ET u nf, ee ne Du hen men ne ne eh > n 2 f > E “ = ee or a > aba ree & - - A - en en en nahe Bea ee L en wen DR ee an en gs ren en un ee gene an - a ee ea en _ x — — Dr enigig mim nen u re De ne un nnan ne +} ABHANDLUNGEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. 1899 — 1900. ABHANDLUNGEN KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. AUS DEN JAHREN 1899 unp 1900. MIT 23 TAFELN. BERLIN 1900. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. Inhalt. Öffentliche Sitzungen Verzeichnils der in den ae en 1899 ad 1900 een llinsen Bericht über den Erfolg der Preisausschreibungen für 1899 und 1900 und neue Preisausschreibungen . Verzeichnils der in den Jahren 1899 und 1900 erblein Geldbewilli- gungen aus akademischen Mitteln zur ee wissenschaft- licher Unternehmungen . 2 Verzeichnils der in den Jahren 1899 EN 1900 er en, im inhner oder mit Unterstützung der Akademie bearbeiteten oder heraus- gegebenen Werke I P Veränderungen im Personalstande He Akademie im Laufe der Jaben 1899 und 1900 EN: Verzeichnils der Mitglieder der Akudeiiie am Schlusse des Hahres 1900 Abhandlungen. Physikalisch- mathematische Classe. Physikalische Abhandlungen. Scaurze: Hexactinelliden des Indischen Oceanes. III. Theil. (Mit 7 Tafeln.) ; h WALDEYER: Die Kolon- Nilchert; die Aalerias nee und die Art terien- felder der Bauchhöhle, nebst Bemerkungen zur Topographie des Duodenum und Pankreas. (Mit 4 Tafeln.) . Philosophisch -historische Classe. Dıers: Aristotelis qui fertur de Melisso Xenophane Gorgia libellus. Dünster: Radbert’s Epitaphium Arsenii. (Mit 1 Tafel.) Vaurten: Über die Versschlüsse in den Komödien des Terentius . S. VU—.xı. S. SI—xXVI. S. XXVIU—— XXXVH. S. NXXVIII—XLV. S. XLVI—L, S. LI—LVvI. S. LYII—LXVI. Abh. 1. S. 1-46. Abh. 1I. S. 1-64. Abh. 1. S. 1-40. Abh. II. S. 1-98. Abh. III. S. 1-60. VI Anhang. Abhandlungen nicht zur Akademie gehöriger Gelehrter. Physikalische Abhandlungen. F. Sckaupınn: Untersuchungen über den Generationswechsel von Dv- chosphaerium sieboldi Schn. (Mit 6 Tafeln). . » . ». . . . Abh. K. Schumann: Die Verbreitung der Caciaceae im Verhältnils zu ihrer systematischen Gliederung. (Mit 2 Tafeln) -. . » . . . . Abh. R. Krause: Untersuchungen über den Bau des Centralnervensystems deisättennen (Va SRafelns)a Re Nie 1— 93. . 1—-114. . 1-49. Jahre 1599 und 1900. Öffentliche Sitzungen. 1899. Sitzung am 26. Januar zum Gedächtnifs Friedrich’s I. und zur Feier des Geburtstages Seiner Majestät des Kaisers und Königs. Der an diesem Tage vorsitzende Secretar Hr. Vahlen lieh in der Festrede, mit der er die Sitzung eröffnete, zuerst dem dop- pelten Anlals der Festfeier Worte dankbarer Erinnerung und patrio- tischer Gesinnung und beleuchtete sodann im Anschlufs an den Briefwechsel Friedrich’s des Grofsen mit d’Alembert die persön- lichen Beziehungen des Königs zu dem Gelehrten und die damit zusammenhängende Forscher- und Schriftsteller-Thätigkeit Fried- rich’s an einigen Punkten: Darauf wurden die Jahresberichte erstattet: über die »Samm- lung der griechischen Inschriften« — über die »Sammlung der lateinischen Inschriften« — über die »Aristoteles- Commentare« — über die »Prosopographie der römischen Kaiserzeit« — über die »Politische Correspondenz Friedrich’s des Grofsen« — über die »Griechischen Münzwerke« — über die »Acta Borussica« — tiber das »Historische Institut m Rom« — über den »The- saurus linguae latinae« — über die »Kant-Ausgabe« — über das VII »Wörterbuch der aegyptischen Sprache« — über die » Ausgabe der Werke von Weierstrafs«e — über die »Kartographische Auf- nahme von Pergamon« — über die »Ausgabe des Ibn Saad« — über die »Humboldt«-, »Savigny«-, »Bopp«-, »Eduard Gerhard«- und »Hermann und Elise geb. Heckmann Wentzel«-Stiftungen. In dem Bericht über die zuletzt genannte Stiftung waren auch die Berichte über die »Ausgabe der griechischen Kirchenväter« und über das »Wörterbuch der deutschen Rechtssprache« ent- halten. Sodann berichtete der Vorsitzende über die seit dem letzten Friedrichs-Tage im Januar 15958 in dem Personalstande der Aka- demie eingetretenen Veränderungen und theilte zum Schlufs mit: 1. dafs die Akademie die Helmholtz- Medaille ihrem Mitgliede Hın. Rudolf Virchow zuerkannt, und 2. dals Seine Majestät der Kaiser und König den zum Andenken an den Vertrag von Verdun ge- stifteten Preis für das beste in den Jahren 1593-97 erschienene Werk über deutsche Geschichte dem ordentlichen Professor in der theologischen Facultät der Universität Leipzig D. Albert Hauck für seme Kirchengeschichte Deutschlands verliehen habe. Sitzung am 29. Juni zur Feier des Leibniz’schen Jahrestages. Hı. Diels, als vorsitzender Secretar, eröffnete die Sitzung mit einer Festrede über Leibniz und das Problem der Universalsprache. Darauf hielt das seit dem letzten Leibniz-Tage neu eingetretene Mitglied der physikalisch-mathematischen Classe Hr. von Richt- hofen seine Antrittsrede, die von Hın. Auwers als Secretar der Classe beantwortet wurde. Schliefslich verkündete der Vorsitzende das Ergebnifs der letzten Ausschreibung des Preises aus dem Cothenius’schen Legat, die für 1902 erneuert wurde, ferner die Preisausschreibung aus der Graf IX Loubat-Stiftung für 1901, die Preisaufgabe der Charlotten-Stiftung für 1900 und einen Beschlufs der philosophisch -historischen Classe betreffend die Eduard Gerhard -Stiftung. 1900. Sitzung am 25. Januar zum Gedächtnifs Friedrich’s Il. und zur Feier des Geburtstages Seiner Majestät des Kaisers und Königs. Der an diesem Tage vorsitzende Secretar Hr. Waldeyer er- öffnete die Sitzung mit einer Festrede, in der er, nachdem er des Anlasses der Feier gedacht hatte, die äufsere Erscheinung Fried- rich’s des Grofsen nach den vorliegenden Berichten der Augen- zeugen und den vorhandenen Bildnissen schilderte, die mit der im Hohenzollern- Museum befindlichen Todtenmaske verglichen wurden. Darauf wurden wie im Vorjahre die Jahresberichte über die akademischen Unternehmungen und die mit der Akademie ver- bundenen Stiftungen erstattet (s. oben). Weggefallen war der Be- richt über die »Kartographische Aufnahme von Pergamon« wegen Beendigung des Unternehmens, hinzugetreten Berichte über die »Ausgabe des Codex Theodosianus« — über den »Index rei mili- taris imperii Romani« — und über die »Nyassasee- und Kinga- gebirgs-Expedition«, letzterer in dem Jahresbericht der Hermann und Elise geb. Heckmann Wentzel-Stiftung enthalten. Weiter verkündete der Vorsitzende eine Preisaufgabe über die »Geschichte der Autobiographie« für 1905 aus einer Stiftung des Stadtraths Prof. Dr. Walter Simon in Königsberg, und berichtete schlie(slich über die seit dem letzten Friedrichs-Tage im Januar 1899 in dem Personalstande der Akademie eingetretenen Verän- derungen. Zweihundertjahrfeier am 19. und 20. März. Auf Anordnung Seiner Majestät des Kaisers und Königs und unter Theilnahme Allerhöchstdesselben wurde am 19. März die zweihundertste Wiederkehr des Tages, an welchem Kurfürst Fried- rich III. die Errichtung der Akademie beschlossen hatte, im Weilsen Saale des Königlichen Schlosses durch einen mit aller Feierlich- keit einer grofsen Staatsaction umkleideten Festact gefeiert. Am folgenden Tage wurde eine Festsitzung im grolsen Sitzungssaale des Abgeordnetenhauses abgehalten, in welcher Hr. Harnack ın eimer Festrede die zweihundertjährige Wirksamkeit der Akademie schilderte und alsdann die von zahlreichen mländischen und aus- wärtigen wissenschaftlichen Körperschaften zur Beglückwünschung entsandten Abordnungen empfangen wurden. Ein ausführlicher Bericht über die Zweihundertjahrfeier ist von dem zur Zeit derselben vorsitzenden Secretar Hın. Auwers zu- sammengestellt und von der Akademie besonders herausgegeben worden. Sitzung am 28. Juni zur Feier des Leibniz’schen Jahrestages. Hr. Auwers, als vorsitzender Secretar, eröffnete die Sitzung mit eimem Vortrage, in welchem er, von Leibniz’ »Preceptes pour avancer les sciences« ausgehend und an eine bei gleichem Anlafs bereits 1575 gegebene Darlegung der bisherigen und der weiter er- forderten Durchführung der Leibniz’schen Vorschläge im Bereich der praktischen Astronomie anknüpfend, die Bedeutung und die Noth- wendigkeit einer »Allgemeinen Geschichte des Fixsternhimmels« erörterte und dieselbe zugleich als neues akademisches Unternehmen ankündigte. Darauf hielten die seit dem letzten Leibniz-Tage neu eingetre- tenen Mitglieder ihre Antrittsreden, zuerst die Mitglieder der philo- XI sophisch-historischen Classe Hr. Scheffer-Boichorst und Hr. von Wilamowitz-Moellendorff, denen die Secretare der Classe. Hr. Diels und Hr. Vahlen, antworteten, dann die Mitglieder der physi- kalisch-mathematischen Classe Hr. Branco und Hr.Helmert. Diesen antworteten die Secretare Hr. Waldeyer und Hr. Auwers. Schliefslich verkündete der Vorsitzende die Ergebnisse der letzten Ausschreibungen des Preises der Steiner’schen Stiftung und der Charlotten-Stiftung, die beide erneuert wurden, jene für 1905, diese für 1901, weiter eine neue Preisaufgabe aus dem von Mi- loszewskischen Legat für 1903, die Ertheilung des Preises der Diez-Stiftung und endlich einen Beschlufs der philosophisch -hi- storischen Classe betreffend die Eduard Gerhard -Stiftung. Verzeichnils der in den Jahren 1899 und 1900 gelesenen Abhandlungen. 1899. Physik und Chemie. Paschen, Prof. F., und Wanner, H., eine photometrische Methode zur Bestimmung der Exponentialconstanten der Emissions- function. Vorgelegt von Planck. (Cl. 12.Jan.; S.D.) Landolt, über Versuche zur Bestimmung der Rotationsdispersion concentrirter übersättigter Lösungen von Rechtsweinsäure. (Cl. 16. Febr.) van’t Hoff und H. M. Dawson, Untersuchungen über die Bildungs- verhältnisse der oceanischen Salzablagerungen, insbesondere des Stalsfurter Salzlagers. XI. (Cl. 6. April; S. B.) h xX1l van’t Hoff und Dr. W. Meyerhoffer, Untersuchungen über die Bildungsverhältnisse der oceanischen Salzablagerungen, ins- besondere des Stafsfurter Salzlagers. XII. (Cl. 20. Apnil; S. B.) Paschen, Prof. F., über die Vertheilung der Energie im Spectrum des schwarzen Körpers bei niederen Temperaturen. Vorgelegt von Planck. (G.S. 27. April; 8. B.) Planck, über irreversibele Strahlungsvorgänge. Fünfte Mittheilung (Schlufs). (G.S. 18. Mai; S. B.) van’t Hoffund H. M. Dawson, Untersuchungen über die Bildungs- verhältnisse der oceanischen Salzablagerungen, insbesondere des Stafsfurter Salzlagers. XIV. (Cl. 15. Juni; S. B.) Fischer und Dr. F. Ach, über die Isomerie der Methylharnsäuren. (G.S. 22. Juni; S.B. 13. Juli.) Kohlrausch und M. E. Maltby, das elektrische Leitvermögen wässriger Lösungen von Alkali-Chloriden und Nitraten. (Cl. 20. Juli; S.B.) Holborn, Prof. L., und Dr. A. Day, über die Thermoelektrieität einiger Metalle. Vorgelegt von Kohlrausch. (Cl. 20. Juli; Sa.) Kohlrausch, über den stationären Temperaturzustand eines von einem elektrischen Strome erwärmten Leiters. (G.S. 27. Juli; S.B.) Jaeger, Prof. W., und Dr. H. Diesselhorst, Wärmeleitung, Elektri- citätsleitung, Wärmecapacität und Thermokraft einiger Me- talle. Vorgelegt von Kohlrausch. (G.S. 27. Juli; S. BD.) Warburg, über positive und negative Spitzenentladung in reinen Gasen (E12 1920er, SB») van’t Hoff und D. Chiaraviglio, Untersuchungen über die Bil- dungsverhältnisse der oceanischen Salzablagerungen, insbe- sondere des Stafsfurter Salzlagers. XV. (Cl. 2.Nov.; S.B.) xl Paschen, Prof. F., über die Vertheilung der Energie im Spectrum des schwarzen Körpers bei höheren Temperaturen. Vorgelegt von Planck. (G.S. 7.Dec.; S.B. 21. Dec.) van’t Hoff und N. Kassatkin, Untersuchungen über die Bildungs- verhältnisse der oceanischen Salzablagerungen, insbesondere des Stafsfurter Salzlagers. XVI. (Cl. 14.Dec.; S.B.) Wilson, H. A., Untersuchungen über die Bildungsverhältnisse der oceanischen Salzablagerungen, insbesondere des Stalsfurter Salzlagers. XVII. Vorgelegt von van’t Hoff. (Cl. 14.Dec.; S.B.) Mineralogie und Geologie. Salomon, Dr. W., neue Beobachtungen aus den Gebieten des Adamello und des St. Gotthard. Vorgelegt von Klein. (Cl. 12.Jan.; S.B. 19. Jan.) Leiss, C., über eine Methode zur objectiven Darstellung und Photo- graphie der Schnitteurven der Indexflächen und über die Um- wandlung derselben in Schnitteurven der Strahlenflächen. Vorgelegt von Klein. (Cl. 12.Jan.; S. B. 19. Jan.) Rosenbusch, über Euktolith, ein neues Glied der theralithischen Effusivmagmen. (G.S. 9. Febr.; S. B.) Leiss, C., über die objective Darstellung der Schnitteurven der Strahlenflächen. Vorgelegt von Klein. (Cl. 2. März; S. B.) Klein, Optische Studien. I. (G.8. 23. März; G.S. 13. April; 8. B. 13. April.) Botanik und Zoologie. Schwendener, über die Contactverhältnisse der jüngsten Blatt- anlagen bei Linaria spuria. (Cl. 2.Febr.; S. B.) Schwendener, über den Öffnungsmechanismus der Antheren. (Cl. 2.Febr.; S. B.) XIV Schulze, zur Histologie der Hexactinelliden. (Cl. 16. März; S. B.) Ludwig, Jugendformen von Ophiuren. (Cl. 16. März; S.B.) Möbius, über die auf der deutschen Spitzbergenfahrt gefangenen Pantopoden. (Cl. 20. April.) Lohmann, Dr. H., Untersuchungen über den Auftrieb der Stralse von Messina mit besonderer Berücksichtigung der Appen- dieularien und Challengerien. Vorgelegt von Möbius. (Cl. 20. April; S. BD.) Engler und Dr. L. Diels, über die systematische Gliederung und Verbreitung der Gattung Combretum, insbesondere der afti- canischen Arten. (Cl. 4. Mai.) Küster, Dr. E., über Gewebespannungen und passives Wachsthum bei Meeresalgen. Vorgelegt von Schwendener. (Cl. 15. Juni; S.B. 2.Nov.) Rodewald, Prof. H., und Dr. A. Kattein, über die Herstellung von Stärkelösungen und Rückbildung von Stärkekörnern aus den Lösungen. Vorgelegt von Schwendener. (Cl. 6. Juli; S. B.) Schwendener, über die Schumann’schen Einwände gegen seine Theorie der Blattstellungen. (G.S. 7. Dec.; S. B.) Anatomie und Physiologie. Munk, Weiteres über die Ausdehnung der Sinnessphären an der Grofshirnrinde. (G.S. 9. Febr.) Waldeyer, über Neurone und Neuropil. (Cl. 2. März.) Thilenius, Dr. G., vorläufiger Bericht über die Eiablage und erste Eintwickelung der Hatteria punetata. Vorgelest von Wal- deyer. (Cl. 16. Mäız; S.B.) Heymons, Dr. R., über bläschenförmige Organe bei den Gespenst- heuschrecken. Vorgelegt von Schulze. (Cl. 15. Juni; S. B.) XV Hertwig, O., über den Einflufs der Temperatur auf die Entwicke- lung thierischer Eier. (Cl. 6. Juli.) Engelmann, über die Innervation des Herzens. (G.S. 9. Nov.) Engelmann, über die Hypothese von Muskens zur Erklärung der chronotropen Wirkungen der Herznerven. (G.S. 7.Deec.) Krause, Dr. R., Untersuchungen über den Bau des Centralnerven- systems der Affen. Vorgelegt von ©. Hertwig. (G.8. 7. Dee.; Abh.) Munk, über die Ausdehnung der Sinnessphären in der Grofs- hirnrinde. (Cl. 14. Dec.; S. B.) Anthropologie. Virchow, die Bevölkerung der Philippinen. Zweite Mittheilung. (Cl. 12. Jan.; S. B. 19. Jan.) Virchow, ein Flachbeil aus Jadeit von der Beeker Haide am Niederrhein. (Cl. 30.Nov.; S. B.) Astronomie und Geophysik. Lüdeling, Dr. G., über den täglichen Gang der erdmagnetischen Störungen an Polarstationen. Vorgelegt von v. Bezold. (Cl. 16. März; S. B.) von Bezold, über die Zunahme der Blitzgefahr während der letzten sechzig Jahre. (G.S. 23. März; S. B.) Wilsing, Prof. J., über die Deutung des typischen Speetrums der neuen Sterne. Vorgelegt von Vogel. (Cl. 4. Mai: S. B.) von Bezold, über die Sonnenstrahlung in der Atmosphäre und das Polarlicht. (Cl. 15. Juni.) Hartmann, Dr. J., über die relative Helligkeit der Planeten Mars und Jupiter nach Messungen mit einem neuen Photometer. Vorgelegt von Vogel. (Cl. 20. Juli; S. B.) XVI Wilsing, Prof. J., über den Einflufs des Drucks auf die Wellen- längen der Linien des Wasserstoffspectrums. Vorgelegt von Vogel. (@.S. 27. Juli; S. B.) Auwers, über die Genauigkeit der astronomischen Ortsbestim- mungen. (Cl. 16.Nov.) Mathematik. Lipschitz, Bemerkungen über die Differentiale von: symbolischen Ausdrücken. (Cl. 16. Febr.; S. 5.) Hamburger, Prof. M., über die singulären Lösungen der alge- braischen Differentialgleichungen höherer Ordnung. Vorge- legt von Fuchs. (G.S. 23. Febr.; S. B.) Fuchs, Bemerkungen zur Theorie der assocürten Differentialglei- chungen. (G.S. 9. März; S.B.) Frobenius, über die Composition der Charaktere einer Gruppe. (Cl. 6. April; S.B.) Frobenius, über die Darstellung der endlichen Gruppen durch lmeare Substitutionen. Il. (Cl. 1.Junı; S. B.) Koenigsberger, über die hreductibilität algebraischer Functional- gleichungen und linearer Differentialgleichungen. (Cl. 20. Juli; S.B.) Koenigsberger, über die Irreductibilität algebraischer Differential- gleichungen. (G.S. 26.0ct.; S.B.) Philosophie. Stumpf, über den Willensbeguiff. I. (Cl. 12. Jan.) Diels, zur Geschichte des Begriffes Element. (G.S. 27. April.) Dilthey, Ideen zu einer Bildungslehre und Classification der philo- sophischen Systeme. (Cl. 20. Juli.) Stumpf, über die Tiefenunterschiede der Gesichtsempfindungen. (G.S. 23. Nov.) XV Geschichte. Koser, über den Übergang Preufsens zur constitutionellen Re- gierungsform. (Cl. 16. Febr.) Harnack, das Aposteldeeret (Act. 15,29) und die Blafs’sche Hypo- these. (Cl. 2. März; S. B.) Harnack, über den ursprünglichen Text Act. Apost. 11, 27. 28. (Cl. 6. April; S. B.) Lenz, Beiträge zur Kritik der Gedanken und Erinnerungen des Fürsten Bismarck. (Cl. 20. April.) Geffeken, Dr. J., eine gnostische Vision. Vorgelegt von Harnack. (Cl. 20. Juli; S. B.) Dümmler, über eime Synodalrede des Papstes Hadrian’s I. (Cl. 19-0ct.; S.B.) Weinhold, über die Bedeutung des Haselstrauchs im altgerma- nischen Cultus und Zauberwesen. (Cl. 2.Nov.) Lenz, zweite Mittheilung zur Kritik der Gedanken und Erinne- rungen des Fürsten Bismarck. (Cl. 16. Nov.) Harnack, vorläufige Bemerkungen zu dem jüngst syrisch und lateinisch publiecrten »Testamentum domini nostri Jesu Christie. (Cl. 30.Nov.; S.B.) Koser, über die Kosten der preufsischen Kriegsführung im Sieben- jährigen Kriege. (G.S. 21. Dee.) Rechts- und Staatswissenschaft. Pernice, zum römischen Gewohnheitsrechte. (Cl. 4. Mai.) Brunner, die Vergabungsfreiheit im westgothischen, burgundischen und salfränkischen Rechte. (Cl. 1. Juni.) Schmoller. über die Gröfse der Bevölkerung in älterer und neuerer Zeit. (G.S. 13. Juli.) XVII Allgemeine, deutsche und andere neuere Philologie. Schmidt, E., methodologische Bemerkungen über die Behandlung der Texte Kant’s. (G.S. 19. Jan.) Tobler, die Legende vom heiligen Julianus in altfranzösischen Versen. (G.S. 23. Febr.) Classische Philologie. Vahlen, Bemerkungen zum Ennius. (Cl. 16. März; S.B.) Schmidt, J., die elischen Verba auf -ew und der urgriechische Declinationsablaut der Nomina auf -evs. (Cl. 6. April; S. B.) Hirschfeld, Anlage und Abfassungszeit der Epitome des Florus. (Cl. 15. Juni; S. B.) von Wilamowitz-Moellendorff, Platon’s Gorgias und die Rede des Polykrates gegen Sokrates. (G.S. 26. Oct.) Reitzenstein, Prof. R., zwei neue Fragmente der Epoden des Archilochos. Vorgelegt von Diels. (Cl. 2.Nov.; S. B. 16. Nov.) Schmidt, J., über die griechischen Praesentia auf -ıoro. (Cl. 14. Dec.) de Boor. Prof. C., Bericht über eine Studienreise nach Italien, Spanien und England zum Zwecke handschriftlicher Studien über byzantinische Chronisten. Vorgelegt von Diels. (Cl. 14.Deec.; S.B.) Archaeologie. Kekule von Stradonitz, über das Bruchstück einer Portrait- statuette Alexander’s des Grofsen. (Cl. 2. Mäız; S. B. 16. März.) Conze, über die Thore der Königsstadt Pergamon. (G.S. 23. März.) Schrader, Dr. H., die Opferstätte des pergamenischen Altars. Vor- gelegt von Conze. (Cl. 6. Juli; S.B.) XIX Örientalische Philologie. Sachau, Studie zur Syrischen Kirchenlitteratur der Damascene. (Cl. 2. Febr.; S.B. 1. Juni.) Belck, Dr. W., und Dr. C. F. Lehmann, Bericht über eme For- schungsreise durch Armenien. Vorgelegt von Diels. (Cl. 2.Febr.; S. B. 9. Febr.) Schrader, über die hemerologische Tafel II Rawl. 32. 33. Erster Theil. (G.S. 8. Juni.) Erman, zwölf Ostraka aus den Königsgräbern zu Theben. (Cl. 6. Juli.) Schäfer, Dr. H., Bruchstück eines koptischen Romans über die Eroberung Aegyptens durch Kambyses. Vorgelegt von Erman. (G.S. 27. Juli; S.B.) Belck, Dr. W., und Dr. ©. F. Lehmann, zweiter Vorbericht über eine Forschungsreise in Armenien. Vorgelegt von Sachau. (G.S. 27. Juli; S. B.) 1900. Physik und Chemie. Landolt, Untersuchungen über etwaige Änderungen des Gesammt- gewichtes chemisch sich umsetzender Körper. (Cl. 11.Jan.) Planck, über Entropie und Temperatur strahlender Wärme. (G.S. 22. Febr.) Fischer, über aromatische Derivate der Harnsäure. (Cl. 1. März; S. B.) Vater, Prof. H., einige Versuche über die Bildung des marinen Anhydrites. Vorgelegt von van’t Hoff. (Cl. 15. März; S. D. 29. Mäız.) Ladenburg, Prof. A., und Dr. C. Krügel, über das Krypton. Vorgelegt von van’t Hoff. (G.S. 22. Mäız; S.B.) c * XX Quincke, über Volumenänderungen durch magnetische Kräfte. (Cl. 29. März; S.B. 19. April.) Lummer, Prof. O., complementäre Interferenzerscheinungen im reflectirten Lichte. Vorgelegt von Kohlrausch. (Cl. 19. April; S.B. 3. Mai.) van’t Hoff und E. F. Armstrong, Untersuchungen über die Bil- dungsverhältnisse der oceanischen Salzablagerungen, insbe- sondere des Stafsfurter Salzlagers. XVII. (G.S. 31.Mai; S. B.) Kohlrausch, über Fortschritte, welche sich mit Bezug auf die Messung hoher Temperaturen bei neueren Arbeiten der HH. Holborn und Day in der Physikalisch - Technischen Reichsanstalt ergeben haben. (Cl. 14. Juni.) Runge, Prof. C., und Prof. F. Paschen, über das Zeeman’sche Phaenomen. Vorgelegt von Planck. (Cl. 14. Juni.) Warburg, über die Bildung des Ozons bei der Spitzenentladung ın Sauerstoff. (Cl. 5. Juli; S.B.) Ladenburg, Prof. A., und Dr. C. Krügel, über das Krypton. Zweite Mittheilung. Vorgelegt von van’t Hoff. (Cl. 5. Juli; S.B.) Goldstein, Prof. E., über die Phosphorescenz anorganischer chemi- scher Praeparate. Vorgelegt von Warburg. (G.S. 26. Juli; S. B.) Grunmach, Prof. L., experimentelle Bestimmung von Capillaritäts- constanten condensirter Gase. Vorgelegt von Warburg. (G.S. 26. Juli; S. B.) Rubens, Prof. H., und Prof. F. Kurlbaum, über die Emission lang- welliger Wärmestrahlen durch den schwarzen Körper bei verschiedenen Temperaturen. Vorgelegt von Kohlrausch. (G.S. 25.0ct.; S..B.) Kohlrausch, über das elektrische Leitvermögen von Lösungen der Alkali-Jodate und eine Formel zur Berechnung von Leit- vermögen. (G.S. 8.Nov.; S. B.) XXI Holborn, Prof. L., und Dr. A. Day, über die Ausdehnung von Platin, Platiniridium, Palladium, Silber, Nickel, Eisen, Stahl und Constantan in hoher Temperatur. Vorgelegt von Kohl- rausch. (G.S. 8.Nov.; S.B.) van’t Hoff und Dr. H. von Euler-Chelpin, Untersuchungen über die Bildungsverhältnisse der oceanischen Salzablagerungen, insbesondere des Stafsfurter Salzlagers. XIX. (C1. 15. Nov.: S.B.) Fischer, über die Ester der Aminosäuren. (Cl. 29. Nov.; S. B.) Basch, E. E., künstliche Darstellung des Polyhalit. Vorgelegt von van’t Hoff. (Cl. 29.Nov.; S. B.) ‚Fischer, Synthese der a, ö-Diaminovaleriansäure. (Cl. 13. Dee.: S. B.) van’t Hoff und H. A. Wilson, Untersuchungen über die Bildungs- verhältnisse der oceanischen Salzablagerungen, insbesondere des Stalsfurter Salzlagerss. XX. (G.S. 20.Dec.; S. B.) Mineralogie und Geologie. Klein, das Krystallpolymeter, em Instrument für krystallographisch- optische Untersuchungen. (Cl. 29. März; S. B.) Klein, die neueste Vermehrung der Mineraliensammlung der König- lichen Friedrich-Wilhelms-Universität. (Cl. 3. Mai.) Rinne, Prof. F., Beitrag zur Petrographie der Minahassa in Nord- Celebes. Vorgelegt von Klein. (Cl. 3. Mai; S. B.) Baumhauer, Prof. H., über die krystallographischen Verhältnisse des Jordanit. Vorgelegt von Klein. (G.S. 31. Mai; S. D.) Sauer, Prof. A., geologische Beobachtungen im Aarmassiv. Vor- gelegt von Klein. (Cl. 14. Juni; S. 5. 5. Juli.) Branco, die geologische Bedeutung des Rieses bei Nördlingen. (G.S. 25.0ct.) XXI Bauer, Prof. M., Beiträge zur Kenntnifs der niederhessischen Ba- salte. Vorgelest von Klein. (Cl. 1. Nov.; S.B. 15.Nov.) Cohen, Prof. E., Zusammenfassung der bei der Untersuchung der körnigen bis dichten Meteoreisen erhaltenen Resultate. Vor- gelegt von Klein. (Cl. 13. Dec.; S. B.) Botanik und Zoologie. Schulze, Hexactinelliden des Indischen Oceanes. IN. Theil. (Cl. 15. Febr.; Abh.) Möbius, über die Grundlagen der aesthetischen Beurtheilung der Säugethiere. (Cl. 15. März; S.B.) Engler, über die Vegetationsverhältnisse des Ulugurugebirges in Deutsch-Ostafrika. (G.S. 22. März; S.B.) Schwendener, die Divergenzänderungen an den Blüthenköpfen der Sonnenblumen im Verlaufe ihrer Entwicklung. (G.S. 22.Nov.; S. D.) Anatomie und Physiologie. Waldeyer, über die Kolon-Nischen: und die Arterienfelder der Peritonaealhöhle. (G.S. 18. Jan.; Abh.) Hertwig, O., über den Zustand der Entwickelungslehre im 16. bis 18. Jahrhundert. (Cl. 17. Mai.) Fritsch, Prof. G., vergleichende Untersuchungen menschlicher Au- gen. Vorgelegt von Engelmann. (Cl. 17. Mai; S. D. 14. Juni.) Kalischer, Dr. Ö., über Grofshirnexstirpationen bei Papageien. Vorgelegt von Munk. (Cl. 5. Juli; S. 5.) Bickel, Dr. A., und Dr. P. Jacob, über neue Beziehungen zwischen Hirnrinde und hinteren Rückenmarkswurzeln hinsichtlich der Bewegungsregulation beim Hunde. Vorgelegt von Engel- mann. (G.S. 12.Juli; S. B.) XXI Engelmann, über die Natur der herzschwächenden Nervenwir- kungen und des Phaenomens der »Treppe«. (Cl. 19. Juli.) Munk, über die Ausdehnung der Sinnessphären in der Grofshirm- ıinde. Zweite Mittheilung. (Cl. 19. Juli; S. B.) Klaatsch, Prof. H., der kurze Kopf des Musculus bieeps femoris. Seine morphologische und stammesgeschichtliche Bedeutung. Vorgelegt von Waldeyer. (Cl. 19. Juli: S. B. 26. Juli.) Tonkoff, Dr. W., experimentelle Erzeugung von Doppelbildungen bei Triton. Vorgelegt von ©. Hertwig. (Cl. 19. Juli; S. B.) Munk, über die Ausdehnung der Sinnessphären in der Grofshirn- rinde. Dritte Mittheilung (Schlufs). (Cl. 29. Nov.) Lewandowsky, Dr. M., über die Automatie des sympathischen Systems nach am Auge angestellten Beobachtungen. Vor- gelegt von Engelmann. (Cl. 13. Dec.; S.B.) Waldeyer, weitere Beiträge zur topographischen Anatomie der Bauchhöhle. (G.S. 20.Dee.: Abh.) Astronomie, Geographie und Geophysik. Vogel, über die im letzten Decennium in der Bestimmung der Sternbewegungen in der Gesichtslinie erreichten Fortschritte. (Cl. 29. März; S. B. 19. April.) von Bezold, über klimatologische Mittelwerthe für ganze Breiten- kreise. (G.S. 12. Juli.) Zwölf Briefe von Bessel an Olbers. (G.S. 12. Juli; S. B.) von Richthofen, über Gestalt und Gliederung einer Grundlinie in der Morphologie Ost-Asiens. (Cl. 18.0ct.; S.B.) Helmert, zur Bestimmung kleiner Flächenstücke des Geoids aus Lothabweichungen mit Rücksicht auf Lothkrümmung. Erste Mittheilung. (Cl. 1.Nov.; S.B.) XXIV Mathematik. Fuchs, über eme besondere Gattung von rationalen Curven mit imaginären Doppelpunkten. (Cl. 1. Febr.; S. B.) Kötter, Prof. F., die von Steklow und Liapunow entdeckten in- tegrabelen Fälle der Bewegung eines starren Körpers in einer Flüssigkeit. Vorgelegt von Fuchs. (Cl. 1. Febr.; S. B.) Krause, Prof. M., über eine Classe von Differentialgleichungen zweiter Ordnung, welche durch elliptische Functionen inte- grivbar sind. Vorgelegt von Fuchs. (Cl. 15.März; S.B. 29. März.) Landsberg, Prof. G., zur Theorie der algebraischen Functionen zweier Veränderlicher. Vorgelegt von Frobenius. (G.S. 5. April; S.D.) Gordan, Beweis für den Satz, dafs die Ludolph’sche Zahl x eine transcendente Zahl ist. (Cl. 19. April.) Frobenius, über die Charaktere der symmetrischen Gruppe. (G.S. 26. April; S. B. 10. Mai.) Koenigsberger, über das erweiterte Newton’sche Potential. (Cl. 13. Dee.;,S.B. 20. Dee.) Philosophie. Dilthey, über Beziehung und Zusammenhang der Ideen Schleier- macher’s über Cultur und Staat. (Cl. 5. Juli.) Kunstwissenschaft. Stumpf, über Tonsystem und Musik der Siamesen. (G.S. 8.Nov.) Geschichte. Harnack, über die beiden Recensionen der Geschichte der Prisca und des Aquila in Act. Apost. 18,1-27. (Cl. 11.Jan.: Sn) XXV Scheffer-Boichorst, das Gesetz Kaiser Friedrich’s I. »De re- signandis privilegiis«. (G.S. 8. Febr.; S. B. 8. März.) Harnack, Bericht über die Abfassung der »Geschichte der König- lich Preufsischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin«. (G.S. 8. Febr.; S. D.) Harnack, das Magnificat der Elisabet (Luc. 1, 46-55) nebst einigen Bemerkungen zu Luc. 1 und 2. (Cl. 17.Mai; S. B.) Dümmler, Radbert’s Epitaphium Arsenii (gewöhnlich Vita Walae genannt). (Cl. 19. Juli; Abb.) Köhler, der thukydideische Bericht über die oligarchische Um- wälzung in Athen im Jahre 411. (G.S. 26. Juli; S. B.) Harnack, zu den Amherst-Papyri. (Cl. 1.Nov.; S. B.) Koser, über eine ungedruckte Redaction der »Memoires depuis la paix de Hubertsbourg jusqu’a la fin du partage de Po- logne« Friedrich’s des Grofsen. (G.S. 6. Dec.) Lenz, ein Capitel aus der Geschichte Bismarck’s. (Cl. 13. Dec.) Köhler, zwei Inschriften aus der Zeit Antiochos’ IV. Epiphanes. (Cl. 13. Dec.; S. B.) Rechts- und Staatswissenschaft. Pernice, über die sogenannten res communes omnium. (Cl. 15. Febr.) Brunner, über die erbrechtliche Stellung der Weiber bei Lango- barden, Westgothen’ und Salfranken. (Cl. 3. Mai.) Schmoller, über die Ausbildung einer richtigen Scheidemünzpolitik vom 14.—18. Jahrhundert. (G.S. 21. Juni.) Allgemeine, deutsche und andere neuere Philologie. Schmidt, E., deutsche Reimstudien. I. (Cl. 11.Jan; S.D. 3. Mai.) Tobler, der provenzalische Sirventes »Senher n’enfantz, [il vos platz«. (Cl. 29. Mäız; S.B.) d XXVI Weinhold, die Zeitpartikeln des schlesischen Dialekts. (Cl. 18.0et.: S.2.) Schmidt, E., das Verhältnifs der deutschen Volksschauspiele zu Marlowe’s Tragical history of Dr. Faustus. (Cl. 15.Nov.) Classische Philologie. Vahlen, über die Versschlüsse in den Komödien des Terentius. (Cl. 1. März; Abh.) von Wilamowitz-Moellendorff, die sechste Rede des Antiphon. (Cl. 19. April; S.B.) Hatzidakis, zur Betonung der griechischen Donots. deren zweiter Theil ein Verbaladjectiv trochäischer Messung ist. (G.S. 26. April; S. B.) Diels, neue Ausgabe der pseudoaristotelischen Schrift de Melisso Xenophane Gorgia. (G.S. 10.Mai; Abh.) von Wilamowitz-Moellendorff, neue Bruchstücke der hesio- dischen Kataloge. (Cl. 19. Juli; S.B. 26. Juli.) Crönert, Dr. W., der Epikureer Philonides. Vorgelegt von Diels. (G.S. 25. 0et.; 8.2.) Hatzidakiıs, Umwandlung eines Potentials in Plusquamperfect und Perfect. (Cl. 1.Nov.; S.B. 29. Nov.) Köhler, ein Nachtrag zum Lebenslauf des Epikureers Philonides. (G.S. 8.Nov.; S.B.) Archaeologie. Borchardt, Dr. L., Bericht über einen Einsturz im Amonstempel von Karmak am 3. October 1899. Vorgelegt von Erman. (Cl. 11. Jan.; S. B. 1. Febr.) XXVIl Kekule von Stradonitz, vorläufiger Bericht über die von den Königlichen Museen begonnenen Ausgrabungen in Milet. (Cl. 1. Febr.; S. DB. 15. Febr.) Schuchhardt, Dr. C., das Römercastell bei Haltern an der Lippe. Vorgelegt von Conze. (G.S. 8. März; 8. B. 5. April.) Orientalische Philologie. Erman, die Flexion des aegyptischen Verbums. (@.S. 18. Jan.; S.B. 5. April.) Schrader, über die hemerologische Tafel II Rawl. 32.33. Zweiter Theil. (Cl. 15. März.) Erman, über einen von W. Golenischeff unlängst veröffentlichten Papyrus. (G.S. 5. April.) Sachau, über die Quellen von Ibn Saad’s Geschichtswerk. (Cl. 14. Juni.) Weber, A., Vedische Beiträge. VII. (Cl. 14. Juni; S.B.) Lehmann, Dr. C. F., Bericht über die Ergebnisse der von Dr. W. Belck und Dr. C. F. Lehmann 1898/99 ausgeführten Forschungsreise in Armenien. Vorgelegt von Schrader und Sachau. (Cl. 14. Juni; S.B.) Erman, über den Papyrus P 3027 des aegyptischen Museums. (Cl. 29. Nov.) XXVII Bericht über den Erfolg der Preisausschreibungen für 1899 und 1900 und neue Preisausschreibungen an den Leibniz-Tagen 1899 und 1900 sowie am Friedrichs-Tage 1900. Preisaufgabe aus dem Cothenius’schen Legat. gestellt in der Leibniz- Sitzung am 29. Juni 1899. In der Leibniz-Sitzung des Jahres 1896 hat die Akademie aus der Cothenius-Stiftung die folgende Preisaufgabe ausgeschrieben: »Die Königliche Akademie der Wissenschaften wünscht eine auf eigenen Versuchen und Beobachtungen beruhende Ab- handlung über die Entstehung und das Verhalten neuer Getreidevarietäten im Laufe der letzten 20 Jahre.« Bewerbungsschriften, welche bis zum 31. December 1898 er- wartet wurden, sind nicht eingegangen. Auf Vorschlag der physikalisch-mathematischen lasse stellt die Akademie die Preisfrage unverändert abermals. Bewerbungs- schriften sind spätestens am 31. December 1901 im Bureau der Akademie, Berlin NW.7, Universitätsstra(se 8, einzureichen. Die- selben können in deutscher, lateinischer, französischer, englischer oder italiänischer Sprache abgefalst sein. Jede Bewerbungsschrift ist mit einem Spruchwort zu bezeichnen, welches auf einem beizufügenden versiegelten, innerlich den Namen und die Adresse des Verfassers angebenden Zettel äulserlich wieder- holt ist. Schriften, welche den Namen des Verfassers nennen oder deutlich ergeben, werden von der Bewerbung ausgeschlossen. Ebenso können Schriften, welche in störender Weise unleserlich geschrie- ben sind, durch Beschlufs der Classe von der Bewerbung aus- geschlossen werden. Die Verkündung des Urtheils erfolgt in der Leibniz-Sitzung des Jahres 1902. XXIX Der ausgesetzte Preis beträgt 2000 Mark. Aufserdem über- nımmt die Akademie, wenn der Preis ertheilt wird und der Ver- fasser die gekrönte Preisschrift m Druck zu geben beabsichtigt, die Drucklegung oder die Kosten derselben in der nach ihrem Ermessen geeigneten Form. Sämmtliche Bewerbungsschriften nebst den zugehörigen Zetteln werden ein Jahr lang vom Tage der Urtheilsverkündung ab für den Verfasser aufbewahrt und einem jeden Verfasser, welcher sich als soleher nach dem Urtheil des vorsitzenden Secretars genügend legitimirt, die seinige gegen Empfangsbescheinigung ausgehändigt. Ist die Arbeit als preisfähig anerkannt, aber nicht praemürt, so kann der Verfasser innerhalb dieser Frist verlangen, dafs sein Name durch die Schriften der Akademie zur öffentlichen Kenntnils gebracht werde. Nach Ablauf der bezeichneten Frist steht es der Akademie frei, die nicht abgeforderten Schriften und Zettel zu vernichten. Preis der Graf Loubat- Stiftung. ausgeschrieben am 29. Juni 1899. Die Akademie wird am Leibniz-Tage im Juli 1901 aus der Graf Loubat-Stiftung einen Preis von 3000 Mark an diejenige ge- druckte Schrift aus dem Gebiet der Geschichte von Nordamerica, insbesondere dessen Colonisation und neuerer Geschichte bis zur Gegenwart, zu ertheilen haben, welche unter den ihr eingesandten oder ihr anderweitig bekannt gewordenen als die beste sich er- weist. Sie setzt demgemäfs den 1.Januar 1901 als den Termin fest, bis zu welchem Bewerbungsschriften an sie eingesandt und in Berlin eingetroffen sein müssen. Statutenmäfsig dürfen nur solche Schriften praemürt werden, welche innerhalb der letzten 10 Jahre erschienen sind. Als Schriftsprache wird die deutsche, englische, holländische, französische und spanische zugelassen. XXX Preisaufgabe der Charlotten- Stiftung vom 29. Jumi 1899. Nach dem Statut der von Frau Charlotte Stiepel geb. Frein von Hopffgarten errichteten Charlotten-Stiftung für Philologie wird eine neue Aufgabe von der ständigen Commission der Akademie gestellt: »Die griechischen Doppelnamen in Aegypten, mit Aus- schlufs der römischen Vor- und Geschlechtsnamen, sollen aus der Litteratur, den Inschriften und der Papyrus- und Ostraka-Überlieferung, soweit sie veröffentlicht ist, zu- sammengestellt und Umfang und Entwickelung dieser Sitte in den Grundzügen dargelegt werden. Man wünscht durch diese Aufgabe die Anregung zu geben zu einer späteren zusammenfassenden Untersuchung über die Nomen- ‚clatur der griechisch-römischen Epoche, namentlich mit Rücksicht auf die Cognomma (Signa).« Die Stiftung ist zur Förderung junger, dem Deutschen Reiche angehöriger Philologen bestimmt, welche die Universitätsstudien vollendet und den philosophischen Doctorgrad erlangt oder die Prüfung für das höhere Schulamt bestanden haben, aber zur Zeit ihrer Bewerbung noch ohne feste Anstellung sind. Privatdocenten an Universitäten sind von der Bewerbung nicht ausgeschlossen. Die Arbeiten der Bewerber sind bis zum 1. März 1900 an die Akademie einzusenden. Sie sind mit einem Denkspruch zu ver- sehen; in einem versiegelten, mit demselben Spruche bezeichneten Umschlage ist der Name des Verfassers anzugeben und der Nach- weis zu liefern, dafs die statutenmäfsigen Voraussetzungen bei dem Bewerber zutreffen. In der öffentlichen Sitzung am Leibniz-Tage 1900 (oder in der an ihre Stelle tretenden Festsitzung) ertheilt die Akademie dem Verfasser der des Preises würdig erkannten Arbeit XXXI das Stipendium. Dasselbe besteht in dem Genusse der Jahreszinsen des Stiftungseapitals von 30000 Mark auf die Dauer von vier Jahren. Preisaufgabe des Hrn. W. Simon. verkündet in der Friedrichs- Sitzung am 25. Januar 1900. Hr. Stadtrath Prof. Dr. Walter Simon in Königsberg hat der Akademie die Summe von 7500 Mark zur Ausschreibung einer Preisaufgabe betr. eine Geschichte der Autobiographie ‘zur Ver- fügung gestellt. Im Einvernehmen mit dem Stifter hat die Aka- demie beschlossen, diese Aufgabe in folgender Form zu stellen: »Es wird eine Geschichte der Autobiographie im streng- sten Sinne (mit Ausschlufs aller Memoirenlitteratur) ge- wünscht. Von den weniger hervorragenden Werken dieser Litte- raturgattung, die nur kurz und ohne erschöpfende Voll- ständigkeit zu charakterisiren sind, soll die Darstellung hinführen zu den typischen Hauptwerken der wichtigsten europäischen Culturnationen. Diese sollen ausführlich analysirt und ihre Nachwirkung in der weiteren Ent- wickelung dieser litterarischen Form verfolgt werden. « Der ausgesetzte Hauptpreis beträgt 5000 Mark. Einer etwa eingehenden zweiten des Preises würdigen Arbeit wird ein Accessit von 2500 Mark zuerkannt. Die Bewerbungsschriften können in deutscher, lateinischer, französischer, englischer oder italiänischer Sprache abgefalst sein. Schriften, die in störender Weise unleserlich geschrieben sind, können durch Beschlufs der zuständigen Classe von der Bewerbung ausgeschlossen werden. Jede Bewerbungsschrift ist mit einem Spruch wort zu bezeichnen und dieses auf einem beizufügenden versiegelten, innerlich den Namen und die Adresse des Verfassers angebenden Zettel äufserlich XXXII zu wiederholen. Schriften, welche den Namen des Verfassers nennen oder deutlich ergeben, werden von der Bewerbung aus- geschlossen. Zurückziehung einer emgelieferten Preisschrift ist nicht gestattet. Die Bewerbungsschriften sind bis zum 31. December 1904 im Bureau der Akademie, Berlin NW. 7, Universitätsstr. 8, einzuliefern. Die Verkündigung des Urtheils erfolgt in der Leibniz-Sitzung des Jahres 1905. Sämmtliche bei der Akademie zum Behuf der Preisbewerbung eingegangene Arbeiten nebst den dazu gehörigen Zetteln werden em Jahr lang von dem Tage der Urtheilsverkündigung ab von der Akademie für die Verfasser aufbewahrt und einem jeden der- selben, welcher sich als solcher nach dem Urtheil des vorsitzenden Secretars genügend legitimirt, die semige gegen Empfangsbeschei- nigung ausgehändigt. Ist die Arbeit als preisfähig anerkannt, aber nicht praemürt, so kann der Verfasser innerhalb dieser Frist ver- langen, dafs sein Name durch die Schriften der Akademie zur öffentlichen Kenntnifs gebracht werde. Nach Ablauf der bezeich- neten Frist steht es der Akademie frei, die nicht abgeforderten Schriften und Zettel zu vernichten. Preis der Steiner’schen Stiftung. verkündet in der Leibmiz- Sitzung am 28. Juni 1900. In der Leibniz-Sitzung am 4. Juli 1895 hat die Akademie für den Steimer’schen Preis die Aufgabe gestellt: »Es soll irgend ein bedeutendes, auf die Lehre von den krummen Flächen sich beziehendes, bis jetzt noch nicht gelöstes Problem möglichst mit Berücksichtigung der von J. Steiner aufgestellten Methode und Prineipien voll- ständig gelöst werden. XXXII Es wird gefordert, dafs zur Bestätigung der Richtig- keit und Vollständigkeit der Lösung ausreichende ana- lytische Erläuterungen den geometrischen Untersuchungen beigegeben werden. | Ohne die Wahl des Themas einschränken zu wollen, wünscht die Akademie bei dieser Gelegenheit die Auf- merksamkeit der Geometer auf die speciellen Aufgaben zu richten, auf welche J. Steiner in der allgemeinen An- merkung am Schlusse seiner zweiten Abhandlung über Maximum und Minimum bei den Figuren in der Ebene, auf der Kugelfläche und im Raume überhaupt hinge- wiesen hat.« Eine Bearbeitung ist für dieses Thema nicht eingegangen. Den Statuten der Steiner’schen Stiftung gemäls hat die Aka- demie den hiermit frei gewordenen Preis von 6000 Mark zur An- erkennung hervorragender in den letzten Jahren veröffentlichter geometrischer Arbeiten verwendet. Derselbe wird je zu einem Drittel zuerkannt: 1. Hrn. Karl Friedrich Geiser, Professor an der Eidgenössi- schen polytechnischen Schule zu Zürich, für seine scharfsimnigen Einzeluntersuchungen auf dem Gebiete der Geometrie und seine Ver- dienste bei Herausgabe eines Theils der Steiner'schen Vorlesungen; 2. Hın. David Hilbert, Professor an der Universität Göttingen, für seine tief eindringenden Untersuchungen über die Axiome der Geometrie und für die Förderung, welche die analytische Geo- metrie durch seine Arbeiten über die Invariantentheorie erfahren hat; 3. Hın. Ferdinand Lindemann, Professor an der Universität München, welcher durch seine berühmte Abhandlung über die Quadratur des Kreises sowie durch seine Bearbeitung der Vor- lesungen über Geometrie von Ülebsch sich besondere Verdienste um die Geometrie erworben hat. XXXIV Zugleich aber wiederholt die Akademie die unbearbeitet ge- bliebene obenstehende Preisaufgabe für das Jahr 1905. Für die Lösung derselben wird von neuem ein Preis von Viertausend Mark und ein Accessitpreis von Zweitausend Mark ausgesetzt. Die Bewerbungsschriften können in deutscher, latemischer, französischer, englischer oder italiänischer Sprache abgefafst sen. Schriften, die in störender Weise unleserlich geschrieben sind, können durch Beschlufs der zuständigen Classe von der Bewerbung ausgeschlossen werden. Jede Bewerbungsschrift ist mit einem Spruchwort zu bezeichnen, und dieses auf‘ einem beizufügenden versiegelten, innerlich den Namen und die Adresse des Verfassers angebenden Zettel äufser- lich zu wiederholen. Schriften, welche den Namen des Verfassers nennen oder deutlich ergeben, werden von der Bewerbung aus- geschlossen. Zurückziehung einer eingelieferten Preisschrift ist nicht gestattet. Die Bewerbungsschriften sind bis zum 31. December 1904 im Bureau der Akademie, Berlin NW.7, Universitätsstr. S, einzuliefern. Die Verkündigung des Uırtheils erfolgt in der Leibniz-Sitzung des Jahres 1905. Sämmtliche bei der Akademie zum Behuf der Preisbewerbung eingegangene Arbeiten nebst den dazu gehörigen Zetteln werden ein Jahr lang von dem Tage der Urtheilsverkündigung ab von der Akademie für die Verfasser aufbewahrt. Nach Ablauf der be- zeichneten Frist steht es der Akademie frei, die nicht abgeforderten Schriften und Zettel zu vernichten. Preis der Charlotten- Stiftung. Zur Bewerbung um das Stipendium der Charlotten-Stiftung smd zwei Bearbeitungen der von der akademischen Commission am 29. Juni 1899 gestellten Aufgabe »UÜber die griechischen Doppel- XXXV namen in Aegypten« rechtzeitig eingelaufen. Die eine trägt das Motto: i »Das höchste Gut des Mannes ist sein Volk, Das höchste Gut des Volkes ist sein Staat. Und seme Seele lebt in seiner Sprache. « die zweite: » Dimidium fact qui coepit habet: sapere ande. « Die letztere behandelt in durchdachter und geschlossener Dar- legung eine Seite der Aufgabe, die Bedeutung der theophoren Doppelnamen, dagegen sind die anderen Erscheinungen der Doppel- namigkeit, namentlich mit Rücksicht auf‘ das römische System, weniger beachtet und der chronologische Gesichtspunkt nicht ge- nügend hervorgehoben worden. Die Arbeit mit dem deutschen Sinnspruch ist den verschie- denen Arten der Nomencelatur sorgfältig nachgegangen und be- müht gewesen die Zeitalter zu scheiden. Aber leider ist sie nur halb vollendet und das Vollendete nicht überall im die Tiefe dringend. So erscheint keme der beiden Bearbeitungen des Preises würdig. Da aber die Commission in beiden beachtenswerthe Keime zur Lösung der Aufgabe gefunden hat, so wiederholt sie das Thema in folgender Form: »Die Führung doppelter Personennamen bei den Griechen und namentlich bei den Aegypten soll untersucht und insbesondere eine eingehende Darlegung der Ursachen und des Gebrauchs der alternativen Doppelnamen, die sich hauptsächlich durch die Formel 6 kat charakterisiren, gegeben werden.« Die Stiftung der Frau Charlotte Stiepel, geb. Freiin von Hopfl- garten, ist zur Förderung junger, dem Deutschen Reiche angehö- tiger Philologen bestimmt. welche die Universitätsstudien vollendet * e XXXVI und den philosophischen Doctorgrad erlangt oder die Prüfung für das höhere Schulamt bestanden haben, aber zur Zeit ihrer Bewer- bung noch ohne feste Anstellung sind. Privatdocenten an Uni- versitäten sind von der Bewerbung nicht ausgeschlossen. Die Arbeiten der Bewerber smd bis zum 1. März 1901 an die Aka- demie einzusenden. Sie sind mit einem Denkspruch zu versehen; in einem versiegelten, mit demselben Spruche bezeichneten Um- schlage ist der Name des Verfassers anzugeben und der Nachweis zu liefern, dals die statutenmälsigen Voraussetzungen bei dem Be- werber zutreffen. Schriften, welche den Namen des Verfassers nennen oder deutlich ergeben, werden von der Bewerbung ausgeschlossen. In der öffentlichen Sitzung am Leibniz-Tage 1901 ertheilt die Akademie dem Verfasser der des Preises würdig erkannten Arbeit das Stipendium. Dasselbe besteht in dem Genusse der Jahreszinsen des Stiftungscapitals von 30000 Mark auf die Dauer von vier Jahren. Preis der Diez- Stiftung. Der Vorstand der Diez-Stiftung hat beschlossen, den aus der Stiftung im Jahre 1900 zu vergebenden Preis im Betrage von 1500 Mark dem Dr. Wilhelm Meyer-Lübke, ordentlichem Pro- fessor der romanischen Sprachen an der Universität Wien und Mitgliede der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften daselbst, für seine »Romanische Syntax«, Leipzig 1599, zuzusprechen. Preisaufgabe aus dem von Miloszewskt’schen Legat. Die Akademie stellt die folgende Preisaufgabe aus dem von Hrn. von Miloszewski gestifteten Legat für philosophische Preisfragen: »Die Entwickelungsgeschichte des Hegel’schen Systems soll mit Benutzung der auf der Königlichen Bibliothek zu Berlin befindlichen Manuscripte Hegel’s dargestellt und XXXVI historisch verständlich gemacht werden. Hierbei soll ins- besondere berücksichtigt werden die Ausbildung seines Pantheismus, seiner dialektischen Methode, der Anord- nung der Kategorien in der Logik und seines Verfahrens, die Gestalten des geschichtlichen Lebens. in einen philo- sophischen Zusammenhang zu bringen. « Der ausgesetzte Preis beträgt Zweitausend Mark. Die Bewerbungsschriften können in deutscher, lateinischer, französischer, englischer oder italiänischer Sprache abgefafst sein. Schriften, die in störender Weise unleserlich geschrieben sind, können durch Beschlufs der zuständigen Classe von der Bewer- bung ausgeschlossen werden. Jede Bewerbungsschrift ist mit einem Spruchwort zu bezeich- nen, und dieses auf einem beizufügenden versiegelten, innerlich den Namen und die Adresse des Verfassers angebenden Zettel äulserlich zu wiederholen. Schriften, welche den Namen des Ver- fassers nennen oder deutlich ergeben, werden von der Bewerbung ausgeschlossen. Zurückziehung einer eingelieferten Preisschrift ist nicht gestattet. Die Bewerbungsschriften sind bis zum 31. December 1902 im Bureau der Akademie, Berlin NW.7, Universitätsstr. 8, einzuliefern. Die Verkündigung des Urtheils erfolgt in der Leibniz-Sitzung des Jahres 1903. Sämmtliche bei der Akademie zum Behuf der Preisbewerbung eingegangene Arbeiten nebst den dazu gehörigen Zetteln werden ein Jahr lang von dem Tage der Urtheilsverkündigung ab von der Akademie für die Verfasser aufbewahrt. Nach Ablauf der bezeichneten Frist steht es der Akademie frei, die nicht abgefor- derten Schriften und Zettel zu vernichten. XXXVIN Verzeichnifs der in den Jahren 1899 und 1900 erfolgten Geld- bewilligungen aus akademischen Mitteln zur Ausführung wissenschaftlicher Unternehmungen. Im Laufe des Jahres 1899 wurden bewilligt: 7200 Mark dem Mitgliede der Akademie Hrn. Diels zur Fortsetzung der Herausgabe der griechischen Commentatoren des Aristoteles. 3300 » dem Mitgliede der Akademie Hın. Kirchhoff zur Fort- setzung der Sammlung der griechischen Inschriften. 6000 » dem Mitgliede der Akademie Hrn. Koser zur Fortfüh- rung der Herausgabe der politischen Correspondenz König Friedrich’s II. 3600 » dem Mitgliede der Akademie Hrn. Mommsen zur Her- ausgabe des Codex Theodosianus. 2500 » dem Mitgliede der Akademie Hın. Engler zur Fort- setzung der Monographien africanischer Pflanzenfamilien. 1500 » Demselben zu Vorarbeiten für ein Werk »Das Pflanzen- reich« (Regni vegetabilis conspectus). 3600 » dem Mitgliede der Akademie Hrn. Harnack zu weiteren Vorarbeiten für die zum bevorstehenden Jubiläum ab- zufassende Geschichte der Akademie. 1000 » dem correspondirenden Mitgliede der Akademie Hrn. Gerhardt zur Fortsetzung der Herausgabe der Mathe- matischen Correspondenz Leibnizens. 400 » Hirn. Dr. Leon Asher in Bern zu Untersuchungen über die Eigenschaften und die Entstehung der Lymphe. 1000 » Hrn. Prof. Dr. Max Bauer in Marburg zur geologisch- petrographischen Bearbeitung der hessischen Basalte. XXXIX 800 Mark Hın. Dr. Johannes Böhm in Berlin zu Studien über die 1000 300 500 2000 » » Gliederung der Kreideformation des nördlichen Harz- randes. Hın. Prof. Dr. Hugo Conwentz in Danzig zu Unter- suchungen über das Vorkommen der Eibe in der Gegenwart und Vergangenheit. Hın. Dr. Alfred Denker in Hagen i.W. zur Heraus- gabe eines Werkes über die Anatomie des Gehörorgans der Säugethiere. Hrn. Prof. Dr. Bruno Hofer in München zu Unter- suchungen über die Krebspest. Hın. Dr. Rudolf Krause in Berlin zu Untersuchungen über den Bau des Centralnervensystems. Hın. Karl Leiss in Steglitz bei Berlin zu kıystall-op- tischen und speetrophotographischen Versuchen. Hrn. Prof. Dr. Friedrich Paschen in Hannover zu Ver- suchen über die Energie im Speetrum des schwarzen Körpers. Hrn. Schuldirector Dr. Richard Piersig in Annaberg zur Erforschung der Hydrachniden-Fauna des Schwarz- waldes und der Bayerischen Alpen. Hın. Dr. Bernhard Rawitz in Berlin zu Forschungen über das Gehörorgan und das Centralnervensystem der Üetaceen. Hrn. Dr. Friedrich Ristenpart in Kiel zur Fortführung der Vorarbeiten zu einem Thesaurus positionum stel- larum affixarum.' ! Dieses vom Beginn ab als ein akademisches geplante und sachlich dem entsprechend geführte Unternehmen ist im Jahre 1900 unter der Bezeichnung einer »Geschichte des Fixsternhimmels« auch formell zu einem solchen der Akademie ge- worden. Für dasselbe sind seit dem 1. April 1900 jährlich 7200 Mark im Etat der Akademie ausgeworfen. XL 1500 Mark Hrn. Prof. Dr. Adolf Schmidt in Gotha zur Fortführung 800 500 1000 2000 1000 1200 1200 600 1000 seiner Bearbeitung des erdmagnetischen Beobachtungs- materials. Hrn. Prof. Dr. Otto Taschenberg in Halle zur Samm- lung von Nachträgen für seme »Bibliotheca zoolo- gica«. Hın. Prof. Dr. Bernhard Weinstein in Berlin zur Ver- öffentlichung der Ergebnisse seiner Beobachtungen über Erdströme und Erdmagnetismus. Hrn. Prof. Dr. Gustav Bauch in Breslau zu Studien über die Reformationsgeschichte. Hrn. Prof. Dr. Konrad Burdach in Halle zur Fort- setzung seiner Untersuchungen über Ursprung und Ausbildung der neuhochdeutschen Schriftsprache und des deutschen Humanismus. Hrn. Dr. Wilhelm Crönert in Halle zu einem Aufent- halt in Neapel zum Zweck des Studiums der Hercu- lanensischen Rollen. Hın. Dr. Franz Eulenburg in Breslau zu Untersuchun- gen über die Frequenz der deutschen Universitäten in früherer Zeit. Hrn. Prof. Dr. Friedrich Kauffmann in Kiel zu einer Reise nach Italien und England zum Zweck von Hand- schriftenvergleichungen für die Herausgabe des »Opus imperfectum in Matthaeum«. Hrn. Bibliothekar Dr. Gustaf Kossinna in Gross-Lich- terfelde zu einer archaeologischen Forschungsreise in Deutschland. Hın. Dr. Wilhelm Kroll in Breslau zur Herausgabe der Commentari in Platonis rem publicam des Pro- clus. XLI 1000 Mark Hın. Dr. Karl Friedrich Lehmann in Berlin zur 1500 1500 1500 3000 400 500 » » Fortführung seiner mit Dr. W. Belek unternommenen Forschungsreise durch Armenien. Hrn. Prof. Dr. Nikolaus Müller in Berlin zur Heraus- gabe der altjüdischen Inschriften Italiens. Hın. Dr. Max Reich in Berlin zur Sammlung und Ver- zeichnung handschriftlicher Erasmus-Briefe. Hın. Dr. Ernst Schäfer in Rostock zu einer Reise nach Spanien zum Zweck von Forschungen auf dem Gebiet der spanischen Reformationsgeschichte im 16. Jahrhundert. Hrn. Dr. Friedrich Schwally in Strafsburg zur Druck- legung seiner Bearbeitung des Kitab al Mahäsin val Masäwi des Ibrähim ibn Muhammad al Baihagı. Hın. Bibliothekar Dr. Georg Steinhausen in Jena zur Drucklegung des 2. (Schlufs-) Bandes seines Werkes »Deutsche Privatbriefe des Mittelalters«. Hın. Staatsarchivar Dr. Kurt Treusch von Buttlar in Dresden zur Sammlung und Veröffentlichung deut- scher Hofordnungen des 16. Jahrhunderts. Im Laufe des Jahres 1900 wurden bewilligt: 2300 Mark dem Mitgliede der Akademie Hın. Engler zur Fort- 7200 3300 » setzung der Arbeiten für das »Pflanzenreich «. dem Mitgliede der Akademie Hın. Diels zur Fort- setzung der Herausgabe der griechischen Commenta- toren des Aristoteles. dem Mitgliede der Akademie Hrn. Kirchhoff zur Fort- setzung der Sammlung der griechischen Inschriften. XLII 6000 Mark dem Mitgliede der Akademie Hın. Koser zur Fort- 4000 4000 500 >00 970 300 4000 400 führung der Herausgabe der politischen Correspondenz König Friedrich’s 1. dem Mitgliede der Akademie Hrn. Mommsen zur Fort- setzung der Arbeiten für die Herausgabe des Codex Theodosianus. dem Mitgliede der Akademie Hrn. Branco zu einer geologischen Untersuchung des Nördlinger Rieses. Hrn. Prof. Dr. Emil Ballowitz in Greifswald zu Unter- suchungen über den Bau des Geruchsorgans der Wirbel- thiere. Hrn. Prof. Dr. Theodor Boveri in Würzburg zu Ver- suchen auf dem Gebiete der Zelltheilungs- und Be- fruchtungslehre. Hın. Prof. Dr. Maximilian Braun in Königsberg zu Studien über Trematoden. Hrn. Lehrer Philipp Fauth im Landstuhl zur Ver- vollständigung seiner Hülfsmittel für Mond-Beobach- tungen. Hrn. Dr. Karl Holtermann in Berlin zu einer Reise nach Ceylon zum Studium der Mangrove-Vege- tation. Hrn. Dr. Otto Kalischer in Berlin zur Fortsetzung seiner experimentellen Untersuchungen über das Grofs- hirn der Papageien. Hrn. Prof. Dr. Ludolf Krehl in Greifswald zur Aus- führung von Respirationsversuchen. Hrn. Dr. Paul Kuckuck in Helgoland zu Untersuchun- gen über die Fortpflanzung der Phaeosporeen. Prof. Dr. Otto Lehmann in Karlsruhe zur Fortfüh- rung seiner Untersuchungen über flüssige Krystalle. XLII 1400 Mark HH. Prof. Dr. F. Paschen und Prof. Dr. K. Runge 500 10000 1500 2500 1250 2000 400 1000 1100 1000 » » » » » in Hannover zur Beschaffung eines Halbring-Elektro- magneten. Hrn. Dr. Karl Peter in Breslau zur Herstellung von Normentafeln die Entwickelung der Eidechsen be- treffend. Hın. Dr. JuliusRomberg in Berlin zu einer geologisch- petrographischen Untersuchung des Gebietes von Pre- dazzo. Hın. Prof. Dr. Wilhelm Salomon in Heidelberg zur Fortsetzung seiner geologisch-mineralogischen Unter- suchung der Adamello-Gruppe. Hrn. Prof. Dr. Adolf Schmidt in Gotha zur Fortfüh- rung seiner Bearbeitung des erdmagnetischen Beob- achtungsmaterials. zur Herausgabe eines 1. Heftes von Resultaten dieser Bearbeitung. Hrn. Dr. Leonhard Schultze in Jena zu Untersuchun- gen über die Herzthätigkeit der wirbellosen Thiere. Hrn. Prof. Dr. Heinrich Simroth in Leipzig zur monographischen Bearbeitung der Familie der Vagi- nuliden. Hın. Prof. Dr. Julius Tafel in Würzburg zur Fort- setzung seiner Arbeiten über die elektrolytische Re- duction. Hrn. Prof. Dr. Alexander Tornquist in Stralsburg zur Drucklegung seines Werkes über das Vicentinische Triasgebirge. Hın. Prof. Dr. Alfred Voeltzkow in Stralsburg zur Anfertigung von Zeichnungen für den zweiten Theil seiner Entwickelungsgeschichte des Krokodils. f* XLIV 1000 Mark Hrn. Prof. Dr. Johannes Walther in Jena zur Druck- 800 1500 1600 » » » » legung seines Werkes über das Gesetz der Wüstenbildung. Hın. Dr. Benno Wandolleck im Dresden zu Unter- suchungen über das Abdomen der Dipteren. Hrn. Prof. Dr. Karl Appel in Breslau zur Herausgabe von Petrarca’s Trionfi. Hın. Oberbibliothekar Dr. Karl de Boor in Breslau zur Fortführung seiner byzantinischen Studien, insbe- sondere der Bearbeitung der constantinischen Excerpte. Hrn. Charles Upson Clark in München zur Vor- bereitung einer neuen Ausgabe des Ammianus Mar- cellinus. Hrn. Prof. Dr. Leopold Cohn in Breslau zu einer Reise nach Italien zum Zweck der Vergleichung von Hand- schriften des Philo. | Hın. Dr. Franz Diekamp m Münster ı. W. zu einer Reise nach Rom zum Zweck der Vergleichung von Hand- schriften der Doctrina patrum de verbi imcarnatione. Hrn. Dr. Ferdinand Heuckenkamp in Halle zur Her- ausgabe des Quadrilogus von Alain Chartier. Hrn. Dr. Max Ihm in Halle zu einer Reise nach England zum Zweck der Vergleichung von Handschriften des Suetonius. Hrn. Oberlehrer Dr. Johannes Kirchner in Berlin zur Drucklegung seiner attischen Prosopographie. Hrn. Oberlehrer Dr. Johannes Kromayer in Stralsburg zur kartographischen Aufnahme griechischer Schlacht- felder, namentlich der Caesarischen und Triumviral- Epoche. Demselben zur Herstellung und Herausgabe der von ihm aufgenommenen Karten. XLV 700 Mark Hrn. Oberlehrer Dr. Theodor Kükelhaus in Düssel- 2000 2000 2500 500 1200 900 700 1000 » dorf zu Studien über Faucan. Hın. Prof. Dr. Ernst Leumann in Strafsburg zur Her- ausgabe des 1. und 3. Theiles seiner »Übersicht über die Avasyaka-Litteratur«. Hrn. Bibliothekar Dr. Julius Lippert in Berlin zur Her- ausgabe von Qifti's »Tarih al-Hukamäc«. Hrn. Dr. Oskar Mann in Berlin zu einer Reise nach Vorderasien zum Zweck des Studiums der kurdisch- neupersischen Dialecte. Hrn. Dr. Ludwig Nix in Bonn zu einer Reise nach England zum Zweck der Vergleichung der arabischen Handschriften des Apollonius Pergaeus. Demselben zur Drucklegung der arabisch erhaltenen Schriften des Apollonius Pergaeus. Hrn. Dr. Max Reich in Berlin zur Fortführung seiner Arbeiten für die Sammlung der handschriftlichen Briefe des Erasmus. Hrn. Oberlehrer Dr. Wilhelm Schmidt in Helmstedt zu einer Reise nach Italien zum Zweck der Vergleichung von Handschriften des Heron von Alexandria. HH. Prof. Dr. Hermann Suchier und Prof. Dr. Her- mann Fitting in Halle zur Herausgabe des provencalıi- schen Rechtsbuches lo Codi. Hrn. Prof. Dr. Friedrich Wiegand in Erlangen zu Reisen zum Zweck der Herausgabe des sogenannten Homiliars Karl’s des Grolsen. Hın. Dr. Karl Wilhelm Zetterst&een in Lund zur Her- ausgabe von religiösen Dichtungen des syrischen Dich- ters Balaı. Verzeichnils der in den Jahren 1899 und 1900 erschienenen im Auftrage oder mit Unterstützung der Akademie bearbeiteten oder herausgegebenen Werke. Harnack, Adolf. Geschichte der Königlich Preulsischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Bd.1. Hälfte 1.2. 2.3. Berlin 1900. Die Zweihundertjahrfeier der Königlich Preufsischen Akademie der Wissenschaften am 19. und 20. März 1900. Berlin 1900. 4. Das Pflanzenreich. Regni vegetabilis conspectus. Im Auftrage der Königl. Preufs. Akademie der Wissenschaften hrsg. von A. Eng- ler. oHettel 2, BeipzisisN900. Das Tierreich. Eine Zusammenstellung und Kennzeichnung der rezenten Tierformen. Hrsg. von der Deutschen Zoologischen Gesellschaft, seit Lief. 10: In Verbindung mit der Deutschen Zoologischen Gesellschaft hrsg. von der Königlich Preufsi- schen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Lief. 10. 11. Berlin 1900. Commentaria in Aristotelem graeca. Vol.3. Pars 2. Alexandri in Aristotelis meteorologicorum libros commentarium ed. Michael Hayduck. — Vol.4. Pars 6. Ammoniü in Aristotelis ana- lyticorum priorum librum I commentarium ed. Maximilia- nus Wallies. — Vol.5. Pars1. Themistu analyticorum poste- riorum paraphrasis ed. Maximilianus Wallies. — Vol. 5. Pars 2. Themisti in Aristotelis physica paraphrasis ed. Hen- rıcus Schenkl. — Vol.5. Pars 3. Themistü librorum de anima paraphrasis ed. Ricardus Heinze. — Vol.12. Pars 2. Olympiodori in Aristotelis meteora commentaria ed. Guilel- mus Stüve. — Vol.18. Pars 1. Eliae in Porphyrii isagogen XLVII et Aristotelis categorias commentaria ed. Adolfus Busse. Berolini 1899. 1900. Corpus inseriptionum latinarum. Vol.13. Pars 1. Fasc.1. Inserip- tiones trium Galliarum et Germaniarum latinae ed. Otto Hirschfeld et Carolus Zangemeister. Pars 1. Fasc. 1. Inscriptiones Aquitaniae et Lugdunensis ed. Otto Hirsch- feld. — Vol.15. Pars 2. Fasc.1. Inscriptiones urbis Romae latinae. Instrumentum domesticum ed. Henricus Dressel. Pars 2. Fasc.1. Berolini 1899. 2. Politische Correspondenz Friedrich’s des Grofsen. Bd.25.26. Ber- lin 1599. 1900. Inscriptiones graecae insularum maris Aegaei. Fasc.2. ed. Guilel- mus R. Paton. Berolini 1899. 2. Kant’s gesammelte Schriften. Bd.10. 11 = Abth.2: Briefwechsel. Bd.1. 2. Berlin 1900. Die antiken Münzen Nord-Griechenlands unter Leitung von F. Im- hoof-Blumer hrsg. Bd.1. Dacien und Moesien bearb. von Behrendt Pick. Halbbd.1. Berlin 1899. Thesaurus linguae latinae editus auectoritate et consilio Acade- miarum quinque Germanicarum Berolinensis Gottingensis Lipsiensis Monacensis Vindobonensis. Vol.1. Fasc. 1. Lipsiae 1900. 4. Ergebnisse der Plankton- Expedition der Humboldt-Stiftung. Bd.2. G.d. Hansen, H.J. Die Cladoceren und Cirripedien. - Bd.2.H.b. Apstein,C. Die Alciopiden und Tomopteriden. Kiel und Leipzig 1599. 1900. 4. Vocabularium iurisprudentiae Romanae editum jussu Instituti Sa- vigniani. Vol.1. Fasc.3. Berolini 1599. Knod, Gustav €. Deutsche Studenten in Bologna (1289 —1562). Biographischer Index zu den Acta nationis Germanicae uni- versitatis Bononiensis. Berlin. 1599. XLVII Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten drei Jahr- hunderte. Hrsg. von der Kirchenväter-Commission. Origenes. Bd.1. 2. Hrsg.von Paul Koetschau. Leipzig 1599. (Unter- nehmen der Wentzel-Stiftung.) Altmann, Wilhelm. Die Urkunden Kaiser Sigmunds (1410—1437). Bd.2. Lief.3. Innsbruck 1900. 4. Anaritii in decem libros priores elementorum Euclidis commentari. Ex interpretatione Gherardi Cremonensis in codice Craco- viensi 569 servata ed. Maximilianus Curtze. Lipsiae 1399: Ascherson, Paul, und Graebner, Paul. Synopsis der mittel- europäischen Flora. Lief. 3—13. Leipzig 1397—1900. Bethe, Albrecht. Die Locomotion des Haifisches (Scyllium) und ihre Beziehungen zu den einzelnen Gehirntheilen und zum Labyrinth. Bonn 1899. Sep.-Abdr. Bürger, Otto. Reisen eines Naturforschers im tropischen Süd- amerika. Leipzig 1900. Denker, Alfred. Vergleichend-anatomische Untersuchungen über das Gehörorgan der Säugethiere nach Corrosionspräparaten und Knochenschnitten. Leipzig 1399. 4. Franz, Julius. Die Figur des Mondes. Königsberg in Pr. 1899. 2. Sep.-Abdr. Freudenthal, J. Die Lebensgeschichte Spinoza’s m Quellen- schriften, Urkunden und nichtamtlichen Nachrichten. Leipzig 1599. Gebhardt, Bruno. Wilhelm von Humboldt als Staatsmann. Bd.2. Stuttgart 1599. Ginzel, F.K. Spezieller Kanon der Sonnen- und Mondfinsternisse für das Ländergebiet der klassischen Altertumswissenschaften und den Zeitraum von 900 vor Chr. bis 600 nach Chr. Berlin 1S9I XLIX Hansen, Joseph. Zauberwahn, Inquisition und Hexenproze(s im Mittelalter und die Entstehung der grofsen Hexenverfolgung. München und Leipzig 1900. | Heronis Alexandrini opera quae supersunt omnia. Vol. 1. Druck- werke und Automatentheater griechisch und deutsch hrsg. von Wilhelm Schmidt. Vol. 2. Fasc. 1. Mechanik und Kat- optrik hrsg. und übers. von L. Nix und W. Schmidt. Leipzig 1899. 1900. Hesse, Richard. Untersuchungen über die Organe der Licht- empfindung bei niederen Thieren. IV. V. Leipzig 1898. 99. Sep.-Abdr. Hübner, Aemilius. Inscriptionum Hispaniae christianarum supple- mentum. Beroliniı 1900. 4. Jahn, G. Sıbawaihi’s Buch über die Grammatik übers. und er- klärt. Bd.2. Hälfte 1.2. Berlin 1900. Laehr, Heinrich. Die Literatur der Psychiatrie, Neurologie und Psychologie von 1459 bis 1799. Bd.1. 2,1.2. 3. Berlin 1900. Der Briefwechsel von Gottfried Wilhelm Leibniz mit Mathematikern. Hrsg. von C. J. Gerhardt. Bd. 1. Berlin 1899. Linck, @. Die Pegmatite des oberen Veltlin. Jena 1599. Sep.- Abdr. Monographieen afrikanischer Pflanzen-Familien und -Gattungen hrsg. von A. Engler. II. IV. Combretaceae. Bearb. von A. Engler und L. Diels. — V. Stereuliaceae afrıcanae. Bearb. von K. Schumann. Leipzig 1899. 1900. 4. Procli Diadochi in Platonis rem publicam commentari ed. Guilel- mus Kroll. Vol.1. Lipsiae 1899. Rawitz, Bernhard. Die Anatomie des Kehlkopfes und der Nase von Phocaena communis Cuv. Leipzig 1900. Sep.-Abdr. Kr Medicinisch-klimatologische Erfahrungen im Eismeer. Berlin 1900. Sep.-Abdr. L Rawitz. Bernhard. Ueber Megaptera boops Fabr., nebst Bemer- kungen zur Biologie der norwegischen Mystacoceten. Berlin 1900. Sep.-Abdr. Schulze, Franz Eilhard. Amerikanische Hexactinelliden nach dem Materiale der Albatross-Expedition. Text und Atlas. Jena 1599. 4. Schweinfurth, Georg. Aufnahmen in der östlichen Wüste von Aegypten. Ser. 1. Karte I-5. Berlin 1899. 1900. Joannes Nicolai Secundus Basia. Mit einer Auswahl aus den Vorbil- dern und Nachahmern hrsg. von GeorgEllinger. Berlin 1599. Steinhausen, Georg. Deutsche Privatbriefe des Mittelalters. Bd. 1. Berlin 1399. Voeltzkow, A. Wissenschaftliche Ergebnisse der Reisen in Mada- gaskar und Ostafrika in den Jahren 1589-95. Bd. 2. Heft 1. Frankfurt a. M. 1899. 4. Walther, Johannes. Das Gesetz der Wüstenbildung in Gegen- wart und Vorzeit. Berlin 1900. Weinstein, B. Die Erdströme im deutschen Reichstelegraphen- gebiet und ihr Zusammenhang mit den erdmagnetischen Er- scheinungen. Text und Tafeln. Braunschweig 1900. 8. und 4. Wernicke, Carl. Atlas des Gehirns. Abt.2. 20 Horizontalschnitte durch eine Grosshirnhemisphäre, hergestellt und erläutert von Paul Schröder. Text und Tafeln. Breslau 1900. quer-4. Wilcken, Ulrich. Griechische Ostraka aus Aegypten und Nubien. Ein Beitrag zur antiken Wirtschaftsgeschichte. Buch 1.2. Leipzig und Berlin 1899. von Wolff, Ferdinand. Beiträge zur Geologie und Petrographie Chile’s unter besonderer Berücksichtigung der beiden nörd- lichen Provinzen Atacama und Coquimbo. Berlin 1899. LI Veränderungen im Personalstande der Akademie im Laufe der Jahre 1899 und 1900. Es wurden gewählt: zu ordentlichen Mitgliedern der physikalisch-mathematischen Classe: Ferdinand Freiherr von Richthofen, bisher correspondirendes Mitglied, am 23. März 1399, bestätigt durch K. Cabinetsordre vom 3. Mai 1899, Hr. Wilhelm Branco am 23. November 1599, bestätigt durch K. Cabinetsordre vom 18. December 1899, » Robert Helmert am 21. December 1899, bestätigt durch K. Cabinetsordre vom 31. Januar 1900; zu ordentlichen Mitgliedern der philosophisch-historischen Ulasse: Hr. Paul Scheffer-Boichorst am 13. Julı 1899, » Ulrich von Wilamowitz-Moellen- bestätigt durch dorff, bisher eorrespondirendes Mit- | K. Cabinetsordre vom glied, | 2. August 1899; zu auswärtigen Mitgliedern der physikalisch-mathematischen Classe: Sir George Gabriel Stokes in Cambridge, bisher correspondiren- des Mitglied, am 13. April 1899, bestätigt dureh K. Cabi- netsordre vom 22. Mai 1899, Hr. Wilhelm Hittorf in Münster i.W., bisher correspondirendes Mitglied, LII Lord Kelvin in Netherhall, Largs, bisher correspondirendes Mitglied, Hr. Marcelin Berthelot ın Pa » Eduard Sue[s in Wien, » Karl Gegenbaur in Heidelberg. bisher correspondirendes Mit- glied, » Eduard Pflüger in Bonn, bisher correspondirendes Mitglied, sämmtlich am 21. December 1899, bestätigt durch K. Cabi- netsordre vom 5. März 1900; zu auswärtigen Mitgliedern der philosophisch-historischen Classe: Hr. Theodor Nöldeke in Strafsburg, bisher correspondirendes Mit- glied, » Friedrich Imhoof-Blumer in Winterthur, bisher correspon- direndes Mitglied, » Theodor von Sickel inRom, bisher nik orale: Mitglied, » Rudolf Haym in Halle a. S., » Gaston Paris in Paris, bisher correspondirendes Mitglied, » Pasquale Vilları im Florenz, » Max Müller in Oxford, bisher correspondirendes Mitglied, » Franz Bücheler in Bonn, bisher correspondirendes Mitglied, sämmtlich am 7. December 1399, bestätigt durch K. Cabi- netsordre vom 5. März 1900; zu Ehren-Mitgliedern der Gesammt- Akademie: Chlodwig Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst, Hr. Adalbert Falk n Hamm (Westfalen), » Gustav von Gossler in Danzig, Hugo Graf von und zu Lerchenfeld in Berlin, Hr. Friedrich Althoff ın Berlin, » Richard Schöne in Berlin, LIII Frau Elise Wentzel geb. Heckmann in Berlin, Hr. sämmtlich am 21. December 1899, bestätigt durch K. Cabi- netsordre vom 5. März 1900, Konrad Studt in Berlin am 15. März 1900, bestätigt durch K. Cabinetsordre vom 17. März 1900, | Andrew Dickson White in Berlin am 25. October 1900, bestätigt durch K. Cabinetsordre vom 12. December 1900; zu correspondirenden Mitgliedern der physikalisch-mathema- tischen Ulasse: '. Oskar Brefeld in Breslau am 19. Januar 1899, Ernst Pfitzer in Heidelberg am 19. Januar 1899, Eugenius Warming in Kopenhagen am 19. Januar 1899, Gottlieb Haberlandt in Graz am 8. Juni 1899, Hermann Graf zu Solms-Laubach inStrafsburg am 8. Juni 1899, Julius Wiesner ın Wien am 8. Jun: 1899, Karl Chun in Leipzig am 18. Januar 1900, Johann Wilhelm Spengel in Giefsen am 18. Januar 1900, Dmitrij Mendelejew in St. Petersburg am 8. Februar 1900, Julius Thomsen in Kopenhagen am 8. Februar 1900, Clemens Winkler in Freiberg (Sachsen) am 8. Februar 1900, Ernst Wilhelm Benecke in Stralsburg am 8. Februar 1900, Albert Gaudry in Paris am 8. Februar 1900, Friedrich Schmidt in St. Petersburg am 8. Februar 1900, Johannes Strüver in Rom am 8. Februar 1900, Alfred Gabriel Nathorst in Stockholm am 8. Februar 1900, Ludwig Radlkofer ın München am 8. Februar 1900, Melchior Treub in Buitenzorg am 8. Februar 1900, Ludwig von Graff in Graz am 8. Februar 1900, Josiah Willard Gibbs in New Haven, Conn., am 22. Fe- bruar 1900, . Gabriel Lippmann in Paris am 22. Februar 1900, Henry Augustus Rowland in Baltimore am 22. Februar 1900, Johannes Diderik van der Waals in Amsterdam am 22. Fe- bruar 1900, Max Fürbringer m Jena am 22. Februar 1900, John Burdon-Sanderson in Oxford am 22. Februar 1900, Nils Christofer Duner m Upsala am 22. Februar 1900, Paul Gordan in Erlangen am 22. Februar 1900, Franz Mertens n Wien am 22. Februar 1900, Henrik Mohn in Christianıa am 22. Februar 1900, Friedrich Schottky in Marburg am 22. Februar 1900, Woldemar Voigt in Göttingen am 8. März 1900; zu correspondirenden Mitgliedern der philosophisch - historischen Classe: .Max Heinze m Leipzig, William James im Cambridge, Mass., Wilhelm Wundt in Leipzig, Friedrich Blafs ın Halle a. S,., Ludwig Friedländer in Stralsburg, Georgios N. Hatzidakis in Athen, Frederie George Kenyon in London, Albert Hauck in Leipzig, John Pentland Mahaffy in Dublin, Heinrich Nissen in Bonn, Albert Sorel in Paris, Julius Wellhausen in Göttingen, Gustav Gröber m Stralsburg, Richard Heinzel im Wien, August Leskien m Leipzig, Adolf Mussafia in Wien, Hr. Hr. Hr. Hr. Hr. LV " Eduard Sievers in Leipzig, Leon Heuzey m Paris, Alexander Stuart Murray in London, Francis Llewellyn Griffith m Ashton under Lyne, Vietor Baron Rosen in St. Petersburg, Emile Senart in Panıs, Vilhelm Thomsen in Kopenhagen, Karl von Amira in München, Karl Theodor von Inama-Sternegg in Wien, Emile Levasseur in Paris, Frederic William Maitland in Cambridge, Richard Schroeder in Heidelberg, sämmtlich am 18. Januar 1900. Gestorben sind: das ordentliche Mitglied der physikalisch-mathematischen Classe: Karl Friedrich Rammelsberg am 283. December 1899; das ordentliche Mitglied der philosophisch -historischen Classe: Heinrich Kiepert am 21. April 1899; das auswärtige Mitglied’der physikalisch-mathematischen (lasse: Robert Bunsen in Heidelberg am 16. August 1899; das auswärtige Mitglied der philosophisch - historischen (lasse: Max Müller in Oxford am 28. October 1900; das Ehren-Mitglied der Gesammt- Akademie: Adalbert Falk in Hamm (Westfalen) am 7. Juli 1900; LVI die correspondirenden Mitglieder der physikalisch - mathema- tischen Classe: Franz von Hauer m Wien am 20. März 1899, Gustav Wiedemann in Leipzige am 24. März 1399, pzı3 - Edward Frankland in Reigate, Surrey am 9. August 1899, . Eugenio Beltrami in Rom am 18. Februar 1900, Elwin Bruno Christoffel in Strafsburg am 15. März 1900, Willy Kühne in Heidelberg am 11. Juni 1900; die correspondirenden Mitglieder der philosophisch - historischen Classe: . Ferdinand Wüstenfeld m Hannover am 8. Februar 1899, Karl Immanuel Gerhardt m Halle a.S. am 5. Maı 1899, Stephanos Kumanudes in Athen am 31. Mai 1399, Wilhelm Pertsch in Gotha am 17. August 1899. Felix Ravaısson m Parıs am 18. Maı 1900. Hr. Verzeichnils der LVII Mitglieder der Akademie der Wissenschaften. Am Schlusse des Jahres 1900. Auwers Vahlen Diels . Waldeyer . I. Beständige Secretare. Gewählt von der phys.