirte Stb. u. Cp. INDOCarpiert Auskenner In Syncarpie Bracteoide Homoiochlamydie. [ef 2 222 2 er ee Indefinirte Stb. u. Cp. Deimirte,Stb:nu: Gp.r. 2 22er Eee Apocanpiem. m 2 A eebee ln enge Episynie:ye.., Made Wesen uflese beten ee en et Anochlamydierse 2 2 es ln Indefinirte Stb. u. Cp. Definirte; Stbi.u.1Op., le | 2 | | Apocarpie SYDCAnpIERL rer nn a ae en | IHDERANUD Eee SIERERIN : Gorollinischeiklomoiochlamy.diet | SAReaken Tue re | | | Indefinirte Stb. u. Cp. DeinmienStbu Op nen lan | Ban! | | Apocarpie od. Hemiapocarpie SYULCAnPIEYA PRU NIDEE | E A een er rn | ad | Epigynie Zygomorphiefte® aan Alle 2 aa le es re len Heterochlamydien? wre je er | en Per er een Indefinirte Stb. u. Cp. DefinistenSib us Cp Pe N | ee | | | Apocarpie SYDCarpie) m en BEE En LEE =... | (7 EN Epigynie ZYE0MOrphie z:2..... 2.2020 re a Die systematische Anordnung der monokotyledoneen Angiospermen. 535 II. Übersicht über die Reihen der Monokotyledoneen nach ihren gegenseitigen Beziehungen. Glumiflorae Mierospermae Spathiflorae Farinosae Lilüflorae Seitamineae Pandanales Synanthae Principes Helobiae sascha ein dd ee A BAER alle Mr wart Ara, BE N BR Krane ara if he Kernen 5 ya Weg ._ Uber die inneren Kiemen der Batrachierlarven. II. Mittheilung. Skelet, Museulatur, Blutgefäfse, Filterapparat, respiratorische Anhänge und Athmungsbewegungen erwachsener Larven von Pelobates fuscus. Von H" FRANZ EILHARD SCHULZE. Phys. Abh. 1892. III. 1 Vorgelest in der Gesammtsitzung am 3. März 1892 [Sitzungsberichte St. XIII. S. 205]. Zum Druck eingereicht am gleichen Tage, ausgegeben am 20. September 1892. 1. Das Skelet. I. Schädel und Visceralskelet. Obwohl das Kopfskelet erwachsener Batrachierlarven schon wiederholt und am ausführlichsten wohl von W.K. Parker, an zahlreichen Repräsentanten Nr.7 des Litteraturverzeiehnisses — studirt und beschrieben ist, so kann ich hier doch nicht eine kurze, auf eigenen Untersuchungen basirte und durch Abbildungen erläuterte Darstellung des Schädels und Visceralskeletes der erwachsenen Pelobates fuscus-Larven entbehren, welche als Grundlage zu dienen hat für die folgende Beschreibung der Muskeln, Gefäfse u. s. w. des Kiemenapparates und seiner Umgebung. Es soll zunächst das continuirlich zusammenhängende Knorpelgerüst besprochen werden, welches die Gehirnkapsel und den Aufhängeapparat für das bewegliche Visceralskelet bildet. Der aus den Parachordalia') in Verbindung mit den Gehörkapseln ent- standene, das Foramen oeeipitale umschliefsende breite Oceipitaltheil des Schädelknorpels setzt sich lateral?) jederseits in einen platten horizontalen Vorsprung, das »tegmen tympani« Parker’s, fort. Holzschnitt S.5 und !) Diese wie alle folgenden derartigen Bezeichnungen sind nicht nur für gesonderte Skeletstücke, sondern auch für bestimmte Regionen des zusammenhängenden Knorpelgerüstes angewandt. ?2) Bei allen Lagebezeichnungen ist die Pelobates-Larve in ihrer natürlichen horizon- talen Lage gedacht, sodals also oben —= dorsal, unten —= ventral ist. Proximal bedeutet: der longitudinalen Körperhauptaxe genähert oder zugewandt, distal: von dieser Hauptaxe ent- fernt oder abgewandt, medial: der Median- oder Mittelebene genähert oder zugewandt, lateral: von der Medianebene nach der rechten oder linken Seite des Thieres entfernt oder abgewandt. 1 * 4 E. E. ScHuurze: Taf.I Fig.4. Nach vorne geht er unmittelbar in den aus den Trabekeln entstandenen, halbrinnenförmigen, oben offenen Orbitaltheil über, dessen flaches, ursprünglich häutiges Dach später durch die Ossa fronto-parie- talia gebildet wird. Der davor gelegene Ethmoidaltheil, dessen Basis durch mediane Verschmelzung der vorderen Trabekelenden entstanden ist, gewinnt Ähnlichkeit mit dem gedeckten Vorderende eines Kahnes dadurch, dafs die vorne und seitlich aus der Basalplatte hervorwachsenden senk- rechten Erhebungen sich oben zum »Ethmoidalring« schliefsen und ein Ge- wölbe bilden, von dessen convexer Vorderseite die schwach lateralwärts gebogenen Cornua trabeculorum vorragen. Holzschnitt S.5 und Taf. I Fig.1. Neben dieser knorpeligen, nur an der Unterseite durch das flache knöcherne Parasphenoid gedeckten und gefestigten Gehirnkapsel zieht sich jederseits der Länge nach eine (mit Parker) als Suspensorium zu be- zeichnende platte Knorpelspange in nahezu horizontaler, schwach nach vorne und abwärts geneigter Lage bis zum Unterkiefergelenke hin. Taf.I Fig. 1, 2 und 4, sowie der Holzschnitt auf S.5. Die diekste Partie derselben, welche etwas vor ihrer Mitte liegt und »Corpus suspensorii« genannt werden soll, besitzt an ihrer Unterseite zur Verbindung mit dem Gelenk- höcker des Ceratohyoids auf einer geringen Hervorragung eine ovale sattel- förmige Gelenktläche, deren Randerhebungen medial-hinten und lateral- vorne herabragen. Von diesem Corpus suspensorii gehen vier verschiedene Fortsätze ab. Zwei derselben, nämlich der mediale und der hintere, stehen in direeter Verbindung mit der knorpeligen Gehirnkapsel, während die beiden anderen, nämlich der obere und vordere, frei vorragen. Von den beiden ersteren zieht der eine, das Palato-pterygoid, in Form einer dieken Platte mit geringer Steigung quer medianwärts und verschmilzt mit der Ethmoidal- region der Gehirnkapsel, während der andere, die Lamina pterygo-tem- poralis oder kurz das Pterygo-temporale (lame pterygo-tympanique Dug£s) sich in Form einer dünnen, nach oben leicht concav gebogenen horizon- talen Platte parallel mit dem Seitenrande der Gehirnkapsel nach hinten erstreckt, und in der Nähe der Ohrkapsel, sich über die Kante etwas nach innen biegend, in die Höhe schlägt. An der Umschlagsstelle dieser hinteren Fortsetzung der Lamina pterygo- temporalis nach innen und aufwärts findet sich eine querovale Lücke (Foramen ovale Parker), durch welche eine medial-vordere, von Parker »pedicle« ge- Uber die inneren Kiemen der Batrachierlarven. h) nannte Knorpel-Parthie von einer lateral-hinteren, dem »Processus otieus« Parker’s geschieden erscheint. Die nach vorne und etwas lateralwärts schauende freie Fläche des vor der Gehörkapsel in die Höhe geschlagenen hinteren Theiles des Pterygo-temporale will ich als Regio temporalis be- zeichnen. Das Pterygo-temporale bildet mit seinem ziemlich scharfen palato-pterygoid \ corpus suspensoril ‚fronto- parretale \ | \ regio temporalis \ lig. cornu-quadr.med. e proe. orbitalis / \etumozdal / .ornu trabecul. foramen ovale\ EN adrostrale _\ —_sup7aros trale —— _lig.cornu-quadr.lat. — lig.mand.-suprarostr —— -infrarostrale \ e 'mandibulare N ® N ws pr NO lus NFZTTNN oma )- \ | condylus \ \ angulus epibranchtale % ceratohyord 4 proe. lateralis N | \ A branchiale TI. quadratum lamına r ; ‚pterygo - temporalis hranchiale Il. | dranchiale LT. branchiale IV. medialen Rande die laterale und hintere Umgrenzung jener grofsen ovalen Lücke im knorpeligen Schädelboden, welche medial durch die Seitenwand der Gehirnkapsel, vorne durch das Palato-pterygoid begrenzt, gewöhn- lich als unteres Augenhöhlenfenster, Fenestra subocularis Parker, be- zeichnet wird. Von dem lateralen Randtheile des Corpus suspensorii steigt — zunächst ziemlich senkrecht — der als Processus orbitalis (von @ötte als » Jochfortsatz «) benannte dritte Fortsatz in Form einer sagittal gestellten, an der lateralen Fläche etwas rinnenförmig ausgehöhlten, zungenförmigen Platte dicht vor der Augengegend empor, um sich alsbald über seine mediale Fläche im flachen Bogen gegen den oberen Seitenrand der Gehirnkapsel umzubiegen 6 F. E. ScHuurze: und hier mit einem abgestutzten oder schwach abgerundeten scharfem Rande zu enden. Doch bildet eine bandförmige Faserknorpelmasse, welche von Stöhr Nr. 9 S.89 und Sewertzow (Nr. 13 S. 5) bereits erwähnt ist, eine ziemlich horizontale quere Verbindungsbrücke von diesem oberen End- rande des Proc. orbit. zum Seitenrande der Gehirnkapsel. Taf. I Fig.1 rechts. Der vierte, von Duges als »tympanique«, von Parker als »Qua- dratum« bezeichnete Fortsatz des Corpus suspensorii ist gerade nach vorne (mit ganz geringer Neigung nach abwärts) gerichtet. Er zeigt an seiner oberen und etwas medianwärts gewandten Seite eine rinnenförmige Aushöhlung, welche die directe Fortsetzung der von der Oberseite des Palatopterygoids und der Innenseite des Proc. orbitalis formirten Rinne darstellt. Die innere Grenzkante jener rinnenartigen Aushöhlung setzt sich nach hinten in die vordere Kante des Palatopterygoids fort, während die nach oben gerichtete äufsere Grenzkante, im Bogen allmählich sich erhebend, in den Vorderrand des Proc. orbitalis übergeht. An dem querabgestutzten Vorderende des Quadratum, welches in seinem medialen Theile verdickt er- scheint, befindet sich die Gelenktläche für den Condylus des Mandibulare (des Meckel’schen Knorpels). Der Haupttheil dieser Gelenktläche besteht aus einer fast ebenen, nur schwach rinnenförmig ausgehöhlten Gleitfläche, welche an der Oberseite des verdiekten Medialtheiles des Quadratum gelegen, ein wenig nach vorne und medianwärts abfällt. Dieselbe setzt sich über den ey- lindrisch gerundeten Vorderrand des Quadratum auf dessen Unterseite noch in eine kleine halbkreisförmige, ziemlich ebene Fläche fort. Taf.I Fig.1l, 2 und 4 sowie der Holzschnitt auf S. 5. Mit dem distal und etwas nach abwärts gerichteten scharfen Seiten- rande des Cornu trabeculi seiner Seite ist jedes Quadratum durch zwei lange derbe Bänder verbunden, welche ich ihrer Lage nach als das lateral-vordere und medial-hintere unterscheiden will. Das erstere, Ligamentum eornu-quadratum laterale, ist sehr schmal und auf dem Querschnitte ziemlich rundlich. Es spannt sich straff zwischen der lateralen vorderen Eeke des Quadratum und der lateralen vorderen Eeke des Cornu trabeeuli derselben Seite aus und ist demnach schräge von oben- medial-vorne nach unten-lateral-hinten gerichtet. Das Lig. eornu-quadratum mediale dagegen ist seitlich eomprimirt und an beiden Enden verbreitert. Es entspringt von dem medialen Rande des Quadratum etwas hinter dessen vorderem Ende, steigt ziemlich senkrecht Uber die inneren Kiemen der Batrachierlarven. U mit einer Neigung medianwärts empor und setzt sich an den abwärts ra- genden Seitenrand des Cornu trabec. etwa in dessen Mitte an. Taf.I Fig. 4 und der Holzschnitt auf S. >». An das Vorderende jedes der beiden nach vorne zu ziemlich weit auseinanderweichenden Cornua trabeculorum ist mittelst Gelenk- und Band- fasermasse je eines der beiden Suprarostralia (rostral superieur Duges, su- pralabiale Parker, Oberkiefer + Zwischenkiefer-Knorpel Götte) beweglich angehängt. Die kleine querovale Gelenktläche findet sich auf einem etwas vorspringenden Höcker des Cornu trabee. und zeigt die schwache Convexität einer querliegenden Gylinderfläche. Die im Allgemeinen vierseitigen Suprarostralia stellen dünne, nach lateral, vorne und dorsal vorgewölbte Knorpelplatten dar, welche unter- einander in der Medianlinie dureh eine derbe Querfasernaht fest verbun- den sind und so zusammen eine von einer Seite zur andern stark gebogene, aber auch noch von oben nach unten etwas gewölbte Platte bilden, deren schräge nach vorne und abwärts gerichteter, zugeschärfter hufeisenförmiger Vorderrand den entsprechend gestalteten oberen Hornkiefer trägt, und mit dem gerade nach abwärts gerichteten etwas concaven Seitenrande fast einen rechten Winkel bildet. Der gerade Hinterrand läuft zwar dem Vorder- rande im Allgemeinen parallel, zieht sich jedoch an seinem lateralen Ende in einen horizontal nach hinten gerichteten Vorsprung aus, welcher an der Spitze eine kleine rundliche Gelenktläche zur Verbindung mit dem Adrostrale trägt. Etwa in der Mitte des Hinterrandes findet sich die etwas vertiefte querovale Gelenktläche zur Verbindung mit dem Gelenkhöcker des Cornu trabee. Die mediale Hälfte des Hinterrandes setzt sich direct in die Faser- haut fort, welche zwischen den auseinanderweichenden Cornua trabee. hori- zontal ausgespannt ist. Taf.I Fig. 1 u. 3, Holzschnitt S. 5. Das Adrostrale ist ein kleiner kegelförmiger Knorpel, welcher in horizontaler Lage nach hinten und aufsen gerichtet ist, mit der querab- gestutzten Basis auf dem erwähnten Vorsprung des Suprarostrale beweglich aufsitzt und hinten mit einer abgerundeten Spitze endet. Der Unterkiefer besteht aus vier durch straffe Faserbandmasse ziem- lich fest verbundenen Knorpelstücken, den lateralen Mandibularia oder »Meckel’schen Knorpeln« und den in der Medianebene zusammenstofsenden Infrarostralia. Taf.I Fig.3 u. 4, sowie Holzschnitt S.5. PR) F. E: SCHULZE: Das Mandibulare ist eine halbmondförmig gebogene, etwas abge- plattete Spange mit nach lateral und vorne gewandter Coneavität. Es läuft nach hinten zu in einen frei vorstehenden, hakenförmig gebogenen Fort- satz den »Angulus« aus, welcher das Vorderende des Quadratum von aulsen und unten her umgreift, während das gegenüberstehende, schräg abgestutzte Ilinterende des Körpers selbst, der Condylus, mit einer planen, nach abwärts schauenden Gelenktläche auf der entsprechenden oberen Gelenk- tläche des Quadratum schleift. Es palst also das gelenktragende, keilförmige Vorderende des Quadratum in einen \V oder sattelförmigen Aussehnitt des ver- diekten hinteren Gelenkendes des Mandibulare und wird von diesem medial und oben dureh den Condylus, lateral und unten durch den Angulus umfalst. An das schwach seitlich eomprimirte Vorderende jedes Mandibulare ist der hintere Rand des betreffenden Infrarostrale fest angeheftet. Beide Infrarostralia, deren jedes einen lateralwärts convex gebogenen Balken dar- stellt, sind an ihrem nach unten und vorne gerichteten Vorderende durch eine schmale Querfasernaht fest verbunden und bilden zusammen eine hufeisen- förmige, oder richtiger dem Oberende eines gothischen Bogens gleichende Figur. Da nun die Ebene dieses Bogens nahezu rechtwinklig zu der Ebene steht. in welcher die beiden Mandibularia liegen, so muls bei lHorizontal- stellung der letzteren der freie Rand der Infrarostralia, welcher den unteren Hornkiefer trägt, nicht sowohl nach oben als vielmehr nach vorne gerichtet sein. Um ihn aufwärts zu richten, bedarf es einer ziemlich starken Drehung der Mandibularia in ihrem hinteren Gelenke um die quere Horizontalaxe. Bei den lebenden Larven ist übrigens die scharfe schneidende Kante des unteren Hornkiefers im Ruhezustande bei halb geöffnetem Maule fast hori- zontal nach vorne gerichtet. Vom Vorderende jedes Mandibulare und von dessen Faserverbindung mit dem zugehörigen Infrarostrale zieht ein seitlich abgeplattetes kurzes Band schräg nach hinten und oben, um sich hier an den hinteren Vorsprung des Suprarostrale sowie an das mit jenem verbundene Adrostrale anzuheften. Es kann als Lig. mandibulo-suprarostrale be- zeichnet werden. Taf. I Fig. 4 und Holzsehnitt S. 5. Das Skeletgerüst des Zungenbeinbogens besteht aus drei Knorpelstücken. nämlich den beiden verhältnilsmäfsig grolsen Ceratohyoidea und dem un- paaren Basihyoid, welches sich von hinten her zwischen die Innenränder der beiden ersteren einkeilt. Taf. I Fig. 3 und 5. Alle drei Knorpelstücke bilden zusammen eine quere Brücke, welehe annähernd horizontal liegt. Uber die inneren Kiemen der Batrachierlarven. 8) Jedes Ceratohyoid, (branche oder corne styloidienne Duges, cerato- hyal Parker, Zungenbeinhorn Götte) verbreitert sich medial zu einer beil- förmigen Platte mit ebener dorsaler und ventraler Fläche, zieht sich da- gegen lateralwärts zu einer nach abwärts und etwas nach hinten herab- ragenden keilförmigen Platte mit vorderer und hinterer Fläche aus, während der Mitteltheil einen dreieckigen Querschnitt mit ziemlich gleichen Seiten und abgerundeten Ecken zeigt. Taf.I Fig. 3, 4 und 5 sowie der Holz- sehnitt 8.5. An der etwas verbreiterten Dorsalseite des lateralen Theiles befindet sich auf einem niedrigen Vorsprunge eine ovale sattelförmige Gelenktläche mit vorderer-medialer und hinterer -lateraler Randerhebung zur Verbindung mit der entsprechend geformten unteren Gelenkfläche des Corpus suspensorii. Die laterale Ecke des Üeratohyoids ist in einen lateral, unten und etwas nach hinten vorspringenden Fortsatz, den Processus lateralis, aus- gezogen, welcher kräftigen Muskeln zum Ansatze dient. Die vordere Hälfte des convexen medialen Randes ist durch eine quer- faserige Bandmasse') mit dem entsprechenden Randtheile des anderseitigen Geratohyoid verbunden, während die hintere Hälfte an den vorderen Seiten- rand des Basihyoid stöfst und sich mit demselben durch Fasermasse ver- bindet. Taf.I Fig. 3 und 5. Dieses Basihyoid (Basi-hyal Duges, Basi-branchiale Parker, Zungen- beinkörper Götte) selbst stellt eine schmale, länglich ovale, horizontal ge- legene Platte dar, von deren Unterseite sich eine verhältnifsmäfsig breite mediane Firste erhebt, welche, nach hinten zu allmählich an Höhe zunehmend, nahe dem Hinterende des ganzen Knorpels steil abfällt, und so einen nach abwärts und hinten gerichteten (zur Muskelinsertion dienenden) Vorsprung bildet, welchen ich Crista hyoidea nennen will. I. Das Kiemengerüst. Der Kiemenkorb jeder Seite besteht aus einem eontinuirlich zusammen- hängenden Knorpelgerüste, welches sich an das Basihyoid und die Cerato- hyoidea von hinten her anlegt und mit denselben durch Fasermasse fest verbindet. Taf. I Fig. 3, 4 und 5, sowie Holzschnitt 8.5. !) Parker's »basi-hyal«. Phys. Abh. 1892. III. 2 10 E. Br ScHurze: Da die als Träger der respiratorischen Fortsätze dienenden vier Kiemen- bögen jedes Kiemenkorbes, die Branchialia, nicht rein transversal gerichtet sind, sondern sich, entsprechend der hinteren Divergenz der beiden Kiemen- körbe, von medial, vorne und unten nach lateral, hinten und oben hinauf- biegen, so macht der erste Bogen den lateral-vorderen, der vierte Bogen den medial-hinteren Theil jedes Kiemenkorbes aus. Taf. I Fig. 3 und 5. Alle 4 Bögen neigen sich in ihrem vorderen und hinteren Ende zusammen, und werden hinten-oben durch eine dünne Platte, das Epibranchiale, vorne-unten durch ein derberes Knorpelstück, das Hypobranchiale (piece thyroidienne de I’hyoide Duges, hyobranchiale Parker), verbunden. Während die Continuität der Knorpelmasse zwischen den 4 Branchialia und dem Epibranchiale leicht zu eonstatiren und auch allseitig anerkannt ist, bestehen Differenzen zwischen den Autoren über die Art der Verbindung zwischen den einzelnen Kiemenbögen und dem Hypobranchiale. Nach Rathke (Nr. 2 Taf. IV Fig. 4) sind alle 4 Branchialia nieht mit dem Hypobranchiale verschmolzen, sondern stützen sich nur gegen dasselbe. Götte schreibt (Nr. 8 S. 679): »Die zwei ersten Knorpelplatten artikuliren am Zungenbeinkörper, die zwei folgenden verschmelzen alsbald mit dem- selben und unter einander zu einer einzigen, von der kleinen dritten Kiemen- spalte durchbrochenen Platte. (Taf. XVII Fig. 332).« In den Zeichnungen Parker’s (Nr. 7 Pl. VIL Fig. 3 und 5) erscheinen dagegen bei Rana tempo- raria gerade die beiden ersten Branchialia mit dem Hypobranchiale fest verbunden, die beiden letzten, der dritte und vierte, aber ohne Verbindung mit demselben, frei endigend. Naue spricht sich (Nr. 12 S. 139) folgender- mafsen aus: »Es ist der zweite, dritte und vierte Bogen dem Zungen- beine durch Bindegewebe angeheftet: beim ersten dagegen ist der Knorpel fest mit demjenigen des Zungenbeines verwachsen.« Diese Angabe Naue's trifft nach meiner Erfahrung für den gröfseren Abschnitt der hier in Be- tracht gezogenen Entwickelungsperiode der Pelobates-Larven zu, gilt jedoch nicht für den vollen Reifezustand derselben dieht vor der Metamorphose, in welcher Zeit ich alle 4 Branchialia mit dem Hypobranchiale continuir- lich durch Knorpelgewebe verbunden finde. Naue hat ferner zuerst auf eine direete Querverbindung zwischen den Vorderenden des zweiten und dritten Branchiale aufmerksam gemacht, welche ich bestätigen kann. Doch besteht aulserdem noch dieht hinter dem Vorderende eine andere bisher nicht beachtete Querverbindung zwischen Uber die inneren Kiemen der Batrachierlarven. jal diesen beiden Bögen in Gestalt eines ventral vorspringenden Bügels, welchen ich Processus branchialis nennen will. Taf. I Fig. 3. Die dünne obere-hintere Verbindungsplatte der Branchialia, das »Epi- branchiale«, ist medianwärts schwach eingerollt und setzt sich nach hinten in einen kurzen zungenförmigen Fortsatz fort. Alle Branchialia stimmen darin überein, dafs ihre distale Kante, welche die respiratorischen Fortsätze trägt, durch eine Reihe knotenförmiger Ver- diekungen oder kleiner Vorsprünge ausgezeichnet ist, welche den einzelnen Kiemenbäumcehen entsprechen. Das Branchiale I stellt in seinem (mittleren) Haupttheile eine dünne flach gewölbte Platte mit äufserer-vorderer CGonvexität dar, deren ver- dünnter Oberrand etwas medianwärts eingebogen ist, während der eben- falls zugeschärfte ventrale Rand ziemlich gerade nach abwärts gerichtet ist. Nach vorne zu verschmälert sich die Platte, biegt in der Nähe des Üerato- hyoids fast rechtwinkelig medianwärts um, und geht schliefslich in Form eines platten horizontalen Balkens direet in das Hypobranchiale über. Taf. I 3 und 4 sowie Holzscehnitt S. 5. Das Branchiale II hat nicht sowohl die Gestalt einer Platte als viel- mehr eines Balkens mit dreieckigem, schief keilförmigen oder richtiger kommaförmigen Querschnitte. Aufser der dorsalen und der stark zuge- schärften ventralen Kante findet sieh nämlich an ihm noch eine dritte Längskante, welche lateral in der Nähe der Dorsalkante liegt. Die breite Medialfläche ist schwach rinnenförmig ausgehöhlt. Nach hinten zu wan- delt sich der dreikantige Haupttheil allmählich in eine flache Platte mit einfachem medialen und lateralen Rande um, welche sieh dorsalwärts aufbiegt und unmittelbar in das Epibranchiale übergeht. In der Nähe des Vorderendes zweigt sich von der Ventralseite der zur Bildung des Pro- cessus branchialis beitragende Fortsatz ab. Das abgeplattete Vorderende selbst biegt sich über seine mediale Kante medianwärts um und verbindet sich mit dem ihm entgegenkommenden, lateralwärts umgebogenen Vorder- ende des Branchiale III zu einer Platte, welehe sich von hinten und unten her an den Hinterrand des Hypobranchiale anlegt, um schliefslich mit demselben zu verschmelzen. Das Branchiale III gleicht spiegelbildlich dem Branchiale II. Sein zu- geschärfter Ventralrand umschliefst zusammen mit dem gegenüberstehenden entsprechenden Rande des Branchiale II die mittlere Kiemenspalte. )%* 2 R. Be Sicknuirzn: Das Branchiale IV endlich hat ähnlich dem Branchiale I die Gestalt einer breiten löffelförmig gewölbten Platte, deren Convexität sich nach hinten und medial riehtet, deren verschmälertes Vorderende in die Hypo- branchialplatte, deren aufwärts gebogenes Hinterende dagegen in das Epibranchiale übergeht. Taf. I Fig. 3, 4 und 5, sowie der Holzsehnitt auf S.9. Das Hypobranchiale besteht jederseits aus einer derben horizontal ge- legenen Platte, deren Vorderrand sich mit einer medialen schrägen Ab- stutzung gegen das davorliegende Basihyoid stemmt, und im lateralen Theile die Gelenkfläche zur Verbindung mit dem hinteren Vorsprunge des Cerato- hyoids trägt. Ihr gerader medialer Rand stöfst mit dem entsprechenden Rande des Hypobranchiale der anderen Seite in der Medianebene zusammen und ist mit demselben durch Fasernaht verbunden. Der hintere Rand, an welchen sich von hinten und unten her die drei letzten Branchialia anfügen, setzt sich dorsal in eine die Kiemenhöhle von vorne her etwas überdeckende schmale horizontale Leiste fort, von deren zugeschärftem freien Hinterrande drei fingerförmige Fortsätze in gleichem Abstande von einander und in horizontaler Richtung gerade nach hinten vorragen. In die Reihe dieser von Parker als Ceratobranchialia bezeiehneten Knorpelstäbe, welche, selbständig angelegt, erst spät mit dem Hypobranchiale verwachsen, gehört übrigens noch ein vierter vom Vorder- theile des Branchiale I entspringender. Von diesen 4 Ceratobranchialia, welche sämmtlich zur Stütze und Festigung der »vorderen Kiemendeckplatte« dienen, zeichnet sieh einer, nämlich der am weitesten medial über dem Branchiale IV gelegene durch eine knieförmige Biegung und eine Endtheilung in drei divergirende Äste aus, während die übrigen einfache grade Stäbe darstellen. Taf. I Fig. 5. Die Verbindung des ganzen Kiemengerüstes mit den benachbarten Fest- theilen und übrigen Organen geschieht, abgesehen von der auf die Mund- rachenhöhlenwand sich fortsetzenden Schleimhaut und der später noch aus- führlich zu besprechenden Museulatur durch Bandmasse und lockeres Binde- gewebe. Zwischen die schräge abgestutzen vorderen medialen Eeken der beiden Hypobranchialia schiebt sich von vorne her mit keilförmig zugeschnittenem Uber die inneren Kiemen der Batrachierlarven. 13 Hinterende das Basihyoid unter fester Nahtverbindung ein; und jedes Ueratohyoid legt sich mit seinem hinteren abgerundeten Vorsprunge auf eine flache grubenartige Vertiefung in der Mitte des Vorderrandes des entsprechenden Hypobranchiale. Zwischen dem Hinterrande des lateralen Theiles des Ceratohyoids und «dem Vorderrande des Branchiale I beginnt dagegen eine membranöse Verbindung, die sich lateral in jene Membran fortsetzt, welche sich senkrecht ausspannt zwischen dem lateralen Rande des Branchiale I und Epibranchiale einerseits und dem darüber gelegenen Theile des Suspensoriums andererseits. Die convexe Distaltläche des Bran- chiale I ist von der äufseren Körperhaut durch einen breiten Lymphsack geschieden. Dagegen ist die Medialfläche des Branchiale IV mit dem Herz- beutel, dem Kehlkopfe und der Lungenwurzel direct und fest verbunden. Hieraus ergibt sich für die Beweglichkeit des Kiemengerüstes im all- gemeinen, dafs sein Vorderrand, und zwar besonders dessen medialer Theil, den Bewegungen des Hyoidbogens folgen mufs, dafs dagegen der laterale obere Rand selbständig und frei beweglich ist, während wiederum der dureh das Branchiale IV gebildete, nach hinten und medianwärts gerich- tete Rand jedes Kiemenkorbes von dem Herzbeutel, dem Kehlkopfe und den Lungenwurzeln festgehalten wird. 2. Die Musculatur. I. Lippenmuskeln. 1. M. mandibulo-labialis , ml. Die Lippenmuseulatur besteht jederseits nur aus einer nach der Fläche gebogenen dreiseitigen Muskelfaserplatte, deren schmales Hinterende an der Medialseite des Mandibulare strangförmig entspringt. Von da breiten sich die Fasern fächerartig nach vorne zu unter der Lippenhaut aus, um an dem Lippenrande zwischen den Randpapillen und der dahinter lie- genden Stiftzähnchenreihe (mit einzelnen Fasern auch vor der letzteren) zu enden. Die von dem vordersten Theile der hinteren Ursprungstläche ent- springenden Fasern bilden den medialen Randtheil des Muskels und ziehen 14 E. BE. ScHuuze; ohne erhebliche Biegung nach vorne und medianwärts bis nahe zur Median- ebene, während die dahinter entspringenden Fasern den mittleren Theil der Muskelplatte ausmachen und, sich um den Unterrand des Mandibulare herumschlagend, gerade nach vorne ziehen. Die vom hinteren Theile der Ursprungstläche ausgehenden, am lateralen Rande des Muskels gelegenen Fasern gehen am Mundwinkel vorbei nach aufwärts und enden in dem lateralen Randtheile der Oberlippe. Taf. I Fig. 12—19. Über die distale Fläche des Muskels läuft transversal eine binde- gewebige Fasernaht hin, durch welche sämmtliche Muskelfasern etwa in ihrer Mitte mit dem Scheitel jener tief eingreifenden Hautfalte eng ver- bunden sind, welehe den unteren und lateralen Theil des Lippentrichters von der hinteren Umgebung abgrenzt. Taf. II Fig. 11,12 und 13. Hierdureh erhält der hintere Theil des Muskels einen besonderen An- satz, der vordere dagegen eine eigene Ursprungslinie an dem Hinterrande der Lippenhaut, was bei der Beurtheilung der Function nicht aufser Acht zu lassen ist. Da nämlich bei jeder Contraction der hinteren Hälfte des Muskels die erwähnte Hautfalte und somit auch die Lippe als Ganzes stark nach hinten und etwas proximalwärts gezogen wird, so wird hierdurch der aus den beiden Hornkiefern gebildete Schnabel, besonders aber der untere Hornkiefer von dem umgebenden Lippenwulste ent- blöfst und kann freier hervortreten. Nur die dorsale mittlere Parthie des ganzen Lippentrichters wird hiervon nieht betroffen. Durch Con- traction des ganzen Muskels und speciell seiner vorderen, von der er- wähnten Verbindungsnaht bis zum Lippenrande reichenden Hälfte wird dagegen zunächst nur der Vorderrand der Unterlippe und der laterale Theil der Oberlippe stark nach hinten und etwas proximalwärts gegen den im Scheitel der Ringfalte gelegenen Hinterrand der Lippenhaut ge- zogen, während der hintere Theil des ganzen Lippentrichters hiervon nicht direet betroffen wird. Dies hat zur Folge, dafs der mit dem Muskel ver- bundene Theil des vorderen Lippenrandes nach hinten umgeschlagen und somit der ganze Lippentrichter vorne stark erweitert wird. Damit ist aber nieht nur eine Vergröfserung der Mundöffnung, sondern auch eine starke Auswärtsbiegung der in Querreihen geordneten und mit eingekrümmten Hakenenden versehenen Stiftzähnchen verbunden; was für das Ergreifen der Beute und das Abschaben ebener Flächen von wesent- licher Bedeutung sein muls. Uber die inneren Kiemen der Batrachierlarven. 15 Von den 5 Paar Lippenmuskeln, welche Martin St.-Ange!') in seiner Fig. 3 Pl. 27 abgebildet hat, sind nur die daselbst mit 4 und 5 bezeichneten mit dem M. mandibulo-labialis identisch; die übrigen existiren nicht. Auch Dug&s?) beschreibt und zeichnet aufser den von ihm als M. »ad- rostro-labial« bezeichneten M. mandibulo-labialis noch einen M. »rostro labial« 1. ce. Fig. 810, welcher von der Oberfläche des Rostrale nahe dessen Hornkieferscheide entspringen und mit seinen gerade nach vorne ziehenden Fasern sich an die Stiftzähncehenreihen der Oberlippe und Unterlippe in- seriren soll. Nach Duges’ Angabe würde dieser Muskel die Lippen gegen das Centrum ziehen, demnach die Oberlippe senken und die Unterlippe aufziehen. Auch dieser Muskel existirt nicht. Götte‘) hat den zum Rande der Oberlippe ziehenden Theil des M. man- dibulo-labialis als einen besonderen Muskel beschrieben und M. constrietor labii superioris genannt. Er soll den Rand der Oberlippe »heben und stärker krümmen«, wie »der untere Lippenmuskel die Unterlippe krümmt«. Eine solche Trennung des zum Öberlippenrande ziehenden Theiles des M. mandibulo-labialis von dem an den Rand der Unterlippe inserirenden Theile ist aber durch keine Lücke oder Spalte angedeutet, und daher auch nicht gerechtfertigt. II. Kiefermuskeln. 2. M. submentalis, smt. Als ein kleiner halbmondförmiger, offenbar erst in der Ausbildung be- griffener Muskel spannt sich der M. submentalis quer zwischen den Vorder- enden der beiden Mandibularia aus. Seine kleine laterale Ursprungsfläche liegt jederseits medial vor derjenigen des M. mandibulo-labialis. Während sich seine vordersten Fasern dieht an den concaven Hinterrand der ver- bundenen Infrarostralia anschmiegen, nimmt die nach unten und etwas nach hinten gerichtete Convexität der übrigen Fasern nach hinten allmäh- lich zu. Taf. II Fig. 13, smt. Der Muskel wird’ daher bei seiner Zusammenziehung die überliegenden Weichtheile, speciell die Zunge, heben, und sodann die Vorderenden beider t) Ann. Sc. nat. T. 24. 1831. 2) Rech. s. l’osteol. et myol. des Batraciens. 1335. p. 144. Pl. XII Fig. 81. ®) Entwickelungsgeschichte der Unke. 1875. p. 651. 16 EB. EB. Schuvze: Mandibularia medianwärts zusammenziehen, wobei der von den verbunde- nen Infrarostralia gebildete Winkel verkleinert werden muls. Duges hat Nr.3 S.145 die Ansicht geäufsert, dafs sein erst in der vierten Larvenperiode ansehnlich hervortretender und von ihm erkannter M. sous-mentonnier aus den umgewandelten, in der Mitte zur Verschmel- zung gelangenden MM. adrostro-labiaux entstehe, welche Vorstellung jedoch schon Götte, Nr.8 S.687 Anmerkung, mit Recht zurückgewiesen hat. 3. M. submasillaris, sm. Der mit einer medianen sehnigen Raphe versehene M. submaxillaris stellt eine nach unten und hinten vorgewölbte Platte dar, deren im Allge- meinen transversal gerichtete Fasern von der medianen Naht aus jeder- seits lateralwärts convergiren, um sich an der Vorderseite des Condylus artic. mandibulae in einer kurzen schmalen transversal gerichteten Zone anzusetzen. Dadurch, dafs sich die vorderen Muskelfasern zum medialen Ende dieser linearen Ansatzfläche, die hinteren dagegen zu dem lateralen Ende derselben begeben, wird der Vorderrand der Muskelplatte nicht un- erheblich kürzer als der mit der Convexität nach hinten gerichtete Hinter- rand. Taf.I Fig.7, 8,9 und Taf.II Fig. 12, sm. Während der M. submaxillaris einerseits mit dem durch die Infrarostra- lia gebildeten Kinnwinkel, ferner mit dem hinteren Theile jedes M. mandibulo- labialis, dem M. submentalis und den beiden MM. genio-hypobranchiales durch sulziges Bindegewebe verbunden ist, wird andererseits der gröfste Theil seiner ventralen Fläche durch subeutane Lymphsäcke von der Körperhaut getrennt. Da der M. submaxillaris eine nach unten und hinten ausgebauchte Platte darstellt, deren verschmälerte Seitenenden an ziemlich festen Punkten ent- springen, so wird seine Leistung im Ganzen darin bestehen, die vor und über ihm gelegenen beweglichen Theile, also den vorderen Mundhöhlen- boden sammt Kinn und Unterlippe zu heben, oder genauer nach oben und vorne zu drängen. 4. M. genio-hypobranchialis, gh. (M. genio-hyoidien Duges und genio-hoideus Götte.) An der Unterseite jedes Hypobranchiale entspringt vor und median- wärts neben dem Processus branchialis je ein langer, schmaler, dorso-ventral abgeplatteter Muskel, welcher in horizontaler Richtung nach vorne zieht und Uber die inneren Kiemen der Batrachierlarven. 17 sich an den Hinterrand des Infrarostrale seiner Seite nahe der Medianebene ansetzt. Taf. I. Fig. 10 und Taf.I. Fig. 12 u. 13 g4. Der vordere Theil dieses Muskelpaares wird durch den M. submentalis und den M. submaxillaris von unten her bedeckt, der hintere, unmittelbar unter der breiten Platte des Ceratohyoids gelegene Theil in ähnlicher Weise vom M. subhyoideus quer gekreuzt und theilweise auch von unten her bedeckt. Taf. II. Fig. 12. Wenn das Hypobranchiale fixirt ist, wird der M. genio-hypobranchialis den Kinnwinkel des Unterkiefers nach hinten zu ziehen streben, und da dies mit Erfolg nur bei einer Drehung des letzteren nach abwärts geschehen kann, so muls das Vorderende des Unterkiefers im Bogen nach abwärts und hinten geführt werden. Mit dieser Abwärtsbewegung des Unterkiefers wird aber zugleich auch durch Vermittlung des Lig. mandibulo-suprarostrale ein Heben des vorderen Oberkieferrandes erfolgen. Da sich nämlich jenes vom Vorder- ende des Mandibulare nach oben und hinten aufsteigende Band an das Suprarostrale hinter dessen transversaler Drehaxe befestigt, so mufs beim Herabgehen des Unterkiefers auch der hinter der Drehaxe des Suprarostrale liegende Theil desselben herabgezogen werden, der vordere also hinauf- gehen. Der M. genio-hypobranchialis dient demnach zweifellos zum Öffnen des Maules. Geringfügiger wird die Wirkung des Muskels auf die Bewegung seines hinteren Ansatzpunktes bei fixirtem Vorderende sein, da das Hypo- branchiale an einer ausgiebigen Lageveränderung in der Richtung gerade nach vorne durch den vorliegenden Zungenbeinbogen etwas behindert ist. Doch dürfte immerhin eine distale, nach vorne und abwärts gerichtete Verschie- bung der keineswegs ganz horizontal liegenden, vielmehr (besonders bei gehobenem Mitteltheile des Hyoidbogens) schräge nach vorne und oben emporsteigenden Hypobranchialia erfolgen. Hierdurch würde dann eine Er- weiterung des hinter dem Zungenbeinbogen gelegenen Theiles der Rachen- höhle erzielt werden. Endlich kann der M. genio-hypobranchialis zum Heben des herab- gedrängten Mitteltheiles des Hyoidbogens mithelfen, falls seine beiden End- punkte fixirt und der Kinnwinkel gehoben ist, da der Muskel dann in einem nach abwärts convexem Bogen unter dem breiten medialen Theile des Ceratohyoids hinzieht. Zu den Herabziehern des Unterkiefers gehören ferner drei dicht zu- sammenliegende, von Duges als »tympano-angulaire« zusammengefalste Muskeln, welche vom Ceratohyoid und Suspensorium in der Nähe des Ge- Phys. Abh. 1892. III. 3 18 E. Br Scmunze: lenkes entspringen und sich an den unteren Gelenkhöcker — Angulus — des Unterkiefers befestigen. Von diesen liegt am weitesten lateral der >. M. ceratohyo-angularis, cha. Dieser Muskel entspringt von einem lateralen Höcker des ÜCeratohyoids dieht unterhalb der Gelenktläche und setzt sich an den lateral und ab- wärts vorragenden Theil des Angulus mandibulae an. Das von hinten nach vorne schwach aufsteigende Faserbündel zeigt eine Torsion um die Längsaxe, indem diejenigen Fasern, welche hinten den unteren Rand bilden, sich lateral spiralig so nach oben herumlegen, dafs sie in dem vorderen Theile des Muskels dessen oberen Rand ausmachen, während jene Fasern, welche hinten den Oberrand darstellen, sich an der medialen Seite spiralig nach vorne und abwärts biegen. Taf. II Fig. 12 und 14 cha. Da der Ansatz sich am herabragenden Angulus mandibulae unterhalb der Drehungsaxe des Unterkiefergelenkes befindet, so wird letzterer bei der Contraetion des Muskels nach hinten gezogen, und dabei der vordere Theil des in diesem Falle als Winkelhebel zu betrachtenden Unterkiefers gesenkt werden. 6. M. suspensorio-angularis, sa. Von der lateralen Parthie der unteren Fläche des Corpus suspensorii unmittelbar unter dem Vorsprunge des Processus orbitalis entspringt ein platter, lanzettförmiger Muskel, welcher in horizontaler Richtung gerade nach vorne zieht und sich an den hinteren Rand des Angulus mandibulae mit einer schmalen, strangförmigen Sehne ansetzt. Taf. II Fig. 14 und 15 sa. Wie der vorige Muskel, so wirkt auch dieser als Herabzieher des vor- deren Unterkiefertheiles, also als Öffner des Maules. 1. M. quadrato-angularis, qa. Von dem hinteren Theile der Unterseite der Pars quadrata des Suspen- soriums entspringt ein hinten platter, nach vorne zu eylindrisch werdender Muskel, welcher der Unterseite der Pars quadrata dieht anliegend neben dem M. suspensorio-angularis und zwar an dessen medialer Seite horizontal nach vorne zieht und sich an den hinteren Vorsprung des Angulus mandi- bulae breit ansetzt. Da er den Angulus gerade nach hinten zieht, wirkt Uber die inneren Kiemen der Batrachierlarven. 19 er gleich den beiden vorigen Muskeln als Senker des Kinnwinkels. Taf. II Fig. 12, 14 und 15 ga. Den eben beschriebenen Herabziehern des Unterkiefers steht an der dorsalen Seite des Suspensoriums eine Gruppe von 3 Hebern des Unter- kiefers gegenüber, zu welchen noch ein Herabzieher des Suprarostrale hinzukommt. Diese den früheren Untersuchern, speciell Duges und Götte, zwar schon bekannten, aber von ihnen verschieden benannten »Kaumuskeln « erstrecken sich in nahezu horizontaler Richtung von der Regio temporalis bis zur Mundöfinung und führen zusammen das Schliefsen der letzteren aus. Der kräftigste und wegen seiner oberflächlichen Lage bei der Prä- paration am meisten in die Augen fallende ist der 8. M. temporalis Götte, t. (Masseter Duges), welcher mit einer halbmondförmigen Ursprungsfläche am hinteren, zur Regio temporalis sich hinaufwölbenden Theile der Lamina pterygotemporalis ent- springt. Die Fasern ziehen etwas convergirend medial vom Processus or- bitalis horizontal nach vorne und gehen schliefslich in eine derbe Sehne über, welche sich an das vordere Ende des oberen Randes des Mandibu- lare dicht hinter dem Infrarostrale ansetzt. Die ovale Insertionsfläche liegt etwas lateral von der oberen Firste des Mandibulare. Taf. II Fig. 14 und 15 £. Wenn der Unterkiefer tief herabgezogen ist, so mufs das vordere Ende des Muskels nach abwärts gekrümmt sein und seine Wirkung be- steht dann wesentlich in einem Aufwärtsziehen des Vordertheiles des Man- dibulare, wobei die anfangs ziemlich gerade nach vorne gerichtete Schneide des unteren Hornkiefers beim Hinaufgehen schabend wirken mulfs. Steht aber der Unterkiefer beim Beginne der Muskelcontraction schon horizontal, so wird dessen Vorderende nach hinten gezogen, und es stellt sich die Schneide des unteren Hornkiefers mehr senkrecht, so dafs sie im Vereine mit der herabragenden Schneide des oberen Hornkiefers scheerenartig schneidend wirken kann. 9. M. sublemporalis, st. (Crotaphite Duges, retrahens maxillae superioris Götte.) Unmittelbar unter dem M. temporalis und von demselben gedeckt liegt der platte M. subtemporalis. Seine nach vorne schwach convergirenden Fasern entspringen hinten von der medial und aufwärts gebogenen hinteren 3* 20 F. E. Scuvurze: medialen Ursprungsparthie der Lamina pterygo-temporalis, besonders von dem sog. Pediele Parker’s. Das verschmälerte und in eine ziemlich lange dünne Sehne auslaufende Vorderende schlägt sich lateral um das ver- schmälerte Vorderende des M. temporalis nach vorne und aufwärts und setzt sich an die laterale Fläche des Suprarostrale nahe dessen unterem Rande an. Taf. II Fig. 14 st. Sonach zieht dieser Muskel den Seitenrand des Suprarostrale nach hinten, wodurch eine kreisförmige Drehung des ganzen Oberkiefers nach abwärts und hinten um die transversale, durch das Verbindungsgelenk zwischen Cornu trabeculi und Suprarostrale gehende Gelenkaxe erzielt wird. Da sich nun der hintere, das Adrostrale tragende Vorsprung des Suprarostrale unterhalb jener Drehungsaxe befindet, also bei der durch den M. subtemporalis bewirkten Drehung des Suprarostrale nach hinten und aufwärts bewegen mufs, so wird gleichzeitig durch das oben erwähnte Lig. mandibulo-suprarostrale auch der Unterkiefer in die Höhe gezogen, also das Maul geschlossen. Duges hat das Verhältnifs etwas anders auf- gefafst, nämlich so, als ob die Sehne des Subtemporalis sich theile und den einen Zipfel am Suprarostrale, den anderen am Mandibulare inseriren liefse; was ja die gleiche Wirkung haben würde. Dabei mufs auch, wie schon Götte hervorgehoben hat (l. ce. p. 653), die im Ruhezustande trichter- förmige Lippenöffnung zu einer transversalen Spalte verengt werden. 10. M. pterygoideus Duges, pt. Vom oberen medialen Theile der Regio temporalis entspringt ein kräf- tiger Muskelbauch, welcher an der medialen Seite des M. temporalis frei vorliegt, sich aber nach vorne zu unter diesen letzteren Muskel schiebt und alsbald in eine Sehnenplatte übergeht, deren bandartiges Vorderende bis zu dem Condylus mandibulae nach vorne zieht und sich an dessen Gipfel anheftet. Taf. II Fig.14 pt. Lateral neben der Sehne dieses kräftigen Unterkieferhebers liegt der 11. Masseter Götte, m. ein kurzer, konischer Muskel, welcher von der medialen Seite der Basis des Processus orbitalis und von der benachbarten Parthie der Oberseite des Corpus suspensorii entspringt und sich mit einer kurzen Sehne unmittelbar Uber die inneren Kiemen der Batrachierlarven. 2] lateral neben der Insertion des Pterygoideus an den Condylus mandibulae ansetzt. Taf. I Fig. 14 und 15 m. Dass der Masseter ebenso wie der Pterygoideus als Heber des Unter- kiefers wirkt, kann nicht zweifelhaft sein. UI. Zungenbeinmuskeln. Von den zur Bewegung des Zungenbeines (Ceratohyoids) dienenden Muskeln beschreibe ich zuerst den 12. M. orbito- hyoideus, oh. (Orbito- hyoidien Duges.) Der kräftige M. orbito-hyoideus entspringt an der oberen Hälfte der schwach rinnenförmig ausgehöhlten lateralen Fläche des Processus orbitalis, zieht als ein etwas ausgebauchtes im Wesentlichen parallelfaseriges Faser- bündel schräge nach abwärts und etwas nach hinten, um sich an den lateral und rückwärts vorragenden Processus lateralis des Ceratohyoids anzusetzen. Er deckt dabei nicht nur die laterale Fläche des Processus orbitalis und das Gelenk zwischen Corpus suspensorii und Ceratohyoid, sondern auch die laterale Kante des Ceratohyoids. Taf. II Fig. 14 und 15 oh. Indem dieser Muskel den Processus lateralis des Öeratohyoids nach oben und etwas nach vorne zieht, bedingt er eine Senkung und geringe Rückwärtsbewegung des breiten medialen Theiles des Ceratohyoids und damit des Bodens der Mundrachenhöhle. 135. M. suspensorio- hyoideus, sh. Eine bisher überhaupt noch nicht beschriebene, in sagittaler Ebene fächer- artig ausgebreitete, kleine, dünne Platte von Muskelfasern liegt, von dem Or- bitohyoideus theilweise gedeckt, hinter und medial von dessen unterem Ende. Die Fasern entspringen von der lateralen Randparthie der Unterseite des Corpus suspensorii und des dieht hinter dem Corpus suspensorii folgenden Theiles des Suspensoriums. Sie convergiren nach abwärts und heften sich an die hintere Ecke des Processus lateralis des Ceratohyoids an. Der ganze vordere Theil dieses Muskels wird lateral gedeckt von dem hinteren unteren Theile des M. orbitohyoideus. Taf. II Fig. 14 und 15 s. Der M. sus- 22, F. E. Scaurze: pensorio-hyoideus wirkt ähnlich wie der orbito-hyoideus, zieht jedoch den Processus lateralis des Ceratohyoids etwas mehr nach hinten und oben als jener, wodurch eine geringe Drehung des ganzen Ceratohyoids um die Transversalaxe und damit eine beträchtlichere Senkung des vorderen Theiles der breiten medialen Platte des Ceratohyoids erfolgt. 14. M. subhyoideus, sh; (sous-hyoidien Duges). Unter den beiden durch bewegliche mediane Naht verbundenen Cerato- hyoidea spannt sich in rein transversaler Richtung der unpaare, jedoch eine mediane Inseription zeigende M. subhyoideus aus. Die lateralen Enden dieses platten bandförmigen Muskels sind an dem nach abwärts vorragenden Processus lateralis jedes Ceratohyoids befestigt. Taf. I Fig. 7 und 8; Taf. I Fig. 12 sA. Es werden daher bei der Contraction des Muskels beide Processus laterales medianwärts gegeneinander gezogen, und dabei die mit den letzteren einen Winkelhebel bildenden, im Ruhe- zustande horizontal gelegenen, medial verbreiterten Hauptplatten der Cerato- hyoidea gehoben. Das Abheben der medialen Parthie der Ceratohyoidea von dem sich straff spannenden unterliegenden Muskel wird ermöglicht durch die lockere Verbindung beider Theile, zwischen welchen ja auch die longitudinal verlaufenden Mm. genio-hypobranchiales hindurchziehen. Von den zur Bewegung des Kiemenkorbes und seiner einzelnen Theile bestimmten Muskeln ist bereits einer, nämlich der M. genio-hypobranchialis oben S. 16 bei der Schilderung der Kiefermusculatur näher besprochen worden. Es sollen jetzt zunächst die übrigen Muskeln beschrieben werden, welche von benachbarten Skelettheilen an das knorpelige Kiemengerüst herantreten. Sodann werde ich die zwischen den einzelnen Theilen des Kiemenkorbes sich ausspannenden und darauf diejenigen Muskeln be- schreiben, welche zur Bewegung des äufseren Kiemensackes, das heisst der die äufsere Kiemenhöhle (Peribranchialhöhle) umschliefsenden Haut, dienen. Endlich werde ich auch noch einige Muskeln berücksichtigen, welche zwar nicht in direeter Verbindung mit dem Kiemenkorbe stehen, aber doch in dessen Nachbarschaft liegen. Uber die inneren Kiemen der Batrachierlarven. 23 IV. Kiemenmuskeln. 15. MM. levatores arcuwum branchialium I—IV, lab I—IV. (M. masto- branchial Duges.) Als Heber des Kiemengerüstes beschreibt Duges (l. e. p. 149) unter der Bezeichnung »Masto-branchial« einen dünnen, membranösen Muskel, welcher »n@ de la region mastoidienne du ceräne, s’epanouit en descen- dant sur tout le cöte externe posterieur de l’appareil branchial«; während Götte (l. e. p. 670 und 671) von drei »oberen Kiemenöffnern« spricht, welche zusammen dem Masto-branchial Duges entsprechen. Ich finde vier Kiemenbogenheber, welche sich sowohl durch deutliche Spalten als auch durch verschiedenen Ansatz an den einzelnen Kiemenbögen von einander unterscheiden. Es sind dünne Muskelfaserplatten, welche hintereinander in einer Reihe an der Unterseite der Lamina pterygo-tempo- ralis nahe deren lateralem Rande entspringen. An sie schliefst sich hinten noch der zu derselben Reihe gehörige, später zu besprechende M. levator pharyngis oder Tympano-pharyngealis an. Taf. I Fig. 15, 16 und 17 ab I—IV. Der vorderste dieser vier Kiemenbogenheber, der Levator I, liegt ge- rade unterhalb des Auges. Er stellt eine rhombische Platte dar, deren parallele Fasern nach abwärts und etwas nach vorne geriehtet sind. Häufig markirt sieh an seinem Vorderrande ein durch besonders schräge Lage ausgezeichnetes Faserbündel. Taf. I Fig. 15 und 16 /ab I. Seine untere Anheftung erfolgt in horizontaler Linie an der oberen Parthie der lateralen Fläche des (schräge von hinten. oben und lateral nach vorne unten und medial gerichteten) Branchiale I bei dessen Über- gang in das Epibranchiale. Er zieht den lateralen Theil des Branchiale I nach oben, kann also diesen Kiemenbogen von dem zweiten entfernen, falls der letztere anderweitig fixirt ist. Jedenfalls dient er als Heber des vorderen lateralen Theiles des Kiemenkorbes. Man darf ihn daher mit gleichem Rechte als »Kiemenbogenheber« wie (mit Götte) als »Kiemen- öffner« bezeichnen. Der gleichfalls eine dünne, rhombische, parallelfaserige Platte dar- stellende Levator I folgt in seiner oberen Ursprungslinie unmittelbar auf den vorigen, entfernt sich aber durch etwas steilere Richtung seiner Fasern nach abwärts allmählich von dessen Hinterrande, so dafs eine nach unten sich erweiternde Spalte zwischen beiden bleibt, durch welche die erste 24 F. E. Scenurze: Kiemenvene nach innen tritt. Mit seinem unteren, nach vorne zu etwas absteigenden Rande setzt er sich gerade oberhalb des zweiten Kiemen- bogens an die Lateralfläche des Epibranchiale an. Taf. I Fig.15 und 16 lab I. Durch Emporziehen des schräge liegenden zweiten Kiemenbogens kann er zur Öffnung der zweiten Kiemenspalte beitragen, falls der dritte Kiemen- bogen fixirt ist. Wichtiger aber wird seine Function als Heber des lateralen Theiles des ganzen Kiemenkorbes sein. Wie der Levator I vom Levator II, so ist auch der letztere vom Levator III durch eine Spalte getrennt, welche aber oben breit ist und nach unten zu spitz ausläuft. Die beim Ursprung am Tegmen tympani noch zusammenhängende Faserplatte des Levator III spaltet sich nach ab- wärts in zwei Zipfel, deren vorderer sich nahe dem Hinterrande des Levator II mit diesem letzteren oberhalb des zweiten Kiemenbogens an das Epibranchiale inserirt, während der hintere Zipfel mehr senkrecht herab- zieht und sich oberhalb des dritten Kiemenbogens an das Epibranchiale anheftet. Eine zwischen den beiden auseinander weichenden Zipfeln des Levator III bleibende Lücke wird von der zweiten Kiemenvene zum Durch- tritte nach innen benutzt... Taf. I Fig. 15 und 16 Zab II. Der Levator IV schliefst sich bei seinem Ursprunge von der Unterseite des Tegmen tympani unmittelbar an den Hinterrand des Levator III an, zieht dann aber viel steiler als dieser nach abwärts, um sich an den Übergang zwischen Epibranchiale und Branchiale IV sowie an dessen Distal- fläche anzusetzen. Es bleibt daher zwischen beiden Muskeln ein nach abwärts sich erweiternder Spalt übrig, durch dessen’ oberen Theil die dritte Kiemenvene nach innen durehtritt, während der untere breitere Theil durch den Ansatz des M. diaphragmato-epibranchialis lateralis am Epibranchiale ausgefüllt wird. Taf. II Fig. 16 lab IV. Den an der lateralen Seite des Kiemenkorbes angreifenden Muskeln steht eine an dessen medialer Seite gelegene Gruppe von Muskeln gegen- über, welche sich sämmtlich an den henkelförmigen Processus branchialis anheften und zum Theil Antagonisten der vorigen sind. 16. M. ceratohyo-branchialis, chb. (Cerato-branchial Duges.) Von der hinteren, etwas nach aufwärts schauenden Fläche des Üerato- hyoid entspringt medial neben der Mitte dieses Knorpels ein kräftiges Muskelfaserbündel, welches, schräge nach hinten und medial ziehend, sich Uber die inneren Kiemen der Batrachierlarven. 25 an die Vorderseite der Spitze des Processus branchialis ansetzt. Taf. II Fig. 16 und Taf. I Fig. 9chb. Da dieser Muskel den henkelförmigen, am medialen Ende des zweiten und dritten Kiemenbogens entspringenden Pro- cessus branchialis und mit diesem zugleich auch die betreffenden Kiemen- bögen selbst nach vorne und dabei auch etwas nach lateral und oben zieht, so drängt er diese letzteren sowie überhaupt den hinteren Theil des Kiemenkorbes gegen den ersten Kiemenbogen, wirkt also. zweifellos als Schliefser der Kiemenspalten. 17. M. basihyo-branchialis, bhb. (Portion anterieure du sterno- hyoidien Duges.) Ein dem vorigen ähnliches, doch weniger kräftiges Muskelfaserbündel entspringt nahe der Medianebene von der Unterseite des hinteren Theiles des Basihyoid und zieht von hier aus schräge nach hinten, lateral und abwärts, um sich an die mediale Seite der Vordertläche der Spitze des Processus branchialis anzuheften. Taf. II Fig. \6 und Taf. I Fig. 9, bAb. Der Muskel zieht diesen Fortsatz und mit ihm die mediale Parthie des Kiemenkorbes seiner Seite nach vorne und etwas medial, wirkt also ähn- lich dem vorigen. 18. M. diaphragmato- branchialis medialis, dbm. (Portion posterieure du sterno-Iyoidien Duges.) Neben dem ventralen-lateralen Theile des Herzbeutels entspringt vom Diaphragma in der Fortsetzung des Reetus abdominis ein seitlich ab- geplatteter Muskel, welcher, seiner ganzen Länge nach mit dem Herzbeutel verwachsen, sich allmählich verschmälernd gerade nach vorne zieht und sich an die Hinterfläche der Spitze des Processus branchialis mit einer kurzen Sehne ansetzt. Die Muskelplatte erfährt in ihrem Verlaufe eine gewisse Torsion, indem das vom Diaphragma entspringende hintere Ende mit seiner Fläche ventralwärts sieht; während das schmalere Vorderende sagittal gerichtet ist. Taf.I Fig.9 und Taf. II Fig. 16, db, durchschnitten. Ich finde nieht, dafs sich dieser Muskel direct in den Basihyobranchialis fortsetzt und nur mit demselben durch eine »Interseetion aponeurotique« verbunden ist, wie Duges annimmt, sondern sehe ihn sich selbständig an den Processus branchialis inseriren. Er zieht demnach diesen Fortsatz nach hinten und abwärts. Gewils ist es richtig, dafs er bei gleichzeitiger Wirkung zusammen mit dem Basihyobranchialis, mit welchem er einen Phys. Abh. 1892. III. 4 26 F. E. Scavuuze: medialwärts offenen Winkel macht, den Processus branchialis nach innen (medialwärts) ziehen kann, worauf Duges hinweist; ebenso wird er aber auch zugleich mit dem Ceratohyo-branchialis, welcher mit ihm einen lateral- wärts offenen Winkel macht, den Processus branchialis ein wenig in lateraler Richtung bewegen. 19. M. diaphragmato-branchialis lateralis, dbl. (Precordie-branchial Duges.) Lateral neben dem Ursprunge des M. diaphragmato-branchialis medialis entspringt vom Diaphragma ein platter dreieckiger Muskel, dessen Ursprungs- linie nahezu rechtwinklig zu derjenigen des vorigen Muskels orientirt ist. Die dünne Faserplatte steigt, allmählich sich verschmälernd nach lateral und oben empor und setzt sich zwischen den unteren Enden, des Levator arc. branch. III und IV dicht oberhalb des Branchiale IV an das Epibran- chiale an. Dabei findet keine erhebliche Torsion statt, sondern die Kanten des Muskels bleiben im ganzen Verlaufe dorsal und ventral gerichtet. Taf. I Fig.9 und 10. Taf.II Fig. 16 und 17, dbl. Die Wirkung besteht darin, den lateralen Theil des Kiemenkorbes nach hinten abwärts und medial zu ziehen. Der Muskel ist also ein Antagonist der Levatores arc. branch. 20. M. interbranchialis, ib. Von dem medialen Theile der Hinterfläche des Branchiale IV entspringt ein kurzer, platter, dreieckiger Muskel, welcher, sich verschmälernd, nach vorne zieht und sich dorsal vom Diaphragmato-branchialis ansetzt. Taf. Il Fig.16, ib. Es ist klar, dafs dieser unter dem medialen Ende der dritten Kiemenspalte quer hinwegziehende Muskel diese Spalte verengert, indem er die sie begrenzenden Kiemenbogen gegeneinander zieht. 21. Mm. mariginales I, II und III, m L, II, II. An jedem der drei vorderen Kiemenbogen findet sich ein sehr merk- würdiger, von mir zuerst im Jahre 1871') beschriebener, schmaler, eylin- drischer Muskelfaden, welcher längs des freien convexen Kiemenbogen- randes hinzieht und mit der distalen Seite der Arteria branchialis verbunden !) Tageblatt der 44. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Rostock 1871, S. 147. Über die inneren Kiemen der batrachierlarven. DT, ist. Derselbe soll bei der Beschreibung der Kiemen selbst und ihrer Gefälse noch eingehend besprochen werden. Hier kommt es mir haupt- sächlich darauf an, die Lage und Befestigung dieser drei Muskeln zu schildern. Der M. marginalis primus entspringt mit seinem medialen Ende von dem vorderen Basalpfeiler des henkelförmigen Processus branchialis, legt sich alsbald von hinten her an die Arteria branchialis, welche an dem freien convexen Rande des Branchiale hinläuft und begleitet diese Arterie an deren distaler Seite bis zum lateralen Ende der ersten Kiemenspalte. Hier verläfst er aber das Blutgefäfs und zieht oberhalb des lateralen Kiemenspaltenendes nach hinten und oben, um sich mit einem etwas ver- breiterten lateralen Ende oberhalb des zweiten Branchiale an die Aufsentläche des Epibranchiale zu inseriren. Taf. II Fig. 20: Taf. I Fıg.15 und 16, m 1. Der M. marginalis seeundus entspringt dicht hinter dem vorigen eben- falls an dem vorderen Basalpfeiler des Processus branchialis. Er liegt von seinem Ursprunge an sogleich der durch die Basallücke des Processus branchialis hindurchtretenden Arteria branchialis II dieht an. Nachdem er dies Gefäfs längs dessen distaler Seite bis zum lateralen Ende der zweiten Kiemenspalte begleitet hat, biegt er ähnlich wie der M. marginalis I nach hinten und oben ab und setzt sich mit etwas verbreitertem lateralen Ende unterhalb des M. levator III, oberhalb und etwas hinter dem lateralen Ende der zweiten Kiemenspalte an das Epibranchiale. Taf. III Fig. 20 und Taf. I Fig. 15 und 16, m II. Der M. marginalis tertius endlich entspringt von dem hinteren Basal- pfeiler des Proc. branchialis, legt sich sogleich an die unmittelbar dahinter liegende Arteria branchialis III und verläuft mit dieser an ihrer distalen Seite bis zum Epibranchiale, wo er sich spitzwinklig gabelt. Von den beiden Gabelästen begiebt sich der schmalere vordere, senkrecht aufsteigend und schräge über die Arterie sich hinwegschlagend bis in die Nähe der Insertion des M. marginalis II, um dicht hinter dieser sich oberhalb des Branchiale III am Epibranchiale zu befestigen, während der hintere Spaltungs- ast parallel mit der Vena branchialis III hinter dieser emporsteigt und sich in gleicher Höhe wie der vordere Ast an dem Epibranchiale inserirt. Taf. II Fig.15 und 16; Taf. II Fig. 20, » III. Zweifellos haben diese langen, dünnen, fast mikroskopischen Muskel- fäden keinen wesentlichen Einflufs auf die Bewegung des Skeletgerüstes, 4* 28 ER. EuSemunze® wohl aber werden sie, dem ceonvexen Aufsenrande des knorpeligen Kiemen- bogens parallel liegend, bei der Contraetion einen Druck auf die zwischen ihnen und dem Knorpel gelegenen Kiemengefäfse ausüben. Diese eigen- thümliche Wirkung der Mm. marginales wird jedoch zweckmäfsiger Weise erst nach der Schilderung der Kiemengefäfse näher zu erörtern sein. 22. M. subbranchialis, sb. (Sous-branchial Duges.) Duges nennt den M. subbranchialis Nr.3 p. 148 »un assemblage tres mince de fibres charnues, transverses mais courbes, nees de la region mastoidienne du cräne et doublant la peau, qui forme le saec branchial.« Dieser kurzen Beschreibung entspricht auch die sehr einfache Zeich- nung Duges’ l.c. Pl. XII Fig.80. Doch sind die Verhältnisse keineswegs so einfach. In der vorgebauchten ventralen häutigen Wand jeder Kiemenhöhle breitet sich eine zarte Muskelplatte aus, deren im Allgemeinen transversal gerichtete, aber lateralwärts divergirende Fasern von einer medianen Sehnenplatte entspringen, welche als eine lineare Verdickung der ventralen Herzbeutelwand aufgefalst werden kann. Von dieser linearen medianen Herzbeutelinscription ziehen die Fasern der vorderen Hälfte des Muskels jederseits fächerartig divergirend nach vorne und lateral und setzen sich an den ventralen Rand des ersten Bran- chiale mittelst eines schmalen häutigen Saumes an. Die vordersten Fasern gehen dabei auch noch eine lockere Verbindung mit dem lateralen Theile des Hinterrandes des M. subhyoideus ein. Taf.I Fig.7 und Taf. II Fig. 11, sb. Zwischen den in stumpfem Winkel divergirenden Vorderrändern des paarigen Muskels und dem Hinterrande des M. subhyoideus breitet sich eine lockere Bindegewebshaut aus, deren mediane Parthie mit dem Herz- beutel verwachsen ist, während der laterale Theil zur Bildung der ven- tralen Kiemensackwand beiträgt. Taf.I Fig.7 und 8. Taf.II Fig. 11. Der hintere Theil jedes M. subbranchialis besteht aus einer rein trans- versal ziehenden medialen und einer schräge nach hinten, oben und lateral gerichteten lateralen Hälfte, deren Fasermassen aber nicht direet in ein- ander übergehen. Vielmehr sind die in einem stumpfen Winkel auf ein- ander treffenden Fasern beider Theile durch eine unregelmäfsige Naht ver- Uber die inneren Kiemen der Batrachierlarven. 29 bunden, an welche sich ein zipfelförmiger ventraler Fortsatz der Fascia lateralis') ansetzt. Taf.II Fig. 11 und Taf.I Fig. 6. Der laterale Theil der hinteren Hälfte des M. subbranchialis setzt sich von der erwähnten Naht aus nach hinten, oben und lateral in die derbe bindegewebige Scheide des in die Peribranchialhöhle frei hinabragenden Vorderbeines fort. Seine Fasern bilden zwei etwas divergirende Zipfel (einen vorderen und einen hinteren), welche sich in die Bindegewebs- scheide des Vorderbeines allmählich verlieren, ohne deren dorsalen Ur- sprung zu erreichen. Bemerkenswerth ist es, dafs die Fasern des hinteren Randes jedes M. subbranchialis sich schlingenförmig medianwärts umbiegen und an jene sehnige Platte des Diaphragma ansetzen, von deren medialer Seite der später noch näher zu bespreehende M. diaphragmato-praecor- dialis entspringt. Dieser letztere Muskel setzt sich aber an dieselbe prä- cordiale Verdiekung des Herzbeutels an, von welcher der mediale Theil des M. subbranchialis entspringt. Taf. II Fig. 11. Auf diese Weise wird durch den hinteren Randtheil des M. subbran- chialis und den M. diaphragmato-praecordialis jederseits eine Schlinge ge- bildet, welehe die Ausmündungsöffnung der betreffenden Peribranchial- höhle in deren gemeinsamen hinteren Ausführungsgang verengern oder gar schliefsen kann. Dieser letztere transversal gelegene Kanal selbst wird aber von einer der Muskelfasern völlig entbehrenden bindegewebigen hin- teren Fortsetzung jedes M. subbranchialis oder richtiger der beiden Peri- branchialsäcke gebildet, heftet sich mit dem hinteren Rande an den vor- deren ventralen Umschlagstheil der Bauchwand und öffnet mit einem nach hinten und links gewandten Ausgangsrohre durch das unpaare linksseitige Spiraculum nach aufsen. Das aus dem rechten Peribranchialsacke aus- fliefsende Wasser gelangt also ventral vom hinteren Theile des Herzbeutels nach links, vereinigt sich mit dem aus dem linken Peribranchialsacke kommenden Wasser und wird mit diesem durch das Spiraeulum nach hinten und aufsen geleitet. !) Als Fascia lateralis will ich jene derbe Bindegewebsfaserhaut bezeichnen, welche, vom lateralen Rande des knorpeligen Suspensoriums und des Proc. orbitalis entspringend, die untere laterale Kopfseite und speciell die dort liegenden Muskeln überdeckt. Mit ihrem unteren Rande begrenzt diese Fascie jene beiden paarigen subentanen Lymphräume, welche sich jederseits unter der Ventralfläche des Kopfes ausbreiten und von einander nur durch dünne senkrechte Septa geschieden sind. Taf. II Fig. 11 links und Taf. 1 Fig. 7. 30 Eı Bi Siemiumz ei: Während der vordere und mediale Theil jedes M. subbranchialis dureh einen Lymphraum von der Körperhaut getrennt wird, ist der laterale Theil und der hintere Rand des Muskels, ebenso auch die den transversalen Abzugskanal bildende hintere häutige Fortsetzung der beiden Peribranchial- säcke durch gallertiges subcutanes Bindegewebe locker mit der Cutis ver- bunden. Jedoch wird diese Verbindung in der Nähe der Öffnung des Spiraculums eine festere. Taf. I Fig. 6—8. Da jeder Peribranchialsack, und somit auch der in seiner Wand ent- haltene M. subbranchialis distal ausgebaucht ist, so wird zweifellos die nächste Wirkung einer Contraction des letzteren darin bestehen, den Peri- branchialraum zu verkleinern und das in demselben befindliche Wasser durch den Abflufskanal nach aufsen zu entleeren. Wenn jedoch die hin- tersten schlingenförmigen Fasern diesen hinteren Ausgang schliefsen, wird das Wasser durch die Kiemenspalten nach oben in den Binnenraum der Kiemenkörbe zurückgedrängt. Doch werden daneben auch noch andere Wirkungen erzielt werden können. Schon Duges hob hervor, dafs der Muskel direet auf die Kiemen zusammendrückend wirken und somit die Cireulation beschleunigen kann. Eine solche Leistung erscheint um so plausibler, als die vordere Hälfte des Muskels nicht, wie Duges annahm, an dem hinteren Theile der Schädelkapsel, sondern an dem unteren Rande des ersten Kiemenbogens angeheftet ist, also diesen letzteren nach. hinten und medianwärts gegen die übrigen Kiemenbögen ziehen und dadurch um so stärker die in dem Peribranchialsacke liegenden respiratorischen Ca- pillarschlingen zusammendrücken mulfs. 23. M. diaphragmato-praecordialis, dp. Dieser schon oben S. 29 kurz erwähnte zarte platte Muskel wird hier zum ersten Male beschrieben. Er entspringt von jener jederseits neben dem Herzbeutel im Diaphragma gelegenen Sehnenplatte, welche aufserdem auch dem M. diaphragmato-branchialis medialis und lateralis sowie dem schleifenartig umgeschlagenen hinteren Randtheile des M. subbranchialis zum Ansatze dient. Die schmale dünne Muskelplatte zieht sich an der distalen Fläche des Herzbeutels im concaven Bogen nach vorne und median- wärts, um an der als Ursprungsgegend des Subbranchialis schon bekannten linearen medianen Verdickung des Herzbeutels zu enden. Taf. I Fig. 11, dp. Uber die inneren Kiemen der Batrachierlarven. 31 Dafs dieser Muskel zusammen mit dem Hinterrandtheile des M. subbran- chialis eine schleifenförmige Umrahmung der Ausgangsöffnung jedes der beiden Kiemensäcke bildet, wurde schon oben erwähnt. V. Benachbarte Muskeln. 24. M. tympano-pharyngeus, tp. Sodann mag hier noch ein schmales, schon Duges bekanntes Muskel- band Erwähnung finden, welches hinter dem Levator are. branch. IV und in gleicher Flucht mit diesem vom Tegmen tympani (Parker) entspringt, an der lateralen hinteren Pharynxwand, dieser unmittelbar anliegend, im Bogen nach abwärts zieht und unweit des Larynx in dem ventralen Theile der Schlundwand endet. Taf. II Fig. 15 und 16, ip. Man kann es als M. tympano-pharyngeus bezeichnen. Es dient zum Heben der ventralen- lateralen Pharynxhaut und unterstützt, da die letztere direet mit dem Hinterrande des Branchiale IV verbunden ist, zweifellos die Wirkung des unmittelbar vor ihm liegenden M. levator arc. branch. IV. 25. M. rectus abdominis, ra. Von anderen Nachbarmuskeln des Kiemenkorbes, welche auf dessen Bewegungen Einflufs äufsern, kommt besonders der M. reetus abdominis in Betracht, als dessen directe vordere Fortsetzung der M. diaphragmato- branchialis medialis und weiterhin der M. basi hyo-branchialis (zusammen von Dug£s als sterno-hyoidien bezeichnet), von Götte auch noch der M. genio-hyoideus Duges’ angesehen wird. Dieser ontogenetische und bis zu einem gewissen Grade auch funetio- nelle Zusammenhang des ganzen langen Muskelzuges ist jedoch anatomisch insofern nicht evident, als die Sehnenplatte im ventralen-vorderen Um- schlagstheile der Bauchwand zum Diaphragma einen mehr selbständigen Charakter aufweist, als die Inseriptiones tendineae des M. rectus abdominis, und (wie oben auseinandergesetzt ist) mehreren zum Theil ziemlich trans- versal ziehenden Muskeln zum Ursprung dient. Taf. II Fig. 11,ra. Während nun der von dieser Sehnenplatte neben dem Herzbeutel nach vorne ziehende 32 F. E. ScHvize: M. diaphragmato-branchialis medialis sich an den Proc. branchialis des Hypobranchiale ansetzt, entspringt der M. genio-hypobranchialis nicht als direete Fortsetzung jenes Muskels an demselben Fortsatze, sondern daneben an der ventralen Fläche des Hypobranchiale. Taf.I Fig.9. Übersicht der besehriebenen Muskeln. IS L \ppenmusk el ee EEE EEE 5 1e I. Mrwnandibulo=labialsın rt ee ee ee Er 13 IL, Kıetermuskeln u. lan 0 es Leo er Al De en el a eV il 29 SIMERSUDeILaIES" DEN Wer PT ARSRR AL URENEN.) BENIECERN 7 BEN EV DREH RER ARE RIEERN 15 3. M. submanillaris . ASS syenioln}poDranchiaksu ne er DI ee: 16 DEM: CEnOLO7 OO ULEB er 18 GBR UEESUSDENSOTIOANAU LES re: 15 7. M. quadratoangularis ) 8. M. temporalis 9.u= MH: „suhtemporalis.,.. kr sage ya ee bs Fee: 19 10 Mer) Deus a 20 11. Mn masseler® LEBER" DL LER REN 20 II Zungenbeinmuskeln.2 Sec Die 22 12. M. orbitohyoideus 21 TS IHNSUSDENnSorIoRVOWLEUSERN a a Sa Er 21 da Milsibiyoileus tasks ft ae er Eerkar 22 TIVvgiRTemenmiskelnt a nee. RSELIE BISUrH eae2a 30 15. Mm. levatores arcuum branchialum I-IV . . . „2. 2 2 22 0. 23 1622 WET ceratoRy obramelRaLS er 24 TEE DES Obranchials 2 re 25 18. M. diaphragmatobranchialis medidlis . » » > 2 2 nn nn 25 19. M. diaphragmatobranchialis lateralis |. 2. 02 202 nn nun 26 20. M. interbranchialis Eu ag ar a ae re 2 21 Mm» margwtales I III Se 26 22. M. subbranchialis SENIOREN. 2 23MIN diepinagmalopraßeordalis N: 30 VaBeHachbart Muskeln" MIRIAM. BUS TER 31 2A IM: Nompanopharyngeusi:l eh. Brei sa S 31 25:4, Ms rechis1abdOmWMUS: wann het. Stereee reeee e 31 Über die inneren Kiemen der Batrachierlarven. 33 3. Die Blutgefäfse. Mit der Beschreibung der zu- und abführenden Blutgefäfse des Kiemen- apparates erwachsener Batrachier- (Rana-) Larven, welche Boas im Jahre 1882, Nr. 10 S.488, gegeben und Naue, Nr. 12 S. 113, kürzlich bestätigt hat, stimmen meine eigenen Befunde an Pelobates-Larven in den wesent- lichsten Punkten überein, so dafs mir eine eingehende Berücksichtigung der zum Theil sehr abweichenden älteren Angaben von Rusconi, Nr.], Lambotte, Nr.4, Caroli, Nr.5, Whitney, Nr.6, Götte, Nr.8 nur aus- nahmsweise erforderlich zu sein scheint. Ich werde mich hier zunächst auf eine Schilderung der gröfseren Arterien und Venen des Kiemenapparates beschränken und die Beschreibung der rein mikroskopischen Gefäfsverhältnisse auf die unten folgende Darstellung des feineren Baues der respiratorischen Anhänge verschieben. Jeder der beiden Stämme, in welche sieh noch innerhalb des Herz- beutels der Bulbus arteriosus aortae gabelt, theilt sich zunächst in 3 hinter- einander liegende Zweige, deren hinterster sich alsbald noch einmal in zwei ungleich starke Äste spaltet. Dadurch sind die 4 Arteriae branchiales jeder Seite gebildet, von welchen die 3 vorderen etwa gleich stark, die hinterste dagegen erheblich schwächer ist und daher mehr wie ein Seitenast der dritten erscheint. Die Arteria branchialis I bildet einen nach vorne convexen flachen Bogen ventral vom Vorderrande des Hypobranchiale und wird von unten her zum gröfsten Theile bedeckt von dem M. basihyobranchialis und dem M. ceratohyobranchialis. Taf. II Fig. 16. Sobald sie das mediale Ende der ersten Kiemenspalte erreicht hat, verwächst sie äufserlich auf eine ganz kurze Strecke mit der hier dicht an ihrer Vorderseite anliegenden Vena branchialis I und verläuft dann an dem freien Ventralrande des Branchiale I unter allmählicher Abnahme ihres Diekendurchmessers bis zum lateralen Ende der Kiemenspalte, wo sie ohne sich mit der vorliegenden Vena branchialis zu verbinden, ziemlich recht- winkelig in ihren Endzweig umbiegt. Auf diesem Wege gibt sie die für die respiratorischen Anhänge be- stimmten Seitenäste unter rechtem Winkel ab. Phys. Abh. 1892. III. 5 34 ER BR SCHUmzRE Die Arteria branchialis II tritt, sobald sie sich als selbständiges Gefäls von der Art. branch. I gesondert hat, durch die rundliche Durchbohrung des Processus branchialis, dieselbe vollständig ausfüllend, hindurch, und gibt sodann noch vor ihrer localen äufserlichen Verwachsung mit dem davorliegenden Anfangstheile der zugehörigen Vena branchialis II eine kleine Arterie seitlich rechtwinkelig ab, welche an der medialen-hinteren Fläche des medialen Endes des Branchiale II emporsteigt. Taf. IV Fig. 22. Dieser kleine Seitenast der Art. branch. II versorgt, wie Boas zuerst ermittelt hat und ich bestätigen kann, nieht nur die Filterplatte des zweiten und des ersten Kiemenbogens sondern auch noch einen Theil der vorderen Kiemendeckplatte mit Blut. Während dann die Art. branch. II, allmählich an Stärke abnehmend, am Ventralrande des Branchiale II bis zu dessen lateralen Ende hinzieht, entsendet sie ihre Seitenäste zu den respiratori- schen Anhängen des zweiten Bogens. Die Art. branchialis III zieht, theilweise bedeckt von dem M. inter- branchialis und dem M. diaphragmato-branchialis, dieht hinter dem Pro- cessus branchialis zum Ventralrande des Branchiale II. Nachdem sie einen für die Filterplatte des dritten Kiemenbogens bestimmten kleinen aufsteigen- den Seitenast abgegeben hat, verwächst sie local mit dem Anfangstheile der Vena branchialis II und entsendet dann die Reihe der respiratorischen Seitenäste zu den Kiemenbäumchen des dritten Bogens. Die Art. branchialis IV endlich legt sich, gedeckt von dem unterlie- genden M. interbranchialis und diaphragmato-branchialis an den Ventral- rand des Branchiale IV und gibt nach ihrer localen äufserlichen Verbindung mit dem Anfangstheile der Vena branchialis IV aufser den respiratorischen Seitenästen noch eine kleine Arterie für das Filter des vierten Kiemenbogens ab, welche etwa in der Mitte des Bogens entspringt. Jede der vier Venae branchiales läuft neben der zugehörigen Arteria branchialis am Ventralrande ihres Branchiale allmählich stärker werdend hin (Taf. IV Fig. 22,ven) bis zu dem lateralen Ende der Kiemenspalte, wo sie ihren Weg allein nach aufwärts fortsetzt, sich um das Epibranchiale herumschlägt, zwischen den Levatores arcum branch. hindurchtritt, darauf an der dorsalen Fläche der Schleimhaut des Rachenhöhlendaches median- wärts und etwas nach hinten zieht und schliefslich in jenen lateralwärts eonvexen Gefäfsbogen einmündet, welcher sich nach vorne zu direct in die Carotis interna nach hinten in die Aortenwurzel fortsetzt. Taf. III Fig. 15,19 und 20, sowie Taf. I Fig, 16. Uber die inneren Kiemen der Batrachierlarven. 35 Während die drei hinteren Venae branchiales (II—IV) an dem me- dialen Kiemenspaltenende ganz dünn beginnen und erst durch die Auf- nahme der aus den Kiemenbäumcehen kommenden Seitenäste allmählich an Durchmesser zunehmen, hat die Vena branchialis I an der nämlichen Stelle schon eine beträchtliche Dieke und geht hier direet in die median- wärts und nach vorne ziehende Carotis externa über. Taf. IV Fig. 20. Die alte Frage, ob die Kiemenvene an ihrem medialen Ursprunge da, wo sie mit der zugehörigen Arterie äufserlich verwachsen ist, auch in innerer Höhleneommunication mit derselben steht, ist durch Boas Nr. 10. S. 543 und 547 und Maurer Nr. 11. S.353 und 384 dahin entschieden, dafs zwar ur- sprünglich, das heifst zur Zeit, als noch die äufseren Kiemen vorhanden waren, an dieser Stelle eine offene Verbindung zwischen beiden Gefäfsen bestand, dafs diese Verbindung aber während der dritten Entwiekelungs- periode Duge&s’ durch eine Scheidewand aufgehoben ist, und erst wieder bei der Metamorphose durch Schwund jener Scheidewand hergestellt wird. Mit diesen Angaben stimmen meine eigenen Beobachtungen überein. Auch noch für einen anderen Ort war eine solche direete offene Höhlenverbindung zwischen Kiemenarterie und Kiemenvene von Ruseoni (Nr.1. Pl.IV Fig. 22) behauptet und abgebildet, nämlich da, wo das letzte dünne Ende der Arterie neben der Vene liegt. Indessen kann von einer solchen direeten Verbindung hier keine Rede sein. Ebenso wie Boas u. A. habe ich mich sicher davon überzeugen können, dafs das letzte stark ver- schmälerte Ende jeder Arteria branchialis sich, ohne mit der nebenliegenden Vene zu eommunieiren, rechtwinkelig in den letzten Seitenast umbiegt, welcher zu dem am Weitesten lateral gelegenen Kiemenbäumehen führt. Taf. IV Fig. 22. Während die drei vorderen Kiemenvenen nach «em Verlassen der zugehörigen Arterie in ziemlich gleichem Abstande und nahezu parallel bis zur Einmündung im die Aortenwurzel hinziehen, schlägt die vierte eine etwas abweichende Richtung ein, indem sie sich stärker medianwärts nach oben und hinten biegt. Taf. III Fig. 20. Unmittelbar vor ihrem Eintritt in die Aortenwurzel gibt sie unter rechtem Winkel die nach hinten und medial ziehende Lungenarterie ab, welche sich sogleich an den lateralen Rand der Lunge begiebt und in deren lateraler oberer Wand in gerader Linie horizontal nach hinten ver- läuft. Taf. III Fig. 18 und 19. or 36 F. BE. ScHuvrze: Da auf diese Weise die Lungenarterie fast in die directe Verlängerung der Aortenwurzel zu liegen kommt (wie besonders deutlich an Fig.18 zu sehen ist), so wird sie auch vorwiegend aus dieser das in den Kiemen arterialisirte Blut so lange erhalten, bis sie sich als Fortsetzung der vierten Kiemenvene von der Aortenwurzel ganz ablöst, und mit jener zusammen zur definitiven Arteria pulmonalis wird. 4. Der Filterapparat. Eine eingehende Beschreibung jenes merkwürdigen, schon von Rusconi als »Filter« von Anderen z. B. Götte als »Kieme« aufgefafsten Apparates, welcher sich an der proximalen Innenseite der Kiemenbögen findet, ver- danken wir Boas (Nr.9 S. 543 u. ff.). Einige Ergänzungen lieferte später Naue (Nr. 11 S. 147). Man überblickt den an der Innenfläche der beiden Kiemenkorbhöhlen ausgebreiteten Filter- oder Siebapparat am Besten, wenn man nach Ent- fernung des Rachenhöhlendaches und der Kiemendeckplatten von oben her in die Binnenhöhle der Kiemenkörbe hineinsieht. Taf. IV Fig. 21. Dabei fallen zunächst zwei medianwärts etwas eingerollte dünne Platten auf, welche, von dem schräge nach oben gerichteten concaven Innenrande des zweiten und dritten Kiemenbogens als eine membranöse Fortsetzung der Knorpelplatte sich erheben und frei in das Lumen des halbkugeligen Kiemenkorbes hineinragen. Jede dieser Filterplatten, wie ich sie nennen will, zeigt eine schräge nach aufwärts, lateral und vorne gewandte convexe und eine nach unten, medial und hinten gewandte concave Fläche, welche beiden Seitenflächen jedoch wegen der allmählichen Verdünnung der Platte gegen den mehrfach gebogenen freien Rand zu nicht ganz parallel sind. Das vordere (zugleich auch etwas mediale) Ende der Platte biegt sich mit schwach eoncavem Oberrande bis an die Basis der vorderen Kiemendeck- platte, das ganz niedrig auslaufende hintere Ende dagegen mit starker Conecavität des freien Oberrandes zum Ursprunge der hinteren Kiemen- deekplatte empor, während der mittlere, höchste Theil der Platte mit con- vexem freien Oberrande weit in die Kiemenkorbhöhle vorragt. Taf. IV Fig. 21. Uber die inneren Kiemen der Batrachierlarven. 37 Beide Seitenflächen dieser Filterplatten zeigen ganz eigenthümliche wall- oder besser leistenförmige Schleimhauterhebungen, die Filter- leisten (»Siebwälle« Boas’), welche in annähernd paralleler Ordnung dicht neben einander quer über die gebogenen Seitenflächen der Platten dahinziehen und sich von den einander zugekehrten Seitenflächen jeder der beiden Platten auch noch direet auf die betreffende dorsale Fläche') des zugehörigen Kiemenknorpels selbst fortsetzen. Taf. V Fig. 23 und 24. Die gleiche Bedeekung mit solchen Filterleisten zeigt auch die ganze dorsalwärts schauende ceoncave Innenfläche des ersten und des vierten Kiemenbogenknorpels. Nach ihrem ventralen Ende zu nehmen die Filterleisten allmählich an Höhe zu; auch sind die meisten derselben in ihrem annähernd parallelen Verlaufe nicht überall gleich breit. Dies hat hauptsächlich darin seinen Grund, dafs sich mehrfach kurze Leisten einzeln oder gruppenweise vom dorsalen Rande der Filterplatten resp. des ersten und des vierten Kiemen- bogenknorpels her zwischen die übrigen einschieben, wodurch diese stellen- weise auseinandergedrängt und verschmälert werden. Taf. IV Fig. 22. Da sich die Filterleisten derselben Platten seitlich nahezu oder wirklich berühren und auch die gegenüberstehenden Ventralenden der Filterleisten von je zwei benachbarten Kiemenbogen oberhalb der betreffenden Kiemen- spalte mit ihrem freien Endtheile bis zur Berührung genähert sind, so erscheint der ganze Boden jeder Kiemenkorbhöhle vollständig und gleich- mälsig bekleidet mit einem geschlossenen Systeme dicht neben einander stehender Filterleisten. Taf. IV Fig. 21. An jeder einzelnen Filterleiste kann man eine einfache parallelwandige Basalplatte, pl, mit welcher sie sich von der Grundlage erhebt, unter- scheiden von dem breiteren, eine complieirte Faltelung aufweisenden freien Randtheile, der Filterkrause, fkr. Taf. VI Fig. 25 und 29, sowie Taf. V Fig. 24. Indem sich die überragenden Seitenränder der Filterkrausen von je zwei neben einander liegenden Leisten bis zur Berührung nähern, bleibt zwischen den Basalplatten der letzteren ein annähernd dreiseitiger Gang, der Filterkanal, fAl, übrig, welcher an seinem nach abwärts gerichteten '!) Beim zweiten Branchiale ist es die nach medial und oben, beim dritten die nach lateral und oben gewandte breite concave Fläche des Knorpels Taf. I Fig.5; während die beiden andern mehr nach abwärts gewandten convexen Flächen der dreikantigen Knorpel nicht oder nur am oberen Randtheile von Filterleisten bedeckt sind. BY) F. E. Scaurze: Ende mit weiter Öffnung in die betreffende Kiemenspalte ausmündet. Taf. VI Fig. 25. Als eine direete Fortsetzung der Basalplatte zieht sich durch jede Filterkrause der Länge nach eine mittlere, nach dem freien Rande zu all- mählich an Dieken-Durchmesser abnehmende Falte, die Mittelfalte, mf, hin, von deren Seitenfläche jederseits andere Falten ziemlich rechtwinkelig ab- gehen, welche letzteren als primäre Seitenfalten, prsf, bezeichnet werden sollen. Taf. VI Fig. 25. Von den letzteren gehen dann wieder seeundäre, ss/f, und von diesen häufig noch tertiäre Seitenfalten, Zsf, u.s. w. seitlich unter rechtem Winkel ab. Dies Verhältnifs läfst sich am besten an solchen Durchschnitten der Filterkrausen erkennen, welche parallel mit ihrer breiten öndtläche geführt sind. Taf.VI Fig.29 oberfläche gewandte Rand der Mittelfalte und der Seitenfalten zugeschärft 32. Während der zur freien Filter- endet, zeigt sich an den freien Seitenrändern aller Seitenfalten eine schwache Aufwulstung oder Randverdickung. Taf. VI Fig. 30 und 31. Verfolgt man die aus der Mittelfalte rechtwinkelig abgehenden pri- mären Seitenfalten in der Seitenansicht eines Siebwalles von der Basalplatte an bis zur freien Filteroberfläche hinauf, Taf. V Fig. 24, so sieht man, dass sie gruppenweise von breiten Erhebungen ausgehen, welche in nahezu gleichen Intervallen an dem basalen Theile der Mittelplatte seitlich vor- treten und durch entsprechende Vertiefungen von einander getrennt sind. Von jeder solcher Erhöhung ziehen mehrere primäre Seitenfalten etwas fächerartig divergirend und allmählich an Höhe zunehmend bis zur freien Filteroberfläche hin, während sich andere niedrigere Falten gleicher Art zwischen sie einschieben. Taf. V Fig. 24. Indem sich diese fächerartig divergirenden Faltengruppen einer Filterleiste in der Nähe ihres freien Endes seitlich erreichen, bleiben zwischen ihren basalen Enden verbrei- terte keilförmige Nischen. Taf. V Fig. 24. Die Zwischenräume zwischen den primären Seitenfalten ein und derselben Gruppe werden dagegen noch weiter getheilt durch jene secundären und tertiären leistenförmigen Seiten- falten, welche sich von den Seitenflächen und Randkanten der primären (resp. secundären) Seitenfalten erheben und, rechtwinkelig zu einander ge- stellt, in der gleichen Richtung wie jene zur freien Filteroberfläche hin- ziehen. So entsteht an jeder Filterleiste nahe der freien Filteroberfläche zwischen den hier ziemlich gleich dünnen Filterkrausenfalten erster bis dritter Ordnung ein complieirtes System von engen, eigenthümlich gewun- denen und verzweigten Spalten. Taf. VI Fig. 30 und 31. Uber die inneren Kiemen der Batrachierlarven. 