-math. Classe phil. phil. -hist. - -hist. - phys.-math. - Il. Ordentliche Mitglieder der physikalisch-mathematischen Olasse — Hr. Arthur Auwers . Rudolf Virchow . Simon Schwendener Hermann Munk Hans Landolt . Wilhelm Waldeyer der philosophisch -historischen Classe Albrecht Weber . Hr. Theodor Mommsen . Adolf Kirchhoff - Johannes Vahlen . Eberhard Schrader . Alexander Conze Adolf Tobler . Hermann Diels . — Datum der Königl. Bestätigung 1878 April 10. 1893 April 5. 1895 Nov. 27. 1896 Jan. 20. Datum der Königlichen Bestätigung I [{--. 1857 Aug. 24. 1858 April 27. 1860 März 7. 1866 Aug. 18. 1873 Dec. 22. 1874 Dec. 16. 1875 Juni 14. 1877 April 23. 1879 Juli 13. 1880 März 10. 1881 Aug. 15. 1881 Aug. 15. 1881 Aug. 15. 1884 Febr. 18. h LVII der physikalisch-mathematischen Classe Hr. Lazarus Fuchs . Franz Erhard Schulze Wilhelm von Bezold Karl Klein. . Karl Möbius Adolf Engler Hermann Karl Vogel . Ke— —_— Hermann Amandus Schwarz Georg Frobemus Emal Fischer Oskar Hertwig . Max Planck . Friedrich Kohlrausch, . Emil Warburg . Jakob Heinrich van’t I Ioff Theodor Wilhelm Engelmann Fürdinand Frhr. von Richthofen . Er: Wilhelm Branco Robert Helmert . der philosophisch-historischen Qlasse Ze —— Hr. Alfred Pernice Heinrich Brunner Johannes Schmidt Otto Hirschfeld . Eduard Sachau . Gustav Schmoller Wilhelm Dilthey . Ernst Dümmler . Ulrich Köhler Karl Weinhold Adolf Harnack . Karl Stumpf. Erich Schmidt Adolf Erman Remhold Koser . Max Lenz Remhard Kekule von Stradonitz Paul Scheffer- Boichorst Ulrich von Wilamowitz- Moellendorff . Datum der Königlichen Bestätigung April 9. 1884 1884 1554 1884 1884 1885 1886 1887 1887 1887 1887 1888 1888 1888 1889 1890 1890 1892 1892 1893 1893 1893 1894 1895 1895 1895 1895 1895 1896 1896 1896 1898 1898 1899 1899 1899 1899 1900 April 9 April 9. April Juni März April Jan. Jan. Jan. Apnil 3 21. 9 5. 24. 24. 24. 6. April 30. Dee. Dee. Juli Jan. Febr. 19. 19). 25. 29. 10. März 30. Dee. Jan. Febr. 19). 14. 6. April 17. Juni Febr. Febr. Febr. Aug. Aug. Febr. Juli Dee. Febr. Juni Mai Aus. Aug. Dee. Jan. IM, 18. 18. 18. 13. II. Auswärtige Mitglieder der physikalisch-mathematischen Classe der philosophisch -historischen Classe ——— tet! Hr. Charles Hermite in Paris in ER EN EEE 3 Hr. Otto von Böhtlingk in Leipzig - Albert von Koelliker in Würz- burg . 22 VO EN ER ge Gang } - Eduard Zeller in Stuttgart - Max von Pettenkofer in München Sir George Gabriel Stokes in Cambridge Ir. Theodor Nöldeke in Stralsburg Friedrich Imhoof-Blumer in Winterthur . : - Theodor von Sickel in Rom . - Rudolf Haym in Halle a. S. - (Gaston Paris in Paris - Pasquale Villari in Florenz . - Franz Bücheler in Bonn. Hr. Wilhelm Hittorf in Münster i.W. Lord Kelvin in Netherhall, Largs Hr. Marcelin Berthelot in Paris - Eduard Suess in Wien . - Karl Gegenbaur in Heidelberg - Eduard Pflüger in Bonn IV. Ehren-Mitglieder. Earl of Crawford and Balcarres in Dunecht, Aberdeen Hr. Max Lehmann in Göttingen . - Ludwig Boltzınann in Leipzig ; Se. Majestät Oskar II., König von Schw ER ont or egen . a Fürst zu Hohenlohe - Schillingsfürst . Gustav von Gossler in Danzig i es Graf von und zu Lerchenfeld in Berlin ! Hr. Friedrich Althoff in Berlin A: - Richard Schöne in Berlin . en Elise Wentzel geb. Heckmann in Be N r. Konrad Studt in Berlin j - Andrew Dieckson White in Berlin . LIX Datum der Königlichen Bestätigung er 18854 Jan. 2 1885 Nov. 30. 1892 März 16. 1895 Jan. 14. 1898 April 4. 1899 Mai 22. 1900 März 5. Datum der Königlichen Bestätigung (ut en 1883 Juli 30. 1887 Jan. 24. 1888 Juni 29. 1897 Sept. 14. 1900 März 5. 1900 März 17. 1900 Dee. 12. LX u {ar V. Correspondirende Mitglieder. Physikalisch- mathematische Olasse. » Ernst Abbe in Jena Alexander Agassiz in abriden . Mass, Adolf von Baeyer in München Friedrich Beilstein ın St. Petersburg Ernst Wilhelm Benecke in Stralsburg Eduard van Beneden ın Lüttich . Oskar Brefeld in Breslau Otto Bütschli in Heidelberg " John Burdon- Sanderson in Oxford », Stanislao Cannizzaro in Rom Karl Chun ın Leipzig Alfonso Cossa in Turin . Lwigi Cremona in Rom . Gaston Darboux in Paris f Richard Dedekind ın Bestim schwäe ? Nils Christofer Duner in Upsala . Ernst Ehlers in Göttingen . Adolf Fick in Würzburg ‚Rudolf Pittig in Stralsburg Walter Flemming in Kiel Max Fürbringer m Jena Albert Gaudry ın Paris. Archibald Geikie ın London . Josiah Willard Gibbs nm New a nn: 3 Woleott Gibbs in Newport, R. I. David Gill, Königl. Sternwarte am Cap des Ka Holmes . Paul Gordan in anne £ Ludwig von Graf in Graz . Gottheb Haberlandt in Graz Julius Hann in Wien Victor Hensen in Kıel Richard Hertwig m München . Wilhelm Flis ın Leipzig. i \ ‚Joseph .Dalton Hooker in unminedale ? William Huggins in London . Leo Koenigsberger in Heidelberg . Datum der Wahl 1896 1895 1884 1888 1900 1887 1899 1897 1900 1888 1900 1895 1886 1897 1880 1900 1897 1898 1896 1893 1900 1900 1889 1900 1885 1890 1900 1900 1899 1889 1898 1898 1893 1854 1895 1893 Oct. Juli Jan. Dee. Febr. Nov. Jan. März Febr. 2: Dee. Jan. Juni Juli Febr. März Febr. Jan. Febr. : Oct. Juni Febr. 2 Febr. Febr. Febr. Jan. Juni Febr. : Febr. Juni Febr. Febr. : April 2 Juni Juni Dee. Mai 29. 18. 17. J N J . Karl von Kupffer in München Michel Levy in Paris Franz von Leydig in En aburs 0. ea T. Gustaf Lindström in Stockholm Gabriel Lippmann in Paris. Rudolf Lipschitz in Bonn Moritz Loewy in Paris . Hubert Ludwig in Bonn Eleuthöre Mascart in Panıs . Dmitri) Mendelejew in St. Pete hie Franz Mertens in Wien. Henrik Mohn in Christiania s Alfred Gabriel Nathorst in Stoc holt 3 Karl Neumann in Leipzig . Georg Neumayer in Hamburg . Simon Newcomb in Washington . Max Noether in Erlangen . Wilhelm Pfeffer in Leipzig . Ernst Pfitzer in Heidelberg Emile Picard in Paris Henri Poincare in Paris. : Georg Quincke in Heidelberg . Ludwig Radlkofer in München William Ramsay in London rd Rayleigh in Witham, Essex . Hr. Hermann Graf zu Solms- Laubach in Shui . Johann Wilhelm Spengel in Gielsen . Friedrich von Recklinghausen in ar Gustaf Retzius in Stockholm . Wilhelm Konrad Röntgen in München Heinrich Rosenbusch in Heidelberg Henry Augustus Rowland in Baltimore . George Salmon in Dublin y Georg Ossian Sars in Christiania i Giovanni Virginio Schiaparelli in Mailand . Friedrich Schmidt in St. Petersburg . Friedrich Schottky in Marburg Eduard Strasburger in Bonn ‚Johannes Strüver in Rom Otto von Strwwe in Karlsruhe . Julius Thomsen in Kopenhagen LXI Datum der Wahl V—. 1896 April 30. 1898 Juli 28. 1887 Jan. 20. 1898 Juli 28. 1900 Febr. 22. 1872 April 18. 1895 Dee. 12. 1898 Juli 14. 1895 Juli 18. 1900 Febr. 8. 1900 Febr. 22. 1900 Febr. 22. 1900 Febr. 8. 1893 Mai 4. 1896 Febr. 27. 1883 Juni 7. 1896 Jan. 30. 1889 Dee. 19. 1899 Jan. 19. 1898 Febr. 24. 1896 Jan. 30. 1879 März 13. 1900 Febr. 8. 1896 Oct. 29. 1896 Oct. 29. 1885 Febr. 26. 1893 Juni 1. 1896 März 12. 1887 Oct. 20. 1900 Febr. 2% 1873 Juni 1 1898 Febr. 24. 1879 Oct. 23. 1900 Febr. 8. 1900 Febr. 22. 1899 Juni 8. 1900 Jan. 18. 1889 Dee. 19. 1900 Febr. 8. 1868 April 2. 1900 Febr. 8. LXII Datum der Wahl m Hr. August Toepler in Dresden. . . ......e we. 20.2 501879: März 13. =£ Melchior Dreub in Buitenzorg .... .............. un. si 1900%Rebr. 8: A ustavalkehermak maVWNen a wa. 188 eMarz 3: SU NAlhamolBlinnen in“ Bidunburere Sr u Er EN Se: 1898 März 10. Hr. ‚Woldemar Voigt in Göttingen . . . : 2... 0.2. 00..0005011900° März 8. - Karl von Voit in München. . . . = as. 1. el ISMBENLEN2AL - Johannes Diderik van der Waals ın lan ne ae INNERE 22: - Eugenius Warming in Kopenhagen . . . .......0.2.....1899 Jan. 19. -| Heinrich Weber in Strafsburg . ... . . 2... 20% ..0.20751896 Jan. 30. - August |Weismann in Freiburg i.B.. .. 0... 020201897 März 11. Pe linısilVaesneninNNGen ee In , - Hemrich Wild ın Zürich . . 14, SS Pam 10: - Alexander William Wihamson in Eieh Pitfold, Eiaslbınerd No, len - Clemens Winkler in Freiberg (Sachsen) . . . 2..2.......1900 Febr. 8. - Johannes Wislicenus in Läipzig . . - . . „.02.0.0%1896 Oct.‘ 29. = Adel Wällnersin, Aachen‘ .,........ .: Walganles I. ar. Sn0sl889 MMBEzE TE = Keroimand Zrkeln bapze 2 n2 wu: Een leer Ole; 20, - Karl Alfred von Züttel mn München. . . . . .2...2..2...1895 Jumi 13. Philosophisch-historische Classe. Hr. Welhelm" Ahhvardt n Greifswald . . 2. 2 20. mn. 22 501888 Hebr. 2. = YKanlı won» Amirza ın München. 2. Beer INTER: = "@raziadıo Isa Ascoh in Mailand 2.2 8 Manz: - Theodor Aufrecht m Bonn. . . ie a ERENE. 1, eemil86Aknkenrgii: - Ernst Immanuel Bekker in Hödelbere re ne, ELIA 5 100, Benmdorp nm Wien... .)... een. ame. 818937 NoyzrS0! r NHkiedrıch&Blassıın Halle a. Ss. vu. 2.2. land Me ION! = nom WBymater m Oxford. ....)... Breslau an, MeunlsstNeomzelez - Antonio Maria Ceriani in Mailand . . 2.2 20.020.2..20,01869 Nov. 4. - Karl Adolf von Cornelius in München . . 2..°...2..2.....1897 .Oet. 28. - Edward Byles Cowell in Cambridge. . . . ..2..2..202..2...1893 April 20. = DeopoldmMehslesin Bazısan, ıv u: u. Melprlarii u 08. nL867, KArpel, Tale - Heinrich Denifle m Rom . . DRS a Alengpbrönn ‚ser 8904 Dec IR8 - Wilhelm Dittenberger n Halle a.8. . . 2.2.2.2... 1882 Juni 15. - Louis Duchesne in Rom. . . Se DER RNERSTLSIFNNTUTTE 208 - Bernhard Erdmannsdörfer in Heidellere 2. Re 21897 Bro - ‚Julius Ficker Ritter von Feldhaus ın et 0. Ur 920 5 Kumoy Rischer ınsikleidelberer 2 2 222 Sr ae serant 29 - Paul Foucart in Paris . . N NE EAST A ze - Ludwig Friedländer in Satin RE A I ron: 188 = liheodonNGomperzun Wien. nn ar BE ER893rB ee Lg: \ a) S Hr. Francis Llewellyn Griffith in Ashton under Lyne . Gustav Gröber in Stralsburg . Wilhelm von Hartel in Wien Georgios N. Hatzidakis in Athen Albert Hauck in Leipzig Karl von Hegel in Erlangen N ‚Johan Ludvig Heiberg in open , Max Heinze in Leipzig . Richard Heinzel in Wien ‘ Antoine Heron de Villefosse in Paris . Leon Heuzey in Paris Hermann von Holst in Chicago Theophile Homolle in Athen Vatroslav Jagie in Wien . 3 William James in Cambridge, Mass. Karl Theodor von Inama- Sternegg in Wien Ferdinand Justi in Marburg Karl Justi in Bonn Panagiotis Kabbadias in ie Georg Kaibel in Göttingen . f Frederic George Kenyon in London . Franz Kielhorn in Göttingen . Georg Friedrich Knapp in ealkbure Sigismund Wilhelm Kölle in London Basil Latyschew in St. Petersburg August Leskien in Leipzig . Emile Levasseur in Paris Giacomo Lumbroso in Rom. . . ‚John Pentland Mahaffy in Dublin Frederic William Maitland ın oe Gaston Maspero in Paris Konrad von Maurer in München . Adolf Michaelis in Strafsburg . Alexander Stuart Murray in London Adolf Mussafia in Wien Heinrich Nissen in Bonn Julius Oppert in Paris Georges Perrot in Paris . Wilhelm Radloff in St. Petersburg Victor Baron Rosen in St. Petersburg . Richard Schroeder in Heidelberg . LXIIN Datum der Wahl 1900 Jan. 18, 1900 Jan. 18. 1893 Oct. 19. 1900 Jan. 18. 1900 Jan. 18. 1876 April 6. 1896 März 12. 1900 Jan. 18. 1900 Jan. 18. 1893 Febr. 2. 1900 Jan. 18. 1889 Juli 25. 1887 Nov. 17. 1880 Dee. 16. 1900 Jan. 18. 1900 Jan. 18. 1898 Juli 14. 1893 Nov. 30. 1887 Nov. 17. i891 Juni 4. 1900 Jan. 18. 1880 Dec. 16. 1893 Dee. 14. 1855 Mai 10. 1891 Juni 4. 1900 Jan. 18. 1900 Jan. 18. 1874 Nov. 12. 1900 Jan. 18. 1900 Jan. 18. 1897 Juli 15. 1889 Juli 25. 1888 Juni 21. 1900 Jan. 18. 1900 Jan. 18. 1900 Jan. 18. 1862 März 13. 1884 Juli 17, 1895 Jan. 10. 1900 Jan. 18. 1900 Jan. 18. LXIV '. Emil Schürer ın Göttingen Emile Senart ın Paris Eduard Sievers in Leipzig . Ä Christoph von Sigwart in Tübingen . Albert Sorel in Paris IE Friedrich von Spiegel in München Wilham Stubbs in Oxford Edward Maunde Thompson in London . . Vilhelm Thomsen in Kopenhagen Hermann Usener ın Bonn Girolamo Viteli in Florenz . Kurt Wachsmuth, in Leipzig Heinrich Weil ın Paris Julius Wellhausen in Göttingen Ludvig Wimmer ın Kopenhagen . Wilhelm Wundt iu Leipzig . 5 Karl Zangemeister in Heidelberg . Datum der Wahl m — 1893 Juli 1900 Jan. 1900 Jan. 1885 Jan. 1900 Jan. 1862 März 1882 März 1895 Mai 1900 Jan. 1891 Juni 1897 Juli 1891 Juni 1896 März 1900 Jan. 1891 Juni 1900 Jan. 1887 Febr. 20. 18. 18. 29. 18. 13. 30. 2. 18. 4. 15. 4. 12. 18. 4. 18. 10. LXV Wohnungen der ordentlichen Mitglieder. '. Auwers, Prof., Geh. Ober-Regierungs-Rath, Lindenstr. 91. SW. von Bezold, Prof., Geh. Ober-Regierungs-Rath, Lützowstr. 72. W. Branco, Prof., Geh. Bergrath, Passauerstr. 5. W. Brunner, Prof., Geh. Justiz-Rath, Lutherstr. 36. W. Conze, Professor, Villen-Colonie Grunewald, Wangenheimstr. 17. Diels, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Magdeburgerstr. 20. W. Dilthey, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Burggrafenstr. 4. W. Dümmler, Prof., Geh. Ober-Regierungs-Rath, Kaiserin Augusta- Str. 75/76. W. Engelmann, Prof., Geh. Medieinal-Rath, Neue Wilhelmstr. 15. NW. Engler, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Motzstr. 89. W. Erman, Professor, Steglitz, Friedrichstr. 10/11. Fischer, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Hessische Strafse 1-3. N. Frobenius, Professor, Charlottenburg, Leibnizstr. 70. Fuchs, Professor, Geh. Regierungs-Rath, Rankestr. 14. W. Harnack , Professor, Fasanenstr. 43. W. Helmert, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Potsdam, Geodätisches Institut. Hertwig, Professor, Geh. Medicinal-Rath, Villen-Colonie Grunewald, Wangenheimstr. 28. Hirschfeld, Professor, Charlottenburg, Carmerstr. 3. van’t Hof, Professor, Charlottenburg, Uhlandstr. 2. Kekule von Stradonitz, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Landgrafen- Ber ty.W. j Kirchhoff, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Matthaeikirchstr. 23. W. Klein, Prof., Geh. Bergrath, Am Karlsbad 2. W. Köhler, Professor, Königin Augusta-Str. 42. W. Kohlrausch, Professor, Charlottenburg, Marchstr. 25», Koser, Prof., Geh. Ober-Regierungs-Rath, Charlottenburg, Harden- bergstr. 20. Landolt, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Albrechtstr. 14. NW. Lenz, Professor, Augsburgerstr. 52. W. Möbius, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Sigismundstr. 8. W. i LXVI Hr. Dr. Mommsen, Professor, Charlottenburg, Marchstr. 8. Munk, Professor, Geh. Regierungs-Rath, Matthaeikirchstr. 4. W. Pernice, Prof., Geh. Justiz-Rath, Genthinerstr. 13”. W. Planck, Professor, Achenbachstr. 1. W. Freiherr von Richthofen, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Kurfürsten- ste, Ale NV. Sachau, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Wormserstr. 12. W. Scheffer- Boichorst, Professor, Nürnbergerstr. 71. W. Erich Schmidt, Professor, Derfflingerstr. 21. W. Joh. Schmidt, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Lützow-Ufer 24. W. Schmoller, Professor, Wormserstr. 13. W. Schrader, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Kronprinzen-Ufer 20. NW. Schulze, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Invalidenstr. 43. N. Schwarz, Professor, Villen-Colonie Grunewald, Humboldtstr. 33. Schwendener, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Matthaeikirchstr. 28. W. Stumpf, Professor, Nürnbergerstr. 14/15. W. Tobler, Professor, Kurfürstendamm 25. W. Vahlen, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Genthinerstr. 22. W. Virchow, Prof., Geh. Mediecinal-Rath, Schellingstr. 10. W. Vogel, Prof., Geh. Ober-Regierungs-Rath, Potsdam, Astrophysikali- sches Observatorium. Waldeyer, Prof., Geh. Medicinal-Rath, Lutherstr. 35. W. Warburg, Professor, Neue Wilhelmstr. 16. NW. Weber, Professor, Ritterstr. 56. SW. Weinhold, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Hohenzollernstr. 15. W. von Wilamowitz- Moellendorff, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Westend, Eichen-Allee 12. PHYSIKALISCHE ABHANDLUNGEN DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. AUS DEN JAHREN 1899 unn 1900. MIT 11 TAFELN. BERLIN 1900. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. GEDRUCKT IN DER REICHSDRUCKEREI. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. Na ler “ Perla Kern Dat Br ’ | in D y a j an 2 “ * 4 P j e n e F Rei y az a, PR le PR SH , ME) Be sn Z n Inhalt. xactinelliden des Indischen Oceanes. III. Theil. (Mit ee en I re El ae Abe) EB AR: 4 Die Kolon-Nischen, die Arteriae eolicae und die Arterien- ler der Bauchhöhle, nebst Bemerkungen zur Topographie des denum und Pankreas. (Mit 4 Tafeln). . » . ....... Abh. Il. S. 1-64. E ’ ’ P hr Bere a HE Pen ah 3 th N 7114 3 4 Fi aan ra PR ey Ya. notoht sic ar ala FiRNS BE a RAS, ehe itdinltänsl ob ae Anl e 1 a ei Ana Ki Maar ERAHNEN rs a braun Antmhia a DE a N A EN Er et 2% ET RE er ha | 2 exactinelliden des Indischen Oceanes. If. Theil, Von H” FRANZ EILHARD SCHULZE. | 1900. 1. . . en; A OR Gelesen in der Sitzung der phys.-math. Classe am 15. Februar 1900 [Sitzungsberichte St. VIIL S. 101]. Zum Druck eingereicht am gleichen Tage, ausgegeben am 10. Mai 1900. In den Jahren 1894 und 1895 berichtete ich in den Abhandlungen der Akademie über einige indische Hexactinelliden, welehe während der Jahre 1885-1895 von den Investigator-Expeditionen der Marine Survey of India erbeutet und mir zur Bearbeitung anvertraut waren. Jetzt lege ich der Akademie die Bearbeitung einer neuen Hexactinelliden -Colleetion vor, welche mit demselben Schiffe während der Jahre 1895-1898 in den indischen Ge- wässern erhalten wurde. Für die Überlassung dieses aus etwa 40 Stücken bestehenden werthvollen Materiales zur wissenschaftlichen Untersuchung bin ich dem Director des Indian Museum in Caleutta, Hrn Dr. A. Aleock, zu grofsem Danke verpflichtet. Im Ganzen fand ich darin 13 verschiedene Species, von welchen 7 bis- her noch nicht bekannt waren und daher hier ausführlich beschrieben und charakterisirt werden sollen, während die übrigen 6 Arten zwar schon in der ersten Sendung vertreten und in meinen beiden früheren Mittheilungen eingehend berücksichtigt waren, daher auch jetzt nur eine kurze Behand- lung erfahren sollen, aber doch noch einiges Neue bieten werden. Von den 9 Gattungen, zu welchen die 13 Species gehören, sind 2 neu. Zur Grün- dung einer neuen Familie fand sich keine Veranlassung. Wie bei den früheren Expeditionen des Investigator, hat sich auch diesmal die Gegend der Andamanen als besonders reich an Hexactinelliden erwiesen. Von den ı2 Stationen, welche jetzt überhaupt derartige Tiefsee- spongien geliefert haben, gehören 7 zur nächsten Umgebung der Andamanen, eine befindet sich in der Bai von Martaban, 3 in der Nähe des Cap Comorin und eine mitten in der Bai von Bengalen. 1? 4 F.E. Scauurze: Indem ich eine übersichtliche Zusammenstellung der Untersuchungs-Er- gebnisse bis an das Ende der Arbeit verschiebe, gebe ich zunächst die specielle Beschreibung der einzelnen Arten. Pheronema raphanus F. E. Sch. 1894. Pheronema raphanus F.E. Sch., in den Abhandl. d. K. Preufs. Akad. d. Wiss. 1894. S.8-ı3 und Tafel 1. 1894. Pheronema eircumpalatum F. E. Sch., ebenda S.13—17 und Tafel Il. Im Jahre 1894 hatte ich nach einem bei den Andamanen in 436 bis 531” Tiefe gefundenen, ziemlich stark laedirten Schwamm von Taubenei- Junges Exemplar von Pheronema raphanus F. E. Sch. in natürlicher Gröfse, trocken. gröfse die Species Pheronema circumpalatum aufgestellt. Da ich jetzt mehrere, ebenfalls von den Andamanen stammende, aber bedeutend besser erhaltene Exemplare gleicher Art untersuchen konnte, vermag ich nicht nur meine im Jahre 1894 gegebene Beschreibung etwas zu erweitern, son- dern vor Allem auch nachzuweisen, dafs jenes damals als Repraesentant einer besonderen Species angesehene Stück ebenso wie die mir jetzt vor- liegenden, ihm gleichenden Exemplare sämmtlich Jugendformen der von mir schon im Jahre 1894 beschriebenen und ebenfalls aus dem Indischen Oceane stammenden Species Pheronema raphanus F. E. Sch. darstellen. Wie aus einer Vergleichung der obigen beiden nach Photographien angefertigten Abbildungen a und b mit der in meiner ersten Abhand- Hexactinelliden des Indischen Oceanes. 5 lung über indische Hexactinelliden in Fig. ı auf Tafel II gegebenen Abbil- dung hervorgeht, ist in der letzteren der Schwammkörper in Folge un- genügender Erhaltung nicht in der natürlichen Form, sondern zu schlank dargestellt. Auch tritt dort der Umstand nicht genügend deutlich hervor, dafs die obere Randpartie des Körpers ganz ebenso wie bei den grofsen Exemplaren von Pheronema raphanus F. E. Sch. mit einer ziemlich brei- ten, diehten und nahezu glatten Seitenrandzone versehen ist, unterhalb welcher erst das poröse Hautnetz auftritt, mit dem hier wie dort die mittlere und untere Partie der Seitenfläche gedeckt erscheint. Die fast die Länge des Körpers erreichenden Marginalia welche aus der deutlich hervortretenden oberen Randkante emporstehen, bilden nicht, wie dies an dem früher allein bekannten, ungenügend erhaltenen Stücke schien, eine zusammenhängende Reihe, sondern sind ebenso wie bei den grofsen Phero- nema raphanus F. E. Sch.-Exemplaren auf 5 (ausnahmsweise auch 6) Nadel- gruppen vertheilt, zwischen welchen breite Lücken frei bleiben. Höchstens lassen sich bei Lupenbetrachtung auch an den gewöhnlich etwas eingebogenen Randsaumnadel-Interstitien einige ganz zarte und kurze Marginalnadeln nachweisen. Ferner hebe ich noch besonders hervor, dafs bei allen besser erhaltenen Exemplaren zahlreiche zerstreut stehende, ebenfalls spitz aus- laufende Prostalia lateralia aus der ausgebauchten Partie der seitlichen Körper- fläche ringsum in radiärer Richtung quer vorragen und nicht selten an Länge den marginalen Pallisadennadeln gleichkommen. Von diesen Jugendformen liegen mir jetzt im Ganzen 9 mehr oder minder wohl erhaltene vollständige Exemplare verschiedener Gröfse nebst einigen Bruchstücken vor. Das oben in den zwei Ansichten a und b ab- gebildete Stück gehört zu den kleineren. Einige der Bruchstücke rühren von einem apfelgrofsen Exemplare her. Das kleinste Stück der ganzen Serie hat einen kegelförmigen Körper von 8"" Länge und 5" gröfster oberer Breite. Von der gleichmäfsig kreisförmigen Randkante seiner schwach vertieften, mit quadratischem Gitternetze gedeckten, oberen Endfläche stehen in ungefähr gleichen Abständen 5 lineäre Gruppen von je 3-5 spitz auslaufenden Margi- nalia etwa 5”" weit empor. Aus der Seitenfläche starren einzelne unregel- mälsig zerstreute Prostalia lateralia gleichen Charakters radiär heraus, und aus der stumpfen Basalspitze ragt ein Büschel von eirca 20”" langen Basalia hervor. Bei den nächstgröfseren Stücken von eirea 15" Körperlänge hat die Breite etwas unterhalb der oberen Marginalkante so zugenommen, dafs 6 FE. E. Scuuuze: sie der Körperlänge gleichkommt. Dieses Verhältnifs bleibt bei wachsender Gröfse der Exemplare entweder ziemlich unverändert, oder es kann die Breite sogar die Länge des gestaucht-rübenförmigen Körpers noch etwas über- treffen, wie das ja auch bei den völlig ausgewachsenen Exemplaren von Pheronema raphanus gewöhnlich der Fall ist. Dabei wird das ursprünglich zugespitzte basale Ende allmählich stumpfer und rundet sich immer mehr mm "9 dieken oxydiactinen Marginalia sind überall durch breite, mit der Gröfsen- zunahme des Körpers allmählich an Ausdehnung wachsende Lücken ge- trennt, welchen fast stets eine geringe Concavität der Randkante ent- spricht. An diesen kommen dann entweder gar keine oder nur ganz kurze und zarte Marginalia vor. Merkwürdig ist es, dafs die Länge und Stärke der in Gruppen stehenden kräftigen Marginalia bis zu einer gewissen Körpergröfse der Schwämme zunimmt, so dals sie bei walnulsgrofsen Stücken bis zu 4°” und darüber hervorragen, dann aber weder an Länge noch an Dicke wachsen, ja bei ausgewachsenen, überfaustgrofsen Stücken sogar meist kürzer und schwächer erscheinen. Ähnlich verhält es sich mit den Prostalia lateralia. Dagegen nelımen die den Wurzelschopf bildenden Basalia während des Wachsthumes des Schwammes nicht nur an Länge und Dicke sondern auch an Zahl gleichmäfsig zu, wobei auch die Menge der einzelnen gesonderten Bündel, in welchen dieselben zu je 10-20 gruppirt sind, stetig wächst. Die Zunahme der Nadeln an Dicke und Länge während der Wachs- thumsperiode findet sich auch bei den übrigen Maeroseleren, besonders den oxypentactinen Hypodermalia sowie bei den Uneinaten, während die mieroscleren Nadeln, nämlich die wenigen parenchymalen Microoxyhexactine, die verschiedenen Pinule und die Amphidiske weder eine individuelle Gröfsenzunahme während des Wachsthumes erfahren, noch bei den älteren Schwämmen principiell gröfser angelegt werden, als bei den jungen. Freilich variirt die absolute Gröfse der Macramphidiske sowohl bei den Jungen wie bei den alten Exemplaren recht erheblich; doch zeigt die Anlage jedes einzelnen Amphidiskes, welche bekanntlich in einem dünnen Axen- stabe mit beiderseitiger Endverbreiterung besteht, immer schon die definitive Länge der fertigen Nadel; welche letztere dann nur noch durch die An- lagerung neuer Kieselmasse ihre Verstärkung und die Ausbildung der Endglocken mit den Zinken erfährt. Die Gestalt der zweizähnigen Anker ab. Die 5 (selten 6) lineären Gruppen von 30-50”” langen und bis © Hexactinelliden des Indischen Oceanes. 7 ist, abgesehen von geringen Differenzen in der Biegung der Ankerzähne, überall gleich. Jene vierzähnige Ankerform, welche ich früher bei dem Ph. eircumpalatum benannten Stücke (freilich auch nur einmal) fand, konnte ich jetzt weder bei den zur Untersuchung verwandten jüngeren noch bei den ausgewachsenen grofsen Stücken nachweisen; doch hat dies wahr- scheinlich seinen Grund in der grofsen Seltenheit jener Ankerform bei unserer Species. Zur Ergänzung meiner früheren Angaben über die Nadeln der aus- gewachsenen Stücke von Pheronema raphanus F.E.Sch. will ich noch hervor- heben, dafs bei denselben nicht alle Dermalpinule oben so breit abgerundet enden, wie dies in den Figuren 5-7 der Tafel II meiner ersten Mittheilung im Jahre 1894 dargestellt ist. Vielmehr laufen sie nicht selten am Öber- ende in einen mehr oder weniger schlanken, sehr leicht abbrechenden Stachel aus. Diese schmächtigere Pinulform mit schlankem Endstachel ist bei den jüngeren Exemplaren die häufigere und bei den kleinsten Stücken sogar die Regel. Im Übrigen lassen sich keine wesentlichen Unterschiede zwischen den entsprechenden Microskleren der kleinen und grofsen Stücke wahrnehmen. Die Zusammenstellung aller bisher bekannt gewordenen Fundorte von Pheronema raphamıs F.E.Sch. ergiebt, dafs sie sämmtlich bei den Andamanen erbeutet wurden, und zwar die beiden von mir im Jahre 1894 zuerst be- schriebenen Stücke in 316" bez. 530” Tiefe — 12°37'N, 92°ıg'’E —, das Anfangs von mir als Ph. circumpalatum bezeichnete junge, taubeneigrofse Exemplar in 436-531" Tiefe, ferner die jetzt untersuchten 8 jungen Schwämme von Haselnufs- bis Wallnufsgröfse nebst einigen völlig ausmazerirten Frag- menten eines etwa faustgrofsen Exemplares in 741" Tiefe unter 13°27'N, 93°14'30"E, sowie endlich das erbsengrofse kleinste Exemplar nebst einigen Bruchstücken eines apfelgrofsen, also halberwachsenen Individuums vor der Westküste der Andamanen in 436-531" Tiefe.' ! Ich benutze hier die Gelegenheit, um darauf aufmerksam zu machen, dafs in mei- nen beiden früheren Mittheilungen über die auf den Investigator-Expeditionen erbeuteten Hexactinelliden in einigen Fällen die den Objekten beigegebenen Nummern auf die Stationen des Schiffes bezogen sind, während sie sich auf die Katalognummern des Museums beziehen sollen. Glücklicherweise ist dieser Irrthum nicht von Bedeutung, weil überall der Fundort aufserdem (gewöhnlich durch die Bezeichnung der geographischen Länge und Breite) deutlich angegeben ist. 8 F.E. Scuvurze: Hyalonema masoni F.E.Sch. 1894. Hexactinellideu des indischen Oceanes in den Abhandl. d. K. Preuls. Akad. d. Wiss. 1894. S. 31-37 und Tafel VI. Von der Species Hyalonema masoni, welche ich in meiner ersten Mit- theilung über indische Hexactinelliden (in den Abhandl. d. K. Preufs. Akad. d. Wiss. 1894, S. 31-34) charakterisirt und beschrieben habe, findet sich ein von den Andamanen stammendes, zu einer nur 5”" dicken rundlichen Platte von etwa 6° Breite zusammengedrücktes Bruchstück. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um einen Theil der verhältnifsmäfsig dünnen margi- nalen Trichterplatte, welche bei dieser Species weit über die konische untere Körperhälfte emporragt. Es mag genügen, darauf hinzuweisen, dafs die Spicula dieses Schwamm- stückes in Form, Gröfse und Anordnung so völlig übereinstimmen mit denjenigen des früher von mir beschriebenen, gut und vollständig er- haltenen Originalexemplares, dafs an der Speciesübereinstimmung nicht ge- zweifelt werden kann. Doch will ich hier die Gelegenheit benutzen, darauf hinzuweisen, dafs bei den Macramphidisken die in der ersten Beschreibung angegebenen Höcker des eylindrischen Axenstabes auch fehlen können, so dafs der letztere gar nicht selten völlig glatt erscheint, und dafs die der- malen und gastralen Pinule sowohl bei diesem Stücke als auch bei dem Originalexemplare oft weniger zugespitzt enden, als diesin den Figuren 2 und 3 der meiner ersten Beschreibung beigegebenen Tafel VI dargestellt ist. Zwar ist der in dem knospenförmigen Endtheile stets vorhandene Centralconus nicht gerade sehr dick, fehlt jedoch kaum irgendwo ganz. Weniger deutlich tritt der Centralconus an dem schlankeren Distalende der Marginalia auf. Die hier sowohl wie bei dem Originalexemplare an der Innenfläche der gröfseren Kanäle überall reichlich vorhandenen kanalaren Pentactinpinule gleichen zwar im Übrigen den Dermal- und Gastralpinulen, haben aber viel spärlichere, nach oben zu an Länge abnehmende Seitenstacheln und sind am Distalende stets in eine schlanke Spitze ausgezogen. “ Als Fundort dieses Bruchstückes von Hyalonema masoni ist angegeben 13°50'30"N, 93°26'E (bei den Andamanen), und eine Bodentiefe von gr1”. Hexactinelliden des Indischen Oceanes. N) Hyalonema rapa spec. nov. Tafel I. Eine neue Hyalonema-Species, welche nur durch ein einziges, leidlich gut erhaltenes Exemplar vertreten ist, fällt sofort dureh den schlanken, kegelförmigen Körper von ziemlich derber Consistenz auf. Derselbe hat eine Länge von 7°” und an dem quer abgestutzten oberen Ende eine Breite von 3°”. Aus seinem verjüngten unteren Ende ragt ein 17° langer, aber nur etwa 5"" dicker, schwach gedrehter Basalnadelschopf hervor, dessen 20-30 abwärts etwas divergirende Nadeln kaum die Stärke von ı"" erreichen. An der oberen Körperendfläche, welche sich nicht mittels einer prominenten Randkante von der seitlichen Kegelmantelfläche absetzt, sondern in dieselbe mit einem abgerundeten Rande übergeht, bemerkt man eine derbe Hautschicht mit unregelmäßsigen, faltenartigen Einziehungen. Eine geringe, excentrisch gelegene Erhebung entspricht dem darunter be- findlichen zugespitzten oberen Centraleonusende des Basalschopfnadelbündels. Das quadratische Gitternetz der Dermalmembran der Seitenfläche ist gröfsten- theils abgerieben und tritt nur an einzelnen Stellen deutlich hervor, während es an der gastralen oberen Endfläche zwar vollständig erhalten, aber so stark zusammengedrängt ist, dafs dieselbe fast ein sammetähnliches Ansehen ge- winnt. Bemerkenswerth ist der Umstand, dafs an den stärker arrodirten Partien der Seitenfläche derbe, längsgerichtete Oxydiactine von 6-15"" Länge und über 0””5 Dicke zu Tage treten, welche schon dem blofsen Auge auffallen und eine schwach bogenförmige oder leicht gekniete Biegung aufweisen (Tafel I Fig. 3). Bei genauerer Untersuchung zeigt es sich, dafs diese grofsen kräftigen, glatten Bogennadeln im Parenchyme und zwar vor- wiegend dicht unter der Haut ziemlich reichlich vorkommen. Von macro- seleren Parenchymalia sind zunächst die überall zahlreich vorhandenen, meistens zu Strängen aggregirten, seltener isolirt liegenden, schlanken, schwach gebogenen oder geraden, glatten Oxydiaetine von 300-4004 Länge (selten länger) zu nennen, welche hier wie bei den übrigen Hyalonema- Arten bald ganz glatt, d.h. ohne jede Centralanschwellung, bald mit einer solehen oder mit 2 bez. 4 scharf abgesetzten Centralbuckeln versehen sind. Dazwischen treten mehr vereinzelt glatte Oxyhexactine verschiedener Gröfse (von 500-8004) auf. Diesen gleichen im Charakter die kräftigen, glatten Oxypentactine ähnlicher Gröfse, welehe zur Stütze der Dermalmembran Phys. Abh. 1900. 1. 2 10 F. E. Scnuurze: als Hypodermalia überall unter der Haut in regelmäfsiger Anordnung vor- kommen, während ich entsprechende Oxypentactine unter der Gastral- membran vermisse. In den centralen Partien des Körpers und besonders in der Nähe des centralen Axenstranges der langen Basalia kommen nicht selten glatte amphityle oder tylostyle Nadeln von der Länge und dem Charakter der gewöhnlichen Oxydiactine vor, deren kolbig verdiektes Ende verschiedene Form zeigen kann, aber niemals scharf abgesetzt ist. Als mieroselere Parenchymalia kommen in (je nach den Regionen) wechselnder Menge mälsig starke und nahezu glatte, 120-140 u grolse Oxyhexaetine vor, deren Strahlen gegen das spitze Ende zu entweder eine gleichmäfsige, wenngleich schwache Biegung zeigen, oder in sehr geringem Grade winkelig abgebogen sind. In den Grenzschichten der Subdermalräume und mancher zuführenden Kanäle treten sie besonders reichlich und nach Art echter Canalaria in anscheinend einschichtigem Lager auf, kommen aber auch im eigentlichen Parenchyme, wenngleich spärlicher und mehr unregelmäfsig zerstreut vor, vielleicht in bestimmter Beziehung zu den engeren Kanalästen. Die auf den Balken der netzförmigen Dermalmembran reichlich vorhandenen oxypentactinen Dermalpinule haben ein gerades Basalkreuz, dessen mälsig starke, feinhöckerige Strahlen etwa 4o u lang und am Ende zugespitzt sind. Der freie, durchschnittlich 150 u lange, gleich- mäfsig zugespitzte Radialstrahl weist mäfsig kurze, schwach abstehende Seitenstacheln auf, welche auf der Grenze des glatten unteren und des stacheligen mittleren Drittels am längsten sind und nach dem oberen dünnen spitzen Ende zu allmählich abnehmen (Tafel I Fig. 6). Ganz ähnlich, nur etwas kürzer (1204) und schmächtiger, sind die kanalaren Pentactin- pinule gebaut, welche in den gröfseren Ausgangskanälen, jedoch viel weniger dicht als auf der äufseren Haut, vorkommen (Tafel I Fig. 7). Be- deutend länger dagegen (etwa 350 u und darüber) und auch etwas kräftiger sind die im Übrigen durchaus gleichgebildeten oxypentactinen, selten oxy- hexactinen Gastralpinule, welche auf der Gittermembran der oberen gastralen Endfläche dicht gedrängt stehen und dieser das sammetartige Ansehen verleihen (Tafel I Fig. 8). Die auf der niedrigen Grenzfirste zwischen der Dermal- und Gastralmembran vorstehenden schmalen, oxydiac- tinen Marginalia mit kurzen Seitenstacheln am freien Endtheile konnten nicht genauer studirt werden, da sie schlecht erhalten und besonders stark abgestolsen waren. Hexactinelliden des Indischen Oceanes. 11 Die Maeramphidiske, welche ich hier nicht sowohl in der Dermal- membran selbst als unterhalb derselben und im tieferen Parenchyme un- regelmälsig zerstreut und nicht gerade sehr häufig finde, erreichen die erhebliche Gröfse von 6004 und darüber, während manche noch nicht halb so lang sind. Ihr bald ganz glatter, bald mit wenigen kleinen, zer- streut stehenden, zugespitzten Höckern unregelmälsig besetzter Axenstab ist nieht eylindrisch, sondern im mittleren Theil erheblich schmäler als an den beiden ganz allmählich sich verdiekenden Endpartien. Die nur etwa 120 u langen und ebenso breiten Endschirme erscheinen halbkugelig gewölbt. Ihre 8 lanzettförmig auslaufenden Schirmzinken sind von nur mäfsiger Breite (Tafel I Fig. 13). Die hauptsächlich zwischen den Basalkreuzen der kanalaren Pentactin- pinule, und zwar ziemlich reichlich vorkommenden Mesamphidiske von 50-604 Länge haben einen eylindrischen, mit unregelmäfsig zerstreuten spitzen Höckern besetzten, mälsig starken Axenstab, welcher oft noch eine abgesetzte centrale Verdickung aufweist. Ihre mehr oder minder tief glocken- förmigen Endschirme zeigen gewöhnlich 10 schmale und in ihren geraden Enden fast parallel liegende zugespitzte Zinken (Tafel I Fig. 9 und 10). Zwischen diesen Mesamphidisken, aber auch in der Dermal- und Gastral- membran und gelegentlich hier und da im Parenchyme kommen in recht wechselnder Menge Micramphidiske der gewöhnlichen Art mit halb- kugeligen, 10-ı2zinkigen Endschirmen vor. Ihre Länge beträgt gewöhn- lieh nur etwa 2ou, kann aber auch steigen, so dafs man besonders bei gleichzeitiger Verlängerung der Schirmzinken Übergangsformen zu den klei- neren Mesamphidisken finden kann (Tafel I Fig. 12). Am zugespitzten unteren Körperende sind die bekannten Acantho- phore der Hyalonemen, wenn auch nur spärlich, zu finden. Zwar wechselt die Zahl ihrer kräftigen, meistens etwas gebogenen Strahlen von 6-2, doch wiegen die Stauractine vor. Gewöhnlich zeigen nur die etwas verdickten freien Strahlenden den Stachelbesatz, während die übrige Partie glatt bleibt. An den in ihrem freien Theile gröfstentheils schlecht erhaltenen basalen Schopfnadeln lassen sich keine bemerkenswerthen Abweichungen von den bekannten Eigenthümlichkeiten anderer Hyalonema-Arten wahrnehmen. Gefunden ist das hier beschriebene einzige Exemplar von Hyalonema rapa in der Bai von Bengalen — 10°12'N, 92°30'30"E — in einer Tiefe von I10Q". y* - 12 F. E. Scuurze: Hyalonema martabanense nov. spec. Tafel II. Von einer neuen Hyalonema-Species, welche ich nach ihrem Fundorte, dem Golfe von Martaban, Hyalonema martabanense nenne, liegen drei an derselben Stelle erbeutete Stücke vor. Der Körper des am wenigsten lädir- ten, aber seines Basalnadelschopfes völlig beraubten Exemplares stellt ‚einen abgestutzten Kegel von 10°" Länge dar, dessen breites oberes Ende 7”, dessen schmaleres unteres 3°°5 im Durchmesser mifst. Die ziemlich stark zerdrückte, mit unregelmäfsigen Vertiefungen versehene und mehrfach verletzte seitliche Kegelmantelfläche geht unten durch einen gleichmälsig abgerundeten Rand direct in eine etwas eingedrückte, gleichartige untere Endfläche über, während sie sich gegen die ganz differente, seitlich etwas überhängende obere Endfläche mittels eines deutlich markirten marginalen Grenzsaumes scharf absetzt (Tafel I Fig. ı). Diese obere Grenzfläche, welche in der Mitte eine starke Einsenkung, im äufseren Theile dagegen ringsum eine flache, wallartige Erhebung mit überhängendem, scharfkantigem Aufsen- rande zeigt, hat im Gegensatze zu der unregelmäfsig grubigen und mit deutlichem Hautnetze überspannten Seitenwand eine gleichmälsig sammet- ähnliche Oberfläche, in welcher jedoch tiefe rundliche, 2-3”” weite, scharfrandige Vertiefungen oder Löcher auffallen. Die letzteren sind ganz unregelmäfsig vertheilt und stellen die Ausflufsöffnungen der grölseren ableitenden Kanäle dar. Die nämlichen Form- und Oberflächenverhält- nisse läfst ein zweites, weniger gut erhaltenes, kleineres Stück erkennen, welches dureh starke seitliche Compression und Arrodirung stark gelitten und auch den Basalschopf verloren hat, während das dritte Stück aus einer ziemlich formlosen, stark zusammengedrückten ovalen Platte von der Grölse eines menschlichen Ohres besteht und offenbar nur als ein Fragment anzusehen ist. Unter den macrosceleren Parenchymalia fallen die schon mit blo(sem Auge erkennbaren, sehr schwach gebogenen oder leicht geknieten, glatten spindelförmigen Oxydiactine von 6-12””" Länge und 150-2504 Breite auf, deren Enden nur selten ganz scharf zugespitzt, gewöhnlich mehr oder weniger stumpf oder auch wohl ganz abgerundet sind. Von einer ab- gesetzten centralen Anschwellung oder entsprechenden Buckeln habe ich an ihnen niemals etwas bemerkt. Sie finden sich hauptsächlich unter oder Hexactinelliden des Indischen Oceanes. 13 doch in der Nähe der Haut in longitudinaler Lagerung. Aufserdem kommen in grofser Menge ähnlich geformte, aber viel kürzere und entsprechend schmächtigere Amphioxe von 400-8004 und darüber vor, welche, bald isolirt, bald zu Zügen, Strängen oder weitmaschigen Netzen aggregirt, den Schwammkörper in verschiedener Richtung durchsetzen und besonders parallel der Oberfläche hinziehen. Dieselben sind, wie die entsprechenden Nadeln der meisten Hyalonemen, theils ganz glatt, theils mit einem ab- gesetzten centralen Ringwulste, theils ebenda mit zwei sich gegenüber- stehenden, seltener 4 gekreuzten Buckeln versehen. Auch kommen hier und dort, besonders aber in der Nähe des axialen Basalnadelstranges derartige diaetine Nadeln ohne centrale Verdiekung oder Höcker vor, welche an einem oder beiden Enden statt der Zuspitzung eine terminale Kolbenbildung aufweisen (Tafel II Fig.ı3 und 14). Die überall im Paren- chyme reichlich vorhandenen microscleren Oxyhexactine von etwa 100 u Durchmesser sind entweder glatt oder ganz schwach rauh. Ihre mäfsig starken, vom Kreuzpunkte bis an das freie Ende gleichmälsig zugespitzten Strahlen zeigen in der distalen Hälfte eine sehr deutliche, gleichmälsige Biegung (Tafel II Fig.ı1). Während in der Gitterwand der (dem ge- faltelten Kammerlager zunächst gelegenen) Theile des zu- und ableitenden Kanalsystems nur diese Oxyhexactine vorkommen, treten weiterhin, an der Innenfläche aller gröfseren Kanäle kanalare Pentaetinpinule auf, welche zunächst klein, schmächtig und ziemlich spärlich, in dem weiteren Theile der Kanäle dagegen kräftiger, länger und reichlicher werden. Auf dem dermalen Balkennetze des ganzen Körpers stehen dicht nebeneinander Pentactinpinule, deren mäßsig starke, gerade, schwachhöckerige Basalstrahlen sich bis an das spitze, freie Ende allmählich verschmälern und eine Länge von 40-504 erreichen. Zuweilen kommen dazwischen auch Hexactin- pinule mit mehr oder weniger kurzem, inneren Strahle vor. Der nicht besonders starke, mit ziemlich kurzen Seitenstacheln in gewöhnlicher Weise besetzte, spitz auslaufende Distalstrahl mifst durchschnittlich 200 a. Sehr auffällig ist es, dafs zwischen diesen Dermalpinulen gewöhnlicher Art ziemlich reichlich beiderseitig spitz auslaufende, gerade Diaetinpinule von 500-600 u Länge vorkommen, welche einen 300-400 4 langen, mit kurzen, ziemlich anliegenden Seitenstacheln besetzten, freistehenden Distal- strahl, einem bedeutend kürzeren, glatten oder nur gegen das spitze Ende etwas höckerigen inneren Strahl und im Centrum vier abgesetzte, kreuz- 14 F.E. Scaurze: weise gestellte Buckel aufweisen (Tafel II Fig. 10), also durchaus den oxy- diactinen Marginalia anderer Hyalonemen gleichen. Von grolsem Interesse ist der Umstand, dafs die ganze obere Körper- endfläche solche, den Marginalia anderer Hyalonemen gleichenden Oxy- diaetinpinule trägt. Dieselben haben hier eine etwas gröfsere Länge (1000-1500) als in der dermalen Seitenhaut, wo sie nur vereinzelt vor- kommen, während sie hier dicht nebeneinander stehen. Die zwischen ihnen nur spärlich vertretenen gastralen Pentactinpinule, stimmen bis auf eine etwas grölsere Länge (200-3004) mit den dermalen Pentactinpinulen (Tafel II Fig.9) überein. Dieser dichte und gleichmäfsige Besatz mit Oxy- diaetinpinulen ist es auch, welcher der freien Gastralfläche ihren eigen- thümlich sammetartigen Charakter verleiht. Von Amphidisken sind alle drei Kategorien reichlich vorhanden, die Macramphidiske sogar in zwei wesentlich verschiedenen Formen. Im Parenchyme kommen unregelmäfsig zerstreut mälsig häufig Macramphidiske von 500-10004 Länge vor, deren meistens glatter, zuweilen auch im Centrum mit einem Wirbel von 4-8 kleinen zugespitzten Höckern und mehreren unregelmäfsig vertheilten Dornen besetzter Axenstab, im mittleren Theile verschmächtigt, sich gegen beide Enden hin allmählich verdickt. Die halbkugelig gewölbten Schirme haben eine Breite von 120-1604 und eine etwas geringere Länge. Ihre 8 nicht besonders breiten schaufel- förmigen Zinken spitzen sich lanzettartig zu (Tafel II Fig. 18). Die andere Form der Macramphidisken ist bedeutend kleiner (nur 8o-1oou lang). Sie zeichnet sich hauptsächlich durch flachgewölbte Schirme mit je 5, seltener 6, kräftigen breiten schaufelförmigen Zinken und durch den mit rundlichen Buckeln mehr oder minder reichlich besetzten cylindrischen Axenstab aus (Tafel II Fig. 15-17). Sie kommen ebenfalls vereinzelt im Parenchyme, spärlich in der Wand grösserer Kanäle, sehr häufig aber in der Dermalmembran und in der Gastralmembran vor. In diesen netz- förmigen Grenzmembranen stehen sie mit ihrer Längsaxe rechtwinkelig zur Fläche orientirt, mit der einen Hälfte im Schwammkörper eingebettet, mit der anderen frei über die Oberfläche vorragend (Tafel II Fig. 3). Die Mesamphidiske, welche hauptsächlich in der membranösen Innenwand der grölseren Kanäle vorkommen und hier auch häufig ähnlich wie die Ma- eramphidiske in der dermalen und gastralen Grenzmembran rechtwinkelig zur Fläche gestellt sind, wechseln erheblich in der Grölse, von 40-70 4 Hexachnelliden des Indischen Oceanes. 15 und darüber. Ihr schmaler cylindrischer Axenstab zeigt in der Mitte eine abgesetzte Ringverdickung oder einen Wirtel von (gewöhnlich 4 kreuz- weise gestellten) zugespitzten Buckeln und aufserdem zahlreiche kleinere Höcker in unregelmäfsiger Vertheilung. Die tief gloekenförmigen Schirme haben meistens 10 schmale lange Zinken (Tafel II Fig.4-6). Mieram- phidiske gewöhnlicher Form und Gröfse (20-404) sind besonders reich- lich in der Dermal- und Gastralmembran, spärlicher in der Kanalmembran oder im Parenchyme zu finden. Da die Basalschopfnadeln bei allen drei Exemplaren ausgerissen waren, kann ich von denselben nichts aussagen und nur berichten, dass die Gröfse der Rifsöffnung am unteren Ende des Schwammkörpers darauf schliefsen läfst, dafs der Nadelschopf in der Nähe des Austrittes etwa 8”" dick ge- wesen sein muls. Die in der vorstofsähnlichen Umrandung dieser Öffnung in Menge zu findenden Acanthophore erscheinen vorwiegend als mit groben Stacheln dicht besetzte, Stauractine und Diactine verschiedener Gröfse. Besondere Erwähnung verdienen endlich die hier und dort (speeciell unter der Gastralmembran), wenngleich nicht gerade häufig anzutreffenden glatten, concentrisch geschichteten Kugeln verschiedener Gröfse (bis zu 120 u Durchmesser und darüber), »Kieselperlen«, wie ich sie schon bei ver- schiedenen Hexactinelliden gefunden und beschrieben habe (Tafel II Fig. ı2). Der Fundort dieser Form ist — 13°7'N, 94°44'15"E — in der Bai von Martaban, wo eine Tiefe von 1171” gemessen war. Hyalonema lamella spec. nov. Tafel III. Südwestlich von Cap Comorin (Südspitze von Ceylon) sind an zwei nicht weit von einander entfernten Orten in Tiefen von 787” und 1530" einige plattenförmige Schwammfragmente gefunden, welche ich aus unten näher zu erörternden Gründen einstweilen zur Gattung Hyalonema stelle, obwohl ich zugebe, dafs bei dem Mangel des unteren Körpertheiles die Entscheidung über die systematische Stellung nicht ganz einwandsfrei er- folgen kann. Das am besten erhaltene (in 787” unter 7°17'30"N; 76°54'30"E erbeutete) Stück stellt eine etwa handgrofse, mälsig derbe, aber ziemlich brüchige Platte von 5-8”” Dieke dar, welche in der Mitte wie ein Buch- deckel einfach zusammengefaltet erscheint. Die beiden nahezu gleich 16 F.E. Scuurze: grofsen und einander fast bis zur Berührung genäherten länglichen Plat- tenhälften, deren jede etwa 6°” breit und 9°” lang ist, gehen an dem 5°® langen Faltungsrande unter so scharfer Biegung in einander über, dafs der äufsere Dickendurchmesser der ganzen Falte nur etwa 2°" beträgt. Der längere freie, seitliche Plattenrand läuft zwar nahezu parallel mit dem Faltungsrande, zeigt aber einen schwach welligen Contour und eine dem natürlichen Grenzsaume entsprechende (meistens noch deutlich er- haltene) Zuschärfung, welche durch eine Zone von mit blofsem Auge allerdings kaum sichtbaren Marginalia ausgezeichnet ist. Nach oben zu geht dieser freie laterale Rand ganz allmälich in den ebenfalls deutlich zugeschärften und mit Randsaumnadeln versehenen, convex ausgebogenen, kurzen oberen Randtheil über, welcher sich am Faltungsrande von dem entsprechenden Oberrande der anderen Plattenhälfte durch eine ziemlich tiefe Einkerbung absetzt. Nach unten zu geht der laterale Seitenrand an jeder Plattenhälfte bis zur äufseren unteren Ecke, von wo aus der stark zerrissene Unterrand dann schräge zum Faltungsrande hinzieht (Tafel II Fig. 1). Dieser zerrifsene untere Rand entspricht wahrscheinlich der Linie, in welcher das vorliegende Stück von dem übrigen Theile des Schwamm- körpers abgerissen ist. Die flache Aufsenfläche der ganzen Platte wird von einer dichten sammetartigen Hautschicht gedeckt, deren Netznatur sich nur undeutlich ausprägt. Noch gleichmäfsiger und sammetähnlicher erscheint die innere (gastrale) Plattenfläche, deren schwach reticulirte Deckschicht die ablei- tenden Kanäle undeutlich durchschimmern läfst. Einige kleinere Bruchstücke, welche nicht weit von diesem grofsen Stücke — 7°34'30"N, 76°08'23"E — in 1530” Tiefe gefunden sind und ihrer Spieulation nach zweifellos zu derselben Species gehören, be- stehen aus fest zusammengedrückten dünnen Platten mit unregelmäfsig gerissenen Seitenrändern. Ihre beiden Seitenflächen zeigen hier und da noch Reste der Deckschicht in Form einer feinmaschigen Netzplatte. Das parenehymale macroselere Stützgerüst wird fast ausschliefslich von glatten, nach beiden Enden allmählich sich zuspitzenden, geraden oder ganz schwach gebogenen, macroscleren Oxydiactinen gebildet, welche meistens zu netzartig verbundenen Strängen bündelweise locker aneinander- gereiht, seltener ganz isolirt, den plattenförmigen Schwammkörper in ver- schiedener Richtung durchsetzen. Die Länge dieser oxydiactinen Paren- Hexactinelliden des Indischen Oceanes. 17 chymalia beträgt durchschnittlich 1-2””, doch kommen auch grölsere, bis zu 6”" und darüber, vor. Ihre Dieke variirt von 6-2ou. Während die meisten keine abgesetzte centrale Erhebung aufweisen, zeigen einige daselbst eine ringförmige Verdickung, andere zwei gegenüberstehende, seltener 4 im Kreuz gestellte Buckel. Nicht unerheblich tragen zur Festigung des ganzen Schwammkörpers auch die bis zu 1"” langen Radialstrahlen der kräftigen oxypentactinen Subdermalia und Subgastralia bei. Als mieroselere Parenchymalia treten zahlreiche Oxyhexactine mit mäfsig starken, glatten, im äufseren Drittel umgebogenen Strahlen auf (Tafel III Fig.8). Die Gröfse dieser Nadeln variirt von 8o-1204 und beträgt meistens etwa 1oou. Beachtenswerth ist, dafs die oxyhexactinen Parenchymalia hier zwar überall im Parenchyme, wenn auch ziemlich unregelmäfsig zerstreut, vorkommen, sich aber in besonders dichter Lage in der nächsten Umgebung der subdermalen Lakunen an den von diesen letzteren ausgehenden zuleitenden Kanälen finden, wo sie sogar oft die typische radiäre Stellung echter Canalaria zeigen (Tafel III Fig. 2). Dieser auffällige Umstand hat in mir die schon früher geäufserte Vorstellung be- festigt, dafs die oxyhexactinen Parenchymalia der Hyalonemen aus echten Canalaria hervorgegangen sind. Auffällig ist der Umstand, dafs nicht alle gröfseren Kanäle, sondern eben nur die zuleitenden mit solchen Nadeln dicht umgeben sind, während diese letzteren bei den ableitenden Kanälen fehlen und daselbst, wie wir sogleich sehen werden, durch gewisse Formen von Amphidisken ersetzt sind. Beide Oberflächen der Platte sind gleichmälsig dicht mit schlanken Pentactinpinulen besetzt, deren 4 rechtwinkelig ge- kreuzte tangentiale Basalstrahlen durchschnittlich etwa 504 lang, ziemlich kräftig und nach dem zugespitzten Endtheile zu mit kurzen, distad ge- riehteten Zacken besetzt sind, während der verschieden lange, frei vor- ragende Radialstrahl mäfsig kurze, schwach abstehende Seitenstacheln auf- weist, welche im mittleren Dritttheil am längsten sind, nach dem spitzen Distalende aber sowie nach dem glatten Basalende zu allmählich an Länge abnehmen. Zuweilen kommt auch noch ein einwärts geriehteter Radial- strahl verschiedener Länge vor, welcher den basalen Tangentialstrahlen zu gleichen pflegt. Der Unterschied zwischen den Pinulen der dermalen Aufsenfläche und denjenigen der gastralen Innenfläche liegt wesentlich nur in der Länge des radialen Distalstrahles, welcher bei den Dermalpinulen etwa 2004, bei den Gastralpinulen dagegen 400-6004 und darüber lang Phys. Abh. 1900. 1. 3 18 F. E. ScnHuıze: ist (Tafel II Fig.9 und ı0). Da die zugeschärfte freie Randkante des Schwammes nicht gut erhalten ist, kann ich über die wahrscheinlich ver- loren gegangenen Marginalia nichts Bestimmtes aussagen. Die in der Dermalmembran fehlenden, dagegen überall im Parenchyme zerstreuten, kräftigen Macramphidiske haben eine Durchschnittslänge von 3504 (300-4004). Ihr nach beiden Enden verdickter, im allgemeinen glatter Axenstab zeigt gewöhnlich an seinem centralen "Theile einige meist im Kreise geordnete, kleine, spitze Zacken. Die ziemlich flach gewölbten (nur etwa 604 hohen), durchschnittlich 120 u breiten Endschirme weisen 8 breite schaufelförmige Ankerzähne auf (Tafel III Fig. 3). In grofser Menge und bestimmter Anordnung treten eiförmige Mesam- phidiske verschiedener Gröfse (durchschnittlich 40-6ou lang) auf. Ihr schlanker, überall reichlich mit kleinen spitzen Zacken hesetzter Axenstal) trägt in der Mitte einen Wirtel von etwas stärkeren, meist gebogenen Stacheln. Die tief glockenförmigen Endschirme haben 8-12 (gewöhnlich 10) lange schmale Zinken (Tafel II Fig.5-7). Bemerkenswerth ist der Umstand, dafs diese Mesamphidiske auch hier wie bei H. rapa und martabanense in einschichtiger Lage die gröfseren ab- leitenden Kanäle auskleiden. Zwar liegen sie in meinen Schnitten meistens ohne bestimmte Orientirung, doch möchte ielı annehmen, dafs sie im leben- den Schwamme vorwiegend rechtwinkelig zur Kanalwand und zwar in der Weise geordnet stehen, dass die eine Hälfte in das Parenchym, die andere in das Kanallumen hineinragt. An den engeren Zuleitungskanälen fehlt diese Auskleidung mit Mesamphidisken (Tafel III Fig. 2). Von den nur etwa 2ou grofsen Mieramphidisken mit kurzen halb- kugeligen vielzinkigen Endschirmen finde ich nur verhältnifsmäfsig wenige in der Dermal- und Gastralmembran unregelmäfsig zerstreut. Noch spär- licher sind dieselben im Parenchyme des Choanosomes vertreten (Tafel II Fig.4 und 2). Gilt es nun, trotz des Fehlens der unteren Körperpartie nebst Basal- schopf aus den mitgetheilten Untersuchungsergebnissen einen Schlufs auf die systematische Stellung der betreffenden Art zu machen, so kommt zu- nächst die Frage in Betracht, ob ausreichende Gründe vorhanden sind, sie in eine der bekannten Hyalonematiden-Gattungen zu stellen, oder ob es sich etwa um den Repraesentanten einer ganz neuen Gattung handelt. Da zu letzterer Annahme weder aus der Form des Bruchstückes noch aus Hexactinelkden des Indischen Oceanes. 19 seiner Spieulation irgend welche Gründe zu entnehmen sind, so kommen nur die bekannten drei Gattungen Pheronema (inel. Poliopogon), Hyalonema und Semperella in Frage. Da nun die ausgeprägte Plattenform zwar ganz wohl zu der blattähnlichen Gestalt eines Pheronema (Poliopogon) amadou oder der plattenförmigen Trichterwand mancher Hyalonema- Arten, wie z.B. Hyalonema masoni passen würde, keineswegs aber zu der langgestreckten Kolbenform, welche für die Gattung Semperella charakteristisch ist, so erscheint die letztere Gattung ausgeschlossen, und zwar um so mehr als derselben zalıl- reiche Uneinate als typische Nadeln zukommen, welche hier ganz fehlen. Der letztere Grund macht auch die Aufnahme in die Gattung Pheronema (inel. Poliopogon) unmöglich. Es bleibt daher nur die Gattung Hyalonema übrig, auf welche auch sämmtliche aufgefundenen Nadeln, besonders die paren- chymalen Oxyhexactine mit den gebogenen Strahlen sowie die eigenthüm- liehe Anordnung der Mesamphidiske hinweisen. Bedenken könnte höchstens die sonderbare (gekniffte) Faltung (der jedenfalls als oberer Theil der Kelehwand aufzufassenden Platte sowie die von der gewöhnlichen Kreisform abweichende, schräg abfallende Form ihres freien (Marginal-) Randes erregen. Doch scheint mir beides, selbst wenn es nicht eine rein zufällige Abnormität darstellen sollte, kein Grund zur Aussehliefsung unserer Art aus der Gattung Hyalonema zu sein, wo ja eine schräge,’ ja sogar ziemlich steil abfallende Form des Kelehrandes auch sonst vorkommt, z. B. bei dem von ]jima jüngst entdeckten japanischen Hyalonema reflevum ‚Ijima. Der Fundort des stark zusammengefalteten, handgrofsen Platten- fragmentes liegt, wie schon oben berichtet, südwestlich von Cap Comorin — 7°ı7'30"N; 76°54'30"E — in 787 sammengedrückten, kleineren, flachen Bruchstücke mit unregelmäfsig ge- rissenem Rande sind ebenfalls südwestlich von Cap Comorin — 7°34'30"N:; 76°08'23"E — erbeutet. m rpm: iefe. Die übrigen, stark zu- Lophophysema inflatum nov. gen., nov. spec. Tafel IV und V. Von allen bekannten Hyalonematiden unterscheidet sich die jetzt zu besehreibende Form so wesentlich in Gestalt und Bau, dafs ich mich ge- nöthigt sehe, sie trotz ihrer nahen Verwandtschaft mit Hyalonema in der 3° 20 F. E. Scu#vıze: Nadelbildung zum Repraesentanten einer neuen Gattung zu machen, welche ich Lophophysema (Nobos = Schopf und $vanua — Auftreibung) nenne. Die Gestalt und Gröfse des nur in einem einzigen, etwas lädirten Exemplare vorliegenden, lockeren und weichen Schwammkörpers, dessen basaler Wurzelnadelschopf nur noch in einigen kurzen Resten erhalten ist, läfst sich im zusammengefallenen Zustande nach dem Herausnehmen aus dem Spiritus (wobei er etwa einen Suppenteller füllt) kaum erkennen, Um ihn in seinem natürlichen Zustande zu sehen, brachte ich die mit starkem Alkohol durchtränkte, zunächst als formloser Klumpen erscheinende Masse vorsichtig in ein mit sehr schwachem Alkohol gefülltes grolses Glasgefäls. Hier schwamm nun der mit dem leichten starken Alkohol gefüllte Körper zunächst flach ausgebreitet an der Oberfläche, begann aber alsbald langsam (mit dem derberen und durch die Schopfnadelfragmente stärker beschwerten Basalende abwärts gerichtet) zu sinken, wobei der besonders lockere obere Theil, durch einige gefangene Luftblasen getragen, längere Zeit oben gehalten wurde. In diesem gelockerten Zustande wurde der Schwamm durch den hiesigen, in der Wiedergabe von Spongien geübten Maler, Hrn. Krohse, sorgfältig in natürlicher Gröfse gezeichnet. Die Zeiehnung ist hier auf der Tafel IV, auf 3 verkleinert, in Reproduction wiedergegeben. Wenn sich hierbei auch sofort ergab, dafs der aufserordentlich lockere und leicht zerreifsbare oberste Theil des Schwammkörpers nicht genügend erhalten war, um seine Begrenzung sicher festzustellen, so konnten doch die meisten anderen Form- und Bauverhältnisse, zumal an den etwas.derberen mittleren und unteren Körperregionen hinreichend sicher erkannt werden. Zunächst zeigte sich deutlich, dafs der flach kegelförmige, etwa 23°” breite Theil durch einen fast 1°” weit frei hervorragenden Marginalsaum sich scharf absetzt von dem kuppelartig aufgetriebenen gröfseren, oberen Körper- theil, dessen Gipfel zwar etwas zerrissen, aber doch noch gröfstentheils erhalten ist. Das quer abgestutzte unterste Körperende wird von einem einige Millimeter weit vorstehenden höckerigen Ringwalle umsäumt, welcher eine offenbar durch Ausreilsen des Basalnadelschopfes vertiefte Rifsfläche von eirca 3°” Durchmesser begrenzt. Aus dieser zerrissenen Vertiefung ragen noch die Stümpfe von einigen strieknadeldieken Basalnadeln etliche Centimeter weit frei hervor., Oberhalb des sich deutlich abhebenden Ringwalles dieser Rifsstelle breitet sich seitlich ein System von breiten, radiär gerichteten und durch verschiedene Seiten- Hexactinelliden des Indischen Oceanes. 21 äste verbundenen derben Riffen nach aufsen bis nahe an den erwähnten marginalen Grenzsaum hin aus, zwischen welchen Riffen sich unregelmäfsig verzogene, glatte, rundliche Lücken von Finger- bis Daumenbreite be- finden. Doch bleibt eine Randzone von 1-14“ Breite unmittelbar unter- halb des Marginalsaumes von solchen gröfseren Eingangsöffnungen frei. Ganz anders sieht der oberhalb des marginalen Grenzsaumes sich er- hebende, viel gröfsere und bedeutend weichere Körpertheil aus. Derselbe dürfte im Leben etwa die Gestalt eines niedrigen Bienenkorbes mit oberer Abflachung oder schwacher centraler Einsenkung gehabt haben. Sein Quer- durchmesser beträgt ungefähr 22°", seine Höhe wahrscheinlich etwa 18”, Er war (zweifellos in ganzer Ausdehnung) überzogen von einem jetzt freilich nur noch an der Seitenwand im Zusammenhange erhaltenen, oben aber zerissenen und defekten Hautnetze, dessen zahlreiche rundliche Maschen durchschnittlich die Weite von 3-10"" haben, während seine Balken eine geringere Breite zeigen. Am spärlichsten und kleinsten sind diese Lücken unmittelbar oberhalb des marginalen Randsaumes, von wo sie aufwärts allmählich an Durchmesser zunehmen. Durch zahlreiche einwärts gerichtete platten- und fadenförmige Bälkchen und Stränge steht dieses (gastrale) Hautgitter in fester Verbindung mit einem reich entwickelten inneren Systeme von grofsen Taschen und nach oben zu schwach verästelten blind endigenden Röhren nebst deren blindsackförmigen Seitendivertikeln. Die weiten Eingangs- öffnungen dieser zum Theil kinderhandgrofsen Taschen und der verästelten Röhren befinden sich an der schon beschriebenen flach-konischen Unterseite des Schwammes. Durch sie tritt das Wasser von unten her in die Räume des zuleitenden Kanalsystemes ein, während die zwischen den Wandungen der letzteren befindlichen, ebenfalls reichlich von Verbindungsbälkchen durch- setzten, jedoch untereinander überall in offener Höhlenverbindung stehenden Lücken und Spalten des ableitenden Gangsystems sämmtlich in den (sub- gastralen) dicht unter der (gastralen) Hautnetzplatte befindlichen Raum und durch deren zahlreiche Lücken an der convexen Oberseite des Schwamm- körpers direet nach aufsen münden (Tafel V Fig. 1). Das ganze Kanalsystem, wie es hier schematisch in einer Skizze, Tafel V Fig. ı, wiedergegeben ist, gestaltet sich also in der Hauptsache ähnlich demjenigen der Rosselliden-Gattung Aulochone, speciell Aulochone eylindrica, welche von mir im Challenger-Report 1. e. S.168 u. ff. beschrieben und ebenda auf Tafel 66 in Fig. 2-4 in Abbildungen dargestellt ist. 22 F.E. Scauıze: Die bis zu 1"" dieke Wandung der weiten verästelten Zuleitungskanäle und ihrer seitlichen bez. terminalen blinden Divertikel besteht hauptsächlich aus dem reich gefältelten Kammerlager nebst den beiden mit kanalaren Pentactinpinulen besetzten Grenzhäuten, deren eine (die dermale) dem zu- leitenden, deren andere (die gastrale) dem ableitenden Wasserstrome zu- gewandt ist. Die zahlreichen macroscleren, geraden oder schwach gebogenen, schlanken, glatten Oxydiactine, welche zu Zügen aggregirt oder einzeln, meistens parallel den Grenzflächen, aber auch in verschiedenen anderen Richtungen das Parenchym der Körperlamellen durchsetzen, gleichen im Allgemeinen den entsprechenden Nadeln der meisten Hyalonema-Arten, überschreiten jedoch nur selten die Länge von 1”" und erreichen niemals jene Dimensionen, wie wir sie an den grofsen Bogennadeln (Balken) von Hyalonema toxeres, rapa, martabanense und anderen kennen. Neben ganz glatten Nadeln dieser Art giebt es auch hier solche, welche in der Mitte eine mehr oder weniger deutlich abgesetzte Ringverdickung oder zwei bez. vier sich gegenüberstehende Buckel mit den entsprechenden Kreuzkanälen besitzen. Macrosclere Oxyhexactine entsinne ich mich nicht gesehen zu haben. In der Nähe des als oberer Endtheil des Basalnadelschopfes den Körper senkrecht durchsetzenden Centraleonus finden sich häufig gerade oder gebogene, glatte Diactine mit kolbenartig verdiekten Enden; und zwar sind bald beide Enden zu Kolben umgewandelt (Tafel V Fig. 9), bald nur ein Ende, während das andere allmählich spitz ausläuft. Auch kommen hier nicht selten Diaetine vor, welche an beiden Enden oder nur an einem einfach abgerundet, daher im letzteren Falle als Style zu bezeichnen sind. Zur Stütze und Festigung des Weichkörpers dienen ferner die unter der Dermalmembran überall häufig zu findenden, kräftigen oxypentactinen Hypodermalia, während solche Nadeln unter der Haut der gastralen Grenzflächen fehlen. Als mikrosklere Parenchymalia sind die hier übrigens nirgends reichlich vorhandenen Oxyhexaetine mit geraden mittelstarken Strahlen zu nennen, welche letzteren entweder ganz feindornig oder nur schwach rauh erscheinen. Die Länge der Strahlen beträgt gewöhnlich 6ou, kann aber hier und da auch bis zu Sou steigen (Tafel V Fig. 4 und 5). Sowohl an der unteren dermalen Oberfläche als auch an allen freien Grenzflächen der zahlreichen Taschen und Kanäle, als endlich an der Aufsen- wie Innenfläche des oberen (gastralen) Gitternetzes finden Hexactinelliden des Indischen Oceanes. 23 sich in mehr oder weniger dichter und regelmäfsiger Aufstellung schlanke Pentactinpinule, deren glatte oder schwach rauhe gleichmäfsig zugespitzte Basalstrahlen 40-50 u lang sind, während ihr mäfsig kurze schräge Seiten- dornen führender, freier Strahl 100-2804 und darüber mifst. Im All- gemeinen zeigen die Pinule der freien unteren Dermal- und der freien oberen Gastralflächen gröfsere Dimensionen als die auf den Grenzflächen der inneren Kanalwände befindlichen (Tafel V Fig. 7 und 6). Die letzteren stehen um so weiter auseinander und erscheinen dabei um so kleiner und schmächtiger, je enger das Lumen der Taschen, Gänge oder Spalten ist, in welches sie hineinragen. Die in einfacher oder doppelter dichter Lage am äufseren Rande des Marginalsaumes hervorstehenden oxydiactinen Marginalia haben durch- schnittlich die Gesammtlänge von 6004, wovon nur 100-2004 auf den gleichmäfsig zugespitzten glatten Innenstrahl, dagegen 400-500 auf den mit recht kurzen schrägen Seitenstacheln besetzten, allmählich spitz aus- laufenden freien Distalstrahl kommt. Vom Centrum ragen vier kreuzweise gestellte, ziemlich hohe und in eine kleine Endspitze auslaufende Buckel vor (Tafel V Fig. 8). Die etwa 2004 langen Macramphidiske sind nur ganz vereinzelt im Parenchyme zu finden. Ihre ungefähr 1004 breiten, mittelgrofsen, meist halbkugeligen Endschirme zeigen acht breite schaufelförmige Zinken. Mesam- phidiske fehlen. Micramphidiske gewöhnlicher Form und Gröfse kommen zahlreich in den Grenzhäuten vor. Die den Angehörigen der Gattung Hyalonema ganz allgemein zu- kommenden Acanthophore fehlen auch hier am Austritte des basalen Nadelschopfes nicht. Es sind (wie gewöhnlich) dieke, entweder in ganzer Ausdehnung oder doch an den Enden mit kräftigen Zacken besetzte Nadeln, vorwiegend Stauractine (Tafel V Fig. ı1), aber auch andere Derivate des Hexactines bis zu Diactinen herab. Von den langen stricknadelförmigen Basalia, welehe oben den über 15°” weit in den Schwammkörper empor- ragenden schlanken Centralconus bilden, sind zwar nur einige Reste vor- handen, doch läfst sich erkennen, dafs sie durchaus den Bau und die Anordnung wie bei Hyalonema haben. Manche dieser Wurzelschopfnadeln sind über einen Millimeter stark. Gefunden ist das einzige Exemplar von Lophophysema inflatum westlich von den Andamanen — 13° 50' 30"N, 93° 26'E — in 911" Tiefe. 24 F. E. Scuurze: Euplectella regalis spec. nov. Tafel VI Fig. ı—9. Das in Spiritus mälsig gut erhaltene, einzige Exemplar einer neuen, Ijima’s Zuplectella imperialis nahestehenden Euplectella- Art stellt eine schwach ausgebauchte, gerade, biegsame Röhre von kreisförmigem Querschnitte dar. Die nur wenig vorgewölbte terminale Siebplatte wird von einer quer ab- stehenden, etwa 5"" hohen, schmalen und nach aufsen zugeschärften, rand- ständigen Ringmanschette umsäumt. Das schwach verjüngte untere Röhren- ende läuft in einen verfilzten Basalschopf aus. Die Gesammtlänge beträgt mit Einschlufs des Basalnadelschopfes etwa 40°, der gröfste Querdurch- messer des mittleren Röhrentheiles 7°”, des oberen Endes 6°, des Basal- schopfes etwa 4°°5. Die 2-3”" dicke Röhrenwand ist von zahlreichen kreisrunden, glatt- randigen Wandlücken durchsetzt, welche sämmtlich im Grunde seichter., kraterförmiger Vertiefungen der aufsen netzförmig aufgewulsteten, innen ziemlich glatten Wandung liegen. Jede Lücke ist von einer verschieden breiten, glatten, irisähnlichen Ringmembran umgeben. Wenn die Anordnung dieser Wandlücken auch keine ganz regelmälsige ist, so tritt doch an den meisten Partien besonders des oberen und mittleren Körpertheiles ihre Stellung in vorwiegend rechtwinkelig gekreuzten Longitudinal- und Trans- versalreihen deutlich hervor (Tafel VI Fig. rund 2). Die Gröfse der Lücken nimmt ebenso wie ihre Distanz ziemlich gleichmäfsig vom oberen bis zum unteren Röhrenende zu. Dicht unterhalb der Randmanschette sind sie kaum m weit und stehen nur etwa 2”” auseinander, während sie im unteren Theile des ganzen Schwammkörpers oft über 2"”5 grols und 6-8”” von einander entfernt sind. Zwischen den Wandlücken erheben sich aufsen distad zugeschärfte Leisten und Riffe von recht wechselnder Höhe (3-6”” und darüber), welche bald in querer Richtung, bald schräge und zwar oft rein diagonal oder in niederiger Spirale, seltener longitudinal verlaufen, mannigfach mit einander anastomosiren, sich auch hier und da in Reihen von flach kegelförmigen Erhebungen auflösen, und im Ganzen unregelmäfsig entwickelt sind. Im Allgemeinen nimmt die Höhe der Riffe vom oberen Ende bis zur Mitte der Röhre zu, um nach unten wieder etwas abzu- nehmen. Während die ziemlich unregelmäfsig höckerige äufsere Oberfläche der Röhrenwand überall kleine, rundliche, noch nicht 2”” breite und He.xactinelliden des Indischen Oceanes. 25 etwa cebensoweit auseinanderliegende Grübehen, als Eingangsöffnungen zuführender Kanäle deutlich erkennen oder doch durch die zarte Dermal- membran durehschimmern läfst, finden sich an der viel glatteren Innen- fläche zwischen den abgerundeten Rändern der Wandlücken zwar ebenfalls zahlreiche aber minder dicht gedrängte kleine, kreisförmige und glattrandige Öffnungen ableitender Kanäle von recht verschiedener Weite. Oft sieht man eine einfache oder doppelte Längsreihe bez. Querreihe solcher bis zu ı”® weiter Öffnungen zwischen je zwei benachbarten Wandlückenreihen und neben oder zwischen diesen noch eine Anzahl kleinerer in mehr un- regelmälsiger Vertheilung (Tafel VI Fig. 2). Die uhrglasförmig vorgewölbte terminale Siebplatte zeigt das nämliche unregelmäfsige Netzwerk dünner platter Balken mit plattenartiger Ver- breiterung mancher Netzknoten, wie bei allen übrigen Euplectella- Arten. Der Durchmesser ihrer unregelmäfsig vieleckigen , seltener melır abgerundeten Maschen variirt zwischen 2 und 5"”"” (Tafel VI Fig. 8). Der derbe basale Nadelschopf, welcher sich an der Aufsentläche des trichterförmig zugespitzten unteren Röhrenendes aus den longitudinalen Nadelsträngen der Röhre bildet und unten zu einem compacten Faser- bündel vereinigt, weicht in keiner Weise von demjenigen anderer be- kannter Zuplectella-Species (etwa Kuplectella aspergillum) ab. Der ganze schlauchförmige Schwammkörper ist biegsam und besonders in seinem oberen und mittleren Theile so schlaff, dafs er beim Herausnehmen collabirt, während das trichterförmige untere Ende fester erscheint. Die +-4"" breiten Hauptstützbalken des ganzen Schwammkörpers bestehen aus rechtwinkelig gekreuzten longitudinalen und transversalen Fasersträngen, welche zum gröfsten Theil gebildet werden von jenen kräf- tigen, bis 2004 starken Stauractinen, deren ziemlich gerade Longitudinal- strahlen mehrere Centimeter, im unteren Theile sogar über 5°” lang werden, während die der Röhrenkrümmung entsprechend gebogenen Transversal- strahlen selten länger als 3°” sind. Da die letzteren dicht an der inneren Wandfläche hinlaufen, die longitudinalen dagegen jenen aufsen quer auf- liegen, etwa wie die Eisenbahnschienen auf ihren Schwellen, so müssen die beiden Strahlenpaare dieser Stauractine stets im entgegengesetzten Sinne von der idealen Cylindermantelfläche vom Nadeleentrum aus abbie- gen. Besonders sind es die Transversalstrahlen, welche bald nach ihrem Abgange vom Kreuzcentrum sich einwärts biegen, während die longitu- Phys. Abh. 1900. 