39 Während sich diese Spalten gegen die freie Filteroberfläche zu wegen der End-Zuschärfung der Mittelplatte und aller Seitenfalten etwas trichter- förmig erweitern, setzen sie sich nach abwärts von der engsten Gegend gegen die Filterkanäle zu in allmählich sich erweiternde und eonfluirende Gänge fort. welche schliefslich in die langen Filterkanäle einmünden. Über jedem Filterkanale aber zieht seiner ganzen Länge nach je eine unregelmälsig ziekzackförmig gebogene Spalte hin, welche zwischen den sich seitlich berührenden Filterkrausen je zweier benachbarter Filterleisten übrig bleibt und selbstverständlich auch mit den eben beschriebenen Spalten- systemen der betreffenden Filterkrausen selbst in Zusammenhang steht. Taf. IV Fig.21 und 22. Jede zwischen je zwei Filterleisten liegende Längsspalte mündet nach abwärts unmittelbar in den darunterliegenden Filterkanal ein. Um endlich alle Verbindungswege zwischen der inneren Kiemenkorb- höhle und dem gewöhnlich weit klaffenden Lumen der in die Peribranchial- höhle öffnenden Kiemenspalten anzuführen, sind noch jene langen, wellig oder ziekzackförmig gebogenen schmalen Spalten zu erwähnen, welche sich oberhalb einer jeden Kiemenspalte zwischen den hier zusammentreffenden Filterleistensystemen je zweier benachbarter Kiemenbögen finden, und welche die kürzeste — ganz direete — Verbindung zwischen dem inneren und äusseren Kiemenraum darstellen. Taf. V Fie. 23. So haben wir denn am Boden jeder Kiemenkorbhöhle ein reich ent- wickeltes Filter kennen gelernt, ausgezeichnet durch eine grofse Menge seitlich verbundener Spalten verschiedener Form und Bildung, welche über die durch die Filterplatten erheblich vergröfserte Bodenfläche der inneren Kiemenkorbhöhle ziemlich gleichmäfsig vertheilt sind. Taf. IV Fig. 21. Die Weite dieser Filterspalten ist ohne Zweifel innerhalb gewisser Grenzen veränderlich, und wird theils von der Turgescenz (Blutfüllung) der die Spalten begrenzenden Schleimhautfalten, theils von den durch die Kiemenmusculatur bewirkbaren Zusammendrängung der Kiemenbögen und damit auch der Filterleisten gegen einander abhängen. Was nun den histologischen Bau der einzelnen Theile des Filter- apparates betrifft, so ist festzuhalten, dafs es sich im Allgemeinen um eine eomplieirte Faltenbildung der Schleimhaut handelt, welche die proximale Seite der Kiemenbögen bekleidet. Dementsprechend finden wir überall eine einfache bindegewebige, von Lymph- und Blutgefäfsen mälsig reich- 40 El EN SCHunzE: lich durchzogene Grundlage und ein dessen freie, vom Wasser bespülte Oberfläche deckendes Epithel. Den Charakter des die Grundlage bildenden Bindegewebes finde ich im Wesentlichen überall gleich. Sowohl in der Hauptlamelle der Filter- platten als auch in der Basal- und Mittelplatte der Filterleisten, wie endlich in allen Falten der Filterkrausen ist es ein gallertiges Bindegewebe mit beginnender Fibrillenbildung, in dessen reichlicher hyaliner gallertartiger Grundsubstanz die zugehörigen unregelmäfsig sternförmigen Bindegewebs- zellen, mit ihren reichverzweigten und schliefslich in sehr feine Fäden aus- laufenden Fortsätzen unter einander anastomosirend, in ziemlich gleich- mäfsiger Vertheilung vorkommen. Gegen die Epithelbedeekung setzt sich die gallertige Grundsubstanz durch eine etwas derbere Grenzschicht ab, welche aber gewöhnlich nicht als eine deutlich doppelt begrenzte Lamelle erscheint, sondern nur einen glatten dunkeln Grenzeontur erkennen läfst. Über die Vertheilung der mikroskopischen Blutgefäfse in dem Filter liefs sich Folgendes ermitteln. Von der Arterie, welche längs des con- caven dorsalen Knorpelrandes jedes Branchiale hinzieht, gehen ziemlich rechtwinkelig Seitenäste ab, welche sich zunächst in der Hauptlamelle der Filterplatte, sodann in den Basalplatten der Filterleisten verzweigen und sich schliefslich in Capillarsysteme auflösen, die theils in Gestalt weit- maschiger Netze die genannten Theile durchziehen, theils in Form etwas engerer Netze die Falten der Filterkrausen durchsetzen. Taf. V Fig. 24. Wenn auch diese in den schmalen Falten der Filterkrausen sich aus- breitenden Capillarnetze keineswegs eine solche Maschenenge aufweisen, dals man sie als wesentlich respiratorische in Anspruch nehmen und dem entsprechend das ganze Filter mit Götte als Kieme auffassen darf, sondern dieselben vorwiegend als Ernährungsgefäfse deuten mufs, so wird man doch nicht umhin können, ihnen mit Boas gleich den Capillarnetzen der äufseren Haut auch eine gewisse wenn auch geringe respiratorische Fune- tion zuzuschreiben. Die Venen des Filterapparates liegen nicht neben den betreffenden Arterien, sondern nehmen ihren eigenen Verlauf, um, wie Boas fand, nach Verbindung mit den Venen der Kiemendeckplatten ihr Blut in die Duetus Cuvieri zu entleeren. Die Epithelbekleidung ist nicht an allen Theilen des Filterapparates die gleiche. Naue sagt Nr. 12 S. 149 von derselben: »Das Epithel be- steht aus einer doppelten Zellenlage, deren einzelne Zellen eine länglich Über die inneren Kiemen der Batrachierlarven. 41 runde Gestalt mit abgeplatteten Enden haben. An den äufseren Wänden der Falten findet eine Anhäufung von grofsen runden Zellen statt, wahrschein- lich um gegen das auffallende Wasser eine stärkere Schutzwand zu bilden«. Ich finde im Allgemeinen das Epithel des Filterapparates einschichtig, doch schieben sich hie und da zwischen die Basen der die freie Ober- fläche bildenden Zellen andere platte Zellen ein, welche die Oberfläche nicht erreichen. Hiermit steht der Umstand in Einklang, dafs die Chro- matin-Ampbhiaster der mitotischen Kerntheilungen in der Regel mit ihrer Axe der Oberfläche parallel liegen. Mit Ausnalıme der die freie Filteroberfläche erreichenden Firsten der Filterkrausenplatten zeigen sämmtliche vom Wasser bespülte Flächen eine Bedeekung mit einem Lager von 4—-6seitigen Plattenzellen, deren Höhe je nach der Ausdehnung der Unterlage wechselt, in der Regel aber nicht viel hinter dem Querdurchmesser zurückbleibt. Ist die Unterlage durch starke Blutfüllung erheblich ausgedehnt, so erscheinen die Epithelzellen als ganz niedrige breite Platten mit ebener Oberfläche, im entgegengesetzten Falle sind sie zu schmalen Prismen zusammengedrückt, deren freie End- fläche sich kuppenartig vorwölbt. Diese freie Grenzfläche des Zellkörpers wird von einer dünnen Cutieula gebildet, deren Lichtsbrechungsvermögen aber nicht so erheblich von demjenigen des körnehenarmen Plasmakörpers abweicht, dafs sie sich besonders deutlich markirte. Taf. VI Fig. 26 und 28. Der in der Mitte jeder Zelle gelegene verhältnilsmälsig grofse Kern erscheint bei mittlerem Ausdehnungszustande der Zelle kugelig, kann aber mit dieser selbst stark abgeflacht oder in beliebiger anderer Richtung ver- drückt werden. Von einer »Anhäufung grofser runder Zellen an den äufseren Wänden der Falten«, wie Naue sie beschreibt und Nr. 12 Taf. 2/3 Fig. 6 zeichnet, kann ich nichts finden; vielmehr sehe ich an dem gewölbten Aufsenrande aller Falten der Filterkrause nur dasselbe einschichtige Zellenlager wie an deren Flächen. Dagegen gewinnt das Epithel, welches die der freien Filter- oberfläche zugewandten schmalen Firsten aller Filterkrausenfalten deckt, besonders dadurch einen abweichenden Charakter, dafs sich der eutieulare Grenzsaum zu einer mehr oder minder hohen, gratartig zugeschärften Kuppe erhebt. Taf. VI Fig. 26 und 27. Auf dem Grat der schmalen Seitenfalten der Filterkrausen findet ge- wöhnlich nur eine Reihe von Epithelzellen dieser Art Platz, während auf Phys. Abh. 1892. III. 6 42 FE. E) ScHürze: der Firste der breiteren Seitenfalten und der Mittelfalte meistens zwei Zellen neben einander stehen, deren eutieulare Kuppen sich dann zur Bildung einer etwas breiteren Randkante so dieht an einander schmiegen, dafs oft die Grenzen schwer zu erkennen sind. Die hyaline (oder doch nur ganz feinkörnig getrübte), und besonders in dem äufseren Theile ziemlich stark lichtbrechende Substanz dieser leisten- förmigen eutieularen Faltenkante setzt sich übrigens gegen die Zellkörper, von welchen sie produeirt ist, nicht so scharf ab, wie dies sonst bei rein euticularen Grenzsäumen der Fall zu sein pflegt. Dieser Umstand könnte im Verein mit der leieht zu eonstatirenden Thatsache, dafs sich diese Substanz gegen Lösungs- und Färbemittel ganz ähnlich wie echte Hornsubstanz verhält, z. B. durch Piecrinsäure auffällig gelb färbt, zu der Auffassung führen, dafs wir es hier möglicher Weise gar nicht mit einer cutieularen Bildung, sondern mit einer Verhornung der betreffenden Epithelzellen zu thun hätten. Nach den Auseinandersetzungen, welche ich früher einmal’) über den prineipiellen Unterschied zwischen Cutieularbildung und Verhornung gegeben habe, würde es sich in diesem Falle darum handeln, festzustellen, ob auf die Umwandlung des äufseren Theiles der Zelle zu einer hornartigen hyalinen Masse auch der ganze übrige Zellkörper mit sammt dem Kerne dem nämlichen Umwandlungs- processe unterliegt und somit eine Verhornung der Zelle eintritt, oder ob der den Kern enthaltende Haupttheil der Zelle von dieser Veränderung nicht mitergriffen wird, vielmehr selbst im Wesentlichen unverändert und lebenskräftig bleibt. Da ich nun hier an den Zellen, welche die beschriebene hyaline Rand- kante tragen, nieht nur einen körnchenreichen Plasmakörper, sondern auch in diesem einen in der Regel ganz normal erscheinenden, gesunden, kugeligen Kern finde, Taf. VI Fig. 26a, b, c, so kann ich hier nicht eine Verhornung der betreffenden Zellen annehmen, welche ja zu deren Tode führen mülste, sondern eben nur die Bildung einer differenten äufseren Parthie. Wenn man einer derartigen differenten Rindenschicht, welche sich nicht scharf von dem übrigen Plasmakörper der Zelle abgrenzt, nicht den Namen »Cuticula« zugestehen will, sondern diese letztere Bezeichnung ihrem Wortlaute entsprechend nur auf solehe Bildungen glaubt anwenden t) Archiv f. mikr. An. Bd.V S. 295. Jahrgang 1369. Über die inneren Kiemen der Batrachierlarven. 43 zu dürfen, welche sich durch eine scharfe Grenze deutlich in Form eines Häutchens von dem Plasmakörper ihrer Zelle abgrenzen, so würde es sich empfehlen, für die erstere Bildung eine besondere Bezeichnung, etwa »Crustula«, einzuführen. Indessen glaube ich darauf hinweisen zu müssen, dafs auch bei solchen Gebilden, welche man stets als echte Cutieula-Bildungen aufgefafst hat, wie z. B. den Chitinlamellen des Arthro- poden-Panzers oder den Conchiolinlagen, resp. den mit Kalk durchsetzten Conchiolinlagen der Mollusken gar nicht selten eine scharfe Grenze zwischen dieser Chitindecke und dem Plasmakörper der sie produeirenden Zelle ver- mifst worden ist, und ein so eontinuirlicher Übergang beider Substanzen in einander beobachtet ist, dafs eine directe Umwandlung des Plasma- körpers in die Chitinmasse angenommen werden mulste. So schreibt z. B. Tullberg in seiner Arbeit über den Ilummerpanzer und die Mollusken- schalen') S.26: »Was die Bildung der durchsichtigen Substanz (am Muskel- eindrucke der Schale von Mytilus edulis) betrifft, kann ich nichts anderes finden, als dafs sie von den darunterliegenden Zellen dergestalt gebildet wird, dafs die äufseren Theile der Zellen allmählich in Schalensubstanz in derselben Weise übergehen, wie die chitinogenen Zellen unter dem Hummer- panzer direct in diesen übergehen. « 5. Die respiratorischen Anhänge. Von dem convexen Distalrande aller vier Kiemenbogen ragen in ra- diärer Richtung und reihenweiser Anordnung zahlreiche ausschliefslich der Respiration dienende, und daher auch passend als Kiemen im engeren Sinne zu bezeichnende, complieirte Schleimhauterhebungen frei in das Wasser des Peribranchialraumes vor. Sie haben die Gestalt von Bäumchen mit freiem geraden Stamme und einer meistens etwas gestreckten Krone, deren verzweigte Äste schräge distalwärts von eimer axialen geraden Fort- setzung des Stammes abstehen. Taf. V Fig. 23 und 24. Bevor ich auf ihre nähere Beschreibung eingehe, will ich von der Grundlage sprechen, aus welcher sie sich erheben. Es ist dies eine an dem . !) K. Svenska Vetensk. Akad. Handlingar. Bd. 19. 1882. 44 F. E. ScHuuıze: eonvexen Distalrande jedes knorpeligen Branchiale liegende leistenförmige Schleimhauterhebung des Kiemenbogens, welche den Namen »Randleiste« führen mag. Während sich dieselbe am ersten und vierten Bogen gerade unter dem schmalen nach abwärts und lateral gerichteten Distalrande des betreffenden Knorpels hinzieht, fulst sie beim zweiten und dritten Bogen nicht nur auf dem zugeschärften Distalrande des Branchiale, sondern stützt sich auch noch auf den distalen Theil jener Fläche des dreikantigen Knor- pels, welche beim zweiten Bogen nach vorne, lateral und unten, beim dritten nach hinten, medial und unten sieht. Taf.V Fig. 23 und 24. Wenn auch die Randleisten im Allgemeinen ziemlich ebene parallele Seitenwandungen besitzen, so bleiben doch bei ihnen wegen ihrer Weichheit Längsfalten, Biegungen und besonders Verschiebungen an der stützenden Knorpelunterlage nicht aus, wodurch die Querschnittsbilder in mannigfacher Weise verzerrt erscheinen können. In dem bindegewebigen Stroma verlaufen, abgesehen von den hier nicht näher berücksichtigten Nerven und den kleinen ernährenden Blut- gefäfsen die Kiemenarterie, die Kiemenvene, die Lymphgefälse und der (nur dem vierten Bogen fehlende) Musculus marginalis. Taf.V Fig. 24. Wenngleich die Kiemenarterie und Kiemenvene im Allgemeinen dem convexen Knorpelrande, also auch unter einander parallel laufen, so ist doch zu bemerken, dafs sie aufser am medialen Anfangstheile auch an ihrem lateralen Ende dichter an einander liegen als in dem mittleren Theile des Verlaufes, wo sie besonders am zweiten und dritten Bogen mehr oder minder weit aus einander rücken. Taf. IV Fig. 22. Während der Durchmesser der Arterie (mit Ausnahme der Art. branch. I) bis an das blinde Ende ziemlich gleichmäfsig abnimmt, wächst in dem- selben Mafse der Durchmesser der nebenliegenden Vene. Stets liegt die Vene näher am Knorpel als die Arterie, meistens sogar dicht am zugeschärften Distalrande desselben, während die Arterie in dem freien distalen Theile der Randleiste verläuft. Bei den drei ersten (den vorderen) Bögen befindet sich (die Arterie erheblich weiter medial als die Vene. Taf. V Fig. 23 und 24. Beim vierten Bogen, wo beide Gefäfse überhaupt ganz nahe bei ein- ander liegen, tritt dies nieht deutlich hervor. Die Arterien sowohl wie die Venen enthalten in ihrer Adventitia eine Lage grolser, platter, viel- ästiger schwarzer Pigmentzellen, welche sich mit ihren Ausläufern in der Regel fast erreichen. Taf.IV Fig. 22. Über die inneren Kiemen der Batrachierlarven. 45 Zwischen diesen beiden Blutgefäfsen findet sich ein Lymphgefäfs, dessen Weite zwar sehr wechseln kann, aber im Ganzen doch dem Durch- messer der nebenliegenden Blutgefäfse nieht nachsteht. Aufserdem sieht man an Querschnitten der Randleisten stets noch mehrere kleinere Lymph- gefässe verschiedener Gröfse und Lage. Von besonderem Interesse ist der schon oben als M. marginalis be- schriebene quergestreifte Muskelfaden, welcher in dem distalen Theile der Randleiste des I., II. und II. Branchiale in convexem Bogen parallel mit dem Knorpelrande dahinzieht und stets mit dem Distalrande der Arteria branchialis in deren ganzer Ausdehnung so eng verbunden ist, dafs er bei jeder Zusammenziehung zuerst und direct auf diese Arterie zusammendrückend oder verengernd wirken mufs. Taf. V Fig. 23 und 24. Der Querschnitt dieses Muskelfadens erscheint unregelmäfsig rundlich oder an der Seite, mit welcher er der Kiemenarterie anliegt, etwas abgeplattet. Er hat einen Durchmesser von 0""2 bis 0""3 und besteht aus 30 bis 60 kräftigen quer- gestreiften Muskelfasern. Taf. V Fig. 24 m I. Gewöhnlich sind unmittelbar neben demselben Lymphgefäfse vorhanden; auf welche dann die zu den Kiemenbäumehen hinziehenden, von Kiemenarterie und Kiemenvene recht- winkelig abgehenden Blutgefäfse folgen. Auf dickeren Querschnitten sieht man meistens den Muskel von zwei divergirenden Seitenästen der Art. branchialis seitlich umfafst. Taf. V Fig. 24. Zuweilen kommt es auch vor, dafs ein Seitenästehen derselben den Muskelfaden durchbohrt und ihn so an der betreffenden Stelle in zwei Faserbündel spaltet. Die Äste der Vena branchialis begleiten zwar im Allgemeinen die zu- gehörigen Arterienäste; da aber die Vena branchialis dem Knorpel näher anliegt und sich mehr vorne-lateral befindet als die Arteria branchialis, so muls der basale Theil der Venenäste isolirt verlaufen, und der von den hinteren-medialen Kiemenbäumehen zurückkehrende Venenzweig sich von seinem zugehörigen Arterienaste trennen, um sich quer über den Muskel- faden an dessen distaler Seite hinüberzulegen und so den lateralen Venenast zu erreichen. Taf. V Fig. 24. Nach der Angabe der bisherigen Autoren sollen die Kiemenbäumehen streng reihenweise angeordnet stehen, und zwar nach Naue (Nr.12 8.157) auf jedem Bogen in zwei parallelen Längsreihen, im Gegensatze zu Boas und anderen, welche auf den drei vorderen Bögen je zwei Reihen, auf dem vierten dagegen nur eine Reihe annehmen. 46 FE: E.Sceuurze: Während Boas, Nr. 10 S.541 sagt: » Von solchen Büscheln findet sich eine ziemliche Anzahl in ein paar alternirenden Reihen am Hinter- rande jeder der drei ersten Kiemenbogen«, giebt Naue Nr.12 S.158 an, dafs »die Kiemenbäumchen der beiden mittleren Bogen am Regelmäfsigsten stehen, so dafs die einzelnen Bäumchen je zweier Reihen desselben Bogens einander genau gegenüber stehen«. Bei den Pelobates-Larven ist die reihenweise Anordnung der Kiemen- bäumehen zwar im Allgemeinen nicht zu verkennen, jedoch nieht überall so scharf ausgeprägt, dafs sich auf jedem beliebigen Querschnitte desselben Bogens die gleiche Anzahl von isolirten Stämmchen fände. Auch ist weder ein regelmäfsiges Alterniren der Glieder benachbarter Reihen, noch ein ge- naues Gegenüberstehen ganz eonsequent durchgeführt. Vielmehr tritt durch Ausweichen von Bäumcehen aus den Hauptreihen einestheils, und durch Selbständigwerden eines Seitenzweiges zu einem gesonderten Stämmcehen bei manchen Gliedern der Hinterreihe andererseits an den drei vorderen Bogen (und zwar besonders an deren Mitteltheile) eine Vermehrung der Längsreihen mit theils alternirender, theils gegenständiger Stellung ein. Zunächst würde man wohl erwarten, dafs durch die Seitenäste der Art. branchialis, welche ja den Muse. marginalis umklammern, zwei Parallelreihen von gegenständigen Gefäfsbäumehen überall da gebildet würden, wo überhaupt ein Randmuskel existirt, also an den drei ersten Bogen; und dies ist auch zweifellos die ursprüngliche Anlage. In dem hier beschriebenen Entwickelungs- stadium zeigen sich jedoch an dem ersten Bogen in Wirklichkeit drei, beim zweiten und dritten Bogen sogar (wenigstens an ihrem Mitteltheile) vier Längsreihen von theils alternirenden, theils gegenständigen Bäumcehen. Taf.V Fig.24. Nur an dem vierten Bogen, welcher keinen Randmuskel besitzt, finde ich, wie Naue, nur zwei Längsreihen gegenständiger Bäumcehen, während hier Boas eine Reihe annimmt, und andere Autoren die respiratorischen Fortsätze sogar ganz vermifst haben. Überall steigt die Höhe der Bäumchen und die Reichlichkeit ihrer Verästelung am medialen Ende des Bogens rasch an, bleibt dann an den mittleren zwei Dritttheilen nahezu gleich und fällt nach dem lateralen Ende zu allmählich ab. Da alle Bäumchen von dem convexen Distalrande des Knorpels rechtwinkelig radiär abstehen, so müssen sie in der Weise etwas divergiren, dafs die vordersten schräge nach vorne und abwärts, die mittleren gerade senkrecht nach abwärts und die hinteren schräge nach abwärts und hinten ragen. Taf. IV Fig.22. Uber die inneren Kiemen der Batrachierlarven. 47 Der Angabe der Autoren, dafs die Verzweigung der Bäumchen nach allen Seiten gleichmäfsig reichlich erfolge, mufs ich widersprechen, da ich den nach vorne und lateral gewandten Rand des Axenstammes der Krone frei von Ästen finde, und auch an dem Vorderrande der primären und seeundären Seitenzweige die Äste vermisse. Taf. V Fig. 24, siehe die beiden Randbäumcehen. Sämmtliche Zweigenden sind vielmehr von der vorderen-lateralen Fläche abgewandt und vorwiegend nach hinten gerichtet. Taf. V Fig. 23. Während die Stärke der Zweige im Allgemeinen von der Basis bis zum Gipfel der Bäumehen abnimmt, wird gleichzeitig der Winkel, welchen sie mit der Stammaxe machen, spitzer. Wie die vom Stamme abtretenden Hauptzweige in 2—3 undeutlichen Längsreihen alternirend stehen, so ist es auch mit ihren eigenen seeundären und tertiären Ästen der Fall. Von den letzten dünnen Zweigenden gehen an beiden Seiten alter- nirend Capillarschlingen unter einem Winkel von etwa 45° ab und jedes Zweigende endet selbst mit einer solchen terminalen Capillarschlinge. Taf. V Fig. 24 und Taf. VI Fig. 33: Für die einzelnen Kiemenbogen ergeben sich hinsichtlich der Zahl, Ausbildung und Vertheilung der Bäumchen folgende Verhältnisse. Von den drei parallelen Längsreihen des ersten Bogens zeigen die beiden vorderen, welche den muse. marginalis zwischen sich fassen, je 10-—12 schlanke Bäumehen, welehe etwa die Höhe von 1”" erreichen, während die hintere, allerdings nur an dem Mitteltheile des Bogens aus- gebildete dritte Reihe nicht nur an Zahl (6—8) der Bäumcehen zurücksteht, sondern auch in der Gröfse und Form derselben abweicht. Diese hintere Reihe besteht nämlich aus gestauchten niedrigen Bäumehen mit kurzem Stamme und mehr seitlich ausgebreiteter Krone, welche nicht sowohl radiär frei vorsteht, als vielmehr sich um den hinteren Seitenrand der Randleiste bis zum Unterrande der Filterleisten hinaufbiegt. Man wird die Bäumchen dieser letzteren Reihe als abgetrennte und selbständig gewordene Äste der in gleicher Transversalebene neben ihnen stehenden schlanken Bäumehen der benachbarten mittleren Reihe anzusehen haben, mit welchen sie sich auch nach dem medialen und lateralen Ende des Bogens zu immer näher verbinden, um schliefslieh als gröfsere Basaläste derselben zu erscheinen. Im Ganzen finden sich also auf dem ersten Bogen etwa 30 Bäumchen. 48 E. E. ScHüLze: Beim zweiten Bogen sieht man an dem vorderen-lateralen Rande der Randleiste eirca 12 kräftige, schlanke, bis zu 2”" hohe Bäumehen in einer deutlichen geraden Längsreihe geordnet. Dahinter folgt eine zweite Reihe von ebensoviel und gleich hohen schlanken Bäumehen, welehe aber mit den Gliedern der Vorderreihe alterniren. Die dritte Parallelreihe be- steht aus ebensoviel, doch etwas minder hohen Bäumehen, von welchen sich indessen ein hinterer Seitenast (wenigstens bei den mittleren zwei Drittheilen der Reihe) so vollständig und tief abgespalten hat, dafs er zu einem gesonderten Bäumchen mit gestauchter und gegen das Filter zu hinaufgekrümmter Krone geworden ist. Taf. V Fig. 24. Die Glieder dieser hinteren Doppelreihe pflegen mit denjenigen der Vorderreihe in gleicher Transversalebene, also gegenständig zu stehen. Die Zahl der Bäumehen sind beim zweiten Bogen auf etwa 40 zu schätzen. Der dritte Bogen zeigt zwar im Allgemeinen die gleiche Zahl, Gröfse und Anordnung der Kiemenbäumchen wie der zweite, doch haben sich hier die nach aufwärts gebogenen hinteren Basaläste der dritten Reihe noch tiefer abgespalten und noch deutlicher zu selbständigen, von ihrem Mutter- stamme oft ziemlich weit abgerückten Stämmehen ausgebildet, so dafs man an dickeren Querschnitten der mittleren Region des Bogens gewöhnlich deutlich 4 Bäumehen nebeneinander unterscheidet, welche allerdings nicht genau in einer Transversalebene stehen. Nach den beiden Enden des Bogens zu nimmt jedoch die Zahl der Glieder einer Querreihe ab bis auf 2. Die Gesammtzahl der Bäumchen beträgt hier, wie beim zweiten Bogen, etwa 40. Die beiden Kiemenbäumchenlängsreihen des vierten Bogens entsprin- gen dicht nebeneinander, was offenbar mit dem Mangel des Randmuskels an diesem Bogen zusammenhängt (Taf.V Fig.23). Während bei den drei vorderen Bogen die Bäumchen der vorderen Reihen die gröfseren waren, ist es hier umgekehrt. Die vordere Reihe besteht aus 10—12 niedrigen, etwas gegen das Filter hinaufgekrümmten Bäumehen mit kurzem Stamme und gestauchter Krone. Von den entsprechenden gegenständigen Bäumehen der Hinterreihe erreichen die 5 oder 6 mittleren eine Durchschnittslänge von 2”” und setzen sich dadurch ziemlich schroff sowohl gegen die vorderen Bäumcehen als auch gegen die lateralen und medialen Endglieder ihrer Reihe ab, welche mit den zugehörigen Gegengliedern der Vorderreihe die gleiche geringe Höhe Uber die inneren Kiemen der Batrachierlarven. 49 haben. Die Zahl der dem vierten Bogen zukommenden Bäumcehen kann zu etwa 20 angenommen werden. Mit Berücksichtigung der oben angegebenen Zahlen für die übrigen Bogen kommen demnach jedem Kiemenkorbe 30 + 40 + 40 + 20130, also an beiden zusammen 260 Kiemenbäumcehen zu. Für die richtige Auffassung des feineren Baues der Kiemenbäumchen ist es wichtig, festzuhalten, dafs jedes derselben in der Hauptsache von einer einzigen, wenngleich sehr reich verzweigten Blutgefäfsschlinge gebildet wird, so dafs nicht nur der Stamm sondern auch sämmtliche Äste bis zu den feinsten, je eine Capillarschleife enthaltenden Endzweigen stets nur zwei parallel neben einander liegende Gefäfse, ein zuführendes und ein abführendes, enthalten. Taf.V Fig. 24. Diese Blutgefäfse bilden, der physiologischen Aufgabe des ganzen Appa- rates entsprechend, zweifellos den wesentlichsten Bestandtheil desselben, so dafs alle übrigen an dem Aufbau betheiligten Gewebe dagegen zurück- treten. Doch ist es beachtenswerth und von den bisherigen Untersuchern nicht genügend hervorgehoben, dafs neben den Blutgefäfsen auch Lymph- gefäfse nieht nur in dem Stamme sondern auch in den Ästen der Krone bis zu den Capillarschlingen hin leicht zu verfolgen sind. Der Querschnitt des Stammes wie jedes einzelnen Astes zeigt im Allgemeinen einen elliptischen oder ovalen Umfang, innerhalb dessen die beiden kreisrunden Blutgefäfs- querschnitte neben einander liegen, ohne jedoch direet mit einander ver- wachsen zu sein oder sich zu berühren. Taf. VI Fig. 34. In dem bindegewebigen Stroma, welches sie umgiebt, erkennt man die unregelmäfsig rundlichen Lymphgefäfsquerschnitte an ihrer dünnhäuti- gen Umgrenzung, in welcher hie und da auch ein der Wandung zugehöriger Kern wahrzunehmen ist (Taf. VI Fig.34). In den feineren Ästehen und den capillaren Endschlingen gelingt es jedoch nieht mehr Lymphgefäfse mit besonderer Wendung zu erkennen. Das Epithel des Stammes und der gröfseren Ästehen besteht gleich demjenigen der Randleiste und des Filters aus annähernd cubischen Zellen mit grofsem hellem Kerne und einer zarten Grenzeuticula. Taf. VI Fig. 34. Man kann ihm auch hier insofern eine zweischichtige Anordnung zu- schreiben, als sich häufig unter der continuirlichen äufseren Zellenlage noch einzelne tiefer gelegene Zellen befinden. Andererseits erreichen jedoch die äufseren Zellen in der Regel die Oberfläche der bindegewebigen Grundlage, Phys. Abh. 1892. III. 7 50 F. E. Scuurze: so dafs hierdurch eine im Wesentlichen einschichtige Lage gebildet ist. Dies gilt besonders von den zarteren Zweigen und ganz ausschliefslich von den capillaren Endsehlingen, wo die Zellen sich stark abplatten und schliefs- lich eine ganz dünne Grenzschicht bilden. Taf.VI Fig.35 und 36. 6. Die Athmungsbewegungen. Meine Untersuchungen über den Mechanismus der Athmungsbewegungen begannen mit der Feststellung derjenigen Bewegungserscheinungen, welche an normalen, aber durch längeres Fasten etwas abgemagerten, kräftig und gleichmäfsig athmenden Thieren direet wahrgenommen werden können. Sodann wurden auch die nicht ohne Weiteres deutlich erkennbaren Bewe- gungen einiger tiefer gelegenen Theile an solchen Larven studirt, bei welchen einzelne Parthien der die Respirationsorgane deekenden Haut und der pig- mentirten, vom Rande des Suspensoriums herabragenden Faseia lateralis fortgenommen waren. Für diese Beobachtungen erwies sich die Westien sche Doppellupe besonders nützlich. Die Inspiration beginnt mit Öffnung des Mundes. Richtet man hierbei die Aufmerksamkeit zunächst auf die Lippen, so zeigt es sich, dafs der Vorderrand der im Ruhezustande schräge nach abwärts und vorne gerich- teten Unterlippe stark gesenkt und dabei etwas nach vorne geschoben wird, während der freie Rand der im Ruhezustande ebenfalls schräge nach abwärts und etwas nach vorne gerichteten Oberlippe sich hebt und dabei etwas nach vorne bewegt. Dadurch wird der ganze Lippentrichter erweitert und (besonders in seinem unteren Theile) ein wenig nach vorne geschoben. Diesen Lippenbewegungen entsprechen folgende Bewegungen der Kiefer. Die \förmige Hornscheide der Infrarostralia, deren scharfe Rand- kante im Ruhezustande ziemlich gerade nach vorne gerichtet ist, senkt sich durch eine Drehung des Unterkiefers im Aufhängegelenk um die hori- zontale Queraxe stark nach abwärts. Die halbkreisförmige Schneide der Oberkieferhornplatte bewegt sich dagegen nach vorne und oben durch eine Drehung ihrer Träger, der Suprarostralia, um die Queraxe in der Band- verbindung mit den Cornua trabeeulorum. Uber die inneren Kiemen der Batrachierlarven: 51 Unmittelbar nach der Öffnung des Mundes sieht man am unversehrten Thiere den Processus lateralis des Ceratohyoids, welcher die Haut vor und abwärts vom Auge in einem kleinen Höcker vorwölbt, beträchtlich nach oben und etwas nach vorne rücken und dabei die darüber gelegene dem Musculus orbito-hyoideus entsprechende Hautparthie sich schwach vor- bauchen. Zugleich erfolgt eine ausgiebige Abwärtsbewegung der unter dem Mitteltheile des Zungenbeinbogens liegenden Hautparthie. Auch bemerkt man gewisse Niveauänderungen der Haut unter und hinter dem Auge entsprechend der Lateralfläche des Kiemenkorbes, ohne jedoch am unversehrten Thiere mehr erkennen zu können, als dafs der hintere obere Theil des Kiemenkorbes sich hebt, zugleich etwas nach hinten und lateralwärts rückt, und dafs sich dabei die Haut dicht unter- halb des lateralen Randes des Suspensoriums ein wenig nach aufsen (lateral) vorbaucht. Endlich kann man an dem Randsaume des Spiraculum con- statiren, dafs die Öffnung desselben ziemlich unverändert bleibt. Um über die Bewegungen des Zungenbeinbogens und des Kiemen- korbes noch genauere Auskunft zu gewinnen, habe ich mit einigen Scheeren- schnitten die Haut, welche den Kiemenkorb unten und lateral deckt, vom Spiraculum ausgehend, weggenommen und bei manchen Larven aufserdem auch noch so viel von der mehr proximal gelegenen stark pigmentirten Fascia lateralis entfernt, dafs die Lateralfläche des Branchiale I und der Processus lateralis des Ceratohyoids frei vorlagen. Diese Eingriffe ver- tragen die Kaulquappen im Allgemeinen recht gut. Man sieht nun an den so hergerichteten Thieren sehr deutlich, dafs sich zugleich mit dem Hinaufrücken des Processus lateralis des Ceratohyoids dessen mediales, den Boden der Rachenhöhle stützendes Ende sammt dem Basihyoid senkt und etwas nach rückwärts bewegt, und auch die mit dieser mittleren Parthie des Zungenbeinbogens durch Gelenk und Fasermasse verbundene Hypobranchialplatte nebst den vorderen medialen Enden sämmtlicher Bran- chialia nach abwärts und hinten rückt, während sich gleichzeitig die hinteren-lateralen Enden der Branchialia nebst dem sie verbin- denden Epibrauchiale nach oben (auch etwas nach hinten und ein wenig lateralwärts) bewegen. Dabei machen die Kiemenbögen eine Kreisbogen- bewegung um einen schräge vor und unterhalb des Auges gelegenen Punkt nahezu in der Führungslinie ihrer eigenen halbkreisförmigen Biegung, und gehen durch die Hebung ihres Hinterendes aus der annähernd horizon- ME 52 EP: BE. Senurze: talen in eine der senkrechten mehr genäherte schräge Stellung über. Zu- gleich wird durch das Zurückdrängen der medianen Verbindungsplatte der beiden hinten auseinanderweichenden Kiemenkörbe eine Vergröfserung des Winkels, welchen diese letzteren miteinander machen, herbeigeführt. Haben nun diese Inspirationsbewegungen, nämlich 1. das Öffnen des Mundes, 2. das Senken des Bodens der Mundrachenhöhle und 3. das Heben des hinteren-lateralen Theiles des Kiemenkorbes ihren Höhepunkt erreicht, so beginnt sofort eine Reihe entgegengesetzter Bewegungen, indem sich l. der Mund durch Heben des Unterkiefers mit der Unterlippe und ge- ringes Senken des oberen Hornkiefers schliefst, gleich darauf 2. das Zungen- bein mit dem Boden der Mundrachenhöhle hebt und 3. der hintere laterale Theil des Kiemenkorbes senkt, endlich 4. die Öffnung des Spiraculum eine geringe Erweiterung erfährt. Doch geht dieser letztere Cyklus von Be- wegungen etwas schneller vor sich als der erstere. Sodann folgt eine kleine Ruhepause; worauf wieder die zuerst beschriebene Reihe von Inspirations- bewegungen einsetzt. Zur Beantwortung der Frage, wie und speeiell durch welche Muskel- zusammenziehungen diese verschiedenen Respirationsbewegungen zu Stande kommen, sollen zunächst die soeben mitgetheilten Ergebnisse der direeten Beobachtung mit den oben dargestellten anatomischen Verhältnissen in Be- ziehung gesetzt werden. Dafs beim Öffnen des Maules die Lippen nicht selbständig (etwa durch den Muse. mandibulo-labialis) bewegt, sondern nur passiv durch die Kiefer auseinander gedrängt werden, ergiebt sich daraus, dafs keine wesentliche Lageveränderung zwischen Lippen und Kiefern bei den Athmungsbewegungen zu beobachten ist. Jenes starke Zurücklegen und Zurückziehen der Lippen, welches der Muse. mandibulo-labialis ausführt, kommt nicht sowohl beim ruhigen Atlımen als vielmehr beim Fressen, und zwar besonders beim Ab- kratzen der an gröfseren festen Körpern haftenden kleinen Nahrungs- mittel, vor. Zum Herabziehen des Unterkiefers dienen zunächst die drei von hinten an den Angulus mandibulae inserirenden Muskeln, der M. ceratohyo-an- gularis, der Suspensorio-angularis und der M. quadrato-angularis, sodann aber auch, nach Fixirung seines hinteren Vorsprunges, der lange M. genio- hypobranchialis. Dafs zugleich mit dem Herabgehen des Unterkiefers, die dem vorderen-unteren Rande der beiden Suprarostralia aufsitzende Ober- Über die inneren Kiemen der Batrachierlarven. 53 kieferhornscheide sich heben mufs, erhellt aus der Lage und Befestigung jenes oben S. 8 erwähnten Lig. mandibulo-suprarostrale, welches am Vorderende des Mandibulare entspringt und hinter der transversalen Dreh- axe des Suprarostrale nach hinten und oben zieht, um sich an dem (das Adrostrale tragenden) hinteren Fortsatze des letzteren zu inseriren. Taf. ] Fig. 4, I Fig. 14 und 15, sowie Holzschnitt S. 5. Die so auffällige Abwärtsbewegung des mittleren Theiles des Hyoid- bogens mit geringer Verschiebung nach hinten kann dureh Contraction der beiden Muse. orbito-hyoidei bewirkt werden, welche dem lateral und und abwärts vorspringenden Processus lateralis jedes Ceratohyoids nach oben und etwas nach vorne ziehen, und so den langen medialen Hebel- arm des Ceratohyoids senken und etwas zurückführen. Ähnlich muss der zarte Muse. suspensorio-hyoideus wirken. Dafs nun durch diese nach abwärts und etwas nach hinten gerichtete Bewegung der mittleren Hyoidbogenparthie auch die mit derselben gelenkig und durch Fasermasse verbundenen Hypobranchialia nebst den medialen- vorderen Enden der Branchialia mitgezogen werden, ist zweifellos; doch kann die leicht wahrnehmbare Bewegung dieses centralen-vorderen Theiles jedes Kiemenkorbes nach hinten und etwas nach abwärts auch erreicht werden durch Action des paarigen Musc. diaphragmato-branchialis medialis, welcher, von der ventralen Parthie des prall gespannten Diaphragma’s nach vorne und oben zum Proc. branchialis gehend, diesen letzteren nach hinten und etwas nach abwärts bewegen muss. Dafs dabei die hinteren-lateralen-oberen Enden der Kiemenbogen nebst dem Epibranchiale nicht auch nach abwärts und hinten sondern vielmehr nach oben und etwas lateralwärts rücken, kann durch gleich- zeitige Contraction der Levatores arcuum branch. bewirkt werden, deren hinterste Faserbündel hierzu besonders befähigt erscheinen. Taf. I Fig. 15 und 16. Indessen würde auch wohl ohne die activ hebende Wirkung dieser Muskeln die laterale-hintere-obere Ecke jedes Kiemenkorbes bei dem nach hinten gerichteten Drängen der medialen - vorderen -unteren Parthie desselben nach oben emporsteigen müssen, weil sie am Zurückweichen in horizontaler Richtung durch das hinterliegende prall gespannte Diaphragma und den schräge nach vorne zu absteigenden Schultergürtel nebst der vorderen Extremität gehindert ist, während sie dagegen nach hinten-oben und lateral durch eine Kreisbogenbewegung des Kiemenkorbes ausweichen 54 BE. Br SicHiuwize und sich bis zum Suspensorium hinauf erheben kann. Es wird dies um so leichter geschehen können, als sich gerade über und hinter dem Epi- branchiale kein festes Organ, sondern ein grösserer Lymphraum mit nach- giebiger Wandung befindet, in welchem jene hintere-obere Parthie des Kiemenkorbes unbehindert sich verschieben und in welchen sie unbehindert nach oben zu eindringen kann. Das nun sofort folgende Schliefsen des Maules und Heben des Mund- bodens sammt der Zunge kann durch die Emporzieher des Unterkiefers, nämlich den Musc. temperalis, den Pterygoideus und den Masseter, sowie durch den Herabzieher der Suprarostralia, den Muse. subtemporalis, bewirkt werden. Die Aufwärtsbewegung des Mitteltheiles des Zungenbeinbogens mit dem Boden der Rachenhöhle vermag der Muse. subhyoideus durch Medianwärtsziehen der beiden herabragenden Processus laterales der Cerato- hyoidea herbeizuführen, indem hierdurch die medialen Enden dieser Knorpel als Schenkel eines Winkelhebels nach oben und zwar in eine Stellung gedrängt werden, welche auch ihrer Ruhelage entspricht. Dem empor- steigenden und dabei ein wenig nach vorne rückenden Mitteltheile des Zungenbeinbogens folgt das Hypobranchiale mit dem medialen - vorderen Theile beider Kiemenkörbe. Dies Nachziehen der Kiemenkörbe in der Richtung nach vorne durch das Basi- und Ceratohyoid kann noch ver- stärkt werden dureh eine gleichzeitige Action der beiden Mm. ceratohyo- branchiales und basihyobranchiales. Ferner kann auch der Musc. genio-hypobranchialis mitwirken, welcher beim HHinauf- und Vorrücken des Kiemenwinkels selbst dann das Hypo- branchiale nach vorne ziehen würde, wenn er sich nicht contrahiren sondern nur als Band dienen würde. Das Herabgehen des hinteren-lateralen- oberen Theiles der Kiemenkörbe kann aufser durch die Schwere von dem Muse. diaphragmato-branchialis lateralis veranlafst werden, welcher Muskel gerade diesen Theil des Kiemenkorbes bei seiner Contraction nach abwärts und etwas medianwärts zieht. Conf. Taf. I Fig. 9 u. 10. Auch ist zu berücksichtigen, dafs das Wasser, welches bei der voraus- gegangenen Inspiration durch die Mundöffnung in die Mundrachenhöhle aufgenommen war, durch das Hinaufgehen des ganzen Bodens dieser Höhle nach hinten in den Raum oberhalb der Kiemenhöhlen und in diese selbst gedrängt wird, wodurch ein Hinabdrängen des vorher emporgezogenen beweglichen Hintertheiles der Kiemenkörbe veranlafst wird. Uber die inneren Kremen der Batrachierlarven. 55 Dafs die Erweiterung des Spiraculums bei der Exspiration durch das ausströmende Wasser und nicht etwa durch einen besonderen Muskel bewirkt wird, ist um so weniger zweifelhaft, als sich kein Muskel findet, welcher hierzu geeignet erscheinen könnte. Es zeigt sich demnach, dafs die einzelnen Athmungsbewegungen sich gröfstentheils auf mehrere Ursachen, speciell auf die Action verschiedener Muskeln oder Muskelgruppen beziehen lassen. Und es fragt sich, welehe von den zu einer bestimmten Bewegung an sich dienlichen Muskeln in dem einzelnen Falle auch wirklich in Anspruch genommen werden. So kann es zweifelhaft erscheinen, ob während der Inspiration zum Öffnen des Mundes alle drei am Angulus mandibulae angreifenden (oben genannten) Herabzieher des Unterkiefers in Action treten, und ob hierbei auch der Muse. genio-hypobranchialis betheiligt ist; ob zum Senken des Hyoids nur der Muse. orbito-hyoideus oder zugleich auch der Muse. suspen- sorio-hyoideus dient, ob zu der nach abwärts und hinten gerichteten Be- wegung des Hypobranchiale der Muse. diaphragmato-branchialis medialis beiträgt, oder ob das Zurückdrängen durch das Basihyoid und die medialen Theile der Ceratohyoidea hierzu genügt: ob endlich das Hinaufgehen des hinteren oberen Theiles der beiden Kiemenkörbe allein von der Action der Levatores arcuum branchialium abhängig ist, oder auch durch das Zurück- drängen des mittleren Theiles des Hyoidbogens mit veranlafst wird. Ebenso fragt es sich, ob zum Schliefsen des Mundes aufser dem Muse. subtemporalis alle drei IHleber des Unterkiefers zusammen in Action treten: ob zum Heben des Bodens der Mundrachenhöhle der Muse. subhyoideus allein Verwendung findet, oder ob auch der Muse. submaxillaris wenigstens zum Empordrängen der Zunge mithilft; ob schliefslich zur Abwärtsbewegung des Epibranchiale neben der Schwerkraft und der Füllung der Kiemenkorb- höhlen mit dem von vorne her eingedrängten Wasser auch der Muse. dia- phragmato-branchialis lateralis und etwa auch noch der Muse. basihyo- branchialis und ceratohyo-branchialis wirksam sind. Während sich zur Beantwortung einiger dieser Fragen die Ergebnisse der Beobachtung insofern verwerthen lassen, als es bei einzelnen Muskeln nach der Freilegung leicht gelingt, ihre active Verkürzung durch eine deut- liche Zunahme ihres Diekendurchmessers während der betreffenden Athmungs- bewegung jedesmal direet wahrzunehmen, ist dies in anderen Fällen da- durch möglich, dafs man während der Annäherung der beiden Fixirungs- 56 F. E. ScHurze: punkte eines freigelegten Muskels zwar benachbarte Theile, nicht aber seine eigenen Fasern sich in Falten legen sieht. In manchen Fällen fehlen jedoch diese Anhaltspunkte, oder sie liefern, wie bei den ganz kurzen oder tiefliegenden Muskeln, nur unsichere Resultate. Immerhin werden die auf die angegebene Weise am lebenden Thiere gemachten direeten Wahrnehmungen von besonderer Wichtigkeit sein für die Erklärung des Zustandekommens der betreffenden Bewegungen und sollen daher hier etwas näher besprochen werden. Während der Boden der Mundrachenhöhle sich senkt, sieht man zu- gleich mit dem Emporgehen des Processus lateralis des Ceratohyoids jedes- mal den Muse. orbito-hyoideus sich erheblich verkürzen und dabei an Diekendurchmesser zunehmen. Beim Heben des Bodens der Mundrachenhöhle dagegen bemerkt man zugleich mit der nach abwärts und medial gerichteten Bewegung des Pro- cessus lateralis des Ceratohyoids jedesmal eine Verkürzung und Ver- diekung des Muse. subhyoideus. Da zugleich mit der letztgenannten Bewegung sich die pigmentirten Gefäfse, welche neben dem langen Muse. genio-hypobranchialis hinziehen, in Falten legen, die Fasern dieses Muskels selbst aber glatt gespannt er- scheinen, wäre es möglich, dafs der Muse. genio-hypobranchialis sich zu- gleich mit dem subhyoideus eontrahirte und so bei dem gleichzeitigen Vor- rücken seines vorderen Insertionspunktes, nämlich des Kinnwinkels, das Hypobranchiale nach vorne zöge. Indessen könnte auch das Anspannen der Muskelfasern und die Faltelung der benachbarten Blutgefäfse schon allein durch das Vorrücken des Kinnwinkels bewirkt werden. Ob der Muskel sich hierbei wirklich verdickt, ist wegen seiner Dünne nicht deutlich zu erkennen. Dafs beim Zurückgehen der vorderen medialen Parthie jedes Kiemen- korbes der dem Herzbeutel anliegende Muse. diaphragmato - branchialis medialis jedesmal wirklich in Action tritt, glaube ich aus dem Umstande mit Wahrscheinlichkeit schliefsen zu dürfen, dafs er sich während dieser Näherung seines vorderen Ansatzpunktes an den hinteren Ursprung nicht in Falten legt, sondern stramm gespannt bleibt. Freilich ist hierbei eine Änderung des Diekendurchmessers ebenfalls nicht direct erkennbar. Aus dem gleichen Grunde glaube ich auch zu der Annahme berechtigt zu sein, dafs bei der entgegengesetzten Bewegung, nämlich beim Hinaufgehn des Über die inneren Kiemen der Batrachierlarxen. 7f hinteren-lateralen Kiemenkorbendes, die Levatores arcuum branch. in Wirk- samkeit treten. Jedenfalls läfst sich aus den soeben mitgetheilten direeten Beobachtun- gen schliefsen, dafs sowohl der Muse. subhyoideus als auch der paarige Muse. orbito-hyoideus sich regelmäfsig und in hervorragender Weise am Zustandekommen der normalen Respirationsbewegungen betheiligen, und dafs sie neben den Senkern und Hebern des Unterkiefers sowie den Senkern und Hebern des hinteren Theiles jedes Kiemenkorbes die wichtigsten Athemmuskeln darstellen. Welche von den übrigen, oben näher besprochenen, meist kleineren und schwächeren Muskeln des Respirationsapparates noch aufserdem bei den gewöhnlichen ruhigen Athmungsbewegungen betheiligt sind, liefs sich auf die angegebene Weise durch directe Wahrnehmung nicht feststellen. Indessen ist wohl anzunehmen, dafs die meisten derselben nicht regel- mäfsig, sondern nur gelegentlich, sei es zur Verstärkung der allgemeinen Respirationsbewegungen, sei es zur Erzielung bestimmter Einzelbewegungen dieses oder jenes Theiles dienen. Indem ich die Besprechung dieser letzteren, nur hin und wieder unter besonderen Bedingungen auftretenden Bewegungen mir noch vorbehalte, gehe ich jetzt zur Schilderung der Effeete über, welchen die normalen regelmäfsigen Athmungsbewegungen für die Aufnahme des Wassers und die Bespülung der respiratorischen Fortsätze der Kiemenbogen mit dem- selben haben. Zur Entscheidung dieser Frage suchte ich zunächst die Bewegungen des Wassers vor den Zugangs- resp. Ausgangs -Öffnungen der Respirationswege in den verschiedenen Phasen der Athmung durch direete Beobachtung fest- zustellen. Um die Wasserströme in ihrer Richtung und Stärke deutlich wahr- nehmen zu können, brachte ich in die Nähe der beiden äufseren Nasen- löcher, der Mundöffnung und des Spiraculums kleine im Wasser suspen- dirte gefärbte Partikel verschiedener Art, in der Regel Körnchen von Berlinerblau oder den zerriebenen Koth der Larven. Beim Spiraculum bildete ich durch einige Scheerenschnitte ein schmales herabhängendes Haut- läppchen, dessen Bewegungen diejenigen des Wassers deutlich anzeigten. Es stellte sich alsbald heraus, dafs bei der schon oben wiederholt als »Inspiration« bezeichneten Reihe von Bewegungen, welche unmittelbar Phys. Abh. 1892. II. 8 58 PR. EB. Siemun zer hintereinander, ja fast gleichzeitig erfolgen, nämlich dem Öffnen des Mundes, Senken des Bodens der Mundrachenhöhle und Emporrücken des hinteren Theiles der Kiemenkörbe, jedesmal sowohl durch die Nasenöffnungen, als durch die Mundöffnung Wasser in mehr oder minder starkem Strome eintritt, während am Spiraculum das Wasser entweder in Ruhe ist oder sogar in schwachem Strome austritt. Umgekehrt ist es bei dem gleich darauf folgenden Cyklus der entgegen- gesetzten, in ihrer Gesammtheit wohl unbedenklich als »Expiration« zu bezeichnenden Bewegungen, dem Schliefsen des Mundes, Heben des Bodens der Mundrachenhöhle und Hinabrücken des hinteren Theiles der Kiemen- körbe. Während dieser Expiration findet ein schwaches und kurzes Aus- strömen von wenig Wasser aus der Mundöfinung, kein oder ein kaum merkliches Ausströmen aus den beiden Nasenlöchern, dagegen ein ziemlich kräftiges Ausstofsen einer erheblichen Wassermenge durch das verhältnifs- mälsig weite Spiraculum statt. Dafs bei der Expiration trotz des Schliefsens der Mundöffnung durch diese letztere etwas Wasser austritt, liegt offenbar daran, dafs jener Schlufs kein ganz vollständiger ist, indem zwischen den harten Kiefern ein feiner Spalt bleibt und die weichen Lippen überhaupt nicht zur gegenseitigen Berührung kommen. Der Austritt des Wassers durch die Nasenöffnungen wird jedoch ziemlich vollständig durch die als Klappenventile wirkenden Choanenklappen verhindert. Im Ganzen wird demnach bei der Inspiration jedesmal ein gewisses Quantum Wasser durch die Mundöffnung und die beiden Nasenlöcher ein- geführt, und bei der Expiration eine nahezu gleich grolse Wassermenge durch das Spiraculum ausgestofsen. Dafs die letztere Quantität der ersteren nieht völlig gleichkommt, liegt daran, dafs bei der Expiration immer wieder etwas Wasser durch die Mundöffnung austritt. Demnach kann das Athmen der Pelobates-Larven im Allgemeinen als eine Schluck- bewegung aufgefafst werden, mittelst welcher das bei der Inspiration durch die Mund- und Nasenöffnungen in die Mundrachenhöhle aufge- nommene Wasser bei der Expiration in die Kiemenkorbhöhlen, von da aus durch die Kiemenspalten in den Peribranchialraum und von dort durch das Spiraculum nach aufsen gedrängt wird. Bemerkenswerth ist dabei die rhytmische Änderung in der Stellung der Kiemenkörbe, wodurch bei der Inspiration der zwischen den Kiemen- Uber die inneren Kiemen der Batrachierlarven. 59 deckplatten befindliche breite Eingangsspalt jedes Kiemenkorbes sich jedesmal aus der horizontalen Lage aufrichtet und dem von vorne her andringenden Wasser sich so entgegenstellt, dafs dieses leicht und unmittelbar in die Kiemenkorbhöhle eindringen kann, sobald es beim Verengen der Mund- rachenhöhle im Expirationsstadium durch Heben des Bodens der Mund- rachenhöhle nach hinten geprefst wird. Auch scheint es mir nicht un- wichtig zu sein, dafs während der Inspiration durch die Bewegung der Kiemenbogen in ihrer eigenen halbkreisförmigen Führungslinie nach hinten und oben die in den Peribranchialsack hinabragenden respiratorischen Fort- sätze das sie umgebende Wasser des Peribranchialraumes nach hinten schieben, wodurch sich das zuweilen nicht unbeträchtliche Ausströmen von Wasser aus dem Spiraculum auch während der Inspiration erklärt. Ausser den bisher allein berücksichtigten normalen Bewegungen des ruhigen rhythmischen Athmens kommen nun aber zeitweise und gelegentlich auch noch andere Bewegungen der Athmungswerkzeuge vor, welche zum Theil mit den schon besprochenen Hülfsmitteln der gewöhnlichen Athmung, zum Theil auch unter Zuhülfenahme von bisher nicht berücksichtigten Muskeln ausgeführt werden. Schon die bei besonderen Veranlassungen eintretende verstärkte oder stürmische Athmung gehört hierher, bei welcher entweder ungewöhnlich grofse Wassermassen in übrigens regelmäfsiger Weise aufgenommen und wieder ausgestofsen werden, oder eine mehr- malige, ungewöhnliche schnelle Wiederholung der einfachen bekannten Athmungsbewegungen stattfindet. Hierbei scheinen jene Muskeln in Action zu treten, welche ich oben als Hülfsmuskeln der gewöhnlich allein thätigen Hauptathemmuskeln aufgeführt habe. Bisweilen kann man jedoch auch Bewegungen wahrnehmen, welche sich von denjenigen der normalen Athmung nicht nur quantitativ, sondern auch ihrem Wesen und ihrer Wirkung nach unterscheiden. So kommt zum Beispiel hin und wieder ein ruckweises, starkes Ausstolsen von Wasser dureh das Spiraculum vor, während dessen man eine entsprechend kurze, fast momentane Contraetion derjenigen vorgewölbten ventralen Hautregion bemerkt, welche unter den beiden Kiemenkörben liegt. Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, dafs dies die Folge einer plötzlich eintretenden Zusammenziehung jener Fasern des Musc. subbranchialis ist, welche vom Ventralrande jedes Branchiale I und der Fascia lateralis entspringen, und im ventral-convexen Bogen convergirend medianwärts ziehen, um in der g+ 60 RM ErSommnze: medianen Inseription des Herzbeutels zusammenzutreffen und an derselben zu inseriren. Es ist oben bei der Beschreibung des Muse. subbranchialis, S. 29, näher auseinandergesetzt, dafs die Wirkung der Zusammenziehung des eben erwähnten Theiles des Muse. subbranchialis in einer Verengerung des jeden Kiemenkorb ventral umgebenden Peribranchialraumes besteht. Dafs hierbei das in diesem Raume befindliche Wasser durch die gewöhnlich weit offen- stehenden hinteren-ventralen Ausgangspforten in den zum Spiraculum hin- leitenden queren Ausführungsgang gedrängt werden mufs, ist begreiflich, und wenigstens für den Fall zweifellos, dafs der andere noch mögliche Aus- weg aus dem Peribranchialraume, nämlich aufwärts durch die Kiemenspalten, verlegt ist. Anders liegt jedoch die Sache, wenn jene hinteren-ventralen Aus- gangspforten des Peribranehialraumes ganz oder theilweise geschlossen sind, was — wie ich oben S. 30 auseinandergesetzt habe, durch die im Vereine mit den Fasern des Muse. diaphragmato -praeeordialis eine Achtertour bil- denden schlingenförmig angeordneten hintersten Fasern des Muse. sub- branchialis wohl geschehen kann. Conf. Taf. I Fig. 11. Wenn in dem letzteren Falle nun noch alle oder einzelne Kiemenspalten durch Muskel- kraft erweitert und wegsam gemacht sind, so wird das im Peribranchial- raume vorhandene Wasser durch dieselben in die Kiemenkorbhöhlen und von da zurück in die Mundrachenhöhle, eventuell sogar durch die Mund- öffnung nach aufsen gedrängt werden. Ein derartiges stofsweises Zurück- drängen des Wassers aus dem Peribranchialraum dureh die Kiemenspalten und das Filter in die Kiemenkorbhöhlen und die Mundrachenhöhle läfst sich nun hin und wieder wahrnehmen und ist dann jedesmal verbunden mit einem kräftigen Ausstofsen der Wassermasse durch die Mundöffnung nach aulsen. Ich bin überzeugt, dafs dieser Complex von Bewegungen dazu dient, die auf der Filteroberfläche angesammelten Fremdkörper zeitweise durch die Mundöff- nung hinauszuwerfen. Damit stimmt jedenfalls die Thatsache, dafs einerseits derartige rückläufige Wasserstöfse gewöhnlich dann ausgeführt werden, wenn die Larve in ein reich mit festen Partikeln durchsetztes, etwa schlammiges Wasser geräth, und dafs sie andrerseits auch wirklich den supponirten Erfolg haben. Das Letztere läfst sich direet beobachten, wenn man gesunde Larven in stark mit Schlammtheilen durchsetztes Wasser bringt. Sie stolsen dann nach einigen Athemzügen die auf dem Filter angesammelten Fremdkörper plötzlich mit vielem Wasser durch die Mundöffnung aus. Uber die inneren Kiemen der Batrachierlarven. 61 Schon Duges hat darauf aufmerksam gemacht, dafs durch Contrae- tion des Muse. subbranchialis ein direeter Druck auf die respiratorischen Fortsätze ausgeübt werden kann, welcher zu einer theilweisen Entleerung ihrer Blutgefäfse führen und damit die Circulation befördern mufs. In ähnlicher, aber, wie ich glaube, noch weit wirksamerer Weise dienen hierzu die oben S. 26 ausführlich beschriebenen Musculi marginales. Wie aus, den Figuren Taf. IV Fig. 22 und Taf. V Fig. 23 und 24 leicht ersichtlich ist, liegt jeder dieser Muskelfäden, abgesehen von seinen beiderseitigen am Knorpel fixirten Enden, der ganzen Länge nach dem con- vexen Distalrande der betreffenden Arteria branchialis dicht an, und ist mit demselben eng verbunden; während die parallele Vena branchialis, welche unmittelbar an dem distalen Rande des Kiemenbogenknorpel hin- zieht, zwar etwas weiter von dem Muskel entfernt ist, aber doch auch zwischen dem letzteren und dem Knorpelbogen liegt. Taf. V Fig. 23 und 24. Auch die Lymphgefäfse, welche zwischen diesen beiden Blutgefälsen und in ihrer Umgebung verlaufen, befinden sich im Allgemeinen zwischen dem Muskel und dem festen Knorpel. Unter diesen Umständen ist es selbstverständlich, dafs bei jeder Con- traction eines Muse. marginalis zunächst die überaus dünnwandigen Lymph- gefälse, dann aber auch die durch ihre Muskelhaut etwas widerstands- fähigeren beiden Blutgefäflse, und zwar zuerst die dem Muskel unmittelbar an- liegende Arterie, bei stärkerer Action aber auch die etwas weiter abliegende Vene, mehr oder minder stark zusammengedrückt und entleert werden müssen. Dabei wird das Blut aus der Art. branchialis nicht in der Richtung gegen das Herz, dessen Ventileinrichtungen und Contractionen ja ein Zurück- weichen hindern, sondern in die Capillarsysteme der respiratorischen Fort- sätze gedrängt werden. Und bei der Compression der Vena branchialis wird es sich in der Richtung des geringsten Widerstandes, dafs heifst also gegen die Aortenwurzeln zu bewegen müssen. Daraus erhellt, dafs Contractionen der Marginalmuskeln eine voraussichtlich nieht unerhebliche Förderung der Lymph- und Blut-Bewegung durch die Kiemen herbeiführen. Leider lassen sich die Bewegungen dieser Muskeln nicht so leicht direet beobachten, wie diejenigen der gröberen Athemmuskeln; und es ist mir nicht gelungen, festzustellen, ob sie sich rhythmisch contrahiren und demzufolge auch in diesem Sinne die Bezeichnung eines accessorischen Herzens verdienen. 62 F. E. Scauuze: Wichtigste Litteratur. 1. Rusconi. Developpement de la grenouille commune. Paris 1826. Rathke, H. Anatomisch-philosophische Untersuchungen über den Kiemenapparat etc. Riga 1832. 3. Dug&s. Recherches sur l’osteologie et la myologie des Batraciens ä leur differents äges. Paris 1834. 4. Lambotte. Observations anatomiques et physiologiques sur les appareilles sanguines et respiratoires des Batraciens anoures; in Memoires couronnees etc. l’Acad. R. de Belgique. Tome XII. 1837. 5. Calori. Deseriptio anatom. branchiarum maxime internarum gyrini Ranae esculentae ete.; in Novi comment. Acad. Seient. Instituti Bononiensis. 5. 1842. 6. Whitney. On the changes which accomp. the metamorph. of the tadpole; in Quaterly journ. of mierose. sc. N.S. Vol. VI. 1867. 7. Parker. On the structure and development of the skull of the common frog (Rana temporaria L); in Philosophieal Transactions. 1571. 8. Götte. Entwiekelungsgeschichte der Unke. 1875. 9. Stöhr. Zur Entwickelung des Anuren-Schädels; in der Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. Bd. 36. 1882. 10. Boas. Über den Conus arteriosus und die Arterienbogen der Amphibien; im Morpholog. Jahrbuch. Bd. 7. 1882. ll. Maurer, F. Die Kiemen und ihre Gefälse bei anuren und urodelen Amphibien etec.; im Morpholog. Jahrbuch. Bd. 14. 1888. 12. Naue. Über Bau und Entwickelung der Kiemen der Froschlarven; in der Zeitschrift für Naturwissenschaften. Halle 1890. 63. Band. 13. Sewertzow. Über einige Eigenthümlichkeiten in der Entwickelung und im Bau des Schädels von Pelobates fuscus; im Bulletin de la societe imp. des naturalistes de Moscou. Nr. 1. 1891. Tafelerklärung. Tafel 1. 6 N lee r PR 2 Re . Fig. 1. Schädel, von oben gesehen. Vergrölserung 7. An der rechten Seite ist die Bandverbindung zwischen dem Dorsalende des Processus orbitalis und dem oberen Seiten- rande der Gehirnkapsel erhalten, an der linken fortgenommen. 2 2% 2 Fig. 3. Schädel mit dem Visceralskelet, von unten gesehen. Vergrölserung 7. pb Pro- Fig.2. Schädel, von unten gesehen. Vergrölserung cessus branchialis. Über die inneren Kiemen der Batrachierlarven. 63 Fig. 4. Schädel mit dem Visceralskelet in seitlicher Ansicht von rechts. Vergrösse- rung a Fig. 5. Visceralskelet, von oben gesehen. Vergrölserung 7. ch, ceratohyoid; 5A, basi- hyoid; pl, Processus lateralis; hd, hypobranchiale; eb, epibranchiale; cd, I—IV ceratobran- chiale I—IV. . Fig.6. Grolse Larve in der Ansicht von unten. Natürliche Grölse. Ein Theil der ventralen Haut ist fortgenommen, wobei einzelne senkrechte Scheidewände, sm und s, ven- traler subeutaner Lymphräume durchschnitten, die Fasern des Muse. submaxillaris, sub- hyoideus und subbranchialis aber noch von ihren Fascien und lockerem Bindegewebe be- deckt geblieben sind. Die Faseia lateralis, fl, ist beiderseits noch erhalten. Fig.7. Grofse Larve in der Ansicht von unten. Natürliche Grölse. Aufser der ven- tralen Haut ist auch das lockere Bindegewebe und die ventrale Fasciendecke des Muse. submaxillaris, sm, subhyoideus, sA, und subbranchialis, sb, entfernt. Aulserdem sieht man einen kleinen Theil des Muse. geniohypobranchialis, gA, den horizontalen Durchschnittsrand der Faeia lateralis, //, und den Processus lateralis des Ceratohyoids, pl, markirt. Fig.8. Grofse Larve in der Ansicht von unten. Natürliche Gröfse. Aulser der Haut, dem subeutanen Bindegewebe und den oberflächlichen Muskelfascien ist der Muse. subbran- chialis nebst der röhrenförmigen Scheide der hinteren Extremität jederseits entfernt, so dals der Herzbeutel, die Kiemen und der Musc. diaphragmato - praecordialis, dp, jeder Seite frei vorliegt und die in den Peribranchialraum hineinragenden Vorderextremitäten sichtbar werden. sm, M. submaxillaris. si, M. subhyoideus, gh, M. genio -hypobranchialis. Fig.9. Vordere Hälfte einer grolsen Larve in der Ansicht von unten. Natürliche Grölse. Nach Fortnahme der ventralen Haut und der oberflächlichen Muskeln sind fol- sende Muskeln ganz oder theilweise freigelegt: der Musc. mandibulo-labialis, m/, M. sub- maxillaris, sm, M. geniohypobranchialis, gA, M. ceratohyobranchialis, chb, M. basihyobran- chialis, Ab, M. diaphragmatobranchialis medialis, dbm, und der M. diaphragmatobranchialis lateralis, dbl, jeder Seite. Fig. 10. ‘Vordere Hälfte einer grolsen Larve in der Ansicht von unten. Natürliche Grölse. Nach Freilegung des visceralen Skeletes sind folgende Muskeln in ganzer Länge erhalten und auspräparirt: der Muse. geniohypobranchialis, 9A, der M. diaphragmatobran- chialis ımedialis, dbm, und der M. diaphragmatobranchialis lateralis, dbl, jeder Seite. Tafel 1. Fig. 11. Vordere Hälfte einer grolsen Larve in der Ansicht von unten. Vergrösse- rung 2. Durch Fortnahme der ventralen Hautdecke und des subeutanen Bindegewebes sind die subeutanen Lymphräume und deren Scheidewände sowie die Facia lateralis freigelegt. An der linken Seite der Larve (rechts vom Beschauer aus) ist alles Bindegewebe nebst der Facia lateralis bis auf die Muskeln und Knorpel entfernt, und folgende Muskeln aus- präparirt, der Muse. rectus abdominis, ra, M. diaphragmatopraecordialis, dp, M. dia- phragmatobranchialis medialis, dbm, und M. subbranchialis, sd, welcher letztere in ganzer Ausdehnung in dem rechten Theile der Figur (an der linken Seite des Thieres) freigelegt ist, während er in dem linken Theile (an der rechten Seite des T'hieres) noch theilweise von einem Zipfel der Fascia lateralis gedeckt erscheint. Fig. 12. Vordertheil einer Larve in der Ansicht von unten. Vergrölserung T. Folgende Muskeln sind auspräparirt, und liegen theilweise oder in ganzer Ausdehnung frei vor. Muse. 64 F. E. Sconvrze: mandibulolabialis, m/, dessen hinteres Ende gedeckt ist vom M. submaxillaris, sm. Über die Mitte der Unterseite des Muskels läuft eine durch Punkte bezeichnete Linie trans- versal hin, welche die Verwachsung der hinter der Unterlippe gelegenen queren Hauteinziehung ınit dem Muskel angiebt. Der Musc. submaxillaris, sm, ist in ganzer Ausdehnung mit seiner medianen Raphe sichtbar. Der Muse. geniohypobranchialis, gA, ist theilweise gedeckt von dem M. submaxillaris, sz, und M. subhyoideus, sA. Der Musc. orbito- hyoideus, oA, ist in seinem unteren Ende, der Muse. ceratohyoangularis, cha, dagegen in ganzer Ausdehnung sichtbar. Beim Muse. quadratoangularis, ga, ist der hintere Vorsprungstheil gedeckt vom M. ceratohyoangularis, cha. Fig. 13. Vorderende einer Larve in der Ansicht von unten. Vergrölserung T- Voll- ständig freigelegt ist der Muse. mandibulolabialis, m/. Vom Museulus submentalis, smt, sind die seitlichen Ansatzstellen durch den M. mandibulolabialis, m!, verdeckt. Der Muse. geniohypobranchialis, gA, ist quer durchgeschnitten und nur theilweise sichtbar. Aulserdem sind die lateralen Ansatzstellen des M. submaxillaris, s», am Mandibulare roth markirt. Fig. 14. Seitenansicht des Kopftheiles einer Larve von der rechten Seite nach Prä- paration einiger Muskeln und Bänder, sowie des Skelets. Vergrölserung e Muse. orbito- hyoideus, oA, in ganzer Ausdehnung. Musc. suspensoriohyoideus, sA, dessen unteres Ende vom M. orbitohyoideus gedeckt ist. Muse. temporalis, £, zum Theil gedeckt durelı den Processus orbitalis und die Sehne des M. subtemporalis, st Muse. masseter, m, grölstentheils frei vorliegend. Musc. mandibulolabialis, m/, grölstentheils sichtbar. Musc. ceratohyoangularis, cha, ist in ganzer Ausdehnung sichtbar. Muse. suspensorio- angularis, sa, in seinem vorderen Theile durch den M. ceratohyoangul. gedeckt. Muse. quadratoangularis, ga, dessen hinterer Theil vom M. ceratohyoangul. gedekt ist. Fig. 15. Seitenansicht des Vordertheiles einer Larve nach Präparation einiger Muskeln, Bänder und des Kopfskeletes. Vergrölserung ne Muse. mandibulolabialis, al; Muse. mas- seter, m; Musc. suspensorioangularis, sa; Musc. qnadratoangularis, ga; Muse. orbito- hyoideus, oA; Musc. suspensoriohyoideus, sA; Musc. levator arcuuım branchia- lium I, II und III, Zab I, II und III; Muse. tympanopharyngeus, ip; Muse. marginalis I, II und III, m I, II und III; Muse. diaphragmatobranchialis lateralis, dbl. Fig. 16. Ansicht des rechten Kiemenkorbes mit seiner Museulatur von unten und hinten. Vergrölserung T lab I, Muse. levator arcuum branch. I; lab II, Muse. levator arcuum branch. Il; Zab III, Muse. levator arcuum branch. III; Zab IV, Musc. levator arcuum branch. IV; m I, Musc. marginalis I; m II, Muse. marginalis Il; m» III, Muse. marginalis III; ip, Musc. tympanopharyngeus: dbl, Musc. diaphragmatobranchialis lateralis; dbm, Musc. diaphragmatobranchialis medialis; chb, Muse. ceratohyobranchialis; Ab, Muse. basihyobran- chialis; id, Muse. interbranchialis. Fig. 17. Ganze Larve in der Seitenansicht von rechts. Natürliche Grölse. Es ist die Haut und das subeutane Bindegewebe des Rumpfes ganz entfernt. Von den Muskeln sind nur einige erhalten, speciell die levatores arcuum branchialium; dbl, Muse. diaphragmato- branchialis lateralis; dbm. Muse. diaphragmatobranchialis medialis. Tafel Ill. ‚ Fig. 18. Untere Hälfte des Kopfes und des vorderen Rumpftheiles in der Ansicht von oben. Vergrölserung I Es ist die ganze Gehirnkapsel nebst den vorderen Extremi- Uber die inneren Kiemen der Batrachierlarven. 65 täten und der dorsalen Decke (incl. Schleimhaut) der Mundhöhle entfernt, während die dorsale Schleimhautdecke der Rachenhöhle mit den angelagerten Gefälsen erhalten ist. Ferner ist die ganze dorsale Decke der Bauchhöhle fortgenommen, so dals der Oesophagus, die Lungen und die Windungen des Dünndarmes frei vorliegen. Von Blutgefälsen sieht man die Carotis interna, die oberen Enden der vier Venae branchiales, die Aortenwurzeln, die Aorta dextra, sinistra und communis, sowie die Art. pulmonalis, und den Ursprung der Art. vertebralis jederseits. ac, Aorta communis; ad, Aorta dextra; as, Aorta sinistra; av, Ar- teria vertebralis; aw Aortenwurzel; ci Carotis interna; vb I— IV, Vena branchialis I— IV; pd, rechte Lunge. Fig. 19. Untere Hälfte des Kopfes und des vorderen Rumpftheiles (wie in Fig. 18), in der Ansicht schräge von oben und links. Vergrölserung 2. Bezeichnungen wie in Fig. 18. sp, spiraculum. Fig. 20. Knorpel und Blutgefälse des Visceralskeletes mit dem Herzen und dem Kehl- kopfe nebst Lungenwurzeln, in der Ansicht von unten. Vergrölserung & ab, I— IV, Ar- teria branchialis I—IV; ce, Carotis externa; vd, Vena branchialis I—-IV; m I— III, Mus- eulus marginalis I—Ill; op, Vena pulmonalis; /, Kehlkopf, pd, rechte Lunge. Tafel IV. Fig. 21. Ansicht der Kiemenkörbe von oben. Vergrölserung =. Rechts ist sowohl die vordere als auch die hintere Riemendeckplatte entfernt, und der obere Theil des Bran- chiale I mit seiner Filterbekleidung durch einen Horizontalschnitt fortgenommen, so dals man das Filter zum grölsten Theile übersieht. An den quer durchschnittenen Filterleisten des Branchiale I unterscheidet man die Basalplatte, dpl, die Filterkrause, fkr und die zwischen- liegenden Filterkanäle, Al. Fig. 22. Laterale Ansicht eines ausgeschnittenen zweiten linken Kiemenbogens mit Filterplatte und einzelnen Kiemenbäumchen. Vergrölserung m. Die meisten Kiemenbäumehen sind dicht über der Wurzel abgeschnitten. art, Art. branchialis II sinistra; ven, Vena branchialis II sinistra; art, Filterarterie. Tafel V. Fig. 23. Senkrechter Durchschnitt der rechten Kopfhälfte in der Ansicht von vorne, etwas schematisirt. Vergrölserung n oc, Auge; cc, Gehirnkapselhöhle; /pzt, Lamina pterygo- temporalis; Zab, Musc. levator areuum branch.; cph, Rachenhöhle; dr I—IV, Branchiale I—IV; sb, Muse. subbranchialis; ac, Rechter Vorhof des Herzens; vc, Ventrikel des Herzens; cpbr, Peribranchialhöhle; dbm,' Musc. diaphragmatobranchialis medialis; dp, Muse. diaphragmato- praecordialis. Fig. 24. Senkrechter Durchschnitt des zweiten rechten Kiemenbogens mit der Filter- platte und den Kiemenbäumcehen, etwas schematisirt. Vergrölserung Die Capillarbüschel der beiden mittleren Kiemenbäumcehen sind der besseren Übersicht wegen breit auseinander gelegt, während diejenigen des medialen und lateralen Kiemenbäumehens in natürlicher Lage dargestellt sind. ml, Mittellamelle der Filterplatte; 5pl, Basalplatte einer Filterleiste; ‚Ar, Filterkrause; art, Arteria branchialis Il; ven, Vena branchialis II; /, Lymphgefäls; m II, Muse. marginalis I. Phys. Abh. 1892. III. 9 66 F.E. Seuvrze: Über die inneren Kiemen der Batrachierlarven. Tafel VI. Fig. 25. Querdurehsehnitt der Mittellamelle, /, einer Filterplatte mit zwei gleichfalls quer durchschnittenen Filterleisten. Vergrösserung a bpl, Basalplatte der Filterleiste; mf, Mittelfalte der Filterkrause, /kr; prsf, primäre Seitenfalte der Filterkrause; ss/, secundäre Seitenfalte der Filterkrause; Al, Filterkanal. Fig. 26%. Längsdurchschnitt des freien Randtheiles einer primären Krausen - Seitenfalte. Vergrölserung =. Fig. 26°. Mit horniger Crustula versehene Zelle von der oberen Randfirste einer pri- = r und 5 . fire = . r ar 550 mären Krausen -Seitenfalte in seitlicher Flächenansicht. Vergrölserung 7. Fig. 26°. Eine ähnliche Zelle wie 26b in der Ansicht von der schmalen Seite. Ver- En 550 grölserung 7» 97 Fig. 27. Schräge Ansicht der äulseren Seitenfläche der Epitheldecke einer Seitenfalten- firste. Vergrölserung Fig. 25. Senkrechter Durchschnitt der Epitheldecke mit bindegewebiger Unterlage von der Mittellamelle. Vergrölserung m Fig. 29. Schräge ansteigender Schnitt durch Basalplatte und Filterkrause einer Filter- leiste. Vergrölserung = bpl, Basalplatte; ps/, primäre Seitenfalte; ssf, secundäre Seitenfalte; mf, Mittelfalte. Fig. 30. Schnitt durch eine Filterkrause in ihrer Mitte, parallel mit der freien Filter- oberfläche geführt. Vergrößerung '". mf, Mittelfalte; ps, primäre Seitenfalte; ss/, seeun- däre Seitenfalte. Fig. 31. Schnitt durch drei nebeneinander liegende schwach gebogene Filterkrausen parallel und nahe der freihen Filteroberfläche. Vergrölserung =. mf, Mittelfalte; ps/, pri- märe Seitenfalte; ss/, seeundäre Seitenfalte. Fig. 32. Schnitt durch das äulsere Ende einer Filterkrause, parallel und ganz nahe = AR “ een: 100 der freien Filteroberfläche. Vergrölserung —-. 1 ec . R a R = y se 50 Fig. 33. Capillarendzweig eines Kiemenbäumchens. Vergrößserung 7. 3 - 2 R . 7. = y ey 300 Fig. 34. Querdurchschnitt des Stammes eines Kiemenbäumchens. Vergrölserung u art, Arterie; ven, Vene; /, Lymphgefäls. Fig. 35. Querdurchschnitt einer Capillarschlinge eines Kiemenbäumchens. Ver- grölserung — Fig. 36. Seitenansicht des etwas mazerirten Endes einer Capillarschlinge von einem r. 22 r . 400 . Im). 5 5 Kiemenbäumehen. Vergrölserung . Die Epithelzellen sind durch Maceration etwas gelockert. K.Preuss. Akad. d ssensch. ; Phys. Abh. 1892. NS R ; ä r AZ EEE EBEERTEETE BE n ‚S) GE } | dbm | \d dbl Alu Sm EN RESchulze ad nat. a 15 "rankfart” it. 2 FE.Schulze: Die inneren Kiemen der Batrachierlarven I. Tafel 1. ip B . Phys. Abh. 1802. “N 13. 1892. K. Preuss. Akad. d.Wissensch. Phys. Abh. (et 19. ar ad pd ad ae pd u) N. abıy \ N .-@bI ab abuT mıl- F.E.Sohxlze ad nat del JunsArst Werner @Winter Frankfia F.E.Schulze: Die inneren Kiemen der Batrachierlarven I. Tafel I. - rt, Ik FE.Schulze ad na. del Phys. Abh. 1892. ver F.E.Schulze: Die inneren Kiemen der Batrachierlarven I. Tafel W. - zz nm n DS eo Kiemen der Batrachierlarven 1. Ta Phys. Abh. 1892. 2 a 3 ce ITITIT DE mi RRrTIETTERRD uatinnecnnnsah? 3, PFEITETEIE ER en R = Ä e 3 “ BR an o RE.Schulze ad nat. del. "FE. Schulze: Die inneren Kiemen der Batrachierlarven 1. [sth Aust, vWerner &Winten Frankfurt&il. Tafel VI. PHILOSOPHISCHE UND HISTORISCHE ABHANDLUNGEN DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. AUS DEM JAHRE 1592. MIT 2 TAFELN. BERLIN. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 1892. GEDRUCKT IN DER REICHSDRUCKEREI. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. - ı Be N LEO « N en — " HnÄr iin 2A gar uf % AIZSIATETIS u d Jan ra hheresaane At naadAra Mandelaatn Be sont a FE Meran RL a Tray aa aan In Aa Inhalt. 5 WeınHoup: Glücksrad und Lebensrad. (Mit 2 Tafeln) . . . . . Abh.l. 8. 1-27. Glücksrad und Lebensrad. Von H” K. WEINHOLD. Philos. - histor. Abh. 1892. 1. Gelesen in der Sitzung der phil.-hist. Classe am 2. Juni 1892 [Sitzungsberichte St. XXIX. S. 539]. Zum Druck eingereicht am gleichen Tage, ausgegeben am 29. Juni 1592. D* Ausführungen über das Glücks- und das Lebensrad in dem Mittel- alter und der Renaissance, welche ich hier vorlege, knüpfen sich an zwei bisher unbekannte Tiroler Wandgemälde: ein Glücksrad in der Schlofs- capelle von Gravetsch, und ein Lebensrad in der Freithofeapelle von Verdings. Beide Dörfer liegen am rechten Eisakufer auf dem Mittelgebirge über dem Städtlein Klausen; Verdings in einer Stunde, Gravetsch in anderthalb Stunden steilen Aufstiegs von da zu erreichen. Sie werden durch die Tinneschlucht von einander getrennt. Verdings gehört zur Gemeinde Latzfons, Gravetsch zur Gemeinde Villanders. Verdings war ein fürstbischöflich Brixener Gut; Gravetsch gehörte den edlen Herren von Villanders. Im 15. Jahrhundert kam es an die Herren von Gufidaun. 1450 ward das Haus Gravetsch an Christian Morsberg verliehen, 1506 dem Kaspar Neuhauser zu Baurecht und Zinslehen übertragen.') Hr. Maler L. Loesch aus Nürnberg, der zur Zeit in Klausen lebt, hatte die beiden Bilder entdeckt, und mir, dem Freund Ignaz von Zingerle davon Nachricht gab, auf meinen Wunsch die beiden Federzeichnungen ge- macht, die ich nun in Zinkätzung veröffentliche. Das schönere und ältere Bild ist das vom Glücksrade (Taf. D. Die Capelle ist in das Schlofs Gravetsch eingebaut und fast ganz finster, so dafs Hr. Loesch die Aufnahme nur bei Kerzenlicht machen konnte. Die Capelle ist mit prächtigen Ornamenten ausgemalt, das Hauptgemälde ist die Fortuna an ihrem Rade. »Der Grund des Bildes«, schrieb mir Hr. Loesch, !) Staffler, Das dentsche Tirol 11, 966. 979. 4 K. WEInHoLD: »zeigt reiche in grünem Ton gehaltene Ornamentik. Das Rad ist gelblich mit rother Schattirung. Die Köpfe sind gut ausgeführt, besonders der der Fortuna. Die aufsteigende Figur links ist weifs gekleidet (wahrscheinlich einmal übermalt), ebenso die Fortuna, deren rothblonde Haare sie wie ein Mantel umgeben. Die Figur mit dem Reichsapfel, sowie die abstürzende sind roth, die unter dem Rade liegende ist blau gekleidet.« Leider ist dieses Gemälde wie die übrige Malerei der Capelle durch Mauerfrafs und Wand- nässe sehr angegriffen und ihr Untergang unausbleiblich, selbst wenn sie von der modernen Übertünehungswuth verschont bleiben sollten. Auch die lateinischen Inschriften, die zu diesem Bilde gehören, sind von der Zerstörung theilweise ergriffen. Unter dem Ständer des Rades stehen die Worte, welche sich auf den unter dem Rade liegenden Vierten beziehen: oymi oymi fötuna me dieeit!sed.... or .... alor gouo habeo vnde ca.... Von rechts und links springen nach der unteren Hälfte des Rades im Winkel zwei mit Inschriften bedeckte Flächen ein. Rechts läfst sich erkennen nach Mittheilung von Hrn. Loesch: Sapiens scit leue ferre fortuna et beata oıs fötuna equanimitate tollerantis quis @ ille tam felix|qui cu dederit inpacienciae manus statu suu mutare n optet.| si diuicie affluant noli cor opponere | Set tu dieis si adue’set‘ fortuna| quid prodest uiuendi doctrina| hoc dieunt stu ltj qui obmittut otigencia et tandem se sie cu fortuna exeusant Rara diligeneia eu jnfortunio succubis| et nug& infort..... .... separabis | Exspectat piger...... ae uigilare precepit | tu ergo uigila et nugm te mala fortuna apprehendet! ne mine aduet..... hair, OS Glücksrad und Lebensrad. 5 o Links hat Hr. Loesch gelesen: Omıs fortuna mala prospera et aduersa | prospera enı vasta aim homis p nimia solieitudine |aduersa p nimia de solacione! Ergo magno anio est militare cö difformes in sultus fortune quö..... extollas in bsperis nec succubas Maduersis. N. In welche Zeit unser Frescobild zu setzen sei, müssen Tiroler Kunst- kenner untersuchen, ehe es noch mehr zerstört oder ganz durch den be- liebten Tünchpinsel verdeckt wird. Ich kann nur die allgemein gehaltene Vermuthung hier äufsern, dafs es der Brixener Malerschule des ausgehenden 15. oder angehenden 16. Jahrhunderts angehören mag.') Das reiche Teppich- muster des Hintergrundes findet sich auch bei Andre Haller von Brixen, dessen eines Tafelbild von 1513 datirt ist. Geringer an künstlerischem Werthe, in der gegenwärtigen Gestalt jünger, aber durch die kräftige Zeichnung des Todes auch von technischer Seite nicht unbedeutend ist das andere Wandgemälde, das Lebensrad, in der kleinen Capelle neben der Kirche von Verdings (Taf. ID). Auf braunrothem Grunde erscheint das hellgelbe braunroth schattirte Rad, welches der weilse Tod dreht, dessen Sensenstiel in dunklerem Braunroth gemalt ist, gleich den Umrissen aller Fleischtheile. Der Sarg, so wie die Röcke und Hosen der Figuren sind schwarz; die Hemden sind gleich den Gliedern des Todes schwach in grau schattirt. Rechts von dem Rade sieht man in kreisrundem Medaillon Gott Vater, Sohn und h. Geist; links den Höllenrachen als gähnenden Löwenkopf. Unterhalb des Medaillons und des Rades sind Spuren einer ganz unleserlichen In- schrift, die mit der deutlichen Jahrzahl 1736 schliefst. Damals wird eine Übermalung des Bildes geschehen sein, worauf auch die Form der Ziffern der Lebensjahre deutet. Den Köpfen der bäuerlichen Aufsassen !) Hans Semper, Die Brixener Malerschulen des 15. und 16. Jahrhunderts und ihr Verhältniss zu Mich. Pacher (Zeitschrift des Ferdinandeums. 3.Folge, 35. Heft. Innsbruck 1891) und desselben: Wandgemälde und Maler des Brixener Kreuzganges. Innsbruck 1887. Vergl. auch Paul Clemen, Beiträge zur Kenntniss älterer Wandmalereien in Tirol in den Mit- theilungen der k. k. Centralcommission. Wien 1359. S.11ft., 82 f., 185 ff., 237 ff. 6 K. WEInHoLD: des Rades ist eine derbe Realität nicht abzusprechen. Auch die Brixener Malerschule des 15. Jahrhunderts gestaltete die Männerköpfe nach Volks- typen des Landes mit kräftigem Mienenspiel.') In eine Dorfcapelle, für die Bauern von Verdings berechnet, ward dieses Lebensrad gemalt; das Glücksrad in eine Schlofscapelle, vornehme Personen sind darauf dargestellt. Auch unter den Fresken des Schlosses Lichtenberg bei Glurns im Vinstgau, welche Bilder aus ritterlichem und höfischem Leben vorführen, schaut man das Rad der Fortuna. Das war ein beliebter Gegenstand für Gemälde in den Schlössern des Mittelalters und der von ihm auslaufenden nächsten Zeit, wie uns litte- rarische Zeugnisse bekunden. Reinmar von Zweter beschreibt in seinem 246. Spruch ein solches Bild: Ich sah gemalt auf einer Wand Die allerschönste Fraue. Grelückes Rad stund ihr zur Hand: Sie trieb es um geschwinde, nachdem sie’s selber däuchte gut. Vier Mann ich auf dem Rade sah: Der ein’ sals oben drauf, ein König, wie er rühmt sich da. Der zweit’ stieg auf behende: ‚nun ward auch ich ein König frohgemut.’ Der dritte sprach: »ich darf nicht prahlend schallen, Ich war ein König, bin herab gefallen.« Der vierte lag ganz unten, krumm, Das war ein Mann voll Traurigkeit, Dem Trost noch Hoffnung war bereit. — Seht also geht die Welt hier mit uns um! Ein Meistergesang im grünen Ton, das Glücksrad betitelt, beginnt: Man mälet an ein wende Gelück: nu wend die schibe! Gelückes rat hät füeze.?) Ferner eine Stelle im Goldenen Spiel des Dominikaner Ingold (1432/3): also solt der küng gemalt han in sein sal ain ring. ze obrost ist ain küng, der sitzt in seiner mayestat und spricht: ich reichsnun. zu der linggen hand ainer velt herab und sprieht: ich han gereich[snot, und zu der rechten hand ainer, der fert hinauf und spricht: ich will reichsnen. so leit ainer unden an dem ruggen und spricht: ich bin on reich. und stat in dem glückrad geschriben obenan daran demüt, darnach weifshayt ') H. Semper, Die Brixener Malerschulen S. 7, 8. 2) Bartsch, Die altdeutschen Handschriften der Univ.-Bibliothek in Heidelberg. S. 1203. Glücksrad und Lebensrad. - in warhayt, darnach frid. darnach reiehtum, darnach hoffart zu untrost, darnach widerumb diemüt, und laufft also umb und umb.') Diese Beschreibungen von Fresken des Glücksrades bezeugen, dafs in unserem Gravetscher Capellenbilde eine typische Darstellung vor uns steht. Die Schilderungen Reinmar’s von Zweter und Ingold’s (13.15. Jahrh.) passen auf das Tiroler Wandgemälde durchaus. Wir haben in jenem Bilde eine der mannigfachen Darstellungen der Veränderlichkeit des Geschieks, die sich im römischen Alterthum an der Fors oder Fortuna, im griechischen an der Tyche ausgebildet hatten. Das Rad oder die Kugel, die immer drehbaren und beweglichen, waren leicht Symbole der Wandelbarkeit alles Bestehenden geworden. In den antiken Bildern sind neben dem Füllhorn und dem Steuer das Rad, die Kugel und die Flügel oder ein Federaufsatz feststehende Attribute jener allmählich immer bedeutender werdenden Göttinnen; und die Maler der Renaissance haben in Deutschland, Italien und Frankreich Bilder des Glücks oder der Fortuna geschaffen, die in Verbindung mit der alten Kunstsymbolik stehen. In ihnen tritt die Kugel, auf der Fortuna steht und rollt, aufser dem Rade sehr gewöhnlich auf. Der berühmte Stich Albreeht Dürer's, der unter dem Namen des grofsen Glücks’) bekannt ist; dann sein sogenanntes kleines Glück; Hans Holbein des jüngeren Fortuna, die als Titelvignette mehrerer Baseler Drucke verwandt worden ist; Hans Sebald Beham’s Glück von 1520 und von 1541, Heinrich Aldegrever’s kleiner feiner Stich von 1549 und der gröfsere von 1555 zeugen für die Deutschen, Nicoletto von Modena für die Italiener; für die Franzosen vor allem Jean Cousin (1500 —1589), der in seinem Liber Fortunae°) (um 1569) hundert verschiedene Darstellun- gen der Glücksgöttin entworfen hat (jeder ist eine ornamentale Zeichnung zur Aufnahme einer symbolischen Inschrift gegenübergestellt). Unter diesen seinen Fortunabildern hängen sehr viele mit den Typen der deutschen und der antiken Kunst eng zusammen. ‘) !) Ausgabe von Ed. Schröder 13, 3—12. 2) Vergl. iiber die verschiedenen Auslegungen desselben Max Allihn, Dürerstudien. Leipzig 1871. S.9— 38. 3) Le livre de Fortune. Recueil de deux cents dessins inedits de Jean Cousin. Publie — par Ludovie Lalanne. Paris et London 1883. *) Ein für allemal spreche ich hier Hrn. Geheimrath Dr. Lippmann, Director des Kgl. Kupfersticheabinets in Berlin, für die gütige Förderung dieser Arbeit durch Mit- theilungen aus den Schätzen des Cabinets meinen aufrichtigen Dank aus. 0) K. WEInHoLp: Auch bei den römischen Dichtern und Prosaikern (Tibull, Ovid, Pacuvius, Taeitus, später Ammianus) begegnen wir dem Bilde des auf- und niedergehenden Rades und der rollenden Kugel für das wandelbare Schicksal der einzelnen Menschen und ganzer Völker häufig.‘) Durch einflufsreiche Schriftsteller, wie Boethius (in seiner consolatio philosophiae) wurde jene Vorstellung dem christlichen Mittelalter vermittelt und ging in die Bildersprache der lateinischen, deutschen und romanischen Dichter der späteren Jahrhunderte über. So grofs und schön wie Dante in dem Inferno VI, 67—96 hat freilich kein anderer die Fortuna erfafst, der sie unter die vor den anderen Wesen geschaffenen Engel und unter die seligen Leiter der Himmel stellt: So gab Gott schaffend auch die Dienerin Dem Erdenglanz zur Führung und Begleitung. Von Volk zu Volk, von Blut zu Blute hin, Bringt sie das eitle Gut, das nirgends dauert, Und kümmert nicht sich um der Menschen Sinn. — — Nichts gegen sie hilft eurer Weisheit Licht. Sie sorgt, erkennt, vollzieht in ihrem Reiche Und weicht darin den andern Göttern nicht. Nie haben Stillstand ihre Wechselstreiche ; So macht sie von Nothwendigkeit gejagt Aus Reichen Arme, dann aus Armen Reiche. Sie ist's, die ihr an’s Kreuz oft wüthend schlagt, Von der ihr oft, wenn ihr anstatt zu schmollen, Sie loben solltet, fälschlich Böses sagt. Doch sie die Sel’ge, hört nicht euer Grollen. In andrer Erstgeschaffnen Seligkeit Lälst sie nichts achtend ihre Sphäre rollen. (Streckfuss.) In den zahlreichen Stellen deutscher und französischer Dichter des 12. und 13. Jahrhunderts ist immer nur von der Beweglichkeit des sich umwälzenden Rades, von der Drehung desselben durch Fortuna (Gelücke, Szlde, Fortune), davon wie sie die Menschen auf ihr Rad setzt und bald steigen, bald wieder abfallen läfst, die Rede.°) !) J. Grimm, Mythologie 2 825. ff. Dazu Nachträge Mythol. #111. 263. W. Wacker- nagel (das Glücksrad und die Kugel des Glücks) in Haupt's Zeitschr. f. deutsch. Alterth. VI,135.f. Kleine Schriften I, 245.f. Preller, Römische Mythologie 2 560. (# II, 189). *) Deutsche Stellen, gesammelt bei Grimm Mythol. a. a. O., Wackernagel a,a. O., Benecke-Müller, MittelhochdeutschesWörterb. I, 1049. Lexer Mhd. Handwörterbuch I, 829. Französische bei Grimm und Wackernagel; andere hat mir reichlich mein verehrter Col- lege A. Tobler nachgewiesen. Glücksrad und Lebensrad. g Es, ist eine Vorstellungsreihe, die wir auf ihren einzelnen Stufen begleiten wollen und deren frisches Leben in der Volksseele durch die Versetzung aus der Idee in sinnliche Gegenständlichkeit durch Jahrhunderte bezeugt ist. Sie scheint erst im 17. Jahrhundert zu erlöschen. Zuvörderst sprechen unsere deutschen Gedichte des 13. 