1. 4 26 -F. E. Scuurze: dinalen oft fast in derselben geraden Linie bleiben. Niemals fand ich hier einen fünften distalen Strahl wie er den Prinzipalnadeln mancher anderen Euplectella- Arten zukommt. Als Comitalia legt sich diesen stauractinen Prineipalia eine wechselnde Zahl von weit dünneren, glatten, langen Triac- tinen und Diactinen dicht an, deren Strahlen mit einer kleinen kolben- förmigen, rauhen oder kurzstacheligen, zugespitzten Anschwellung enden. Bei den Triaetinen erscheint der etwa von der Mitte der langen und meistens ziemlich geraden Nadel nahezu rechtwinkelig abstehende dritte Strahl weit kürzer als die anderen beiden und meistens etwas gebogen. Während die Distanz der so zusammengesetzten ceirculären Hauptstränge vom oberen Rande bis zum unteren Ende ziemlich continuirlich zunimmt, weichen die ebenso beschaffenen longitudinalen Hauptstränge bis etwa zur ausgebauchten Mitte der ganzen Röhre auseinander, um sich dann abwärts wieder zu nähern. Hierdurch nehmen die von diesen Hauptsträn- gen gebildeten rechtwinkeligen Maschen, welche oben und in der Mitte nahezu quadratisch erscheinen, nach dem unteren Ende zu eine mehr langgezogene Rechteckform an. Dasselbe tritt hier und da auch in dem mittleren Röhrentheile an solchen Stellen ein, wo die Zahl der Längs- stränge sich durch Spaltung nachträglich vermehrt hat. Die in doppelter gekreuzter Spirale die Röhrenwand durchsetzenden diagonalen Faserzüge, welche theils zwischen den transversalen und longi- tudinalen hindurchziehen, theils aufsen von den letzteren gelegen sind, be- stehen nur aus dünneren langen Triactinen und Diaetinen mit Endkolben. Sie verlaufen in der Regel so, dafs sie gleichsam die Ecken der quadra- tischen oder rechtwinkeligen Hauptmaschen abschneiden und deren Mitteltheil zur Bildung einer Wandlücke frei lassen. Dabei bilden sie selbst schräge oder spiralige Reihen von Quadraten, welche, mit den Seiten aneinanderliegend, ab- wechselnd je eine Wandlücke und je eine Kreuzung eines Longitudinal- und Transversalstranges enthalten, aber in der Längs- oder Querrichtung des Schwammkörpers sichals gleichartige Quadrate mit den Ecken aneinanderreihen. Verbreiterte Diagonalstränge tragen gelegentlich auch zur Stütze der Seitenwände der äufseren Riffe wesentlich bei. Da, wo die Röhrenwand sich schroff (fast rechtwinkelig) in die terminale Siebplatte umbiegt treten statt der kräftigen Stauractine nahezu gleichstarke und ebenso glatte Triactine, Pentactine oder selbst einseitig entwickelte Hexactine auf. Von den Triaetinen verläuft dann ein Strahl longitudinal in der Röhrenwand, Hexactinelliden des Indischen Oceanes. 27 während die beiden anderen, rechtwinkelig abgehend, in der Randkante liegen. Tritt hierzu noch ein in die Randmanschette und ein weiterer in die Siebplatte eindringender Strahl, so haben wir das Pentactin, an dem häufig noch ein rudimentärer, kolbig endender sechster Strahl als kurze Fortsetzung des longitudinalen Wandstrahles auftritt, wodurch dann die Überleitung zum Hexactin gegeben ist. Auch diese Hauptstütznadeln der Randkante sind von zahlreichen dünnen triactinen oder diactinen Co- mitalia umgeben. Alle diese Stütznadeln können nun untereinander verlöthet, d.h. durch verbindende Kieselmasse fest vereinigt sein. Dies geschieht in allen älte- ren Partien des Körpers da, wo sich die Nadeln am meisten nähern, und zwar, bei parallel liegenden Nadeln, durch eine Reihe von leiter- sprossenähnlichen Synaptieula. Da der Verlöthungsprocefs dem Alter der Regionen entsprechend von unten nach oben vorschreitet, so ist das trich- terförmige, im Basalschopfe verborgene, Unterende schon fest und starr geworden, während der mittlere Theil des röhrenförmigen Körpers noch biegsam und der obere sogar noch weich erscheint. Abweichend von allen bisher erwähnten Nadeln erscheinen die Haupt- stütznadeln der terminalen Siebplatte, in welcher hier noch keine Ver- löthung Platz gegriffen hat. Es sind dies in ihrem Mitteltheile winkelig gebogene, kräftige, glatte Oxydiactine, welche gewöhnlich an der Stelle des Axenkreuzes eine mehr oder minder deutlich abgesetzte Anschwellung besitzen. Sie erreichen eine Länge von mehreren (6 und darüber) Millimetern und eine Dicke von etwa 8ou. Der Grad der Biegung dieser derben Nadeln variirt aufserordentlich. Während einige nahezu gerade erscheinen, bilden andere, entsprechend der Form der Maschenecken des Balkennetzes, einen stumpfen, rechten oder selbst spitzen Winkel mit allerdings stark abgerundetem Scheitel. An der Randkante pflegt der eine Schenkel der hier nahezu recht- winkelig gebogenen Nadeln in die terminale Siebplatte, der andere Schenkel in die Seitenwand der Körperröhre hineinzuragen. Die Hauptmalse der Balken des Siebplattennetzes wird aber nieht von diesen dicken Prinzi- palnadeln sondern von zahlreichen langen, dünnen Comitalia gebildet, welche bündelweise jene begleiten und umlagern. Dieselben gleichen durehaus den Comitalia der Röhrenwand und bestehen ebenso wie jene aus schlanken Triactinen und Diactinen; jedoch überwiegen die letzteren bei Weitem. Selten finden sich dazwischen gleichartige lange Stauractine, 4* 28 F.E. Scnuurze: Pentaetine oder gar Hexactine, während eingestreute kürzere derbe Oxy- hexactine und Oxypentactine häufig sind. Zur Stütze des Parenchyms dient stellenweise auch der verlängerte Proximalstrahl der oft recht kräftigen, degenförmigen, hexactinen Hypo- dermalia; was besonders auffällig wird bei den kammartigen Riffen und bei der oberen Randmanschette. Als parenchymale mierosclere Intermedia sind zu nennen die nur hier und da, und auch dann immer nur spärlich zu findenden zarten oder doch recht schlanken Oxyhexaster von etwa 100u Gesammtdurchmesser, deren kurze schmale Hauptstrahlen sich in je 3 oder 4 lange, schmächtige, mälsig stark divergirende Endstrahlen spalten (Tafel VI Fig. 6). Ganz vereinzelt zeigen sich in der Nähe der äufseren Oberfläche (viel- leicht auch in der äufseren Haut selbst gelegene) schlanke Sigmatocome von 8ou Durchmesser. Jeder ihrer mäfsig starken eylindrischen, etwa 8 u langen Hauptstrahlen verbreitert sich am Ende etwas und theilt sich dann in 6-8 randständige dünne Endstrahlen, welche, im Kranze gestellt, eine schlanke s-förmige Biegung zeigen und zusammen einen mälsig breiten Keleh bildet. Während ihre schwach kelchblattartig gebogene proximale Hälfte sehr dünn und fadenförmig erscheint, verdickt sich die ausgebogene äufsere Hälfte etwas, um schliefslich wieder zugespitzt auszulaufen (Tafel VI Fig. 5). Ausdrücklich hebe ich hervor, dafs ich von jenen als Graphiocome (früher Graphiohexaster) bezeichneten gröfseren Parenchymalia, welche bei Euplectella imperalis Ijima und Euplectella Oweni Marshall in oder unter der Haut so häufig vorkommen, hier nichts gefunden habe. Die als Grundlage des Dermalskelets für alle Euplectelliden typischen degenförmigen hexactinen Hypodermalia kommen hier überall (jedoch in sehr verschiedener Stärke und Gröfse) vor. Ihre Strahlen sind zwar in der Hauptsache glatt, zeigen jedoch am distalen Endtheile in der Regel eine Rauhigkeit oder einen Besatz mit kurzen Stacheln. Nur der frei über die Haut vorragende äufsere Radialstrahl pflegt in längerer Ausdehnung, oft bis in die Nähe des Kreuzungspunktes der Nadel, mit kleinen Zacken oder Stacheln besetzt zu sein. Neben diesem äufseren Radialstrahl treten zuweilen der Länge nach dicht anliegende, rauhe, oxydiactine Comitalia mit centraler, abgesetzter, knotenförmiger Verdickung auf; in der Regel aber hängt an dem äufseren zugespitzten und rauhen Distalende jedes dieser degenförmigen Hexactinelliden des Indischen Oceanes. 29 e Hypodermalia je ein typisches Floricom von 8So-100 u Durchmesser, dessen zu je 7-8 in einem Kelche vereinigte Endstrahlen in eine schwach abge- setzte, handförmig-gebogene Endplatte mit etwa 7 kleinen Randzähnchen ausgehen (Tafel VI Fig. 3 und 4). Die je nach der Gegend sehr verschieden starken und langen Hypo- gastralia stellen stets einfache glatte Oxypentactine mit mehr oder minder stark verlängertem Radialstrahl dar, deren vier unter sich nahezu gleich- lange Tangentialstrahlen in der Gastralmembran selbst liegen. Ähnlich, aber gewöhnlich erheblieh schwächer sind die entsprechend gelegenen oxy- pentactinen Canalaria, an denen auch nicht selten ein sechster, in das Kanallumen gerichteter Strahl zur Entwicklung kommt, der zwar niemals lang wird, aber doch die betreffenden Canalaria zu Hexaetinen macht. Eine merkwürdige Entwickelung haben die Hypogastralia an der Innen- kante der irisähnlichen Wandlückenringmembranen erfahren, indem sie hier zu gedrungenen Pentactinen, seltener Hexaectinen, mit dieken und kurzen (nur etwa 1004 langen), kegelförmigen, unter sich nahezu gleich langen Strahlen geworden sind (Tafel VI Fig.7). Auch an dem Innenrande der Maschen der terminalen Siebplatte finden sich derartige Pentaetine oder Hexactine mit kurzen, starkverdickten, kegelförmigen Strahlen. Im Übrigen weicht der Bau des Weichkörpers der Siebplatte und seine Spieulation nieht wesentlich von demjenigen (des übrigen Körperparenchymas und dessen Nadeln ab. Die Nadeln des Basalschopfes zeigen keine erheblichen Ab- weiehungen von denjenigen der meisten übrigen Kuplectella-Arten. Zalıl- reich sind die bekannten Kolbenanker mit mehreren (5—12) zurückgebogenen glatten Randzähnen des Endkolbens (Tafel VI Fig. 9). Einfache Pentaetin- anker mit Axenkanal in den 4 Querstrahlen, wie sie bei Kuplectella asper- gillum und Euplectella simplex’ vorkommen, habe ich hier nicht bemerkt. Die indische Zuplectella regalis F. E. Sch. scheint demnach am nächsten verwandt zu sein mit der japanischen Euplectella imperialis Ijima, von welcher Ijima im Jahre 1894 eine kurze vorläufige Mittheilung im Zoolo- gischen Anzeiger Nr. 459 veröffentlicht hat. Als wichtigste Unterschiede dürften folgende in Betracht kommen. Alle gröfseren Stücke von Euplec- tella imperialis zeigen eine schwache einseitige Krümmung im mittleren Theile des röhrenförmigen Körpers, während das allein bekannte, jeden- falls nicht mehr junge Exemplar von Euplectella regalis ganz gerade ist. Die gedrungenen kräftigen Nadeln der die Wandlücken irisartig umgebenden 30 F.E. Scaurze: Membran sind bei Zuplectella imperialis hexactin, bei Euplectella regalis vor- wiegend pentaetin. Während sich im Parenehyme von Zuplectella imperialis zahlreiche Graphiocome (Graphiohexaster) finden, fehlen diese bei Zupleetella regalis. Gefunden ist Zuplectella regalis in nur einem Exemplare bei den An- damanen — 13°27'N, 93°14'30" E -—— in einer Tiefe von 741”. Regadrella decora spec. nov. Tafel VI Fig. ro-ı8. Die Fragmente, welche der folgenden Beschreibung zu Grunde liegen, würden kaum ausgereicht haben zu einer genügenden Artcharakteristik, wenn sich nicht hier eine eigentliümliche, bisher erst einmal beobachtete Nadelform gefunden hätte, welche von Ijima bei seiner Regadrella okinoseana entdeckt und als »Oxytetraster« bezeichnet worden ist. Ich führe die von Ijima im Jahre 1896 im Zoologischen Anzeiger Nr. 504 gegebene kurze Beschreibung der Regadrella okinoseana hier wörtlich an: »Similar to Regadrella phoenix in form and in general arrangement of spieules, but with the following characteristic features: The spaces between parietal openings (up to 3”” in Diameter and 3-15”” distant from one another) are elevated into irregular ledges and protuberances that may attain a height of 20””, A broad euff surrounds the arched terminal sieve-plate. Distal ray of sword-shaped hypodermals short and mostly rounded at end. Tlis and paratangentials sparsely beset with prickles near ends. Among the parenchymal diacts, there occur in abundance oxyhexacts with finely spinous rays of o””065-0””14 length. Rosettes are present in three forms: I) oxytetrasters or occasio- ally oxyhexasters, 2) graphiohexasters and 3) floricomes. In what I have called oxytetrasters the principals form a regular cross and the terminals, usually 4 in number to each principal, end in a point after a diverging, somewhat wavy course. Floricomes simil- arly shaped as in Regadrella phoenix. Of several speeimens colleeted, but one is in a perfeetly injured con- dition. The latter is 185”" long and 77”” broad at the euff.« Mein Material besteht nur aus dem in Fig.ıo der Tafel VI abgebil- deten kelehförmigen Basaltheile, welcher mit einer derben Fufsplatte einem Hexactinelliden des Indischen Oceanes. 31 Korallenstücke aufsitzt und aus wenigen locker zusammenhängenden Bruch- stücken der röhrenförmigen Seitenwand des Schwammkörpers. Die Wandung des schwach seitlich eomprimirten Basalkelches zeigt einige glattbegrenzte kreisrunde oder ovale Lücken von etwa 1"" Weite ohne regelmässige An- ordnung. Die ziemlich gleichmäfsig gewölbte, von einer Dermalmembran überdeckte Aulsenfläche des Kelches läfst ein unregelmälsiges Netz grober Skeletbalken durchschimmern, während an der Innenfläche ein diesen letzteren entsprechendes Leistenwerk vorspringt, dessen Maschen mehr oder weniger tiefe Gruben wechselnder Breite umschliefsen. Im Grunde einiger der tiefsten Gruben befindet sich je eine der erwähnten rundlichen Wand- lücken.. Die ebenfalls etwas seitlich zusammengedrückte steinharte Fuls- platte ist durchsetzt von dem bekannten engmaschigen Kieselgittergerüste, welches in dem Basaltheile aller festsitzender Eupleetelliden zu finden ist und meistens noch die durch zahllose Synaptieula verbundenen oder einfach verlötheten derben Skeletnadeln erkennen läfst. Das aus diesem engmaschigen Gittergerüste sich erhebende lockere und ziemlich grofs- maschige Stützbalkennetz der Körperwandung zeigt zahlreiche kräftige, glatte Oxydiactine von verschiedener (1"”5— 2°”) Länge und 100-200 u Dicke, welche gewönhnlich schwach gebogen oder gekniet sind. Begleitet und dieht umkleidet sind diese dicken Prinzipalnadeln von zahlreichen schmäch- tigen Diactinen gleicher Länge. Die hierdurch gebildeten Faserstränge ver- binden sich entweder mittelst einfachen Aneinanderlegens oder durch reich- liche Entwickelung von Synaptikula zu einem Netzgerüste mit stark ge- streekten longitudinalen Maschen. Die feste Vereinigung nimmt nach unten hin allmählich zu und führt schliefslich zu jener starren Festigung des basalen Theiles, welche in der harten Fufsplatte ihren Höhepunkt erreicht. Zwischen diesen faserähnlichen dünnen Diaetinen kommen ziemlich reich- lich kürzere, glatte Hexactine gleichen Kalibers, seltener Triactine oder Pentaetine vor, welche Nadeln sämmtlich im basalen Theile der Kelehwand gleichfalls dem Verlöthungsprocesse verfallen. Die überall im Parenchyme vorhandenen und meistens rechtwinkelig zur Wandoberfläche orientirten schlanken Oxyhexactine von etwa 1504 Strahlenlänge zeigen gewöhnlich am Distaltheile der Strahlen kleine Höcker oder Rauhigkeiten, während der proximale Theil glatt bleibt; seltener sind die Strahlen in ganzer Länge rauh oder höckerig, zuweilen sogar stachelig. Als mierosclere Parenchy- malia sind durch das ganze Choanosom zerstreut in reichlicher Anzahl jene 32 F. E. Scuurze: schon von Ijima bei seiner Regadrella okinoseana erwähnten merkwürdigen Oxytetraster oder Oxystauraster, wie ich sie lieber nennen möchte, vor- handen. Von jedem der vier rechtwinkelig gekreuzten und in derselben Ebene gelegenen glatten cylindrischen Hauptstrahlen, welche etwa ou lang und 3 dick sind, strahlen am schwach verbreiterten Distalende ge- wöhnlich 4 (seltener 5 oder 6) allmählich sich zuspitzende, glatte, gerade, oder an der Basis leicht ausgebogene Endstrahlen von etwa 35 u Länge in der Weise divergirend aus, dafs die von einer flach vorgewölbten Endkuppe des Hauptstrahles eingenommene Mitte frei bleibt. Im Gegensatze zu den im Allgemeinen ähnlich gestellten, mehr oder minder stark divergirenden Endstrahlen der meisten Hexaster, bei denen sämmtliche Endstrahlen eines Hauptstrahles unter nahezu gleichen Winkeln divergiren, weichen hier die- jenigen beiden Endstrahlen, welche den beiden Seitenflächen des flachen Staurasters entsprechen, in ihrer Richtung stärker von der Axe ihres Haupt- strahles ab, als die drei übrigen Endstrahlen desselben Büschels; ja sie stehen nicht selten fast rechtwinkelig zu der Hauptebene des ganzen Stau- rasters, während die übrigen nur etwa einen Winkel von 45° mit der Axe ihres Hauptstrahles bilden. Durch dieses Querabstehen der seitlichen Endstrahlen von der Hauptebene des Kreuzes wird offenbar der Mangel der hier nicht ausgebildeten beiden Hauptstrahlen einigermafsen ausgeglichen. Die degenförmigen oxyhexactinen Hypodermalia sind meistens kräftiger als die parenchymalen Oxyhexactine. Ihr äufserer Radialstrahl erreicht eine Länge von 120 u und besitzt ein feinhöckeriges Ende, während die 4 ähnlich gestalteten Paratangentialstrahlen etwa 200 u lang sind, und der Radialstrahl etwa 4004 milst. Das Vorkommen von Bündeln sehr feiner, gerader, über 100 u langer, Rhaphiden ähnlicher Kieselhaare in der Subdermalregion beweist um so sicherer die Gegenwart von Graphiocomen, als daneben auch die zugehörigen: Centralstücke zu sehen sind, deren sechs schlanke Hauptstrahlen am Ende je ein Querscheibehen mit kurzen Bruchstücken abgebrochener Endstrahlen an der Aufsenfläche tragen. Übrigens sah ich gelegentlich auch intakte Nadeln der Art. Zahlreich finden sich die bekannten, verschiedenen Eupleetelliden-Gattungen, speciell auch der Gattung Regadrella eigenen Floricome, welche hier jedoch nur 72-80 u im Durchmesser haben. Jeder ihrer 6 Kelehe besteht aus 7-9 S-förmig gebogenen Endstrahlen, deren handförmige Endplatte gewöhnlich nur 3, seltener 5 oder gar 2 Rand- Hexactinelliden des Indischen Oceanes. 33 zacken (Krallen) trägt. Die eylindrischen Hauptstrahlen sind nur etwa ou lang. Die Gastralmembran wird gestützt von pentactinen Hypogastralia, deren Dimensionen nach den einzelnen Regionen wechseln. Meistens sind die 4 (2004 und darüber langen) Tangentialstrahlen glatt und nur am schwach kolbig verdickten Ende etwas höckerig, während der ähnlich gebildete Radialstrahl erheblich länger als diese zu sein pflegt. An Stelle des nieht entwickelten radialen Distalstrahles findet sich meistens ein ein- facher Höcker oder Knopf. In der die Wandlücken umgebenden Ringmembran treten derbe, rauhe, höckerige oder selbst stachelige Hexactine und Pentaetine von nur 100-150 u Strahlenlänge auf. Die Dicke der stacheligen Strahlen beträgt an der Basis S-2o u und darüber. Obwohl es sich bei der hier gegebenen Beschreibung nur um einige kleine Bruchstücke handelt, ist es doch nach der grofsen Übereinstimmung der Nadeln und besonders der so eigenartigen Oxystauraster mit denjenigen von ljima’s japanischer Regadrella okinoseana kaum zu bezweifeln, dafs beide Formen sehr nahe verwandt, wenn nicht vielleicht gar identisch sind. Ob das letztere wirklich der Fall ist, wird sich wohl erst an der Hand von Ijima’s ausführlicher, mit Abbildungen versehener Darstellung sicher fest- stellen lassen, da jetzt immerhin noch einige, wenn auch nur geringfügige Differenzen bestehen. Als solehe möchte ich folgende hervorheben. Ijima giebt an, dafs bei seiner neuen Art neben den Staurastern auch ähnliche Hexaster im Parenchyme vorkommen, von welchen ich nichts habe finden können. Andererseits erwähnte Ijima jene von mir als »Balken« bezeichneten gebogenen oder geknieten grofsen und starken Oxydiaetine nicht, welche mir unter den parenehymalen-Principalia aufgefallen sind. Auch vermisse ich die von Ijima hervorgehobene ungewöhnliche Kürze des Radialstrahles der Hypodermalia. Ich sehe mich daher genöthigt, für diese Form einen besonderen Speziesbegriff neben Ijima’s Regadrella okinoseana trotz der offenbar sehr grofsen Ähnlichkeit beider aufzustellen. Eine andere Frage ist es, ob beide Arten in die Gattung Regadrella gehören, obwohl doch die ganz eigenartigen Oxystauraster (oder Tetraster) bei der westindischen und nach Topsent auch im Golfe de Gascogne gefundenen Regadrella phoenix O. Schm., dem einzigen bisher bekannten Vertreter dieser Gattung, nieht vorkommen, Phys. Abh. 1900. 1. 5 34 F.E. ScHuuLzeE: vielmehr dort durch die merkwürdigen Onychaster vertreten sind. Da aber Form und Bau des ganzen Schwammkörpers sowie sämmtliche übrige Nadel- formen im Wesentlichen übereinstimmen und wenigstens bei der von Ijima beschriebenen Spezies neben den Oxystaurastern auch Oxyhexaster vor- kommen, so kann man alle drei Arten zunächst wohl unter dem gemein- samen Gattungsbegriff Regadrella vereinigen. Gefunden ist Regadrella decora südwestlich von Cap Comorin — 7° 17'30"N, 76°54'30"E — in 787” Tiefe. Dictyaulus elegans F. E. Sch. 1895. Dictyaulus. elegans F. E. Sch. in Abhandl. d. K. Preufs. Akad. d. Wiss. 1395 S.36 42 und Tafel IV. Zu der bereits im Jahre 1895 von mir beschriebenen' indischen Species cm Dichyaulus elegans gehört das etwa 18° lange und 11°” breite röhrenförmige obere Endstück mit terminaler Siebplatte eines wahrscheinlich über einen halben Meter langen Exemplares dieser prächtigen Euplectellide. Aus dem Umstande, dafs auch dieses Stück ebenso wie das früher von mir unter- suchte etwa auf der Grenze des oberen und mittleren Drittels quer ab- gerissen ist, läfst sich vielleicht schliefsen, dafs die Befestigung des ganzen Schwammes am Meeresgrunde zu stark ist, um seine leichte Auslösung aus dem Boden zu erlauben, dafs er demnach nicht in der Weise wie die Euplectella, Holascus u. a. mit einem kurzen Nadelschopfe im Schlamme wurzelt, sondern wahrscheinlich ähnlich wie Taegeria, Walteria u. a. an einem festen Körper angewachsen ist. In der Gestalt und im Bau stimmt das vorliegende Stück so voll- ständig mit dem von mir früher beschriebenen, allerdings erheblich kleineren überein, dafs ich meiner ersteren Schilderung nur wenig hinzuzufügen habe: Höchstens wäre zu erwähnen, dafs entsprechend dem höheren Alter dieses bedeutend gröfseren Exemplares die Körperwand (durch weitgehende Ver- löthung der das Hauptskeletgerüst bildenden Prineipalia und Comitalia) viel fester und starrer geworden ist als dort, dafs in dem unregelmälsigen Balkennetzwerke der hier nur flach gewölbten terminalen Siebplatte nicht ein einziger sternförmiger Centralknoten, sondern mehrere soleher Ver- diekungsknoten vorkommen, und dafs die Maschen dieses ganzen Netzes " Hexactinelliden des Indischen Oceanes II. Abhandl.d.K. Preuss. Akad. d. Wiss. 1895 S. 36—42. Hexactinelliden des Indischen Oceanes. 35 weiter erscheinen als bei jenem bedeutend kleineren Exemplare. Auch meiner früheren Darstellung von der Spieulation habe ich nach genauer Durcharbeitung dieses gröfseren Stückes nur wenig hinzuzufügen. In Bezug auf die mieroseleren intermediären Parenchymalia. möchte ich noch be- sonders hervorheben, dafs im Gegensatze zu den überall sehr reichlich vorhandenen Discohexastern und Codonhexastern die Sigmatocome und Dre- panocome nur äufserst selten vorkommen; so dafs man nicht etwa deshalb, weil man diese beiden Nadelformen nicht in jedem Praeparate antrifft, schliefsen dürfte, dafs eine andere Species vorläge. Die zur Stütze der oberen Randmanschette dienenden Nadeln bestehen hauptsächlich aus den in einer oder wenigen Reihen angeordneten, radiär vorstehenden, degen- förmigen, hexaetinen Hypodermalia, deren besonders kräftig entwickelter äufserer Radiastrahl mit etwas distad gerichteten kleinen Zacken mehr oder minder reichlich besetzt ist und mit allmählicher Zuspitzung endet. Endlich möge noch hervorgehoben werden, dafs sich unter den macro- seleren Oxydiactinen der terminalen Siebplatte auch starke schwach ge- bogene Nadeln von 2004 und darüber Dicke befinden. Gefunden ist das hier beschriebene Oberende eines grofsen Dictyaulus elegans SSW von Cap Comorin — 7°5'45'N, 75°4'E — in 1316" Tiefe, während das früher von mir beschriebene kleinere Exemplar derselben Art bei den Laccadiven — 10°47'45"N, 72°40'20"E — in 1290 beutet war. m Tiefe er- Lophocalyx spinosa spec. noVv. Tafel VII. mm Ein im ganzen rundlicher, unregelmäfsig gestalteter Körper von 30-40 Durchmesser läfst an seiner Oberfläche eine ziemlich glatte, gleichmälsig gewölbte Region erkennen, welche sich mit einem theilweise vorragenden Randsaume durch eine rinnenartige Vertiefung von dem übrigen mehr höckerigen und mit einem grölseren zapfenförmigen Vorsprunge versehenen Theile absetzt. Sowohl von dem Randsaume als auch von den vorragenden Partien der höckerigen Region stehen zahlreiche gerade oder schwach ge- bogene Nadeln von etwa o""1 Dicke in vorwiegend radiärer Richtung, theils zu lockeren Bündeln gruppirt, theils vereinzelt, 20-30" weit frei vor (Tafel VII Fig. ı und 2). Zwar sind die meisten dieser Prostalia abgebrochen, doch läfst sich an einigen noch ein allmählich zugespitztes Ende, an anderen eine terminale vierzähnige Ankerbildung erkennen. Obgleich ein deutlich rn. [77 36 F.E. Scuaurze: markirtes Oseulum fehlt, lassen sich doch in der rinnenartigen Vertiefung hier und da rundliche, glatt begrenzte Öffnungen von 2-3”” Weite und an anderen Regionen mehrere kleinere Lücken unter der Haut erkennen, welche mit Wahrscheinlichkeit als Ausströmungsöffnungen angesehen werden können. Im Innern findet sich ein System von 3-4" weiten Höhlungen, welche ohne Zweifel dem ableitenden Kanalsysteme angehören. Da die Körperform und die Stellung der vorragenden Nadeln an manche Thenea- Arten erinnert, so glaube ich diese Spongie ähnlich wie jene orientiren zu dürfen und nehme an, dafs die convexe glatte Oberflächenpartie der Oberseite des Schwammkörpers entspricht, während die von den übrigen Oberflächenregionen abstehenden Prostalia als Wurzelschopfnadeln zur Be- festigung im Boden dienten. Die in verschiedener Richtung den Körper einzeln oder bündelweise durchziehenden, gröfstentheils aber parallel der Oberfläche oder senkrecht zu dieser orientirten macroscleren Parenchymalia prineipalia sind schlanke, glatte Oxydiactine von sehr wechselnder, oft 3”” und darüber betragender Länge, welche in der Regel an beiden Enden einfach zugespitzt sind, zuweilen aber auch rauhe oder höckerige, leicht angeschwollene Enden besitzen (Tafel VII Fig. 15 und 16). In der Mitte dieser fast stets schwach gebogenen, selten geraden Nadeln findet sich häufig eine mehr oder weniger scharf abge- setzte ringförmige Verdiekung. Von hexactinen macroscleren Parenchymalia habe ich nichts gesehen. Die kräftigen oxypentactinen Hypodermalia besitzen meistens gerade oder schwach gebogene glatte Strahlen mit etwas rauhen, mälsig zugespitzten Enden ; doch kommen zwischen ihnen auch solche vor, deren vier Paratangential- strahlen gleichmälsig stark zurückgebogen sind (Tafel VII Fig. 3), also zur Ankerbildung führen. Bemerkenswerth ist der Umstand, dafs die schon oben erwähnten, weit vorragenden, grofsen prostalen Anker (Tafel VII Fig. 14) diesen pentactinen Hypodermalia (von dem Grössenunterschiede natürlich ab- gesehen) gleichen. Diese Übereinstimmung führt zu der Vorstellung, dafs es sich dabei um vorgeschobene und zugleich stark vergröfserte Hypodermalia handelt. Als mieroselere Parenchymalia kommen schwach rauhe, geradstrahlige Oxyhexactine, ferner Hemioxyhexaster und echte Oxyhexaster, alle von etwa 100 u Durchmesser, in bekannter typischer Anordnung neben dem gefalteten Kammerlager vor. Die an Zahl überwiegenden Hemioxyhexaster zeigen etwa Hexactinelliden des Indischen Oceanes. 37 in der Mitte des Strahles eine einfache Gabelung in zwei ziemlich stark divergirende und gleiehmäfsig sich zuspitzende, gerade, rauhe Endstrahlen. Bald ist nur ein Strahl, bald sind zwei oder mehrere von der Gabelung be- troffen. Weniger häufig, aber von ganz gleichem Charakter sind die an allen Strahlen gegabelten Oxyhexaster sowie die einfachen Oxyhexaetine. Unterhalb der beiden Grenzhäute, also sowohl in dem subdermalen wie subgastralen Trabekelwerk, findet sich, wenn auch nicht gerade häufig, die ungemein zierliche, von mir unlängst als Strobiloplumicom bezeichnete' Nadel von etwa 8ou Durchmesser, welche ich auch bei Lophocaly® phi- lippinensis, Sympagella nux und Calycosoma validum angetroffen habe (Tafel VII Fig. ı2 und 13). Einen sehr eigenartigen, bisher auch nur bei Lophocaly® philippinensis bekannten Charakter zeigen die stacheligen stauraetinen Autodermalia durch ihre gleichmäfsige Krümmung nach der Kugeliläche. Die eylindrischen Strahlen dieser 150-2004 grolsen Stauractine haben ein abgerundetes Distalende und sind ringsum dicht mit kurzen Stacheln besetzt (Tafel VII Fig. 4-7). Bei manchen dieser stacheligen Autodermalia erhebt sich an ler convexen Aufsenseite vom Kreuzungspunkte ein ebenfalls mit Stacheln besetzter, aber ganz gerader und am Distalende abgerundeter, eylindrischer fünfter Strahl, welcher radiär nach aufsen vorsteht (Tafel VII Fig. 4 und 3). Auch kommt sowohl bei diesen pentactinen als auch bei den einfachen stau- ractinen Nadeln hier und da ein vom Centrum an der eoncaven Seite, also ein- wärts vorspringender stacheliger Höcker als Andeutung eines nicht entwickel- ten sechsten Strahles vor (Tafel VII Fig.7). Die noch nicht ganz ausgebil- deten Autodermalia erscheinen schmächtiger als die übrigen, aber ganz glatt. Als Autogastralia treten in gleichmäfsiger Ausbildung und regelmäfsiger quadratischer Anordnung kräftige degenförmige Oxyhexactine an der Innen- wand der ableitenden Hohlräume auf. Ihre allmählich sich zuspitzenden, schwach rauhen vier Tangentialstrahlen messen etwa 1001. Mit ihnen stimmt der innere Tangentialstrahl überein, während der frei vorragende, ebenfalls zugespitzte Radialstrahl sich durch stärkere Rauhigkeit auszeichnet (Tafel VII Fig. 3). Bei der weitgehenden Übereinstimmung fast sämmtlicher Nadelformen mit denjenigen von Lophocalys philippinensis F. E. Sch. kann es meines ı Amerikanische Hexactinelliden. 1899. S. 29; Tafel IV, 3 und 4. 38 F.E. Scuurze: Erachtens nicht zweifelhaft sein, dafs der hier beschriebene Schwamm trotz seiner abweichenden Körperform und trotz des nach aufsen frei vorragenden Radialstrahles mancher Autodermalia in die Rosselliden-Gattung Lophocalyx zu stellen ist. Daran kann auch der Umstand nichts ändern, dafs durch den vorstehenden Radialstrahl mancher Autodermalia eine Annäherung an die Familie der Asconematiden gegeben zu sein scheint. Hat sich doch schon wiederholt gezeigt, dafs die Grenze zwischen Rosselliden und Ascone- matiden keine scharfe ist. Gefunden ist das einzige vorhandene Exemplar von Lophocaly.x spinosa westlich von den Andamanen in 436-531” Tiefe. Farrea occa Bwbk, Carter. An einem Büschel abgebrochener Hyalonema-Wurzelschopfnadeln von Handlänge und 0””5-1”" Dicke sitzt ein dichotomisch verzweigter und mit einem anastomosirenden Röhrensysteme versehener kinderfaustgrofser Stock von KFarrea occa Bwbk, Carter. Obwohl der gröfste Theil so völlig ausmacerirt ist, dafs nur das zier- liche Diktyonalgerüst in typischer Ausbildung vorliegt, sind doch an einigen Partien noch hinlängliche Reste des Weichkörpers erhalten, um sämmtliche freie Nadeln, welche für die weitverbreitete Species Farrea occa Bwbk, Carter charakteristisch sind, in typischer Ausbildung erkennen zu lassen. Gefunden ist dieses Stück bei den Andamanen in 238-458” Tiefe. Einige ganz ausmacerirte Bruchstücke von einer wahrscheinlich auch zur Species Farrea occa Bwbk gehörigen Farrea sind aufserdem südwestlich von Cap Comorin — 7°17'30"N, 76°54'30"E — in 787" Tiefe gefunden. Aphrocallistes beatrix J. E. Gray. Obwohl es nach den Auseinandersetzungen, welche ich 1895 in meiner zweiten Mittheilung über Hexactinelliden des Indischen Oceanes in den Ab- handl. d. K. Preufs. Akad. d. Wiss. 1895 S.68 und ff. und 1899 in meinen americanischen Hexactinelliden 1899 S. ııo gegeben habe, möglich er- scheint, dass sich die specifische Trennung der bisher unter der Bezeich- nung Aphrocallistes beatrix J.E.Gray und Aphrocallistes bocagei Pere. Wright; als gesonderte Arten betrachteten Formen künftig nicht wird aufrecht er- halten lassen, so will ich doch hier noch der bisher gebräuchlichen Auf- fassung folgen und als Aphrocallistes beatrix J. E. Gray zwei bei den Anda- manen gefundene, leider ganz ausmacerirte Kelchstücke beschreiben, von Hexactinelliden des Indischen Oceanes. 39 denen das eine 3°” lang, unten 10”", oben 24”” breit ist, während das andere 4°” lang, unten 8”" und oben ı15"” breit ist. An beiden Stücken fehlt die zweifellos trichterförmige Basis, welche bei dem ersteren, zunächst zu berücksichtigenden Stücke unmittelbar unterhalb einer das Kelehlumen quer durchsetzenden weitmaschigen Gitterplatte abgebrochen ist, so dafs letztere jetzt die untere Öffnung dieses Bruchstückes theilweise schliefst, während die bedeutend weitere, obere Apertur hier nicht durch eine quer ausgespannte, sondern eigenthümlich trichterförmig eingezogene Siebplatte abgeschlossen ist. Der obere Kelchrand zeigt übrigens keine Bruchmarke, sondern endet gleichmäfsig zugeschärft mit natürlicher Oberfläche. Die in 8-10 ziemlich unregelmäfsigen Längsreihen angeordneten radiären Seiten- divertikel der Kelehwand sind gröfstentheils nur ganz niedrige, 3-5""” hohe, halbkugelige Ausbauchungen, welche meistens an der abwärts gerichteten Seite von einer kreisrunden Usur durchbohrt sind. Nur am unteren Ende und dieht unterhalb des oberen Kelchrandes finden sich vereinzelt etwas längere Radialdivertikel, welche theils noch blind, theils abgebrochen oder mit terminaler runder Usur enden. Das andere, mehr röhrenförmige Stück weist nur eine Siebplatte auf, welche das Kelchlumen in einiger Entfernung oberhalb des unteren Bruch- randes quer durchsetzt. Am oberen Ende findet sich ebenfalls ein zackiger Bruchrand. Auch hier stellen sich die in unregelmäfsigen Längsreihen und wenig deutlich ausgeprägten Querreihen angeordneten Seitendivertikel fast sämmtlich als nur ganz niedrige Ausstülpungen der Kelchwand von 3-5 Höhe dar, welche fast alle an der Unterseite eine kreisrunde Usur aufweisen. Vereinzelt scheinen jedoch auch hier etwas längere, jetzt allerdings abge- brochene Radialtuben vorhanden gewesen zu sein. Während das erstere, breitere Kelchstück bei den Andamanen — 13° ı5'N, 93° 10'E — in 362” Tiefe gefunden ist, stammt das zweite, mehr röhrenförmig gestaltete, schmälere Stück zwar ebenfalls aus der Nähe der Andamanen, aber aus einer Tiefe von 434-541". mm Aphrocallistes bocagei Pere. Wright. Von der weitverbreiteten und recht polymorphen Species Aphrocallistes bocagei Pere. Wright ist aufser mehreren gröfstentheils bis auf das Diktyonal- gerüst ausmacerirten Bruchstücken ein mit dem Weichkörper erhaltener Stock von Faustgröfse erbeutet. Derselbe zeigt die für die Species charak- 40 F.E. Scavızr: teristischen, schon mehrfach beschriebenen Bau- und Structurverhältnisse und gleicht im Allgemeinen dem von mir im zweiten Theile meiner Hexaeti- nelliden des Indischen Oceanes auf Tafel VIII in Fig. ı abgebildeten Stücke. Er besteht aus 6 ziemlich normal entwickelten Kelchen von Finger- länge, deren jeder mit einer gröfseren Zahl radiär abstehender handschuh- Länge besetzt ist. Wenn auch die Zahl und Stellung dieser blindschlauchförmigen, mm fingerförmiger Wandausstülpungen von 3-5”” Breite und 10-20 g g pung im Allgemeinen nach oben zu allmählich an Länge zunehmenden Divertikel keine ganz regelmäfsige ist, so läfst sich doch bei ihnen eine Tendenz zur Wirtelbildung und Etagenstellung nicht verkennen. Der Abstand der fünfstrahligen Wirtel von einander nimmt nach oben allmählich zu bis auf etwa 10””. Auch kann man eine Neigung der Hauptröhre zur Bildung von 5 flachen Längsfalten und dementsprechend eine ungefähre Anordnung der den ausgebauchten Falten entsprechenden Divertikel in 5 Längsreihen nachweisen. Einige dieser Divertikel sind diehotomisch gegabelt, die meisten jedoch einfach gerade oder schwach gebogen. Bei manchen findet sich am Ende eine offenbar seeundär durch Resorption entstandene runde Öffnung. Da- durch, dafs fast alle auf ein anderes von einem benachbarten Kelche aus- gehendes Divertikel terminal oder seitlich treffen und mit demselben ver- schmelzen, ist eine feste Verbindung sämmtlicher Kelehe unter einander zu einem zusammenhängenden Gerüste entstanden. Von den oft beschriebenen queren Gittersepten kommen den meisten Kelchen ein oder zwei zu, ohne auf einander zu folgen. Bald spannt sich eine derartige Gitterplatte zwischen zwei auf einander folgenden Divertikelwirteln aus, bald heftet sie sich gerade über dem Eingang zu einem Divertikel an die Kelchwand an, wobei dann nur durch eine gröfsere rundliche Lücke an den Ansatzstellen des Septums der Ausweg aus dem Divertikel in die Kelchhöhle frei- gehalten wird. jedoch regelmäfsig — etwa jedem Wirtelinterstitium entsprechend Hinsichtlich des feineren Baues von Skelet und Weichkörper habe ich keine wesentlichen Abweichungen von den früher von mir gemachten Angaben und Darstellungen bemerkt. Zu einer gründlichen histologischen Untersuchung des Weichkörpers genügte übrigens der Erhaltungszustand desselben nicht. Der oben besonders berücksichtigte faustgrolse Stock ist bei den Anda- manen — 13°17'N, 93°7'E — in 165” Tiefe, einige völlig ausmacerirte Hexactinelliden des Indischen Oceanes. 41 kleinere Kelchstücke gleichen Charakters sind südwestlich von Cap Comorin — 7°17'30", 76°54'30"E — in 787” Tiefe, und mehrere vereinzelte Bruch- stücke bei den Andamanen in 238-458” und in 434-541” Tiefe gefunden. Differentialdiagnosen der neuen Arten und tabellarische Zusammen- stellung der Fundorte. Für die hier als neu aufgestellten und zum ersten Male beschriebenen Arten lassen sich auf Grund der vorstehenden Mittheilungen folgende kurze Differentialdiagnosen aufstellen: Hyalonema rapa F.E. Sch. Die in ziemlich reichlicher, jedoch nach den Regionen wechselnder Zahl vorhandenen intermediären, parenchymalen Oxyhexactine von 120-140 u Gröfse haben mäfsig starke, nahezu glatte, schwach gebogene Strahlen. Die Dermalpinule haben mäfsig kurze Seitenstacheln und sind durchschnittlich 1504 lang, Gastralia ähnlich, doch etwa 350 u lang. Sehr lange (600 a) Macramphidiske mit kurzen halbkugeligen, 8 zinkigen Endschirmen. In der Wand der grölseren ableitenden Kanäle zahlreiche schmale Mesamphidiske, deren tiefglockenförmige Endschirme gewöhnlich 10 lange schmale Zinken haben. Unter der Haut kommen stark gebogene Diactine von 12"” und darüber Länge vor. Der schlank kegelförmige Körper endet oben ohne scharfen Marginal- rand mit einer queren Endfläche, ohne abgehobene Siebplatte. Hyalonema martabanense F.E. Sch. Die reichlich vorhandenen parenchymalen intermediären Oxyhexaetine sind durchschnittlich 1004 grofs und haben mäfsig starke, schwach rauhe oder nahezu glatte, deutlich gebogene Strahlen. Sowohl zwischen den etwa 2004 langen und mälsig kurzstacheligen dermalen Pentaetinpinulen als auch (und zwar hier besonders reichlich) zwischen den längeren Pentactinpinulen der gastralen Endfläche kommen lange Diactinpinule von 500-600 u vor, welche den Marginalia anderer Hyalonema- Arten gleichen. Aufser langen parenchymalen Macramphidisken von 500-1000 Länge, deren halbkugelige kurze Endglocken 3-10 mäfsig breite Zinken haben, finden sich in der Dermal- und Gastralmembran zahl- Phys. Abh. 1900. 1. 6 42 EB. E. Scuurze: reiche kräftige Macramphidiske von nur 80-200 u Länge, deren kurze und breite Endschirme nur 5-6 breite schaufelförmige Zinken aufweisen. In der Wand der gröfseren Ableitungskanäle kommen zahlreiche Mesamphidiske mit tiefglockenförmigen Endschirmen vor. Unter der Haut finden sich starke, Länge. Der einem abgestutzten Kegel mm gebogene Diactine von 6-12 gleichende Körper endet oben mit einer queren, schwach vertieften End- fläche ohne abgehobene Siebplatte. Hyalonema lamella F. E. Sch. Die reichlich vorhandenen parenchymalen intermediären Oxyhexaetine haben eine Durchschnittsgröfse von Ioo4w. Ihre mäfsig starken glatten Strahlen zeigen eine sehr deutliche Biegung in dem distalen Theile. Die mit nur mäfsig kurzen Stacheln versehenen Dermalpinule sind etwa 200 u lang, während die sonstähnlichen Gastralpinule 400-6004 messen. Im Parenchyme kommen häufig 300-400 4 lange Macramphidiske mit kurzen, aber breiten Endschirmen vor, welche 8 breite schaufelförmige Zähne aufweisen. Die in der Wand der gröfseren Ableitungskanäle zahlreich vorhandenen Mesam- phidiske haben Eiform. Die allein bekannte zusammengefaltete Platte scheint der Triehterwand des Körpers zu entsprechen. Lophophysema inflatum F. E. Sch. Von dem flachtrichterförmigen unteren Dritttheile des Körpers erhebt sich ein kuppel- oder bienenkorbähnlich gestalteter Obertheil, dessen mit netzartiger Haut überzogene Oberfläche der Gastrallläche entspricht und durch einen schmalen vorspringenden Ringsaum von der mit weiten Eingangs- öffnungen versehenen unteren Dermalfläche abgegrenzt ist. Zwischen den von unten her in den Sehwammkörper eindringenden, schwach verästigten taschenähnlichen Zuleitungskanälen und dem aus reichlich communieirenden Spalten und Gängen bestehenden ableitenden Kanalsysteme liegt die viel- fach gefaltelte Grenzplatte, welche das Kammerlager enthält. Ihre (innere) Dermalfläche ist ebenso wie die (äufsere) Gastralfläche mit kurzzackigen, 100-3004 langen Pentaetinpinulen besetzt, wie denn überhaupt die Form und Anordnung der Nadeln im Allgemeinen derjenigen der Gattung Hyalonema gleicht. Als intermediäre Parenehymalia kommen mäfsig häufig Oxyhexactine mit geraden rauhen Strahlen von 60-804 Länge vor. Macramphidiske von .etwa 2004 Länge mit halbkugeligen Endschirmen sind nur vereinzelt Hexactinelliden des Indischen Oceanes. 43 im Parenchyme zu finden. Mesamphidiske fehlen. Mieramphidiske der ge- wöhnlichen Form und Gröfse sind in den Grenzhäuten häufig. Aus dem etwas abgestutzten unteren Ende ragt ein Schopf langer Basal- nadeln hervor, dessen oberes Ende wie bei Hyalonema im Schwammkörper einen Üentraleonus bildet. Euplectella regalis F. E. Sch. Schwach ausgebauchte gerade Röhre mit Ringmanschette. Wandlücken annähernd regelmäfsig in longitudinalen und transversalen Reihen geordnet. Äufsere Leisten quer, schräge oder spiralig, im Ganzen unregelmäfsig. Das Wandgitter ist gestützt von stauractinen Prineipalia mit anliegenden triactinen oder diaetinen Comitalia. In der Ringmembran der Wandlücken kräftige Oxypentactine mit kurzen konischen Strahlen. Als intermediäre Parenchymalia kommen aufser den reichlich vorhandenen Oxyhexastern auch vereinzelt Sigmatocome von 8ou Durchmesser, dagegen keine Graphiocome vor. Die an dem frei vorstehenden Strahle der Hypodermalia hängenden Floricome haben an jedem Hauptstrahle 6-8 Endstrahlen mit schwach abgesetzter handförmiger, meist 7zähniger Endplatte. Regadrella decora F. E. Sch. Ähnlich der Regadrella okinoseana Ijima; doch kommen als intermediäre Parenehymalia nur Graphiohexaster und zahlreiche Oxystauraster, aber keine Oxyhexaster vor. Der in das Parenchym hineinragende innere Radialstrahl der hexaetinen Hypodermalia ist nicht viel länger als der frei- vorragende Distalstrabl. Bei den oxypentactinen Hypogastralia findet sich an Stelle des atrophirten sechsten Strahles in der Regel ein Höcker oder cm Knopf. Unter den Principalia der Wand kommen zahlreiche dicke, 2 lange, gebogene oder gekniete oxydiaetine Balken vor. Lophocalyx spinosa F.E. Sch. Der klumpige, mit verschiedenartigen Vorsprüngen versehene Körper stellt nieht wie die nahe verwandte Form Lophocalyx philippinensis F. E. Sch. einen einfachen Kelch mit grofsem runden Ösculum dar, sondern zeigt unterhalb des theilweise überstehenden zugeschärften Seitenrandes der con- vex gewölbten Oberseite eine Rinne. Aus dem zugeschärften Seitenrande, sowie von den unteren Vorsprüngen ragen lange spitze Nadeln, von den letzteren auch vierzähnige Anker in verschiedener Richtung hervor. Aulser den subdermalen und subgastralen Strobiloplumieomen treten im Parenchym AA F.E. Scuurze: als Intermedia zahlreiche Oxyhexaster, Hemioxylıexaster und Oxyhexactine auf. Als Autodermalia finden sich neben einfachen, gebogenen, stacheligen Stauractinen auch ähnliche Nadeln mit ausgebildetem distalen Radialstrahle, also Pentaetine. Die Gastralia sind degenförmige rauhe Oxyhexaetine mit verlängertem frei vorragenden Strahle. Ordnet man das oben beschriebene Material nach den Fundorten, so ergiebt sich folgende Tabelle: Fundort nn Speciesname Metern — I3°I5'N, 93°1ı0'’E — Aphrocallistes beatrix J. E. Gray. — NEE Aphrocallistes bocagei Perc. Wright. Pheronema raphanus F. E. Sch. — 13°27'N, 93°14'30"E — Hyalonema affine F. E. Sch. 8 Buplectella regalis F.B. Sch. 3 E Bo sun. 0502 0m Hiyalonema masomi FE. 2 ER Lophophysema inflatum F.E. Sch. =) Farrea oeca Bwbk. © I Andamane 83-458 o 3 ee Aphrocallistes bocagei Pere. Wrisht. ) ra Pheronema raphanus F.E. Sch. a san Bepaeaıya spinosa E E. Sch. Aphrocallistes beatrix J. E. Gray. Aphrocallistes bocagei Pere. Wright. Andamanen 485 Hyalonema affine Marshall. Bai von Martaban — ı 3°7'N, 94°44'15"E — | 1171 | Hyalonema martabanense F. BE. Sch. Bei Cap Comorin — 7°5'43"N, 75°4'E — 1316 | Dietyaulus elegans F. P. Sch. Hyalonema lamella F. E. Sch. Bei Cap Comorin — 7°17'30"N, 76° 54" 30"E — 787 Regadrella decora F. E. Sch. Aphrocallistes bocagei Pere. Wrigth. Bei Cap Comorin — 7°34'"30"N, 76°08'23'E— | 1530 | Hyalonema lamella F. E. Seh. Bai von Bengalen — 10°12'N, 92° 30' 30"E — 1109 | Hyalonema rapa F.E. Sch. Aus dieser Zusammenstellung ergiebt sich in Übereinstimmung mit den Resultaten meiner früheren Untersuchungen, dafs der nördliche Theil des Hewactinelliden des Indischen Oceanes. 45 Indischen Oceanes besonders reich sein mufs an Amphidiseophoren, von welcher Gruppe sich in unserer doch verhältnifsmäfsig kleinen (nur ı3 Arten umfassenden) Collection nicht weniger als 6 Arten in drei verschiedenen Gattungen gefunden haben. Von den 3 bekannten Familien der lyssacinen Hexasterophoren fehlen die Asconematiden ganz, während 3 Euplectelliden- Arten in 3 verschiedenen Gattungen und nur eine Rossellide gefunden ist. Auch aus der Gruppe der Dietyoninen kommen nur 3 (weit verbreitete) Arten vor. Tafelerklärung. TafenT. Hyalonema rapa spec.nov. Fig.ı. Seitliche Totalansicht in natürlicher Gröfse. Fig. 2. Senkrechter Durchschnitt der oberen Randpartie. Vergr.°. Combinationsbild. Fig. 3. Grolses gebogenes Oxydiactin. Ver- 20 gr. — Fig. 4 und 5. Intermediäre parenchymale Oxyhexactine. Vergr. ®°. Fig. 6. Dermalpinul. Vergr. 3°, Fig. 7. Canalarpinul. Vergr. ®°. Fig. 8. Gastralpinul. Vergr. 3°, Fig. 9 und 10. Mesamphidiske. Vergr. ’. Fig. ır und ız. Micramphidisk in Aufsicht und Seitenansicht. Vergr. %°. Fig.ı3. Maeramphidisk. Vergr. . Tafel I. Hyalonema martabanense spec. nov. Fig.t. Schräge Seitenansicht. Natürliche Grölse. Fig. 2. Schräge Ansicht des unteren End- theiles. Natürliche Gröfse. Fig. 3. Senkrechter Durchschnitt des oberen Seitenrandes. Vergr.°. Combinationsbild. Fig.4—7. Mesamphidiske. Vergr. 3”, Phys. Abh. 1900. 1. Aufsicht des Endschirmes Fig. 8. eines ‚ Mieramphidiskes. Vergr. °*. Fig. 9. Dermalpinul. Vergr. 2°. Fig.ı0. Marginal. Vergr.?°. Fig.ır. Parenchymales Oxyhexactin. Ver- gr. °*. Fig.ı2. Kieselkugel. Vergr.". Fig.13 und 14. Parenchymale Diactine aus der Nähe des Axenstranges. Vergr. ”. Fig. 15-17. Kürzere Macramphidiske. Vergr. '°. Fig. 18. Längeres Macramphidisk. Vergr."”. Tafel II. Hyalonema lamella spec. nov. Fig. 1. wahrscheinlich ein Theil des oberen Kelch- Bruchstück von Hyalonema lamella, randes. Natürliche Gröfse. Fig.2. Senkrechter Schnitt durch den oberen Rand. Vergr.°. Combinationsbild. Fig. 3. Macramphidisk. Vergr. ®°. Fig.4. Mieramphidisk. Vergr. =, Fig. 5-7. Mesamphidiske. Vergr.?7 Fig. 8. Parenchymales Oxyhexactin. Ver- 3 gr. —. Fig.9. Dermalpinul. Vergr. =, Gastralpinul. Vergr. ®°. - ‘ Fig. 10. 46 F. E. Scnuuunze: Hexactinelliden des Indischen Oceanes. Tafel’ IV. ‚Lophophysema inflatum gen.nov., spec. noy. Seitenansicht in natürlicher Gröfse. Tafel V. 2 Schema eines Längsdurchschnittes von Lophophysema. inflatum, um das Ver- hältnifs der zuleitenden und ableitenden Kanäle zu verdeutlichen. Vergr. _. Fig. 2. Durchschnitt der Kanalwand. Links dermale, rechts gastrale Fläche. Vergr. 2. Combinationsbild. Fig. 3. Durchschnitt des Marginalsaumes. Unten dermale, oben gastrale Fläche. Vergr.. Combinationsbild. Fig.4 und 5. Fig. 1. Parenchymale intermediäre Oxyhexactine. Vergr. =. Fig. 6. Canalares Pentactinpinul. Vergr. 2°. Fig. 7. Dermales Pentactinpinul. Vergr, ° Fig. 8. Oxydiactines Marginal. Vergr. 3°, Fig.9. Parenchymales Diactin aus der Nähe des Conus centralis. Vergr. —. Fig.ro. Macramphidisk. Vergr. 3°. Fig. ı1. Stauraetines Acanthophor.Vergr. 2°. Tafel VI. Fig.1ı—-9. Euplectella regalis spec. nov. Fig.ı. Eine Hälfte des oberen Endes mit Marginalsaum und Siebplatte. Natürliche Grölse. i Fig. 2. Ein Stück aus der mittleren Partie des Körpers. Äulsere und innere Fläche. Natürliche Grölse. Fig. 3. Ein Wirtel von Floricom - End- strahlen. Aufsicht. Vergr. °”. Fig.4. Seitenansicht eines Floricom - End- strahlenwirtels. Vergr. >. Fig. 5. Sigmatocom. _Vergr. >. Fig.6. Oxyhexaster. Vergr. °”. Fig.7. Kräftiges Oxypentactin aus der Ringmembran einer Wandlücke. Vergr. =, Fig. 8. Theil der terminalen Siebplatte mit Marginalsaum. Aufsicht. Natürliche Grölse. ‚ankernadel. Fig. 9. ‚Unteres Ende einer basalen Kolben- oa Veergr. —.. Fig. 10-18. Regadrella decoraspec.nov. Fig. 10. _Basaltheil. des röhrenförmigen Körpers. Natürliche Gröfse. Fig. ır. Senkrechter Wanddurchschnitt. Vergr. =°. Combinationsbild. 4b Fig.ı2.. Aufsicht eines Floricom - End- strahlenwirtels. Vergr. ®°. Fig.13. Einzelner Endstrahl eines Floricomes in Seitenansicht. Vergr. °*. Fig.ı4. Floricom mit zwei Endstrahlen- wirteln in Seitenansicht. Vergr. °. Fig.ı5. Oxystauraster in Flächenansicht. „p, 300 BE Fig.16 und ı7. Oxystauraster in Kanten- oO .„ 300 ansicht. Vergr. —. Fig. 18. Io Vergr. —. Gebogenes macroseleres Diactin. Tafel VI. Lophocalyx spinosa spec. nov. Fig.ı. Schräge Aufsicht. Natürliche Grölse. Fig. 2. Natürliche Gröfse. Fig. 3. Wanddurchschnitt. Vergr. >. binationsbild. Fig.4. Autodermalpentactin. Vergr. °°. Fig. 5. Autodermalstauraetin. Aufsicht. Ver- Ansicht von unten. Com- er F ze 6. Autodermalstauraetin. Schräge An- sicht. Vergr. 2°. Fig. 7. Autodermalstauractin. Kantenan- sicht. _Vergr. 3°, TI Fig.8. Autogastrales Hexactin. Vergr. °. NO » a 380, Fig. 9—-ı1. Hemioxyhexaster. Vergr. =. Fig. ı2. Strobiloplumicom. Vergr. 2°. Fig.13. Längsschnitt eines Strahles mit Endstrahlen von Vergr. 13 Schema. Fig.14. Unteres Ende einer vierzähnigen basalen Ankernadel. Vergr. ”. Fig.1ı5 und 16. Enden von zwei macro- seleren parenchymalen Diactinen. Vergr. >. einem Strobiloplumicom. ie, DEU. K. Preuss. Akad. d. Wissensch. Phys Abh. 1900. J War Lach land a PRSER: 200 7 E Lauslth. Iner Bertinz Hyalonema rapa E-E. Sch. u Hexactinelliden des indischen Oceanes il. Taf. l. ug nn ange Hyalonema martabanense FE. Sch. FESchulze: Hexactinelliden des indischen Oceanes Il. Phvs. Abh — u.“ 1900 Taf. Il IN I Phys. Abh 4 .d. Wissensch. Preuss. Akad. a Laune, üh, Inst.Benän Hyalonema lamella F. E. Sch. wi Hexactinelliden des indischen Oceanes Ill. = N 3 £ vo [7] Ei Ei Phvs. Abh. 1900 K. Preuss. Akad. d Wissensch. Ze Sa. Rue NIE AT, = Pre Taf. W. Lophophysema inflatum FE E. Sch. FESchulze: Hexactinelliden des indischen Oceanes Ill a a a TEN Bi ER DET. I et m ide 1 DR r BR: Proöuss: Akad. d. Wissensch. Phys. Abh 1900 _ Ammm £: ur mn nz PS erlın B.Laxe, Uth.. Inst: Tafı\. 77 © E RAR SB er d>! ie NS vo 2 Es Sen So SE E35 =, BT Er a5 iz, ce s8 an. % o 2 en ER Si 3 EP} oO A 2 [ES K. Preuss. Akad. d. Wissensch. Phys. Abh. 1900 buch. Inst vE Laws, Berk Fig. 1-9. Euplectella regalis F E. Sch. Fig. 10-18. Regadrella decora E E.Sch. EESchulze: Hexactinelliden des indischen Oceanes Ill. K.Preuss Akad. d. Wissensch. Pl \bh. 1900 iys. Abh. 1° Lophocalyx spinosa F E. Sch. FESchulze: Höxactinelliden des indischen Oceanes Il. Taf. VL Die Kolon-Nischen, die Arteriae colicae und die Arterienfelder der Bauchhöhle, nebst Bemerkungen zur Topographie des Duodenum und Pankreas. Von W. WALDEYER. Phys. Abh. 1900. II. 1 Gelesen in der Gesammtsitzung am 20. December 1900 [Sitzungsberichte St. LIN. S. 1141]. hg Zum Druck eingereicht am gleichen Tage, ausgegeben am 25. März 1 ! « Kar die Bestimmung der Lage der Baucheingeweide, vor Allem der an der hinteren Bauchwand befindlichen, sind in den bisherigen Veröffent- lichungen bei Weitem noch nicht alle Hülfspunkte erschöpfend behandelt worden. Insbesondere erschien mir das Verhalten des Duodenum und des Pankreas zum Colon transversum einer erneuten Darstellung bedürftig, indem sich einfache Lagebeziehungen hervorheben lassen, die bisher nicht gebührend berücksichtigt sind. Diese Beziehungen dürften, obzwar auch an und für sich nicht ohne Interesse, namentlich bei operativen Eingriffen für eine schnelle und sichere Orientirung Bedeutung haben. In zweiter Reihe ist ein bestimmtes Verhalten der von den Bögen der Arteriae colicae umschlossenen Felder zu einer Anzahl der retroperito- naeal gelegenen Organe nicht wohl zu verkennen. Nennen wir diese Felder Arterienfelder, Areae arteriacae, so kann man sagen, dafs in diesem oder jenem Arterienfelde bestimmte Organe mit einer gewissen Regelmäfsig- keit gelagert sind. Auch hier- dürften sich für die praktische Verwerthung Anhaltspunkte finden lassen. Als Nebenergebnifs der nach dieser Richtung hin geführten Unter- suchungen wurden bestimmtere Vorstellungen über die Verästelungsweise der Arteriae colieae gewonnen. Es darf bei den so sehr verschiedenen Beschreibungen des Verlaufes und der Verästelung dieser Arterien, wie sie in der Litteratur niedergelegt sind und sich aus den Abbildungen ergeben, wohl der Mühe werth erscheinen, von diesem Gegenstande eine Darstellung zu liefern, welche versucht, mit möglichster Annäherung an die Durch- schnittsform ein typisches Bild zu entwerfen. 1* 4 W. WALDEYER: Ich werde zunächst auf die Lagebeziehungen zwischen Duodenum und Pankreas einerseits und Colon transversum andererseits, dann auf die Ver- ästelung der Arteriae colicae und in dritter Linie auf die topographischen Beziehungen der Arterienfelder eingehen. Sonach gliedere ich die nach- stehende Abhandlung in folgende Kapitel: I. Lagebeziehungen des Colon transversum zum Duodenum und Pankreas. ı. Allgemeines; die Kolon-Nischen. 2. Form- und Lage-Verhältnisse des Duodenum im Besonderen. 3. Die zum Pankreas führenden Wese. II. Die Arteriae colicae. IN. Die Arterienfelder der Bauchhöhle. Zur Erklärung der Betitelung dieser Abhandlung will ich vorweg noch bemerken, dafs das Duodenum rechterseits, und ein grofser Theil des Pan- kreas linkerseits in mehr oder weniger tiefen Nischen gelegen sind, welche sich durch das Überhängen des Colon transversum unter diesem Darm- stücke an der Basis des Mesocolon transversum bilden. Ich nenne diese Nischen die »Kolon-Nischen«; sie werden durch die Radix mesenterii von einander getrennt. Die rechtsseitige kann passend als Duodenalnische, die linksseitige als Pankreasnische bezeichnet werden. I. Lagebeziehungen des Colon transversum zum Duodenum und Pankreas. 1. Allgemeines; die Kolon-Nischen. Wie soeben bemerkt, belege ich mit dem Namen Kolon-Nischen jene beiden sehr wohl bekannten Taschen oder Recessus, welche dadurch entstehen, dafs das Colon transversum mit seinem Mesocolon von der Hinter- wand der Bauchhöhle in einer im Allgemeinen nach vor- und abwärts gehenden Richtung mehr oder minder stark zur vorderen Bauchwand hin vorspringt, während in der Mitte die Radix mesenterii und die Flexura duodenojejunalis, einem medianen Septum nicht unähnlich, vorragen, wozu noch die Wirbelsäule mit den vor derselben gelegenen grofsen Gefälsstämmen, gleichfalls als mediane Trennungsgebilde der Bauchhöhle hinzutreten. Links und rechts von der Wirbelsäule und der Gekröswurzel entsteht somit je Die Kolon- Nischen u. s. w. 5 eine Tasche oder Nische, welche lateral durch die stärker vorspringenden Theile des Colon ascendens und descendens (dieht unterhalb der Flexur: coli dextra et sinistra) begrenzt werden. Beide Taschen sind am tiefsten unmittelbar zu den Seiten der Wirbelsäule, und man gelangt von vorn und unten her bequem in dieselben hinein, wenn man das Colon transversum mit seinem Mesocolon ein wenig nach vorn anzieht und emporhebt. Eine sehr gute Vorstellung von diesen Nischen liefert das von Steger in Leipzig gefertigte His’sche Modell des Situs viscerum (23), wenn man in diesem Modelle das isolirte Querkolonstück an seinen Platz bringt. Auch sind Formolpraeparate, wie wir dieselben seit dem Bekanntwerden dieses vor- trefflichen Härtungsmittels in der Berliner anatomischen Anstalt in aus- giebigster Weise verwenden, sehr geeignet, eine klare Vorstellung von diesen Nischen gewinnen zu lassen. In jüngster Zeit hat Dr. Frehse, Volontär- assistent an der genannten Anstalt, ein neues Gipsmodell in Lebensgrölse gefertigt, bei welchem besondere Rücksicht auf die topographischen Be- ziehungen der beiden Taschen genommen wurde. Ich bin mir wohl bewufst, dafs ich mit dieser Schilderung nur voll- kommen Bekanntes gegeben habe. Es ist indessen für die richtige Wür- digung vieler anatomischer Verhältnisse, insbesondere topographischer, nicht unwichtig, auf ihr Bestehen ausdrücklich hinzuweisen und sie durch eine passende Namengebung auszuzeichnen. Auch wird sich weiter unten aus der Besprechung der Litteratur ergeben, dafs die in Rede stehenden Bil- dungen, wenn auch bekannt, doch nicht die Berücksichtigung gefunden haben, welche sie meiner Meinung nach verdienen. Dafs mit der Aufstellung dieser Taschen als besonderer Gebilde sich ein Gewinn für die klare Darstellung der Topographie des Duodenum und des Pankreas erzielen lässt; hoffe ich im Nachfolgenden zu zeigen. Die rechtsseitige Kolon-Nische oder Duodenalnische wird be- grenzt nach oben vom Beginn des Colon transversum und dem entsprechen- den Mesocolon, da wo letzteres im Ganzen quer, und dabei leicht auf- steigend, über die Pars descendens duodeni hinwegzieht. Lateral bildet das oberste Stück des Colon ascendens die Grenze, medial die Wurzel des Gekröses, insbesondere die Vena mesenterica superior. Die Tasche öffnet sich nach unten. In die Tasche ragt hinein, und zwar von oben her, rechts ein Stück des Duodenum, welches ich als dessen Pars infracolica bezeichne 6 W. WALDEYER: — weiter unten werde ich genauer auf die Theile und Lageverhältnisse des Duodenum eingehen —. Zwischen dieser Pars infracolica duodeni und dem Kolon, gegen dessen Flexura dextra hin, zeigt sich ein schmaler, beson- ders vertiefter Recessus der Tasche, der mit dem Namen Recessus re- nalis belegt sein mag. Seine Geräumigkeit wechselt so wie seine Gestalt. Bald ist er flach und pyramidenförmig mit dem blinden spitzen Ende nach oben und hinten gerichtet, bald mehr rinnenförmig und schmal. In ersterem Falle hat bequem ein Mannsdaumen in ihm Platz, in letzterem knapp ein kleiner Finger. In diesem letzteren Falle rückt natürlich die Pars infracoliea duodeni nahe an das Colon ascendens heran. Die Grölse der Duodenalnische sowohl wie die des Nierenrecessus wechselt mit dem Füllungszustande der sie begrenzenden Darmabschnitte. Vom Nierenrecessus aus kann man bequem das untere Ende der rechten Niere durchfühlen und erreichen; aus ihm tritt, und zwar genau aus dem Winkel zwischen Duodenum und rechter Niere, der rechte Ureter hervor. An der linken Grenze der Duodenalnische gegen die Mittellinie des Körpers hin, und zwar am Ende der Pars infracolica duodeni, da. wo das Duodenum unter die Gekröswurzel tritt, stöfst man, wie ich nochmals hervorhebe, unmittelbar auf die Vena mesenterieca superior. Die gleichnamige Arterie ist links neben ihr gelegen. In den Beziehungen dieser vier Theile: des unteren Endes der rechten Niere, des rechten Ureters, des Duodenum und der Vena mesenterica superior zu der Duodenalnische liegt deren topographische Wichtigkeit, und man orientirt sich sehr leicht von dieser Tasche aus über die genannten Theile. Der Grund, warum ich den Namen »Duodenalnische« vorschlage, ist der, dafs das Duodenum den bei Weitem gröfsten Theil der Tasche einnimmt und bei Aufdeekung derselben am leichtesten wahrgenommen wird. Die linksseitige Kolon-Nische oder Pankreasnische wird be- grenzt nach oben vom Mesocolon transversum, nach rechts von der Pars ascendens duodeni und von der Flexura duodenojejunalis nebst dem Anfange der Gekröswurzel, nach links vom Colon descendens bis zur Flexura coli sinistra hinauf. Wegen des nach rechts gerichteten Laufes der Radix me- senterii eröffnet sich die Tasche nach unten und rechts; sie ist gewöhn- lich etwas weniger geräumig als die Duodenalnische, aber ein wenig tiefer, da meist die linke Hälfte des Querkolon stärker vorspringt als die rechte: auch ist ihr blinder Grund höher gelegen, da die Flexura eoli sinistra Die Kolon-Nischen u. s. w. 2 weiter hinaufreicht als die Flexura dextra. Die hintere Wand bildet das parietale Bauchfell mit den hier befindlichen Verzweigungen der Arteria mesenterica inferior. In diese Nische ragen hinein von oben und vorn das Corpus pan- ereatis und der Anfangstheil von dessen Cauda, dahinter und darunter in wechselnder Ausdehnung das untere Ende der linken Niere, in rund- licher Gestalt. Beide Organe sind von der Tasche aus leicht durchzu- fühlen: die Niere erweist sich dem Gefühl als ein mehr glatter und fester Körper, sie erscheint auch weniger beweglich als das Pankreas. Aus der Tasche tritt nach unten, ähnlich wie rechts. der Ureter hervor. Wenn das Colon transversum in seiner gewöhnlichen Lage sich befindet, dann ist der Theil des Pankreas, welcher in den Taschenraum hineinschaut, cm nur von geringer Ausdehnung, etwa 3°” von links nach rechts messend und etwa I Tasche hineinschauende Nierenstück ist erheblich gröfser als das des Pan- cm von hinten nach vorn in die Tasche vorragend. Das in die kreas; auch ist dieses Taschenstück der linken Seite fast dreifach so grols als das entsprechende der rechten. Endlich ist auch das Stück des Duo- denum, welches an der Begrenzung der Tasche theilnimmt, mindestens ebenso umfangreich als das Taschenstück des Pankreas. Hebt man aber das Colon transversum sammt seinem Mesocolon in die Höhe und schlägt es (ohne zu starke Zerrung) nach hinten zurück, so vergröfsert sich das Pankreasfeld ganz erheblich. Man sieht dann das Pankreas, falls das Meso- eolon nicht allzu fettreich ist, deutlich durch das letztere hindurchschim- mern; bei fettlosen Mesocola kann man selbst die Pankreasläppchen er- kennen, insbesondere an Kinderleichen. Man kann ferner ohne zu starkes Nachdrängen die Stelle erreichen, wo das Pankreas die Milz berührt und von hier aus das letztere Organ palpiren. Ja, noch mehr: drängt man das Mesocolon transversum stärker nach oben, so dafs sich der Pankreas- körper um seine Längsaxe dreht, so kann man von der linken Kolon- nische aus die Stämme der Vasa lienalia erreichen: besonders leicht ist dies bei Kindern der Fall. Das eben über das Verhältnifs des Pankreas zur linken Kolon-Nische Gesagte hat mich denn auch bewogen, als einfachere Bezeichnung für diese Nische den Namen »Pankreasnische« in Vorschlag zu bringen. Das Pan- kreas ist in der That dasjenige Organ, welches hauptsächlich von dieser Nische aus erreichbar ist: die Nieren sind von beiden Nischen aus zu ) W. WALDEYER: palpiren und eignen sich daher nicht für eine unterscheidende Namen- gebung. Ich weils auch sehr wohl, dafs, wenn das Panereas inferior gut ausgebildet ist, man das letztere zu einem kleinen Theile auch von der rechten Tasche aus erreichen kann: doch ist das Pankreas für die linke Kolon-Nische, ebenso wie das Duodenum für die rechte, der am meisten augenfällig vorspringende Theil, so dafs ich bei der Wahl eines charakteri- sirenden (zweiten) Namens nicht zweifelhaft sein konnte. Aus der Darstellung der beiden Taschen und der von ihnen aus er- reichbaren Organe ergiebt sich wohl ohne Weiteres die bereits Eingangs erwähnte Berechtigung, sie als besondere Abschnitte des Bauchraumes hin- zustellen und zu benennen. In der That ist bei der Berücksichtigung dieser Taschen, wovon sich Jeder an der Leiche sofort überzeugen wird, die Orientirung über die unteren Abschnitte der Nieren, die oberen Stücke der Ureteren, das Corpus nebst der Cauda panereatis und das Duodenum (in den betreffenden Abschnitten desselben) eine so einfache und natür- liche, dafs man die beiden Nischen als wichtige topographische Merk- stellen für die Bauchhöhle und ihre Organe gern wird anerkennen wollen. Ich zweifle auch nicht, dafs bei Laparotomien am Lebenden die Berück- sichtigung dieser beiden Nischen für eine Reihe von operativen und dia- gnostischen Encheiresen ihren Werth haben wird. Nochmals betone ich, dafs ich mir wohl bewulst bin, mit dem Ge- sagten nichts thatsächlich Neues beigebracht zu haben: die Rechtfertigung meiner Beschreibung suche ich vielmehr darin, dafs man in den Hand- büchern der systematischen und topographischen Anatomie, sowie auch in den Spezialabhandlungen über die Topographie des Bauchraumes und der hier in Betracht kommenden Organe vergebens nach einer verwerthbaren eingehenden Darstellung und richtigen Würdigung dieser Nischen sucht. Eine bemerkenswerthe Ausnahme macht Henke; doch berücksichtigt er Manches nicht, was ich hervorgehoben habe, und die hier besprochenen Nischen sind auch nur Theilstücke der gröfseren Räume, in welche er in sehr richtiger topographischer Auffassung die Bauchhöhle zerlegt. Ich gebe im Nachfolgenden kurz das, was ich in der mir zu Gebote stehenden Litteratur über die in Rede stehenden Verhältnisse gefunden habe. Die älteren Lehrbücher und die Spezialabhandlungen über die betreffenden Körper- theile haben so gut wie nichts über die Kolon-Nischen und die von ihnen aus wahrnehm- baren und erreichbaren Organe mitgetheilt. Erst in Luschka’s erolsem Werke (36) heilst es (S.20): »Sie (die Fossa duodenojejunalis) hat ihre Lage neben dem linken Umfange des Die Kolon-Nischen u. s. w. 9 dritten Lendenwirbels, also da, wo das Pankreas mit der Aorta und der linken Niere eine mehr oder weniger tiefe »Nische«! begrenzt«. S.30 wird angegeben, dals man auf den drei bekannten Wegen (durch das Omentum minus, durch das Ligamentum gastrocoliecum und durch das Mesocolon transversum) zum Pankreas vordringen könne. Dals man aber von der Pankreasnische her bereits das Pankreas sehen und palpiren kann, wird nicht er- wähnt. Die drei Wege, welche zum Pankreas führen, bespricht Luschka auch in seiner Anatomie des menschlichen Bauches (37); hier sagt er aber von den Nischen nichts. Die topographische Bedeutung des Mesocolon transversum, indem es eine quere Scheidewand in der Bauchhöhle bildet, durch welche die Organe der Oberbauchgegend von denen der Mittel- und Unterbauchgegend geschieden werden, ist schon oft gewürdigt worden, ohne dafs jedoch dabei der geschilderten Nischen gedacht worden wäre. Die Beziehungen des Mesocolon zum Pankreas und zum Duodenum werden zum Theil gut und richtig dar- gestellt, zum Theil jedoch auch unrichtig, oder sie werden übergangen. Hyrtl (25) er- wähnt die Scheidewandstellung des Mesocolon und gedenkt der alten Bezeichnung »Dia- phragma secundarium«, die dieser Gekröstheil deshalb bekommen hat. Wenn aber Hyrtl sagt (a. a.0. S.20o8, Th. I), dafs das Mesocolon transversum in seiner Wurzel den unteren queren Theil des Zwölffingerdarms einschlielse, so ist das nicht korrekt. Richtig ist J. von Gerlach’s (14) Bemerkung, dafs das Mesocolon transversum vor der Mitte des absteigenden Duodenalstückes beginne; es stimmt aber nicht, wenn weiterhin gesagt wird, dals, weil das Querkolon mit seiner (rechtsseitigen) Flexur vor dem absteigenden Duodenalstück herziehe, der untere Theil der Pars descendens duodeni keinen Bauchfell- überzug habe; wenigstens ist das nicht genau. Davon, dafs Nischen gebildet werden und dals man von diesen aus bei Erhebung des Colon transversum verschiedene Eingeweide, insbesondere ein Duodenalstück, sehen kann, ist nichts erwähnt. Klar und bestimmt spricht Debierre (9) von den »deux etages abdominaux qui re- sultent de l’existencee du mesocolon transverse« (P.II, p. 389) und sagt (P. II, p.414): »Son mesocolon forme une cloison horizontale, qui separe le foie, la rate et l’estomac, qui sont au dessus, de l’intestin grele qui reste au dessous«. In Bezug auf das Duodenum ist diese Äufserung (»intestin gröle«) zu allgemein gefalst; der Nischen wird nicht gedacht, obwohl sie in der Abbildung, Fig. 238, gut hervortreten. P. 819 l.c. heilst es bei Debierre nur, dals die »troisieme portion du Duodenum« unter der Ansatzwurzel des Mesocolon trans- versum gelegen sei; von den Beziehungen der übrigen Theile des Zwölffingerdarmes zum Kolon bez. Mesocolon transversum ist nicht die Rede. Bezüglich des Pankreas soll,auch der Angabe Sappey’s (50) gedacht sein, bei dem es — T.IV, p. 284, edit. III — heilst: »Le bord inferieur (du Pancreas) repose sur la lame "inferieure du mesocölon transverse qui le separe des circonvolutions les plus elevees de lintestin grele«. Der Taschen geschieht keine Erwähnung. Rauber (43) stellt das Lageverhältnils des Duodenum zum Colon transversum inso- fern nicht völlig richtig dar, als er angiebt, dals die untere »Hälfte« des Duodenum unterhalb des Colon transversum liege (S.506, 5. Aufl.), denn man darf fast zwei Drittel des Duodenum als unterhalb des Mesocolon transversum befindlich annehmen. In der Figur 816, S.753, Th.I ist indessen das Verhältnifs völlig richtig dargestellt; auch sind die Kolon- Nischen auf der Figur 804 sehr wohl zu sehen, werden jedoch nicht besprochen. ! Die Anführungszeichen habe ich hinzugesetzt. Phys. Abh. 1900. Il. 2 10 W. WALDEYER: In Rüdinger’s grofsem topographisch-anatomischen Werke (47) ist von der topo- graphischen Bedeutung des Colon transversum und seines Mesocolon nicht die Rede; da- gegen heist esin dem 1891 erschienenen »Cursus der topographischen Anatomie« (48): »Ganz zweckmälsig kann man die Bauchorgane topographisch in eine unterhalb des Colon trans- versum und oberhalb desselben gelegene Gruppe eintheilen«. Es findet sich indessen über die Kolon-Nischen und über die Lage des Duodenum zum Mesocolon transversum nichts Genaueres , ebensowenig, wie in dem grölseren Werke. Auch W. Krause (34) macht auf die Bedeutung des Querkolon und seines Mesen- terium als einer Scheidewand aufmerksam (S. 544). Es wird jedoch nicht gesagt, dals ein Theil des Duodenum unterhalb dieser Scheidewand gelegen sei. Richtig ist dies wiederum von Joessel (27) angegeben worden, bei welchem es (a. a. ©. S. 227) heifst: »Diese ganze unterste Abtheilung und mit ihr die Hälfte des ver- ticalen Theiles (des Duodenum) liegt also unterhalb des Mesocolon transversum«. In den Specialabhandlungen von Treves (60 und 60a), von Fromont (12) und Cohan (7) habe ich über die Kolon-Nischen nichts gefunden; die Beziehungen des Meso- colon zum Duodenum sind, soweit darauf eingegangen wird, richtig angegeben. Bei Birmingham (3) finden wir eine gute Abbildung der Theile, wie sie in den Kolon-Nischen liegen; besprochen werden letztere nicht. Ebenso sind von Abbildungen zu eitiren die von Gubarow (Moskau), welche von D. J. Cunninsham (8, vol.I, p.466) mitgetheilt wird, und die von Merkel (4oa, Fig.168). Gubarow’s Original stand mir nicht zur Verfügung, ebensowenig die Arbeiten von R. Harms (15) und Dwight and Rotch (10a), sowie die Lehrbücher von Macalister und Luther Holden, so dals ich nicht angeben kann, inwieweit daselbst etwa die Nischen Berücksichtigung gefunden haben. Merkel und Cunningham gehen auf die Kolon-Nischen nicht ein. Näher kommt Th. Jonnescu (30) der Sache. Zunächst finden wir bei ihm in den Figuren ıro und ııı zwei sehr gute Abbildungen, und p. 334 sagt er bei Besprechung des Mesocolon transversum: »Il forme une cloison horizontale interposee a l’intestin grele d’une part, au foie, a l’estomac et a la rate d’autre part. Il divise la cavite abdominale en deux etages, un superieur, dont il forme le plancher, etage gastro-spleno-hepatique; un :autre inferieur, dont il forme la voüte, etage intestinal. — Pour le bien voir, il faut ouvrir V’ar- riere-cavite des Epiploons, dont il forme une des parois, en ineisant le ligament gastro- eolique le long de la grande courbure de l’estomac. Alors, en attirant le colon transverse en avant, on tend le mesocolon transverse qui est constitue de la fagon suivante. — I] pre- sente a considerer: deux bords, deux faces et deux extremites: — le bord posterieur, pa- rietal ou racine, concave en arriere, s’etend entre les deux reins; il passe sur la face an- terieure de la portion descendante du duodenum, sur la tete du panereas, au-dessus de l’angle duodenojejunal et le long du bord inferieur du corps du pancreas. — La plupart des auteurs disent que la portion horizontale inferieure du duodenum est contenue dans l’epaisseur de ce bord; ceei n’est pas exact, car, comme nous l’avons dejä dit, une partie, la moitie environ, de la portion descendante, toute la portion prevasculaire ou horizontale et la portion ascendante du duodenum sont situces au-dessous de la racine du mesocolon trans- verse«. Freilich auf die Rolon-Nischen geht, wie man sieht, Jonnescu auch nicht ein. O. Hildebrand in der zweiten Auflage seines Grundrisses der chirurgisch -topo- graphischen Anatomie, Wiesbaden, J. F. Bergmann, 1900, erwähnt (S. 232 und 233) zweier »Nischen« der Bauchhöhle; doch sind das andere, als die hier betrachteten Kolon- Nischen. Sie sind für die Nieren bestimmt; die eine liegt hinter der Leber und unter dem Ligamen- Die Kolon- Nischen u. s. w. 11 tum hepatoduodenale und birgt die rechte Niere, die andere, zur linken Niere gehörig, liegt hinter dem Magen und der Milz. Ich erwähne diese Nischen hier deshalb, weil die Nieren, wie wir gesehen haben, auch in die Kolon- Nischen hineinreichen. F. W.Henke (19) ist, man kann es wohl sagen, der Erste, welcher auf die topo- graphische Bedeutung der Kolon-Nischen genauer eingeht; ich führe die betreffenden Stellen, die vielleicht Wenige gelesen haben mögen, wörtlich an. Nachdem Henke die Wurzeln der drei langen Gekröse, des Dünndarm-Mesenterium, des Mesocolon und der Flexura iliaca beschrieben hat, fährt er fort: »Durch den Verlauf dieser drei Anheftungslinien der Radices der Mesenterien wird die im Übrigen von parietalem Bauchfelle bekleidete Vorder- fläche der hinteren Bauchwand und der ihr anliegenden retroperitonealen Organe in vier fast vollkommen abgegrenzte Bezirke getheilt, vor denen sich die Mesenterien selbst und die an ihnen hängenden Därme hin- und herbewegen können. An der Leiche lassen sie sich ohne alle Praeparation abwechselnd blolslegen, wenn man die Mesenterien und die an ihnen hängenden Därme abwechselnd nach der einen oder anderen Seite der Radices hin- wegschlägt« ...... »Das ganze Gebiet unterhalb der Radix des Mesocolon wird durch die parallellaufenden (Radices m.) der zwei unteren Mesenterien, an denen Dünndarm und Flexura iliaca hängen, in drei Stücke zerlegt: 1. das Dreieck rechts oben zwischen Mesocolon, Radix des Dünndarms und Colon ascendens. Darin liegt die Biegung des Duodenums nach links, das untere Ende der Cava und ein Stück des rechten Psoas und Ureter; 2. den langen Streifen, der sich zwischen beiden Radices entlang schräg von links und oben, vom Meso- colon und Colon descendens nach rechts und unten zum Beckeneingange und der rechten Leistengegend herabzieht. In diesem liegen von links oben nach rechts unten das untere Ende der linken Niere, ein grofser Theil des linken Psoas und Ureter, die obere Hälfte der linken und der ganze Verlauf der rechten Vasa iliaca, zwischen beiden das Promontorium und der Eingang in das kleine Becken« u. s. w. Weiterhin heilst es vom Mesocolon transversum (S. 324 unten), dals es »zwischen dem vorn herumgebogenen Darme, der an ihın hängt, und der hinten quer über die Bauchwand laufenden Radix, an welcher es hängt, so von hinten nach vorn durch den Bauch ausge- spannt ist, dafs es ihn in einen oberen und unteren Raum theilt. Nur ist, wenn die Mitte des Halbbogens, den der Darm beschreibt, etwas herabhängt, natürlich auch die Platte (das Mesocolon m.) etwas vorn herunterhängend gespannt, so dafs ihre untere Seite etwas nach hinten, die obere nach vorn sieht; unter Umständen kann es aber auch umgekehrt sein, besonders links«. Auf die Bedeutung der Kreuzungsstelle des Mesocolon transversum und der Radix mesenterii mit den in ihr eingeschlossenen Gefälsen geht Henke S. 326 ein: »Der Hauptausgangspunkt der Verästelungen der Gefälse ist die Stelle, wo die Mitte der Radix des Mesocolon und das obere Ende von der des Dünndarmmesenteriums am Ende des Duodenum zusammenkommen« u.s. f. Ferner ist S. 346 zu vergleichen, wo die Ver- hältnisse beim Kinde beschrieben werden. Wie man sieht, hat Henke in seiner Beschreibung der von mir betonten Nischen gedacht. Er nennt sie »Dreiecke«, und beschreibt sie in viel grölserer Ausdehnung, geht aber auch darauf ein, was in ihnen gelegen ist. Indessen dürfte durch die Beschränkung auf die nischenförmigen Spitzen der Dreiecke, welche ich meiner Darstellung zu Grunde lege, die chirurgische Bedeutung dieser Lagerungen besser hervortreten; auch wird man die Er- wähnung der rechten Niere in der rechten Kolon-Nische bei Henke vermissen. Die eingehenden Untersuchungen Erik Müller’s (39) über die Lage des Darmkanals beim Foetus nehmen auf die Henke’sche Eintheilung des Bauchraums Bezug und heben DE: 12 W. WALDEYER: das Verhalten des Mesocolon transversum und der Radix mesenterii zu den betreffenden unter und neben ihnen gelegenen Organen (Nieren, Duodenum u.a.) in ähnlicher Weise hervor. Doch betont auch Müller nicht die Nischenform der unterhalb des Mesocolon transversum gelegenen Räume. Jedenfalls ist er aber an Henke unmittelbar anzureihen, wenn es sich um die Angabe derjenigen Autoren handelt, welche auf die in Rede stehenden Lagerungsverhältnisse näher eingegangen sind (vergl. insbesondere a. a. 0. S.52 und 53). Es mag noch erwähnt sein, dafs E. Müller das Duodenum zur Hälfte oberhalb, zur Hälfte unterhalb des Mesocolon transversum gelegen sein lälst, was, wie hervorgehoben wurde, nicht zutrifft. Auch die nach der von Henke im Archiv für Anatomie und Physiologie veröffent- lichten Abhandlung (18) erschienenen Arbeiten von Weinberg (62) und Mall (40) knüpfen an die H'enke’sche Eintheilung des Bauchraumes an. Weinberg bezeichnet unter An- derem die verschiedenen von Henke aufgestellten Unterräume als »Nischen«; näher gehen beide Autoren jedoch auf das hier behandelte Thema nicht ein, ebensowenig Lemaire (35a), welcher indessen in seiner Figur ı (l. c. p.1g, 20) die Nischen gut abbildet. Abbildungen der beiden Kolon-Nischen gebe ich hier nach Zeichnungen von Kinderleichen auf den Tafeln IH und IV. Taf. II bringt beide Nischen, allerdings durch das weit zurückgelegte Mesocolon transversum so eröffnet, dafs der Nischen-Charakter fast verloren gegangen ist. Dasselbe gilt von Taf. IV. Die linke Nische ist weit in Taf. II eröffnet; man sieht in diesen Figuren die in der Beschreibung genannten Theile: Duodenum, Nieren, Ureteren, Pankreas (Dd.. R., U. und P..). 