14. Jahr- hunderts von dem Glücksrad (gelückes rat, der swlekeit rat, der Szlden schibe, gelückes schibe) als einem selbständig sich bewegenden, hin und her rollenden (nicht von Fortuna der Göttin gedrehten) Rade, das zu Gunsten des Menschen umlaufe, ja es wird jedem Menschen eine solche schibe beigelegt.') Das Rad ist also hier das Glück selbst.’) Dafs solche sich umwälzende Räder im Mittelalter als mahnende Zeichen der Vergänglichkeit aufgestellt worden sind, ergiebt sich aus einem Bericht des Bischofs Balderich von Dol in der Bretagne (1107—1130 Bischof), der in der Kirche des Klosters von Fiscanum (vulgo Fercan) ein Rad sah, das sich fortwährend selbst umdrehte. Der Bischof begriff nicht, qua arte conducta, und hielt es zuerst für ein Spielwerk (vanitatem), bis er die Bedeutung erkannte, dafs es die Mönche an die Flüchtigkeit des irdischen Glückes erinnern solle.) Er riehtete darauf eine Ermahnung an die Kloster- brüder, mit besonderer Beziehung auf ihren Stand. Dabei erinnern wir uns, dafs wir durch zwei Bilder einer Handschrift des Klosters Heiligen- kreuz in Nieder-Oesterreich (Cod. 266) wissen, wie das Glücksrad auf die Zustände des Mönchslebens (den wohlgeordneten und den heuchlerischen) in Bildern übertragen worden ist.‘) Jenes Rad von Fiscanum wird durch eine Einrichtung in Bewegung gesetzt worden sein, ähnlich der, durch welche die heutigen Glücksräder, die manche Lottogeschäfte in ihrem Ladenfenster aufstellen, umgetrieben werden. Da der Bischof die Bedeu- !) Belege bei Wackernagel a. a. O. (135. 147. f.), Grimm, Mythol. 826. Benecke- Müller, Mhd. Wb. I, 1049. IIP, 96. 2) Vergl. auch die Redensart: er ist komen uff daz glücksrad und hat den wunsch an im (Deutsche Volksbücher aus einer Zürcher Hs. des XV. Jahrh. herausgeg. von Bach- mann und Singer Tübing. 1889. S. 262.) das glückrad kert sich wider umb Ring 15°, 46. Die Redensart: das rädlein laufen lassen (Schmeller, bayr. Wörterb. Il, 50. 2. A.) wird auch vom Glücksrad entnommen sein ®) Neustria pia seu de omnibus et singulis abbatiis et prioratibus totius Normaniae — — auctore R. P. Arturo Du Monstier. Rothomagi 1663. S. 227. *) G. Heider, das Glücksrad und seine Anwendung in der christlichen Kunst (Mit- theilungen der kk. Centraleommission f. Erforsch. u. Erhalt. der Baudenkmäler IV. Nr. 5 S. 122— 124). Wien 1859. Philos. - histor. Abh. 1892. T. 2 10 K. WEINnHoLD: tung des Rades erst allmählich erkannte, müssen solche Räder selten ge- wesen sein. Die nächste Entwickelungsstufe ist das frei umgetriebene Rad ohne Fortuna, aber mit Menschengestalten besetzt. Diese Darstellung findet sich auf zwei Zeichnungen in einer Pergament- handschrift der Bibliothek von Monte Cassino, die dem Ende des 11. oder Anfang des 12. Jahrhunderts angehört!) und in ihrem Haupttheil die Arithmetik des Boethius enthält. Auf S. 145 ist ein Glücksrad gezeichnet, das mit vier Männern aufsen besetzt ist: oben sitzt einer mit einem Tförmigen Stab in der linken, während er mit der rechten Blumen an die Brust hält. Rechts bewegt sich ein anderer abwärts, wo ein dritter steht, der Augen und Hände bittend nach dem auf der Höhe erhebt. Der vierte strebt auf der linken Seite an dem Rade empor. Die Zeichnung auf S. 146 schliefst sich dem Typus an, der aus vielen Darstellungen bekannt ist”): von links strebt ein Mann an dem Rade hinauf, in reichem Anzug, mit der Beischrift Regnabo; oben sitzt ein König mit Doppelkrone, Scepter und Ring, Regno über ihm und zu seiten die Verse: Stas pater in summo Miserere iacentis in imo Eece per alterutrutrum (sie!) vadit conversio rerum. Zu den Füssen des Königs liest man Fortunium. Necessitas. Rechts fällt ein Mann hinab in blofsem Unterkleide, Regnavi steht am Kopfe. Unten liegt ein vierter fast nackt, bei ihm Sum sine regno geschrieben, und unter ihm die Verse: OÖ ridens animal sursum pete corde tribunal. Ante diem mortis ypatet hac mutatio sortis. In der Mitte des Radkreises stehen die Worte Prosperitas Adversitas. Diese Zeiehnungen sind die ältesten vom Glücksrad, die ich kenne‘) In dem Wigaloisroman unsers Wirnt von Gravenberg (31, 12—82. 5l, 38ff. Pfeiffer) lesen wir von einem aus Gold gegossenen Rade, das !) Bibliotheca Casinensis sen Codieum manuseriptorum, qui in tabulario Casinensi asservantur, scries. Tom. IV. Ex typogr. Casin. 1880. S. 82f. 2) Die Beschreibung liels sich vervollständigen durch Bethmann’s Mittheilungen im Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde XI, 501. ?) Auch Bethmann a.a. O. kannte keine älteren. Glücksrad und Lebensrad. 11 Gawein mitten im Saale des namenlosen Königs sah, das Werk eines Pfaffen. »Drauf waren Bilder gegossen, jedes glich einem Manne: hier fielen die einen mit dem Rade nieder, dort stiegen die anderen wieder auf: das war des gelückes rat.« Gawein liefs das Rad verkleinert nach- bilden und stellte es auf einen Helm, den er seinem Sohne Wigalois schenkte, der davon den Namen der Ritter mit dem Rade führte. Noch in dem Spiel vom Herzogen von Burgund (Keller’s Fast- nachtspiele Nr. 20) kommt ein Glücksrad auf die Bühne gelaufen, auf dem des Fürsten Figur oben, die des Antichrist unten steht (a. a. O. S. 176). Zwei sich selbst drehende Glücksräder hat Jean Cousin in seinem Liber Fortun® (Taf. 117, 119) gezeichnet, beide sechsspeichig und mit Kurbel. An dem ersten schwingt sich von rechts ein König kräftig hinauf); der oben sitzende weist mit der Hand lebhaft gegen ihn; links fällt ein anderer hinab, Krone und Scepter ihm voran. An dem zweiten (Taf. 119) sitzen über jeder Speiche auf der Radfelge allegorische Figuren: zu oberst Superbia, zu unterst Humilitas. Die Umschrift lautet: Ex Divitiis Superbia, ex Superbia Bellum, ex Bello Paupertas, ex Paupertate Humilitas, ex Humilitate Pax, ex Pace Divitiae. Ein deutscher Meister des 16. Jahrhunderts (es war nach F. Lipp- mann’s Ansicht nicht Hans Burgkmaier), der die deutsche Übersetzung von Petrarcha’s Buch de remedis utriusque fortun®, die zu Augspurg bei Heinrich Steyner 1532 erschien (Franeiscus Petrarcha, Von der artzney beyder Glück des guten und widerwartigen) mit schönen Holzschnitten schmückte, läfst auf den Titelblättern beider Theile das fünfspeichige ständerlose Rad durch die vier Hauptwinde treiben, die aus den vier Ecken blasen.') An den Radfelgen sieht man die vier typischen Gestalten: von links klimmt ein reichgekleideter Herr mit turbanartigem Kopfputz und mit Scepter empor: ad alta vehor. Oben sitzt ein Herrscher mit Reichsapfel und erhobenem Schwerte: glorior elatus. Rechts ist ein König im Absturz, die Krone und das Scepter hat er zwar noch auf dem Haupt und in der Hand, aber die Kette fällt ihm über den Kopf: descendo mortificatus. Unten aber liegt, mit der einen Hand die Radfelge fassend, !) Nachbildung bei Hirth, Kulturgeschichtliches Bilderbuch aus drei Jahrhunderten. 12 K. WEINnHoLD: wie auf dem Gravetscher Bilde, und mit der anderen noch das Scepter haltend, ein fürstlicher Herr: axi rotor.') Ohne die Göttin bleibt das Glücksrad auch dort, wo es aus den Rundfenstern der Giebelseiten der Kirchen gestaltet ward, wozu die Mass- werkfüllung in Speichenform verlocken mochte. So an dem Westgiebel der Kirche S. Zeno in Verona. Das Radfenster ist ein Werk des Bild- hauers Briolotus aus der Zeit um 1138. Am Umkreis desselben sind sechs Gestalten gemeifselt: links zwei emporklimmende, oben ein thronen- der König mit Scepter und Krone, rechts zwei abwärtsfallende, unten eine nackte hingestreckte Gestalt.’) Diese Kirchenfenster mit Gestalten werden uns beim Lebensrade wieder begegnen. Begreiflich ist aber, dafs diese bildlichen Darstellungen sich ungemein verbreiteten und als blofse Ornamente gebraucht wurden. Sie wurden auch von der Kleinkunst be- nutzt. So erscheint das Rad mit den typischen Figuren besetzt auf italienischen Niellen des 15. Jahrhunderts (Manuel de l’Amateur d’estampes par Eug. Dutuit. Paris, Londres 1888. S. 218£.) Für das Glücksrad ist nun die nächste Form das Rad, neben dem Fortuna steht und Menschen hinauf- und hinabbefördert, ohne dass sie selbst das umrollende Rad dreht. Hierauf deute ich die Stellen in den altfranzösischen Gedichten Athis 1961ff.. Rom. de la Rose 4590 ff., Renart le nouvel 7940 ff. Dazu stimmt auch eine Abbildung unter den Gravures de Jean de Baviere, prince-eveque de Liege, comte de Hollande (1390 -—-1425).) Als ältere Frau in reichem Kleide steht Fortuna neben einem sich von selbst drehenden achtspeichigen Rade und hilft mit ihren vier Händen‘) (jeder Arm spaltet sich am Elbogen in zwei Unterarme) den vier von rechts auf das Rad klimmenden Männern. Dem !) Eine eigenthümliche Verwendung findet das Glücksrad in der magyarischen Sage von dem Garaboneziäs diak (dem fahrenden Schüler. Der G. d. kommt mit Zähnen auf die Welt, macht 13 Schulen durch und erhält dann mit (13 oder) 12 Genossen in einer Höhle Unterricht vom Teufel. Dann setzen sich die 13 auf ein Glücksrad; einer fällt beim Umschwung des Rades herab (wird ausgelost), die 12 anderen werden Zauberer (fahrende Schüler). Ethnologische Mittheilungen aus Ungarn. Redigirt von A. Herrmann und L. Katona. I, 166 (Kolozsvar 1892). 2) Abbildung bei Orti Manara, dell antica basilica di S. Zenone maggiore in Verona. Verona 1839. ®) Herausgegeben Paris, Liege, Bruxelles o. J. S. 241. *) Eine sechshändige Fortuna in der Münchener Hs. einer französ. Übersetzung von Boccaz de casibus. 1458. Glücksrad und Lebensrad. 1185 obersten, welcher kaum die Höhe erreicht hat, stürzt schon die Krone hinab; links fallen drei jäh hinunter. Auf der linken Seite des Rades steht ein geistlicher Herr.') Auch auf einem Holzschnitt von Schäuflein steht (nach dem Buche Les gravures de Jean de Baviere S. 248) Fortuna neben einem sich selbst umwälzenden Rade, das vier Personen in der bekannten Rundbewegung trägt. Die Inschrift lautet Futura. Dem Alterthum scheint diese Vorstellung fremd. Dieses kennt die Fortuna nur auf der flüchtigen Kugel stehend oder von dem Rad begleitet. Erst bei Boethius ist eine Stelle nachgewiesen (de consol. II. pr. 1, 2), welche von dem Wälzen des Rades durch Fortuna und der Wirkung der Drehung auf die darauf Gestiegenen redet. Diese Vorstellung sagte aber dem Mittelalter besonders zu. Fortune sa roe tourne, Fortuna ir schibe läzet umbe gän, frö Sz#lde tribet des gelückes rat. lesen wir in den Ge- diehten; die bildende Kunst aber benutzte diese unmittelbare Verbindung der Fortunagestalt mit dem Rade und seinen Figuren zu verschiedenen Typen, je nach der Art wie Fortuna das Rad umwälzt. In der bekannten Benedietbeurer Liederhandschrift, die Schmeller herausgab, stellt das Bild der ersten Seite die gekrönte Fortuna dar, in den vom Elbogen an erhobenen Händen Spruchbänder haltend, wie sie mitten in dem achtspeichigen Rade, also auf der Nabe, sitzt und durch ihre Schwere dasselbe umtreibt. Von links klimmt ein unge- krönter Jüngling am Rade hinauf: regnabo. Oben sitzt in ruhiger Haltung ein gekrönter König, das Lilienscepter in der Rechten: regno. Dem auf- klimmenden grade gegenüber stürzt ein König hinab, mit beiden Händen noch das Rad fassend, die Krone fällt ihm vom Haupt: regnavi. Unten aber liegt ein kron- und scepterloser, den einen Arm noch um die Felge gelegt: sum sine regno. Die vier Beischriften sind sehr häufig und geradezu typisch; wir haben sie auch schon wiederholt angeführt. Die gleiche Stellung mufs die Fortuna auf dem Bilde in dem Hortus delieiarum der Äbtissin Herrad von Landsberg (+ 1195) haben.) Und die !) Auf Grund eines alten Textes wird in dem von Z. Z. geschriebenen Commentar die Frau auf Marguerite de Rochefort, die erbitterte Feindin des Bischofs von Lüttich ge- deutet, der Mann auf einen Richter des Jean de Baviere. 2) In der Ausgabe von Engelhardt (1818) ist das Bild nur kurz beschrieben, auf Taf. V aber nicht wiedergegeben (vgl. auch S. 115). Ebenso fehlt das Bild in der neuen Pariser Ausgabe von Spach, so weit sie mir im hiesigen K. Kupferstichkabinet vorlag. 14 K. WEInHoLD: Verse im Roman de la Rose 6637 Lafse li sa roe torner Q’u el torne ades sans sejorner Et siet ou milieu beschreiben dieselbe Art. Eine andere Weise, die auch in unserem Gravetscher Wandgemälde gewählt ist, zeigt Fortuna, wie sie in die Speichen greift und das Rad damit dreht. In dem sehr interessanten Skizzenbuch des französischen Baumeisters Villard de Honnecourt aus dem 13. Jahrhundert findet sich der Entwurf eines Glasgemäldes als Rose mit sechs Blättern.') In der Mitte steht For- tuna auf ihrer Kugel und greift mit jeder Hand in die Speichen des Rades. Auf jedem Rosenblatt ist ein König. Die Bewegung des Rades geht von links nach rechts. Dasselbe Verhältnifs der Fortuna zu dem Rade be- schreibt Hans Sachs in seinem Gedicht: das waltzende Glück (4, 157 Keller. Der Dichter schaut im Traum ein sieben Klafter hohes Rad, das sich langsam drehte (gemach umbwertz zog). Er sieht eine wol- gezierte frawen auf eyner runden kugel stan, die trieb das rad. Wem sie es erlaubt, der setzt sich auf das Rad und wird köstlich beschenkt, so.lange es aufwärts geht. Auf der anderen Seite aber fällt er jammernd hinab. Ganz deutlich ist das Traumbild nach einem Stich oder Holz- schnitt des 16. Jahrhunderts entworfen; vieles in der genaueren Ausführung der Gestalt erinnert an die oben erwähnten Zeichnungen Dürer’s”) und anderer. A Ohne die Kugel, aber das Rad in der beschriebenen Art fassend, stellt eine Miniatur in der vaticanischen Handschrift des Tresor von Brunetto Latini (no. 3203. XIV. sec.) Fortuna hinter dem sechsspeichigen Rade vor; ihr gekröntes Haupt ist zwischen den zwei aufwärts gekehrten Speichen sichtbar, um welche sie ihre Hände gelegt hat. Auf dem Rade erscheinen die vier typischen Figuren.°) Die entsprechende Miniatur der Pariser Handschrift desselben Werkes (bibliotheque rue Richelieu) zeigt Fortuna im Mittelpunkt des Rades aufrecht stehend und dasselbe drehend, also !) Album de Villard de Honnecourt. — Manuserit publie en facsimile annote et suivi d’une glossaire par J. B. A. Lassus. Paris 1858. pl. XLI. p. 167. (Englische Übersetzung von Rob. Willis, Facsimile of the sketch - book of Wilars de Honecort — publ. by Alfr. Daroel. London 1859). 2) So der Zaum, der bei den Fortunagestalten A. Dürer's, Holbein’s, Beham’s und Aldegrever’s (1555) ein Attribut bildet, und den H. Sachs seinem Glück in den Mund gibt. ®) S. 441 der französischen Ausgabe des Tresor. Glücksrad und Lebensrad. 15 wohl auch in die Speichen greifend. Die vier Figuren haben die Bei- schriften: Spes — Regnabo, Gaudium — Regno, Timor — Regnavi, Dolor — Sum sine Regno.') Derselbe Typus erscheint in einer Miniatur einer Handschrift von Augustinus Schrift de eivitate (Amiens. n. 216. XIV. sec.) am Anfang des 5. Buches. Eine weibliche Gestalt im blauen Rock, den Hermelinmantel darüber, auf einen farbigen Hintergrund gemalt, der Himmel und Erde darstellt, mit langen blauen Flügeln, dreht mit den ausgestreckten Armen ein Rad, an dem drei Figuren im Umschwunge hangen.’) Die Gestalt wird auf die Providentia gedeutet, von der Augustinus im 5. Buche handelt. Wir haben aber den Typus der Fortuna vor uns; nur ist die Fortuna in dem christlichen Bewulfstsein zur Providentia geworden: die Engländer nennen noch jetzt das Glücksrad wheel of the Providence. Fortuna und Providentia friedlich zusammen zeigt ein grolser flandri- scher Teppich des 16. Jahrhunderts in Madrid, welcher die Tugenden und Laster darstellt. In der Höhe steht Fortuna reich gekleidet und läfst aus einer Hand Rosen, aus anderer Steine fallen. Unter ihr, gegen die Mitte des Ganzen, steht die Providentia, welche ein auf dreifülsigem Ständer ruhendes Rad dreht. Die Worte Honor, Prosperitas, Paupertas, Adversitas ersetzen die vier Figuren am Rade. Das Rad scheint ein anderes Rad zur rechten zu treiben, das als Futurum bezeichnet ist.°) In feindlichem Verhältnifs hat Jean Cousin die beiden Gewalten auf seiner 107. Tafel gezeichnet: Fortune imperatrix Providentia. Providentia sitzt mit Krone und Scepter auf dem Throne, vor dessen Stufe die halbnackte Fortuna neben ihrem zerbrochenen Rade mit abgewandtem Gesichte kniet. Unser Gravetscher Wandgemälde, auf das wir nun zurückgehen, stellt die Fortuna wie jene beschriebenen Miniaturen französischer und italienischer Handschriften dar, mit ausgestreckten Armen in die Speichen des Rades greifend und dasselbe dadurch umdrehend. !) Album de Villard-Honnecourt. Paris 1358. S. 167. — Das Bild vom Glücksrad in der Pariser Handschrift A (XIII. sec.) des Roman de la Poire, scheint, soweit man aus der Beschreibung des Herausgebers Stehlich (S. 20) schlielsen darf, die Fortuna ebenso zu stellen: »Fortune mit dem Rade vor sich«. °®) Didron aine Annales archeologiques I. 247. Handbuch der Malerei übersetzt von Schäfer S. 318. ®) Les gravures de Jean de Baviere S. 251 f£. 16 K. WEINnHoLD: Die Augen des jugendlichen Weibes, mit dem rundlichen Gesicht der Frauen der Brixener Malerschule, sind durch eine Binde verdeckt: der Typus des blinden Glücks erscheint. Die Vorwürfe, welche die un- befriedigte Menge der als hohes göttliches Wesen angerufenen Fortuna nach C. Plinius Secundus machte, lauteten: sie sei volubilis, exca, vaga, inconstans, incerta, varia, indignorumque fautrix (Hist. nat. I. 5). Bei Pacuvius (0. Ribbeck, trag. lat. p. 104) lesen wir: Fortunam in- sanam esse et cxzcam et brutam perhibent philosophi saxoque instare in globoso priedieant volubili. Apulejus von Madaura (Metamorph. VI, 2) führt als sehr alte Meinung an, cwcam et prorsus exoculatam esse Fortunam. Auch bei Boethius in der Consolatio philosophi® I. 42 heifst Fortuna ein ecxcum numen (deprehendisti cwei numinis ambiguos vultus), und der Vorwurf der Blindheit der Göttin ergiebt sich als der Menge geläufig noch aus den sogenannten Disticha Catonis (IV. 3. noli Fortunam qus non est dieere excam). Diese beiden Stellen, die aus Boethius in Notker’s althochdeutscher Übersetzung und die eatonische in mittelhochdeutscher Gewandung,') sind nun die einzigen altdeutschen, in denen die Blindheit der Szlde erwähnt wird: aber es sind eben Übersetzungen; in Fleisch und Blut unserer mittelalterlichen Dichter ist diese Vorstellung nicht übergegangen. Da- gegen begegnet sie bei den altfranzösischen Dichtern nicht selten: bei Rutebeuf (Oeuvres rec. par Jubinal. Paris 1839, I, 88), im Roman de la Rose 6637, in der Reimehronik des Ph. Mouskes V. 23562, im livre de voir-dit von Guillaume de Machaut (S. 333). im Tresor de Brunetto Latini (französ. Ausgabe S. 441), in dem Adamspiel (im Monmerque et Michel theatre francais 82 f.). Eine blinde Fortuna, oder was dasselbe bedeutet, eine mit verbundenen Augen, ist mir aus mittelalterlichen Gemälden nicht bekannt worden. Aber sie taucht in der Renaissancezeit in Italien und Frankreich auf, in Deutschland ebenfalls. In der Akademie in Venedig sieht man la cieca Fortuna von Giovanni Bellini (F 1516): Fortuna nackt bis zum Unterleibe, von wo ab sie in einen Vogel verwandelt ist, der auf einer Kugel steht, sie trägt eine Binde um die Augen. In seinem Liber Fortune hat der Franzose Jean Cousin auf nicht weniger als fünfzehn Blättern (pl. XXII. !) Notk. Boeth. I. 42. des sih pergenten trugetieueles, alde chid plindero gutenno, wanda veteres sia mäletön plinda. Cat. Dist. 442 sprich niht, Szlde si blint, des si niht ist. Glücksrad und Lebensrad. 17, XXXIN. XXRIX. LXV. LXVDO. LXXXI LXXXIX. XCM. XCV. CXIU. CLXR. CLXXI. CLXXXI. CLXXXV. CXCHI) die Fortuna cxca in geistreicher Ab- wechselung gezeichnet; auf dem letzten angeführten Blatt ist sie nicht blos ewca, sondern auch manca, surda, bruta. Für Deutschland geben der bald zu besprechende Stich des Meisters von 1464, ein Holzschnitt in Petrarcha’s Von der Artzney beyder Glück (Augs- purg 1532) Beispiele; aufserdem Hans Sachsens Gedicht, das geradezu Be- schreibung eines Stiches ist: das waltzend Glück (Keller’s Ausgabe IV, 158). Das macht mich in der Vermuthung unsicher, dafs in der Augenbinde unserer Südtiroler Fortuna italienischer Einflufs sich bekunde, worauf die Umtreibung des Rades durch den Griff in die Speichen sonst führen könnte. Dafs die Südtiroler Maler des 14. 15. 16. Jahrhunderts von dem nahen Öberitalien her starke Einwirkung empfingen, ist bekannt genug. Ein jüngeres Mittel zur Bewegung des Rades war die an der Nabe angebrachte Kurbel. Wir treffen diesen Mechanismus am Glücksrade im 15.— 17. Jahrhundert. Ohne die Fortuna erscheint ein solches Glücksrad auf dem Holzschnitt zu Capp. 37.56 von Seb. Brant’s Narrenschiff (in den ältesten deutschen Ausgaben, wiederholt in Simrock’s Übersetzung, Berlin 1872). Um die Kurbel ist ein Strick geschlungen, der durch eine links oben aus den Wolken ragende Hand, die der Kreuznimbus umgiebt, gelenkt wird. Auf dem Rade sind aufsteigend ein Esel im Mannskleid, oben lustig springend ein ganzer Esel, und abstürzend ein Mann mit dem Hinterkörper eines Esels angebracht, alle drei mit Narrenkappen versehen. Dabei sei erwähnt, dafs sich ganze oder halbe Thierfiguren an dem Glücksrade im 15. 16. Jahr- hundert auch sonst finden. So auf einem italienischen Niello (Manuel de l’amateur d’estampes par M. Eug. Dutuit. Introduction generale. II. partie. Nielles. Paris 1888. S. 424); auf einem Holzschnitt in der deutschen Über- setzung von Petrarcha’s Buch de remediis utriusque fortunae (Augspurg 1532), den wir weiter unten beschreiben. Auf einer Roue de la fortune, dem Titel- blatt einer französischen Handschrift des 16. Jahrhunderts (Pariser grofse Bibliothek. La Valliere 44) haben alle Figuren allegorische Thierköpfe (Les arts somptuaires II. S. 210); auf einer Tarokkarte trägt nur. die oberste der Philos. - histor. Abh. 1892. T. 3 18 K. WEınmoLD: vier Gestalten des Glücksrades einen Eselskopf (Allihn, Dürerstudien S. 27). Auf einer anderen Spielkarte im British Museum') sieht man ein sechs- speichiges Rad mit Kurbel auf Doppelständer (la Rove de Fortune) mit drei mystischen Figuren in typischer Art besetzt, oben eine Sphinx, rechts auf- klimmend einen Esel, links abfallend einen Affen wie es scheint. Mit lauter Vögeln (Adler, Heher, Elster, Fasan, Falk, Pfau) ist das von der Zeit und dem Fuchs gedrehte Rad auf dem A. Dürer zugeschriebenen Holzschnitt nach dem Michelsfelder Teppich besetzt.?) Dem herkömmlichen Typus verwandter, und wohl älter als der Holz- schnitt bei Brant ist das Glücksrad unter den Wandgemälden im alten Schlofs Lichtenberg bei Glurns im Vinstgau.’) Das Rad ist mit den vier bekannten Figuren besetzt, welche Regnabo, Regno, Regnavi, Sum sine regno dar- stellen. Sie sind sehr klein gezeichnet. Das Rad wird nicht von Fortuna, sondern von zwei eleganten Herren in Röcken mit aufgeknöpften Ärmeln und in Schnabelschuhen gedreht. Diese Ersetzung der Glücksgöttin durch Gestalten aus der Zeit des Bildes ist nicht häufig. Ich kenne sie sonst noch aus dem oben beschriebenen Stich in den sogenannten Gravüren des Fürstbischofs Jean de Baviere von Lüttich und aus einem Einblattdruck auf den Fall des Winterkönigs von 1621. Die Lichtenberger galanten Raddreher erklären sich aus den höfischen Scenen, unter denen das Glücksrad steht. Das gewöhnliche ist auch bei der Kurbelform, dafs Fortuna selbst das Rad umtreibt. Die älteste Darstellung dieser Gattung ist vielleicht die Federzeichnung auf dem letzten Blatt der Berliner Pergamenthandschrift (Mser. germ. 4°. 284), welche vorn Eikes von Repgau Zeitbuch (der koninge buch), dann elf gereimte Erzählungen und darauf Gotfried’s Tristan (Blankenheimer Hs. N) enthält. Zwischen zwei Ständern bewegt sich ein sechsspeichiges Rad, welches die rechtsstehende Fortuna in Tracht des 15. Jahrhunderts mit beiden Händen an der Kurbel dreht. Neben den vier Radfiguren stehen die bekannten Worte Regnabo, Rengno (sie), Regnavi, Sum sine regno auf Zettelbändern. Der vierte Mann liegt zwischen den zwei Ständerpfosten. !) A deseriptive catalogue of playing and other cards — by Will. Hughes Willshire. London 1876. Taf. III. S. 55. ?2) Kleine Nachbildung bei Hirth, Bilderbuch I. S. 208. ®) Mittheilungen der k. k. Centralecommission. Wien 1379. S. 137. Glücksrad und Lebensrad. 19 Fortuna hat das Spruchband: Si non mutarer fortuna non vocarer fortuna. Gegenüber der Frau steht ein junger barhäuptiger Mann mit sprechender Handbewegung. Auf seinem Bande liest man: OÖ bona fortune sunt non omnibus una. Oberhalb des Königs auf der Radhöhe neigt sich der Ober- körper eines Engels über den Halbmond herüber. Rechts davon liest man: Est rota fortune variabilis ut rota June. Links: Quem vult fortuna re- tardat (?) quem vult exaltat. Als Kurbeldreherin ist die Glücksgöttin auch auf den Fouquet’schen Bildern in dem prächtigen Münchener Codex der französischen Übersetzung von Boceatius de casibus virorum illustrium von 1458 (Cod. gallie. Monae. n. 6) dargestellt. Auf dem interessanten Stich des Meisters von 1464,') der uns noch später beschäftigen wird, steht links Fortuna in Tracht des 15. Jahr- hunderts, beide Hände an der Kurbel des auf hohem Ständer schwebenden achtspeichigen Rades. Um die Kurbel zwischen ihren Händen ist ein Seil geschlungen, das aus der oberen linken Ecke des Blattes herunterkommt, aus der rechten Hand Christi nämlich, der im Gewölk steht, mit Nimbus um das Haupt, die Weltkugel mit hohem Kreuz in der linken. Er ist also der eigentliche Lenker des Glücksrades und wir gedenken der Darstellungen mit der Providentia. An dem Rade schweben die vier typischen Figuren in Bewegung von rechts nach links. Ich erwähne ferner aus dem 16. Jahrhundert das Bild in einer Pariser Handschrift (Nr. 6877) von Petrarcha de remediis utriusque fortuns#: For- tuna sitzt gekrönt, in reicher Kleidung auf goldenem Thronsessel in offener Landschaft. Sie dreht die goldene Kurbel des links vor ihr stehenden goldenen Rades mit den vier typischen Figuren, die in ihrer Kleinheit mehr als Modelle wie als lebende Gestalten erscheinen.’) In der deutschen Übersetzung desselben Buches von Petrarcha (Augs- purg 1532), die wir früher schon benutzten, findet sich auch eine Zeichnung, welche die Fortuna in reicher Frauentracht des 16. Jahrhunderts darstellt’) !) Einziges bekanntes Exemplar in der Wiener Hofbibliothek. Genaue Wiedergabe in den Publieationen der Internationalen chalkographischen Gesellschaft. 1888. Nr. 1. Be- schreibung u. a. von Sotzmann im Deutschen Kunstblatt 1850. Nr. 10—13. 2) Les arts somptuaires. Histoire du costume de l’ameublement et des arts et industries qui s’y rattachent. Sous la direction de Hangard-Mange. Introduction generale et texte explicatif par Ch. Louandre. Paris 1858. II, 200 (unbeziff. Tafel). ®) Kleine Nachbildung bei Hirth, Kulturgeschichtliches Bilderbuch I. S. 222. 3 20 K. WEInHorD: die Augen verbunden, mit üppigem bis zur Hüfte fallenden Haare (wie auf unserem Tiroler Wandgemälde). Sie steht im Profil nach links gewandt und dreht durch die Kurbel das auf hohem Ständer ruhende achtspeichige Rad, das mit drei aus Esel- und Menschentheilen zusammengesetzten Figuren be- lebt ist. Unter der abstürzenden gähnt eine Grube. Das Rad mit Kurbel finden wir auch auf der schönen Dürer’schen Zeich- nung eines Buchzeichens (ex libris) im Berliner Kupfersticheabinet.') Auf einem vierspeichigen Rad mit Kurbel, das auf einem Ständer liegt, sitzt oben eine gekrönte Frau, die Linke sprechend erhebend, in der Rechten das Scepter. Am Rade bewegen sich vier Zimmerleute, je mit Beil, Hammer, Zange und Winkelmafs. Auf dem Schriftbande hinter dem Kopfe der Königin liest man: Hilf dir Got Ghelvck berat. Auf einem Einblattdruck von 1621 ist die Veränderlichkeit, die das Glücksrad schafft, auf das Schicksal des Pfalzgrafen Friedrich’s, des Winter- königs, angewandt. Man sieht ihn in den gewöhnlichen vier Stellungen; zuletzt liegt er im Wasser. Das Rad wird an einer Kurbel von Seultetus und Camerarius getrieben.”) Wie fest diese Radform im 16. Jahrhundert namentlich geworden, beweist, dafs dort, wo das Rad nur als Attribut der Glücks- oder Schicksals- göttin vorkommt, sich die Kurbel auch findet, so auf der Aldegrever'schen Fortuna von 1549 und auf der 123. Tafel im Liber Fortune des Jean Cousin. Hier ist die Fortuna rotans rotam als geflügelte bekleidete Frau gezeichnet, die ein kleines Rad, das zwischen zwei Ständern legt, mit gestrecktem linken Arm hält. An der Kurbel ist ein Riemen befestigt, den sie mit der rechten Hand zieht. Die Zahl der Figuren an und auf dem Glücksrade wechselt von drei bis acht. Am gewöhnlichsten sind vier, die auch das Gravetscher Bild festhält. Es sind die Vertreter der vier Hauptstationen: Aufstreben, Sitz im Glück, Herunterkommen, völliger Fall. Als gewaltigstes Beispiel des Schicksalswechsels galt von je das wandelbare politische Glück, und so sind Könige die beliebtesten Figuren, ) Nachbildung in den Zeichnungen von Albr. Dürer in Nachbildungen herausgegeben von Fr. Lippmann I.n. 51. Berlin 1883. ®) Im K. Kupfersticheabinet in Berlin. Vgl. Weller, Annalen I. S. 128. Nr. 626. Kleine Nachbildung bei Scheible, die fliegenden Blätter des XVI. und XVII. Jahrh. Stutt- gart 1850. S. 233. Glücksrad und Lebensrad. Dil welche Frau Fortuna umwälzt, und die Beischriften regnabo, regno, regnavi, sum sine regno die ältesten und festesten. Die bildlichen Darstellungen, die ich nachweisen konnte, beginnen mit dem Ende des 11. Jahrhunderts. Von da bis tief in das 16. bleibt das Glücksrad mit und ohne Fortuna beliebt. Die Dichter reden gleichzeitig von ihm. Im 17. Jahrhundert ver- schwindet das Bild. Deutschland und Frankreich waren für diese Darstellungen besonders fruchtbarer Boden. Fors oder Fortuna war die Göttin der Zufälle oder der wechselnden Verhältnisse des Lebens. Alles, das im Leben des einzelnen Menschen sowie grolser Gemeinschaften geschah, ward auf ihre Lenkung zurück- geführt: Glück und Unglück des Lebens, aber auch das Leben selbst in seinem Auf- und Absteigen von der Kindheit bis zum Tode stellte man unter ihre Macht; das Glücksrad wandelte sich leicht in ein Lebensrad. Die bildende Kunst des Abend- und Morgenlandes hat diesen Gedanken oft genug benutzt, und das Verdingser Wandgemälde veranlafst uns eine Reihe solcher Darstellungen zu besprechen, nachdem der ältere Didron in seiner Abhandlung La vie humaine (Annales archeologiques S. 241— 251. Paris 1544) vorangegangen ist, und nebenher auch W. Wackernagel in dem Aufsatz: das Glücksrad und die Kugel des Glücks (Zeitschr. f. deutsch. Alterth. VI, 142 f.) darauf hingedeutet hat. Wir erwähnen zunächst einige Kunstdenkmäler, in denen das Glücks- rad sichtlich in das Lebensrad übergeht. An dem südlichen Kreuzschiff der Kathedrale von Amiens (13./14. Jahrh.) sind um den oberen Halbkreis des Rosenfensters siebzehn Figuren angebracht. Oben auf sitzt ein gekrönter Mann in Jugendkraft, den Hund zur Seite; rechts von ihm (vom Beschauer links) klimmen am Radbogen acht Gestalten hinauf, alle unbärtig und heiter, während die links vom König abwärts sich be- wegenden bärtig und traurig sind. Der letzte stürzt ab.') Hier ist der Wechsel des Glücks mit dem Wechsel des Lebens deutlich vereint: der König ist ebensowohl auf dem Gipfel seines Glücks wie auf der Höhe !) Jourdan et Duval, le portail S. Honore dit de la Vierge-Doree. Amiens 1544 und Didron in den Annales archeol. S. 246. 249 mit Abbildung. 22 K. WeEınHoLD: der Lebenszeit. Jugend ist Freude und Glück, Alter Trauer und Unglück. Diu jugent ie näch fröüden strebt, mit sorgen witze und alter lebt, reimte Freidank (51, 25. W. Grimm). In der Bogenrundung (voussure) des Portals im Nordgiebel derselben Kirche stehen um Christus, der die Mitte einnimmt, die Figuren der sechs Weltalter, die zugleich die sechs Lebensalter') vertreten: Adam die erste Kindheit (infantia), Noa das Knabenalter (pueritia), Abraham Isak Jacob und Hiob das Jünglingsalter (adolescentia), Moses Aaron David das blühende Mannesalter (juventus), Salomon und Judith das reife Alter (virilitas), Judas Makkabäus und Johannes der Täufer das Greisenalter (senectus). Glück und Lebensalter sind in gleicher Art wie in dem Radfenster der Kathedrale von Amiens verbunden an der Fensterrose des nördlichen Kreuzschiffes von S. Etienne in Beauvais (11./12. Jahrh.), deren Umkreis mit zwölf Figuren geschmückt ist. Gerade oben sitzt der König auf dem Thron; die fünf links von ihm klimmen empor, die fünf rechts stürzen kopfüber ab. Ganz unten liegt eine Gestalt, die, soweit man noch erkennen kann, in einem Grabe verschwindet. Die aufklimmenden scheinen bartlos. Der König streckt ihnen hilfreich die Hand entgegen; nach den abfallen- den stölst er mit seinem langen Scepter. Das Grab, welches den unter- sten aufnimmt, beweist deutlich, wo Glück und Leben enden’) Noch entschiedener ist das auf einem italienischen Niello. In der Mitte dieses Rundstückes von 32”” Durchmesser sieht man ein Rad auf Ständer, das durch eine rechts oben aus den Wolken reichende Hand mittels eines Seils gedreht wird. Von links steigt eine Gestalt, oben Esel unten Mensch, hinauf, Regnabo auf dem Band neben sich; oben klammert sich ein ganzer Esel an’s Rad, Regno, und wehrt den aufsteigenden ab, während er zugleich nach dem abstürzenden dritten stöfst, der unten Esel, oben ein Narr mit Kappe ist: Regnavi. Im Vordergrund ist ein Grab und ein Grabstein (Manuel de l’Amateur d’estampes par Eug. Dutuit. Paris, Londres 1888, S. 424). Diese Hinweisung auf den Tod bei Darstellungen des Glücksrades erkennen wir auch auf einem Holzschnitt in der Augsburger Verdeutschung von Petrarcha’s Glücksbuch (1532), wo unter dem abstürzenden Eselmen- schen eine Grube gähnt:; und auf zwei Miniaturen der Münchener Pracht- ‘) Wackernagel, die Lebensalter. Basel 1862, S. 241. 2, Didron, a.a. ©. 241. Glücksrad und Lebensrad. 23 handschrift einer französischen Übertragung von Boeeazen’s Buch de casibus illustrium virorum et mulierum, die den vierten abgestürzten Mann regungs- los, also todt, unter dem Rade ausgestreckt zeigen. Eine andere Form der Darstellung sehen wir an einem leider sehr beschädigten Glasfenster der Kirche S. Nizier in Troyes, das an's Ende des 15. oder in den Anfang des 16. Jahrhunderts gehört. Vor jeder Figur der sieben Lebensalter') steht eine Frau, je in blauem, rothem, violettem oder grünem Kleide. Dem auf einem Holzpferde reitenden Kinde hält sie ein kleines Kirchenmodell vor; einem feinen Jüngling etwas jetzt ausge- brochenes; der dritten (zerstörten) Gestalt ein Schiff; bei der vierten, einem jungen Mann, der mit einem Falken auf der Faust zu Pferde steigen will, ist wieder ein Loch im Glase; einem reifen Manne mit dem Buche in der Hand bietet sie eine Monstranz; einem alten Krückengänger zeigt sie die Uhr: dem Greise, der krank auf dem Bett liegt, reicht sie die Linke, in der Rechten hält sie ein nacktes Schwert. Ihr gegenüber steht der Tod als weifses Gerippe, ein Ruder in der Rechten, die Sense über der linken Schulter. Die Frau ist auf‘ die Religion gedeutet worden,’) die als Mah- nerin an die verschiedenen Lebensalter herantrete. Wackernagel (a.a. 0. S. 26) hielt sie für das personifieirte Leben, das jedem Alter biete, was ihm zukomme; und das scheint richtig. Die Radform ist auf diesem Glasfenster nicht gewählt; ebenso nicht auf dem früher erwähnten Stich des Meisters von 1464, auf dem wir links die blinde Fortuna an dem Rade erblieken, das Christus von oben lenkt; auf dem übrigen Blatte ist der Abschlufs alles Glückes und Lebens durch den Tod ergreifend dargestellt. Auf der rechten Seite des Bildes nämlich steht der Tod als tleisch- loses Gerippe; um die Schulter hat er den vollen Köcher gehängt, mit der erhobenen Linken hält er den Bogen empor, während die Rechte die Sehne anzieht, um einen Pfeil in die Menschenmenge zu schiefsen, die im Laubwerk des Lebensbaumes in drei Reihen sitzt: zu oberst die Geist- lichkeit um Pabst und Kardinäle; zu zweit weltliche Männer um Kaiser und König; unten Frauen und ein Kind, so geordnet: Greisin, Frau, Jung- Y) Über die Siebenzahl der Lebensalter W. Wackernagel, Lebensalter S. 26f. Gö- deke, Pamphilus Gengenbach S. 569. 2) Didron, a.a.O. I. 248. 24 K. WEInHoLD: frau (zu der ein Einhorn aufspringt, als wäre sie die Jungfrau Maria), Mädchen und ein nacktes Kind. Neben dem Tode steht zu lesen: nemini parco. Der Baum, um dessen Wipfel ein Vogel fliegt, steht mit den behackten Wurzeln auf dem Quergebälk eines Schiffes. An den Wurzeln nagen zwei Ratten mit den Beischriften: dies, nox. Zwischen dem Glücksrad und dem Lebensbaum ist ein Grab aus- gestochen, worin ein Todter liegt. Über und unter ihm, bei Fortuna und den Radfiguren sind auf Bändern lateinische Sprüche zu lesen. Am oberen Rande zwischen dem Radkönig und dem Baumwipfel liegt ein Spruchband horizontal. Darunter flattert ein kleineres: in spectatores pietor. Dieser, der Maler, schwebt darunter in mönchischer Tracht, mit einem breiten, achtzeiligen Blatte.') In seiner tiefsinnigen Zeichnung hat er das wechselnde Schicksal des Menschen entworfen, das von oben gelenkt wird, wenn es auch der blinde Zufall zu bestimmen scheint, und das schliefslich der Tod endet, welches Standes, Geschlechtes und Alters der Mensch sei. Der Lebensbaum, der keine ganzen Wurzeln hat, der auf dem Schiff nur un- sicher stehen kann, ist schon hierdurch in seiner Hinfälligkeit bezeichnet. Jede Nacht, jeder Tag nagen daran. Ähnliche Gedanken liegen jenem Bilde unter, das der Athosmönch Dionysios von Furna (15./16. Jahrh.) in der "Eures rns Cwypadırns malen lehrt. Es besteht aus vier concentrischen Kreisen: im innersten thront der König Kosmos, im nächsten stehen die vier Jahreszeiten im Vierpals, im folgenden die zwölf Bilder des Thierkreises mit ihren Monaten; im äulsersten die sieben Lebensalter des Menschen, aufsteigend mit den Jahren 7, 14, 21 zu 28, und absteigend mit 48, 56, 75. An den Rücken des Fünfundsiebzigjährigen legt der Tod seine Sense, um ihn herabzureifsen. Neben dem Tode ragt ein Drache (der Höllenrachen) aus einem Grabe, mit einem Menschen, den er halb verschlungen hat. Die vier Kreise des Bildes stellen zusammen ein Rad dar, das von Tag und Nacht in Engelsgestalten durch Stricke umgetrieben wird.’) !) Die Inschriften sind auf der Beilage zu der heliographischen Wiedergabe des Blattes in den Veröffentlichungen der chalkographischen Gesellschaft I,1 gedruckt. Vgl. auch Sotz- mann, Deutsches Kunstblatt 1850, Nr. 10—13. 2) Didron, Annal. archeol. I. S.244 ff. Didron, Handbuch der Malerei vom Berge Athos, übersetzt von Schäfer, Trier 1855, S. 382 ft. Glücksrad und Lebensrad. 25 Auf diesem byzantinischen Schema beruht das Wandgemälde eines Zeitrades, das Didron d. ä. 1539 an der Kirche des Dorfes Sophades in Thessalien fand. Nur fehlt hier der Tod und der Höllenrachen.') Aber kehren wir zu den einfacheren abendländischen Bildern zurück, welche das Erlöschen des menschlichen Geschickes im Tode versinnlichen. Ein Holzscehnitt des fünfzehnten Jahrhunderts in Grofsfolio, den Hoff- mann von Fallersleben besafs,’) stellt das in ein Lebensrad verwandelte Glücksrad dar. Hinter dem Rade steht »ein Mann« und greift in die Speichen, es zu drehen. Um die Felgen steht nach Hoffmann: Rota uite que fortuna vocatur: Sie ornati nascuntur in hac Mortali uita. Est uelut aqua labuntur defieiens ita. Rings herum sind die sieben Alters- stufen bildlich angebracht: Wickelkind in der Wiege, 7 Jahr, 15 Jahr, 25 Jahr, 35 Jahr, 50 Jahr, 80 Jahr. Unten liegt der Todte im Sarge. Bei dem Wickelkinde steht generacio zu lesen. Deutsche Reimpaare be- gleiten die Stufenjahre bis zum Todten. Aufserdem liest man oben und unten vertheilt acht lateinische und sechszehn deutsche Verse.’) Wichtiger, wegen der noch näheren Verwandtschaft mit dem Ver- dingser Kapellenbilde ist ein Holzschnitt von 1480, der leider nur als Bruchstück auf der Wiener Hofbibliothek sich findet.‘) Es ist ein Glücksrad, das der Tod aufhält. Links vom Ständer stehen drei junge Männer, um sich auf das Rad zu schwingen; ein vierter hat einen Sitz zu unterst erreicht, wird aber von einem rasch hinzutretenden an den Fülsen ergriffen, der sich dadurch nachschwingen will. Über ihm sieht man einen jungen Kaufmann: Ich will suchen niw fund, Ich acht nit ob es sy sund. Der folgende, ein junger schwertgegürteter Edelmann, reitet fest auf dem Rade: Hoch stigen ist min sinn, Wie ich er und gut gewinn. !, Didron, Annal. archeol. I. 242. 2) Bibliotheca Hoffmanni Fallerslebensis. Lips. 1846, S. 51, dazu bei Aufsels, Anzeiger f. Kunde des deutschen Mittelalters I, 254. Wo sich das Blatt jetzt befindet, konnte ich nicht erfahren: in Berlin und Nürnberg ist es nicht. ®) Von Hoffmann an den beiden oben angeführten Stellen vertheilt gegeben. +) v. Bartsch, die Kupferstichsammlung der Hofbibliothek in Wien. Wien 1854. S. 272. Philos. - histor. Abh. 1892. I. 4 189) 6 K. WeınHouD: Zu oberst sitzt, den aufklimmenden zugekehrt und mit dem Scepter sie abwehrend, ein junger König: Nun bin ich gewaltig, waz wil ich me? Ich acht nit wie es ieder man ge. Der nächstfolgende, ein älterer König, ist schon auf der abwärts geneigten Seite: noch näher dem Falle der nächste; ein dritter stürzt kopfüber. Unter dem Ständer liegt der letzte: Dü welt git solichen lon, Got lebt mit den sinen schon. In die Felgen des Rades aber tritt der Tod und streckt seine Arme durch die Speichen: Uwer glückrad muss umb gan, Er und gut müssent ir lan. Wie hier der Tod gewaltsam den Umschwung des Lebensrades aufhält, so hat der Franzose Jean Cousin auf seinem letzten Fortunabilde (ultima fortuna. Taf. COXCIX) die Göttin dargestellt, als nacktes bekränztes Weib, das in der rechten Hand ein schwellendes Segel hält und den rechten Fuls auf die Kugel gesetzt hat. Mit der linken Hand fällt sie dem neben ihr stehenden bekränzten Tod in den rechten Arm, der ihr Rad wegnehmen will. In der Linken trägt er eine vom Wind geblähte Fahne. Das Wandgemälde von Verdings ist nun der kräftigste Ausdruck des Gedankens, dafs alle Lebensalter unter der Gewalt des Todes stehen. Die Schicksalsgöttin ist wie auf dem Hoffmann’schen Holzschnitt ganz beseitigt: an die Stelle der nach Hoffmann’s Beschreibung unbestimmten männlichen (Gestalt, die das Rad dreht, ist hier der Tod selbst gekommen. Der Achtzig- jährige fällt hinab auf den Sarg, den das kreuzgezeichnete Bahrtuch über- deckt, während auf den sonst von uns beschriebenen Bildern der bereits Todte ruhig gestreckt im Sarge oder im Grabe liegt. Wir begannen den Abschnitt vom Lebensrade mit dem Radfenster von Amiens, an dem nur die obere Hälfte mit auf- und absteigenden Ge- stalten besetzt ist. Es ist eigentlich ein Bogen, über den die Vertreter der wechselnden Lebensalter und Lebensgeschicke hinauf und hinunter wandern, und so ist es geeignet, zu jenen bildlichen Darstellungen überzuleiten, die Glücksrad und Lebensrad. DM des Lebens Perioden als Stufen, die ganze Lebenszeit als abgetreppten Aufbau nehmen. Unser Wort Altersstufe, das lateinische gradus aetatis, das griechische xAuuaxrnp beweisen die tief wurzelnde Vergleichung, welche von deutschen und niederländischen Malern des 16. und 17. Jahrhunderts gern in Gemälden und Stichen ausgeführt worden ist, wobei die charakte- ristischen Formen der zehn Lebensalter, auch die thiersymbolischen, zur Verwendung kamen.') Meiner Aufgabe liegt die Ausführung hiervon seitab. Aber ihr nahe steht der Hinweis auf eine sehr alte Verwendung des Treppenaufbaues auf das Glück, oder besser das wechselnde Geschick. Aelian (var. hist. I. 29) erzählt, dafs der weise Pittakus von Lesbos im Tempel von Mitylene Treppen aufstellen liefs, um das Volk auf das Auf- und Absteigen zu Glück und Unglück hinzuweisen. Die Kunst hat sich dieses Gedankens nicht sehr angenommen. Das bewegliche Rad erschien ihr, und die Dichter unterstützten sie dabei, für weit geeigneter, den Wechsel des Glücks zu versinnlichen, und der Wechsel der Zeit im ganzen Weltgetriebe wie im Leben des Menschen kam unter dasselbe Gleichnifs. ') Vergl. W.Wackernagel, die Lebensalter, S.35ff. J. Zacher in der Zeitschr. f. deutsche Philologie XXIII, 401ff. Von bildlichen Darstellungen verweise ich nur auf Tob. Stimmer, Lebensstufen des Weibes und Mannes (Nachbildung bei Hirth, Kultur- geschichtliches Bilderbuch II, 874— 881). Unbekannter Meister ebd. II, 508. 509. Nie. Visscher, de Jonghe Trap des Ouderdoms ebd. III, 1135. m ’e N vrinönch Nike Bis ar ” ih, ft u? “ . it ' A + Nike TE a IE f „% abh 3 Er Inn: le Fr E [71 N 220157 um AILiET h q Ur 2 3 mu nu K. Preuss. Akad. d. Wissensch. Philos. - histor. Abh. 1892. Glücksrad von Gravetsch. opmi om Fötuna me Ddiecık ? N z alor | nur habeo vnde al N Weinhold: Glücksrad und Lebensrad. Tafel I. RK. Preuss. Akad. d. Wissensch. Philos. - histor. Abh, 1892, Lebensrad von Verdines. Weinhold: Glücksrad und Lebensrad. Tafel II. ANHANG ZU DEN ABHANDLUNGEN KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. ABHANDLUNGEN NICHT ZUR AKADEMIE GEHÖRIGER GELEHRTER AUS DEM JAHRE 1892. MIT 6 TAFELN UND 1 KARTE. BERLIN. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 1892. GEDRUCKT IN DER REICHSDRUCKEREI. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. BR“ iR wenn var 14 aa an oA Yan hr Ad. AN BAAR NEN | . | . . B7 | | u B \_ sirrpsefaklac ARronkdakeo rl Rh BR Ann W m za ar ENTE | JAROKTN HN RATEN HR NN RN Inhalt Physikalische Abhandlungen. Kayser und Runge: Über die Spectren der Elemente. Fünfter Ab- schnitt. (Mit 1 Tafel) Sen lan er were klichn Brauer: Über das Ei von Branchipus Grubü v. Dyb. von der Bildung bis zur Ablage. (Mit 3 Tafeln) ER a N: Kayser und Runge: Über die Speetren der Elemente. Sechster Ab- schnitt. (Mit 1 Tafel) Mathematische Abhandlungen. ScHeEiner: Der grolse Sternhaufen im Hercules Messier 13. (Mit 1 Tafel) Philosophisch-historische Abhandlungen. MIiLCHHOoEFER: Untersuchungen über die Demenordnung des KRleisthenes. (Mit 1 Karte) Abh. 1. 1. » II. Abh. 1. Abh. 1. sml-=3% S. 1-66, Ss. 1-28. S. 1-55. S. 1—48. SEN RREEN sie ee un ae il Mil 1 4 v ’8 a ri m Een in BE rd mr m f 2 gen, PET 2 ü a Aa MR nn 3 we; - ” v x \ un suis phanesing ie er Ne PEM, et A Do PHYSIKALISCHE ABHANDLUNGEN. \ MÖLKHTRICIVLA HIER. BIETOSLLROTTENTRE i . rn Über die Spectren der Elemente. H. KAYSER uno C. RUNGE, Professoren an der Königl. Technischen Hochschule zu Hannover. Fünfter Abschnitt. Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1892. I. Vorgelegt in der Sitzung der physik.-math. Classe am 21. Januar 1892 [Sitzungsberichte St. IV. S. 29]. Zum Druck eingereicht am 11. Februar, ausgegeben am 31. März 1892. Fünfter Abschnitt. Über die Spectren von Kupfer, Silber und Gold. Sylt, on den Elementen der ersten Mendelejeff’schen Gruppe haben wir im dritten Abschnitt unserer Speetraluntersuchungen!) nur die Al- kalien behandelt, Kupfer, Silber und Gold aber vorläufig bei Seite gelas- sen. In der vorliegenden Abhandlung füllen wir diese Lücke aus, indem wir zuerst die Spectren dieser Elemente beschreiben, wie wir sie im Kohlebogen beobachtet haben, dann Gesetzmäfsigkeiten in diesen Speec- tren aufsuchen. Um vorgreifend das Resultat kurz auszusprechen, so haben wir gefunden, dafs die Spectra von Kupfer und Silber ganz ebenso wie die der Alkalien zwei Nebenserien von Linienpaaren mit constanter Schwin- gungsdifferenz besitzen. Von einer Hauptserie dagegen haben wir nichts gefunden; nur ein sehr starkes Linienpaar mit den Eigenschaften der Hauptserie ist vorhanden und mag vielleicht das erste Paar, n —= 3, der- selben sein, während die weiteren Paare wegen zu kurzer Wellenlänge noch unbekannt sind. Im Spectrum des Goldes haben wir keine Serien finden können, vielleicht die ersten Paare derselben. Auch in der Gruppe der Alkalien, ebenso in der der Erdalkalien fand sich, dafs bei den Elementen mit !) Kayser und Runge, über die Speetren der Elemente, dritter Abschnitt, Ab- handlungen der Berliner Akademie der Wissenschaften (1890). 1 4 H. KAxsER uno © Ronee: grölserm Atomgewicht die Serien schwieriger erscheinen; haben wir doch bei Cäsium und Rubidium aufser der Hauptserie nur die stärkere erste Nebenserie gefunden, bei Baryum gar keine. Damit wird sich das Feh- len der Serien bei Gold erklären; vielleicht werden sie bei höherer Tem- peratur erscheinen. 82. Zur Erzeugung der Spectren haben wir wieder die in den vorigen Abschnitten beschriebenen Hülfsmittel benutzt. Um sie kurz zu recapi- tuliren, so wurden die Elemente mit einem Strom von etwa 20 Ampere bei 50 Volt Spannung im Kohlebogen verdampft, das Licht mit Rowland’- schem Concavgitter von 650° Krümmungsradius, 20000 Furchen auf den englischen Zoll, im Ganzen deren 110000, dispergirt, und auf Platten von 50°” Länge photographirt. Der Mafsstab ist dabei ein solcher, dafs fast genau 2 Angström’sche Einheiten auf den Millimeter kommen. Die Bestimmung der Wellenlängen geschieht, indem auf einer Theilmaschine die Platten gemessen und für die stets auftretenden Linien des Eisens oder anderer Verunreinigungen der Kohle unsere früher bestimmten Werthe eingesetzt werden; dann wird für jedes gemessene Stück der Platte, etwa 10° lang, aus den Eisenlinien nach der Methode der kleinsten Quadrate Mafsstab und Nullpunkt berechnet, und danach werden die Wellenlängen der unbekannten Linien ermittelt. Dieselben beruhen also, wie unsere Eisenlinien, auf der Annahme: D, = 5896.16; D, = 5890.19. Jedes Spectrum ist mehrere Male photographirt, die verschiedenen Messungen sind dann zu einem Mittel vereinigt. Um diefs rationell thun zu können, haben wir jede Linie auf den verschiedenen Platten verglichen, und die einzelnen Messungen mit verschiedenem Gewicht in Rechnung gebracht, — ganz so, wie wir es auch bei unseren früheren Publicationen gemacht haben. Wir geben bei jeder Linie wieder die Fehlergrenze an, die wir noch für möglich halten, und es mag nicht überflüssig sein, wenn wir hier etwas ausführlicher, als es früher!) geschehen ist, auf deren Be- deutung eingehen. 1) Kayser und Runge, über die Spectren der Elemente (III) p. 14. Über die Speetren der Elemente. V. 5 Das Aussehen der Linien ist ein ungemein verschiedenes; während einzelne vollkommen scharf sind und die Breite von wenigen Hundertel Millimetern besitzen, sind andere an beiden, seltener nur an einem Rande unscharf. Tritt diefs in geringem Grade auf, so dafs die Breite der Linie etwa 1”" nicht überschreitet, und ist die Unschärfe nach beiden Seiten gleichmälsig, so läfst sich noch mit grolser Genauigkeit die Mitte der Linie erkennen. Ist aber die Unschärfe nur einseitig, oder auf beiden Seiten ungleich stark, so ist ein sicheres Urtheil darüber, wo die Linie liegen würde, wenn sie nicht verbreitert wäre, unmöglich. Mifst man eine solche Linie wiederholt, so wird man im allgemeinen ‚nicht grolse Abweichungen erhalten, weil man immer dieselbe Stelle als die eigentliche Linie auffassen wird; so kann es kommen, dafs man 4 oder 5 Messungen erhält, die nur um wenige Hundertel einer Angström’schen Einheit diffe- riren; es wäre aber eine Selbsttäuschung, wenn man annehmen wollte, die Linie sei nun wirklich so weit genau bestimmt, da die Übereinstimmung der Messungen doch nur beweist, dafs derselbe Beobachter in immer gleicher Weise die Lage des Maximums taxirt. In solchen Fällen mufs man viel- mehr die Linie genau betrachten, und zu schätzen suchen, wie weit man im ungünstigsten Fall die Linie falsch annehmen kann. Noch nothwen- diger wird diefs Verfahren, wenn die Linien aulserordentlich stark ver- breitert sind, so dafs sie 5, 10 oder mehr Angström’sche Einheiten einnehmen. Liegen in einem solchen breiten Wisch dann noch einige fremde Linien, wie es sehr häufig der Fall ist, so mufs die mögliche Fehlergrenze sehr grofs ausfallen. Diesen Überlegungen gemäfs sind unsere Fehlergrenzen so ange- geben, dafs sie bei scharfen oder scharf umgekehrten und vielfach gemesse- nen Linien etwa mit dem doppelten mittleren Fehler der einzelnen Messung übereinstimmen!). Bei den Linien mit mäfsiger Unschärfe ist ım allge- meinen die gröfste Differenz der vorhandenen Messungen als Fehlergrenze genommen; bei den sehr unscharfen Linien endlich hat die Fehlergrenze mit den vorliegenden Messungen gar nichts mehr zu thun, sondern ist nur nach dem Aussehen der betreffenden Linie bestimmt. 1) Der wahrscheinliche Fehler der einzelnen Messung beträgt bei uns für nicht verbreiterte Linien auf den besten Platten nicht mehr als ein Hundertstel einer Ang- ström’schen Einheit, während er bei weniger guten, aber noch brauchbaren Platten bis auf drei Hundertstel steigt. 6 H. Kayser uno 0. Runee: $ 3. Für spectralanalytische Untersuchungen mit dem Kohlebogen ist „chemische Reinheit“ der Stoffe von geringer Bedeutung, da einmal die chemischen Reactionen viel zu unempfindlich sind, andererseits die Koh- len der Bogenlampe zahlreiche Verunreinigungen in variabler Menge ent- halten. Um die Linien eines Elementes herauszufinden, bleibt daher nichts übrig, als Substanzen zu benutzen, welche aus verschiedenen Quellen stam- men und daher wahrscheinlich verschieden verunreinigt sind, und nur die allen gemeinsamen und in gleichen Intensitätsverhältnissen auftreten- den Linien herauszusuchen, die sonst nicht im Kohlebogen auftreten. Dafs man freilich dabei nicht ganz sicher geht, sondern eigentlich alle Elemente gleichzeitig untersuchen muls, haben wir schon früher!) her- vorgehoben. Über einen Irrthum in Folge dieses Umstandes in unserer letzten Abhandlung haben wir nun leider zu berichten. Trotzdem wir zur Erzeugung des Zinkspectrums vier verschiedene Sorten metallischen Zinks, darunter zwei als chemisch rein aus Erfurt und aus Berlin bezogen, und ein Zinksalz benutzt haben, finden wir nachträglich, dafs alle Sorten sehr stark mit Blei und schwächer mit Zinn verunreinigt waren, was wir natürlich erst entdecken konnten, als wir die Speetra dieser Elemente photographirten. Wir müssen daher die Bitte aussprechen, in unserer Liste des Zinkspeetrums?) folgende Linien zu streichen: 4058.02 Pb; 4019.75 Pb; 3740.12 Pb; 3683.63 Pb; 3671.71 Pb; 3572.90 Pb; 2913.63 Sn; 2873.39 Pb; 2863.43 Sn; 2833.13 Pb; 2823.27 Pb; 2802.11 Pb; 2706.64 Sn; 2697.54 Pb; 2663.25 Pb; 2577.34 Pb; 2393.88 Pb; 2246.90 Pb. Wir hoffen für die Zukunft gegen derartige grobe Irrthümer ge- schützt zu sein, da wir, bevor wir weiter gegangen sind, die Spectra des grölsten Theiles der verbreiteten Elemente photographirt und gemes- sen haben. So sind die Spectra von Be, B, Al, TI, Si, Sn, Pb, Sb, Bi, Mn, Pd, theilweise auch As und Pt bei der vorliegenden Untersuchung be- reits mit berücksichtigt. Im übrigen haben wir auch diefsmal wieder, wie !) Kayser und Runge, über die Spectren der Elemente, dritter Abschnitt (1890), p. 16. ?) Kayser und Runge, über die Spectren der Elemente, vierter Abschnitt (1891), p. 22 — 24. Über die Spectren der Elemente. V. 2 früher, nicht gesucht, die Spectren ganz vollständig zu erhalten, sondern nur solche Linien aufgenommen, deren Zugehörigkeit zu dem betreffen- den Element wir für ganz sicher halten; sehr schwache und nicht bei allen Aufnahmen erscheinende Linien dagegen, auch wenn ihre Zugehö- rigkeit uns wahrscheinlich war, haben wir fortgelassen. 84. Kupfer. Wir haben das Spectrum des Kupfers erzeugt, indem die Kohlestäbe der Lampe durch Kupferstäbe von 1—2%” Querschnitt ersetzt wurden. Die Kupferstäbe brennen viel schlechter ab, als Eisen- stäbe: sowie der Bogen erlischt, überziehen sich die Stäbe mit einer nicht leitenden Oxydschicht, so dafs bei neuer Berührung der Stäbe der Bogen sich nicht leicht wieder entzündet. Das Funkenspectrum des Kupfers ist von Kirchhoff, von Tha- len und von Lecoq de Boisbaudran im sichtbaren Theil bis zur Wel- lenlänge 4275 gemessen worden; der ultraviolette Theil von Hartley und Adeney zwischen 3999 und 2103, von Trowbridge und Sabine zwischen 2369 und 1944. Das Bogenspectrum ist von Liveing und Dewar von 2294 bis 2135 photographirt worden. Es fehlte somit bis- her vollkommen das Stück zwischen 4275 und 3599, und für das Bogen- licht fehlte das gesammte Spectrum, bis auf die kürzesten Wellen. Unsere Aufnahmen beginnen bei 600 uu. H. Kayser up C. Ruwnee: [0,0] uaSdun upfeuL UpTelL UMTBULL, uapei]L, UpJel,L UTBILL, UMTEULL 20897 nau neu 180.7 nou nou neu nou neu 0:5018 nou 8'3919 nou nou g'L1a9 neu nou 1'659 neu nou nou nou nou nou nou nou not 001% neu UMJeuL FISLG ssow >aaeynıy NIDDA Aeyosun ıayas Jeyosun ıyos Jaeyosun ıyas Feyosun ayos PRELIERURGHN BRCHERUAGNN yayayaduın PREIIERURENN jeyosun ayos ayayodum PRELIERGRENN PREITERGRENN AaJoLA yoru Japatqloa gayoyosun (E) 180979 Ag Aw Quplouoo “MONOLqIOA Feyosum os (F) 81689 a A Auplouroo ‘ieyasun Ayos Jwyosun ayas Jlieyosun Ay9s J199IAQIOA (g)go’gggg ag u nzoyeu garprouroo yweıasun A9S (1(2) 087829 a wu Jarpiouroo ussunyaawacg own» wa Hm a van a [Sr oT Bu BE ıD 2 u seaoıHıHı a v 0T’0 070 010 c0'0 030 030 080 ‘To sro g0'0 To 080 To 010 0170 g0'0 J0OIA yasu Jreydsun %) 08E°0 8’CIoF nu yoy ydeu Fleyosun I 0) 697507 mau >jorA yaeu Jieyasun | G 080 s’9g0F nau yoy yoru Feyosun | I 0T'0 F6'790F N mau Feyosun | 9 020 0°°E90F neu Aeyosun Ayos q 10 85EL0F & neu Feyasun Ayos G 010 0L'080F S nau 19OIqIIA G 0T'0 seEslr S nou EN ELLE r oTo LS'’LLIF S neu pleyasun Ay9S 9 oT'0 081807 nau PRENERUBEZE G 010 cr crer S nou #| 00 12°6r27 „= nau JIONOIAQLIA € 010 gg’E45r S neu 19NaIqIOA & oL’O EI96CCr S | nau EREDTERUR ET 9 gTo sFr 1977 S uamur, 0'eL&r ayayodum | @ | G0'0 BEICLer nn nau peyasun Ayos G = 6'687€ nou kauepy pun Kane 8'908E noau nal nou neu nou nou nau nau nou Aauspy pun Aopıey O'ISEE nau nau nou ua3unssow aıoynıJ PREITERGREHN PREITGRURGNN EREITGRGRGHN PREHCAURGYN (E) LO'IEZE aA Aw gaıpıouroo “yrayraagaaa uaöSunyıawmag EREIIERGRGHN BREI ERGREH 4ıyoyodum BRCHICAGRGHN yayayasıun NIONOALLLOA Aeyosun ayos PRCITERGRGRN PRENIERGAGHN PREIICRURGHN JaapaLqL9A Feyosun ayas PREIIERGRGHN 419410Iq19A JIOOLALDA BREIIERGRGRN PREITEAGRERN ERCIIERGRENN Meyosun ayas AHV O rl ya ei cae a DO Ha EEE aha yeyısuoguf <00 0TO 00 g0'0 00 c00 <0'0 c0'0 80'0 g0'0 800 00 g0'0 00 20'0 oo g0'0 20'0 g0'0 g0°0 00 sto OT°O 0T°0 0T’O c0'0 <0'0 g0'0 aa) <0'0 azuald REILER 88078 LFIIGE LP ESGE 69'7258 19'9858 6T'IEGE TL'GE2E& Is ErGE& Gy'Lr7E 09978 90'TLz& GE'LLGE 686158 81'858 &3'0658 662658 OT'8088 B@LIEE IL'6IEE 896766 G6'LEEE 662486 BE'6rEE& LE’TSEE 379988 rL’GLEE 6G'T888 se'T8EE& 128888 60’I6EE | odurjuappo MM nou nau nou nau mau nou - nou kauapy pun Aopied F'EZ0E nu nou kauspy pun AapıeH 9'CE08 nou nau nou nau nou nau nou nau Be = 8'L60€ 2 S F'LOTE nou - r L’GTIE nou LEGTE nou fauspy pun Aape &L’6ETE nau ber die Spectren der Elemente. V. er / Ü neu nou nou not h nau nau eyosun ıayas Aeyasun .ıyas eyosun .ıyos (F) 571662 89 wu quıpruroo PREITERURGYN (U F)FITZOE IH Hu grıprouroo *1ograrqtaA PRGVIERGRENN PREITGRÜRGHN (2) FE'080E Od “HONErqLaA PROHIERGREN YIONOLqIOA FIONOTAIOA JISOIAIDA JIONIIAIOA PRCHTERGRGHN JA9aIqIOA PRGIIGHÜRERN (E)EC’OSIE AA “oprarquaa (E) EE°951E ad “rromoaqıaa JIOHOTqIOA JIaJTOTqLaA (E)FEZFIE 2A N Jarpiouroo ‘reyosun Feyosun PRESICHÜAGY PREIERGRERN eyasun ayos oe Ko Zu BE BES} I HI O DD DO DD nn = Haan Heer 16'864 01'986% 16'166 IF'L66G 60108 LO’GIOE EL’10E EI sco0E L0'CE08 EE°0E08 L1'9806 st Fro0& 815908 GE'EC08 EL'LEOE 048908 980.08 68’EL08 LOFEOE 16'6608 ry'soTE 6E'EILE sr'ITIE EEO2TE SE IEIE EL’SSTE srorIE LForIE S6’IFIE L9I’TSTE 6O’09TE EL’6IIE T8'GLIE LI'P6TE . H. Kayser uno C. Rune nou (e)o8’199z ad ‘eypsun ayas | G 0T°O 8L’109% nau peu SUEREN er ‘To 76 019% nou wog ypsu yJıayraıqdoa S1els | G 970 68°919% nou ES ERLRELT I 8) gro 911897 « “ 8°889% jaapaaqıea | 9 sro 081898 nau (yg) erurgp-ıg7 Ju 2apiouoo “eyroaqtea | 9 sro £8'9693 “ “ VEILZ Jeyosun Alos # oL’o LI’CILZ Souepy pun AapıeH %'16L% ZUBH BUN SSE IF &) FO'rsLa nou (Ss) EP IELz uz Aw yuıppouroo ‘ueyosun ayas | 7 li) SE'ICLZ nou LLECRL LEI ER) 0530 9818 “ « 29918 woy yozu enerqtea Yıyayosum | g Fi) 08'991% fouepy pun Aopıef 16924 EHER 72 0 a0) 768924 nou LEHCROLSEZI ER) 080 LE'69LG nou pad BEINEN GEIGER 0T°0 81'684 nau UBIHOSUIIENHEBIE Betr 070 L9'882% nou JUBUDSUNIETHORE EIG 9T’O 49'98L3 nou FAR OSUNLZTUOB EI EG 010 10'664 nau Aepsuntnesn| G 030 097187 nou gıeyasun Iy98 | G 030 IIGL8% « « F'L182 Aeyosun ayas | G 020 #0'618% ] H. Kıyser us C. Runee: Von den 66 Silberlinien der vorstehenden Liste sind 38 zum ersten Mal beobachtet. Thalen und Huggins geben im sichtbaren Spectrum 19 Linien, die wır nicht erhalten haben, während ihnen 15 von unseren Linien fehlen. Danach scheint das Funkenspectrum wesentlich verschie- den von dem Bogenspectrum zu sein, was sich auch im Ultravioletten bestätigt: Hartley und Adeney geben hier sehr viel mehr Linien, als wir gefunden haben. Liveing und Dewar!) theilen mit, neben der gewöhnlich sicht- baren Linie 4208 erscheine, wenn der Dampf sehr dicht werde, eine neue Linie 4211.3; beide Linien zusammen könnten den Anschein einer um- gekehrten Linie erwecken, während in Wahrheit 4208 nicht umgekehrt werde. Unsere Photographien zeigen nichts davon, wir haben immer nur eine stark umgekehrte Linie bei 4212 erhalten. $ 6. Gold. Huggins, Thalen, Kirchhoff, Lecoq de Boisbau- dran und Krüss haben im sichtbaren Theil des Funkenspectrums einige Linien gemessen; ferner geben Liveing und Dewar 3 ultraviolette Li- nien des Bogenspeetrums. Das ist alles, was man bisher vom Spectrum des Goldes wulste. Wir haben das Speetrum erzeugt durch Einbringen von Feingold in den Kohlebogen, seltener von Goldchlorid. Das Verdampfen des Gol- des ıst sehr unbequem, da die geschmolzenen Goldkügelchen, vermuth- lich in Folge des sphäroidalen Zustandes, die Neigung haben zu ver- spritzen, und man meist 3 oder 4 einlegen muls, bevor eines liegen bleibt und ruhig verdampft. Unsere Aufnahmen beginnen bei 660 un. 1) Liveing und Dewar, Proc. Roy. Soc. No. 198 (1879). V. ie Spectren der Elemente. Über d uasunss N —___—__——__ Un 2 nn a a OP m gro waaqg 'n Zumarg 8'6618 (<) (e) (9) (69) (9) (1) (9) (e) (<) MW nou nou nu nou nou nou nau nou nou nau nou noau nou r90F nau booaT noau nau LErF sung 68FF uopeun T'C6LF susöny 290€ woryL 80879 su@öny 8694 uapeun 19888 sußöny 6988 “ g'scog uareyL 2'9129 boaaT sıoyunıg -pjosy) nz alu Aosaıp ION: uogunyıowog RCHERLAGHN 9 c0'0 C3'880€8 BREITERÜRETN 2 c0'o0 80'LIIE yaoyadum {3 E00 8I’zale J1aylalqaaa 9 c1'0 E0'L2TE JaayaIq1aA 9 TO O06'I8TE PREIIERÜREHN F ce0'0 68 r6TE IIOMIIAIIA F c00 18°7058 ONOILLOA T co0o0 EL'0858 (e) ST’C9zE dA G coo 817978 q c0'0 Gr'808E moy yaeu 41ayl9ıqloa F c0'0 680568 MONOTQIOA 9 0T'0 6T'LIFE G c0'0 GL'ECGE PREIICRLREN F c0'0 r0'8686 G c0'0 r4'6068 q 00 LO'IFOF & 200 65°C90F q g0'0 95F80F G <0'0 66'176 9 [0 0) GL'FIEF r 00 rrLeir i% c0'0 gp'ssrr € c0'0 6L'56LF G c0'0 GL'F90G oyadnz ap yayıaıysaq SSnIM ii c0'0 LF'OESG 2 °00 009496 & <0'0 FI'LESE r g0'0 LI'E98G F c0'0 F6'LC6G v c00 LE'8L59 Lan! = ozuaıd 5, et odurjuofa Al mm I ULLI nn m mn nn agMaq 'n JumarT G',27% nou nau nau aemaq 'n ZumArT F'G197 nau nau nau nou nau nou nu nau nau nau nau neu nou H. Kayser uno C. Runge nou neu neu neu nau uaogunssow aaaynıyJy r <0'0 [a 7 7 00 GL'098% v <0'0 69'FIEG 12 <00 68'188 yayayasıun I 800 90'8777 17 <0'0 Ig'0185 r 00 08'Fr%5 r <00 61'068 yayoyosuım j1 800 0'919 7 c0'0 988895 PROITERGRGRN 9 g0'0 077695 2 <0'0 80'T0LG yayayasum F <0'0 GE'8FLs r <0'0 49'898 IREITGRURGRN F c0'0 LO'G68& 2 JIONOALIOA g ceo'o 86'906 (NE) EI°EIGZ ug gu yuıprouroo 2 E00 gyEI6s JIONOLLIOA & ce0'0 | 68'866 Fieyasun Aos 9 [01 80) 61'296 PRGITGRGRGHN F 00 63°896% (F) 89°0,65 a1 Ioroaqıoa G or'o Gg'0L6% eyosun ayos ) oL’o L9’EL6S ONILALIA 9 010 SL'GL6G (F) LE FIOg O1 MoNeıqaaa [e [01 60) 6E'FLOE (4 3) 32’ F208 Id mw gupıouıoo “azyyosun ayos g To LYTSOE (F) 886208 91 {9 coo 686508 Jieyposun os € c0'0 888808 5 | x zum | x uasunylowog ei ee SSURJUOTJO AA wi Über die Spectren der Elemente. V. 25 Von den 57 in dieser Liste angeführten Goldlinien sind 43 zum ersten Mal bestimmt. Im sichtbaren Theil geben die früheren Beobach- ter noch einige Linien, welche wir im Bogenspectrum nicht gefunden ha- ben. Auch bei den gemeinsamen Linien sind die Intensitäten merkwürdig verschieden, wie die in Klammern beigefügten früheren Angaben zeigen. SR Die Speetren von Kupfer, Silber und Gold zeigen keine so grolse Regelmäfsigkeit, wie die der Alkalien, in denen alle Linien nach einem gewissen Plane angeordnet erscheinen. Ja, ohne die Analogie mit den in anderen Spectren beobachteten Gesetzmäfsigkeiten würde man vielleicht die Vertheilung aller Linien für ganz regellos halten. Wenn man aber die analogen Erscheinungen in den anderen Spectren berücksichtigt, so wird doch eine gewisse Ordnung erkennbar, wenn sie sich auch nur auf ver- hältnifsmälsig wenige der zahlreichen Linien erstreckt. Was zunächst das Kupfer betrifft, so fallen eine Anzahl Paare von starken Linien desselben Charakters mit nahezu constanter Schwingungs- differenz sogleich in die Augen. So die stark verbreiterten Linien bei 5218 und 5153, sowie bei 4063 und 4023, das Paar von scharfen star- ken Linien bei 5782 und 5700, und das auffallende Paar von starken umgekehrten Linien bei 3274 und 3248. Wenn man nun das ganze Spectrum nach Paaren mit derselben Schwingungsdifferenz durchsucht, so finden sich die folgenden: Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1892. 1. Ha 236 H. Kayser uno C. Ruser: Schwingungs- ame Wellenlänge | zahl = Differenz \grenze der Bemerkungen Differenz 5782.30 | 17294.2 IR: 5700.39 | 17549.7 248.5 I 02 Scharfes starkes Paar 5220.25 19156.2 ] 5218.45 19162.8 948.7 09 Stark verbreitertes umgekehrtes Paar mit 5153.33 19404.9 j einem schwächeren Begleiter. 4531.04 22070.0 Dee) Bil.% Beide Linien umgekehrt und nach dem ro- 4480.59 22318.5 a | then Ende des Spectrums verbreitert. 4063.50 24609.3 | Zwei starke nach dem rothen Ende des 4062.94 24612.7 248.8 1.8 Spectrums verbreiterte Linien mit einem 4022.83 24858.1 schwachen Begleiter. 4056.8 24650.0 4 Zwei schwächere nach dem violetten Ende 4015.8 24901.6 > des Spectrums verbreiterte Linien. 3861.88 25894.1 if SE Zwei gleich starke, ein wenig verbreiterte | 3825.13 26142.9 Fi En Linien. 3688.6 27110.6 3654.6 97362.8 252.2 5.6 Zwei stark verbreiterte schwächere Linien. 3274.06 30543.1 | | 3247.65 30791.5 248.4 0.6 Zwei auffallend starke umgekehrte Linien. Bei dem zweiten und vierten Paare gibt der schwächere Begleiter mit der kleineren Wellenlänge zusammen die constante Schwingungsdiffe- renz. Ähnliches kommt auch bei einigen der Triplets der ersten Neben- serie im Spectrum von Strontium, Zink, Cadmium, Quecksilber vor!), während die Alkalien nur reine Paare besitzen. Als Mittel der acht Schwingungsdifferenzen ergibt sich, wenn die Beobachtungen nach ihrer Genauigkeit berücksichtigt werden, 248.5, und es zeigt die vierte Co- lonne der Tabelle, dafs die Abweichungen vom Mittel innerhalb der Ge- nauigkeitsgrenzen liegen. Sie gibt nämlich an, wie weit die gefundenen Schwingungsdifferenzen nach den Fehlergrenzen, die wir bei den betreffen- den Linien angegeben haben, von der Wahrheit abweichen können. Versucht man nun diese Paare in Serien zu ordnen, so wird man das starke Paar 3274 und 3247 bei Seite lassen, da es seinem Charakter nach gewils nicht mit emem der vorigen in einer Serie vereinigt sein 1) vergl. Kayser und Runge, über die Spectren der Elemente, Abschnitt IV. Über die Spectren der Elemente. V. 27 kann. Denn in allen Serien nimmt die Intensität der Linien zugleich mit der Wellenlänge ab. Von den übrigen Paaren wird man dem Aus- sehen nach ohne Besinnen das zweite, vierte und siebente Paar als zu- sammengehörig herausheben und nun zunächst untersuchen, ob diese drei Paare eine Serie bilden, bei der die zweite Constante ungefähr denselben Werth hat, wie bei allen anderen Serien, ob sie also in die Rydberg’- sche Tafel der Schwingungsdifferenzen (in unserer Abhandlung „Über die Spectren der Elemente“, IV. Abschnitt S. 65) passen. Die ersten Linien der drei Paare geben die Schwingungsdifferenzen: 5453.1, 2501.3; die zweiten Linien: 5453.2, 2504.7 und passen damit zwischen die Haupt- serie des Lithiums (5544.6, 2545.0) und die zweite Nebenserie des Na- triums (5384.7, 2486.2). Darnach wird man den Paaren die Ordnungs- zahlen 4, 5, 6 zuweisen müssen und wegen der verbreiterten Linien und des erwähnten Umstandes der schwachen Begleiter ihre Serie als erste Nebenserie betrachten. Noch eine weitere Analogie mit anderen Spec- tren zeigt nun das fünfte Paar 4057, 4016, das von etwas kleinerer Wel- lenlänge als das Paar n— 5 der ersten Nebenserie nach der violetten Seite hin abschattirt ist. Dasselbe ist gerade bei dem Gliede n —= 5 der ersten Nebenserie mehrfach beobachtet worden (beim Natrium, Zink, Cad- mium, Quecksilber). Die Formeln für diese Serie sind: 31591.6 — 131150”? — 1085060n"* 31840.1 — 131150"? — 1085060n”* Es bleiben nun noch drei Paare übrig: das erste, das dritte und das sechste der Tabelle. Die Schwingungsdifferenzen der grölseren Wel- lenlängen sind 4775.8, 3824.1 und die der kleineren 4775.83, 3824.4. Da sie ganz und gar nicht in die Rydberg’sche Tafel passen, so wird man annehmen müssen, dafs diese drei Paare nicht zu einer Serie gehö- ren, und man hat ohne weitere Voraussetzung kem Mittel zu erkennen, ob etwa zwei unter ihnen einer zweiten Nebenserie angehören. Wenn man aber von der Voraussetzung Gebrauch macht, dals wie in den Spee- tren der anderen Elemente so auch hier die beiden Nebenserien nahezu an derselben Stelle auslaufen, dafs also die erste Constante in jeder der Formeln für die ersten und zweiten Linien der Paare näherungsweise 4% 238 H. Kayser uno ©. Runee: denselben Werth hat, wie in der entsprechenden Formel der ersten Neben- serie, so findet man, dafs das dritte und sechste Paar mit den Ordnungs- zahlen vier und fünf der Anforderung genügen, für die zweite Constante nahezu denselben Werth zu liefern, wie alle anderen Serien. Die For- meln sind: 31591.6 — 1248097? — 440582 n* 31840.1 — 19480917? — 4405823 7% Allerdings ist nun das erste Paar nicht in die Serien aufgenommen. Dafs es mit dem ultravioletten Paare 3274, 3248 zu einer Hauptserie gehörte, wie sie bei allen Alkalien auftritt, scheint uns nicht wahrscheinlich. Aus- ser der grofsen Verschiedenheit in Intensität und Charakter spricht auch dagegen, dals die Schwingungsdifferenzen in beiden Paaren übereinstim- men, was bei der Hauptserie nicht der Fall sein dürfte. Eher scheint es uns denkbar, dafs das ultraviolette Paar das erste der Hauptserie bil- det, die dann weiterhin aus so kleinen Wellen besteht, wie sie nicht mehr haben beobachtet werden können. In seiner umfangreichen Abhandlung hat auch Rydberg!) das Kupferspecetrum auf Serien hin untersucht. Aber die Beobachtungen, die ihm zu Gebote standen, waren zu unvollständig und ungenau, als dafs er den wahren Sachverhalt errathen konnte. Er nımmt übereinstimmend mit uns 5218, 5153 als Paar der ersten Nebenserie an, von der ihm aber nur dieses eine bekannt ist. Zur zweiten Nebenserie rechnet er 5782, 5700 und die zwei Linien 4704.77, 4651.31. Diese beiden geben aber gar nicht die verlangte Schwingungsdifferenz 248.5, sondern nach unseren Messungen 244.3 mit der Fehlergrenze von nur 0.7. Das ultra- violette Paar rechnet auch Rydberg zur Hauptserie. Nach den Formeln ergeben sich die folgenden Wellenlängen: 1) Rydberg, Recherches sur la constitution des speetres d’emission des ele- ments chimiques (Kongl. Svenska Vetenskaps-Akademiens Handlingar, Bandet 23 No. 11, 1890). Über die Spectren der Elemente. V. 29 Erste Nebenserie: n Wellenlängen | Bemerkungen — 3 1127597. 25826. Unseren experimentellen Mitteln nicht zugänglich. 4 5220.24 | 5153.39 | | P) 4063.47 | 4022.85 Zur Berechnung der Formeln benutzt. 6 | 3688.50 | 3655.00 | 7 3513.3 3482.9 Auf unseren Platten nicht zu sehen, wahrschein- 8 3415.6 | 3386.8 lieh zu schwach. Zweite Nebenserie: n Wellenlängen Bemerkungen 3 | 8140. 7979. Unseren experimentellen Mitteln nicht zugänglich. 4 | 4531.04 | 3861.85 | 5 | 4480.59 | 3825.14 } Zur Berechnung der Formeln benutzt. | Auf unseren Platten nicht zu sehen, wahrschein- 6 3599.1 3567.2 | lich zu schwach. Die beobachtete Linie 3599.2 | B | 5 a aa 7 3464.9 | 3435.3 | kann ihrem Aussehen und ihrer Intensität nach nicht in Frage kommen. n = 3 ist wie in allen Formeln die kleinste Zahl, für die man einen po- sitiven Werth erhält. $ 8. Die Ansätze von Serien, die Rydberg im Silberspeetrum aufge- funden und in der oben erwähnten Abhandlung mitgetheilt hat, finden wir durchaus bestätigt. Wir haben die Serien um 6 Linien vervollstän- digen können. Indessen wollen wir für die Darstellung nichts als be- kannt voraussetzen, sondern zeigen, wie man beim Anblick des Sılber- speetrums auf die Serien aufmerksam werden würde. Im Silberspeetrum findet sich ebenso wie beim Kupfer im Ul- traviolett ein auffallend starkes Paar umgekehrter Linien 3383.00 und 3280.80, und da noch einige andere auffallende Paare dieselbe Schwin- gungsdifferenz ergeben, so liegt es nahe, alle Paare mit dieser Schwin- 30 H. Kayser und ©. Runge: gungsdifferenz aufzusuchen. In der folgenden Tabelle sind alle zusam- mengestellt: Schwi Fehler- Schwingzungs- Wellenlänge | "WIEWIES| Differenz grenze der Bemerkungen Differenz 5545.86 13031.5 Sen 3 Beide Linien nach dem rothen Ende hin ver- 52764 | 18952.3 “a =“ breitert, die brechbarere wesentlich schwächer. | Zwei starke umgekehrte Linien mit einem 5471.72 18275.8 on = DEE n ie Sen 920.8 DA schwächern Begleiter. er Begleiter gibt 5265:66 HErSEN z mit der brechbareren die constante Schwin- 5209.25 19196.6 h gungsdifferenz. 4888.46 20456.3 DER ” EA KORUEEREEREN E70 , 4678.04 213765 20.2 = wei etwas unscharfe schwächere Linien. s e 5 Zwei nach dem rothen Ende hin verbrei- or er 920.7 I) terte Linien gleichen Charakters. Die In- ZU nn tensitäten sind 2 und 3 geschätzt. 4212.1 23741.1 ar a8 En Sa ee ‘5 4055.44 94658.2 iR . wei umgekehrte stark verbreiterte Linien. 3981.37 25113.8 Bon 145 Beide Linien nach dem rothen Ende hin 3341.3 26032.9 ? verbreitert. Intensitäten 3 und 5. 3810.6 26242.6 Sen ie Beide Linien stark verbreitert, die brech- 3681.8 27160.6 5 2 barere nach dem violetten Ende hin. 3383.00 29559.6 Be ne . TE 20. R ß s gek 6 3280.80 304804 ehr starke umgekehrte Linien Bei dem zweiten Paare gibt wie beim zweiten Paare des Kupferspec- trums der schwächere Begleiter die constante Schwingungsdifferenz. Sucht man die Paare in Serien zu ordnen, so wird man das letzte Paar weg- lassen, weil kein ähnliches Paar vorhanden ist, dafs ihm in einer Serie vorangehen könnte. Von den übrigen fällt der ähnliche Charakter des zweiten, fünften und siebenten beim Anblick der photographischen Plat- ten in die Augen, so dafs man geneigt sein wird, sie als zusammenge- hörig zu betrachten. Die Schwingungsdifferenzen der ersten Linien sind 5465.3, 2501.5, die der zweiten Linien 5461.6, 2502.4. Sie passen dar- nach sehr gut in die Rydberg’sche Tafel und sind den entsprechenden Zahlen der ersten Nebenserie des Kupfers beinahe gleich. Man mufs den Paaren daher die Ordnungszahlen 4, 5, 6 geben. Dann erhält man die Formeln: Über die Spectren der Elemente. V. 31 30712.4 — 1306217? — 1093823 n”? 31633.2 — 130621n”? — 1093823 n"* Von den übrigbleibenden Paaren haben das vierte und sechste das gleiche Aussehen, und die Schwingungsdifferenz der ersten Linien ist 3694.6, der zweiten 5693.0, Zahlen, die nicht viel abweichen von den Differenzen der zur zweiten Nebenserie gerechneten Kupferlinien. Nach der Rydberg’schen Tafel kann man berechnen, wo das folgende Paar der Serie ungefähr liegen müfste, und findet an der berechneten Stelle die eine der beiden Linien; die andere, die auch in den übrigen Paaren die schwächere ist, ist nicht beobachtet worden. Nun ist man im Stande die drei Constanten der Formeln ohne weitere Voraussetzung zu berech- nen und findet: 30696.2 — 123788n"? — 394303 n"* 31617.0 — 1237882"? — 394303 n”* Die zweite Constante hat nahezu denselben Werth, wie in allen übrigen Formeln, und die ersten Oonstanten der beiden Formeln haben sehr nahe dieselben Werthe wie für die erste Nebenserie. Wir finden dadurch über- zeugend dargethan, dafs die Paare richtig zu Serien zusammengefalst sind, obgleich zwei Paare übrig bleiben. Auch gewinnen nun die beiden Se- rien des Kupferspeetrums an Sicherheit, da die Beziehungen mit den Sil- berlinien deutlich hervortreten. In der beifolgenden Tafel sind die Se- rien zusammen mit dem ultravioletten Paare schematisch gezeichnet. Man sieht, wie die Serien für das gröfsere Atomgewicht aus langsameren Schwingungen bestehen. Aber die feinen Details in dem übereinstimmen- den Charakter entsprechender Paare (z. B. n — 4 der ersten Nebenserie) haben der Kleinheit des Mafsstabes wegen nicht gezeichnet werden kön- nen. Das ultraviolette Paar liest in beiden Spectren relativ zu den Se- rien beinahe an derselben Stelle, und die ersten Nebenserien sind für Kupfer und Silber fast congruent. Man sollte glauben, dafs im Silberspectrum das Paar n — 5 der ersten Nebenserie 4212, 4055 ebenfalls einen schwachen Begleiter haben müfste. Nach unseren Aufnahmen ist es nicht der Fall. Aber allerdings geben Liveing und Dewar, wie schon vorhin erwähnt wurde, die Linie 4212 als doppelt an. © DD H. KAyser un ©. Runge: Nach den Formeln für Silber ergeben sich die folgenden Wellen- längen, von denen einige beobachtet worden sind. Erste Nebenserie: — n Wellenlängen Bemerkungen 3 | 37106. \27657. Bisher nicht beobachtet. 4 5471.70 | 5209.24 b)} 4212.75, 4055.44 |? Zur Berechnung der Formeln benutzt. 6 | 3810.97 | 3681.77 | 507.: 3624.0 beobachtet. Nicht beobachtet. Zweite Nebenserie: — n Wellenlängen Bemerkungen [3 nn 17 1D -1 fer] © [511 | Becquerel hat 8250 und 7710 beobachtet. 4 | 4663.71 | 4476.23 ] 5 3981.87 | 3841.04 |) Zur Berechnung der Formeln benutzt. 6 | 3710.11 — j) 6 3587.53 7 \ 3570.7 | 3457.0 | Nicht beobachtet. 8 3483.5 | 3379.9 n = 3 ist auch hier die kleinste Zahl, für die man aus den For- meln positive Werthe erhält. $9. Im Spectrum des Goldes findet sich ebenso wie beim Kupfer und Silber im Ultraviolett ein starkes Paar 2676, 2428. Aber die beiden Wellenlängen sind, wie man nach dem Atomgewicht nicht vermuthen würde, viel kleiner als die entsprechenden für Kupfer und Silber. Und es erscheint daher zweifelhaft, ob dieses Paar wirklich für Gold dieselbe Rolle spielt. Gesetzt es wäre der Fall, so sollte man erwarten noch wei- tere Paare mit derselben Schwingungsdifferenz zu finden. Es gibt aber nach unseren Messungen nur ein weiteres Paar, das in Frage kommen könnte. Über die Spectren der Elemente. V. IH 99 eur | I 1} - | Fehler- > e Schwingungs-| 2 Wellenlänge zahl | Differenz |grenze der Bemerkungen | , Differenz | exr8.37 | 15927.7 | 2 5064.75 197443 | 3816.6 0.3 Die gröfsere Wellenlänge ist etwas stärker. | I | | 2676.05 373685 | | 2498.06 a1185:1 | 3816.6 0.9 Paar außallend starker umgekehrter Linien, Rydberg ist der Ansicht, dafs den beiden Paaren mit Begleiter im Goldspeetrum die drei Linien 5863.17, 5837.64, 4792.79 entsprechen; aber hier ergibt sich die Schwingungsdifferenz 3809.1, was wir bei der Genauigkeit der Messung nicht für eine hinreichende Übereinstimmung mit der Schwingungsdifferenz des ultravioletten Paares halten. Wir sind darnach nicht im Stande im Goldspectrum die Serien anzugeben. Die Schwingungsdifferenzen der Paare in allen drei Spectren wach- sen wieder mit wachsendem Atomgewicht. Schwingungs- Atomgewicht differenz Cu 248.5 63.2 As 920.8 107.7 Au 3816.6 196.2 und zwar ergeben sich, wenn man die Schwingungsdifferenz durch das Quadrat des Atomgewichts dividirt, die Zahlen 622, 794, 991, auf deren Übereinstimmung der Ordnung nach schon Rydberg aufmerksam ge- macht hat. $. 10. Da wir mit vorliegender Abhandlung die Speetren der beiden ersten Gruppen des Mendelejeff’schen natürlichen Systems der Ele- mente abgeschlossen haben, wird es nicht unzweckmälsig sein, die Re- sultate für alle diese Elemente zusammenzustellen und zu vergleichen. Wir haben in den Spectren aller dieser Elemente (mit Ausnahme von Gold und Baryum, darüber siehe weiter unten) Serien nachweisen können, die durch unsere Formel genügend dargestellt werden. Betrach- Phys. Abh. nicht zur Akad, gehör. Gelehrter. 1892. 1. 5 34 H. Kayser mo €. Rune: tet man die Lage dieser Serien bei den verschiedenen Elementen, so sieht man sofort, dafs sie sich in vier Abtheilungen zerlegen, nämlich A), Ei, NK, Rp, Cs DESWAEAUT) C) Mg, Ca, Sr D) Zn,6g, He. In jeder dieser vier Abtheilungen zeigt sich nun vollkommene Homologie, und es rücken in jeder die sämmtlichen Serien mit wachsendem Atom- gewicht in gesetzmälsiger Weise nach dem Ende der längeren Wellen. In Abtheilung A besitzt wahrscheinlich jedes Element drei Serien, eine sehr starke Hauptserie, zwei Nebenserien, deren erste stärkere aber unschärfere Linien besitzt, als die zweite. Jedes Glied jeder Serie be- steht aus eimem Linienpaar, dessen Schwingungsdifferenz constant ist für die Nebenserien, für die Hauptserie aber gesetzmälsig abnimmt. Mit zu- nehmendem Atomgewicht werden die Serien schwächer, und in Folge davon wahrscheinlich haben wir bei Rubidium und Cäsium die schwächere zweite Nebenserie nicht gefunden. Auch in Abtheilung 5 haben wir die beiden Nebenserien von Paa- ren mit constanter Schwingungsdifferenz für Cu und Ag nachweisen kön- nen, während wir bei Au keine Serien fanden, vielleicht aus dem für Rb und Cs bemerkten Grunde. Jedes Element dieser Abtheilung besitzt aulserdem im Ultravioletten ein sehr starkes umgekehrtes Paar mit der dem Element eigenthümlichen Schwingungsdifferenz; diese Linien sind die stärksten des ganzen Spectrums. Ob man in ihnen das erste Glied einer Hauptserie sehen soll, ist zweifelhaft; da kein anderes entsprechendes Paar beobachtet ist, läfst sich eine solche Hypothese nicht controlliren. Ebenso gut ist es möglich, dafs wir wirklich ein isolirtes Linienpaar vor uns haben, welches dieselbe Rolle spielt, wie die isolirten Linien der Ab- theilung ©. Die Abtheilung Ü umfafst die Erdalkalien; ihre Speetren besitzen je zwei Nebenserien, deren Glieder aber durch Triplets gebildet sind. 1) Gold ist hier mit aufgeführt, obgleich Serien nicht beobachtet worden sind, wegen des starken ultravioletten Linienpaares, das denen im Kupfer- und Silber-Speetrum zu entsprechen scheint. Über die Spectren der Elemente. V. 35 Die Serien rücken wieder, — wie überhaupt in allen vier Abtheilungen, — mit wachsendem Atomgewicht nach dem rothen Ende des Speetrums, und werden gleichzeitig schwächer. Bei dem letzten Elemente, welches in diese Abtheilung hineingehören sollte, Baryum, haben wir vielleicht aus diesem Grunde wieder keine Serien gefunden. Hauptserien sind hier nicht vorhanden. Die vierte Abtheilung D umfalst wieder Metalle, deren Spectra je zwei Nebenserien von Triplets besitzen, während Hauptserien nicht existi- ren. Dagegen hat jedes Element eine sehr stark verbreiterte und umge- kehrte Linie im Ultravioletten, die stärkste des ganzen Spectrums. Wie man sieht, zerfallen die Elemente spectralanalytisch in genau dieselben Abtheilungen, die auch von den Chemikern gebildet sind. Da- bei wird die Zusammengehöriskeit der Abtheilungen A und B durch das Auftreten von Linienpaaren, die Verwandtschaft der Abtheilungen Ü und D durch das Auftreten von Triplets erwiesen. Als durchaus charak- teristisch für jedes Element zeigt sich die constante Schwingungsdiffe- renz der Paare oder Triplets, indem sie in jeder Abtheilung der Gröfsen- ordnung nach proportional dem Quadrat des Atomgewichts ist. Wenn man in der oben besprochenen Weise die stärksten Paare der Abthei- lung B als isolirte Linien auffafst, so kann man noch sagen, dafs die beiden Abtheilungen der Metalle, 5 und D, das gemeinsame Charakte- risticum haben, im Ultraviolett isolirte Linien zu besitzen, welche die stärksten des ganzen Spectrums sind. Es ist eine Streitfrage unter den Chemikern, ob Mg zur Abthei- lung C oder zu D zu rechnen sei. Nach der Lage der Serien und der Gröfse der sie definirenden Constanten gehört Mg spectralanalytisch ganz zweifellos zu Ü, zu den Erdalkalien. Aber es ist von Interesse zu be- merken, dafs es auch spectralanalytisch Verwandtschaft mit den Metallen zeigt, indem es eine sehr starke isolirte Linie, die stärkste des ganzen Speetrums, 2852, im Ultravioletten besitzt, was wir eben als charakteri- stisch für die Abtheilungen der Metalle gefunden haben. Wenn innerhalb jeder Abtheilung die Serien mit wachsendem Atom- gewicht nach dem rothen Ende des Spectrums rücken, so zeigt sich doch andererseits, dals wenn man zu höherm Atomgewicht von Gruppe zu Gruppe geht, die Serien nach dem Ende der kürzeren Wellen rücken. 