2. Form- und Lage-Verhältnisse des Duodenum im Besonderen. Die Beschäftigung mit den Kolon-Nischen liefs mich bald erkennen, dafs für die Auffindung des Duodenum in der Leiche, sowie für operative Eingriffe in der Bauchhöhle, eine andere als die übliche Eintheilung und Beschreibung dieses Organs, eine Beschreibung, die ich schon seit einer Reihe von Jahren in meinen Vorlesungen gebe, einige Vortheile zu bieten scheint. Beschreibt man das Duodenum in der alten Weise, nach Prae- paraten, wie sie nach Wegnahme des Colon transversum, des Magens und des Dünndarms, unter Erhaltung des Pankreas und der grolsen Ge- fälsstämme gewonnen werden, also nach Praeparaten, die eine möglichst ausgiebige Freilegung des Organs bezwecken, dann rechtfertigt sich die übliche Unterscheidung in eine Pars horizontalis superior, Pars de- secendens, Pars horizontalis inferior und Pars ascendens, welche letztere in der scharf geknickten Flexura duodenojejunalis ihr Ende er- reicht, während der Beginn des Duodenum durch den resistenten Pylorus- ring deutlich sicht- und fühlbar markirt ist. Der Übergang der Pars horizon- Die Kolon- Nischen nu. s. w. 13 talis superior in die Pars deseendens wird durch die Flexura duodeni prima bezeichnet: am Übergange der Pars descendens in die Pars horizon- talis inferior liegt die Flexura duodeni secunda, und zwischen der Pars horizontalis inferior und ascendens kann die Flexura duodeni tertia unterschieden werden. So weit die übliche Beschreibung, welche auch den Thatsachen voll- kommen Rechnung trägt. Will man aber den topographischen Beziehungen des Duodenum Ausdruck geben, so empfiehlt es sich, zunächst zwei gröfsere Abschnitte des Organs zu unterscheiden: eine Pars supracolica und eine Pars infracolica. Richtiger wäre es vielleicht zu sagen: Pars suprameso- coliea und Pars inframesocolica, da die ein wenig schräg über die Pars descendens duodeni hinwegziehende Ansatzlinie des Mesocolon transversum diese beiden Stücke von einander scheidet. Aber die ersteren beiden Namen sind hinreichend bezeichnend und empfehlen sich durch ihre gröfsere Kürze. Die Pars supracolica ist ausgezeichnet dadurch, dafs ihr in der- selben Höhe das Pancreas superior, gleichsam als Fortsetzung nach links hin, entspricht: denn auch dieses ist oberhalb der Ansatzlinie des. Meso- colon gelegen. Der Pars supracolica duodeni entspricht ungefähr ein Drittel des gesammten Zwölffingerdarmes, während die übrigen zwei Drittel der Pars infracolica angehören. Letztere wird nun wieder durch die über die- selbe hinweglaufende Gekröswurzel und die in dieser eingeschlossenen Vasa mesenterica superiora in eine rechte und linke Hälfte getrennt, die man passend als Pars infracolica dextra und sinistra unterscheiden kann. Will man den topographischen Verhältnissen noch eingehender Rechnung tragen, so könnte als besonderes Stück der die beiden Partes infracolieae verbindende, von der Radix mesenterii verdeckte Theil des Duodenum als Pars submesenterialis unterschieden werden. Es scheint mir nicht unwichtig, darauf noch besonders aufmerksam zu machen, dafs das Duodenum in seinem Verlaufe zweimal verdeckt wird, einmal in seinem absteigenden Theile durch das Mesocolon transversum, das andere Mal in seinem unteren Querstücke durch die Radix mesenterii. Da, wo diese beiden Gekröszüge nahezu rechtwinklig auf einander stofsen, liegt die wichtige Durchtrittspforte der grofsen Mesenterialgefälse zu ihrem Bette hinter dem Pankreas und zur Entstehungsstelle der Pfortader, Grund genug, um auf dieses topographische Verhältnifs besonders hingewiesen zu haben. Man vergleiche hierzu die vorhin angeführten Sätze F.W. Henke's 14 W. WALDEYER: und die weiter unten mitzutheilenden Angaben von W.His sen. Schliefs- lich sei noch hervorgehoben, dafs die Pars infracolica sinistra ebenso in die linke Kolon-Nische hineinschaut, wie die Pars infracolica dextra in die rechte. Legt man diese Eintheilung des Duodenum, welche seinen Beziehungen zu den grofsen topographischen Abschnitten der Bauchhöhle entspricht, und ebenso dem Verhältnifs zu den grofsen Gekröszügen und Blutgefälsen, und damit auch der Entwickelungsgeschichte Rechnung trägt, seiner Be- schreibung zu Grunde, so wird, wie mich eine langjährige Erfahrung lehrt, die Auffindung der einzelnen Theile des Organes nicht unwesentlich er- leichter. Man kann überdies, je nach Bedürfnifs, leicht die ältere, rein deskriptive Eintheilung des Organes in jene von mir vorgeschlagene hinein- bringen: Die Pars supracolica umfafst die Pars horizontalis superior, die Flexura duodeni prima und die obere Hälfte der Pars descendens — so ist es we- nigstens das Gewöhnliche —; die Pars infracolica dextra umfalst den Rest der Pars descendens, etwa die Hälfte der Pars horizontalis inferior, nebst der Flexura duodeni secunda; die Pars infracolica sinistra schliefst in sich den Rest der Pars horizontalis inferior, d.i. die Pars submesenterialis, die Flexura tertia duodeni und die Pars ascendens. So kämen denn auf jeden der drei von mir unterschiedenen Hauptabschnitte (Pars supracolica, Pars infracolica dextra, Pars infracolica sinistra) je drei Abschnitte der alten Zählung, wobei aber, wie das ja auch thatsächlich der Fall ist, das ab- steigende und das untere Querstück durch die Gekrösansätze je in zwei gesondert zu zählende Theile halbirt werden und die Flexurae duodeni mit- zuzählen sind. Beispielsweise kämen auf meine Pars supracolica die Pars horizontalis superior, die Flexura duodeni prima und die Pars supracolica der Pars descendens u. s. f. Man sieht aus den zahlreichen Veröffentlichungen, welche gerade die letzten Jahre über die Form- und Lageverhältnisse des Duodenum gebracht haben (Citate s. weiter unten), dafs man mit der Fassung der bisherigen Beschreibungen noch nicht recht zufrieden ist; ob ich mit meinem Vor- schlage diese Befriedigung erwecken werde, mufs die Zukunft lehren. Jeden- falls dient er dazu, die Theile des Duodenum leichter auffinden zu lassen, und damit wird der Abdominalchirurgie sicherlich gedient. Es scheint mir für diese kaum von Wichtigkeit, ob das Duodenum eine Ringform, U-Form ‚oder V-Form habe, ob die Pars horizontalis inferior der Autoren mit Recht Die Kolon- Nischen u. s. w. 15 ihren Namen führe, oder gleich von ihrem Beginne ab aufwärts sich wende, ob es zweckmälsig sei, eine Pars horizontalis superior zu unterscheiden oder nicht. Wichtiger scheint es mir, auch in der Beschreibung und Namen- gebung die Thatsachen zu konstatiren, dafs das Duodenum theils oberhalb, theils unterhalb des Colon (oder Mesocolon) transversum gelegen sei, und dals es zweimal in seinem Laufe verdeckt werde, einmal in seinem ver- tikalen Theile durch das Mesocolon transversum, das zweite Mal in seinem unteren horizontalen Theile durch die Radix mesenterii und die in ihr eingeschlossenen grolsen Gefälse (Vasa mesenterica superiora). Dem hat auch His (23) bestimmten Ausdruck gegeben: »Das Duodenum ist bekannt- lieh ein Hauptkreuz für Anfänger, weil ohne vorangegangene Praeparation seine verschiedenen Abschnitte nicht gleichzeitig zu überschauen sind. Da es erst vom Mesocolon transversum und dann vom Beginn des Mesente- rium gekreuzt wird, so lassen sich auch mit Bezug auf die Bauchfellbe- kleidung drei Abschnitte daran unterscheiden... Der obere Theil, ober- halb des Mesocolon liegend, umfafst die Pars superior und einen Theil der Pars descendens...« u. s. f. — Der zweite, (untere) Theil des Duodenum wird nicht näher besprochen. Da ich noch einige andere Punkte in der Anatomie des Duodenum auf Grund meiner Praeparate behandeln möchte, ist es erforderlich, die neueren Litteratur-Angaben über diesen Darmabschnitt eingehender mitzutheilen: Die bessere Erforschung der Lage, Form und der Theile des Duodenum beginnt mit den ausgezeichneten Abhandlungen von Treitz (58, 59), Toldt (55-57), W. Braune (4) und Schiefferdeeker (5r). Durch Festlegung der Übergangsstelle des Duodenum in das Jejunum mittels des von ihm entdeckten Musculus suspensorius duodeni hat Treitz das distale Ende des Duodenum scharf bestimmt und Toldt (1879) wies dann nach, dals diese Über- gangsstelle, die Flexura duodenojejunalis, beim Foetus der Umbeugungsstelle in die Nabel- schleife des Darmes entspricht, und schon beim sechswöchentlichen Embryo an die hintere Leibeshöhlenwand befestigt ist. Während Huschke in der zweiten Auflage des Sömmer- ring’schen Handbuches der Anatomie bereits richtig die Lage und den Lauf der Pars hori- zontalis superior duodeni angiebt, ist wohl Treitz (59) der Erste, der eine Pars ascen- dens duodeni abbildet und angiebt, dals die Flexura duodenojejunalis oft wieder bis zum Niveau des Pylorus aufsteige. Cruveilhier (7a) erwähnt (p. 136) eines Falles, wobei sich ein aufsteigender distaler Theil fand: »Chez un sujet, j’ai trouve une quatrieme portion qui se portait de bas en haut, et qui avait deux centimetres et demi de longueur; en sorte que le duodenum deecrivait une troisieme courbe & cavite, dirigee a.droite«. Toldt ist jedoch, wie mir scheint, der Erste gewesen, welcher diesen aufsteigenden Theil als einen beständigen beschrieben und benannt hat. Es heilst bei ihm (57) S. 36: »Hinsichtlich der Benennung der einzelnen Abschnitte des Zwölffingerdarmes kann ich mich dem Vorgange von Schiefferdecker, welcher das Duodenum in eine Pars superior, 16 . W. WALDEYER: media und: inferior eintheilt, nicht anschliefsen, weil diese Namen die wesentlichen Lage- eigenthümlichkeiten nicht gut bezeichnen. Ich halte es für zweckmäfßsiger, die alten Namen: Pars horizontalis superior, Pars descendens und Pars horizontalis inferior beizubehalten und für den durch seine Lage und Richtung besonders ausgezeichneten End- theil die Bezeichnung Pars ascendens duodeni oder aufsteigendes Endstück des Zwölffingerdarmes zu gebrauchen. »Diesen letzteren Ausdruck habe ich schon im Jahre 1879 (56) verwendet und seither auch beim Unterrichte beibehalten.« Man kann noch eine ganze Reihe von älteren Autoren, unter denen Luschka (37) und insbesondere W. Braune (4) nicht vergessen sein sollen, eitiren, die entweder eine aufsteigende vierte Portion des Duodenum abbilden oder beschreiben, oder als gelegentlichen Befund notiren, indessen kommt es darauf weniger an, sondern darauf, dass man einen solchen Theil als beständige reguläre Bildung anerkennt und benennt; dies fällt, wie ich meine, Toldt zu. Als ein beständiges Verhalten beschrieben hat den aufsteigenden Theil auch schon W. Braune 1877, aber nicht besonders benannt. Jedenfalls sind Bruce Young (65) und Fr. Treves (60a) nicht im Rechte, wenn sie sich so ausdrücken, als ob Bruce Young (1884) zuerst die Pars ascendens als ständig unterschieden und benamnt habe. W. Braune (4) brachte durch seine Darstellung die vereinzelt — s. das vorhin Be- merkte — bekannt gegebene Thatsache, dafs das distale Ende des Duodenum wieder das Niveau des Anfanges, also des Pylorus, erreiche, zu allgemeiner Anerkennung, und machte somit auf eine Form des Duodenum, die Ringform, aufmerksam, welche von ihm statt der bisher anerkannten Hufeisenform als die typische hingestellt wird. »So kommt, heilst es bei Braune, in dem Verlaufe des Duodenums die Bildung eines offenen Ringes zu Stande, welcher vom Pylorus ausgehend, bis in die Nähe desselben unter der unteren Magenwand wieder zurückläuft, um dann nach vorwärts in den Traetus des Jejunums und lleums weiter zu ziehen.« Schiefferdecker (51) hat vor Allem die wichtigen Verschiedenheiten bestimmt, welche in der skeletotopischen Lagerung des Duodenum zu beobachten sind; dann weist er mit Recht die zu grosse Verallgemeinerung einer Rinsgform zurück. Die Form des Duo- denum ist abhängig sowohl von dessen Länge, als auch von dem verschieden hohen Be- ginne der Pars verticalis Schiefferdecker (descendens autt. u. BNA.). Von der Pars inferior duodeni BNA. (horizontalis inferior autt.) behauptet Schiefferdecker, a.a.0. S. 338, dals sie eigentlich immer eine Pars ascendens sei. Auf diesen Punkt werde ich weiter unten näher eingehen. Ferner beschreibt Schiefferdecker genau und mit Begründung ihrer Entstehung die U-Form und die V-Form des Duodenum, freilich ohne sie besonders zu benennen — die betreffenden Namen sind später von Th. Jonnescu (29) gegeben worden. Die Figur 3 Taf. XVI bei Schiefferdecker kann als Darstellung einer der Rinsform sich nähernden U-Form gelten; eine V-Form giebt Fig. 2 derselben Tafel. In den Beschrei- bungen Schiefferdecker’s sind in der That alle wichtigen Punkte, welche die Form des Duodenum und seine Skeletotopie betreffen, enthalten. Was. die Bezeichnungen Schieffer- decker’s anlangt: Pars superior, media und inferior, so komme ich darauf zurück. Jonnescu (28-30) nimmt drei Hauptformen des Duodenum an, die er auch beson- ders benennt (s. das vorhin Gesagte): ı. Type annulaire parfait, 2. Type en U, 3- Types en V. Jonnescu erkannte, worin ich ihm beipflichte, dafs die Rinsform vor- wiegend dem kindlichen Alter (von der Geburt bis etwa zum 7. Jahre) eigen ist; selbst- verständlich sind die letzten Foetalmonate hinzuzurechnen. Die beiden anderen Formen gehören der folgenden Lebenszeit an; sie werden nur selten in dem ersten Kindesalter gefunden. Die Kolon-Nischen u. s. w. 17 Eingehend bespricht Jonnescu auch die syntopischen Beziehungen des Duodenum (l. c. p.67, IV, Rapports). Er betont vor Allem die Lage der Pars descendens zur rechten Niere: »Quoi qu’il en soit, on peut dire que la portion descendante du duodenum est toujours franchement prer&nal«. Weniger kurz und bestimmt lassen sich die Beziehungen der Pars ascendens zur linken Niere ausdrücken: Es kommt niemals zu einer festeren Aneinanderlagerung beider Organe; es hängt vielmehr von der Form und der Aus- dehnung der Pars ascendens ab, wie weit die Niere mit ihr in Berührung tritt. Bei der U-Form ist die Berührung, wie leicht einzusehen, ausgiebiger als bei der V-Form. »En resume«, sagt Jonnescu (l.c. p.70), »les deux portions verticales du duodenum meritent le nom de renales, mais la droite, si je puis m’exprimer ainsi, est plus renale que la gauche. Quant aux ureteres et aux vaisseaux spermatiques qui les cotoyent, ils sont, des deux cötes, couverts par l’anse duod£nale.« In seiner Bearbeitung des »Darmtraetus« in dem grolsen Anatomie-Werke von Poirier (30) — sie trägt kein Datum — geht Jonnescu gleichfalls sehr eingehend auf das Duodenum ein. Er giebt dazu mehrere vortreffliche Abbildungen. Die von ihm hier verwendeten Be- zeichnungen der Theile des Zwölffingerdarmes sind: Portio prima s. subhepatica, Portio descendens s. praerenalis, Portio horizontalis s. praeaortica. Letztere Bezeichnung, »praeaortica« (und auch »praevascularis«), findet sich vorzugsweise in der früheren Abhandlung, fehlt aber auch in Poirier’s Handbuche nicht. P.255 finden sich bei der Besprechung des Verhaltens des Bauchfells zum Duodenum auch die Bezeichnungen: Partie sus-me&socolique und sous-mesocolique. »Le duodenum est croise, comme nous l’avons dit, par la racine du mesocolon transverse et par celle du mesentere: le meso- eolon transverse passe sur sa portion descendante, et immediatement au-dessus de l’angle duodeno-jejunal, il divise le duodenum en deux parties: ’une sus-mesocolique, formee de la premiere portion de l’angle sous-hepatique et de la moitie superieure de la portion descendante; l’autre sous-m&socolique situ&e au-dessous du m&socolon transverse, croise en €charpe la portion horizontale.« Dieser letzte Satz »croise en echarpe la portion hori- zontale« ist nicht verständlich; das kann sich doch nur auf die Radix mesenterii, nicht auf die Portion sous-mesocolique des Duodenum beziehen, und von der ist doch die Rede. Es scheint ein Druckfehler vorzuliegen. Besser verständlich ist die Darlegung dieser Ver- hältnisse in der früheren Abhandlung (1889, Nr. 29). Nachdem Jonnescu hier angegeben hat (p. 18u.19), dafs das Mesocolon transversum den Bauchraum in eine obere und untere Abtheilung (etages) zerlege, fährt er fort, (p. 19): »Le duodenum fait relief sur la paroi posterieure des deux etages abdominaux; son angle superieur et une partie de sa branche descendante font partie de l’etage superieur; le reste de sa portion descendante, toute sa portion preaortique ainsi que l’ascendante et souvent me&me l’angle duodeno-jejunal, ap- partiennent ä l’etage inferieur. Quelquefois pourtant, l’angle duodeno-jejunal est contenu dans l’epaisseur meme de la cloison mesocolique«. — Ich habe dieses Letztere bis jetzt nicht constatiren können. — Jonnescu fährt fort: »Done, les auteurs sont ä cöte de la realite, en disant que la portion horizontale inferieure du duodenum est contenue dans l’Epaisseur du mesocölon transverse, ou est situee sous le feuillet inferieur de ce meso«.! t Ich finde in den französischen Werken theils die Schreibweise Cölon, theils Colon (ohne den Accent). Sappey, dem Mehrere folgen, will den Namen Colon von kwAvo, ich hemme, ableiten, darauf Bezug nehmend, dafs der Darminhalt im Colon sich langsamer be- wege, in seinem Vorrücken gehemmt werde; dann wäre die Schreibweise »Cölon« richtig. Phys. Abh. 1900. II. 3 18 W. WALDEYER: Die Bezeichnungen: »sus-mesocolique« und »sous-mesocolique« gebrauchen auch Roud (46) und Juvara, Assistent Jonneseu’s und Schüler Poirier's (32, p. 278). Sonst habe ich diese Namen nicht gefunden, obwohl das betreffende Lageverhältnils, wie begreif- lich, noch mehrfach erwähnt wird. Beiläufig sei gesagt, dafs in dem spanischen Lehrbuche der Anatomie von J. Calleja y Sänchez und F. Oloriz (6), welches sich meist an Sappey’s Lehrbuch anlehnt, die Bezeichnungen: poreio primera, superior 6 hepätica, segunda, media 6 renal, und ter- cera, inferior 6 pancreätica gebraucht werden, obwohl Sappey dieselben nicht hat. Die Winkel (Biegungen) zwischen der I. und Il. Portion und II. und III. Portion bezeichnen die spanischen Kollegen als »recodo hepätico« und »recodo renal«. Es ist also in diesen Be- zeichnungen schon der wichtigen Lagebeziehungen zu Leber und rechter Niere Rechnung getragen. — H. Hartmann (17), welcher zur selben Zeit wie Jonnescu (1889) der Societe anatomique de Paris seine Untersuchungen über das Duodenum mittheilte, bildet gut die Pars infracolica ab, und nimmt drei Formen des Zwölffingerdarms an, das »Duodenum coude«, welches der U-Form entspricht, das Duodenum en spire, am meisten der Ringform gleichend, und das Duodenum angulaire gleich der V-Form. Besonders beschäftigt er sieh mit dem Nachweise der Pars ascendens. In der sich an Jonnescu's Vortrag knüpfenden Dis- eussion vertheidigt Hartmann die Annahme einer besonderen Pars horizontalis superior, während Jonnescu diese nicht für zulässig erklärt hatte. Es sei dieser Abschnitt des Duodenum, meint Letzterer, so kurz und gehe so rasch in die obere Krümmung über, dals man als ersten (proximalen) Theil nur eine »Courbure sous-hepatique« annehmen solle. Ballowitz (r) will die V-Form Jonnescu’s als eine besondere nicht gelten lassen. Am häufigsten komme vor die U-Form; daneben müsse die Ringform angenommen werden, die auch vorzugsweise als die infantile zu gelten habe. In dritter Reihe kämen die Über- gangsformen zwischen den beiden Genannten. Der Unterschied zwischen der U-Form und der V-Form sei nur ein gradueller; er werde bedinst durch die verschiedene Ausbildung der unteren Umbiegung, und diese wieder werde beeinflulst durch die mehr oder weniger Wie mir aber mein Kollege Hr. H. Diels mittheilt, könnte Kolon von einer Wurzel » ko « abgeleitet werden, welche vielleicht etwas »Grosses, Starkes, Dickes« bedeutet, wie in koAoc- cos (?). «oXos heilst auch »stumpf, abgestutzt«. Abweichend hiervon hält Hr. Joh. Schmidt für möglich, dals xoAov mit xoAeöv, koAeös (Schwertscheide) verwandt sei. Hr. Diels machte mich noch auf eine Stelle des Aristophanes aufmerksam, aus welcher die Quantität der ersten Silbe von «oAov klar hervorgeht, denn o und » wird sonst von den Abschreibern leicht verwechselt. Die Stelle, Aristoph., »Ritter« 455, lautet im Text und in der Über- setzung von Droysen: mal alTov avdpeiorara kal Nur immer tapfer zugehaun! yaorpıle kaı ToIs Evrepoıs Schlag um den Bauch kal tols koNoıs (v—v—) Ihm das Gedärm XÖTWs koNd Tov Avcpa. Und Eingeweid’ Und gerb’ das Fell ihm weidlich. koxoıs und koA@ (Fut. I von xoAalew) sind, wie Hr. Diels bemerkt, Wortspiele, welche die Schreibung »xöAov« noch bekräftigen; dies ist auch in der Übersetzung hervorgehoben worden. — Die Ableitungen des Wortes »Colon, Kolon« in dem bekannten medicinischen Lexikon von Kraus wären demnach nicht zutreffend. Die Kolon- Nischen u. s. w. 19 horizontale Richtung des ersten Abschnittes der Pars ascendens. Ballowitz stimmt Schief- ferdecker zu, wenn dieser den unteren horizontalen Duodenum-Theil der Autoren von vorn herein immer etwas ansteigen läfst. Die drei Bezeichnungen Schiefferdecker’s: Pars superior, media und inferior sind aber auch ihm wie Toldt (s. vorhin) zu indifferent. Eine vollendete Ringform hat er übrigens auch in einigen Fällen bei Erwachsenen gefunden; bei Weitem die meisten der von Ballowitz untersuchten Duodena (ro unter 2) hatten die U-Form. Damit stimmen auch die Angaben von Th. Dwight (ro), der unter 70 Fällen 22mal dieser Form begegnete, aber auch 2ımal der V-Form, 4mal der Ring- und 5mal der C-Form, d. h. der Hufeisenform der älteren Autoren. — Bemerkenswerth ist auch die Angabe Dwight's (p. 519): The usual statement, that the third part crosses the aorta presumably with no peritoneum intervening, and that the fourth ascends on its left, is in- correct. Jonnesco admits that this last part is much less firmly attached than the second and third, so that it slides easily. He states that when the fourth part ascends vertically it lies on the lower third or quarter of the left kidney, and that in the V-shape it only a little touches the kidney. He says that the second part is pr&-renal, and the fourth also; but if the expression may be excused, it is less pr@-renal (vergl. p.17). »In point of fact,« fährt Dwight fort, »it is only exceptionally that the fourth part is pr&-renal at all. In the 54 cases already mentioned, the duodenum was on the right on the Aorta till just before the terıninal flexure 26 times. It was wholly on the right 6 times. The fourth part lay in front of the aorta ıı times and the third part actually cerossed the aorta ır times. In many of the cases in which the gut lay on the front of the aorta as it ascended, or just before the final flexure, and in some of those in which the third part crossed the aorta, a fold of peritoneum lay between the two.« Die beiden Abbildungen von N. Bishop Harman (16) geben eine gute Vorstellung von dem Verhalten des Mesocolon transversum zum Duodenum. Merkel’s (40a) Beschreibung (S.532/33) muls als für die meisten Fälle zutreffend angesehen werden, und mag sie deshalb hier mitgetheilt sein: »Der weitere Verlauf dieses Darmstückes wird meist als ein hufeisenförmiger beschrieben. Danach unterscheidet man auch eine Pars superior, descendens und inferior (es sind dies die von BNA angenommenen Namen m.), doch wäre es irrig, wenn man die Form des Duodenum als eine in allen Individuen gleichbleibende ansehen wollte. Beim Embryo stellt dasselbe ein gerundetes, mehr als einen Halbkreis beschreibendes Darmstück dar. Auch beim Erwach- senen kann es in dieser Form verharren und dann eine Art Spirale beschreiben, wobei der obere Theil der Windung den hinteren, der untere den vorderen Theil der Spirale dar- stell. Diese Form ist aber nicht die gewöhnliche. Im Laufe des Wachsthums zieht sich vielmehr der abgerundete Kontur des Duodenalringes meist nach unten rechts in die Länge, so dals aus dem Kreise eine U-Form, in extremen Fällen selbst eine V-Form entsteht. Das U wendet seine Concavität nach oben und ganz wenig nach links. Zu dieser Grund- form kommen noch einige weitere Biegungen hinzu«. Merkel beschreibt nun die Bie- gung der Pars superior, die Flexura duodeni superior, die Biegung der Pars descendens nach hinten, die Flexura duodeni inferior, als welche er den ganzen unteren Verbindungs- schenkel des U nimmt. Der aufsteigende Schenkel des U ist nach der Form der Wirbel- säule gebogen. — Den Namen »Pars horizontalis inferior«e lehnt Merkel in der An- merkung zu S.534 ausdrücklich ab; er läfst seine Pars inferior stets über die V. cava inferior und die Aorta hinweggehen, wenigstens giebt er keine Ausnahmen an; dieser Theil des Darms liege zwischen diesen Gefälsen und den Vasa mesenterica superiora wie 3 20 W. WALDEYER: . in einer Gabel, welche ihn von oben umfasse. Ausdrücklich wird angegeben, dals unten gegen die Flexura duodeni inferior hin, zwischen Kolon und Radix mesenterii, ein Stück vom Bauchfell glatt überzogener Duodenalfläche sichtbar werde, wenn man Colon transversum und Dünndarm entfernt hat. (Eine »Entfernung« dieser Theile ist nicht nöthig; es genügt, das Colon transversum mit seinem Mesocolon ein wenig in die Höhe zu heben und etwaige Dünndarmschlingen, die dort lagern, bei Seite zu schieben; ich bemerke dies hier aus- drücklich, weil das Wort »Entfernung« so gedeutet werden könnte, als mülsten die ge- nannten Theile weggeschnitten werden.) — Näher geht Merkel auf die Beziehungen zwischen Colon transversum, Mesocolon transversum und Duodenum nicht ein, erwähnt auch nicht der Ausdrücke: Pars supra- und inframesoeolica. Bei Mettenheimer (38) begegnen wir der auffallenden Angabe, dafs bei Neugebo- renen das Mesocolon transversum nicht die Pars deseendens, wie bei Erwachsenen, sondern die Pars horizontalis inferior kreuze. Ich will hierzu gleich bemerken, dafs ich dies bei den von mir untersuchten Neugeborenen nicht gesehen habe; die Kreuzung bildet zwar bei Neu- geborenen gewöhnlich eine mehr schräg aufsteigende Linie als bei Erwachsenen, liegt jedoch — so war es wenigstens in meinen Fällen stets — auf der Pars descendens. Folgende Punkte, hinsichtlich derer, wie aus der vorhergehenden Über- sicht hervorgeht, verschiedene Meinungen bei den Autoren noch bestehen, seien nach den Ergebnissen meiner eigenen Untersuchungen hier nun be- sprochen: Zunächst das Vorhandensein einer besonderen Pars horizontalis superior duodeni, dann die Annahme einer besonderen Pars hori- zontalis inferior und die einer Flexura duodeni tertia, endlich die Bezeichnung des unteren Duodenalstückes als einer Pars praevascularis, insbesondere Pars praeaortica (Jdonnescu). Meines Erachtens kann kein Zweifel darüber bestehen, dafs man eine Pars horizontalis superior duodeni im Sinne der früheren Autoren beibehalten müsse, und kann ich Jonnescu nicht beipflichten, wenn er an ihre Stelle einfach eine Flexura subhepatica duodeni setzen will. Die für mich be- stimmenden Gründe sind folgende: Zunächst kann man in der weit über- wiegenden Zahl der Fälle, wenn das Duodenum in der Leiche in dem- jenigen Zustande angetroffen wird, in welchem man es auch beim Lebenden gewöhnlich voraussetzen darf, d.h. nicht stark durch Gase und Inhalt aus- gedehnt, feststellen, dafs vom Pylorus aus das Anfangsstück des Duodenum in einer ganz bestimmten Richtung und ungefähr 3—4°° weit (beim Er- wachsenen) am rechten Rande der Wirbelsäule nach hinten und rechts zieht, ehe es in die Pars deseendens umbiegt: diese Richtung ist im Wesent- lichen horizontal. Sie kann einmal etwas nach aufwärts oder auch ein wenig nach abwärts sich wenden, will man sie aber benennen, dann kann Die Kolon- Nischen u. s. w. 21 keine andere Bezeichnung als »horizontal« oder »quer« gewählt werden. Es kommen, das soll ja nicht geleugnet sein, Fälle vor, wo der Darm sofort vom Pylorus ab sich in die Pars descendens umkrümmt; aber die Mehr- zahl hat doch den Entscheid zu geben. Ferner ist, gleichfalls überwiegend häufig, die Umbiegungsstelle (Flexura duodeni prima) der Pars horizontalis superior duodeni in die Pars descendens so deutlich ausgeprägt als Winkel oder schärfere Biegung, dafs eine Vernachlässigung des oberen Winkel- schenkels nicht gerechtfertigt erscheint. Endlich darf man aber auch wohl eine andere Thatsache, die freilich mit der Formbildung nicht zusammen- hängt, nicht übersehen, die nämlich, dafs dieses Anfangsstück des Duo- denum durch die Anwesenheit der Brunner’schen Drüsen und durch den Mangel an Kerckring’schen Falten vor allen anderen Theilen des Zwölf- fingerdarmes ganz besonders ausgezeichnet ist. Ich vermag es daher nicht als eine Verbesserung der Beschreibung des Duodenum anzusehen, wenn man diesen Theil aus der Nomenklatur verschwinden lassen will. Nehmen wir eine Pars horizontalis superior, oder, mit Schieffer- decker und den BNA, einfacher eine Pars superior an, dann muls auch eine Flexura duodeni prima (superior BNA) bestehen bleiben." Denn eine Pars descendens wird von Allen zugestanden. Soll man nun auch eine Pars horizontalis inferior bestehen lassen, oder schlechthin von einer Pars inferior reden, wie es Merkel, Schieffer- decker u. A.thun, oder mit Ballowitz eine Pars superior, descen- dens und ascendens annehmen, welche letztere bei der U-Form dem unteren Verbindungsstücke des U + dem rechtsseitigen Schenkel desselben entspreche? Die BNA schlagen einen Vermittelungsweg ein, indem sie als Haupt- theile eine Pars superior, descendens und inferior unterscheiden, an letzterer aber als Untertheile eine Pars horizontalis (inferior) und ascendens zulassen. Meines Erachtens entspricht diese Bezeichnung auch den That- sachen am besten. Schon aus der Litteratur haben wir ersehen können, dafs die U-Form die häufigere ist. Nun ist aber in einer ansehnlichen Zahl von Fällen das untere Verbindungsstück der beiden U-Schenkel recht grofs, mitunter so lang wie einer der beiden U-Schenkel selbst. Man ! Warum ich hier »prima« vorziehe und nicht den BNA folge, wird sich alsbald ergeben. 22 W. WALDEYER: kann dann in der Duodenalnische ein erhebliches Stück dieses Verbindungs- bogens sehen, der bis zur Kreuzungsstelle mit dem Mesenterium mitunter völlig horizontal läuft, oder doch so wenig ansteigt, dafs man nur ge- zwungen und einem Prineip zu Liebe hier schon von einer Pars ascendens reden könnte. Vergl. hierzu Dd. Taf. II und die ausgezeichneten Abbildungen von W. Braune (4). Für diese Fälle trifft es nicht zu, dafs, wie Schieffer- decker und Ballowitz behaupten, das dritte Duodenalstück gleich von Anfang ab etwas aufsteigend verlaufe, und diese Fälle sind, meinen Er- fahrungen nach, doch zu zahlreich, um vernachlässigt werden zu können. Besonders zu beachten scheint mir in dieser Hinsicht auch das Verhalten des Duodenum beim Foetus, von dem Braune (4) in seiner Figur II eine treffende Abbildung gegeben hat. Da vielfach bei den Beschreibungen darauf Gewicht gelegt wird, dafs das Duodenum vor der Untersuchung gut gehärtet worden sei, so möchte ich hier die Frage aufwerfen, ob nicht die Formol- oder Chromsäure-Er- härtung, oder die stärkere Füllung eines Rohres solche delikate Formver- hältnisse, wie wir ihnen hier offenbar begegnen — es geht dies ohne Weiteres aus den zahlreichen einander widersprechenden Angaben guter Beobachter hervor — derart abändern, dafs sie nicht mehr denen entsprechen, wie wir sie im Leben anzunehmen haben. Man kann auch mit solchen Verfahren des Guten zu viel thun. Ich halte für topographische Untersuchungen immer noch das Meiste von der vorsichtigen Blofslegung der Theile bei frischen Leichen normal gebauter gesunder Individuen; und für diese habe ich das Gesagte zutreffend gefunden. Selbstverständlich wird man sich auch anderer Verfahren (Gefrieren, Härten, Injieiren, Durchleuchten u. s. w.) bedienen; aber die einfache Inspektion unveränderter Theile darf nicht ver- nachlässigt werden und mufs immer zur Kontrole dienen. Lassen wir nun, wie ich es mit den BNA empfehlen möchte, eine Pars horizontalis inferior gelten, dann kommt noch eine vierte Portion des Zwölffingerdarmes als Pars ascendens hinzu, und damit auch noch eine weitere Flexur, die ich die Flexura duodeni tertia zu nennen vorschlage (vergl. +in Tafel lu. IV) und so zugleich erkläre, weshalb ich vor- hin den Namen »Flexura prima« und nicht »superior« gebraucht habe. Die Flexura seeunda wäre dann der Übergang von der Pars descendens in das Verbindungsstück des U: sie wäre beständig vorhanden, und zwar bei der V-Form als spitzer Winkel. Die Flexura tertia träfe für diejenigen Die Kolon-Nischen u. s. w. 23 Fälle zu, wo wir eine Pars horizontalis inferior und ascendens zu unter- scheiden hätten und läge zwischen beiden. Sie ist in diesen Fällen in der That auch sehr deutlich und wird gut gesehen, wenn man die Radix mesenterii so nach rechts hin umlegt, dafs die Pars ascendens duodeni klar hervortritt. Als vierte Flexur besteht dann die Flexura duodenoje- Junalis. Ich gehe noch in Kürze auf den Namen »Pars praeaortica« in der Darstellung Jonnescu’s ein. Es fragt sich, ob ich nach meinen Befunden zustimmen kann, der Pars horizontalis inferior allgemein den Namen »praeaortica« (oder prae- vascularis) als einen zweiten passenden zuzulegen. Ich kann mich dazu nicht entschliefsen, wenigstens nicht in dem kaum eingeschränkten Um- fange, wie Jonnescu in seiner früheren Abhandlung, aber auch in dem betreffenden Kapitel des Poirier’schen Handbuchs, wo es p. 247 (I. Aufl.) heifst: »la troisieme (portion), horizontale, passe devant la veine cave et l’aorte: c’est la portion horizontale ou preaortique«; p. 252/253, wo diese Portion horizontale genauer beschrieben wird, ist indessen der Name »preaortique« nicht mehr gebraucht. — Der Name würde meines Erachtens nur für die U-Form des Zwölffingerdarmes passen, denn nur hierbei geht der untere horizontale Schenkel meist vor der Aorta her, nicht aber bei der V-Form, bei der es, wie auch Jonnescu völlig richtig angiebt, nicht die Pars horizontalis inferior, sondern die Pars ascendens ist, welche »en &charpe« die Aorta kreuzt. Aber selbst bei der Ringform oder bei der U-Form habe ich Fälle beobachtet, in denen keine Kreuzung der Aorta stattfand, sondern, wo sich der aufsteigende U-Schenkel nur der rechten Seite der Aorta anlegte. Sonach ist es wohl besser von dem Zunamen »Pars praeaortica« gänzlich‘ abzusehen. Die von Braune (4) und Merkel (40a) hervorgehobene Eingabelung des Duodenum zwischen den Vasa mesenterica superiora und der Aorta, welche auch Jonnescu betont (in Poirier’s Handbuch 1. e. p. 253), findet demnach zwar in der Mehrzahl der Fälle, jedoch nicht immer statt. Schliefslich berühre ich noch die Vorstellung Collier’s (The Duode- num: a syphon-Trap. The Lancet. London 1887, p. 308), dafs das Duodenum durch seine Form wie ein Wasserverschlufs einer Leitung wirken müsse und uns vor dem Zurücksteigen der Darmgase schütze. Dabei ist nun ver- gessen, dafs zu einem Wasserverschlusse auch Wasser in einer bestimmten 24 W. WALDEYER: Menge und Lagerung gehört, und solches oder eine ähnliche Flüssigkeit ist im Duodenum meist nicht in einer genügenden Menge und nicht in der er- forderlichen Lagerung vorhanden. Auch kann man Gasblasen unschwer durch Druck auf den Darm durch das Duodenum nach jeder Richtung treiben, so dafs ein Motus antiperistalticus das Hindernifs leicht überwinden dürfte. Eher könnte noch die Eingabelung des Duodenum zwischen die genannten grofsen Gefälse hier angeführt werden; da sie aber nicht constant ist, ist sie auch wohl ohne besondere Bedeutung. Man kann Collier’s Ausführungen kaum ernst nehmen; auch Ballo- witz (1) hat bereits darauf hingewiesen, dafs für die Behinderung des Zurücktretens von Darmgasen in den Magen wohl andere Momente eine gröfsere Rolle spielen dürften. 3. Die zum Pankreas führenden Wege. Angesichts des zunehmenden Interesses, welches die Chirurgen dem Pankreas widmen, möchte ich dem Vorstehenden noch einige Wahr- nehmungen und Erwägungen über die Topographie dieses Organes hinzu- fügen, welche sich mir bei den betreffenden Praeparationen aufgedrängt haben. Bekamntlich giebt es fünf Wege, auf denen man anatomisch wie operativ zum Pankreas gelangen kann, drei intraperitonaeale und zwei extraperito- naeale. Die drei intraperitonaealen Wege sind meines Wissens zuerst von Luschka (36) hervorgehoben worden, a.a.0.S. 30, wo es heisst: »Obwohl das Pankreas von der kleinen Curvatur aus nach Zerreilsung des Omentum minus leicht erreichbar ist, so gelingt die möglichst vollständige Freilegung bei Obductionen doch am besten so, dafs man das grofse Netz nebst Magen und querem Grimmdarme gegen den Brustkorb zurücklegt und das zwischen der hinteren Bauchwand und dem Colon transversum sich anspannende Peritonaealblatt in querer Richtung durchschneidet, oder auch zwischen dem Colon transversum und der grolsen Curvatur des Magens in die Höhle des Netzbeutels eindringt«. J. von Gerlach (14) hat dann wieder auf diese Wege hingewiesen. Er sagt a.a.0.S.703: »Um in den Hohlraum der Bursa omentalis, also zur Ansicht des Pankreas zu, gelangen, stehen drei Wege offen: Trennung des kleinen Netzes, des Mesocolon transversum und des Ligamentum gastro- colicum. Von diesen ist der letztere weitaus der empfehlenswertheste. Es wird in seiner ganzen Länge das Ligamentum gastrocolicum entweder on Die Kolon-Nischen u. s. w. 2 eingeschnitten oder, was bei dessen Dünne ebenso leicht geht. eingerissen, der Magen nach oben. das Quereolon nach unten geschlagen. worauf die vordere Fläche des Pankreas vor der Wirbelsäule frei zu Tage liegt». Die beiden Chirurgen, welche sich in der jüngsten Zeit wohl am meisten mit dem Pankreas beschäftigt haben und uns auch werthvolle Beiträge zur Topographie desselben lieferten, R. U. Krönlein (35) und W.Körte (33) schliefsen sich auch vom chirurgischen Standpunkte Gerlach an: vom ana- tomischen aus dürfte wohl kein Widerspruch erhoben werden. Krönlein hat bei einer von ihm ausgeführten und so klar beschriebenen Operation (Entfernung eines Angiosarkoms aus dem Pankreaskopfe), dafs man jedem Messerzuge folgen kann und ein plastisches Bild des ganzen Operationsfeldes vor sich sieht — sie wird sicherlich so wie die fast gleichzeitig ausgeführte Operation von Biondi ihre Bedeutung in der Geschichte der Pankreas- ehirurgie behalten —, diesen Weg eingeschlagen. Nur glaube ich, dafs es zu viel gesagt ist, wenn Krönlein meint (S. 29), dafs bei Tumoren des Pan- kreaskopfes ein anderer Weg kaum eingeschlagen werden könne. Jeden- falls kommt hier auch noch der Weg durch das Omentum minus in Be- tracht, wenn ich mir auch die Schwierigkeiten nicht verhehle, welche die gröfsere Enge des zur Verfügung stehenden Feldes und die chirurgisch sehr unbequeme Verästelung der Arteria coeliaca hier bereiten müssen. Ohnehin sind ja Operationen am Pankreaskopfe viel schwieriger wegen dessen festerer Lage, der Ausführungsgänge der Leber und des Pankreas selbst und vor allem auch noch, wie ich besonders hervorheben möchte, wegen der Vena portae,. welche hinter dem Pankreaskopfe aus ihren Wurzelvenen entsteht und auf einer ansehnlichen Strecke noch hinter dem Kopfe verläuft. Es sind aber doch Fälle bekannt, und werden weiterhin sicherlich vorkommen, dafs Kysten oder feste Neoplasmen des Pankreas sich unter das kleine Netz hin wenden, so dafs sie von hier aus am besten zu erreichen sind. Das wird eben in concereto beurtheilt werden müssen. — Vollständig aber wird man Krönlein beipflichten, wenn er die Ansicht Paul Ruge’s (49). dafs der Weg durch das Omentum minus vorzuziehen wäre, ablehnt. Was den dritten Weg, den durch das Mesocolon transversum zu bahnen- den, anlangt, so scheint mir für diesen Krönlein auch wieder zu weit zu gehen, wenn er (a. a.0.S.30) sagt: »Die gewöhnlichen topographisch- anatomischen Bilder sind nach Praeparaten gezeichnet, bei welchen das Colon Phys. Abh. 1900. II. 4 26 W. WALDEYER: transversum mit seinem Mesocolon nach oben umgeschlagen und letzteres von unten durehtrennt ist. Allein. da dieser Weg von dem Chirurgen schon wegen der eminenten Gefahr einer Verletzung der Meso- colongefässe nicht eingeschlagen werden darf, wenn eine aus- giebige Blofslegung des Pankreas beabsichtigt wird', so sind diese Zeichnungen und Bilder für chirurgisch -praktische Zwecke nicht recht brauchbar.« Ich komme alsbald hierauf zurück. W. Körte spricht sich, a. a.0.S.18, ebenfalls dahin aus, dafs man in der Mehrzahl der Fälle den Weg zwischen Magen und Querkolon unter Durchtrennung des Ligamentum gastrocolicum zu wählen haben werde. »In selteneren Fällen, fährt er fort, geht der Weg oberhalb des Magens durch das kleine Netz, oder unterhalb des Colon durch das untere Blatt des Meso- colon. Bei letzterem Vorgehen müssen grolse Gefälse sorgfältig geschont werden, da ihre Unterbindung die Gangrän eines Theiles des Diekdarmes leicht nach sich zieht.« Dies war u. A. in dem von Krönlein operirten Falle eingetreten. Merkel (40a), welcher eine vortreffliche Abbildung (Fig. 182) des Pankreas in seinen wichtigen und mannigfachen Beziehungen zu den grofsen Unterleibsgefäfsen giebt, spricht sich am entschiedensten für den Zugang zum Pankreas durch das Ligamentum gastrocolicum aus (S. 538): »Der einzig gangbare Weg ist der zwischen grofser Curvatur des Magens und Querkolon«. Der Weg durch das Mesocolon transversum sei ganz zu verwerfen, da man gezwungen sei. erhebliche topographische Stö- rungen vorzunehmen, da das Querkolon die Übersicht unnöthig verenge und da eine Trennung des Querkolon-Mesenteriums chirurgisch keineswegs gleichgültig sei. Dies bezieht sich offenbar auf den von Krönlein ver- öffentlichten Fall mit nachfolgender Gangrän des Querkolon. Um zunächst bei dieser so merkwürdigen und verhängnifsvollen Gan- grän zu verweilen, so scheint mir die Ursache derselben noch nicht völlig klar gestellt. Krönlein zählt (mit dem seinigen) sieben Fälle auf, in denen nach intraserösen Operationen in der Oberbauchgegend Gangrän des Colon transversum auftrat, so dafs diese Gefahr eine von den Chirurgen schon recht gefürchtete ist. Nun sind aber sechs Fälle unter diesen nach schweren Magen-Pylorusresektionen vorgekommen, wobei Adhaesionen zwischen Quer- kolon und Magen mühsam durchtrennt werden mufsten. Dafs es dabei, selbst ! Der gesperrte Druck ist von mir veranlafst. Die Kolon- Nischen u. s. w. m 7 unter Beobachtung der gröfsten Vorsicht, zu ausgiebigeren Läsionen der eigenen Kolongefälse,. welche im Mesocolon transversum zu ihrem Darm- theile verlaufen, kommen kann, wird Niemand bezweifeln, und dann nimmt es nicht Wunder, wie auch Czerny, Courvoisier und Rydygier (eitirt bei Krönlein, a. a.0.S.25) betont haben, dafs Gangrän eintritt. Anders liegt die Sache freilich in dem hochwichtigen Falle von Krönlein. Hier war zwar auch das Querkolon vom Magen abgetrennt worden, aber so leicht, dafs jede Schädigung der Arkaden der Speisungsarterien des Colon dicht am Mesenterialrande des Darmes absolut ausgeschlossen war. Nur entschlofs sieh Krönlein. um der Gefahr einer Nachblutung zu entgehen, die Arteria und Vena colica media zwischen doppelter Ligatur zu durchschneiden. Die Gangrän des Kolon, welche als Todesursache (Patientin starb am sechsten Tage nach der Operation) bei der Obduktion festgestellt wurde, entsprach dem Gebiete der durchgeschnittenen Gefälse, und Krönlein steht nicht an, die Ausschaltung derselben für die Gangrän verantwortlich zu machen. Ich mufs nun bekennen, dafs. auch zugegeben, es sei die Unterbin- dung der Gefäfse in diesem Falle die Ursache der Gangrän gewesen, das Eintreten der Gangrän, falls weiter nichts mitgewirkt hat, mir doch noch räthselhaft bleibt. Denn bei dem Verfahren Krönlein’s waren alle Anasto- mosen der Querkolon-Arterien, welche ja besonders reichlich sind, er- halten. Auch die von Litten in seiner wichtigen Arbeit über die Folgen des Verschlusses der Arteria mesenterica superior (35”) gegebene Erklärung der dann regelmäfsig eintretenden Gangrän der betroffenen Darmtheile kann, so beachtenswerth und gut begründet sie ist, für diesen speciellen Fall doch wohl nicht als ausreichend angesehen werden. Litten fand freilich auch nach isolirtem Verschlusse von Ästen der A. mesenteriea superior Gan- grän des regionären Darmabschnittes; das war aber bei den Ästen der A. mesenterica inferior nur selten der Fall. Insbesondere die der Arteria colica media entsprechende Arterie ist meines Wissens auch noch nicht experi- mentell untersucht worden, obwohl der Krönlein’sche Fall als eine Art Experimentum erueis sich anführen läfst. Immerhin glaube ich, dafs hier vielleicht ein bis jetzt noch unbekannter Faktor mitgewirkt hat. Zu bedauern ist, dafs bei der Sektion die anatomischen Verhältnisse der Querkolon - Ar- terien nicht genügend mehr festgestellt werden konnten; vielleicht be- standen da Anomalien, welche Aufschlufs zu geben im Stande gewesen wären. Sicherlich ist auch eine Verlagerung und Exponirung eines so 4* 28 W. WALDEYER: grolsen schweren Darmstückes, wie es das Colon transversum darstellt, selbst bei aller Sorgfalt, welche anzuwenden möglich ist, nicht gleichgültig — und solche Operationen erfordern ihre Zeit! Ich füge dies hier nur an, um zu erweisen, dafs noch nicht Alles klar ist und dafs vielleicht die Aus- schaltung einer Querkolon-Arterie an sich keine so unmittelbare Gefahr der Gangrän mit sich führt. Jedenfalls fordert der Fall auf, noch einmal die Litten’schen Experimente, insbesondere für das Querkolon, zu wiederholen. Ich möchte nun mit meiner Besprechung dieses Falles einen Hinweis auf den Querkolon-Weg zum Pankreas verbinden und in dessen Verurthei- lung nicht so weit gehen. wie Krönlein und insbesondere Merkel es thun. Besonders empfehlen will ich ihn zwar nicht, aber auch nicht diskredi- tiren. Durch die nachfolgenden kurzen Darlegungen wünsche ich die Chi- rurgen zu veranlassen, ihn für geeignet erscheinende Fälle zu prüfen, wie ja denn auch W.Körte ihn für solche Fälle sich offen hält. Wie Taf.I zeigt, bietet sich in dem Felde V unmittelbar über der Flexura duodenojejunalis eine grofse Strecke dar, in welcher man, selbst durch queres Einschneiden des Mesocolon, ohne Arterienverletzung unmittelbar auf das Corpus pancreatis (P,) kommen kann. Ein grofser Theil des Pankreaskopfes (P) kann durch einen längs- oder querlaufenden Schnitt in der Area zwischen Art. colica media und colica dextra, oder einem an ihrer Stelle gewöhnlich vorfindlichen Ramus colicus (Taf. IV) erreicht werden. Das Feld V zeigt die Beziehungen zum Pankreaskörper auf den Tafeln I, II und II, V, auf Taf. IV. Nun ist es ja auch völlig zulässig. eine andere als die quere Schnittrichtung zu wählen, wenn sie nur hinreichenden Raum schafft; jedoch möchte ich, was die Topographie des Pankreaskörper anlangt, darauf aufmerksam machen, dafs sehr oft in dem Felde V — s.z. B. Taf. I und II — die grolsen Venae mesentericae dicht am unteren Pankreasrande bogenförmig zusammentreten. Ein weiterer Punkt, den ich berühre, ist das weite Hinabreichen des Pankreaskopfes, so dafs das Organ A_förmig oder bogenförmig erscheint (vergl. Taf. Iu. II, P). Seit His’ bekannter Arbeit ist es ja gewöhnlich so beschrieben und auch abgebildet worden, so auch in der angezogenen Figur von Merkel; aber da dieses Verhalten in den Figuren von Krönlein und Körte nicht deutlich hervortritt, während ich es an den von mir be- nutzten Leichen fast stets gut ausgeprägt fand, wollte ich doch noch ein- mal darauf hingewiesen haben. Die Kolon- Nischen u. s. w. 29 Am Klarsten übersieht man dieses Alles an Leichen magerer Kinder, deren Gefäfse injieirt sind; man hat nur nöthig, das Mesocolon transversum hinaufzuschlagen und die dünnen Därme bei Seite zu schieben; grolse Zerrungen sind dabei gar nicht nöthig. Nach solchen Praeparaten sind die Figuren auf den Tafeln I-IV getreu nach der Natur gezeichnet. Das Pankreas ist bei derartigen Leichen genau so deutlich zu sehen, wie es hier ab- gebildet ist, ebenso die übrigen Organe. Hat man sich erst bei solchen günstigen Objekten die nöthige Sicherheit im Auffinden der Theile ver- schafft, so kann man dieselben auch an ungünstigen Leichen Erwachsener mit starker Fettentwickelung ohne sonderliche Mühe wiedererkennen. Dafs bei dieser Haltung des Colon und Mesocolon transversum irgend welche erhebliche topographische Störung unterlaufe, welche — denn darauf kommt es ja an — das Vorgehen bei einer Operation erschwere, glaube ich ver- neinen zu dürfen. Ich bemerke noch, dafs J. Israel (31) in einem sehr bemerkenswerthen Falle von beweglichem Pankreas zur Eröffnung einer Pankreaskyste den oberen Weg durch das kleine Netz eingeschlagen hat. In einem zweiten Falle zeigte sich, dafs es nicht möglich war, weder von diesem oberen Wege aus, noch durch das Ligamentum gastrocolicum (wegen fester Ver- wachsung des Magens mit dem Colon transversum) zu einer Pankreaskyste zu gelangen. Israel schlofs die Operationswunde und punktirte mit bestem Erfolge in der Parasternallinie unterhalb des linken Rippenbogens. In ähnlichen Fällen könnte wohl an den dritten Weg durch das Mesocolon transversum gedacht werden; dafs dieser immer gangbar sei, ist selbst- verständlich damit nicht gesagt. Auf die beiden »extraperitonäalen« Wege (von der rechten und linken Weiche aus) gehe ich hier nicht näher ein. II. Die Arteriae colicae. Bevor auf die Darstellung der Arterienfelder der Bauchhöhle einge- gangen werden kann, müssen die Arteriae colicae, welche aus den beiden Arteriae mesentericae ihren Ursprung nehmen, einer Besprechung unter- zogen werden, denn es dürfte kaum Arterien des menschliehen Körpers geben, welche einer so verschiedenen Beschreibung unterliegen, wie die genannten. Die Ursache hierfür mag wohl in den zahlreichen, zum Theil 30 W. WALDEYER: jedoch nur unbedeutenden Abweichungen, welche diese Arterien darbieten, gefunden werden, zum Theil auch in mifsverständlicher Anwendung einmal vorhandener Bezeichnungen, die man beizubehalten wünschte, endlich viel- leicht auch darin, dafs der Beschreibung zu wenig Praeparate zu Grunde gelegt wurden. Immerhin kann man, wenn man von kleineren Abweichun- gen in den Beschreibungen absieht, die Darstellungen der Autoren von den betreffenden Arterien in einige Haupttypen zusammenfassen, die ich im Folgenden in Kürze angebe. A. Kolongebiet der Arteria mesenterica superior. Die aus der A. mesenterica superior entspringenden Äste für das Kolon, Caecum, den Processus vermiformis und das distale Deumende werden von der Mehrzahl der Autoren auf zwei verschiedene Weisen be- schrieben, die wir als Typus A und als Typus B unterscheiden wollen. Der Typus A nimmt drei Arteriae colicae an, welche entweder gesondert aus der Arteria mesenterica superior entspringen, oder von denen zwei — meist die beiden unteren — mit einem gemeinsamen Stamme aus ihr hervorgehen. Dabei wird das letzte Ende der Hauptarterie, wie es in das untere Ileum ausläuft, nicht mit hierher gerechnet und führt keinen besonderen Namen. Diese drei Arteriae colicae werden verschiedent- lich benannt, als prima, secunda und tertia, oder als superior, media und inferior, wobei unter prima — superior das am meisten kopfwärts entspringende Gefäfs zu verstehen ist. Die deutschen Autoren bezeichnen die A. colica superior als Colica media, die Colica media der anderen Autoren als Colica dextra und die Coliea inferior der letzteren als Ileo- eolica: für diese wird auch von einigen, z.B. von Fr. Reinke (44), der Name leocoecalis gebraucht. Dieser Darstellung begegnet man bei Beaunis und Bouchard (2), bei Calleja y Sanchez y Oloriz (6), bei Debierre (9), Henle (21), C.E. Hoffmann (24), W. Krause (34), Luschka (37), Poirier (4r), Quain (42), Rauber (43), Reinke (44), Romiti (45), Rüdinger (47), Sappey (50), Stieda (53), Testut (54) und Theile (52). Immerhin sind auch diese Autoren, zu denen ich leicht noch hätte andere fügen können, in einzelnen Angaben wieder unter sich verschieden. Theile giebt die ein- gehendste Beschreibung. ebenso Hildebrandt Weber (22), der auch hier- her gehört. Die Kolon- Nischen u. s. w. 31 Ich lasse Theile’s Darstellung, um ein bestimmtes Beispiel zu geben, hier folgen: S. 179 wird die »obere Gekröspulsader, Mesenterica s. Mesaraica superior«, als ein 4% Linien dieker und 7-8 Zoll langer Stamm beschrieben, der in schwach nach links eonvexem Bogen allmählich in ein liniendickes Ende auslaufe; dieses »Ende« wird nicht besonders benannt. Als Äste werden aufgeführt: 1. A. pancreatico-duodenalis inferior. 2. 10-15 grölsere und 3—ı2 kleinere Dünndarmpulsadern, Aa. intestinales. 3. »A. ileo-colica, als ein gegen ı$ Linien dicker Ast, welcher der 5.—8. grölseren Dünndarmpulsader gegenüber entspringt, gegen den Blinddarm herabsteigt und sich in einen auf- und einen absteigenden Ast theilt, die unter einander bogenförmig verbunden sind. Der absteigende oder Krummdarmast, Ramus iliacus, vereinigt sich mit dem Ende der oberen Gekröspulsader und giebt noch Dünndarmäste an den letzten Theil des Krumm- darmes. Der aufsteigende oder Grimmdarmast, Ramus colicus, vereinigt sich mit der rechten Grimmdarmpulsader..... Es werden als grölsere und deshalb besonders benannte Zweige der A. ileo-colica noch aufgeführt die Wurmfortsatzpulsader, A. appendicalis und die Blinddarmpulsader, A. coecalis. 4. A. colica dextra, colica dextra media (Tiedemann, Tab.23 Nr.2o). Sie ist ein Ast von ı-ı$ Linien Dicke, entspringt bald aus dem Stamme der oberen Gekröspulsader ober- halb der A. ileo-colica, bald ist sie ein Ast der mittleren Grimmdarmpulsader (Nr. 5), bald ist sie (und nach M. J. Weber wäre dies der gewöhnlichere Fall) mit der Hüftgrimmdarm- pulsader (A. ileo-colica) verbunden. Sie verläuft nach rechts gegen den aufsteigenden Grimmdarm, theilt sich früher oder später in einen absteigenden und aufsteigenden Ast zur Verbindung mit der A. ileo-colica und A. colica media und versorgt den rechten Grimmdarm. 5. A. colica media (Tiedemann, Tab. 23 Nr.1ı6), mittlere Grimmdarmpulsader, ent- springt den oberen Dünndarmpulsadern gegenüber als ein ı-ı$ Linien dieker Ast, dringt zwischen den Blättern des Quergrimmdarmgekröses nach vorn und etwas nach rechts, theilt sich bald in einen rechten und linken Ast (Ramus anastomoticus dexter et sinister), die sich mit der Colica dextra und der Colica sinistra vereinigen und versorgt den queren Grimmdarm«. Diese Beschreibung entspricht zweifellos in vielen Fällen den That- sachen; es fragt sich nur, ob sie das getreueste Durchschnittsbild giebt. Man mufs an ihr aussetzen, dafs einfach gesagt wird, die A. colica media versorge den queren Theil des Grimmdarms: das ist nicht genau genug. Sie versorgt im Durchschnitt nur die rechte Hälfte des Querkolon, ferner die Flexura coli dextra und 'noch das oberste an diese Flexur stofsende Stück des Colon ascendens (vergl. hierzu die Figur 934 des Atlas von Toldt (S. 578) II. Auflage, welche dieser Beschreibung entspricht, ferner meine Zinkographie b, S. 44 dieser Abhandlung, sowie meine Tafeln I und NM). Diese hier gegebenen Abbildungen entsprechen gleichfalls der Theile ’schen Beschreibung; aber man sieht zugleich aus allen den angezogenen Figuren, 32 W. WALDEYER: dafs die Angaben Theile’s über das Versorgungsgebiet der A. colica media nicht genau sind. Luschka und C.E. Hoffmann lassen die Arteria colica dextra (»moyenne« der französischen Autoren) sehr häufig aus der lleocolica (inferieure) entspringen — das stimmt ziemlich mit der Angabe M. J. Weber’s —, Testut nur manchmal (quelquefois). Die Namen superior, media, inferior gebrauchen die genannten spanischen Autoren (6), in- dem sie drei »Arterias colicas derechas« beschreiben. In der Abbildung des spanischen Lehrbuches, welche die Tiedemann-Sappey’sche ist, sind aber nur zwei Arterien zu sehen. — Seltsam muthet es an, wenn ein so genauer Autor wie Quain (p.463) sagt: „that the Neocolica is not always distinet from the termination of the superior mesenteric«. In dem Poirier’schen Handbuche wird die Henle’sche Figur reprodueirt und die Colica media der deutschen Autoren als »Artere du Colon transverse« bezeichnet. Diese Bezeichnung dürfte sich nicht empfehlen, da, wie schon vorhin bemerkt, dieses Gefäls auch noch Äste zum Colon ascendens sendet. Die beckenwärts folgende Arterie wird als »Artere du Colon ascendante« benannt = Arteria colica dextra der deutschen Handbücher; sie soll entweder selbständig von der Arteria mesenterica superior entspringen, oder aus der vor- hergehenden, oder aus der folgenden als secundärer Ast entstehen. Als dritte Arterie wird die »Artere ileocolique« oder »Artere ileocolo-cx#cale« aufgeführt, welche der »Colique in- ferieure« Sappey’s oder der lleocolica entspricht. Henle (a.a.O. S.1ı67, Fig. 88) unterscheidet 2-3 Arteriae colicae ohne weiteren Beinamen und sagt in der Anmerkung zu S.ı67 der zweiten Auflage seiner Gefälslehre: »Ich vereinige unter diesem Namen, nach Cruveilhier’s Vorgang, die Arteria ileo- colica (Colica dextra inferior), Colica dextra (Colica dextra media) und Colica media der deutschen Handbücher, die sich, wegen der Veränderlichkeit der Zahl und des Ver- breitunssgebietes des Gefälses, nicht immer ohne Zwang unterscheiden lassen«. Aus Sappey’s Beschreibung müssen wir folgende Stellen anführen (l. ce. T.1II, p. 556££.): »Elle (l’Artere mesenterique superieure) se termine ä l’extremite inferieure du repli mesenterique par une serie de branches assez greles qui se distribuent au czcum et a l’appendice czecal.« »Dans le mesentere, la mesenterique superieure se divise en deux ordres de branches: les unes partent de sa convexite, les autres de sa concavite. Les premieres sont destinees a lintestin grele; les secondes a la moitie droite du gros intestin, d’ou le nom de coliques droites qui leur a ete donne.« »Coliques droites. — Au nombre de deux ou trois, on les distingue sous les noms de superieure, moyenne et inferieure. La superieure est ascendante, Ja moyenne transver- sale; l’inferieure descendante. La premiere et la derniere existent constamment, mais la moyenne manque assez souvent.« »La colique droite superieure s’anastomose par sa branche ascendante avec la branche egalement ascendante de la premiere eolique gauche. L’arcade qui resulte de cette anastomose est la plus grande de toutes les arcades art£rielles; un nombre tres-considerable de rameaux partent de sa convexite, pour se rendre au cölon transverse dans lequel ils se ramifient en se repandant les uns sur sa moitie superieure, les autres sur sa moitie inferieure.« »La colique droite inferieure s’anastomose par sa branche descendante, avec la branche terminale la plus elevee de la mesenterique superieure. Tous les rameaux fournis par l’arcade qui resulte de cette anastomose a dirigent vers le Cxcum, ainsi que les branches Die Kolon-Nischen u. s. w. 33 terminales inferieures de la mesenterique, et se ramifient dans les parois de cet intestin. — Parmi les branches terminales, il en est une plus considerable ordinairement qui passe au- dessous de l’etranglement correspondant ä la valvule ileo-czcale, et qui vient se distribuer a l’appendice vermiculaire. « Die »Colique droite moyenne« beschreibt Sappey nicht noch besonders; auch ge- denkt er nicht des Namens »ileocolique« sowie der Äste, welche die Artere colique droite superieure zum oberen Ende des Colon ascendens schickt. Man sieht, dals sowohl Henle wie Sappey denjenigen Autoren zuzuzählen sind, welche in ihren Beschreibungen dem ersten Typus folgen; nur nehmen sie Beide eine Arteria ileocolica überhaupt nicht an, und Henle verzichtet gar auf eine weitere Benamsung der Arterie colice dextr=®. Der zweite Typus, der sich aus den vorhandenen Beschreibungen herauslesen läfst, wird u. A. von Henke (20), Joessel (27) und Brösike (5) vertreten. Es werden meist nur zwei Arteriae colicae angenommen, die Colica media und Colica dextra', während die als solche benannte Arteria ileocolica das Ende der Arteria mesenterica superior darstellen soll, und nicht als ein besonderer Ast der Arteria mesenterica superior erscheint. Hyrtl (26) und Gegenbaur (13) liefern Beschreibungen, welche weder zu dem einen noch zu dem andern Typus genau stimmen. Bei der Be- deutung, welche die Lehrbücher dieser Autoren mit Recht haben, sollen ihre Darstellungen eingehender berücksichtigt werden: Hyrtl (a.a. O.S. 1058) schlielst sich insofern denjenigen Autoren an, welche die Ver- ästelung der konkaven Seite der Arteria mesenterica superior nach dem zweiten Typus dar- stellen, als er zwar drei Äste nennt, jedoch ohne Weiteres, also, wie es scheint, stets oder wenigstens als Regel die Arteria colica dextra und media aus einem »gemeinsamen Wurzel- gefälse« hervorgehen lälst, so dals nur zwei unmittelbar aus dem Stamme der Arteria mesenterica superior entspringende Gefälse übrig bleiben. Aber er unterscheidet sich wiederum von den Vertretern des genannten zweiten Verästelungstypus, als bei ihm die Arteria ileo- colica als besonderer Ast der Arteria mesenterica superior erscheint, nicht als das Endstück der letzteren; das Endstück erwähnt Hyrtl wohl, benennt es aber nicht. Die Beschreibung Gegenbaur’s lautet (a. a.O. Bd. II, S. 277ff.): »2. Arteria me- senterica superior (Mesaraica superior).... Äste dieser Arterie sind:« »c) Arteriae colicae. Dieses sind 3—4 Arterien, welche von der concaven Seite des Bogens der Arteria mesenterica superior abgehen. Sie ramifieiren sich erst in einiger Entfernung vom Stamme und bilden weite Arcaden, von denen zum Coecum, zum Colon ascendens und transversum tretende Zweige entsprirgen. Sie anastomosiren sowohl unter- einander als auch mit den Arterien der benachbarten Darmstreeken. Man unterscheidet folgende:« »1. Arteria ileo-colica. Sie ist entweder das Ende der Mesenterica superior, welches gegen die Endstrecke des Ileum und von da zum Anfang des Colon ascendens ver- ! Brösike, a.a.O. S.319, nimmt mehrere Aa. colicae dextrae an. Phys. Abh. 1900. II. 5 34 W. WALDEYER: läuft, oder die Mesenteria superior endigt früher am lleum, und dann geht eine besondere Arteria ileo-colica von der Concavität des Bogens jenes Stammes ab.« (Verzweigung am Coecum, einer Strecke ‘des Colon ascendens, am Ende des Ileum; Anastomosen mit den be- nachbarten Arterien des Ileum und auch mit einer Arteria colica dextra.) »Der Ast zum Coecum schickt einen kleinen Zweig zum Processus vermiformis. « »2. Arteria colica dextra (Fig. 540). Diese entspringt höher als die vorige von der Arteria .mesenterica superior, verläuft nach rechts zum Colon ascendens und theilt sich in einen auf- und absteigenden Ast. Von diesen anastomosirt der erstere meist mit der Colica media, zuweilen auch mit einer zweiten Colica dextra, während der absteigende mit der Ileo-colica oder einer Arterie des lleum sich verbindet.« 5 »Die Arterie versorgt das Colon ascendens, auch das Coecum und einen Theil des leum, wenn eine besondere Ileo-colica fehlt.« »Zuweilen verläuft eine zweite Colica dextra zu einem höher gelegenen Abschnitte des Colon ascendens. Dazu führen Übergangszustände, welche in frühzeitiger Theilung des Stammes der Colica dextra gegeben sind. Die beiden Colicae dextrae sind als superior und inferior zu unterscheiden.« »3. Arteria colica media« (Gegenbaur ceitirt seine Fig. 542, die Arterie ist aber ebenso gut auf Fig. 540 zu sehen) »entspringt von den Dickdarmarterien am höchsten, nicht weit von der Arteria pancreatico-duodenalis inferior. Sie verläuft zum Colon transversum und spaltet sich auf diesem Wege in zwei Äste. Der rechte Ast anastomosirt mit der Colica dextra, der linke verbindet sich mit dem aufsteigenden Aste der Arteria colica sinistra, die aus der folgenden Arterie entspringt. — Auch die Colica media kann doppelt vorkommen, dann ist die Colica dextra einfach.« »Die Vermehrung der Colicae beruht also auf einer weiter gegen den Ursprung fort- gesetzten Theilung des betreffenden Arterienstammes. Man trifft somit den Stamm dieser Arterien von sehr verschiedener Länge und in allen Stadien bis zum selbständigen Ursprunge zweier gesonderter Arterien. Bei früher Theilung nimmt in der Regel jeder der beiden Äste ganz dasselbe Verhalten an wie bei völlig getrennt entspringenden Stämmen.