5* 36 H. Kıyser usp C. Runer: Da das Ende der Serien durch die erste Constante der Formeln gegeben ist, so genügt es, wenn wir die Grenzwerthe dieser ersten Constante für die erste Nebenserie der vier Abtheilungen anführen. Sie liegt in A) zwischen 28586 und 19743 in DB) zwischen 31591 und 30712 in ©) zwischen 33796 und 31030 in D) zwischen 42945 und 40159. Wenn dieselbe Erscheinung sich auch bei den weiteren Elementen zei- gen sollte — und in der That haben wir sie für die nächste Gruppe: Al, In, TI wieder gefunden — so würde dadurch einem Auffinden von Serien in weiteren Elementen bald eine Grenze gezogen sein, da sie in den Theil des Speetrums fallen würden, der sich bisher noch nicht hat photographiren lassen. In der Abtheilung A werden sämmtliche bekannte Linien von un- seren Serien aufgenommen, bis auf je ein schwaches Paar in Na, Rb, Cs; aber auch diese Paare haben jedesmal die Schwingungsdifferenz der an- deren Paare des betreffenden Elementes. In der Abtheilung © der Erd- alkalien ist das Verhältnils schon nicht mehr so günstig; immerhin wird aber noch durchschnittlich die gröfsere Hälfte der vorhandenen Linien durch die Serien gebildet, sie bilden zweifellos das Charakteristische des Spectrums. In der Abtheilung D ist diefs kaum mehr der Fall, indem bis auf Zn die Serien nicht die Hälfte der beobachteten Linien aus- machen. Am ungünstigsten ist das Verhältnifs in der Abtheilung 2, wo die Serien vollkommen gegen die übrigen Linien verschwinden, so dals sie nur mit Mühe und an der Hand der früheren Erfahrung her- auszufinden sind. Wir haben schon bei Beginn unserer spectralanalytischen Unter- suchungen darauf hingewiesen!), dals man im allgemeinen gar nicht er- warten darf, alle Linien eines Spectrums in Serien unterzubringen, da die Spectra mit der Temperatur veränderlich sind, und wir gleichzeitig die Wirkungen verschieden heilser Molekeln beobachten, wenn dieser kurze Ausdruck erlaubt ist. Je veränderlicher das Spectrum eines Elementes der Berliner Akademie der Wissenschaften 1388), p. 7 und 8. Über die Spectren der Elemente. V. 37 mit der Temperatur ist, ein desto kleinerer Bruchtheil aller wird gesetz- mälsig gelagert erscheinen. Es ist selbstverständlich, dals man, um die verschiedenen Elemente unter analogen Umständen zu haben, nicht alle bei derselben Temperatur untersuchen dürfte. Wir wissen freilich gar nichts über die Tempera- turen, bei denen sich die Elemente in analogen Verhältnissen befinden, aber so viel ist klar, dafs man für Elemente mit hoher Schmelz- oder Siedetemperatur viel höhere Flammentemperatur anwenden mülste, als für solche mit niedrigem Schmelzpunkt. Wenn wir daher finden, dafs die Temperatur unserer Bogenlampe, die zwischen 3000° und 4000° lie- gen wird, bei den Alkalien, die ja einen niedrigen Schmelzpunkt besitzen, die Serien sehr vollständig zum Vorschein bringt, dafs die Serien somit charakteristisch für diese Temperatur sind, so liest der Schlufs nahe, dafs für andere Elemente die Serien desto weniger charakteristisch werden müssen, je höher ıhr Schmelzpunkt liest. Es wird natürlich nicht die Temperatur allein bedingend sein, sondern auch das specielle Verhalten des Elementes; je weniger dessen Spectrum mit der Temperatur verän- derlich ist, desto mehr kann die Flammentemperatur von der günstigsten abweichen, wie denn ein Element, dessen Speetrum unveränderlich wäre, bei jeder Temperatur das gleiche Spectrum zeigen würde. Unter diesem Gesichtspunkte wird es von besonderm Interesse, die Schmelzpunkte der Elemente näher anzusehen. In der nachstehen- den Liste sind die Elemente nach der Höhe der Schmelztemperatur ge- ordnet, und in der dritten Spalte ist angegeben, wie viel Procent aller Linien durch unsere Serien dargestellt werden. H. Kıyser uno ©. Runde: © a Schmelz- Element punkt Ba 1600 0 Au 1200 4 Cu 1050 6 Ag 960 26 Sr 700 20 Ca 700 34 Mg 600 64 Zn 410 80 Ca 320 50 Li 150 100 Diese Tabelle zeigt auf das deutlichste, dafs ein Zusammenhang zwischen dem Auftreten der Serien und der Schmelztemperatur in der vermutheten Richtung vorhanden ist. Für Au und Ba reicht also wahr- scheinlich die Temperatur unserer Bogenlampe nicht aus, und wir wer- den erwarten können, dals bei gesteigerter Temperatur auch bei diesen Elementen die Serien deutlicher auftreten und charakteristisch für die Spectren werden. Da im Spectrum des Inductionsfunkens bei Au und Ba auch keine Serien beobachtet sind, so ist vielleicht dessen unbekannte Temperatur schon zu hoch; indessen ist gerade für Au und Ba das Fun- kenspectrum auch nur höchst mangelhaft bekannt. Jedenfalls zeigt sich, dafs der Einflufs der Temperatur auf die Spectren, der schon von Kirch- hoff erkannt, dann besonders von Lockyer in seiner Bedeutung hervor- gehoben wurde, noch ein weites wichtiges Feld der Untersuchung bietet. Über die Spectren der Elemente. V. 39 Erklärung der Tafel. Die Tafel zeigt die in den Spectren des Kupfers und des Silbers gefundenen Serien von Paaren nach der Scala der Schwingungszahlen aufgetragen. Jedem Element entspricht ein oberer und ein unterer Streifen. Im oberen Streifen ist die erste Neben- serie mit stärkeren Linien eingezeichnet, im unteren die zweite Nebenserie mit schwäche- ren. Das starke Paar im Ultravioletten ist durch Linien angedeutet, die durch beide Streifen gehen. Die Zahlen vor den Paaren bedeuten die Werthe, die man n geben muls, um durch die Formeln die Schwingungszahlen des betreffenden Paares zu erhalten. ®-. 6 Mag Flach Wick D Maler a LEFFT [2 % in B Te L : n PN di ha ge Pius I Ne MET Are ui £ h dä 1 Re N % 5 N Et a 4 ; ! har l Ar Teyn 200 wol f f Dr . er. Pa m u ih br IT pe u ar 2 5 Eu 2 i Jnuy9sqy'A ojuourafrg Jap eppodg oBuny pun sosA®y Anhang z.d. Abh. 1892. Phys. Abh - F - 000% | N.Preuls. Akad.d Wissensch SPA A HT ee : NE ERTTE el] Fr ch f „r . me Über das Ei von Branchipus Grubü v. Dyb. der Bildung bis zur Ablage. Von Dr. AUGUST BRAUER, Assistent am zoologischen Institut der Universität zu Berlin. Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1892. INE von Vorgelegt in der Sitzung der phys.-math. Classe am 10. December 1891 [Sitzungsberichte St. LII. S. 1051]. Zum Druck eingereicht am 10. December 1891, ausgegeben am 27. Juni 1892. Schon im Frühjahre 1889 hatte ich Gelegenheit gehabt, die Furchung von Branchipus Grubü v. Dyb. zu beobachten. Die Untersuchung mufste damals aber, ehe sie zum Abschlufs gekommen war, abgebrochen werden. Da im vorigen Jahre das Thier leider nicht zu erhalten war, weil die Gräben, in denen es sonst regelmäfsig zu finden ist, troeken blieben, so konnte die Arbeit erst diesen Frühling wieder aufgenommen werden. Meine Absicht war anfangs, das Ei von Branchipus von seiner Bil- dung bis zum Ausschlüpfen des Metanauplius zu verfolgen, aber es zeigte sich bald, dafs der Plan in diesem Umfange nicht ausgeführt werden konnte in Folge von Schwierigkeiten, welche mit der Ablage der Eier in Verbindung stehen. Das Ei von Branchipus Grubü verträgt nämlich, wie schon Fr. Brauer (17) nachgewiesen hat, ebenso wie das von Apus productus nicht eine völlige Eintrocknung. Der Schlamm mufs immer feucht sein, sollen die Eier entwieklungsfähig bleiben. Beim Übergiessen des Schlammes steigen sie daher nicht an die Oberfläche; um sie zu er- halten, mufs man sie einzeln aus dem Schlamm heraussuchen, was zu mühsam ist. Diesen Nachtheil haben die Eier von Branchipus torticornis nicht. Ich erhielt dieselben in getrocknetem Schlamm zu wiederholten Malen durch die Güte des Hrn. Prof. Dr. Fr. Brauer aus Wien, wofür ich ihm auch an dieser Stelle meinen besten Dank sage. Diese Eier sind nach dem Übergiessen sofort an der Oberfläche zu finden und können 1* A A. BrAvER: leicht gesammelt werden. Aber es traten neue Schwierigkeiten für die Untersuchung ein: die Schale mufste von jedem Ei abpräparirt werden, was in Folge der Kleinheit oft ohne dessen Verletzung nicht gelang, eine Örientirung der Eier war unmöglich, und dann stellte es sich heraus, dafs die Entwieklung in der Zeit zwischen der Ablage und dem Über- giessen nicht ruhte, sondern fortschritt, so dafs man keine Anhaltspunkte zur Gewinnung und richtigen Beurtheilung der aufeinander folgenden Sta- dien hatte. Aus diesen Gründen gab ich vorläufig diesen Theil der Ar- beit auf und beschränkte mich auf die ersten Entwicklungsvorgänge, so- weit sie im mütterlichen Körper verlaufen: Bildung des Eies, Reifung, Befruchtung, Furchung und Entodermbildung. Da hierfür ein sehr reich- liches Material nothwendig, und eine Aufzucht des Branchipus torticornis aus Eiern zu umständlich war, so wählte ich wieder Branchipus Grubü, welcher in diesem Frühjahr in sehr grofsen Mengen in der Umgegend von Berlin — mein Material stammt vorwiegend aus den Gräben am und im Tegeler Forst — zu finden war. Wie sich im Laufe der Untersuchung herausstellte, besitzt Branchipus vor den meisten Arthropoden für das Studium der Reifung und Befruch- tung manche Vortheile. Einmal lassen sich die einzelnen Stadien leicht schon durch Betrachtung des lebenden Thieres erkennen, sodann ist ein Herauspräpariren der Eier aus dem mütterlichen Thier unnöthig, da sich das ganze Thier ohne Schwierigkeit in dünne Schnitte zerlegen läfst, und endlich. was das Wichtigste ist, befinden sich die Eier, welehe einer Ent- wieklungsperiode angehören, von ganz geringen Schwankungen abgesehen, alle auf‘ demselben Stadium, und da sie durch die beständigen Bewegun- gen des Uterus durch einander geworfen werden, so dafs ein jedes Ei anders orientirt ist, so erhält man von einem und demselben Stadium die verschiedensten Ansichten, besonders die sonst schwer zu gewinnenden, aber sehr wichtigen Polansichten, wodurch das Verständnifs und die rich- tige Beurtheilung der Bilder ungemein erleichtert wird. Es wird hier- durch der Vortheil, den andere Eier zeigen, dafs man sie nach allen Sei- ten drehen kann, ersetzt. Eine Schwierigkeit fand sich bei der Conservirung. Kalt angewandt drangen die Flüssigkeiten, z. B. Chromsäure, Chromosmiumessigsäure und Pikrinessigsäure zu langsam ein und gaben die chromatischen Figuren ungleichmäfsig und oft unklar, dagegen wurden die achromatischen be- Das Ei von Branchipus Grubu v. Diyb. > sonders durch Pikrinessigsäure gut wiedergegeben. Concentrirte Sublimat- lösung in gut erwärmtem, nicht kochendem Zustande wirkte gerade um- gekehrt. Da es mir in erster Linie darauf ankam, die Veränderungen des Chromatins zu verfolgen, das Object auch für das Studium der achro- matischen Strueturen anfangs wenig geeignet erschien, und da die Zeit des Verschwindens von Branchipus heranrückte und daher andere Metho- den nicht mehr versucht werden konnten, so blieb ich beim Sublimat. Es hat mir stets gleichmäfsig gute Bilder geliefert. Die mit den anderen oben erwähnten Flüssigkeiten conservirten Eier waren zur Vergleichung sehr vortheilhaft. Zum Färben habe ich ausschliefslich Alaun-Hämatoxylin verwandt: in demselben blieben die Sehnitte bis zu 24 Stunden, dann wurden sie mit salzsaurem und weiter mit ammoniakalischem Alkohol behandelt. Bei diesem Verfahren blieb der geformte Dotter völlig ungefärbt, so dafs die Kernfiguren sehr klar hervortraten und schon mit schwachen Vergröfse- rungen aufgefunden werden konnten. Das Schneiden der ersten Stadien bis zur Entodermbildung bereitete keine Schwierigkeit; für die späteren, wo die äufsere Eischale bereits erhärtet ist, mufste Mastixlösung') benutzt werden, da sonst die Schnitte regelmäfsig zerrissen. Wenn Branchipus für das Studium der Reifung und Befruchtung auch manche Vortheile vor anderen 'Thieren, besonders Arthropoden besitzt, so bedarf es doch kaum einer Erwähnung, dafs diese Form sich mit Ascaris megalocephala nicht entfernt messen kann, und ebenso selbstverständlich ist es, dafs bei dieser Untersuchung Lücken bleiben mufsten. Als das wichtigste Resultat der Arbeit betrachte ich die Bestätigung der Beob- achtungen, welche in den glänzenden Arbeiten van Beneden’s und be- sonders Boveri’s über Ascaris niedergelegt sind, in fast allen wichtigen Punkten. Diese Bestätigung erscheint mir darum von Werth, weil sie zeigt, dafs die Bedenken, welche man zuweilen ausgesprochen findet, es möchten die Verhältnisse bei Ascaris besondere, der Form eigenthüm- liche sein, und man dürfe deshalb die an diesem Öbjeet gewonnenen Resultate nicht ohne Weiteres auf andere übertragen, keine Berechtigung haben. ) K. Heider, Über die Embryonalentwicklung von Hydrophilus piceus, Th. I p. 12- 6 A. BRAUER: I: Die Bildung des Eies. (Taf. I, Fig. 1; Taf. II, Fig. 100—105.) Wie die Untersuchungen von Buchholz (19), Spangenberg (89), Nitsche (67) und Claus (24) gezeigt haben, lassen sich an den aus- gebildeten weiblichen Geschlechtsorganen von Branchipus folgende vier Abschnitte unterscheiden: 1) das paarige Ovar, welches sich in Form langer Schläuche zu beiden Seiten des Darmes mehr ventral als dorsal fast durch das ganze Abdomen erstreckt, 2) der paarige Oviduet, 3) der un- paare Uterus und 4) die unpaare Scheide. In dem lateralen Theile eines jeden Ovars befindet sich das Lager der Keimzellen. Es sind kleine, gleichartige Zellen (Fig. 100—102 kz); sie »sind so dicht an einander gedrängt, dafs man die Grenzen zwischen den einzelnen kaum unterscheiden kann, und man könnte vielleieht diese ganzen spindelförmigen Anhäufungen als ein protoplasmatisches Keimlager mit eingesprengten Zellkernen bezeichnen« (Nitsche 67 p. 293). Bei der Behandlung mit Pikrinessigsäure treten die Zellgrenzen deutlich hervor. Man findet sehr oft die Zellen in Theilung, aber leider ist es wegen der Kleinheit der Kerne und wegen der grofsen Zahl der Chromosomen nicht möglich, den Verlauf derselben im Einzelnen zu verfolgen. Am klarsten sind die Stadien vor der Anordnung der Chromosomen in der Äquatorial- platte (Fig. 1); es läfst sich hier die Form der fertigen Chromosomen und annähernd auch ihre Zahl bestimmen. Sie liegen durch den ganzen Kernraum zerstreut und befinden sich in verschiedener Lage. Ein jedes Chromosom ist zweitheilig, und zwar, wie aus einem Vergleich von Seiten- und Polansichten hervorgeht, hat ein jeder Theil die Form einer Kugel. Eine weniger chromatische Zwischenmasse hält beide Theile zusammen; je nachdem man eine reine Seiten- oder Polansicht vor sich hat oder das Chromosom schräg liegt, erblickt man beide Kugeln oder nur eine oder es scheint von der zweiten hinter der ersten noch ein Stück hervor. Die Zahl beträgt annähernd 24, eine Zahl, welche man erwarten mufs, da ja die neuesten Untersuchungen bei Ascaris, Pyrrhocoris u. a. gezeigt haben, _ Das Ei von Branchipus Grubü v. Dyb. dafs die Ureier- bezw. die Ursamenzellen dieselbe Zahl von Chromosomen haben wie die Furchungszellen, und bei Branchipus bei letzteren die Zahl 24 beträgt. In der Äquatorialplatte liegen die Chromosomen zu dicht zu- sammen, um eine genaue Zählung zu ermöglichen. Geht man vom Keimlager nach der inneren Seite des Ovars zu (Fig. 100— 102), so trifft man auf eine Zone, wo das Wachsthum und die Differenzirung der Keimzellen beginnt. Der gröfste Theil wird zu Nährzellen, der kleinste zu Eizellen. Ich kann Claus (24), welcher das Vorhandensein der ersteren bestreitet, und angibt dafs alle Keimzellen Eizellen werden, für Branchipus Grubü nieht beistimmen, mufs vielmehr die älteren, entgegengesetzt lautenden Angaben von Spangenberg (89) und Nitsche (67) bestätigen. Im Aussehen und in der Färbung des Zellprotoplasmas erscheinen beide Arten von Zellen anfangs ziemlich gleich und auch in der Grösse tritt in Folge der diehten Aneinanderlagerung der Zellen ein Unterschied in der ersten Zeit nicht hervor, aber es fällt auf den meisten Präparaten sofort eine gewisse Gruppirung von Zellen auf, welche eine Zusammenge- hörigkeit verräth (Fig. 101, 102). Wodurch aber vom Anfang der Dif- ferenzirung an beide Zellarten sich scharf von einander trennen, das ist der Kern. Während in den zu Eizellen werdenden Keimzellen der Kern nach kurzem Ruhestadium zur Ausbildung der Chromosomen schreitet, der eine Nucleolus bald verschwindet oder wenig hervortritt, und der ganze Kernraum homogen erscheint und sich wenig färbt (Fig. 100— 102riz), bleiben diese Veränderungen beim Kern der Nährzellen aus, dagegen tre- ten hier andere ein. Er wächst rasch und übertrifft bald die auf glei- cher Höhe mit ihm liegenden Keimbläschen (Fig. 100— 1022), der ganze Inhalt färbt sich intensiv, aufser dem einen von Anfang an vorhandenen Nucleolus, der auch zu wachsen scheint, treten im Kernraum zerstreut viele andere, meist unregelmäfsig gestaltete, sich ebenso stark färbende Chromatinbrocken auf (Fig. 1045), oder es liegen überall zerstreut zahl- lose kleine Chromatinkörner, die in einem sich ebenfalls stärker als in anderen Kernen färbenden Netz gelagert sind (Fig. 104c). Der Unter- schied der Kerne ist mithin ganz ähnlich wie bei Apus produetus (Fig. 103), wo schon von Siebold (88) und Ludwig (65) denselben richtig darge- stellt haben. Von den Kernen der vier in einem Follikel vereinigten Zel- len enthält das Keimbläschen (Fig. 103a) nur einen schwach sich färben- fo) A. BrRAUVER: den Nucleolus, dem zuweilen ein kleinerer intensiv den Farbstoff aufneh- mender dicht anliegt, der ganze übrige Raum ist von einem sehr feinen, kaum hervortretenden Netzwerk durchzogen, »dagegen haben die drei an- deren Zellen einen gröfsern Kern, der eine ganze Menge von Kernkör- perehen umschliefst« (Ludwig 1. ce. p. 391, Fig. 1035). Je weiter man sich vom Keimlager entfernt und nach der inneren Seite der Ovarien vorschreitet, um so klarer tritt die Differenz zwischen Ei- und Nährzellen hervor. Einige Eizellen beginnen bedeutend zu wach- sen, und zwar, wie sich leicht erkennen läfst, auf Kosten der in grolser Zahl ihnen dicht anliegenden Nährzellen. Diese sind, wie Nitsche (67) es richtig darstellt, meist in einer Reihe bald hinter bald nebeneinander angeordnet (Fig. 101, 105); die vordersten sind oft dem Ei wie einge- prefst, was sich durch das rasche Wachsthum desselben erklären läfst und für die Überführung der Dottersubstanz in das Ei von Vortheil ist. Sie scheinen auch zuerst aufgelöst zu werden. Aus verschiedenen Bildern läfst sich schliefsen, dafs die Zelle an Gröfse verliert und langsam zu Grunde geht, dafs der Kern zuletzt zerfällt. Auffallend ist die Lage des Keimbläschens; sie ist excentrisch (Fig. 100, 101, 105) und zwar trifft man es fast stets an der Seite des Eies, welcher die Nährzellen anliegen, wo mithin auch die Aufnahme ihres Protoplasmas durch das Ei erfolgt. Ich habe zwar keine Gestaltveränderungen des Keimbläschens, wie Kor- schelt (58) bei verschiedenen Inseeten und anderen Thieren, beobachten können, indessen die auffallende Lage desselben oft direet vor der in Auflösung begriffenen Nährzelle (Fig. 101, 1054) spricht sehr für die Richtigkeit der Ansicht dieses Forschers, dafs das Keimbläschen in einer bestimmten Beziehung zu diesem Procefs steht. Da nicht erst ein Ei fertig ausgebildet wird, und dann erst das nächste mit der Dotterbildung beginnt, sondern vielmehr die über einan- der liegenden Eizellen auf verschiedener Stufe sich befinden, so liegen dem entsprechend Nährzellen nicht nur bei den jüngsten, dem Keimlager am nächsten befindlichen Eizellen, sondern auch noch bei den älteren, natürlich in abnehmender Zahl (Fig. 101). Daraus ist wahrscheinlich, dals einem jeden Ei eine bestimmte Zahl von Nährzellen zugehört. Wie grol[s diese aber ist, konnte ich nicht entscheiden; beide Zellarten liegen zwar meist zu einer Gruppe vereint, und diese in Reihen über einander, aber jede Gruppe ist nicht von der nächstliegenden so abgeschlossen und Das Ei von branchipus Grubü v. Dyb. S) scharf umgrenzt, wie bei Apus, den Cladoceren u. a., so dafs nicht mit Sicherheit die Zahl sich ermitteln läfst. Die Dotterbildung geht in ähnlicher Weise vor sich wie bei Cladoce- ren und Insecten. (Weismann (95 —97), Blocehmann (7)). Die Sub- stanz der sich auflösenden Nährzellen wird in flüssiger Gestalt von der Eizelle übernommen und in dieser erst zu den Dotterkugeln umgeformt. Der Vorgang läfst sich hier leicht verfolgen, weil der ungeformte Dotter sich sehr intensiv färbt, der geformte dagegen völlig farblos bleibt. Wie Nitsche (l. ec. p. 295) bereits richtig angibt, beginnt die Ausbildung der Dotterkörner zuerst vorwiegend im Centrum des Eies (Fig. 100, 101) und setzt sich von hier nach der Peripherie zu fort. Mit dem Fortschreiten vergröfsert sich demnach auch der ungefärbte centrale Theil und ver- ringert sich der periphere, stark sich färbende, körnige (Fig. 105). Am Ende des Processes, also im fertigen Ei, nimmt der geformte Dotter den ganzen Zellraum ein bis auf einen sehr schmalen, sich etwas färbenden Randsaum, der aus feinkörnigem Protoplasma besteht und das membran- lose Ei nach aufsen abgrenzt. Die Dotterkörner sind meist oval, in ihrem Innern sind zuweilen kleine stark lichtbrechende Körnchen sichtbar, die aber auch farblos bleiben, gewöhnlich sind sie völlig structurlos. Sie liegen so dicht aneinander gedrängt, dafs man von dem zwischen ihnen liegenden Protoplasma fast nichts bemerkt. Die Frage, ob sich auch die Epithelzellen des Ovars bei der Dotter- bildung irgendwie betheiligen, mufs ich unentschieden lassen. Auf der inneren Seite des Ovars (Fig. 100, 101ep), wo die ältesten Eier liegen, sind es meist niedrige Zellen, weiter nach aufsen zu wird ihre Form höher und unregelmäfsiger, oft ist ihre Peripherie in Spitzen ausgezogen. Nahe dem Keimlager und an dessen Seite findet man sie immer nur ver- einzelt, doch waren selbst noch zwischen den peripher liegenden Keim- zellen Zellen zu sehen, welche durch ihren länglichen Kern, ihr helleres Protoplasma und ihre scharfe Begrenzung eher eine Übereinstimmung mit Epithelzellen als mit Keimzellen zeigten. Man könnte aus der unregel- mälsigen Form und aus der mitunter deutlichen blasigen Beschaffenheit des Protoplasmas auf eine Beziehung der Epithelzellen zu der Dotterbil- dung schliefsen, indessen möchte ich in Bezug auf die verschiedene Form eher annehmen, dafs sie durch die sich zwischen die Epithelzellen in Folge des Wachsthums drängenden Ei- und Nährzellen bewirkt wird. Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1892. II. 2 10 A. BrRAUER: Da die Eibildung nicht von einem Punkt des Ovars ausgeht, sondern auf der ganzen Länge gleichmälfsig erfolgt, so liegen immer Reihen gleich- altriger Eier über einander, und zwar liegt die älteste Reihe am weite- sten vom Keimlager entfernt, also an der inneren Seite des ÖOvars (Fig. 100, 101). Im Anschlusse an dieses Capitel möge zur Orientirung ein kurzer Überblick über den Verlauf der Veränderungen, die das Ei bis zu seiner Ablage erleidet, gegeben werden. Wenn die Dotterbildung beendet ist, beginnt die Periode der Reifung. Die Eier der ältesten Serie rücken gleichzeitig aus beiden Ovarien nach vorn in die Oviducte ein, und da diese für eine Anordnung der Eier hinter einander, wie wir sie in dem Ovar fanden, zu kurz sind, so lagern sich die Eier über- und nebeneinander und dehnen dadurch die Oviducte »zu förmlichen Taschen« (Buchholz |. e.) aus, welche am lebenden Thiere auf jeder Seite sofort auffallen. Kurz vorher oder während des Über- tritts der Eier aus den Ovarien in die Oviduete erfolgt die Umwandlung des Keimbläschens zur ersten Richtungsspindel. In den Ovidueten findet man nur Eier auf diesem Stadium. In diesem Abschnitt der Geschlechts- organe verbleiben die Eier eine verschieden lange Zeit. Zuweilen passiren sie diesen Raum rasch, meist aber bleiben sie mehrere Stunden in ihm liegen. Wie Claus angibt (24), mufs unbedingt vorher, ehe die Eier in den Uterus gelangen, die Begattung erfolgen. Bleibt diese aus, so blei- ben auch die Eier in den Ovidueten liegen. Ich kann Spangenberg (l. e. p. 60) nieht beistimmen, wenn er sagt: »Übrigens geht die Ent- wicklung der Eier — soweit ich es zu beobachten im Stande war — in ganz gleicher Weise vor sich, einerlei, ob eine Befruchtung stattgefunden oder das Thier mit gar keinem Männchen zu thun gehabt hat.« Ich habe die Versuche, welche Glaus angestellt hat, nämlich die Isolirung von weiblichen Thieren, häufig wiederholt, in der Hoffnung, die Eier möchten sich unter Umständen wie bei verwandten Phyllopoden parthenogenetisch entwickeln. Aber ich habe stets dasselbe Resultat gehabt: die Eier blie- ben in den Ovidueten, traten nicht in den Uterus über, selbst nachdem die Thiere sieben Tage ohne Männchen geblieben waren; dabei trat nicht einmal die geringste Weiterentwicklung ein, indem in allen Eiern noch Das Ei von Branchipus Grubü v. Dyb. 11 die erste Richtungsspindel zu finden war, ja es stockte auch die Eibildung in den Ovarien. Setzte man noch nach 5—6 Tagen ein Männchen hinzu und vollzog dieses die Begattung, so traten, wie auch Claus beobachtete, die Eier alsbald in den Uterus über und entwickelten sich weiter. Leider ist es mir nicht gelungen, derartige Weibchen mit gefüllten Ovidueten über 7 Tage hinaus am Leben zu erhalten, und deshalb kann die Mög- lichkeit eines Auftretens einer parthenogenetischen Entwicklung von Eiern auch bei Branchipus noch nicht völlig ausgeschlossen werden, aber es ist mir wahrscheinlich, dafs die Ursache des Todes nicht in einem Mangel an Nahrung oder sonst in ungünstigen Lebensbedingungen zu suchen ist, sondern in der nachtheiligen Wirkung, welche ein derartiges Eingreifen in den normalen Entwicklungsgang für das Thier haben mufs. Claus sucht die Erklärung für diese Beobachtung darin, dafs die Öffnung, welche von den Ovidueten in den Uterus führt und welche durch Zellenpolster der Oviducte, die übrigens bei Branchipus Grubü nicht so hoch sind wie bei Branchipus torticornis, stark verengt ist, von den Eiern nur passirt werden könne unter dem Einflusse der bei der Be- gattung eintretenden Erregung. Gegen diese Ansicht möchte ich aber folgende Beobachtungen anführen: einmal treten die Eier sehr oft erst mehrere Stunden nach der Begattung, nicht sofort nach derselben, wie Claus angibt, in den Uterus über, und dann findet man in Fällen, wo meist in Folge einer Beunruhigung oder sonstigen Störung der Thiere die Eier nicht gleichzeitig aus den Ovarien in die Oviduete und weiter in den Uterus übergetreten sind, sondern in Perioden, dafs einige erst beträcht- lich später in den Uterus gelangen, zuweilen erst zu einer Zeit, wo die Schalenbildung bei den anderen Eiern bereits begonnen hat, wo also von einer Wirkung jener Erregung keine Rede mehr sein kann. Richtiger erscheint mir die weitere Erklärung, die Claus gibt, dafs nämlich die Zellenpolster eine Verschlufsvorrichtung sind, welche einen Eintritt der Spermatozoen aus dem Uterus in die Oviduete und somit eine vorzeitige Befruchtung und Entwicklung verhindern soll. Man trifft nie- mals Sperma in den Ovidueten. Würden die Eier vor erfolgter Begattung in den Uterus gelangen, so wäre, da immer einige Eier sich in die Vagina legen und hierdurch den Zugang versperren, eine Begattung unmöglich. Ehe ich weiter gehe, mögen einige Worte über die Begattung gesagt werden, da deren sichere Beobachtung für das Sammeln einiger Stadien 9* 12 A. BRAUvER: von Werth ist. Spangenberg (l. ec. p. 60) berichtet darüber folgendes: Nachdem das Männchen das Weibchen erfafst hatte, »bog es rasch seinen Hinterleib nach aufwärts und wieder nach vorne, einige heftige Bewegungen und die Begattung war vollzogen.« Gestützt auf diese Angabe habe ich anfangs Weibchen, bei denen ich eine Begattung in der beschriebenen Weise erfolgen sah, für begattet gehalten; indessen zeigte die Untersuchung, dafs das Männchen nur einen Versuch gemacht hatte, dafs kein Sperma sich im Uterus fand. Die wirkliche Begattung geht weit langsamer vor sich. Wenn das Männchen das Weibchen mit seinen Zangen umfalst hatte, schwimmen beide eine kurze Zeit umher, wie Leydig (64) es auch bei Artemia beobachtete, dann versucht das Männchen in der von Spangen- berg beschriebenen Weise das paarige Copulationsorgan in die Vagina einzuführen. Gelingt es nicht, so schlägt das Männchen das Abdomen wieder zurück, erneuert aber bald den Versuch. Gelingt er, so stellt das Männchen die Schwimmbewegungen ein, und da das Weibchen allein das- selbe nicht zu tragen vermag, so sinken beide langsam in die Tiefe. Währenddessen und in Aquarien noch auf dem Boden liegend, vollzieht es die Begattung. Dann schlägt es das Abdomen zurück und läfst bald das Weibchen, das heftige Abschüttelungsversuche macht, los. Selten er- folgt durch dasselbe Männchen eine nochmalige sofort nachfolgende Be- gattung, zuweilen aber durch andere. Dieselbe kann zu jeder Zeit er- folgen, so lange der Uterus und die Vagina frei von Eiern ist; ob die- selben noch im Ovar oder schon in den Oviducten liegen, ist gleichgültig. Ist nun die Begattung geschehen, so treten die Eier aus beiden Ovi- dueten gleichzeitig in den Uterus über. Hier beginnt sofort die Abschnü- rung der Richtungskörper, während derselben dringt je ein Spermatozoon in jedes Ei und alsbald nachher scheidet das bis dahin nackte Ei') die Dotterhaut ab, nach etwa zwei Stunden beginnt die Furchung und kurze Zeit später auch die Absonderung des Secretes seitens der Uterusdrüsen zur Bildung der äufseren Eischale. Nachdem dann noch die Entoderm- bildung erfolgt und die Schale erhärtet ist, werden die Eier auf einmal aus dem Uterus ausgestofsen. Dann setzt der beschriebene Gang wieder von Neuem an: die nächste Reihe von Eiern, welche jetzt mit der Dotter- \) Die Angabe von Buchholz, Spangenberg und Nitsche, dafs bereits in den Ovi- ducten die Eier von einer Dotterhaut umgeben sind, hat schon Weismann berichtigt (102). Das Ei von branchipus Grubü v. Dyb. 13 bildung fertig geworden ist, rückt aus dem Ovar in den Oviduet und so fort. Die Zahl der Eier wächst mit dem Alter des Thieres. Bei älteren Weibchen beträgt sie über 100. Der ganze Procefs von dem Übertritt der Eier in den Oviduet bis zur Ausstofsung dauert etwa 24 Stunden. Er verläuft, abgesehen von der verschieden langen Zeit, in welcher die Eier in den Oviducten ver- weilen, so regelmäfsig, dafs sich die einzelnen gewünschten Stadien leicht und sicher gewinnen lassen, zumal man die Lage der Eier in den ver- schiedenen Abschnitten am lebenden Thier ohne Mühe erkennt. Wichtig ist nur, dafs man nicht die Eier der frisch gefangenen Thiere zur Unter- suchung auswählt, sondern dafs man diese erst die Eier, die sie im Uterus haben, ablegen läfst und die der nächsten Serie abwartet. Denn beim Fange werden die etwas empfindlichen Thiere erschreckt, gedrückt oder sonst wie benachtheiligt, und dann treten oft Störungen im Verlaufe ein; dann findet man z. B., dafs nicht alle Eier auf einmal aus den ÖOvarien in die Oviducte übergetreten, sondern einige zurückgeblieben sind, die oft erst nachfolgen, wenn jene bereits im Uterus liegen, wodurch eine ab- norme oder keine Entwiekelung herbeigeführt wird, oder dafs die Eier aus dem Uterus ausgestofsen werden, ehe sie fertig sind, oder dafs einige Eier verletzt sind, kurz, man erhält dann abnorme Bilder, welche man zwar erkennt, die aber für diese Untersuchung unbrauchbar sind. II: Die Reifung des Eies. (Taf. I, Fig. 2—64; Taf. II, Fig. 65 —67.) Wie ich schon bemerkte, liegt ein wichtiges Merkmal zur Unter- scheidung von Nähr- und Eizellen in dem verschiedenen Verhalten ihrer Kerne. Während der Kernsaft bei den ersteren sich stets dunkel färbt und die Nucleolensubstanz eine starke Vermehrung erfährt, bleiben die jungen Keimbläschen hell, und es beginnen alsbald die Vorbereitungen für die Theilung. Da die chromatische Substanz in Folge des hellen, un- gefärbten Kernraumes scharf hervortritt, so lassen sich die Veränderungen derselben, welche zur Ausbildung der Chromosomen der Richtungsspindeln LA A. BRAUER: führen, trotz ihrer Zahl und trotz der Kleinheit der Kerne ziemlich klar verfolgen, wenigstens läfst sich über dieselben eine allgemeine Übersicht gewinnen. Im Ruhestadium erscheint der ganze Kernraum mit vielen kleinen Chromatinkörnern dicht erfüllt, erst bei scharfem Zusehen erkennt man, dafs sie in einem Maschenwerk, das sich weit schwächer färbt, und zwar vorwiegend in den Knotenpunkten desselben liegen. Aufserdem findet sich noch, wie es scheint, nicht im Netz, sondern zwischen den Maschen ein kleiner Nucleolus. Die nächsten Veränderungen bestehen in einer Ver- kürzung und Verdickung des Netzes. Die Körner rücken enger zusammen und vertheilen sich auf nur wenige Fäden, wodurch die Zahl der Maschen verringert erscheint, die Weite aber gröfser. Querbrücken lassen sich immer weniger erkennen. Ebenso entzieht sich mehr und mehr die Grund- substanz des Netzes der Beobachtung, indem sie bald nur noch schmale Verbindungsstücke zwischen den enger an einander sich reihenden Chro- matinkörnern darstellt, schliefslich aber scheinbar ganz verschwindet, da die Körner so eng sich zusammenfügen, dafs ein einziger homogener chro- matischer Faden erscheint, der nur durch die unregelmäfsige, höckerige Struetur seine Entstehung durch Vereinigung von Körnern vermuthen läfst. In den Zeiehnungen ist diese Structur nur in Fig. 4 angedeutet. Ob der Faden in allen Theilen eontinuirlich ist, oder ob er freie Enden hat oder schon aus einigen wenigen sehr langen Stücken besteht, läfst sich nicht entscheiden, ich möchte aber aus dem Vergleich vieler Bilder schliefsen, dafs ein Faden vorhanden ist, dafs die Unterbrechungen auf den Präparaten durch das Schnittmesser herbeigeführt sind. Die Schlingen des Fadens (Fig. 2) zeigten manchmal einen eigenthümlichen Verlauf, in- dem die meisten den Nucleolus') in einem verschieden grofsen Bogen um- kreisten; einige zogen allerdings auch vorne an ihm vorbei. Auch für die Fig. 3, 4, welche eine weitere Verkürzung und Verdiekung des Fadens zeigen, möchte ich das Vorhandensein nur eines Fadens, nieht mehrerer annehmen; denn die Ungleichheit der Länge der einzelnen scheinbaren Stücke ist zu grofs. Diese Auffassung erhält eine weitere Stütze durch das nächste Stadium (Fig. 5, 6), durch eine Quertheilung ist der eine Faden in 6 völlig von einander gesonderte Stücke getrennt. Sie liegen !) In den Fig. 2, 5 habe ich den Nucleolus der Deutlichkeit halber blasser gezeich- net; auf den Präparaten ist er ebenso dunkel gefärbt wie die chromatischen Schleifen. Das Ei von Branchipus Grubü v. Dyb. 15 meist zerstreut im Kernraum, seltener zu einem Knäuel vereint. In der Gröfse scheinen sie übereinzustimmen; bald sind sie gerade gestreckt, bald geknickt, bald zeigen sie einen welligen Verlauf. Die Enden erscheinen oft deutlich kolbig angeschwollen. Die Zusammensetzung aus Körnern war auch hier noch, wenn auch weniger deutlich, erkennbar. Eine weitere, bald folgende neue Quertheilung erhöht die Zahl der Schleifen auf 12, die ebenso wie die 6 völlig von einander getrennt sind, an keiner Stelle eine Verknüpfung oder Verklebung erkennen lassen. Sie liegen meist durch einander zu einem mehr oder minder dichten Knäuel vereint (Fig. 7). Diese Lagerung erschwert zwar die genaue Feststellung der Zahl, doch ist das Knäuel noch locker genug, um jeden einzelnen Faden in seiner ganzen Länge verfolgen zu lassen und eine Entwirrung möglich zu machen. Die Fäden sind meist gestreckt, weniger gebogen, und natürlich kürzer als auf dem vorigen Stadium. Die nun folgenden Veränderungen sind am schwierigsten zu verfolgen, da jetzt ein Vorgang eintritt, welcher das Bild unklarer und wenig über- sichtlich macht, zumal die Gröfse des Kernes sich noch wenig verändert. Auch findet man diese Übergangsstadien sehr selten, woraus man wohl schliefsen darf, dafs sie rasch verlaufen. Auf einigen günstigen Präparaten zeigten die ÖÜhromosomen jetzt ver- schiedene Ansichten. In Seitenansichten erblickte man stark verkürzte Fäden, so dafs man sie besser Stäbehen nennen wird, aber immer, wo ein klares Bild vorhanden war, lagen zwei so dicht an einander, dafs erst eine starke Vergröfserung den trennenden Spalt, welcher von einer weniger dunkel erscheinenden Substanz erfüllt war, erkennen liefs (Fig. 8, 9); in Polansichten dagegen zeigten sie sich aus 4 im Querschnitt runden Stücken zusammengesetzt. Die Anzahl der Chromosomen ist leider zu grofs und sie sind in Folge des kleinen Kernraums zu dicht zusammen gelagert, um den Bau aller 12 genau erkennen zu können, aber die eben erwähnten Ansichten einiger scheinen mir zu dem Schlufs zu berechtigen, dafs die Chromosomen 'eine Verkürzung und eine doppelte Spaltung‘) erfahren !) ‚Die Bezeichnung »Spaltung« gebrauche ich nach dem Vorschlage Flemming’s (30) als gleichbedeutend mit »Längsspaltung«. Wenn ich die letztere Bezeichnung noch an ein- zelnen Stellen anwende, so geschieht es aus dem Grunde, um dieselbe scharf gegenüber der Quertheilung, wofür man auch einfach »Theilung« setzen könnte, welche stets gesonderte, selbstständige Chromosomen liefert, hervorzuheben, damit ein Irrtlium nicht möglich ist. 16 A. BrAUER: haben. Ich will gern zugeben, dafs diese Beobachtungen schwierig sind und eine Täuschung möglich ist, doch mufs ich hervorheben, dafs ich kein Bild gesehen habe, welches eine Vermehrung der 12 Fäden durch eine Quertheilung auf 24 zweitheilige auch nur andeutete und spätere Verklebung von je zwei zweitheiligen zeigte. Solche Bilder, welche ganz ähnlich aussehen mülsten wie das in Fig. 1 dargestellte, wären mir, glaube ich, nicht entgangen. Wo ich gespaltete Chromosomen sah, waren sie stets viertheilig, und stets waren die 4 Theile zu einem Ganzen zusammen- gefügt. Dadurch dafs nach diesen Längsspaltungen eine weitere Verkürzung, welche die Stäbchenform in die Kugelform überführt, erfolgt und zu- gleich das Keimbläschen bedeutender zu wachsen beginnt, werden die Bilder wieder völlig übersichtlich. Der Kernsaft erscheint wie vorher hell und homogen, einen Nucleolus habe ich auf diesem Stadium (Fig. 104a, 10) nur ausnahmsweise gefunden, er zeigte dann aber ein weit geringeres Ver- mögen den Farbstoff aufzunehmen, als vorher, so dafs er den Chromo- somen gegenüber fast achromatisch erscheint. Von dem hellem Grunde heben sich die Chromosomen sehr scharf ab. Die Zahl läfst sich in allen Fällen, wenn nicht durch den Schnitt der Kern zertheilt ist, auf 12 feststellen. Die Figuren zeigen meist nicht die volle Zahl, weil einige über anderen lagen und daher sich nieht einzeichnen liefsen; auf den Präparaten konnte durch verschiedene Einstellung ein jedes genau ermit- telt werden. Da ein jedes Chromosom trotz der Viertheiligkeit stets sich als ein Ganzes darstellt, so ist man in keinem Falle im Zweifel, ob man so oder so zu zählen hat. Sie liegen durch den Kernraum unregelmäfsig vertheilt, manchmal sind sie mehr an einer Seite angesammelt, manchmal sind alle durch ziemlich denselben Abstand von einander getrennt. Aber nicht nur die Anordnung im Keimbläschen ist eine wechselnde, sondern auch die Lage der einzelnen. Bald erhält man die volle Ansieht der Viertheiligkeit, bald sieht man nur auf die eine Seite, so dafs man ein zweitheiliges Chromoson vor sich zu haben glaubt, bald endlich bei schräger Lage des Elementes sieht man auch von den unteren zwei Ku- geln ein mehr oder minder grofses Stück. Wie sie sich aber auch dem Auge zeigen, immer erscheinen sie kugelförmig; zwar sind sie zuweilen etwas eckig oder etwas länger als breit, doch sind diese Verschieden- heiten in der Form so minimal, dafs sie sich in der Zeichnung kaum Das Ei von Branchipus Grubü v. Dyb. 17 wiedergeben lassen, dafs mithin die Bezeichnung »kugelförmig« für alle Theile zutrifft. Diese starke Concentration der Chromosomen erleichtert das Verständnifs der Bilder, die Zählung und die Ermittelung ihrer Zu- sammensetzung trotz der grofsen Zahl ungemein. Die vier Kugeln sind zu einem Quadrat zusammengefügt, so dafs je ein Paar eine Seite desselben bildet. Unter einander sind sie durch eine Kittmasse verbunden, welche in der Färbung zwar bedeutend den Kugeln nachsteht, aber doch dunkler erscheint als der Kernsaft. Sie ist, wie ich schon sagte, gleich zu setzen der »lame intermediaire« van Bene- den’s. In Folge der Form der vier Theile mufs in der Mitte ein stern- förmiger Spalt entstehen. Er erscheint manchmal etwas dunkel, indessen ist es mir fraglich, ob er durch eine Substanz ausgefüllt wird. Eine Verbindung der vier Theile durch chromatische Fäden, wie sie von Bo- veri bei Ascaris megalocephala beobachtet wurde, habe ich nieht consta- tiren können. Ich stimme hierin mit O. Hertwig (53) und vom Rath (80) überein. Es scheint mir übrigens das Vorhandensein oder Fehlen einer solchen chromatischen Verbindung für die Auffassung der chromatischen Elemente nicht von der Bedeutung zu sein, die ihr von den genannten Forschern gegeben wird, denn auch bei anderen mitotischen Kernthei- lungen ist eine derartige Verbindung der längsgespaltenen Chromosomen nicht zu finden, sondern dieselben werden getrennt, bezw. zusammen- gehalten durch dieselbe weniger chromatische Substanz, durch die lame intermediaire. Die Form des Keimbläschens ist durchweg oval, es liegt, wie ich schon erwähnte, von Anfang an im wachsenden Ei peripher. Auf der Aufsenseite wird es meist nur von der schmalen dotterfreien Rinden- schicht begrenzt, mit den übrigen Theilen grenzt es direet an den Dotter, in einigen Fällen ist es ganz in diesen eingebettet. Wenn der Procefs der Dotterbildung seinen Abschlufs gefunden hat, beginnt die Umwandlung des Keimbläschens zur Spindel. Wie bei Ascaris nach Boveri (14) scheint der achromatische Theil, wenigstens die Spindel- fasern aus der achromatischen Kernsubstanz hervorzugehen. Die Beobach- tung zeigt folgende Veränderungen (Fig. 11—14). Die Membran des Keimbläschens wird in ihrer Form unregelmäfsig, beginnt zu schrumpfen und sich aufzulösen. Der früher farblos und homogen erscheinende Kern- raum nimmt jetzt eine schwache Färbung an und scheint aus dicht ge- Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1892. II. 3 18 A. BRAUER: lagerten feinen Körmnern erfüllt. Es ist diese Veränderung wohl so zu deuten, dafs die vorher wegen der feinen Vertheilung im Raume des Keim- bläschens kaum hervortretende achromatische Substanz nach der Auflösung der Membran und nach dem Austreten von Kernsaft sich zusammenzieht und hierdurch erkennbar wird. Anfangs ist die äufsere Umgrenzung der Figur noch unregelmäfsig, indem Fortsätze nach verschiedenen Richtungen gehen, aber mehr und mehr tritt eine Abrundung zur Form der zukünf- tigen Spindel ein. Zu dieser Zeit lassen sich auch in der achromatischen Masse Fasern (Fig. 14) erkennen, welche ihre Richtung zu den Chromo- somen nehmen und zu den künftigen Polen; aber die Verbindung mit den ersteren liefs sich nieht genau ermitteln. Dem Auftreten dieser Fasern und ihrer Wirkung wird man auch die allmähliche Anordnung der Chromosomen zu der künftigen Äquatorialplatte zuzuschreiben haben. Die fertige Spindel trifft man oft schon, wenn die Eier noch im Ovar liegen, aber im Begriff sind, in die Oviduete sich einzuschieben, sicher aber im letzteren Abschnitt. Sie liegt fast ohne Ausnahme tangential, meist direct an der Oberfläche des Eies oder doch nur durch den schmalen Protoplasmasaum von ihr getrennt, seltener etwas tiefer im Dotter (Fig. 16, 18, 25). Die Form der Spindel ist in den meisten Fällen tonnenförmig, d. h. sie besteht aus zwei mehr oder weniger stark abgestumpften Kegeln, deren Grundflächen im Äquator der Spindel einander berühren, seltener ist eine der gewöhnlichen Spindel nahe kommende Form zu beobachten. Centrosomen wie Polstrahlungen wurden in keinem Falle bemerkt, auch nieht in den Eiern, welche mit Pikrinessigsäure behandelt waren. Meist stöfst die Spindel mit ihren Polflächen direet an den Dotter an (Fig. 15 flg.) oder ist nur durch eine geringe Ansammlung von Protoplasma, das im Aussehen ganz dem der Rindenschicht gleicht, von ihm getrennt, nur in einem Falle (Fig. 17) erschienen diese Ansammlungen feinkörniger, sodafs man darin durch das Reagens zerstörte Polstrahlungen vermuthen könnte. Die Chromosomen zeigen bereits ohne Ausnahme die riehtige Anordnung, d. h. die vier Kugeln liegen zu je zweien in zwei Ebenen über einander, jede Hälfte ist einem Pole zugewandt. Wegen der grofsen Zahl und wegen der Viertheiligkeit lassen sich in der Seitenansicht der Spindel nicht alle Chromosomen klar übersehen, und unmöglich ist es, sie alle einzuzeichnen; ich habe deshalb in derartigen Figuren meist nur die auf einer Seite peripher liegenden wiedergegeben. Das Ei von Branchipus Grubü v. Dyb. 19 Die Seitenansicht gibt nun verschiedene Bilder von den Chromoso- men. Bald erkennt man nur viertheilige (Fig. 15, 25), bald fast nur zwei- theilige (Fig. 16, 24), bald erscheinen viertheilige neben zweitheiligen (Fig. 17, 23), bald auch stehen sie schräg, sodafs die hinteren zwei Kugeln noch zum Theil sichtbar sind. Diese Verschiedenheit erklärt sich sofort, wenn man Polansichten betrachtet. Es zeigt sich, dafs die zwölf Chromosomen in einer kreisförmigen Platte angeordnet sind. Da sie, wie schon erwähnt, derart derselben eingefügt sind, dafs je zwei Kugeln den Polen zugewandt sind, so müssen genaue Polansichten nur zweitheilige Chromosomen zeigen (Fig. 15— 22); nur schiefe Ansichten lassen eben die Viertheiligkeit erkennen. Die zwölf Elemente liegen nun nicht zu einem Ringe geordnet, sondern es befinden sich einige auch im centralen Theile. Man findet zwei central und zehn peripher (Fig. 22) oder drei central und neun peripher (Fig. 20, 21) oder endlich vier central und acht peripher (Fig. 18, 19). Über vier und unter zwei habe ich im Centrum in keinem einzigen Falle angetroffen; die Verhältnisse 3:9 und 4:8 sind die am häufigsten wiederkehrenden. Bei flüchtiger Betrachtung scheint in der Lage der einzelnen Chromosomen eine völlige Unregelmäfsigkeit zu herr- schen, indem einige radial, andere tangential, andere schief zu diesen Rich- tungen stehen. Ein Vergleich vieler Polansichten lehrt aber, dafs dieses nicht der Fall ist, dafs vielmehr ein jedes Chromosom in seiner Lage ab- hängig ist von der des anderen, dafs alle von einander einen gewissen Abstand haben. Liegen nur zwei central, so sind die peripheren über- wiegend radial gestellt (Fig. 22), liegen dagegen vier central, so richten sich die peripheren vorwiegend tangential (Fig. 18, 19), und wenn drei in der Mitte liegen, so ist ein Theil radial, ein anderer tangential gestellt. Im Einzelnen zeigen dieses die Figuren ohne weitere Erklärung. Diese Lagerung ist im allgemeinen eine so regelmäfsige, dafs man aus Seiten- ansichten ungefähr bestimmen kann, welchen Anblick die Polansichten gewähren werden, indem dann, wenn man fast nur viertheilige in der Peripherie sieht, sicher im Centrum vier, und wenn man nur zweitheilige sieht, in der Mitte zwei liegen werden. Diese gesetzmäfsige Anordnung der Chromosomen darf man wohl im Hinblick auf die neuesten Untersuchungen van Beneden’s, Boveri’s, Rabl’s, Flemming’s und anderer dem Einflufs der Spindelfasern zu- schreiben. 3* 20 A. BRAUVER: Diese sind mitunter sehr klar zu erkennen, mitunter gar nicht, so- dafs der ganze achromatische Theil der Spindel gleichmäfsig feinkörnig sich darstellt, ein Unterschied, der nicht in einem wirklichen Mangel oder Vorhandensein der Fasern seinen Grund haben dürfte, sondern in einer verschiedenen Wirkung der Conservirungsflüssigkeit. An klaren Präparaten (Fig. 15, 17, 25, 24) erkennt man nun, dafs je eine Faser sich an jede Kugel setzt, also 2 Fasern jederseits an ein Chromosom, und weiter dafs jede Faser sich genau mit der Mitte der Kugel verbindet, nicht an der zwischen je zwei Kugeln liegenden Kittmasse. Somit haben wir zwei getrennte achromatische Spindelhälften mit je 24 Fasern, kein Faden zieht nach der anderen Seite über die Äquatorialplatte hinaus, sondern nur bis zu den Chromosomen. Nach den Polen zu convergiren sie bald mehr bald weniger, je nach der Form der Spindel. Eine Vereinigung aller Fasern einer Hälfte in einem Centrum habe ich auf diesem Stadium nicht gesehen. Die Fasern liefen bis zur Polfläche und verloren sich in dem anliegenden Protoplasma. Zwischen den Fasern und auch zwischen den Chromosomen fand sich manchmal noch achromatische Substanz, welche somit die homogen erscheinenden Fasern trennte und ebenso die Chromo- somen wie von einem Mantel umgeben erscheinen liefs. Da sie manch- mal fehlte, manchmal vorhanden war, so weils ich nicht, ob man Werth darauf legen soll; ich habe sie deshalb und um die Figuren nicht un- deutlich zu machen, in denselben fortgelassen, nur Fig. 46 gibt eine An- deutung davon. So lange die Eier in den Oviducten verweilen, erfährt die Spindel keine sichtbare Veränderung; was vor allem auffällt, ist, dafs sie auch die tangentiale Lage beibehält; nur in ganz vereinzelten Fällen habe ich den Anfang einer Drehung constatiren können (Fig. 24, 25). Selbst bei den Thieren, welche ohne Männchen isolirt waren und deren Eier bis zum Ende der Beobachtungszeit, also nach sechs Tagen, nicht aus den Oviducten in den Uterus übergetreten waren, zeigte die Spindel noch die tangentiale Lage. Vielleicht läfst sich diese auffallende Erscheinung in folgender Weise erklären. Um in den Uterus zu gelangen, müssen die Eier die durch die erwähnten Zellenpolster der Oviducte verengte Öffnung passiren und sich hierbei in ihrer Form derselben anpassen, sie müssen sich förmlich durchquetschen, oder wohl richtiger sie werden durch- geprefst; es ist wohl anzunehmen, dafs hierbei eine starke Störung und Das Ei von Branchipus Grubü v. Dyb. 21 Verschiebung der einzelnen Theile des Eies und somit auch der Spindel nicht ausbleiben kann, wie sich dieses auch durch die Beobachtung fest- stellen läfst, indem man dieselbe manchmal bei einem solchen Ei, das halb im Uterus, halb im Oviduct steckt, von der Peripherie abgerückt und in den Dotter eingesenkt findet. Vielleicht mag diese Verschiebung ohne Ein- flufs sein und kann leichter wieder aufgehoben werden, wenn die Spindel tangential liegt und nieht radial, indem sie bei letzterer Lage festere Verbindung mit der Oberfläche eingienge, welche eine Zerstörung nicht so leicht vertrüge. Doch ist dieses nur eine Vermuthung, die vielleicht nicht das Richtige trifft. Nachdem die Eier vollständig in den Uterus gelangt sind, runden sie sich sofort wieder ab und es scheint, dafs dann auch die Spindel, wo sie die oberflächliche Lage verloren hat, diese bald wiedergewinnt. Die Orientirung der Eier im Uterus ist für jedes verschieden, indem sie durch die fortwährenden Bewegungen des Uterus aus einer Lage in die andere geworfen werden. Anfänglich pressen sich die Eier oft noch dicht zusammen und platten sich an der Berührungsstelle ab, später aber, besonders wenn erst die Uterusdrüsen ihr Secret in den Uterus ergiefsen und die Schalenbildung beginnt, werden sie von einander getrennt und zeigen stets die Kugelform. Befinden sich alle Eier im Uterus, so beginnt alsbald die Drehung der Spindel und mit ihr meist gleichzeitig auch die Trennung der Tochter- platten (Fig. 26— 35). Eingeleitet werden diese Processe durch eine ganz auffallende Verkürzung der Spindel; sie war auf allen Präparaten, welche Conservirungsflüssigkeit auch angewandt war, in ganz gleicher Weise zu erkennen. Eine ähnliche Veränderung der Spindel kurz vor der Trennung der Tochterplatten ist auch von Boveri bei Ascaris megalo- cephala (14') und Weismann und Ischikama bei Artemia (102) beobachtet worden. Die Ursache dürfte wohl in einer stärkeren Contraction der Spindelfasern liegen. Während vorher eine Vereinigung derselben am Pol nicht zu constatiren war, ist dieses jetzt der Fall. In Folge der Ver- kürzung und in Folge des stärkeren Convergirens lassen sie sich jetzt nur in einigen günstigen Fällen verfolgen (Fig. 35), meist aber sind sie nicht zu sehen. Ein distinetes färbbares Körnchen an den Polen konnte auch auf diesem Stadium nicht erkannt werden, ebenso wenig eine Strahlung. Die Figuren 26—30 zeigen, wie sich die Spindel allmählich dreht und aus 22 A. BrAUvER: der tangentialen in die radiale Lage übergeht. Der Schlufs, den man aus den Figuren ziehen könnte, dafs die Drehung bald nach dieser, bald nach jener Seite erfolgt, dürfte wohl nicht berechtigt sein, denn man wird diese Verschiedenheit wohl eher auf eine verschiedene Betrachtung, bald von dieser, bald von der entgegengesetzten Seite, zurückzuführen haben. Schon während der Drehung, selten bei noch tangentialer Lage oder erst nach der Einstellung der Spindel in einen Radius des Eies beginnt die Trennung der Tochterplatten (Fig. 26—35). Sie erfolgt bei allen Chromosomen ziemlich gleichzeitig; wenn einige auch etwas sich verspä- ten, so wird diese Ungleichheit durch eine stärkere Contraetion der zu- gehörigen Spindelfasern wieder ausgeglichen. Die Figuren lehren, dafs je zwei zusammenhängende Kugeln, also je eine Hälfte eines Chromosoms, den Tochterkernen zugeführt werden. Die Seitenansicht einer Tochterplatte mufs natürlich bald zweitheilige, bald nur noch einfache Elemente zeigen, in einigen Fällen ist von der hinteren Kugel noch etwas zu sehen. In den Polansichten, welche man durch verschiedenes Einstellen von beiden Toehterplatten gewinnt, und welche um so übersichtlicher werden, je weiter die Trennung vorgeschritten ist, fällt sofort auf, dafs die eine Toehterplatte in Bezug auf die Form und Anordnung der Chromosomen genau das Abbild der anderen ist, was auf die grofse Gleichmäfsigkeit der Contraetion der Spindelfasern schliefsen läfst. Ein Vergleich der bei- den Tochterplatten in den Figuren 37 und 39, denen die Seitenansichten in den Figuren 36 und 38 entsprechen, beweisen das Gesagte hinreichend. Nur darin findet sich bei weit vorgeschrittener Trennung ein Unterschied, dafs die obere Tochterplatte, also diejenige, welche in den ersten Rich- tungskörper übergeht, etwas gedrängter erscheint (Fig. 37a, 39a); es be- ruht dieses darauf, dafs neben einer wirklichen engeren Zusammenlage- rung der Chromosomen eine Biegung der Platte (Fig. 36, 38, 40) eintritt in der Weise, dafs die peripheren höher liegen als die centralen Chromo- somen. | Wenn die Trennung der Platten beginnt, werden zwischen ihnen die Verbindungsfasern siehtbar; zuweilen sind sie in Folge ungünstiger Con- servirung undeutlich und man findet an ihrer Stelle nur eine feinkörnige Masse. Auf Grund einiger sehr klarer Präparate (Fig. 30, 35, 36, 38, 40) möchte ich mich in Bezug auf die Frage ihrer Entstehung van Beneden, Boveri und Flemming anschlie(sen, nämlich annehmen, dafs diese Fasern Das Ei von Branchipus Grubü v. Dyb. 23 durch Dehnung der Kittmasse, welche die Kugeln verbindet, der lame intermediaire, gebildet werden. Dafür spricht ihre anfangs gröfsere, später abnehmende Dicke und auch die Zahl; nämlich je zwei Kugeln werden durch eine Faser, also die beiden Tochterchromosomen durch zwei Fasern verknüpft, und ferner der Umstand, dafs sie sich an der Mitte der Kugeln ansetzen. Auf ziemlich frühen Stadien der Trennung (Fig. 36, 38, 40) wird oft schon in der Mitte der Spindel eine anfangs feine, bald aber deutlichere ringförmige Linie sichtbar. Durch Einstellung und aus den Einschnürungen an den Seiten der Spindel läfst sich leicht erkennen, dafs sie nichts anderes bezeichnet, als die von aufsen nach innen fortschreitende Durch- schnürung derselben. Die Theilung wird immer deutlicher (Fig. 41, 42) und zuletzt (Fig. 43') hängt der Richtungskörper mit der im Ei zurück- bleibenden Hälfte nur noch durch ein schmales Verbindungsstück zu- sammen, bis auch dieses reifst und damit die Zelltheilung oder richtiger Zellknospung beendet ist. Bei der Abschnürung erhebt sich gewöhnlich die ganze Spindel aus dem Ei heraus, oft scheint sie fast ganz aufserhalb zu liegen bis auf die innere Tochterplatte, aber eine genaue Beobachtung zeigt dann, dafs in Wirklichkeit die Rindenschicht sich ebenfalls an dieser Stelle erhebt, so weit, dafs ihre Oberfläche mit der Trennungslinie, also mit der Mitte der Spindel abschneidet. Nur in einzelnen Fällen bleibt die Spindel im Ei versenkt, alsdann weicht aber hier auch die Rindenschicht zurück, so dafs der Riehtungskörper in einem Grübehen zu liegen kommt. Die Ur- sache für die Verschiedenheit ist einmal darin zu suchen, dafs ein benach- bartes Ei dicht anliegt, so dafs für eine freie Abschnürung des Richtungs- körpers kein Platz vorhanden ist, und dann in dem Auftreten der Dotter- haut. Diese frühe Bildung derselben ist aber eine Ausnahme (Fig. 106 dh). In den meisten Fällen erfolgt das Eindringen des Spermatozoons erst nach der Bildung des ersten Riehtungskörpers und vor der Abschnürung des zweiten, wie es auch Grobben (40) bei Cetochilus beobachtete. Der erste Richtungskörper löst sich in Folge dessen vom Ei ab und wird bald durch die Bewegungen des Uterus aus dessen Nähe entfernt. Ich habe ihn sehr !) Der Richtungskörper ist umgebogen, weshalb man von den Chromosomen eine Polansicht erhält. 24 A. BrAUER: selten auf späteren Stadien, noch in der Umgebung des Eies aufserhalb der Dotterhaut getroffen. Eine Zusammenlagerung des ersten und zweiten zur Zeit der ersten Theilung des Eies, wie es Weismann (102) be- schreibt, habe ich in keinem Falle beobachtet, will aber damit selbst- verständlich die Richtigkeit dieser Angabe nicht bezweifeln, da ja, wie gesagt, die Absonderung der Dotterhaut schon vor der Absehnürung des ersten Richtungskörpers erfolgen kann. Die Regel ist es aber nicht. Die im Ei gebliebene Hälfte verkürzt sich sehr stark, sodafs sie sich schwer auffinden läfst. Sie stellt sich als ein schmaler Chromatinstreifen dar, welcher der Oberfläche des Eies direet anliegt, erst bei sehr starker Vergröfserung erkennt man, dafs auf beiden Seiten auch noch ein achro- matischer Theil vorhanden ist (Fig. 44). Die Form der ganzen Figur ist die einer biconvexen Linse, aufser an der Aufsenseite ist sie ganz vom Dotter umgeben. Die achromatische Substanz ist körnig, von Fasern ist nichts zu sehen. Die Chromosomen erscheinen von der Seite gesehen aus zwei oder aus einer Kugel bestehend. Die Polansichten geben noch dasselbe von früher her bekannte Bild, d. h. alle Chromosomen sind zwei- theilig, was jetzt dem wirklichen Bau entspricht (Fig. 44°). Da man dieses Stadium häufig trifft, so ist man wohl berechtigt es als ein Ruhe- oder besser als ein Vorbereitungsstadium für die Ausbildung der zweiten Spindel aufzufassen. Nach den bisherigen Beobachtungen über die Entstehung der zweiten Spindel könnte man erwarten, dafs die Umordnung der Chromosomen ein- fach in der Art erfolge, dafs ein jedes sich auf seinem Platze um 90° drehe, somit die Äquatorialplatte in derselben Ebene liege, wie die der ersten Spindel. Boveri (14°) hat allerdings schon auf Grund seiner Be- obachtungen bei Pierotrachea und Eehinus behauptet, dafs die zweite Spindel völlig neu sich anlege, indem das im Ei gebliebene Öentrosom sich theile, und die ‚beiden Hälften nach den künftigen Polen auseinanderrücken. Wie es scheint, nimmt er aber an, dafs wie bei Ascaris die Chromo- somen auf ihrem Platze verblieben und nur eine Drehung erführen. Bei Branchipus verläuft dieser Procefs nicht so einfach. Aus dem Vergleich von Seiten- und Polansichten läfst er sich leicht verfolgen (Fig. 44 völlig neue übergeführt, welche auf jener senkrecht steht, also nicht tan- 51). Die Chromosomen werden aus der alten Ebene in eine gential, sondern radial liegt. Bei dieser Umordnung bleiben die Chromo- Das Ei von Branchipus Grubü v. Dyb. 25 somen in ihrer alten Lage, sodafs man in der Polansicht der ersten Spindel bei radialer Lage, welche jetzt Seitenansicht der zweiten bei tan- gentialer Lage wird, immer noch nur zweitheilige Chromosomen erkennt; in der neuen Polansicht, welche einer Seitenansicht der ersten Spindel bei radialer Lage entspricht, sieht man nur einfache Kugeln. Mit dem Be- ginn der Umlagerung werden auch wieder Spindelfasern sichtbar (Fig. 45, 47); es fällt sofort auf, dafs sie nur m der halben Zahl vorhanden sind, denn an jede Kugel setzt sich nur eine Faser, also an jedes Chromosom zwei Fasern. Die Ansatzstelle der Faser an der Kugel ist auch hier wieder die Mitte der letzteren. Eine Vereinigung der Fasern in einem Centrum an jedem Pol ebenso wie Centrosomen und Polstrahlung habe ich auch auf diesem Stadium der Spindel nicht gesehen. Die Fasern waren von den meisten Chromosomen eine Strecke weit verfolgbar, dann verschwanden sie im anliegenden Protoplasma. Die ganze Art und Weise des Aufbaus der zweiten Spindel zeigt klar, dafs die Chromosomen eine völlig passive Rolle dabei spielen, dafs die Überführung in die neue Ebene einzig und allein durch die Contrae- tion der Spindelfasern bewirkt wird. Die frühesten Stadien kennzeichnen sich dadurch, dafs in den Seiten- ansichten man nieht mehr ein schmales Chromatinband wie in Figur 44 sieht, sondern, dafs die einzelnen Elemente übereinander gelagert sind, nieht in einer Ebene, sondern in verschiedenen liegen (Fig. 45). Wie man in Seitenansichten und noch besser in Polansichten (Fig. 46, 48) er- kennt, sind alle Chromosomen gleichmäfsig gestellt; erstere zeigen nur zweitheilige, letztere nur eintheilige Chromosomen. Daraus geht hervor, dafs die Verbindung und die erste Contraetion der Fasern eine Einrich- tung aller bewirkt haben mufs und zwar derart, dafs jedes Chromosom bereits die Stellung, welche es in der Äquatorialplatte der zweiten Spindel einnehmen wird, erhält: je eine Kugel ist den künftigen Polen zugewandt. In dieser Lage werden sie in die neue Ebene übergeführt; nur diejenigen, welehe nach den höchsten Punkten der Äquatorialplatte gelangen, werden in Folge des Ansatzes der zugehörigen Faser etwas schräg gerichtet (z. B. Fig. 47). Daher erklärt sich auch, dafs man manchmal in Pol- ansichten von einigen nicht nur eine, die obere, Kugel sieht, sondern auch von der unteren noch ein Theil (Fig. 48). Die Umrisse der Figuren, welche man erhält, müssen sich mit dem Fortschreiten des Processes Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1892. II. 4 26 A. BrRAUvER: ändern. Die Polansichten zeigen anfangs ein schmales Oval (Fig. 46), das immer breiter wird (Fig. 48) und zuletzt in die Kreisform übergeht (Fig. 49). Auf den Anfangsstadien (Fig. 46, 48) treten bei einer Ein- stellung nur wenige Chromosomen hervor, erst durch Senken und Heben des Tubus gelingt es alle 12 zu erblicken. Der Abstand der verschiedenen Ebenen, in denen die Elemente liegen, verringert sich immer mehr, je näher sie der künftigen Äquatorialplatte gebracht werden (Fig. 49). Ganz entsprechend ändern sich auch die Seitenansichten, wie aus Fig. 45, 47, 50 sofort verständlich wird. Mit der Einordnung der Chromosomen in die Äquatorialplatte haben auch die Spindelfasern ihre richtige Anordnung und Länge erhalten, damit ist die zweite Richtungsspindel fertig. Ihre Gestalt ist wie die der ersten meist tonnenförmig, ebenso liegt sie wie diese tangential (Fig. 50, 51). Die Unterschiede betreffen nur die Zahl der Fasern, welche halb so grofs ist, also 24 beträgt, und den Bau der Chromosomen, indem diese aus nur zwei Kugeln bestehen, von denen je eine den Polen zugewandt ist. Die Zahl und auch die Anordnung ist dieselbe, wie die Figuren ohne weitere Erklärung zeigen. Dadurch, dafs im allgemeinen die Gröfse der Spindel dieselbe geblieben, die chromati- sche Masse aber geringer ist, hat die Figur an Durchsichtigkeit be- deutend gewonnen, was besonders in den Seitenansichten hervortritt, in- dem man jetzt bequem alle 12 Chromosomen übersehen und auch ohne Zuhülfenahme von Polansichten die Zweitheiligkeit aller constatiren kann. Völlige Sicherheit darüber, welche Spindel man vor sich hat, geben aller- dings auch hier nur die letzteren Ansichten. Bald nachdem die Spindel fertig gestellt ist, beginnt die Drehung aus der tangentialen in die radiale Stellung (Fig. 5$2—56) und fast gleich- zeitig erfolgt auch der Anfang der Trennung der Tochterplatten. Wie bei der ersten ist auch hier eine Verkürzung der Spindel auf diesem Stadium, wenn auch eine nicht so grolse zu constatiren (Fig. 595 —97). Was ich oben über das Unsichtbarwerden der Spindelfasern und über das Auftreten der Verbindungsfäden gesagt habe, gilt auch hier, nur mit dem Unterschiede, dafs auch die letzteren in der halben Zahl, also nur 12 vorhanden sind, je ein Faden für je zwei Tochterehromosome. In Folge der jetzt stets vorhandenen Dotterhaut kann die zweite Spindel sich nicht so frei über die Oberfläche des Eies erheben wie die erste; zwar ist zu- weilen zu constatiren, dafs die Spindel die Haut emporhebt (Fig. 61, 65), Das Ei von Branchipus Grubü v. Dyb. 27 1. aber meist schneidet sie doch mit der Eiperipherie ab; sie liegt somit ganz im Ei. Die Abschnürung des zweiten Richtungskörpers (Fig. 66) erfolgt dann in der Weise, dafs die Rindenschieht sieh um die Spindel herum einsenkt bis zu der Stelle, wo die Durchschnürung vor sich geht, so dafs auf diese Weise auch in diesen Fällen der Richtungskörper aufserhalb des Eies zu liegen kommt. Im Ei oder später zwischen den Furchungs- kugeln wie, z.B. Grobben bei Cetochylus (40) beobachtete, habe ich ihn nicht angetroffen; er liegt meist zwischen Dotterhaut und dem Ei, das Grübehen ist dann nicht mehr zu erkennen (Fig. 67). Ein anderer kleiner Unterschied gegenüber der ersten Spindel zeigt sich darin, dafs die Chromosomen schon auf ziemlich frühen Stadien sich enger zusammengelagert finden (Fig. 60, 65—67). Im Anfang der Tren- nung ist der Abstand der einzelnen von einander noch gleich grofs wie in der Äquatorialplatte (Fig. 58, 59, 62), später aber wird er verringert. Die Polansichten lassen zwar noch stets die Zahl 12 constatiren (Fig. 58, 59, 62, 63a) und erkennen, dafs auch bei dieser Theilung trotz der engen Aneinanderlagerung die Anordnung der Elemente bis zum Schlufs der Überführung genau dieselbe bleibt, so dafs eine Tochterplatte wie die andere aussieht, in der Seitenansicht aber ist es schwer die einzelnen Kugeln noch von einander zu unterscheiden (Fig. 64—67), man sieht meist nur ein mit Vorbuchtungen versehenes schmales Band. Mit der völligen Abschnürung des Richtungskörpers verschwinden auch die Verbindungsfasern, zuweilen lassen sich noch bis zuletzt einzelne aus körnigem Protoplasma bestehende Verbindungsstränge sehen, welche vielleicht ihre letzten Spuren sind (Fig. 64). Dadurch, dafs die Rinden- schicht wieder das Grübchen schliefst und den Richtungskörper heraus- drängt, kommt die im Ei zurückgebliebene Hälfte etwas von der Peri- pherie entfernt zu liegen (Fig. 67). Anfangs zeigt sie noch den bekann- ten Bau (Fig. 66a), dann aber bildet sich um den Chromosomenhaufen eine Vacuole und zugleich treten zwischen den Chromosomen Verbindungs- fäden auf, so dafs auch Polansichten die Kugeln nicht mehr so distinet zeigen. Durch Zerfall derselben in kleine Körner und Vertheilung in einer netzförmig sich anordnenden achromatischen Grundmasse geht der Kern in den Ruhezustand über; die Reifung ist beendet. Da ich auf die Bedeutung und Auffassung der beiden im Vorigen dar- gestellten Theilungen am Schlusse der Arbeit näher eingehen und dabei 4* 28 A. BRAUDER: die chromatische Substanz nothwendigerweise besonders berücksichtigen werde, so mögen hier nur einige Worte über den achromatischen Theil der Spindeln gesagt werden, und zwar werde ich mich, da die Conser- virung desselben im allgemeinen keine genügende ist, und eine Deutung mithin zu gewagt wäre, auf die Hervorhebung zweier Punkte beschränken, welehe mir durch die Beobachtung sicher gestellt zu sein und ein wei- teres Interesse zu verdienen scheinen: sie betreffen 1) die Zahl der Spindel- fasern bei der ersten und bei der zweiten Theilung und 2) die Ausbildung und Lage der zweiten Richtungsspindel. Wie die Darstellung gezeigt hat, sind in der Äquatorialplatte der ersten Spindel 12 aus je vier Kugeln bestehende Chromosomen zu zählen, die derart angeordnet sind, dafs je zwei Kugeln eines Chromosoms einem der beiden Pole zugewandt sind. An jede Kugel und zwar an die Mitte derselben setzt sich eine Spindelfaser, sodafs ein jedes Tochterchromosom mit zwei Fasern verbunden ist, in jeder Spindelhälfte also 24 Fasern vor- handen sind. In der ganzen Spindel ist mithin die Zahl der Chromatin- kugeln und die Zahl der Spindelfasern dieselbe, nämlich 48. Die Äquatorialplatte der zweiten Spindel setzt sich aus 12 zwei- theiligen Chromosomen zusammen, je eine Kugel eines Chromosoms ist einem Pol zugewandt. Jede Kugel ist wieder mit einer Faser in Ver- bindung, die Zahl der Kugeln wie die der Fasern ist mithin auch hier dieselbe, aber halb so grofs als bei der ersten Theilung, nämlich 24. Eine ähnliche Beobachtung hat Henking (43") bei der Spermato- genese von Pyrrhocoris apterus L. gemacht, indem er bei der Theilung der Spermatocyten erster Ordnung eine doppelt so grofse Zahl von Spindel- fasern fand als bei der Theilung derjenigen zweiter Ordnung. Er weicht aber darin erheblich ab, dafs nach ihm nicht 12 viertheilige, sondern 24 eintheilige Chromosomen in der ersten Äquatorialplatte vorhanden sind, die zweireihig angeordnet sind, d. h. in der Weise, dafs je eins polwärts gerichtet ist, und weiter darin, dafs je zwei Fäden an ein Chromosom oder an eine Kugel — die Form ist nämlich dieselbe wie bei Branchipus — herantreten. Wir hätten demnach 24 Kugeln und 48 Spindelfasern ;') bei !) Es ist mir unverständlich, wie Henking (l. c. p. 701) zu dem Satz kommt: »Wir haben 24 achromatische Fäden, wir müssen demnach auch 24 Chromosomen als vorhanden annehmen,« zumal er kurz vorher sagt: »wir zählen in jeder Spindelhälfte 24 achromatische Spindelfäden. « Das Ei von Branchipus Grubü v. Dyb. 29 der folgenden Theilung, wo 12 zweitheilige Chromosomen nach Henking vorhanden sind und wo an jede Kugel nur eine Faser sich setzt, ist die Zahl der Fasern und Kugeln gleich, nämlich 24 Kugeln und 24 Fasern wie in der zweiten Spindel von Branchipus. Es ist zwar immer unangenehm und gewagt, die Figuren eines an- deren Forschers anders als er selbst zu deuten, aber in diesem Falle glaube ich dazu berechtigt zu sein, da abgesehen von diesem einen Punkte beide Objeete, Pyrrhocoris und Branchipus, im Verlauf der Theilungen übereinstimmen. Die Reifung des Eies von Pyrrhocoris verläuft sogar in dem in Frage kommenden Punkte nach Henking (l. e.) ganz gleich wie die von Branchipus. Mit Weismann (105) möchte ich nämlich glauben, dafs bei Pyr- rhocoris in der Äquatorialplatte der ersten Theilung nieht 24 eintheilige, sondern 12 viertheilige oder nach Henking’s Auffassung 24 zweitheilige Chromosomen vorhanden sind ganz ebenso wie in der ersten Richtungs- spindel von Pyrrhocoris (Henking 1. e. p. 720). Die Fig. 20, Taf. 35 bei Henking zeigt deutliche viertheilige Chromosomen, die in der Figur befindlichen zweitheiligen dürften Seitenansichten von viertheiligen sein; auch die »Ringe« in Fig. 18 und 19, Taf. 35 dürften keine andere Deutung verdienen, als dafs sie aus vier Kugeln bestehen, deren Abgrenzungen aber in Folge der Conservirung verwischt sind. Nach Henking sollen zwar die viertheiligen nur ein Übergangsstadium sein, das zu 24 einfachen Kugeln, welche zu je zweien zusammengeordnet sind, führt. Indessen vermisse ich hierfür jeden Beweis. Es will mir scheinen, dafs die Figuren, auf welche Henking sich stützt, eine ganz andere Deutung verdienen, nämlich gar nicht in den Kreis der Spermatocyten erster Ordnung hinein- gehören. So z.B. dürfte die Fig. 30a, welche eine Polansicht der Äquatorial- platte einer »abnormen« Spermatocyte erster Ordnung darstellen soll, und in welcher 24 einfache Kugeln zu sehen sind, sehr wahrscheinlich den Figuren 7 oder 10 anzureihen sein, d.h. sie stellt die Äquatorialplatte einer normalen Ursamenzelle dar, in welcher die Umordnung der zweitheiligen Elemente erfolgt ist, so dafs man nothwendig nur einfache Kugeln sehen muls. Trifft aber die Deutung, die Weismann und ich geben, zu, so sind weiter die Figuren 3la, 33—36 bei Henking sicher nichts anderes als Polansichten der Äquatorialplatte der Spermatoeyte zweiter Ordnung, nicht 30 A. BrAUvER: erster Ordnung, wie Henking angibt. Die Seitenansichten (Fig. 29 und 37) können richtig sein; es scheinen zwar nur zweitheilige Chromosomen vorhanden zu sein, aber wie z. B. meine Figur 16 es zeigt, ist eine solche Ansicht möglich, wenn die viertheiligen radial in der Platte stehen. Auf Grund dieser Deutung komme ich zu dem Resultat, dafs bei Pyrrhocoris auch in der ersten Theilung die Zahl der Chromatinkugeln und die Zahl der Fasern dieselbe ist, nämlich 48, nicht 24 Kugeln und 48 Fasern. Auffallend ist es, dafs in den Figuren, welche Henking von der ersten Richtungsspindel bei Pyrrhocoris gibt (l. ec. p. 720), nicht die doppelte Zahl von Spindelfasern gezeichnet sind als in denen von der zweiten Theilung. Aber ganz abgesehen davon, ob die gegebene Deutung der Hen- king’schen Figuren die richtige ist oder nicht, scheint es mir völlig falsch zu sein aus der Zahl der Fasern in einer Spindel auf die Zahl der Chromosomen schliessen zu wollen, wie es von Seiten Henking’s geschieht. Weil wir so viele Fäden zählen, müssen wir auch so viele Chromosomen zählen. Wohin das führt, möge folgendes Beispiel zeigen. »Wir haben 24 achromatische Fäden, wir müssen demnach auch 24 Chromo- somen als vorhanden annehmen.« So schliefst Heuking für die erste Theilung. »Wir haben 24 achromatische Fäden, wir müssen demnach auch 24 Chromosomen als vorhanden annehmen.« So schliefst Henking auffallenderweise für die zweite Theilung nicht, obwohl auch hier 24 Ku- eeln in zwei Reihen stehen, sondern hier sind nur 12 Chromosomen vor- handen, die dieses Mal zweitheilig sind, trotz der 24 Fasern. Und in gleicher Weise könnte man bei jeder Theilung verfahren, ganz wie man will, die eine als Äquationstheilung, die andere als Reductionstheilung ausgeben. Weit richtiger erscheint es mir sich bei dem Versuch einer Erklä- rung der verschiedenen Zahl von Spindelfasern in den beiden Theilungen von dem Gesichtspunkt leiten zu lassen, welehe Bedeutung dieselbe für die Theilung hat. Soll der ganze complieirte Apparat, welchen wir bei der mitotischen Kerntheilung in Thätigkeit treten sehen, genau und richtig funetioniren, so kommt es, wie Roux (81) in so kurzer und klarer Weise dargestellt hat, vor allem auf eine richtige Anordnung der Theile an, damit eine gleichmäfsige Trennung und eine gleichmäfsige Überführung der Tochterplatten erfolgen kann, und jegliche Störung unmöglich ge- Das Ei von Branchipus Grubü v. Dyb. 31 macht ist. Vornehmlich ist es wichtig, einmal, dafs die Chromosomen in der zweckmäfsigsten Weise in der Äquatorialplatte angeordnet sind, und dann, dafs die Spindelfasern derart sich mit denselben verbinden, dafs. ein gleichmäfsiger Zug möglich ist, dafs auch während der Über- führung eine Verschiebung der Chromosomen und Verwickelung der Fäden verhindert wird. Beide Bedingungen sehen wir in bester Weise bei Bran- chipus erfüllt. Der Bau der Äquatorialplatten der ersten und zweiten Rich- tungsspindel hat gelehrt, dafs zwar in jeder die Chromosomen bei ver- schiedenen Eiern eine wechselnde Anordnung zeigen, dafs aber die Lage der einzelnen in einer bestimmten Platte eine ganz bestimmte, gesetz- mäfsige ist, nämlich in der Weise, dafs ein jedes zweitheilige bezw. ein- fache Tochterchromosom einen gleich weiten Abstand von den benach- barten hat, so dafs eine Behinderung der einzelnen nicht möglich ist. Eine so genaue Trennung und gleichmäfsige Überführung aller Chromo- somen, dafs die Polansicht einer jeden Tochterplatte immer dasselbe Bild gewährt wie eine solche der Äquatorialplatte, dafs die eine das Abbild der anderen während der ganzen Dauer dieses Processes bleibt, kann nur bewirkt werden, wenn eine jede Kugel mit einer Faser in Verbindung ist, wenn auf die eine die gleiche Kraft wirkt wie auf die andere. Ein Ansetzen einer Faser an nur eine Kugel jedes Tochterchromosoms oder gar an die Lininmasse, welche beide Kugeln verbindet, wie es z. B. Henking (l. e. p. 720) zeichnet, dürfte sicher entweder eine unvollstän- dige oder falsche oder gar keine Trennung der Kugeln zur Folge haben, auf keinen Fall aber ein derartiges Resultat geben können, wie es in Wirklichkeit uns vorgeführt wird. Dafs die Zahl der Fäden so gering ist, nur eine für jede Kugel, dürfte wohl allein in der Form der letzteren begründet sein. Dieses be- weisen die Beobachtungen an anderen Objeeten. So z. B. fand Flem- ming (28) bei Salamandra, dafs mit jedem Chromosom, das geknickt ist, an der Knickungsstelle nur ein Faden sich verbindet. Bei Ascaris mega- locephala, wo die Chromosomen in der Furchungsspindel bandförmig sind, sind nach Boveri (14°) dieselben »ihrer ganzen Länge nach von den Enden der Spindelfasern besetzt«. »Es läfst sich mit ziemlicher Sicher- heit feststellen, dafs jede Schleife von beiden Polen annähernd die gleiche Zahl von Fasern erhält. Ich konnte einmal bei sehr günstiger Lagerung auf der einen Seite 23, auf der anderen 24 zählen.« (Boveril.e. p. 779). 32 A. BrAUER: Und in ähnlicher Weise wird sich vielleicht überall erweisen, dafs die Zahl der an ein Chromosom sich setzenden Spindelfasern allein abhängig ist von der Form desselben, und ihre Bedeutung darin liegt, eine genaue und gleichmäfsige Trennung und Überführung der Tochterplatten nach den Polen zu bewirken. Wie ich sehon oben erwähnte, hat Boveri (14, 3) bereits aus seinen Beobachtungen bei Pferotrachea und Echinus, dafs das im Ei nach der Abschnürung des ersten Richtungskörpers zurückgebliebene Centrosom sich von neuem theilt und die beiden Hälften nach den Polen der künf- tigen zweiten Spindel auseinanderrücken, den Schlufs gezogen, dafs die zweite Spindel völlig neu angelegt wird. Dieser Satz wird durch meine Beobachtungen bei Branchipus völlig bestätigt. Denn wir sehen nicht nur, dafs der achromatische Theil der Spindel sich neu ausbildet, wie aus der halben Anzahl der Spindelfasern deutlich hervorgeht, sondern auch, dafs die Chromosomen nicht in der Ebene, in der sie sich nach der Abschnürung des ersten Richtungskörpers befanden, liegen bleiben und ein jedes auf seinem Platze um 90° gedreht wird, vielmehr in eine ganz neue Ebene, welche senkrecht auf der ersten steht, übergeführt werden. Diese scheinbar etwas umständliche Anlegung der zweiten Spindel gibt auch weiter einen neuen kräftigen Beweis, dafs die Chromosomen bei der Ausbildung der Spindel eine völlig passive Rolle spielen, dafs sie zusammengeordnet, gerichtet und getrennt werden allein durch die Contraetilität der Spindelfasern. Die anfänglich tangentiale Lage der zweiten Spindel scheint mir noch in anderer Beziehung ein Interesse zu verdienen. Soweit ich weils, bilden die beiden Theilungen bei der Riehtungskörperbildung die einzige Ausnahme von dem bekannten Theilungsgesetz O. Hertwig’s (50), indem sie beide in derselben Richtung erfolgen und in derselben Ebene liegen. Die anfänglich tangentiale Lage bei Branchipus könnte man vielleicht für die ursprüngliche halten und die Drehung in die radiale Stellung als einen secundären Procefs betrachten und die Ursache hierfür in der entstandenen Ungleichheit der Theilungsproduete (Ei- und Richtungskörper) suchen. Diese Ansicht scheint mir darin eine Begründung zu finden, dafs bei der Sperma- togenese (Ascaris nach O. Hertwig (53) und Pyrrhocoris nach Henking (43, I)), wo die Tochterzellen gleich grofs sind, die Theilungen gesetz- mäfsig erfolgen, d. h. die zweite Theilungsebene senkrecht zur ersten liegt. Das Ei von Branchipus Grubü v. Dyb. 33 Bei dieser Betrachtung habe ich im Gegensatze zu meinen Beobach- tungen das Vorhandensein von Centrosomen oder doch Centren auch bei der Richtungskörperbildung von Branchipus angenommen; es scheint mir, dafs man zu der Annahme gezwungen wird, da der gleichmälsige Zug der Spindelfasern bei der Trennung der Tochterplatten sonst nicht erklär- bar ist. Die negative Beobachtung dürfte somit ihren Grund in einer ungenügenden Conservirung haben. Eine andere Frage ist aber, ob auch eine Polstrahlung vorhanden ist. Diese Frage möchte ich verneinen. Denn einmal stöfst die Spindel mit ihren Polflächen meist direet an den Dotter, so dafs kein Platz für eine solche vorhanden ist, und dann mülste sie in einer radiären Anordnung der Dotterkörner zum Ausdruck kommen, wie sie bei den Strahlungen des Spermakerns und der Furchungskerne überall klar hervortritt, und diese würde sich wahrscheinlich erhalten haben. Jedenfalls hat die Polstrahlung, wenn sie doch vorhanden sein sollte, nur eine sehr geringe Ausdehnung. Auch bei Ascaris (Boveri (14), ©. Schnei- der (85) und bei Sagitta und Ascidia (Boveri) ist eine Polstrahlung nicht gesehen worden. Daraus, dafs die Centren vernichtet, dagegen die Spindelfasern durch dieselbe Conservirungsflüssigkeit erhalten sind, scheint mir der Schlufs berechtigt, dafs beide Theile verschiedenen Ursprungs sind, der eine extra- nuclear entsteht, der andere intranuclear, wie es die neuesten Untersuchungen (vergl. besonders Flemming (30, 31) über die Entstehung der achroma- tischen Structuren ebenfalls gezeigt haben. Il. Die Befruchtung. (Taf. U, Fig. 67—88; Taf. IN, Fig. 106—110.) Wie schon Leydig (64) angibt, sind die Spermatozoen, welche dem Hoden des lebenden Thieres entnommen werden, kleine, mehr oder minder kuglige helle Bläschen, welche in der Mitte stark lichtbrechende Körnchen, den Kern, zeigen. Eine Bewegung konnte ich nicht erkennen. Auf Prä- paraten zeigt sich (Fig. 68), dafs ein verschieden breiter Saum von Proto- Fi Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1892. II. 5 34 A. BRAUER: plasma an der Zellperipherie vorhanden ist, welcher eine Vaeuole umgrenzt, in deren Mitte oder an deren Seite chromatische Substanz liegt; die letztere ist bald zu einem Klumpen von unregelmäfsiger Gestalt zusammengeballt, bald hat sie Ringform, und zeigt in der Mitte des Ringes noch einige Körner, bald ist sie wieder in der Gestalt eines halben Ringes angeordnet, kurz die Figuren, in welchen man sie trifft, sind sehr verschieden. Immer läfst sich aber erkennen, dafs sie nicht eine homogene Masse ist, sondern dafs sie aus sehr dicht zusammengeschobenen Kugeln besteht, deren Zahl, soweit eine Schätzung überhaupt möglich ist, 12 betragen könnte. Das Spermatozoon gewinnt durch dieses Aussehen eine sehr grosse Ähnlichkeit mit dem zweiten Riehtungskörper oder mit dem Eikern, nachdem sich um diesen eine Vacuole gebildet hat, z. B. Fig. 66, 67. Die Ähnlichkeit wird dadureh noch bedeutender, dafs bei Spermatozoen, die man im Uterus findet, der körnige und sich mit Hämatoxylin etwas fär- bende Protoplasmasaum sehr schmal ist und oft nicht zu erkennen ist, so dafs der ganze Zellleib hell erscheint. Nach der Begattung liegen die Spermatozoen in den Taschen des Uterus in Streifen und in Ballen vereint: nachdem aber die Eier aus den Oviducten in diesen Abschnitt übergetreten sind, wodurch derselbe bedeu- tend erweitert wird und die Taschen verschwinden, werden sie durch die Bewegungen des Uterus und durch die Eier auseinander- und zwischen die letzteren gedrängt, ein Theil sammelt sich gewöhnlich in einer Ecke des Uterus; er gelangt nicht zur Befruchtung. Die Bewegung des Uterus ersetzt so gewissermafsen den Mangel der Eigenbewegung der Spermato- zoen. — Das Eindringen derselben in die Eier konnte ich nicht beobachten. Man findet zwar oft genug Bilder, welche ein in der Oberfläche eines Eies sitzendes Spermatozoon zu zeigen scheinen, aber wegen der Kleinheit der Elemente läfst es sich nicht mit voller Sicherheit entscheiden. Soviel läfst sich mit Bestimmtheit angeben, dafs nur eine Samenzelle in jedes Ei eindringt. Der Ort des Eindringens ist nicht in irgend welcher Weise bestimmt, wie z. B. die Figuren 106, 107 zeigen. Die Zeit liegt gewöhn- lich zwischen der Ausbildung der zweiten Spindel und der Abschnürung des zweiten Richtungskörpers, selten schon vor Beendigung der ersten Theilung (Fig. 106). Wenn es auch nieht immer wegen der Kleinheit des Spermatozoons oder wegen einer ungünstigen Sehnittrichtung gelingt, dasselbe im Ei nachzuweisen, so zeigt doch das Vorhandensein der Dotter- Das Ei von Branchipus Grubü v. Dyb. 35 haut, die zuerst als eine helle, scharfe Linie dem Ei dicht anliegend erscheint (Fig. 106, 69), später sich etwas von demselben abhebt, an, dafs das Ei befruchtet ist. Bis zum Schlufs der Reifung liegt das Spermatozoon in der Rinden- 73). Auf den ersten Stadien läfst sich um die Chromatinmasse noch eine helle Vacuole schicht oder doch hart an der Peripherie des Eies (Fig. 69 erkennen, die zuweilen rund, zuweilen auch ganz die eckige Form zeigt wie der Zellleib des Spermatozoons vor dem Eindringen: es ist deshalb wahrscheinlich, dafs nieht nur der Kern, sondern die ganze Zelle in’s Ei gelangt. Allerdings könnte die Vacuole auch identisch mit derjenigen sein, welehe wir oft um den Kern fanden, aber hiergegen spricht sehr der Umstand, dafs sie verschwindet, nicht der Vacuole des Spermakerns den Ursprung zu geben scheint. Doch mufs ieh diese Frage unentschieden lassen. Bleibt die Lage bis zum Ende der Reifung dieselbe, so bleibt das Spermatozoon doch nicht unverändert. Aufser dem Verschwinden der Vacuole beginnt ein wenn auch sehr geringes Wachsthum des Spermakerns und damit eine Auflockerung der Chromatinmasse (Fig. 70, 72, 73). Die Kugeln bleiben anfangs meist in dem jetzt klar hervortretenden Kernraum peripher liegen, trennen sich hierbei von einander, von einer zur anderen und von den peripheren zu den centralen treten weniger chromatische Brücken auf (Fig. 75). Diese Veränderung findet man sehon zu der Zeit, wo der zweite Richtungskörper zwar gebildet, aber noch nicht von dem Eikern sich abgeschnürt hat. Ist das letztere geschehen, hat sich um den Eikern eine Vacuole gebildet, in der in ähnlicher Weise wie beim Sperma- kern eine Vertheilung der ehromatischen Substanz beginnt, so rückt der- selbe von der Peripherie ab und gerade auf das Eicentrum zu. Während dessen nimmt das Wachsthum des Kernes zu und gleichzeitig tritt eine immer grölsere Verfeinerung des Kerngerüstes ein, die Chromosomen sind in Form vieler Körnehen in demselben und vorwiegend in den Knoten- punkten vertheilt (Fig. 755—76). In einzelnen Fällen konnten auch kleine Nucleolen erkannt werden (Fig. 756). Der Eikern ist ohne jeg- liche Strahlung vom Beginn seiner Wanderung bis zu seiner Zusammen- lagerung mit dem Spermakern (Fig. 76, 77, 107—109); er wird stets direet von Dotterkörnern umgeben (Fig. 75), nur zuweilen läfst sich eine ganz minimale Protoplasmamenge nachweisen, die aber nie so feinkörnig, 5* 36 A. BRAVER: fast homogen erscheint wie diejenige, welche wir am Spermakern finden (Fig. 76). Gleichzeitig mit dem Eikern gibt auch der Spermakern seine peri- phere Lage auf (Fig. 74); da auch er (Fig. 75«) anfangs ohne Strahlung ist oder wenigstens ohne irgend wie hervortretende Strahlung, so ist es auf diesem Stadium oft schwer, die Kerne von einander zu unterscheiden. Doch ergeben sich einige Merkmale. Für den Eikern ist anfangs noch die Lage entscheidend, insofern als über ihm zwischen der Dotterhaut und dem Ei der zweite Richtungskörper liegt (Fig. 107), für den Sperma- kern ist charakteristisch ein dotterfreier Protoplasmaschweif, welcher von ihm oft bis zur Peripherie, meist eine ziemliche Strecke nach seiner früheren Lage zu verfolgbar ist. Er bezeichnet den Weg, welchen sich der Sperma- kern durch die Dotterkörner gebahnt hat (Fig. 107). Je mehr der Eikern sich aber der Mitte des Eies nähert, verliert das erwähnte Merkmal an Bedeutung, dagegen tritt jetzt (Fig. 108, 109) aber am Spermakern und zwar stets, wenn er erst eine kleine Strecke von der Peripherie entfernt ist, ein neues untrügliches Kennzeichen auf, nämlich die Centrosomen mit ihren Strahlungen. Über ihre Herkunft kann ich leider nichts Bestimmtes sagen, ob sie sich mit der Auflösung des Zellleibes in der peripheren Lage‘) vom Spermakern losgelöst und jetzt wieder zu demselben treten, oder ob sie mitgewandert sind und erst jetzt ihren Einflufs auf das Eiproto- plasma auszuüben beginnen. Letzteres ist mir am wahrscheinlichsten. Meine Beobachtungen zeigen Folgendes. Erst wenn der Spermakern eine kleine Strecke sich von der Peripherie entfernt hat, sieht man eine anfangs unregelmäfsige, feinkörnige, wie es scheint monocentrische Protoplasma- ansammlung auftreten, und zwar auf der äufseren Seite des Kernes; sie verdrängt die Dotterkörner aus der nächsten Umgebung des Kernes und ordnet die anliegenden zwischen ihren strahlenartigen Fortsätzen an, so dafs auch diese radiär gerichtet stehen. Die Strahlung findet sich dann, und wie man aus den inzwischen erfolgten Kernveränderungen schlielsen darf, sehr bald auf zwei entgegengesetzten Seiten des Kernes und er- scheint deutlich dicentrisch (Fig. 76a). Auf Präparaten, die mit Pikrin- essigsäure behandelt waren, war in der Mitte jeder Protoplasmaansamm- !) Folgende Beobachtung könnte vielleicht dafür sprechen: nach dem Beginn der Be- wegung (Fig. 74) sah ich an seiner früheren Stelle eine dunkler sich färbende und dichtere Protoplasmamenge in der Rindenschicht. Aber sie kann auch nur zufällig, bedeutungslos sein. Das Ei von Branchipus Grubü v. Dyb. 37 lung ein dunkel sich färbendes Centrum, also wohl ein Centrosom, sichtbar, auf Sublimat-Präparaten dagegen erschien dasselbe völlig hell (Fig. 108, 109, 110), was besonders bei mittelstarker Vergröfserung hervortrat. Den am Anfang der Wanderung sich findenden Protoplasmaschweif trifft man oft auch noch, wenn die Strahlung bereits dieentrisch ist, und zwar geht er vom Kern aus; er dürfte demnach nichts mit den Strah- lungen zu thun haben, sondern nur die Spur des Weges bezeichnen, welchen der Kern gewandert ist. Er ist auch sonst bei dotterreichen Eiern beobachtet worden. Dieser Unterschied zwischen dem Sperma- und dem Eikern bleibt bestehen noch bis kurz vor der Zusammenlagerung (Fig. 77, 109), so dafs man nie im Zweifel sein kann, welchen Kern man als Eikern und welchen als Spermakern bezeichnen soll. In den meisten Fällen liegt die ganze Figur (Kern mit den Strahlungen) tangential. In dieser Lage nähert er sich dem Eikern, gewöhnlich in der Weise, dafs Kern auf Kern trifft, und dann beide sich neben einander oder richtiger etwas übereinander lagern (Fig. 78, 110), in einigen Fällen aber auch so, dafs eine Strahlung auf den Eikern trifft (Fig. 109). Hierauf dürfte vielleicht die Lage der Kerne hinter einander zurückzuführen sein, welche manchmal zu finden ist. Das Zusammentreffen der Kerne erfolgt nicht immer im Centrum des Eies, oft schon in den peripheren Theilen. Die Ursache hierfür kann entweder darin liegen, dafs der Eikern dem Spermakern entgegen geht, oder aber auch darin, dafs das Spermatozoon in der Nähe des Ortes, wo die Reifung ablief, eingedrungen ist und in Folge dessen der Eikern schon früh mit dem Spermakern zusammentrifft. Da, wie ich erwähnte, beide Kerne gleichzeitig mit der Wanderung nach dem Eicentrum beginnen, der Eikern aber bedeutend früher dasselbe erreicht als der andere, andererseits aber der Protoplasmaschweif, der dem Spermakern nachzieht, auf eine anfängliche raschere Bewegung desselben durch den Dotter schliefsen läfst, so folgt hieraus, dafs in den späteren Stadien der Spermakern langsamer wandert, und es liegt nahe, die Ur- sache hierfür in den Strahlungen zu sehen. Während der Eikern sich leicht die Dotterkörner auseinander schieben kann, mufs beim Spermakern, ganz abgesehen von der Gröfse der Figur, eine fortwährende Umordnung des ganzen benachbarten Dotters in Folge der Einwirkung der Üentro- somen erfolgen. 38 A. BRAUER: Aufser den erwähnten Variationen kommt aber noch eine bemerkens- werthere vor, nämlich die, dafs die beiden Kerne, soweit die Zeit in Frage kommt, nicht gleiehmäfsig in ihrem Wachsthum und in der Aus- bildung der Chromosomen fortsehreiten, sondern der eine dem anderen etwas vorauseilt. Aber von diesen Unterschieden abgesehen verlaufen im Einzelnen die Veränderungen völlig gleich, so dafs die Beschreibung von jetzt an nur einen Kern zu berücksichtigen braucht, zumal nach der Zusammenlagerung und dem völligen Eintritt des Eikerns in die Strahlungen des Spermakerns (Fig. 78) sich nicht mehr erkennen läfst, welchem Kern die Strahlungen zugehören, welches der Eikern, welches der Spermakern ist. Wir hatten die Kerne auf dem Stadium des ruhenden Kernes ver- lassen: in dem bedeutend gewachsenen Kernraum hatte sich das Chromatin in einem feinen, weitmaschigen Gerüst oder Netz vertheilt, das sich vor- wiegend über die peripheren Theile der Kernhöhle verbreitete, seltener in einzelnen Fäden auch die centralen Theile durchzog. Der übrige Kern- raum war von einer homogenen, sehr wenig färbbaren Masse erfüllt; Nucleolen, welche ich in den Anfangsstadien beobachtete, habe ich später nicht mehr gefunden. Nach der Zusammenlagerung, zuweilen auch schon früher beginnt die Ausbildung der Chromosomen. In allen Fällen, welche mir zur Beobachtung kamen, erfolgte dieser Procefs in beiden Kernen selbstständig von einander, ein Zusammenfliefsen der beiden Kernhöhlen zu einer, so dafs ein einheit- lieher Furchungskern entstanden wäre, habe ich in keinem einzigen Falle gesehen. Die Ausbildung der Chromosomen geht im allgemeinen in ganz ähnlicher Weise vor sich wie im Keimbläschen: auch hier erfolgt zuerst eine Segmentirung des Chromatins in 6 Fäden, dann werden durch eine neue Quertheilung 12 gebildet und durch eine Längsspaltung, die nicht doppelt ist wie dort, entstehen in jedem Kern 12 zweitheilige Chromo- somen, welche zur Bildung der Äquatorialplatte der Furchungsspindel alsdann zusammentreten. Im Einzelnen sind einige Abweichungen vorhanden. Zunächst ist es mir nicht gelungen nachweisen zu können, dafs aus der Zusammenziehung und Verdiekung des Gerüstes ein einheitlicher Chromatinfaden sich bildete und dieser erst durch eine Quertheilung in 6 Fäden zerfiel. Es scheint vielmehr, dafs sich das Chromatin in dem Gerüst an 6 verschiedenen Das Ei von Branchipus Grubü v. Dyb. 39 Stellen sammelte (Fig. 79); sie sind zwar von einander entfernt, aber zwischen den 6 Gruppen spannen sich noch verbindende Lininfäden; auch ist das Chromatin in jeder Gruppe nicht in einem Faden vereint, sondern in mehreren. Eine weitere Verkürzung und Zusammenziehung und eine völlige Trennung führt zum nächsten Stadium, zu 6 völlig selbst- ständigen Fäden. Leider haben die Kerne eine solche Gröfse, dafs man immer dieselben auf 2, oft auf 3 Schnitten erhält, und dafs, was noch unangenehmer ist, stets einige der Fäden, welche anfangs wie das Netz in den peripheren Theilen liegen, alsbald aber durch den ganzen Kernraum sich vertheilen, durehschnitten werden, so dafs die Zählung und richtige Combinirung der Stücke sehr erschwert wird. In einzelnen günstigen Fällen gelingt eine sichere Beurtheilung dadurch, dafs man sich die Schnitte auf Pauspapier genau mit der Camera aufzeichnet und dann die Pausen aufeinanderlegt und gegen das Licht hält. So ergibt sich z. B. für die Figur 80 folgende Erklärung: in dem Kern B') ist bereits das nächste Stadium erreicht, d. h. es sind 12 Fäden vorhanden, von denen einige zerschnitten sind, weshalb die Zahl der getrennten Stücke höher als 12 ist, in dem Kern A dagegen noch 6 Fäden. Auf dem Schnitt (Fig. 80a) liegen von diesen 2 (« und ß), auf dem Schnitt (Fig. 80), einer (n) vollständig?) die beiden Stücke y und y’ werden durch y” auf‘ Figur 805 verbunden, welches gerade die Umknickungsstelle des Fadens darstellt; weiter gehört ö zu Ö und e zu €. Auch die Grösse der Fäden im Vergleich mit den 12 des anliegenden Kernes bestätigt die Richtigkeit der Zählung. Die Figur 81 scheint ein Übergangsstadium darzustellen. Der Kern A hat vielleicht noch 6 Fäden, doch sind sie, weil einige zu oft durch- schnitten wurden, nicht wieder zusammen zu setzen, der Kern B zeigt auf Figur 815 3 Fäden, welche wegen ihrer Länge auf dem Stadium von 6 Fäden, zu stehen scheinen, dagegen sind die Fäden auf Figur 81a be- deutend kürzer, und es möchte die Vermuthung vielleicht das Richtige treffen, dafs sich die 3 anderen oder vielleicht nur 2 bereits der Quere nach getheilt haben. !) Vergleiche das oben über die ungleichzeitige Ausbildung der Kerne Gesagte. 2) Der Faden n erscheint in der Zeichnung bedeutend kürzer und nur ein Stück eines Fadens zu sein, indessen ist dieses nicht der Fall. Er ist in Wirklichkeit stark gebogen, was in der Zeichnung nicht genügend zum Ausdruck gekommen ist. 40 A. BrAUER: Die Form der Fäden auf diesen Stadien ist meist eine geschlängelte und gewöhnlich findet sich in der Mitte eine Einkniekung, welche anzeigen dürfte, dafs die folgende Theilung vorbereitet ist und hier erfolgt. Die Fäden sind nicht, wie man aus den Zeichnungen schliefsen könnte, structur- los, sondern lassen wie auch sonst eine Zusammensetzung aus dicht an- einander gelagerten Körnern erkennen. Wie schon das Vorkommen von 12 Fäden und 6 Fäden in den Kernen desselben Eies lehrt und wie auch die Länge der 12 Fäden (Fig. 82) ver- muthen lässt, muss die folgende Quertheilung in 12 bald erfolgen, ohne dafs vorher eine wesentliche Verkürzung eintritt. Auch diese Stadien werden manchmal durch das Schnittmesser verletzt, aber die Prüfung vieler Kerne ergibt, dafs stets die Zahl 12 vorhanden ist, dafs dort, wo man nur 11 oder 23 für beide Kerne zählt, keine wirklichen Variationen anzunehmen sind, sondern nur das Messer verantwortlich zu machen ist. Die Figur 82 dürfte das früheste Stadium der 12 Fäden zeigen; dieselben liegen alle noch derart neben einander, dafs man unwillkürlich dazu ver- anlafst wird, je zwei zusammengehörige wieder zu verknüpfen. Die Form ist anfangs ebenfalls noch eine mehr oder weniger gewundene, seltener eine geknickte, aber in Folge einer eintretenden Verkürzung (Fig. 83) verlaufen sie bald gerader und nehmen allmählich die Form von Stäbchen an. Sie sind noch durch den ganzen Kernraum vertheilt. Auf diesem Stadium, zuweilen auch schon früher macht sich eine Verkleinerung der Kerne bemerkbar (Fig. 83I— 84). Der Kernraum erscheint nicht mehr von einer homogenen, hellen, sondern von einer feinkörnigen und sich etwas färbenden Substanz erfüllt; sie gleicht ganz der ausserhalb liegenden feinkörnigen Protoplasmaansammlung. Hierdurch treten die Kern- umrisse nicht so deutlich hervor; es bleibt zwar eine Abgrenzung erhalten, aber eine scharfe Membran ist nieht mehr sichtbar. Es scheint, dafs Kernsaft ausgetreten ist und dadurch der Kernraum zusammenfällt, und dafs das Deutlichwerden der achromatischen Substanz die Folge einer stärkeren Zusammenziehung derselben ist. Die Veränderungen sind ganz ähnlich denen, welche man bei der Umwandlung des Keimbläschens beobachtet. Zu gleicher Zeit erfolgt eine engere Zusammenführung der Chromo- somen. Leider ist es mir nicht gelungen, ein Übergangsstadium der Figur 83 und der Figur 84 aufzufinden. Es geht aus der letzteren hervor, Das Ei von Branchipus Grubü v. Dyb. 41 dafs eine stärkere Verkürzung der 12 Stäbchen in jedem Kern und eine Spaltung derselben stattgefunden hat. Sie sind alle zweitheilig geworden. Die zwei Chromosomen auf dem Schnitt Figur S4b gehören zum Kern A, das der Figur S4ce zum Kern B. Aus dem Vergleich von Polansichten und Seitenansichten geht hervor, dafs die Verkürzung so weit gegangen ist, dafs die Theile wieder Kugelform erhalten haben. Da mir die Zwischen- stadien fehlen, so könnte man im Zweifel sein, ob die Zweitheiligkeit durch eine quere Durchsehnürung oder durch eine Längsspaltung herbei- geführt ist. Indessen weist einmal der Umstand, dafs beide Theile durch Lininmasse verbunden, nicht von einander getrennt sind, darauf hin, dafs wir es mit einer Längsspaltung und nicht mit einer Quertheilung zu thun haben, und weiter zeigt die spätere Trennung des Tochterplatten (Fig. 88), dafs je eine Kugel einem Tochterkern zugeführt wird, dafs die Zwei- theilung somit der gewöhnlichen Längsspaltung den Chromosomen gleich zu setzen ist. Im weiteren Verlaufe der Ausbildung der ersten Furchungsspindel wird die Zusammenlagerung der Elemente immer deutlicher, dieselben liegen bald so dieht zusammen und zum Theil über eimander, dafs eine Zählung sehr erschwert ist und eine Einzeichnung aller nicht mehr möglich ist. Dabei zeigt sich, dafs die Chromosomen eines jeden Kernes anfangs zu je einem selbstständigen Haufen sich zusammenlagern, (Fig. 85) selbst auf den nächsten Stadien (Fig. 86, 87),') welche kurz vor der Ausbildung der Äquatorialplatte stehen, tritt dieses hervor. So sehen wir in der Figur 87, dafs die Elemente des einen Kernes bereits in richtiger Weise angeordnet sind, dagegen bei dem anderen von ihnen erst ein Theil diese Lage zeigt, einige noch ungeordnet liegen. Da der eine Haufe im Bilde etwas höher als der andere lag, so liefs sich genau unterscheiden, zu welchem Kern die freiliegenden Chromosomen gehörten. Da auf diesem Stadium deutlich Spindelfasern zu erkennen waren, so geht daraus hervor, dafs wie der chromatische Theil auch der achromatische seine selbstständige Ausbildung in jedem Kern erreicht. Ich habe zwar eine gute Polansicht von der fertigen Äquatorialplatte nieht bekommen, doch darf ich ohne Bedenken annehmen, dafs sie aus 24 zweitheiligen Elementen sich zusammensetzt. Wie die Figur 88 zeigt, wird von jedem eine Kugel den Tochterkernen 1) In Figur 86 bezeichnet der helle abgegrenzte Raum den Umriss der Äquatorialplatte. Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1892. II. 6 42 A. BRAUER: zugeführt. Hier war auch erkennbar, dafs für jede Kugel eine Spindelfaser vorhanden war, somit die Zahl der Kugeln und Spindelfasern auch bei dieser Theilung und wie gleich vorausbemerkt sein mag, ebenfalls bei den Theilungen der Furchungskerne dieselbe ist, nämlich 48. Die Zahl der Verbindungsfasern beträgt natürlich die Hälfte, also 24. Bald nach der Trennung der Tochterplatten beginnt auch die Reconstruction der Kerne. Polansichten zeigen zwischen den einzelnen Kugeln Verbindungsbrücken von Lininfäden, wodurch die Bilder in Bezug auf das Chromatin weniger klar werden. Im Anschlusse an dieses Capitel möge noch kurz die Art der Ent- stehung der Chromosomen in einem Furchungskern betrachtet werden. Es war mir, wie ich oben erwähnte, nicht möglich gewesen, die Theilung der Ureier im Einzelnen zu verfolgen, es konnte nur die Zweitheiligkeit der Chromosomen sicher gestellt und die Zahl 24 wahrscheinlich gemacht werden. Die Lücke kann durch die Betrachtung des Processes bei einem Furehungskern ausgefüllt werden, da ja die Untersuehungen der letzten Jahre übereinstimmend gelehrt haben, dafs der Kern des Ureies sich in diesem Punkte völlig gleich verhält wie ein Normalkern. Vorausschicken möchte ich, dafs ich kein Anzeichen dafür gefunden habe, dafs die Kerne in einigen Zellen sich anders verhalten als in an- deren, wie Boveri (13) für Ascaris megalocephala angegeben und wie es Dostoiewsky (25) und C. Schneider (85) bestätigt haben. Die Ent- stehung der Chromosomen verlief in allen Kernen gleichartig, nur darin schien eine Variation vorzukommen, dafs zuweilen eine Verkürzung der Fäden eintrat, ehe eine neue Quertheilung erfolgte; wo eine solche Ab- weichung aber beobachtet wurde, da war sie in allen Kernen desselben Keimes zu finden. Weil im übrigen volle Übereinstimmung herrschte und auch diese Variation ohne wesentliche Bedeutung sein dürfte, so habe ich kein Bedenken getragen, da ich eine volle Serie von den Kernen des zweizelligen Stadiums nicht erhalten habe, zur Ausfüllung der Lücken Kerne von älteren Stadien zu nehmen. War es bei den Geschlechtskernen schon schwer, die erste Segmentirung des Gerüstes zu verfolgen, so ist es hier, wo im Gerüst die doppelte Masse von Chromatin vorhanden ist, un- möglich, denn es sind im Anfang die Chromatinbänder so lang und so ge- schlängelt, dafs man nicht weils, ob man Stücke eines Fadens oder bereits getrennte Schleifen vor sich hat (Fig. 89). Es ist mir deshalb nicht ge- Das Ei von Branchipus Grubü v. Dyb. 43 lungen ein Stadium von sechs getrennten Fäden nachzuweisen. Ja selbst das folgende Stadium von 12 Fäden läfst sich in den meisten Fällen nur unsicher angeben. So z. B. zählt man in der Figur 90 15, in der Figur 91 17 Fäden, es sind in Wirklichkeit vielleicht nur 12, aber in Folge der Durehschneidung einiger scheint eine höhere Zahl vorhanden zu sein, es können aber auch 24 sein, doch zeigten die nächsten Schnitte keine mehr. Sicher dagegen gelingt der Nachweis, dafs dieses Stadium von 12 Fäden vorhanden ist, in solchen Fällen, wo eine beträchtliche Verkürzung der Fäden eintritt, ehe eine neue Quertheilung ihre Zahl auf 24 erhöht (Fig. 92, 93): In der Figur 92 zeigen die 12 Fäden paarweise eine der- artige Lage zu einander, dafs die Vermuthung, die 12 Fäden seien durch Quertheilung von 6 Fäden hervorgegangen, sehr nahe liegt und berechtigt scheint. Am häufigsten begegnet man dem Stadium von 24 Fäden (Fig. 94, 95). Die Form derselben kann gebogen oder gerade sein; die Gröfse ist, soweit sich feststellen läfst, bei allen dieselbe. In den Figuren erscheinen manche zwar bedeutend kürzer, indessen gilt hier dasselbe, was ich oben schon einmal sagte, dafs in Wirklichkeit, wie man sich durch verschiedene Ein- stellung überzeugen kann, die Fäden ebenso lang sind wie die anderen, dafs ihre starke hufeisenförmige Biegung, welche in der Richtung des Auges verläuft, in der Zeichnung nicht zum richtigen Ausdruck gebracht werden konnte. Eine weitere Verkürzung führt eine geradere, stäbchenartige Form herbei (Fig. 96); zu gleicher Zeit, oft auch schon früher, wird eine Schrumpfung des Kernraumes und das Auftreten der achromatischen Sub- stanz in demselben sichtbar und damit erfolgt auch eine engere Zusammen- ordnung der Chromosomen. Wie sich hier mit Sicherheit eonstatiren läfst, werden dieselben erst, wenn sie in der Äquatorialplatte eingeordnet sind (Fig. 97), gespalten. Es entstehen somit 24 zweitheilige Chromosomen, jeder Theil hat wieder die Form einer Kugel. Anfangs scheinen erst beide Kugeln aller in derselben Ebene zu liegen, dann erst die Umord- nung zu erfolgen. Auch hier geht wieder je eine Kugel in den Toehter- kern über (Fig. 98). Die Spindelfasern waren zuerst sichtbar, wenn die Elemente zur Äquatorialplatte geordnet wurden, die Zahl war wieder dieselbe, wie die der Kugeln oder doppelt so grofs als die der Chromo- somen. 6* 44 A. BRAUER: In Betreff des Verhaltens der Centrosomen und der Strahlungen bei der Theilung ergaben die Beobachtungen volle Übereinstimmung mit den an anderen Objeeten gemachten. Kurz nachdem der Toehterkern in das Ruhestadium eingetreten war, trat eine Theilung der Centrosomen ein (Fig. 99). Die letzteren stellten sich als dunkle Punkte in einem helleren Kreise dar, von der Peripherie (des Kreises aus zogen Strahlen nach allen Richtungen und dehnten sich bis zur Zelloberfläche aus, so dafs der ganze Dotter radiär angeordnet erschien (Fig. 112). Zwischen den beiden Centro- somen fand sich ein hellerer, körnchenfreier Raum, der von scharf hervor- tretenden Verbindungsfasern durchsetzt wurde (Fig. 99). Nach der Thei- lung entfernten sich beide Gentrosomen von einander und rückten nach den Polen der künftigen Spindel, deren Längsachse senkrecht zur alten lag. IV. Furchung und Entodermbildung. (Taf. III, Fig. 111— 122). Von der Furchung bei Branchipus sind bisher durch Leydig (64), Spangenberg (89) und Weismann (102) nur die ersten Stadien bekannt geworden. Diese lassen sich am lebenden Object verfolgen. Da alsdann die Absonderung des Seeretes durch die Uterusdrüsen und die Bildung der secundären Schale beginnt, so ist die weitere direete Beobachtung un- möglich gemacht, und es läfst sich in den weiteren Verlauf des Processes nur durch Zerlegen des Eies in Schnitte ein Einblick gewinnen. Da durch die regelmäfsigen Bewegungen des Uterus die Eier beständig aus einer Lage in die andere gebracht werden und sich so gleichsam in einem langsam rotirenden Centrifugalapparat befinden, so war es inter- essant zu sehen, in welcher Richtung die erste Theilung des Eies verlaufen würde. Wie nach den Experimenten und Beobachtungen von Roux (82) und O. Hertwig (56) zu erwarten war, stellte sich die erste Ebene bald so bald so und die Entwicklung gieng überall normal vor sich, obwohl die Wirkung der Schwere aufgehoben war. Leider war es nicht möglich, die Lage der Ebene zum Richtungskörper festzustellen, da derselbe meist Das Ei von Branchipus Grubü v. Dyb. 45 schwer aufzufinden war und auch sicher durch die Bewegungen des Eies aus seiner anfänglichen Lage herausgeführt wird. Die zweite Theilungsebene schneidet die erste rechtwinklig. Zuweilen lagen zwar die Spindeln nicht völlig parallel, sondern etwas schief zu einander (so ist auf der Figur 111 die eine Spindel schief‘ durchschnitten und daher nur die eine Tochterplatte sichtbar), aber es waren nur ge- ringe Abweichungen. Die dritte Theilung scheint, wenn man die ersten als meridionale bezeichnen darf, äquatorial zu verlaufen, sie führt zum achtzelligen Stadium (Fig. 112). Auf diesem trat auch bereits eine kleine Furchungshöhle auf. Bei den weiteren Theilungen liefs sich die Zahl der Zellen nieht mehr genau feststellen, doch darf man wohl daraus, dafs stets fast alle Kerne in einem Ei sich auf demselben Theilungsstadium befinden, und dafs ein Unterschied in der Gröfse der Zellen nicht auftritt, schliefsen, dafs auch weiterhin die Furchung nach dem totalen äqualen Modus vor sich geht (Fig. 113). Das Endresultat derselben ist eine Oölo- blastula von wahrscheinlich 64 oder mehr gleich grofsen Zellen. Das folgende Stadium wird wieder wie gewöhnlich durch eine Thei- lung der Kerne eingeleitet; während aber die meisten Spindeln wie vorher tangential liegen, stellen sie sich an einer Seite der Blastula radial (Fig. 114). Damit beginnt die Entodermbildung. Es erfolgt hierbei keine Invagination, sondern durch Einwucherung ganzer Zellen oder durch Theilung von Blasto- dermzellen, wobei ich es unentschieden lassen mufs, ob nieht die in der Peripherie bleibende Hälfte nicht später auch in die Furchungshöhle rückt und Entodermzelle wird, kurz nach der sogenannten polaren oder hypo- tropen Bildungsweise wird der Keim zweiblättrig. Die Anzahl der ersten Entodermzellen ist nur eine sehr geringe, nach der Zahl der Kerne, die man später im Innern findet, dürfte sie etwa 10—20 betragen, durch weitere Theilung derselben tritt später eine Vermehrung ein. Es ist bemerkenswerth, dafs zwischen Ekto- und Entodermzellen in Bezug auf den Dottergehalt kein Unterschied vorhanden ist. Nachdem die Entodermbildung vorgeschritten ist, rücken die Kerne der Ektodermzellen, die sich zahlreich vermehrt haben (Fig. 115, 116), mehr und mehr an die Peripherie. Vielleicht ist hierin die Ursache zu sehen dafür, dafs die Zelltheilungen den central gelegenen Theil des Dotters unberührt lassen, hier bildet bald der Dotter eine gemeinsame Masse. Dieser Vorgang greift immer weiter um sich, bald werden auch die Zellgrenzen 46 A. BrRAUER: im Entoderm unsichtbar und im äufseren Keimblatt sieht man sie nur noch in den äufsersten Theilen eine kurze Strecke weit in den Dotter hinab- ziehen (Fig. 120). Kurz vor der Ablage der Eier schwinden auch diese, und dann bietet der Keim den Anblick einer gemeinsamen Dottermasse ohne Furchungshöhle, welche an ihrer Oberfläche zahlreiche, von nur sehr geringer Menge von Protoplasma umgebene Ektodermkerne zeigt und cen- tral wenige Entodermkerne; von einer Abgrenzung der einzelnen Zellen, ja nicht einmal von einer solehen zwischen dem äufseren und inneren Keim- blatt ist nichts zu sehen (Fig. 116). Man könnte vielleicht vermuthen, dafs das Verschwinden der Zellgrenzen in einem Zusammenhange mit der in Folge des Wachsthums der äufseren Schale immer schwieriger werdenden Conservirung steht; indessen ist dann doch auffällig, dafs auf einigen Prä- paraten, welehe ich von Eiern, die bereits abgelegt waren und lange Zeit eingetrocknet gelegen hatten, also wohl sicher der Conservirung gegen- über sich nicht günstiger verhalten, Zellgrenzen sichtbar waren, aller- dings nur im Ektoderm. Es waren aber nicht nur an den Seiten durch kurze in den Dotter einschneidende Linien die Zellen abgegrenzt, sondern auch an der Basis, und zwar zeigte ihr Verlauf, dafs der ganze innere Theil des Dotters, weleher im Anfang der Entodermbildung noch in den Ektodermzellen lag, dem bereits ausgebildeten Mesoderm, das zwischen den beiden Keimblättern sich ausbreitete, zu Gute gekommen zu sein schien. Kurze Zeit nach dem Beginn der Furchung beginnen die Uterusdrüsen ihr Secret in den Uterus zu ergieflsen, das sich in Folge der Bewegungen des letzteren zwischen die Eier vertheilt. Anfangs umhüllt es diese nur in einer dünnen Schicht (Fig. 112, 118), dieselbe wächst aber rasch zu ziemlicher Breite an (Fig. 113, 117). Eine Struetur ist zuerst nicht er- kennbar, sie erscheint völlig homogen. Zur Zeit der Entodermbildung aber (Fig. 114, 120) treten Erhebungen und Vertiefungen auf. Auf Quer- schnitten (Fig. 121) sehen erstere wie Zacken aus, eine Ansicht von oben (Fig. 122) zeigt aber, dafs es in gebogenen Linien verlaufende, mit einander sich vereinigende oder auch frei endende rippenartige Vorsprünge sind, so dafs eine sehr scharf ausgeprägte, etwas unregelmäfsig mosaikartige Gitte- rung entsteht (Gerstaecker 37). An diesen Stellen erhält die Schale auch im Innern einen anderen Bau, sie scheint wie von vielen Rissen durehbroehen, die in verschiedenen Richtungen, oft tangential oft radial, sich streckenweis verfolgen lassen, so dafs die Vermuthung nahe liegt, Das Ei von Branchipus Grubü v. Dyb. 47 dafs wir es hier mit einem Kanalsystem zu thun haben, welches vielleicht den Zweck hat, zwischen dem Keim und der Aufsenwelt eine Verbindung herzustellen. Die Zeit der Entstehung und die Anordnung der Vorsprünge läfst eine Beziehung zu den Zelltheilungen nicht erkennen. Ich möchte annehmen, dafs diese Struetur ihre Ursache hat in der Erhärtung und der hierbei erfolgenden Contraction der Schale, in ganz ähnlicher Weise entsteht wie die in kalter Nacht sich bildenden und kreuz und quer ver- laufenden sogenannten Hartborsten einer Eisfläche. Die Contraction der Schale steht vielleicht wieder in einem Zusammenhang mit einer solchen des Eies. Einer solehen möchte ich die zu gleicher Zeit auftretende ähn- liche Änderung in der Beschaffenheit der Oberfläche der Dotterhaut zu- schreiben. Sie zeigt auf diesen späteren Stadien einen ganz ähnlichen Bau wie die Dotterhaut von Cetochihus (Grobben 40); auf Querschnitten erscheint sie dicht mit kleinen Zähnchen besetzt (Fig. 120, 121), bei einer Betrachtung von oben sieht sie wie punktirt aus. In Folge der Contraetion des Eies und der Schale wird sie wahrscheinlich sehr stark gefaltet, und diese Fältchen entsprechen den Zacken. Wo die Dotterhaut der Schale dicht anliegt (Fig. 120), reichen die Zähnchen bis an diese heran, so dafs vielleicht zwischen Schale und Haut eine Art Luftkammer dadurch her- gestellt wird. Den Bewegungen des Uterus wird man es wohl vornehmlich zuzu- schreiben haben, dafs sich für jedes Ei eine bestimmte Secretmenge ab- grenzt und eine Verklebung der Eier nicht stattfindet, wobei die gleichzeitig erfolgende Erhärtung bei allen Eiern ebenfalls von Einflufs sein mag. Wie ich schon in der Einleitung erwähnte, wurde die Furchung bereits im Frühjahr 1889 beobachtet. Die Herren Dr. Korschelt und Dr. Heider haben die damals erhaltenen Resultate bereits in ihr Lehr- buch (59) aufgenommen, wofür ich ihnen auch an dieser Stelle meinen besten Dank sage. Die beiden Autoren haben Branchipus den Formen angereiht, deren Furchung nach dem von ihnen unterschiedenen zweiten Typus verläuft d. h. anfänglich total, später superficiell. Wie nun die neue jetzt vorliegende Untersuchung erwiesen hat und in einer Anmer- kung in dem Lehrbuch (S. 314) bereits angedeutet ist, zeigt Branchipus noch ursprünglichere Verhältnisse, indem die Furchung bis zum Ende total äqual verläuft, und erst nach beendeter Entodermbildung die Verschmelzung des Dotters erfolgt. 48 A. BrAUER: Branchipus schliefst sich demnach in Bezug auf die Furchung ganz an Lueifer (Brooks 18) an; in Bezug auf die Entodermbildung dagegen weicht er von dieser Form und von den meisten übrigen Crustaceen, darin ab, dafs keine Invagination vorhanden ist, sondern dafs das zweite Keimblatt durch hypotrope Einwucherung von Zellen gebildet wird. Es ist dieses um so auffallender, als selbst die Formen, bei welchen die Furchung durch die grolse Menge des Nahrungsdotters sehr stark verändert ist, doch immer eine, wenn auch geringe Invagination zeigen. Es mag diese Abweichung damit in Verbindung stehen, dafs das Ei von Branchipus frühzeitig während der ersten Entwiekelung von einer Schale umgeben wird. Eine derartige Bildungsweise des Entoderms ist wie bekannt vor- wiegend verbreitet im Kreise der Coelenteraten. Es liegt nahe beide zu vergleichen und den Schlufs zu ziehen, dafs da bei Branchipus ohne Frage dieser Modus erst secundär sich ausgebildet hat, aus der Invaginations- gastrula hervorgegangen ist, derselbe auch für die Coelenteraten die gleiche Beurtheilung verdient. Indessen scheint mir ein solcher Schlufs nicht gerechtfertigt, denn in dem einen Falle tritt er bei Keimen auf, welche im mütterlichen Körper und von einer Schale umgeben sich entwickeln, im andern dagegen bei freischwärmenden Larven, hier zeigt er das ur- sprüngliche Verhalten, dort dagegen ein secundäres. Fasse ich kurz zusammen, so verdient die Furchung und Entoderm- bildung von Branchipus deshalb Interesse, weil diese ursprüngliche Form Verhältnisse zeigt, welche wir als ursprüngliche für alle Crustaceen an- nehmen müssen, andererseits aber auch schon Charaktere aufweist, welche den Übergang vermitteln zu jenen Formen,') welche nur im Anfange eine totale Furchung haben, dann aber in die superficielle übergehen, die bei den meisten dann immer mehr die Oberhand gewinnt und das ursprüngliche Bild verwischt. VI Die Reduction der chromatischen Elemente. Mit der Entdeekung der Thatsache durch van Beneden, dafs in den Geschlecehtskernen nur halb so viele Chromosomen vorhanden sind !) Ich verweise auf die vorzügliche Zusammenstellung und Darstellung in dem Lehr- buche von Korschelt und Heider. Das Ei von branchipus Grubü v. Dyb. 49 als in einem Normalkern, ist zu den vielen Räthseln, welche die Zelle und speciell die Geschlechtsproducte uns aufgegeben haben, ein neues hinzugetreten. Besonders der Anregung, welche die Schriften Weismann'’s gaben, ist es zu danken, dafs sich diesem Problem eine unausgesetzte grofse Aufmerksamkeit zuwandte. In den wenigen Jahren, die seit der Entdeckung jener Thatsache verflossen sind, hat sich eine grofse Anzahl von Forschern mit der Lösung der Frage, wie und wo geht die Halbirung oder die »Reduction« der Masse und Zahl der Chromosomen in der Ent- wickelung der Geschlechtsproduete vor sich und welche Bedeutung hat sie, ausschliefslich beschäftigt oder sie doch in verwandten Arbeiten berührt, aber auch nicht weniger als sechs verschiedene Lösungen sind gegeben worden. Lameere (63) lässt die Reduction schon bei der Theilung der Ureier bezw. Ursamenzellen vor sich gehen, Henking (43II) verlegt sie in die erste Theilung der Mutterzellen, Platner (76, 77) und OÖ. Hertwig (53) in die zweite, Carnoy (23), vom Rath (80), Haecker (42) und neuerdings auch Weismann (105) fassen beide Theilungen als Reduetionstheilungen auf, endlich setzen sie Boveri (14) und Cam. Schneider (85) gewöhn- lichen Äquationstheilungen gleich, beide weichen aber in der Erklärung jener Thatsache von einander ab, indem der erstere durch Auflösung der Hälfte im Keimbläschen, der letztere dagegen durch eine Verschmelzung von je zwei Chromosomen die halbe Zahl entstehen läfst. Somit scheinen alle Möglichkeiten einer Erklärung erschöpft, und man könnte glauben, dafs eine neue Untersuchung nur zu entscheiden hätte, welche Ansicht die richtige wäre, aber wie man sehen wird, gibt es noch einen Weg, der zwar von einigen besonders von O. Hertwig und Schneider berührt, aber nicht wirklich betreten ist. auf welchem eine Lösung möglich ist, welche wie mir scheint mit den Beobachtungen am besten übereinstimmt und jede gezwungene Deutung ausschliefst. Wenn man die Figuren und die Darstellungen in den verschiedenen Arbeiten vergleicht, so findet man auffallenderweise, dafs die Beobachtungen übereinstimmen. Überall mit wenigen Ausnahmen (Flemming, Boveri), auf welche ich unten näher eingehe, sieht man, dafs das Chromatin in der Äquatorialplatte der ersten Spindel sich in Gruppen findet, von denen eine jede sich aus vier unter einander eng zusammenhängenden und durch eine Zwischensubstanz verbundenen Portionen zusammensetzt. So bei van Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1892. II. Z 30 A. BrAUER: Beneden, Boveri, Carnoy, Zacharias, Nussbaum, Kultschitzky, Hertwig, Schneider, vom Rath, Haecker u. a. und wie ich schon oben sagte, wahrscheinlich auch bei Henking. Auch darin herrscht eine Übereinstimmung, dafs alle — mehr oder weniger bestimmt — an- nehmen, dafs diese Viertheiligkeit entsteht durch eine doppelte Längsspaltung von Fäden, nicht etwa dadurch, dafs eine doppelte Quertheilung erfolgt und die so getrennten Chromosomen dann zu je vieren zusammentreten. Nur Henking scheint die letztere Ansicht zu haben, aber wie ich hier noch- mals hervorhebe, gründet sich diese Ansicht auf eine falsche Combination von Bildern. Die Ursache der verschiedenen Lösungen kann somit nicht in einer Differenz der Beobachtungen beruhen, sondern allein in einer verschiedenen Deutung derselben, besonders in dem Punkt, wie man die viertheilige Gruppe aufzufassen hat, ob als ein ganzes viertheiliges Chromosom, ob als 2 zweitheilige oder endlich als 4 einfache Chromosomen. Entsprechend diesen verschiedenen Auffassungen treten entweder die Chromosomen in die Äquatorialplatte der ersten Spindel in der redueirten Zahl ein, oder in der gleich grofsen wie in einem Normalkern oder in der doppelt so grolsen. Bisher ist es, so weit ich weifs, üblich gewesen, nur die Chromo- somen als ganze, als Einheiten aufzufassen und zu zählen, welche durch Quertheilung entstanden, sei es dafs sie aus einem einzigen Faden hervor- gingen oder dafs sie sich sofort selbstständig aus dem Gerüst entwickelten, und welche getrennt blieben, dagegen hat die Längsspaltung, welche keine getrennte Fäden, sondern durch eine Zwischensubstanz zusammengehaltene lieferte, keinen Eintlufs auf die Auffassung und Zählung gehabt, d.h. ein längsgespaltenes Chromosom galt nicht als 2 selbstständige, sondern als 1. So zählt man übereinstimmend in der Äquatorialplatte eines Normal- kernes von Ascaris megalocephala univalens 2 Chromosomen, weil sie durch Quertheilung eines Fadens oder direct als 2 getrennte Schleifen aus dem (rerüst des ruhenden Kernes hervorgehen, und spricht auch dann nur von zwei Uhromosomen, wenn die Längsspaltung erfolgt ist, oder man unter- scheidet scharf 4 Tochterechromosomen oder 4 secundäre Fäden gegenüber den 2 primären. Ebenso bestimmt man die Zahl der bei A. megalocephala bivalens auf vier, bei Salamandra auf 24 und so fort, bei Branchipus dem- nach auch auf 24. Das Ei von Branchipus Grubü v. Dyb. 5l Wenn man daher bei den betreffenden Theilungen plötzlich, obwohl man die Entstehung der Viertheiligkeit jeder Gruppe auf dem Wege einer doppelten Längsspaltung annimmt, doch anders zählt als gewöhnlich, so mufs diese Auffassung in einem von dem gewöhnlichen abweichenden Verlauf der Theilungen begründet sein. Auf die Frage, ob dieses der Fall ist, antworten meiner Ansicht nach die Beobachtungen mit einem ent- schiedenen Nein. Der ganze Verlauf der Theilungen, die Anordnung und Vertheilung der Chromosomen auf die Tochterkerne und die Umordnung derselben für die zweite Theilung sind völlig identisch mit den Erschei- nungen, welche wir bei jeder anderen mitotischen Theilung auftreten sehen. Fafst man die Theile als ganze Chromosomen auf, so fällt damit das für eine mitotische Theilung Charakteristische, nämlich die Halbirung eines jeden Chromosoms durch Längsspaltung und die Überführung der beiden Hälften auf die Tochterkerne fort, und wir haben es mit einem ganz neuen Typus einer Kerntheilung zu thun, eben mit einer Reduetions- theilung. Dafs die Längsspaltung bei diesen Theilungen früher eintritt als gewöhnlich, nämlich schon vor der Einordnung in die Äquatorial- platte, kann keine Änderung in der Auffassung herbeiführen, wie auch O0. Hertwig hervorhebt, da wir durch Flemming wissen, dafs auch bei der Theilung eines Normalkernes dieser Procefs bereits im Knäuel erfolgen kann. Ebenso wenig kann die Erscheinung einer doppelten Längsspaltung derselben eine andere Deutung geben. Dafs diese nur die eine Erklärung verdient, welehe ihr Boveri sofort gegeben hat, nämlich, dafs die zweite Längsspal- tung, welche bei normalem Verlauf erst nach der ersten Theilung hätte erfolgen müssen, bereits vor die erste zurückverlegt ist, das beweisen die Beobachtungen, welche Flemming (29) und Boveri (14,’), also zwei ausge- zeichnete Forscher, bei Salamandra und bei Pterotrachea und Echinus gemacht haben: hier finden thatsächlich die beiden Längsspaltungen nicht gleichzeitig vor der ersten Theilung statt, sondern nach einander, die eine vor der ersten, die andere vor der zweiten. Auf diese Beobachtungen kann man, wie mir scheint, nicht genug Gewicht legen, weil sie uns erst den richtigen Einblick in den sonst scheinbar complieirten Vorgang gewähren und die volle Gleich- werthigkeit der Theilungen mit echten mitotischen 'Theilungen beweisen. »Die Viertheiligkeit der chromatischen Elemente ist der Punkt, dessen Bejahung den Procefs ohne Weiteres als Karyokinese stempelt, dessen Ver- neinung ihm diesen Charakter unrettbar entzieht.« (Boveri 14°). mn%* d 52 A. BrAvER: Eine andere Auffassung und Zählung würde nur dann berechtigt sein, wenn jeder der 4 Theile dureh Quertheilung, d. h. als selbstständiges Element entstände. Dieses ist aber nirgends beobachtet. Gresetzt aber, dafs eine solche Entstehung vorhanden wäre, so würde es doch ganz abgesehen von der unerklärlichen Verdoppelung sehr unwahrscheinlich sein, dafs z. B. bei einer Zahl von 48 Chromosomen immer je 4 so gleichartig sich zusammenfinden und so genau sich durch Lininmasse verkitten, wie es die Beobachtung lehrt. Das Vorhandensein der lame intermediaire , die wir sonst nur bei längsgespaltenen Elementen finden, lehrt, dafs auch hier Längsspaltungen, nicht Quertheilungen und nachherige Verkittungen statt- gefunden haben. Würde jeder Weg möglich sein, die Zahl zu halbiren, so wäre diese Lösung der Aufgabe, welche erst eine Verdoppelung, dann eine Verbindung von je 4 und schliefslich eine zweimalige Theilung vor sich gehen läfst, die denkbar complieirteste. Einfacher wäre es dann, wie Henking annimmt, dafs dieselbe Zahl wie im Normalkern sich bildet und dann die Chromosomen sich zweireihig anordnen und so in einer Theilung auf die Hälfte reducirt wären. Wie aber, wenn die Elemente nieht durch Lininmasse verbunden sind, sondern getrennt von einander, eine Äquatorialplatte zu stande kommt, ist mir unverständlich. Ist es jedem überlassen, ohne Rücksicht auf die Beobachtungen, wie er die Chromosomen in der Äquatorialplatte deuten will, als Theile eines Chromosoms oder die Theile ganzen Chromosomen gleichwerthig, so ist man ebenso berechtigt, beide Theilungen als Reduetionstheilungen aufzu- fassen, was wenigstens ceonsequent wäre, oder die erste als Reductions- theilung und die zweite als Äquationstheilung oder umgekehrt. ja dann ist man auch berechtigt. in allen mitotischen Theilungen oder bald in dieser bald in jener ganz nach Gefallen Reduetionstheilungen zu sehen. Diese Betrachtungen führen somit zu demselben Schluls. welehen Boveri und nach ihm auch Sehneider gezogen hat: beide Theilungen bei der Ovogenese und Spermatogenese sind typische mitotische Theilungen, keine von beiden ist eine Reduetionstheilung, die chromatischen Elemente treten bereits in der halben Zahl in die erste Theilung ein. Die Thatsache der Reduction mufs also eine andere Erklärung ihrer Ent- stehung erhalten. Lameere läfst eine Ausstofsung der halben Zahl durch auf einander folgende Theilungen von Grofsmutterzellen der Geschlechts- producte erfolgen, Boveri nimmt eine Auflösung von Chromosomen im Das Ei von Branchipus Grubü v. Dyb. 33 Keimbläschen an, Schneider endlich läfst die halbe Zahl dadurch ent- stehen, dafs die Normalzahl gebildet wird und dann je 2 mit einander verschmelzen. Lameere’'s Beobachtungen halte ich durch die Unter- suchung ©. Hertwig’s (53) widerlegt und kann auf diese Arbeit ver- weisen; ich möchte nur hinzufügen. dafs ich keine Gebilde im Ovar bei Branchipus getroffen habe, welche den »Zwischenkörperehen« von Ascaris gleichwerthig wären, in denen ich ausgestofsene Chromosomen hätte ver- muthen können. Für Boveri’s Ansicht fehlt wie schon O. Hertwig bemerkt, jegliche Beobachtung; und auch die Deutung Cam. Sehneider's ist nur eine Vermuthung, die auf keiner Beobachtung basirt. Die Erklärung, wie die Reduetion vor sich geht, ergibt sich, wie mir scheint, von selbst, wenn man die Beobachtungen, welche die Aus- bildung der Chromosomen im Kern der Mutterzellen, in den Geschlechts- kernen und in einem Normalkern sei es einer Grofsmutterzelle oder einer Furchungszelle, zusammenstellt und vergleicht. Vorausschicken möchte ich, dafs ich die Verschiedenheit, dafs zuweilen aus dem Gerüst eines ruhenden Kernes erst ein einziger Faden bildet und dieser dann durch Quertheilung die Chromosomen liefert, dafs in anderen Fällen dagegen die Chromosomen sofort selbstständig aus dem Gerüst hervorgehen, für die folgende Betrachtung für unwesentlich halte. Denn diese hat mit der Frage der Individualität der Chromosomen nichts zu thun, sondern es kommt in erster Linie bei ihr die Zahl und die Gröfse (lerselben in Betracht, und hierfür ist es, unter der Annahme, dafs die chromatische Substanz, soweit sie in die Chromosomen eingeht, in jedem ruhenden Kern gleich grofs ist, gleichgültig, ob die 6 oder 12 Schleifen sich so oder so bilden. Ich werde deshalb auch die direete Entstehung der Chromo- somen aus dem Gerüst z. B. in den Geschlechtskernen ebenso eine Querthei- lung nennen wie die Entstehung durch Segmentirung eines einzigen Fadens. Die Beobachtungen, welche ich bei Branchipus gewonnen habe, zeigen nun folgendes Bild: l. Keimbläsehen: durch Quertheilung entstehen 6 Schleifen, eine neue Quertheilung erhöht ihre Zahl auf 12. Dann folgt eine doppelte Längsspaltung. Resultat: 12 viertheilige Chromosomen bilden die Äquatorialplatte der ersten Richtungsspindel. 2. Geschlechtskerne: durch Quertheilung entstehen 6 Schleifen, eine neue Quertheilung erhöht ihre Zahl auf 12. Dann folgt eine 54 A. BrAvEer: Längsspaltung. Resultat: je 12 zweitheilige, im ganzen 24 zwei- theilige Chromosomen bilden die Äquatorialpaltte der ersten Furchungsspindel. 3. Normalkern (Furchungskern): durch Quertheilung entstehen viel- leicht zuerst 6 Schleifen (nicht nachgewiesen), eine neue Querthei- lung erhöht die Zahl auf 12, eine neue Quertheilung erhöht die Zahl auf 24. Dann folgt eine Längsspaltung. Resultat: 24 zwei- theilige Chromosomen bilden die Äquatorialplatte der Spindel. Der Vergleich zeigt, dafs die Entstehung der Chromosomen im Keim- bläschen und in den Geschlechtskernen gleich verläuft, nur mit dem Unterschiede, dafs bei letzteren die Längsspaltung nur einfach, nicht doppelt ist, dafs weiter beim Normalkern eine Quertheilung mehr erfolgt, derselbe sonst den Geschlechtskernen sich gleich verhält. Ehe ich weiter gehe, mögen in ähnlicher Weise die verschiedenen Kerne bei Ascaris verglichen werden. Im Normalkern von A. univalens bildet sich nach O. Hertwig (53) zuerst ein Faden, dieser wird durch eine Quertheilung halbirt, und dann erfolgt eine Längsspaltung, so dafs die Äquatorialplatte 2 zweitheilige Chromosomen zeigt. Im Kerm einer Mutterzelle unterbleibt die Quertheilung, der eine Faden erfährt sofort eine doppelte Spaltung, so dafs ein viertheiliges Chromosom die Äquatorial- platte bildet. Ascaris meg. var. bivalens verhält sich ganz gleich. Hier gibt van Beneden (2,4) für den Normalkern an, dafs erst ein Faden sich bildet, dieser durch eine Quertheilung in zwei zerfällt, durch eine weitere in vier, und dafs dann eine Längsspaltung folgt, dagegen gehen die vier Fäden nach Boveri (14°) völlig selbstständig ohne das Zwischenstadium eines und zweier Fäden zu durchlaufen aus dem ruhenden Kern hervor, eine Variation, die aber weder das Resultat noch die Auffassung ändern kann. Es sind immer vier getrennte, selbstständige Fäden. Im Kern der Grofs- mutterzelle dagegen bilden sich nur zwei Fäden, die dann wahrscheinlich eine doppelte Längsspaltung erfahren (0. Hertwig 53). So sehen wir, dafs die Beobachtungen bei Ascaris dasselbe Resultat ergeben, dafs im Kern der Grofsmutterzelle eine Quertheilung unterbleibt, dagegen eine Längsspaltung mehr erfolgt als im Normalkern. Und so wird es vielleicht überall sein. Es ist möglich, dafs sich hierbei Variationen im Verlauf der Ausbildung der Chromosomen herausstellen. Eine haben Das Ei von Branchipus Grubü v. Dyb. 55 uns Flemming und Boveri bereits gezeigt, indem bei Salamandra und bei Pterotrachea und Eehinus die beiden Längsspaltungen nicht direct nach einander oder gleichzeitig verlaufen, sondern getrennt eine vor jeder Theilung. Eine andere Verschiedenheit mag in der Weise eintreten, dafs die eine oder beide Längsspaltungen vor den Quertheilungen bereits im Knäuelstadium erfolgen, wie Flemming vermuthet, aber diese und viel- leicht noch andere Variationen dürften das Endresultat nicht ändern und somit auch nicht die Auffassung. Welches Resultat wird nun durch diese eine Abweichung vom nor- malen Verlauf der Ausbildung der Chromosomen erzielt? Da nach fast allgemein herrschenden, zuerst meines Wissens von Roux (81 p. 15) am klarsten entwickelten Anschauungen die Bedeutung der Kerntheilung darin liegt, dafs »der Kern nicht blofs seiner Masse sondern auch der Masse und Beschaffenheit seiner einzelnen Qualitäten nach getheilt wird«, so habe ich bei der Erörterung diese beiden Seiten zu unterscheiden. Der Einfacheit und Übersicht halber möchte ich hierfür als Beispiel nicht Branchipus wählen, sondern mich an die einfachen Verhältnisse, welche Ascaris megalocephala var. univalens zeigt, halten. Die Masse des CUhromatins, welches aus dem Gerüst des ruhenden Kernes in die Chromosomen eingeht, setze ich gleich 1. So erhalten wir: durch die sofort erfolgende doppelte Längsspaltung des einen Fadens im Keimbläschen wird die Masse geviertheilt, ein jedes Tochterchromosom enthält also '/,, das ganze Chromosom */,. Durch die zwei folgenden Theilungen werden °/, auf die Richtungskörper vertheilt, '/, tritt in den Eikern über. Im folgenden Ruhestadium desselben wächst die Masse auf '),. Da der Spermakern in derselben Weise entstanden ist und auch das Ruhe- stadium durchgemacht hat, also auch '/, mitbringt, so tritt eine Masse von der Grösse ] in die Äquatorialplatte der Furehungsspindel ein, durch die Längsspaltung wird sie halbirt, im Ruhestadium der Tochterkerne wächst sie wieder auf 1. Im Beginn der neuen Theilung wird der eine Faden jetzt zuerst durch Quertheilung halbirt, es entstehen mithin 2 Chromosomen, ein jedes enthält '/,, nach erfolgter Längsspaltung °/,. Je '/,, zusammen also '/,, geht in die Tochterkerne über, wo die Masse im Ruhestadium wieder auf 1 vergröfsert wird. Für die Erörterung der Frage, wie sich die Qualitäten auf die Tochter- kerne vertheilen, nehme ich wieder die einfachsten Verhältnisse, nur zwei 56 A. BRAUER: Qualitäten a und 5 und als Beispiel dieselbe Form. Ich schliefse mich hierbei denen an, welche annehmen, dafs bei jeder Theilung jeder Tochter- kern dieselben Qualitäten erhält, nicht der eine diese, der andere jene. Da auf dem Wege einer Spaltung die Halbirung erfolgt, so haben wir anzunehmen, dafs die Qualitäten @ und 5b nicht neben einander im Chromo- som, sondern hinter einander liegen. Es ergibt sich dann folgende Vertheilung. Bei gewöhnlicher Theilung zerfällt der eine Faden durch eine Quer- theilung in zwei; der eine erhält somit die Qualität a, der andere die Qualität 5. Durch die folgende Spaltung werden beide Qualitäten halbirt, und es erfolgt eine gleichmäfsige Vertheilung auf die Tochterkerne, je sa und '/b. Bei dem anderen Modus bleibt die Quertheilung aus, es tritt sofort eine doppelte Spaltung ein; hierdurch erhält ein jedes Viertel beide Qualitäten, aber von jeder nur '/,. Bei den zwei folgenden Theilungen erhält jede der vier Tochterzellen somit '/5, nicht wie sonst 'ha undaiyald: Das Resultat dieser Vergleichungen ist also folgendes: durch die eine Abweichung, das Unterbleiben einer Quertheilung, wird die Zahl der Chromosomen auf die Hälfte redueirt; durch das Eintreten einer zweiten Längsspaltung, welche in Folge des ersteren Vorgangs sofort, ohne dafs eine Ruhestadium des Kernes eintritt, nachfolgen kann, wird die Gesammt- masse des Chromatins ebenfalls halbirt, dagegen bleibt die Masse eines Uhromosoms bei beiden Theilungen dieselbe wie gewöhnlich. Die erb- lichen Qualitäten werden gleichmäfsig auf alle vier Zellen vertheilt, aber von jeder geht nicht die Hälfte auf die Tochterkerne über, sondern nur ein Viertel. Diese Resultate können nicht, wie mir scheint, durch zwei aufeinander folgende Theilungen erreicht werden, bei welchen die Ausbildung der Chromosomen wie in einem Normalkern vor sich geht. Denn entweder würde, wenn ein Ruhestadium zwischen beiden Theilungen sich einschaltete, keine Reduetion weder der Zahl noch der Masse nach bewirkt, weil das CUhromatin im Ruhestadium wieder auf die Gröfse 1 wachsen würde, oder, wenn das Ruhestadium ausbliebe, so würde die Zahl trotzdem dieselbe bleiben, ein jedes Chromosom nicht die normale Gröfse, sondern nur die halbe besitzen, in der Furchungsspindel würde mithin die doppelte Zahl von halb so grofsen Chromosomen auftreten als im Normalkern. e | Das Ei von Branchipus Grubü v. Dyb. Die eine Abweichung dagegen, der Ausfall einer Quertheilung, macht es möglich, dafs die in Folge der Befruchtung unbedingt erforderliche Reduction der Zahl, der Masse und der Qualitäten erfolgen kann, ohne dafs Substanz verloren geht, ohne dafs andere neue complieirte Wege und Mittel zur Entfernung gewählt werden müssen, und hat dabei noch den Vortheil, dafs die erbliche Substanz statt wie gewöhnlich auf zwei, auf vier Zellen vertheilt werden kann. Wie ich schon im Anfange sagte, ist diese hier vorgetragene Lösung der Frage bereits von OÖ. Hertwig, ich möchte sagen, in den wichtigsten Punkten gegeben. Sie ist z. B. in folgenden Sätzen so klar enthalten, wie ich sie nicht besser geben kann: »Man kann annehmen, was mir das Richtige zu sein scheint, dafs die Chromatinmasse des Kerns die gleiche wie sonst ist, dafs sie aber in etwas abweichender Weise für den Theilungsprocefs vorbereitet wird, dafs die beiden chromatischen Fäden« (von Ascaris megalocephala bivalens) »der Ei- und Samenmutterzellen die- selbe Chromatinmenge wie die primären Uhromosomen bei der gewöhnlichen Kerntheilung enthalten und dafs sie deswegen anstatt eine einfache eine doppelte Längsspaltung erfahren.« » Während normaler Weise 8 Tochterchromosome durch einfache Längsspaltung von vier Fäden entstehen, scheinen sie hier durch doppelte Längsspäaltung von nur zwei Fäden gebildet worden zu sein. Diese zwei Fäden enthalten aber dieselbe Substanzmenge wie vier durch Quertheilung am Anfang der Karyokinese gebildete Fäden. « Um so auffallender ist mir daher die Auffassung O. Hertwig’s der Chromosomen und die, wie mir scheint, eomplieirte und gezwungene Deu- tung, welche er den beiden Theilungen gibt, eine Deutung, welche einmal die ganz unverständliche Annahme einer Verdoppelung der chromatischen Elemente bedingt und ferner die Auffassung, dafs beide Theilungen typische mitotische Theilungen sind, unmöglich macht, da, wie ich schon sagte, das Wichtigste, die durch Längsspaltung bewirkte Halbirung und Verthei- lung der Hälften der Chromosomen auf die Tochterkerne, fehlt. Zum Schlufs möge noch darauf hingewiesen werden, was sich aus dem Vorhergehenden von selbst ergibt, dafs die eine Theilung, durch welche in vielen Fällen bei parthenogenetischen Eiern der eine Richtungs- körper gebildet wird, meiner Ansicht nach ebenfalls keine Reductionsthei- Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1892. II. 8 58 A. BRAUER: lung ist, wie Weismann (105) annimmt, sondern dafs hier die letzte Quertheilung nicht unterbleibt, die Ausbildung der Chromosomen mithin in normaler Weise erfolgt, so dafs die Zahl und Masse dieselbe ist wie in einem Normalkern. Gerade weil die Abweichung, welche die Reduction bewirkt, so gering ist, kann sie dort, wo sie in Folge des Ausbleibens der Befruchtung nicht nothwendig ist, auch leicht wieder aufgehoben werden. or 15. 16. Das Ei von branchipus Grubü v. Dyb. 59 Litteratur. F.M. Balfour: Handbuch der Vergleichenden Embryologie. Übers. von Vetter. Bd.1. Jena 1880. Ed. van Beneden: Recherches sur la maturation de l’oeuf, la fecondation et la division cellulaire. Gand, Leipzig u. Paris. 1883. Derselbe und Ch. Julin: La spermatogenese chez l’Ascaride megalocephale. Bullet. de l’Academie roy. de Belgique. Jahrg. 53. 3ser. T.7. Bruxelles 1884. Derselbe und A. Neyt: Nouvelles recherches sur la fecondation et la division mitosique chez l’Ascaride megalocephale. 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Derselbe: Über Differenzirung der Zellkerne während der Furchung des Eies von Ascaris megalocephala. Anatom. Anzeiger. ll. Jahrg. 1887. No. 22. Derselbe: Zellen - Studien. 1. Jenaische Zeitschrift für Naturw. Bd. 21. 1887. 2. Ebenda. Bd. 22. 1888. 3. Ebenda. Bd. 24. 1890. Derselbe: Ein geschlechtlich erzeugter Organismus ohne mütterliche Eigenschaften. Sitzungsber. der Gesellsch. für Morph. und Physiol. m München. Bd.V. 1889. H.2. Fr. Brauer: Beiträge zur Kenntniss der Phyllopoden. Sitzungsber. der math.-naturwiss. Classe der Kaiserl. Akad. d. Wissensch. in Wien. Bd. 65. I. Abthg. 1872. Derselbe: Beiträge zur Kenntniss der Phyllopoden. Ebenda. Bd. 75. I. Abthg. 1877. g* 60 18. 19. A. BrAUvER: W.K.Brooks: Lueifer: a study in Morphology. Philos. Transaetions Roy. Soc. London. Vol. 173. 1882. R. Buchholz: Branchipus Grubü v. Dybowski. Schriften der Königl. physik. - ökonom. Gesellsch. zu Königsberg. Bd. V. 1864. O. 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Fig. 2—4: 1 Faden; Fig. 5, 6: 6 Fäden; Fig. 7: 12 Fäden; Fig. 8 und 9 Verkürzung und doppelte Spaltung der Fäden. N Fig. 10. Keimbläschen. Fig. 11—14. Umwandelung des Keimbläschens zur ersten Richtungsspindel. Fig. 15— 25. Eier in den Oviducten; Erste Richtungsspindel. Fig. 16, 23 —25 Seiten- ansichten; Fig, 15, 17 Ansicht der Spindel von der Oberfläche des Eies; Fig. 18—22 Pol- ansichten. Fig. 26 und folgende. Eier im Uterus. Fig. 26— 34. Drehung der ersten Spindel aus der tangentialen in die radiale Stellung und beginnende Trennung der Tochterplatten. Fig. 33 Polansicht der Spindel auf dem Stadium der Fig. 32. Fig. 36— 43. Abschnürung des ersten Richtungskörpers. Fig. 36, 38, 40, 41, 42, 43 Seitenansichten; Fig. 37 und 38 Polansicht; Fig. 37@ und 38a Polansicht des Richtungs- körpers; Fig. 375 und 385 der im Ei bleibenden Hälfte. Dadurch dass der Richtungskörper in Fig. 43 wahrscheinlich durch andere Eier umgebogen ist, zeigt die Figur eine Seiten- ansicht von der einen, eine Polansicht von der anderen Tochterplatte. Fig. 44 und 44a. Seiten- und Polansicht der im Ei zurückgebliebenen Hälfte der ersten Richtungsspindel. Fig. 45—51. Ausbildung der zweiten Richtungsspindel. Fig. 45, 47, 50, 51 Seiten- ansichten; Fig. 46, 48, 49 Polansichten. Fig. 52—56. Drehung der zweiten Spindel in die radiale Stellung. Fig. 55— 64. Trennung der Tochterplatten , Abschnürung des zweiten Richtungskörpers. Fig. 55— 57, 60, 61, 63, 64 Seitenansichten; Fig. 58, 59, 62, 63a Polansichten der beiden Tochterplatten während der Trennung. «a ist Polansicht des Richtungskörpers, d der im Ei bleibenden Hälfte. Das Ei von Branchipus Grubü v. Dyb. 65 Tafel 1. Alle Figuren sind gezeichnet bei Zeiss, Apochrom. Hom. Imm. 2.00, Apert. 1.30, die Fig. 65—67 bei Oc. 12, Vergr. 1400, die übrigen bei Oc. 8. Vergr. 1060. Fig. 65—67. Abschnürung des zweiten Richtungskörpers. Fig. 66a Polansicht vom Eikern auf dem Stadium der Fig. 66. Fig. 68. Spermatozoen aus dem Vas deferens. Fig. 69— 73. Spermatozoen im Ei während der Reifung. Fig. 74. Abrücken des Spermakerns von der Peripherie des Eies. Fig. 75. Ei- und Spermakern, kurz nach der Entfernung von der Peripherie des Eies. Vergl. Fig. 107, Taf. IN. ig. 76. Eikern im Centrum des Eies. Stadium der Fig. 108, Taf. II. 76a. Spermakern mit 2 Strahlungen. Stadium der Fig. 108, Taf. II. 77 und 78. Zusammenlagerung des Ei- und Spermakerns. . 79—87. Ausbildung der ersten Furchungsspindel. Fig. 79 Contraction Jes Chromantingerüstes; Fig. 80, 31 im Kern A 6 Fäden, Fig. 80 im Kern B 12 Fäden, Fig. 81 Kern B im Übergang zum Stadium von 12 Fäden; Fig. 82 und 83: 12 Fäden; Fig. 84 Polansicht der Kerne, Verkürzung, und Spaltung der Fäden; die 2 Chromosomen in Fig. 845 gehören zum Kern A; das eine in Fig. 84c zum Kern B; Fig. 35 —87 Zusammenführung der Chromosomen beider Kerne zur Furchungsspindel; Fig. 85, 86 Polansichten; Fig. 87 7 euer = [e7=) Seitenansicht. Fig. 88. Trennung der Tochterplatten der ersten Furchungsspindel. Fig. 89— 98. Ausbildung der Chromosomen in einem Furchungskern. Fig. 99. Theilung des Centrosoms in einer Furchungszelle. Tafel MI. Fig. 100, 101. Querschnitt durch ein Ovar von Branchipus. kz Keimzellen, eiz Eizellen, nz Nährzellen, ep Epithelzellen, #5 Keimbläschen. Zeiss achrom. D, Oe. 2. Vergr. 230. Fig. 102. Querschnitt durch das Keimlager und die angrenzende Zone. Az Keimzellen, nz Nährzellen, eiz Eizellen. Zeiss. homog. Imm. Y\,, Oc. 2. Vergr. 490. Fig. 103. a Keimbläschen, 5 Nährzellenkern von Apus produetus. Zeiss, apochr. homog, Imm. 2.00, Apert. 1.30. Oc. 8. Vergr. 1060. Fig. 104. a Keimbläschen, 5, ce Nährzellenkerne von Branchipus. Zeiss, apochr. homog. Imm. 2.00. Apert. 1.30. Oec. 12. Vergr. 1400. Fig. 105. Ei mit Nährzellen. kb Keimbläschen. Zeiss, homog. Imm. !/,,, Oec.2. Vergr.490. Fig. 106. Ei auf dem Stadium der Abschnürung des ersten Richtungskörpers. dh Dotter- haut, Rsp Richtungsspindel, sp Spermatozoon. Zeiss, achrom. C. Oe. 2. Vergr. 130. Fig. 107. Abrücken des Ei- und Spermakerns von der Peripherie. rA zweiter Richtungs- körper, eik Eikern, sp Spermakern. Zeiss, achrom. C. Oe.2 Vergr. 130. Fig. 108. Eikern (ek) central, Spermakern (spk) mit beiden Strahlungen. dh Dotter- haut. Zeiss, achrom. ©. Oc.2. Verg. 130. Fig. 109. Zusammentreffen des Ei- und Spermakerns. Zeiss, achr. ©. Oe. 2. Vergr. 130. Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1892. II. 9 66 A. Brauer: Das Ei von Branchipus Grubü v. Dyb. Fig. 110. Aneinderlagern der beiden Kerne. Zeiss, achrom. C. Oe.2. Vergr. 130. Fig. 111—113. Furchungstadien. Fig. 111 Ei auf dem Übergang zum vierzelligen Stadium; Fig. 112 Szelliges, Fig. 113 wahrscheinlich 32zelliges Stadium. Zeiss, achrom. C. Oc.2. Vergr. 130. Fig. 114—116. Entodermbildung. Zeiss, achrom. ©. Oc.2 Vergr. 130. Fig. 117—121. Bildung der Schale. sch Schale, dA Dotterhaut. Zeiss, hom. Imm. !/,,, Oe. 2. Vergr. 490. Fig. 122. Ansicht der Schale von oben. Zeiss, achrom. D. Oc. 2. Vergr. 230. WITZ ON | A.Brauer: Ei von BreranällE ‚Grubii. _ Taf. 1. ke Mrnar k Minden Francklärk tt Ir or, 00% mr Er 1.0 000% IT RP 5 r ano: = Ö) Br Ar JE P) S « 009} { ri Rr} I as OR f ws r @, . al Kr ), mas r ” Ku a % \ „Ri ZZ 946 v Su 93. O8 Ur SQ N 5 ( ee ER R- a Dion ES‘, EN, ne} 7 — el): ERBE REN X J 5 ECHT NN Er N \ 7 S, Tan in E DONE Rus \\ a x er re N = ) JACKE Ir ) 3 a TEEEL BTODAKT \ .c o905 (#/ \ 5 Se = [LZZ Pr A.Brauer: Ei von Branchipus Grubii. — Taf. I ® u all 2 DEE 2 ur Dun nn Sa Ad — EVER VERLEGTE DIZDETDENE Fe NEE ve A Brauer: Ei von Branchipus Grubii. _ Taf. I Über die Spectren der Elemente. Von H. KAYSER uw C. RUNGE, Professoren an der Königl. Technischen Hochschule zu Hannover. Sechster Abschnitt. Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1892. III. Vorgelegt in der Gesammtsitzung am 7. Juli 1392 [Sitzungsberichte St. XXXV. S. 615]. Zum Druck eingereicht am gleichen Tage, ausgegeben am 23. September 1892. Sechster Abschnitt. Über die Specetren von Aluminium, Indium und Thallium. Necden wir in dem dritten, vierten und fünften Abschnitt unserer spectralanalytischen Untersuchungen die Linienspeetra aller Elemente der ersten und zweiten .Gruppe des Mendelejeff’schen Systems, mit Aus- nahme von Beryllium, festgestellt haben, wenden wir uns zur dritten Gruppe. Deren erstes Element, Bor, scheint im Kohlebogen nur zwei Linien zu geben, deren Wellenlängen wir gleich 2497.80 und 2496.84 finden. Diese Linien treten im Kohlebogen als Verunreinigung mit der- selben Unvermeidlichkeit auf, wie etwa im sichtbaren Speetrum die D-Linien. Bei Einbringen von Borsäure in den Bogen werden die Linien sehr stark und kehren sich um. Andere Linien haben wir, bisher wenigstens, nicht mit Sicherheit finden können. Stärkere Linien sind jedenfalls im Bogen nicht vor- handen, ebenso wenig die von Hartley noch aufgeführte Linie bei 3450.1. Von den übrigen Elementen der dritten Gruppe kommt ein grofser Theil nieht in Betracht: die seltenen Erden und leider auch Gallium sind, soweit sie überhaupt käuflich sind, wegen des hohen Preises im Kohle- bogen nieht zu verwerthen, da wir für zweimalige Durchphotographirung des ganzen Spectrums etwa ein Gramm Substanz brauchen, dessen Preis sich z. B. bei Gallium auf etwa 400 Mark stellen würde. Wir bedauern diefs um so mehr, weil uns die Untersuchung der ultravioletten Speetra der seltenen Erden von hervorragender chemischer Wichtigkeit zu sein scheint. Es ist wahrscheinlich, dafs sie Serien von Linienpaaren, deren Schwingungs- differenz mit dem Atomgewicht zusammenhängt, ebenso besitzen, wie die drei von uns untersuchten Elemente dieser Gruppe. Man würde daher mit Hülfe des Emissionsspeetrums wahrscheinlich leicht Auskunft über die 1* 4 H. Kayser und (C. Runee: elementare oder zusammengesetzte Natur der Erden erhalten, eine Frage, deren Lösung durch das Absorptionsspeetrum nach den neueren Unter- suchungen immer aussichtsloser erscheint.') Es bleiben von der dritten Gruppe nur Aluminium, Indium, Thallium übrig, deren Linienspectra wir im Folgenden geben, wie wir sie im Bogen gefunden haben. Die Wellenlängen beruhen dabei wieder auf dem Bell’schen Werthe für die D-Linien: D, = 5896.16: D, = 5890.19. Es ist uns gelungen, eine ganze Anzahl bisher unbekannter Linien zu messen und dadurch die schon bekannten Linienserien in den Speetren dieser Elemente weiter zu verfolgen. Die kürzesten Wellen freilich fehlen uns. Wir haben schon am Ende unserer vorigen Abhandlung auf die Thatsache aufmerksam gemacht, dafs zwar innerhalb jeder Gruppe chemisch verwandter Elemente die Serien mit wachsendem Atomgewicht nach der Seite der längeren Wellen hinrücken, wie zuerst von Lecoq de Bois- beaudran und Mitscherlich vermuthet wurde, dafs aber von einer Gruppe zur anderen mit wachsendem Atomgewicht die Serien sich sehr stark nach der Seite der kürzeren Wellen verschieben. Diese Thatsache wird durch die vorliegenden Spectra bestätigt. Ihre Serien endigen in der Gegend von 2000 Angström’schen Einheiten, während die Serien der vorhergehenden Gruppe — Zink, Cadmium, Quecksilber — bei etwa 2400 endigten. Leider häufen sich für so kurze Wellenlängen die ex- perimentellen Schwierigkeiten in einem Mafse, dafs es vorläufig fast aus- sichtslos erscheint, noch wesentlich weiter in's Ultraviolette vordringen zu wollen, wenigstens wenn man Gitter mit grofser Dispersion benutzen will, was doch unerläfslich ist, um die genügende Genauigkeit in der Wellenlängenbestimmung zu erhalten. Dafs man mit dem prismatischen Spectrum noch wesentlich kürzere Wellen photographiren kann, haben die Resultate von Cornu und namentlich von V. Schumann in Leipzig gezeigt. Es sind bisher zwei Umstände bekannt, welche die photographische Registrirung der kurzen Wellen erschweren: die Absorption durch die atmosphärische Luft und die Absorption durch die Gelatine der Trocken- platten. Der erstgenannte Einflufs ist von Cornu’) einer eingehenden !) Sollten Chemiker, die im Besitz des betreffenden Materials sind, geneigt sein, uns dasselbe zur Verfügung zu stellen, so würden wir gern eine Untersuchung in der angegebenen Richtung vornehmen. ®) Cornu, Comptes Rendus 88 p. 1101—1108, und p. 1285 — 1290 (1879). Die Spectren der Elemente. VI. 5 Untersuchung unterworfen worden. Durch Extrapolation einer für das Sonnenspeetrum empirisch aufgestellten Formel fand er, dafs 10 Meter Luft von Atmosphärendruck die Wellenlänge A = 2118 nicht mehr durchlassen, 1 Meter Luft die Wellenlänge A= 1842. Diese Zahlen wurden angenähert be- stätigt durch Versuche mit dem Aluminiumspeetrum; allerdings scheint nach ihnen die erreichbare Grenze etwas tiefer zu liegen, als die Formel angab. Da diese Resultate sich natürlich nur auf die speciellen Verhältnisse der Cornu’schen Einrichtung beziehen, namentlich also bei geringerer Intensität des Lichtes die Absorption schon bei gröfseren Wellenlängen stark genug sein konnte, um die photographische Wirkung zu verhindern, so schien es nicht unmöglich, dafs das Aufhören unserer Photographieen (gewöhnlich zwischen 220un und 230uu) nur auf Wirkung der Luft be- ruhte, da wahrscheinlich die Intensität unseres Gitterspectrums viel geringer als die des Cornu’schen prismatischen war, und bei unserm grofsen Gitter das Licht eine Luftschieht von etwa 13 Meter zu durchdringen hat. Wir haben uns daher zunächst eine Einrichtung hergestellt, welche Aufnahmen im Vacuum gestattete; sie ist hier im Querschnitt skizzirt. A ist ein starkes gufseisernes Rohr von 15° Durchmesser mit Flantschen an beiden Enden. Es wird verschlossen, indem unter Zwischenlage von Kautschukringen B zwei gulseiserne Platten € und D fest angeschraubt werden. Die hintere Platte € hat eine kreisförmige Öffnung, auf welche eine Glasplatte £ gekittet ist, durch welche man das Innere des Rohres 6 H. Kayser un C. Runee: theilweise übersehen kann. Die vordere Platte D besitzt nur in ihrer oberen Hälfte bei F eine spaltförmige Öffnung, vor welche nach innen zu eine Fluoritplatte @ gekittet ist. Vor der unteren Hälfte der Platte D sitzt der Träger H für die photographische Platte: es ist ein, wie die Figur zeigt, gebogenes Stück Messingblech, welches sich auf vier Stäben ver- schieben läfst. Vier Federn / drücken dasselbe von D ab, während die Schrauben Ä es festhalten. Unter diese Schrauben wird auch die photo- graphische Platte Z geschoben. Das Trägerblech H ist oben umgebogen, um zu verhindern, dafs direetes Licht vom Spalt zur photographischen Platte gelangt. Auf der äufseren Seite der Platte D ist vor der Öffnung F der Spectralspalt M angebracht. Er läfst sich mikrometrisch in seiner Ebene drehen, so dafs er genau parallel den Gitterfurchen gestellt werden kann, bekanntlich eine Hauptbedingung für scharfe Spectra. Im andern Ende des Rohres steht das Concavgitter N, gehalten von dem Gestell ©. Es ist ein Gitter von etwa 306° Krümmungsradius, vier englischen Zoll Breite, 568 Linien pro Millimeter. Das Gestell gestattet eine Drehung des Gitters um eine horizontale und eine verticale Achse (in der Zeichnung ist letztere Vorrichtung fortgelassen), so dafs das Gitter sich so Justiren läfst, dafs die vom Spalt ausgehenden Strahlen ein scharfes Spectrum auf der photographischen Platte erzeugen für jede beliebige Wellenlänge. Dazu mufs natürlich das Gittergestell O etwas vorwärts oder rückwärts geschoben werden. Im Innern des geschwärzten Rohres sind noch mehrere Blenden angebracht, welche alles etwa von den Wänden refleetirte Lieht von der photographischen Platte abhalten. An das grofse Rohr A ist endlich hinten ein Seitenröhrehen P befestigt, welches zu Luftpumpe und Manometer führt. Der ganze Inhalt des Rohres beträgt etwa 60 Liter; mit einer zweistiefeligen Luftpumpe können wir in etwa zehn Minuten bis auf einige Centimeter Druck evacuiren. Wir haben, wie man sieht, bei dieser Einrichtung auf die Normal- stellung des Rowland’schen Gitters verziehtet. Die Platte liegt nicht im Krümmungsmittelpunkt des Gitters; wir erzeugen folglich auf ihr kein normales Spectrum. Da es sich aber nur um die kürzesten Wellenlängen handelt, ist die Abweichung vom normalen Speetrum höchst unbedeutend und kann aufserdem leicht in Rechnung gezogen werden. Die Einrichtung hat dafür den Vortheil, dafs der auszupumpende Raum so klein wie möglich gemacht ist. Die Spectren der Elemente. V1. 7 Mit diesem Apparat haben wir versucht, die Wellen über A = 220 uu hinaus zu photographiren, leider aber ohne grofsen Erfolg. Es wurden die letzten Linien vielleicht etwas stärker; aber kürzere Wellenlängen, als bisher, erhielten wir nicht. In allen Fällen, wo bisher kürzere Wellen erreieht wurden, ist das mit Hülfe des Induetionsfunkens geschehen. Trowbridge und Sabine geben sogar direct an, dafs sie im Kupferspeetrum bis 195uu nur mit Induetionsfunken kommen konnten. Es schien daher möglich, dafs im Bogenlicht wegen seiner geringeren Temperatur diese kürzesten Wellen- längen nieht intensiv genug seien, um noch genügende Wirkung hervor- zubringen, dafs diese sich vielmehr überhaupt nur mit dem Funken er- reichen lasse. Wir haben demnach auch den Induetionsapparat versucht, und zwar ein Ruhmkorff’sches Induetorium gröfster Art, dessen seeundäre Rolle 100 Kilometer dünnen Draht enthält. Der primäre Strom wurde durch eine Wechselstrommaschine mit 120 Stromwechseln in der Secunde erzeugt und hatte bis über 20 Ampere Intensität; 16 grofse Leidener Flaschen dienten als Gondensator des secundären Stromkreises. Die Funken von 3"”” bis 5"” Länge haben einen Durchmesser von etwa 1°” und knallen wie Pistolenschüsse, so dafs man es nicht lange in der Nähe aushält. Mit diesen Funken reichte das Spectrum des Kupfers in der That weiter. Wir erhielten noch Linien bis etwa 200 un; im Spectrum des Aluminiums und Thalliums dagegen kamen wir nicht weiter, als mit dem Bogenlicht. Alle diese Versuche zeigten ganz zweifellos, dafs nicht die Absorption dureh Luft der Hauptgrund für das Aufhören der Spectren in der Gegend von ’A —= 220un ist, wie es nach Cornu’s Angaben möglich schien, sondern dafs sich dieser Einflufs erst bei wesentlich kürzeren Wellen geltend machen kann. Es bleibt also nur die absorbirende Wirkung der Gelatine übrig. Darüber hat Soret') vortreffliche Untersuchungen veröffentlicht. Er benutzt eine Lösung von 4° im Liter und findet, dafs eine Schicht von 10""” Dicke die Wellenlänge 235 un vollständig absorbirt, eine Schicht von 5”" die Wellenlänge 232, eine Schicht von 1”” die Wellenlänge 213, eine Schicht von 0"®2 die Wellenlänge 206. Die Bromsilberemulsionen enthalten nun ungefähr 60° Gelatine pro Liter, und man läfst eine Schicht 1 mm von etwa eintroeknen. Sie würde daher etwa 15”" der Soret’schen ') Soret, Archives des sciences physiques et naturelles (3) 10, p. 429—494 (1833). 8 H. Kayser um (. Runee: Lösung entsprechen und somit die Wellenlänge 240uu vollständig ab- sorbiren. Da aber die Bromsilbertheilchen in dieser Schicht liegen, mufs die photographische Wirkung sich etwas weiter erstrecken, wenn auch mit stark abnehmender Intensität, da das Licht immer weniger tief in die Schicht eindringen kann. Mit diesen Angaben erklärt sich daher die von den meisten Spectralanalytikern erreichte Grenze sehr gut: die Auf- nahmen von Liveing und Dewar, von Hartley und Adeney, von uns, endigen alle ungefähr in der Gegend von A = 210uu. — Die Absorption von trockenen Gelatinehäutchen ist auch von Hrn. Schumann untersucht: nach einer gefälligen Mittheilung desselben absorbirt eine Schicht von 10uu die Wellenlänge A = 185uu sehr merklich, was mit Soret’s An- gaben in guter Übereinstimmung ist. Durch die Thatsache, dafs Trowbridge und Sabine noch Wellen von 195 uu mit dem Gitter photographirt haben, wurden wir indessen ver- anlafst, noch weitere Versuche mit Trockenplatten zu machen. Es ist bekannt, dafs die verschiedenen Fabrikate wesentlich wechseln in der relativen Menge von Bromsilber und Gelatine, und es war wahrscheinlich, dafs gelatinearme Platten bessere Resultate ergeben würden. Wir haben daher einige Sorten durchprobirt und gefunden, dafs z. B. die Monckhoven’schen Platten weit günstiger sind, als die von uns meist benutzten Gaedecke schen Platten. Die Wirkung erstreckte sich auf ihnen in Luft bis 210uu noch recht gut, und das Kupferspectrum haben wir sogar mit Bogenlicht und 13” Luftschicht bis A = 195 uu aufnehmen können, wie wir es in unserer vorigen Abhandlung veröffentlicht haben. Durch diese Versuche ist der Weg klar vorgezeichnet, auf welchem man weitere Fortschritte machen kann: es sind gelatinfreie Platten zu be- nutzen. Hrn. V. Schumann ist es gelungen, solche Platten herzustellen, mit denen er dann auch Wellen über 180uu hinaus erreicht hat, freilich nur mit prismatischem Spectrum. Da Schumann keine Wellenlängen angegeben hat, ist es nicht möglich, zu sagen, wie weit die Wirkung seiner neuen Platten reicht.') !) Nach einer während des Druckes uns zugegangenen Mittheilung hat Hr. Schu- mann die Wellenlänge einer Liniengruppe zu % = 16244 ermittelt. Seine Aufnahmen reichen aber sehr viel weiter, so dals er glaubt A = 100uu erreicht zu haben. Sollten Messungen diese Annahme bestätigen, was wir hoffen, und was die Besichtigung der Platten als durchaus möglich erscheinen lälst, so wäre die Spectralanalyse Hrn. Schumann zu grolsem Danke verpflichtet. Die Spectren der Elemente. VI. &) Hr. Schumann hat über die Herstellung der Platten noch nichts veröffentlicht, so dafs wir sie leider in unserm Apparat nicht probiren konnten. Wir haben selbst versucht, Platten herzustellen, die hier brauchbar wären, und zwar auf folgende Weise: aus fertig gekaufter Bromsilber- emulsion wurde das Bromsilber ausgeschieden und auf Glasplatten in dünner Schicht aufgetragen. Es haftet genügend, dafs man exponiren kann. Nach der Exposition wird die Platte mit Collodium übergossen, wie gewöhnlich entwickelt und fixirt. Wir haben in dieser Weise einige Male mit dem Kupferspeetrum sehr schöne Resultate erhalten. Die Speectrallinien sind von einer wunderbaren Schärfe, jedenfalls, weil keine Diffusion des Lichtes durch die Gelatine eintritt. Allein wir können doch das Verfahren vor- läufig noch durchaus nicht empfehlen, weil einigen wenigen gelungenen Platten zahlreiche mifslungene gegenüberstehen, ohne dafs wir einen Unter- schied in der Herstellung wufsten. — So haben wir uns in der vor- liegenden Abhandlung auf die mit Monekhoven’schen Platten in Luft erreichbaren Wellenlängen beschränken müssen. Aluminium. Das Spectrum des Aluminiums ist mit dem Inductionsfunken im sicht- baren Theile von Kirchhoff, Thalen, Lecoq untersucht worden, im Ultraviolett von Hartley und Adeney, die kürzesten Wellenlängen von Cornu.') Letzterer gibt indessen nicht die Wellenlängen selbst, son- dern eine Zeichnung des Spectrums und eine Formel, nach welcher sich die Wellenlängen aus denen des Wasserstoffs berechnen lassen sollen. V.A. Julius’) hat sie danach berechnet und wir adoptiren seine Angaben beim Vergleich mit unseren Messungen. Das Bogenspectrum ist nur von Liveing und Dewar untersucht. Im Ultraroth gibt noch Beequerel zwei Linien, die er als »breit und stark, vielleicht mehrfache Linien« bezeichnet. Wir haben das Bogenspectrum zwischen den Grenzen 670uu und 210uu photographirt, aber im ganzen sichtbaren Theile keine einzige Linie erhalten; Liveing und Dewar haben hier zwei Linien bei 6244 und 6234 gesehen, die bei uns sicher fehlen. Unsere ersten Linien sind das Paar !) Cornu, Comptes Rendus 100 p. 1181—1188 (1855). 2) V,A. Julius, Naturk. Verh. der Koninkl. Akad. van Wetenschappen te Amsterdam. XXVI (1888). Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1892. III. £& 10 H. Kıyser um (C. Runee: zwischen den Caleiumlinien HZ und X. Die folgende Tabelle enthält unsere Resultate in der üblichen Anordnung. — Im Bogen treten auch regel- mälsig die schönen Banden auf, welche der Thonerde zugeschrieben werden, und welche kürzlich von Hasselberg genau gemessen wurden. Wir haben sie unberücksichtigt gelassen. Aluminium. Wellen- länge Fehler- grenze | tensi- tät Bemerkungen Frühere Messungen 3961.68 3944.16 3092.95 | 3092.84 | 3082.27 | 3066.28 | 3064.42 | 3060.04 | 3057.26 3054.81 | 3050.19 | 2660.49 | 2652.56 | 2575.49 2575.20 | 2568.08 | 2426.22 | 2419.64 | 2378.52 | 2373.45 2373.23 2372.21 2367.16 2321.64 | 2319.12] 2317.55 | 2315.05 | 2313.60 2312.56 | 2269.20 | 2263.83 | 2263.52 | 2258.27 | 2231.27 2225.77 2210.15 2204.73 2199.71 2174.13 | 2168.87 | 2150.69 2145.48 2134.81 | 2129.52 | 2123.44 | 2118.58 | 0.03 0.03 0.03 0.03 0.03 0.03 0.03 0.03 0.03 0.03 0.03 0.03 0.03 0.03 0.03 0.03 0.20 0.20 0.05 0.03 0.03 0.05 0.03 0.03 0.03 0.03 0.03 0.03 0.03 0.05 0.10 0.05 0.10 0.20 0.20 0.10 0.10 0.20 0.10 0.10 0.20 0.20 0.20 0.20 0.20 0.20 ARD DTIDUIDP NIIT PEH DR DSB mamma ww nm im mwem [erferZer] fer} Umgekehrt Umgekehrt | Umgekehrt Umgekehrt , Umgekehrt | Umgekehrt Umgekehrt Umgekehrt | Umgekehrt | Umgekehrt ‚ Unscharf nach Roth Unscharf nach Roth Umgekehrt ' Umgekehrt Umgekehrt Umgekehrt Umgekehrt | Coineidirt mit Ag 2312.6 (2u) ‚ Umgekehrt \ Umgekehrt ı Umgekehrt | Unscharf nach Roth Unscharf nach Roth, eoineidirt mit Cu 2225.77 (3h) | Umgekehrt \ Umgekehrt | | Umgekehrt, coineidirt nahe mit Cu 2199.77 (2h)) Umgekehrt | | Umgekehrt | | Umgekehrt | Umgekehrt | Umgekehrt | Umgekehrt | Umgekehrt | Umgekehrt | 3961.1 Thalen, 3960.9 H. u. A. 3943.1 Thalen, 3943.2 H.u. A. 13091.5 L.usD. :3091.9 Hn..A. -3080.5 L.u.D. 3081.2H.u. A. 3065.0 H. u. A. 3062.83 H. u. A. 3058.5 H. u. A. 3056.4 H. u. A. 3053.6 H. u. A. 3049.2 H. u. A. 2659.38 L. u.D. 2652.0 L.u.D. 12574.5 L.u.D. 25675. Lu. D: Neu Neu 23784 L.u.D. 123733 H.u.A. 23732 L.u.D. | 2372.0 H. u. A. 2366.9L.u.D. 2367.2H.u. A. Neu Neu Neu Neu Neu Neu 2268.7 L.u.D. [2263.1 L. u. D. 22573 L.u.D. Neu Neu 2210.0L. u D: 2205.0 L.u.D. Neu Fr 2175.0 Cornu (nachV. A. Julius) 2169.8 Cornu ' 2151.6 Cornu 2146.4 Cornu 2134.6 Cornu 2129.4 Cornu 2122.5 Cornu 2117.4 Cornu Die Spectren der Elemente. VI. 11 Indium. Das Speetrum des Indiums ist bisher nur sehr wenig Gegenstand der Untersuchung gewesen. Nur mit dem Induetionsfunken haben Clayden und Heyeock den sichtbaren Theil, Hartley und Adeney den ultra- violetten Theil durchgemessen. Thalen giebt aufser dem Hauptpaar des sichtbaren Speetrums 45luu und 41l0uu nur noch eine Linie bei 4531.6, welche wahrscheinlich nicht zum Metall gehört. Liveing und Dewar haben das Hauptpaar im Bogenspectrum gesehen. Das Funkenspectrum besitzt namentlich im sichtbaren Theil, aber auch im Ultraviolett, sehr viele Linien, die im Bogenspeetrum fehlen; Indium und ebenso Thallium sind wieder auffallende Beispiele für die wesentlich gröfsere Einfachheit und Gesetzmälsigkeit des Bogenspectrums gegenüber dem Funkenspeetrum. Wegen der Kostbarkeit des Materials haben wir nur wenige Aufnahmen des Indiumspecetrums gemacht und müssen daher gröfsere Fehler in den Wellenlängen auch bei scharfen Linien für nicht ausgeschlossen halten. Dem entsprechend sind die Fehlergrenzen gewählt. Aus demselben Grunde haben wir bei einzelnen Linien nieht mit Sicherheit entscheiden können, ob sie zu Indium gehören. Wir führen in unserer Tabelle zwar nur solche auf, deren Zugehörigkeit wir für sehr wahrscheinlich halten, haben aber doch einige durch die Bemerkung »zweifelhaft« gekennzeichnet. Indium. Valais | ENE Interz Bemerkungen Frühere Messungen länge grenze | sität 2 4511.44 0.10 1 Umgekehrt 4510.2 H, u.