« B. Arteria mesenterica inferior. Die Beschreibung der Verästelung der Arteria mesenterica inferior wechselt bei Weitem mehr als die der Arteria mesenterica superior. Nach der von mir eingesehenen Litteratur lassen sich vier Typen der Darstellung unterscheiden. Der erste Typus in der Beschreibung nimmt nur zwei Äste der Arteria mesenterica inferior an, welche als Theilungsäste des Stammes dargestellt werden: die Arteria colica sinistra und die Arteria haemorrhoidalis superior. Wenn bei den hierher zu rechnenden Autoren von mehreren Arteriae colicae die Rede ist, so werden diese als Äste der Arteria coliea sinistra gezählt, aber nicht besonders benannt: von einzelnen werden auch Arteriae sigmoideae erwähnt, jedoch nur als Äste der Arteria haemor- rhoidalis superior. Gewöhnlich heiflst es, dafs sowohl die Arteria eolica Die Kolon- Nischen u. s. w. 35 sinistra wie auch die Arteria haemorrhoidalis superior in je einen auf- steigenden und absteigenden Ast zerfalle. In dieser Weise stellen u. A. Brösike (5), Gegenbaur (13), Henle (21), Hyrtl (26), Joessel (27), W. Krause (34). H. Luschka (37) und Rüdinger (47) die Sache dar. Ich gebe die Beschreibungen Gegenbaur’s und Henle’s als bestimmte Beispiele: Bei Gegenbaur (a.a.O. S. 279) heist es: »Arteria mesenterica inferior (mesaraica inferior) (Fig. 542). Diese kleinste der von der Aorta abgegebenen Arterien des Darmkanals entspringt am unteren Drittel der Bauch- aorta,, etwa zwischen dem 2. und 3. Lendenwirbel, und begiebt sich nach links und abwärts ins Mesocolon. Sie spaltet sich in zwei Äste!, welche Colon descendens, Flexura sigmoidea und Rectum versorgen.« »a) Arteria colica sinistra. Im Verlaufe nach links theilt sie sich in einen auf- und einen absteigenden Ast. Der Ramus ascendens verläuft zur linken Colontlexur empor und tritt mit dem Ramus sinister der Arteria colica media in Verbindung. Der Ramus deseendens, welcher zur Flexura sigmoidea gelangt, verbindet sich .mit Ästen der folgenden.« »b) Arteria haemorrhoidalis superior (s. interna) verläuft ziemlich senkrecht herab und theilt sich wieder in zwei Äste: einen zur Flexura sigmoidea, welcher mit der vorigen Arterie anastomosirt, und einen andern ans Rectum, welcher im Mesorectum vor dem Kreuzbeine herab verläuft.« Henle (a.a. O. S.169) lälst den Stamm der Arteria mesenterica inferior in der Gegend der sogenannten Bifurkation der Aorta? in zwei Äste, die aufsteigende Arteria colica sinistra und die absteigende Arteria haemorrhoidalis interna, sich theilen. Die Arteria colica sinistra hat wiederum zwei Äste; sie bildet die bekannten Bögen einerseits mit der obersten Colica dextra (Henle), andererseits mit der Arteria haemorrhoidalis interna. Secundäre Bögen, von denen Henle in der Anmerkung sagt, dals sie als Arteriae colicae sinistra superior, media und inferior bezeichnet würden, finden sich spärlich längs dem linken Colon. Der absteigende Ast, Arteria haemorrhoidalis interna, senke sich hinter dem Reetum in das untere Becken und theile sich in zwei Äste, welche zu beiden Seiten des Rectum herablaufen. Eine andere Reihe von Autoren, Jonnescu (30), Poirier (41), Ro- miti (45) und Theile (52), schliefsen sich den eben aufgeführten zwar an, indem sie auch eine Theilung der Arteria mesenterica inferior in zwei Hauptäste annehmen, aber diese Hauptäste sich in gröfsere Nebenäste zer- legen lassen, die sie besonders benennen. So benennt Theile den oberen Hauptast als Colica sinistra superior und zerlegt ihn wieder in einen Ramus anastomotiecus superior oder Colica sinistra superior und in eine ! Der gesperrte Druck dieser Worte ist von mir veranlalst worden. 2 Dies stimmt nicht zu der von Henle angezogenen Figur (88); in dieser liegt die Theilungsstelle der Arteria mesenterica inferior weit oberhalb der Aortengabel. 5* 36 W. WALDEYER: Arteria colica sinistra media: der untere (unbenannte) Hauptast zerfällt in die Arteria colica sin. inferior und in die Arteria haemorrhoidalis superior. Als Beispiele gebe ich etwas ausführlicher die Beschreibungen von Jonneseu (l.c. p.306) und Poirier (l.e. T.I, p. 773): Jonnescu lälst die Art. mesenterica inferior sich zunächst in zwei Stämme, einen Truncus communis für die Arteriae colicae sinistrae und die Aa. sigmoideae, und den Stamm der Art. haemorrhoidalis superior theilen. Der Truncus ecommunis giebt, bevor er in das Mesosigmoideum eintritt, zwei Arteriae colicae sinistrae, eine obere und eine untere, ab (Arteres coliques gauches superieure et inferieure ou artere du colon iliaque). Im Mesosigmoideum zerfällt nun der Trunceus communis in mehrere Arteriae sigmoideae. »Ces arteres se bifurquent et s’anastomosent en bas avec l’artere hemorrhoidale superieure, en haut avec l’artere colique gauche inferieure....« L’artere hemorrhoidale superieure descend sur la colonne lombaire et sur le sacrum; elle est destinee au reetum. Poirier’s Darstellung stimmt mit der von Jonnescu in der Hauptsache überein. Er lälst die Arteria mesenterica inferior (Artere petite mesenterique) im Niveau der Bandscheibe zwischen drittem und viertem Lendenwirbel entstehen.” »Peu apres avoir emerge sous le bord inferieur du duodenum, environ au niveau de l’iliaqgue primitive gauche, la M. J. se divise en deux branches d’egal volume: le trone des arteres coliques gauches et l’artere he- morrhoidale superieure.« Es werden weiterhin 2—3 »arteres coliques gauches« an- genommen, die aus dem »trone des arteres coliques gauches« entspringen; die unterste derselben anastomosire mit der A. haemorrhoidalis superior, die mittlere gehe zur Ansa sigmoidea, weshalb sie auch als Arteria sigmoidea beschrieben werde. — Ich habe die Worte »unterste« und »mittlere« gesperrt drucken lassen, weil das von den Darstellungen der übrigen Autoren, auch Jonnescu’s, abweicht. Vielleicht liest auch bei Poirier ein Druckfehler vor. Die Poirier’sche Figur (431, p. 779) zeigt richtig, dals die unterste der aus dem »Trone commun« entspringenden Arterien, diejenige, welche mit der Arteria haemorrhoidalis superior anastomosirt, als »A. sigmoide« bezeichnet ist, nicht die mittlere. Der »Trone commun« ist als »Art. col. gau.« bezeichnet, dessen oberer Ast als »Ar. col. desc., der mittlere ist ohne Bezeichnung geblieben. Als einen dritten Typus der Beschreibung kann man den von Quain (42), Rauber (43), Reinke (44) und Stieda (53) annehmen. Die Arteria mesenterica inferior giebt hiernach drei getrennte selbständige Äste ab, die besonders bezeichnet werden: Colica sinistra superior, ÖColica sinistra inferior und Haemorrhoidalis superior (interna). Letztere gilt gewöhnlich als das Ende des Stammes, wird aber eben besonders benannt: zuweilen tritt er in den Beschreibungen als Ast auf. Für die Arteria colica sinistra inferior wird auch der Name Arteria sigmoidea gebraucht. ! Meine Erfahrungen stimmen besser mit dieser Angabe als mit der Gegenbaur’s (2-3 Lenden- wirbel) s. vorhin. Die Kolon-Nischen u. s. w. 37 Bei Quain — G. Dancer Thane —, dessen Beschreibung als Beispiel ich genauer mittheile, heilst es (l.c. p.463): »The inferior mesenteric artery..... gives off branches to the descending colon and the sigmoid flexure, and is continued under the name of superior hzsmorrhoidal artery over the left common iliac vessels to the back of the rectum.« »Branches: (a) The left colie artery is directed to the left side behind the Peri- toneum and across to the left kidney ete..... It divides into two branches.... One of these two branches passes upwards along the colon, and inosculates with the left branch of the middle colie; while the other descends and anastomoses with the sigmoid artery. »(b) The sigmoid artery runs obliquely downwards to the sigmoid flexure of the Colon; the highest branch joins the left colic, the lower ones turn downwards to the rectum and anastomose with the following artery. Instead of a single sigmoid artery, two or three branches are sometimes present.« »(c) The superior hemorrhoidal artery, the continuation of the inferior mesen- teric, passes downwards over the left common iliac vessels, into the pelvis ete..... « Einem vierten Typus folgen die Beschreibungen von Beaunis et Bou- chard (2), Calleja y Sanchez y Oloriz (6), Debierre (9), Sappey (50) und Testut (54). die als Regel vier oder gar fünf selbständige Äste an- nehmen: eine Colica sinistra superior, von welcher die grofse Anasto- mose zur Colica media geliefert werden soll, eine Colica sinistra media, eine Colica sinistra inferior und eine oder zwei Haemorrhoidales superiores. Die Beschreibung von Winslow (63) kann hier ebenfalls am besten angereiht werden. Die Darstellung dieser Autoren weicht insbesondere noch dadurch von den übrigen Beschreibungen ab, als sie zwei Arteriae haemorrhoidales superiores aus der Endgabelung der Arteria mesenterica inferior hervor- gehen lassen; dies findet (nach Testut, a.a. 0. T.I p.ı071) in der Höhe des dritten Kreuzwirbels statt oder ein wenig darüber. Gewöhnlich wird, wie bekannt, die Arteria haemorrhoidalis superior als unpaarer Endast der Mesenterica inferior angesehen und beginnt dann viel höher. Dafs die Arteria haemorrhoidalis superior später sich in zwei paarige Äste theilt, wird ja allseitig angenommen; aber die genannten Anatomen haben keinen unpaaren Stamm, den sie als Arteria haemorrhoidalis superior aufführen. Die B.N. A. haben für die Kolon-Verästelung der Arteria mesenterica superior: Arteria ileocolica mit der Arteria appendieularis, Arteria colieca dextra und Arteria colica media, für die Arteria mesenterica inferior: Arteria colica sinistra, Aa. sigmoideae und Arteria hae- morrhoidalis superior. Die Atlanten von Spalteholz und Toldt schliefsen sich diesen Bezeichnungen an. 38 W. WALDEYER: Wie das im Vorstehenden Mitgetheilte ohne Weiteres ergiebt, darf man von den Auffassungen der Verästelung der beiden Mesenterial-Arterien versucht sein zu sagen: Quot capita tot sensus! Ich habe schon in der Ein- leitung zu diesem Kapitel zu begründen gesucht, wie diese Unterschiede sich wohl erklären lassen möchten. Ehe ich zu der Beschreibung übergehe, welche ich als die empfehlens- wertheste ansehe, gebe ich noch zu einzelnen im Vorigen enthaltenen An- gaben eine kurze kritische Besprechung, welche gleichzeitig mit zur Be- gründung meiner alsbald folgenden Darstellung der Arteriae colicae dienen mag: Henle’s Vorgang, bei den Arteriae colicae dextri lateris auf jede unterscheidende weitere Bezeichnung zu verzichten, hat, wie man aus den nach seinem klassischen Handbuche erschienenen zahlreichen Kompendien. Hand- und Lehrbüchern der menschlichen Anatomie ersieht, keinen Beifall gefunden. Es ist ja zweifellos der einfachste Weg, um aus allen Bedenken, wie man eine zur rechten Kolonhälfte tretende Arterie benennen solle, her- auszukommen; indessen ist doch hier offenbar das Bedürfnifs nach einer genaueren Unterscheidung vorhanden. Merkel hat in dem von ihm nach Henle’s Tode herausgegebenen »Grundrisse der Anatomie« die Henle’schen Bezeichnungen beibehalten, in dem aber ihm zugehörenden »Handbuche der topographischen Anatomie« nicht. Das, was ich bereits vorhin bei der Besprechung der Theile’schen Angaben aussetzte: die Beschränkung des Gebietes der Arteria colica media auf das Querkolon, hat noch für eine Anzahl anderer Autoren, z.B. Sappey. Geltung; es ist dies ein Punkt, der auch in praktischer Beziehung keines- wegs gleichgültig ist. Andererseits liegt ja das gröfsere Gebiet der Arteria colica media im Colon transversum:; daraus folgt wiederum, dafs die Benennung Henle’s für dies Gefäfs, schlechthin als eine Colica dextra, nicht wohl annehm- bar ist. Vergleicht man den mitgetheilten ersten Satz der Sappey schen Dar- stellung mit der von ihm als Illustration dazu mitgetheilten (Tiedemann- ‘ Verstehe ich die dort nach einem eigenen Praeparate von Merkel gegebene Figur 188 recht, so fehlt die Arteria colica dextra, worauf Merkel selbst aufmerksam macht; aber es entspringen auch die beiden Arteriae colica media und ileocolica aus einem kurzen ge- meinsamen Stamme. Dies ist ein sehr seltenes Vorkommnils; in der mir zugängigen Litteratur fand ich einen solchen Fall nicht erwähnt. Die Kolon- Nischen u. s. w. 39 schen) Figur', so stimmt das kaum überein. Es sollen die Endzweige der A. mesenterica superior sich am Caecum und am Processus vermi- formis verästeln. Wenn man in der Figur die Hälfte der untersten Arkade, wie es sich gebührt, zum Endstamme der A. mesenterica superior rechnet, so zeigt sich klar, dafs die Versorgung des Caecum und des Proc. vermi- formis der untersten Colica dextra (ileocolica) anheimfällt. Richtiger ist es sogar, noch das letzte quere Mündungsstück des Deum dieser Arterie zuzurechnen. So habe ich es wenigstens immer gefunden — vergl. die hier mitgetheilten Figuren I und HI —., und auch die sonstigen Abbildun- gen zeigen es so. Ich gehe hier deshalb näher auf dieses ein, weil ich für die Benennung des untersten Astes der Konkavität der Art. mesent. sup. als »Ileocolieca« eintreten möchte. Häufig findet man angegeben, dafs die A. colica superior (»media« der deutschen Autoren) aufsteigend verlaufe. Denkt man sich die normale Lage des Colon transversum beim Lebenden, so wäre es genauer zu sagen »bogenförmig«, zunächst ansteigend, dann wieder absteigend. An der Beschreibung Hyrtl’s kann nicht anerkannt werden, dafs die beiden oberen Aa. colicae dextrae (»media« und »dextra« der deutschen Anatomen) stets, oder auch nur der Regel nach aus einem gemeinsamen Wurzelgefäfse entsprängen; das ist zu viel gesagt. In der Darstellung von Gegenbaur erscheint es mifslich, dafs die Arteria ileocolica doppelt interpretirt wird, indem sie entweder das Ende der Mesenterica superior sein, oder, wenn die Mesenterica superior mit ihrem Ende nicht bis zum Caecum heranreicht, als ein besonderer Ast der Konkavität des Bogens der Mesenterica auftreten soll. Meines Erachtens ist das letztere stets der Fall, oder doch in einer so überwiegenden Mehr- heit der Fälle, dafs man den Namen »Art. ileocolica« nur für einen solchen selbständig entspringenden Ast verwenden sollte. ! Tiedemann, so scheint es, mufs es sich gefallen lassen, dals seine prächtigen und instruktiven Figuren, welche eine der Grundlagen unserer Kenntnisse von den menschlichen Arterien bilden, von einem Handbuche in das andere wandern, ohne dals ihr Ursprung genannt wird. So habe ich es mehrfach gefunden. Auch Sappey, obwohl er in seiner Vorrede sagt, dafs er bei den entlehnten Figuren stets den Autor anführen werde, hat dies bei Tiedemann unterlassen. — Eine rühmliche Ausnahme macht u. A. das Handbuch Quain’s. Die Ehrenpflicht der Nennung sollte auch den nicht mehr lebenden Autoren gegen- über aufrecht erhalten werden. 40 W. WALDEYER: Nach meinen eigenen Befunden glaube ich nun als dasjenige Ver- halten der Arteriae colicae, welches in der Mehrzahl der Fälle vorliegt, Folgendes hinstellen zu sollen: Aus der Arteria mesenterica superior entspringen zwei Arterien (vergl. Taf. IV und Textfiguren a und b), eine, welche sich bogenförmig nach oben wendet, zunächst auf die Flexura coli dextra hinzieht, diese versorgt und mit der Colica sinistra den grofsen Bogen‘ für das Colon transversum bildet, sowie auch abwärts sich wendende Zweige zum Colon ascendens giebt; dies ist die Arteria colica media B.N.A. Die zweite Arterie, meist von gleicher Stärke, oder auch stärker, entspringt gewöhnlich in ansehnlicher Entfernung von der Arteria colica media weiter unten am Stamme der Arteria mesenterica superior, läuft steil abwärts, unter spitzem Winkel gegen den Stamm, zum Jleocaecal- winkel hin; es ist dies die Arteria ileocoliea B.N.A. Eine besonders aus dem Stamme der A. mesenterica superior ent- springende dritte Arterie, welche zwischen den beiden Genannten ent- steht, bald der einen, bald der anderen mehr genähert, kommt kaum in der Hälfte der Fälle vor, so dafs man sie zu den unbeständigen Ästen der A. mesenterica superior zählen mufs, deren es noch mehrere geben kann. Es ist dies die A. colica dextra B.N.A. (vergl. Taf. Iund II und Textfigur ec). Ich schlage vor, den Namen »Colica dextra« ausschliefslich für eine an der betreffenden Stelle unmittelbar aus dem Stamme der Arteria mesenterica superior hervorgehende Arterie zu verwenden, also für einen primären, nicht etwa für einen seecundären Ast, der aus der Arteria colica media oder aus der Ileocolica stammt und an derselben Stelle liegt, wo sonst eine echte (primäre) Arteria colica dextra gefunden wird, mag derselbe auch noch so beträchtlich sein. In einem solchen Falle würde ich stets sagen, dafs die Arteria colica dextra fehle. Verfährt man anders, so kann man in Zweifel kommen, welche Arterie man als Colica dextra bezeichnen soll. Hierfür mag; u. A. die Bezeichnung der Figg. 465 u. 466, S.423 u.425, des Atlas von Spalteholz einen Beleg liefern. In Fig. 465 ist die Arteria colica media offenbar kurz abgeschnitten dargestellt, jedoch nicht bezeichnet. Es ist dann eine zweite Arterie abge- bildet, die sich reichlich verästelt, die Arteria ileocolica: — so nehme ich wenigstens an, obwohl das Ende des Bezeichnungsstriches mit dem untersten, ganz dünn auslaufenden \ Arcus Riolani s. Halleri. — Vergl. Debierre, l.c. Die Kolon- Nischen u. s. w. 41 Stücke der Arterie zusammenfällt. Ein stärkerer Ast derselben, der oberste, wendet sich noch zum oberen Theile des Colon ascendens, ein schwächerer zum mittleren Theile bis zum Caecum hinunter; dieser schwächere Ast ist als Arteria colica dextra bezeich- net. Mit demselben Rechte hätte man aber auch dem oberen Aste diesen Namen geben können. Oder man hätte, wie Manche es thun (s. die vorher referirten Angaben aus der Litteratur), von zwei Arteriae colicae dextrae sprechen können. Dasselbe gilt für Fig. 466. Die als »Colica dextra« in Fig. 466 bezeichnete Arterie anastomosirt zudem gar nicht mit der Arteria colica media, wie sie, dem nebenstehenden Text zufolge, es doch thun sollte. Für die Verästelung der Arteria mesenterica inferior vermag ich folgende Regel aufzustellen: Es entspringen (vergl. Taff. II, IIT und IV) aus ihrem Stamme gewöhnlich zwei gesonderte Arterien, deren oberste fast stets das ganze Colon descendens bis zur Flexura sigmoidea hin versorgt: es ist dies die Arteria colica sinistra BNA. Dann folgt, meist in ge- ringem Abstande von dieser direkt aus dem Stamme hervorgehend, eine schwächere Arterie, die Arteria sigmoidea BNA. Der Rest des Stammes. gewöhnlich noch stärker als die A. colica sinistra, ist die A. haemor- rhoidalis superior BNA. Auch die Arteria colica sinistra soll nur als ein Ast verstanden werden, der unmittelbar aus dem Stamm der A. mesenterica inferior her- vorgeht und sich jedenfalls am Colon descendens verästelt. Nimmt man dieses als Merkmal an, dann sind Fälle von mehrfachen Arteriae colicae sinistrae selten. Mitunter mag zu einer Aufstellung mehrerer Arteriae co- licae sinistrae der ziemlich häufige Fall Veranlassung gegeben haben, dafs nur ein sehr kurzer Stamm der A. colica sinistra existirt, der unmittelbar nach seinem Abgange wieder in seine beiden Hauptzweige. von denen als- bald die Rede sein wird, zerfällt und welcher wohl übersehen werden kann. Diese beiden Hauptzweige sind, wie bekannt, ein aufsteigender und ein absteigender Ast. Der aufsteigende Ast wendet sich vorzugsweise zur oberen Partie des Colon descendens, zur Flexura coli sinistra, und bildet die grofse Anastomose mit der Colica media. Für die Form der Arterienfelder, welche von den Ästen der A. eolica sin. umschlossen werden, sowie für den Lauf der letzteren ist es von wesentlichem Belange, ob der Stamm der A. colica sin. sich alsbald wieder theilt oder erst nach längerem Laufe (s. Abschnitt Arterienfelder). Der nächstfolgende Primärast der A. mesenterica inferior ist die Ar- teria sigmoidea oder, da sie häufig in der Mehrzahl vorkommt, die Arteriae sigmoideae. Ich schlage vor, unter einer Arteria sigmoidea Phys. Abh. 1900. II. 6 42 \W. $WALDEYER: nur eine solche zu verstehen, welche sich der Hauptsache nach am Colon sigmoideum verzweigt und dabei Primärast der A. mesenterica inferior ist. Es kommt nun darauf an, zu bestimmen, wie weit man das Colon sig- moideum rechnen soll. Es scheint mir richtig, darunter das ganze in der linken Regio iliaca und im kleinen Becken gelegene bogenförmige Darm- stück zu verstehen, welches. ohne dafs man stärkeren Zug anwendet, an einem deutlich als solches erkennbaren Gekröse frei beweglich aufgehängt ist. Rechnet man so, dann geht dieses Gekröse regelmälsig bis zur Mittel- linie ungefähr des zweiten bis dritten Kreuzwirbels; vergl. hierzu Birming- ham: Some points in the Anatomy of the digestive System. Journ. of anat. and physiol. Vol. XXXV,p. 33 (53-55). Ich ziehe also hier zum Colon sig- moideum BNA. Jonnescu’s Colon iliacum + Colon pelvinum und bemerke, dafs ich die Angaben von Jonnescu und Birmingham, denen zu Folge das Colon iliacum zumeist gekrösfrei ist, bestätigen kann. In den Figuren der Tafeln II und II ist das ganze Colon sigmoideum entfaltet. Das »Reec- tum« rechne ich erst von da ab, wo die hintere Wand des Darmrohres merklich in gröfserer Ausdehnung bauchfellfrei wird und das Rohr nun- mehr median verläuft; dies dürfte meist vom oberen Rande des dritten Kreuzwirbels ab der Fall sein. Läfst man diese Erklärungen gelten, dann sind fast immer mehrere Arteriae sigmoideae -— bis zu 4 — vorhanden, von denen die obere (proximale) fast regelmälsig die stärkste ist, sich auch gewöhnlich bald nach ihrem Ursprung wieder verästelt (s. Taf. IN). Eine unverästelte A. sig- moidea prima zeigt Taf. II. Der Rest des Stammes, welcher nach dem Abgange der letzten Arteria sigmoidea übrig bleibt, ist endlich die Arteria haemorrhoidalis superior. Sie ist unter Anderem bemerkenswerth auch deshalb, weil sie wieder zu den symmetrisch paarigen Arterien des Beckens überleitet, insofern sie als- bald in zwei symmetrische Hauptäste sich theilt; jedenfalls aber ist sie da, wo man anfangen muls, sie als Arteria haemorrhoidalis superior zu be- zeichnen, noch ein unpaares Gefäfs, der Rest des Stammes der Arteria mesenterica inferior. Die Kolon- Nischen u. s. w. 43 Fig. a. A. col. med. A. col, med. accessor. Ram. eolieus A. ileocoliea > Ram.Ia. col. sin. Ram. colieus. A. mes. inf. Truncus a. mes. sup. R R Truneus a. col. sın. Ram. II a. col. sin. A.sigm.I. A. sigm. II. A. haem. sup. A.colica media accessoria. Verästelung beider Artt. mesentericae. Späte Theilung der A. colica sinistra. Aus der A. mesenterica sup., deren Stanını unten zugleich mit der Radix mesenterii und dem Intestinum tenue mesenteriale resecirt ist, gehen hervor: ı. Eine starke A. colica media accessoria, 2. Eine A. colieca media, welche einen ansehnlichen Ramus ceolieus zur Flexura coli dextra sendet und durch dessen absteigenden Ast, der mit einem starken Ramus eolieus der A. ileocolica ana- stomosirt, einen Theil des Colon ascendens versorgt. a 3. Eine A. ileocolica, welche’ mit mehreren kleinen Asten in den Ileocaecalwinkel hinabsteigt. Eine A. colica dextra ist nicht vorhanden. Die A. colica media accessoria entspringt, unmittelbar nach dem Abgange der A. mesenterica sup. von der Aorta, aus der ersteren, und zwar aus deren vorderen Fläche; sie wendet sich zur Flexura coli sinistra und bildet einen grofsen Bogen mit der Colica media, einen schmaleren, langgestreckten mit der Colica sinistra. Der erstere umschlieist das grofse Feld A, der zweite die beiden Felder DB; und B.. Von der A. mesenterica inferior entspringen nach längerem Lauf des Stammes: 1. die A. coliea sinistra, welche sich erst dicht am Kolonrande in ihre beiden gewöhnlichen Äste, den aufsteigenden (Ram. I a. col. sin.) und den absteigenden (Ram. II a. col. sin.) theilt; zwischen beiden Ästen liegt das kleine Feld B. Die Felder B;, und B» sind sehr ungleich und kommen durch eine weitere Anastomose zwischen A. colica media accessoria und dem Ram.l| a. col. sin. zu Stande, 2. die A. sigmoideal, ein starkes Gefäfs, welches sich ähnlich wie die A. ileocolica auf der anderen Seite in mehrere kleine Äste auflöst, 3. eine schwache A. sigmoidea II. Der Stamm geht als A. haemorrhoidalis superior in’s Becken. 6* 44 W. WALDEYER: Fig. b. Gabelbrücke Gabel u A. col. med. Ram.] a. col. sin. Ram. eolieus I Truneus a. col. sin. A. ileocoliea Ram. Il a. col. sin. Truneus a. mes. sup. —— A. sigm. I Ram. colieus II A. sigm. I A. sigm. III A. haem. sup. Verästelung beider Aa. mesentericae. Frühe Theilung der A. colica sinistra. Zwei Rami eolici der A. ileoeolica. Die A. mesenterica superior ist mit der Radix mesenterii und dem Intestinum tenue mesenteriale resecirt. Sie hat zwei Äste, eine verhältnifsmäfsig schwache A. colica media und eine sehr starke A.ileocoliea. Wieder nimmt die A. colica media an der Versorgung des Colon ascendens Theil Die A. ileocolica hat zwei starke Ramıi colici (Ram. colicus I und Ram. colicus II). Von der A. mesenterica inferior gehen ab, 1. Eine A. coliea sinistra. 2. Drei Aa. sigmoideae, die sich ebenso wie das untere Stück der A. ileocolica reichlich ver- ästeln. Das Endstück der A. mesenterica inferior tritt als A. haemorrhoidalis superior in’s Becken. Bemerkenswerth ist der Verlauf des Ramus I a. colicae sin., welcher mit einem Zweige in ähn- licher Lage zur A. colica media aufsteigt, wie in der Textfigur @ die A. colica media accessoria, und so kann man die mit den Buchstaben A, B, Bı und B» bezeichneten Felder als entsprechende ansehen. 2, Hauptzweig des Ram. I art. colicae sin. zum Randgefäfse des Colon descendens. Die Kolon-Nischen u. s. w. 45 Gabelbrücke Gabel A. col. med. A. col. med. accessor. A. col. dext. \l A. ileocoliea Ram. la. col. sin. T Truneus a. col. sin. runcus a. mes. sup. -- — Ram. Il a. col. sin. A. sigm. I A. sigm. II — A. haem. sup. Verästelung beider Aa. mesenterieae. A. colica media accessoria. A. colica dextra. Der Stamm der A. mesenterica superior nebst der Radix mesenterii und dem Intestinum tenue mesenteriale sind resecirt. Aus der A. mesenterica superior entspringen vier Arterien: 1. Eine A. colica media accessoria aus dem vorderen Umfange des Stammes. 2. Eine A. colica media. 3. Eine A. colica dextra. 4. Eine A. ileoeolica. Die letztere ist bedeutend schwächer als im Falle der Figur b. Aus der A. mesenterica inferior entspringen: ı. Eine A. colica sinistra, welche sich alsbald in ihre beiden Äste theilt (Ram. I a. col. sin. und Ram. II a. col. sin.). 2. Zwei Arteriae sigmoideae. Das Ende der A. mesenterica inferior tritt als A.haemor- rhoidalis superior in das Becken. — Dieser Fall hat grofse Ähnlichkeit mit dem Falle der Figur a und die Felder A, B; und B entsprechen einander; vergl. hierzu auch das im Text S.46 und 47 Gesagte. 46 W. WALDEYER: ©. Arteria coliea media accessoria. Unter dem Namen einer Arteria colica media accessoria bezeichne ieh eine nicht allzu selten vorkommende Arterie, welche direkt aus dem oberen Theile der Arteria mesenterica superior neben der Arteria colica media entspringt und sich gerade auf die Mitte des Colon transver- sum hinwendet, also im Mesocolon transversum fast senkrecht aufwärts steigt, wenn man letzteres in die Höhe schlägt. Diese Arterie entspringt, wie bemerkt, unweit der Arteria colica media und, wie mir scheint, ge- wöhnlich von der vorderen Wand der Arteria mesenterica superior, meist etwas höher oben als die Colica media; sie ist in den Textfiguren (a) und (ec) abgebildet. Ist sie vorhanden, so nimmt sie Theil an der grofsen Anastomose mit der Colica sinistra, oder übernimmt diese ganz, indem sie sich gabelig theilt und den einen Gabelast nach links, den anderen nach rechts hinüber- sendet (Textfigur a und ce). Die Gabel wird durch ein Zwischengefäls über- brückt, wie es unter diesen Umständen meist der Fall ist. Als eine Zwischenform oder Übergangsform mufs vielleicht die durch die Textfigur 5 illustrirte betrachtet werden. In Fig. d sehen wir die Ar- teria colica sinistra sich alsbald nach ihrem Ursprunge theilen: der Ramus ascendens wendet sich Anfangs steil aufwärts und biegt dann mit recht- winkeliger Knickung nach links zur Flexura coli sinistra um: hier angelangt, schlägt er durch einen grofsen Bogen nach rechts mit der Colica media die Anastomosis magna, nach links und abwärts mit dem unteren Zweige der Colica sinistra den Bogen des Nierenfeldes (BJ). Von der eben ge- nannten Abknickungsstelle des oberen Astes aber zieht in dessen aufstei- gender Richtung ein langer dünner unverästelter Zweig, der genau die Lage hat, wie eine Colica media accessoria zur Anastomosis magna und senkt sich mit Gabel in den Anastomosenbogen ein. Ähnlich wiederum wie in Fig. a liegt die Sache in dem durch die Text- figur c erläuterten Falle. Hier sieht man den Ramus I (ascendens) der Colica sinistra schräg zur Mitte des Colon descendens aufwärts steigen. Dort theilt er sich nahe dem Darmrande gabelig. Der aufsteigende Gabelast bildet den Bogen mit der A. eolica media, welcher, streng genommen, als die grofse Haller’sche Anastomose bezeichnet werden mülste; in diesen Bogen tritt in dessen Mitte eine Art. colica media accessoria mit einer Gabel ein, die wiederum überbrückt erscheint: das grofse Anastomosenfeld wird diesmal Die Kolon- Nischen u. s. w. 47 in zwei fast völlig gleiche Unterfelder, A und B, zerlegt. Der absteigende Gabelast schlägt dieht am Kolonrande einen Bogen mit dem Ramus II (de- scendens) der Colica sinistra. Das so entstehende Arterienfeld B ist von drei- eckiger Gestalt. Man kann sich nicht verhehlen, dafs zwischen den Fällen der Figur b einerseits und a und c andererseits eine gewisse Beziehung besteht, denn in dem Falle d nimmt der Ramus ascendens der Colica sinistra mit einem seiner Zweige den Lauf und die Lage einer A. colica media accessoria ein. Es tritt dieses insbesondere dann ein, wenn die Arteria colica sinistra sich alsbald nach ihrem Ursprunge theilt und eine Arteria colica media accessoria nicht vorhanden ist. Wie sich dabei die Arterienfelder verhalten, darüber weiter unten. Die Art. colica media accessoria ist bisher offenbar unter dem Namen »colica sinistra superior accessoria« oder als eine Verdoppelung der A. colica media beschrieben worden (vergl. W. Krause, Varietäten bei Henle, a.a.0.S.296). Ich glaubte sie wegen ihrer nicht uninteressanten Beziehungen einmal besonders benennen und dann auch ihres Ursprunges und ihrer Verästelung wegen als Colica media accessoria benennen zu sollen. So weit ich sehe, liegt in der Litteratur eine einzige Arbeit bis jetzt vor, welche sich mit den Darmarterien bei den übrigen Primaten beschäftigt; es ist die von N. Rüdinger veranlafste Abhandlung Wittmann’s (64). Da von jeder Thierspecies nur ein Stück zur Verfügung stand, so lassen sich bindende Schlüsse aus dem von Wittmann Vorgebrachten nicht ziehen; auch mein eigenes Material an Primaten, welches zur Arterienpraeparation verwendet werden konnte, ist zu gering, um die Wittmann’schen Er- gebnisse genügend zu ergänzen. Im Grofsen und Ganzen erwiesen sich die Verhältnisse der Aa. colicae als dieselben wie beim Menschen; die A. colica dextra war nur einmal vertreten, und zwar als ein sehr schwach entwickeltes Gefäfs beim Gorilla (Wittmann, Taf. V Fig.6 Nr. 4). Ich vermag Wittmann nicht beizupflichten, wenn er meint (a.a.0.S.97), dafs das, was er beim Orang, Taf. IV Fig. 4, als A. ileocolica bezeichnet und als solche auch beschrieben hat, richtiger wohl als eine A. colica dextra anzusehen gewesen wäre; an Stelle der Dleocolica wäre dann die letzte A. ilea zu setzen. Mein Gegengrund ist der, dafs, wie die Abbildung zeigt, aus der convexen Seite dieser A. ilea eine Reihe Rami ilei noch hervor- 48 W. WALDEYER: gehen, was gegen ihre Deutung als A. ileocolica spricht. Die Figuren Wittmann’s, welche die Verästelung der Arteria mesenterica inferior dar- stellen, möchte ich auch anders deuten, als es ihr Autor thut. Sie zeigen sämmtlich die drei auch beim Menschen vorkommenden Äste: A. colica sinistra, Aa. sigmoideae und eine A. haemorrhoidalis superior, als Endstück der Stammarterie. Nur zeigen ı. die Aa. sigmoideae, was bei dem sehr grofsen Colon sigmoideum der drei in Rede stehenden Anthropoiden nicht zu verwundern ist, eine reichliche Entwickelung, und es hat 2. die A. co- lica sinistra bei allen drei untersuchten Thieren nur einen sehr kurzen dieken Stamm, der sich in drei Äste zerlegt. Eisler (rr) konnte, da bei dem ihm zur Verfügung stehenden Gorilla der Darm entfernt war. dessen Arterien nicht untersuchen. Als Gesammtergebnils meiner eigenen Beobachtungen über die Arteriae colicae an der Leiche, sowie nach dem Studium der Litteratur läfst sich kurz hinstellen. dafs die B.N. A. in der Namengebung sowohl, wie in der Annahme der Zahl der zu benennenden Äste das Richtige getroffen haben. Nimmt man dazu die Grundsätze. welche ich darüber festhalten zu sollen glaubte, wann eine Arteria colica als solche besonders benannt werden soll. wann nicht, dann wird man in keinem Falle am Praeparate in Zweifel bleiben, wie eine vorgefundene Kolonarterie zu deuten und zu benennen sei. Mit der Aufstellung einer Arteria colica media accessoria glaube ich zur besseren Orientirung in der Sache einen kleinen Beitrag geliefert zu haben. III. Die Arterienfelder der Bauchhöhle. Die von den Ästen der A. mesenterica superior und inferior gebildeten charakteristischen Bogen umgrenzen selbstverständlich bestimmte Felder, Areae arteriacae, Arterienfelder. Dieselben sind nun derart ange- ordnet, dafs sich zwischen ihnen und einem Theile der Bauchorgane be- stimmte Lagebeziehungen feststellen lassen, deren Kenntnifs, wie mir scheint, unter Umständen praktischen Werth haben kann. So ist es wohl möglich, dafs ein oder das andere Organ in Folge von starken Fettmassen, Blut- oder Eiterergüssen bei einer Laparotomie schwer zu erkennen sein dürfte, während man die pulsirenden Arterien noch wahrnimmt und dadurch ein Hülfsmittel zu leiehterer Auffindbarkeit der Organe gewinnt. Die in Rede Die Kolon-Nischen u. s. w. 49 stehenden Lagebeziehungen werden am beständigsten sein, wo es sich um retroperitonäal gelegene Theile handelt, während es in dem Bereiche langer Mesenterien, z. B. im Mesocolon transversum, ziemlich willkürlich bleiben wird, welchen Theil man in einen Arterienbogen hineinlegen will. Immerhin schien es mir der Mühe nicht unwerth, den hier im Allgemeinen dargelegten topographischen Beziehungen einmal näher zu treten. In den Tafeln I-IV sind dieselben bildlich dargestellt. Wenn wir an der rechten Körperseite mit dem lleocaecalwinkel be- ginnen, so pflegen dort eine Anzahl in diesen Winkel zusammengedrängter kleinerer Bögen vorhanden zu sein (vergl. Taf. I und III), welche von den Ästen der Arteria ileocolica und deren Anastomosen mit dem Ende der Arteria mesenterica superior gebildet werden, so dafs von einem besonders auszuzeichnenden Arterienfelde hier nicht wohl die Rede sein kann. Immer- hin wolle man bemerken, dafs — s. Taf. Iund II (U und U,) — in diesen Bezirk unterhalb der Arteria ileocolica und von ihr unter spitzem Winkel gekreuzt, der Ureter verläuft, über den weiter abwärts die Gekröswurzel hinweggeht, diese nahezu parallel dem Laufe der Arteria ileocolica (Taf. II). Selbst- verständlich (nach dem Gesagten) fällt auch der Verlauf der Vasa sper- matica interna in dieses Gebiet. Weiter aufwärts vorrückend gelangen wir in eins der beständigsten und wichtigsten Arterienfelder, in die Area renoduodenalis. Dieselbe wird umspannt entweder, falls eine gesonderte Arteria colica dextra vorhanden ist, von dieser und einem ihr entgegenkommenden Zweige der Arteria ileo- colica, oder es ist, falls eine Arteria eolica dextra fehlt, ein die letztere er- setzender Ast betheiligt. In anderen Fällen — s. die Tiedemann sche Figur der Arteria mesenterica superior sowie die Toldt’sche Figur 954, S.578, Atlas der Anatomie des Menschen, I. und 2. Auflage — sind es ein Ast der Arteria colica media und die Colica dextra, oder ein dieser ent- sprechender Ast der Ileocolica, welche dieses Feld einschliefsen. Immer aber ist hier ein von starken, leicht sichtbaren Arterien umspanntes ovales Feld vorhanden, in welchem regelmäfsig die zweite Duodenalkrümmung mit den angrenzenden Theilen des Duodenum, d.h. also der in der Duodenalnische be- findliche Theil dieses Organes, gelegen ist (s. Taf. I, HI und IV). Von anderen Abbildungen wolle man z. B. Planche 31, Tome V des grofsen Atlasses von Bourgery und den anatomischen Atlas von Spalteholz, Fig. 465 und 466, vergleichen. Phys. Abh. 1900. II. I | 50 W. WALDEYER: Sehr häufig schaut auch das untere Ende der rechten Niere in dieses Feld hinein — Taf. II R —: doch ist dieses nicht durchweg der Fall, wie z. B. Taf. I ergiebt. Fast immer aber dürfte der Anfangstheil des rechten Ureter in diesem Felde gefunden werden (Taf. I, II und IV). Schlägt man das Colon transversum mit seinem Mesocolon gerade nach aufwärts, so lassen sich zwei Felder, ein rechtes und ein linkes, unterschei- den, von welchen in der Mehrzahl der Fälle das rechte kleiner, das linke, der grofsen Haller’schen Anastomose entsprechend, gröfser ist. In der rechten Abtheilung sind mehrere kleinere Bogenfelder enthalten (s. Taf. II). In dem untersten derselben, an die Area renoduodenalis anschliefsend, trifft man für gewöhnlich einen Theil der Pars infracolica des Duodenum, sowie den Kopf des Pancreas (P) durchschimmernd. In dem grofsen Felde des Haller’schen Bogens liegt unten die Pars ascendens duodeni und die Flexura duodenojejunalis, eingeschlossen zwischen die Arteriae mesenterica superior, colica media und den rechten Ast der Ar- teria colica sinistra, bez. die Arteria colica media accessoria. (Vergl. hierzu Taf. Iund TI P, und V und ferner u. A. die Atlanten von Spalteholz und Toldt.) Die Arteria colica media accessoria kommt dann hier in Frage, wenn sie so weit nach links verläuft, wie in den Textfiguren @ und c. Ober- halb der Flexura duodenojejunalis treten die grofsen Venenstämme zusammen zur Pfortader, dann folgt das Corpus pancreatis und darüber die vom Meso- colon transversum bei dieser Lage mit in die Höhe gezogene hintere Magen- fläche. Unterhalb des Pankreas tritt von links her oft noch ein gröfserer oder kleinerer Theil der linken Nebenniere in dieses Feld hinein. In bemerkenswerther Weise verkleinert sich das Feld des Haller’schen Bogens, wenn eine Arteria colica media accessoria vorhanden ist, welche so liegt, wie auf Taf. IV, d.h. weit nach rechts hinüber. Man könnte dann freilich, unter Vernachlässigung der A. colica media accessoria, auch sagen, das Feld sei durch den Ramus I a. col. sin. (Taf. IV) und die Arteria colica media begrenzt, also ganz besonders grofs. Man gewinnt aber, meiner Ansicht nach, eine die einzelnen Fälle mehr zusammenhal- tende und für eine Vergleichung derselben geeignetere Auffassung, wenn man bei dem Vorhandensein einer A. colica media accessoria den Haller- schen Bogen zwischen diese und die A. colica media verlegt; denn die A. colica media accessoria vertritt offenbar einen steil aufwärts steigenden Ramus I arteriae colicae sinistrae. Vergl. Taf. I und IV und die Text- Die Kolon-Nischen u. s. w. 51 figuren; in den letzteren sind die vergleichbaren Felder mit einerseits A, andererseits B, B,. B, bezeichnet; in den Tafeln II und IV würden die Felder V und V, sowie V, und V, als einander entsprechende anzusehen sein. Im unteren zugespitzten Abschnitte des grofsen Anastomosenfeldes liegt, wie erwähnt, für gewöhnlich die Flexura duodenojejunalis. Bringt man diese nach rechts hinüber, so wird ein Stück der Aorta abdomi- nalis, welche (vergl. das vorhin beim Duodenum Gesagte) in der Regel vom Zwölffingerdarme bedeckt wird. frei. oben und unten von zwei meist kleinen Falten, welche eine flache Vertiefung einschliefsen und über die Aorta weg zum Duodenum ziehen, besäumt. Nach rechts wird, falls man eben das Duodenum nach rechts verschoben hat, diese die Aorta bergende Vertiefung vom aufsteigenden Theile des Duodenum begrenzt, nach oben und unten von den beiden Falten, nach links vom Übergangssaume beider Falten in einander und häufig von der Vena mesenterica inferior. Ich bezeichne diese Vertiefung als den Recessus aorticus. Im Bereiche des- selben entspringt, worauf mich Dr. Frohse aufmerksam machte, die A.sper- matica interna sinistra. Ferner tritt hier von oben her an die Flexura duodenojejunalis der M. suspensorius duodeni (Treitz) heran. Ich lege dem Recessus aortieus nicht nur deshalb eine gewisse Be- deutung bei, weil dieses die Stelle ist, wo die Bauchaorta die geringste Bedeckung zeigt, wo man ferner, wenn man oberhalb der Arteria mesen- teriea inferior zu unterbinden wagen wollte, den Zugang suchen müsste, und von wo aus man an die Arteriae renales kommen kann, sondern auch deshalb, weil dieser Recessus in der Tiefe der echten Treitz’schen Fossa duodenojejunalis liegt, die bei jungen Kindern meist noch wenig ausgebildet erscheint. Bei Kinderleichen sieht man immer ohne Schwie- rigkeit die Verhältnisse, wie sie hier geschildert sind. Ich gehe für dies- mal nicht näher auf das Verhalten des Recessus aorticus zu den von Th. Jonneseu und Brösike eingehend beschriebenen Taschen am Duode- num ein: das würde zu weit führen. Nur das wiederhole ich, dafs man von der echten Treitz’schen Fossa duodenojejunalis aus in der Tiefe und zur Mittellinie hin auf den Recessus aortieus und die Aorta abdominalis mit Leichtigkeit kommt. Über die Verhältnisse des Recessus aortieus geben die Tafeln II und-IHI Auskunft. In Taf. II liegt das Duodenum wie gewöhnlich vor der Aorta, und man sieht nach rechts nur den Eingang in den Recessus mit dem mx ‘ 52 W. WALDEYER: Musculus suspensorius duodeni; in Taf. I ist die Flexura duodenojejunalis nach rechts hinübergedrängt, so dafs man den Recessus eröffnet und in dessen Grunde die Aorta mit der von ihr entspringenden Arteria sper- matica interna (ovarica) sinistra erblickt. An der linken Seite sind als ziemlich regelmäfsige Bildungen zwei Areae arteriacae zu unterscheiden, welche als das (linke) Nierenfeld und das Ureterfeld bezeichnet werden mögen. In typischer Ausgestaltung giebt Taf. III beide Felder wieder. In der Kinderleiche, welche Fig. III zu Grunde gelegen hat, ist ziemlich genau die ganze linke Niere von einem eng umschliefsenden Bogen umspannt, der von den beiden Hauptästen der Arteria coliea sinistra geliefert wird: nur ein kleines Stück Nebenniere!' liegt noch mit darin. Der Ureterbogen wird vom Stamme der Colica sinistra, deren unterem Aste und der Arteria sigmoidea I gebildet. Der Anfangstheil des Ureters liegt im medialen Abschnitte des Nierenfeldes. Darunter folgt das Ureterfeld mit U,, gekreuzt von den Vasa sperm. intt. Eine andere Gestaltung zeigt Taf. U. Hier steigt der obere Zweig der nur sehr kurzen Arteria colica sinistra (Ram. I a. col. sin.) steil aufwärts zur Flexura coli sinistra, während der untere Zweig (Ram. Il a. col. sin.) quer zum Colon descendens verläuft. In Folge dessen erscheint das Feld weit grölser als in Taf. II, zumal auch der aufsteigende Ast vom unteren Zweige der Colica sinistra dicht am Kolon hoch aufwärts steigt, bevor er sich mit dem oberen Zweige vereinigt. So kommt es denn, dafs in dem betreffenden Felde nicht nur die Niere (R),. sondern auch die Nebenniere (Gl. sp.) und ein gröfserer Theil des Ureter (U) sowie ein Stück Magen- fundus (V,), Pankreas (P,) und Milz (Z) eingeschlossen werden. Das Ureterfeld (U,) ist gleichfalls vorhanden, aber in seinem medialen Abschnitte niedrig, so dafs nur ein kleines Stück Ureter Platz findet; der convexe Schlufs des Bogens gehört schon ganz dem Colon sigmoideum an. Ein weiteres Stück des Ureter (U,) erscheint noch zwischen zwei Arteriae sigmoideae, Es mag bemerkt werden, dafs die Verästelungen der Arteriae sigmoideae sich ähnlich verhalten wie die der Arteria ileocolica am Deocaecalwinkel: die Zweige sind dichter gestellt und bilden kleinere Bögen, so dafs von einem besonderen Arterienfelde hier nicht mehr die Rede sein kann. " Die Nebenniere ist in Taf. III mit G/. sp. bezeichnet; die Bezeichnung steht aber auf dem aulserhalb des linken Nierenfeldes befindlichen Drüsenstücke. Die Kolon- Nischen U. 5. W. 53 In den Figuren 464 und 465 bei Spalteholz (Anat. Atlas) ist das linke Nierenfeld ebenfalls zu erkennen, umfalst aber nur einen kleineren Theil der Niere; in Fig. 465 ist das Ureterenfeld deutlich. In Toldt’s Figur 955 (Atlas, I. und II. Auflage) ist ein etwas un- gewöhnliches Verhalten dargestellt, insofern die Arteria colica sinistra sich erst sehr weit von ihrem Ursprunge entfernt, ehe sie sich theilt. Auch in dem Atlas von Bourgery, Tome V Splanchnologie, Planche 31, sind die beiden Felder zu erkennen; nur sieht man wegen des starken subperitonaealen Fettgewebes den Ureter nicht deutlich durchschimmern. Die in Taf. II und IV einerseits und IN andererseits hier dargestellten Fälle sind ungefähr als die beiden Extreme aufzufassen, zwischen denen sich die Variation der Felder bewegt: nur ist noch der Fall hinzuzufügen, in welchem das linke Nierenfeld so weit herabrückt, dafs es nur noch die untere Hälfte der Niere umfafst. Dies scheint häufiger bei Erwachsenen der Fall zu sein als bei Kindern. In einzelnen Fällen, namentlich bei grofsen Feldern wie in Taf. IV, können die Felder auffallend stark vertieft erscheinen; sie werden zu wahren Hohlnischen, wobei die umrandenden Arterien, mit einer Art Mesangium versehen, stark vorspringen wie Ringe; so verhielt es sich in dem Falle der Taf. IV. Werfen wir noch einen Rückblick auf das im Text und in den Figuren Niedergelegte, so müssen wir, ungeachtet mancher Verschiedenheiten in der Form und Gröfse der Arterienfelder, anerkennen, dafs folgende nahezu als beständige und leicht nachweisbare zu bezeichnen sind: ı. das rechte Renoduodenalfeld (Area renoduodenalis dextra), 2. das linke Nierenfeld (Area renalis sinistra), 3. das linke Ureterfeld (Area ureterica sinistra), 4. der Recessus aortieus. Als bemerkenswerth mulfs schliefslich das Verhalten des rechten Ureters zur Arteria ileocolica hervorgehoben werden. 1. Ballowitz, E., Bemerkung über die Form und Lage des menschlichen Duodenums. Anatom. Anzeiger, Bd. X, Nr. ı8, S. 583. 2. Beaunis, H., et Bouchard, A., Nouveaux elements d’Anatomie descriptive et d’Embryologie. III® Edit. Paris 1880. 8. Bailliere et Fils. 3. Birmingham, A., The topographical anatomy of the Spleen, Pancreas, Duo- denum, Kidneys ete..... illustrated by a cast of these viscera hardened in situ. 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Merkel, Fr., Handbuch der topographischen Anatomie. Bd.II. Braunschweig 1899. 8. Fr. Vieweg & Sohn. 41. Poirier, P., Traite d’anatomie humaine (avec la collaboration deMM.Charpy Nicolas, Prenant, Jonnesco, Soulie, Jacques etc.). Paris, Masson & Cie. (sans date). 56 W. WALDEYER: 42. Quain, Elements of Anatomy. Edited by Edw. Alb. Schäfer, F.R.S., and G. Dancer Thane. Vol. I, P. II (Arthrology, Myology, Angiology). X. Edition. London, Longmans, Green & Co., 1892. 8. 43. Rauber, A., Lehrbuch der Anatomie des Menschen. 5. Aufl. Leipzig, A. Georgi, 1898. 8. 44. Reinke, Fr., Kurzes Lehrbuch der Anatomie des Menschen. Berlin und Wien 1899, 8, Urban & Schwarzenberg. 45. Romiti, Gugl., Trattato di Anatomia dell’ Uomo. Milano, Napoli, Roma ecc. 8. 2 vol. Casa editrice di Dott. Fr. Vallardi. 46. Roud, A., Anomalie de position du Duodenum et du Cölon transverse chez un homme adulte. Bibliographie anatomique dir. par A. Nicolas. Paris et Nancy, Berger- Levrault & Cie., T. VI, 1898, p. 209. 47. 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Hintere Bauchwand eines neugeborenen Kindes (9), Dünndarm nach links verlegt: Aa. colicae, A. colica dextra, Areae arteriacae. Von Arterien sind zu sehen die A. mesenterica superior mit einer A. colica media, colica dextra und ileocolica. Die A. colica media nimmt durch ihren absteigenden Ast noch an der Versorgung des Colon ascendens Theil. Von Zweigen der A. mesenterica‘inf. sind die oberen Enden der Rami I und II der A. colica sin. zu sehen; vergl. Taf. I. Das Colon transversum ist in die Höhe geschlagen und durch das dünne Mesocolon transversum schimmern in drei Arterienfeldern hindurch: rechts ein Stück des Pankreaskopfes (P) und die Pars supracolica des Duodenum (ohne Bezeichnung); in dem grofsen Felde in der Mitte sieht man das Corpus und die Pars pylorica des Magens (V), darunter den Körper des Pankreas (P,), dann die Flexura duodenojejunalis (Fix. dj.), in natürlicher Lage; zwischen Pankreas und letzterer zieht die V. mesenterica inf. hin. Man sieht deutlich auch die Pars ascendens duodeni von unten an die Flexur herantreten, ferner den hell gezeichneten Musc. suspensorius duodeni in dem Winkel zwischen V. mesenterica und Pars ascendens: die dunkel schattirte Stelle unter diesem muskulösen Bande führt in den Recessus aorticus (vergl. Taf. II). Das dritte Arterienfeld links enthält den Fundus des Magens (V,), darunter die Cauda pancreatis (ohne Bezeichnung); das Ende der Cauda ist durch das vorgelegte oberste Jejunum verdeckt. Uber letzterem schimmert die A. gastro- epiploica sinistra durch. Der Magen ist durch das Hinaufschlagen des Colon transversum um seine Längsaxe gedreht, so dals die grofse Curvatur nach oben, die kleine nach unten schaut. Besonders gut ist rechts das Renoduodenalfeld ausgeprägt, in welchem aber in diesem Falle von der Niere nichts zu sehen ist, indem ein kleines unteres Stück derselben durch den Ureter (U) verdeckt wird. Hauptsächlich wird das Feld von der Flexura duodeni secunda (Dd) ausgefüllt: dies ist das gewöhn- liche typische Verhalten bei diesem Felde. Von oben ragt das unterste Stück des Pankreaskopfes hinein. Umrahmt wird diese Area arteriaca in diesem Falle von der A. colica dextra oben, einem Ramus colicus der A. ileocolica unten, dem Bogen zwischen diesen beiden rechts und der A. ileoeolica links. K. Preufs. Akad. d, Wissensch. A. col. med. A. col. dext. A. ileocol. Phys. Abh. 1900. 11. Ram. 1a. col. sin. Ram. 1] a. col. sin. Truncus a. mes. sup. Hintere Bauchwand eines neugeborenen Kindes @: Arteriae colicae, Areae arteriacae, Recessus eolici. Waldeyer: Die Kolon-Nischen, die Arteriae eolicae und die Arterienfelder der Bauchhöhle. Tafel I. BER gen hut nah: Be ze, 11 x EN Ir Kr N Br 4 ix x ie Er s4 ala) - 60 W. Waıpverer: Die Kolon-Nischen u. s. w. Tafel II. Hintere Bauchwand derselben Kinderleiche wie auf Taf.I: der Dünndarm ist nach rechts verlagert. Man sieht die ganze Pars ascendens duodeni und die Flexura duo- denojejunalis, ferner den Muse. suspensorius duodeni (hell), die Aorta (4) in dem Recessus aorticus, darin die A. spermatica int. sin. von der Aorta ent- springend. Der M. suspensorius duodeni bildet in diesem Falle zugleich die obere Falte des Recessus aorticus. Von Arterien sind zu sehen: 1. Die A. colica media, 2. die A. mesenterica inf., 3. die Bauchaorta mit ihren Theilungsästen und die A. sacralis media, 4. die Vasa spermatica int. rechts und links. Eigenthümlich ist die Verästelung der A. mesenterica inferior. Man sieht die A. colica sin. mit sehr kurzem Stamme:; der untere Theilast (Ram. II a. col. sin.) wendet sich zunächst schräg abwärts zur Flexura sigmoidea und schickt dann einen Randast längs des Colon descendens hoch nach oben, wo er spitz- winklig mit dem anderen Aste (Ram. la. col. sin.) zusammentrifft und ein grolses Arterienfeld umgrenzt. Dasselbe zerfällt in einen oberen Theil. der auch in Taf. I sichtbar ist, und in einen unteren Abschnitt: dieses ist das linke Nierenfeld. In letzterem erblicken wir ein Stück der linken Nebenniere (Gl. sp.), die Vasa renalia (V.r.), die linke Niere (R) und den Anfangstheil des linken Ureter (U). Im oberen Abschnitte sieht man den Magenfundus (F};). die Cauda pancreatis (P,), die Vasa lienalia, die A. gastroepiploica sin. (vergl. Taf.I) und den unteren Milzpol (Z). — L, = Milzkörper. Ferner sind zu sehen zwei Aa. sigmoideae (A.sigm. IT und A. sigm. II) und die A. haemorrhoidalis superior. Zwischen dem unteren Äste der A. colica sinistra und der ersten A.sigmoidea haben wir das linke Ureterfeld mit dem Stück U, des Üreter. Zwischen den beiden Aa. sigmoideae kommt ein drittes Stück des Ureter (Ü)) zu liegen — der rechte Ureter ist mit U bezeichnet: unter ihm ziehen die Vasa spermatica dextra zu Eierstock und Tube hin, unterhalb derer man das rechte runde Mutterband sieht. — Hoch oben in der Figur ist auch das grolse Arterien- feld mit dem Magenkörper (V) und dem Pankreaskörper (P;) sichtbar. K. Preufs. Akad. d. Wissensch. Phys. Abh. 1900. II. Anastomosis magna A. col. med. Ram. 1a. col. sin. Trune. a. col. sin. Ram. 11 a. col. sin. A.sigm.1 A.sigm. 11 A. haem. sup. Hintere Bauchwand desselben neugeborenen Kindes wie auf Tafel l: Dünndarm nach rechts verlagert, Arteriae colicae, Areae arteriacae, Recessus aorticus. Waldeyer: Die Kolon-Nischen, die Arteriae eolicae und die Arterienfelder der Bauchhöhle. Tafel II. ur: TR a nr NE ST o“ En 2 3» Per #, rein lusnefe werntchor were Kir Hr i Yu fr tree... “ Ar 2 ER u EA il Arne N Ar nee 62 W. Wııoeyver: Die Kolon-Nischen u. s. w. Tafel II. Hintere Bauchwand eines neugeborenen Kindes (&). Das Intestinum tenue mesenteriale ist bis auf die Flexura duodenojejunalis und das letzte Ileumende entfernt; man sieht die beiden Darmrohrdurchschnitte und die Schnittlinie der Gekröswurzel. Durch Hinaufschlagen des Colon trans- versum ist der Kolonkranz entfaltet. Die Tafel dient so zur Veranschaulichung der beiden Kolon-Nischen. Man denke sich hierzu das Colon transversum wieder etwas herabgesenkt; die An- heftungslinie des Mesocolon transversum läuft an der Grenze des dunkleren und helleren Theils über Duodenum und Pankreaskopf hinwes, dann am unteren Pankreasrande entlang. Die rechte Kolon-Nische zeigt die Pars descendens duodeniinfra- colica und die Flexura duodeni secunda mit dem Beginne der Pars hori- zontalis inferior duodeni, ferner ein Stück des Pankreaskopfes (P). Die linke Kolon-Nische (Pankreasnische) läfst die Pars ascendens duodeni, die Flexura duodenojejunalis und den M. suspensorius duodeni, ein Stück der linken Nebenniere (Gl. sp.) und die linke Niere (R) erkennen, ferner den gröfsten Theil des Pankreaskörpers (P,) und die Vena mesenterica inf. In der rechten Nische sieht man aufserdem weiter unten das untere Ende der rechten Niere (R) und den Anfang des rechten Ureter (U). An Arterienfeldern bemerken wir das Renoduodenalfeld, umrahmt von der A. colica dextra oben, der A. ileocolica unten, dem Bogen zwischen beiden rechts, und der A. ileocolica links. Darüber liest ein zweites Feld mit Dd und P als Inhalt. Links haben wir das Nierenfeld (R) und das Ureterfeld (U,); auch das Stück U, des Iinken Ureters liegt wieder zwischen den beiden ersten Aa. sigmoideae. V=Magenfundus, Z=Milz, U, (rechts) = Stück des rechten Ureters an der Kreuzung mit der A. ileocoliea, + = Flexura duodeni II. K. Preufs. Akad. d. Wissensch. Phys. Abh. 1900. II. A. col. med. A. mes. sup. A. col. dext. A. mes. sup. A. ileocol. A. haem. sup. Anastomosis magna Raın. 1a. col. sin. A. mes. inf. Truneus a. col sin. Ram. Il a. col. sin. A.sigm. 1 A. mes. inf. A. sigm. Il A. sigm. III Hintere Bauchwand eines neugeborenen Kindes &: Arteriae eolicae, Arteria colica dextra, Areae arteriacae, Recessus eolici. Waldeyer: Die Kolon-Nischen, die Arteriae eolieae und die Arterienfelder der Bauchhöhle. a Tafel III. = a PER De ir E 4 er a ‚) Pi . ni 2 Pr ee ) * 14 \ - e fi. zuintdain y st (% j ih ar er N a hmmnrtäir - Iris van ra R 5 : i : h Abt } I, DEE . ! c.- TH re m A ol Hu f a ni mdatsch.. Lu KB Shergatı MT urn | | 2.44 Nöty il o i im 9 ! Kite; Tut N Er gi \ a wie! N Ft rin ji f m TA noharyintada MER { \ br lys I > Rn ; . a Win IA, & ) sol or Lisa ER, 27 nd R Ve h . E bh TEPTTE GE 2 en EEE ioad el 35 Banlar, nu ' 1334 Fr ‚dahin EN Eng Se LTE LE 4 GERT ızlı 64 W. Wııopever: Die Kolon- Nischen u. s. w. Tafel IV. Hintere Bauchwand eines neugeborenen Kindes (92). Die Herrichtung des Praeparates ist dieselbe wie in Taf. III. Bemerkenswerth ist das Vorhandensein einer A. coliea media accessoria, wodurch das Feld mit dem Magencorpus (V) eingeengt wird, während ähnlich wie auf Taf. II ein gemeinsames Feld für den Magenfundus (F;), Pankreaskörper (P;), linke Nebenniere (Gl. sp.), den unteren Milzpol (L) und den bei Weitem gröfsten Theil der linken Niere (R) erscheint; das Feld ist nur noch gröfser als auf Taf. II und sehr vertieft, vergl. das im Text S. 53 Gesagte. Links ist das Stück U; des Ureter wieder im Ureterfelde zwischen dem absteigenden Aste der A. col. sin. (Ram. II a. col. sin.) und der nächsten A. sigmoidea (es ist nur eine vorhanden) zu sehen. Rechts zeigt sich wieder das Renoduodenalfeld mit einem Stück der rechten Niere (R), dem Anfangstheil des Ureter (U) und einem kleinen Stück des Duodenum, diesmal von einem Ramus colieus der A. ileocolica nach oben begrenzt, und darüber das auch in den anderen Figuren sichtbare Feld mit dem nächst- oberen Stücke des Duodenum (Dd) und dem Pankreaskopfe (P). Fix. dj. = Flexura duodenojejunalis, U = rechter Ureter, Ov. = Ovarium, Tub. ut. = Tuba uterina, Lig.ov.= Ligamentum ovarii, V= Magenkörper, + = Flexura duodeni II. Die übrigen Bezeichnungen sind ohne Weiteres verständlich. K. Preufs. Akad. d. Wissensch. Phys. Abh. 1900. II. Bifurcatio Ram. anastom. A. col. med. accessor. A. col. med. V, mes. inf. Ram. colieus A. mes. inf. A. ileocolica Ram.] a. col. sin. A. mes. sup. Truneus a. col. sin. Ram. 11 a. col. sin. A.sigm. Ov. A. haem. sup. Tub. ut. Lig. ov. Hintere Bauchwand eines neugeborenen Kindes 9: Arteriae colicae, Arteria colica media accessoria, Areae arteriacae, Recessus colici. Waldeyer: Die Kolon-Nischen, die Arteriae eolieae und die Arterienfelder der Bauchhöhle. Tafel IV. Rah A 7 N! PHILOSOPHISCHE UND HISTORISCHE ABHANDLUNGEN DER KÖNIGLICHEN ZU BERLIN. AUS DEN JAHREN 1899 uno 1900. MIT 1 TAFEL. BERLIN 1900. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. KHHDMIDIMON MHTHANDANGRRTT SEM RN Akasik BR ie line ee Sprgscrat, Moii- Bine a 0,0, 2 bla. le Ko N 2 RR TER Tuhalt,; farfzır kit‘ Are, telis qui fertur de Melisso Xenophane Gorgia libellus . Abh. I. S. 1-40. Radbert's Epitaphium Arsenii. (Mit 1 Tafel.) . . . . Abh. II. S. 1-98. die Versschlüsse in den Komödien des Terentius. . Abh. III. S. 1-60. 77 Alsılal “ n =\ I f j i Ak } sllachl. Haie sardions.K ie ab EEE neigt REINE f a na HUT. ni in ara ParO >: fit Bahr Park UN X ee eh en Aristotelis qui fertur de Melisso Xenophane Gorgia libellus. Edidit HERMANNUS DIELS. Philos. - histor. Abh. 1900. I. 1 Gelesen in der Gesammtsitzung am 10. Mai 1900 [Sitzungsberichte St. XXV S.515]. h ö Zum Druck eingereicht am gleichen Tage, ausgegeben am 15. August cp, a7 # - S & DEAN VEN. : . Maar, PRAEFATIO. A ristotelis recensio Bekkeriana, si universum opus candido animo examines, admirabile monumentum artis eriticae etiam hodie post tot tantosque viro- rum doctorum labores in Aristotelem collatos praedicandum est. at cum in aliis eius operibus tum in minoribus incertae auctoritatis libellis non- numquam bonus editor dormitavit. quare fas est, cum in eo sit ut Aca- demica Aristotelis cum interpretibus editio ab illo incohata ad finem ducatur, ab Academia nostra, si quid inediti vel imperfeeti vel vitiosi in ea relictum est, suppleri. cui officio et olim academiei nostri pro virili parte respon- derunt, inter quos Idelerum Trendelenburgium Bonitzium Vahlenum honoris causa nomino, qui Meteorologieca, De anima, Metaphysica, Poetica suo con- silio redintegraverunt, et nuper Supplementum Aristotelieum ipsius Aca- demiae auctoritate destinatum est. cui corpori haec libelli de Melisso Xeno- phane Gorgia nova editio, quam ad supplendum Bekkeri, ut omnes seiunt, imperfectum laborem paravimus, inserenda fuisset, nisi incommodum visum esset paucas istas paginas seorsum edere. itaque Actis academicis tradere eas visum est. Bekkerus cum ad edendum hune librum se aceingeret, videtur primo nihil ad manum habuisse nisi Sylburgianam a Brandisio cum sex codieibus Italis et uno Parisiensi collatam (R* = Vatic. 1302, 0° = Mare. 216, V* -— 31634108, .0-—— Mare. 2060,,.B — Balat. Vatie. 162, N” = Mare. 215; — Paris. gr. 2277), quod exemplum hodieque in Academiae nostrae scri- niis servatur. tum vero cum plagulae ad eum redirent, meminisse videtur codiceem meliorem recensioni adhibendum esse Lipsiensem. at neque bona collatione usus est (neque enim Olearii vetusta collatio, sed Beckii accurata deseriptio' adhibenda erat) neque solita prudentia recensionem ipsam ad- ministravit. immo raro Lipsiensis praestantiae cessit, rarissime ipse emen- davit et tantummodo leviora, omnino vulgatae sordes mira patientia toleravit. ! Varietatis lectionis libellorum Aristotelicorum e codice Lipsiensi diligenter enotata. Lips. 1793 (sollemnia doct. indieit Chr. D. Beckius o. phil. prodecanus.). I;* 4 H. Dies: Post Bekkerum non pauei viri docti singulos locos egregie expedierunt et omnino libello paene desperato salutem vitamque reddiderunt. inter quos Bonitzium et Franeiseum Kernium praecipua laude dignos iudico. postremo totum libellum Otto Apelt in Teubneriana bibliotheca felicissime traetavit et saepe pristinum nitorem primus recuperavit. at ille cum emendando vera vel probabilia multa invenisset et omnino recensionis iustum fundamentum ieeisset, nescio quo pacto factum est, ut de illo Lipsiensi optimo duce saepe aut dubitanter aut aperte falso rettulerit, quamquam ipsum diligenter codicem Lipsiae oculis usurpavisse se dieit. quod utrum inde explicandum sit quod palaeographiae minus peritus ad codicem satis diffieilem accesserit an aliter nescio. ego folia, quae Aristotelis libellum hune continent, Lipsia in Academiam nostram transvecta (quod Otto de Gebhardt Bibliothecae Universitatis Lipsiensis praefectus insigni benevolentia concessit) iterum cum Aristotelis verbis et Apelti notis sedulo contuli, ut tandem firma materia recensioni substructa sit. praeterea codiceem Vaticanum graecum 1302 (R" Bekkero, nobis R), quem Apeltius recto iudicio e turba vulgarium segregaverat, post Brandisium iterum conferendum iudicavi, quo officio sollerter ut solet funetus est Ioannes Graeven Romanus nunc Hannove- ranus. ceteros Brandisii codices missos facio, quia descripti sunt aut ex R aut ex eius gemello. credo quidem ex ipso R illos profeetos', sed probare non possum nec sine novis collationibus probatum iri seio. at quis tantum laborem suseipiat, cum constet nihil ex eis lucri redundaturum esse! nee tam ego curiosus sum, ut affınitatis gradus qui inter istos proletarios inter- cedant rimari me iuvet. adhibendi igitur sunt soli duo eodices: L Lirsıensis gr. 16 (olim 361) membr., variis partibus et manibus con- stans, post Cleomedem f. 298" (post quod duo folia fortasse olim vacua resecta sunt) eadem manu, s. XIV ineuntis ut ego iudico (s. XIII Beckio iudice, Gardthausen Kat. d. Hdss. d. Univ.-Bibl. Leipzig, 1898 de aetate tacet), seripta haec exhibet: I. f. 299°- 303" apıororeAovs Tepi Iyvwvos (sie). f. 301" äpıororeXovs mepi Eevocbavovs. 3. f. 302° äpıororeAovs Mepi yopylov. f. 303" vacuum tum iterum 3 folia exsecta. 4. f. 304"—-309 dpıoToTeAovs Tepl KOouov. " ef. 975° 36, ubi ve illud in R leniter corruptum plane omittunt N202Q Va et plura ceteri. cf. de hac quaestione supplementum p. 4. de Aristotelis qui fertur de Melisso Xenophane Gorgia libello. 5 post f. 309 iterum duo folia recisa. 5. f. 310"-311" apıororeXovs mepi üperns |i.e. Andronici q.f. mept radev p. II ed. C. Schuchardt, qui Lipsiensi non usus est]. 6. f. 312" apıororeAovs dbvoins Arpodoews a extremos versus, tum B-8 [8 p. 216° 9]. Liber de Melisso Xenophane Gorgia una totus manu et perscriptus est et correetus; altero autem exemplo librarius usus non est. lemmata in margine posita velut ked. ß, EumeöorAns, mappeviöns recenter addita ut rubra puncta, quibus collator primus ÖOlearius insignes differentias nota- verat.' huius ego codieis orthographiam, a qua tamen R non multum differt, fere secutus sum in elidendis vocalibus, oUrw et oVrTws, eori et &oriv variandis. nee talia in notis posui. constanter autem adhibui yıyvooreıv, yiyveodaı, aryevnros, ubi codices interdum prave scripserunt Yırwakeı, yiveodaı, aryevvntos. item cum in iota subseripto fere constet usus librarii, zavrn et similia paene semper sine iota elata eonsulto retinui. aurov et abrov meo marte posui, quandoquidem Byzantinos aurov fere ignorasse notum est. item aeccentus et distinetionem librariorum neglexi. lacunas quas librarius reliquit accurate expressi, quamquam talia non anxie observata esse a seribis notum est; cf. ad 976* ı1ı. Varıcanus gr. 1302 bomb., saec. XIV in. [ef. Kaibel in Doxogr. p. 109°, Gereke in Useneri ind. hib. Bonnensi 1890 p. Ill]. libellus de Melisso extat f. 140“-148" inter Theophrasti seripta minora (f. 83" mwepi nupos, 130“ mepi 6ou@v) et Aristotelis mepi Havuaciov arovouarwv. cf. P. de Nolhae La Bibliotheque de Fulvio Orsini p.ı65', qui de hac quidem parte minus accurate rettulit; accuratiora me edocuit lIoannes Graeven. cf. praeterea Martini Analecta Laertiana p. 80. Codices LR satis fideliter ex libro corruptissimo deseripti sunt. in universum aceuratius L, sed variat fortuna legendi. interdum R oeulos magis intendit et inprimis finem versus L solito neglegentior. archetypi igitur imago elare eniteseit, quem etiam pluribus et diffieilioribus com- pendiis exaratum fuisse patet. velut p. 978° 25 ita discedunt L et R, ut hie anAovv, ille dreorı referat. at latet, quod diu perspeetum est, areipov notio. ergo coniei licet discordes libros in unam lectionem coire dmeıpov ı ef. Beck 1. c. p. 3. moneo hoc propter Apelti errorem, qui librarii nescio cuius hoc opus credebat p. 168, 11. 6 H. Dieıs: &otı, quod cum in archetypo breviatum esset a"A alter dmAovv alter ameoTı intellexit. sane ista breviandi audacia in scholastieis tantummodo libris eisque antiquioribus valebat neque parvo temporis intervallo distare videntur apographa illa ab archetypo. nam plus semel in L invenitur obelus eircum- punetus —, ubi nihil deesse apparet. quem a librariis antiquis positum esse. constat, ut si qua rasura lacuna extiterat, nil deesse indicaretur." at in L nulla est rasura. ergo ridicula fide ex suo exemplari hoe traduxit, quod non idem fuit atque’ archetypus. nam p. 978° 22 in archetypo fuit, quod R exhibet, falso aurod ToV. contra L habet aurov.— oÜ, quae lectio vera est. ergo deseriptus est L ex codice, qui ex archetypo traductum istud aurov Tov rasura correxit eamque signo solito opplevit. iam eum hie seribendi mos in antiquissimis noni deeimi undecimi saeculorum codieibus saepe inveniatur, postea, nisi fallor, rarissime, ipse archetypus in antiquissimam nostrorum codiecum minusculorum aetatem videtur relegandus esse. ergo codieis L praestantia non solum ipsius diligentia ac fide sed etiam eo niti videtur, quod coniecturis subinde felieibus eius exemplar correetum erat. nam alium fontem propter lacunarum condiecionem aceitum esse veri dissimile. in- struetus autem erat archetypus variis lectionibus. nam verum, quod Bergkio debemus 976° ı 7p&aro yıyvonevov, in L leniter depravatum videmus np&aro yıyvöueva, turpius in R yYiyvorro ei yıyvoneva, ubi per transennam specta- 7 yıyvon mus archetypi np&aro Yiyvorro. emendatione enim recepta extrusa est prior vox, ut eadem noxa p. 980°9 Aaravra ante TA super versum supple- tum in prioribus turbas dedit. atque hoc ipse archetypi librarius peccasse videtur. celarum quidem eius rei exemplum p. 976° 10, ubi in Parmenidis versu absurda archetypi lectio eivaı ueypıwv repraesentat pristinam speeiem eivaı TeN&uev ypewv. quodsi antiquae interpretationis vestigia certa constant, praestat 974° 18 TO nAnpes et 7 TO kevov (ubi iterum 7 illa variantis ! cf. Paris. A Platonis (Schanz RR. Mus. XXXIlI 304) et Heidelb. Palatin. gr. 398 Para- doxogr. — cum eadem sit forma compendii eiva: illis temporibus, et alibi et in hoc libello factum est ut eiva: omitteretur, ut 978% 16 977% 24 (R) ac fortasse saepius (cf. 977® 3. 978® 35. 979% 37. ® 12), quamquam cf. Vahlen Ar. Poet. ?244. alia confusio naseitur illine quod ra tum seribebatur 77; itaque quod in Aristotelis Poetica 1461* 24 exhibet codex Empedocleum ra mpiv uadov abavara non Aristoteles imperfeetum reliquit, sed librarius adavar — et abavar — eonfudit. quod idem aecidit in Xenophontis Hipparch. 5, 8, ubi mpaynara codd., scribendum est mpayuar eivar, quod sive coniectum sive traditum recte exhibet unus Taurinensis. de Aristotelis qui fertur de Melisso Nenophane Gorgia libello. 7 nota) secernere tamquam interpretantis pericula. neque aliter iudico de amarav P.974”6. cf. praeterea ad p. 976" 35, 977° 3. 39, 978° 8. 32. Sie per gradus ad varios qui ante LR fuerunt memoriae status per- venimus, quorum speciem fixam teneat oportet siquis libro depravato vel, ut Sylburgii illud referam, carcinomati manum salutarem admoturus sit. et bona quidem pars depravationis seripturae genere compendiario nata est!, plus vero ipsa seriptura madore aut situ oblitterata. testes eius rei in- numerae fenestrae etiamnune apertae; ac fortasse latentes etiam plures et graviores, quas librariorum incuria omisit. Quae cum ita sint, diffieillimum est de libelli ipsius natura et auctore recte indicare.. nam iniquiorem de eo sententiam ferenti obviam ibunt for- tasse qui memoriae dolendam condicionem excusent. velut Franeiscus Kernius olim, dum Theophrasteam originem defendit, conieeturis doctis et acutis seripti menda detergere studebat. cuius studia cum olim satis mihi refutasse videar” neque quisquam illorum patrocinium postea suscepit, nunc repetere nolo. teneo igitur, quod in Doxographis p.108 sqq. eviei, Theo- phrasti et libelli de Melisso, quae olim eredebatur, eoniunctionem Simplieio demum deberi, qui utrumque ab Alexandro adhibitum commiscuit.” idem tamen non teneo quod de libelli aetate ibidem p. 113 coneluseram: »indicis Hermippei auctoritas [Diog. V 25] vocumque Peripateticarum incorrupta proprietas [ategoriae mooov p. 978° 19, mpos Tı 978’11, Eyew 978” 20, Evöerey@s ! exemplum proferam ex tertia parte, ubi Gorgiae de nihilo disputatio tractatur, euius sunt tria capita 1. nil esse 2. si esset, incognitum esse 3. si posset cognosei, aliis tradi non posse. iam primam sententiam priusquam refellat, absurde vulgo secundum codices legi- tur 978% 33 obros ev oliv 6 auros Adyos £xeivov. sententia flagitat 6 mp@ros Aoyos £xeivov. seriptum igitur erat olim äros, quod saepe turbas dedit. velut in Arist. Probl. 21,7 (927® 15) 1a Ti TOv ANevpwv Ta aNPıTa Aaumporepa Eotı, ov de aAbitwv Ta reAevrala, ubi ara prono errore in aAdıra vertebatur. ceterum observandum est ex communi forma breviandi & (q. e. et eis et mp@ros) paulatim ad analogiam (velut ? — öeka et öekaros) pleniorem scripturam äros contra rationem deductam esse. quae invaluit, ut iam @ simplex idem esset quod po. velut äowroy i. e. mpoowrov (Paris. 1888), aeotws i. e. mpoeotws alia. ? fundamentum istius rationis fuit codieis R inscriptio #eoßpaorov, quam a Kaibelio (Dox. 109?) viri docti s.XV vel XVI coniecturae deberi demonstratum est, qui libellum ab Aristotelis ratione abhorrentem cum inter Theophrasti seripta traditum videret in suo codice, prona conieetura eidem adseripsit. ® Simplieium Theophrasti Opiniones ex uno Alexandro novisse neque ipsum usurpasse demonstravi ibi p.ı13 et in Simpl. ipso 700, 18 not. — ut ipse iudieare commode possis, locum Simplieianum in Appendice adieci. 8 EDErLS: 976° 24] ad tempora tertio a. Chr. saeculo inferiora descendere vetant, rectius Stratoneorum mentionem inicere Usenerum memini«.' Haec omnia nune retractare in animo est. nam primum quod brevius- cule allegavi Hermippei indicis auctoritatem, verum est in Laertio coniunctos inveniri hosce deinceps titulos seriptorum Aristoteleorum 1. mpos ra Mexiooov a \ Ngp3' N = . mpös ta ANkuaiwvos a \ \ N ze . mpos rovs Ilvdayopeiovs a 2 3 4. mpos ra lopyiov a 5. mpos ra Zevobavovs [Gevorparovs libri] (a) 6. mpös ra Zuyvwvos a 7. mei rov Ilvdayopeiwv a. atque cogitari poterat in archetypo olim extitisse praeter I. 5. 