-A. 4101.87 0.10 2 Umgekehrt, coineidirt mit Wasserstoff 4101.85 (Ames) | u. Zn 4101.94 (5) | 4101.3 H. u. A. 3258.66 0.05 3 Umgekehrt 3257.8 H. u. A. 3256.17 0.05 1 Umgekehrt 3255.53. Hu /A; 3039.46 0.05 il Umgekehrt 3038.7 H. u. A. 2932.71 0.05 3 Umgekehrt 2932.3°H. w.A. 2753.97 0.05 3 Umgekehrt 2752.8. H. u. A 2720.10 0.20 5 Sehr unscharf, zweifelhaft Neu 2714.05 0.05 3 Umgekehrt 2712.9 H.u. A. 2710.38 0.05 l Umgekehrt 2709.3 H. u. A. 2666.33 0.20 5 Unscharf nach Violett, zweifelhaft Neu 2601.84 0.05 3 Umgekehrt 2602.5 H.u. A 2572.71 0.20 5 Unscharf nach Roth Neu 2565.59 0.20 5 Unscharf, zweifelhaft 2564.7 H.u. A 2560.25 0.05 2 Umgekehrt 2559.5 H.u. A 2523.08 0.10 4 Umgekehrt Neu 2521.45 0.05 2 Umgekehrt, eoineidirt mit Co 2521.44 2520.9 H.u. A. I%* 12 H. Kayser. um ©. Runge: Wellen | Fehler-; | Inten- | Bemerkungen | Frühere Messungen länge grenze | sität 2470.65 0.15 | 5 | Zweifelhaft 2470.2 H.u. A. 2468.09 0.05 4 Umgekehrt ı 2468.4 H. u. A. 2460.14 | 0.05 3 Umgekehrt | 2460.38 H. u. A. 2430.38 | 0.50 6 Imgekehrt 2429.0 H. u. A 2429.76 0.20 6 Umgekehrt 2428.6 H.u. A 2399.33 LS Wahrscheinlich umgekehrt, bedeckt von Fe 2399.31(1h) | Neu 2389.64 | 0.05 | 2 Umgekehrt | 2388.0 H. u. A. 2379.74 | 020 | 6 | Umgekehrt, eoineidirt nahezu mit TI 2379.66 (2h) | Neu 2357.7 0.50 6 | Umgekehrt 2357.0? H. u. A. 2340.30 | 0.15 3 Umgekehrt | Neu 2306.8 050 | 6 Umgekehrt 2306.9? H. u. A. 22783 | 0.30 | 6 Umgekehrt Neu 2260.6 0.302736 Umgekehrt, coineidirt nahezu mit Cu 2260.55 (4h) | Neu 2241.65 | 0.30 6 , Umgekehrt ‚Neu 22309 | 0.30 6 | Umgekehrt Neu 2218.3 0.30 | 6 | Umgekehrt, coineidirt nahezu mit Cu 2218.21 (5) | Neu 22112 | 030 | 6 | Umgekehrt | Neu 2200.0 0.30 |, 6 Umgekehrt Neu 2197.5 0.30 | 6 Umgekehrt Neu 2187.5 (RO EG Umgekehrt Neu 2180.0 0.30 | 6 Umgekehrt | Neu Thallium. Das Funkenspectrum des Thalliums ist im sichtbaren Theil namentlich von Huggins und von Thalen, im Ultraviolett von Hartley und Adeney untersucht, das Bogenspectrum von Liveing und Dewar. Die kürzesten Wellenlängen sind von Cornu') photographirt und gemessen worden; er gibt aber nicht die Wellenlängen selbst an, sondern eine Formel, nach der sie sich berechnen lassen sollen, und eine Zeichnung mit Mafsstab. Wie sehon V. H. Julius bemerkt, enthält die Formel mehrere Druckfehler, die berechneten Werthe stimmen durchaus nicht mit der Zeichnung, so dafs man nur aus letzterer die Wellenlängen entnehmen kann. In unserer Liste geben wir zum Vergleich die so erhaltenen Zahlen, welehe Rydberg abgelesen hat, und die wir controlirt haben. Wir haben das Spectrum meist aus dem Metall selbst, seltener aus der Chlorverbindung erzeugt und zwischen den Grenzen 630 uu und 210 uu photographirt. Die zahlreichen Linien, welche das Funkenspeetrum zwischen 650 un und 300 un zeigt, fehlen im Bogenspeetrum fast sämmtlich; bis auf die einzige charakteristische grüne Linie des Thalliums bei 535uu und eine schwache Linie bei 553 au besteht die ganze, übrigens sehr starke, Strahlung des 'Thalliums aus ultraviolettem Licht. ') Cornu, Comptes Rendus, 100 pag. 11851—1138 (1885). Die Spectren der Elemente. m 13 Thallium. w ler Hellas a Bemerkungen | Frühere Messungen länge grenze | sität | | 5528.3 0.50 5 Unscharf nach Roth 5350.65 0.03 1 Umgekehrt 5349. Thalen 3775.37 | 0.03 1 Umgekehrt 3775.6L.u.D. 3529.58 0.03 2 Umgekehrt 3528.3L.u.D. 3528.8H.u.A. 3519.39 0.03 l Umgekehrt 3517.8L.u.D. 3518.6H. u. A. 3229.88 0.03 1 Umgekehrt 3228.1L.u.D. 3229.0H.u. A. 2978.05 0.20 6 Verbreitert nach Roth Neu 2945.15 0.15 4 Verbreitert nach Roth 2943.9 L.u.D. 2921.63 0.03 3 | Umgekehrt 2921.3L.u.D. 2920.8H.u.A. 2918.43 | 0.03 1 Umgekehrt 2917.8L.u.D. 2917.7H.u. A. 2895.52 0.15 4 Verbreitert nach Violett 2895.2L.u.D. 2893.9 H. u. A. 2826.27 | 0.05 2 Umgekehrt 2825.8L.u.D. 2825.4H. u. A. 2767.97 | 0.03 1 | Umgekehrt 2767.1 H. u. A. 2710.77 | 0.03 4 | Umgekehrt 2710.4L.u. D. 2709.4 H.u. A. 2709.33 0.03 2 Umgekehrt 2708.8L.u.D. 2708.6 H.u. A. 2700.3 0.50 5 Sehr unscharf 2699.7 L.u.D. 2700.1H.u. A. 2665.67 0.05 3 Umgekehrt 2665.0 L.u.D. 2665.0 H. u. A. 2609.86 | 0.03 4 Umgekehrt 2609.4L.u.D. Joana 7 2609.08 | 0.03 B) Umgekehrt 2608.6L.u.D. jasueın er 2585.68 | 0.05 4 Umgekehrt Neu 2580.23 | 0.03 2 Umgekehrt 2579.7H.u. A. 2553.07 0.10 5 Umgekehrt Verde 2 9552.02 0.10 B Umgekehrt 2552 OL.u.D. 2551.6 H. u. A. 2538.27 | 0.10 5 Umgekehrt Neu 2517.50 | 0.10 4 Umgekehrt 2517. OL.u.D. 2508.03 | 0.15 6 Umgekehrt Neu 2494.00 | 0.10 5 Umgekehrt | Neu 2487.57 | 0.20 6 Umgekehrt Neu 2477.58 | 0.10 6 Umgekehrt 2477.6H.u. A. 2472.65 0.20 6 Umgekehrt Neu 2465.54 0.20 6 Umgekehrt Neu 2462.01 0.30 6 Umgekehrt Neu 2456.53 0.20 6 Umgekehrt Neu 2453.37 | 0.30 6 | Umgekehrt Neu 2449.57 | 0.30 6 Umgekehrt Neu 2447.59 | 0.30 6 Umgekehrt Neu 2444.00 | 0.30 6 Umgekehrt }) Neu 2442.24 0.30 6 | Umgekehrt Neu 2439.58 | 0.30 6 | Umgekehrt Neu 2416.78 | 0.15 6 Verbreitert nach Roth Neu 2379.66 | 0.03 2 Umgekehrt, fällt nahe zusammen mit | 2380.0H.u. A. | | In 2379.74 2362.16 | 0.15 5 Verbreitert nach Violett 2364.5H.u. A. 2316.01 0.03 3 Umgekehrt Neu 2237.91 0.10 3 Umgekehrt 2238.7 Cornu (nach Rydberg) 221080 | 0.10 5 Umgekehrt 2210.0 Cornu 2207.13 | 0.10 4 Umgekehrt Neu 2168.68 | 0.30 4 Umgekehrt 2169.0 Cornu 2152.08 | 0.30 6 Umgekehrt 2152.3 Cornu 2129.39 | 0.30 6 Umgekehrt 2128.6 Cornu l 1) Die Linie 2444.00 ist kaum zu sehen, da eine starke Bleilinie 2443.92 die umgekehrte Thalliun- linie beinahe verdeckt. 14 H. Kayser wnp (C. Runee: Die Speetren von Aluminium, Indium und Thallium zeigen alle drei sehr deutlich eine gesetzmäfsige Anordnung, die sich auf den gröfsten Theil der Linien bezieht. Cornu hat schon im Jahre 1885,') was Aluminium und Thallium betrifft, auf die Serien in dem brechbarsten Theile des Spectrums hingewiesen und hat eine numerische Relation zwischen ihnen und der Serie des Wasserstofls aufgestellt. Wir haben die Rechnungen mit unseren Werthen der Wellenlängen von Thallium und Aluminium und denen von Ames für Wasserstoff?) nachgemacht und finden, wie weiter unten gezeigt ist, in Cornu’s Formel nur eine verhältnilsmäfsig rohe An- näherung. Julius scheint zuerst entdeckt zu haben, dafs die im Aluminium- Spectrum auftretenden Linienpaare dieselbe Schwingungsdifferenz besitzen,’) und Rydberg‘) fand, dafs auch die Linien des Indium- und des Thallium- Speetrums sich zu Paaren von je derselben Schwingungsdifferenz zusammen- fassen lassen, und dafs diese Paare ebenso wie im Aluminium -Speetrum zwei Serien bilden, die an derselben Stelle auslaufen. Wir finden Rydberg’s Resultate durch unsere Beobachtungen im allgemeinen bestätigt und machen auf die Punkte, wo wir ihm widersprechen, im Folgenden besonders auf- merksam. Aluminium. Die Linienpaare des Aluminium -Speetrums sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt. Die erste Columne enthält die Wellenlängen, die zweite die reeiproken Werthe der Wellenlängen, also Zahlen, die den Schwingungs- zahlen so gut wie proportional sind, die dritte Columne die Differenzen der reciproken Wellenlängen eines jeden Paares; die vierte Columne gibt an, wie grols der Fehler dieser Differenzen nach den bei unseren Messungen angenommenen Fehlergrenzen sein kann, die fünfte und sechste geben die Intensität und das Aussehen der Linien. !) Cornu, Comptes Rendus 100 pag. 1181—1188 (1885). 2) Ames, Phil. Mag. (5) 30 (1890). ®) V. A. Julius, Naturk. Verh. der koninkl. Akademie van Wetenschappen te Amster- dam XXV] (1388). *) Rydberg, Recherches sur la constitution des spectres d’emission des elements chimiques. Kongl. svenska vetenskaps-akademiens handlingar bandet 23. (1890). Die Spectren der Elemente. VI. 15 1 ar 1 2 x — Differenz ale en | Bemerkungen x | grenze | sität | t I 3961.68 | 25241.8 | B n 1 Umgekehrt 394416 | 253530 |, 121 | 04 1 | Umgekehrt 3092.95 | 32331.6 ) | | 83 Umgekehrt 3092.34 | 32332.7 112.0 06 | 1 | , Umgekehrt 3082.27 | 32443.6 || 1 | Umgekehrt 2660.49 | 37587.1 1123 09 1 Umgekehrt 2652.56 | 37699.4 ae > 1 Umgekehrt 2575.49 | 38827.6 4 Umgekehrt 2575.20 | 38831.9 | 112.0 0.9 1 Umgekehrt 2568.08 | 33939.6 1 Umgekehrt DECISOD) IIEL aucien an | 112.1 6.8 : | Nach der Seite der längeren Wellen verbreitert 2378.52 | 42043.0 111.8 1.8 3 Umgekehrt 2372.21 | 42154.8 : 4 Umgekehrt 2373.45 | 42132.8 | | 4 Umgekehrt 2373.23, 421367 | 1119 2 Umgekehrt 2367.16 | 42244.7 | | Il | Umgekehrt 2269.20 | 44068.4 |) 1105 2.0 2 Umgekehrt 2263.52 | 44178.9 | $ S T 2 Umgekehrt 2263.33 | 44172.9 |) q y 5 Umgekehrt 2258.27 | auası.z |, 088 | 39 5 | | | 99219 AARI7 5 2 | 4 ee on | | 110.8 |, 81 : | Nach der Seite der längeren Wellen verbreitert 2210.15 | 45245.8 |} 111« 4 | Umgekehrt 900473 | Asz5zo |; Ml2 | 1 4 | Umgekehrt 2204.73 | 45357.0 5 4 Umgekehrt 2199.71 | 454605 | 10985 | 62 | 6 | Umgekehrt 2174.13 | 45995.4 Pe] 6 Umgekehrt 2168.87 | Asıoro | 1146 | #3 6 | Umgekehrt 2150.69 | 46496.7 112.9 8.7 6 Umgekehrt 2145.48 | 46609.6 = ; 6 | Umgekehrt | 2134.81 | 46342.6 er s 6 | Umgekehrt 2129.52.|. Asg5gg | 1163189 6 | Umgekehrt 1} 2123.44 | 47093.4 | ng | 6 | Umgekehrt 21188 | arzola |) la 6 | Umgekehrt Bei dem zweiten, vierten und siebenten Paare sind je drei Wellen- längen hingeschrieben. Es tritt hier dieselbe Erscheinung auf, die wir in vielen anderen Speetren und zwar immer bei der ersten Nebenserie bemerkt haben. Die gröfsere Wellenlänge eines Paares besitzt an der weniger brechbaren Seite einen schwächeren Begleiter, der mit der kleineren Wellen- länge des Paares die eonstante Schwingungsdifferenz gibt. Dieser Begleiter rückt im allgemeinen für die Paare mit kleinerer Wellenlänge näher heran, so dafs er wahrscheinlich bei allen Paaren der ersten Nebenserie vorhanden 16 H. Kıyser um (C. Runee: ist, aber bei den breehbareren Paaren von der stärkeren Linie nicht mehr getrennt werden kann. Die Wellenlänge 2204.73 ist in zwei Paaren aufgeführt. Wir glauben, dafs hier die kleinere Wellenlänge eines Paares und die gröfsere Wellen- länge eines andern schwächeren Paares so nahe zusammenfallen, dafs sie auf unseren Platten nicht mehr getrennt erscheinen. Als Mittel der Schwingungsdifferenzen der Paare ergibt sich 112.0 und bei allen Paaren mit Ausnahme des zwölften liegt diese Zahl innerhalb der Grenzen, die durch die Beobachtung für die Schwingungsdifferenz ge- funden sind. Bei dem zwölften Paare erklärt sich indessen die gröfsere Abweichung aus dem Zusammenfliefsen der gröfseren Wellenlänge mit der kleineren des vorhergehenden Paares. Alle Paare mit Ausnahme der beiden bei 2426.22, 2419.64 und bei 2231.27, 2225.77 lassen sich in zwei Serien ordnen, die dasselbe Aussehen gewähren wie alle bisher von uns untersuchten Serien. Das erste, dritte, sechste, neunte und zwölfte Paar gehören einer Reihe an, und die übrigen Paare mit Ausnahme der beiden eben genannten bilden die andere Reihe. Diese Reihe besteht aus wesent- lich stärkeren, leichter umkehrbaren und mehr verbreiterten Linien als jene. Wir nennen diese Reihe daher nach der Analogie mit den für die Speetren der Alkalien aufgestellten Bezeichnungen die erste Nebenserie, jene die zweite Nebenserie.') Auch der Umstand, dafs drei von den Paaren der ersten Nebenserie einen schwächern Begleiter haben, entspricht den Beobachtungen, die bei anderen Speetren gemacht sind. Die Differenzen der Schwingungszahlen auf einander folgender Paare der beiden Neben- serien sind: 1. Nebenserie | Febler- 2. Nebenserie Fehler- | grenze | grenze 6496.0 0.8 12345.4 0.6 3305.2 1.0 4455.6 13 1934.9 I%5 2128.5 2.9 1177.8 | 3.0 1181.4 6.1 749.8 4.2 502.0 6.5 347.6 8.8 246.6 3.9 !) Wir haben das Wort Nebenserie hier ebenso wie bei der Betrachtung der zweiten Mendelejeff’schen Gruppe beibehalten, obgleich es eigentlich nur für die Alkalien einen Sinn hat, wo den Nebenserien Hauptserien gegenüberstehen. Die Spectren der Elemente. VI. 17 Vergleicht man diese Zahlen mit denen der übrigen Serien, die wir im vierten Abschnitt unserer Untersuchungen über die Speetren der Ele- mente (S. 65) zusammengestellt haben, so sieht man, dafs die zweite Neben- serie dem von Rydberg aufgestellten Gesetze einigermalsen entspricht und sich in die Tabelle zwischen der ersten Nebenserie des Strontium und der zweiten Nebenserie des Zinks einreihen läfst. Dagegen passen die Zahlen der ersten Nebenserie ganz und gar nicht in die Tabelle, da nur die letzten drei Zahlen in eine Horizontalreihe zu schreiben sein würden. Diese Serie zeigt auch darin ein von allen anderen Serien abweichendes Verhalten, dafs die Formel x! = A — Bun? — (mn ” mit viel geringerer Genauigkeit die Wellenlängen darstellt. Berechnet man z.B. die drei Constanten A, B, € aus den kleineren Wellenlängen der ersten drei Paare, indem man ihnen, wie es der Analogie mit anderen Speetren nach sein mufs, die Ordnungszahlen 4, 5, 6 zuordnet, und ex- trapolirt nun für n = 7 bis 12, so erhält man % berechnet | X beobachtet | Differenz | | 2264.41 2263.52 — 0:89 2203.85 2204.73 | + 0.88 2164.52 2168.87 | + 405 2133.06 2145.48 | + 7.42 2118.85 2129.52 + 10.67 2104.56 2118.58 + 14.02 Die Extrapolation zeigt zwar immer noch einen bemerkenswerthen Anschlufs und beweist deutlich, dafs die Paare mit einander zusammenhängen; aber die Genauigkeit ist mit der bei den anderen Serien herrschenden gar nicht zu vergleichen. Es scheint uns wahrscheinlich, dafs sowohl hier wie bei den übrigen Serien die Formel, welche x! als Function von n darstellt, eine unendliche nach fallenden Potenzen von n? geordnete Reihe ist, deren Convergenz bei den anderen Serien rascher ist, als für die erste Nebenserie des Aluminiums. Während nun bei den anderen Serien drei Glieder der Reihe ihren Werth mit beträchtlicher Genauigkeit darstellen, ist diefs hier nieht der Fall. Um aber doch wenigstens die ersten drei Glieder der Reihe mit möglichster Genauigkeit zu finden, haben wir die drei Constanten aus den letzten sechs Paaren der Serie nach der Methode der kleinsten Quadrate berechnet, indem wir dabei voraussetzen, dafs bei diesen Paaren wegen Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1892. IT. 3 18 H. Kayser wsp C. Runee: der gröfseren Werthe vo» n die folgenden Glieder nur einen geringen Einflufs haben. So haben wir die Formeln 371 48308.2 — 156662 "* — 250533 1m 71 —48420.2 — 1566627" — 2505331n* gefunden. In der folgenden Tabelle sind die berechneten mit den beob- achteten Wellenlängen verglichen: % berechnet | % beobachtet Differenz 2269.24 2269.20 —. 0.04 2263.49 2263.52 +.0.03 2210.00 2210155 | +015 2204.56 2204.73 NT DS TADS TAT 05 2169.00 | 2168.87 — 013 2150.95 2150.69 — 026 214579 | 2145548 | —031 2134.82 2134.81 —0.01 2129.73 2129.52 — al 2123.16 2123.44 098 2118.14 2118.58 +044 Die berechneten Constanten können nur auf eine geringe Genauigkeit An- spruch erheben, weil die Wellenlängen, aus denen sie gefunden sind, sich nur über einen verhältnifsmäfsig kleinen Theil des Spectrums erstrecken. Aber die Rechnung zeigt doch wenigstens, dafs die zweite Constante der Formel auch hier nicht viel von den Werthen verschieden ist, die sie in den übrigen Formeln besitzt. wenn auch die Abweichung vom Mittel er- heblich stärker als in den bisher erhaltenen Formeln ist. Die Extrapolation rückwärts für kleinere Werthe von » führt, wie sich denken läfst, zu grofsen Abweichungen zwischen Rechnung und Beobachtung, die um so gröfser sind je kleiner z. Und zwar gibt die Rechnung die reciproken Werthe der Wellenlängen zu klein, woraus man schliefsen mufs, dafs die folgende höhere Potenz von =" einen positiven Coefficienten besitzt. Die zweite Nebenserie zeigt kein aufsergewöhnliches Verhalten. Die Formel ist aus dem zweiten, dritten und vierten Paare der Serie berechnet, nachdem die Wellenlängen so corrigirt waren, dafs die Paare genau die Schwingungsdifferenz 112.0 geben. x — 48244.5 — 1 at 483565 —1 Die Spectren der Elemente. VI. 19 Die folgende Tabelle enthält die berechneten und die beobachteten Werthe: n | % berechnet | A beobachtet | Differenz | Bemerkungen | 3$| 3908.81 3961.68 +52:87 | “ 3891.77 3944.16 523g Ä | 2660.48 2660.49 I 7 =2652:57 2652.56 Zur 4) 237852 | 2378.52 Va anne 5 | 2372.20 2372.21 an 6 2263.91 2263.83 \ benutzt | 2258.18 2258.27 | I | „ (\ 2204.81 2204.73 —0.08 | ‘I 2199.38 2199.71 +033 | I I n—= 3 ist die kleinste ganze Zahl, für die die Formel einen positiven Werth liefert. Die gröfsere Abweichung bei n—3 deutet auf weitere Glieder mit höheren Potenzen von 7" und negativen Coefficienten. Man würde auch ohne eine weitere Constante die Abweichung der für n = 3 berechneten Werthe von den beobachteten durch Ausgleichung beträchtlich herunter- drücken können. Aber nach unserer Ansicht würden sich dabei die Con- stanten von ihren wahren Werthen weiter entfernen. Rydberg hat die Paare in etwas anderer Weise zu Serien zusammen- gefalst. Er läfst die erste Serie mit der Wellenlänge 11280 beginnen, die Beequerel beobachtet hat. Auch nach unserer Formel mülste vor dem ersten von uns beobachteten Paare eines voraufgehen; ob es aber bei 11280 liegt, können wir nicht entscheiden. Beequerel nennt diese Linie »peut-£tre multiple«; es ist danach weder sicher, dafs sie aus zwei Linien besteht, noch dafs diese beiden Linien die Schwingungsdifferenz 112.0 ergeben. In den folgenden beiden Paaren der ersten Nebenserie stimmen wir mit Rydberg überein; aber dann beginnt die Abweichung. Die Paare n —5, 6, 7 unserer zweiten Nebenserie sind ihm nieht bekannt. Statt dessen rechnet er die Paare n = 6 bis 12 unserer ersten Nebenserie zur zweiten. Es kann aber kaum ein Zweifel darüber bestehen, dafs Rydberg’s Anordnung nicht richtig ist. Denn erstens zeigen die sieben Paare, die das Ende unserer ersten Neben- serie bilden, durch ihre leichte Umkehrung und durch ihre Verbreiterung, dafs sie nicht zur zweiten Nebenserie gehören, während die Paare n—=5, 6,7 der zweiten Nebenserie nach ihrem Aussehen nicht wohl zur ersten Neben- g* 20 H. Kayser uno C. Runee: serie gerechnet werden können, zweitens aber würde man bei Rydberg’s Anordnung der Paare in der zweiten Nebenserie Schwingungsdifferenzen erhalten, deren Abweichungen von dem Rydberg’schen Gesetze ganz un- regelmäfsig sind, während die Schwingungsdifferenzen unserer ersten Neben- serie zwar auch dem Rydberg’schen Gesetze widersprechen, aber von Paar zu Paar mit abnehmender Ordnungszahl in gleichmäfsig wachsendem Mafse abweichen. Rydberg gibt aufser den beiden Serien noch eine Anzahl von anderen Linienpaaren an, von denen er glaubt, dafs sie die gleiche Schwingungs- differenz unter einander besitzen. Drei von den Paaren befinden sich unter den von uns gemessenen Linien, nämlich: 3066.28 3064.42 3060.04 3057.26 3054.81 3050.19 Die Differenz der reeiproken Wellenlängen ist: 962 1027 105.5 Diese drei Zahlen dürften, nach der Genauigkeit unserer Messungen, wenn die Schwingungsdifferenz constant wäre, nicht mehr als 0.7 von einem mittlern Werth abweichen; die Linien sind also nicht als Paare zu betrachten. Indium. Die Linienpaare von gleicher Schwingungsdifferenz, die wir im Speetrum des Indiums gemessen haben, sind in der folgenden Tabelle enthalten in der- selben Anordnung, in der oben die Paare von Aluminium -Linien zusammen- gestellt wurden: en ne N pass: | Differenz | Fehler- | Intan | Bemerkungen 2 grenze | sität 4 | | 511.44 | 22165.9 |) 9912: 1 Umgekehrt 4101.87 | 24379.1 |) 22132 hal 2. | Umgekehrt 3258.66 | 30687.5 N 3 Umgekehrt 3256.17 | 30710.9 |} 2213.1 1.0 1 Unigekehrt 3039.46 | 32900.6 N | 1 | Umgekehrt 2932.71 34098.2 |] 9919 5 3 Umgekehrt 2753.97 | 36311.2 \ a) 12 lg | Mumgekehrt 2720.10 | 36763.4 |] 99 J 5 Verbreitert 2565.59 | 38977.4 f al) S 5 | Verbreitert 2714.05 | 36845.3 | 3 Umgekehrt 2710.38 | 36895.2 | 2213.4 1.5 1 | Umgekehrt 2560.25 | 39058.7 | 2 | Umgekehrt Die Spectren der Elemente. VI. 21 1 3 "ehler- en- 2 = Differenz | Fehler- | en Bemerkungen 23 grenze sität 2601.34 | 38434.3 |) 99 3 Umgekehrt Se ey Zee, 16 3 | Umgekehrt 2523.08 | 39634.1 | i 4 Umgekehrt 2521.45 | 39659.7 \ 2213 2 2.5 2 Umgekehrt 2389.64 | 41847.3 2 Umgekehrt 2468.09 | 40517.2 |} 9919 Q 4 Umgekehrt 9340,80. 142728.6 |. u 3. | Umgekehrt 2430.38 | 41138.7 ) 6 Umgekehrt 2429.76 , 41156.3 2211.4 17.9 6 Umgekehrt 2306.8 | 43350.1 |) 6 | Umgekehrt 2399.33 | 41678.3 | 4 Wahrscheinlich auch umgekehrt aber von einer 2114.1 8.4 Eisenlinie überdeckt 2278.3 3892.4 6 Umgekehrt 2379.74 | 420214 |} onıae 6 | Umgekehrt 5260 a | 94 6 | Umgekehrt 2357.7 42414.2 |) gropg 2 6 Umgekehrt 241,6 | aasılo |, se | 19.0 6 | Umgekehrt Rydberg’s Resultate finden sich durch unsere Messungen bestätigt. Die sechs Paare, die er nach den Messungen von Thalen und von Hartley und Adeney aufgefunden hat (die ersten sechs der Tabelle, wenn man das vierte ausnimmt), geben nach unseren Messungen sehr nahe dieselbe Schwingungsdifferenz. Nach den früheren Messungen ist die Abweichung zwischen dem grölsten und dem kleinsten Werthe der Schwingungsdifferenz 23 Mal so grofs wie bei uns. Wir haben noch sechs andere Paare mit derselben Schwingungsdifferenz aufgefunden. Die Linien sind viel schwächer und daher viel weniger genau gemessen; aber die Abweichungen unter den Schwingungsdifferenzen können, wie man aus der Tabelle sieht, durch die Beobachtungsfehler erklärt werden. Nur bei dem letzten Paare über- steigt die Abweichung um ein weniges die Fehlergrenze, die wir ange- nommen haben. Das Mittel der Schwingungsdifferenzen ist 2213.2, wenn man bei der Berechnung die verschiedenen Genauigkeiten berücksichtigt. Beim zweiten, fünften, siebenten und neunten Paar ist die gröfsere Wellenlänge wieder wie bei den Paaren der ersten Nebenserie im Aluminium- Spectrum von einer schwächeren Linie begleitet, die mit der kleineren Wellenlänge des Paares die constante Schwingungsdifferenz gibt. Man wird der Analogie wegen diese Paare zur ersten Nebenserie rechnen. wm ID H. KAyser ump C. Runee: Die Formeln x 1 — 44515.4 — 139308n * — 1311032" * x! = 46728.6 — 139308" ” — 13110327? , deren Constanten aus den ersten dreien dieser Paare für n = 4,5,6 be- rechnet sind, geben für diese und andere Werthe von n Wellenlängen, die in der folgenden Tabelle mit den Beobachtungen verglichen sind. n % berechnet | A beobachtet “ Bemerkungen N 7781.4 | Unsere Aufnahmen reichen nur bis 5550. Sen 6638.2 Übrigens ist nach der Analogie mit anderen Speetren zu erwarten, dafs die berechneten Wellenlängen viel zu klein sind. A 3258.66 3258.66 \ 3039.46 3039.46 | 97140 2714.05 5 a aa ) Zur Berechnung der Constanten benutzt 6 2523.08 2523.08 \ tı 2389.64 2389.64 „ $| 2431.53 2430.8 “tl 2307.36 2306.83 8 2379.90 2379.74 | | 2260.81 2260.6 9 $| 2347.65 Zr 223870 2230.9 \ 2326.06 10 | 27 | aa 1 (| 2310.83 t 2198.39 2197.5 12 ji 2299.66 u 218828 | 2187.5 13 $| 2291.20 S | 2180.63 2180.0 Auch in dieser Annahme der ersten Nebenserie konnten wir Rydberg folgen, dem aber nur die drei ersten Paare und die Linie 2430 bekannt sind. Er erwähnt indessen nicht, dafs sie seinem Gesetze deutlich wider- spricht, nach dem die Schwingungsdifferenzen auf einander folgender Glieder für alle Serien dureh dieselbe Function f(n+ u) darstellbar sein sollen.') Denn die Reihe der Schwingungsdifferenzen dieser Serie ist 6158.0 2788.7 !) Rydberg, Rech. sur la Const. des spectres d’emission. Kongl. Svenska Vetenskaps- Akademiens Handlingar Bandet 23 (1890), p. 36 und folgende. Die Spectren der Elemente. VI. 23 1502.9 ete., und sie kreuzt also die Reihe der Schwingungsdifferenzen der ersten Nebenserie im Magnesium-Spectrum 6236.9 2774.4 1474.6 ete. Es bestärken diese Zahlen die Einwände, die wir in der Nachschrift des Abschn. IV. unserer Untersuchungen gegen Rydberg’s Betrachtungen er- hoben haben. Was die zweite Nebenserie betrifft, so haben wir Rydberg's Anordnung zu bestätigen. Das vierte Paar der oben gegebenen allgemeinen Tabelle der Paare mufs man sich weg denken, dann sind aufser den Paaren der ersten Nebenserie nur die der zweiten vorhanden. Man erhält die folgenden Formeln und Werthe 71 = 44535.0 — 1267660? — 643584n* 3! = 46748.2 — 126766n ? — 643584n* [5 TTT————— nn ——— T | n | * berechnet | % beobachtet | Bemerkungen | | — el ll | Pe 4443.57 4511.44 : 4045.70 4101.37 | au 2932.71 | \ ! 2753.96 I} | / Zur Berechnung 2601.82 2601.82 ; 7 Sl —_ I 2460.16 2460.14 | der | | Constanten benutzt 6 | 2468.09 2468.09 I | 2340.26 2340.30 | = 2399.24 2399.33 11 9278.26 2278.3 a || 2358.65 2357.7 ° 11 2241.63 2241.6 | ga fl 2332.53 “2 2218.03 2218.3 | | $| 2314.66 | 10 7 2201.86 9200.0 Die gröfsere Abweichung bei dem ersten Paare könnte man bei den fol- genden drei Paaren ecompensiren. Aber wir glauben richtigere Werthe der Constanten zu erhalten, wenn wir das erste Paar für die Rechnung bei Seite lassen. Die ersten Constanten in beiden Formeln haben nahezu die- selben Werthe wie für die erste Nebenserie. Es wird dadurch Rydberg'’s Bemerkung, dafs die beiden Nebenserien an derselben Stelle auslaufen, für Indium bestätigt. 24 H. Kayser um C. Runee: Thallium. Im Speetrum des Thalliums haben wir die folgenden Linienpaare ge- messen: TE ————_ 1 .yr p® = r Differenz Fehler Ines L grenze | sität en An ea. en le SE Er A Er En hr 7 Bemerkungen 5350.65 | 18689.3 |) „noir E il Umgekehrt 3775.87 | 264840 || 947 | 032 | | [Umgekehrt 3529.58 | 28332.0 | 2 | Umgekehrt 3519.39 | 28414.0 7795.6 0.63 1 Umgekehrt 2767.97 | 36127.6 | nl Umgekehrt | Oct 1 Umgekehrt 2580.23 | 38756.2 || 77953 | 074 | 9 | Umgekehrt 2978.05 | 33579.0 ! \ 3229.88 | 30960.9 f | Verbreitert nach der Seite der gröfseren Wellenlängen 2416.78 | 41377.4 7798.4 4.3 Verbreitert nach der Seite der grölseren Wellenlängen 2921.63 | 34227.5 Umgekehrt 2918.43 | 34265.0 |) 7795.3 0.9 Umgekehrt 2379.66 | 42022.8 | Umgekehrt 2895.52 | 34536.1 |) 2362.16 | 42334.1 |\ 2826.27 | 35382.3 |) „ 2316.01 43177.7 | Verbreitert nach der Seite der kleineren Wellenlängen Verbreitert nach der Seite der kleineren Wellenlängen Umgekehrt Umgekehrt 2710.77 | 36889.9 l) Umgekehrt 2709.33 | 36909.5 7794.7 2.4 Umgekehrt 2237.91 | 446846 |\ | | Umgekehrt | 2665.67 37514.0 77937 97 Umgekehrt 2207.13 | 45307.7 Umgekehrt 2609.86 | 38316.2 Umgekehrt oovn ge BP oe Pu DD DD Va Draw an | | 2609.08 | 33327.7 Umgekehrt 2168.68 | 46111.0 | Umgekehrt 2585.68 | 38674.6 |} „700 = | Umgekehrt 2152.08 | 464667.) 721 | 73 Umgekehrt 2553.07 | 39168.5 h Umgekehrt 2552.62 | 39175.4 || 77933 | 82 | Umgekehrt 2129.39 | 469618 \ | Umgekehrt Die Paare sind bis auf das vierte, sechste und elfte schon von Rydberg nach Messungen von Thalen, Hartley und Adeney, Liveing und Dewar, und Cornu angegeben worden. Nach unseren Messungen ist der Mittelwerth der Schwingungsdifferenz 7794.9, und so weit die Fehler der Beobachtungen zu schliefsen erlauben, haben die Schwingungs- differenzen aller Paare denselben Werth. Bei fünf Paaren findet man wieder an der Seite der längeren Wellen einen Begleiter von geringerer Intensität, der mit der kleineren Wellenlänge des Paares die constante Schwingungsdifferenz ergibt. Man wird geneigt sein, diese zur ersten Nebenserie zu rechnen, wie auch Rydberg gethan hat. Die Spectren der Elemente. VI. 25 Die Reehnung nach unserer Formel ergibt, wenn man alle von uns beobachteten Linien nach der Genauigkeit berücksichtigt: x! — 41542.7 — 132293n ? — 1265223n * x! = 49337.6 — 132293"? — 1265223n * n * berechnet |% beobachtet | Differenz Bemerkungen 3 | 8910 5258 Auf unseren Platten nicht vorhanden 4 I 3529.56 3529.58 + 0.02 ! 2768.01 2767.97 — 0.04 5 2921.70 2921.63 — 0.07 2379.73 2379.66 — 0.07 6 2710.64 2710.77 + 0.13 2237.81 2237.91 + 0.10 N‘ 2609.88 2609.86 — 0.02 ! 2168.69 2168.68 — 0.01 8 \ 2553.19 2553.07 — 0.12 ! 2129.40 2129.39 —.0.01 9 2517.84 2517.50 — 0.34 E | 2104.75 2105.1 + 0.35 | Nach Cornu (auf Rowland’s Normalen red.) 10 2494.19 2494.00 — 0.19 | 2088.20 2088.8 + 0.60 | Nach Cornu 1 2477.52 2477.58 + 0.06 2076.50 2077.3 + 0.80 | Nach Cornu 12 2465.30 2465.54 + 0.24 = 2067.92 2069.2 + 1.25 | Nach Cornu , 13 2456.06 2456.53 + 0.47 2061.41 2062.3 + 0.89 | Nach Cornu 14 | 2448.89 2449.57 + 0.68 2056.36 2057.3 + 0.94 | Nach Cornu 15 | 2443.21 2444.00 + 0.79 2052.35 2053.9 + 1.555 | Nach Cornu 16 2438.63 2439.58 +0. 95 2049.12 Die Abweichungen zwischen Rechnung und Beobachtung gehen über die Fehlergrenzen, wenn auch nur wenig, hinaus. Sehr viel schlechter ist die Übereinstimmung bei der zweiten Neben- serie. Wir haben hier, um möglichst richtige Werthe für die Constanten zu bekommen, die ersten vier Paare bei der Rechnung nicht mit berück- siehtigt. Für die übrigen Linien gehen dann die Abweichungen nicht über die Fehlergrenze hinaus: x! = 41506.4 — 122617 n” — 7906832 * x! 49301.3 — 122617 n* — 790683n* Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1892. III. 2: 26 H. Kayser mp (C. Runer: n % berechnet | A beobachtet | Differenz Bemerkungen | 551853 | 535065 |— 167.88 ö l 3858.67 | 3775.87 | — 82.50 ae 3251.59 3229.88 — 2] ! 2594.09 2580.23 — 13.86 ss 2829.92 2826.27 —alıh) >| 2318.49 2316.01 9248 6 \ 2667.36 2665.67 —169 ! 2208.23 2207.13 — 10) 7 2585.67 2585.68 + 0.01 | 2151.94 2152.08 + 0.14 8 | 2533.23 2538.27 + 0.04 ! 2118.99 2119.2 Nach Cornu (auf Rowland’s Normalen red.) 9 | 2508.02 2508.03 + 0.01 ! 2097.89 2098.5 Nach Cornu 10 \ 2487.49 2487.57 + 0.08 ! 2083.50 2083.2 Nach Cornu us 2472.86 2472.65 — 021 ! 2073.23 2072.4 Nach Cornu 12. || 2462.04 2462.01 | —0.03 = 2065.62 | 13 \ 2453.30 | 2453.87 + 0.07 au 2059.81 | 1a sl 24737 2447.59 + 0.22 2055.28 | 153 2442.25 | 2442.24 —.0.01 > | 2051.67 I I Es braucht kaum erwähnt zu werden, dafs man die Abweichungen zwischen Rechnung und Beobachtung bei den ersten vier Paaren sehr viel kleiner machen kann, wenn man sie bei der Rechnung mit berücksichtigt. Aber nach unserer Ansicht würden dadurch die Constanten weniger richtig, da zu vermuthen, dafs für die kleinen Werthe von n noch andere Glieder mit höheren Potenzen von nm! in Betracht kommen. Es scheint übrigens zwischen dem Paare n=6 und n—=7 eine kleine Unstetigkeit zu liegen. Wenn man für diese und die benachbarten Linien Formeln berechnet, die möglichst gut stimmen, und die Abweichungen graphisch aufträgt, so scheint ihre Curve hier einen Knick zu haben, der zwar klein aber für die Ge- nauigkeit der Beobachtungen zu grols ist. Die beiden Serien im Thallium-Speetrum laufen, wie man aus den ersten Constanten der Formeln sieht, sehr nahe an derselben Stelle zusammen. Cornu, der die kleinsten Wellenlängen der Alıminium- und Thallium- Serien zuerst beobachtet hat, glaubte eine numerische Beziehung zwischen INC) SI Die Spectren der Elemente. VI. diesen und der Wasserstoff-Serie nachweisen zu können.') Er meint, es seien die Differenzen auf einander folgender Wellenlängen einer Serie den Differenzen auf einander folgender Wellenlängen der Wasserstoff- Serie pro- portional. Wir haben dieses Gesetz nicht bestätigt gefunden, wenigstens nicht in dem Grade, wie es der Genauigkeit der Beobachtungen entspricht. In der folgenden Tabelle sind die Differenzen der Wellenlängen auf ein- ander folgender Linien zusammengestellt und die Quotienten ausgerechnet, die nach Cornu in jeder Colonne denselben Werth haben sollten. Für Wasserstoff sind die Messungen von Ames’) benutzt. MR Thallium Thallium EEE m uminjum ; 1 Neb. Ser. r . l Neb. Ser. re Wasserstofl NER SE Quotient oe Quotient ae Quotient Wellenlängen Wellenlängen | 1701.55 514.19 0.3022 607.95 0.3573 388.31 0.2282 520.83 200.92 | 0.3858 210.86 0.4049 141.75 0.2722 238.81 103.64 0.434 0.4226 69.23 0.290 131.60 | 58.79 0.447 0.4315 39.23 0.298 81.10 35.86 0.442 0.439 53.55 23.39 0.437 0.439 37.6 15.96 0.424 0.437 21.3 10.94 0.401 0.441 20.55 0.438 16.0 0.435 1235 | | 0.450 | 10.1 | f | 0.438 l Cornu hat nur das Ende der Aluminium- und Thallium-Serie berück- sichtigt. Es scheint ihm entgangen zu sein, dafs noch drei Paare mit grölseren Wellenlängen voraufgehen, die zweifellos auch zur Serie gehören. Aber selbst wenn man die ersten beiden Horizontalreihen der Tabelle fort- läfst, so ist Cornu’s Gesetz doch nicht erfüllt. Dafs die drei Spectren von Aluminium, Indium, Thallium auch zu ein- ander in Beziehung stehen, übersieht man am besten an der auf der Tafel gegebenen Zeichnung. Jedem der drei Elemente kommen hier zwei Hori- zontalstreifen zu. In dem obern ist die erste Nebenserie, in dem untern die zweite Nebenserie eingetragen nach der Scala der reciproken Wellenlängen. Aber es ist jedes Mal nur die gröfsere Wellenlänge der Paare gezeichnet, weil die Übersichtlichkeit sonst gestört wird. Man sieht wie die drei ersten Nebenserien und die drei zweiten Nebenserien sich entsprechen und wie sie mit dem gröfseren Atomgewicht nach der Seite der gröfseren !) Cornu, Comptes Rendus 100 pag. 11851 — 1188 (1385). 2) Ames, Phil. Mag. (5) 30, 1890. 28 H.Kavser uno Ü. Runner: Die Spectren der Elemente. V1. Wellenlängen rücken. Man sieht auch wie die beiden Serien bei jedem Element an derselben Stelle auszulaufen scheinen. Am deutlichsten ist diefs bei Thallium, wo die beiden Serien am weitesten beobachtet sind. Die kleineren’ Wellenlängen der Paare würden ein nicht ganz so regelmäfsiges Bild geben. Da die Schwingungsdifferenz aller Paare desselben Speetrums dieselbe ist, so würden die Serien der kleineren Wellenlängen aus den gezeichneten hervorgehen, wenn man die Zeichnung nach rechts verschöbe um den Betrag der Schwingungsdifferenz. Nun aber nimmt die Schwingungs- differenz von Indium zu Thallium um mehr zu als die Serien der längeren Wellen nach links rücken. Daher liegen die Serien der kleineren Wellen beim Thallium weiter nach rechts als beim Indium. Ähnliches ist bei Zink, Cadmium und Quecksilber beobachtet worden. Wir fanden bei Aluminium, Indium, Thallium für die Schwingungs- differenzen die Zahlen 112.0, 2213.2, 7794.9, die, wie schon Rydberg bemerkt hat, der Gröfsen-Ordnung nach, etwa wie die Quadrate der Atom- gewichte wachsen. Dividirt man sie durch das Quadrat des Atomgewichts, so erhält man die Quotienten 0.1534 0.1721 0.1879 Auch an den Constanten der Formeln ist zu erkennen, dafs die drei Speetren gesetzmälsig zusammenhängen. Sie sind in der folgenden Tabelle zusammen- gestellt. See (re | A B c ii Al | 48308.2 | 48420.2 | 156662 | 2505331 I | In | 44515.4 | 467286 | 139308 | 1311032 | Tı || 41542.7 | 49337.6 | 132293 || 1265223 Al | 48244.5 | 48356.5 | 127527 || 687819 II | In | 44535.0 | 467482 || 126766 || 643584 TI || 41506.4 | 49301.3 | 122617 || 790683 Von den Constanten sind der Natur der Sache nach die Werthe von A die genauesten und die von ( die ungenauesten. Warum diefs so sein muls, ist in der Note zu dem dritten Abschnitt (1890) unserer Untersuchungen über die Speetren der Elemente (S. 63 und folg.) auseinandergesetzt. K.Preuls.Akad.d Wisse Anhang z.d Abh.1892 - Phys. Abh. 8] A | | I} 7 “a 9 | I} en BEE < EEE | rn 111 | | Kayser und Runge, Spectra der Elemente. VI.Abschnitt. MATHEMATISCHE ABHANDLUNGEN. uam. Der grolse Sternhaufen im Hercules Messier 13 nach Aufnahmen am Potsdamer photographischen Refractor. Von J. SCHEINER, Assistenten am Astrophysikalischen Observatorium. Math. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1892. 1. 1 Vorgelegt in der Sitzung der phys.-math. Classe am 23. Juni 1892 [Sitzungsberichte St. XXXII. S. 583]. Zum Druck eingereicht am gleichen Tage, ausgegeben am 24. October 1392. D:. photographische Aufnahme der Sterne hat durch die Einführung der neuen photographischen Refractoren einen bedeutenden Fortschritt gemacht, und zwar liegt derselbe wesentlich in der grofsen Genauigkeit, mit welcher die mit diesen Instrumenten angefertigten Aufnahmen ausgemessen werden können. Es sind mit diesen, nach dem Muster des Pariser Instruments construirten Refractoren bereits eine Reihe von Aufnahmen interessanter Objecte erhalten worden, doch ist der praktische Beweis für den eben hervorgehobenen Hauptvorzug derselben erst in relativ sehr wenigen Fällen durch eine sorgfältige Ausmessung erbracht worden. Die folgenden Untersuchungen habe ich in der Absicht angestellt, einen weitern Beitrag in dieser Beziehung zu liefern, und habe hierzu ein Object gewählt, welches der direeten Ausmessung am Fernrohr gänzlich entzogen ist, aber auch der photographischen Ausmessung noch so bedeutende Schwierigkeiten entgegensetzt, dafs es wohl an der äufsersten Grenze dessen steht, was die heutige Himmelsphotographie noch aufzuschliefsen vermag. Die erste mir bekannte photographische Aufnahme des grofsen Stern- haufens im Hercules, Messier 13 = h 1968, ist von den HH. Henry in Paris im Jahre 1887 mit zweistündiger Expositionszeit erhalten worden. Auf dieser Aufnahme sind die Randtheile des Sternhaufens völlig in die einzelnen Componenten aufgelöst; diefs ist bei der Mitte jedoch nur theil- weise der Fall, so dafs eine ausgiebige Ausmessung nicht möglich sein dürfte. Die Erfahrung, dafs das vorzügliche Steinheil’sche Objectiv des Potsdamer photographischen Refractors eine beträchtlich bessere Vereinigung 1* 4 J. ScHEINER: der Strahlen bewirkt, als das Pariser Instrument. und dafs also die Durch- messer der Sternscheibehen entsprechend kleiner sind, liefs es mir möglich erscheinen, bei möglichst günstigen Luftzuständen und bei sorgfältigster Focussirung Photographien des Sternhaufens zu erhalten, welche auch die mittleren Theile vollständig aufgelöst zeigen sollten. Nach mehreren nicht befriedigend ausgefallenen Versuchen erhielt ich am 9. September 1891 bei zweistündiger Expositionszeit eine Aufnahme des Sternhaufens, die allen berechtigten Anforderungen entsprach. Auch eine einstündige Aufnahme vom 10. September gelang recht befriedigend, wenngleich wegen der stär- keren Luftunruhe die Sterne zur Ausmessung weit weniger geeignet er- schienen, als auf der ersten Platte. Ich habe in Anbetracht der Schwierig- keiten, welche die Herstellung einer guten Photographie trotz der hervor- gehobenen Vorzüge des Objectivs bereitet hat, die Überzeugung gewonnen, dafs nieht mit allen jetzt vorhandenen photographischen Refraetoren die völlige Auflösung des Sternhaufens zu erzielen sein dürfte. Gerade der Umstand, dafs bei der Ausmessung dieses Objeetes nicht das Maximum der überhaupt bei photographischen Aufnahmen erreichbaren Genauigkeit erlangt werden kann, liefs es mir von Interesse erscheinen, das Mafs derselben auch für die ungünstigsten Fälle festzustellen. Aufser den eben angeführten sind aber auch noch andere Gründe für die Wahl gerade dieses Sternhaufens mafsgebend gewesen. Man war bisher nicht in der Lage, nach den direeten Beobachtungen auch nur annähernd über die Struetur der diehtgedrängten Sternhaufen in's Klare zu kommen, und es erschien mir daher von Interesse, diesem Mangel zunächst einmal bei einem der typischsten Glieder dieser Classe von Himmelskörpern abzuhelfen, und damit eine Beurtheilung der zuweilen etwas an das Phantastische streifenden Beschreibungen dieser Objeete zu ermöglichen. Endlich liegt meiner Meinung nach gerade bei einem so dicht gedrängten Sternhaufen eine gewisse Wahr- scheinlichkeit vor, innerhalb nicht allzugrofser Zeiträume gesetzmälsige Be- wegungen der Componenten zu finden. Es ist allerdings durchaus denkbar, dafs die Distanzen zwischen den Sternen des Haufens von derselben Ord- nung sind, wie in unserm Sternsysteme, und dafs nur die aufserordentlich grofse Entfernung die scheinbare Dichtigkeit erzeugt; gewisse, weiter unten noch näher zu erwähnende Eigenthümlichkeiten, welche die im Haufen ent- haltenen Nebelmassen zeigen, scheinen mir aber eher anzudeuten, dafs die Dimensionen des Systems und entsprechend die Entfernung von uns nicht Der grofse Sternhaufen im Hercules Messier 15. 5 so ungeheuere sind, und dafs damit die Hoffnung, in absehbaren Zeiten Bewegungen zu erkennen, begründet sein dürfte. — Der Sternhaufen Messier 13 wurde 1714 als eben dem blofsen Auge sichtbarer Nebel von Halley') entdeckt. Messier’) hat ihn 1764 wieder beobachtet: er beschreibt ihn als einen runden, glänzenden Nebel, in welchem mit einem 4'/,füfs. Spiegelteleskop keine Sterne erkannt werden konnten, in der Mitte heller als am Rande. W. Herschel’) vermochte ihn bereits mit seinem 7füls. Teleskop (1783) deutlich in Sterne aufzulösen; an den gröfseren Teleskopen beschreibt er ihn später als einen glänzenden, vollständig in Sterne aufgelösten Haufen. Von neueren Beschreibungen seines Aussehens mögen die für Fernröhre mittlerer Gröfse gültigen von d’Arrest‘) und Schönfeld’) erwähnt werden. Unter den Zeichnungen ist die erste, von J. Herschel‘), als Skizze zu betrachten. die nur den ganz ungefähren Anblick darstellen soll, und dasselbe gilt von der Zeichnung Seechi’s’), aus dessen Beschreibung nur hervorgehoben werden möge, dafs er die Zunahme der Sterndiehtigkeit nach der Mitte hin als stärker bezeichnet, als sie unter Annahme der Kugel- gestalt und gleiehförmiger Dichtigkeit resultiren würde; ferner befänden sich die helleren Sterne wesentlich nur am Rande, sie schienen also einen Mantel um den eigentlichen Sternhaufen zu bilden. Die beste Zeichnung des Sternhaufens dürfte wohl die von Trouvelot‘) am 1l4zölligen Refractor der Cambridger Sternwarte erhaltene sein. Dieselbe stellt den Sternhaufen mit starker Verdichtung nach der Mitte und mit un- aufgelöstem Nebel dar. Von den 171 eingezeichneten Sternen sind viele in den Randtheilen in Übereinstimmung mit der Photographie, in der Mitte da- gegen scheinen sie willkürlich angegeben zu sein. Die sieh abzweigenden und theilweise von Nebel begleiteten Ausläufer sind ziemlich richtig dargestellt. Von den bisher erwähnten weicht die Rosse’sche") Beschreibung und Zeichnung insofern ab, als nach derselben drei Kanäle vorhanden sind, !) Phil. Trans. No. 347 (1716) pag. 393. 2) Mem. de l’Acad. 1771, pag. 441. ®) Phil. Trans. 1318 pag. 439. +) d’Arrest, Siderum Nebulosorum Observationes Havnienses. 1867. 5) Schönfeld, Beobachtungen von Nebelilecken u. Sternhaufen. Mannheim 1862 u. 1875. 6) Phil. Trans. 1833 Tafel VII. ?) Memorie dell’ Osservatorio del Collegio Romano 1852—1855. °) Annals of the Astr. Obs. of Harvard College Vol. VIII. 1877. °, Phil. Trans. 1861 pag. 732. 6 J. SCHEINER; welche sieh nahe der Mitte im süd-östlichen Theile des Haufens vereinigen. Auf der Zeichnung heben sich diese völlig sternenleer gezeichneten Kanäle in jedenfalls stark übertriebener Weise sehr scharf ab. Um über die Existenz der Kanäle ein unbefangenes Urtheil zu erhalten, hat im Jahre 1887 Harrington') zu Ann Arbor durch einen Maler, dem die Rosse’sche Zeichnung unbekannt war, mit Refraetoren von 6 und 12 Zoll Öffnung Abbildungen des Sternhaufens anfertigen lassen. Auf diesen Zeichnungen sind die Kanäle deutlich sichtbar, und Harrington gibt an, dafs ihre Siehtbarkeit mit der Vermehrung der Vergröfserung bis 500 eine immer bessere geworden sei. Ich selbst habe mich vergeblich bemüht, diese Kanäle in dem 9-zöl- ligen Leitfernrohre des hiesigen photographischen Refractors mit Sicherheit zu erkennen; auch geben die photographischen Aufnahmen, wie ich hier vorgreifend bemerken möchte, keine Andeutung von wirklichen Kanälen. Ich werde weiter unten auf diesen Punkt noch ausführlicher eingehen. Bei den Aufnahmen, der Ausmessung und den Reduetionsarbeiten, über welche ich nunmehr berichten werde, habe ich mich der eifrigen Beihülfe des Hrn. E. B. Frost zu erfreuen gehabt, und versäume nicht, (lemselben auch an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank hierfür ab- zustatten. Die Aufnahmen, ihre Ausmessung und Reduction. Die photographischen Aufnahmen des Sternhaufens habe ich so ausgeführt. wie es, abgesehen von der Expositionszeit, für die Anfertigung der grofsen Himmelskarte vorgesehen ist. Auf die Platten wurde vor der Aufnahme ein Netz äufserst feiner Striche von je 5”", entsprechend sehr nahe 5’, Abstand aufcopirt. Die Thei- lungsfehler des Gitters waren auf der Originalplatte untersucht, und es wurden die hierbei gefundenen Correctionen als gültig für die eopirten Gitter ange- nommen. Es ist diefs durchaus erlaubt, da das Aufcopiren bei einem Ab- stande der Originaltheilung von der photographischen Platte von unter 0"”] in parallelem Lichte geschieht, was einfach dadurch bewirkt wird, dafs beide Platten in einer geeigneten Cassette vor dem ÖObjective des photo- !) Astr. Journal Vol. VII, pag. 156. Der grofse Sternhaufen im Hercules Messier 13. 1 graphischen Refractors angebracht sind, während sieh die Lichtquelle im Brennpunkte des Objeetivs befindet. Der Zweck der aufcopirten Gitter ist ein zweifacher. Einmal ist durch die Verwendung derselben die Erleichte- rung gewährt, dafs die direeten Messungen mit der Schraube nur innerhalb des Strichintervalls, also innerhalb 5”", ausgeführt werden. während alle gröfseren Distanzen resp. reehtwinklige Coordinaten durch Addition der bekannten Gitterintervalle erhalten werden. Der Hauptzweck ist aber darin zu suchen, dafs das aufcopirte Gitter allen Verzerrungen der Gelatinesehicht. welche beim Hervorrufen der Bilder entstehen, mit unterworfen ist, so dafs nur noch locale Verzerrungen innerhalb des Strichintervalls für die Messungen in Frage treten. Dafs diese letzteren aber praktisch fast ganz zu vernach- lässigen sind. habe ich an anderer Stelle') gezeigt. Es ist bei der Verwendung derartiger Gitter nur erforderlich, für jede Aufnahme den Bogenwerth des Gitterintervalls aus auf‘ derselben Platte be- findlichen Sternen zu ermitteln; alsdann ist es gleichgültig. bei welcher Temperatur das Aufeopiren, das Exponiren am Fernrohr und das Ausmessen geschieht. Eine Verzeichnung durch das Objectiv wird vermittelst der Gitter nicht eliminirt: es ist aber bekannt, dafs die Öonstruetion des Steinheil- schen Objeetivs innerhalb des benutzbaren Gesichtsfeldes eine merkliche Distorsion ausschliefst. Zur Ausmessung des Sternhaufens habe ich «den für die Zwecke der Himmelskarte von den HH. Repsold kürzlich angefertigten Mels- apparat benutzt. Das mit dem Untergestell desselben unbeweglich ver- bundene Mikroskop enthält zwei zu einander senkrechte Mikrometer, ver- mittelst welcher man rechtwinklige Coordinaten innerhalb eines durch die erwähnte Gittertheilung gebildeten Quadrates messen kann. Die photo- graphische Platte befindet sich unterhalb des Mikroskopes justirbar auf einem Rahmen, welcher durch zwei einen rechten Winkel mit einander bildende Sehlitten parallel zu den Gitterstrichen und zu den Mikrometer- schrauben verstellt werden kann, so dafs es ein Leichtes ist, jedes Quadrat der Platte in das Gesichtsfeld des Mikroskopes zu bringen. Eine Theilung mit Index auf diesen Schlitten gibt die Nummer der Gitterstriche an. welche das unter dem Mikroskope befindliche Quadrat bilden. Das Ver- fahren beim Messen mit diesem Apparate ist demnach das folgende. Man !, Zeitschr. f. Instrumentenkunde 1891. Band XI. 8 J. ScHEiIneEr: bringt zunächst beide Mikrometerschrauben auf die Nullablesung der mitt- leren Revolution und stellt alsdann vermittelst der grolsen Schlitten das betreffende Quadrat der photographischen Platte so unter das Mikroskop, dafs der Durcehschnittspunkt der Fäden dem Augenmafse nach in der Mitte des Quadrates liegt. In dieser Lage wird der Rahmen, weleher die Platte trägt, festgeklemmt. Das Mittel der Ablesungen der Mikrometerschrauben bei Einstellung auf die zwei einander gegenüberstehenden Striche des Quadrates ergibt den Nullpunkt des Quadrates und ihre Differenz den Schraubenwerth für das betreffende Gitterintervall. Die Einstellung auf Sterne innerhalb des Quadrates gibt alsdann deren rechtwinklige Coor- dinaten in Bezug auf ein Coordinatensystem, dessen Nullpunkt die Mitte des Quadrates ist. Es würde für alle normalen Verhältnisse genügt haben, dem Mikroskope nur ein Mikrometer zu geben, dasselbe aber dafür mit einer Drehung um 90° zu versehen, eine Einrichtung, welche der zur Ausmessung der Sonnen- photographien benutzte Mefsapparat des Potsdamer Observatoriums besitzt. Die mit einiger Übung sehr leicht zu erlernende gleichzeitige Messung in beiden Coordinaten bringt indessen einige sehr wichtige Vortheile mit sich, von denen einer in der wesentlichen Abkürzung der Zeit besteht; der Hauptvortheil dieser Einrichtung ist aber darin zu suchen, dafs bei dieht zusammenstehenden Objecten eine sonst leicht eintretende Verwechse- lung der zusammengehörenden Üoordinaten vermieden wird. Eine Aus- messung des so dicht gedrängten Sternhaufens im Hercules würde ohne diese Einrichtung gar nicht möglich gewesen sein. Bei der Messung in reehtwinkligen Coordinaten werden beide Fäden des Mikrometers in ihrer vollen Länge benutzt, und hiermit ist gegenüber den Distanzmessungen der kleine Nachtheil verknüpft, dafs Abweichungen in der Senkrechtstellung der beiden Mikrometerschlitten und der Fäden, ferner Fehler in der Schlittenführung in die Messungen eingehen und also er- mittelt werden müssen. Eine genauere Beschreibung des Mefsapparates wird an anderer Stelle erfolgen; die vorstehenden kurzen Angaben dürften zum Verständnisse des Folgenden genügen, und es möge nur noch erwähnt werden, dafs in Beziehung auf alle praktischen Einzelheiten: Bewegung des Oculars, so dafs das zu messende Objeet sich stets unter der Mitte der Ocularlinse befindet, bequeme Ablesung der ganzen Schraubenrevolutionen, Verwendung Der grofse Sternhaufen im Hercules Messier 13. 9 eines gebrochenen Mikroskopes behufs bequemerer Kopfhaltung u. s. w. der Apparat auf das beste ausgestattet ist. Seine Stabilität ist eine sehr bemerkenswerthe, indem Änderungen in der Stellung des Mikroskopes zur Platte innerhalb mehrerer Stunden, ja selbst Tage nicht zu erkennen waren. Vor Beginn der eigentlichen Messungen fanden Voruntersuchungen über die Mikrometer und über die aufeopirten Gitter statt. Eine Untersuchung der beiden Schrauben führte zu dem Ergebnisse, dafs sowohl die periodischen als auch die fortschreitenden Fehler den Betrag von 0001 — 0/02 nicht übersteigen. Da nun in die Rechnungen nur Tausendstel Revolutionen eingeführt worden sind, so brauchten diese Fehler nicht weiter berücksichtigt zu werden. Dagegen zeigte es sich, dafs, wenn der Doppelfaden eines der Mikrometer zu einem der Gitter- striche parallel gestellt worden war, die Parallelstellung nach Fort- führung auf‘ den nächsten. 5’ entfernten Strich nicht mehr stattfand. Drehung der optischen Theile des Mikrometers änderte an dieser Er- scheinung nichts, und es blieb daher nur die Annahme übrig, dafs die Schlittenführung von einer Geraden abwieh. Genauere Untersuchungen, auch in den Zwischenstellungen der Schrauben, zeigten, dafs es völlig genügend war, die Sehlittenführung als ein Kreisstück anzusehen und somit die Riehtungsänderung der Fäden als gleichmäfsig durch das ganze Gesichtsfeld hindurch anzunehmen. Es war demnach nur erforderlich, den Betrag der sehr geringen Richtungsänderung für die Distanz der Gitterstriche zu ermitteln, wozu die Einstellungen auf die Gitterstriche während der Ausmessung selbst das genügende Material boten. Die er- haltenen Beobachtungsdaten hierüber werden weiter unten mitgetheilt werden; dieselben geben als Maximalwertli der aus der veränderlichen Fädenriehtung resultirenden Fehler für die eine Schraube 0:006 und für die andere 07004. In Betreff der aufeopirten Gitter war zu prüfen, ob die Striche völlig parallel zu einander lagen, und ob das mittlere Intervall der Striche der einen Richtung gleich dem der Striche in der dazu senkrechten Richtung war. Die hierauf sich beziehenden Untersuchungen haben zu durchaus befriedigenden Resultaten geführt; es liefs sich eine Convergenz der Linien und ein Intervallunterschied nicht mit Sicherheit nachweisen. Die beiden Aufnahmen wurden erhalten: Platte I 1891 September 9, 19" 4” bis 21" 1” Sternzeit; Platte II 1891 September 10, 19" 18” bis 20" Math. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1892. 1. 2 10 J. SCHEINER: 18” Sternzeit. Da die Sterne des Sternhaufens zum Halten im Leitfernrohr viel zu schwach sind, wurde hierzu der 25’ von der Mitte des Haufens ab- stehende Stern 8'/;. Gröfse benutzt, der im Folgenden mit Nr. 2 bezeichnet ist. Das Mikrometer des Leitfernrohres war hierbei so gestellt, dafs der Sternhaufen nahe in die optische Axe des photographischen Fernrohres fiel. Zur Kenntliehmachung des scheinbaren Parallels wurde auf beiden Platten der benachbarte helle Stern „ Hereulis bei feststehendem Fernrohre auf- genommen; derselbe passirte den Mittelfaden um 21" 29”, resp. 20" 53”. Es kamen zu den beiden Aufnahmen zwei verschiedene Cassetten in An- wendung, deren genauere Justirung auf den Parallel nicht ausgeführt war, so dafs die Neigung der auf den Platten aufeopirten Gitterstriche auf den beiden Aufnahmen in Bezug auf die tägliche Bewegung eine verschiedene und überhaupt nieht unbedeutende ist. Die der Reetascensionsriehtung entsprechenden Gitterstriche sind mit B bezeichnet, ihre Numerirung schreitet von Norden nach Süden fort; die hierzu senkrechten, der Deelinationsrichtung entsprechenden Striche haben die Bezeichnung A, und ihre Numerirung läuft von Osten nach Westen. Die Mitte des Sternhaufens, und damit die bei weitem gröfste Anzahl aller Sterne liegt bei beiden Platten in dem durch die Linien A 14,15 und B 13,14 gebildeten Quadrate; durch die äufseren Randtheile des Stern- haufens werden aber auch noch die S um das erwähnte Quadrat herum- liegenden Quadrate herangezogen, so dafs das ganze für den Sternhaufen in Frage kommende Areal durch die Striche A 13,16 und B 12,15 ein- geschlossen ist. Auf Platte II liegt die Mitte des Sternhaufens etwas süd- licher als auf I, so dafs es bei dieser Aufnahme nicht erforderlich erschien, zwischen den Linien B12 und B13 — die drei nördlichsten Quadrate zu berücksichtigen. Die Platten wurden unter dem Mikroskope so justirt, dafs sieh die B-Striche parallel zur »horizontalen« Schraube (B-Sehraube), die A-Striche parallel zur »verticalen« (A-Schraube) befanden. Im Gesichtsfelde war dem- nach angenähert unten Norden, oben Süden. links Westen, rechts Osten. Bei der B-Schraube läuft die Ablesung im umgekehrten Sinne wie die Numerirung der A-Striche, also von Westen nach Osten, bei der A-Sehraube in demselben Sinne wie die der B-Striche, also von Norden nach Süden. Dem- nach sind folgende, später benutzte Bezeichnungen, abgesehen von der Nei- gung der Gitterstriche gegen den Parallel. als entsprechende zu betrachten: Der grofse Sternhaufen im Hercules Messier 13. 11 1. AR.-Richtung: Coordinaten x, gemessen auf den B-Strichen, aus- gedrückt in Intervallen der A-Striche; Schraube B; horizontal: rechts und links. 2. Deel.-Riehtung: Coordinaten y, gemessen auf den A-Striehen, aus- gedrückt in Intervallen der B-Striche; Schraube A; vertical; oben und unten. Die Ausmessung gieng nun in folgender Weise vor sich. Zuerst erfolgten je zwei Einstellungen auf die Enden der 4 das auszumessende Quadrat ein- schliessenden Gitterstriche. Alsdann wurde je zweimal in beiden Coordi- naten auf die Sterne pointirt, und zwar wurde im Sinne der AR.-Richtung nur sehr langsam vorgegangen, während die A-Schraube stets durch die ganze Höhe des Quadrates benutzt wurde. Auf diese Weise allein war es möglich, ein häufiges Auslassen von Sternen zu vermeiden: in wie weit diels gelungen ist, möge der Umstand zeigen, dafs bei den 520 beiden Platten gemeinsamen Sternen nur zwei auffallende Auslassungen constatirt werden konnten. Es war natürlich während des Messens die allergröfste Aufmerksamkeit erforderlich, wie sie nur dadurch ermöglicht wurde, dafs ich die Schraubenablesungen nicht selbst aufschrieb, sondern dietiren konnte. Wie schwierig die völlige Vermeidung von Auslassungen war, wird durch die Angabe verständlich werden, dafs in der Mitte des Haufens auf etwa 0"5 der B-Schraube bis zu 60 Sterne entfielen. Nach Abschlufs einer meist auf 1'/; bis 2 Stunden ausgedehnten Messungsreihe wurde wieder, wie zu Beginn, auf die Gitterstriche ein- gestellt. Als Nullpunkt für die Coordinaten der Sterne wurde ein nahe der Mitte des Haufens gelegener Stern ausgewählt. der etwas isolirt stehend möglichst frei von Nebel war; auf diesen Stern wurde bei jedem Messungs- satze, der das innere Quadrat betraf, eingestellt. Die Genauigkeit der Pointirung auf die photographischen Sternscheibehen ist eine so grofse, dafs mehr als zwei Einstellungen nur wenig Nutzen ge- bracht haben würden; ich habe mich also auf zwei Einstellungen beschränkt, hierbei aber auch zum zweiten Male die ganzen Revolutionen wieder mit abgelesen, um mich möglichst gegen Ablesefehler zu schützen. Bei den Einstellungen wurden Angaben über nebeliges Aussehen, Duplieität u. s. w. sowie über die Helligkeit der Sterne gemacht. Letztere Angaben erfolgten in einer willkürlichen Scala von 1 bis 10: unter 1 habe ich die schwächsten + 12 J. ScHEINER: Liehteindrücke auf der Platte, welche eben mit Sicherheit als Sterne zu erkennen waren, angegeben. Die Schätzung 10 wurde nur den zwei hell- sten Sternen zu Theil, von denen der eine ein bekanntes Objeet am süd- westlichen Rande des Nebels ist. Die Messung der Coordinaten der zur ÖOrientirung des Sternhaufens benutzten Anhaltsterne geschah in derselben Weise wie bei den anderen Sternen, nur wurde die Zahl der Einstellungen auf 4 bis 6 vermehrt. An die gemessenen Coordinaten, bezogen auf die Mitten der Quadrate, sind folgende Correetionen anzubringen: l. Correetionen wegen Neigung der Mikrometerfäden gegen die Gitterstriche; 2. Gorreetionen der Gitterstriche (vorher am Originalgitter ermittelt): 3. Correetionen wegen Abweichung des Winkels zwischen den Gitter- strichen von 90° (ebenfalls vorher am Originalgitter ermittelt): 4. Correetionen wegen der Abweichung der ebenen Platte von der als sphärisch angenommenen Brennfläche des Objeectivs. Nachdem die direeten Messungen bereits das Verhältnifs einer Schrauben- umdrehung zu dem Gitterintervall ergeben haben, kann nach Anbringung dieser Correetionen aus den Anhaltsternen der Bogenwerth des Gitterinter- valles gefunden werden und dann die Umwandlung der gemessenen Coordi- naten in Bogenwerthe erfolgen. Bei der Bestimmung des Bogenwerthes und bei der weiteren Reduetion der einzelnen Sterne sind noch folgende Correetionen zu berücksichtigen: 5. Correctionen wegen Abweichung der Gitterstriche vom wahren Parallel (der Winkel zwischen beiden Richtungen mufs vorher ermittelt werden): 6. Correetionen wegen Refraetion: 7. Reduetion der scheinbaren Coordinaten auf den Jahresanfang. Die Ausmessung und Reduetion der beiden Platten ist völlig unab- hängig ausgeführt worden, so dafs die auf der zuerst gemessenen Platte I erhaltenen Daten keine Verwendung für die Platte II gefunden haben. Die Reehnungen sind so durchgeführt worden, dafs die aus ihnen entspringende Unsicherheit in den Katalogpositionen den Betrag von 002 nicht übersteigt, entsprechend 0!001 der Mefsschrauben. Bei Benutzung der Meridian- positionen der Anhaltsterne wurden zwar die einzelnen Rechnungen bis 0/01 Der grofse Sternhaufen im Hercules Messier 13. 13 durchgeführt. alsdann wurde aber die Position wieder auf 07] abgekürzt verwendet. Alle nicht in sich, oder bei den Einzelreduetionen nieht durch Differenzen zu controlirenden Rechnungen sind von Hrn. Frost und mir unabhängig gemacht worden. Die Berechnung der Neigung der Fäden gegen die Gitterstriche aus den während der Ausmessung gewonnenen Daten geschah aus der Differenz der Einstellungen oben — unten für Schraube B und links — rechts für Schraube A. Platte I. Die Platte hat während der Ausmessung des Sternhaufens unverändert im Mefsapparate gelegen, wurde aber vor der Messung der Anhaltsterne herausgenommen, so dafs für letztere andere Werthe der Neigung gelten. Schraube B Schraube A linker Strich rechter Strich oberer Strich unterer Strich a) für den Sternhaufen — 0'010 — 0!013 — 0:004 — 0.009 — 0.004 — 0.014 — 0.002 — 0.015 — 0.013 — 0.016 — 0.003 — 0.003 — 0.008 — 0.014 — 0.011 — 0.008 — 0.008 — 0.016 — 0.011 — 0.004 — 0.006 — 0.014 — 0.016 — 0.006 — 0.012 — 0.016 — 0.012 — 0.008 — 0.005 — 0.008 — 0.014 — 0.004 — 0.005 — 0.018 + 0.001 — 0.006 — 0.010 — 0,016 — 0.014 — 0.008 — 0.001 — 0.014 — 0.008 — 0.004 — 0.004 — 0.016 — 0.014 — 0.008 — 0.005 — 0.015 — 0.012 — 0.007 — 0.008 — 0,015 — 0.010 — (0.008 — 0.004 — 0.017 — 0.013 — 0.007 — 0.006 — 0.014 — 0.013 — 0.008 — 0.005 — 0.021 — 012 — 0.008 — 0.002 — 0.022 — 0.005 — 0.008 — 0.011 — 0.019 — 0.006 — 0.003 — 0.005 — 0.012 — 0,006 -—.0:005 — 0.014 — 0.015 — 0.014 — 0.002 — 0.004 — 0.014 — 0.007 — 0.003 NE eränd. Neig. = 0.008 — 0.0067 Veränd. Neig. — 0.007 —0.015 — 0:008 — 0.009 0.006 + 0:003 b) für die Anhaltsterne + 0'002 + 0001 + 0.009 — 07003 + 0.003 + 0.006 + 0.006 + 0.012 + 0.006 — 0.003 — 0.001 + 0.009 + 0.008 — 0.004 + 0.007 + 0,011 + 0.008 — 0.005 + 0.009 + 0.014 + 0.001 + 0.001 + 0.007 + 0.013 + 0.002 — 0001 yeränd. Neig. + 0.005 + 0.003 veränd, Neig. + 0.004 — 0.001 — 0:005 + 0.006 + 0.008 + 0002 Die Platte II ist während der sämmtlichen Messungen unverändert ge- 14 J. SCHEINER: blieben, daher gelten für die Anhaltsterne dieselben Werthe der Neigung wie für den Sternhaufen selbst. Sehraube B Schraube A linker Strich rechter Strich oberer Strich unterer Strich + 07004 — 0:005 + 0:002 + 0:006 + 0.002 — 0,005 + 0.006 0.000 + 0.002 — 0.004 — 0.002 0,000 0.000 — 0.010 + 0.005 +0.002 — 0.001 — 0.011 + 0.004 — 0.001 — 0.001 — 0.006 — 0.007 — 0.002 — 0,001 — 0.005 — 0.005 + 0.006 — 0.004 — 0.006 — 0.007 — 0.004 — 0.004 — 0.009 — 0.008 + 0.003 — 0.003 — 0.011 — 0.005 + 0.001 — 0.003 — 0.003 — 0.004 + 0.002 — 0.005 — 0.003 — 0.007 + 0.002 — 0.002 — 0.008 — 0.004 + 0.001 — 0.005 — 0.001 — 0.007 — (0.003 — 0.006 — 0,011 — 0.004 — 0.001 — 0.003 — 0.008 + 0.002 + 0.008 — 0.005 — 0.007 — 0.003 — 0.003 —.0.002 — 0.003 0.000 — (),.002 + 0.001 — 0.004 0.000 + 0.004 + 0.003 — 0.007 0.000 + 0.009 —.(),009 0.000 — 0.001 0.000 — 0.004 — 0.008 0.000 + 0.005 0.000 — 0.001 + 0.001 + 0.003 — 0.002 — 0.002 — 0.002 + 0.002 + 0.002 — 0.004 + 0.001 + 0.002 — 0.007 — 0.008 ‚oränd. Neig. — 0.001 +0.002 eränd. Neig. — 0.002 — 0.006 — 0004 — 0.002 + 0.002 + 0:004 Nach diesen Zahlen wurde für jede Platte und für jede Schraube je eine Tafel construirt, welche Tafeln mit den beiden Argumenten der beiden Schraubenablesungen die Reduction auf den Mittelpunkt der Quadrate ergaben. Zur Verwandlung der in Schraubenumdrehungen ausgedrück- ten Messungen in Theile der Gitterdistanzen konnten die Differenzen der Einstellungen auf die in je einem Quadrate einander gegenüber liegenden Gitterstriche benutzt werden. Es zeigte sich hierbei, dafs die zu einem be- stimmten Quadrate gehörenden, bereits wegen Gitterfehler corrigirten Di- stanzen, auch wenn sie an verschiedenen Tagen gemessen waren, besser über- einstimmten als die Distanzen aus verschiedenen Quadraten. Es rührt diefs hauptsächlich von der abweichenden Auffassung der Gitterstriche an ver- schiedenen Stellen her, die ihren Grund meistens in kleinen unregelmäfsigen Silberablagerungen der Gelatineschicht hat, die häufig zu einseitigen Ver- breiterungen und Verwaschenheiten der Striche Veranlassung geben. Zum kleinern Theile tragen hierzu auch schon jedenfalls die eben merklich wer- denden Verzerrungen der Schicht bei. Ich habe deshalb zur Berechnung Der grofse Sternhaufen im Hercules Messier 13. 15 des Schraubenwerthes nicht das Mittel der einzelnen Einstellungsdifferenzen genommen, sondern das Mittel der für die einzelnen Quadrate geltenden, wo- bei nur dem mittlern Quadrate, auf welches die weit überwiegende Mehrzahl der Einstellungen fällt, das Gewicht 4 gegeben wurde. Um nieht die hierbei nur sehr unsicher zu ermittelnden T’emperaturcorreetionen berücksichtigen zu müssen, habe ich dafür Sorge getragen, dafs während der Messungen die Zimmertemperatur stets sehr nahe dieselbe war. Es liegen nun folgende Bestimmungen für eine Striehdistanz vor: Schraube B Schraube A Platte I gemess. Dist. Stricheorr. corr. Dist. gemess. Dist. Stricheorr. corr. Dist. 12:715 +5 12'720 12'745 +1 12'746 716 +5 721 730 +1 731 12 +5 717 735 +1 736 720 —2 718 742 0 742 709 —2 707 734 0) 734 705 +3 708 752 —6 746 713 +5 716 740 6 734 707 +3 710 745 —6 739 7ıl +3 714 741 +2 743 709 +4 713 742 [0) 742 704 —4 700 740 +1 741 zahl +3 714 732 +6 738 704 —2 702 739 [0) 739 697 —5 692 737 +1 738 704 —1 703 73 +1 732 715 —2 (Gew.4) 713 744 0 (Gew. 4) 744 Mittel 12:7109 12:7398 Platte II 12:702 +5 12:707 12:737 +1 12:738 706 +5 711 734 +1 1.3 703 +5 708 736 +1 13 704 +3 707 73 +1 732 710 nn) 707 740 0) 740 713 +4 za 736 2) 736 702 +5 707 739 +2 741 714 +3 717 735 0 735 707 ra) 712 734 +1 735 699 —h) 694 727 +6 733 705 —| 704 734 0 734 715 —2 (Gew.4) 711 735 +1 736 an TEN" 741 +1 : 742 Mittel 127090 741 0 (Gew. 4) 741 12:7375 Auf Platte II ergibt sich für beide Schrauben ein etwas, und zwar bei beiden um nahe denselben Betrag, kleinerer Werth, als auf Platte 1. Falls man diesen Unterschied als reell ansehen will, kann die Erklärung nicht in Temperaturunterschieden gesucht werden, denn, wie schon be- merkt, hat bei den Messungen stets dieselbe Temperatur geherrscht, und desgleichen auch beim Aufcopiren des Gitters auf beide Platten; wohl aber 16 J. ScHEINER: könnte der Unterschied von einer kleinen Änderung des Abstandes der Platten vom Mikroskope herrühren. Die Befestigung der Platten geschieht zwar in der Weise, dafs die empfindliche Schieht von der Rückseite der Platte her gegen feste, unveränderliche Anschläge gedrückt wird; eine geringe Krüm- mung der Platten würde aber eine genügende Erklärung geben, da bereits eine Änderung der Distanz um 0*”01 zur Hervorbringung des obigen Unter- schiedes genügt. Für die Ermittelung des Bogenwerthes der Gitterdistanzen und zur Berechnung der Orientirung des Sternhaufens habe ich 7 demselben benachbarte hellere Sterne benutzt, deren Örter für Aeq. 1875.0 mir Hr. Engström aus den Lunder Zonen gefälligst wie folgt mitgetheilt hat: a 3 Grösse Beob. Ep. 1. BD. 369761 164347 7:14+36° 8° 265 8.4 1581 Mai 12 7.09 26:81 27.7 1881 Mai 13 2. «= 36.2764 16 35 7.10+36 44 14.0 8.3 1879 Juni 6 7.20 14.6 8.6 1880 Juni 1 3. « 36.2767 16 36 35.42+36 26 36.6 7.0 1880 Juni 16 35.30 36:30 1:8 1880 Juni 17 4. « 36.2771 16 37 43.85+36 19 537 94 1879 Juni 6 43.89 53.3 9.4 1880 Juni 1 5. « 36.2772 16 38 36.90+36 44 42.7 67 1880 Juni 2 36.81 42.3 65 18580 Juni 9 62 02302773 16039012113 -.30, 36) Saren8!8 1880 Juni 2 12.11 527 8% 1880 Juni 9 7. « 36.2775 16 40 3.96-+36 29 19.588 1880 Juni 16 4.09 18.7 8.6 1350 Juni 17 Nach dem Zeugnils der älteren Kataloge ist eine merkliche Eigen- bewegung bei keinem der Sterne anzunehmen. Ich habe daher vor- stehende Örter unmittelbar benutzt, der Gleichförmigkeit halber auch für Stern 5 ausschliefslieh, welcher allein auch in mehreren neueren Kata- logen vorkommt. Während es im einzelnen Falle einfacher gewesen sein würde, für die im Folgenden auftretenden Distanzen und Coordinaten-Differenzen zwischen den Anhaltsternen die anzubringenden Correetionen wegen Refraction u. s. w. mit Differentialformeln zu berechnen, habe ich es doch bei den mannigfaltigen Combinationen für vortheilhafter gehalten, die absoluten Reductionen auf den scheinbaren, mit Refraction behafteten Ort für jede Aufnahme zu berechnen und die Rechnung später durch die Differentialformeln zu prüfen. Bei stundenlangen Expositionszeiten in grolsen Stundenwinkeln, während welcher sich die absoluten Refractionen um sehr starke Beträge ändern, wer- den die relativen Refraetionsänderungen innerhalb des Bereichs einer Platte Der grofse Sternhaufen im Hercules Messier 13. 17 schon reeht merklich. Nur für den Leitstern ist die gesammte Refractions- änderung dureh die fortwährende Nachstellung des Fernrohrs aufgehoben: für die anderen Sterne äufsert sich die Änderung der relativen Refraction in einer Deformation der Sternscheibehen, die jedoch in dem vorliegenden Falle, wie in den meisten Fällen, nicht direct wahrnehmbar ist. Beim Messen stellt man nun auf den Mittelpunkt der deformirten Scheibehen ein; diesem Mittelpunkt entspricht aber nicht die für die Mitte der Expositionszeit gültige Refraction, vielmehr erreicht man eine bessere Annäherung, wenn man das Mittel der für den Anfang und das Ende gerechneten Refraetionen nimmt, und diefs ist in der vorliegenden Untersuchung stets geschehen. Die auf den scheinbaren Ort redueirten und mit den angenommenen Mittelwerthen der Refraetion behafteten Örter der Anhaltsterne sind nun für die beiden Aufnahmen die folgenden: Platte I Platte UI Nr. a D Nr. a ° 1248 A152 372-E 302 172 127, 1 248° 41’ 1876 +36° 7’ 878 2.u248 56 18.3 36 43.0.8 2 248 56 13.6 36 42 56.9 301249718723.0/7.36' 25725.0 | 3.249 118 1857.036 257213 4.249 35 31.0 . 36.18 43.8 | 4 249 35 26.3 36 18 40.0 5 249 48 42.0 36 43 35.4 | 5 249 48 37.4 36 43 29.7 67,249 73713157, 336.35,.43.9 | 6.249 57 27.4 36.35 40.2 7 25010R230:87 7802 :28 411,7 7 2507107267127 307°28978:0 Zur Ableitung des Bogenwerthes der Gitterintervalle habe ich die beiden 5 und 2—7 benutzt. Man erhält nach der Formel gröfsten Distanzen 1 u . 31° N Sp 4 —aı2 NZ ZSM 57 + 005%, C0S9, SIn- > die folgenden Werthe A für die scheinbaren, mit Refraction behafteten Distanzen: ; | A, = 391378 ) | A, = 3683.8 Dieselben Distanzen sind nun aus den gemessenen rechtwinkligen Co- ordinaten der Sterne zu bestimmen, nachdem die bereits erwähnten Cor- rectionen angebracht sind. Die Correction wegen der Abweichung der Platte von der Brennfläche des Objeetivs ist gleich dem Unterschiede zwischen Bogen und Tangente des Abstandes vom Mittelpunkte; dieselbe beginnt erst bei einem Abstande von 20’ in der hundertstel Bogenseeunde merklich zu werden, und es genügt vollständig, die Entfernung des Sterns vom Mittelpunkte mit einem Millimetermafsstabe zu messen und den Betrag der Correction aus der folgenden für das benutzte Instrument gültigen Math. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1892. 1. 3 18 Tafel zu entnehmen. Coordinaten genügt Transporteur. Die gemessenen, girten Coordinaten si J. SCHEINER: Zur Vertheilung der Correction auf die rechtwinkligen die Messung des Positionswinkels mit einem kleinen Abstand Correetion (20mm oder) 20° — 001 30° —0.04 40 — 0.11 50 —. 0.21 55 — 0.28 60 — 0.36 in Gitterintervallen ausgedrückten und bereits corri- nd nun: Stern © Yy Stern x Y 1 22.2133 20.3865 | 1 21.9004 20.3841 5 11.2925 13.2403 5 10 9596 13.2670 2 19.6974 13.2627 2 19.3638 13.2653 7 7.8045 16.3269 7 7.4800 16.3616 Hieraus folgen die relativen Coordinaten: Platte I | Platte II Stern x Yy | Stern x Yy 1—5 10.9208 7.1462 1—5 10.9408 7.1171 2—7 11.8929 3.0642 | 2—7 11.8838 3.0963 Mit diesen erhält man die Distanzen in Gitterintervallen: A, lat w 509 A, = 13.0524 A, = 12.2806 In Verbindung mit den oben gefundenen Werthen dieser Distanzen in Bogenmafs ergibt I. 1 Gitterinterval 1 « Mittel 299.92 Die Übereinstin sich dann als Bogenwerth des Gitterintervalles: 1—29%87 — 299.96 I. 1 Gitterintervall = 29986 ug — 299.97 Mittel 299.92 u nmung dieses Werthes auf beiden Platten ist eine vorzügliche; auch der absolute Betrag ist bemerkenswerth, insofern als die Brennweite des p auf der Platte 60”0 in Bogen entsprechen sollte. hotographischen Objectivs so gefordert war, dafs 1” Die Abweichung des hier für 5”” gefundenen Werthes von 300” liegt aber vollständig innerhalb der durch Temperaturdifferenzen bedingten Unsicherheit. Die Verbindung des Bogenwerthes des Gitters mit dem früher in Gittertheilen gefundenen Schraubenwerth gibt nun den Bogenwerth einer Sehraubenrevolution: Schraube B 1’ = 23'601 Schraube A Schraube A 1’ = 23'546 Schraube B 12= 237399 1’ — 23'542 Der gro/fse Sternhaufen im Hercules Messier 13. 19 Diese Werthe sind zur Umwandlung der Schraubenablesungen in Bogen- secunden angewandt. Um den Winkel zwischen den Gitterstrichen und dem Parallel zu bestimmen, ist es erforderlich, für den als Normalstern angenommenen Stern die Position am Himmel aus den Messungen auf der Platte zu ermitteln. Aufserdem ist die so gewonnene genaue Position auch an sich von Interesse, um später etwaige Eigenbewegung des Sternhaufens zu finden. Aus je 2 Anhaltsternen läfst sich die Position des Normalsternes berechnen, nachdem die rechtwink- ligen Coordinaten zunächst in Distanzen und Positions- winkel verwandelt werden. Bezeichnet man die Distanzen mit A, und A, und den Winkel zwischen x denselben mit p, so sind in dem Viereeke zwischen £ dem Pol, den beiden Anhaltsternen und dem Normal- sterne folgende Gröfsen bekannt: dd, Ars As, P; gesucht wird d, und &—&. Mangels einer praktischen geschlossenen Form habe ich die numerische Lösung durch successive Auflösung der 3 Dreiecke ausgeführt, nach Einführung der Hülfswinkel X und F. Es ist dann: tg d, cos d, — sind, cos (a) — &,) © =2 SH sin (&} — &,) ee cotg A, sin = — cos A, cosp sin p sind, = cos A, sind, +sin A, cosd, cos (E+ F) j sin A, sin (E+ F) sin (a) —a,) = E05 3, Zur Berechnung habe ich die beiden Sternpaare 1, 7 und 2,4 gewählt, weil die Richtungen nach diesen hin annähernd senkrecht aufeinander stehen. Es ist gefunden: Platte I | Platte U Stern corr. X eo. % | Stern corr. X CoIT. y 1 22.2133 20.3865 1 21.9004 20.3841 7 7.8045 16.3269 7 7.4800 16.3616 2 19.6974 13.2627 2 19.3638 13.2653 4 13.4473 18.1917 | 4 13.1285 18.2117 Norm. St. 14.6741 13.7087 | Norm. St. 14.3421 13.7270 Hieraus folgen die A und p: A, 3020'60 > | A, 3020770 u. en A a a Am 0004.83, , „2 LL7ZS7725 A, 1512.53 Be cnisr A, 1512.37 a. Auliagszı a U Aula, ala ee 20 J. SCHEINER: Die Auflösung der Dreiecke ergibt dann: 1. a, = 249° 27'393 2% = 36° 41’ 5:0 | le a = 2AITO7 SH, 3364102 2. a,= 249 27. 39.3 %,—=36 41,47 | 2. = 249 27 343 3, = 36 41 0.8 wo Von Refraetion befreit und auf 1891.0 redueirt, werden die Mittel- werthe für den Ort des Normalsterns: 16" 37” 46°85 + 36° 40’ 22”9 | 16" 37” 46:85 + 36° 40’ 2278 Rechnet man nunmehr für jeden Anhaltstern den Positionswinkel in Bezug auf den Normalstern einmal mit den gemessenen rechtwinkligen Coordinaten. dann aber mit den Meridianörtern, so ergibt die Differenz beider die Neigung der Gitterstriche gegen den wahren Parallel. Ich habe diese Bestimmung für jeden Anhaltstern durchgeführt, weil es wichtig ist, eine möglichst genaue Bestimmung der Orientirung des Stern- haufens zu haben. um später über eine etwaige Drehung entscheiden zu können. dann aber auch, um einen Fehler der oben ermittelten Position des Normalsternes möglichst unschädlich zu machen, indem die 7 Sterne einigermafsen symmetrisch um den Sternhaufen herumliegen. Die der Berechnung der Positionswinkel zu Grunde liegenden rechtwinkligen Co- ordinaten sind für die Sterne 1,2. 4 und 7 bereits früher angegeben, für die übrigen Sterne sind sie die folgenden: Stern eorr. eorr. Y | Stern con. cort. y 3 16.1962 16.8292 | 3 15.8725 16.8429 5 11.2924 13.2408 | 5 10.9596 13.2670 6 9.8869 14.8124 | 6 9.5578 14.8419 Hiernach werden die Positionswinkel P der 7 Sterne gegen die B-Striche des Gitters: Stern 124 | Stern ie 1 228° 23° 2 | 1 228° 3735" 2 275 427 2 275 15 12 3 206 0 9 3 206 9 14 4 164 41 45 4 164 51 28 5 32 650 5 82 15 24 6 102 58 57 | 6 1030 7085 7 110 51 49 7 111 012 Die Berechnung der Positionswinkel aus den Meridianörtern erfolgte nach den Formeln: l Into 3n— ig (&n — &,) cos — > eosece—, — — tgp 1 %n—? 3n— 3 ar On og AE / tg 3 (2. — a,) sin Or sec 3 = tgAp. Der gesuchte Positionswinkel 7 ist dann: z=p—-Ap. Der gro/se Sternhaufen im Hercules Messier 13. 2] Platte I Platte II Stern 7 | Stern r 1 227° 56’ 33” 1 227° 56’ 39” 2 274 33 1 \ 2 274 33 14 3 205 28 29 | 3 205,.27455, 4 164 10 22 | 4 164 10 42 5 sua3n | 5; 81 32 21 6 102 25 59 6 102 25 24 7 110 18 50 7 110 18 54 Die Differenzen p — r liefern nun die gesuchte Neigung der B-Striche des Gitters gegen den wahren Parallel. Es sind die folgenden: Stern pDp—r Stern p—r | Stern p—r Stern p-r 1 31.29" 5 332494 1 40’ 56” 5 303% 2 31 26 6 32,58 | 2 41 58 6 41 41 3 31 40 7 82459 3 41 19 7 41 38 4 31028 4 40 46 Mittel 32° 15” Mittel 41736” Die Mittel sind hier ohne Unterscheidung von Gewichten gebildet. Wenn die Abweichungen der Neigungen von einander wesentlich von den Fehlern der Meridianörter herrühren. würde es richtig sein, verschiedene Gewichte nach Mafsgabe der Distanzen einzuführen. Die Messungsgenauig- keit ist indefs bei den sehr grofsen und verwaschenen Sternscheibehen, welche hier in Frage kommen, eine viel geringere, als sonst bei photo- graphischen Messungen zu erwarten sein würde, und diefs wird durch die Betrachtung der Abweichungen bei beiden Platten bestätigt. indem die- selben nur in 4 von 7 Fällen Übereinstimmung in Bezug auf die Vor- zeichen zeigen. Es ist daher anzunehmen, dafs die Messungen etwa von derselben Genauigkeit sein werden wie die Meridianbeobachtungen, und da nun die Unsicherheit der photographischen Messungen mit wachsenden Distanzen vom Mittelpunkte der Platte etwas zunimmt, so habe ich es für richtiger gehalten, keine verschiedenen Gewichte einzuführen. Mit solchen würde man die Werthe 32° 8’ resp. 41’29 erhalten. Der Unterschied beider Werthsysteme würde nur bei den äufsersten Sternen von 4° Abstand an eine Differenz von 0/01 bewirken. Es ist also praktisch ziemlich gleichgültig, welche Annahme man einführen will. Wie schon früher bemerkt. ist auf beiden Platten der helle Stern nHerculis nach Beendigung der Exposition für den Sternhaufen bei ruhendem Fernrohre mit aufgenommen worden. Ich hatte ursprünglich beabsichtigt. die definitive Bestimmung der Neigung der Gitterstriche. zunächst gegen den scheinbaren Parallel, aus der Spur dieses Sternes vorzunehmen. Es zeigte sich aber bei den Messungen, dafs die Einstellung auf eine derartige 22. J. SCHEINER: Spur recht unsicher ist, wegen ihrer welligen und verwaschenen Beschaffen- heit in Folge der Luftunruhe. Aufserdem kommt eine weitere Unsicherheit hinzu durch den Einflufs der hierfür nicht mit genügender Genauigkeit bekannten Instrumentalfehler — die Distanz von % Herculis bis zum Sternhaufen beträgt nahe 3° — und so habe ich es vorgezogen, nur die aus den Anhaltsternen bestimmte Neigung zu benutzen und die Bestimmung aus dem laufenden Sterne nur zur Controle vorzunehmen. Diese ergibt sich wie folgt. Die Reduction der Endpunkte der Spur wegen Krümmung derselben beträgt Platte Il | Platte I 3/26 — 0'138 | 0'72 = 0:031. Die Differenz der Abstände der Endpunkte vom nächsten B-Strich des Gitters ist 0:894 l 0:609 Länge der Spur: 93:63 | 49:04 hieraus Neigung der Gitterstriche gegen die Spur (gegen den scheinbaren Parallel) + 3249" | + 4242" Reduction des scheinbaren Parallels auf den wahren on | Fol Mithin Neigung der B-Striche gegen den wahren Parallel +-31127” | 41/51 Die Übereinstimmung dieser Werthe mit den oben gefundenen ist in Anbetracht der hervorgehobenen Unsicherheiten jedenfalls eine sehr gute. Nachdem diese Rechnungen bereits vollendet waren, wurde ich auf eine bei den Messungen auftretende Fehlerquelle aufmerksam, die mir zwar nicht Veranlassung gegeben hat, die damals schon für alle Sterne auf beiden Platten erledigte Verwandlung der Schraubenablesungen in Bogenwerthe zu eorrigiren, wohl aber es erforderlich machte, vor definitiver Berechnung des Kataloges einige der bisher ermittelten Daten zu verbessern. Diese Fehler- quelle besteht in der fehlerhaften Schätzung der Mitte eines breiten Objectes beim Einstellen mit dem Mikrometerfaden. Alle Beobachter werden diese Eigenthümlichkeit in mehr oder weniger starkem Mafse haben; bei mir äufsert sie sich dadurch, dafs ich bei im Verhältnifs zur Fadendicke, oder bei zwei Fäden im Verhältnifs zur Fadendistanz, breiten Objeeten stets zu “ wv Der grofse Sternhaufen im Hercules Messier 13. Dr sehr nach rechts, resp. zu sehr nach oben einstelle. Genauere Untersuchungen hierüber haben ergeben, dafs diese fehlerhafte Schätzung, von der Bewegungs- richtung des Fadens unabhängig und zeitlich — seit zwei Jahren — völlig constant, ziemlich nahe proportional mit der Breite des Objeetes wächst. Bei kleinen Objeeten verschwindet sie gänzlich. Im vorliegenden Falle nun sind die Sterne des Sternhaufens, auch der Normalstern, so klein, dafs hier der Fehler nicht auftritt, wohl aber zeigt er sich sehr deutlich bei den Anhaltsternen, deren Durchmesser recht er- heblieh ist. Zufällig sind auf beiden Platten die Durchmesser der Sterne sehr nahe dieselben, indem auf Platte II die kürzere Expositionszeit durch stärkere Luftunruhe ausgeglichen ist. Die Correctionen sind also für beide Platten dieselben. Der Eintlufs auf die bisherigen Rechnungen ist ein drei- facher: l. auf die Bestimmung des Werthes eines Gitterintervalls, 2. auf'die Bestimmung der Reetascension und Deelination des Normal- sterns, 3. auf die Bestimmung der Neigung der Gitterstriche gegen den Parallel, und zwar einmal wegen veränderter Position des Nor- malsterns und dann wegen der fehlerhaften Einstellung auf die Anhaltsterne. Mit Hülfe eines Reversionsprismas habe ich nun zunächst für die sieben Sterne in beiden Coordinaten den Betrag meines Einstellungsfehlers ermittelt und die gefundenen Werthe mit den Durchmessern der Stern- scheibehen graphisch ausgeglichen. Es ergab sich: Correction für Stern Durchmesser & 5 1 1178 — 0Y12 +0/05 2 10.1 — END 3 18.3 —. 0:38 + 0.14 4 7.6 —.0.00 + 0.00 5 15.4 —0.26 -+0.09 6 10.9 —.0.09 +0.05 7 9.7 —0.07 +0.02 Da die Sterne 2 und 7 nahe gleich hell sind, erfährt der aus ihnen ermittelte Bogenwerth eines Gitterintervalls keine merkliche Correction; da- gegen ergibt sich, dafs die berechnete Distanz zwischen 1 und 5 um 0714 zu verkleinern ist, oder der Intervallwerth wird aus diesem Paar 0011 gröfser: das oben berechnete Mittel wäre also um 07005 zu vergröfsern. Diese Correction ist als hier ganz gleichgültig übergangen, für die äuflseren Pz 24 J. ScHEINER: Sterne des Sternhaufens in 6’ Distanz würde sie erst Correctionen von 0006 herbeiführen. Zur Ortsbestimmung des Normalsternes haben die Anhaltsterne 1, 2, 4 und 7 gedient: es folgt hieraus als Correction für den ersteren in AR. + 0”07, in Deel. — 0702: Die Einwirkung kleiner Änderungen in der Position der Anhaltsterne auf die Positionswinkel ist nach der Formel zu rechnen: sinp? sec \ a3. _ ° On — Uy Diese Correctionen sind an die aus den rechtwinkligen Coordinaten be- rechneten Winkel anzubringen; ferner sind nach derselben Formel Correcetionen dr wegen der veränderten Position des Normalsternes zu berechnen und den aus den Meridianpositionen ermittelten Positionswinkeln beizulegen. Auf diese Weise ergeben sich die folgenden definitiven Neigungsbestimmungen: eolt.p— r Stern dp _dn Platte I Platte II 1 Mur 3% 312. 392022417562 2 en! +31 27 +4159 3 +67 +10 32057 +42 36 4 0 +8 +31 31 +40 54 5 ar = il + 33.24 +42 38 6 — eher? +32 55 +41 38 7 0+2 +33 | +41 40 Mittel +3225” +41’47 Nach diesen Neigungen wurden nun Tafeln mit den beiden Argu- menten & und y in Intervallen von 10” bezw. 30” und bis zu 6° Ausdehnung gerechnet, zur Reduction der rechtwinkeligen Coordinaten auf das System der Reetaseensionen und Deelinationen. Die Maximalbeträge dieser Tafeln für 6° Abstand waren für I 374, für II 4/4. In diese Tafeln wurden aber gleich die übrigen Correctionen mit hineingenommen, nämlich wegen Refraction (Maximalbeträge für I 020, für II 0718), wegen Reduetion auf 1891.0 (Maximalbetrag 005 für beide Platten), wegen gegenseitiger Neigung der Gitterstriche (Maximalbetrag 003, nur in AR.), so dafs die schliefsliehe Reduetion der bereits in Bogenseeunden ausge- drückten Coordinaten auf die Katalogpositionen aus nur einer Tafel für jede Coordinate entnommen werden konnte. Die Correction wegen der Theilungsfehler der Gitterstriche für die Örter der Sterne des Haufens wurde gleich anfangs bei der Bildung der auf den Mittelpunkt des Sternhaufens bezogenen Coordinaten der Quadratmitten berücksichtigt. Der grofse Sternhaufen im Hercules Messier 13. 25 Die Bestimmung der Sterngröfsen. Die Reduetion der willkürlich angenommenen Helligkeitsscala auf Stern- gröfsen war nur auf einem nicht sehr sichern Umwege zu erreichen. Ich habe in einer Reihe von Untersuchungen '), deren Bestätigung auf durch- aus anderm Wege von Pickering’) gegeben ist, gezeigt, dafs die bis vor kurzem nach dem Vorgange der HH. Henry als allgemein gültig angenommene Proportionalität zwischen der Helligkeit der Sterne und der Expositionszeit nicht besteht, dafs vielmehr das Verhältnifs beider mit der absoluten Helligkeit der Sterne, wahrscheinlich auch mit gewissen Eigenschaften der photographischen Platte variirt. Es ist danach zur Zeit nicht möglich, aus der Kenntnifs der Helligkeit der Sterne, welche bei einer gewissen kurzen Expositionszeit noch eben erscheinen, auf die Gröfse der schwächsten Sterne bei einer beträchtlich gröfseren Expositionszeit zu schliefsen; die von den HH. Henry gemachten Angaben, wonach bei zweistündiger Expositionszeit mit den für die Himmelskarte bestimmten Refraetoren noch die Sterne der 17. Gröfsencelasse erscheinen, müssen als illusorisch bezeichnet werden. Um im vorliegenden Falle die ungefähren Gröfsen angeben zu können, mufste der Anschlufs an ein schon bestehendes Gröfsensystem schwächerer Sterne gesucht werden. Als solches habe ich das von Charlier auf photo- graphischem Wege ermittelte System der Plejadensterne gewählt, für welches bereits eine Vergleichung mit Lindemann, Pickering und Wolf vor- handen ist. Der Anschlufs geschah mit Hülfe einer Plejadenaufnahme, die mit zweistündiger Expositionszeit und bei ähnlichen Luftverhältnissen wie bei Platte I erhalten war. Auf dieser Aufnahme wurden von einer Anzahl von Sternen der 8. bis 12. Gröfse die Durchmesser der Sternscheibehen gemessen und mit entsprechenden Durchmesserbestimmungen der Anhaltsterne und der Sterne des Sternhaufens auf Platte I verglichen. Hieraus ergab sich zunächst auf graphischem Wege. dafs der Verlauf der Helligkeitsceurven auf beiden Platten derselbe ist, so dafs sich also die relativen Gröfsen für die Sterne des Sternhaufens ziemlich sicher ermitteln lassen. In Betreff der absoluten Helligkeit eines der Sterne ist aber keine Controle !) Astr. Nachr. Bd. 128. 2) Annals of the Astronomical Observatory of Harvard College. Vol. XV1M. Math. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1892. 1. 4 26 J. ScHEINER: gegeben, so dals also die schliefslichen Gröfsenangaben für den Sternhaufen um den constanten Unterschied zwischen beiden Platten unsicher sind. Ich habe a. a. 0. gezeigt, dafs bei sehr verschiedenen Luftzuständen constante Unterschiede bis zu 0.75 Gröfsenelassen auftreten können; jedoch dürfte im vor- liegenden Falle die Unsicherheit 0.3 Classen nicht überschreiten. Nach diesen Bemerkungen werden die folgenden Zahlen ohne weiteres verständlich sein. Zweistündige Plejadenaufnahme. Stern Nr. (Wolf) Durchmesser Gröfse (Charlier) 192 117E 8°15 169 13.6 9.2 103 10.6 9.8 163 10.0 10.1 175 9.7 9.95 234 8.5 10.6 183 5.7 11.6 295 5.2 112, 204 4.2 12.0 272 4.2 12.4 298 37 12.6 243 2.0 3 194 nicht zu 13 210 messen nicht bei Charlier Sternhaufen, Platte I. Anhaltsterne und Sterne der BD. Sterne im Sternhaufen Nr. Durchmesser Gröfse Scala Durchmesser 3 183 774 10 Hu b) 15.4 6.6 to) 39 l 11.3 8.1 6 3.6 6 10.9 8.8 b) 2.9 2 10.1 8.5 5 2.7 Ü 97 8.7 4 2.8 BD. 36°2779 9.1 9.3 4 2:5 36.2763 9.0 9.3 3 1:9 36.2762 9.0 91 36.2766 79 9.4 4 7.6 9.4 Bei den Sternen des Sternhaufens war nur bis zu den mit 3 bezeich- neten ein deutlich ausgebildeter schwarzer Kern vorhanden, und die Be- zeichnungen 2 und | beziehen sieh auf unterexponirte, matte Scheibehen. Während, wie die graphische Ausgleichung zeigt. die Stufenunterschiede der Scala von 8 bis 3 ziemlich nahe proportional den Gröfsenunterschieden sind, trifft diefs nach meinen Erfahrungen für die Schätzungen unterexpo- nirter Scheibehen nicht zu, vielmehr ist für die letzteren eine weit grölsere Helligkeitsabnahme anzunehmen. Unter Berücksichtigung dieses Umstandes habe ich das folgende Täfelehen für die Reduction der willkürlichen Scala auf das Charlier’sche System aufgestellt: Der grofse Sternhaufen im Hercules Messier 18. 27 Scala Gröfse Scala Gröfse 1 14 5 127 2 13.5 6 12.5 3 13.0 7 12.4 4 12.8 8 122 10 ler/ Hiermit wurden die Helligkeitsschätzungen auf Platte I in die im Kataloge gegebenen Gröfsen verwandelt. Im Vergleich mit der Scale, welche sich bei den deutschen Astronomen in den letzten etwa 40 Jahren für die kleinen Sterne fixirt hat, werden diese Gröfsen eine halbe bis eine ganze Classe zu schwach sein. Die Genauigkeit der Messungen. Zur Beurtheilung der Genauigkeit der im Kataloge gegebenen Positionen ist es erforderlich, eine Beschreibung der Eigenthümlichkeiten zu geben, welehe das Aussehen vieler in den Katalog aufgenommener Objecte zeigt, und welche, wie sehon Eingangs angedeutet, die Ursache einer sehr beträchtlichen Verminderung der sonst bei photographischen Aufnahmen erreichbaren Messungsgenauigkeit sind. Die meisten in den äufseren Theilen des Sternhaufens gelegenen Sterne geben auf den Photographien gut begrenzte, runde Scheibehen von dem bei langen Expositionszeiten charakteristischen Aussehen, welches sich von dem bei kurzer Exposition wesentlich durch eine etwas grölsere Verwaschenheit der Ränder unterscheidet. Diese Sterne sind mit sehr grofser Sicherheit festzulegen. Das Innere des Haufens ist nun bis zu etwa 2’ Radius mit Nebel erfüllt, der im allgemeinen von der Mitte aus nach dem Rande an Dichtigkeit abnimmt, sich aber an den vom Haufen ausgehenden Armen bis zu 4° oder 5’ Abstand entlang zieht. Die schwächsten Sterne verschwinden ganz in diesem Nebel, und bei den helleren wird eine sehr vermehrte Verwaschenheit der Ränder verursacht, die natur- gemäfs das Einstellen erschwert. Bei der grofsen Sternfülle im mittlern Theile des Haufens ballen sich stellenweise die Scheibehen so zusammen, dafs sie nicht mehr scharf von» einander getrennt sind, und aufserdem scheint gerade an solehen Stellen der umgebende Nebel beträchtlich ver- diehtet zu sein, so dafs nur bei sehr kräftiger Beleuchtung unter dem 4* 28 J. SCHEINER: Mikroskope die Mitte der Scheibehen noch eben zu erkennen ist. Hier- durch ist natürlich auch das Einstellen auf die hellsten Sterne erschwert. Nun befinden sich noch in dem Sternhaufen eine ganze Reihe von Objeeten, die entschieden nicht Sterne. sondern nur neblige Verdichtungen sind, von der Art etwa, wie sie der hellste Theil des Orionnebels zeigt; von diesen in vielen Fällen nicht mit Sicherheit zu unterscheiden sind unregelmäfsige Flecken, die dureh zwei oder mehrere sehr dicht zusammen- stehende Sterne erzeugt werden. Für alle diese Objeete ist natürlich die Einstellungsgenauigkeit eine geringere, doch würde diefs noch nicht so schädlich sein, wenn bei denselben nicht eonstante Auffassungsunterschiede bei verschiedenen Aufnahmen aufträten, die weit aufserhalb der Einstellungs- unsicherheit liegen. Ein einziges Beispiel wird diefs klarlegen. Es möge ein kleiner Nebeltleck von länglicher Gestalt angenommen werden. dessen Maximalhelliekeit sich nahe dem einen Ende der grofsen Axe befindet. Bei einer Expositionszeit von 2 Stunden möge dieser Fleck in seiner ganzen Fläche ausexponirt sein, so dafs er also von gleichmälsiger Schwärzung erscheint; in diesem Falle kann nur auf den Schwerpunkt der Figur eingestellt werden. Auf der Platte mit einstündiger Expositionszeit wird sich bei diesem Öbjeete an dem einen Ende ein Maximum der Schwärzung befinden, mit allmählicher Abnahme nach dem andern Ende hin, wo sie sich in dem allgemeinen Nebelhintergrunde verliert; hier kann nur auf den Punkt der gröfsten Schwärzung eingestellt werden, die Posi- tionen werden sich also auf beiden Platten stark unterscheiden. In solehen Fällen führt auch eine wiederholte Messung stets zu denselben abweichenden Werthen. Wegen starker Luftunruhe sind alle Sterne auf Platte II etwas verwaschener als auf I; überhaupt sind auf ihr auch die Sterne weniger rund, und wenn auch auf beiden Platten die Pointirungsgenauigkeit ziem- lich dieselbe ist, so ist es doch keine Frage, dafs die Positionen der Platte II weniger Vertrauen verdienen, als die von Platte I. Aus diesem Grunde habe ich die Resultate beider Aufnahmen nicht in Mittel vereinigt, sondern diejenigen von Platte II nur als Controle für Aufnahme I betrachtet. Immer- hin wird aber eine Vergleichung der Messungen von Interesse sein, sofern man nur bedenkt, dafs die w. Fehler, welehe aus der Vergleichung folgen, für die mafsgebende Platte I etwas zu grofs sein werden. Eine Vergleicehung der Positionen der besser zu messenden Randsterne lehrte, dafs die Abweichungen zwischen beiden Platten den Betrag von Der grofse Sternhaufen im lercules Messier 13. 29 050 nicht überschreiten, dafs also, wenn grölsere Unterschiede auftreten, diese den oben geschilderten Umständen zur Last fallen. Aus diesem Grunde habe ich zur Ableitung eines constanten Unterschiedes zwischen den Positionen I und H nur die unterhalb 0750 liegenden Differenzen benutzt. Es folgt alsdann als eonstanter Unterschied im Sinne I— II: 0’. ine — 006, ind Dieser Unterschied kann im wesentlichen nur in einer auf den beiden Aufnahmen verschiedenen Auffassung des Normalsternes beruhen; es ist nicht zu ermitteln, welcher Theilbetrag hiervon jeder Aufnahme zukommt. und ich habe deshalb die ganze Correcetion an die Positionen der Aufnahme II angebracht: die Katalogpositionen sind um diesen Betrag schon corrigirt. Auf Platte I sind 823 Objecte gemessen worden, von denen sich 520 auf Platte II befinden. Zur Ableitung der w. Fehler sind die sämmtlichen 520 gemeinschaftlichen Positionen in beiden Coordinaten benutzt worden, doch habe ich sie in 10 Gruppen zu je 52 nach der Folge der Rectascen- sionen getheilt, um das Anwachsen der w. Fehler nach der Mitte hin zu zeigen. In der folgenden Tabelle gibt die zweite Columne die Ausdehnung der Gruppen in Reetascension an, die dritte enthält den w. Fehler einer Katalogposition auf einer Patte in AR., die vierte die Anzahl der Differenzen, welche den Betrag von 0/5 übersteigen. Die fünfte und sechste Columne geben die entsprechenden Daten für die Deelinationen. Il EN Nr. Gruppe i e El . 2 | w. Fehler | >0”50 ||w. Fehler | > 0750 1 | 630" bis 207 | =er2 | 2 | «014 |" 5 DE PRO 110 0.13 || 1 0.17 9 3 110. ° 0:40 OL | 1 0040020512 | 0.14 0 eo 3 5 O0 0.20 RK 6 (re) mE 0 96 ie u Fe 11 7 +030 » +056 | 0.23 Te 7 fe} "F056 ner 9 0.18 one 0.21 Re) 9 IE 157 086 5 I 1EL0KTG 6 10 tl 57a... +6 6 0.14 Au 6 Das Anwachsen der w. Fehler nach der Mitte hin auf ungefähr den doppelten Betrag und die Zunahme der Differenzen, welche 050 über- steigen, ist für beide Coordinaten deutlich zu erkennen. Im Mittel folgt für den w. Fehler einer Katalogposition auf einer Platte in « #0”170, in 2=0”182. Der w. Fehler ist in Deel. etwas gröfser als in AR., will man den geringen 30 J. SCHEINER: Unterschied nicht als zufälligen betrachten, so würde er wohl darauf zurück- zuführen sein, dafs ich im Messen im verticalen Sinne weniger geübt bin als im horizontalen. Für die besseren Sterne wird man den w. Fehler etwa zu 0713 annehmen können. Ordnet man die Anzahl der Differenzen ihrer Gröfse nach, so erhält man die folgende Tabelle: Zahl der Differenzen Differenz | Ä EIER | ın «& ın © 0”00—0’50 | 450 | 431 0.51—1.00 | 59 | 75 | 8 | 12 1.51—2.00 1 | 0 >200 | 1 | 1 Berechnet man aus den Doppeleinstellungen den w. Pointirungsfehler des Mittels derselben für eine Platte, so erhält man im Mittel den Werth e — #058. Ein etwas gröfserer Fehler, nämlich = 07069, ergibt sich aus denjenigen Sternen, welche zufälligerweise und unbewulst zweimal ge- messen sind (15 Sterne auf I und 18 auf II). Da in diese letzteren Fehler Reductionsunsicherheiten und Differenzen der beiden Platten ebenso wenig eingehen wie in die zuerst ermittelten. so unterscheiden sie sich von den eigentlichen Pointirungsfehlern nur dadurch, dafs zwischen den Pointirungen ein etwas längerer Zeitraum gelegen hat, und dafs die Auffassung des ein- zustellenden Punktes in den beiden Messungen unabhängig ist. Es äufsert sich diefs auch thatsächlich in dem etwas gröfsern w. Fehler. Bezeichnet man den w. Fehler für das Mittel der 2 Einstellungen auf die Gitterstriche mit eg = + 0/040, so läfst sich der w. Fehler einer Ka- talogposition aus diesen Pointirungsfehlern berechnen nach der Formel: I r= ) 6 e® +48, bei welcher berücksiehtigt ist, dafs für den Normalstern 6 unabhängige Bestimmungen vorliegen. Man erhält: r = +0'104. Dieser Fehler ist nicht wesentlich kleiner als der für die besseren Sterne aus der Vergleichung der beiden Platten resultirende, und es ist hieraus der sehr erfreuliche Schlufs zu ziehen, dafs bei guten Sternen die Unsicher- heit der Katalogpositionen der Einstellungsunsicherheit nahe entspricht, dafs also die übrig bleibenden Verzerrungen, die Reduetionsunsicherheiten und vor allem die Auffassungsunterschiede auf zwei verschiedenen Aufnahmen einen sehr merklichen Einflufs nieht ausüben. 5 Der grofse Sternhaufen im Hercules Messier 13. By | Resultate. Ein Bild des Sternhaufens nach der zweistündigen photographischen Aufnahme gibt die am Schlusse dieser Untersuchungen befindliche Zeich- nung. Dieselbe ist im 10fachen Mafsstabe der Originalgröfse nach den Katalogpositionen angefertigt, jedoch konnte eine Anzahl von Sternen, etwa 30-—40 in der Mitte des Haufens, wegen Ineinanderfliefsens der Seheibehen nicht eingezeichnet werden. Auch der das Innere erfüllende Nebel ist fortgelassen, dagegen sind die Nebelknoten, deren Ort ge- messen worden ist, als Sterne eingetragen. Von den 3 von Rosse zuerst beschriebenen Kanälen ist, wie schon oben bemerkt. keine An- deutung vorhanden; nur bei undeutlicher Betrachtung kann durch Anein- anderreihen kleiner leerer Stellen scheinbar der Eindruck von Kanälen entstehen. Dagegen sind die von vielen Beobachtern angegebenen Arme, welche sich von der Mitte aus bis etwa 6 Abstand erstrecken, deutlich zu erkennen. Es ist auch in neuester Zeit mehrfach die Aufmerksamkeit auf diese Arme und auch auf die Gruppenbildungen im Innern des Haufens hingelenkt worden, indem man geglaubt hat, diesen Anordnungen eine besondere Bedeutung beilegen zu müssen. Ich kann mich dieser Ansicht nieht anschliefsen., vielmehr halte ich es bei diesem Sternhaufen für gänzlich verfehlt, derartige Speeulationen zu eröffnen. Wenn. abgesehen von der Dichtigkeitsabnahme nach dem Rande zu, die Sterne nach dem Zufall ver- theilt sind, so ist hierunter keineswegs zu verstehen, dafs alle Compo- nenten nun gleichweit von einander abstehen mülsten, vielmehr müssen kleinere Gruppirungen eintreten, und im vorliegenden Falle scheinen mir dieselben keineswegs das Mafs des beim Zufall Zulässigen zu überschreiten. Es läfst sich diefs durch ein einfaches Experiment sehr leicht zeigen. Wenn man eine der Zahl der Sterne des Haufens entsprechende Zahl von Körnern irgend einer pulverisirten Substanz von einer gewissen Höhe auf eine horizontale Ebene herabfallen läfst, so vertheilen sich dieselben annähernd nach der Diehtigkeitsabnahme wie sie der Sternhaufen zeigt. Gleichzeitig aber weist der so erhaltene künstliche Sternhaufen leere Stellen und sieh abzweigende Arme auf, welche durchaus dem Anblicke, den der Hercules- sternhaufen bietet, entsprechen. Die Ähnlichkeit wird zuweilen so frappant. als ob man die Körnchen nach der Zeichnung geordnet hätte. 32 J. SCHEINER: Ähnliche Gruppirungen und Figuren, wie sie dureh die Sterne des Sternhaufens gebildet werden, kann man übrigens auch an fast jeder einigermafsen sternreichen Stelle des Himmels finden. Ich kann mich daher den Bemerkungen des Hrn. Holden') über die Structur des Sternhaufens als einer besonderen, und über die Deutung der leeren Stellen als »Kraftcentren« nicht anschliefsen. Hr. Holden hat die Güte gehabt. mir auf meine Bitte hin Copien seiner Aufnahmen des Stern- haufens zuzusenden, und eine sorgfältige Vergleichung dieser mit dem grofsen Refraetor der Lick-Sternwarte aufgenommenen Photographien mit der meinigen hat in allen Theilen eine vollständige Übereinstimmung er- geben, sodafs die Verschiedenheit unserer Auffassungen nicht auf einen Unterschied des Aussehens der Photographien zurückzuführen ist; diese Verschiedenheit beruht allein darauf, ob man die Figuration innerhalb des Sternhaufens als gesetzmäfsige oder als zufällige ansehen will, d.h. als solche, deren Gesetzmäfsigkeit wegen völliger Unkenntnifs der obwaltenden Umstände von uns nicht erfafst werden kann. Von besonderm Interesse ist dagegen das Verhalten des Nebels im Haufen zu den Sternen selbst. Während das Innere des Haufens vollständig mit Nebel erfüllt ist, zeigt der letztere sich weiter nach dem Rande hin nur als Begleiter von Sternen oder Sterngruppen; es kommen hier Sterne vor, welche zweifellos mit mächtigen Atmosphären wie die sogenannten Nebelsterne um- geben sind. Ferner sind kleinere Nebelflecken vorhanden von fast gleich- mäfsiger Helligkeit, ohne merkliche Verdichtung, bis zu deutlichen Nebel- knoten von unregelmäfsiger Form. Es scheint mir keine Frage, dafs das System Objecte vom einfachen Nebel bis zum völlig ausgebildeten Stern in sich schliefst, und dafs dasselbe noch verhältnilsmäfßsig sehr dichten Nebel enthält, und dieser Umstand läfst nach zwei Richtungen hin Schlüsse zu, die ich aber nur mit allem Vorbehalte ziehen will, dafs nämlich das System sich noch in einem relativ frühen Entwickelungsstadium befindet, und dafs die Sterne desselben thatsächlich näher zusammenstehen, als z. B. in unserm Sternsysteme, weil sich die Atmosphären noch gleichsam berühren. Es ist daher, wie schon bemerkt, denkbar, in absehbaren Zeiträumen systematische Bewegungen der Sterne zu erkennen. !) Publ. of the Astronom. Soc. of the Pacific. Vol. III Nr. 19. Der grofse Sternhaufen im Hercules Messier 13. 33 Ich habe noch versucht, die Lage des Schwerpunktes des Stern- haufens zu ermitteln. Der geometrische Schwerpunkt der uns sichtbaren Projeetion des Haufens, d.h. das Mittel aller Sterne, fällt nur dann mit dem wirklichen zusammen, wenn symmetrisch um den Schwerpunkt herum die Sterne mit verschiedenen Massen gleichmäfsig resp. nach dem Zufall ver- theilt sind. Diese zunächst der Bestimmung zu Grunde gelegte Annahme ist diejenige, welche a priori am wahrscheinlichsten ist, eine strenge Prüfung ihrer Richtigkeit würde aber nur dann möglich sein. wenn die relativen Massen der Sterne bekannt wären. Eine für praktische Zwecke genügende ist indessen schon dann gegeben, wenn unter starken Variationen der den einzelnen Sternen zu gebenden Massen oder ihrer bei der Schwer- punktsbestimmung zu benutzenden Gewichte keine starken Veränderungen in der Lage des Schwerpunktes herauskommen. Die Lage des geometrischen Schwerpunktes aller Sterne ergibt sich in Bezug auf den nur mit Rücksicht auf möglichst isolirte Stellung und normales Aussehen ausgewählten Normalstern zu + 375 in AR. und — 95 in Deel. Getrennte Schwerpunktsbestimmungen für die Sterne verschiedener Helligkeitsstufen führen zu folgenden Werthen: Stufe | Coordinaten des Schwerpunktes Zahl der Z l 5 Sterne 1 | — 80 —15'8 142 2 | — 14.0 — 3.9 144 3 | + 3.7 — 2.1 202 4 | + 28.6 | nal 120 5 + 17.5 15:8 76 65 =. 11.3 —16.,5 61 TE ah] + 21.8 — 26.2 48 Es sind bei diesen Ermittelungen ausgeschlossen worden die beiden Sterne, deren Gröfse mit 10 bezeichnet ist, sowie alle diejenigen Nebel- knoten, für welche keine Gröfse zu schätzen war. Es ist also eine Reihe von Objeeten in die Untersuchung aufgenommen, welche keine Sterne, sondern nur Nebelflecken sind; es mufste diefs geschehen, weil eine scharfe Trennung derselben nicht möglich ist. Diese Unvollkommenheit dürfte indessen ohne wesentlichen Einflufs sein, wenn die Vertheilung der Nebel- tlecke ebenfalls eine zufällige ist, besonders da sie nur in der Nähe der Mitte vorkommen, also mit verhältnifsmäfsig geringem Gewichte eingehen. Die Abweichungen der obigen 7 Schwerpunktsbestimmungen von ein- ander sind recht beträchtlich. besonders in AR., und würden, sofern sie reell sind, eigentlich das Unrichtige der ersten Annahme beweisen. Es ist Math. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1892. 1. 5 34 J. SCHEINER: jedoch zu bedenken, dafs die Gröfsenschätzungen sehr verschiedener Stellen des Haufens zeitlich mehr als 14 Tage auseinanderliegen, dafs also die obigen Werthe nur dann nahe verbürgt werden können, wenn meine Auf- fassung der Grölsen während des ganzen Zeitraumes der Messungen constant geblieben ist. Besonders gilt diefs für die Coordinate «. Für die Stufen 4 und 5 ist aber z. B. meine Auffassung bestimmt nicht eine constante gewesen, indem ich anfangs mehr dazu geneigt war, 3 anstatt 4 und 6 anstatt 5 zu schätzen als später. Die Abweichungen der Sehwerpunktsbestimmungen für die verschie- denen Gröfsen dürfen daher nicht allein einer unsymmetrischen Massenver- theilung der Sterne zugeschrieben werden. Natürlich wird durch diese Be- merkung der Werth der Schwerpunktsbestimmung überhaupt vermindert. Da die Entfernung der Sterne des Sternhaufens von uns als die gleiche angenommen werden kann, so ist der Helligkeitsunterschied der Sterne aus- schlie(slich auf die verschiedenen ausgestrahlten Liehtmengen zurückzuführen und damit unter gewissen. gleich noch etwas genauer zu präcisirenden Vor- aussetzungen auf die verschiedenen Massen der Sterne. Man wird sich daher der dynamischen Schwerpunktsbestimmung schon etwas mehr nähern, wenn man jeder der 7 Abtheilungen das gleiche Gewicht ertheilt,. weil alsdann die geringere Anzahl der helleren Sterne durch die gröfsere Masse etwas ausgeglichen wird. Man erhält unter diesen Voraussetzungen als Lage des Sehwerpunktes in AR. + 5/5, in Deel. — 1275. Schliefslieh habe ich eine noch speciellere Gewichtsvertheilung durch Einführung hypothetischer Massenverhältnisse vorgenommen. Ich nehme an, dafs die sämmtlichen Sterne des Sternhaufens die gleiche Flächenintensität und die gleiche Dichtigkeit besitzen. Hiermit ist eingeschlossen, dafs sie alle der gleichen Speetralelasse — la — angehören. Es ist dann die Intensität J des Sternenlichtes proportional dem Quadrate des Radius r der Sterne, während ihre Masse der dritten Potenz von r proportional ist. Unter Zu- grundelegung der früher ermittelten Sterngröfsen ergeben sich dann als rela- 3 3 . ” : > u,L a 2 2 tive Massen für die einzelnen Stufen, nach der Formel m, : my = J : J: Stufen Masse l l 2 1.8 3 2.6 4 3.5 b) 4.7 5 6.0 7 v: Der grofse Sternhaufen im Hercules Messier 15. 35 Gibt man nun den einzelnen Schwerpunktsbestimmungen Gewichte gleich den Produeten der Anzahl der Sterne in die Masse, so erhält man Gewichte, welche vielleicht schon nach der entgegengesetzten Seite wie bei den vorigen Annahmen von der Wahrheit abweichen. Man erhält dann als Scehwerpunktscoordinaten in AR. + 8/1, in Deel. — 120. Es zeigt sich also das vorher Erwartete, dafs sich trotz sehr starker Gewichtsverschiedenheiten doch stets nahe dieselben Endwerthe ergeben. Ich bleibe daher bei dem Resultat der ersten Annahme, als der einfachsten und am wenigsten hypothetischen, stehen und nehme als Coordinaten des Schwerpunktes an + 375 in AR. und — 975 in Deel., woraus der Ort des Schwerpunktes für 1891.0 folgt: 16" 37” 47:1 + 36° 40’ 13”. Die Mitnahme der beiden mit 10 bezeichneten Sterne unter Berücksichtigung ihrer Massen würde diese Bestimmung um ungefähr eine halbe Bogensecunde ändern. Die besseren unter den bisher erlangten Ortsbestimmungen des Objects geben im Mittel 16° 37” 46°6 + 36°40’ 2” für eine etwa 30 Jahr zurück- liegende Epoche. Der nicht unbeträchtliche Unterschied in Deel. entspricht dem Umstande, dafs die Maximalhelligkeit, auf welche sich die Pointirungen bei Beobachtung des Objects im ganzen naturgemäls beziehen müssen, etwa 10’—15” südlicher liegt als der hier abgeleitete geometrische Schwerpunkt. — Fast alle diehten Sternhaufen erscheinen wie Messier 13 als kreisrunde Scheiben, und es ist daher die Annahme am plausibelsten, dafs ihre wirkliche Gestalt die Kugel ist. Schon Secechi. der diefs als selbstver- ständlich annimmt, bemerkt. wie oben erwähnt, dafs die Dichtigkeit bei Messier 13 in der Mitte stärker sei, als nach der Projeetion einer Kugel von gleichmäfsiger Dichtigkeit auf eine Ebene resultiren würde. Seine weiteren Angaben, dafs die helleren Sterne sich wesentlich am Rande des Haufens befänden, und dafs die wenigen in der Mitte nur auf letztere projieirt erschienen, indem die hellen Sterne gleichsam nur einen Mantel um den eigentlichen Sternhaufen bildeten, ist hinfällig. da gerade umge- kehrt die helleren Sterne hauptsächlich in der Mitte vorhanden sind. Um zu prüfen, wie stark die Dichtigkeitsvertheilung «des Sternhaufens unter Annahme der Kugelgestalt von einer gleichmäfsigen abweicht, habe ich, vom Schwerpunkte ausgehend, 6 concentrische Kreise gezogen, welche die Bedingung erfüllen, dafs die Inhalte der diesen Kreisen zugehörenden 5* 36 J. SCHEINER: und die Kugel durchdringenden conaxialen Öylinder von der Mitte aus gerechnet den Zahlen von 1 bis 6 proportional sind. Dann entsprechen die durch die Kreise begrenzten Ringe im Sternhaufen gleichen Inhalten in der Kugel. Bezeichnet man den Radius der Kugel (6) mit R, den Radius eines solchen Cylinders mit r, seine Höhe mit A, so ist der Inhalt- des ersten Cylinders gegeben durch 3 ir u —_ YVR? = 72)? pieresle je n m) 2 VRR? 72 ol ei YER+ VER). Hiernach erhalten die Radien der 6 Kreise die folgenden Werthe in Bogenminuten, und die Zahl der in die Cylinder fallenden Sterne beträgt: 5ol 132 66 58 38 Sl. Theilt man den ersten Cylinder noch einmal in zwei Hälften, so folgt: r,=14 337 n=2.0 164. Bei gleichmäfsiger Dichtigkeit mülste für jede Abtheilung die gleiche Zahl der Sterne resultiren. Es ist also klar, dafs die Dichtigkeit im Innern eine aufserordentlich viel gröfsere ist als nach dem Rande zu, doch habe ich es bei der Unsicherheit der Zahlen vorgezogen, keine weiteren Unter- suehungen über das Gesetz der Diehtigkeitsabnahme anzustellen. Dieselben würden auch aus dem Grunde unsicher bleiben, weil in der Mitte des Haufens die schwächeren Sterne wegen des Nebels nicht sichtbar sind, die Mitte also noch. in unbekanntem Mafse, diehter ist, als die gefundenen Zahlen angeben. Um zu ermitteln. wie viele der Sterne wahrscheinlich sich nur zufällig auf den Sternhaufen projieiren. habe ich eine Abzählung aller Sterne in dem dem Sternhaufen zugehörenden Quadratgrade. welche die Helligkeit 1 bis 10 besitzen, vorgenommen. Danach ist anzunehmen, dafs 27 der vermessenen Sterne nieht zum Haufen gehören. ,y- Der grofse Sternhaufen im Hercules Messier 13. 31 Katalog der gemessenen Sterne. Die im Kataloge gegebenen rechtwinkligen Coordinaten der Sterne beziehen sich auf den nahe der Mitte gelegenen Normalstern. Die Bedeutung der Columnen ist nach den vorhergehenden Auseinandersetzungen klar. Ist auf einer Platte ein Stern zufällig zweimal gemessen worden. so befinden sich die beiden Positionen ohne weitere Bemerkung untereinander. In Fällen. wo auf einer Platte beide Componenten eines Doppelsternes gemessen sind, während auf der anderen Platte die Mitte beider eingestellt ist, sind die beiden Positionen durch eine | verbunden. Eine ( ) bedeutet, dafs die betreffende Messung bei einer Revisionsbeobachtung erhalten worden ist. Die Reduetion dieser Messungen ist nicht so strenge durchgeführt wie bei den eigentlichen Messungen. In Betreff der Bemerkungen ist Folgendes anzugeben: »unsicher« bedeutet unsichere Messung, meistens wegen Schwäche oder Verwaschenheit des Objectes: ? bedeutet fragliche Existenz, vielleicht zufälliges Fleckehen von runder Gestalt: »deformirt« ist angewandt. wenn durch falsche Ablagerung von Silberkorn oder durch ein nicht als solches zu erkennendes Fleckehen ein sonst als Stern zu bezeichnendes Object ent- stellt ist: »Fleekehen stört« ist angewandt, wenn die Deformation mit Sicherheit auf ein Fleckcehen zurückzuführen ist: »neblig» bezieht sich auf einen runden Stern mit stärkerer Verwaschenheit, als ihm seiner Gröfse und dem umgebenden Nebel nach zukommen könnte; »Nebelknoten« ist in vielen Fällen dasselbe, nur angewandt, wenn der Kern nieht absolut rund erscheint: in vielen anderen Fällen ist mit Sicherheit zu erkennen, dafs kein Stern, sondern eine neblige Verdichtung von unregelmäfsiger Form vorliegt: »diffus« bedeutet ein Objeet ohne sichtbare Verdichtung nach der Mitte, das also möglicherweise ein Nebel sein kann; »Strieh stört« ist beigefügt, wenn ein Stern gerade auf einem Striche des Gitters liegt. 38 J. SCHEINER: N. Ac As ee Grösse Bemerkungen 1 II I II nn I II 10616230974 +2’ 35’05 | 3 13.0 2 | -6 30.65 | +2 22.62 3 13.0 31-6 10.95 | —1 234) 1 14 Ar 6, 253511 +2 22.93| 3 13.0 515 3917139716 || +1 18.341 18.961 2° 21 135 6| —-5 21.12| 21.14 +2 45.19) 45.301 1 1| 14 ? 71-5 844| | +5 33.77 | 10 (T | sl 5 6731| | —3 54.78 2 13.5 9-5 665 |-4 32.% 3 13.0 101-5 229) 2.111 +1 35.66| 35.78] 3 3| 13.0 11 | —4 59.48| | —3 45.59 1 14 Fleckchen stört 12 | -4 57.85| 57.62| +0 1.85| 1.64| 1 .1| 14 ? 13 | —4 44.44| 44.14|| +1 46.86 | 46.84| 3 2| 13.0 Fleekehen stört 14 | —4 43.89| 43.61] —2 0.70 017| 4 3, 12.8 152% 36.74 | 36.3 | —2 55.31 | 552 282011355 16 | | 36.42 l 14 |? 17 41.52| 4149| 2 2| 13.5 | deformirt | 18 36.80 | 36.94| 3 2| 13.0 Fleckehen stört 19 8218| 7725215212 213:5 | 20 54.28 | j 14 21 44.87 | 3 13.0 22 34.74 | 1 14 23 58.40 | 1 14 [unsicher | 24 34.00 | 34.901 2 —| 13.5 diffus 25 17.22 | 1 14 36 14.93| 15.64| 2 1| 13.5 27 13.22 | 13.14] 5 5| 12.7 |n. norm. Aussehen 28 49.44 1 14 29 10.82 1045. 9° 74 12.7 30 16:8H EL715,1 3 21130 31 2821| a7| 2 ı| 1835 | 32 5428| 53.98] 12714 I? 33 10.10 | 10.07 | 3 _ 4| 13.0 34 8.99) 9.06] 3 3) 13.0 35 38.05, 37.83] 3 2| 13.0 36 = 0.15 59.80] 2 31 13.5 37 5 58:02 158.141 2 317135 38 € 6.85 | 1 14 sau: 4241 1 14 |? 40 | —3 40.20| 40.21|| +3 15.20| 15.25] 2 3| 13.5 41 | —3 36.60 +0 17.35 1 14 ? a2 Fa 3228] +2 3.79| 2 13.5 43 | —3 28.66 | 29.09|| +0 15.97 | 16.27] 4 4| 12.8 44 | —3 26.21 | +0 20.18 1 14 45 | —-3 25.06 | — 20:82] j 14 ? 46 I —3 24.14 | 24.04| +2 40.95| 41.101 2 2| 13.5 47 1 —3 21.14| 21.63] +2 27.60 | 27.69| 6 6| 125 48 | —3 18.49 | 18.42 —2 19.18| 18.99| 6 6| 12.5 49 | —3 17.09 —2 26.58| 3 13.0 50 | —3 1421| 1415| +0 23.41) 2326| 2 2| 13.5 Der grofse Sternhaufen im llercules Messier 13. Gröss.- Nr N AS Schätz. | Grösse Bemerkungen je I m sm I II | | | 51 | -3° 11771 | 1058| -— &72| 29Il6 5| 125 52 | -3 10.78| 11.33] —2 30.40 | 3031| 3 2| 13.0 53 | —3 10.05| 10.00 +1 48.17|48.11| 2 3| 135 54|-3 631) 6355| +2 25.18) 25.32| 2 2| 135 551-3 107| 1.73 —0 4092| 41.05| 2 3| 135 56 | -2 5227| 53.04) -5 0.08| 5986| 3 3| 18.0 | Duplex? | neblig 57 1-2 50.84 +0 46.78] 1 14 | ö 58 | —2 48.83] | —1 33.57 | 2 | 13.5 | 591 -2 48.71 | +1 59.95 2 13.5 | 601-2 47.58] —4 24.73| 2 13.5 | 61 | -2 45.19 | |—2 21.14 | = — | Nebelknoten | 6&|-2 4362| 83.65) #1 021| 5998| 3 | 13.0 63 | -2 40.15 | 40.201 +0 10.23| 1041| 6 6| 125 64 | —2 38.62 | 38.49) +0 54.38 | 54.66 | 2 1) 13.5 65 | -2 36.88) 37.28] +0 22.02| 22.00| 2 1| 135 66 | -2 35.95 1198| 1 14 | 67 | -2 3445| +4 32.24 | 2 | 13.5 | 68 | —2 33.12 +6 6.81| 3 13.0 69 | -2 30.00 | 29.99) —4 49.72| 4992| 2 2) 13.5 |deformirt | 701 —2 29.23) 29.27 || +2 4.72| 4.561 2 1, 135 unsicher I} 71 | —2 29.17| 29.64 +0 50.24| 4946| 2 1) 13.5 |Duplex? 721-2 29.12| 29.36 —2 22.81| 22.775 5| 127 731-2 26.29| 26.38|| —0 57.83| 57.65| 3 2| 130 74 | —2 25.64| 25.57| —O 46.46| 4630| 4 4) 12.8 | 75 | —2 24.90| 24.66 || +2 11.75 | 1873107 1 1| 14 | unsicher 761 —2 24.49| 24.07 | —0 17.14| 1686| 3 3) 13.0 | deformirt | 771 —2 23.12| 23.30|| —O 56.24 | 56.00] 2 2| 13.5 73 | —-2 22.60| 22.16 +3 10.98| 1082| 2 2| 135 73 | -2 22.28| 2249| —o 21.511 21.47] 3 3| 13.0 80 | -2 20.11 | 19.85) +0 21.87| 22.33] 3 2| 13.0 | | 81 | -2 19.22| 19.26 —0 13.90| 1434| 2 ı| 135 Ba az —1 22.48 3 13.0 | 831-2 16.12| 15.961 -1 075| 0455| 2 2| 135 | 8 | —2 15.43 | 15.61) +0 19.69| 20.14| 1 1) 14 | neblig, unsicher 85|-2 1415| 1423| +1 46.59| 46.84| 2 1| 135 86 | 2 13.71| 13.90 —2 18.16| 1845] 3 2| 13.0 871 —2 13.64 | —1 41.19] 1 14 neblig 88 2 8533| | +3 49.41 | 1 14 891 —2 7.85| +0 16.29 | | 14 |[neblig? 9|-2 5.49) | +4 22.93] 1 14 9ı|-2 539| 5534| +3 887| 8834| 3 3| 130 gaule 9.1597 | +4 5.38 4 12.8 931-2, 458| 443| -1 15.10| 1471| 3 4| 18.0 9a 9 49 | —1 36.85 3 13.0 | neblig 95|-2 3.78| —0 38.31 1 14 %|-2 347| 336| -3 14.52| 1467| 4 2| 128 | Nebelknoten 9a =2 2:95 +2 36.01) j 14 9821 2 2EN05 —3 19.69 2 13.5 | Fleekehen stört 991-2 040| 050| +3 17.45| 17.551 3 2| 13.0 1001-2 0.38 | —2 16.80 | 1 14 39 40 J. SCHEINER: Nr Are No Es \ Grösse Bemerkungen I ul I U N 1 I II ] | 101 | — 1’ 58:90 | || +0’ 49786 | 2 13.5 102] —1 58.87 +0 45.89 1 14 10311 — 1.57.23 5284| 12 52:83 534161. 618 51111225 104| —1 56.27 | 56.05 —2 18.89| 19.13] 3 2| 13.0 1051 — 156.22) —0 34.74 | 5 12.7 106] —1 55.28 | | +3 3173 2 13.5 55.13 | 31-55 | 3 13.0 | | 107 54.77 | 54.77 | +2 16.83 | 16.94| 3 3| 13.0 \ deformirt 108] —1 54.66 | 55.33|| —1 36.26 | 36.09[| — 1| — |Nebelknoten |? 109| —ı 53.63| 53.82| —ı 52.14] 5198| 6 6| 125 110| —1 53.52| 53.21 || +2 22.23 | 22.65] 4 4| 12.8 | 111| -ı 53.28) 5354| -0 491| 4371 3 3| 130 | 112 = 17 51.811052:09 — 2732503259174 2 3 21228 1131 —1 50.92 | 50.49 +0 423| 480] 3 3|.13.0 ‚ Nebelknoten, gross, 114] —1 50.33 5071| +0 56.33 | 55.45] — 1| — | Nebelknoten? \ länglich. 115] —ı1 49.95 | 50.02|| +0 11.45 | 11.50] 5 5 116| —1 49.67 | 49.31 —O 50.43| 5062| ı 2| 14 117| 1 49.64| 49.86| +0 4831| 4861| 3 2) 13.0 |neblig | 1181 —1 49.04 | 4911| #1 055| 0.76| 4 2| 12.8 neblig 1191 —1 48.09| 48.30 —1 44.23 | 44.24| 3 2| 13.0 deformirt 120] —1 48.05 | 48.39 | — 1 35.17) 35.70] 1 1| 14 | 121| —1 46.94) | +0 38.76 3 13.0 |neblig 122] —1 46.61 | +0 33.25 nl 14 |neblig 123] —1 45.61 |+2 17.74 1 14 124] —1 45.53 | 45.87 || +0 53.78| 53.72] 3 3| 13.0 |neblig | Nebelknoten 1255| —1 4549| 45.55|| —3 13.99| 14.26] 2 3) 13.5 I Fleckehen stört | 126] —ı 4252| 42.631 +1 459| 4.84| 5 3| 12.7 |neblig 127| —1 40.36 | 40.72 +0 39.02) 39.24| 6 6| 12.5 Ineblig, Strich stört | von Nebel umgeben 128| —1 39.25 | 0 45.78 1 14 |? 129| —ı1 37.52| 37.16 —O 16.60 | 15911 5 6| 12.7 | Strich stört 1301 1 3704) 37081 37 564 89 7 er 24 131| —ı 36.74) 36.36) —ı 31.11 | 31.01| 5 4| 12.7 (Strich stört 36.65 | | 31.27 | 4 | 12.8 | Strich stört 132] —1 35.38 | +0 6.24 1 | 14 133] —1 34.85 — 1] 53.53| 2 135 | 134] —1 33.92 | +0 44.70 1 14 Ineblig? 135 | —1 33.69 | | —2 13.05 | 2 13.5 136] —1 33.09 +0 11:33 3 13.0 1371 —1 32.66 | +0 19.52 1 | 14 1381 —1 32.40| 32.95| —1 41.13 | 40.77 | 1 1 14 139| —1 3238 +3 8.34 | 1 14 |? | 140] — 1 30.35 | +0 40.61 | — — | Nebelknoten | 141| —1 27.77 | 27.50| +0 59.46| 60.06| 3 2| 13.0 142| —1 26.28) 2664| —O 43.24| 4301| 2 2| 135 143] —1 24.31) 24.31) —0 39.99| 40.44| 5 4| 12.7 |neblig Fleckehen stört 144| —ı 24.19| 24.021 +0 328) 312| 2 2| 135 1455| —1 23.00, I -0 9.34 1 14 | 146| —1 22.72 IE 021372) 1 14 147| — 1 22.66 7 10252:5)| 2 , 13.5 | Nebelknoten? 148 | — 1 22.06 | 22.51) —1 4356| 43.32]10 9) 11.7 | deformirt deformirt 149| — 1 22.00 | \+1 22.96 178 1714 | 150| —1 21.99 | |-1 802 1 | 14 | Math. Der grofse Sternhaufen im Hercules Messier 13. 41 31788 | 21.84 31.81 21.56 |21”67 21.28 21.21 19.77 \ 19.65 19.56 19.06 | 19.26 18.67 | 18.67 17.81 | 17.38 17.19 17.02 | 16.34 16.30 | 16.39 16.27 | 16.00 | 15.85 15.92 | 15.46 14.76 | 14.60 14.65 | 14.84 14.49 | 14.47 14.14 14.08 | 13.97 13.05 | 13.54 12.06 11.98 11.89 12.24 11.44 11.14 | 11.35 10.65 \ 10.68 10.47 | 10.72 9.79 | 9.83 8.85 | 9.08 7.56| 7.58 7.36| 7.34 7.35 | 6.69 7.16) 6.64 | 6.48 6.41| 6.63 6.25| 6.26 6.05 | 5.64 5.78 | 5.93 5.67 | 5.88 5.51) 5.42| 5.53 5.32 | 4.94 5.28| 4.92 4.69 | 5.10 3214| 2.75 2.61 2.14| 1.82 37'19 As 57.61 2.19 15.16 31.94 2.78 38.52 40.77 33.91 6.26 0.04 323 24.62 14.50 12:12 24.16 4.76 0.70 46.66 36.14 20.39 38.52 37.86 37.91 0.67 14.90 De So RE 46.67 11.61 20.99 16.12 11.96 9.82 59.90 18.91 11.82 14.74 6.10 8.03 | 15709 0.74 15.13 44.79 22.28 1.45 8.51 13.72 13.39 8.35 31.02 53.09 26.04 22.79 47.61 11.62 20.45 16.12 9.48 60.06 18.62 11.53 14.93 7.65 Gröss.- | Schätz. vwo| mw HOoOemme van Mu or ES EIU] 3 1 1 1 3 7 vD| se voovAa Aamnmuı wor mo u u ul zuN [BES] 251] » om nn w Ha Da SuZuN Grösse [6 ESIRSN OX Swmwo a wio® | o St Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1892. Nebelknoten ? Nebelknoten Duplex ? neblig neblig Strich stört neblig neblig Duplex oder Nebel- | knoten Nebelknoten ? Nebelknoten Duplex Nebelknoten deformirt Duplex Bemerkungen | | | | deformirt | Fleckehen stört | | Duplex | Strich stört | | neblig ‚neblig oder diffus neblig | nebli Nebelknoten neblig neblig \ Duplex, neblig nächster Stern stört | Ih 0.56 0.21| 0.25 59.68 | 59.95 59.40 | 59.27 58.79 | 57.86 | 58.54 57.78 57.63 | 57.50 56.92 | 55.81 | 56.06 56.05 55.76 | 55.98 55.46 | 55.53 54.62 | 54.62 54.48 53.92 | 54.02 53.33 | 53.72 53.18 | 53.06 53.14 | 52.78 | 52.83 52.99 52.87 | 52.77 50.91 52.29 | 52.21 52.09 | 51.67 |51.3 51.50 | 52.1 51.27 | 51.66 50.40 | 50.39 48.68 | 49.69 47.67 | 46.74 46.25 | 45.76 46.10 45.46 | 44.91 45.37 | 45.29 45.18 | 44.83 44.99 ; 44.34 |: 44.42 44.30 43.64 42.51 41.48 | 40.83 40.67 40.39 40.33 | 40.10 40.32 | 40.13 40.04 | 40.35 | 38.32 39.54 | 39.03 39.54 | 39.28 ln NDS Doıoo oo wo Sı@ = & [897 Humv I1cCTcCem-oaon QIOn | 48.04 41.36 34.49 59.48 0.60 | 16.14 34.91 31.39 0.15 12.40 | 58”17 58.05 ı 48.92 | 4.62 23.19 29.39 2.99 6.89 6.94 | 22.89 51.25 13.96 2.99 28.64 | 54.52 13.06 \ 13.30 50.07 18.08 3, 44.79 47.68 41.31 34.23 60.03 0.19 16.18 30.64 \ 0.10 12.63 7.55 15.66 56.14 3 | 39.31 37.3 40.79 | 51.07 3.91) 5.25\ 29.38 56.85 Gröss.- Schätz. I |Grösse 1 2 2 3 31.130 3 2930 En „Tal, FEB 3 7129130 1 | 14 ZEN | 12.4 2 | 13.5 a8 | 13.0 3 | 927 ls 3 1135 4 3758 2 | 135 7 '5| 004 3 21 15/0 2 2.435 > 5455 2 | 1 14 1 | 14 2 2| 135 3 57 930 3 | 13.0 3 3| 130 3 MM | 10 6 5| 125 3 3) 130 3 3, 130 is 6: 5 | 128 1 | 14 67 25 12.5 N 2 2) 135 4 A| 22.8 6 5| 125 1 14 3 13.0 5 ao A300 A 3a OR 2 135 1 14 3 13.0 6 510725 A 2 2)| 135 2\| a 2328 6 5 12.5 Bemerkungen Nebelknoten Nebelknoten Duplex Nebel? Duplex oder Nebel- knoten Nebelknoten ? Nebelknoten 9 Nebelknoten ?, Duplex ? neblig | Nebelknoten Nebelknoten diffus | Nebelknoten Nebelknoten Nebelknoten , Fleekehen stört Nebelknoten Nebelknoten Nebelknoten | neblig \ neblig neblig Duplex ? Nebelknoten | | | I | | | | | | (Duplex | | Der grofse Sternhaufen üm Hercules Messier 13. 43 Sera | Grösse Bemerkungen EAN u T I I ’ 38"30 | 38”17 5. 36 | az | 38.15 | 38.33 U NE DA |neblig | 3 \ 13.0 | | 37.77 4451 | 37.69 3, 241 03:0 deformirt 37.16 .9: 4 4| 12.5 |nebliger Ansatz | 37.00 .99 | 3 — | 1830 j | Nebelknoten ? .08 | 6 | 21225 | 36.18 .65 3 33 13:0 36.20)| (36.04) .32)) 36.37 | 36.12 85 3.2) 13.0 [| Nebelknoten ? | Nebelknoten ? 35.80 | 36.39 4 4| 12.8 |neblig neblig 34.98 | 34.87 3 2| 130 i | Nebelknoten? 34.77 | 2 A385, | 34.37 6. 352128, 34.30 3 13.0 | 34.14 2 13.5 33.05 l | 14 | 33.01 32.9 .06| 442| 6 6| 125 | neblig 32.88 | 33. 0 5002| 3 2| 13.0 neblig BZ 32: 2779| 27.801 5 4) 12.7 |Strich stört 32.60 27.82 5 | 12.7 | Strich stört | 32.67 30.90) 31.311 2 1 13:5 | 31.53 2458| 2121 4 4| 128 nebliger Ansatz, 30.99 37.58| 38.06| 4 _ 2| 12.8 unsicher 30.47 | 16.93| 16.74| 7 6| 12.4 neblig 30.39 57.35 | 3 | 13.0 [neblig 30.02, 29. 53.54 | 53.69| 3 1| 13.0 [neblig | Nebelknoten 28.85 32.04 | 6 12.5 Jin dichtem Nebel 48.92 4 | 12.8 |neblig | 27.98 58.14) 5795| A 4| 12,8 29.25 6 12.5 Jin diehtem Nebel 28.16 0278 6,225 01285 nebliger Ansatz ) 4481| 4 12.8 27.13 D 42.61 3 4| 13.0 Ineblig Duplex 2 17.09 1 14 | | 26.23 7.84 3 ..3| 13.0 I Nebelknoten | diehter Nebelknoten | 24.98 54.48 3 2| 13.0 [neblig Nebelknot., unsicher 24.53 38.41 | 7 6| 12.4 Ineblig 24.25 5 12.04 | 6, 4 21235 | 21.39 | 2 13.5 23.49 0 35.91 | 35.6 7 61284 £ 19.74 5 127 2: 18.41 | 2 125 2: 24.01 47.47. A731 1 21 14 2% 0 2.69 | 5 12.7 Ineblig | 227° 11.23 30° Est) | 296| —O 21.84| 21.88|| —2 13.96 | 13.92| 7 6| 12.4 |neblig | 2971 —0 21.81 | 22.05 || —O 17.97 | 18.01] 3 _ 3| 13.0 | Nebelknoten ? | 2981 —O 21.77 | | — 1.37.28 1 14 | 299] —O 21.67 | +4 26.34 2 13.5 | 300] —0 21.25 3 13.0 | I +0 6.9 | 44 J. SCHEINER: N. Ser Grösse Bemerkungen | | | 3071 —.0° 2116 | 21710) —.0/ 43:03.) 43.2377 3 37350 21.04 || 43.35 3% 302| —0 21.07 20.95 | —2 49.51 al | 3031 —0 21.04 | 20.68 | —O 54.93 54.65 | 3 3 | 13.0 | Fleckchen ? ; Duplex? 304] —O 20.82 | 20.52 | +1 16.60|17.49 | 1 1 14 unsicher 305 | —0 20.70 | 20.12 | —O 20.84 121.13 | 3 2 | 13.0 | unsicher | | | 306| —0 19.78 | E31 97221 1 14 | 307] —0 19.40 | 19.96 | +0 383.09| 7.69] 4 3 | 12.8 | Nebelknoten? neblig 308] —O 19.24 |19.16 | —O 12.98 | 13.01 | 3 3 | 13.0 | Nebelknoten Nebelknoten 309] —0 19.17 | 19.24 | —0O 8.07| 830] 3 4 | 13.0 | Nebelknoten Nebelknoten ? 310] —0 19.13 —0 10.10) 3 ‘ 13.0 | Nebelknoten | 311| —0 19.03|18.96 | +2 44.94 4478| 3 2| 130 | 312| -0 1881) 1 27 1 | 14 | 313] —0 18.57 | 18.54 ı—0 3.13) 2.72] 7 7 | 12.4 | Fleckchen, od. m.St. | Nebelknoten? 314] —0 18.26 18.34 | —O 51.06/51.33 | 3 3 | 13.0 |neblig | ee eleor|ı zu — | 12.8 | neblig, länglich neblig 3161 —0 18.03 | 17.85)! #0 55.30 5441| 2 21| 135 Duplex 18.944 55.61 \ 2|| ji Uber 317] —0 17.27 |17.26 | —1 17 04| 16.6901 5 47 11227 diffus 3181 —0 17.16 | 16.81 | —O 42.74 | 42.52 6257141225 319] —0 16.83 17.13 | +2 50.385126 | 2 1| 13.5 | ganz unsicher 320| —0 16.74 | 16.73 | —0 28.59|2870|8 7| 122 Nebelknoten, unsich. | | 3211 —0 15.51|16.05 | +1 1870/18851 4 2| 12.8 Duplex 3221 —O 15.11/15.09 | +1 066! 027 | ı I 323] —O 14.90] | —3 50.85 | ] | 14 324| —0 14.79 | 14.41 | —0 30.57 2928 | 7 6 | 12.4 | Nebelknoten \ Nebelknoten (14.67) (14.36)) (30.55) (29.63) | 3235| —0 14.42 I+0 25.64) = — | Nebelknoten 3236| 0 13.56] | _o 58.87 | 4 12.8 [neblig | 13.51 58.93 3 13.0 |neblig oder mehrere 327] -0 13.27|13.37 | +2 229) 279| 4 2 | 12.8 | Sterne | deformirt 5328| —0 12.83 13.50 | —0 3.49) 2.63 | 4 3 | 12.8 |neblig, unsicher | 329] —0 12.47 12.64 | +0 5.03| 5.97 | 6 5 | 12.5 | Duplex | neblig 330] —0 12.15| 11.71 | —0 43.27 | 42.84 59,16 125% N 3311 —0: 12.13 12.39 | +1 12.551255 | 2 2 | 135 12.01 | 12.41 2 13.5 | 3321 —0 11.94 |13.55 | —0 9.05| 8.77 | 4 3 | 12.8 |neblig oder mehrere länglicher Streifen, (11.38), (12.68) | (9.10), (9.24) Sterne | ganz unsicher 3331 —0 11.62 | 11.76 | +0 55.93 156.32 | 2 1 1235 334| —0 11.36 | +0 35.02 l 14 | 3351 —0 11.05 10.22 | +0 22.39 22.62 | 3 1| 13:0 | unsicher 10.97 | 9.99 || 2242122491 3 2| 130 | (10.10) (22.29) | 336 | —0 10.50 11.45 | +0 43.36 43.18 | 2 2 | 13.5 | Duplex? (10.38)| 11.51 || (43.27)| 43.26 2 ‚ unsicher (11.57) (43.18) 337 | —0 10.38|10.64 | —1 5821573171 3 1 13.0 Nebelknoten 338] —0 10.33 | 10.45 | —0 31.19 31.08 | 7 4 12.4 [neblig | unsicher 339] —0 10.10 | 9.80 | —0 13.98 | 14.03 6 6. 12.5 | Nebelknoten | 9.75 || 13.59 6 3401-0 958, 9.56 | —1 35.85|35.27 | 3 3 | 13.0 |neblig N So | Grösse 3emerkungen I II I I II 3411-0’ 9720 | | -o’ 5216| | 3421-0 9.12 825 | —O 21.34 /21702 | 6 6 | 12.5 | Nebelknoten (8.74) 8.40 || (21.29), 21.09 6 | 3431-0 8.22| 7.87 | +1 883] 867] 3 3 | 130 3441-0 7.97| 7.94 | —1 13.94113.90| 7 7 12.4 3455-0 7.90 | +4 10.59 3 13.0 3461-0 7.46 —0 58.41 | 5 12.7 | 3471-0 7.45 | 7.48 | +0 26.26 126.09 | 2 2 13.5 3481-0 7.42 | —0 48.78 5 12.7 3491-0 7.33| 7.50 || +0 10.24|10.04 | 4 3 12.8 3505—0 7.15) 7.15), +0 14.80 |15.00)| 7 51 12.4 |nebliger Ansatz NDunlax | 7.35] 16.58) 5, IN er 3311 0) 697), 33 | +0 44.13 44.24 |5 4 1227 35211 0776:88 61. 0, 0:82) 0:78.15. 5. | 1287 3531-0 6.64| —.07 34.33\| 4 12.3 | Nebelknoten | 3581-02 629) 6:37 71. 42:23. 42101 3 2 | 13.0 Ineblig unsicher 355|--0 6.21| 631 || +0 37.02|37.75 | 6 6 | 12.5 |nebliger Ansatz | deformirt oder 356|-0 601] 548 || -ı 11.38|10.2| 7 5 | 124 Bebluz 3571-0 5.79| 461 || —O 17.93 19.04 | 5 5 | 12.7 | Nebelknoten | neblig, unsicher (5.50)| (4.18) | (18.17) (18.35) | 358[-0 532| | +1 25.18 3 13.0 | 3591-0 432| +1 21.09 2 13:3 3601-0 3.837 = 2 33.90 l 14 ? 3611-0 3.66 | +0 12.41 4 12.8 | neblig 3621-0 3.66 | | —0 24.76 6 12.5 | neblig | 3631—0 3.55| 3.30.11 —0: 28.79) 28721 5 4 12.7 Nebelknoten 3.51 | 28.79 5 12.7 | Nebelknoten 3641-0 3.47 | 037 2 13.5 | 3651-0 3.43 | 0: 42.75 4 12.8 3661-0 3.41) | +4 56.89 3 13.0 Ineblig 3671I—0 3.29 | | —0 52.15 3 13.0 3631 - 0WAIHFASA N E28 8798.69 3 2 13.0 36911 — 0772:03117°71:98] || +17 -8:63117°8:67°1° 373 13.0 3701-0 1.81| 1.16 | +1 20.08 |20.60 | 3 3 | 13.0 1.36 | | 20.01 3 13.0 3711-0 173) | +0 35.30 3 13.0 3721—0 1.68 | +0 18.72 4 12.8 373]-0 1.39| 1.30 | —0 20.51/19.97 | 7 6| 124 | neblig 3741-0 1.22) | +0 54.08 | 14 ; 3751-0 1.09] 0.90 | — 12 23a 23174, 291228 \ deformirt, unsicher (1.07) 0.97 (1.90) 1.09 3 ‘ deformirt 3761-0 054| 0.65 || 1 53.3915358 | 4 3 12.8 deformirt 3771-0 0.49| |.-3 9.48 2 13.5 378|-0 0.25) | —2 57.45 ) 14 | 3791-0 021|-+0.03 | —0 29.79|28.75]| 4 3| 128 | neblig, unsicher (+ 0.61) | (29 65) 330-0 0.15| 000||-0 535815311 | 6 5 | 125 3311-0 0.09 | -+0.12 | —0 43.45 4327 | 7 6), 124 | +0.07 |\ 453.45 6 32l 0 000) 0001 0 000 0001| 5 5 | 12.7 | Normalstern Normalstern 38535]+0 0.58| —0.37 | +0 27.88 27.96 | 3 3 | 13.0 [grosser Nebel , sehr neblig 384|+0 0.87) 0.831 +0 771| 7.66| 3 2| 130 neblig 385|+0 0.87 0.167) +0 17.66 16.497] 6 il 12.5 ‚(Duplex 0.56 \|) 18.27 46 J.: SCHEINER: Gröss.- Schätz. Bemerkungen 9"14 302 Nebelknoten 5.96 6:8 nebl.od.mehr. Sterne 32.11 Dar Duplex nebliger Ansatz 37.59 A 52.21 2 20.70 4 4 in dichtem Nebel 36.00 De: .7 |nebliger Ansatz \ Nebelknoten 25.75 5 2. | 24.44 3 3. | 3.81 3 3 | Nebelknoten 36.02 3 3. | Strich stört 0.85 3 3 | 18.73 2 13. 27.86 2 13. | 47.50 2 13.5 | neblig | 26.16 5 12. 27.47 3 13.0 | Strieh stört 39.81 3 13. | 17.32 6 12. | a 56.37 | 56.29] 4 12. | 13: 59.59 60.21| 2 13.5 | neblig | 7.4 15.13 | 14.69] 4 12. 7.90 20.29 | 19.59 [| 5 12. ' Duplex ? 8.00 5 12 8.2 1 14 82% 3 13. 2.531 6 12.5 |nebliger Ansatz (2.60) 4 29.34| 7 | 5.64] 3 neblig | neblig 17.531 5 Duplex ? Nebelknoten 12.95] 6 neblig | Nebelknoten 5 neblig nebliger Ansatz 10.00 4 neblig | 10.55 3 neblig 10.73 1 10.88 5 5 | neblig 3 neblig | 4 Strich stört — dunkle Stelle i. Nebel! Nebelknoten 4 neblig unsicher 4 Nebelknoten 4 7 neblig 5 .42 | 2 | 57.31 | 2 | 39.69 € 4 deformirt 45.18 | l Nebelknoten | 10.65 | 10.61] 5 neblig (10.72). (10.59) Der gro/se Sternhaufen im Hercules Messier 13. _ (19.75)| (20.72) Ak I II 14/54 | 15.19: 1551 15.27 15.49| 15.59 15.65 | 15.67 15.91 | 16.07 15.98 | 16.06 17.40 | 17.62 17.59| 17.20 (17.47)| (17.77) 17.59 | 18.52 17.67 | 16.86 17.81 13.08 , 18.35 18.18 | 18.09 18.37 | 18.30 18.82 | 18.49 18.99 | 19.29 19.41) 19.42 | 19.48 | | 19.51 | 20.36 19.69 19.73 19.73 | 19.94 19.75 | 20.89) 20.92 | 21.15 | 20.48 21.17 | 21.57 | 21.41 | 21.41 | 21.63 2.11 | 22.48 (22.28)| 22.14 | 20.69 (21.02) 22.36 | 20.20 (20.55)) 22.47 | 22.82] 22.49 | 22.64 | 22.85 22.96 | 22.87 22.98 | 23.14 | | 23.89 | 23.70| 24.04 | (23.84) 24.68 | | 25.42 | 25.17 35.45 25.81 25.90 | 26.30 26.43 | 26.29) | || wm +0 I = 1211 14.71 | 14722 42.45, 6.20| 6.48 33.26 | 33.46 27.10 | 26.12 17.31 | 16.76 54.31 | 54.22 46.57 | 47.76 (46.81) (46.46) 2.25, 1.94 5.77 | 6.10 8.23 26.25 | 26.35 0.42 | 0.63 21.52 | 20.78 49.03 | 49.43 28.46 | 28.64 12.37 | 37.06 9.45 17.71 | 17.73 5.22 | 5.36 10.27 | 10.31 31.75:|131:93 (31.49) (31.86) 54.62 2.19) 1.45 40.09 | 40.20 29.06 45.90 | 45.73 34.65 34.26 (34.60)\ 11.14 | 10.65 (10.74) 945 8.75 (8.82) 49.43 | 49.43 42.74 43.07 9.39 RSS IT, 34.21 30.54 1.58| 1.14 1.57 | (13) 30.13 56.01 | 56.61 45.36 31.34 24.38 | 23.97 18.48 | 18.15 Gröss.- | Crölse Schätz. | £ Ta I 5 12.7 2 13.5 | 5 —, 12.7 [neblie Nebelknoten 7.2 #7 1994 ‚ neblig 3. a4 | 13.0 | Nebelknoten | 5 4| 12.7 | Nebelknoten Nebelknoten 3 1 | 13.0 | unsicher 2 We deformirt | | 1 1| 14 Nebelknoten |? 2 , 13.5 neblig 1 14 ?Nebelknoten ? an 55 | 12.4 ‚ neblig u 6| 124 | 7 4| 124 7 5|. 124 | neblig 5 KANN ET, 1 | 14 2 13.5 {7 ı 12.4 |neblig, unsicher | l 1| 14 Nebelknoten | unsicher 4 12.8 | 4 12.8 2 sis 3 2|/ 13.0 | deformirt ? 2 13.5 4 —| 1218 | nebliger Ansatz — —| — |Nebelknoten \ Nebelknoten 3 A130 O5) | 12.5 | Duplex? — 6| — |XNebelknoten? (5) | (12.7) 7 6| 124 | 7.6 194 | 4773101288 | Fleckehen stört 5, 31 BjoRT | Nebelknoten 4 12.3 | Nebelknoten 2 mals 2 13.5 | Nebelknoten 6 | 12.5 87761 8 12.2 [neblig | 2. sis | 7. 26101284 2 13.5 4 12.8 8 7 ml282 | Strieh stört 5 5| 12.7 | Nebelknoten | Nebelknoten J. SCHEINER: 1 42.36 | 41.31 44.20 | 43.95 SW nt Dı o ”unwwn >> nr Dow 150) L BSH wDounm Eowo DAUER BDUEOSO am Bemerkungen I l 7.57 nebliger Ansatz 21.71 in dichtem Nebel, |dunkelster Punkt in (21.88) unsicher grossem Nebel, 47.70 | 4 4 | 12.8 | Nebelknoten | ganz unsicher , 47.74 4 | 2 13.5 149.65 | 4 2 | 128 141.27 | 1 1 | 14 |Nebelknoten 2 | 13.5 12931381, 6. 5, 71285 29.45 4 8 | 122 4 2 | 12.8 |nebliger Ansatz -_ 3 | 13.0 a ar 3 alet — Nebelknoten | 4 12.8 3.592103, 022 21310 139.451] — 22| Mitte eines ausge- | Nebelknoten 42.74\ 2) dehnten Nebels, ee 3) unsicher diffuser Nebel 15.93 | 3 3 | 13.0 | Nebelknoten oder Nebelknoten 15.86 3 | Duplex | Nebelknoten | 8741| 4 2| 12.8 | 1497516 5| 125 | 16.33 | 7 6 | 12.4 |neblig | 24.01 Dre 3 12.7 Hub, 3, | RT | .52 | at ||" Br = | 127 | Nebelknoten \ diffuser Nebel 2 IE | 25.54] 7 6 | 12.4 [Strich stört ‚ Duplex 2.6914 2| 128 |neblig 5936| 4 2| 128 | 5 A237 150.7 | — 5 | — [Mitte eines grossen | grosser Nebel 50.35 | Nebels | 32.08 172 6. 94 Nebelknoten, ganz | | unsicher 112.06 | 6 5 | 125 | 1 12.8 | deformirt | 1.925373 | 13.0 Inebliger Ansatz | 5 12.7 | 4 12.8 | Iauss| 5 3| 127 | Nebelknoten | Bu E05 1692| 3 3) 13.0 |neblig | 4 12.5 | Nebelknoten 5 12.7 | Nebelknoten 3 13.0 38.06, 1.1 7271774 +0’ 38/64 | 387 +0 38.86 | 39.29 +0 39.44 +0 39.56 | 39.86 +0 39.65 | +0 39.98 | 40.27 +0 40.34 | 40.00 +0 40.45 | 41.45 (40.69) (41.10) +0 40.48 | +0 40.49 | +0 40.55 | +0 41.49 | 42.00 +0 41.73 | +0 41.86 | 41.75 +0 42.52 | 42.68 +0 42.60 +0 22.82] +0 43.23 | 43.67 +0 43.57 +0 4451 +0 44.92 +0 45.15 | 45.20 +0 45.26 | +0 45.44 | 45.63 +0 45.66 | 46.31 +0 45.94 | +0 46.14 +0 46.76 | 47.35 +0 47.55 | 48.53 || (47.39) +0: 47.95 | 48.35 +0 48.06 | 48.14 +0 48.50 | 48.47 +0 49.50 | 49.20 +0 49.65 | 50.14 (49.46) +0 49.67 | 49.79 +0 49.74 50.02 (49.75) +0 49.92 +0 49.97 +0 50.38 +0 50.94| 51.42 +0 51.86 | 51.57 +0 51.96 | 52.90 52.00 +0 52.35 | 52.3 +0 52.82 53.3 +0 55.42 54.0 11.57 19.16 | 5.46 0.53 56.81 30.89 (30.89) —3 10.79 56.15 | 6.23 10.10 19.54 3.08| 3. 20.63 | 20 ao ES ORSHRONG) uma@%w IRSu- [SUN 19.33 14.40 2.39 40.06 Slalz 40.71 36.64 31.90 27.74 (27.81), 28.05 39.34 15.84 | 59.34 12.43 26.99 31.87 31.98 | 21.28 22.93 Er 28.56 41729 | 14.65 | Pe HE SCES I SCRSCHS,| wow wo Pumpe Daun [Su u DIN wor HmHerce DDe So Naar 0 a1 wo urn ON SCRSH CH ORT IS Nebelknoten neblig Nebelknoten neblig Nebelknoten Nebelknoten Nebelknoten Duplex ? Nebelknoten Duplex Nebelknoten Duplex ? ? Strich stört Duplex? Dupl. od. Nebelknot. Math. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1892. 1. Bemerkungen | I Nebelknoten \ Nebelknoten ? deformirt | I? Duplex oder Nebel- knoten | ‚neblig Nebelknoten Fleckchen stört Nebelknoten neblig Mitte eines Nebels | diffus | nebliger Ansatz Duplex ? 1} | Nebelknoten oder ‘ Duplex \ diffus neblig neblig ‘ 585 586 588 589 590 Sg 592 593 594 595 596 597 598 599 600 601 602 603 604 605 606 607 608 609 610 +0’ 53’81 | +0 54.84 +0 54.89 +0 54.93 +0 55.02 +0 55.35 +0 55.44 +0 56.14 +0 56.66 56.68 (56.32) +0 57.99 +0 58.08 58.22 +0 +0 58.40| 57.21 (58.24)| (56.64) +0 58.54 | 58.42 (58.59)| (58.59) +0 58.55 | 58.53 +0 58.83 | 58.80 +0 59.01 | 59.05 +0 59.30 | 59.44 (59.35)| 59.47 +0 59.37| 58.33 | 59.44 +0 59.38 | 60.28 | 59.51 +1 043| 0.86 +1 0.69| 1.06 0.92 +1 1.26 +1 152) 1.64 El 72 1.79 = 10 21R59) 02:52 (1.94) +1 2.29] +1 266) 3.10 + 1e273| 2:51 +1 2.77 +1 2.84| 3.07 +1 289] 3.01 \ (3.03) +1 290| 3.05 | (2.91) +1, 3.49| 3.79 +1 400) 4.34 +1 444| 1 4.62| 4.88 1 5.09 +1 554! 5.51 1 76.030579 J. SCHEINER: 54.09 55.07 55.3 59.7 55.4 56.3 56.9 (56.93) 56.8 (56.94) 8 4 3 5 5 2 a) —1 I +0 —() 0) —1 ’ 45.04 59.30 13.17 | 12.72 30.45 48.53 | 48.57 8.67 | 9.14 28.17 | 27.97 58.53 | 58.67 16.76 | 13.91 (14.19) 22.23 | 22.80 (22.54)| (22.61) 20.04 | 20.11 14.82 14.79 36.77 | 36.14 (36.68) (37.18) 26.85 | 26.01 (27.09)| (26.18) 823| 7.87 38.15 | 38.11 8358| 8.23 1.83) 1.29 (1-0) > 23.01| 23.77 23.10 2.46| 2.47 2.51 2.98| 2.91 46.06 , 45.70 45.92 0.21 3.97 | 13.95 38.17 | 38.21 15.13 | 15.20 (14.89) 11.26 41.36 | 40.74 38.59 | 38.14 54.35 34.81 | 34.68 5.553| 5.96 ı (5.61) 18.31 | 18.68 (18.56) 53.22 | 52.78 4.88| 5.16 12.01 40.21 | 40.23 41.12 23.74 | 24.64 42.41 | 42.28 5 5 6 2 Nebel, unsicher Aa 2 6 6. 21225 2 | 13.5 1 | 14 4 23141248 3 3) 21310 | 5 4| 127 3.151310 nebliger Ansatz 4 3 1228 DrEE2 35 2 — 2| — |schwacher Nebel 4053 0 4 12.8 303021510 5 5| 12.7 jetwas länglich 6 2 ' 13.5 | Nebelknoten Da Sal, 32272121320 2 13.5 | Nebelknoten 8 7| 12.2 Ineblig 3 2| 13.0 | neblig 1 14 7 —| 12.4 |neblig 6 5.171235 a N al 2 2 13.5 3 2| 130 2 | 13.5 | Nebelknoten 2 1| 13.5 | Fleckchen stört 4 2 RE Bemerkungen nebliger Ansatz unsicher 1} | | Fleekehen stört \ diffus, unsicher unsicher neblig neblig nebli | Nebel Nebelknoten Nebelknoten [Sterne neblig oder mehrere Nr. 6.34 6.64 6.93 Re) 7.60 7.97 8.01 8.37 (8.58) 8.45 8.52 9.05 +1 10.06 13.06 13.21 13.78 (13.54), 15.61 15.80 15.86 16.11) 16.25 16.41 | 16.51 | 16.91 16.76 | 16.78 18.29 | 18.48 18.50 19.04 20.11) 20.57 | 21.08 | 21.60 (20.84) (21.43) +1 21.47) 22.06 (21.47) (22.20) 2175| 2.11 21.90 21.65 18.44 19.05 22.37 22.71| 22.30 24.54 | 24.86 | 25.58 | 25.82 26.46 \—2 +3 54”07 | 5 11.52| 49.44 55.7715 17.70 31.96 | 32.: 7.79 36.05 | 3 (85.53) 23.19 | 43.21 +1 +4 —0ö —2; —0 : 31.50 4| 35.50 | 49.30 9.28 | (9.09), (9.62 3.49| : 20.41 | 32.81 | | 55.95 (0) +1 +0 +0 +1 27.89 | —2 1— 277906 9:17 +0 35.26 | 35.27 11.45 42.15 | 42.03. | Gröss.- Schätz. | 7088 works rue or wem km I S1Vpw- B9 BD SIW09 nv oHrme SEES Er deformirt Nebelknoten Nebelknoten ? Nebelknoten neblig? Nebelknoten Fleckchen stört nebliger Ansatz nebliger Ansatz neblig, unsicher Nebelknoten deformirt u Nebelknoten I} \ Strich stört Nebelknoten ? Duplex ? Nebelknoten | nebliger Ansatz nebliger Ansatz Nebelknoten Strich stört | | | unsich., Nebelknoten) neblig nebliger Ansatz | | | Nebelknoten 52 J. SCHEINER: Gröss.- Schätz. Bemerkungen 7, ZINN) 1 27758 | 27”61|— 0’ 4 27.65 | 27.99) +1 4 neblig 27.98 | 77.55 —2 3 28.85 | 29.19 | +0 4 Nebelknoten ‚ Nebelknoten 29.01 | 28.77 +1 5 30.35 \—4 17.66 | 2 neblig 30.53 | 30.791+0 48.96 1 ’ | 30.80 | I-0 5111 4 | 30.83 | 30.91 | 51.15 B | | 51.22 4 47.53 | 1 57.13 | 1 Nebelknoten 2451,32 4% 2.55 | 32 Se 2.81 | 32 3.2 | neblig, unsicher 2.86 | 33 Br Fleckehen stört 3.25 3 33.28 | > ı Fleckehen stört 33.76 1 33.89 | 3 | Duplex? (33.84) | | 34.01 2 | 35.05 2 SH 26.95 3 33. 19.78 2 neblig 35 5.95 5 Duplex = = a Duplex 1; Op 45.55 | 1 Nebelknoten 11.63 | _ Nebelknoten ' diffuser Nebel 29.46 l Nebelknoten : 55.31 | 3 | 37.34 | 38.05) 44.44 4 | Nebelknot.od.Duplex +1 38.07 | 38.00] 53.88 3 | +1 39.00 7I+1 39.03 +1 39.30 +1 39.43 +1 39.64 (39.62 [807 Hand Bes 17 | Strich stört Nebelknoten Nebelknot., unsicher j nDoesuWwmwm Deno won. ao AN [0 23100 209 2) +1 39.75 +1 40.54 +1 2.21 +1 2.82 +1 433.22 Strich stört | Strich stört wo re JE SUR IV Om SI bad jmd pda ben www ww BI+1 43.25 - S: [917 1) Hi fen Strich stört Strich stört 7I+1 43.54 +1 43.69 +1 44.31 +1 44.40 ® wo ya SD DE Strich stört wood Io -NvV- Gröss.- | Chase G - ılOSS Schätz. | Bemerkungen | | +1’ 44"42 | | — 07 4624 i: 702| +1 45.034494 | -3 6.36| 641] 6 5 5 | 45.03 6.48 4 | Sl | 703] +1 46.01 | 45.97 | —2 41.12| 41.30) 5 3| 12.7 | Strich stört 704| +1 46.14 | 46.42 | —2 27.08 2757| 4 4| 12.8 | Strich stört 705| +1 47.19 | 4750| —2 0.13| 59.84] 3 2] 13.0 | | | 706| +1 48.14 | 48.21 | — 0 2117) 2164| ı 2| 14 neblig 707 48.29 | —ı 3350| l | 14 | Hi 708| +1 48.50 | +0 54.45 | l 14 709| +1 48.52| 48.44 || +0 46.14 | 46.24| 3 2! 130 | 710| +1 48.63 | +1 17.98 1 14 711 49.01 | 49.41 || —3 13.72| 1352| 4 3| 12.8 712 49.40 | +0 5.12) 1 | 14 | 7131 +1 50.11 | 50.23 || +0 9.97| 1021| 2 2| 13.5 I Nebelknoten | neblig 714| +1 50.23] 50.16 | —1 40.95 | 41.40| 3 3) 13.0 | 715| +1 51.37 | 51.48) —0O 43.16| 43.06| 6 4| 12.5 | 716| +1 51.46 | 51.50 |+1 10.40) 9.80| 5 3] 12.7 zz = I 52:37. 5250 | —0 4.48| 440] 6 6) 12.5 |nebliger Ansatz 718] +1 53.05 | 52.77 | —2 30.73| 3079| 3 2| 13.0 Fleckchen ? zı9| +1 53.13 | 53:54 | —1 5322| 53.12| 2 1| 135 720| +1 53.74| 53.66 | —2 1937| 1932| 4 3| 128 721 #1 53.89 —1 18.06 | 3 | 13.0 7221 +1 54.34| 54.76 | —2 43.29| 43.10] 5 5| 127 | 7231 +1 56.50 | 56.75 | —O 55.48| 55.78] 2 1) 13.5 | Nebelknoten neblig? 724| +1 56.98 57.12 | +1 573| 49| 3 2| 13.0 | 7251 +1 57.02 57.301 —0 631| 610| 3 2| 13.0 | 7261 +1 57.06 |57.39 | 3 38.30| 3826| 7 6| 12.4 |neblie | 7271 +10 5752 37:93 | 21225) 11.921 3 °2| 130 j | diffus 7281 +1 57.88 |—-0 29.47 1 | 14 7929| +1 57.89 | 57.99 | +0 2207| 2176| 5 5| 127 | 730) +1 59.76 59.49 | —1 34.37| 33.91| 3 2) 13.0 7311 +2 016| 026|| #1 49.77| 4.621 6 5|.125 732|+2 055| 0.43| +1 46.10) 55.49| 2 2| 13.5 2733| +2 2.09) | —2 48,50) l 14 | Nebelknoten 734| +2 2.92| | —1 46.50 | 2 13.5 7355| +2 378| 3.801 +0 25.26) 2525| 5 4| 12.7 736| +2 406) 4 30 | +0 55.451 5553| ı 1) 14 7371 +2 5.55| 5.62] —0 4356| 4322| 2 2, 13.5 unsicher 7381 +2 748| 7.38|| +3 2779| 2745| 3 2| 13.0 | 739| +2 7.52 | +5 24.91 | 4 12.8 | 740| +2 11.471143 | —0 38.68| 39.14| 2 2| 13.5 | 741] #2 11.51) 11.91) +0 50.26| 50.13] 3 2) 13.0 | Duplex? Nebelknoten 742| +2 12.27 | 12.07 | —1 5347| 52.861 3 1| 130 743| +2 1341| 13.77 | —ı1 414| 436] 2 2| 13.5 |neblig 744| +2 ie 16.31 | DIPL FF 2130 745| +2 16.45 | 16.78 | +1 4228| 2264| 4 3) 12.8 746| #2 17.26 | 17.83 | —3 19.89) 20.11] 4 2) 12.8 |neblig | 7 +2 17.74| 17.71 | +0 19.91 | 20.33| 2 1| 13.5 j | 748| +2 19.52| 19.63 | —5 13.75| 13.63] 5 4; 12.7 |neblig 749| +2 20.71| 20.32 | —1 25.02| 25.24| 7 6| 12.4 |Strich stört 7501 +2 22.52| 20.41 || —2 23.18) 23.08] 3 2| 13.0 | Sana -1-1-1>1>-1 Sn a +2 wa wuw muwum www +++ tt tt + Hr rt + HH tr + ++ www wuwoo ++ Ha 23.25 24.84 25.20 25.48 25.69 25.89 27.76 I} | 29.81 35.71 | 36.80 | 38.81 | 40.51 42.59 42.77 | | | J. SCHEINER: | AV) me I IM 2301| +2’ 1778 |—2 35.52 25.04 +0 45.47 I+0 7.02 |+1 39.37 26.30 |—0 51.59 28.17|+0 32.47 +2 59.03 33.04| 2 30.87 |-3 16.37 |_1 10.30 +3 42.80 40.89 ||—1 40.21 I—4 24.70 —1 38.50 43.06|—1 24.09 | 43.67\—-0 22.05 44.49 |—1 45.28 |-0 40.39 49.741 25.26 51.001—0 31.33 54.92 |—0 12.28 || (12.21) 58.78|+0 14.25 | 59.56 +1 4.89 |+1 7.59 1.37|—0 0.8 | 2.34|—-0 6.12 +5 32.28 11.26—0 6.62 |+2 8.91 | 16.92 +2 8.01 —2 32.90 \+1 38.49 | 2245| —-4 39.46 22.97 |—-2 32.81 0007 25.53|+0 3721 +3 17.08 32.5813 5.80 37.76 |+0 36.39 I—0 34.20 4324| +1 29.55 44.30 +1 14.56 +4 34.63 49.17 1-0 8.84 —37 1730 +0 5.05 59.75 |— 2 30.40 3.98|| —4 21.59 +0 19.46 1.64 46.02 52.21 33.06 30.84 40.53 24.46 22.01 45.20 25.36 31.17 11.94 13.98 6.36 0.80 6.06 6.35 8.30 39.36 32.74 37.04 5.00 36.36 30.24 14.90 8.46 30.18 21.18 Gröss.- Schätz. 0 Del ji 4 2 1 3 al 2, Sl B au 1 1 2 4033 1 2 I Des 1 2.8 4,4 DD SD 3 8 4\ -oS9v-. DD 2 DwWwVr Pwmuvp wvuvweal —-vum- w ww sm Grösse neblig Strieh stört Strich stört ! > ‚Duplex deformirt Strich stört Strich stört Strieh stört deformirt Bemerkungen II unsicher neblig nnsicher deformirt Nebelknoten oder Duplex neblig unsicher Der grofse Sternhaufen im Hercules Messier 13. 55 —_ Gröss.- |. rn... |Grösse 3 "k ) Schätz. | x Bemerkungen 11”95 | 14.19 17.37 22.65 | 23.82 | 25.06 30.68 36.32 | 36.58 37.99 39.51 49.95 11759 37.85 40.04, 53740 49.96 7.58 14.35 53.37 40.18 37.18 43.28 0.59 16.56 ii ic 58'855 unsicher Rab) 21.00, 21.04 30.41 | 30.61 | 35.46 DENN EEE ET 23.04 40.66 Ei Si Auf Platte II sind folgende Sterne gemessen, die auf Platte I nicht gemessen sind, deren Existenz aber nachträglich sicher gestellt wurde. (Dieselben sind auf der Karte eingezeichnet.) Gröss.- | n.=.. er Nr. Schätz, | rösse Bemerkungen 11 82 — 0 5906 825 —0 18.06 ist auf I durch ein Fleckehen verdeckt 826 —(0 42.08 || +2. 15.92 827 +0. 359 | —2# 31:95 länglich 828 +1 843 | — 17 36:05 329 +1 13.65 +2. 1855 830 2 +0 38.04 neblig 831 .d +1 0.38 832 +3 39.78 —0 8.06 ist wohl etwas zu schwach geschätzt 833 1 —1 24.69 befindet sich bei I auf einem Gitterstriche. N » Äahe ı Dee ' ik Fch iwih f LER H N.Preuss. lkad.d.Wissensch. Anh. z.d. 1bh.1892._ Math. Ablı J. Scheiner: Sternhaufen im Hercules. M.ı3. PHILOSOPHISCHE UND HISTORISCHE ABHANDLUNGEN. Untersuchungen über die Demenordnung des Kleisthenes. Von A. MILCHHOEFER. Phil.- hist. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1892. 1. 1 Vorgelegt in der Gesammisitzung am 5. Mai 1892 [Sitzungsberichte ISERRSIVES: 385]. Iren Zum Druck eingereicht am gleichen Tage, ausgegeben am 29. Juli 1892. “ Wir lesen in der neuentdeckten aristotelischen Schrift, "Atyyalwv ToAırsia e. 21 (S. 55 Kenyon), über die organisatorische Thätigkeit des Kleisthenes in Attika: dievemıe de xaı Tmv Xupav xara Önueus Tpıdxovra mem, dexa Mev Tav mepı To doTu, dena de TAs mapadlas, dena de Ts MEGoyelou, Kal Tauras Emovoudods TpırTüs ExANpwoev Tpeis Eis TYv hUANv Endorm, Omws EXdOTN METEXN Tavrwv Tuv rorw. Vgl. dazu M. Psellus ep dıxöv hinter dessen Schrift »de oper. daemonum« ed. Boissonade, 1838 S. 103: KruoYevrs yap rıs eis Tpdxovra uompas ryv 'Artızyvy dmacav didveiuds, Emeidn To usv aurds EmiSanAarridiev Av, To be EMI TOD MEOoU KaaoTo Tis Awpas, TO ÖL mad Fo KOTU OUVEOTpWro, dErd ev Worpas TH mapaAlı GUVTETEUNE, ben be KaTEoTNOEV Emi TAv uEOoyeov, dena de doru- vomOUS EmomGE, Kal To Tpırmmopıov TpirrÜs WVvondoTo. Mit diesen Angaben wird jeder Bearbeiter der attischen Landeskunde sich jetzt in erster Linie auseinandersetzen müssen; er wird seine bisher von den Ortslagen gewonnenen Kenntnisse und Anschauungen auf das als ursprünglich überlieferte System einer Vertretung jeder Phyle in den drei Loecalbezirken zu prüfen haben. Die Resultate einer solchen Untersuchung, welche sich mir in allem Wesentlichen bereits während des Sommers 1891 ergaben, scheinen eine gesonderte und verhältnifsmäfsig knappe Darlegung zu gestatten. Während eine allseitig durchgeführte Topographie von Attika jedenfalls erst den Abschlufs des grofsen Kartenwerkes zur Voraussetzung hat, beschäftigt sich unser Thema nur mit den allgemeinsten Grundlinien derselben; mit den einzelnen Demenstätten nur im Verhältnifs zu den anderen und im Rahmen der grölseren Ortsverbände. %* 4 A. MIıiLCHHOEFER: Hinlänglich bekannt sind für unsern Zweck die Namen der attischen Demen und ihre Vertheilung unter die zehn Phylen. Freilich gehört das bis heute gewonnene Bild erst dem vierten Jahrhundert an; wie es hier im wesentlichen unverändert bleibt, so können wir es auch, ohne auf widersprechende Thatsachen zu stofsen, einem guten Theil des fünften Jahrhunderts vindieiren. Aber bis zu Kleisthenes hinauf? Einschneidende Veränderungen, namentlich starke Vermehrung der Demenzahl wird neuer- dings scheinbar sehr angemessen mit der attischen Flottengründung in Verbindung gebracht (Köhler, Athen. Mitth. X, S.108; v. Wilamowitz, Hermes XXH S. 124). Den Hauptgrund zu dieser Annahme bot jene andere, gleichfalls wieder lebhaft befürwortete Meinung, dafs Kleisthenes ursprünglich nur hundert Demen eingerichtet habe. Die Sache scheint mir auch heute noch zweifelhaft. Bergk’s und Diels’ Conjecturen zu den Ber- liner Papyrusfragmenten (Abhandl. d. Berl. Akad. 1885 I, S. 25) haben sich hierin nicht bestätigt: Aristoteles bewahrt über diesen Punkt ein auf- fälliges Schweigen. Er widerlegt aber auch an anderer Stelle das Argument von den »hundert Heroen«, welches zuerst Sauppe für die »hundert Demen« verwerthet hat. Denn: &x rüv mpoxaIevruv Exaurov dpynyerav, offenbar den- selben, bestimmte die Pythia die 10 Eponymen der Phylen (ce. 21 a. E. S.57). Es waren also nicht blofs Vertreter der Demen darunter, wie Araphen. Die 100 Gemeinden Lakonien’s oder Kreta’s beweisen für unsern Fall nicht viel. Zwischen den Phylen und den Demen stehen von vorn herein, wenn Aristoteles Recht behält, als mittlere Einheiten die Trittyen; diese lassen sich zu dem Decimalsystem in kein rationales Verhältnifs bringen. So bleibt nur die Herodotstelle (V, 69) übrig: dexeu de xaı rous Önuous xareveıue (6 KAsıa9evys) eis Tas bvAds. Auch sie gibt noch nicht den gewünschten Sinn; man mulste erst in: x&r& dexa ändern. Unter solchen Verhältnissen sind Emendationen wie za ‘4 xaı oder dexayf (Lolling, Asrrıov 1889 S. 31) nieht minder berechtigt. Hätte nun aber auch Kleisthenes irgend einer rationalistischen Theorie zu Liebe ursprünglich nur 100 selbständige Gemeinden eingerichtet, so würde sich für unsere Untersuchung praktisch wenig ändern. Immer müssen wir von den als bekannt gegebenen, innerhalb der Phylen mit sehr ungleicher Zahl vertretenen Demen ausgehen; immer fragt es sich nur, ob während des fünften Jahrhunderts zu starke Verschiebungen neu- gegründeter, oder alter Demen von Phyle zu Phyle stattgefunden haben, Untersuchungen über die Demenordnung des Kleisthenes. 5 als dafs wir die Angaben des Aristoteles mit unserm Materiale noch controliren könnten. Eine Antwort darauf mufs die unten folgende Einzel- betrachtung ergeben. Jedenfalls dürfen wir von vorn herein nicht die Erwartung hegen, dafs die kleisthenische Organisation sich in der Zwischen- zeit völlig unverändert erhalten habe. Auch ein anderes Bedenken, ob nämlich unsere topographischen Kennt- nisse bereits hinreichen, um jene Probe mit Erfolg anstellen zu können, mufs sich bei der Ausführung entscheiden. Dagegen scheint es mir schon an dieser Stelle unerläfslich, nach anderer Richtung in eine vorläufige Gesammtbehandlung der überlieferten Demen einzutreten, welche für unsere Zwecke eine wichtige, ja unentbehrliche Handhabe zu liefern verspricht. Wir bedürfen einer relativen Bevölkerungsstatistik der einzelnen Ge- meinden, für welehe bisher nur vereinzelte Ansätze vorliegen (nach Ephe- ben: Dumont, Journal des Savants, Dee. 1571: nach Trierarchen zuletzt: Müller-Strübing, Aristophanes S. 644; weit werthvoller die Prytanen- listen: Köhler, Athen. Mitth. IV (1879) S. 97f., vgl. Beloch, Die Bevöl- kerung der griech.-röm. Welt S. 102£.). Auch unser Versuch kann nur einen provisorischen Charakter tragen. Die erreichbare Vollständigkeit und Genauigkeit hat eine für sämmtliche Demen durchgeführte Personenkunde der attischen Bürger zur Voraussetzuug, wie sie Joh. Kirchner (Prosopo- graphiae Atticae speeimen, Progr. d. Fiedr.-Wilh.-Gymn. Berlin 1890) für Kephisia, Paiania und Melite, Merriam (im VII. Annual Report d. american. Instituts, 1889 S. 47£.) für Ikaria und Cl. H. Joung (Erehia, a deme of Attica, New York 1891) für Erchia gegeben haben. Unterdessen verdanke ich der entgegenkommenden Freundlichkeit des Hrn. Dr. Kirchner eine auf C.I. A. 1. I. IV und dem Zuwachs an vor- römischen Inschriften bis 1590 beruhende Auszählung der attischen De- moten. Die Liste umfafst rund 6200 Personen beiderlei Geschlechtes, ohne Hinzurechnung des Vaternamens, und darf somit wohl den Anspruch er- heben, ein annäherndes Bild von den gegenseitigen Stärkeverhältnissen zu gewähren.') Zu weiterer Controle und Beobachtung dienten mir die Ziffern !) Die »politischen< Demen (im Sinne Köhler's, Ath. Mitth. IV S. 105f.) mögen immerhin etwas mehr hervortreten. Malsgebend für den Grad der Betheiligung an öffent- lichen Angelegenheiten bleibt doch in erster Linie die Grölse des Demos. Die bedeutendere oder geringere Entfernung von der Stadt kommt schwerlich in Betracht, wie Aphidna, Rhamnus, Oinoe am Kithairon u. a. erweisen. 6 A. MiLCHHOEFER:; der Prytanen, Diaeteten und Epheben, der Index zum C. I. A. III und die bisher gekannten Grabinschriften (griechischer und römischer Zeit), von welchen Verzeichnissen ich hier nur das letztere mittheile, anderes ge- legentlich verwerthe. Die Grabinschriften sind so berechnet, dals das Demotikon die Einheit bildet, gleichviel ob auf demselben Stein mehrere Angehörige des gleichen Demos verzeichnet stehen oder nur ein einzelner. Umfäalst dagegen ein Denkmal mehrere Demen, so zählt jeder besonders, also auch der Heimathsdemos der Gattin; letzteres gilt natürlich nicht minder für den Fall, dafs diese an einen Nichtbürger verheirathet war. Die Demotenziffern, welche die Grabsteine ergeben, füge ich denjenigen der Kirehner’schen Zählung in Klammern bei. Die Totalsumme, mit welcher ich rechne (also abgesehen von den Angehörigen der bei Einrich- tung der neuen Phylen gebildeten Demen), beträgt 1940. "Ayyerjsev 40 (12) "AyxuAnsev 54 (10) Ayvovoraı 53 (20) "AypurmIev 54..(12) "Alyıeis 37 (18') "ASuoveis 84 (35) Aiyırııis 54 (16%) Adarıda 51 (17) Aifwveis 114 (45) “Arauıs 157°) (53) “Arımovcrc 26 (14) "Arwrex79ev 114 (25) Auufavreis 36 (17) "AudırporfSev 29 (7) "Avayupaoıcı 62 (18) "Avazaısıs 28 (7) "Avabrvorıcı 78 (33) [Arcrrwves 7 (3)] "Apapyvıoı 26 (5) "Aryyeis 25 (9) Atpıdaı 13 (6) "Adıdvaicı 127 (41) "Ayyapveis 226 (68) "Ayspdovorc 25 (13) BarySev 25 (2) [Bepevixidaı 21 (17)] Bycasis 15 (8) Bouradaı 17 (4) Taoyarrıoı 74 (36) Traäis 0 (0) Azıdarıdaı 9 (1) Asıadiärdı 30 (9) Aszereeis 34 (8) Arcusıeis 14 (3) Eiceswau 13 (1) Eireaic 31 (9) "ExornSev 17 (3) "Eraiicrı 16 (1) "Erevawicı 87 (20) "Erisixidaı 8 (3) "Erızngicis 24 (8) "Epızeieis 12 (4) "Epusicı 32 (15) "Epoiadaı 21 (5) "Erxueis 101 (31) “ErriaicSev 9 (4) Eirypiodaı 56 (11) Eöwvuusis 114 (38) !) Meist aus römischer Zeit. 2) Davon nur eine Grabinschrift aus römischer Zeit. 3) Die Vertheilung der Ziffern auf die beiden Demen Halai kann nur ganz approxi- mativ erfolgen. Nach den Pırytanen - Diaetaten-Ephebenlisten zu schlielsen war Halai Aixo- nides der grölsere Demos und kaum weniger volkreich als Aixone. Halai Araphenides war aber etwa doppelt so grols wie Araphen. 57 an. Ich setze daher für H. Aixon. 100, für H. Araph. Untersuchungen Onuzzeis 13 (11) Oypaısis 26 (4) Orpızıcı 60 (23) Opısaısı 44 (17) Ovuaıradaı 15 (2) Oypyavıdaı 0 (0) "Ixagıeis 70 (15) Irrersuadaı 5 (2) "Ivıcrıadaı 21 (5) Iwvıdaı 12 (2) Keıpıcdau 192(0) / ex Krdav 22 (10) Kyrrıa 22 (11) Knoioysis 137 (35) Kıruweis 29 (10) Kodwxodaı 33 (12) ex Koirns 44 (16) Korrvreis 49 (15) KorwvySev ' Koruveis 67 (11))) &x Korwvod \ KovS$ur7Sev 10 (6) Korseiaı 17 (2) 925) Kpweis 22 (10) Sn fi über die Demenordnung des Kleisthenes. Krwrodaı 21 (7) Kudasyvaısis 137 (37) Kudavrıdaı 2 (2) KuSypacı 28 (5) Kuzara 0 (0) Kupredaı 1 (0) Aazızdar 51 (19) Aaumroeis 151 (53) Aexzov 0 (0) Asvxovosis 18 (33) Asuxorupa 0 (0) Aovcueis 15 (3) Mapadwvicı 115 (51) Meraweis ] (1?) Merureis 146 (57) Mupaweusin 5 57 (24) ey Muppwov sry: 25 (12) Eumerauves 3 (12) "Oadev 38 (15) ’Ondev 54 (12) Owaicı 51 (13)?) EE Olov 74 (27)°) "Orpweis 31 (6) Iaavısis 183 (53) Iaovidoaı 27 (5) Haranveis 103 (28) Haußwrada 15 (6) =] Hepsısis 120 (39) Tlevrerg9ev O0 (1) IlepyzonIev 34 (9) IlepıSoidaı 36 (8) Ileppidaı 0 (0) Inayxes 13 (1) IISeis 40 (7) InwSeis 24 (6) Tegıcı 16 (7) Terz 40 (15) Ipacısis 19 (10) IlpoBarısıcı 46 (11) Ilpoorarrıcı 46 (10) Irerescıcı 10 (4) “Paxidcı 0 (0) "Pauvovcia 97 (33) Zyuayıda 27 (13) Ixoußwvidar 43 (12) Zowisis 77 (26) Zreeis 36 (10) Zußpdaı 7 (9) Zuraryrrın 32 (12) Ibevdarsis 0 (0) Ioyrria 85 (27) TaSpacıcı 26 (6) Tırazıda 0 (2) Tprzopucic 50 (22) I) KoruvrSev 30 (5), in der Aigeis nachweisbar. Antiochis, Leontis. 2), S. Halai. von denen sich 3 der Aigeis, KoAuweis 6 (0), davon 4 der Antiochis, 2 der Leontis gehören; 2 der Leontis zuweisen lassen; &# KoAwvou 31 (6), davon 9 Nach der Grölse ihres Antheils am Kolonos folgen sich: Aigeis, Zum Vergleich bieten sich ©. I. A. II, 943. 944. 1013, wo die Gemeinde der Hippothoontis stets die doppelte Zahl von Vertretern und mehr aufweist, als die der Alantıs. 3) S. Halai. Ich weise deshalb jener 34, dieser 17 Ziffern zu. 30 Ziffern. Oion Kerameikon war grölser und zahlreicher vertreten als OÖ. Dekeleikon. Zu directem Vergleich bieten sich nur €. 1. A. III, 1138 u. 117 Ker. etwa 44, auf Oion Dek. 7. Darnach entfallen auf Oion fe) A. MILCHHOEFER: Tpwensis 15 (2) ®yyovcio 13 (2) | ®upawacia 0 (0) PBadaı 20 (7) ®rveis 106 (50) Xorreider 51 (17) barnpeis 84 (23) Poeappicı 78 (16) Yodıs 0 (0) $ryaısıs 42 (6) (15) Eine Stichprobe auf die Verwendbarkeit dieser Aufstellungen läfst sich Tupueidaı 12 (5) | »iraidaı 45 (7) | Xorapyeis 61 (19) | | | | | | Buracıcı 48 dadurch gewinnen, dafs man die Demotenziffern nach den 10 Phylen zusammenlegt. Repräsentirten diese je '/, der attischen Bürgerbevölkerung, so müssen auch jene Summen annähernd gleich sein. Ungefähr je "/io stellen denn auch die Gesammtzahlen für die Erechtheis, Pandionis, Aka- nantis, Oineis und noch für die Hippothoontis dar, während die Aigeis (jedoch nicht bezüglich der Grabinschriften), die Leontis und Kekropis dieses Verhältnifs bis auf '/, überschreitet, dagegen die Antiochis ('/,,) und mehr noch die Aiantis (etwa '/,) hinter dem Durchschnitt zurückbleibt. Aber auch diese Abweichungen dürften der Wirklichkeit sehr nahe kommen, da jene Voraussetzung von der gleichen Stärke der Phylen wenigstens für das vierte Jahrhundert nicht mehr völlig zutreffend erscheint. Wir werden von der sehr verschiedenartigen Entwickelung einzelner Landstriche und Demen noch zu sprechen haben, der ein Ausgleich von Phyle zu Phyle nicht stetig und in entsprechendem Mafse folgte. Erst dann versteht man, wenn auch nicht in allen Einzelheiten, das ungleichmäfsige Verfahren bei der Auswahl bald grofser, bald kleiner Demen aus den alten Phylen gele- gentlich der Bildung von neuen. Die nachfolgende Rangordnung erfüllt bereits ihren Zweck, wenn sie uns in den Stand setzt, von Demen 1" bis 6° Grades zu reden. Als Grundlage dient die Kirchner’sche Liste, während die Grabsteine und das übrige Material nur in wenigen Fällen berücksichtigt zu werden brauchten; auch die erheblicheren Schwankungen gehen kaum über die Grenzen der Hauptrubriken hinaus. Wo Gröfsenunterschiede nicht wahr- nehmbar sind, tritt die alphabetische Ordnung ein. I. Die gröfsten Demen. l. Acharnai | 4. Melite 7. Aphidna 2. Paiania 9. Kephisia | 8. Peiraieus 3. Lamptrai 6. Kydathenaion ' 9. Marathon 10. 11. 16. I. 18. 19) 20. 31. 32. 34. 36. 37. OU NO RN Do | > RM DUO {or} oT Di u Untersuchungen über Aixone Euonymia Halai Aixon. | Rhamnus Eleusis Sphettos Athmonon II. Anagyrus Cholargos Thorikos Myrrhinus Halai Araphen. Eupyridai Aigilia Koile Thria Oion Keram. Philaidai Skambonidai Phegaia Angele Potamos Pithos 0a Halimus | Prasiai Araphen die Demenordnung des Kleisthenes. 9 12. Phlya | 14. Erchia 13. Pallene 15. Alopeke II. Grofse Demen. 21. Phaleron 26. Kerameikos 22. Anaphlystos 27. Gargettos 23. Leukonoe | 28. Kephale 24. Phrearrhier | 29. Ikaria 25. Sunion | 30. Kolonos Mittelgrofse Demen. 38. Agryle | 45. Cholleidai 39. Ankyle ı 46. Trikorythos 40. Oe | 47. Kollytos 4]. Agnus 48. Phyle 42. Xypete 49. Probalinthos 43. Lakiadai 50. Prospalta 44. Aithalidai IV. Mittlere Demen. 61. Azenia 71. Eitea 62. Hamaxanteia 72. ÖOtryne 63. Steiria 73. Deiradiotai 64. Perithoidai 74. Oion Dekel. 65. Oinoe (Hipp.) 75. Kikynna 66. Dekeleia 76. Amphitrope 67. Pergase 77. Anakaia 68. Kothokidai 78. Kytherros 69. Hermos 79. Semachidai 70. Sypalettos S0. Paionidai V. Kleinere Demen. 84. Teithrasioi 87. Acherdus 855. Thorai | 88. Atene 86. Myrrhinutte | 89. Bate 2 Phil.- hist. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1892. I. 10 A. MıLcHHOEFER: 90. Epikephisia 97. Evroiadai 104. Elaius 91. Plotheia 98. Hybadai 105. Besa 92. Kettos 99. Butadai 106. Keiriadai 93. Krioa 100. Hekale 107. Lusia 94. Kedoi 101. Kopros 108. Pambotadai 95. Kropidai 102. Oinoe (Aiant.) 109. Thymoitadai 96. Iphistiadai 103. Poros 110. Trinemeia VI. Kleine (z. Th. wohl auch jüngere) Demen. 11l. Sybridai 123. Hestiaia 134. Graia 112. Diomeia 124. Korydallos 135. Kykala 113. Themakos 125. Daidalidai 136. Lekkon 114. Auridai 126. Epieikidai 137. Leukopyra 115. Phegus 127. Hippotomadai 138. Phyrrhinesioi 116. Eiresidai 139. Psaphis 117. Pelekes 128. Kydantidai 140. Rhakidai 118. Evrikeia 129. Kyrtiadai 141. Sphendale 119. Tyrmeidai 130. Melainai 142. Kaleteeis 120. Ionidai 131. Pentele 143. Thyrgonidai 121. Konthyle 132. Titakidai 144. Perrhidai 122. Ptelea 133. Amymone 145. Ergadeis Die Zahl der hier berücksichtigten Demen steigert sich auf 156, wenn man die Theilung einiger in z#SvrepSev und vrevep$ev, anderer an zwei ver- schiedenen Phylen in Rechnung zieht. Nach dieser vorläufigen Orientirung gehen wir dazu über, die Angaben des Aristoteles von der dreifachen Zusammensetzung der 10 kleisthenischen Phylen aus je einer »Trittys« im Stadtbezirke (rüv ep ro dorv), im Küstenbezirke (räs raparızs) und im Landbezirke (fs ueooysıov) zu untersuchen. Bekanntlich ist uns eine kleine Anzahl von Trittyennamen, zumeist durch Grenzsteine aus der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts, über- liefert (C.1.A. I, 500. 502.517. IV, 2, 517a. d. Vgl. Athen. Mitth. V, 85 £. VII, 108 £., Hermes XVI, 184f.). Wir benutzen dieselben unter der zwar nicht erweislichen, aber doch hier zunächst gebotenen Voraussetzung, dafs eben diese Namen bereits kleisthenischen Ursprungs sind. Eine Be- Untersuchungen über die Demenordnung des Kleisthenes. 11 stätigung liefert die Pandionis, bisher die einzige Phyle, für welehe wir alle 3 Trittyen kennen (Athen. Mitth. VO, 110 = C.L.A. II, 871. Von anderen Prytanen-Inschriften derselben Phyle scheinen auch C.I. A. II,865 und AsAr. dpx,. 1889 S.18 nach Trittyen geordnet zu sein): hier vertreten Kydathen, Paiania und Myrrhinus thatsächlich den Stadt-, Land- und Küstenbezirk. Liegen somit bei der Pandionis die Dinge auch ganz be- sonders klar, so scheint es mir doch unnöthig, in der näheren Besprechung aus methodischen Gründen von der officiellen Phylenfolge abzuweichen. Über die Grenzen der Gebiete mepi TO doTu, ueooyeios yA und Tara bei Kleisthenes werden wir uns nicht schon im voraus, etwa auf Grund alter Definitionen, bindende Vorstellungen formen wollen. Die Scheide- linien müssen sich, gleichsam zwischen den aufgetragenen Farben des Bildes, von selber ergeben. Nur soviel sei gleich bemerkt, dafs der engere Begriff der »städtischen« Demen jetzt schwinden dürfte, wie er denn auch schon bei neueren Versuchen, Sauppe’s verdienstvolle Anregungen aus- zugestalten, durch Hinzunahme von Phaleron, Peiraieus, Alopeke u. a. durchbrochen worden ist. Ich kann hinzufügen, dafs mir eine weitere Fassung jenes Begriffes schon längst als geboten erschien. I. Erechtheis. Stadtbezirk: Agryle (38).') Landbezirk: Kephisia (5). Küstenbezirk: Lamptrai (3) und Anagyrus (31) (benachbart). Damit sind zugleich die gröfsten Demen der Phyle genannt (nach obigen Listen repräsentiren sie etwa 50 Procent ihrer Gesammtbevölkerung oder mehr) bis auf Euonymia (11). Die Nachricht, dafs Euonymos ein Sohn des Kephisos gewesen sei (Steph. Byz. Aurıs und Eiwviusz, Eustath. ad Hom. S. 265, 8), läfst die Zutheilung zu Kephisia einfach erscheinen und galt bisher auch mir für die Lage dieses Demos am Kephisos als beweiskräftig. Ich kann nicht umhin, nun selber Bedenken dagegen zu erheben. Das wesentlichste wurde hervorgerufen durch den Umstand, ! Die eingeklammerten Zahlen neben den Demen bezeichnen ihren Platz in der Rang- ordnung oben S. Sf. 112 A. MILCHHOEFER: dafs mit der Zeit 5 wenn nicht gar 6 Euonymeer-Grabsteine, am Öst- abhange des südlichen Hymettos, zum Vorschein gekommen sind (vgl. meinen Antiken-Bericht, Athen. Mitth. XIII S.359£. Nr.735 Trachones; 745 Pirnari; 747 Chasani; 772 nordwestlich Vari, C.I. A. 1,2064 Tra- chones; 2069 Kloster Asometon, vermuthlich aus dem Mutterkloster Kareas oder dem Landbesitz, welcher bis Vari reicht. Alle übrigen Grabinschriften stammen aus Athen, Peiraieus, Salamis; nur »ein kleiner Sarkophag« C.I.A. I,1886, ein Mann aus E. mit 2 Personen aus Atene verbunden, von »jenseits des Ölewaldes«). Eine solche Übereinstimmung des Fund- locales wird nur von den Steinen übertroffen, welche die Lage des zweit- gröfsten Demos, Paiania, bei Liopesi erweisen. Ich mufs dieses Zusammen- treffen nach allen bisherigen Erfahrungen für entscheidend halten; es kann sich nur fragen, ob Euonymia nördlich oder südlich von Aixone, nach Agryle oder nach Anagyrus hin zu rücken ist. Denn jetzt werden wir die aus einer Genealogie der Aulis geflossene Nachricht von ihrem Vater Euonymos als dem Sohne des Kephisos auf einen ursprünglich böotischen Heros und den böotischen Flufs gleichen Namens beziehen dürfen. In den auf die Erechtheis bezüglichen Listen, welche Localzusammenhänge bei der Aufzählung der Demen erkennen lassen (C.I. A. 1,338; I, 943. 945; II, 1020; Athen. Mitth. TV S.330), sehen wir Euonymia stets mit Anagyrus verbunden; die Demoten waren an Küstenplätzen, wie Peiraieus und Sala- mis, stark vertreten; mit ihnen wurde eine gleichnamige Phyle zu Ephesos in Verbindung gebracht (vgl. Steph. Byz. Beyw&). Solche wirkliche, oder vermuthete überseeische Beziehungen knüpfen sich nicht leicht an andere als dem Meer benachbarte Orte (vgl. z.B. Töpffer, Att. Geneal. S. 256, 5; auch Xypete, Strab. XII, 604). In der Aufzählung von Demen der Paralia ist Strabo (IX, 395 f.) keineswegs vollständig; ich erinnere hier nur an Xypete, Thymoitadai, Kopros, Otryne. Übrigens lag Euonymia, wenn ich es richtig erkenne, links (daher der Name?) von dem grofsen Wege nach Vari (Anagyrus) und innerhalb seiner östlichen Biegung, am Hymettosfufse. Ich habe die bedeutende Ruinenstätte, welche weder mit Halai noch mit Anagyrus zu thun haben kann und auch Anderen bedeutsam erschien (vgl. Brückner, Athen. Mitth. XVI S.222), im Textheft IT —-VI der »Karten v. Att.« S.17f. hervorgehoben. Auch die beiden kleineren Demen Kedoi und Pambotadai (94 und 108) müssen derselben Gruppe, und zwar nach der Seite von Lamptrai, Untersuchumgen über die Demenordnung des Kleisthenes. 13 hinzugezählt werden. (Vgl. etwa die Stätten Palaeo-Metochi, Meyaraıs Tlevxaıs, Thiti, Kiroı-wnyadı »Kart. v. Att.« Text IT—IV S.13f.). Die einzigen ländlichen Grabsteine auf Personen aus Kedoi befinden sich in Lambrika (» Ant.-Ber.« Athen. Mitth. XII S.103 Nr.137, 2 Männer) und in Koropi (ebdas. S. 100 Nr. 118, Frau). Vielleicht ist daher Kyda‘ mit K7roı zu identifieiren. Wo Pambodadai in den Listen der Prytanen u. s. w. vorkommt, findet es sich, wie Kedoi, regelmäfsig mit Lamptrai verbunden (z. B. ©.1.A. I, 943. 944. 991. 324. 467. A70f. I, 1019. 1,338, Kedoi mit Anagyrus). Für Pergase (67) und Themakos (113) dagegen ist die Nähe bei der Stadt bezeugt (Aristoph. Equ. 321 und Andokid. myst. 17). Jenseits vom lIlissos, also in die Gegend von Agryle verweist uns insbesondere die einzige Pergaseer - Grabschrift ländlichen Fundorts (©.1.A. II, 2467 nach Ross: »Kapelle südlich von Athen, jenseits des Ilissos«). Eine andere ist vielleicht bis nach Chasani verschleppt worden (C.I. A. 1,4239: ®iarres, @drımros, Oariapyes. Denn C.I.A. II,2468 lernen wir einen @arapxes Ilepyao7Sev kennen, C.1.A. 11,995 auch einen Philippos aus Pergase). Von den letzten und kleinsten Demen (denn Phegaia ist auszuscheiden und Chastia als Demos, zumal der Erechtheis, noch nicht erwiesen) Phegus (115) und Sybridai (111) läfst sich ohne weiteres nicht einmal die allge- meine Lage ermitteln. Woher Stuart (Alt. v. Athen S. 242 d. Üb.) und Kruse (Hellas S. 239 Not. 1329) die Angabe haben, dafs Phegus auf dem Wege vom Peiraieus nach Sunion lag, bleibt mir unklar. Nach den Kata- logen (C.I. A. I, 943. 470. 471. II, 1019) scheint es mit Kephisia ver- bunden werden zu müssen. Für Sybridai liegen zwei Grabinschriften aus Mandra, nordwestlich von Eleusis, vor (Conze -Mich. rapporto p. 90 = Kumanud. 1157 [fehlt im C©.I.A.] und C.I.A. II, 2021). Aber die letztere ist Lenormant’schen Ursprungs und die erstere wird (wie alle An- tiken des verhältnifsmäfsig jungen Dorfes mit Ausnahme des Meilensteins »Ant.-Ber.« Mitth. XII S.328f. Nr. 487— 92) aus Eleusis, also einem Sammeleentrum der attischen Bevölkerung, stammen. Auch der Siberus (oder Syverus), Atticae flumen (Plin. N. H. XXXVI, 35 [114]) hilft nicht weiter. Sybridai und Phegus finden wir übrigens in den Inschriften zu- sammen nur mit 3— 4 Procent der Gesammtanzahl von Bürgern des Erech- theis vertreten. Vielleicht sind diese Demen erst jüngern Ursprungs. 14 A. MıLCHHOEFER: I. Aigeis. Stadtbezirk: Ankyle (39), Diomeia (112), Kollytos (47), Kolonos (s. oben S. 7 Anm. ]). Landbezirk: Erehia (14), Gargettos (27), Ikaria (29), Plotheia (91). Küstenbezirk: Araphen (83), Halai Araph. (35), Myrrhinutte (86), Phegaia (56), Philaidai (54). Diese Ansätze bedürfen für unsern nächsten Zweck kaum ausführ- licher Rechtfertigung. Die Demen der ersten Reihe umziehen die Stadt im Süden, Osten und Norden. Ankyle, mit Agryle bis an die Vorberge des Hymettos reichend (C.I.A. IL, 61 AU Z.21), bildete zugleich eine Vorstadt nach dem Peiraieus zu (Alkiphr. II,43). Wenn aus Strabo I, S.65 wirklich folgte, dafs der Kollytos an Melite grenzte, so wäre er östlich von diesem Demos, nordwestlich von Ankyle anzusetzen (da ich nördlich von Melite jetzt Skambonidai suchen mufs, s. Leontis). Aber jene Voraussetzung ist nicht nothwendig; K. kann sich auch zwischen Kerameikos und Diomeia, das bekanntlich im Osten lag, hingezogen haben, zum Theil gewifs vorstädtisch (vgl. die Schriftquellen zu Curtius, Stadtgeschichten von Athen S. LXXD. Die Kolonosdemen behandele ich als locale Einheit um die bekannten Hügel herum, aufgetheilt wohl schon durch Kleisthenes an die Phylen Aißeis, Leontis und Antiochis (vgl. Wachsmuth, Athen N, 1 8. 233f. und meine Anzeige: »Wochenschr. f. klass. Phil.« 1890 Sp. 1202). Für das Binnenland war die Lage von Gargettos zwischen Pentelikon und Hymettos längst bezeugt durch den Namen Garito, dazu die Grab- inschriften » Ant.-Ber.« Athen. Mitth. XII S.84 Nr.6f. Erchia habe ich sodann bei Spata nachgewiesen (Sitzungsber. d. Berl. Ak. 1887 S.55f., » Ant.-Ber.« a. a. O. S. 90 Nr. 36f.), sowie Ikaria bei Dionyso im Pentelikon- gebiet (Berl. Philol. Wochenschr. 1887 S.770f.); dazu die americanischen Ausgrabungen. Durch letztere ist auch, an der Stelle des benachbarten Alt-Stamata, die Lage von Plotheia gesichert, welches sich bereits in der Grabstele »Ant.-Ber.« Athen. Mitth. XI S. 312 Nr. 372 ankündigte (vgl. American Journal of Archaeology V [1889] S. 423f.). An dritter Stelle sind von Süden nach Norden: Philaidai (Brauron), Halai Araphenides, Phegaia, Araphen, Myrrhinutte die Küsten- Untersuchumgen über die Demenordnung des Kleisthenes. 