4, quae servata sunt, etiam alia ex hac serie scripta. nam cum in ipsis quae ser- vantur capitibus crebra est aliorum physicorum mentio, tum extremis verbis, quomodoceunque ea rescripseris, ad aliorum dpyawrepwv aropias postmodo se transiturum esse aperte promittit. quid? falsa primi capitis inseriptio, quae fuit in archetypo mepi {yvovos, nonne facillime potest inde explicari, quod titulus antiquo more ad praecedentis seripti umbilicum appositus (qui mos usque ad codices s. X nonnumquam vestigia reliquit) falso ad proxi- mum tractus est?” hoe si verum est, etiam sexti libri Aristoteliei titulus in censum veniat. quodsi septimum secludas quasi geminum exemplum tertii libri, habeas umbram corporis Aristotelici ex sex monobibliis compositi, nisi quod ordo fuisse putandus sit 6. 1.5.4. 2.3. Deinde mira illa titulorum forma, ut libri brevissimi suo quisque titulo exornati sint in codd. (apıororeXAovs Tepi Invwvos, ApıoToTeNovs mepi Eevocbavovs, GpIOToTEAovs Trepi yopyiov), nonne digitum quasi inten- debat in monobiblia illa indieis Aristoteliei? His igitur causis adductus Hermippei indieis auetoritatem post alios ut antiquae originis testem olim haud cunetatus arcessivi. itaque sive Aristoteles seripsisse putandus est hoc quod tenemus trifolium sive 'Theo- phrastus, quod utrumque hodie viris doctis merito displicet, sive alius ' Stratonis meminerat propterea quod de ortu et interitu doetrinam in primis respiei observaverat. ° In argumentis huius libelli servatis ad Zenoneam illam partem relegari vidit Zeller 15 5012. 502!. cf. P.979% 23. b 25. 976% 25. 979% 4. de Aristotelis qui fertur de Melisso Xenophane Gorgia libello. J Peripatetieus, hoc indieis Hermippei testimonio extra omnem dubitationem positum esse videbatur, ante alterum a. Chr. saeculum libri auetorem ex- titisse. De hac ego re nune secus mihi iudicandum esse video. nam ut recte Hermippo istos titulos adseribi (teneo enim quod olim de indice mihi per- suasi), ut argumentum illorum monobiblion persimile fuisse, ut incertam esse Aristotelicam corum originem similiter ac nostri libelli largiar — quomodo factum esse putas, ut quae nune vix binas ternasve paginas compleant seripta olim iusti singula libri ambitum efficerent? nam est certus libri modulus Alexandrinis temporibus neque invenitur in corpore Aristotelico ullus tam curtus liber nisi Metaphysicorum @ EAarrov, quod fragmentum ipso nomine exceptum est. Quod si recte libelli huius memoria ceoniungeretur cum illis mono- bibliis, epitomas nune tres, non ipsos libellos servatos esse necesse esset eredi. at species obloquitur. nam etsi multos inesse lacunas minores diu intelleetum est et ipsi nonnullas novas aperuimus, tamen universa quae extat forma libri plena est nee sine licentia in maiorem possit ambitum dilatari. At nihil obstat, quominus Aristotelis illa monobiblia posterioris aucto- ris imitationem exeitavisse putes. immo credo plurimum eruditionis inde a posteriore scriptore haustum esse. nam dialecticus ille, quisquis fuit, tra- ditum ordinem interdum (ut 977° 24-36) turbasse et de ipsis philosophis quos eitat vel impugnat, nihil fere sua lectione comperisse videtur. Quod cum etiam antea observatum sit, tamen huie disputationis loco aptum duco quo(dl paulo euriosius exponatur. ex Platonis igitur Sophista 244 E Parmenidea 976° 6 novisse videtur; ex Aristotelis Metaphysicis A 4 Hesiodi versus, quamquam explicationem obtusam non indidem sumpsit, sed ex Phys. A 1.208” 30; eoneinit autem vel leetio ravrwv pro Yroı, quae Aristoteli eon- cedenda memoriter referenti. manifesta porro est translatio 976° 32, ubi "nidum’ totum percommode ex Arist. de eaelo Bı3 excepit imitator, qui hie quoque sententiam pervertit. nec minus absurde cepit Aristotelis verba de gen. et corr. A8. 325° 4sqq., ubi Leucippi de atomis et inani theoriam Aoyovs appellat' et aliquotiens TO Öinpnuevov pro Kevo usurpat ("7.12 cf.” 9). hie cum Aristoteles Platonem et antiquiores seeutus Aöyovs quasi personae vice fungentes fecerit, miratus iste seriptor eitat ac plane otiose quidem 980° 7: i : - , P I 325% 23 Nevkımmos 8’ Eye dnOn Noyovs oitves mpos rjv alodıyaıv OnoAoyoVjeva Aeyovres ok Avampıarovaıv oVTe yeveoıv KTA. Philos. - histor. Abh. I. 1900. to 10 H. Diers: ävri ToU kevod TO dımpnodaı Aeywv, kadarep Ev roıs Äevrinmov kaNovnevous Aöyoıs yeypanrau.'‘ Quae cum ita sint, verisimile est, si quid praeterea eruditionis in versibus vel opinionibus philosophorum afferendis conspieitur, Aristotelis illa monobiblia materiam seribendi dedisse huie auctori. nam disputandi ratio ipsa plerumque mira est et ab Aristotelis et Theophrasti cursu dia- lectico remota, eruditio autem saepe otiosa” aut plane perversa, ut Anaxi- mandri de aqua prineipio error diu explosus est (975” 23). omnia autem haec quae vituperavi, librorum Aristotelieorum usus incuriosus, rerum in peripato antiquo notissimarum ignoratio vel dubitatio°, vocabulorum Aristo- telieorum abusus, suadent, ut non Theophrasti vel Stratonis aetati hune seriptorem adsignemus, sed paulo inferiori, ubi effeta antiqui Peripati vi iam Carneadeo more deoewv frivola disputatio in usu esse coeperit. At ipse vocum Peripateticarum incorruptam proprietatem contra hane opinionem, quam Ueberwegius olim tuebatur, defendi.“ sed in artis vocabulis posteriores Peripatetici Aristotelis exemplum ita secuti sunt plerique, ut saepe primo obtutu dubites, utrum antiqua an posteriora scripta verses. categoriae quidem, quas illie attuli, tantum probant, hune libellum, si ab antiqua schola abhorret, Andronico inferiorem esse, qui cum ceteris libris principalibus etiam Categorias discipulis maxime commendavit. ergo inconsideratus illorum librorum categoriarumque abusus digitum intendere videtur in ea tempora scholae, quae nobis paene ignota sunt, inter Andronieum dieo et Alexan- drum, quem supra dixi primam huius libelli notitiam prodidisse. Neque incorrupta nune mihi videtur illa vocum Peripateticarum pro- prietas, sed uno certe loco fucata Stoicorum doctrina. p. 978° 28 diffieili et eorrupto loco hoc tamen in universum clare exponit neque öv neque um Ov concretas, ut aiunt, vel individuas res esse (aioOnTtd) sed abstraetas. quare nil impedire ne eadem praedicata cum illis contrariis principiis jiungamus. abstracta autem Stoicos appellare Aexra i. e. Ta kara Aoyırmv bavraoiav üdıoraueva (Sext. VII 70 cf.X 218) eisque opponere ras aiodnrıkas bav- ı cf. Verh. der 35. Philologenvers. Stettin p.Io5°°; Site. Berl. Ak. 1883, 489. ® Vermehren Autorschaft der d. Ar. zugeschr. Schr. mepi Zevobavovs cet. (Jena186r) 2osgq. ® 975® 17 &s kal rov Avafayöpav dacti Tıves Aeyev in re tritissima cf. 977” 30 et Zeller 518°. Anaxagorae nomen si recte restitutum est 976°14, non recte eius verba cepit quae Simpl. phys. 157, 2 sie tradidit (loquitur de vo, qui 156, 14 areıpov vocatur) mas önoıs eomı kal 0 nellmv kal 6 eNdoowv: Erepov de oVdev Eomıv OLoLoVv ovdevı. * poteram alia addere velut Evöeyeodaı, amopacıs et omnino disserendi progressum. de Aristotelis qui fertur de Melisso Xenophane Gorgia libello. 11 acias in vulgus notum est. atqui Stoicorum de Aekroıs doctrina, euius aculeos singillatim exponere non est huius loei, minus quam alia emanavit in communem philosophorum usum. neque credibile tertio ante Chr. sae- culo tam remota artis vocabula e Stoa in Peripatum transvolasse. hoc eclecticorum demum aetate fieri coepit et hie seriptor eo vocabulo cum ostentatione eruditionis usus esse videtur, si quidem ipse interpretationi consuluit dubw de Aekra kal (verte id est) Ötavonra. sed de hac interpre- tatione, utrum ab auctore an ab interpolatore addita sit (hoc enim varia me- moriae forma indicari videtur), nihil pro certo affırmo; ipsum vocis usum tamquam aetatis eclecticae vestigium teneo. Nec abhorret ab hoe indieio vocabulorum poeticorum quoddam tempera- mentum velut Tekvovv 974" 23. 977* 17, Arpeneiv 977" 17, nopdnv 975" 22. 976” 25, avapıdua 976° 30. nam etsi invenitur etiam apud Aristotelem ipsum etmagis etiam apud Theophrastum eiusque diseipulos vocabulorum poeticorum quaedam copia, quae diligenter composuit Joachim de Theophr. libris Nepi {owv p.54, tamen nemo hercle Peripateticus antiquior dixisset oVTe önorov bb’ önolov TPoOHKeıw Tekvwönvaı uaAAov 7 Tervocaı ubi conveniebat dicere yevvnOnvaı uaAAov 7 yevvnoaı. neque recte isti defendunt qui Xenophanis hie versum pellucere eredunt. nam alter locus tangit doctrinam Melissi, qui ut ceteri philosophi ioniei vocabulo illo constanter abstinuit. quod enim personatus Aristoteles dieit 974° 23 TO un öv rervovodaı ipse Me- lissus dieit (fr. 6 Covotti) TO our Eov yiveodaı et deinceps 6 Koouos —- oUk amoANvraı obde 6 un Ewv Yiverau vel (fr. 7) TO uev &öv amwAero, TO de oUk Eov yeyovev. ergo nullo exemplo ipse seriptor de MXG eolorem poetieum allevit; quod sane feeit modeste. Cum hoe altioris studii signo mirum quantum eoneinit illa aerugo nobilis, quae in littera € praepositionis ovv conservanda cernitur (974" 26 Evurepavdevra, 978” 2 Evußeßnkev, 978” 33 Evußaivew, 979” 12 Evyxwpot). formae antiquioris, quae iuxta communem a poetis usurpabatur, vestigia inde ab extremo quinto saeculo in Attica evanescere coeperunt, in titulis et scriptoribus ionieis iam antea. in Hippocratieis eerte, ut optimi libri docent, postea inserta videtur eademque ratione Demoerito fortasse invito obtrusa. Herodotus quidem et philosophi ioniei oVv unum noverunt. de Heraclito artificee sermonis dubites; £bv vow seilicet et £uvov fr. 91 inter se respondere videntur. Attiei seriptores praeter Thueydidem et Platonem obsoletam litteram vitant. In Xenophonte rara sunt vestigia ac fortasse dubia. DE 12 H. Diıers: Aristoteles et Theophrastus numquam antique loquuntur, loquitur tamen Aristoxenus, euius fragmentum nuper repertum constantius quam libri servati & retinet. ab Alexandrinorum deinde prosa haee gravitas plane abhorret et renato demum atticae antiquitatis amore factum est, ut cum ceteris Pla- tonis floribus! etiam haec proprietas refloresceret. non tamen primis atti- eismi temporibus hoe apparuit. nam Dionysius, Pliilo, seriptor Ilepi üyrovs nisi fallor semper ovv adhibent. primus admixta & littera suam orationem hie illie eoloravit Dio Chrysostomus, tum altero p. Chr. saeculo multi. Ergo nisi hoc indiecium nos fallit, in eam aetatem dedueimur, qua Aristotelis libri scholastiei in communem usum adhiberi simulque stoicae elegantiae dialeeticae etiam in peripato exponi eiusque vocabula usurpari coepta sunt. quo in genere in mentem venit elegantissimi libelli zrepi kocuov, ubi Aristotelica doctrina sane largiore flumine Stoicae i. e. Posido- nianae originis irrigata est, tum libelli /lepi aper@v, ubi Stoica prae- valent, inest tamen etiam dos vere peripatetica, quae effeeit ut Aristotelis sancto nomine etiam haee scriptiuncula dignata sit. lIam latereulum Aristotelicorum oculis lustra, quae in Lipsiensi eadem manu scripta se excipiunt. vides post Öleomedem i. e. Posidonianam mundi doctrinam, Aristotelis de Melisso Xenophane Gorgia, tum /lepl köouov, tum Ilepi aperns (sie), postremo ®voıkns akpodoews libros continuari. nonne verisimile est illa pseudepigrapha renatae tamen scholae Aristotelicae monu- menta eadem fere aetate i.e. primo p. Chr. saeculo orta simulque scholica traditione ad Alexandrum posterioresque interpretes propagata esse? Ergo si argumenta quae protuli accurate excutias, fortasse infringas singula: omnia tamen coniuncta tantum valere eredo, ut de MXG libellum paulo post Christum natum ab eclectico homine logices Peripateticae libro- rumque scholasticorum Aristotelis non imperito, historiae tamen philosophiae antiquae ipsorumque philosophorum parum gnaro, attieismo modeste favente scriptum esse existimemus. multa nos Nicolai Damasceni admonent, qui sub Augusto Aristotelis doctrinam in elegantiorum hominum usum instau- rare coeperat. at libellum istum seripsisse non potest, quia de Xeno- phanis prineipio prorsus aliter iudieavit” atque illius seriptor. 1 dubito an illue in 1. de MXG referam crebrum ye cf.976% 2 et &uerpov (i. q. Areıpoy) et ryv iov (sic) amodeıfıv, quod Plato Prot. 349B (sane etiam Arist. Anal. Pr. 49° 36) dixit. ® cf. Simpl. phys. 23, 14 (Appendix p. 37). Berorımı, X. Maii MCM. HERMANNnUsS Diers. ARISTOTELIS QUI FERTUR DE MELISSO XENOPHANE GORGIA LIBELLUS. L R Lipsiensis gr. 16, membr., s. XIV. Vaticanus gr.1302, bomb., s. XIV. In Theophrasteis praeter R tertium sui iuris codicem planeque gemellum extare Am- brosianum P8o membr. s. XIV/XV (A) Alfredus Gercke breviter significaverat in Theophrasti sua de igne editione (Ind. Gryph. pasch. 1896 p. 23), nunc petenti mihi comiter pleniora sua indieia misit. desunt enim in R verba Theophr. de lass. 8 sq. rıva neraßoryv — de mws kai et de igne 34 dov önolos — Bepus, quae A et qui inde descripti videntur vulgares codices retinuerunt. unde R et A gemellos esse, quorum pater (N) saeculo fere XIV exaratus sit, statuit Gerckeus. iam vero eum libri de MXG memoria in hac quidem stirpe arte con- iuneta sit cum Theophrasteis (ef. supra p. 5), veri simile est codicem A, qui foliis nonnullis reseissis f. 64° defieit in medio libro Theophr. de odor. $ 35, etiam in Pseudaristoteleo libro parentem fuisse vulgarium codieum. cuius rei hoc tibi stemma habeto: archetypus s. fere Xi D. NL 1 N L - [N] AN Ra | libri vulgares At ut stemma hoc verum sit, quod nunc retractata quaestione concedo, stat quod supra asseveravi, nullum esse vulgaris stirpis auxilium. quod apparet etiam ex Bernensi 402 chart. s. XV, euius diligentissine factam conlationem eiusdem Gerckii benevolentiae debeo. nam is liber, qui imaginem patris A accuratissime reddit, etiam in minutiis consentit cum R et sicubi dissentit, quod rarissime factum, nihil praeter L salutis affert. ävapıdua quidem p- 976° 30 non ipsius virtuti debetur (nam ortum est correctione), sed ingenio viri cuiusdam docti s. XV, qui Weisei inventum occupavit, quemadmodum Felieiani versio, qui nullo nisi vulgari codice usus est (cf. Wilson in Apeltianae editionis censura Classical Review 1892 p- 17), emendationes recentiorum hominum nonnumquam praecepit. scilicet pedetemtim multa moliendo per quinque iam saecula ad veritatem enitimur, ac saepe ipsa necessitate cogitandi in eandem viam cogimur. velut quae Wilsonius in acutissima illa censura laudabiliter per- sanavit, pleraque ipse quoque inveneram, quod non monerem, nisi aliqua certe veri con- firmatio inesse videretur in tali concordia. sed nondum ad finem pervenimus. aliquantum etiam proximo saeculo relinquitur: Aaßero de kal aNXos. 15 974° ı |APIZTOTEAOY2] MEPI MEAIZZOY. 18 Atdıov eival dnaw el Tı Eotw, eimep un &vöeyeodau yeve- ı odaı undev Ek mdevos’ Eite Yap Amavra yeyovev eite u mavra, aldıa auboTepws‘ EE oVdevös yap yeveodaı av aura yıyvouerva. s ATAvTWv TE Yap Yıyvouevov obdev (av) TpoUmapyew' eir' övrwv TIvov del Erepa Tpooylyvorto, TAEOV Av Kal yellov TO Ov yeyovevaı @ ÖEe TAEOV Kal nellov, Tovro Yeveodaı üv EeE obdevös‘ (ev) TO yYap EXdrrovi TO MAEOV, old Ev TO HIKpoTEpw \ N ’ € 2 Ei \ N BA Tr v TO ueiLov, oby ündpyeı. dldıov ÖE Ov Ameıpov eiva, oTı 2 10 OUK Eyeı apyınv Odev Eryevero, oVoe TEeNevrnv eis Ö Yıyvouevov ETEeXeurnoe Torte. mav Öe Kai Ameıpov Ov (Ev) eivar' ei yap 3 ’ a [4 „ [4 >». iaN >; x iA X. Vo N TAEw ein, TEPAT Av eivaı Tavra TrpOs AAANAa. ev4 be Ov Onolov eivam TAavrn' Ei Yap dvouoıov, TAEIw Ovra oük N Bd ea II ’ 2 (4 Mi x N „7 [4 av Erı Ev eivan aa ToAAd. aldıov ÖE OVv Auerpov Te 5 ıs Kal Ouolov TAvTn Akivnrov eiva TO Ev: oV Yüap üv KırnÖn- var un eis Tı Vroywpnoav. ümoywpnoaı de üvdıyknv eiva nroı eis mAnpes iöv N Eis Kkevov: TOVTWV de TO EV oUk Av de- N a x \ ’ GN ’ x N \ ’ La: Eaodaı [TO mAnpes], To öde ouk eivaı oVdev [1 TO kevor]. roıvrov 6 de OVv TO Ev Avwövvov TE Kal AvaAynTov Üyıes TE Kal Avo- 2» 00V Elval, oVTE uerakoouovuevov Here oVTE Erepoiovuevov eideı 974° ı tit.: apıororeXovs mepi Cnvovos L: apıororeXovs (corr. m. rec. s.XV vel s. XVI 6eo- $paorrov) mepı Eevobävovs" mepi (nvovos“ mepi yopyiov x mepi (ijvovos R: corr. Spalding 2 Evdeyeodaı L: evöexera R 4 aidıa L: di’ R: fort. ardı’ eivaı cf. p. 6°; aövvarov Bonitz auborepwov R yeveoda: om. R äv post auröv R aura Apelt: aurov LR; ae ra Wendland 5 addidi 6 öv (sie clare etsi puncto oblongo simile o) L: ev R 76R: &L öde Susemihl: ö7 LR 8 ev add. Beck &Xartov R od’ L: oi’ R; (os) ovo’ Wendland II mäv de Kal ümeıpov öv eivar sic LR: suppl. Kern 12 Neo Övo (mAeov R) LR: transp. Susemilıl mepar' av eivaı vulg. ed.: mepatav eva R: mepıXiay eivan L: epaivew av Apelt conl. 976° 20, 97766 13 Ev de ö uovov. eivaı mavra R ei Aldina: 7 L: 7 R avouoıa R övra] ov Wendland 14 Ev om. L eivaı L: eva R änerpov sic LR cf. p.ı2" 15.16 kıvndn R 16 eis nı L: &orw R 17 iov Bekker: öv LR eis alterum om. R 18 7 ro kevöv del. Apelt; hine etiam rö mAnjpes interpreti dedi roıvrov sic LR 19 öv — eivaı (20)] Ovrov avadvvov (sic) TE Kal avaAyıltwv bmeoTte kal ävodov (o alt. in e corr.) eivar R 16 ARISTOTELIS QUT FERTUR DE MXG 1 6-10. a Ü j ANA" X mdvra ap Tavra mod Te 974° »: OVTE wiyvunevov ANNO: KAaTa yap e E) nm \ \ \ ’ To ev ylyveodaı kai To un Ov Tekvovodaı Kal To Ov $Beipe- ” m \ E [4 253 \ \ odaı üvaykaleodaı: Tavra de dövvara eival. Kat Yap 7 ; N a n X 5 v ‚ \ 02 ’ ei TO weuiybai Tı Ev Ex TAEIVWv Aeyoıto, Kal em TOANA 5 5 \ r Sohle n Won > »s TE Kal Kıvovueva eis AAAn\a Ta Tpaynara, Kal N uigıs n ws Ev e\ 7 „ n ’ IN ES , a a evi ovvdenıs em T@v TNEoVov N TN emaANageı oiov ETL- m ’ ’ \ \ [4 mpoo@noıs yiyvorro Tov wıydevrwv‘ Ekeivws ev av dıaön- = = Y D 27 Aa ywpılovrov eivan Ta wuydevra, enımpoodijoews © ovomns El daN ‘ B \ 7 [4 £} ’ ev N Tplyeı yiyveodaı av Exaortov davepov, Adbaıpovuevov 974° ı T@v nporwv Ta üm' aMn\a redevra Tav ıybevrov‘ @v 3 TE: z ovderepov ovußaiveı. dıa ToVTwv de T@V TpOTWV kav eivaı 8 \ \ e Le 7 [A [4 y = \ & Mod Küv iv @wero daiveodaı uövos. WOTe Emeiön oUX eV, 7 & \ \ \ EN x 54 ’ x oiov TE olTws, oVde TOANA Övvarov eivan Ta ovra, AANa m m ’ E} nm x \ x 7 \ \ ; ravra dokeiv ouk 6pYas. TOoAMa Yap kal aa Kara Tyv £7 £) EN 3 „7 3 E D% e Ca aiodnow davraleodaı [amarav]' Aoyov 6’ oVT' Erew’ aipew, es N D7 \ = ur) > va 79 7 \ ravra yiyveodaı, ovte moANa eivan To oV, AAAa Ev aldıov TE Kal Ameıpov Kal Tavrn ÖuoLov AUTO auT®. Ap' oiv der mp@rov 9 uev um macav Aaßovra Öo&av Apyxeodaı, AM ai pa- 7 £} 22 7 ’ ’ \ 7 \ an \ E Aorta eivı Beßawı; @oT’ ei uev Amavra TA Öokovvra um Op- Has ümoAaußaverar, oVdev Iows Tpooikeı oVde TOVTW TPOC- xpnodaı To Öoynarı, (öTi) oUk Av more obdev "yevorto Ek UNdevos. nla yap Tis &otı Öo&a, Kal aurn T@V OUk öpbov, mv Er Tov aiodaveodai ws Em moAADVv Tavrws VmeANdanerv. ei öde IO x Yy € ZN m x , E [4 [4 ’ s um Gamavra uw \evön Ta cbawoneva, aMa TWwes eicı N ’ E1 \ e ’ \ ’ 4‘ [4 r \ Kal rovrwv öpdal ümoAnyeıs. 7 Emioeisavra Tolavry mola \ 7 12 E 12 ’ [4 ax EN as uarıota dokovoas öphas, Tavtas Annteov' as dei Pe- 974° 22 JR 24 fortasse TO neniydaı yıyveodal Ev; To neuiybat u — yevorto Bonitz 25 rexaa L: om.R 7 (post wäis)]) 7 LR "26 amar\acaı LR: corr. Mullach oiov] övov R 26. 27 emmpoodec:s sie hoc loco L: emmpoodereis R 27 ekeivos sie L: Ekeivovs R, 27. 28 did- onka L: di anıyAov R 28 xopılovrov R: xoptlovra L; supple rıvov ut v.29 extr. cf. Didym. Doxogr. 464, 3 emmpoodycews L: emmpoofeorews R 974° ı rov]i. e. amd rov? 2 Tourov de tov rpomov R 3 @ero seripsi (cf. 975” ro): ö.er sie L: ös ro R: os &orı Apelt „ovov coni. Apelt 5 taura R 6 änarav Spalding delens ille davraleodaı: amara L: ünacav R ovraıkeıyaıpeı Sic R: ovreeiarpeiv sie L: corr. Bonitz ravra seripsi: a aura LR: ra övra Bonitz 7 eom.R 9. IO aAN’ dei nakıora Ov Beßaıoı sic R ıI ovdev R: dev L 12 add. Spalding 14 mavros scripsi: mavres L: övres R 15 un anavra Apelt: unv mavra R: un 7 mavra L nv post ra Spalding 16 Tolav- nV Mullach 16. 17 mota 7 tas L: mOLOTI Tas R; sensus: n Tpokpivayra Tas ARISTOTELIS QUI FERTUR DE MXG 1 10-15. 974° ıs Bawrepas eivau der N al yeNAovaw EE Ereivov Tav Aodywv [4 ’ \ \ 5% [4 [4 ® ’ ’ deıydnaeodaı. ei Yap Kal eiev ÖVo Öogaı üUmevavriaı AX- [4 KA ” ’ x [4 [4 \ ” [4 0 AnAaıs, @omep oleraı (ei ev moAAd, yeveodaı bnaiv avayknv eivaı Ek un Ovrwv' Ei de ToVTo un olWv Te, oik eivaı Tü Ovra MoAAd: dyevnrov Yap ov, el Tı Eorw, Ameipov eivaı. E ’ ” \ br e R x \ AL! e ’ ’ ei Ö oVTws, kal Ev), Önoiws uev On muv o(uoAoyovuevov) dupo- TEpwv n(poraoewv) obdev uaAXov, OTı Ev N Ortı MoAAd, deikvura. ei de Beßwos 2: MAANov 1 Erepa, Tamo Taurns Eupmepavdevra aAAov de- deikTtat. Tuyxavouev ÖEe Eyovres duborepas Tas ümo- R ’ D re \ D r DEN DENS\ » \ „ 37 Anıreıs TavTas, Kal ws Av oU YEvort' av oVdev Ex undevos [övros] x e 24 x ’ ’ [4 ’ \ y ’ La »1a (kat @S) MOAAd TE Kal Kkwovneva |uev] Eotı Ta Ovra. Aupow be mioTn naNov avrn, kal Harrov av Tpodowro Tavres Taurns Ekelvnv Tv Öögav. wat ei Kal avußalvor Evavrias 975° ı eva Tas dbaceıs, Kal Aövvarov Yiyveodai Te €k un Ovros kat un oa eiva Ta Tpaynara, EAeyyorro ev üv Um’ AaAANAwv Tavra. AAAAa TI uaAAov oVTws Av Eyoı; lows Te kav dam Tıs ToVroıs Tavavria. oVrte Yap deisas örı s 6p@n Oosa, ab Ns Apyeraı, oVre naANov Peßauov 1 Tepl ns deikvvor Aaßwv, ÖteNeyOn. aMov Yap ümoXaußdverau eikös eivaı yiyveodaı € um Ovros N um moAMa eva. Ne vyerai TE Kal opoöpa ümep alrov Ylyveodal Te Ta um Ovra, Kal ON Yyeyovevar mod €k un Ovrwv, Kal oly Orı ı Oi TUyxavovres, Ada Kal Tov Öo&avrwv TWwes eivan codbwv eipnkacıw. abrika ö' Hotodos navrwv uev Tp@Tov, nei, xaos Eryevero, alrap Emeıra yala Elpiorepvos, Tdvrwv Edos 17 II 12 13 14 1) 974” 20 nev Apelt: a7 LR avaykn LR: corr. Mullach 22 äyevyrov Apelt: yevn 10 L: yevorro R ei nı Wilson: orı LR 23 da L Öuo\oyovuevav — mporagewv Apelt: ö (lae.vı litt.) audorepov m (lac.v litt.) LR 24 or &v Spalding: n & LR ei corr. ex 7 L 25 rtamo scripsi: amo LR 26 ruyxavöneva LR: corr. Mullach Eyovres L: Exovros R äuborepas sic LR 27 os äv — moAAa te kai L: om. R ‚yevorrav (post yevor littera o erasa) L övros delevi cf. 974° 3 27* kai os suppl. Mullach uev del. Bonitz 28 mpoeivro R: mpocoıvro Spalding 29 raurmv ereivys LR: corr. Bonitz 29 avu- Baiveı evavrias L: ouußaiveev av rıs R: corr. Spalding 975° ı reR et (cx « corr.) L 6 Aaußavera R zı]jeal 9 ön Bonitz: ur LR: del. Spalding Io rıves post vodov R IT 6 sie LR: delet Bernays: quasi ex L Apelt 'Hoiodos theog. 116. 117. 120 cf. supra p.9 II mavrov uev mp@ToV sie L: mp@rov uev mavrov R 12 evpvorepvos, posteriora in corr. L a: PVarrep Philos.- histor. Abh. 1900. TI. 3 18 ARISTOTELIS QUI FERTUR DE MXG 115. 2 1-5. 975% » dobaNes alei 70 "Cpos, ös mavreoaı neranpeneı adavaroı- or. zu 6° amMa dnoi yeveodaı (ek Tovtwv), Tavra de €& obdevos. TON- ‚s Aol de Kal Erepoı eivaı nev ovdev dacı, yiyveodaı de mavra, ıs Adyovres oik &E dvrov Yiyveodaı Ta yıyvoneva. oVde 5a Yüp Av Erı aurois dmavra Yiyvorro. @OTEe TOVTO uev Ömdov, 6rı Evioıs Ye Öorei kal €E oUk övrwv Av Yeveadaı. 0) ar AN äpa, ei uev Öwvara eotw N advvara a Aeyaı, I E ’ x x [4 ’ & \ ni Oi [4 &areov, TO de ToTepov ouumepaiveran alvta && @v Aaußa- ” > y „ e [4 zo vel, 1 OVÖdev KwAveı Kal ANAws Eyew, ikavov okevacdaı; Er i ; n ; ETEpov yap Av TI TOUT 10 ws Ekelvov em. Kalmp@rov redevros, 2 © n y > 3 v ER 6 nporov Aaußdveı, umdev yeveodaı Av Ek um Ovros, dpa > £) Y 63 ” EENDS avayın üyevnra dmavra eivar, 1 oVoev KwAveı yeryovevaı “ ” e EN £} y E) 2 ’ Erepa EE Er&pwv, Kal TOVTO eis Areıpov ievaı; n kal ava- 3 25 KAUMTEIV KUKAD, WOTE TO ETEpov Ek TOV Erepov yeyoveval, del Te 0UTWS OVTos TIVOS Kal Ümeipdkıs EKAOTOV Yeryevnuevov €& £} [4 7 E x a\ [4 \ y [4 aAANAwv; @OTE obdev Av KwAVoL TO Amavra Yeyovevaı KEl- 4 [4 La] ’ ” £7 E uevov ToV umdev yeveodaı av Ex um Ovros, kal Ameıpa Ed ’ mn an ” an nm OvTa TPOS Ekeivov TTPOGAYopevoaı oVdev KwAvVeı TWVv T® REN e [4 >” bl ‘Du 30 Evi EMOUEVWV Övoudrwv. TO Amavra yap eva kal Acyeodaı \ ’ en es E) E} - Kal Ekeivos TO Anelpw TPOGATTEL. OVoev TE KwAveL, Kai um > BA ’ > 3 [5% Y ’ Amelpwv OvTwV, KUKAO aUTW@V Elvaı TNVv Yeveaw. erieis u ’ E72 \ E " CS amavra YlyveraL, EoTtı de oldev, &s TIves AeyovoL, T@S Av ER} 7 > \ \ n = “ aldıa ein; Aa Yap ToV ev eivali Tı @s OvVros kal [4 Ö Ne E) [4 ’ \ £} [4 EG de ss KeluEvov ÖLaNeyerau. ei yap, bnoi, um Eryevero, Eotıv Öe, 975°" ı3z @] OR 14 yiveodaı sic L suppl. Spalding post Felicjianum 16 e& ovk övrov R ovde L: ob R (qui non om. hoc enunt.) 164 yiyvorro L: yiveodaı Ta yıvoueva R 17 ev ois ye LR: corr. Sylburg 19 Eareov vulg.: aereov R: Nekreov L auto R 20 koAvey sic L ikavas LR: corr. Bonitz 21 Erepa ye w u R 23 ävaykyı supra vers. L ayevvnrta navra R 24. 25 ävaraumreı R 26 Ekaotwv yeyevnuevov Wendland 27 KoAvoıto amavra LR 27.28 kıvovuevov R 29 (Ta) övra Spalding mpos ekeivov| ad Melissi sensum tov ev a R 30 ro aravra Spalding: ra amayra sie R: ro anav L 3I mpooarteı vulg.: mpocarrev sic LR 33 yiyveraı rec. m. Urb. 108: yiyverdaı LR av Spalding: &v LR 3m L:onaR 35 eoro LR: corr. Spalding ARISTOTELIS QUI FERTUR DE MXG 2 5-1. 19 975° ;s Aldlov Av Ein, &S ÖEov Umapyeıw TO eivaı ToLls Tpayyacıw. Eriei 6 Kal OT nakıora uuTe TO um ÖOv Evöeyera vyeveodaı wire ’ ’ x \ y 4 ’ ’ x \ G amoXeodaı TO [un] ov, Ouws TI KwAveı Ta ev Yeroueva airov eva, Ta Ö äldıa, 6s Kar Eyumedoräns Akyeı; 975° ı dmavra Yap Kükelivos ravra önoAoynoas, OTı 'EK TE ToV m Ovros Anmyavov Eotı yeveodaı, To Te öv EE0AMvodau dvi- y ’ \ bi ’ vuoTov Kal AmpnKrov, dei Yap Önoeodaı Omn Ke Tıs aiev ’ E k In} „ \ ’ G = m Epeiön , Ouws TOVv Ovr@v Ta ev dldıd dnow eivaı, Trup x „ x as x IA \ > „ 14 [4 x s Kal VÖwp Kal ynmv kal üepa, Ta 6 aMa Yiyverdal Te Kal yeyovevan EK TOVTWV. obdeuia yap Erepa, &s oleraı, yeveois 7 eoTı ToIs oVow, "AaAAa uovov wiss TE ÖldAAaEls TE wuyev- ’ [4 [4 was x Lo) ’ [4 ’ ! E22 x Twv ori: dicıs Ö' Emi Tois övondlera avdparoww”. rw 8 ÖE yeveoıy ob Mpos ololav ToIs duöloıs kal TO OVrı Ylyveodaı Ae- ıo Yel, Emel TOVTO Ye döivarov wero. ToS Yüap av, dual, ea 14 x we ’ % [4 ” EA:3 ’ x kai 'emav&noeıe TO mav TI Te kat modev EXHov'; aAAa woryo- uevov Te xkal ouvvrıdeuevov TUpös Kal ToV WMETÜ TrUpös yiyveodaı Ta Tod, ÖtaNAarrouevov TE Kal ÖlaKpıvone- vov döeipeodu aA, Kal eivan n ev nice mod Tore ıs Kal N Öltakploeı, TN ÖE Vceı TErTapa Avev T@v airtiov, 1 Ev. n ei kal ameıpa eidvs Tavra ein, EE @v ouvrideuevov 9 14 [4 \ ’ e x \ ” yiyvera, Ötarpıvouevov de cbdeiperau, ws kai Trov Ava&a- yopav cbaoi Tives Aeyeıv EE dei Ovrwv Kal Arelpwv TA Yı- yvoueva Yiyveodaı, kav 0VTws, oUk Av ein Aldıa mavra, Aa 2» Kal Yıyvöueva arra Kal Yyevöueva T' EE övrwv Kar @heı- pöueva eis ololas rıvas aA\as. Erı obdev KwAveı ulav Ta 10 m - e * D \ e ovoav TO av ynopbryv, os al 6 Avafiuavöpos Kal 6 9 ’ [4 e \ KA 1; [4 x a Avafıuevns Aeyovow, 6 uev ÜVdwp eivan dbauevos TO av, 975° 36 aidıov ein L: aictaver R: corr. Spalding 38 del. Spalding 975” ı ravra R &k Te ToV un ovros Apelt: Ex Trov un övros L: Exreuvovres sic R 3 Onjoeodaı corruptum: 77 y' €araı Panzerbieter ke] kat R 4 £per de R eivaı $nei R 7 re raı ÖiaNatıs L 9 ob Fülleborn: e L: om R mpos ovalav L: mpocıov- cav R ovnı L: or R 10 em R diero. mös yüp dyca L: Gore ro mas y' üv $yceı R: corr. Spalding &mav£noeiero mavrı kaı 1: Emapkıs iero mavri real R I1.I2 ou- youevov L 12 ovvrıdenevav ex ovvrılerov L 13 dianAouevov de L 14 mar L: aAyv R more lL: reR 15 7 €v, scil. si sphaerae unitas legitimus dieatur status 16 Hei R: en L ein ravra R 20 kal yevöneva r' del. Bergk 22 obotav R gx 20 ARISTOTELIS QUI FERTUR DE MXG 2 10-15. e e 5 ’ b, 7 y Ras \ 975° 4 6 de, 6 Avafınevns, depa, Kal 0coı AAAoı oVTWws eivaı TO EN e 5 a D 7 \ Y \ 2: Mav Ev MEIWkacw, ToVTo Mon oxnmaol Te Kal mAndeı kai El [2 x m \ a\ x ’ » \ x OALYOTNTI, Kal T@ Mavov N TUKVOV yiyveodaı, oa al EA 7 \ [4 ” 7 [o) \ Yy \ ümeıpa ovra Te kal Yıyvoueva amepyaleodaı, To ONov. nel ıı de kal 6 Änuorpıros TO Üdwp TE Kal TOV depa EkaoTov TE Tov ToN@v, TaiTo 0ov, pvdun ÖLabepeıv. TI Ön KwAveı Kal 12 3 OVTWs TA moMa yiyveodai Te ka ämoAMNvoda, €& övros dei eis 0Ov weraßaANovros Tals eipnuevas Ölabopaıs ToV EvOS, Kal oVdev OVTE TAEOVOS OVTE EXATTOVOS Yıyvouevov TOV ONov; Erı TI KkwAveı MoTe uev E&E AaAAwv TA owuara Yiyveodaı 33a Kal dıa\veodaı eis FouaTa, OVTwSs Ö del AvaAvöueva kat’ loa Yı- veodal Te kal amorNvodaı ma; ei Öe kal Tavra Tıs 13 3 OVYy@poin, Kal em Te Kal üyevnrov ein, TÜ uaAAov Areı- pov Öeikvuraı; Ameıpov Yap eivai dnow, ei Eeotı uev, um yeyove de: Trepara Yap eivan TNv TNS Yeveoews Apyijv Te Kal TeXevryv. kaltoı TI KwAveı Aryevntov Ov Eyew Tepas 14 eK T@V eEipmuevav; ei Yap Eryevero, dApynv Eyew d&ıwı Tav- 976° ı mv 6dev np&aro Yıyvonevov. TI N KwAVe, ka ei m EryeveTo, Eyeiıv Apyiv, ob nEVToL Ye EE ns Ye Eyevero, aa Kal Erepav, kal eivaı Trepaivovra Trpös AAAnAa üidıa Ovra; Eerı TI KwAveı TO ev OAov Üyevntov Ov Ameipov eivaı, TA Is s ÖbE Ev auTo Yıyvoneva merepavdaı, Eyovra üpynv Kal Te- Nevrnv vyeveoews; Erı kai @s 6 HTlapueviöns dnoi, Ti Kw- Aveı kal TO Tav Ev ÖvVv Kal üryevnrov Öyws Temepdavdaı, Kal eivaı "mavrodev eukurAov odbaipas Evallykıov Oyko, HEOOO- dev inomaAes navrn' TO Yap oVre Tı neilov ovre Tı Baıo- 975® 24 6 Avafınevns fortasse glossema 25 a\jdeoı LR: correxi cf. 977% ı 27 dmep- yaleraı LR: corr. Spalding ro öXov del. Wendland 29 rovro LR: corr. Sylburg pvono Sylburg 67 R: der L koNveı LR: corr. vulg. 3teR 33 more R: moara L yiyveodai superser. r R qui om. kal dla\veodar — yiryveodai Te 33% 6’ del seripsi: ö7 L. sensus: Jieri potest ut ommia aliquando ex alüis rebus nata sint, tum vero haec una materia nascentibus et intereumtibus singulis secundum aequabilem mensuram semper comstel kart Kern: kaı L 35 Te sie LR: vulgo rı dyevvyrov hie et in proximis LR ein om. R 37 yeyove de Sylburg: yeyoveva LR 39 apxıv exe R 976° 1 jp&aro yıyvoneva L: yiyvorro ei yıyvöneva R: corr. Bergk 8 mavroßev] 8,43 sag. Eykuk\ov R evakiyyıov R öykov L neaodev LR 9 ioon\evpes R yap oTe ı R Baıßeorepov R ARISTOTELIS QUI FERTUR DE MXG 2 15—2%0. 21 a [4 [4 ’ a) N Lo} 4 x [4 \ 976° ı» TEepov TeN&uev ypewv Eorı m N Tm. Eyov ÖE ueoov Kal 16 y EZ ’ Eu ’ ’ e ’ \ Eoyara, Trepas Eyeı Üryevnrov Ov, Emei ei Kal, ws aurös Aeyaı, Ev Eotı, Kal TovVro ow@ya, Eyeı AaNa Eavrov uepn, \ ” \ D " \ = Ta ÖE Önora Tavra. Kal Yap Ouolov oVTw Aeyeı TO Tav 17 T ’ \ € v [4 4 3 [4 ’ 14 7 54 eivar oixi @s AA Tiwi (ömep Adnvaryopas ENEYyEL OTL OuoLov ıs TO Ameıpov: TO Yap Önolov ETEpw Önolov, @oTe Övo 7 TAeiw Ovra OUk Av Ev oVÖe ameıpov eivar), AAN Iows TO Ööyolov Trpös auto Aeya, al dyow airTo ÖOyoıov eiva av, 6TL ÖNoLo- [4 y N u N Le) N „ Led y Ias > uEpes, Vdwp Ov amav N ym N el Tı TOIWvTov aAXo. ÖnAos 18 Yüap olTws Afıwv eivaı Ev, ToV de uEepW@Vv EkaoTtov O@ua Öv 20 OUK ATeIPOV EoTı: TO Yap OAov Ameipov. GoTe Tavra Trepai- ver Pos AAAn\a Aryevnra övra. Erı ei Alöıov TE Kal Ameı- 19 . m y 9 e a y ’ ’ pov EoTı, ToSs av em Ev cwua OvV; Ei ev Yap dvouoo- uep@v ein, TMOoAAd, Kal autos 0VTw Y eivan dc&ıoL. ei Öe 7 KA "N LA mn N u x \ ” I ’ ’ ’ ’ ’ arnav Voop 7 amav mn, N örı Ön TO Ov Tour Eori, MON » Av Eyor wepm (os kai Zyvwv Emiyeipei Ov dekvivan TO oVTWS Ov Ev), ein olv av kal mNEelov ATTa abrov uepn, eAdrTov' övra kat uKpotep ANa (aN\wv, wo)re mavrn av Tavrn AaNAotov ein OVÖdEVOS TPOOYLyvouevov OWuaTos old Amoyıyvouevov. ei de 20 rn x R ß Rep unNTe o@ua yunTe TMAdTos JuTE JMNKos Eyov umdev, os üv BA \ ea ” N 4 [4 \ \ ’ ’ a „ aeıpov (TO) Ev ein; (N) TI KwAveı moNNa kai avapıdua Toavra 976° 1o mereuev ypeov Spalding: eivar eypı ov (corr. in öv) L: eivar uexpı öv R Tanry R: 7 (lae.vı litt.) L II erei ei R: lac.v litt., tum moıer L 13 ra de sic LR 14 ovyi os aaıx (lac. vi litt.) row L: od (lac.vı litt.) @aaro mv R örep adyvaryopas (0 exe?) eAeyyeı on L: ö mepaßnvaı öpas eXeyyeı ei rı (sed. orı Bern. 402) R. Anaxagorae nomen recte aguovit Beck. at eius sententiam (ap. Simpl. phys. 157, 2 ef. 156, 14) non cepit auctor 15 yap Spalding: ye LR 16.17 mpös auto R: mpos TO abro L. fort. mpös Eavrö onoiv ex ovow L; ef. Parm. 8, 22 &mei mav Eortıv önoiov 18 öv ex @v L yyannml:aywnenuR; cf. v. 24 19 ovroc R post &v spat. ır litt. R de nep@v seripsi: O1 nepov L: Örnepov R 22 yap om. L ävonoropepav Sic elaro compendio L: ävonoiov anepov R: dvonoıo- pepes (quasi in L extans) fortasse recte Mullach ef. v. 18 et Ar. de eaelo A 7. 274" 31 e dmeıpov To Avonoiojıepes Amav 7 Önorojepes 23 oVw y’ eivar d&ior R: Yiverdaı d&ior L. pugnat cum v. 19. fortasse ovrw y’ (äv) (sie Apelt) eivar d£tor, seil. si dvonoronepes quod negat sta- tuatur 24 arav yn L: amacav ynv R ön ex de L 26 mAelov' ärra seripsi cf. 976° 37: mAeiova ra L: mAetova R 26. 27 &Aartovov Te kal ukporepov LR: corr. Apelt 27 aa aX\wv öore Apelt (nisi quod aAXov Wilson): aaXa/ re sie R: aaX (lac.vılitt.) re L aNAotov cf. üX- Aoovoda 977° 2 28 ovdevos R: oneev L. melius dixerat oVdevös Ovros ToV mpooyırouevon 1 a. cl. Zeno apud Simpl. phys. 139, 5 sqq. 30 70 Ev scripsi: @v LR: del. Mullach 7 add. Wilson koNveı, eı ex or L moN\a om. L ävapıdua Bern. 402 (a ex corr.): Evapıdua R: Ev äpıduo 1, 189) [89] ARISTOTELIS QUI FERTUR DE MXG 2 21-26. 976° zı eivar; (ET) TI KwAVeL Kal TrNEelw Ovra Evös ueyedeı ameıpa eivaı; 21 ws kal 6 Zevoddvns Ameıpov TO Te Pados Tas yns kai Tov aepos bnaiv eiva. ÖmAor de Kal 6 Eumedor\ns‘ emırua Yüp @s Aeyovrwv TIıvov ToLavTa, Advvarov eivan 0UTWS Exöv- ; av Evußaivew aura, “eimep ürelpova yns Te PBadn al dayrınöos aißnp, @s dia mov On Bporewv pndevra na- Talws ERKEXUTAL oToudTwv, 6Al'yov ToV Tavros löovrwv." ETL 22 Ev Ov oVdev daTomov, ei un mavrn Opoıwv Eortw. ei yap EoTtıv 976° ı Vdwop amav 1 müp m Ötı Ön AAAo ToIoVToV, oVöev KwAveı TNEIW eimew ToU OvTos Evos Eelin, Idla EkaoTrov ÖOuolov auto EauTt®. Kal yap mavov, TO Öe TUKVOV eivaı, um Ovros &v 23 TO uavo Kevov, oVdev KwAVeL. Ev YAp T® UAavo, oUK EoTıv Ev s TIOL HEPEOL XKWpis ATOKEKPIUEVOV TO KEvoV, @OTE TOoV OAov To uev mukvov, (TO ÖE um mukvov) eivar (kal TovT' non eori navov TO TAv 0VTWS Eeyov), AAN Önolws Anav nAnpes Ov Önolws jrrov mANpes EoTı TOV TUKVoV. Ei de Kal eotıv (Kal) aryevnTov EoTı, Kav dla 24 TovTo Ameıpov Öodeim eivan ka unde Evdeyeodaı aAXo kal 1» AAAO Areıpov Eival. Old TOVTo Kal Ev TOVTO Yon TPOCaYo- pevreov kal AövvaTov »**. TT@S YAap, ei TO Ameıpov OAov eiM, TO kevov un 0Aov Ov 0lov Te eivaı; äkivnrov Ö' elval dnow, 25 ei Kkevov un EoTıv: Anavra Yap kıveioda To aAAarreıv TOToV. TP@TOV uEv O0v TOVTO ToANDoLS OU Ovvöorel, AAN 26 ıs Elval TI KEVOV, OU HEVTOL TOVTO YE Tı o@ua eivaı, AAN oiov kal 6 Hoioöos Ev TH Yyeveocı np@Tov TO xdos dyoi Yeve- oHaı, ws Öeov XWwpav MP@ToV Ümdpyeıv ToLs OVoı: ToLWVToV de 976° 3ı add. Wilson neyeßn R 32 6 om.R 34 aduvara R 35 Evußaivev sic LR 36 ös Bporeov] yAvooys Arist. d. cael. 294° 27, unde auctor 37 OAlyov om. R 38 öv Ev ei alt.] ei in eis corr. R 976° ı ön, oexaL 2 eiön Apelt: ei d4 R: o» ön, corr. in ei dy L [0 Apelt: &’ R: der L 3&L: wo R 4 koNveı. €v Bonitz: kwAvew LR TO ayoy OVk evrı (corr. in Eorıv) L 4.5 nor L: & nor R 5 oore Mullach: ös ro LR eivaı mukvov R 6 addidi; TO de kevov add. Bonitz rovzi on R eoni] eivaı Bonitz 8 add. Bonitz ef. 975» 35 kav scripsi: kat LR 9 Ödodein ameıpov R unde R: un L 10 dia ti ka L ıı lacunam statui j TO ameıpov ocov 7 TO un oNov Av olovrar eiva L: av zo 512 hi rn x x x eu Bir er 13. u eu er - - 3-0 dmeıpov 00ov TO kevov un O0Nov av oiov Te eivaı R: correxi (6Aov Pro öcov indicaverat Felicianus) 13 kawov ut 18, sed corr. L an L: wev R 15 zovro sie etiam R 17 deov L: de R 17. 18 0 u Apelt ARISTOTELIS QUI FERTUR DE MXG 2 %6—32. 23 976" ıs TI Kal TO Kevov olov ayyeıov Tı, (oV TO) ava ueoov eivan Inrovnev. aa On Kal ei um EoTı Kevov ymoev, TI NoTov Av Kwolto. 27 emei kal Ava&ayopas TO Tpos auto Tpayuarevdeis, kai oÜV uovov Amoxypnoav auto dmopbivaodaı oTı oik Eorıw, Öyws kweiodal nor Ta Ovra oUK OVTos Kevov. önolws de Kal 6 28 EumedorAns xweiodaı ev dei dnoı ovykpıwoneva TOv y ’ ot ’ x \ ’ \ m ’ e amavra &voekeyws xpovov, (kevov) de oVdev eiva, Aecywv @&s “Tov mavrös Ole) ’ ht 14 ’ un ’ IE [4 ” v x ’ G 25 oVdev keveov: mOdev oüv TI K' EmeAdoı;" Orav Öe eis uiav nop- \ Lo KA ’ a 58 e ’ ’ ’ ’ x G nv ovykpıdn, @00’ Ev eivar, 'oVderv, bnoi, TO Ye keveov TreXeı ode Trepıoaorv.' Ti yap KwNAveı eis AAMnda depeodu Kal 29 mepiiotaoda Apa ÖTovovv eis AAAO, Kal TOVToV eis Erepov, Kal E} = a) EA f} ’ ’ ’ \ x ’ eis TO Tp@rov aMNov ueraßaNAovros dei; TI Kal nv Ev 30 m WS ‚ a ’ ’ n 07 » TO aUT® WEVoVToSs TOV Tpdyuaros TOnNW TOoV eElÖovs ue- taßoAyv, Hv MAAMoiwow ol T MAAoı xKükewvos Acyeı, €k Tov eipnuevov auto KwNAveı kweiodu Ta Tpdyuara, Orav Er AEvKovV uEeAav N EK TIKPoV Yiyvnra YAvKkV; oVdev Yap TO \ g) \ \ x [4 x an ’ a ’ un eivan Kevov n um deyeodaı To nAnpes aMAoıvodaı KwAveı. v ’ „7 ».9y u „7 en A ’ v ” 4 Au ’ ’ 3 80T oVd' amavra aidıa [oVG Ev] oVT Ameıpov avaykn eiva, AAN 31 ” ’ „7 7 y A BA ’ ’ [4 v ’ a EA ’ arreıpa ToAAd, oVre Ev (oV)O' Ouoiov, oUT akivnrov, oUT ei Ev our ei TOAN ATTa. ToiTwv ÖE Keıuevov Kal nerakooueioda Kal Erepoıovodaı Ta Ovra oVoev Av KwAvoL EK T@V Um’ Ekeivov eipnue- 977° : vw», Kal Evös OVTos TOV MAVTOs KivHOews oVons, kal mANdeı Kat öAıyorntı ÖLapepovros, Kal aAAoIOVuEVoV OVÖevos TPOOYLyvonevov od” Amoryiryvouevov OWwuaTos, Kal ei TMOoAAd, Ovunıoyouevov x ’ ’ EB x x ” y ’ ’ ’ Kal Ölakpıvouevov AAANAoıs. mv Yap uiEw olrT Emimpoo- 32 976" ı8 addidi ef. Ar. Phys. 2122 14 19 dn, d ex kal corr., L ei ex y corr. L undev rı jacov L: yunde rı oos sie R: corr. Apelt 20 ro] ö Spalding, r@« Wendland zpo L auto R: auto sie L 23 ouykowoneva R 24 kevov om. L: xevöov de om. R: suppl. Apelt 24° öde om.R 25 oboe R ev (lac. ıv litt.) L zödov LR 26 os R 29 eis] ee L axNov (eis äNAo) Kern ri seripsi: ern LR 32 an (olov) örav 33 yerara R 34 ex ea L 35 delevi ef. 36 an aAN’, (el äpa,) cf. 977°3? 36 supplevi ex 35 OUT Aki- vnrov, litterae mediae in ras. L 38 ra övra om. R ovdev äv korvo: Apelt (cf.977 ® 39): ovdeva koAveı LR ekeivo R, 977° 3 obö’ amoyıyvonevov Kern (cf.976* 28): ei ö’ apa rıwös, ob rou (ef. ad 976» 35) LR ovmeryonevov L: avunyonevov R 4 owvötarpıvouevov R emmpocdenw R 24 ARISTOTELIS QUI FERTUR DE MNG 2 52. 3 1-3. 977° s Onow Toıauryv eivaı oVTE ovvdeoıw eikos olav Aeyeı, @OTE xopis eidvs eivau, 7 al anoTpLd Hevrwv oo enimpoodev Erepa Ere- pov baiveodaı xwpis ANyAwv ravra, AN oUTws ovyreiodaı taydevra @0Te ÖTIouv TOV uryvunevov rap 6rLovv © ulyvultaı yiyve)odaı ne- pos ourws, Bo(Te) un av AnbOnva ovykeineva, ANAA ueuıyueva, o md 6roaoDv avrov uepn. Emel yüp our Eotı owua [To] eXd- yıorov, Amav amavrı NEDOS HENIKTAL ÖNOL@s kaı To 0Aov. [APISTOTENOYE] NEPI ZENO@ANOYE. 3% D 7 r D 07 E77 r a r Aövvarov now eivaı, ei Tı Eotı, Yeveodaı, TOVTO Aeywv I ıs emi rov Heov: avaykn yap mroı &E Öuolov 7 E& Avouoiov I y yeveodaı TO yevonevov: Övvarov ÖE oDöerepov: oVTEe Yap Öuoıov Ub’ Suolov TpoaNKEeIıv Tervwänvan uaN\ov 7 TEkvagaL (rabra yap amavra Tols ye looıs Kal 6nolws Umdpxeı MpOS 7 7 >.» 3 El ’ E [£ UL E) \ ÄMAnAa) out’ av EE Avouolov TAavonoLov Yeveodaı. ‚ei yap 2 20 Yılyvorro &E aodeveotepov TO ioyvporepov 1 €& eAdrrovos To ueilov 7 €k yeipovos TO Kpeitrov, ) ToUvavriov TA Xeipw Ek TOV kpeıtrovov, TO oük Ov && övros (N TO öv E& ouk Ovros) av yeveodaı: OTmep dövvarov. 32 N 6) x Ss 3 x [4 3 Ke/4 e \ audıov Ev o0v dıa Tavra eivaı Tov Heov. ei Ö Eortıv 6 Qeös 3 andvrwv kpaTıoTov, Eva dyoiv abrov Tpooykeiv eivar. ei yap »; ÖVo 1} TAelovs elev, OUK Av Erı kparıorov Kal BEATIOTOV aurov “O8 Ir2 E m m e ’ eivaı TAvrwv. EkaoTtos Yap wv Heös TOVv TOAA@V Önolws av a o & & ” = To10VTos ein. Tovro yap Heov kaı Heov Ovvanır eivaı, Kpareıv, 977° 5 Aeyaı Sylburg: Aeyev LR 6 amorpıbdevrov oo’ Wilson (cf. p. 974° 28): amo- orpebevros LR: amorpıßdevros tov Apelt erepov Sic L: Eraipov R 7 $aipeodaı R 8 rov om. R ) wiyvwoda R: öulyvvoda L: suppl. Apelt 9 os m avaanpänvaı LR: corr. Wilson TO und ömoiouv R: un de moraodv L: correxi avro LR: corr. Wilson ro inclusi: Tı Apelt; oonara eXayıora Kern 11 cf. 976» 7 12 apıorore\ovs L: om. R 14 et 16 yeveodaı LR, corr. (in yiveodaı?) L 15 önolov 7 EE önoiwv R 18 ravra sie LR Tooıs ) önoloıs R 19 av] av Apelt tavonoıov L: oVT' avouory R 22 öv prius om.R add. Brandis av om. R 24 Hoi mpoonkeıv abrov (om. eiva) R 25 vo L: öy R la: men R,.at ct. hrs avrov L 26 öv (ex av?) L: av R önoiws av L: öuoros av R, ARISTOTELIS QUI FERTUR DE MXG 3 3—10. 25 977° :» aANA un Kpareiodaı, Kal TAdvrwv Kpdartıorov eivat. W@OTE kado un KpeitTwv, Kata ToCoVToVv ouk eivaı Heov. mAeWVv®@v 4 30 00V OVTwv, Ei EV Elev TÜ ev AAANAwV Kpeitrovs TA de NTToVS, oUk av eivaı Beovs: medvrevaı yap To Helov un Kparei- odaı. Iowv be OvTwv, oUk av Exew Heov ba, Ov dew eva 5 KpdrıoTov' TO de Loov oUTE BEATIOV OVTE xeıpov eivaı Tov loov' @oT elmep ein TE Kal ToWwvrov ein eos, Eva HoVov eivaı TOv ss Heov. oVoe yap oide mavra Övvaodaı Av a PBovAorro. oVÜ yap av Övvaodaı TAEIOVvwv OvTwV' Eva üpa eiva uovov. Evad 6 Ovra Onoıov eivaı navrn, Op@vra kal akovovra Tas Te ANNas aiodnceıs Eyovra Tavrn‘ ei Yap un, kpareiv Av Kal Kpa- reiodaı um AANAwv Ta uepn Heov |[övra|, Omep aövvarorv. 977° ı mavrn Ö Önorov Ovra orbaıpoeıön eivar‘ ol yap rm uev rn Ö oV ToL0Vrov eivaı, AANA mavrn. aidıov de Ovra kat eva 8 kal (önoıov Kal) abaıpoeıön oVTe Ameıpov oVre menepavdaı. Areıpov uev (Yap) TO um Ov eivar TOVTO Yüap oUTE HEOOV oUTE üpynv Kal TeXos oVT SI BA ” x ! „ an \ a8 x „ Tr s AAXO oVdev HEDOS Eyew, TOI0VToV ÖE eiva TO Ameıpov' olov x \ \ y ’ N » x y ’ hi x y de TO um Ov, oUk Av eivan TO OV: Tepalveıv de POS ANANAa, ’ 9 NER} £) En E E) E En m ei TAEIw Ein. TO ÖE Ev oUTE TO oUk Ovrı oUTe Tols MOAXoLS BET Aa ei N wuowoda: Ev yap oUk Eye, pos OTı mepavel. TO ON Towv- 9 Tov Ev, öv rov Heov eivar Akyaı, oure Kweioda oVre akivn- = ’ ” s v \ IN 1» TOV Elvar' Aklvnrov Ev Yap eiva TO un OV' oVTE Yap av ’ ’ x ”v y ’ ’ En) E „y ’ nl Im) \ eis auto Erepov oUT Ereivo eis AAXo £ENdew. kweiodaı Öe Ta nNEelw Ovra Evos' Erepov Yüp eis Erepov Ödew kweiodau. ” x Di ’ . E m x EN eis uev olv TO un Ov oVdev av Kıundnvaır' To Yap um Ov 10 > ps Toy ’ N ER obdaun eivar. ei de eis AAAnAa ueraßaAXoı, TrAEIw av TO Ev 977” 238 (et 32) kparyoda: R ravra LR corr: Karsten kparıorov Karsten: kpareiod«t LR 29 kpeirtov R 31 ro deiov L: WR 32 ®eov Bonitz: Beov LR bucıv Ov seripsi: var in ras. R (dvoruos etiam Bern. 402): dvow L, 33 xepıov R 36 apa om. R 37 öpav re kal akovew LR: corr. Wendland cf. 39 39 Ovra (olim adseriptam ad axoveıv 37 eınendationem) delevi 977° 2 övra R: ovrw L 3 Suorov kaı add. Wendland merepardau R ev yap TO Bonitz (ef. 10): uevoL:oR 4 kai in corr. L!: coeperat ovre obdev uepos Li: jepos odev R 7 ev R 3 önowmeda R. exe LR: corr. Bonitz mepavet R: mepavdein L de Bekker 9 Ev, öv seripsi: Ev „ öv L: ov, Ev öv R akivnrov I: kıvnrov R 10 äkivprov Li: avovnrov R 13 eis etiam R 14 äv ro Ev (vel öv) Karsten: abrov LR Philos.- histor. Abh. 1900. 1. 4 20 » on 30 35 ARISTOTELIS QUI FERTUR DE MXG 3 10-11. 4 1—4. eivaı Evos. dıa ravra On kweiohaı uev Av Ta ÖVo N TNElw Evos, npeneiv de kal Akivnrov eivaı TO oVdev. TO de ev oUTE arpeneiv oVrte kıweiodaı: olTEe Yap TO um Ovrı olTe ToIs MOX- Aotls Ouoıov eivaı. Kata mavra de oVTws Eyovra Tov deor, aldıov TE Kal Eva, 60V TE kal Odaıpoeıön Ovra, oUTe Ateı- pov oVrTe Memepaonevov OVTE NPENOVVTAa oVTE KıvyTov eivat. 4 m \ in G x ’ \ en MNporov nev oVv Aaußdveı TO Yıyvouevov Kal oVTos Ei £72 [2 y e [4 ’ 03 ! eE ovros yiyveodaı, wormep 6 Merıwoos. kaltoı TI KwAveı „> r SH 3 E \ ’ unt && önoiov (unT' ES Avouoiov) TO Yıyvonevov Yılyveodaı, AAN EX um OvTos; ertı oVoev naAAov 6 Heös Aryevntos 7 Kal TAMa Tavra, eimep amavra EE Önolov 1) EE avouolov yEyovev (öTep dövvarov)‘ 07 EN & [2 ’ x x \ a x x y >» ’ @OTE N oVdev Eorı mapa Tov Heov 7 kal Ta AAAa Aldıa Tavra. Erı kparıorov Tov Beov Aaußaveı, TOVTO Övvar@taTov Kal BEeATIoToV Aeywv' oV Öorel de TOVTO Kara ToV vouov, ANAA \ [c3 5 € 5 ES 3 = TOAAAa KpeitTovs eivar AAANAwv ol HeoL. OUk 00V Ek TOUV do- & er in . Kovvros eiNnbe TavTyv kara rov Heov rnv ÖuoAoylav. TO TE [4 boy! \ & fr e kpatıorov eivaı Tov Heov ovy oUrws bVmoAaußaveıv Aeyerau, . \ 7 ’ r La) mn ’ ’ x x x @s TTPOS AAXo TI TOLAUTN N Tov deov piVcıs, aAAa TMpos TnV . an Y s r 5 5: aurov Öıadeoıw, Emei Tol Ye Tpos Erepov oVdev Av KwAvoL un m G nm ’ T; \ r r E TN AUTOV Enleikeia Kal poum vÜrepeyew, aAAa dla Tv a 07 5 >» 5; B Tov AaMwv aodeveav. Hexoı 6 Av ovdeis obrw Tov Heov bava xpartıorov eivar, AAN OTı autos Eyeı @s olov TE 7 x E \ El 72 x m R mn 7 £ mn Apıora, kal oVdev EAXelmeı Kal el Kal kaA@s eyeiv aUTo' 7 \ y Ki 7 E a} \ 3 2 \ ana yap lows (0UTWS) Eyovrı kükeivo Av ouußaivor. oUTw de dia- or 4 977° 15 dia] are Wendland äv deleverim 6 deral L: yapR 18 fortasse 7 Exovra Apelt: Exss (Exeıs) L: &xoıs R 20 npeuodvra scripsi: hpeziv (comp.) L: npepew R rov Fülleborn: akivyrov sic LR 21 kal obTos TO yıryvouevov yiyveodaı E övros R, 23 öuolas R Kivn- add. Brandis 249 L: de R 25ne&]ln kae£L: HR 26 mapa L: nepı R 29 kpert- rovs R 30 kara R: om. L O4oNoyiav non praestiterim imoNaußavov LR: corr. Vahlen Aeyeraı] Evöeyerar Vahlen; at cf. 9756 17, Praef. p. 103 roıaurn LR: corr. in rov abe R: 33 et 34 abrov LR to ye L: rov yap R 34 fort. Emırpareia oa myv R: rıjv da L 35 dere R 35. 36 deov upavar L, corr. L! 36 kparıorov, a ex © ut videtur, L 37 eANelmeı L: Erdeimeı R aurov Bergk 38 ana] ara Bergk; apıorta Wendland add. Wilson kakeivo L ovußaivy R ARISTOTELIS QUI FERTUR DE MXG 4 4-9. 27 b m x ’ ’ x v IE N ’ „ r 977° » keiodaı kai MmAelovVs alrovs Ovras oVdev Av K@AVOL, ANMAVTas WS 978° : 0i0v TE Apıora ÖlakeiMevovs, Kal KPATIOTOVSs T@V ANAWV, OUX a Ä ce 3, z i auTov OvTas. EoTı Ö, ws Eoıke, Kal aAAa. Kpatıorov Yap 5 eivaı Tov Heov bot, ToVTo de TIvav eiva avaykı“ Eva T Ovra mivrn Öpav Kal aKoveıw OVÖev TTPOCNKEL oVde yap ei um Kal s TNO 6pa, yeipov öpa Tavrn, AAX oUx öpd. AAN Iows TOVTO [4 x ’ ’ 4 y „ N 4 y BovAeraı To mavrn aiohaveodaı, Orı oVTws Av BeArtioTa Eyoı, ” 53 [4 y ar N x G x N y = Önoros @v navrn. Er Toiovros @v dıa Ti obaıpoeıöns Av ein, 6 ’ ’ ’ 7 r 4 x La) y E 4 v 4 AAN oüy [örı] Erepav Tıva uaAov Exwv iöeav, OTı mavry akoveı kal TAvrn Kparel; WOoTep Yap OTav Aeywuevr TO ° YVınddiov öOTı mavrn Eori Aevkov, oVoev AAXo amualvo- uev 4 6Tı Ev Amacıv alrov TOIs HEpeoıw Eykeypworta 1 Aevkotys' TI ON KwAVeı OUTWS KüKeL TO TAvrn Opav Kal akovew Kal kpareiv Aeyeodaı, OTı amav 6 Av Tıs aurov Aaußavn uepos, TovT Eotaı mermovdos; worep de oVde TO ıs Wınvdiov, ovde rov Heov avaykn eivan dla Tovro ocbaupoeıön. Erı unre areıpov (eivaı) unre menepdavdaı ooud ye Ov Kal Eyov 7 ueyedos T@s olov Te, eimep ToVT' Eoriv ameıpov Ö Av un eyn mepas dekrıkov Ov TMeparos, Trepas Ö Ev ueyedeı kai mAN- deı Eyyiyvera kai ev Anavrı TO T00®, worte ei um Eyxei MEpas ueryedos Ov ameıpov Eotw; erı de obaıpoeıön ovra 8 ävaykn Tepas Eyew' Eoyara yüp Eyxei, elmep uerov Eye alrov, od mAEIOToV Ameyeı. ueoov de Eyeı obaıpoeıdes Ov' ToVTO Ydp &orı oaıpoeıdes 6 Ek ToV uEevov Öuolws TTDOS TA Eoyara. owna Ö Eoyara ii mepara Eyew, obdev Öuagbeper. +++ ei 9 25 Yap kal TO un Ov areıpov EoTı, TIOUK Av Kal To Ov Arreıpov; TIyap 977” 39 obötv äv koAun L: ovdeva koäveı R 978° ı oiov re L: orovraı R 2 Eorı Sic L 3 rwöv sie LR Eva: rov ra mavra L: Eva ra mavra R: corr. Kern; öe malebat Mullach 4 ob yap RL: öe superser. L! eini Kal R: ei u (nex«k)L 7 dıa rı L: ötorı R, unde örı varia l. in v.8 8 orı del. Karsten mavrn (öpa kal zavrn) Wendland 10 ravra R aado ı R ır om. L eykeypyora R 14 Aaußaveı R 15 da& Tovro eivaı R 16 add. Karsten; post @reıpov eoeperat el L; corr. ayre L! öv Bekker: övL: om. R Exov sie R: Eyov L 18 Aekrıköov R 19 Ev yıyvera R BoTe av u) Exn R 20 öov L: o00ov R 22 abrou. + ob sie L: abrov too R cf. p.6; explico: extrema habet deus, siquidem centrum sul habet , a quo illa longissime absunt dämeyeı sic LR fort. egdaıpoeıöns &v 23 0x &L: övek R mpös]| mupösR 24 0L: om. R _olov Öadepeı (fuit Örabepew, corr. L*) L: olov Öuabopei R: corr. Bergk lacunam statui 25 ameıpov Eorı, Ti ok av Scripsi (similia Didotiana): äreorı, obk äv (o0k in corr., cuius prima littera fortasse r fuit) L: ümAowv ovx av R cf. p.5- 4* 28 ARISTOTELIS QUI FERTUR DE MXG 4 9-13. a ’ „7 y DEN 07 x mn 7 x \\ 872 be 978° 6 KwAveı eva TAavT Av Neybnvaı Kata TOV OVTOS Kal UN OVToSs; 76 Te yüp Öv ok Öv oldeis vuv alohaverat, kat Ov be TIs OUK äv aiodavorro a vv: Aubw de Aekta Kal ÖlavonTd xxx OU Nev- Sg B = a D u KoV TE TO um ov: N oVV dLa TOVTO TA Ovra mAavra Nevkd, ONWS 5 A Y N se?) \ 3» UM TI TaÜTO Kata TOV OVvTos ONuNvwuev Kal um Ovros, N E Ins N E ax y x oDdev, oluau, KwAveı Kal TOV Ovrwv TI un elvaı Nevkov: OVTW de \ Em) N E I [4 L \ 7 \ \ /? Kal uaNAov av Amodaoıv besaıTo, TO Ameıpov, ei kata To Td- mn y ’ E \ Aaı Aeybev Tı [uaAAov] mapa To un Eyew (mepas) Eoriv Ameıpov: @OTE Kal To Ovi) Ameıpovn Tepas eyove&otiv. Iowsöe 10 £7 nm £7 E E x mn 35 ATOMOV Kal TO TPOGANTEIV TO un OvTı Ameıpiav‘ OV yap mar, ei um Eyeı epas, Ameıpov Aeyouev, WOTEP OVÖ Avıcov OUR Av patuev elvaı TO um loov. E(ti) Ti ouk av Eyoı 6 Heos Trepas eis 11 @v, AAN ov rpos Heov; ei de Ev uovov &oriv ö deos, (ev) av ein 978” ı uovov Kal ra rov Beov uepn. ETı Kal TOVT ATOMoV, ei TOoIs 12 2 % | x moNNols Evußeßnkev merrepavdaı mpos AAAnAa, Öld TovTo 0 ev um € ; Aa ya 18 AXoıs Kal T® TO Ev un Eyew Tepas. MONA Yap Tois TO TG Evi Umapyeı TauTd, Emei Kal TO eivaı Kowov abroıs EoTı. s dTomov olv lows Av ein, ei Old ToVTo un aluev eivan TOv deov, ei Ta moAAA EoTiv, OTWs um Ouolov EotaL alrols TavTy. ETı TI KwAveı menepdvdaı kal Eyeıw TEepara Ev Ovra Tov 13 12 e \ e IN [2 a \ Xo3 E} \ ee [4 beöv; @s kal 6 Ilapueviöns Aeyeı Ev Ov eivan alrov "Tav- 978° 26 zavra R: ravra, corr. in raur avL 27 övöeL: öv de R; sententia corrupta. vix haeec sufficiant: 70 re yüp öv 7 Ov ovdeis vuv alodaveraı kal Önoims de rıs obk Av alobavoıro (TO) un ov aR: om. L 28 ka L: 07 (om. compendium ep simillimum insequentis litterae 0?) RR: 57 Bern. 402 (cf. p.ır), sed fortasse kat diavonra vel ömep Ölavonra glossema, quo hausta sint oiov Aevkov ev To oV 28. 29 Aevkov te (sic) LR; X. de Brandis 29 y Brandis: & LR 30 Taıto kata Tov övros R: kara Ton ex kat abrov (om. Tavro) L! onamvopev L: omnaivonev R 31 oinaı om. R rı any L: Tiwov R 31 odrw — Eoriv (34) ut potui emendavi (cf. 978% 29): oVrw öde kai aN\nv oDv amobacıv dekovraı To ameıpov. ei un To manaı Nexdev Ti |Nexdev rı (R)] yarrov mapa To un Exew 7 Ju) Exeiv Eotiv dmav, Gore kal To Ov 1) ameıpov I} mepas Exov eomiv |tum amav — Eoriv omisso priore 7 iterat L, om. R] LR; praeivit äv situm ad arodaoıw (subieetum 70 öv) dubito an glossema sit 33 Aexdev] 217 35 dromov de&aıro Bekker 32 70 ämeıpov appo- kaı to vulg.: atomov zo kat L: To üromov kat R: To üromov To kal L! 36 ovk] fortasse amav 37 lcov seripsi: dv LR; cf. 978® 19 add. Brandis (eri sie L) 38 aaX ov R: axXov L; cf. Pıo ev alterum add. Urbinas 108: om. LR (fortasse extrusum interpre- tamento 6 deos) 978° ı &ı Kern: ee LR 2 Evußeßnkev sie L: ovußeßnre R 4 ravra R 5 dauev L 6 rauen R: rav vacuum ıı litt. L; seil. a1 eivaı 8 MMapueviöns] fr. 8, 43.44 Aeyeıs L: corr. L! abro 1, [89] ARISTOTELIS QUI FERTUR DE MXG 4 1316. 978" s Todev euk'kAov odbaipas Evakiykıov Oykw, neooodev inoma- 10 ÄES'. TO Yap Tepas TWös ev Ävaykn eivar, 0b HEVToL ’ x ’ 9 E7 MPOS TI Ye, oVÖe avaykn TO Eyov Tepas TrpoS Tı Eyew Te- r [4 7 ” Zn 9 ’ ’ pas, @s menepaouevov mpos TO |un] EbeEns Ameıpov, aA ” „ ’ 5, 59 Pr eotı TO menepavdaı Eoyara Eyew, Eoyara Ö' Eyov oük ’ 7 ’ m Avarykn TpOs TI Eyei. evioıs ev oVv ovußaivor 14 a y Av, al menepavdu (ka) mpos TI ovvanreıv, Tois 5 Öe Tmemepavdaı ev, MM evror Tpös TI Temepdv- »s Hai. mad mepi ToV akivnrov eiva TO Ov Kal To (un) Ov ı5 [4 7 \ e 4 ” 2 IN x x ld ısa (Aekreov Ort TO ÜmoAaupavev akivprov eivaı TO un Ov), öTL Kal TO Ov Kkıweitat, Iows Önolws ToLs Eumpoodev Aromov. 7 ni ’ ’ Y e \ n Kal Er: Apd ye ob TavTo av Tıs bmoAaßoı TO um Kıweiodaı ’ Ay ’ \ . m m kat TO Akivnrov eivar, ANAAa TO uev amobacıy Tov kıveioda, e E ” x La) x y ’ a @OTED TO um LloovV, OTED Kal Kara Tov un Ovros eimeiw F ’ \ er, RE y ‚ ” : aAndes, TO de akivnrov TO Eye Tws non Acyeodaı, worrep To Avıvov, Kal Emi TO Evavriw ToV Kweioda, T@® Npeueiv, Ws Kal oxeoov ai Amo Tov a amoddeoeıs Emi Evavrioıs Ae- yovra; TO uev oüv un kweiodaı aAndes emı TovV un Ovros, TO ÖE npenelv oby Umäpyeı TO un övrı. Önolws de olde (TO) 2: AkivmTov eivaı onualveı TauTöVv. AAN oVTos Emi TO hpeneiv aurn xpnrau, kal nal TO um Ov npenew, OT oVk Eyei ueraßacı. ÖOmep TE Kal Ev ToIs üvw elmonev, aromov lows, 16 y m E m ’ 73% \ ei Tı TO un Ovrı TPOOATTOueV, ToVro un aAndes eivan kara any N - „ DN > ’ DD \ ’ 0) TOV OVTos eimeiv, AAAws TE kav amobacnıs 1 TO Aeyder, olov \ x x Lan) \ ’ ’ G x » Kal TO un xweoda wunde wneraßaivew Eori. TOAAa N j : r a: yap üv, kabanep kai EXeyOn, ahaporro Tov Ovrwv karn- Ar ’ \ x N 2 x ’ x ’ m) y x Kid 2 yopeiv. olde Yap Av oa üAndes eimew ein un Ev, eimep 978? göv ro R necodev LR Io ävaykyv sie L: dvaykı lowos sie R 12 un del. Mullach ede&ns, dexE& L! areipov LR: corr. Mullach; os — dreipov del. Wilson 13 o0k av L 14 oyeiv R ow L: oo» R ovußaiver rav LR: corr. Wilson 14° kat merepavdaı — zpos (14°) L: om. R kaı (post merepavda) add. Brandis 15 TO öv kaı To &v L: ro öv kat 0 öv R: corr. Urbin. 108 15% addidi 16 Eumpocdev]| cl. $ 9 sqg- 17 rıs] ı R 18 rov Bekker: ro L: om. R 19 Gorep u) TO loov dorep R eireiv Bonitz: eirep LR 22 Evav- rioıs Sic LR 24 addidi 25 omnaiveı R: ovußaiveı L; seil. et To um kıveiodaı et, TO Npeneiv em moL 27 reL: om. R: ö& Apelt avo] 978° 35 29 amodacıv R To Aeydev, oiow Apelt: 16 —Aeydev L: To e&Xeyyderrov R 30 neraxaußävev LR: corr. Felicianus 3I karyyope LR: corr. Weise 30 ARISTOTELIS QUI FERTUR DE MXG 4 17-20. 5 1-2. 3 5 D D Da > ’ 978” » Kal TO un 0v &orı un Ev. Erı En Eviov ravavria Evußai- 17 m E > Lex ’ , £) BZ vew dokel Kata Tas auras amopbdeeis: olov avaykn 1) Loov E) 7 £) nm E) en \ BZ ” sn avıoov, av Tı nAndos n weyedos n, Kal aprıov N [2 N E x ol e ’ ee) 2 \ \ a\ a\ E EI a TepıTrToV, av apıduos 7° Önolws Ö' lows Kal TO (Ov Mn) npenuew 1] = 9 > n D „ 3 \ \ a kıweiodaı avdykn, av o@ma N erı ei Kal öla Tovro um 18 = = Do D \ an a kıveiraı 6 Oeos TE Kal TO Ev, OTı TA TOANa Kıweitaı To 979° ı eis AMAnda ieva, TI kwAveı kai Tov Oeöv kweiodaı eis ANNo; obdaluov yap Aeyeı) oTı (Ev EoTı) uovov, AAN Orı eis uövos Öeos. ei de kal 19 Y ’ ’ > v Y a n a OVUTWS, TI KwAvEeL EIS ANANAa KIVOUUEVW@V TOV MEPWV TOV (deov) kurAmı pelpeodau rov) Heov; ov yap N TO TOLOVToV ev, wonep 6 Zuvov, x ER , 2 \ x mn }? os \ s mOAAa eivar cdbnoe. avTos Yap Owua ANeyeı eivar TOv deov, eıte Tode TO Tav elite 6 TL ÖNNoTEe auto Akywv' AOWMATOS Yap @v TOS Av Odaıpoeıöns ein; ETL uUOV @s y av 20 00TWS OUT Av KiwolTo 0VT Av NpEHOL umdauov ye wv; Eırel Öe coud EoTı, TI Av alto KwAvoı kıveiodau, @s EXeyOn; za |APIZTOTEAOY2] MEPI FOPIIOY. 5. Ok eival dmow oVöev: ei Ö Eorw, Ayvoorov eva ei I de Kal EoTı Kal Yv@oTov, AAN 00 ÖNA@Tov aMoıs. Kal OT 2 uev oük Eorı, ouvdeis Ta ETEPOLS Eipnueva, 60oL Tepl T@V ıs OVTWV AeyovTres TAvavTia, @S ÖokoVaıV, amobaivovraı alroıs, oi uev OTL Ev Kal oV TMoAAd, oi de ad oTı TOMa kal ovy 978” 33 &. Zr Bonitz: &v- elre sie LR 34 ras abras L: rooavtas R oiov Bonitz: ov R: ovL 35 7 ueyehos 7 Felicianus: 7. a7 don L: 7 kat a7 os y R 36 av R: kav L ö iows L: 0’ ews R öv 7 addidi; nam jpenew, 7 ex o, Li 979" ı kwaodu R 2 ovda (lac.x L, v litt. R) on (m R) (lac. vır L, v litt. R) wo- vov (4ov R) LR: suppl. pleraque Kern 3 obros L: abros R: corr. Apelt 4 deov in lac. v litt. om. LR de (lac. vır litt.) L: om R: suppl. Bergk 6 post elre add. oe R avro sie LR 7 Et wvos Apelt: emuovos R: emei uovos L y av Bergk: av L: ötav R 8 ye] re R 9 abrov Berek koNve R 10 tit. om. R; cf. Sext. adv. math. VII 65 syg. in App. II p. 37 13 aa\os R 16 av orı vulg.: ov on oo R: on,oexm,L ARISTOTELIS QUI FERTUR DE MXG 5 2-6. 6 1-3. 31 979° ı7 Ev, Kal ol uev OT Ayevnra, ol Ö' Ws Yevoueva Emidekvuv- Tes ravra, ovMkoyileraı kart ApboTepwv. avaykn Yap, 3 Pneiw, el rı Eorı, (N Ev n moAAa eivaı kal 7 ayevnra N yevo- sa Ueva. ei OVv um EoTi) unre Ev unre moAAa eivar uyre arye- zo VNTA@ HNTE Yevoueva, oVdev Av ein. ei Yap eim TI, Tov- Tov av darepa ein. OTı (o0v) our EoTıw oUTe Evovre ToAAd, oUTE ayevnra oVTEe Yevoueva, Ta uev ws Meruooos, Ta de ws Zuvov eEmiyeipei deıkvVveıw Hera TNv Mpo@rnv ldtov aurov amodeıEıw, Ev I Aeyeı OTL oUK Eoriv oVTEe eiva oUre un eivaı. »: El uev Yap TO un eivam Eorı um eiva, oVdev Av nrrov 4 TO un Ov ToV OVTos ein. TO TE Yap um Ov Eotı um Ov Kai To Ov Ov, ware oVdev uaAAov eiva N ok eivan Ta Tpd- yuara. ei Ö Ouws TO un eivaı Eotı, TO eivar, Pnoiv, oUk 5 EoTı, TO Avrıkeiuevov. Ei yap TO un eivan Eorı, TO eivar wm 3» Elvar MpoOONKE. WOTE OUK Av oVTws, Pyotlv, oldev av ein, ei un 6 TauTov Eortı eival Te Kal um eivaı. ei be TAUTO, Kal OUTWS OUK av ein obdev: TO TE Yap um Ov oUk Eorı Kal To öv, Ereimep ve TalTo TO un OVTi. 00TOS uev o0v ö TP@Tos Aoyos Ekeivov. 6. Ovöauodev de ovußaiveı EE @v eipnkev, umdev eivau. 1 Kay x RL; E ’ „ ’ ’ x LEN ss Ayap Kal alANoı d)modeıkvvovor, OVTWS bLeNEeyyeTau. ei To un Ov Eotıv, N Eotw anAos eimew, N kal Eotıv Öuoiws um OV. = af 1 \ h Wenn, Tovro de oUTe Paiveran oVTWs oVUTE Avaykn, AAN @orTrepel m ” a x Övolv Övrow, TOV HEV D Bd Las! ’ ’ y x [2 ’ x ” r E [2 id v OVTOS, TOV Ö OUK OVTOS, TO UEV EOTL, TO Ö oUR, aAndes, Orı Eorıy h x x N EN x de x E35 x „ Ö \ [2 m ’ „ 979” ı TO uev (Ov Ov TO de um Ov) um Or. (a TI o0v oUK EoTıv oVUTE eiva oVTe un eiva; [05 979° 17 ayevyra 1: av yeryraı R ı8 kar'| r LR 19 suppl. Bonitz 19* addidi, cf. 24. 979b ı 20 yap un ein ı R 2ı add. Bonitz 23 Mov LR cf.p.ı2: 25 eivaı N Eotı R. verte: si nil esse vere significat non ewistere äv nv yrrov R 27 ebay R ra R: om. L 29. 30 eivan un eivaı R 31 €otıvai re R eileorı R 33 yeom.R ovrws L mp@ros scripsi: abros LR 35 al a (lac. tı litt.) modeıkwovew L: ka amodeikvvow R: explevi cf. 21.22. 980b 20 drakeyeraı LR: corr. Wendland ei Bern. 4902: 7 L: 7 R 36 7 Earıv En a PER a Sa B y E RN L: AamN@s EIMEIV EIN Kal EOTIv EI Kal EOTIv Ojoıov Ju] Ov R: item om. eotıv primo et ein kat eorıw L: corr. fere Foss 37 ©bomepei etiam R 38 ovrow rov ev om. R Ö' ok Ovros T& jıev R: Öokovvros ro ev L 979” ı supplevi ef. 10; rö [Ev] un öv Wilson dia mi L: Aorı R 32 ARISTOTELIS QUI FERTUR DE MXG 6 3— 979° » Ti de aubdo (HM) oüherepov ok Eortıv; oVdev yap (HTTov), Pnoiv, ein av To > an > 3) 3) x x \ >> 22 ’ ’ an eivan ToV eivar, elmep ein TI Kal TO m eivaı, OTE ovdeıs ES En = n 5 \ ur 7} \ \ PDnow eivan TO un eivaı oVdaums. ei de kalt Eotı TO um 4 > 3) FENG) e e 5 > > a \ 02 \ s öv um Ov, old oVTws Önolws ein Av TO un Ov T® [un] Ovrı: To ’ £) E) ) E x x e an pev ydp &ortı un Ov, TO de Kal Eorıw Erı. ei de Kal anA@s 5 > nn 5 e >> E77 RUHT EHEN un Hy ’ > eimeiv aAndes (os On davuaaoıov y'av ein To (TO) un ovE&orıv'), AAN ’ \ {72 [4 en r % \ a: ei ON oUTw, ToTepov uaANov Evußatveı anavra un eivau £) ou E f E} 7 ’ E x n eivar; auTo yap olTw ye Toüvavriov Eoıkev yiyveodaı. eiyap 6 e) vr E J E 4 7 x x 10 TO TE um Ov Ov EoTı Kal TO OV OV Eorıv, ATavra EoTı Kal yap £) £) y E ’ [4 [4 £) N \ Ta övra kal Ta um Ovra EoTıv‘ OUK Avdykn Yap, ei To mm s D B = > NEE. a OVv EaTi, Kal TO Ov un eivaı. ei ön Kal oVTw Tıs Evyxwpot, 7 E Jj E E) 4 E [2 un Kal TO eV an Ov ein, TO de Ov um ein, OM@S oldev HTrTov ein av =” TA yap un Ovr' av ein Kara Tov Ekeivov Aöyov. ei 8 ıs be TAUTOV EoTı TO eivan ka TO um eva, old oÜrws uUaAAovV oUk em av TL (n) ein. @s Yap Kükeıvos Aeyeı, OTl ei 4 5 3 5 > 7 E 7 TauUToV TO uN Ov Kal TO OV, TO TE OV OUK EoTL Kal To N Ov, @OTE obdeveoTtw, avriotpewavrı EoTiv Öuolws Bava OTıTavra EoTWw‘ TO TE Yap un Ov EoTtı Kal TO 0V, @OTE TAvra Eoru. \ x en x [2 v2 E) R y y 3 ’ 20 META ÖE ToVToVv TOv Aoyov bnoiv: ei de Eotw, yroL üyevn- 9 TovV N Yevouevov eiva. Kal Ei EV Ayevntov, Ameıpov auto rois Tov Merioaov afıwpanı Aaußdve: TO 6 Ameıpov oük N ee} ’ e m Dir) 3 m av eival mov. oVTe Yap Ev auto our Av Ev AM elvar ’ \ aN 7 5 o" e 3 ee ÖVvo Yap av oUTws Atelpw elvam, TO TE Evov Kal TO Ev © Ö ES de a )de ar , x rn 7E ’ [£ \ EN :s HmOauov de OV oVdev eivaı Kata Tov Tov Zuvwvos Aöyov Trepi Tns 979° 2 ri ö& seripsi: rd && L: md sic R: ra Bekker 7 ouderepov scripsi (Sie Pro ov- derepov tum nonnunquam scribitur cf. Philo ı 243, 5 Cohn; Sext.xı 186 al.; de re cf. Sext. BEZ WERE or = math.vır 75 ovVoETEpoV avrov, seil. ToV övros et Tov un OVTos, Eorıv; 76 ei yap Jujre To 0v om uite TO um Ov junre auborepa ...., oldev Eorıv): oV0" Erepov LR jrrov add. Foss: om. R: lae.vı litt. L 3 öre L: om.R oboev Wilson 5 önotws sie LR un del. Sylburg 6 Erı] fortasse ov rı Y %L:TtwR ro addidi 8 mpoTepov aravra L: ra navra R eivar ja eva R: 7 eivar, un eiva L: corr. Apelt ro öv alterum sup. lin. L: om. R II a (ante )) transp. ante yap L 12 fort. (de) 01 Evyxopeı R 14 add. Foss övr' av Wendland: övra LR 15 post eo: add. kat R 16 7 ein Apelt: eiy R: lac. ıır litt. L 17 tavro L ro duo prima om.R 18 zavra] amavra, sed ut vid.in mavra corr. L 21 yıvouevov L: jun yevonevov R. 23 äv eiva sic LR mov Foss: more LR 24 aneipw» Bonitz: 7 m\eiw LR TO TE Evov sie L: rovro Ev ov R: corr. Bekker 25 de ov] deov R: öv L oboee R rov om. R ARISTOTELIS QUI FERTUR DE MXG 6 9—16. 33 979° 5 ywpas. AryEvnTov uEv OUV Öld TAUT OoUK eivat, oV umv olde 10 yevonevov. yeveodar yovv oVdev Av oUT EE OvTos oUT Er u OVToSs. ei Yüp TO Ov ueraneooı, olk Av Er’ elivaı auto öv, @OTEep Y'ei Kal To um Ov YEvorto, OUK av Erı em un ov. ıı 3» OVÖE umv oUk E&E övros Av Yeveoda. ei uev yap un &orı TO x ” ’ a “N ’ x 3 ’ ’ 7 ’ x x um Ov, oVdev Av Ek umdevos av yeveodaı ei Ö Eorı auto u E »u 09 >» IM x m 9 T ‚0, >» a x öv, Öl Amep old Ek ToV Ovros, dla Tavr Av oVÖ Ek ToV um ovros yeveodaı. ei ovv avayan ev, elmep Eorı TI, Hroı aye- 12 vnTovn'yevonevoveivar, Tavradeadvvarov, (aövvarov)Tıraleivau. 7 7 7 nA , ’ ’ 4 ’ \ [4 a [4 ss Erı eimep Eeotı (Tı,n)evn nNeiw, bnoiv, &oriv: ei de unre evunre 13 2 ’ \ ” y kn x \ v ’ 4 N „ TOANd, obdev Av ein. Kal ev uev....... Kal OTLATWHATOV av em TO eeeeeenn EWR rn... E EXOV MEV VE...» To rov Zyvwvos Aoyw. Evos ÖE Ovros ‚on x DANS! [4 [4 E \ 000 Av ...... eivar oVde um ..... ... UNTE MOAAd ..... ei Öe BITE Ger. unTe 980° ı MOAAd Eorıv, oVdev Eorıv. ovö av Kırndnval bnow oVdev. 14 ei yap kıyndein, “N ’ N „y ’ ” e 4 „ ’ x x x N ’ Ei „ [n] ovx av Er’ ein voavrws Eyov, aANa To uev (Ov) oUk Ov ein, TO Ö oUR Ov Yeyovos ein. erı Öe ei kwerraı Kal [ei] 15 nerapeperau, ob auvexes Ov Öınpnral (Te) To övoUT Eorı raurn s @oT ei mavrn Keira, mavrn Ömpnrau. EiÖ oVTws,ndvrn olk 16 Eotw. ErAımes yap ravrn, bnoiv, N Ömpnrau, Tov Övros, ävri ToV Kevov TO Ömpnodaı Aeywv, kadanep Ev roıs Aevkin- 979® 27 yow L: vR our’ er] ovre L 28 uerameooı scil. &v T® yiverdaı cf. Bonitz Ar. Stud. I 266 abro Apelt: ro LR 29 öv alt.] oiv R 30 aev R obk Bonitz: ovo’ LR 31 ovdev — un ov(32)om.L _ äv alterum del. Mullach 32 övros — ek tod om. L radr’ av seripsi: ravra R un superser. L 33 7 ror Bekker: 7 ro LR 34 eva 7 ye- vouevov R add. Foss 35 nn add. Foss y alt. sup. lin. L:7 R eirte R 36 kai Ev uev — kıymdnvaı (980% 1) dedi ex L (ubi e in Eyov in rasura; discrepat hine R lacunas aut minores aut nullas exhibens et his: 37 ro ev (lae. rır litt.) 7 (lac. ıv litt.) evasyov «rA., tum Aoyov, tum 38 post moAAa ..... ei yap uijrte Ev unre moANd.... Eorıv old Av kıvnÖnvar xrA.: alüi aliter luserunt supplendo; Apelt sie: xal &v uev ou av eivar, Orı do@narov üv ein To os aAndos ev, kado oUdev Exov ueyedos. 8 ävampeiodaı TS To Zivavos Adyw. &vös de ij Ovros old’ av OAms elvar oUdev. ui) yap Ovros Evös umde moANa elvar deiv. ei öde unre ev, dmaiv, ujre moANd Eorıv, oböev Earıyv. old’ al) 980° ı ovdev. ei Foss: owderi LR 2 n del. Foss; rı Apelt Er’ eim Foss: En 7 LR öv add. Foss ook ov L: oik av R yeyovos L 3 ei kıvelrar kal scripsi: 7 kıvefraı kal EvL: 7 kıvern kıverra Kal ei R (ei pertinet ad v.5) 4 re addidi ovr' Eorı seripsi: ovrerı LR 5 or el Foss (cf. v.3): öore LR zavrn tert.] mavra sie R 6 erkeımes L 7 Aevrimov L Philos.-histor. Abh. 1900. TI. 5 34 ARISTOTELIS QUI FERTUR DE MXG 6 16—22. ’ \ o ’ [4 x 980° s mov kaXovuevous Adyoıs YeypanTat. ei uev o0v oldev, Tas 17 3 E a \ v \ ’ amodeiteıs Aeyeı [anavra]. dew Yap (amavra) Ta bpovov- neva eivaı, es i A Ar 10 Kal TO un Ov, eimep un Eotı, unde dpoveiodauı. ei Ö'ovrws, 18 E ” D ee >09 >» [4 3uQsE > El m 2 ovdev av eivaı yrevoos, ovo ei, Pnoiv, [ovö’ ei] Ev To mexayeı a m ® \ \ N y \ dain auınd\acdaı Apuara‘ mavra yap Av Tavra ein. Kal 19 R ” a „y y en yüp Ta Öpwpeva kal dkovöneva dd TovTo Eorw, OTı (öpa- ’ e \ (4 7 y 13a TAL Kal dKoveTaL, Kal ÖNOLws TA Dpovovueva Eorw, OTı) bpo- N 4 ” N E) > \ P) x nn ’ N 7 10E vera EkaoTa abtav' ei de um dıa TOVTO, AAN WOTep oVdev m N e = EA 12 ERANDI N ex € EN N ıs uAAAov a öp@uev Eorw, oltw (obdev) uaAAov @ [öpwpev m] Ötavoovueda. x x 4 £ m x N ’ x „y x ’ vd: Kal yap womep Ekei Moda av Talra lOoıuev, kai evravda 20 ” ’ 23> —Z [AND ToNNa Av Tavra Ötavondeinuev, TO o0v uaAAov Ön ...a ToLdd > r n \ > a 7 ” \ 32 ar eorti: mola de TaAnOn, AdmAov. Worte Kal ei EoTw, uw Ye dyvooT' av In \ [4 E) de \ ’ Lo) y [4 P) eivaı Ta npdynara. eiöe kal yvwoTd, Tos Av Tıs, Byai,ön- 21 r v a \ Io) A r n D 20 Awwreıev ANA; 0 Yap eibe, TWs Av TIS, &nol, TOVTO ElMoL Aoyo; N T@s Av Ekeivo ÖNAov Akovoavrı ylyvorto, UN idovrı; b 7 \ »QS\ ee 9 \ 06 ’ 2 Joe 980? ı Women yap ovde n Oyıs rovs bOoyyovs yıyvwokei, OUTWS OVÖE e E2 \ \ [4 ” [4 E) \ [4 N ’ e n akon TA xpwnara akoveı, aa BOoyyovs' kal Aeyeı 6 Aeywv, AAN oV yp@ua oVde TpAyua. 0 o0v Tıs um &vvoei, 22 EI ’ x Le / 4 ‚ N / Ne 7 En [4 NWS AUTO TAp ANAov Aoyw N ONUEIW TIvi ETEPW TOUV TTPAYUa- 3 4 2 LEE) DAN x N ’ ’ > s TOs Evvonorei, AAN N Eav uev yp@ua, iöwv, &av de (wogor, ako)voas; =. \ > e ’ mn ’ apynv ap ob (rhobov) Aeyeı (6 Ae)ywv oVoe ypaua, aaa Aöyov' @oT 980° 3 as «ı\. corrupta. apparet dmavra ad proxima pertinere, qua lectione remota for- tasse seribendum Aeyeı ävaıperodaı; Neyeı amarav Gercke; Aryeıv“ amavra yap deıw Wendland (Yap transp. praeiverat Wilson) 9 dew L: de R äravra addidi ex Sexto vıı 79 (ef. infra p.39) 11 oöo ei prius Wilson, alterum delens: oddess LR 12 ravra ex tavra L: ravra R. scilicet vera et falsa eadem 13. 13a addidi e Sexto vır 81 ı5aom.R ovöev add. Wilson Op@uev 7 (ex prioribus iterata) delevi 16.17 zoAAa seripsi: moAAol LR ravra l0oıev LR: correxi eK. E2 17 (En lac.ıı litt.) a R: ö7 sine lac. L. conicio örı ovdev uanNov Ötavonra roıade (7 ToLade) eo 18 kal el transp. R nuiv yvoo-rav eivar R 19 de, ö ex x corr. L kaı om. R pacoi sic LR: corr. Bekker 20 eimoı R: einn sic L 2I exeivo R 980° 1 ovdek’ dyıs L: oldev n öyıs R oyyovs L 2 7 superser. R 3 un ewoerL: uerevvoer R 4 avro Apelt: are LR erepov tov L: erepov R: corr. Apelt ex Sext. vır 84 evvopcaei Scripsi ut 9: Evvoyaeiev LR 5 yopov arovoas suppl. Wilson (nisi quod Yodos): lae. v litt. vuos L: vuos sine lac. R 6 suppl. Wilson: ov (lac.ıı litt.) Aeye (lac. ıv litt.) yoeıde xpona R: ob Aeyeı de ypona L ARISTOTELIS QUI FERTUR DE MXG 6 22 —25. 35 980” , oVöe Ötavoeıodaı xpwpa Eat, AAN öpav, olde Wwodbor, aAX akovew. Ei de Kal Evoeyeraı yıyvaakeıv TE KAL A Av yıyvookn 23 Aeyeı, aAAAa TOS 6 AKovwv TO auTO Evvoncei; OU Yap olov 1» TE TAUTO Aua Ev MAeIooı Kal xwpis ovow eva ÖVo Yäp N 7 4 ’ \ \ ” [4 ’ ’ \ ’ [4 av ein TO Ev. ei Öe kal ein, dmoiv, Ev mAelocı kal TauTov, 24 oVdev KwAveı un Ouorov daiveodaı auroıs, un mavrn Önoloıs EkEIvoLs OVCı Kal Ev TO QAUT@' ei yap €v TO alr® ein, (eis) av aN ob Övo eiev. paiverau de obd avros auto Önoıa aiodavöue- 25 > n side ’ Bi De} IE m \ na» ıs VOS Ev TO aUT® Xpovw, AAN Erepa tn Akon kal rn Oyeı, \ La x [4 [4 KA Le) BA sn kai vuv TE kal maAaı Ölabopws. Worte oxoAN Aw Y av ’ \ y [4 7 ’ 4 E [4 ’ \ \ y ı TauTo atodoıto Tıs. oUTws oUk Eorıv (oVöev- ei de Kal ein, 26 ’ [4 Ei [4 ’ \ \ 7 [4 ’ x a 17a 0VÖJev Eorı yvworov' (ei de Kal ein yvworöv), obdeis av auto ETEpw ÖnAwoeıev, Öld TE TO un eiva TA Tpdynara Aoyovs, kai Orı oVdeis |Erepov] ErEpw TauTov Evvoei. Amavres : ÖE Kal 0VTOS ETEPWV ApxawmTepwv eiaiv arropiaı, @oTe &v m mepi Ekeivwv okeyreı Kal Tavra E£eracTeov. g8o® 7 ara R: oie’ L 8 yıyvockeı (yırooreı L) LR: corr. Apelt Te kal ava- yıyvockeı (ävayıyooreı L) LR: correxi 9 Aeyoav LR: corr. Wilson Io roabıo R II av om. L dneiv Ev mAelooı in vas. L fortasse (ev) Ev 12. 13 öyoioıs ekeivos sie LR 13 el rı Ev (Ev L) roovrov einoav, aAN LR: correxit Wilson (nisi quod ille 7eav pro ein) 14 abros abro] abros auto LR 14 önoa, ö exa,L 16 ayoA L: oyoAyv R 16 y'üv Wilson ef. 978b ı4a. 979%7.® 5: zav LR 17. 17a supplevi ex 979% ı1; (&veonm R: Ev &orı L) 18 ön Aoceıev L 19 Aoyovs L (cf. Sext. vır 85 sqgq.): Aerra R Erepov del. Foss. fortasse obdev Erepos Erepw 20 mutilatus. tempto dmavres ö£ kai ovros (sic LR) (kai oi aAroı Aoyoı abrod yiyvovraı mepl @ kal) Erepwv cf. ad 979° 35 22, 22 25 30 23m 36 H. Dizıs: APPENDIX. I. Simpl. in Arist. Phys. 22, 22-23, 20. ’ E x ’ 6» ” ’ ’ N E) a5 Avaykn Tolvuv Thv Gpynv 4 nlav elvaı 7 ob uiav, Tautov de eimew mAelovs, kal ei ulav, Yroı Akivnrov 1 Kwovnevnv. Kal ei ükivprov, NToı 7 e [4 e 12 En [4 \ ’ e äreıpov @s Merıooos 6 Laos Öorer Aeyew, ij memepaouivnv &s Ilapue- viöns Ilupnros 'EXearns, ob mepi bvaıkov oToıyelov Aeyovres odToL, aAAA mepi ToV OVvrws OVTos. D D D € s EN 9 plav Ö& iv apyhv hroı Ev TO Öv Kal mav (kal| oVTe Memepaouevov oure Ämeıpov olre kıvobuevov ovre Hpenovv) Zevohdvnv | Tov Korobavıov röv Mapyevidov Suöaokarov ümoriderdai bncw 6 Oeolbpaoros, 6uoAoyav Erepas eivaı uaN\ov 1 Tns Tepi BVcews ioTopias nv | uvnunv Ts TovTov doEnS. x x ea a \ EN \ \ EZ e en, F a y To Yüp Ev ToVro Kal mav Tov Beov. EXeyev 6 | Zevodavns' Ov Eva uev delkvvaıv &k TOD TAvrwv kpdrıorov eivaı. TAeıövov | Yap, bnoiv, OvrwVv Öuolws Umapyeıv avdykn Tacı TO Kpateiv: TO de mavrwv | kpdTıoTov Kal üpıorov Beos. 3 [4 \ Ei ’ El En Lad x ’ a\ £ e 7 a\ en aryevntov de Edeikvvev Ek Tov deiv TO Yıvöuevov | 7 E& Önolov n €& avonoiov yiveodaı. ANA TO nev önorov Aamades byow| imo Tov önoiov‘ ovdev yüp aA\ov yevvar 1 yevvaodaı mpoonkeı TO OnoLov | ER TOD Önolov' ei de &&E dvonolov yivorto, Eotan TO Ov &k ToV un Ovros. | kal oVTws dryevn- Tov kal Alölov Edeikvv. 7 de A El | hl ax [4 7 x \ \ oUTe de Ameipov oVre Tenepao|uevov eivar, Ölötı Ameıpov uev TO um \ e y E \ 7 EA ’ ö 7 [4 ’ \ \ El Öv &s oVre Apyiv Exov oVre ueoov | oVUTE TEAoS, Tepaiveıv be MDOS ANAyAa Ta TED. \ ’ de \ \ , E2 Ku x x E ’ z ’ Tapan\ncoiws de Kal nv |kivnow dAdbaıpeı kal Tyv hpeniav. dkivnrov 22, 22—26 paraphr. Arist. Phys. 184» ı5 26—30 e Theophr. Phys. Op. fr. 5 (Dox. 140. 480). parenthesin e libro de MXG transcripto ab Alexandro perperam immiseuit 29 Ere- pas] i. e. theologiae, r7s mp&rys Bı\onodias 30—33 (TO yap—-Peös) e libro de MXG 977? 14. 23—28 22, 33—23,4 (ayevnrov— &eikvv) indidem 977%15— 22 4—6 (oVre— mXeiw) ind. 977° 2-7 cf. infra 23, 17-19 6—9 (mapanıyoiws — ueraßaxNew) ex 977 8-12 Io 20 AD ARISTOTELIS QUI FERTTR DE MXG APPENDIX 1. IT. au uev yap eivan TO um Ov' oVTe|Yyap Av eis auto Erepov oVre auto Tpös 7 ’ En En x \ ’ IE [4 4 \ E v ao EAdeiw: kıveiodaı de Ta mNeiw | ToV Evos: Erepov yap eis Erepov uera- BarXeıv. r x 7 ’ ’ ba} ’ ’ x x Em) @oTe Kal OTav Ev TaiTo | uevew Acyn kat un Kweiodaı, dei Ö' Ev TaUT® yiuveı Kıvovuevov older, oVde uerepyeodai wıv Emimpereı aNAoTE aAAN, ob Kara Tnv Npeniav TNv Avrıkeıuevnv TN Kıvjaeı uevev abro byow, aANü Kata TNV ATMO KIvNoEws Kal hpeuias EEnpnuevnv Hovnv. NıxoAaos de 6 | Aauaoknvöos &s ümeıpov Kal Akivnrov Aeyovros alrov x ’ x ’ > | Las ’ » ’ ’ x « uv apynv Ev n Mlepi Bewv amouvnnoveveı, AA&Eavöpos de ws menepac- uevov auto Kal odbaıpoeıdes. AAN OTı uEv oUTe Ameipov oVTE TEeMepaouevov auto Öeikvvow, Ek T@V x Cs ” x TpoEIıpnuEV@v OmAov' Temepaouevov Öe Kal obaıpoeıöes auto dia TO Tavra- x0dev Onoıov Aeyeıv. Kal mavra voeiv be bnow auto Acywv ’ ’ ’ G [4 [4 \ [4 ’ AAN amavevhe mövoro voov pevi TAavra kpadaiveı I. Sextus Empiricus adv. mathematicos VI, 65. lopyias öe 6 Acovrivos ek ToV abrov uev TAyuaTos Umnpye ToIs avn- pnköcı TO kpırnpiov, O0 Kata Tnv Öuolav be EmıBoAnv Toıs mepi rov Ilpw- ayopav. Ev yap To Emiypabouevo Ilepı rov un övros n [lepi dvcews Tpia kata TO Eins kepaAaıa karaokevaleı, Ev uev kal Tp@Tov ÖTı oldev Eorıv, Öevrepov Otı ei kal Eorw, AkaraAnnrov avdponw, Tpirov OTı ei Kal KataAnnTöV, AAAA Toi Ye Ave&oıoTov Kal üvepumvevrov TO TrENas. OTL uev oUv oVdev Eorıw, EmiAoyileraı ToVv TPOMoVv TovVrov' ei Yap Eorı Tı, yo TO OV Eotıw 7 TO um Ov, N Kal TO OvV Eotı Kal To um Ov. oVre ÖE TO Ov EoTiv, GS TAPAOTNTEL, OVTE TO un OV, ws Tapauvdnceraı, oVTE TO Ov Kal To un Ov, @S kal TOVTO Ölddgeı' OUK Apa Eotı Ti. Kal ÖN TO uev um Ov OUK Eat. Ei Yüp TO un Ov Erw, Eotaı Tı Aua kal olk Eota N uev Yap oUk Ov voeltaı, OUk oral, 1 de Eorı um Ov, aA EoTaı. Mavre\@s be ATomov TO eival Tı Ana Kal un eivar oUk Apa Eorı TO um Ov. Kal aNAws, ei TO um Ov EoTtı, TO Ov oUk Eoraı‘ Evavria yap eotı Tavra aAAN- 23,9 neraßaıxeı libri: corr. Usener ır. 12 versus ex Alexandri Theophrasto usi commentario 13 ef.l.de MXG 978» 17-27 auto DE: aurov EAF 15 NikoAaos ef. Roeper Lect. Abulfarag. p. 37 19 Aecyov seripsi: Aeyeıv libri 20 de versu ef. ad 10 \ 65 66 67 38 AD ARISTOTELIS QUI FERTUR DE MXG APPENDIX II. Aoıs, kai ei T® un ovrı ovußeßnke TO eiva, To Ovrı ovußijoera To m » un övrı avußeßn Ts ußn a 5} E £) >” 3 E E „ eivaı. obyı de ye To Ov ouk Eotw, (Tolvuv) ode TO un Ov Eoraı. Kal umv 5 5 5 5 3 5 5 es > ovde TO 0v Eotw. ei yüap To Ov Eorw, Hroı Aldıöov Eotw Mn yevntov n 7 7 \ ’ y \ Ei [4 E} ” IN 7 E [4 aldıov Ana Kal yevnrtov' ovTe ÖE Aldıov EoTıv OVTE YevnTov oVTe auborepa, r B E) E) E) E} ” ’ El \ a\ £ ’ x ws deigouev' oUk üpa Eotı TO öv. ei yap Aldıov EoTı TO Ov (üpkreov yap & N 3 E ’ \ x [4 ey Y >.» ’ evrevdev), oUk Eyeı Tva apynv' TO Yap Yıvouevov MAav Eyeı TV Apynv, E ’ E Fax ’ ’ 37, \ E \ 7 [4 To de Aidıov aryevnrov kadeoTos oUk eiyev Apyiv. um Exov de apynv ameıpov ” E) 2 ” vn E PS y nm eortıv. Ei de Ameıpov Eotıw, oVdauov EoTw. ei Yap MOV EoTw, ETepov alTov P ’ m D In El y E) W387, 7 &orıv Ereivo TO [ovV] Ev © Eotw, kal oVTWs OVKET Ameıpov EoTtaı TO Ov ’ N ’ Bas ’ [4 ’ Enmepieyönevov Tv" uelLov Yap EoTı TOV Eumepieyonevov TO Eumepieyov, nm E ’ E EN hi E) 7 El Tov ÖE Ameipov oldev EoTtı uelLov, W@OTE OUK EoTı MOV TO ATeıpoV. Kal Ys ” mn 3 x \ 7 \ & en \N E E m umv old Ev auto Tepieyerau. TaUTOVv Yap Eotaı TO Ev © kal TO Ev auto, y nm x \ x = kal ÖVo yevjoeraı TO Öv, TOTOS TE Kal O@uUAa' TO NEVv Yap Ev & TOmos E DD E a nm en 7 > E > mn Eotiv, TO 0 Ev auto o@ua. TOVTO ÖE Ye Aromov. Tolvuv oVöe Ev auto 3 “ 3 E ’ a SSR E IM ’ E) N / El &orı TO OV. WoT ei Aldıöov &orı TO OvV, Ameıpov EoTıv, ei de ameıpov Eorı, h IE A as > 07 a) » oldauov Eorıv, ei de undauov Eat, OUk EoTtıw. Toivvv ei Aldıov &orı TO E EG E \ \ E) x \ SS © Ov, oVöe TNv Apynv Ov Eorw. kal mv oVde yYernTov eivaı Öuvaraı TO £) E E E) £) >” Ed & E Ov. Ei yap yeyovev, nroı && Ovros 1 EX um Ovros yeyovev. AAN oVTE Ek a E) iA Ei ’ [4 ’ > 7 I, TOV ÖVTos Yeyover: ei yap Ov Eotı, ob yYeyovev AAN Eorıv Non‘ oVTE €k a E nm \ E} ’ Tov um Ovros' TO YAap um Ov oVde yevvnoal Tı Övvaraı dLa TO EE Avaykns öbeiNeıw Ümapgews uETEyew TO yevvnTıkov TWos. OUkK dpa oVÖde YernTov eotı TO OV. Kata Ta aurüa de olde TO Ovvaupotepov, Alöıov Aua Kal Zn x ” E EJ £} ” 3 E YEVNTOV: TAavTa yap Avamperıka Eotıv AAANAwv, kal ei alöıov &ortı TO OV, E £} ” „ E 3 £} El ob yeyovev, Kal ei yeyovev, oUk EoTıv Aldıov. Tolvvv ei unTe Aldıov &oTtı TO OV unTe yevnTov unte TO ovvauborepov, oUk Av em TO Or. Kal EZ E 7 7 y > a\ L „7 \ [72 Ei „7 [4 AAAwS, Ei EoTw, YToı Ev Eotıw NH MOoAAd: oUVTEe de Ev Eortıw oVre mod, e 7 D A e ws mapaotadmoeram oUk Apa Eortı TO OV. ei Yap Ev Eorıv, YroL Mooov > D v > 5 a > B n eorıv 1 ouveyes Eotw n ueyedhös &orıv 7 o@ud Eortıv. 6 Tı de av N Tol- E y ’ 3 \ \ \ x ’ \ \ Twv, oVy Ev Eortıw, AANa Mooov uev kadeotws Ölaıpedyoera, ouveyes de \ € \ 5 5 > a öv Tundnoerau. önolws de ueyedos vooVuevov oVk Eoraı Adıalperov. O@ma x a „7 nm be TUyxavov Tpım\ovv Eortar Kal yap unkos kaı mAaros kaı Bados E£eı. 7 a8 E} AToToV ÖE Ye TO undev ToVTwv eivan Aeyeıv TO OV' oUk dpa Eoriv Ev TO BG \ \ E) \ [4 £ E} \ 02 E 7 E) x ’ Ei öV. Kal umv oVde mMoAAd Eorıw. ei yap un EoTıv Ev, ovde Mod ot“ a u > er 5 ovvdeoıs yap Tov kad' Ev Eotı Ta MoNNd, Ölömep ToV Evos Avampovuevov > \ \ 7 E \ \ hr \ „7 \ N y „y N OvvavapeıTar Kal TA TOAAA. ANA Yap OTı UEV OVTE TO OV EOTIv OUTE TO x \ „7 ) L,, E E} £) un O0v Eotw, ek ToVTwv ovudaves. OTı Öe oVde auborepa &otw, TO TE 68 69 79 gpu 72 73 74 75 AD ARISTOTELIS QUI FERTUR DE MXG APPENDIX II. 39 "N x 2 * 9 x v 4 x v % Ov Kal TO um Ov, evemAoyıoTov. Eimep Yap TO um OV Eotı kal To OV Eorı, ’ \ y La} „ % N “ ’ En > a . TAUTOV EOTaL TO OvTi TO un Ov 000V Eni TO eivan Kal dla ToVTo oüde- ’ la} v " x y ’ y e TEPOV aUTov EoTw. OTL Yap TO um Ov oUk Eortıw, ÖuoAoyYov' Öedeırran de ” \ ’ ’ ’ 4 ’ ’ ’ TavTo ToVTw kadeoTws TO OV' Kal auTO Tolvvv oUK EoTaı. oV umv AaAX y ’ [4 ’ n \ 4 \ Be 4 ’ [4 ’ [4 Br ’ eIMEP TAaUTOV EoTı TO um Ovrı TO Ov, ob Övvaraı Auporepa eivan ei yap ” [4 ’ ” ’ ’ ’ ’ T % auborepa, ol TAaUToV, Kal ei TalToV, oUK AucboTepa. ois Ererau TO under ey ’ x [4 x \ 4 ’ Y ’ eivat. ei yap unTe To OV Eorı une TO un Ov unre aupborepa, apa de a ’ x Im ’ Tavra oböev voeltaL, oVdev Eorw. 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K: \ > N B [4 Pi) [4 ” :E e [4 ’ \ \ 7 e 2 ai ei karaxaußavorro de, Ave&oıoTov ETEpw. ei Yap Ta Ovra öpara E ’ > ’ Y ’ e 4 EoTı Kal dkovota Kal Kowos aloOnTa, Amep EKTOS UMOKEITaL, TOVTWV TE e e ” x \ 2 \ > En ’ & Ta uev öpara Öpdoreı kataNynTa eoTı TA be AkovoTa dkon Kal oUk EvanAd&, m [5 a e = \ [4 7 [4 TOS odv Övvaraı ravra Erepw unvveodaı; © Yap umvVvouev, EoTı Aoryos, ’ ” e 50 E 7 \ 3 Aoyos de oUk Eortı TA Ümokelueva Kal Ovra' oVk apa TA Ovra mvVouev ’ © “ > EX € [4 = Toıs MeXas ANA Aoyov, Os Erepös Eortı Tov Ümokemuevov. kahanep ovv e E E) ” \ E 7 El e TO 6parov oUK Av YEvorto dkovoTov Kal Avamakıv, OVTWS E mei ÜmoreLTaL E > >” ’ {3 € [4 x a\ N [4 ” 2 TO ÖV Eros, oUk Av yevorto Adyos 6 huerepos' um @v de Adyos oUk dv 7 € [4 hd S [4 ’ E2 \ ES 5/4 [%) ’ ÖnAwdein Erepw. 6 ye umv Aoyos, dnoiv, amo Tav EEwdev TPOOTIıMTOV- e m I an E) mn E Ems Tov uw Tpayudrov ovviorarat, TovreoTı T@v aiodnT@v‘ Er yap ns n a5 3 en R \ a 3 TOD xvAov Eykvpnoews Eeyyıverar nu 6 Kara TaUTNS TNS MOLTNTOS EK- o a n € € \ a hepouevos Aoyos, Kal Ek TNS TOV XPWuAaToSs ÜNONTWTEWS 6 KATA TOV XPW- E) me ’ € EN E x E uaros. ei de ToVTo, oüy Ö Aöyos TOV EKTOS TapaoTaTıkos EoTıv, aN\a ” Er ” \ El ” TO EKTOS TOV Aöyov unvvTıköV Yiveraı. 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E) 1 v « “ N) ca DEE A na ia nei) E u Gelesen in der Sitzung der phil.-hist. Classe am 19. Juli 1900, [Sitzungsberiehte St. XXXVI S.799. eg Zum Druck eingereicht am gleichen Tage, ausgegeben am 3. Se PD Schrift, von welcher ich hier handeln will, hat man gewöhnlich als das Leben Wala’s (Walah’s), des Abtes von Corbie, nach dem Beispiel des ersten Herausgebers bezeichnet, jedoch mit Unrecht, denn sie will weder eine Lebensbeschreibung sein, noch verfolgt sie einen eigentlich geschichtlichen Zweck, vielmehr ist es eine Art Leichenrede, eine gleichsam in die Breite ausgeführte Grabschrift zur Verherrlichung wie zur Vertheidigung des Dahin- gegangenen. Der Abt Radbert, sein Gefährte und sein Jünger, widmete sie dem Andenken des von ihm hochverehrten Meisters, ähnlich wie er schon früher dessen älteren Bruder Adalhard nach dem Vorbilde des Am- brosius und Hieronymus' durch eine Leichenklage gefeiert hatte. Aber Wala wollte er nicht blofs preisen, sondern auch vertheidigen, denn er hatte neben seinen Verehrern viele Feinde gehabt. Dies wird schon begreiflich, wenn wir nur den Wechsel seiner äufse- ren Schicksale betrachten: Als Graf wie als Heerführer einer der angesehen- sten Staatsmänner Karl’s des Grofsen, dessen Vetter er war, wurde er nach dessen Tode von seinem Sohne Ludwig sofort mit Mifstrauen behandelt, vom Hofe hinweg in ein Kloster verbannt, in welches er als Mönch ein- trat, um sieben Jahre später, von ihm begnadigt, sich abermals einer ein- flufsreichen Stimme in seinem Rathe zu erfreuen. Doch da er im Jahre 830 sich den entschiedenen Gegnern des Kaisers anschlofs, traf ihn eine zweite Verbannung, eine zweite Ungnade, bis er endlich, mit Ludwig wieder aus- ! C.2 (Mabillon Acta SS. IV, ı, 308): ‘qui suis epytafia caris facundissime condiderunt'. Bei Ambrosius denkt er an die Schrift super Valentinianum, bei Hieronymus an das Epitaph. Nepotiani in der an Heliodor gerichteten ep.60 (Opp.I; 660), s.V. Adal. e.13 p. 313. Sehr treffend sagt Traube (Abhandl. der bayer. Akad. I Cl. XIX, 310) von dieser: »Die Schreib- art ist pastoral, das biographische Detail der Schrift nebensächlich, das Ganze darauf ab- zielend, Thränen zu erwecken und Trost zu erbitten«. 1* A E. Düumnmter: gesöhnt, es vorzog, fern von der Politik in dem Kloster Bobbio sein Leben in Ruhe zu beschliefsen. Dieser Antheil an den erbitterten Parteikämpfen, in denen Wala, keiner Partei ganz angehörig, die undankbare Rolle der Kassandra spielte, mufste ihm viele Gegner erwecken, aber nicht minder der Zwiespalt seines Wesens: man zweifelte an der Echtheit seines aufgedrungenen Mönchthums, man ver- dachte ihm, dafs er als Mönch ebenso wie zuvor als Graf in die Geschicke des Reiches eingreifen wollte, dafs er sich gegen die geheiligte Person des Kaisers auflehnte. Die mönchische Demuth war hier mit einer herrschenden Persönlichkeit verbunden, deren unbeugsame Festigkeit auch den Wider- willigen Achtung und Ehrfurcht gebot und den Untergebenen ein uner- reichtes Muster der Strenge gab; seine unerschrockene Offenheit und sein scharfer Witz wurde von Allen gefürchtet. Indem Radbert, der Schüler Wala’s im Kloster, vorzüglich auf Grund seines eigenen vertrauten Verkehrs mit ihm es unternahm, nicht lange nach seinem Tode, der im Jahre 836 erfolgte, sein verklärtes Bild den Widersachern entgegen zu stellen, seine Handlungsweise unter allen Um- ständen als eine sittlich reine zu rechtfertigen, empfing sein Werk ein so subjectives Gepräge, wie es nur sehr wenigen Schriften des früheren Mittel- alters eigen ist. Radbert zieht sich nicht wie so viele andere Schrift- steller jener Zeit in ein bescheidenes Dunkel zurück, sondern er stellt sich um so mehr in den Vordergrund, als er ungewöhnlicher Weise die dialo- gische Form für seine Darstellung wählte. Ob nach dem Vorbilde Cicero’s oder des Sulpieius Severus', wird sich kaum ausmachen lassen, weil eine offen- bare Nachahmung nicht hervortritt; auch Terenz könnte eingewirkt haben. Ganz unerhört ist diese Einkleidung in jener Zeit freilich nicht, sie findet sich u. A. auch in Ermenrich’s Leben des hl. Hariolf und in dem merkwür- digen Dialoge zweier Bischöfe über die Lage der Kirche im Westreiche.” Die Gesprächsform gewährt ihm den Vortheil, seinen Gegenstand an- scheinend unbefangener und allseitiger beleuchten zu können, indem er die Einwürfe der Unterredner beantwortet, sowie den anderen, durch man- cherlei eingestreute Betrachtungen seinem Hange zur Weitschweifigkeit zu ! An die Dialoge des Sulpieius Severus über den hl. Martin erinnert Ebert (Gesch. der Litter. des Mittelalters II, 239, vergl. 131), Traube an Cicero (Poet. Carol. IV, 42 n.r). ® Hinemari opuscula ed. Cordesius Paris 1615 p.646—664 (vergl. Mabillon, Annal. ord. S. Bened. III, 126—127). Radbert’s Epitaphium Arsenü,. 5 fröhnen und Vieles doppelt, ja dreifach zu sagen, wie das bei mündlicher Unterredung wohl vorzukommen pflegt. Auch darf er, indem er mit an- deren Klosterbrüdern spricht, die Wala gleichfalls und zum Theil noch länger gekannt haben, Manches als bekannt voraussetzen und überspringen und um so ausschliefslicher auf die Punkte eingehen, die eine besondere Beleuch- tung zu erfordern schienen. Hiermit mag es auch zusammenhängen, dafs uns nirgends eine Zeitbestimmung, sehr selten ein Ortsname begegnet, wo- durch das Verständnifs wesentlich erschwert und der Werth der Erzäh- lung verringert wird, so z. B. des Berichtes über einen sehr merkwürdigen Rechtshandel in Italien, der etwa im Jahre 822 spielt.‘ Eine ähnliche Ent- haltsamkeit übt Radbert allerdings auch schon in dem Leben Adalhard’s. Wenn unser Verfasser seine Persönlichkeit voranstellt und wiederholt sich seine treue Anhänglichkeit an seinen Helden nachrühmen läfst, so ver- birgt er sie doch auch wieder, denn er nennt sich selbst nur Pascasius. Der von Alchvin in der Hofschule eingeführte Brauch frei gewählter Bei- oder Übernamen war ihm bekannt; so wulste er namentlich, dafs der ehr- würdige Adalhard, Wala’s älterer Bruder, nach dem berühmten Einsiedler Antonius genannt worden war.” Indem er für sich und seine Brüder der gleichen Sitte folgte, von deren Fortdauer wir sonst nichts wissen, hiefs ihm Warin, der auf Adalhard folgende Abt von Corvey, Placidius, der Mönch Odilman Severus, Wala selbst Arsenius. Zu der Wahl dieses letzteren Namens mag aufser dem Anklang an Antonius wohl der Umstand beigetragen haben, dafs der hl. Arsenius, nach- dem er lange am Hofe des Kaisers Theodosius als Hofmeister von dessen Söhnen gelebt hatte, sich erst in reiferen Jahren in die Einsamkeit zurück- zog; aulserdem aber besafs derselbe auch die Gnadengabe thränenreicher Rührung in so hohem Malse,- dafs er deshalb stets ein Tüchlein im Busen führte.” Gerade diese Gabe aber rühmt Radbert auch seinem Meister nach, indem er u. A. erwähnt, dafs die Mönche das Pflaster in der Kirche, auf 2 Nur wegen dieser Unbestimmtheit erscheint der Bericht von dem Urtheil des Wala »etwas legendenhaft«, wie ihn Rodenberg, Die Vita Walae S. 24, nennt. ® V. Adalardi e.2ı p.316: ‘ab aliquibus, ut epistolae magistri Albini ferunt, Antonius vocabatur’; vergl. Ebert S. 237 Anm. ı. ® Vergl. Radbert, De corpor. et sang. Dom. c.14 (Martene et Durand, Coll. ampl. IX, 435): “Abbas autem Arsenius tantae sancetitatis et compunctionis gratia dieitur repletus fuisse, ut pro nimia laerimarum exuberatione pannum ad tergendum faeiem semper in’ sinu deferret’, s. Acta SS, Iul. IV, 623. 6 E. Dümmter: welchem er Nachts gebetet hatte, am Morgen noch ganz von seinen Thränen benetzt fanden. Ein anderer Vergleich aber als der mit dem hl. Arsenius scheint Rad- bert noch besser zuzutreffen, er nennt Wala wiederholt und mit beson- derem Nachdruck einen zweiten Jeremias' und legt ihm dessen Klage in den Mund: »Ach, meine Mutter, dafs du mich geboren hast, wider den Jedermann hadert und zankt im ganzen Lande«. Der traurige Zustand des westfränkischen Reiches, in welchem Radbert lebte, die Unsicherheit auf allen Strafsen, die Ohnmacht der Staatsgewalt, die Unbotmäfsigkeit der Grofsen, die Bedrängnifs der Kirchen und die Normannenplage erinnerten ihn an die Leiden Jerusalems, wie sie uns in den Propheten entgegen- treten. Ihm mufste dieser Vergleich, der sich auch anderen Zeitgenossen, wie z.B. dem Mönche Alman von Hautvilliers, aufdrängte, ganz besonders nahe liegen, denn gleichzeitig mit der Todtenklage um Wala, zwischen dem ersten und zweiten Buche derselben, verfalste er auch eine Auslegung zu den Klageliedern Jeremiae, die ebenfalls viele Anspielungen auf die düstere Gegenwart enthält.” Seiner Überzeugung nach wären alle diese Leiden, über die er nieht müde wird zu jammern’, vermieden worden, wenn man nach den Rathschlägen Wala’s die Einheit des Reiches erhalten hätte. Pro- phetisch hatte dieser zweite Jeremias alles Unheil vorausgesehen, aber seine Stimme vergeblich erhoben. Wenn wir heutzutage die Theilung von Verdun als naturgemäls, als ein Glück betrachten, weil sie die nothwendige Vorbedingung war für die selbständige Entwickelung der drei grofsen Nationen, der Deutschen, Fran- zosen und Italiener, die das Reich Karl’s des Grofsen zusammengeschweilst hatte, so mufste diese Auffassung einem Radbert ebenso wie allen seinen Zeitgenossen gänzlich fern liegen, weil ihr nationales Bewulstsein noch nicht erwacht war. Mit vollem Rechte sah er von seinem Standpunkt aus die Zerreilsung des Reiches als ein Unglück an, als die Ursache aller Mifs- stände, die täglich sich steigerten, ebenso wie der Erzbischof Agobard, ! Siehe die Widmung des Werkes De corp. et sang. Dom. (a. a. O. col. 378): “Arsenius noster, quem nostra nune nobis saecula Hieremiam alterum tulerunt ab illo’. ®2 Siehe Traube in den Poet. Carol. III, 39 n.r: bald nach der Einnahme von Paris durch die Normannen im Jahre 845, die aber auch Wenck (Das fränk. Reich S. 118-119) schon richtig angesetzt hatte. ® Rodenberg (a.a.O. S. 38-39) hat diese Klagen, die sich auf die Zeit der Ab- fassung beziehen, milsverstanden, indem er dabei an die Tage Ludwig’s des Fr. denkt. Radbert’s Epitaphium Arsenüi. [ der mit Wala davor gewarnt hatte, oder wie Florus von Lyon', der mit ihm über die Wirkungen trauerte. Ganz wie sich selbst und seinen Helden, so bezeichnet Radbert, da- mals noch nicht Abt, auch die Mönche, mit denen das Gespräch geführt wird, durch Versteecknamen. In beiden Büchern kommt der noch jüngere Adeodatus vor, von welchem die Aufforderung zu der Unterredung aus- geht, im ersten aufserdem Severus, der seinem Namen entsprechend zum Tadel geneigt ist, Chremes, dessen Name offenbar dem Terenz verdankt wird’, und der nur einmal hervortretende Alabigus. In dem zweiten, un- gefähr sechzehn Jahre später verfafsten Buche hat sich Manches geändert, Radbert selbst hat seine Abtswürde niedergelegt’, Severus, den wir uns als Greis zu denken haben, ist inzwischen gestorben, Chremes an einen anderen Ort versetzt‘; an ihre Stelle ist Theophrast getreten.’ In diesem Buche aber macht Radbert von der Sitte des Namens- wechsels noch zu einem anderen Zwecke Gebrauch als im ersten, nämlich zur Verschleierung der darin auftretenden geschichtlichen Persönlichkeiten, als eine Art Vorsichtsmafsregel gleichsam. So nennt er das Kaiserpaar Ludwig und Judith Justinianus und Justina, die drei Söhne Honorius, Melanius, Gra- tianus, den Markgrafen Bernhard Naso, wohl weniger mit Anspielung auf Ovid, als wegen einer auffälligen Nase°, endlich einen nicht sicher nachzu- weisenden Bischof Phasur — wie dies alles schon Mabillon erkannt hat. Radbert stand mit seiner Bildung durchaus auf der Höhe seiner Zeit, die zumal im Westen die Überlieferungen Karl’s des Grofsen würdig weiter- führte. Von einer philosophischen Geistesrichtung beherrscht’, war er be- ! Siehe sein Klagelied über den Zerfall des Reiches Poet. Carol. II, 559-564; vergl. meine Gesch. des ostfränk. Reiches I, 227 ff. ®2 So mit Recht Ebert S.239 Anm.4. Der Name Alabingus kommt auch bei Rudolf von Fulda vor: SS.XV, 330. 333. ® Vor 853; s. Traube a.a.0. S. 39. 4 Die Worte “inter diserimina nostra iam discessit' sind nieht mit Rodenberg (S. 26) auf seinen Tod zu deuten. 5 In dem oben angeführten Dialoge heifsen die Unterredner Eutieius und Theophilus. ° Jenes nahm mit Beziehung auf Julia Ebert an, a.a.O. S.243 Anm.r; s. jedoch Mabillon, Annal. ord. S. Bened. Il, 525. Leibniz (Ann. imperü 1,399) bemerkt im All- gemeinen: “quibus ex nominibus aliquando et corporum speciem agnoscas'. ” Die Betrachtung über die tres in anima humana possessiones (Opp. ed. Sirmond col. 596) erinnert zwar an Isidor. different. 1. IT c. 30, setzt aber doch noch eine andere Quelle voraus. Siehe die Vorrede (e0l.779): "Numquam digne satis laudari philosophia potest'. 8 E. Dünmtrer: sonders im Cicero', »dem König und Meister der ganzen weltlichen Bered- samkeit«, und im Seneca” wohlbelesen; von den Dichtern kannte er nament- lich Terenz® und Vergil‘, aber auch Lucan, Persius°, Juvencus°, Sedulius”, Fortunatus‘, Boetius.”’ Am meisten hatte er natürlich die Kirchenväter studirt, auch Josephus und Orosius, auf denen seine Auslegungen zum Evangelium Matthaei und zu den Klageliedern Jeremiae beruhen, doch folgt er ihnen nicht in so sclavischer Weise wie sein Zeitgenosse Hraban. Er machte selbst gelegentlich Verse und nahm an den dogmatischen Streitig- keiten seines Jahrhunderts, zumal über das Abendmahl, hervorragenden Antheil. Obgleich selbst Mönch, Klosterlehrer und später Abt, blieb er nicht auf die Klostermauern beschränkt, sondern lernte auf mancherlei Sendungen genugsam die Welt und zumal auch den Hof kennen. Die Alten, so sehr er sie verehrte, übten auf seinen Stil leider nicht den bil- denden Einflufs wie etwa auf den Einhard’s und seines Zeitgenossen Lupus von Ferrieres. Seine Rede ist oft dunkel", schwerfällig und hart, bis- 1 Siehe Traube a.a.O.S.42; Passio SS. Rufini et Valeriani (Opp. col.1701): “Tullius Verri adulteria obieeit, Publio Clodio sororis incestum imputavit; Simson, Jahrb. Ludwig’s des Fr. I, 339. In der V.Adal. c.45 scheint er sich auf Cic. pro Sestio e.65 zu beziehen. 2 Siehe aulser den unten anzuführenden Stellen De fide, spe et carit. 1.II c.3 (Mar- tene et Durand, Coll. ampl. IX, 527): “de qua sane Seneca philosophus suo Lucilio, Spes, ait, incerti bopi nomen est’ (= ep. 10, 2). 3 Siehe auch die Widmung der Schrift De corp. et sang. Dom. a.a.O. col. 378. 4 In der V.Adal. c.ı3 wird Ecl.I, 3 benutzt, in c.ı6 Georg. II,492, in c.3r Ecl. VII, 35, in c.42 Georg. II, 467-468, in c.43 Eel. IN, 62; in c. 52 Eel. IV, 5.6; IX, 57. 58, in c.85 Eel. I, 47.48. 50; zu der Egloge s. Traube’s Ausgabe, Poet. Carol. III, 45-51. Er benutzt in dem Matthaeus-Commentar col. 385 Ecl. I, 6, col. 660 Georg. I, 438— 440; 461—464, col. 1174 Georg. 1,468; in der Vorrede an Karl den K. Ecl. III, 71 u.s. w. 5 Angeführt in der Passio Ruf. et Valer. col.ı703 (Sat. I, r). Seine Kunde des Horaz bezweifelt Traube S.42 Anm. 3; das Citat ‘summos feriunt fulgura montes’ in der Vorrede zu De corp. et sang. Dom. col. 379 stammt aus Hieron. Hebr. quaest., Opp. III, 302. ° Im Matthaeus- Commentar col. 998. ” Sedulii opp. ed. Huemer p. 362. 363. 3 Siehe Traube a.a.O. S. 42. ° Vita Adal. ec. 30 p. 319; Vorrede zum Jeremias-Commentar (ed. Sirmond 1307). 1° Die wunderliche Ausdrucksweise Radbert’s hat Ebert (S.231 Anm.4) zu einem Mils- verständnifs verleitet, indem er glaubt, er beschuldige Vergil der falsura; vielmehr steht in den beiden Vorreden an Warin und Karl (Martene, Coll. IX, 376. 379): “fabulam de Maronis salsura contexere’, ebenso in der Vorrede zum dritten Buche des Matthaeus- Commentars: “Graeca saporante fabularum salsura’ (Pasch. Radb. opp. col. 194), zu De fide, spe et carit. (Martene et Durand, Coll. IX, 472): "non quidem poetarum salsura‘. Aus Hieronymus Radbert's Epitaphium Arsemüi. 9 weilen incorreet; er ist ungemein breit, die letzte Feile scheint zu fehlen, doch erhebt er sich, wo die Leidenschaft ihn fortreilst, zu einem gewissen rednerischen Schwunge. Das Wohl der Kirche stand ihm natürlich im Vordergrunde, doch verkannte er nicht die Bedürfnisse des Staates, und wie hätte sich damals Beides trennen lassen ? Es ist sehr schwer, einen Schriftsteller von so durchaus subjeetiver Färbung wie Radbert, der gar nicht Geschichte schreiben will, mit der Elle der historischen Glaubwürdigkeit zu messen. Je mehr wir über die Stimmungen und Gesinnungen seiner Zeit aus ihm herauslesen, desto weniger erfahren wir von den Thatsachen. In dem ersten, kurze Zeit nach dem Tode Wala’s und unter dem frischen Eindruck desselben, verfafsten Buche be- rührt Radbert offenbar deshalb Einzelnes weniger eingehend, weil er die zehn Jahre früher verfafste Schrift zum Lobe Adalhard’s bei seinen Lesern als bekannt voraussetzen durfte. Hingen doch diese beiden, im Alter zwar weit von einander entfernten Brüder im Leben und Wirken durch ihre zärtliche Liebe und gleiche Gesinnung auf das Engste zusammen, wie Radbert dies mit den lebhaftesten Farben ausmalt. So werden hier die Familien- verhältnisse nur ganz kurz erwähnt und ebenso die Herstellung Wala’s nach Ludwig’s Bufse zu Attigny.' Auch die Stiftung von Corvey, an der Radbert persönlich theilnahm, hatte er dort schon einmal berichtet, und es kam ihm hier nur darauf an, Wala’s persönliches Verdienst um dieselbe klar zu stellen. Dafs er bald den einen, bald den anderen der beiden eng verbundenen Brüder zum Urheber dieser Stiftung machen will, scheint mir bei einem Lobredner kein unverzeihlicher Widerspruch, und so werden wir auch nicht annehmen können, dafs eine von ihm berichtete Schenkung eines sächsischen Grundherrn für dieses Kloster auf blofser Erdichtung be- ruhe, wenngleich uns der Zusammenhang etwas unklar bleibt. (Opp. ed. Vallarsius VII, 8) schöpfte R. den Ausdruck 'subulcam dietandi audaeiam’ (Opp. col.7), wo wir jedoch ‘subitam’ lesen, daher in den Vorreden zu De corp. et sang. Dom. (Martene IX, 375. 378) 'stilo temperare subuleo’. Vergl. über seine Sprache Traube, Poet. Carol. III, 42-43. ! Über jene s. die V. Adal. c. 32. 33 p. 321, über diese e.5r p. 327, wo nur nach Radbert's Gewohnheit der Name Attigny verschwiegen wird. ® Gegen Simson (Jahrb. Ludwig’s des Fr. II, 268), der diese Angabe gänzlich verwirft, muls ich Rodenberg (Die Vita Walae S. 21) darin beipflichten, dals Radbert es nicht wagen durfte, seinen Lesern offene Fabeln zu bieten. Vergl. Mart. Meyer, Zur ält. Gesch. Corveys u. Höxters S. 23— 32. Philos. - histor. Abh. 1900. II. 12 10 E. Dünmurer: Wie Radbert hier betont, dafs er selbst dabei gewesen, so unterscheidet er auch sonst deutlich eigene von überlieferter Kunde. Dem Tode und Be- gräbnis Wala’s im fernen Italien konnte er zu seinem grölsten Schmerze nicht beiwohnen, und über seine früheren Jahre vor dem Eintritt in das Kloster weils er ebenfalls nur wenig zu berichten; um so breiter ergeht er sich über die mönchischen Tugenden seines Helden sowohl in der Zeit, da er dem Kloster noch als Bruder angehörte, wie da er ihm als Abt vorstand. Von den Thaten desselben auf anderen Gebieten nach seiner Wiederaus- söhnung mit dem Kaiser erfahren wir dagegen nur Ungenügendes, theils weil der Verfasser darüber wohl weniger unterrichtet war, theils weil er Wala nur in einer bestimmten Beleuchtung zeigen wollte. Seine bedeu- tende und mafsgebende Stellung im kaiserlichen Rathe beweisen aber schon die an ihn gerichteten Schreiben Agobard’s.“ Nur mangelhaft gelangt bei Radbert, der sich hierbei auf das Zeugnifs des Chremes stützt, Wala’s wichtige Sendung nach Italien in den Jahren 822 bis 824 zur Darstellung, auf welcher er dem jungen Kaiser Lothar zur Seite stand und die Ver- handlungen mit dem Papste Eugen Il. leitete” Gegen den Vorwurf, dafs er sich, d. h. sein Kloster, zu reich habe beschenken lassen trotz seiner Unbestechlichkeit, nimmt er ihn hier nachdrücklich in Schutz. « Die besonders hervorgehobene sächsische Abkunft Wala’s, die ihm zu diesem Stamme ein näheres Vertrauensverhältnifs gab, kann sich nur auf seine Mutter beziehen, da sein Vater, der Graf Bernhard, ja ein Bruder des Königs Pippin war. Wir dürfen daraus aber auch schliefsen, dafs er nur ein Halbbruder des erheblich (um mehr als zwanzig Jahre) älteren Adalhard war.” Wenn an beiden Brüdern neben der Handhabung der lateinischen Sprache die Be- redsamkeit in der deutschen gerühmt wird, so war diese eben ihre Mutter- sprache, wie die des karolingischen Hauses überhaupt, und auch Radbert dürfte, obgleich er überwiegend im Westen lebte, als Franke deutsch ge- sprochen haben.” Als einen günstigen Zeugen für den von Wala in Corbie ! EE.V, 164. 179, wo es vonihm und Hildvin heilst: “vos illi prudentissimis vestris suggestionibus sitis exhortatores et ut dixi adiutores.. ® Annal. regni Francor. a. 822, p.159 ed. Kurze. Die von Simson erhobenen chro- nologischen Schwierigkeiten hat Rodenberg S. 26-28 widerlest. ® Vergl. über Beider Alter Rodenberg S. 75. * Rodenberg’s (S.ı3) Milsverständnils dieser Stelle hat schon Ebert (S. 241 Anın. 2) berichtist. Radbert verstand selbst gar kein Griechisch. 5 Er erwähnt gelegentlich eine sonst nicht bekannte sächsische Benennung von Schuhen. Radbert’s Epitaphium Arsenü. 11 gepflegten Geist aufrichtiger Frömmigkeit wird man auch den Mönch Anskar ansehen dürfen, der durch ihn gerade für die nordische Mission vorge- schlagen wurde! und in dieser sich so ausgezeichnet bewährte. Dafs zwischen dem ersten und dem zweiten Buche von Radbert's Leichenklage ein erheblicher Zeitraum verflofs, hatte seinen Grund wohl nicht in äufseren Störungen, vielmehr. darin, dafs der Verfasser sich nicht getraute, bei Lebzeiten der handelnden Personen dieses Trauerspiels die volle Wahrheit auszusprechen. Gewils mit Absicht wartete Radbert den Tod des Kaiserpaares und des Markgrafen Bernhard ab, bevor er offen von ihren Verschuldungen zu reden wagte. Wir müssen auch so noch seinen Freimuth bewundern, selbst wenn er, wie man annehmen darf, nur an einen kleinen Kreis von Lesern gedacht haben mag”, über den sein Werk ja auch niemals hinausgekommen ist. Die völlig schonungslose Art, mit, der er die Vergeliungen der Kaiserin Judith enthüllt, läfst sich wohl nur daraus erklären, dafs ihr eigener Sohn Karl zuletzt mit ihr zerfallen war. Um so weniger dürfen wir uns wundern, dafs bei Radbert der Name Karl’s, seines Herrschers und Gönners, nirgends genannt, nur ein- mal mit einer tadelnden Bemerkung gestreift wird, obgleich uns seine Ge- burt als die treibende Ursache aller weiteren Wirren, als der Keil gleich- sam erscheint, der das Reich aus einander sprengte. Die Abfassungszeit dieses zweiten Buches wird man nicht vor 852 bestimmen dürfen, eher noch etwas später, theils weil Radbert darin die Kaiserin Irmingard, Lothar’s I. Gemahlin, die ihr Leben 851 beschlofs, als eine Verstorbene anzusehen scheint” (obgleich dies nicht ganz deutlich ist), theils nach der Art, wie er auf die Normanneneinfälle anspielt und auf die Wunder der aus ihren Sitzen aufgescheuchten Heiligen. Dies kann - kaum vor der furehtbaren Wiederkehr dieser Plage, die hauptsächlich 841 begonnen hatte, seit 852 geschrieben sein.” Dafs das zweite Buch, obwohl ! Vita Anskarii c. 7, ed. Waitz p. 27. 2 Siehe Rodenberg a.a. 0. S.30: »Er muls für einen kleinen Kreis von Freunden ge- schrieben haben, die das Leben des Wala ohnehin genau kannten«. 3 Über ihren Tod s. meine Gesch. des ostfränk. Reiches I, 397: * Bei den Heiligen, die er hier meint, könnte man etwa an Wunder des hl. Germanus in Paris denken bei dem Einbruch der Normannen im Jahre 845 oder an die des Iıl. Ve- dastus bei seiner Erhebung in der Jahren 852 und 853; s. Ulmari Mirae. S. Vedasti 1. II e. 1. 2 (SS. XV, 399). Wandregisilus und Ansbert würden uns erst in das Jahr 358 führen, s. Mirae. S. Wandregisili e. 2 p. 407, Maurus in das Jahr 861. * 4 12 E. Düunmter: etwas kürzer als das erste, es an geschichtlicher Bedeutung: weit überragt, hat mit Reeht schon Mabillon bemerkt‘, denn es behandelt, ohne sich streng an das erste anzuschliefsen, einläfslich die für die ganze weitere Entwiekelung entscheidenden Jahre von 828 bis 834, d.h. insoweit Wala von ihnen berührt wurde. Für die erste Versammlung in Aachen im December 828, auf welcher der Beschlufs der vier grofsen Reformsynoden zur Abstellung der allgemein empfundenen Mifsstände gefalst wurde, benutzte Radbert Aufzeichnungen Wala’s über die vorhandenen Beschwerden, die derselbe hier vortrug und deren Inhalt mit den anderen Quellen auf’s Beste zusammenstimmt, so dafs an ihrer Zuverlässigkeit nicht zu zweifeln ist. Sie bildeten demnach ein Seitenstück zu jenen zwölf Capiteln mit Mahnungen, welche Ludwig’s alter Freund Einhard als vermeintliche Offenbarungen des Erzengels Gabriel ihm damals zur Beherzigung überreichte” Indem Wala mit den anderen Häuptern der Geistlichkeit vor Allem für die Bedürfnisse der Kirchen ein- trat, fehlte ihm doch keineswegs das Verständnifs für diejenigen des Staates. Er erkannte die Nothwendigkeit an, die Kirchengüter theilweise für staat- liche Zwecke dienen zu lassen, aber er wollte, wie er überhaupt gleich seinem Bruder Adalhard? den allzu grofsen Reichthum der Kirchen und die damit verbundenen weltlichen Sorgen nicht für ein Glück hielt und davor warnte, dafs dies nur in geordneter Weise und unter Mitwirkung der Kirchenhirten vor sich gehen solle, da im Prineip die Unantastbarkeit des kirchlichen Eigenthums festzuhalten sei. Sein persönlicher Standpunkt unterschied sich hier wohl etwas von dem der Bischöfe. Wenn dann Radbert weiter dazu übergeht, uns die Anfänge der Um- wälzung darzulegen, durch welche Ludwig der Fromme zweimal die Zügel der Herrschaft verlor, um sie beide Male wieder zu ergreifen, so vermissen ° wir, wie schon bemerkt, den Namen Karl’s, des nachgeborenen Sohnes, vielmehr erscheint die Berufung des Markgrafen Bernhard von Septimanien zum leitenden Minister an den Hof, seine allmächtige Stellung unter Aus- ! Acta SS. IV, 1,455: ‘In fine hie moneo, librum huius Vitae secundum longe prae- cellere primo, in quo Paschasius dialogos aliquando inutiles interserere videtur. ® Einhardi Transl. S. Marcellini et Petri 1. III e.ı3 (SS. XV, 252), vergl. e. 14 (254): “Heu pro dolor! ad quantas miserias tempora nostra sunt devoluta, in quibus non boni ho- mines, sed mali daemones doctores sunt' u.s. w. ® V. Adalardi c.68 p. 333: 'Neque enim a nobis exigitur quod necessaria tantum re- tinemus, sed quia superflua (ut ab ipsis dieitur) possidemus’. Radbert’s Epitaphium Arsenü. 13 schlufs aller übrigen Rathgeber, sein vertrautes Verhältnifs zur Kaiserin Ju- dith (obgleich er seit 824 mit der frommen Dhuoda vermählt war) und die daran sich knüpfenden Befürchtungen als alleiniger Grund der Erhebung. Der Tag von Bernhard’s Berufung ist ihm daher der Anfang alles Unglücks. Mag die Rücksicht auf den lebenden Herrscher auch hierbei mitgesprochen haben, so wird man Radbert’s Darstellung doch nicht geradezu unhistorisch nennen können. Die Übertragung Schwabens an den kleinen Karl im Sommer 829 hatte zwar das Milsvergnügen seiner älteren Halbbrüder erregt und allerlei Umtriebe hervorgerufen, jedoch noch keineswegs einen Auf- stand gezeitigt und es hätte sich ganz gut denken lassen, dafs ohne Um- sturz der beschworenen Thronfolgeordnung ein kleines Unterkönigreich unter Lothar’s Oberhoheit für Karl wie für seine Brüder geschaffen wurde. Auch nach den anderen Quellen war es in der 'I’hat erst das freche und gewaltthätige Treiben Bernhard’s, welches den Sturm entfesselte — wie ja auch sonst der aristokratische Geist des Mittelalters sich stets der aus- schliefsliehen Bevorzugung eines Rathgebers widersetzt hat.” Besonders werthvoll ist hier die Angabe Radbert’s, dafs Wala, bevor er sich mit den Gegnern verband, versucht habe, auf gütlichem Wege Bernhard in seine Schranken zurückzuweisen, weil er einst im weltlichen Stande mit dessen Schwester (Rothlindis?) vermählt, mit seinem Vater, dem Grafen Wilhelm, befreundet gewesen war und auch ihm deshalb persönlich näher stand. Dafs der Aufruhr sodann zu Paris von Pippin ausging, dafs Lothar erst später hinzukam, um die Früchte zu pflücken, entspricht ganz unserem sonstigen Wissen; dafs auch Ludwig von Bayern entscheidend ein- gegriffen?, diese Nachricht ist Radbert eigenthümlich, aber durchaus glaub- würdig, ebenso wie die sehr absonderliche Rede, durch welche der alte Kaiser schliefslich gute Miene zum bösen Spiel machte. Wie aber steht es mit den Vorwürfen, welche gegen die Kaiserin Judith gerichtet wurden? Von Radbert und dem mit gleicher Gesinnung beseelten Erzbischof Agobard von Lyon wird sie geradezu des Ehebruchs ' Siehe meine Gesch. des ostfränk. Reiches I, 55 A.1. Auch bei Nithard, dem Partei- sänger Karl’s, heilst es (L.I e. 3) von Bernhard: "Qui dum inconsulte re publica abuteretur, quam solidare debuit penitus evertit' und bei dem Astronomen e. 43: “quae res non semi- narium discordiae extinxit, sed potius augmentum ereavit. ® Man denke an Hagano unter Karl dem Einfältigen, an Heinrich von Augsburg und Adalbert von Bremen unter Heinrich IV. 3 Die Zweifel Simson’s gegen diese Nachricht hat Rodenberg S.43-45 widerlegt. 14 E. Dünmter: mit Bernhard als ihrem Buhlen bezichtigt. Will man diese Auffassung parteiisch nennen, so ist doch das Zeugnifs Derer nicht minder parteiisch, die nach ihrer Wiedereinsetzung, der Macht huldigend, Alles für Verleum- dung erklärten. Wenn, wie man annehmen darf, Radbert hierbei die An- sicht Wala’s selbst wiedergiebt', so wird man seinen etwa zehn Jahre nach ihrem 'Tode geschriebenen Worten immerhin ein grolses Gewicht beilegen müssen. Wäre aber, wie er behauptet, Ludwig (der Deutsche) vorzugs- weise als Zeuge für die Schuld der Stiefmutter aufgetreten, so würde dies vielleicht am besten den besonderen Hafs erklären, mit welchem gerade er von ihr verfolgt wurde, nachdem sie ihren Einflufs wiedergewonnen hatte. In ein anderes Gebiet gehören die angeblichen Mordpläne des buhle- rischen Paares, die ja freilich auch nur Absichten geblieben sein sollen. So unwahrscheinlich sie uns vorkommen — man denke jedoch an Bothwell und Darnley — so hat man sie doch sicher geglaubt, ebenso wie eine Ver- hexung oder Verzauberung des alten Kaisers, für welehe nachmals noch Bernhard’s Schwester Gerberga mit dem Tode büfsen mufste. In dem wei- teren Verlaufe der Begebenheiten, die immer nur so weit berührt werden, als Wala dabei einzugreifen hatte, ergeben sich keine wesentlichen Wider- sprüche mit anderen Quellen. Von den drei Verbannungsorten, in: welche er nach einander geführt wurde, tritt uns nur der zweite, Hero auf einer Insel an der Loiremündung, Hermoutier, deutlich entgegen, weil dort einst auch Adalhard sieben Jahre hindurch gelebt hatte, das deutsche Kloster dagegen, in welchem er sich eine Zeit lang aufhielt, etwa Lorsch oder Fulda, wird nicht genannt, und ebenso unklar bleibt uns die Lage des doch auch von Radbert selbst besuchten Ortes in den Alpen, wohin er zuerst gelangte, so dafs man zwischen Chillon am Genfer See und St-Maurice? geschwankt hat; doch ist das letztere wohl unbedingt wahrscheinlicher. Besonders bedeutsam sind sodann wieder die Angaben über die zweite Erhebung der Söhne gegen den Vater im Jahre 833, an welche Wala, in sein Kloster Corbie zurückgekehrt, sich abermals anschlofs, indem die Theilnahme des Papstes Gregor’s IV. an ihrer Sache der Empörung als ' Leibniz (Annal. imp. I, 399) bemerkt: “Pascasius Walae sui iudieium secutus est’ und fügt hinzu: “Caeterum si Agobardo et Pascasio minus deferas, tamen Walae unius testi- monium non faeile eleves, cui nihil potentiae aut gratiae accedebat.. * Dals dieser Ort und jedenfalls ein Kloster gemeint sei, hatim Anschluls an Simson Meyer von Knonau näher begründet; s. Anzeiger für schweizer. Gesch. I, 229-230. Radbert’s Epitaphium Arsen. 15 Deckmantel diente. Nur Radbert, Wala’s unzertrennlicher Begleiter und somit Augenzeuge, berichtet uns Genaueres über die Verhandlungen beider Parteien vor der Entscheidung zu Colmar, über die Botschaften, die zwischen dem Vater und den Söhnen hin und wieder gingen. Ihnen den Glauben zu versagen, liegt kein triftiger Grund vor, ja, es ist sogar nicht unwahrscheinlich, dafs Radbert hier, ebenso wie bei den Forderungen Wala’s auf der Aachener Versammlung, ein wirkliches Actenstück, eine Kundmachung der Söhne, benutzt hat.' Etwas unklar bleibt die merkwürdige Nachricht, dafs Wala den durch die Drohungen der gegnerischen Bischöfe erschreckten Papst Gregor durch die Mittheilung von Deecretalen aufgerichtet habe, welche die Unabsetz- barkeit des römischen Bischofs bezeugten. Es ist anerkannt, dafs dies nicht etwa ein Anfang vom Pseudoisidor gewesen zu sein braucht, sondern ältere Stücke, aber es bleibt auffallend, dafs das uns erhaltene Schreiben des Papstes an die feindlichen Bischöfe weder etwas von seiner anfäng- lichen Entmuthigung, noch von den mitgetheilten Decretalen” verräth, auf welche aber andererseits auch der sogenannte Astronom’ anspielt. Dafs der Abfall der Vasallen des Kaisers auf dem Lügenfelde ganz aus freiem Ent- schlufs und ohne Anwendung unlauterer Mittel erfolgt sei, entspricht zwar keinesfalls der historischen Wahrheit, kann aber doch dem wundergläubigen Sinne Radbert’s' in der That so erschienen sein. Dafs die Art und Weise, wie die Sieger, Jeder nur auf seinen Vor- theil bedacht, nach dem zweiten Sturze des alten Kaisers über das Franken- reich verfügten, die völlige Zerstückelung desselben, die Billigung Wala’s nicht haben konnte und dafs er sich grollend von ihnen abwendete, werden wir Radbert gern glauben, denn Wala war nie ein persönlicher Anhänger Lothar’s, sondern ein Vorkämpfer der Reichseinheit gewesen. Er nahm ! Nach Simson (Jahrb. II, 39) gehört dieser Austausch »wahrscheinlich nur der Phan- tasie Radbert’s an«, Rodenberg (S. 54) dagegen vermuthet, dals diese Correspondenz, von den Söhnen veröffentlicht, »die Stelle einer Proclamation oder eines Manifestes vertreten« habe. Vergl. Hauck, Kirchengesch. II, 504. 2 Die darin vorkommenden Citate aus Gregor von Nazianz und Augustin (EE. V, 229. 231) scheinen mir nicht recht zu den Worten Radbert's zu passen, obgleich Rodenberg (S. 51) dies annimmt; vergl. Simson 11, 44; Hauck a.a. O. Il, 502. 3 Vita Hludow. e. 48 (SS. 11, 635): ‘cum aliter se habeat antiquorum auetoritas canonum. * So erschien ihm auch der ungehinderte Übergang des Papstes über die Alpen wie ein Wunder. Thegan (ec. 42) läfst dieBewegung zum Abfall nur von dem kaiserlichen Lager ausgehen. 16° E. Düunmter: in den nachfolgenden Wirren eine vermittelnde und mälsigende Stellung ein, zog sich aber doch von weiterem Antheil an der Politik zurück, in- dem er als Abt die Leitung des Klosters Bobbio antrat und dadurch seinen in Corbie zurückbleibenden Verehrern entrückt wurde. Dieser sein Aufent- halt in Bobbio gab Radbert Anlafs, ihn, den von der Kaiserin Judith Gehafsten, mit dem hl. Columban zu vergleichen‘, der durch die Königin Brunhilde vertrieben wurde; doch trifft dies mehr rhetorische Gleichnifs insofern nicht recht zu, als Wala, zuletzt mit dem Kaiser Ludwig ausge- söhnt, nur freiwillig über die Alpen zog. Noch einmal erhoben sich seine Hoffnungen, als im Jahre 836 der Versuch einer Verständigung Lothar's mit seinem Vater unter seiner vollsten Zustimmung angebahnt wurde, denn davon allein hätte sich allenfalls eine Rückkehr zu der ersten Thron- folgeordnung erwarten lassen. Das Scheitern dieses Versuches in Folge einer Erkrankung Lothar’s erlebte er aber nieht mehr, und so konnte nach dem Tode des alten Kaisers das Unheil der Spaltung des Reiches seinen freien Lauf nehmen, denn die Stimme des zweiten Jeremias war wirkungslos verhallt. Die Erhaltung des Epitaphium Arsenii verdanken wir — ebenso wie die von Nithard’s Geschichtswerk — einer einzigen Handschrift, jetzt Nr. 13909 der Pariser Nationalbibliothek, in Quart. Ursprünglich ohne Zweifel dem Kloster Corbie, der Stätte seines Ursprungs, angehörig, wo das Werk allein erwähnt wird’, gelangte es später nach Crepy, wie eine Notiz auf f.2 oben darthut: ‘Iste liber est beati Harnulphi ex Crispeio; qui hune male subtraxerit vel titulum deleverit, anathema sit’. Mabillon entdeckte die Handschrift in der Priorei St-Martin-des-Champs in Paris und entlieh sie von dort. Vielleicht verblieb sie seitdem in St-Germain- des-Pres, weil sie auf f.2 auch als "Ex libris monasterii Saneti Germani a Pratis Paris. bezeichnet wird und hier nach £. ı die Nr. 1442 (olim 552. 2) führte. Mabillon schrieb sie der Zeit Radbert’s selbst zu: "cuius fuisse autographum aut certe primarium exemplar manu ipsius recognitum cor- rectumque inde conieetabar quod initio corrector apposuit legi nee aliud exemplum superest in bibliotheca Corbeiensi‘. Das von ihm erwähnte 'Legi’ auf f.ı' dürfte wohl nur eine Federprobe sein, ähnlich wie auf f. ı18' ! Siehe Simson, Jahrb. II, ır9 Anm. 1. ® Siehe De S. Ratberto (SS. XV, 452): ‘Nichilominus et Wale abbatis vitam, sancti seil. Adalardi fratris et successoris, idem Ratbertus edidit. In den Catalogen von Corbie wird es nicht erwähnt. Nach Hüffer, Korveier Studien (S.6r) wurde es von Agius benutzt (?). Radbert’s Epiaphium Arsenü,. 17 am Rande probatio incausti. Dennoch möchte ich die Handschrift, welche auch Delisle in das 10. Jahrhundert setzen wollte, kaum für ganz so alt halten, sondern eher dem Anfange des 10. als dem 9. Jahrhundert zuschreiben. Sie enthält, von mehreren gleichzeitigen Händen geschrieben, auf ı ıı Blättern von je ıS Zeilen nur die Schrift Radbert'’s; «die erste und letzte Seite sind leer geblieben. Im Anfange sind durch Löcher im Pergament einige Worte verstümmelt, die bis auf eines schon Mabillon ergänzte. Auf der letzten Seite des Textes ist durch Löcher und Abkratzen Einiges in der hier sehr kleinen Schrift ganz unlesbar geworden. Eine etwas jün- gere Hand hat eine Anzahl Verbesserungen, namentlich orthographischer Art, mit blasserer Tinte vorgenommen. Die Namen der Redenden deuteten die ersten Schreiber meist nur durch die Anfangsbuchstaben an, ein Verfahren, das sie öfter auch im Texte anwendeten; eine jüngere Hand hat dieselben häufig vollständig übergeschrieben und die Anfangsbuchstaben bisweilen ausradirt. Nachdem Sirmond in seiner 1618 veröffentlichten Ausgabe der Schrif- ten Radbert’s unser Werk noch nicht gekannt hatte, wurde es von Joh. Ma- billon 1677 in den Acta Sanctor. ord. S. Benedieti saec. IV, ı, 453-522 zuerst an’s Licht gezogen. Es wurde also viel später bekannt als die schon von Surius 1570 abgedruckte und seitdem oft wiederholte Vita Adalhardi. Mabillon’s Abdruck war ein sehr sorgfältiger; zu dem überlieferten Texte gab er vielfache, mitunter zu weit gehende! Verbesserungsvorschläge und fügte auch die nothwendigsten historischen Erläuterungen hinzu. Diese Ausgabe wurde in dem venezianischen Nachdruck der Acta Sanetorum und mit den üblichen Verschlechterungen auch bei Migne (Patrol. CXX, 1557-1650) wiederholt. Bei Bouquet und Pertz finden sich nur un- genügende Auszüge, die keinen rechten Nutzen gewähren. Ältere Gelehrte, wie namentlich Mabillon selbst, der seinen Fund ein "Aureum opus’ nannte, Leibniz, Funck, auch Himly, der trotz der im Einzelnen anzuwendenden Vorsicht das Epitaphium als Parteischrift hoch stellte’, legten dem Werke Radbert's einen grofsen Werth bei, so wenig sie dessen Form loben wollten; dagegen bezeichnete es Simson, gleich- ! Die öfter vorkommende Verwechselung der Passiva und Deponentia wird man Rad- bert wohl zutrauen dürfen. 2 Für die Pläne der aristokratischen Partei nennt Himly (Wala et Louis le Debon- naire p.12) das Epitaphium une source irr&prochable, für die geschichtlichen Tlıatsachen aber dürfe man sich seiner nur avee la eireonspection la plus grande bedienen, en le contrölant sans cesse par les autres sources contemporaines. Ähnlich Mühlbacher, Reg. imp. I, 366. 367. Philos. - histor. Abh. 1900. II. 3 18 E. Dümuter: falls durch die ungeniefsbare Darstellung abgestofsen', als vein Machwerk, dem man nur insoweit mit Sicherheit vertrauen kann, als seine Angaben dureh bessere Quellen bestätigt werden«. Trotz mancher Angriffe in ein- zelnen Punkten unterliefs er jedoch eine zusammenhängende Würdigung im Ganzen. Rodenberg versuchte diese mit gutem Erfolge im Jahre 1877 in seiner reeht verdienstlichen Dissertation, in der er doch von einer gewissen milstrauischen Voreingenommenheit sich nicht ganz losmachen konnte.”° Wenn wir uns stets gegenwärtig halten, dafs wir es mit einer Parteischrift zu thun haben, die gar nicht in unserem Sinne objeetiv zu sein beabsichtigt, andererseits aber auch nichts aussagt, von dessen Wahr- heit der wohl unterrichtete Verfasser nicht durchdrungen war, so werden wir aus Radbert viel lernen können. Der nachfolgende Abdruck schliefst sich etwas treuer als der Ma- billon’s, dem er viel zu verdanken hat, an die für mich gütigst nach Berlin übersandte Handschrift an, von der eine Nachbildung hinzugefügt ist. Mabillon’s Capiteleintheilung habe ich beibehalten. EPITAPHIUM ARSENI. (LIBER PRIMUS.)* Pascasıus. Saepe mecum, frater Severe”, tacitus multumque admiror, Iiminio tanti luctus expleto, quid novi aceiderit Adeodati°*nostri, quod rursus juxta illud Maronis°, te ortante, ut reor, infandos iubet renovare dolores! et rogat Arsenii nostri morum liniamentis imaginem saeculis in memoriam more Zeuxi pingere.* a ]Lib. pr. fehlt in c., dagegen ist Epithaphium Arseniüi noch einmal von jüng. Hand über- geschr. b dis hierher grofse Schrift. © Adeodato ver. Mab. ! Jahrb. Ludwig’s des Fr. I, 336 »einer ungenielsbaren Schrift voll Schwulst, Leiden- schaft und Lüge« (!); vergl. Vorwort S. IX. ? Im Ganzen kann man seinem auf S.63—73 zusammengefalsten Urtheil beipflichten. ® Aen. II, 3. * Vergl. Vita Adalardi ce. 20 p. 315 ed. Mabillon: Seribit namque Tullius, rex eloquentiae Latinae, in libro secundo de inventione rhetoricae artis, quod tem- pore u. s. w.; Poet. Carol. III, 42 n.1. Radbert’s Epitaphium Arsenü. 19 Nee satis igitur cogitat, quod confundor fedus pietor ieoniam* tanti viri, suis virtu- tum floribus gloriosam, litterarum in speeulo posteris, ne fedior appaream, exhibere. Tamen solatii est, licet pro multis confundar, quod eius inlustror virtutum meritis, etsi harum rerum! initium ullum nequeam invenire idoneum. Unde exordiar narrare partim que» perspexi his oculis, partim quae accepi auribus, et mente plenius intellexi. Severvs. Mirabile quidem quod miraris homo peritus‘,*si eius imaginem morum probitate venustam erubeseis prodere, cuius imitator esse, et paternos (ut aiunt) vultus refundere debueras, quamvis et ego eisdem discipulatus gratia ad- stringar votis; presertim cum nihil timidius sit nihilque ignavius, (quam)? quod doleas non sentire vel quibus opprimaris miseriis plangere non audere. Pascasıus®. Nitar, faciam, experiar quod hortaris, Severe, cum nemo (doluerit) quod doluerit qui nesciat deplorare, nemo inter tormenta qui non audeat ingemiscere. Unde potius animam hine a eorpore relinguam quam illum amare et cui expe- dierit, commendare votis pretermittam. Apeoparus. Optimum est de aliquo, corpore cum abscesserit, quae virtutis sunt ejus in animo replicare, ut revirescat in nobis, quod in illo deperisse vide- batur. Floride enim semper virtutes sunt ad premium et virides, nec moriuntur in aliquo, nisi vitio perimantur, (scilie)et® si perimi queant umquam vel infirmari. Fi- dutia quippe* fidei est et spei solatium, de aliquo quem bene nosti, in Deum obisse presumere, et debitum earitatis votis prosequi ac diligere. Alioguin numquid velut lanugo sumus, que a vento tollitur, deputandi? absit. Sed eum tales pre- cesserint, credere oportet, quod in illo melius adsint, qui ait: Omnis qui credit in me, non morietur in glernum. Propter quod non sunt quasi mortui deplorandi, sed quasi patroni precibus commendandıi. Pascasıus. Omittamus ista, mi frater et fili. Erit enim ut his digni efficia- mur donis Spiritus sancti munus, qui eum ita vernantibus decoravit virtutum flo- ribus. Sed timeo, ne dum vobis placere procuro, multis oflendam. An ignoras, Severe, quod nostrae hunc infelieissime vitae saecula Hieremiam alterum tulerunt ab illo? Audisti namque et ipse quam sepe, ut recolo, hune Arsenium fusis laerimis proclamare: Ve mihi, malter mea, quare gemmsti me virum ring, virum discordie in uni- versa terra. lubesque‘*super tumulum, quod tempus adduxit, condere luctum, epitafium seiliceet more priorum lacrimis inrorare, et nunc sopitis discordiarum iur- giis excitari vis ex cinere vastitatem incendii: necne vides, Severe, adhue in tota terra, quod omnia flammis cupiditatum conflagrantur, et cuncta vorax invidia vastat? Severus. Video plane, quoniam iuxta illud Apocalypsis, mons magnus coram oculiss ardens missus est in mare huius maligni saeculi nostris erescentibus eulpis; et stella de caelo magna ardens, tamquam facula, discurrit, et redigit mentes singulo- rum in favillam. Contra quos Arsenius iste pacem Christi ferens, maluit flammas ® -nam iübergeschr. » we übergeschr. © undeutlich. ergänztvon Traube. *° von hier an nur die Anfangsbuchstaben der Namen. f Jubet verb. in iubes. 8 ut nach oc. getilgt. ! Ter. Hec. III, 3, 1-3. 3* Ioh.rr, 26. ler. 15, 10. f. 3. Apoe. 8, 8. ib. 1o. Apoc. 8, ır. RE EIER 1. Tim. 4,8. FUfyA). 20 > eRE. DUMMLER: eius extinguere, sed vieit peccatis exigentibus amaritudo absinthii duleedinem tantı viri hine inde, ne contra improbas plebium voluntates praevaleret. Pascasıus. Nihil, ut sentio, hereule de huius ambigis conscientia, sed tuis ad me reductus verbis referam, quid prius quam hee agerentur, per visum vidi. Videbam enim eminus quasi montem”de materie lignorum congestum pene usque ad nubes ignibus succensum, ante quem neseio quis statura procerus, si quo modo magis magisque cremarentur, omnia jam exusta virga deeutere moliebatur, cuius incendii finem dinoscere nequivi. Hec estimo, talia presignabant. Severus. Ut video, threnos edere noster Adeodatus petit; econtra tu risum excitare velis. Alioquin nisi dormisses, ea quae dixi et cernis ipse minime dubiis et somniorum fantasiis approbasses. Nune autem velim expergiscaris, et que pe- timus insistas. Apeoparus. Üteris frequenter, Severe, Crisippi acumme!, et iocos? etiam eximios eloqui tuo refellis mucrone. (Queso ne juxta tui presagium nominis se- verius agas, quin immo nobiscum age, ut imaginem patris stilo formemus modesto. Severus. Placet quod mones. ‘Sed huius non unius ex vultu plene forma- bitur, reor, morum imago, qui gessit suis in actibus multorum inlustrium probi- tatem. Videbatur namque mihi quam sepe conspersionem morum habere prioris Arsenii; nunc vero personam*gerere patris Benedieti; interdum autem, ut pre- libatum est, offiecio Hieremie fronte adamantıno acrıus insistens fungebatur, cum esset mansuetus spiritu et virorum mitissimus. Pascasıus. Satis utique ostendis in anımo tibi, dum superesset, illum pietatis calamo depinxisse, que ad omnia utilis est, iuxta apostolum. Verumtamen si ve- lim ısta prosequere, nullus vix aut rarus qui credat. Apeoparus. Quis? umgquam ab historico juratores ewegit? tamen si necesse fuerit, sunt plures quam probi viri, qui tuis assertionibus iuramenti dextras dabunt, quo satis indienum est subterfugere veritatis amico, et de veritate aliıquid petentibus timide reticere. Pascasıus. Nonne legisti quod inefficacem® petat studium res que caret effectu? quotiens ergo veritas sit calcata, istisque de sedibus pulsa, plenius nosti. Ideo si probavero nullum amplius nostro in tempore patris Benedicti formam gessisse, etsi sol iste qui cuncta respieit fuerit adtestatus, rarus est, qui audiat, licet veritas tuta maneat. Aproparus. Non credo quod careat res eflectu, si dileetionis pietatisque fert* affeetum. Unde absurdum non est, etiam invidi si surdi fiant, paulisper relaxare amoris affeetum, qui laerimis bene pascitur, fletibus delinitur, obtutu in eum quem diligis, revirescens defigitur, et tanti patris tumulum saltim lamenti floribus inrorari. a jocose c., iocos verb. Mab. b inefficax verb. Mab., vergl. Opp. col.194: inefficax laboris studium. . ubi de re agitur, quae.. caret fructu. U Vergl. Seneca de benef. 1.1 c.3: Chrysippus quoque penes quem subtile illud acumen est u.s.w. ” Aus Seneca lud. de morte Claudü c.1, vergl. Hermes VI, 126 und 127. Radbert’s Epitaphium Arsenü. 21 Pascasıus. Verum inquis, et religiose satis hortaris, sanetam Dei hostiam Deoque placentem cum laerimis ad celi palatium prosequi, non quia talem eum habuimus, sed quia talem amisimus, et cum illo delietis pregravati needum comi- tari quivimus. Sed si proverbium illud antiquius! verum esset, quod sola miseria invidia caret, tum eum libere votis prosequeremur. Nune autem novi in nostris lacrimarum miseriis multam quorundam invidiam non defore, exertisque brachiis obiurare, maxime si adverterint, fabula de quo texitur. SEvErus. Hoc est quod supra notavi, videris mihi quasi litargo® pati. Nonne dixisti morum imaginem te pieturum, et quasi rei gestam® historiam texere, nune autem nobis fabulam adportas? Apeoparus. Mirum, Severe, quod tam assuetis *uteris semper verborum acri- moniüs. Nam mihi videtur fabulam dixisse non tibi, sed illis quibus totum fa- bula est et ludus, quod veritate fuleitur. Historiam autem huius tua in conscientia legis, unde non fabula tibi, sed veritas deelaratur. Pascasıvs. Jure, Adeodate, agis, quem preeibus fatigas, tuis si faveas“ votis. Sed quid ignoti facient!, cum a conseio eriminamur? aut non legisti, quid nuper attulit gentiium tema?, quod quidam Drusillam in caelum euntem viderit? Vortassis idem vidisse Arsenium habentem iter in celum narrabit. Quapropter eum interrogate, si vobismet non ereditis, velit nolitve, quae in celo aguntur, qwia divinis non eredi- mus, forsitan® se vidisse monstrabit, quem si interroges, vel soli narrabit; coram pluribus, ut estimo, numgquam verbum facturus. Nam idem ex quo in senatuw wurawit eandem se vidisse cachım ascendere, eique pro tam bono nuntio nemo ceredidit, quiequid viderit, verbis conceptis firmavit se nulli dieturum, etiamsi in foro hominem vwidisset oceisum. Apeoparus. Sentio quid pretendis paulo*timidius quam expediat. Putasne narrare quippiam, quod omnibus eque placeat, eunetique eredant? (Quid igitur illo nuntio elarius? quidve felieius? et (quod maius est) quid verius, quod Christus vietor ab inferis cum carne celos petivit? omnibusque illue volentibus ire viam prebuit, januas reseravit, peccata remisit, gratiam indulsit, et posse per fidem dedit. Sed quid est quod quidam non eredunt, plures operibus contradieunt, et pauci veniunt? ubi tot coruscant miracula, tot patriarcharum concurrunt exempla, et prophetarum quasi digito quod faetum est, preconia demonstrant, elementa sen- tiunt, angeli obsecuntur et predieant? De quibus nimirum promissis et gestarum eloquiis testes sunt omnes apostoli, testes etiam martyres Christi, testes innumeri confessores et virgines, quorum fidei miracula meritis protestantur. Etenim quando tot preconia et testes de tam bono nuntio contempnuntur, non habes quid que- raris, cum plures sue‘ salutis preconiis non erediderint, et sint® qui de illo satis” bona sentiant. a Jethargum Mab. b gestae Mab. © verb. aus foveas von erster Hand. 4 verb. aus faciunt. e forsan verb. von jüng. Hand in forsitan. f verb. aus siue. 3 t auf Rasur. ! Mir unbekannt. 2 Sen. lud. de morte Claud. e.1. nl Ach Prov. 27, 17. (e- r.) +f. 6). ef. ler. 15, ıo. Ef: (e- 2.) 22 E. Düumter: Pascasıus. Verum illud Salomonis, quod ferrum ferro (ex)acuitur?: sie et tu, mi frater, sepius amicos quos diligis exacuis, ut diligendo profieiant. Hine sequor devotus quocumque duxeris, tamen cave, ut ubi emolumentum® deest, salutis causa cesset inquiri. Apsoparus. Queso conspersionem morum ex quibus interior integer confici- tur homo, pandas, quia facie pene cunctis ac genere notissimus erat; vel quibus sit, sieut Severus meminit, comparandus. Pascasıus. Verum quod prioris Arsenii a puero ex militia et dignitate glo- riam ampliavit. Fuit enim consobrinus maximi augustorum, eique pre cunetis ac- ceptior, in sermone verax, (ut de illo dieitur!, euius apud nos nuper delati cineres, tantis coruscarunt miraculis?) in iudicio wustus, providus in consilio, et in commisso fide- lissimus. In senatu quidem pre cunctis pollebat ingenio; ut si interrogaretur de quibuslibet rerum negotüs, quiequid melius diei aut inveniri poterat, mox in eodem momento sine ulla dilatione quasi de fonte manabat consilii. Eratque iam in illo tune temporis*virtus summa, multis ex rebus amplifieata auctoritas, quem et bo- nitas ac nobilitas morum generisque commendabat. Inlustrabatur autem sapientia, adeo ut et in divinis proficeret, cum in humanis ceteris precelleret. Eloquentiam quoque utrarumque linguarum®, qua sapientia plerumque iuvatur, et copiam dicendi ad persuadendum que vellet, modestam nimis habebat. Unde dum huiuscemodi reniteret bonis, ab omnibus amabatur. i Aneovarus. Velim talıs cum esset, mihi replices, quid sit quod® virum rürg, virumque discordie se progenitum frequenter ingemuerit, presertim, ut ais, dum ab omnibus amabatur. Pascasıus. Fateor quia de religione zelus ei accrevit, et de gratia uberior virtus. Necdum enim (in)presentiarum reipublice detrimenta noverat, quam augmen- tari gaudebat. Et ideo plus firmissimas nobilium societates, sanctissimasque ple- bium amieitias studebat®, quam, secundum Hieremiam, peccata et detrimenta rerum, que necdum adeo exereverant, deplorare. An ignoras, Adeodate, quod vir bonus non plus sibi*quam patrie consulit et civibus? Seipionem quoque nosti, et reliquos eiusdem seculi viros, qui pro maximis patrie ac plurimis virtutum benifieiis odia tulerunt et varia mortis diserimina. Apeoparus. Pro dolor! quod innumerosior pars ima petat, utinam inter re- ligiosos nostrae etatis viros ista non nossem! Nunc is qualiter ad monasticam ve- nerit discipliuam requiro. Pascasıus. Verum seculi gloria numquam sine invidia est, nec prosperitas ° acuitur c. b emulum. verb. in emulom. © übergeschr. dnres.c., un ergänzt Traube. © condere oder dergl. ergänzt Traube. " Acta 8. Sebastiani c.1, Acta SS. ed. Bolland Ianuar. II, 265 ? Ann. regni Francor. a. 826, ed. Kurze p. 171. ® Vergl. Vita Adalardi c.77 p. 336: Si vero idem barbara, quaın Theotiscam dieunt, lingua loqueretur, preminebat claritatis eloquio, quod si Latine, iam ulterius prae aviditate dulcoris non erat spiritus. Radbert’s Epitaphium Arsenii. 23 sine discrimine alicuius adversitatis, sed vir probus utrisque partibus utitur ad salutem. Unde Arsenius cum pulsaretur quorundam insidiis, videns violentorum inpudentiam sedes occupare indebitas, quod prius in mente Deo voverat, optatum sibi tempus invenit: et quod callidi* dissertorum loca tenerent, et infimi notissimos populo atque amieissimos Marsa°manu! prostrarent. Ergo cum tales cerneret ad- versus sapientes potestate potius agere, esseque superiores, et vulgi estimatione dignissimos, premonuit multa incommoda multaque naufragia populo provenire. Tum vero, multis contradicentibus,*seeulum et mundi inlecebras sine dolore de- posuit, quantum ea sine amore tenuerat. Qui cum esset divino amore succensus, relietis omnibus, coenobium ? petiit monastice discipline, ne suis, sed Christi legibus, et spiritu ageretur divino. Legerat enim, quod qui spiritu Dei aguntur, filü Dei sunt. Et ideo certatim non se sibi, sed Christum preferebat in omnibus. Ubi qualiter sit conversatus, Severum interroga, quoniam mihi actenus, dum vestra curavi audire, levius tuli que tolero.. Nune autem mox ut eum adtigi quem videram, qualemque habueram, novos inveni dolores recentesque, quos abisse® putabam. Ideirco pau- lisper sileam, donee oculi mei /ontem inveniant lacrimarum, et deducant aquam, guia longe factus est a me consolator meus, convertens animam meam. Longe igitur factus, quia recessit hine ad Deum multo miseriarum fatigio pro populo et religione Christi confectus. (ui quantorum laceraretur morsibus, cum esset mori paratus, nostrorum nullus est qui nesciat. Agebant enim quasi dicerent illud Hieremie in eum: Venite, percutiamus eum lingua,*et non adtendamus ad universos sermones eius. (Juorum tali tantoque affectus tedio, petiit interdum commorandi loeum® in adiutorio altissimi et protectione Dei caeli, quo nullus inimicorum violenter posset adire. Sed nos, dum sibi consuluit, ad oram desolatos et merore plenos reliquit. Unde turbata sunt satis viscera mea, effusum est in terra iecur meum super absentiam tanti patris, et nequeo morum imaginem respicere pre lacrimis. Sed plorans plorabo, donec ta- bescant oculi, ut vel sie meis consoler miserüis, qui subito consolatorem anımi talem amisi. SEVERUS. Precor paulisper quiescas a ploratu, ne rursus commoveantur re- centius viscera fletibus, et non possimus expungere que novimus. Sed antequam obducantur oculi caligine, morum imago suis venustioribus pingatur coloribus: tum demum plena elari recordatio vultus calentes laerimarum aperiet fontes?, et sie in iubilo illo inspeetante desuper dabimus fletus, hine quidem gaudentes, hinc tristes, hine mesti, hine leti;: hine quoque destituti, hine subvecti. * Quoniam etsi doloris est quod amisimus; gaudii esse debet, quod talem eum ad celi palatium inter- cessorem premisimus. An nescitis Hieremiam illum, euius iste fert typum, lieet in lacum satis coenosum a populo dimersus, quod demum levatus ad astra multum a calli übergeschr. di. b habisse h getilgt. ! Vergl. Ennii Annal. ed. Luc. Müller p. 61. 2 Corbie an der Somme, vergl. V. Adalardi c.8 p.311 ed. Mab. 3 Bobbio, vergl. unten II ce. 23. * Vergl. unten c. 9, Beda de die iudic. v.13 (Opp. ed. Giles I, 99): Nune, rogo, nune venae fontes aperite calentes; Poet. Carol. III, 42. 7% Rom. 8, 14. ef. ler. 9, 1.18, Thren. r, 16. ler. 18, 18. "TB: Thren. 2, ır. ef. Thren. 12 a ler. ız, 14. 2. Mace. 15, 14. SECh (e. 3:) frg!. Gal. 5, 6. Gal. 5, 6. cf. Matth. 14, 7. ro: Rom. 13, 3, DA E. Dümuter: orat? Quod si ille pro his ad Deum preces indesinenter fundit, pro quibus ei inter- dietum est. dum superesset, ne adsumat orationem et laudem, quid putas iste pro his faciet, quos filios utique sibi caros tam subito desolatos reliquit? Dietum namque de illo legimus: hie est fratrum amator, Hieremias propheta Dei, Are est qui multum orat pro populo, et universa civitate sancta Hierusalem. (uod si ille pro eivitate et populo laudem et orationem etiam prohibitus adsumit, quem olim vivens sie de- flevit, eui threnos ecomposuit, lamenta instituit: quid faeturus iste pro suis, quos dilexit? Fateor quod non tantum pro nobis, verum etiam et pro his, uti et ille, quos imimicos pertulit, intercessor erit, quia utrorumque invectio illorum tam severa contra populum, non de odio, sed de amore fuit: Ista liecet minus eredant, tamen uos qui eum agnovimus,*dubitare nequimus, quod is qui pro veritate tantos pertulit agones, Christi promissis minime privatur. Et si pretio fides emi posset, daremus quatinus cessarent odiis insequi, quem earitas enutrivit, justitia provexit, et pietas decoravit. Unde moneo quiescant et desinant maledicere, malefacta ne prodant sua, quoniam huius (ut eriminantur) versutiam et infidelitatem emulari oportet plus quam eorum perversam fidem. Pıscasıus. Acriter invehis, frater Severe. Velim caveas illud Terrentii !: Ne quid nimis, quoniam omnes® quibus minus est conscientia tuta, plus sunt nescio quo modo suspiciosi, atque ad contumeliam ommia aceipiunt, et propter sua queque se semper culpari credunt. ApzopArus. Astimo quod si ostenderis quid sit fides vera? proximi, et qualıs sit, dominis que promittitur, servanda; poterit unusquisque nostrum lueidius intueri, et singuli de propria conseientia iudicare, quoniam huie hee inpingitur nota, quasi augusto debitam non servaverit fidem. Pascasıus. Optime hortaris, ut eluceat, quam multi adulterant fidem veram, et corrumpunt“neseii quid ‚sit quod promittunt. Est igitur Christianorum fides, iuxta apostolum, que per dilectionem operatur. Alioquin tolle dileetionem, et fides abolitur, quoniam dilecetio iura fidei omnia eireumseribit. Porro dileetio Christi et proximi nihil peccati, saltim ex eonsensu, admittit. Unde ceonstat quod omnis gui diligit aut consentit quod iniustum est, inique odit animam suam, et eum quem ad iniquitatem favendo eonsentit. Ex quo liquido eolligitur, fidem, non quod velit quisque, intendere debere, ut ad voluntatem etiam domini terreni contra Dei precepta adsurgat, ne forte male consentiendo, fidem quae per dilectionem in proximo operatur, infidelis amittat, sed que dileetionis sunt inpendere; et per fidem que salutis proximi sunt, constantius et circumspectius adimplere. Alioguim He- rodes ılle, eiusque complices, quia iuramento erat adstrietus?®, alieni a cerimine, sı fides praescriberet quodeumque velle, et quod promiseris adimplendum. Unde prius cavendum, ne quid fide pollicearis incautus: deinde si voveris, ne ad peiora* pro- venies deelina. Nihil enim debeamus, ait apostolus, nisi ut invicem diligamus. 2 nach vera ein Buchst. getilgt. b -stratus verb. in -stwietus. U Andr: I, 1, 34. 2 Ter. Ad. IV, 3, 14—16. Radbert’s Epitaphium Arsenü. 25 Ideireo quisque quod debet solvendo adimpleat, et implendo debeat, fidem vide- licet, que per dileetionem operatur. Alias autem fides non est fides, quia non est ex dilectione Dei et proximi, sed terrena obiuratio animalis et diabolica devinetio. Nemo igitur bene servat fidem, ubi econtempnitur Deus et neglegitur future vite proximi salus. Aproparus. Heu quam misera aetatis nostrae secula, in quibus semper omnium precedit velle, deinde quiequid sapit quisque et potest, ad hoc confligere, ut? com- pleatur, licet prava eflectu, presertim cum sapere prius esset necessarium quod velle deberes; deinde velle quod saperes; sieque demum agere bone voluntatis quod posses. Nune autem monstra omnium pariunt mentes, cum quod sequi debuerat precedit; et caput quod precedere passim sequitur; mediaque potestas ludibunda hine inde tumet, ac per hoc omnibus fit illud quod comicus ait!: Volo, nolo; nolo- que, volo, et est singulis infelix nimium ac puerilis vertigo. Pascasıus. Hine sane eorum aliquis*ex senatoribus prior, cum contra eum talia ut se corrigeret ferme ante biennium (depromerem, ratione superatus et senten- tiis divinis, Audisne? inquit. Profeeto ista que narras, licet divina, in eo seculo, quo nati et quando nati sumus, locum agende vitae habuere et vim dietorum, nune autem in isto quo nune sumus, seias nihil utilitatis et rationis inesse. His itaque dietis discessimus; ille post suum velle desudans, ego a meo posse quiescens. Apeoparus. Ista quippe res non tantum” cecitas esse videtur, mi Pascasi, quam mira mentis amentia“: hie non sentire quo sit quidve agat aliquis; recordari vero quo fuerit, qualisve nutabundus eat; nec tamen redire posse aut velle in id quod fuit, sed agendo insensibiliter ire post suum velle, ne ad se redeat qui fuit. SEVERUS. (@Quis, inguam, plus sensu defieisei” potest, quam qui nee se sentit, vel quid dicat ipse non audit? Sed forte, ut reor, putatis vos clarius derogantes nee ipsa furibunda silentia® possint audire. Ideirco loqui libere talia minime formidatıs. Pascasıus. Loquimur de fide qualis esse debeat circa proximos, qualisve servari. Et ideo’minime silendum putavi; quia, ut nosti, hane Arsenius noster tenuit vere, hane exhibuit, hane servavit, que cum dileetione operatur, in eunctis veritate fuleitur, iustitia roboratur; non que assentationibus male deeipit, et que euique libuerit vitiorum extollit, sed in omni negotio et verbo, in omni re et con- sensu, amicam sibi scrutabatur inesse veritatem, et quasi ab ungne singulas rerum disquirebat negotiorumque causas, ne forte rimam in aliquo falsitas precidisset. Deinde ut singule fidei partes iustitie armoniam uno coucentu preeinerent, sıbi coram oculis omnia adsignabat, atque ut omnia intrinsecus caritas ageret, eottidie preeibus Domino commendabat. Apeoparus. Miror quomodo inter varias et innumeras, ut audio, causarum a solet confligere ut voluntas ergänzt Traube. » tam verb. Mab. ° mentis amentia auf Rasur. ı ‚Ter. Phorm. V, 8, 57. 2 Vergl. Phorm. IV, 1, 23. 3 Statü Theb. X, 896: fu- ribunda silentia. Philos.-histor. Abh. 1900. II. 4 Gal. 5, 6. a Le “fe xr Gal. 5, 6. (e: 4.) eur EafrerzE Ecel. 12, ıı. trrzl (e 5-) 26 E. Dümmtrer: occupationes tam intente Deo vacabat, atque ubieumque sibi praesto aderat, pre- sertim cum nos quantoties dum vacare Deo volumus, abdueimur; et cum querimus nosmet, vix invenire possumus. Pascasıus. Fateor, Adeodate mi carıssime, quwia ubique secum semper cum Deo erat. Non enim se, ut dieitur, rebus tradebat, sed commendabat, suasque cogitationes*inter frequentias hominum tractans, aliquid sibi salutare semper ın animo gerebat. Et ut infidi fidem recipiant, testor numquam me vidisse aliquem, qui sibi ubique tam presto esset, tamque sollieite passim incederet, ita ut vix vel numquam se abduceret, lieet rebus oceuparetur innumeris et maximis. Inter epulas autem, cum aut ipse hospites, aut eum magnorum aliquis vocasset, num- quam tam sobrie potui continuis temporibus dinoscere sumentem, ita ut refectio prandii a plurimis summa putaretur abstinentia et parsimonia vietus, si ad tantam, saltim quadragesime temporibus, possent contingere abstinentiam. O infelicem me, qui nune eius privor aspectibus, nec erubesco agere coram pluribus, quod tune verebar coram eo. Sceiebam enim quod non parceret, si quippiam inmoderate ad- mitterem. De quibus Severum velim interroges, quoniam et ipse quam sepe mecum istam pertulit disciplinam. SevErus. Satis utique advertor que intendis, ut. pateat aliquando, forsitan quod manum avidius ori porrexeram, unde quid invexerit*inter nos frequenter habumus, et adhuc hodie pro quam plurima sua inveetione saltim conscientia verberamur. Tamen de quibus dieis, testes sunt patres ac fratres et condiseipuli, qui norunt quod immodum agrieule sarientis, verbum et correptionis sententiam mox in initio peccati pro sarculo ferebat, quatinus Christi messis uberior pollu- laret. Namque non ut quidam usque® ad exerescentia delieta deliberans agebat, sed mox in singulis peccati originem verbi gladio perimebat. Quomodo igitur suis, ignaviter parceret, qui nusquam et numquam sublimioribus, nisi moneret, cessit? Fecerat enim sententiam Salomonis suam, quod verba sapientis sint” quasi stimuli et clavi in altum defiwi, quia defigebat cuspide verbi vitiorum cerementa, et virtutum exordia in altum firmius solidabat. Felix nimium beatusque, qui tantis rerum alternisque deeursibus occupatus, sibi unus idemque continuus erat censor eximius, qui se tam in alto secessu studiis, Deo, caritatique vacabat. Hoc igitur negotium eius et causa*negotii, hoc otium et labor, hec ieiunia“ et vigilie, hec cura et perpetua mentis solliecitudo, ut numquam desineret, quod semel coeperat in militia Christi. Unde plurimum aliis enituit, quod sibi et Deo ac proximis tantus idem- que semper fuit; nee ulli® plus quam sibi severus, nec alium magis quam semet iudicavit. Pascasıus. Perpendo, frater, et recolo que sentis, sed needum est locusf, licet invitus que proponis. Tamen de his fateor aliguando me illum interrogasse, cur sıbı tam severus, et, dum solus esset, tam tristis incederet. Ad quod ille: 2 ce vor usque getilgt. b sunt verd. in sint. © a übergeschr. 