15 demen der östlichen Paralia. Strabo IX, 398 hat nur die nicht unmittel- bar am Meer gelegenen Gemeinden Araphen und Phegaia übergangen (für letztere tritt Steph. Bz. ein: Ara" nerafu Bnyews ob moos MapaSüvı xal Bravpäves) und gewifs Myrrhinutte mit Myrrhinus verwechselt. Wiederum haben sich die meisten und darunter die bedeutendsten Demen der Aigeis (Agryle und Euonymia sind aus dem letzten Verzeichnifs Gelzer's bei Hermann, Staatsalt. ° S. S15 zu streichen) sofort nach den drei Gruppen sondern lassen. Die übrigen behandeln wir, wie auch im Folgenden, nach den Kategorien der zutheilbaren und der vorläufig unbe- stimmten. Der kleine Demos Bate (Bars, 89) hat sicher nichts zu thun mit dem heutigen Dorfe Patisia nördlich von Athen, wie Drasums will (Eonn. dpy. 1884 S.31f.) Harmyoız ist ngr. »Passirstätte«, »Furt«, was D. am Schlufs seines Aufsatzes auch anerkennt; dasselbe ungefähr sagt der Name des Nebenbaches zum Kephisos: Tlodovip%ı, während Bars mit Bares zu- sammenhängt (vgl. auch v. Wilamowitz Hermes XXI S.117). Ebenso bedenklich scheint mir die Annahme einer auch nur volks- etymologischen Umgestaltung von Bate in das heutige Ba$ez, d. i. die Gegend nordwärts Athen vor dem acharnischen Thore. Und doch wird unser Demos in der Richtung von hier etwa nach dem Kolonos hin ge- sucht werden müssen. Ich stütze mich dabei allerdings nur auf die Kata- loge, in denen Bate und Hestiaia regelmäfsig mit den städtischen Demen und zwar fast immer mit dem Kolonos verbunden auftreten (C.I. A. II, 329, Kol. Hestiaia; B. fehlt; 870 Kol. Bat.; 872 Hest. Bat. Kol.; 943 Diomeia, Hest.; 991 Diom. Kol.? Hest. Bat.; II, 1023 Hest. Diom.; ’Epyu. dx. 1886 S.13f. Kol. Bate). Diese Listen sind in der Wahrung der localen Folge allerdings ungleich; hier dürfen wir indefs auf die Aneinanderreihung um so mehr Werth legen, als sie durchaus constant ist und kleine Demen be- trifft, bei denen örtliche Anlehnung häufiger erscheint. Hestiaia (123) würde sich an Ankyle schliefsen, wenn man die An- gabe des Isaios über die dreiköpfige Herme in Ankyle (Suid. rpıxeb&Ace) »ragı Tny 'Eoriav ödov« nach einer nicht unwahrscheinlichen Vermuthung von Ross (Demen S.5 not.5) in &s ‘"Eorisiev oder 'Eorısiavdee zu ändern hätte. Zum Landbezirk, und zwar zur Gruppe der schon genannten Demen rechne ich zunächst die Teithrasioi (S4) und Jonidai (120). Den ersten 16 A. MıLCcHHOEFER: und verhältnifsmäfsig bedeutendern Demos verweist schon der rauhe Cha- rakter seiner Einwohner (Schol. Aristoph. Ran. 477; Suid. Hesych. TırSp.) in die Berglandschaft. Die berühmten Feigen von T. (Athen. XIV, 652) sprechen für sonnige und geschützte Lage, dem Meer nicht unmittelbar benachbart, aber auch nicht zu fern davon. Soviel ich sehe, kommen nur zwei Ortschaften in Betracht: das heut verlassene Dorf Rapentosa und Kalentsi; ich entscheide mich (vergl. Semachidai, Antioch.) für die erstere, Ikaria benachbarte, Stätte. Woher Hanriot (recherches S. 168), mit dem ich hierin übereinstimme, weils, dafs der Heros eponymos Tithras (Teuthras?) von hier aus gerade durch die Jonier des benachbarten Tetrapolis zur Aus- wanderung nach Mysien gezwungen worden sei, bleibt mir unklar. - ‘) verwerthet werden, welche eine mit Recht bemerkte Übereinstimmung mit attischen Ortsnamen aufweist (s. Töpffer, Att. Geneal. S. 268). Bei einer Quelle am Flusse Kytheros wurden die "Iwvides vuupaı verehrt, die ihren Für Jonidai kann nur die Notiz aus den Eliaca des Pausanias (VI, 22, Namen von Jon, dem Sohne des Gargettos, führten. Da nun auch Ky- therros (Pandionis) nordöstlich von Paiania (Liopesi, s. Pandionis) anzusetzen sein wird, suche ich Jonidai etwa östlich von Gargettos oder nach Er- chia zu. An der Küste mufs, wegen des durch Antiphanes bei Athenaios (VII S. 309E) bezeugten Fischfanges der #wBıu Otryne (72) untergebracht werden. Demosthenes’ Rede gegen Leochares enthält durchaus keinen Anlafs, uns an die eleusinische Bucht zu wenden. Zwischen Halai und Probalinthos, und hier allein, ist Platz für einen zweiten Demos neben Myr- rhinutte. Da die Paralia besetzt und die Zahl der »städtischen« Demen der Aigeis bereits sehr hoch ist, werden wir die noch nicht besprochenen, sehr kleinen Gemeinden Erikeia (118) und Kydantidai (128) im Binnen- lande suchen dürfen. Die Trittyen der Paralia und Mesogia treten hier benachbart auf (vgl. auch Pandionis.). Dafs letztere die ’Eraxgewv rarrus war (0.1. A. IV, 2, 5175; II, 1053) scheint mir wegen Gargettos, Erchia u. a. noch nicht sicher ausgemacht und folgt keinesfalls aus C.I.A. I,570. Vgl. auch Aiantis, Hippothoontis und die zum Schlufs folgende topographische Gesammtübersicht. Untersuchungen über die Demenordnung des Kteisthenes. 17 II. Pandionis. Stadtbezirk: Kydathen (6). Landbezirk: Paiania (2), Oa (60), Konthyle (121). Küstenbezirk: Myrrhinus (34), Angele (57), Prasiai (82), Steiria (63), Probalinthos (49). Den ersten Demosnamen jeder Reihe kennen wir zugleich, wie bereits oben bemerkt, als Trittyenbezeichnung. Denn Köhler’s Ergänzung der Prytanenurkunde, Athen. Mitth. VI S.110 =C.I A. U, 871: Kf[vdasyvawv reirris|, erhält ja durch das obige Schema ihre letzte Bestätigung, wenn sie deren überhaupt bedurfte. Leider sind von der Liste sonst nur Paianieer erhalten, doch trifft es sich, dafs die anderen Urkunden derselben Art ergänzend eintreten, indem sie jene Demengruppen constant wiederholen, bezw. geradezu auch nach Trittyen geordnet erscheinen: C.I. A. I, 865 Col. HI Paiania, Konthyle, Oa; 873 Paiania, Konthyle, Oa; dann: Prasiai, Angele, Myrrhinus, Steiria; IH, 1032 Paiania, Kydathen; dann: Steiria, Prasiai, Angele, Myrrhinus. Endlich AsArıov &o%. 1889 S.18 Paiania, Oa, Konthyle; Myrrhinus, Angele, Prasiai, Steiria; Kydathen, Probalinth. (Diese Zutheilung von Probalinth zu Kydathen diente offenbar zur Aus- gleichung. So ergibt sich annähernd dieselbe Zahl von Prytanen für jede der drei Trittyen.) Auch vom topographischen Standpunkt rechtfertigt sich die obige Zuweisung für die meisten und gröfsten Demen ohne weiteres. Kydathen, von Kleisthenes offenbar auch dem Namen nach neu geschaffen, wird die Akropolis zum Mittelpunkte gehabt haben. Paiania ist, lediglich auf Grund der sepulcralen Funde, bereits von Rofs in der Umgebung von Liopesi nachgewiesen worden. Von den wenigen (9) Grabsteinen auf Konthyleer ist der einzige nicht städtische, das stattliche Denkmal der Kallisto (s. Ant.-Ber. Athen. Mitth. XII S. 91, 43), südlich von Spata zum Vorschein gekommen. Auch der Demos Oa ist in Spata durch eine Grabinschrift (mit zwei Namen; vgl. »Karten v. Att.« Text IT—VI S. 6) vertreten. Die 3 Steine vom Familiengrabe des Deinias von Oa (C. I. A. U, 2678. 2679. 2682) sollen aus dem östlich benachbarten Velanidesa stammen, d.i. aus Phegaia (s. Aigeis. wovon ja ein Theil, wenigstens zeitweilig, auch zur Pandionis gehörte). Auch wenn diese Angabe zuverlässig ist, sehe ich keine Nöthigung, unsern Phil.- hist. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1892. 1. 3 18 A. MILCHHOEFER: Demos so weit in dieser Richtung zu suchen (vgl. nachbarliche Verschie- bungen, wie die 4 Grabsteine der Familie des Daisias und Mnesarchos aus Halai in Vraona, ©. I. A. D, 1781. 1791—94. Gehen aber alle diese Fund- angaben auf die von jeher eifrigsten Scavatori, die Bewohner von Spata, zurück, welche ihre geheime Thätigkeit bis nach Markopulo und bis an's Meer hin ausdehnen, so würde man in Bezug auf die Provenienzen mit kleinen, absichtlichen » Ungenauigkeiten« zu rechnen haben). Von den Demen der Paralia bedarf lediglich die Ansetzung von Angele der Rechtfertigung, da Prasiai und Steiria an der Bucht von Porto Rafti, Myrrhinus bei Merenda feststehen, Probalinthos als südlichster Demos der marathonischen Ebene, (wie gleich im voraus bemerkt werden mag, der erste sichere Fall einer Enelave). Die einzige ländliche Grab- inschrift eines Mannes aus Angele ist wiederum »südlich von Spata« auf- getaucht (» Ant.-Ber.« Athen. Mitth. XI S. 91, 41). Nach dem oben Ge- sagten stimmt diefs hinreichend zu der Örtlichkeit Angelisi (Ayyeriaı), '); Stunde nordöstlich Markopulo, worin sich der Name unseres Demos geradezu erhalten hat (vgl. Text II —VI der »Karten v. Att.« S. 1]). Ausgeschieden von der Besprechung der Zusammensetzung unserer Phyle waren bisher nur Kytherros (78), Graia (134) und die KaAereeis (142). Letztere erscheinen überhaupt nur einmal in der Epoche der 13 römischen Phylen (C.I.A. III, 10) und kommen als kleisthenische Bildung sicher nicht in Betracht. Dasselbe gilt wohl auch für Graia, welches nur in der bekannten Demenliste C.I.A. II, 991 zwischen Phegaia und Oa auftritt. Lag der Ort wirklich bei den Graeern an der oropischen Grenze, so wird die verhältnifsmälsig späte Ertheilung der Demengerechtigkeit (sowie auch seine Isolirung) ähnlich zu beurtheilen sein, wie bei Melainai, Hyporeia, Eunostidai, Psaphis (s. unten). Nothwendig scheint mir jene Localisirung übrigens nicht; Tox7s konnten ebenso gut anderwärts in Attika wohnen, wie die Trepupeis (am Kephisos, wiewohl die Angabe des Etym. M. s. v., dafs diese einen Demos bildeten, irrig sein wird). Kytherros vermögen wir leider nicht mit der wünschenswerthen Bestimmtheit zu localisiren. Bei Strabo (IX S. 397) unter den 12 »ältesten Städten« des Landes auf- geführt, gehörte es in historischer Zeit doch nur zu den unbedeutenderen Gemeinden. In den Prytanen- und sonstigen Beamtenlisten erscheint es gar nicht, nur einige Male in Ephebenkatalogen, namentlich römischen. — Die Finlay’sche Votivinschrift eines KuS]ygiss? in Elimbo (Olympos; s. Leake, Untersuchungen über die Demenordnung des Kleisthenes. 19 demi? S.28) hat schon als solche geringen Werth; allenfalls bezieht sie sich auf einen Mann von der Insel Kythera; hier lagen überdiefs lauter Demen der Antiochis beisammen (s. unten). Strabo’s Aufzählung der 4 alten Städte des Ostens: Thorikos, Brauron, Kytherros, Sphettos, läfst viel- mehr annehmen, dafs K. im innern Theile, näher dem Hymettos lag. Damit vereinigt sich sehr wohl die oben, Aigeis, erwähnte Beziehung zu Jonidai und Gargettos. Wir kämen dann in die Gegend nordöstlich Paiania (etwa Papangelaki?, s. »Kart. v. Att.« Text II—-VI S. 4, mit bedeutendem Nebenarm des »grofsen Rhevma«; nicht weit davon sucht Kytherros, mit wunderlichen Gründen freilich, Surmelis ’Arr. S. 21). IV. = Weontıs Stadtbezirk: Kolonos (s. oben S. 7,1), Oion Kerameikon (53), Skam- bonidai (55). Landbezirk: Leukonoe (23), Kropidai (95), Eupyridai (36), Pelekes (117). Aithalidai (44), Paionidai (80), Hekale (100). Küstenbezirk: Sunion (25), Potamioi (58), Deiradiotai (73). Über den dreifach getheilten Kolonos s. oben Aigeis. Zur Leontis wird es gestattet sein, den Westen desselben zu rechnen, welcher sich nördlich und nordwestlich vom Demos Kerameikos (Akamantis) mit Oion Kerameikon zusammenschliefst. Skambonidai mufs auf Grund seiner zahlreichen Handwerkerbevölkerung in die Nähe der Stadt gerückt werden, wie v. Wilamowitz (Hermes XXII S. 120f.) ausführte und auch ich be- reits erkannt hatte. Der Fundort des Steines C.1.A. 1,2 (ib. IV, 1 8.4), sowie die Beziehungen zur Thriasischen Ebene (Paus. I, 38, 1) deuten auf westliche Lage, bei der heiligen Stralse. Wo diese den Kephisos über- schritt, lag Lakiadai (Oineis); es empfiehlt sich somit, Skambonidai an ihren Anfang zu rücken. Innerhalb der Stadt würde also der Demos die das »Theseion« einschliefsende Ecke zwischen Kerameikos und Melite aus- füllen, wo ich früher Kollytos annahm. (Dazu pafst auch sehr wohl der skam- bonidische Heros Myrmex als Vater der Melite; vgl. Harpokrat. MeAırr.) Innerhalb des Landbezirks beschäftigt uns zunächst die razunz: Eupyridai, Kropidai, Pelekes (Steph. Byz. Eöryp.). Mancherlei Schein- 3% 20 A. MıiLCHHOoEFER: gründe, wie der heutige Ortsname Pelika im Gebiet von Athmonon, (dessen rein albanesischen Ursprung jedoch schon Rofs, Demen S. 91, betonte), die Nachbarschaft der »Handwerkerdemen« Daidalidai, Iphistiadai, Kolonos, hatten früher (s. Kartentext II S. 39) auch mich veranlafst. diese Gruppe am linken Kephisosufer zu suchen. Jetzt stellt sich heraus, dafs hier kein Platz dafür übrig bleibt, wie unten die Betrachtung über die Landbezirke der Akamantis und der Kekropis näher darthun soll. Somit fällt jede Veranlassung fort, der bekannten Thukydidesstelle (I, 19) auszuweichen oder Gewalt anzuthun, nach welcher der Spartanerkönig Archidamos mit seinem Heere von den Rheitoi auf Acharnai marschirte: &v defi& eyovres ro Alyarewv &pos dia Kowriäs, d. i. der Weg von der Dorfruine Stephani nach Epano-Liossia. Zwischen beiden Punkten liegen noch weitere alte Stätten: Demerdjis und Saverdeli (= Sabridaela bei Surmelis, "Arr. S. 27). Auf diese Strecke, welche der Bodencultur weniger günstig war, werden zu- nächst die kleinen Handwerkerdemen Kropidai und Pelekes zu vertheilen sein; Eupyridai, die gröfste Gemeinde, auf die Senkung zwischen Aigaleos und Parnes. Übereinstimmend nach Westen weisen zudem für Kropidai von den wenigen bekannten Grabsteinen die einzigen ländlichen Funde (denn Stuart's und Lenormant’s Inschriften aus »Koropi« sind völlig apokryph, s. Kartentext II S. 39): » Ant.-Ber.« Ath. Mitth. XII S. 327 Nr. 481 bei Kalyvia in der thriasischen Ebene, und ebda. XII S. 346 Nr. 586 beim Pulvermagazin nördlich der heiligen Strafse.. In der vollständigen Pryta- nenliste der Leontis C.I. A. I, 864 begegnen wir der Reihe: Kropidai, Paionidai, Eupyridai, Aithalidai; in der Demenliste C. I. A. I, 991: Paionidai, Hybadai, Pelekes, Kropidai, Eupyridai. Die Paionidai sind am Parnesabhange nördlich von Menidi (das den Namen bewahrt zu haben scheint; vgl. Mendeli = Penteli: Miskopi = Episkopi) unterhalb Leipsy- drion anzusetzen (Herodot V, 62; letzteres Castell ürsp IapynIos Suid. noch nachweisbar auf der Höhe Karagufolesa —= Kastro über Gaitana):; die Aitha- lidai wohl als Nachbaren der Eupyridai bei dem Kohlenbrennerdorf Chassia im Parnesgebirge. Aufser dem chthonischen Cult des Aithalides und seines Vaters Hermes (s. »Aithal.« in Roscher’s Lexicon) scheinen die Aithaliden auch den des Amphiaraos gepflegt zu haben (C.I. A. IT,61 A Col.12.15 fi.); es ist wohl nicht Zufall, wenn uns derselbe Heros auch in einer Inschrift aus dem nahen Acharnai begegnet (C.I. A. IH, 25); ebensowenig, dafs über Chassia sich der Berggrat Harma erhebt, welches ähnlich wie das Untersuchungen über die Demenordmmg des Kleisthenes. zul böotische Harma in die Sage von Amphiaraos hineingezogen wurde. (Vgl. Steph. Byz. s. v.; auch »Amphiar.« in Roscher's Lex.; Müller, Orchom. S. 475.) Von dem nieht unbedeutenden Demos Leukonoe liegen je eine länd- liche Grabschrift in Chalandri (»Ant.-Ber.« Athen. Mitth. XII 8.353 — C. 1. A. I, 2302) und aus Menidi (C.I. A. I, 2304), aber auch eine aus Eleusis und nicht weniger als drei aus Salamis vor. Nach Westen (wie immer von Athen her gerechnet) weist auch die Votivinschrift eines Mannes von Leukonoe an Apollo: C.1.A. II, 1568, aus Hag. Theodoros, zur Siedelung Peristeri gehörig, südwestlich Kato-Liossia. Velsen fügt a. a. O. hinzu: in loco "Ara yauara i. e. Aevxovoy. Apolloeult wird in derselben Gegend durch die etwas nördlicher bei Dragomano (zwisehen Kamatero und Pyrgos) gefundene Tempelurkunde des Apollon "EaSacevs bezeugt (C. I. A. II, 841). Nieht minder nahe aber liegt uns die Stätte des ungleich berühmtern Pythion an der Pafshöhe der heiligen Strafse (bei Dafni; s. Pausan. I, 37,6, vgl. auch die an Apollo geweihte Herme aus dem benachbarten Chaidari, ©.1.A. 1,381). Beachtenswerth erscheint nun dabei, dafs gerade die Heroine Leukonoe in die (nach Paus. a. a. O.) eben hier anknüpfende Kephalidensage, sowie in die (phokische?) des verwandten, apollinischen Philammon enge einbezogen ist (Töpffer, Att. Geneal. S.258; vgl. auch Oie und Pteleasioi). Der Schlufs, dafs jenes Pythion deshalb in Leukonoe lag, scheint mir noch nicht sicher, doch spricht Alles dafür, dafs wir unsern Demos in der Nähe des Aigaleos zu suchen haben. Anscheinend getrennt von der bisher ermittelten Gruppe (doch s. unten) lag Hekale (100), ein kleiner Demos, den wir in jedem Falle zum Landbezirk der Leontis rechnen müssen. Der bisher geläufigen Annahme, dafs Hekale bei Stamäta lag, habe ich (Kartentext IT—VI S.37 a. E.) widersprochen; in der That hat sich seitdem herausgestellt, dafs hier Plotheia (s. oben, Aigeis) anzusetzen ist. Aber indem ich mich mit Pan- tasıs (Kartentext a. a. O.) um der Namensähnlichkeit willen für Kalisia im Pentelikon entschied, dachte ich mehr an den kürzesten Weg, den man einem Helden wie Theseus zwischen Athen und Marathon zumuthen durfte, als an die gewöhnliche Tendenz der Sage, wichtige Verbindungsstrafsen durch legendarische Erinnerungen auszuschmücken. Insbesondere läfst der für die Epakria centrale Cult und Festort des Zeus Hekalesios eine zugäng- lichere Lage des Demos voraussetzen. Nach diesen Erwägungen unterliegt 22 A. MıiLCHHoEFER: es mir gegenwärtig keinem Zweifel, dafs Hekale in dem amphitheatralisch abgeschlossenen Bergkessel von Kukunarti, nordöstlich Stamata, anzu- setzen ist, wo die eigentliche Wegescheidung nach den verschiedenen Rich- tungen der marathonischen Ebene wie der Epakria stattfindet und wo die Reste der von mir ohne Ausgrabungen hervorgezogenen Votivreliefs (Athen. Mitth. XII S. 313 Nr. 376. 377, letzteres agonistisch) eine religiös hervor- ragende Örtlichkeit vermuthen lassen (vgl. Kartentext II—VI S.57 £.). Die Paraliademen der Leontis beginnen mit Sunion an der Südost- spitze Attika’s. Die dreigetheilten Potamier (Köhler, Athen. Mitth. X S. 105 £.) wohnten an dem noch heute schlechtweg Potami genannten, bei Thorikos mündenden Flufs, bis nach Daskalio hinauf: etwas landeinwärts benachbart waren die Deiradiotai. wie aus dem Namen des Zwischen- demos Potamioi Deiradiotai folgt. Dort, bei Panagia Gharika, fand sich auch der Hypothekenstein eines Deiradioten, sowie in Keratea eingemauert die Grabinschrift eines solchen (»Ant.-Ber.« Athen. Mitth. XII S. 287 f. Nr. 207 und 212). Ich will gleich hier bemerken, dafs zwischen Sunion und den Pota- miern Thorikos am Meer isolirt zur Akamantis gehört (wenn auch nur durch den letztgenannten Demos von den anderen gleicher Phyle: Kephale, Prospalta u. s. w. abgetrennt); während nach Westen zu der kleine Demos Besa (nahe Kamaresa) die Gruppe der Antiochis eröffnet. Aber der ganze zwischenliegende Bergwerksstrich von Villia und Plaka bis Suresa und Berseko wird damit an die vier genannten Demen bei weitem nieht auf- getheilt. Hier ist mindestens noch eine grofse Gemeinde anzusetzen, die aller Analogie nach zur Leontis gehört haben wird. In der That müssen zwischen Sunion und den Potamiern, den »Flufsleuten«, die Phrearrhier (24), die »Brunnenleute«, gewohnt haben. (Man beachte ähnlich durch- sichtige, wohl erst kleisthenische, Namenbildungen in den nördlich und nordwestlich angrenzenden Asırzdıörzı und Kebarels.) Die ganze wasser- arme Gegend ist ja durchsetzt von Schachten, Brunnen und Cisternen. Da es an direeten Angaben über die Lage der Phrearrhioi fehlt, sind wir im übrigen auf die Listen der Prytanenurkunden u. s. w. angewiesen. Hier begegnen wir ausschliefslich folgenden Gruppirungen: Athen. Mitth. X, S.106£.: Phrearrhioi. Sunieis, Potamioi Deiradiotai, Deiradiotai: C.L.A.D. 864 Phrearrhioi, Sunieis, Deiradiotai. Potamioi: 943 Deiradiotai. Phrearrhioi, Sunieis. Untersuchungen über die Demenordnung des Kleisthenes. 23 An der Küste liegt als Enclave der Leontis noch Halimus (81), zwischen Phaleron und Aixone. Halimus ist durch Kleisthenes vermuth- lich erst von Phaleron als selbständige Gemeinde abgelöst worden. Es kann zweifelhaft erscheinen, ob dieselbe ebenfalls zu den Demen des Stadt- bezirks oder zu der Paralia gerechnet werden mufs. (S. unten S. 48 a. Anf.) Die übrigen Ortschaften der demenreichen Phyle werden wir im Binnenlande zu suchen haben. Da die Semachidai zu streichen sind (Mitth. IV S. 102), so blieben Kettioi (92), Hybadai (95), Cholleidai (49), letztere weitaus die gröfste Gemeinde, übrig. Zu ihrer Localisirung fehlt es durchaus an directen Anhaltspunkten. In den Beamtenlisten finden sich verbunden: C.I. A. II, 864 Leukonoe, Cholleidai, später Pelekes, Hy- badai: 943 Leukonoe Cholleidai; 991 (Demenliste), Kettioi (Lücke), Paio- nidai, Hybadai, Pelekes; 1001 Kettioi, Leukonoe, Cholleidai; 1040 Leu- konoe, Pelekes, Cholleidai; 1049 Aithalidai, Eupyridai, Cholleidai, Leu- konoe; IIH,1066 Aithalidai, Cholleidai, Kettioi, Eupyridai. Daraus folgt wenigstens die Zugehörigkeit zum Landbezirke; aus Aristophanes etwa, dafs Cholleidai, der Demos des Dikaiopolis, noch in der athenischen Ebene lag und von Acharnai vielleicht nicht allzu entfernt war. Der einzige, ländliche Grabstein auf einen Mann aus Cholleidai ist in Kephisia ab- geschrieben worden (C. I. A. II, 2316). Die Behandlung der übrigen Phylen, namentlich der Akamantis und Kekropis wird ergeben, dafs für die fraglichen Demen innerhalb dieses Theiles von Attika nur das obere Kephisosgebiet frei bleibt, d.i. der bei dem tiefgrundigen Erdreich an antiken Resten arme, doch sehr eultur- fähige Strich, welcher die Lücke zwischen Paionidai und Hekale (s. oben S. 21) ausfüllt. Die bedeutendsten Spuren weist heute noch Bugiati, nordwestlich Stamata, und die Umgebung dieses Dorfes auf. V. Akamantıs. Stadtbezirk: Kerameikos (26). Landbezirk: Hermos (69), Cholargos (32), Eiresidai (116), Kyr- tiadai (129), Porioi (103), Iphistiadai (96). Küstenbezirk: Thorikos (33), Kephale (28), Prospalta (50), Agnus (41), Sphettos (19). 24 A. MIiLCHHOEFER: Die Lage von Hermos am ersten Theil der heiligen Strafse nach Eleusis wird durch das Grabmal der Pythionike (Paus. I, 37, 4) bezeugt, welches eben in diesem Demos lag (Plutarch Phok. 22). Da der gleich- namige Bach (Harpokr. s. v.) nur derjenige sein kann, welcher von Chai- dari zum Kephisos fliefst, so ist der Demos an diesem Orte selbst oder etwas vorher, wie ich glauben möchte, bei Bistardo zu suchen. (Die alte Strafse nach Eleusis wird, nebenbei bemerkt, den Eliasberg nicht, wie der heutige Fahrweg, von Süden, sondern von Norden umgangen haben.) Die vorhandenen, ländlichen Grabsteine auf‘ Hermeer bestehen die Kritik: »Ant. Ber.« Athen. Mitth. XII S. 346 Nr. 584. 585, 2 Inschriften nördlich vom heutigen Wege beim Pulvermagazin gefunden und Nr. 580 jetzt in Chaidari. In dieselbe Richtung ungefähr verweisen uns die einzigen in Betracht kommenden Grabinschriften von Cholargos: C.I. A. I, 2662 » westlich vom Ölwald« gefunden und »Ant. Ber.« Athen. Mitth. XII S. 346 Nr. 581, jetzt in Chaidari. Eine dritte Inschrift (Decret der »Mesogeer«) C.1I. A. II, 604 war nach der Bestimmung aufgestellt: &v rö "Hraxreıw 72 &v zURAw Ev Xorapyewy. Zum Vorschein gekommen ist sie an der Stadtgrenze Athens, beim »Theseion«, zweifellos aus der entsprechenden näheren Umgebung hierher verschleppt. (Die anderen Mesogeer Urkunden fanden sich gleich- falls an der nordwestlichen Peripherie.) Wenn endlich Perikles, der Cho- largeer, beim Einbruch der Spartaner in Attika, sein Land dem Volke schenkt, damit jene ihn nicht etwa durch Schonung desselben verdäch- tigen könnten, so darf man wohl annehmen, dafs es dem Einfallgebiete nahe und besonders exponirt war. Auf alle diese Erwägungen hin glaube ich mich berechtigt, diesen bedeutendsten Demos des Landbezirkes von Hermos bis an den Kephisos, etwa nach dem Dorfe Levi hin, anzusetzen. Gegenüber, am linken Kephisosufer, lagen, wie wir beiläufig, aber auf”s Deutlichste, aus dem Testamente des Platon (Diog. Laert. II, 1, 41f.) er- fahren, die Eiresidai und Iphistiadai. Erstere hatten nach Westen diesen Flufs als Grenze (mpes AAlcv duouevov 6 Kndıccs); an einem Grund- stück im Iphistiadai lief nördlich 4 6dos # &% ToU Krpısäcw iepoo vorbei. Dazu würde die Lage des bayrischen Kolonistendorfes Arakli, südwestlich von Kephisia, um so besser passen, als sich in dem Namen gewils die Erinnerung an das (bei Diog. Laert. a. a. O. bezeugte) "Hg&xAreıov 6 &v 'Hoaı- orıadaıs erhalten hat, wie in dem benachbarten Marusi (Athmonon) das Untersuchungen über die Demenordnung des Kleisthenes. 25 Heiligthum der Artemis Amarysia. Freilich weist Aräkli keine Spuren eines antiken Demos auf; wir werden annehmen müssen, dafs der Name von seinem ursprünglichen Platze etwas fortgerückt sei. (Als Analogie diene zunächst der Tempel der Artemis Amarysia, dessen Grenzsteine nicht in Marusi, sondern südwestlich in Pelika und Logotheti gefunden wurden: Athen. Mitth. XII S. 351 Nr. 645. 646; vgl. auch das heutige Marathona, Vraona, Raphina, Garito, Menidi, Charaka am Festland mit Marathon, Brauron, Araphen, Gargettos, Paionidai und der Insel IarpexAcv Xapz£.) Als nächste antike Stätte bietet sich südlich von Arakli (beim Eisenbahndurchsehnitt) die von Chalkomatädes dar, deren Name ebenfalls an ein dort bezeugtes Heiligthum, das des Hephaistos, erinnert (Steph. Byz. "Hodıorızdaı). Dem Demos Eiresidai (den »Ruderern«) schliefse ich die Kyrtiadai und die Porioi (Die bei den »Fischreusen« und der »Furt«) an. Unter den Prytanenlisten begegnen wir nur einmal den ersteren in der Reihe (C. I. A. IT, 1031): Kyrteidai, Hermeioi, Cholargeis, Eresidai. — Über die alte Kephisos-»Furt« zwischen Levi und Patisia glaube ich schon im atti- schen »Kartentext« II S.43 das Richtige bemerkt zu haben (vgl. auch Dragumis, 'Eonu. &rx,. 1884 S. 39, 1), ohne damals bereits an die Porioi gedacht zu haben. Über die Gleichbedeutung der Namen des östlich benachbarten Marzcız und des Nebenbaches Hodevip%ı vgl. oben, Aigeis, die Bemerkungen über Bate. Die bequeme und vielbenutzte Furt ist geeignet, den Ausnahmefall zu erklären, dafs Demen einer Trittys zu beiden Seiten des Kephisos gruppirt sind. Von den Demen der Paralia ist Thorikos (Therikö an der Südost- küste) bereits oben, Leontis, erwähnt. Die Gemeinde der Potamier trennt Thorikos von Kephale, welches bereits U. Köhler richtig bei Keratea angesetzt hat (Athen. Mitth.X S. 110; vgl. dazu » Ant.-Ber.« Athen. Mitth. XI S.288 f. Nr.210— 2112; ungefähr ebenda, »zwischen Keratea und Kaki Thalassa«, nach schriftlicher Mittheilung von E. Curtius, ein &pos "Abpodirns Kepa@r7Sev, vgl. Isae. II, 531). Nordwestlich von Kephale, bei den Kalyvia von Kuvara (Gegend: »Ennea Pyrgi«), lag Prospalta, »Ant.-Ber.« a.a. O. S. 284 Nr. 182. 183, auch 187 (?), dann bei Markopulo Agnus (» Ant.-Ber.« S. 278 £. Nr. 161— 163; auch 164. 165?, S. 99 n.111) und westlich von Koropi (Gegend Philiati) Sphettos. Die Ansetzung des letztern Demos an dieser Stelle habe ich auf Grund der Inschriftfunde und sonstiger Indieien Phil.- hist. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1892. 1. 4 26 A. MIiLCHHOoEFER: vor kurzem ausführlich begründet: Berl. Phil. Wochenschr. 1892 Nr. 1 und 2 (gegen A. Brückner, welcher hier vielmehr Pallene, Sphettos aber bei Olympos, südlich vom Pani-Gebirge, annahm: Athen. Mitth. 1891 S. 200 £. Auch dann bliebe Sphettos dieser Paralia-Gruppe, insbesondere dem Demos Prospalta, benachbart; doch werden sich noch weitere Gegengründe ergeben, welche erst im Zusammenhange dieser Untersuchungen zur Geltung kommen können; vgl. unten Antiochis). Unberücksichtigt blieben bisher nur die Demen vierter Gröfse Fitea (71) und Kikynna (75), sowie die nur von Photius s. v. genannten, sonst völlig unbekannten Rhakidai (140). Jene beiden gehörten zum Theil noch je einer anderen Phyle an: Eitea der Antiochis (in der Akamantis erst seit makedonischer Zeit nachweisbar, Dittenberger, Hermes IX S. 394); Ki- kynna ist, wenn auch nur ein einziges Mal, in der Diätetenurkunde C. I. A. I, 944, noch für die Kekropis bezeugt. Wären diese doppelten Zutheilungen sicher kleisthenisch, so könnte man vermuthen, dafs die betreffenden Demen an oder nahe der Grenze entsprechender Trittyen lagen (vgl. Phegaia für Aigeis und Pandionis). Die Eiteaioi (bei den »Weiden«) gesellen sich passend zu den Kyrtiadai, Porioi, Eiresidai am Kephisos, zumal es sonst an der Voraussetzung für diese Baumart, an reichlichem Wasser, fehlt (daher schon bei Stuart, Alterth. v. Ath. I S. 233 d. Übers. eine ähnliche Ver- muthung); in der That scheinen Demen der Antiochis (s. unten) sich hier am linken Ufer südlich anzuschliefsen. Vgl. auch C. I. A. I, 991 die Reihe: Iphistiadai, Eiresidai, Hermos, Cholargeis, Eiteaioi. — Kikynna wird man eher östlich vom Hymettos und möglichst nahe bei diesem Gebirge suchen. Der einzige ländliche Grabstein (der Frau eines Mannes aus Kikynna) ist in Kalyvia von Kuvara zum Vorschein gekommen (C.I. A. I, 2187). Da Ki- kynna einen offenbar bekannten Apolloeult hatte (Schol. Aristoph. Nub. 134 evIa dyeraı xl 7% AmoArwvie), so scheint mir eine Beziehung zu dem Heros und Hymettosriesen Kynnes, dem Stammvater der Priester des Apollo Kynneios, nicht abzuweisen (vgl. zuletzt G. Kirchner, Attica et Pelopones. S. 49). Dieses Gentilheiligthum der Kynniden im Hymettosgebirge selber (welehes ich übrigens nicht, wie Töpffer, Att. Geneal. S.305 f. zu thun scheint, mit dem des Apollo Zosterios identificiren möchte), war schwerlich dasselbe, auf welches sich die Apollonia von Kikynna bezogen. Lieber erinnern wir uns der Angabe, dafs der Eponymos Kynnes als Sohn des Untersuchungen über die Demenordnung des Kleisthenes. DM Apollo und der Nymphe Parnethia galt (Phot. Kövveics), in Verbindung mit einer Inschrift aus der Gegend von Markopulo (©. 1. A. II, 609), welche die Verehrung des Apollo Parnessios an der Ostseite des Hymettos bezeugt. ') VI. -Oineis. Stadtbezirk: Lakiadai (43) (Trittys ©. I. A. I, 502) Epikephisier (90), Butadai (99), Perithoidai (64). Landbezirk: Acharnai (1). Küstenbezirk: Thria (52) (Trittys C. I. A. IV, 2, 5175), Oe (40), Phyle (48). Die Lage von Lakiadai am Kephisosübergange der »heiligen Strafse« ist hinreichend bekannt (Pausan. I, 37, 2 vgl. auch oben Leontis: Skam- bonidai und unten Hippothoontis: Koile). Dafs auch die Epikephisier am Flusse zunächst der Stadt wohnten, kann aus dem Fundort eines Decretes derselben beim Dipylon (’ASyv. VIIL, 234 — Dittenbg. Syll. 298), sowie daraus erschlossen werden, dafs eine unter den Metöken aufgeführte Musikantin dort ansässig war (v. Wilamowitz, Hermes XXH, S.116*), gewils nicht allzufern von ihrem Erwerbscentrum (er! Zxiw und Dipylongegend). Auch der sehr kleine Demos, welcher seinen Namen nach dem uralten städtischen Adelsgeschlecht der Butadai führte, wird in der Nähe zu suchen sein (vgl. Hermesa.a. O0. S.123£.). Die einzige vollständige Prytanenliste der Oineis G.I.A. II,868 führt ihn neben den Lakiadai auf. Vielleicht ist es nicht zufällig, dafs die Eteobutaden gerade bei der Festprocession nach dem Orte Skiron, den Skirophorien, hervorragend betheiligt waren (vgl. Töpffer, Att. Geneal. S.119£.) und dafs Zeuxippe, die Mutter des Butes, eine Tochter des Eridanos genannt wurde (Apollod. II.14,8). Tochter !) G. Kirchner a.a.O. S.52f. zieht aus der ersteren Notiz den umgekehrten Schluls, dals Kikynna am Parnes lag, besonders auch, weil der Schüler in den »Wolken« des Ari- stophanes v. 210 f. dem Strepsiades aus Kikynna auf der Landkarte zuerst seinen Demos und unmittelbar darauf Euboea zeige. Aber dieses nennt er ja »ropgu z«vu« und der Dichter führte es nur um der folgenden Bemerkungen über Lakedaimon willen ein, welches deın Strepsiades »allzunahe« zu liegen schien. Die Grundstücke in Sphettos und Kikynna, welche Lysias (17, 5 und 8) erwähnt, lagen vielleicht bei einander. An die Nähe des Gebirges erinnert das steinige, dürftige Gebiet (®=?rsJs), auf dem Strepsiades seine Ziegen weidete (Aristoph. Nub. 71 f.). 4* 5 189) fo) A. MıiLCHHOEFER: des Butes war Hippodameia, die Gattin des Peirithoos, des Ahnherrn der Perithoiden. Die einzige ländliche Grabschrift auf zwei Perithoiden fand ich am Westrande des Ölwaldes bei der heiligen Strafse (C.1.A. I, 2471). Verwiesen werden mag noch auf das im nahen Kolonos gelegene Heroon des Peirithoos (Pausan. I, 30, 4), sowie auf seine Verflechtung in die am Pythion der heiligen Strafse loealisirte Kephalidentradition, indem Dia, die Schwester des Kephalos, als Mutter des Peirithoos galt (Töpffer 202. 05256). Die Lage von Thria (bei den Kalyvia von Chassia) darf hier als hin- reichend bekannt angenommen werden. (Vgl. » Ant.-Ber.« Athen. Mitth. XI, S.326, 467: 478.) Die Zugehörigkeit zur Paralia beweist auch die Ana- logie von Eleusis als Paralia- Trittys neben der städtischen Trittys Peiraieus (s. Hippothoontis). Oe, oder Die, mufs (nach Sophoel. Oed. Col. 1061 u. Schol.) auf dem Wege von Kolonos nach Theben gelegen haben; da die »heilige Strafse « “durch v. 1048 £. ausgeschlossen ist, bleibt nur die Rich- tung zu dem Durchgange zwischen Aigaleos und Parnes übrig, welcher dann die obere thriasische Ebene durchschneidet. Oe vermuthen wir bei Kastro Plakotö, am Ausgange des Sarantapotamo-Passes. Vgl. auch Oja, Melainai und Eleusis als Ortsnamen auf Thera vereinigt; zuletzt Studniezka, Ky- rene S.65. Oie, als Tochter des Kephalos, bezeugt von neuem die Ein- wirkung der im Aigaleos (beim Pythion, Pausan. I,37,6) angesiedelten Kephalidensage; vgl. oben Leukonoe und Perithoidai. — Nördlich an die thriasische Ebene grenzte die Parnesregion, in welcher Phyle mit dem bekannten Castelle lag. Ich glaube daher auch dieses zur thriasischen Trittys ziehen zu müssen, zumal der Bezirk Acharnai schon an sich über- grols und, wie oben wahrscheinlich gemacht wurde, durch Demen der Leontis von Phyle abgetrennt war. (S. auch unten S. 44.) Von den übrigen Demen der Oineis: Kothokidai (68), Hippoto- madai (127), Lusia (107), Ptelea (122), Tyrmeidai (119) (letzterer vielleicht jung; s. Köhler, Athen. Mitth. IV, 103; Eitea ist zu streichen, s. ebd.) ist keiner seiner Lage nach ohne weiteres bekannt. Man wird am ehesten geneigt sein, sie da zu suchen, wo noch ein weites, fruchtbares Gebiet unbenannter Demenstätten der Ausfüllung harrt: in der thriasischen Ebene. Zur Unterstützung dieser Annahme läfst sich für Ptelea ein Votivstein aus Kalyvia heranziehen (»Ant.-Ber.« Athen. Mitth. XII, S. 325 n. 465), dessen Demotikon doch wohl nur in Ir]e[Ass]oıo[v ergänzt werden Untersuchungen über die Demenordnung des Kleisthenes. 29 kann. Pteleon buhlte mit Prokris (Töpffer Geneal. S.258); über die Spuren der Kephalossage im Bereich des Aigaleos vgl. oben Oie, Peri- thoidai, Leukonoe. Für Kothokidai spricht die einzige, topographisch in Betracht kommende Grabinschrift, welche ich in Goritza, nordwestlich von Kalyvia fand (Athen. Mitth. a.a.O.n. 480). Aus diesem und aus den oben angeführten Gründen widerstehe ich auch der Versuchung, Kothokidai deshalb in die Nähe der Stadt zu ziehen, weil Aeschines, der Kothokide. sich der Cult- genossenschaft mit den Eteobudaden rühmte (Aesch. II, 147), oder weil (nach C.I.A. II,785) der Epikephisier und Apheidantide Leontios als Be- vollmächtigter dieses Geschlechtes ein in Kothokidai gelegenes Landgut verkauft. Dafs Kothokidai vielmehr von Athen ziemlich fernablag, scheint auch aus Aristoph. Thesmoph. 620 zu folgen, wo Mnesilochos, als Frau verkleidet, diesen Demos, also gewifs keinen stadtbekannten, als Wohn- sitz ihres Mannes angibt. Für Hippotomadai weifs ich nur anzuführen, dafs diese Gemeinde zusammen mit Kothokidai in die Demetrias versetzt wurde, ebenso wie aus der Kekropis (s. unten) Xypete und Melite, dafs wir es also wahrscheinlich auch hier mit Nachbardemen zu thun haben. Von Lusia freilich, das auf Grabsteinen bisher nur dreimal vertreten ist, befindet sich die eine Inschrift in Hg. Theodoros, südwestlich Kato- Liossia. (» Ant.-Ber.« Mitth. XII S. 344 Nr. 565; aber vielleicht auch 566.) Es mufs also die Möglichkeit offen gelassen werden, dafs diese kleine Gemeinde etwa noch zum Bezirk von Acharnai gehörte. VI. Kekropis. Stadtbezirk: Melite (4), Xypete (42). Landbezirk: Athmonon (20), Daidalidai (125), Sypalettos (70), Tri- nemeia (110), Phlya (12). Küstenbezirk: Aixone (10), Halai Aixonides (16). Melite nahm, soweit es in die Stadt hineinragte, bekanntlich die südwestliche Hügelgegend derselben ein. Xypete, für welches Lage am Meer nicht bezeugt ist (vgl. att. Kartentext IL, 6), wird von den vier Ort- schaften der Tetrakomia, Phaleron, Peiraieus, Xypete, Thymoitadai, am nächsten nach Athen zu gelegen haben (etwa um die Mitte der heutigen 30 A. MıLCcHHOoEFER: Fahrstrafse zum Peiraieus), und somit noch Melite benachbart gewesen sein. (Vgl. auch unten Koile, Hippothoontis.) Athmonon = Marusi ist durch den Namen der Artemis Amarysia und durch Grabsteinfunde gesichert (»Ant.-Ber.« Athen. Mitth. XII S. 351f.), Phlya bei Chalandri auf Grund der Nachbarschaft mit Athmonon (C. 1. A. IH, 61 A Col. 2.13) und meiner Ausführungen im att. Kartentext II S.37 (dazu noch das berliner Grabdenkmal aus Chalandri ©. I. A. II, 2646 - - vroc ®rveus) jetzt allgemein zugestanden. Die kleinste Gemeinde der Phyle, Daidalidai, mag nach Iphistiadai (mit Hephaistosheiligthum Steph. Byz.) zu, bei Kalogresa oder Brahami gesucht werden (vgl. auch Kartentext a.a. 0. S. 39). Andererseits kann die Ansetzung von Sypalettos seit der Auffindung eines sehr alten Decretes dieses Demos bei Kukuvaones, westlich Marusi, nicht zweifelhaft sein (» Ant.-Ber.« Athen. Mitth. XII S. 348£. Nr. 615). Eine Bestätigung liefert das auf der anderen Seite des Kephisos (im Gebiet von Acharnai, bei Derwishau) gefundene, leider sehr verstüm- melte Fragment, Athen. Mitth. a. a. O. S. 339 Nr. 514, welches von Grenzen (Grundstücken), Wasserleitung u. s. w. handelt; es beginnt: eifva] ...... 7 -- [r]öv Zurorn[rriwv] -- Arrov dvuv(r)o[s u.s.w. Für Trinemeia endlich liegt nur die Angabe bei Strabo (IX S.400) vor: & Kybdıcaos &x Tpweucwv Tas dpygs &ywv. Die Quellarme des Kephisos aus der Gegend von Dekeleia, aus der Epakria und von Kephisia her, treffen oberhalb Kukuvaones zu- sammen. Hier also bildet sich der eigentliche Kephisos, wenn auch der Bach von Kephisia bereits für sich den gleichen Namen führte. Das Ge- biet der Trinemeer mag also von Kukuvaones bis nördlich nach Fasidero hinauf gesucht werden. Auch der kleine Demos Epieikidai, über den sonst durchaus nichts bekannt ist, dürfte hier, bei Monomati, Kalephthaki, Chelidonu oder Adamis noch Platz gefunden haben (C.I. A. II, 1114 ist er irrig zur westlich benachbarten Oineis gerechnet). Die beiden grofsen Demen der Paralia, Aixone und Halai Aixo- nides, nehmen südlich von Athen den Landstrich vom heutigen Trachones bis zum Meere (Haliki) ein (Athen. Mitth. XII S. 358f.). So bleibt nur der Demos Pithos (59) übrig, den wir jedoch von vorn herein als binnenländisch werden ansprechen dürfen. Zu näherer Be- stimmung verfügen wir lediglich über eine Angabe bei Athenaeus (VI, 234 F), nach welcher (zufolge der Inschrift eines Weihgeschenkes) zwei Gargettier und ein Pithier als Parasiten des Heiligthums der Athene Pallenis genannt Untersuchungen über die Demenordnung des Kleisthenes. sl werden. Über die engen Beziehungen zwischen Gargettos (Aigeis) und Pallene (Antiochis) vgl. das zu diesen Demen Angeführte. Dafs auch Pi- thos in der Nähe lag, schlofs schon Bursian (Geogr. v. Grld. I S. 345f.); nur werden wir nicht weiter nach Osten gehen, sondern Pithos westlich vom Durehgange zwischen Pentelikon und Hymettos, in der Richtung auf Phlya oder Athmonon suchen dürfen (etwa an dem obern vom Penteli herkommenden Rhevma, bei Franko Monastir und der Gegend Sachoria, oder gleich nördlich von Stavro?). VII. Hippothoontis. Stadtbezirk: Peiraieus (5) (Trittys C. I. A. I, 517), Thymoitadai (109), Keiriadai (106), Koile (51), Korydallos (124). Landbezirk: Dekeleia (66), Oion Dekeleikon (74), Sphendale (141). Küstenbezirk: Eleusis (18) (Trittys C.I. A. I, 517), Oinoe (65), Azenia (61). Der scheinbaren Gröfse und Demenzahl des städtischen Territoriums gegenüber darf bereits hier daran erinnert werden, dafs der Peiraieus zur Zeit des Kleisthenes ein unbedeutender Ort war, wie das westlich angrenzende, in wenig fruchtbarem Gebiet gelegene Thymoitadai und Korydallos es allezeit geblieben sind. Auch Keiriadai, in der Nähe des Pejraiischen Thores erscheint nur als Demos 5. Ranges. Der bedeutendste war von vornherein, vor dem Aufschwunge des Peiraieus, Koile. Diese Gemeinde erstreckte sich bis in die Nähe des Melitischen (des südwestlichen) Thores der Stadt (s. die »Schriftquellen« zu Curtius Stadtgeschichte von Athen S. LXXI, 23 f. und XCVLH, 68 f.) und nahm andrerseits wohl einen guten Theil des untern, noch sehr fruchtbaren Kephisosgebietes ein. Schon näher beim Peiraieus: xur& iv Seoıw 'Pevrn (d. i. die Gegend um Hag. Joannis Rentis vgl. att. Kartentext II, S. 6) wird der Fundort der Grab- inschrift ©. I. A. II, 2265 Mirriddys "Operov Auzıddys angegeben. U. Köhler fügt hinzu: Lapidem in ipso pago Laciadarum positum fuisse probabile est. Aber die Gräberstätte des kimonischen Geschlechtes befand sich ja eben in Koile (s. oben »Schriftquellen« a. a. O.), welches übrigens im Norden an Lakiadai stiefs. (Vermuthlich war also hier der Grundbesitz der Familie von der kleisthenischen Demen- und Phylengrenze durchschnitten worden.) 32 A. MıLcHHoEFER: Wenn jener Stein auch gewiss nicht genau an alter Stelle zum Vorschein gekommen ist, so bestätigt er doch im allgemeinen unsere Ansetzung des Demos im Verhältnifs zur Stadtlage. Von Demen des Landbezirks ist die Lage von Dekeleia südlich bei Tatoy, längst wiederentdeekt und durch Inschriftfunde bestätigt worden (» Ant.-Ber.« Athen. Mitth. XII, S. 320 £.). Für das jedenfalls benachbarte und annähernd gleich grofßse Oion Dekeleikon bieten sich mehrere Demenstätten im Südwesten (Megalivrysi, Varibopi) und Südosten (Baffi- Keramidi) dar. Ich gebe letzterer Richtung den Vorzug, weil der einzige, sicher auf diesen Demos bezügliche, ländliche Grabstein von mir bei Bugiati vermauert aufgefunden wurde (Athen. Mitth. XII, S. 313 n. 379), wenn auch dieser bereits östlich vom Katiphori-Passe gelegene Ort selber für Oion schon zu entfernt ist. — Sphendale lag (nach Herodot IX, 15) auf dem Wege von Dekeleia nach Tanagra und zwar, wie doch der Name andeutet, an einer Biegung; es kann somit meines Erachtens keine andere Ortslage als das heutige Malakasa (nördlich Tatoy) in Betracht kommen. (Kako-Sialesi liegt bereits zu nahe an Tanagra und bleibt etwas links, südlich, von der Strafse.) Zur Trittys Eleusis an der Küste mufs ohne Zweifel Oinoe an der boiotischen Grenze (vgl. Herodot V, 74 Eoyaros dyuos. Thukyd. I, 18 & uedopiois TA "Arrızys xal Bewriac) gerechnet werden, wie Phyle zur Thria- sischen Trittys (s. oben VI. Oineis). Als weitaus bedeutendsten Demos dieser Gegend und stark befestigt (s. Thukyd. a. a. ©.) können wir Oinoe nur mit der Stätte Myupolis am Fufs des Kithairon (und zwar an der Strecke zwischen Gyfto-Kastro — Eleutherei und dem Kloster Hag. Meletios, also nicht mit Masi oder Kasa) identificiren, deren ausgedehnte Spuren mit Mauerresten ich i. J. 1887 untersuchte. — Zum Küstengebiet gehört aber auch Azenia (zwischen Anaphlystos und Sunion Strab. IX, S. 398) am entgegengesetzten Ende der Halbinsel, das wir also vom Standpunkt der kleisthenischen Trittyenordnung als Enelave (wie bereits Probalinthos und Thorikos) zu betrachten hätten. (Näheres über diese Ausnahmen unten S. 42 fg.) Für die übrigen, der Hippothoontis zugerechneten Demen, (nur solche vierter Gröfse und abwärts), sind wir fast lediglich auf Vermuthungen an- gewiesen. Daraus scheint wenigstens zu folgen, dafs sie ziemlich entlegen waren, also vermuthlich dahin gehören, wo wir am meisten über freien Platz verfügen und wo wir sie auch auf Grund unserer bisherigen Beob- Untersuchungen über die Demenordnung des Kleisthenes. 33 achtungen über die Trittyengruppen vor allem zu suchen geneigt sein müssen: in der Umgebung von Eleusis, den kithaironischen Grenzgebieten und der östlichen Parnesregion. Eine Ausnahme macht vielleicht der ganz kleine Demos Kopros (101) Schol. Aristoph. Equ. 899 vn0os As "Arrızys, da- her auch 4 Korzss (Hesych.). Azenia gegenüber liegt die zweitgröfste Insel Attika’s (die gröfste, Makris oder Helene, ist von der Küste um ein Bedeu- tendes entfernter), bisher nur unter dem späten Namen HarpoxAov apa be- kannt (Paus. I, 1,1; 35,1: Strabo IX S.398, nach einer Verschanzung, die der aegyptische Flottenführer Patroklos, gegen Antigonos entsandt, dort auf- werfen liefs). Diese Insel, heut Gaidaro-nisi, wird noch jetzt zeitweilig be- wohnt; dafs sie auch. im Alterthum besiedelt war, bezeugen die auf den »Karten von Attika« (Sect. Sunion-West) im Innern derselben angedeuteten Spuren, sowie das Ethnikon HarpoxAcvycis bei Steph. Byz. s. v. Eine ältere Bezeichnung mufs ja jedenfalls vorausgesetzt werden. Die Bewohner waren vorzugsweise auf Viehzucht angewiesen; gegen eine, wenn auch nieht offieiell gewordene, Umnennung dürften sich die »&vdges Korzeicı« (Aristoph. Equ. 899) selber am wenigsten gesträubt haben. Wir haben noch zu verfügen über: Acherdus (87), Amymone (133) (erst in römischer Zeit bezeugt), Anakaia (77), Auridai (114), Elaius (104), Eroiadai (97) (auch Antiochis), Hamaxanteia (62). Von diesen wird Auridai in den eleusinischen Bereich gehören, da von den sechs überhaupt bekannten Grabinschriften zwei aus der Gegend der »heiligen Strafse« (C.I.A. II, 1889. 1590) stammen, eine aus Eleusis selber (C.I. A. II, 1586). Dasselbe gilt vielleicht für Anakaia (Grab-In- schrift aus Salamis, C.I.A. II, 1569; der heutige Ortsname Anakasa am athenischen Kephisos [Dragumis, "Ava X S.47f.| hat damit nichts zu thun; vgl. Malakasa, Kasa). Andererseits dürfen wir Elaius und wohl auch das namensverwandte Acherdus zum Bezirk von Dekeleia rechnen (Demenstätten südwestlich: Mega- livrisi-Varibopi u. a., nordöstlich: besonders auf der rechten Seite des Charadra von Liossia bis abwärts über Spata hinaus). Nach Bäumen und Sträuchern gebildete Demennamen auf -cüs, wie Rhamnus, Myrrhinus, sind westlich des Aigaleos (wie auch im eigentlichen Hediev von Athen) bisher nicht nachweisbar gewesen. Dazu kommt, dafs wo Elaius uns in den wenigen und lücken- haften Beamtenlisten der Hippothoontis begegnet, dieser Demos mit Dekeleia verbunden ist (C.I. A. I, 944 Elaius, Dekeleia, Oion; 1006 Dekeleia, Elaius). Phil.- hist. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1892. 1. 5 34 A. MıiLCHHOEFER: Die Eroiadai waren, nach Ausweis unseres inschriftlichen Materials an die Hippothoontis und Antiochis vertheilt. (Vgl. zuletzt Athen. Mitth. IV S.104.) Da starke Volkszahl hier ebensowenig wie in Ähnlichen Fällen (Ko- lonos, Phegaia, Eitea, vgl. über diese Doppeldemen auch unten S.43) den Anlafs dazu geboten haben kann, so bleibt, das Alter dieser Einrichtung vorausgesetzt, die Möglichkeit übrig, dafs die Grenze der betreffenden Phylen bezw. Trittyen den Demos durchschnitt. Wenn wir von Azenia und Um- gebung absehen, so konnten sich Hippothoontis und Antiochis (s. unten X) nur in der Epakria berühren; die beiden Eroiadai somit an der Charadra beim Einflufs des Baches von Varnava (alte Stätte Gaitana; att. Karten- text II—IV S.60) gelegen haben. Ich verkenne keineswegs, dafs diese Vermuthung unsicher ist. IX. Arantıs. Stadtbezirk: Phaleron (2]). Landbezirk: Aphidna (7), Thyrgonidai (143). Perrhidai (144), Tita- kidai (132). Küstenbezirk: Marathon (9), Oinoe (102), Trikorythos (46), Rham- nus (17), Psaphis (139). Die Phyle Aiantis geht in das Trittyensystem sofort und fast ohne Rest auf. Die localen Zusammenhänge sind längst erkannt worden. Die frühere Bedeutung des Phaleron, der als Hafenplatz Athens noch eine Trittys für sich bildet, tritt deutlich hervor. Mit Aphidna (= Kotroni), dem Vorort der heerden- und ackerbau- reichen oberen Ebene des Baches von Oinoe (Charadra) hingen die Thyr- gonidai, Titakidai und Perrhidai auch örtlich, wie in ihren späteren Schieksalen (der gemeinsamen Versetzung in die Ptolemais), zusammen. Älteste nachbarliche Gegensätze deutet die Sage von dem Verrathe Aphidnas an die Dioskuren durch Titakos an (Herod.IX, 73). Die Perrhidai heifsen bei Hesych. s. v. ein dyuos ev "Adiovaıs. Vielleicht sind diese Gemeinden, (die Phot. Tır.: dparaızı zul yern @dofu nennt), erst später von Aphidna abgezweigt worden. Titakidai scheint noch der bedeutendste unter den drei Demen gewesen zu sein; nur sie finden wir dreimal in den Ephebenlisten und zwei- mal unter den Grabinschriften römischer Zeit vertreten. Heute ist die Land- schaft mit den zum Theil recht volkreichen Dörfern Kapandriti, Masi und Tsiurka besetzt. Untersuchungen über die Demenordnung des Kleisthenes. 3 Im Einzelnen noch bestimmter nachweisbar sind die Demen der Paralia: Marathon (von Vranä zur Ebene hinab; s. att. Kartentext IT —VI S. 44f.), Oinoe (=Ninöi, vor dem Austritt der Charadra in die Ebene), Trikorythos (= Kato-Suli), Rhamnus (= Ovrio-Kastro) und Psaphis (= Revithia. Athen. Mitth. X S. 350£.; offenbar erst später hinzugekommen; als Gemeinde er- scheint P. nur C.I. A. III, 1122. 1160 unter den Ephebeninschriften). Somit bliebe, (da Pakale, [C.1.A. II, 3258,] und Euonymia [C. 1. A. III, 1128] irrig herangezogen worden sind), nur ein Wort über den unbedeu- tenden Demos Kykala (135) zu sagen, den wir blofs aus Hesych (s. v.), einem Fragment der Hermokopideninschriften (U. Köhler, Hermes XXII S.393f.) und einer späten Ephebenliste (C.1. A. II, 1128) kennen. An der zweiten Stelle handelt es sich um sechs verkaufte Grundstücke des Skam- boniden Pherekles (nach Köhler’s Ergänzung.) Das erste lag anschei- nend in Bate (s. oben Aigeis), die anderen werden nach einem Pythion und einem Herakleion orientirt, zuletzt heifst es von einer ipy&s, also einem besonders »fetten« Strich Landes, dafs es zur Hälfte innerhalb des Pythion und eines Abzugsgrabens, zur anderen Hälfte in Kykale gelegen habe. Köhler verlegt sämmtliche Ländereien in die Ebene westlich von Athen. Unter dem Pythion versteht er das an der heiligen Strafse, »am Eingang des Passes nach Eleusis« gelegene; unter dem Herakleion das rerptxumev “Hodxreıov am Sunde von Salamis. Letzteres liegt für Köhler’s Voraussetzung allerdings etwas fern; man könnte indefs ja auch an das Herakleion (der Mesogeer?) im Demos Cholargos denken; (s. oben, Akamantis, C.I. A. I, 604; vgl. 602. 603.). Aber worauf gründet sich jene Voraussetzung? Herakleia gab es in Attika allerorten (Sehol. Aristoph. Ran. 501: Harpoer. "Hg&xr.) und Pythia nieht wenige: so eines in Ikaria (durch die americanischen Ausgrabungen ermittelt); ein anderes und ungleich berühmteres in Oinoe. »Lieber an das Pythion von Oinoe zu denken, sehe ich keinen ausreichenden Grund« sagt Köhlera.a.O. S.394, 1; »entscheidend ist mir die Heimath des Eigenthümers der Grund- stücke.« Nun trifft es sich, dafs mit etwa zwei Ausnahmen (Grundstück des Polystratos aus Ankyle, C.I.A. 1,277 und eines Myrrhinusiers, Hermes a.a.0.S.304), keine von den bekannt gewordenen Ländereien der Hermo- kopiden in dem Demos der Besitzer lagen (vgl. C.1. A. 1,274. [276]; Be- sitz des Adeimantos aus Skambonidai in Ophryneion und Thasos; des Euphyletos aus Kydathen in Semachidai, Myrrhinutte u.s.w. C.1. A. 1,277 5% 36 A. MıLCHHOEFER: in einer Hand: Felder in Thria und Athmonon; Hermes a.a. 0. S. 395 Grundstücke des Phegusiers Alkibiades in Oropos). Das mag zufällig sein, beweist aber doch gewifls, dafs die Heimath des Besitzers für die Lage der Besitzthümer nicht entscheidend ist. Wenn also ein Pythion und ein nicht minder berühmtes Herakleion in der marathonischen Ebene vorhanden waren, wenn wir hierhin durch den Localzusammenhang der wichtigsten Demengruppe der Aiantis von vernherein gewiesen werden, so halte ich es im Verfolge dieser Ausführungen allerdings für methodisch richtiger, zu- nächst an das Pythion von Oinoe zu denken. Da von hier die Theorie nach Delphi ausgieng (Schol. Soph. Oed. Col. 1047), so lag das Heiligthum vermuthlich etwas unterhalb Oinoe, in der Gegend des heutigen Mara- thona; denn erst von da zweigt sich die künstlich geebnete Processions- strafse zum oropischen Gebiete und nach Delphi ab, von welcher ich noch bedeutende Spuren (grofse Steinplatten, Wagengeleise) nordöstlich Gram- matiko, zwischen Varnava und Hag. Theodori wiedergefunden habe. Die kleine Ortschaft Kykala, welche im Verbande der Tetrapolis keine selbst- ändige Rolle gespielt haben wird, könnte somit in der Nähe des Weilers Bei angesetzt werden. X. Antiochis. Stadtbezirk: Alopeke (15), Kolonos (s. oben S.7 Anm. ]). Landbezirk: Pallene (13), Pentele (131), Melainai (130), Sema- chidai (79), Eroiadai (97). Küstenbezirk: Aigilia (37), Anaphlystos (22), Amphitrope (76), Atene (88), Besa (105), Thorai (85). Alopeke, östlich und nordöstlich an Diomeia grenzend, (bei Ambelo- kipi) ist hinreiehend bekannt. Vom Kolonos rechne ich entsprechend den östlichen Theil zu dieser Phyle; (wie den westlichen zur Leontis, den mittleren zur Aigeis). Die Ansetzung von Pallene nahe dem Nordostfufse des Hymettos, Gargettos gegenüber, habe ich von Neuem zu stützen gesucht: Berliner Philol. Wochenschr. 1892 Nr. 1 u. 2. Pentele, an der Südseite des westlichen Pentelikon, weist Stephanos von Byzanz der Antiochis zu; inschriftlich tritt der Demos erst in der Kaiserzeit unter der Ptolemais auf. Untersuchungen über die Demenordnung des Kleisthenes. 37 Dasselbe gilt von Melainai an der boiotischen Grenze; vgl. Leake- Westermann, Demen S. 152. Leake sucht Melainai da, wo ich Oinoe (s. oben, Hippothoontis) angesetzt habe. Dafs der kleine Demos vielmehr östlicher, bei der Ebene von Skurta anzusetzen ist, schliefse ich aus den Angaben über die Apaturienfeier: Hesych. Suid. "Ararouax verglichen mit ’Eonu. px, 1884 8.135 Z.2If. (dvemeiv rov orebavov) - - xai Zu Tlavaxrulı De TOR luprwv 4 Suvoie, wo die Lücke selbstverständlich in "Araroypwv zu ergänzen ist. Das Grenzkastell Panakton aber, welches also zu Melainai un- gefähr in dem gleichen Verhältnifs stand, wie Eleutherai zu Oinoe, kann nur mit den bedeutenden, von mir im Jahre 1887 untersuchten Mauer- und Thurm- resten einer Festung südwestlich oberhalb Kavasala identifieirt werden. (Über Melainai im Zusammenhang mit Oie und Eleusis s. oben Oie S. 28). Wiederum im Gebirgslande wohnten die Semachidai und zwar (nach Philochoros bei Steph. Byz.), in der Epakria. Mit Ikaria, aus der Epakria- gruppe der Aigeis, ist Semachidai noch insbesondere verbunden durch die Parallelsage von der Einkehr des Dionysos bei Semachos und seinen Töch- tern. Man könnte zunächst an das benachbarte Rapentosa denken, welches wir indefs oben (S.16) für die Teithrasier in Anspruch nehmen durften, zumal die Stätte zu wild, für Weinbau ungeeignet und für Semachidai zu eingeengt ist. Soviel ich sehe, kommt nur eine Örtlichkeit der Epakria in Betracht, die aber auch in jeder Hinsicht zu Ikaria das vollkommenste Gegenstück bildet: Kalentsi östlich über dem Bache von Varnava, nord- westlich über Oinoe gelegen. Wie von Ikaria blickt man durch Stufenland- schaft und Einschnitte in die Tetrapolis hinab; gleiche Vorzüge der Lage, gleiche Fruchtbarkeit; namentlich war noch in neuerer Zeit der rothe, ziemlich schwere Wein von Kalentsi weithin berühmt (Näheres darüber, wie über den gegenwärtigen Verfall, im Attischen Kartentext II-VI S.61). Es ist mir heute nicht zweifelhaft, dafs wir Semachidai eben hier zu suchen haben. Den an die Hippothoontis und Antiochis aufgetheilten Demos Eroiadai habe ich bereits S.34, bei der Besprechung jener Phyle, in der Nähe (bei Gaitana, am Einflufs des Baches von Varnava in denjenigen von Oinoe) vermuthet. Hier darf noch bemerkt werden, dafs in denjenigen Beamten- listen der Antiochis, welche Vertreter aus beiden Demen aufweisen (C. I. A. II, 869 und 943), die Semachiden und Eroiaden nebeneinander stehen. Die Demen des Küstenbezirks erweisen sich sofort als eine vollkommen geschlossene Gruppe an der südwestlichen Paralia. Am bekanntesten ist die 38 A. MIiLCHHOEFER: bedeutende Gemeinde Anaphlystos (= Anavyso), auf welche bei Strabo (IX, S. 398) dann Azenia und Sunion folgen. Vorher nennt er (rückwärts gezählt) Aigilia, Lamptrai, Thorai. Hier ist zweifellos ein Versehen zu be- richtigen. Lamptrai (Erechtheis) grenzte unmittelbar an Anagyrus aus der- selben Phyle, da letzterer Demos nur bei Vari angesetzt werden kann (wo ein grofser Demos erfordert wird, die Reste und Inschriftfunde aber zustim- men), während wir die Stätte Ober-Lamptrai — Lambrika nordöstlich be- nachbart wissen. Die unteren Lamptreer, welche Harpoer. s. v. ausdrück- lieh maparıcı nennt, müssen sich von dort aus zu beiden Seiten des H. Dimitriosberges bis an die Küste ausgebreitet haben; für die Einschaltung von Thorai bleibt hier kein Platz. Die nächste Demenstätte an der Küste ist die Ebene von Phinikia (Seet. Olympos) und damit rückt dieser Demos in den Bereich der anderen aus gleicher Phyle. Der bei Strabo folgende Demos Aigilia, dessen Feigen besonderen Ruf hatten (Athenae. XIV, 652 F), ver- langt deshalb eine Lage nicht fern vom Meer, aber sonnig und geschützt, wie sie die Demenstätte bei Olympos bietet. Die alten Reste dieser Gegend (deren Zahl sich allerdings zum Theil aus frühzeitiger, noch heute nicht gehobener Verödung erklärt) führen darauf, hier noch Atene anzusetzen, das Jedenfalls zur Paraliagruppe gerechnet werden mufs (vgl. die Reihen €. I. A. 11,869: Anaphlystos, Amphitrope, Besa, Atene, Aigilia, Thorai 944: Thorai, Aigilia, Atene, Anaphlystos, Besa; auch C.I. A. IL, 61 Col. a.E.) Amphitrope, bereits in der Bergwerksregion von Laurion (©. I. A. I, 780 £. Aeschin. e. Timarch. 101) hat schon Stuart (Alt. v. Athen IL, S. 220 d. Übers.) richtig in dem Namen der heut verlassenen Örtlichkeit Metropisi erkannt, wo die »Wegebiegung« um das Panigebirge nach Keratea hinführt. Besa aber lag nach Xenophon (de vect. 4, 44) in der Mitte zwischen Anaphlystos und Thorikos, also wenig westlich vom heutigen Grubenorte Kamaäresa. Unerwähnt blieben bisher: (da Angyle oder Ankyle zu streichen ist; Athen. Mitth. IV, S. 104), die Eiteaioi (71) (s. Akamantis), Ergadeis (145), Krioa (93), Lekkon (136), Leukopyra (137), Phyrrhinesioi (138). Von diesen kennen wir Lekkon nur aus Hesych; doch scheint der Name am Nordostabhange des Hymettos, südlich von Pallene in »Lekkonörai« Stuart. Alt.v. Athen. I, S.217 = Lekänora im Att. Kartentext II—VI S.3 (so zu lesen statt des Druckfehlers Lynänora), erhalten zu sein, was sonst gut passen würde. Leukopyra kommt ebenfalls nur bei Hesych und in römischen Ephebeninschriften vor; Ergadeis, Phyrrhinesioi lediglich Untersuchungen über die Demenordmng des Kleisthenes. 39 unter den letzteren, aus der Epoche der 13 Phylen. Wir besitzen für die nähere Bestimmung dieser entweder späten, oder doch sehr kleinen, politisch Jedenfalls unbedeutenden Demen keinerlei direete Anhaltspunkte. Doch möchte ich an dieser Stelle nicht unterlassen zu bemerken, dafs da, wo sich Semachidai und wohl auch Eroiadai zwischen die beiden Trittyen der Aiantis einschoben, nach Norden hin noch Platz bleibt, den wir mit den ja hin- reichend bekannten Territorien der Aijantis nieht auszufüllen vermögen. Namentlich ist die Demenstätte von Varnava zu besetzen (Athen. Mitth. XII, S.315 n.385— 88); am wahrscheinlichsten doch mit einer der disponiblen Ortschaften aus der Antiochis. (Schon Stuart Alt.v. Athen I, S. 210 dachte am Phyrrhinesioi oder Phyrnesioi:; vielleicht richtig leitet jedoch Sur- melis ’Arr. S.75 Varnava von dem Namen eines Besitzers Barnabas ab.) Die einzige Prytaneninschrift, welche Namen aus der zuletzt besprochenen Gruppe enthält (C.I. A. II, 1036) verbindet: Semachidai, Ergadeis, Phyrrhinesioi. Eitea gehörte der Antiochis zweifellos von vornherein an, während wir nicht entscheiden können, ob die Zugehörigkeit eines Theiles dieses Demos zur Akamantis (s. oben) schon vor die vorübergehende Versetzung desselben in die Antigonis (C.1. A. II, 316) fiel. War diefs der Fall, so träfe auch hier die bei Eroiadai (Antioch. und Hippoth.) sowie bei Phegaia (Aigeis und Pand.) erhobene Möglichkeit zu, dafs Eitea an der Grenze der entsprechenden Trittyen lag, also (da die » Weiden« fliefsendes Wasser voraussetzen) nahe der Furt des Kephisos (s. Akamantis), eher als am obern »Potami« etwa zwischen Amphitrope und Kephale (vergl. S. 26). Über den letzten Demos, Krioa, sind wir leider nieht besser unter- richtet. Ein engeres Verhältnifs zu Pallene könnte man aus dem Eponymen Krios. dem Vater des Pallas, herleiten wollen (worüber zuletzt G. Kirchner, Att. et Pelop. S. 35f... Von Grabsteinen befindet sich ein Fragment mit dem Namen unseres Demos in Tatöy. Beachtenswerther erscheint mir die Fundstätte einer anderen Inschrift, Gypseli (» Ant.-Ber.« Athen. Mitth. XII S.355 n.687), nördlich Athen; in dieser Lage würde Krioa den Kolonos mit Alopeke verbinden, ganz entsprechend der Reihenfolge der Demen in der einzigen vorrömischen Prytanenurkunde der Antiochis C©.I. A. II, 869: Alopeke, Krioa, Kolonos, Eitea. Dazu kommt, dafs eine von den Prytanen derselben Phyle gestiftete und doch wohl einst in einem ihrer Demen aufgestellte Herme (C.I. A. II,1062) bei dem nahen Patisia gefunden wurde. 40 A. MıLCcHHoEFER: Ziehen wir aus der vorstehenden Durchmusterung der kleisthenischen Phylen die Summe, so ergibt sich zunächst mit voller Sicherheit, dafs jede derselben, der aristotelischen Überlieferung entsprechend, in allen drei Landestheilen vertreten war. Wir dürfen aber noch weiter gehen. Für jede der 30 Trittyen liefs sich sein localer Bezirk nachweisen, in dem entweder alle in Betracht kommenden, hinreichend bekannten Demen sich zusammenfanden, oder doch vorläufig so viele bezw. so grolse, dafs die fehlenden statistisch kaum in’s Gewicht fielen. Von diesen wirklichen oder scheinbaren Ausnahmen wird unten noch weiter die Rede sein; hier sei nur von neuem daran erinnert, dafs unsere Demen- karte ja im wesentlichen nur ein Bild des 4. Jahrhunderts sein konnte, und dafs wir selbst hier von sicher alten Demen bisher nur Probalinth, Thorikos, Azenia und Halimus als Enclaven kennen, während z. B. Pentele, Melainai und andere, ebenso unbedeutende, Ortschaften selbst 200 Jahre nach Kleisthenes noch nicht als selbständige Communen sicher nachweisbar sind. Um diese Zeit und später war aber ein locales Trittyenprineip nicht mehr wirksam; das folgt unwiderleglich aus jedem Versuche, die uns (durch Dittenberger’s Arbeiten) hinlänglich bekannten Demen der neuen Phylen Ptolemais und Attalis und selbst die uns weniger gut überlieferten (doch neuerdings von Joh. Kirchner, wie es scheint, ermittelten) der Antigonis und Demetrias örtlich zusammenzulegen.') !) Von den Demen der Attalis liegen bei der Stadt: Ankyle und Korydallos; in der Ebene östlich: Agnus; im athenischen Pedion: Athmonon. Trinemeia. An der Ostküste: Atene, Sunion; im Norden: Probalinthos, Oinoe, Oion Dekeleikon. Keine dieser Gemeinden ist einer anderen unmittelbar benachbart. Von der Ptolemais liegen bei der Stadt, doch wieder von einander räumlich ge- trennt: Kolonos, Butadai, Themakos; in der Ebene östlich: Kydantidai, Konthyle; im athenischen Pedion: Phlya. In der östlichen Paralia: Aigilia, Prospalta. Im Norden: Hekale, Ikaria, Semachidai, Pentele, Aphidna nebst den drei kleinen Demen. An der böotischen Grenze: Öinoe, Melainai, Eunostidai, Hyporeia; vgl. Rofs, Demen S. 12. Die beiden letzteren Gruppen enthalten allerdings und gewils nicht zufällig benachbarte Ort- schaften. Aufmerksamkeit verdient namentlich das böotische Grenzgebiet, welches durch Neuschöpfung der beiden letztgenannten Demen überhaupt erst vollständig nach Gemeinden organisirt erscheint. Umsomehr dürfen wir annehmen, dals auch Melainai verhältnilsmälsig spät selbständige Commune geworden war. Der grölste neue Demos der Ptolemais, Bere- nikidai, lag ohne Zweifel gleichfalls im westlichsten Theile von Attika. Die beiden einzigen ländlichen Grabsteine von Berenikiden stammen aus Mandra (s. »Ant.-Ber.« Athen. Mitth. XII, S. 329, 491) und aus Eleusis (unpublieirt; von mir im Jahre 1887 im Museum daselbst abgeschrieben: Zevoguv | Eibavrov | Begeviziöns). Untersuchungen über die Demenordnung des Kleisthenes. 41 Wenn also die mit unseren bisherigen Mitteln, zumeist an den gröfseren und bekannteren Demen beobachteten örtlichen Zusammenhänge der Trittyen weder auf kaleidoskopischem Zufall noch auf einer Tendenz der späteren Organisationen beruhen, so werden wir von selber darauf geführt, sie als ursprünglich gegeben, d.h. als kleisthenisch zu betrachten. Und hierin be- stätigt sich lediglich die Angabe des Aristoteles von der Eintheilung des attischen Landes in 30 Theile (dieveme de zul av Yupav xard Önmous Tpdaovra uepn), die doch ebenso örtlich zu verstehen sind, wie die drei je 10 dieser Kreise umfassenden Oberabtheilungen: (dex# utv r@v reg ro aoru, dexa de rs mapanıds, Öexa de TAs meooyeiou' vgl. dazu die Note des englischen Heraus- gebers: the demes composing each trittys appear to have been contiguous). Waren nun, wie wir sehen werden, die drei Landestheile und ihre Zehntel noch im besondern mit weiser Berechnung so abgemessen, dafs die meisten Grenzen gerade in den alten Parteigebieten zusammentrafen, so er- scheint die Einheit der Trittyen klein genug für den Zweck, welchen der Orga- nisator beabsichtigte und für immer erzielt hat: dvauifar BovAousvos ro mANSoc. Dann ist aber auch nicht abzusehen, weshalb Kleisthenes von seinem regionalen Prineip irgend erhebliche Ausnahmen gemacht haben sollte; am wenigsten steht diefs zu erwarten für die kleineren und politisch unbedeutenden Gemeinden. Selbst bei gröfseren Demen sind doch nur sehr wenige Einzelfälle denkbar, denen nicht schon die Trittyenorganisation gerecht geworden wäre. So könnte man Probalinth als Enelave dadurch erklären wollen, dafs es den Eingang zur marathonischen Ebene beherrschte. Vgl. sodann unten S. 46f. das über Epakria und Lauriongebiet Gesagte. Nur ausnahmsweise wird es indefs solcher Erklärungsversuche bedürfen. Wenn wir vielmehr erwägen, wie allein schon das machtvolle Aufblühen des attischen Reiches in der Folgezeit zu Neubildungen und ausgleichenden Umgestaltungen im Rahmen der ersten Organisation hinreichenden Anlafs bieten konnte, so werden wir eher überrascht sein, am Ende einer zwei- hundertjährigen Entwickelung die Linien des originalen Entwurfes so wenig Von der Antigonis kennen wir Lamptrai, Gargettos, Paiania, Kydathen, Aithalidai, Eiteaioi, die alle für sich liegen. Die Demetrias hatte einen überwiegenden, städtischen Schwerpunkt in: Melite, Xypete, Koile. Dazu in der östlichen Ebene Hagnus (?), im Westen Kothokidai und Hippotomadai. Die von Hrn. Dr. Kirchner für die beiden letzteren Phylen linzugefundenen übrigen Demen, deren Namen er mir freundlichst mittheilte, gehören wiederum anderen Regionen an. Phil.- hist. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1892. 1. 6 42 A. MıLCHHOEFER: verändert zu finden; um so weniger aber Bedenken tragen, die Mehrzahl der erkennbaren »Abweichungen« in eben diese Zwischenzeit zu verlegen. — Da es sich immer nur um Ausnahmen handelt, so erscheint es auch methodisch gerechtfertigt, die ihrer Lage nach weniger bekannten Demen, und unter ihnen namentlich die weniger bedeutenden, zunächst im Be- reiche der Trittyencentren zu suchen. Wir gewinnen damit ein topo- graphisches Hülfsmittel ersten Ranges, sei es zur Befestigung schon vorhandener Anhaltspunkte, oder auch nur als Richtschnur für annähernde Bestimmungen. So erhält erst im Zusammenhange des Ganzen ein Ver- fahren seine vollere Legitimation, welches wir gelegentlich im einzelnen bereits zur Anwendung gebracht haben. Wir fassen die für unsere Betrachtung mafsgebend gewordenen Sätze noch einmal kurz zusammen. Kleisthenes organisirte das attische Landesgebiet (mit Ausnahme viel- leicht einer boiotisch-oropischen Grenzzone), nach mindestens hundert selbst- ständigen Gemeinden (Demen) von ungleicher Gröfse. Aus ihnen bildete er insgesammt 30 örtliche Kreise (Trittyen), deren je zehn auf den Stadt- Land- und Küstenbezirk entfielen. Innerhalb der einzelnen Trittyen war die An- zahl der Demen je nach ihrer Gröfse nothwendig schwankend. Je drei Trittyen, den drei Hauptregionen entsprechend, wurden nach Aristoteles a. a. OÖ. durch das Loos zu einer der 10 Phylen vereinigt. Ist diese Angabe richtig, so wird es als Zufall gelten müssen, wenn wir ge- legentlich zwei Trittyen derselben Phyle (vergl. Aigeis und Pandionis) be- nachbart finden. Die in unserer jüngeren Überlieferung auftretenden Ab- weichungen von dem regionalen Trittyenprineip sind wohl überwiegend nachkleisthenisch, zumal da wir jenes Prineip bei Einrichtung der neuen Phylen bereits völlig gelockert sehen. Die Gründe für den Ursprung solcher »Enelaven« müssen von Fall zu Fall untersucht werden, wenn es auch nicht immer möglich sein dürfte, den sichern Nachweis darüber zu erbringen. Hier kann im allgemeinen nur bemerkt werden, dafs als Hauptfaetor die Bevölkerungszunahme Attikas anzusehen ist, namentlich insofern, als sich dieselbe in den verschiedenen Gegenden und Ortschaften nicht etwa nach constantem Verhältnifs vollzog und als so mit der Zeit Ausgleichungen zwischen den Phylen, oder den Trittyen selber, wünschenswerth wurden. Untersuchungen über die Demenordnung des Kleisthenes. 43 Solche Ausgleichsversuche (gewils nicht radicale, denn die Stärke der Phylen sahen wir im 4. Jahrhundert immerhin differiren; s. oben S. 8) konnten geschehen: a) durch direete Umstellung alter Demen in eine andere Phyle bezw. Trittys; b) durch Ablösung neugeschaffener Demen aus dem alten Localverbande; ec) durch Auftheilung eines und desselben Demos an verschiedene Phylen bezw. Trittyen. Es ist nicht zu bezweifeln, dafs alle diese Fälle eingetreten sind; aber sofort bedarf es folgender Einschränkungen. Selbst unverhältnifsmäfsig starke Volksziffern einzelner Demen sind noch keineswegs direeter Anlafs zu ihrer Theilung oder zur Ausscheidung neuer Gemeinden nachweisbar, worauf schon U. Köhler Athen. Mitth.X S. 108 nachdrücklich hingewiesen hat. — Ferner verblieben auch getheilte Communen doch meistens in dem- selben Verbande; diefs gilt vor Einrichtung der neuen Phylen sogar regel- mälsig für die durch xaSvrssSev und Ürevep$ev unterschiedenen gleichnamigen Demen sowie für die beiden nach Aixone und Araphen bezeichneten Halai; ebenso für Oion Dekeleikon, (während Oion Kerameikon abweicht). — Die seltene Einrichtung endlich, dals derselbe Demos gleichzeitig und ohne Unterscheidungsnamen verschiedenen Phylen angehörte, ist auch mit der kleisthenischen Organisation und mit ihr am ungezwungensten vereinbar unter der Voraussetzung, dafs die Grenze der entsprechenden Trittyen gerade durch seine Gemeindetlur lief. Wie diese Annahme z. B. für den sogar drei- getheilten Kolonos zutreffen kann, ist oben angedeutet worden. Aus alledem scheint sich der relativ geschlossene Fortbestand der ursprünglichen Trittyen- ordnung bis an’s Ende des 4. Jahrhunderts hinreichend zu erklären. Unter Hinzunahme der hier entwickelten Gesichts- und Richtpunkte stellt sich das topographische Gesammtbild der durch Kleisthenes begrün- deten Landeseintheilung für uns etwa folgendesmafsen dar. Die Grenzen des Stadtbezirkes reichten im Norden vom Kolonos: einerseits bis an den Aigaleos bei der heiligen Strafse, andererseits bis an den mittlern Hymettos. Im Westen bildete bis zum Meer hinab der Aigaleos-Korydallos die Grenze, im Osten eine parallele, bis an die pha- lerische Küste verlaufende Linie. Der nördliche und westliche Theil dieser Abgrenzung stimmt auffallend überein mit einem Fragment aus Istros (Sehol. Sophoel. Oed. Col. 1060). Die kleisthenische Paralia durchschnitt im Norden die alte Diakria, indem sie Psaphis und Rhamnus (ursprünglich wohl nur erst den letztern rn 44 A. MiLCHHOoEFER: Demos) dann die Tetrapolis in sich bezog; weiter südlich umfafste sie bis nach Myrrhinus hin nur den Küstenstrich bis zu den Bergen, welche an die grolse östliche Hymettosebene (die heutige Mesogia) reichen, denn Paiania ist noch Binnenlandtrittys der Pandionis, Myrrhinus die entsprechende der Paralia; alles südlich von Paiania Gelegene jedoch gehört bereits der letzteren an. Eine Unterbrechung der Paralia bildete das Gebiet der städtischen Häfen und der Tetrakomia bis zum Korydallos hin, während die Trittyen Thria und Eleusis, wiewohl weit in’s Land reichend, wiederum zum Küstenbezirk ge- rechnet werden müssen. (Der Trittys Thria steht als binnenländischer Kreis Acharnai in der Oineis gegenüber; der Trittys Eleusis in der Hippothoontis einerseits die Trittys Peiraieus, andererseits die Gruppe von Dekeleia.) Der Landbezirk umfalst somit die obere Kephisosebene, das Gebiet des Parnes und des Pentelikon mit den Zwischendistrieten Dekeleia, Aphidna und der übrigen Epakria, sodann die grofse, schon oben erwähnte Mesogia- ebene östlich vom Hymettos. Schon bei dieser Dreitheilung, welche im allgemeinen auf die verschie- denen Lebensbedingungen und ebenso auf die Parteigegensätze der attischen Bevölkerung Rücksicht nahm, hat Kleisthenes im einzelnen offenbar ganz frei geschaltet, nicht etwa alte Landesgrenzen eingehalten. Wenn also das eleusinisch-thriasische Küstengebiet für die Bildung zweier Paralia-Trittyen zu wenig Entwickelung besals, so war doch der Staatsmann an den Paralia- Begriff keineswegs so dogmatisch gebunden, als dafs er nicht seine Kreise in’s Innere bis nach Oinoe und Phyle hin, wie ich oben annahm, hätte ausdehnen dürfen. Nach Ausweis unserer Inschriftenstatistik (s. oben S. 6f.) betragen die Demotenziffern des Stadtbezirks wenig mehr, als die Hälfte eines jeden der beiden anderen: 1328 (nach den Grabsteinen: 398) zu Landbezirk: 2225 (729) und Küstenbezirk: 2545 (837). Und selbst dieses Verhältnifs wird nur erreicht durch die hohen Summen derjenigen Trittyen, welche den spätern Haupthafen und die ihm zugewandten athenischen Demen umfassen (Hippothoontis mit dem Vororte Peiraieus und Kekropis mit Melite). Der Küstenbezirk erscheint numerisch als der stärkste; doch beruht sein Übergewicht über den des Binnenlandes wohl gleichfalls auf der rapideren Entwickelung der Hafenplätze (sowie einiger Bergwerkdistricte). Wir kämen also mit unseren Zahlen auf ein Grundverhältnifs,. nach welchem der »Stadtbezirk« des Kleisthenes nur 1/5, die beiden anderen Bezirke je °/5 Untersuchungen über die Demenordnung des Kleisthenes. 45 der gesammten Bürgerbevölkerung Attikas repräsentirt hätten. Ich glaube nicht, dafs wir dieses Ergebnifs und damit die Grundlage unserer Berech- nung zu Gunsten der scheinbar natürlicheren Prämisse verwerfen dürfen: dafs nämlich alle drei Bezirke ursprünglich gleich stark bemessen waren. Erinnern wir uns vielmehr, dafs fast 80 Jahre später, nach dem unge- ahnten Aufschwung Athens und dem gewils erheblichen Zustrome auswär- tiger Demoten nach den Stadt- und Hafenquartieren, doch weitaus die meisten Attiker noch auf dem Lande wohnten, wie Thukydides (II, e. 14 a. E.—16) ausführlich darlegt. Kleisthenes hat wahrlich nicht einen grofsen, städti- schen Organismus erst wieder in Einzelgemeinden aufgetheilt; er fand aufser einem alten städtischen Kern, der Gemeinde am Burgfufs (Kydathen), that- sächlich nicht viel Anderes vor, als eine Anzahl zumeist nach dem Ölwalde und dem Meere hin gerichteter Sonderansiedelungen. Die Trittyen des Stadtbezirkes lagerten sich anscheinend nach der officiell gewordenen Reihenfolge der Phylen in einer engeren und weiteren Curve um das Burgeentrum. (Vgl. die analogen Beobachtungen über die Anordnung der »städtischen Demen« bei v. Wilamowitz, Hermes XXI S.122; Lolling in J. Müller’s Handb. d. klass. Alt. II S. 306,1). Im Südosten begegnen wir der Erechtheis (I) mit Agryle u. a. m.; diesem Demos benachbart waren Ankyle und Diomeia von der Aigeis (II), deren Trittyen- gruppe sich im (spät entwickelten) Osten der Stadt bis nördlich zum Ko- lonos hinaufzog. Den Mittelpunkt, um die Akropolis, nahm die Pondionis (HI) mit Kydathen ein. Wiederum vom Kolonos her zog sich (mit Oion Kerameikon und Skambonidai) die Gruppe der Leontis (IV) zur Stadt. Im Nordwesten lag die Trittys der Kerameer (V, von I, II und IV um- schlossen ; streng genommen liegt hier, wenn wir Skambonidai richtig an- gesetzt haben, eine Ausnahme von der Localfolge gegenüber der officiellen Phylenordnung vor, indem IV und V ihre Plätze vertauscht hätten). Es folgt westlich die Oineis (VI, Trittys Lakiadai); südwestlich, noch in die Stadt hineinragend, die Kekropis (VII, Melite); dann die Hippothoontis (VIII, Trittys Peiraieus) mit vorstädtischen Demen und dem Küstengebiet; endlich zwei vom Mittelpunkt entferntere Trittyen: Phaleron (IX) wieder östlich an den Peiraieus grenzend, und nordöstlich Alopeke (X), eine Trittys, deren Terri- torium wir vermuthungsweise westlich bis zum Kolonos ausdehnen durften. Es wurde bereits oben ausgeführt, dafs wir, später wenigstens, die Trittyen der Hippothoontis mit Peiraieus und der Kekropis mit Melite 46 A. MILCHHOEFER: verhältnifsmäfsig sehr stark bevölkert finden; ihnen zunächst steht die Ai- geis (II) vielleicht in Folge der nachträglichen Stadtentwiekelung nach Osten. Als die kleinsten stellen sich die Aiantis mit dem als Hafen einst bedeuten- den, dann aufgegebenen, Phaleron und die Akamantis mit dem Kerameikos dar. Das Zurückbleiben der Kerameer könnte irgendwie mit der fortschreiten- den Occupation ihres Gebietes für öffentliche Zwecke zusammenhängen. Die obere Kephisosebene war an fünf Trittyen des Landbezirkes aufgetheilt. Die der Akamantis (V, von Hermes bis Iphistiadai) ist die einzige, welche sich über beide, hier jedoch durch die »Furt« (s. oben) verbundene Uferseiten erstreckt. Westlich und nördlich zieht sich die ausge- dehnte, den Aigaleos mit umfassende Gruppe der Leontis (IV), auf der östlichen Seite die der Kekropis (VII) hin; in jede der beiden hineingelagert ist je eine, hauptsächlich auf einem grofsen Demos beruhende, Trittys, dort die der Oineis (VI) mit Acharnai, hier die der Erechtheis (I) mit Kephisia. Die gröfste Mannigfaltigkeit auf engerm Raume herrscht, nächst der Umgebung von Athen, bezeichnender Weise in dem Gebiete der Epakria. Gerade im Umkreis der religiösen Mittelpunkte Plotheia und namentlich Hekale (mit dem landeseinigenden Zeuseulte) scheint nicht weniger als die Hälfte aller Phylen vertreten gewesen zu sein. Die beiden Trittyen der Aian- tis (IX, um Marathon und Aphidna) glaubten wir noch durch eine Gruppe der Antiochis (X, um Semachidai) getrennt annehmen zu müssen. Westlich, nach Dekeleia hin, reichte der Landkreis der Hippothoontis (VII); zwischen diesem und der südlich (mit Trinemeia) heranreichenden Kekropis (VII) schiebt sich von Paionidai her die Leontis (IV) bis Hekale vor, während die Pentelikon- abhänge mit Ikaria, Plotheia u. s. w. zur Aigeis (II) gehören. — Unverkennbar tritt uns in einer derartigen Auftheilung der alten Hochburg der Peisistra- tiden politische Berechnung entgegen. Vielleicht darf‘ derselben Absicht, möglichst viele Phylen an dieser Gegend zu betheiligen, auch die Zuwei- sung von Probalinth (s. oben S.4la.E.) an die Pandionis (III) zugeschrieben werden; ebenso der Umstand, dafs von der binnenländischen Trittys der Antiochis hier nur der kleinere Theil Platz fand, welcher erst in Pallene, südlich vom Pentelikon, seine Ergänzung findet. Der wiederum vereinzelte, ganz kleine Demos Pentele dürfte als solcher jüngern Ursprungs sein und, wie Melainai, deshalb vorübergehend an die Antiochis') gewiesen worden sein, weil diese Phyle später neben der Aiantis die kleinste war. ‘) Die Zugehörigkeit bezeugen übrigens nur die Lexica; s. oben S. 36. Untersuchungen über die Demenordnung des Kleisthenes. 47 Auch den Landkreis der Aigeis (II) finden wir nördlich und südlich vom Pentelikon (bis nach Erchia hin) ausgedehnt, doch so, dafs der Localzusammenhang gewahrt bleibt. Diese Trittys stellt sich uns später, besonders wegen der ansehnlichen Demen Gargettos und Erchia, als eine der volksreichsten dar. Sollte dieser Theil der Mesogia zur Zeit des Klei- sthenes noch dünner bewohnt gewesen sein, in Folge ausgedehnten Wald- reichthums und Grofsgrundbesitzes, auf den die Herrengräber von Spata schliefsen lassen? Unter dieser Voraussetzung würde die Benennung »’Er«- KpEWy rorrus« auf die der Aigeis am passendsten bezogen werden, zumal da wenigstens der verwandte Diakrianame (nach einer Notiz bei Hesych s. v.) dm IapynSos eis Bpaupäva reichte. Den noch übrigen Theil des Landbezirkes nahm in derselben Ebene die zur Pandionis (II) gehörige Trittys des grofsen Demos Paiania ein. Die Trittyen der Paralia beginnen im Norden mit der Aiantis (IX, Rhamnus und Tetrapolis, aufser Probalinthos, worüber oben S. 46 und 41), an welche sich Aigeis (I) und Pandionis (IT) reihen. Die akamantische Trittys (V) folgt der fruchtbaren Thalebene, welehe sich nun schmäler zwischen den östlichen Vorbergen des Hymettos sowie dem Panigebirge einerseits und den Höhen von Merenda, dem Dionysovuni u. s. w. anderer- seits bis zur Lauriongegend hinzieht. Hier schiebt sich die eigentliche, der Leontis (IV) angehörige Lauriontrittys mit den Deiradioten und einem Theil der Potamier in die der Akamantis so hinein, dafs der Hafen der letzteren, Thorikos, von ihrem nächstbenachbarten Demos Kephale ab- geschnitten wird. Diese abweichende Anordnung liefse sich aus dem Be- streben erklären, das wichtige Bergwerksgebiet möglichst mannigfaltig aufzutheilen, wie wir Ähnliches an der Epakria beobachtet haben. So springt auch von Westen her die Antiochis (X) mit Besa und Amphitrope, von Südwesten die Hippothoontis (VII) mit Azenia hinein. Auf diese Weise eingeengt, wurde die Paraliatrittys der Leontis eine der schwächsten, auch wenn wir ihr die Phrearrhier mit Recht zugezählt haben. Zu ihrer Ergänzung wird daher wohl die Enclave Halimus zwischen Phaleron und Aixone geschaffen worden sein. Es folgen längs der Küste auf Athen zu die geschlossenen Trittyen- gruppen der Antiochis (X, Vorort Anaphlystos), der Erechtheis (I, Vorort Lamptrai) und der Kekropis (VII, Vorort Aixone). 48 A. MınLcunorrer: Die Demenordnung des Kleisthenes. Jenseits des Korydallos vertheilen sich auf die eleusinische Bucht die Paraliatrittyen der Oineis (VII, Vorort Thria) und der Hippothoontis (VIH, Vorort Eleusis), beide nicht stark fortentwiekelt, wiewohl wir ihre Grenzen in’s Binnenland hinein bis Phyle und Oinoe ausdehnen durften, und zur EAesvowiwv Tpırrüs noch aus der Lauriongegend Azenia mit der »Eselsinsel« (Kopros) gezogen war. Wie der Stand unserer bisher anderweitig erworbenen Demenkennt- nifs den Ausgangspunkt für diese Untersuchungen bildete, so galt mir die Erweiterung und Befestigung der topographischen Grundlage auch als vornehmlichstes Ziel. Bei allen Seitenblieken in’s politische und ver- fassungsgeschichtliche Gebiet, zu denen Veranlassung vorlag, durften wir uns zunächst mit dem Nachweis begnügen, dafs und wie etwa die hier beobachteten Erscheinungen mit unseren Resultaten in Einklang stehen konnten. Haben sich die letzteren erst einmal, durch die Prüfung und die verbessernde Hand der Fachgenossen hindurch, zu einem Kerne wissen- schaftlich anerkannter Thatsachen verdichtet, so werden sie unzweifelhaft auch ihrerseits als historisches Material in Betracht kommen. Vielleicht werden dann auch die scheinbaren oder wirklichen Ausnahmen, sowie die späteren Abänderungen, welche wir gegenüber dem Regionalprineip der kleisthenischen Trittyenordnung bisher festgestellt haben, geeignet erschei- nen, mancherlei Streiflichter auf die inneren Zustände und die Entwicke- lungsverhältnisse des attischen Landes zu werfen. Ankı.z.d. Abh. 1892 -Pluul-hisı .Cl. ® Grösste © Grosse Q Oropos © Mittelgrosse| SI & 3 ae .z r OÖ Mittlere a I | ) Kleinere i | eo Kleine u Befestigungen ), ' } n 1122 Ipnuanda & | Aalen ) a 3 [3 17 & om chidai e | Iatoı er Teil orythos N a a. \ Dekelßia RX gelte Broid ı) 4 ERERE ; si 2 PS )% ; ; = N --4 Qinoe ee = | Ss R 2 HNNT Ai eh Ss; er ee F WV CHol nF era IS oo Vrarde) Plotheia 0 EEE 3 ie 6‘ f 78 feithr uf Pr obulimt ER Ikür 1 ARE r DAEST _ % en “ Y er Er Mi rrhinutte Di RN "dlarusig Adel \ 5 Ä v 7 0 iryme ‚Athmonon I N CR A Se 1 % SS tos\, m Mr \ 4 > aa fazı R; ) 38°0° @rüUuene 72,22 SO Haloi Arc 7 t „v “ Phregaiı \ Spata ı % va FA \ I HA E N X Paigiia \ Ere ia; of RR: Utzwpese __ “0aF 0 OA || een = SR \ Konthyletn, 2 \ Van, . 3% z Per Qona 2 © oRfynna oe Pl aka van A a \ —-Sphettos : SE [S] + nn Zoropi ae \ ’ ypete e Phaleron IK id „Marusig ; Afeten VOR » „pn 2. ae In [ ha fen ee FHEN Ben ; Ti Au n® Paiggria V en ® eo X DE —Sphettos \ Ohasırü 7 ‚= Au yin bh, humpaay} \ gyöngm ) I Kat ] Vari (*) > Anagıa ee Berirksgrenzen anunnnnnn Zrityengrenzen Halci Arcahe o 9 P Br ER da Er \Ere a; oO ui DEE y Kondle yb \ 7 Yraona = s erh den Jpata e Ay SV Uarhopiye aM Sara s r Ei) Pr, su“ irasiotın Ns Potfimos SG = Ki © Fi 12 ” 7 “ f I et IMUNNINUANNNNN) 3 9088 01298 8812