4 übergeschr. v. and. Hand. © ulla verd. in ulli. f Videtur hic deesse: et ideo praetermitto vel guid simile MAB. Radbert’s Epiaphium Arsenii. [8] 7 Noveris quia mecum sum, et quod in me est, decerno. Ideirco nullis adhue, nisi de sola spe, hilaresco gaudiis. Perpendant igitur nostri, qui eum rodere conantur, et alienis eriminantur eulpis, qui se ita percensuit. Putantne contra apostolum, quod a Domino ulterius justorum extorris a consilio iudieetur? immo Christo, eui adhesit in vita conplantatus in corpore, gratulabundus canit: Liberasti me de laqueo venantium et a verbo aspero. Sed ipse dum talibus et tantis evacuatur malis, nos miseros reliquit, quo velim ignoscant, si prolabimur ad lacrimas secretius in se- cessu,*qui prius repressimus, ne videremur deflere, quem gratis oderant iniqui. Nune autem tandem illis quiescentibus lamenta relaxabimus, quoniam fletus et lacrime fomenta sunt desiderii, desiderium autem iucunda recordatio amissi, quoniam etsi mors aspera deterret, blandi nominis memoria delectat. Unde quidam ait!, quod amicorum mors quandam habeat voluptatem, eorumque memoria sit iucunda, quomodo poma que videntur swaviter aspera. Cum ergo intervenit spatium, pura ad nos spei iuceunditas redit, quia sie quos habuimus, diligimus, tamgquam et nos hine subito ituros, sieque amisimus tamguam habeamus. Gloriosa quidem spes beata et suavis. Ideireco, mi pater Arseni, gratulamur tui, solamur. nostri, quia et te ad spei beatitudinem presumimus pervenisse, nosque tuis illuc meritis ere- dimus adiuvari, licet hine ad horam mesti, tamen gaudentes, quia tibi® felicior successus, quam nobis maneat exitus; nisi prior tuus interveniat” recessus. Forte expedierat ut ires, quatinus paraclysis Christi veniat, ut festini relietis omnibus tecum simus mente‘,*“et indefessis preeibus facultas! capescendi sit° veniam, et perveniendi fidutiam accipiat animus. Non igitur, mi pater, miseri de te, sed beati, quibus‘ nee presentia in spiritu defieit, nee cura minuitur pastoris, sed augetur gratia. Quid enim est mors? nisi somnus, sicut ex multarum seripturarum loeis possumus approbari. @Quod si in noctis quiete corporeis adhue vineulis inherentes, et quasi membrorum in earcere religate anime possunt altiora et queque suis dis- ereta imaginibus perspicere, quanto magis exuti omni corruptionis labe spectant, ut quidam sanctorum? ait, iam puro etherioque sensu. Unde plus presto tes nobis patrem confidimus, quam" in istius vitae usu habere nostri prospieiendi ad invicem copiam potuimus. Est enim nobis, ut eredimus, ubique presto duleisque absentia presens, quod tunc illius omnia esse non poterant, sieuti est nune, nee)‘ insuavis eius valde presentia absens, quoniam in eo esse ereditur, eui patent et presto sunt omnia. Magna igitur potestas et virtus imeflabilis, ita ut nec* mors, nec tempus avellere possit,”quos ipsa eademque maiestas Dei beaverit. Unde, mi pater, potius crederis nune vivere nobis, qui tibi melius vivis. Fiunt iam laerime dulces, jucun- dior fletus, quoniam etsi mors odii est, vita nobis tua dileetio. Namque mors ebibita absorta est in vita, et ideo vivis, pater, beateque vivis. (uesumus adsis a t übergeschr. b das letzte t übergeschr. ° simus mente am unt. Rande nachgetr. 4 s auf Rasur. © übergeschr. f quo- verb. in qui. 3 übergeschr. h quia verb. in quam. i von Traube ergänzt. k übergeschr. ! Seneca epist. ad Lucil. 63 (VII, 1) in freier Wiedergabe. ? Mir unbekannt 4* Psal. 90, 3. *f.13. Kal *f. 14. ef. 1. Cor. 15, 54. ET ef.1.Cor. 12,6. RICH (e. 6.) if. is. 28 E. Dünmmter: nobis, apud quem melius yivis, in quo vivunt omnia, nosque movemur in ıllo et sumus: euius nimirum spei promissis refrigeratur ardor aniımi, relaxatus quoque paulisper evaporatur affeetus Quo rogo ut advolet assidue tui animi imago, dul- cesque perfundat veri (si fas sit dieere) somnii visiones, ut totus adsis, qui solis corporeis aspectibus defraudaris. Nam cottidianus tuus usus jugem recordationem excitat, affeetus imaginem representat, quibus allatis dolorem renovant. Et ideo, mi pater, interdum ades, et mente atque animo amplecteris. Osculamur enim te quantoties, alloquimur, conprehendimus. Infelix nimium ego, qui ultima verborum tuorum monita tam longe absens hausi.” Ais namque, ut noster mihi Chremes attulit, aisque: Ita, fili, fac, si quo modo, quecumque scis boni, opere agas, ne tui minor inveniaris. Haec tua, mi pater, mihi novissima verba, haee tue estima- tionis mandata. Non quod seierim quod perfeetum sit, sed ut sciendo proficerim, sollieite procurabas. Cui nescius mox futurum quod non preterire licet, longius diferri posset, verius quam iocose remiseram, quod eque tria in homine continuis temporibus non inessent: videlicet scire, velle, ae posse. Quoniam multa que boni scimus peccatis exigentibus quandoque nolumus, quod si jam velle adiacuerit, posse interdum non habemus. Deus est autem solus, cuius nec maior scientia quam volun- tas, nec voluntas amplior quam potestas, sed quiequid seit, vult et potest, ideo in sapientia sua omnia operatur. Porro hominibus nihil horum sine gratia Christi. Et ideo queso preeibus instaures, votis adiuves, quoniam tune doctoris perfecta est monitio, si precum quos monuerit adiuvet sumptibus. Hoc enim laudis tue offieium est, quia sine oflensione*in nullo subter fuisti, tuis ut minus adnuntiares voluntatem Dei, modo si commendes oratione ac meritis, ut quibus per te seire lieuit quod expediat, velle ac posse tribuatur a®* Deo quod placeat. Apeoparus. Vellem altius a puero tanti viri tirocinia repeteres, quoniam merita tante perfectionis cum eo crevisse credimus. Non enim vere virtutes sine innocentia proficiscuntur, innocentia vero virtutum efficatia solidatur. Porro soli- ditas longa boni operis consuetudine crescentibus meritis firmatur. Alterna quidem proportione perfecti viri ut prudentie simplicitas respondeat, et simplicitatem pru- dentia instauret, quatinus quod est in flore, fructus exhibeat, et fructum bone spei prius flores promittant. Potest ut flos nonnumqguam sine fructu decidat, fruetus tamen non sine flore pullulat. Ideirco pandas velim prius flores, quatinus fructus duleior exuberet, quoniam etsi utilis fructus, tenere vite pulchrior flos redolet. Unde huie quod etsi ante floruit uberior virtus florendi, Christi gratia fuit. Pascasıus. Queris, Adeodate, queris de his forsitan, quando non eram; tamen relatione*verorum, quia ab utero notissimus fulsit, plura memorie dignis- sima percepi. Fuit enim a puero inter tirocinia palatiü liberalibus maneipatus studiis, pollens morum nobilitate ac probitate sensus. Cuius augustus efficatiam auspicatus ingenii, licet consobrinus ipsius esset, patrui eius filius, deerevit humi- liari euiuslibet instinetu, et redigi inter infimos, non quidem fortuitu®, sed“ divino a übergeschr. b non bis fort. auf Rasur. © übergeschr. Radbert's Epıaphium Arsenii. 29 dispensante iudieio, ut tenera aetas fornace temptationis tamquam aurum probare- tur, quatinus edisceret adhuc iuvenis, non minus adversa fortiter, quam et pro- spera equanimiter tolerare. Seriptum quippe est, quod sieut fornax aurum, ita temptatio probat iustos. Et ideo jam iustitie eius testimonium renitebat, ut am- plior gratia prestaretur. Ubi diu multumque camino humilitatis detritus, valde elaruit mitissimus et neseio eui obtimatum commissus libera sub eustodia probus atqne idoneus, plurima eius eottidie erescebat fama, vite et laudis preconia comu- labantur. Quis igitur non agnosceret, quod jam * divino probaretur tirocinio? qui nullis existentibus delietorum culpis a proximo sie premebatur innocens et iustus, quasi esset reus, augustique nature alienus. Ferunt quidam, quod idem tune temporis cum esset in via mestus, bovesque® cum plaustro minaret?, quen- dam ruricolam obviasse, aceinetum® balteo et armis. Ad quem ipse: Visne, inquit, o homo, arma que geris pauper deponere, istaque quibus adstringor assumere? His ita dietis tandem vix eredulus viator sine damno, suis se viduavit armis, et munera insperata revexit. Tum noster Arsenius: Melius mihi, inquit, vilia decent cum plaustro‘, quoniam non militie nune seculi, sed eommunis® vite negotiis vaco. ef. Sap. 3, 6. *%f, 16. Quid igitur iste®, fratres, nisi David usus exemplo aiebat: Adhue vlior fiam, et 2.Reg.6, 22. ero in oculis meis humilis; presertim quia cum sibi quisque pro Deo! indignior ap- paret, Deo acceptior fit: et cum sibi magnus suffieciensque, utique, sieut legitur, parvulus estimatur. @Quid plura, his ita expletis paulo post divina virtus multis eum provexit honoribus, fitque acceptior cunetis, quanto probior. Restituitur palatio,*gratia sublimatur, siquidem cottidie proficiens atque sucerescens, con- stituitur ab augusto echonomus totius domus, et venerabatur passim seeundus a cesare, quasi putares alium Joseph sceptra regni movere.' Erat enim in ore om- nium, et ad omnia quaeque praeeipuus, maxime justitiarum exactor, euius sollertia ius civile bonis sine tergiversatione dabatur, et presentia non minus terrebat reos, quam mulcebat pios. Senator, ut ita dicam, senatorum, a seeretis jam tune effi- catior eunctis, eo quod nihil vellet, nisi quiequid prestantius seire potuisset, ubique providus, ubique promptus ac devotus, ubique strenuus, ita ut nullus de se coram illo aliud, quam iustum velle significare auderet. Ante quem ius eivium venale numquam venit, sed liberaliter in omnibus agens, ultroneus peten- tibus apparebat. Nonnumquam igitur ad ea quae augusto propriae agenda fuerant, specialius mittebatur. Unde iam idem ducatum gerens, exereitum vice caesaris in a bovesque bis minaret am Rande ergünst. b aceinetus e., verb. von Mab. ° cum pl. übergeschr. d commune e., -is Mab. © iste am Rande ergänst. f pro Deo am Rande ergänzt. 5 auf Rasur, danach ein Wort getilgt (uir?). ı S. Vita Hludowiei e.21 (SS. II, 618): Timebatur enim quam maxime Wala, summi apud Karolum imperatorem habitus loei; V. Adalardi ce. 32 p. 321: Wala virorum clarissimus .. tune temporis primus inter primos et cunctis amabilior unus, nimia familiaritate regi inhesus et maxima praefeeturae dignitate subveetus, in senatu clarior eunetis, in milieia vero pru- denti animo fortior universis. fox ef. Gen. 21, 40. * f. 17. (e: 7.) le als + f. 18. 30 E. Düunnmter: hostes!* duxisse satis fertur egregie. Quem feritas gentium barbararum suis edo- mita benificiis, nimium, ut nostis, diligebat, et ad eum demum iam cum monachus foret, quantociens devoti confluebant. Srverus. Fateor nos sepe* retractasse quid esset, quod tantum easdem gentes diligeret, etiam ut sepe omissis primoribus nostri ordinis ad eos alacrius se con- ferret, et totum se illis infatigabiliter prestaret. Sed facile patet sensus, quod pietatis affectu haee fecerit, ut eos suis provocaret exemplis, et ad morum instrueret honestatem, qui nuper ad fidem Christi venerant. Pascasıus. Ita est, mi Severe. Ideirco apud eos pre eunctis acceptior erat, quod ipse sepe probavi, et pre omnibus earior. Forte recolis, quando illue causa coenobii novi? eum Antonio nostro simul fuimus, ubi qualis quantusve haberetur, probavi, quasi, ut ita dieam, si advenisset celitus, magis quam olim ex palatio, profecto cum esset monachus, venerabatur. Unde cum ad quosdam devenissemus, qui eum mutato habitu non agnoscerent, vastarentque idem hostiliter*suorum agros, et depopularentur finitima, voluit eos Antonius noster, ut erat benignus, corripere lenitate sua, nee tamen est auditus. Tum quidem proposuit eis Arsenium, et feeit alloqui, ut se a talibus compescerent. Quo audito illi ecoeperunt prospicere attentius, is si esset quem fatebamur. Qui etsi multis persuasi, minime credidere, quod tam eximius et prepotens ad tantam venerit humilitatem et deiectionis formam. Quo- rum unus ad eum: Tu es, inguit, ille quem noster tam inclitum celebrat orbis? Tum ille: Ego, inquit. Deinde, Fateor, alter ait, quod saltem nee minimi extrema digiti eius vales, quanto magis ut talis tantusque dicaris. His ita dietis, nos om- nes subrisimus ae discessimus. ApeovArus. Velim serius agas, quia talia in quibus fastus commendatur sae- euli, non intueor quid prosint, penitus cum mors etiam nostra aboleverit, si qua fuerant juacunda. An ignoras quod qui mundum colit preciosa perdit? Pompam namque saeculi repetere, quid aliud est,*quam fidem abnegare Christi? Pascasıus. Ita plane sentio, sed probi viri, licet videantur agere quae mundi sunt, intentum gerunt animum, nec se ad externa omnia sinunt evocani, licet: foris universa resonent, et magnis fuleiantur tumultibus, Quid igitur putas fortius pur- pura uti, et vasis auro argentoque confectis, quasi testaceis, vel eilieio®, nee mo- veri? An hisdem lieet vilibus sie uti, quasi preciosissimis, nec paupertate affiei? ApropArus. Utrumque magne virtutis dixerim virum, sed talis vix aut rarus invenitur, quem non deiciat altitudo, quem vilitas non moveat, quem non extollat divitiarum atque honoris sublimitas, quem non paupertas affıciat, et variarum re- rum negotia non extenuent. Pascasıus. Ita, Adeodate, ita est, sed vera virtus in utrisque est, quam bona mens explicat et deyota, ubi nec cupiditas vel avarıtia fomentant animum, sed 2 saepe verb. in sepe. b cilio verb. in cilicio. " Gegen die Abodriten, vergl. c.11. Unter den fränkischen Grofsen, welche 811 mit den Dänen Frieden schlossen, erscheint als erster Walach comes filius Bernhardi; s. Ann. regni Francor. ed. Kurze p. 134. ®” Corvey an der Weser, vergl. Vita Adalardi c. 65-67, ed. Mabillon p. 331. Radbert’s Epitaphium Arsemü. 31 liberalitas honestat morum, et probitas commendat vitae. Non virtutes dissident, non vitia premunt,*non altera affectionum passio alteram vexat, non ea quae sunt *L.ıw. exterius devastant. Alioquin etiam in heremo quid prodest universe regionis aspe- ritas et silentium, si aflfeetus improbi fremunt intus et vitia permutant animum? Ergo plaeida quies et vera illa est, quam ratio ubique componit et serenitas re- ligionis commendat. Ideirco qwidam, ut comperimus, e seculo recedentes, adhue versantur in fluetibus, quia non satis mente exisse probantur. At vero nonnulli, quos tyroeinia virtutum enutrirunt in militaribus rebus, postmodum ad Christi mi- litiam puriores ac perspieatiores veniunt, quam si essent inexperti. Apzoparus. Tamen esse debet in his virtutum experientia, pro quibus egregii censeantur, quomiam et pagani dumtaxat inter suos idonei probique videbantur, vul- gique estimatione nonnulli inter deos, allati dieuntur. Pascasıus. Videris mihi ad omnia quae conferimus, nutabundus, et quasi ple- beio infeetus colore, nullum alium deinceps*posse recipere mentis eflectum, pre- *L.ıo. sertim cum varius rumor varias rerum® conspersionibus inficiat mentes. Fortassis ergo et tu ita infeetus plurium infamiis, ut non queas de hoc aliam jam recipere fidem, quem plures ita laniant, et vulgi imperitia conrodit. Apeoparus. Nonne recolis illud Catonis!, quod multi multa loeuntur, et ideo rara est fides? verumtamen de isto, fateor, optimam habeo fidem, cui adhaesi in novissimis, quem cognovi, licet sero, et dilexi nimium virtutibus decoratum. Sed non omnibus® rebus facile fides adhibenda. Unde et apostoli tardius eredidisse leguntur, ne forte fides eorum temeraria videretur. Ita et nos nilil preeipitanter nihilque inconsulte agere oportet, neque vulgi aut aliewius inpressione ita infici, ne meliora recipere valeamus; neque, ut ita dieam, molliri aesi cera, ut omnium sigillorum signa super sculpturam reeipiamus. Probanda est igitur imago euiusque, probanda et fides, ut quod semel ad liquidum probaveris,*iterum de illo non iudices. + 1.1, Pascasıus. Recte fateris, sed velim perpendas, quam probi viri inter summos seeuli honores vixerint, quam idonei mox de militia ad Christi gratiam pervenerint. Taceo igitur de David, quem nee regalis dignitas multis rerum copiis inlexit, nee oceupatio negotiorum a dono gratie retorsit. Taceo de ceteris omnibus, qui in eulmine celsitudinis virtutum floribus exornati, Deo placuisse leguntur, et multis mysteriorum sacramentis refulsere. Veniam ad nostros, quos de mundi militia Christi ecelesia gloriosos suscepit presules: Ambrosium loquor, qui de prefectura mox cathedram episcopatus est adeptus; et Hilarium, quem doetorem eximium Gallia concelebrat. Tales ergo et huiusmodi viros sepe seeulum, immo de seculo Christi gratia provexit. Et ideo nulli dubium, quod et istum inter senatoriae di- gnitatis infulas virtutum gemmis insignitum providentia instituit divina et elementia deeoxit, ut fieret vas honoris*”de tanto eulmine ad monasticam transmutatus. a0; Severvs. Diu est quod expecto, quid de illo dubia proponere velitis, quem (e.s,) # ° reatuum verm. Tr. b auf Rasur. ı (Catonis disticha II, 20, 2: Exigua est tribuenda fides, qui multa locuntur. #fr20!. + fzr. Ran, 32 E. Düunmter: plus quam® nosmet (ut ita fatear) cognovimus, cui consci fuimus, quem sectatorem justitiae ac veritatis non dubitamus, cui quam nobismet amplius eredidimus. For- tassis ergo ut quidam filosophorum omnia dubia tenemus, nihilgue certum posse conprehendi philosophamur. Alioquin interrogate Cremem nostrum, aut istum Alla- bigum, cuius clangor bucine forte surdis etiam fidem prestabit, quod adhue in seeulo morum honestate ae virtutum ceteris elarior vixit. Cremes. Nullus qui hoc nescjat, pene quia nulli fuit ignotus, sed livor ab- negat, pluribus quod conscientia probat. Hine profeeto liquet, quamvis offenderit, «quod etiam ab emulis prestantior omnibus nostri saeculi primoribus fuit” et si eisdem non placeat, bonus tamen ab omnibus predicatur. Fuit enim in saeculo elimosinarum largitor, et deeimarum ita*liberalissimus dispensator, ut probares iam non sua, sed ad hoc sibi commissa distribuere. Qui post annualem decimationem, cotti- dianam indesinenter tam° ex omni redditu ac dispensatione vietus, quam et de variis donorum sumptibus Christi pauperibus inpendebat, hane sibi hereditatis con- putans partem, hanc lucri pretium, hane iustitiae suae mercimonium. Sed, ut video, Allabigus noster, quasi convitiatus, iraseitur, ideo forte nüudam manu interdum con- frieat calvariam, nec bene sentit de his quae proponitis. Tum illed: Quid igitur ludiera iocose seritis? et si calvus vobis videor, He- liseum quid contemnitis? An nescis, Cremes, quia multi me venti flaverunt? for- tassis ergo iurando per hoc caput ista contraxi. Nune autem quia non ceredunt, hoc novum zrepperi iuxta Terrentium!, ut conseeter eos, qui se primos ommium esse vohmt, nec sunt: et cum riserint, adrideo, eorumque® ingenia admiror; wel quieguid dicunt, laudo; et si negant,*laudo; quid quisque negaverit, nego; aiunt, aio. Deinde imperavi mihi ommia adsentari, quia is questus mume est valde uberrimus. Tamen saltim parvam adhibeam fidem, qui mihi de illo quam bene sum conseius, nihilque falsi fingam, quoniam meo cordi nullum cariorem invenio. Fuit enim suo in tempore acceptior cunetis, lieet prodigiosa huius seculi etas ultima eum insipienter! et ma- ligne oderit, atque mendacis sit inseeuta. Verumtamen quaeso me non adeo igna- vum putetis, non ingratum, negque inhumanum aut vecordem, ut me non consue- tudo tanti viri, non inremota vitae conversatio, non amor, non pudor oblivionis commoveat, ac moneat®, illı ut servem fidem, cum quo multa pertuli, a quo plura didiei, et ex quo queque optima virtutum etiam in saeculo cognovi, pro euius amore primum post Deum saeculum reliqui. Unde si quis vestrum mihi de cornu quippiam opposuit, tubam audiat veritatis, quia quamvis obsurdescant invidi, Arsenius iste verus°Christi adletha fuit. Et si plura enumerare nequeam sermone imperitus, lugere tamen etsi coram non erubesco, quotiens ad mentem ea reduco, ut vel sie re- frigerer plenus miseriarum nostrarum doloribus. Quia etsi gaudendum censeo, quod talem eum habuimus, satis quoque deflendum, qui cum eo semper viximus, quod a quam übergeschr. b fuit zu streichen Tr. © übergeschr. d auf Rasur. © aus quae verb. f am Rande ergänzt. 5 moueat verb. in moneat. ! Eunuch. II, 2, 16—22. Radbert’s Epitaphium Arsenii. 33 absentes in extremis fuimus. Fortassis ergo si cum eo essemus, de spiritu eius amplius partieiparemur. An non legistis, Helias Heliseo suo petenti, ut spiritus eius in eo duplex fieret, quid dixerit? 8 videris, inquit, quando tollar®, erit quod optas: ita et nos, fratres, si essemus cum eo, hine ad celos quando abiit, pignus nobis forte refunderet sui spiritus. Nune autem quam miseri”, quibus nee horam scire lieuit sui exitus, quem vivere putabamus! Pascasıus. Ut audio, glaber iste qui videbatur idiota, factus est in subito quaerimoniarum filosophus, nee dubium quin spiritu eius quem plangimus afflatus. Alioquin*nisi eo esset attactus, quomodo talia preoccupavisset, antequam stilus eo veniret, quo eircumfusis visceribus lamentandi erit tempus. Non enim adsentator est falsi, ut se finxerat, sed invector, ut sentio, precoque veritatis. Parvipendet enim aliquis quid audiat, presertim cum nemo amieorum meorum est hodie, apud quem® omnia mea occulta exponere audeam, quamvis hie nostra etiam inimicis de- tegat. Quia nonnumquam apud alium prohibet dignitas, apud alium ipsius facti piget ineptia, ne infidelis, ne protervus videar, ideirco nostrum est intelligere, uteumque atque ubicumque opus sit adsentari vel obsequi, de isto si quomodo vel tacere. Ergo quia nec premeditari potuimus tanti viri obitum, nee prescire, nune premeditandum, quid vel cui quandoque loquamur. Noster enim satis pave- bat animus de illo prius tale aliquid cogitare, qualia demum contigisse doluimus: non quod*conditionem ignoraremus, sed quidam votorum usus sensum nostrum communis fragilitatis obduxerat, ut de illo nisi seeunda cogitare neseiremus. Unde cum olim ab augusto direetus causa negotii quod nostis, antequam in remeando Agripinam venissem!, comperi quem nunc deflemus, exilium tulisse pro munere, ubi quamplures monachorum simul reficiebamur; eratque lectio in medio Esaie® vatis, ubi legitur: Conceurrent Kgypti adversus Egyptios, et disrumpetur Kgyptus in visceribus suis. Tune quidem infremui, tunc quasi inundans omni lacrimarum ymbre perfusus, atque dolore disruptus emareui, ita ut omnes mirarentur, alii quidem quid contigerit di- centes, alii quasi reatui illius conscius essem, opinabantur, nemo tamen mihi eorum hodie quod heri, licet consolatores optimi viderentur. Fateor tamen eadem hora omnia mihi in animo venisse, quae postea contigerunt. Unde non dubitandum, quod divinus spiritus ubique omnia repleat, etiam et ea quae non*possidet. Severus. Dicam de his quae mihi in mente sunt, vos decernite. Dum ille fuit solus, dum nulla alia spes, dum posse viguit, favebant plurimi, sibique* da- bant palmam, nune postquam res inventa‘ est, inventi® sunt et ipsi de quibus que- reris. Sed non adeo dixerim fortuitu talia contigisse, ut et lectio simul ac lacrıme prodiderint, quod nostra in visceribus suis disrumpenda esset Egyptus; forte iam tune venter precordiorum contra nefanda futurorum quasi eythara threnabat. Apeoparus. Dum varia rerum ineidunt negotia, in conloquio confunditur a tollor verb. in tollar. » vivimus ergänzt Traube nach 8.36 2.18. © quae verb. in quem. 4 Isaiae verd. inEsaiae. * tibique ce. f inversa verb. Mab. 5 inversi verb. Mal. ı Cöln, im Jahre 831. Philos. -histor. Abh. 1900. II. 5 * (22. Staa Isai. 19, 2. +22, (e-9) zzgl +f 24. ey 34 E. Dümuter: stilus, nee ordo dieendi servatur, nec flendi copia pectoris de fonte uberior hau- ritur. Ex quo velim fontem* aperias nobis calentem!, et qualis quantusve venerit ad monastica, insinues, quia etsi pulchre sunt virtutes sub absconso elamide, eas- que inter mundi inlecebras vernare?, pulchriores tamen in scola virtutum fiunt, ubi resecatis vitüs fraglat ager aliorum odoramentis conmilitonum, et sola*quae Dei et sancta sunt, ab omnibus meditantur. Pascasıus. Si queris, Adeodate, qualis venerit, fateor talis, qualem Virgilius ille tuus Maro describit?, totus teres atque rotundus‘. (ui nimirum versus, licet in Virgilio vestro magnis extollatur laudibus, longe antiquior legitur in Oratio?, qui dum de viro sapiente loqueretur, ait, quod sit fortis, et in seipso totus teres at- que rotundus. Unde profecto liquet, sieut et in quampluribus locis, quia Maro vester callidus ingenio de ceterorum sententiis laudem tulit, et de multis, acsi men- dieus, phylosophorum fracmentis convivium vanitatis, saltim pueris, feeit. Sed. lau- dabilior hie noster illo fulsit mox de seculo Christi gratia inlustratus, qui fortis in Deo atque teres seu rotundus, ut aiunt, venit, quia nihil ex omni parte rotun- dius a puncto, quam sicubi virtutes rationi Deoque consentiunt. Nonne virtus iure tibi videtur quaedam equalitas°* vite rationique eonsentiens undique? Quod si aliud ab alio in vita discrepat, magis, ni fallor, offendit, ut ille egregius ait*, quam si aliqua pars eirculi maiore minoreve intervallo, quam alie partes, distet. Igitur illa est virtus.et ratio vera, quae vitam perfectam faciunt, vita vero perfecta un- dique, si veritati congruat et virtutibus equetur. Unde profeeto idoneus in vita et probus iure is censetur, qui tam bene et honeste vivit, ut secundum Deum vir- tutibus vivere videatur. Sed de isto vix talıa creduntur, quoniam odüs et invidia ubique iugulatur. Quas de causa pareius laudandum censeo, ubi veritas. convitis suffocatur et invidia iustitia perimitur. Severvs. Forsitan persecutorum tempore si esses, de Christo aut neseire quie- quam te assereres, utique aut mutus esses. Nune autem quaeso pone metum: nihil hie iterum iurabis poscenti. Alioquin die illud, quia si noceo quod amo, sine fine nocebo. Satis enim mjhi est*amoris, quod semel de illo ebibi, quod aliud recipere non possum, Ideirco si non proficiunt visa, veniamus et ipsi virtutum ad arma, quia pro talibus tantisque Deum si digne laudare non cessem, beatior ero, lieet monitis eius et moribus sim ipse minor. Pascasıus. Magna molimur, frater Adeodate, sed nulla, nisi ardua virtus. Unde narremus, ut fertur, fabulam toto notissimam mundo. Quoniam, ut ais, exi- gua virtus est praestare silentia rebus, sieut e contrario gravis culpa, quae tacenda ® auf Rasur. +» pulchrum est ergänzt Traube. ° rotondusc. 4 sibi c., sieubi verb. Traube. © aequabilitas? vergl.Cic. de of. I c.26.31. que übergeschr. 8 verb. aus quam. ! Vergl. oben 8.23 n.1. ? Ausonius de viro bono v. 5 ed. Schenkl p.149. ® Sat. II, 7, 86, vergl. Vita Adalardi c.15 p. 314: Erat autem iuxta illud Oratii quod magnis laudibus praedicatur z. s. w.; Augustin. de quantitate animae c.27 (Opp. I, 414): Hine est enim quod apud Horatium magnis laudibus extollere illum versum quo ait cum: de sapientibus ageret etc. Vergl. Simson, Rhein. Museum XLI, 638. * Diese Stelle habe ich vergeblich gesucht. Radbert’s Epitaphium Arsenü. 35 sunt loqui, quamvis utile multis dissimulasse prodenda fuerit, tacendaque prodidisse. Venit enim hie noster Arsenius, sieut melius nosti, ad monasticam*® vitam iam pene perfeetus!, licet demum maior meliorque erevisse” eredatur, quia nemo qui virtutibus hac in vita proficere nequeat. Venit, inguam, sicuti prefatus poeta tuus ait”? iam, Fir bonus et sapiens, qualem vi reperit unum *Milibus e cunctis homimum consultus Apollo: Iudex ipse sui totum se explorabat ad unguem. Fateor me neminem sui exploratorem vidisse similem huie, qui non dieo cotidie, verum jugiter sua tantum rimabat gestorum intima, quantum nemo solertissimus iudicum discutit aliena. Apeoparus. (Juaero abs te, quomodo si jam teres atque rotundus venit, sui maior meliorque demum fuit°. Numquid rotundo aliquid rotundius esse potest? quod si omnino potest, restat rotundum non fuisse, ut ab immobili puncto, scilicet divinitatis opere, circulus formaretur virtutum. Pascasıus. Quantum ad formam geometrice spectat@ discipline, videtur fore quod ais, sed si ad virtutum®, quia semper ex omni parte Christo introrsus modi- ficante in spera equissime eireumaguntur, hie inchoatio ad formam ineipitur; illine ubi civitas virtutum est, consumatur. Unde in comparatione Dei, sieut*nemo bo- nus, ita nemo perfectus; et sicut nemo perfectus, ita nemo teres seu rotundus, tamen dieitur et bonus et perfeetus homo, et si perfectus, utique teres, quia in Christo eonformatur, in euius nimirum cirewitu iris esse legitur, ex quo omnis per- fectio virtutum designatur. Ceterum nemo profieit ad ista, qui se cotidie maior meliorgue non invenitur. Hine quoque propheta: Beatus vir, inquit, cuius est auxi- lium abs te, ascensiones in corde suo disposuit. (Juid sit autem, ascensiones dispo- nere, subiungit de singulis: Et ibunt, inquitf, de virtute in virtutem. Ita ut omnium virtutum forma, proprias cuiusque caritas efficiat anime quantitatem aut qualitatem. Constat igitur animam virtutibus erescere, deerescere autem vitiis, et ad non esse tendere. Iste vero noster cotidie sicut de virtute ad virtutes, ita de esse ad maius esse tendebat, et sieut ad maius et melius, ita licet ijam virtutibus teres", ut for- matior atque rotundior esset, iugiter Christi manu formabatur. Sed qualis quan- tusve iam esset,*quando seculi deposuit militiam, testes sunt presens pater et fratres, qui satis intenti ac sollieiti, multis eum, dum pulsaret novitius ad hostium mona- stiee diseipline, perscrutati sunt probationum argumentis et solertie disciplinis. Testes quidem, quod velut aurum in fornace fuit probatus, inter omnia increpa- tionum dura et aspera, in tantum qui needum tyro, ut perfeetus jam Christi miles haberetur. Erat enim in illo spiritus Dei et ideo, ut fertur, in nullis frangebatur ® monasterium c., verb. von Mab. b verb. aus crevisset. © nach fuit ein Wort getilgt. d expectat c., verb. von Traube. e nach virtutum ein Wort getilgt. f aus inquid verb. $ propriam c. h das erste e übergeschr. ı Vergl. V. Adalardi c. 35 p. 322: Wala vero tus Corbeia ut dixi tyro reeipitur. 2 Ausonius de viro bono v. 1-3 a.a.O., wo explorat steht. 5* Ki) 28) Apoe. 4,3- Psal. 83, 6 < f..26. Rom. 3, 28. Psal. 16, 4. (e- 10.) rs 22272 us ar 36 E. Düumnmter: molestiarum spiculis, sed seipso cotidie probatior renitebat. Quam vera igitur apostoli sententia, quod omnia cooperantur illis in bonum*, qui secundum propositum vocati sunt sanct. Nam ei et quae pro malo inferebantur, profecto luerifiebant. Psallebat enim cum propheta Domino: Propter verba, labiorum tuorum ego custodiri vias duras. Fateor, yuae multis dura videntur, illi levia erant: erat enim monachus. Apeoparus. Quid laudis est, quod monachum eum predicas? Nonne et nos ac quampluri’mi monachi censemur nomine? Pascasıus. Vere censemur tantum nomine, sed falsi invenimur opere. _Unde quidam de patribus bene se intuens: Ve, inquit, mihi, qui nomen monachi falsum porto. Unde si diligenter consideres, rari inveniuntur. Sed hie noster unus erat e milibus, qui solus digito monstrabatur. Annon recolitis oculos ad nos omnium venientium? (nam mox inter omnes eum intuebantur), ut quasi ad lumen erant defixi, eumque requirentes, soli loqui desiderabant; etiam et cum ultimus esset a primordio, a cunctis pre omnibus venerabatur. Nemo igitur, ut adsolet, etiam apud patrem levitatis causa quispiam apud eum reprehensibilis voluit inveniri. Gravitas enim eius et morum probitas inlustrabat omnes et ideo pudica mente» vultum singuli coram eo submittebant. Licentius enim coram sole, quam coram eo aliquid admitteres reprehensibile.. Nune vero quam*miseri sine illo vivimus, multis adlecti® inlecebrarum usibus! Omnes enim licentia deteriores sumus, quae cum alicu in mente inciderit, frequenter frena gravitatis amittit. Unde Severum interroga, si quid de illo nosse desideras. SEevErus. Fratres, fratres, quid dicam, quove inveniam dicendi copiam, cum in me nihil remanserit de illo, nisi flendi ac gemendi facultas? Bonum namque mihi erat cum eo, dum portabam jugum aduliscentie! mee, coram illo quasi solitarius ac tacebam, magis quam nunc, cum loquendi licentia relaxatur; et aestimo inpunius® liceere, tunc quae verebar ne admitterem. Patior usu, qui pene iam omnium homi- num est, ut melius aliena videam et judicem quam mea. Ideirco inhonesta quam sepe committo, praesertim quia cum illis frequenter ago, qui neque ius, neque bonum aut aeguum sciunt. Melius peius, prosit obsit, non curant neque vident. Nihil enim nisi quod libuerit, placet, nihil nisi quae voluerint,*scientia defenduntf, etsi eos esse res non sinit ut volunt. Porro nos illi palmam damus, eumque magni- fice efferimus, qui vim tantam habeat et potestatem atque efficatiam fallendi, ut falsa pro veris valeat adstruere, et improbos optimos iudieare. Ideireo non est nune temporis de isto quippiam laudabile predicare, tamen quia omnes norunt, licet oderint et invideant, non multa facundia opus est ad laudem, dum religiosior omnibus nostri temporis a singulis predicatur et perfectior. Fuit enim in omnibus discipulus monastice discipline, militans diutius sub regula vel abbate. Diseipulus, inquam, quia in cunctis subditum se et humilem exhibuit, magisque subesse gau- dens, quam preesse!; prodesse tamen tam sub iugo magistri, quam prelatus postea 2 his vor qui getilgt. b mentae c. © aus adlectis verb. d verb. in adulesec. © impuniis verb. in -nius. f defendint verb. in -dunt. ‘ Vergl. Reg. S. Bened. c. 64 (ed. Wölfflin p. 63): prodesse magis quam praeesse. Radbert’s Epitaphium Arsenii. 37 euravit. Et ideo demum perfectus invenitur pater et magister, quia discipulus per- feetior ceteris approbatur et filius. Quod genus rarissimum *invenies, dum singuli magis preesse gaudeant, quam subesse et prodesse. Alioquin non tanta prela- torum penuria perfectorum esset, neque proficiendi magna diffieultas, quia plurimi, etsi presunt, prodesse vix paucis appetunt, obesse multis. Hic autem quantus sub disciplina fuerit oboedientie*, multorum ore laudatur. Et inde est illud, cum novitius adhuc esset, tumescente alveo fluminis, iussum est more solito, ut fratres irent turgentia resecare herbarum, ne amplius inundaret. Tum ille cepit reliquos exhortari, ut tunieis tantum induti intus introirent, quatinus melius proficerent. Quo dieto, plures una cum eo introiere. Ubi multo perpessi frigore, relatum est patri ad monasterium, quo iubente mox extracti sunt, atque coereiti, ne ulterius talia auderent. Unde constat, quod sepe*de fervore boni amoris, si diei fas est, eontingit excessus culpe, dum mens minus deliberat conpellente amore caritatis, etsi Paulus apostolus dieat: Caritas numquam exeidit”. Hine quoque quam sepe talia Petro legimus accidisse, minus“ eonsiderans, ore quid exprimeret. Porro excessus iste (ut ita fatear) non est“ amoris, sed inscientie nota, unde ipsius flamma levius purgatur. Nonne vidistis eum iam cum hospitalitati nostre preesset, qualis quan- tusved erat? quam humilis, quam devotus? Quem enim aliguando nobilium vidistis tam vilia semper appetere, tam aspera tolerare? tam horrida et fetida diligenter adtreetare? non dieco vilia caleiamentorum hospitum, verum vulnera pauperum, eorumqgue foetida vestimentorum nonnumquam sie quasi aromata baiolans abluebat, omnia quippe eorum sie non lassescens infatigabiliter sustinebat.* Pascasıus. O domine bone Iesu, quam infatigabilem eum fecisti ad omnia dileetionis officia! quam strenuum, quam efficacem, quamque devotum! Satagebat enim eirca frequens ministerium ita sollieitus, ut pauperum curam et hospitum atque infirmorum ante omnia et super omnia gereret in die; nocte vero somno expleto parvissimi temporis, non minus ante vigilias fratrum, quam post vigilias una cum Maria indefessus ad pedes domini lesu coram sanetis altaribus prostratus humo iacebat. Tu nosti, domine Christe, quo lacrimarum imbre solum rigabat, te rogans, teque suspirans, te querens, ad te pulsans, ut aperires ei ianuam pie- tatis tue, aperires quoque, ubi ei. actenus elauseras; et susciperes, ubi elementer illi aperueras. Quibus ianuis apertis, ut eredimus, tune penetrando pulsabat fide, nunc fruendo amplectitur caritatis amore. Poterat enim dieere cum propheta: * f. 28. “fi 28, 1. Cor.13, 18. * f.29. ef. Luce. ıo, 39. Defecerunt oculi mei in eloquium tuum, dieentes, quando consolaberis me? Fateor ergo Psal. 113,82. sepe me vidisse loca suis mane madentia lacrimarum imbribus, et conspexisse*® oculos pene consumptos® a fletibus. Vidistis et vos eum, ut reor, frequentius squalentem vigiliarum angoribus, vidistis madentem fletibus, vidistis affeetum ge- mitibus, vidistis utique macie‘ tenuatum et pellem ossibus herentem vietus parsi- monia, et tabentem faciem laboris vite sue sudoribus. Utrasque namque vitas suis a vor ob. ein Buchst. getilgt. b aus excedit verb. © ein Wort getilgt. d aus quantisve verb. © p übergeschr. f ein Buchst. getilgt. »f.20.. c£. Luc. 10, 42. * f 30, Proy. 3, 34. + fr30!. (e- zz.) age 38 E. Düuuter: gerebat temporibus, practicam scilicet in die, theoricam*® vero in nocte, hinc inde earum respersus floribus. Noverat cum Maria, etsi frequens erat cum Martha, quod unum esset necessarium, et ideo singula ad hoc unum iugiter solidabat; illue su- spiriis hanelans, hac dilectionis offieio ad ea propulsans, satagebat in die agrum corporis sui refundere sudoribus, in nocte vero fletibus. Vidisses enim mane illum quasi rore® purpureo perfusum, lacrimarumque imbribus inroratum®. Unde si velis plenius cognoscere veritatem, Severum interroga, qui semper plus quam ego vigi- lare studuit ae potuit, et ideo de his omnibus potiora cognovit. Severus. Etsi ficte de me ista dieis, tamen, licet qualitercumque, multa de illo*percepi, que iure debeant predicari. Annon recolis cum quanto frigore Do- mino psallebat, qui pene a sanctis altaribus vix semel in noetibus recedebat, ut ad leetum veniret. Quem si interrogasses, an pervigil canendo, petendo, querendo, pulsando, noctemque gemitibus et fletibus vincere vellet, responderet illud Catonis!: Si velim, aut nolim, et si possim, aut non possimd, me tamen vigilare iuvat, propter illud: Beati qui vigilant ad fores meas, guoniam si mane me quesierint, invenient me. Alioquin, nisi ob beatitudinem perfeeti laboris, numquam talia et tanta sustinuisset vigiliarum officia. Presertim nullus mane qui non posset videre roscida humi pavi- menta, quibus in nocte Domino militabat. © quale tune tempus! vidisses enim quasi ad unius galli cantum continuis noctibus reliquos omnes exeitari, et passim hine inde altis erepitare gemitibus. Nune vero quanto plus soporamur, tanto plus mortui vivimus, quoniam dum somno*servimus, etsi vivimus, mortui sumus. Pascasıus.. Tu tantum de vigiliis narras, ceterum quantus qualisque vixerit. aut non recolis, aut certe, quod in me reprehendis, pandere non audes. Severus. Audeo plane, sed de nullo temere loquendum. Pascasıus. Cave, frater, ne comicorum®? notam incurras, quia, ut aiunt, ne- minem liberum, neminem obseguentem, neque qui recte tractare verum possit, neque nosse aliquem, neque ab aliquo ubi non recte vivitur, cognosci. Et ideo forsan nec tu illum ostendere vis quanti penderes, nec ille tibi credere est ausus quod equum est patri. Que si‘ essent, forsitan numquam illum silere etiam volens posses. Severus. Plane cupio de illo que virtutis sunt ostendere, quem plus me cre- didi, quia de se sibi nec ipse quiequam retinuit quod non nossem. Transfudit se ad liquidum, ut paternos in me formaret vultus. Non enim sibi remisit tempus, nec respexit, sed totum se Deo commisit,* et transposuit ad ea que non videntur. Hine ergo claruit, sis quando vice sua hiemalem fratrum calefaciebat!! domum, quantis augustius? virtutibus renitebat, quantisque acrimoniarum fumi nitoribus pice pressius denigratus estuabat. In tantum igitur illo eremabatur® igne et fornaeis incendio, ut videres eum iam non carne vestiri, sed effigiem quendam fuliginis spiritu vegetari. ® theoriam c. b übergeschr. © aus inroratam verb. d übergeschr. e aus commie. verb. f ein Wort getilgt. 8 si übergeschr. h calefiebat c., von Mab. verb. : augustus i übergeschr. k cremebatur ce. \ Diese Stelle habe ich nicht gefunden. ® Ter. Heautontim. I, 1, 91-103. Radbert’s Epitaphium Arsenü. 39 Pascasıus. Recolo satis et recordor, quoniam tamquam aurum in fornace probabat eum Dominus, ut eum demum quasi in holocaustum aceiperet, ipseque se sua sponte laboribus defecabat, plus appetens mala mundi, quam que suavia sunt, pro Deo in omnibus tolerare. Macerabat se ieiuniis, et vietus parsimonia temperabat. Gerebat quoque curam de omnibus, et multa fratrum sollieitudine sancta premebatur. Hospitibus vero et fratribus infirmis sedulo serviebat obsequio, euius cum plures venerationis affectu refugissent obsequium, frequenter aiebat di- cens: Heus tu! cur evacuare vis* offieium meum, et oboedientiam mihi commissam tollere?*Ad euius nimirum vocem mox quicumque eius se manibus® prebebat trac- tabilem, unde eottidie® magis ac magis eum fama ferebat ubique per aures, et predicabilem® commendabat. @Quid plura? defuncto Antonio! paulo post substi- tuitur pater eximius eius in loco. Ob ceuius nimirum electionem a fratribus ego- met direetus, mox obtinui apud augustum quod olim plures optabant. Perrexerat enim prius dilitisceendi gratia fratres invisere nostros, et illam secundam excolere!, quae de nomine matris ipsa est, quae® et mater ipsa, sed altera; altera, sed ipsa. Unde revocatus, mox occupavit eum nostra electio. De euius nimirum vite ab- stinentia et rigore castigationis tune mihi a quibusdam optimatum, ut persensi, augusto jubente suasum est, quod non eum ferre possemus, neque vite vestigia imitari. Ad quod ego quasi arridens: An nescis, heus tu, nos qui sumus? num- quid eaudam pro capite, ut quidam adsolent, monstruose volumus eligere? quid putas si tantus esset, quantus excellentior aliquis sanetorum? numquid quia com- meare*nequimus, eum preferre oportetf, qui postergum eat, et non potius qui precedat? Tum ille paulisper subridens augusto haeec, ut eredo, retulit. Quibus ita dietis, euneta que volui, et ut volui, penitus impetravi; atque eogente illo, nostris, licet invitus, paruit votis, qui dudum subterfugerat quantisper prelatus. Apeoparus. Timeo, ne forte qui talem eums oblatrant, sentiant, de quo proposueras enigmatice loqui, elarius predicari. Pascasıus. Non invisa dieimus, neque incognita. Ideireo etsi adumbratur titulus, liniamenta tamen gestorum produnt, uti pietorum mos est, qui bene pin- gere norunt, qui sepe ita vultus exprimunt, ut sine litteris et-voce loquantur. Sed talibus quia needum apposui labra, et condita sub silentio servo, erit, ut eredo, illa: dies, mihi eum liceat eius aperte dicere facta, et que potiora sunt de illo, manifestius explicari. Interdum? vero, sicut mones, ne quid® nimis fiat, cautius loqui iuvat, et uberius deplorare, qui sine illo vivimus, cum quo*melius .mori duxerim, quia mors eius transposita est in vitam, forte ante tempus nobis optatum, ne malitia mutaret cor eius. (@uod si non est ita, mente pertracta. a vor -is Buchst. getilg. » Raum für ein Wort frei geblieben. ° das zweite t übergeschr. 4 am Rande nachgetr. © quae dis sed ipsa am unt. Rande nachgetr. * et getilgt. = eum getilgt. h quit ec. ı Im Jahre 826, 2. Jan., vergl. V. Adal. ce. 35 p. 322: quem postea post decessum fratris vice Christi gaudens sibi exultat patrem habere (sc. Corbeia). ?” Für interim, wie Mab. bemerkt. ef. Sap. 3,6. in ENG ga: a Ioh. 12, 44. Gal. 5, 6. Bag: (e. 12.) ass * f.34. 40 E. Dümnuter: Apeovarus. Vere eredo et pertracto, quia veredica vox est, Qui credit in me, etiam si mortuus fuerit, vivet. Iste vero non perfunctorie?, sed ex toto cum dileetione eredidit, quoniam ea sola est fides qua vivitur, que per dilectionem operatur. Et ideo quia sie vixit et eredidit in eo qui vivificat mortuos, non morietur in eternum. Pascasıus. Etiam et tibi, quia sic” eredis, subpeditat fides, quanto magis qui tantis virtutum redolet operibus, credendum, quod jiam exinde immareiscibiles ca- piat fruetus? Nam a die professionis sue mortificationem Christi tulit in corpore suo, et deinceps cum iam pater esset eleetus, quasi eius signifer ad aciem contra inmanissimos hostes primus ubique® processit ad campum. Mutata siquidem militia mutatus est et miles: qui primum arma tulerat contra Abitrices!, gentem@ in- domabilem, demum contra vitiorum portenta virtutum vexilla tullisse gloriosius pre- dieatur. Unde nunc palmam gestat pro munere, qui olim*honores eontempsit se- euli pro religione. Anpeoparus. Novimus haec omnia, sed quomodo conversatus sit sub Antonio nostro?, velim edicas, maxime pro fratribus nostris Saxonia degentibus, quorum fuit ex genere, ut sciant ad plenum quales habuerint fidei suae fundatores. Pascasıus. Si hoc profecto narrare eoepero, non invenio quo incipiam, quo me primum vertam, vel quo progrediar, quia eorum vita eorumque actus sie in- dissotiabilis fuit, ut non invenias, postquam eos agnovi, quid unus eorum sine altero gesserit. Quia etsi opus quodlibet proprium, aut quasi pro viribus, pro tempore, pro officio in aliquo dispar fuit, commune tamen votum et voluntas una fuit, ita ut videres eos quasi sub uno iugo aequanimiter in hac agrieultura Domini aratrum trahere, atque in invicem onera subportare. Et si quando contigisset eis pro loco, pro tempore quantisper abesse, videres unum eorum alterum, acsi bos bovem, cum gemitu et desiderio requirere,*quia nemo eorum se totum putabat ad- esse, cum alter deesset. Quin immo ibi magis affectu quam secum quisque eorum erat, ubi alter esset. Et sieut° bos frequenti mugitu quam sepe pium alterius testatur afleetum, si forte defuerit cum“ quo trahere aratrum a latere consueverat, ita sibi ad invicem sollieiti congemiscebant pre desiderio, cogitantes quid alter ageret, donec se sibi ad invicem® redderent. Licet enim unus eorum esset aetate senior, et alter admodum iuvenis, par tamen in eis desiderium. Quia etsi iste ro- bustior corpore, ille ardore caritatis sublimior, una tamen in eis intentio, unum propositum, unaque voluntas: siquidem iste acutior sensu, sed senex noster in consilio et caritate latior, iste quasi pro iustitia ferventior, sed ille maturior eircum- spectione, et providentia profundior, ita ut iste in subito acutius responderet ad singula, sed ille longius et simul ad presens conside*rabat profutura, et quaecum- que evenire possent econtra. Quamvis ergo carne essent fratres, et; germanissimi perfunctoriae c. bc übergeschr. ° que übergeschr. d ein Buchst. getilgt. € -cut am Rande ergänzt. f übergeschr. Ss in- übergeschr. \ Abotritos vergl. oben 8.30.n.1. . * Siehe den Catal. fratrum Corbei. (SS. XIII, 275) wo Wahala unter Adalhardus an letzter Stelle. Radbert’s Epitaphium Arsenüi. 41 fide et voluntate, moribus tamen in hoe dispares videbantur, quod ille egregium in se omnibus representabat patrem, iste autem discipulum monastice discipline et carissimum in omni subieetione filium. SEvERUS. De his ergo nemo ambigit, quoniam ipsi, ut omnes fatentur, ex omni regali prosapie singulares erant in sanetitate ae religione, atque in bonitate studiosissimi. IJdeireo nee mirum, si se mutuis fovebant virtutibus, qui se etiam aliis imitabiles prebebant exemplis. Sed quoniam Antonius noster iam senectute fessus laboribus et curis videbatur inferior, erat tamen in caritate amplior, cuius semper latus sollieitior iste afleetu pie devotionis suo fovebat studio, et curas re- giminis suis humiliter complebat® offieiis, ita ut videres eum omnia procurare ut filium; eui exhibebat® reverentiam ut iunior,*famulatum ut servus, diligentiam ut frater earissimus, teneritudinis amorem aliquando ut pater, imperiosum quoque consilium eum omni humilitate ut senior, cui erat tanta in cunctis pacientia, ut nullis moveretur molestiarum iniuriis. Pascasıus. Bene recolis, frater, ita ut unius necessitudinis gratia conplurium nobis necessitudinum officia connumerare videaris, quatinus in uno eodemque non unum nos amisisse doleamus, sed plures, presertim cum et in isto, et jam in An- tonio quid amisimus, necessitas tanti doloris recordari compellat, quorum fraterna elaritas° et amoenitas vitae, non tantum nobis, verum in omni imperio regni sic emieuit et resplenduit, quasi videres duo caeli Juminaria ubique clarescere, quam- vis iste minus, ut ita fatear, et ille maius, quia ille pater erat, et iste filius, ille senex® senior, et iste forte agilitate morum acrior sieut et aetate iunior.* In quibus nulla adulatio fuit, sed hine inde expressa pietas, nulla ad invicem dissensio, ita ut non invenires ad eo(rum)‘ propositi simulationem® quid adderes, quoniam unus spiritus erat in eis et una fides, unaque concordia pacis, et vera in omnibus religio sanctitatis. Et ideo inter eos nilil aliud quam totum® quae caritatis sunt et pie- tatis deprehenderes, ut nec vices mutarent, nec ad invicem aliud velle eognosceres, quorum erat pulera morum proprietas, ut si qua alter alterum virtute excelleret, unam in eis ad invicem intellegeres armoniam honestatis unumque virtutis tempe- ramentum. Erat enim sie proprium in eis quod erat uni, ut commune probares esse ambobus, itatenus, ut vere iste dimidius alterius diceeretur, sieut et ille in- tegritas istius putabatur. Hine est, karissimi, quod in Saxonia tam unanimes, tamque devoti nove plantationis germina plantaverunt; et utriusque sexus! a fun- damento eoenobia favente Domino eonstruxerunt.* Apeoparus. Miror cur velis eos coequare, cum non iste, sed Antonius, quia loci huius pastor erat, eui facultas suppetebat edificandi, ea edificaverit, hie autem acsi unus erat ex plurimis, licet acceptior in gratia, quia frater; profundior in consilio, prior in voluntate, maior in adiutorio, sollieitior in voto. Et ideo quam- a bübergeschr. » hübergeschr. ° caritas verb. Mab. 1 am Rande ergänzt. ° auf Rasur. f eo c., eorum ergänzt Mab. 3 id est similitudinem MAB. N" tantum verm. Traube. ! Corvey und Herford. Philos. - histor. Abh. 1900. II. 6 “34. *f 36. + f, 36/. an: (e. 14.) 42 E. Düumnmrer: vis semper plurimum se diligerent, laboremque suum alter eorum alterius esse vellet premium, tamen illi merito deputatur merces operis, in cuius quae gesta sunt, dedi- cantur labore, quia etsi numquam alteri eorum sine altero fuit voluntas agendi quod pium et sanctum est, illius interea. iure deputatur meritis®, cuius fuit potestas agendi, quamvis commune fuerit opus laboris. Pascasıus®. Quantum exterius spectat° in humano iudieio, ita fama quam sepe concelebrat laudes in vulgo. Sed divinus arbiter intus discernit gratiam uni- cuique quam dedit, et laborem deinceps post gratiam quisque*quem impendit. At vero istorum voluntas quia una erat, et utraque eorum ex alterius pendebat volun- tate, sermo cum ab ore prodisset, manifestum est omnibus, quod huie primum divinitus inspiratum est, occasione accepta pro quibusdam sui generis!, qui ad nos conversionis gratia venerunt, et de rebus suis nobis tradiderunt, quo locus edificaretur eoenobi. Unde ut erat iste amore fervens eirca Deum et circa religio- nem sanctam, circa propinguos sui generis et patriam, coepit instantius persuadere, ac crebris abbatem egregium equivocum? senis, huius operis ut laborem impenderet et sumptus preberet: quia ipse iam tune erat, in quo domestica monasterii nostri sollieitudo et cura residens“ publica requiescebat. Quibus pater ille auditis, Arsenii nostri votum et voluntatem suam esse fecit. Sieque cveptum est® opus virtutis, et prosperatum tantisper, donee senex* Antonius ab exilio regressus, in gratia est restitutus. ‚Quo *regresso istius voluntas mox facta est senis, ita ut videres filium in hae gratia patrem eximjum genuisse, cuius crebrior adortatio in hac parte unam duorum intentionem fecit, unumque vestigium voluntatis, quibus Deus unum velle unumques nolle dedit. @Quoniam et ipsi antea in reliquis indivisi erant?, quando alter nemo sine altero vivere cupiebat, quorum unus erat affeetus mentis unumque desiderium et una sollieitudo sanctae religionis. Quapropter videat prudentia filio- rum, maxime quos pariter eorum fides genuit, et caritas in haec gratia Domino dedicavit: utrumne ulli amplior merces esse debeat, quam ei qui et alios hoc post Deum primum velle feeit erebriori exortatione, deinde ut perficerent! coegit? Qui suo fortissimo adiutorio plus quam propriis humeris subvexit, et consilio sollieitius roboravit, et in omnibus apud cesarem, apud eximios totius regni, et apud omnes quoscumque potuit, hoc egit*omni ingenio, omni arte, omnique studio, ut com- pleretur opus laboris, ipso exortante quod ceptum erat. SEVERUS. Hoc nos non latet, quia valde persensimus his" universa et con- speximus oculis quae egit, ita ut plures clamarent, quod bona monasterii nostri cuncta diriperet, tantum ut loca illa nostris ditaret sumptibus. Sed hoe laudis eius portio est, quod sine! offensione bonorum, illa ex omnibus ditavit bonis, et locupletavit copiis, nec tamen nostra multum minuit. Gubernabat autem fratris ® meriti c., von Traubeverb. ® PS c. © expectat c., sp. Traube. 4 si übergeschr. © est übergeschr. | -nex übergeschr. 5 auf Rasur. h aus evat it verb. in übergeschr. kiasze: U verb. aus sene. ! Des sächsischen ; vergl. c. 12. ® Vergl. V. Adalardi c.65 p.331: ubi iam parvissima eellula a saneto viro suo aequivoco Adalardo nomine sumptu huius monasterii aedificari coeperat, Radbert’s Epitaphium Arsenü. 43 domum, et commendabat iam in se offieium abbatis, quod futurum erat, quando intus prestabat solatium et formam sancte religionis, foris vero scutum defensionis et munimen prestabat ac decus totius honestatis. Porro, ut dixi, iam tune cum patre curam monasterii gerens, quasi arbiter in consilio erat atque ordinator rerum, curam habens de omnibus. Provisor quoque sollieitus animarum, ne displiceret sanctus senex noster*in aliquo Deo, sieque ut placeret in omnibus, laborabat. De- pulsor enim meroris erat et baculus seneetutis sanctissimi senis, neenon et om- nium nostrorum ineitamentum virtutum, in quo sibi sanctus senex pro virore gratiae gaudebat plurimum et eongratulabatur, quem ipse suis sanetis inlustrabat monitis et virtutibus, ita ut hine inde videres eos recreari ab invicem, et proficere in eunctis. (Quae omnja melius forte Pascasius novit, intus forisve que et qualiter egerunt, qui eis comes fuit in omnibus specialis et quasi tertius inter eos in omni negotio. Pascasıus. Non abnuo quae adstruis, maxime qualiter in gente illa prefata eoedificaverint eoenobia utriusque sexus; cum quanta devotione et fervore caritatis, cum quanta humilitate et sublimitate virtutum, ita ut in se monstrarent formam sanete religionis et exempla perfeetionis, ut haberent diebus seculi sequaces disci- puli sub monastica diseiplina*in eis quae imitari deberent, quoniam sieut Dominus ait magister veritatis: Perfectus erit omnis discipulus, si sit sicut magister eius. Et ideo isti vere imitatores facti sunt Christi, ut securius in fundamento positi futurus grex construeretur in Domino, ne aut culmen erigeretur sine quadratura virtutum et firmi- tate fidei, aut fundamenta locarentur sine culmine summe perfeetionis. Quapropter quia imitabiles se prebuerunt, vere pre omnibus sequendi sunt, et eorum monita et exempla .servanda, ne male vacillet in culinine, quod bene constabilitum est in fun- damento, et peius pullulet in germine, quod optime jactatum est in semine, Deinde communis sit noster gemitus pro amissis patribus, quia commune nostrum fuit lu- erum, quia cum eis sub tanta disciplina viximus. Nam in repetendis eorum offichs, recensendisque virtutibus non potest non affici*animus, sed tamen in ipsa affeetione anımi et merore recreamur, et renovatur affeetus, maxime qui eos vidimus. Preterea mihi, qui cum eis fui, quando eadem inchoarent®, quasi reflexa cervice' absentiam eorum semper presentem intueor, cum irent in via, cum essent in loco, cum dis- ponerent singula, cum essent in consilio, et fabularentur ad invicem, cum hauri- rem oculis eorum gratiam, et auribus pereiperem sermones quos proponebant?, et exeiperem verba quae dieebant. Quod si mihi nune iucunditas est mentis ea respicere, quid putatis, karissimi, quanta erat tune gratia, quanta laetitia, quam beata tempora, cum eos viderem tanta et talia meditantes? Fateor quia non possum retexere, quantum virtutes eorum ipse mecum tacitus admirabar, quantumque mihi adplaudebam, quod tales mihi Dominus dederit patronos‘, quorum in consortio, etsi indignus, tertius eram. Non meritis quidem, non gratia,’non ullius® dignitatis honore, sed eorum dignatione tantum visu et auditu intereram pro numero, tamen a h übergeschr. b aus propeneb. verb. © verb. aus -nus. d ein Wort getilgt. ! Aen. X, 535. 536: cervice reflexa. 6* a (e. 15.) * f.38'. *f. 39. cf. Matth. Io, 16. Enge Ezech. 40,2. * f. 40. A]oc. 21, 10. Isai. 61, ıo. (e. 16.) * f. 40'. 44 E. Dümnter: eis pudice satis adherens*, simplieitatis et innocentiae saltem effieatiam mihi non disperabam. (Quorum cum prudentiam cernerem, simplieitatem columbe in eis valde mirabar, et si ad simplicitatem respicerem, admirandi prudentiae® spiritus in me pene nullus erat. Quam semper simplieitatem miris jungebant virtutibus, et quae diee- bant verbis, prudenter coequabant exemplis, et ea quae ambo vix poterant prius, tune unus eorum complebat solus, et si quando alter agebat aliquid sine altero, jam pro consuetudine simul agendi quasi cerneres ambos. Qui licet interdum unus inteetum latus exhiberet°, alterius tamen afleetum in moribus et in officio premon- strabat, ita ut mirareris in eis unam sollieitudinem mentis, unam sanetam et inre- fragabilem gratiam, et si non corporis, unum°vigorem mentis, unumque propositum et unam modestiam meditationis. Qui cum lineas manu tenderent ad opus et ha- rundine metirent ac disponerent utraque loca, quibus in loeis singula fierent, vide- batur, quod edifieium metirent structure juxta Hiezechielem vergentis! ad austrum, ut fundamenta et culmen in caelo locarent. Qui cum adtollerent pariter gressus, illue vultum oculosque levabant, ut probares illos® committere Deo in celis, quod- eumgue fieri disponebant in terris, et illue locare katabula fundamenti, quo vix aliorum culmina surgunt. ApEopATus. Ut video, more Thome apostoli!, isti locorum fundamenta et domorum strueturam ponebant, quae numquam veteresceret, edificabant officinas‘, et culmina erigebant, quae numquam corruerent. Alioquin non eredo, quod in tam longinquas regione haec illi temptarent, nisi, quia nova lux Christi in eadem gente nuper refulserat per Spiritum”*sanetum, visum est eis, ut celestia inter eos edifieia constabilirent in terris, quatinus et ipsi possint dicere® in spiritu cum Johanne: Vidimus Hierusalem feliciter nostris in loeis novam descendentem de caelis, in utroque sexu ornatam monilibus‘ suis. Sie namque ab universis de eisdem loeis predicatur, ut nemini eunctari liceat, quod in eadem gente haec divina sint castra cum suis gemellis foetibus Domino dedicata. SEVERUS. Quamvis haec omnia ita sint, ut asseritis, vellem tamen scire, quid Arsenius noster eo in facto plus fecerit, quam unus eorum, qui cooperatores fuimus sancto seni, presertim cum tunc temporis nulla erat ei potestas, nullaque facultas amplius agendi quam ceteris suis commilitonibus. Propterea cavendum, ne aliquid ei plus tribuamus, quam oportet et ipsa veritas se habet. Fortassis ergo, ut pre- missum est, in eo divinitus aspirata est talis tantaque voluntas; deinceps vero commune ha*buit velle cum ceteris fratribus suis; commune posse, vel non posse aliquid commune agere, et oboedire in singulis. Pascasıus. Primum prerogativam meritorum, ut asseris, hane habuit in hoc opere gratiam, ut prior omnibus ipse haec mente coneiperet, deinde, ut res claruit, in hoc plus feeit, quia pre omnibus plus voluit; et sua permaxime* prior voluntas 2 's auf Rasur. b prudentiam verd. Mab. © ı übergeschr. Us übergeschr. © jllis c., verb. von Traube. f n übergeschr. 3 verb. aus longincea. bein Wort getilgt. Ü_ verb. in munilibus. k ma übergeschr. 1 Vergl. Acta Thomae (Supplem. cod. apocryphi ed. Bonnet I, 134, 22). Radbert’s Epitaphium Arsenü. 45 omnium voluntates in hoc negotio genuit, exeitavit, suisque precibus atque assi- duis persuasionibus una cum prudenti consilio enutrivit. Ac per hoc, lieet in An- tonio fuerit potestas et eximia sapientia peragendi et virtus magna perficiendi, in isto tamen quodammodo videtur excellentior gratia, quamvis communis fuerit, quia quiequid ille egit aut voluit, totum ab isto exorsum est una cum Dei gratia et enutritum. Et non solum quod ille® voluit et fecit, verum etiam quiequid alii suis prestiterunt suffragiis, utputa situs loci amoenissimus et locuples valde ac fertilis, quo dedicatum®monstratur coenobium, et omnia quaeque sunt, quibus in gyro vallatur ille locus. Igitur nemo nostrum ignorat, cuius! fuerit hereditas, quam nulli alteri omnino cessisset in vita, etiam (ut ita fatear) nee regi, nisi divinis ab isto fuisset eonpulsus” persuasionibus, eui nihil contradicere poterat, quia ab ineunte aetate eius carissimus atque familiarissimus fuerat pre omnibus. Cuius® itaque preeibus et consilio adpulsus‘, pro eius ortatu libenter tradidit Deo, quiequid in terra carius possidebat. Unde iure illi haee gratia deputatur, qui et locum talem a Domino eleetum olim® huie operi aptum elegit et impetrare potuit, quia neseio si ullus alter mortalium potuisset. Erat enim in eadem gente idem valde dilectus et nimium famosissimus. Quod elaruit, cum ad quoddam placitum non multum longe ab eodem loco Antonius venisset, ubi multitudo eorum propter eos confluxerat. A quibus cum suscepti essemus venerabiliter, coeperunt *omnes post Arsenium nostrum® vultus intendere, eumque pro nimio amore et admiratione pressius eum eircumvallare; ita ut pre gaudio et desiderio abducerent illum a nobis, quia nullus eorum Antonium, cuius erat potestas, respieiebat, quem omnes fuleie- bamus hine inde et venerabamur pro viribus constipati ut dominum, sed nemo eorum nos, nec illum, quinam esset, considerabat. Tum ille gavisus pro sua humi- litate, quia nos omnes excluserant, et exultans pro fratris susceptione, conversus ad me subridens ait: Bene possumus nos hinc, frater, abire, quia nemo nostrum hie curat, neque aliquid esse attendit; sieque acceptis duobus, aliis relietis omni- bus, acsi soli, gaudentes et iucundantes" regressi sumus ad iam presignatum locum. Haee ideirco dixerim, ut seiat nobilitas filiorum, quales habuerint fundatores, quia et humilia de se sentiebant in omnibus, et nullis,*ut! adsolent*, movebantur mundi favoribus. Et ideo nee ille pudore confusus est, nee iste honore insolens effeetus, quia istius acceptio et fama in populo, illius erat gaudium et exultatio; non tantum quia gratus erat, et amabatur ab omnibus, sed quia dignus erat amore atque acceptione, ut bene secundum Deum prosperaretur in eunetis. Alias autem in humilitate neseio quis esset sublimior, nisi aliquis in faetis eorum hoc voluerit deprehendere. Nam cum esset uterque secundum seculi dignitatem eximius, vieis- ® zwei Worte getilgt. b conpulsus verd. in compulsus. © Huius verb. Mab. d in appulsus verb. e el.ol. am Rande nachgetr. ! m übergeschr. 3 nos verb. Mal. hverb. in ioc. i alii fügt Mab. hinzu. k ads. verb. in assolent. ı Gerardus in Vita sancti Adalhardi seribit, locum illum concessum fuisse a parentibus Theodradi Saxoniei, qui Corbeiae in Gallia monachus factus est MAB., vielmehr die Transl. S. Viti (Jaffe, Bibl. rer. German. I, 7), dagegen Wilmans Kaiserurk. I, 284. FraT: * f. 41”. *f, 42. x f42.. #43, Gen. 28, ırı. aa 46 E. Dümmter: sim tamen decertabant, ut inveniretur quilibet eorum humilior. Inde igitur est, quod Antonius, quamvis pater esset et dominus, tautam reverentiam modeste satis inpendebat filio et fratri iuniori, quantam nescio si ullus impendere velit aut possit coequali. At vero econtra quantam iste diligentiam adhibuerit, ne ab ullo pre- veniretur in obsequio, in reverentia debiti honoris, in cura et sollieitudine* atque in omni famulatu debite servitutis, in sermone et habitu neenon et in incessu, neseio si aliquis dicere suffieiat, cum nemo imitari queat. Ceterum ad exemplum aliorum quantam® de se prebuerint abieetionem, vel unum® de pluribus pandam. Iste cum in eibo vilissimo esset partior eunctis, voluit et vestibus“ patrie esse con- tentus, dieens quod non esset dignum, ut monachus qui vilorıbus ıuxta usum provintiae in qua degunt“, eultioribus vestiretur indumentis vel lautioribus utere- tur eibis, quam conprovintiales, inter quos degeret‘. Unde et caleciamenta sibi parare iussit iuxta ritum patriae, quos ruhilingos‘ dieunt!, et portare voluit; nisi a patre diseretionis causa prohibitum esset. Sed miror, eur ille in hoc facto tam diseretus esse voluit, qui in suo (si dici fas est) superstitiosus potest iudicari. Nam eo in tempore in itinere positus, nullum in noctibus apparatum sibi sinebat fieri, sieut solent viantes facere, quo tegeremur imbribus;* neque tentorium aliguod sibi permittebat erigere die et nocte, sed fusi super terram quiescebamus, et iuxta illud, quod quidam canit?, salubres nobis erba dabat somnos, nisi quod beatus pater sibi ac mihi providebat egregie satis profundos atque amplissimos (ut adso- lents fieri illa in terra) agri suleos, ubi iubebat mihi nostrum sternere lectum, quorum latera hine inde puleris nos ambiendo fovebant fuleris, dum equi sella in medio posita, quae unam mihi alpem® ad caput! prebebat, alteram illi. Nee aliud quid habentes in eo, nisi quod in die supra et deorsum habuimus. Haee tota mollicies lecti erat, et ambitio satis honesta. Severus. Nec hoc superstitiosum videtur, ut estimas, presertim cum Jacob dum iret multo labore eoniugem emere, in via nihil aliud ad caput quam lapidem habuisse legitur nec ullas’ secum dilicias® vexisse preter baculum. Quid igitur mirum, iste dum vadit uni viro virginem dispondere Christo domino et castam exhibere! uxorem, si nullis fuleiatur honoribus*"nullogue ornatur” apparatu, dum totum in se premonstrare debuit et in nobis, quiequid sponsam servare voluit, quam ducebat Christo, ut sanetissimam paupertatem magis semper sectaretur, quam dilieias® mundi, et amplecteretur dura et aspera, per que omnino itur ad Christum? Novimus enim, quod non solummodo in hoc facto se imitabilem prebuit tam sanetus pater, verum etiam in omnibus, in quibuscumque Christi religio commendatur. Sed forte quia rari sunt qui de se tale aliquid exhibeant, quoniam omnes pompas 2 quantac. + unam ce. © usibus c., nach u- ein Buchst. getilgt, vest. verb. Traube. d degeret, contentus esse deberet verd. und ergänzt Traube. * degunt c., verb. von Traube. f vor die. ein Buchst. getilgt. 5 ad übergeschr. h verb. aus capud. is übergeschr. k dilie. verd. in delie. ! h von anderer Hand übergeschr. m ornetur verb. Mab. 1 2 Ein sonst unbekanntes Wort. * Verg. Georg. III, 530: nec somnos abrumpit cura salubres. ® ie. altitudinem Ducange. Radbert’s Epilaphium Arsenü,. 47 seculi sectantur, tu ideo ista dieis. Sed iste de se ampliora ostendebat filiis vir- tutum exempla, licet ex occasione itineris ista dixeris. Pascasıus. Quid, si omnino in repetendis eorum offieiis reeensendisque vir- tutibus® animum adpulero®P? Ipsa recordatio, ut sentio, renovabit dolores nostros, quorum memoria voluptas est animi et ineitamentum virtutum. Et ideo eorum meminisse gratia est suavitatis, quoniam iucundior in mente est atque*alacrior eorum sancta recordatio, quam ulla inpresentiarum obleetatio dilieiarum‘, profeeto quia instanti tempore iure nulla laetitia est sine merore, nulla dulcedo sine amari- tudine, nulla honestas sine confusione, nulla iueunditas@ mentis sine tristitia. Nam ubique luctus, ubique dolor et gemitus!, quoniam, non dieo cottidie, verum omni hora ubique mala audiuntur, neque aliud quam confusio nuntiatur. Porro duo isti, quamvis jam mala erebrescerent, quia viri virtutis erant, non poterant nos admo- dum mestos relinquere, qui nos suis consolabantur verbis, instruebant exemplis, roborabant consiliis, et piis nutriebant disciplinis. Et ideo hodie adhuc manent nobiscum, et semper manebunt, si veri eorum imitatores fuerimus et amatores vir- tutum, quas si vere amamus, iam hie non esse coepimus, sed peregrinamur, saltem ex desiderio, quo melior nostra portio est. Numgquam enim in nobis toti sumus, si eos vere dileximus, sed in illis,“quia caput erant, in quibus nostri pars maior fuit. Et quia uterque eorum in Christo vivit, propterea melius illie nos devote peregrinari oportet, in quo summa universitatis est et portio singulorum. Hine eorum recordatio jucundior eunetis opibus, et gratior inpresentiarum quibuslibet bonis, in quo nostrorum universus est fruetus. Illue namque et ipsi antequam irent, sua omnia transplantarunt, ut nos sursum adtollerent, quos parvulos in Christo nutriebant. Quanto magis eos illue conversari oportet filios, quos ad hoc genuerunt, ut in celestibus quasi lilia florerent, et quasi cedri Libani in altissimis erescerent. SEvERUS. Ut audio, aliter aedificata est Roma a duobus fratribus, et aliter nova nostro de nomine. Illa siquidem carnaliter in terris, ista spiritaliter, ut di- lataretur in caelis; illa ut edomaret gentes sub suo imperio, ista ut extraheret suos de mundo; illa ut eresceret rebus et ditaretur rerum copiis, ista vero ut beata* paupertate locuples fundamentum haberet in caelis. Illa itaque a sanguine coepit edifieari et cum sanguine rebus bellieis erevit; ista ut paupertatem amaret pre- sentis vitae in spiritu et ditaretur in celestibus. Pascasıus. Quantum video, tuo more agis, qui severe alios antequam corri- gas, culpas. Forte percenses eos, quos isti unanimiter duo plantarunt fratres, ut erescerent et dilatarentur in caelis. lam tibi contra eorum precepta et instituta, contra eorum provida satis monita videntur ire, et rebus erescere, dilieiis“ affluere, et honoribus ac pompis seculi dilatari. Alias autem superfluum esse puto men- a aus virtutitus verb. b von anderer Hand verb. in appulero. © dilie. in delie. verb. d verb. in ioc. !_ Vergl. Verg. Aen. II, 368: 369: ubique luetus, ubique pavor. (e. 17.) * f.44. fat. Ezech. 40, 2. + f.45!. ef. Matth. 51 3- + f. 46. ib. 4. 6.7. (e- 19.) + f. 46". AS E. Düumter: tionem duorum edificiorum? fecisse, nisi quia illa in sanguinibus terrena edifieata est; istud vero quod ab istis Domino dedieatum est, sie® construitur iuxta illud Hiezechielis‘, quasi edifieium vergentis ad austrum. Eisdem itaque mensuris super eadem fundamenta, eadem latitudine et lon*gitudine, totidem habens portas, easdem- que fenestras, et nullam erescendi aliam rerum magnitudinem. Ad hoc quippe duo isti eximii fundamenta in gentibus ad boream eivitatis cum ponerent una cum tur- ribus et propugnaculis suis, tria ista omnino monebant, ne rebus multum ditescere gauderent, neque divitias seculi appeterent, ita ut ın eis@ cor apponerent, sed om- nino dilieias® et voluptates acsi venena fugerent. Ad ultimum ne ullis, acsi pro religione, honoribus et fastu deleetarentur superbiae, ne forte ex toto fatescerent, et in vacuım deperirent, sicut in Galliis multas deperisse a religione eclesias bene olim fundatas eernimus. Quapropter isti, multis iam edocti exemplis, suos pre- monebant filios, ne rebus affluerenturs humanis, pro quibus seculo deservirent, sed ut essent pauperes spiritu, humiles et mansueti, mites*ae misericordes, et justitiam semper in omnibus esurientes, quatinus de illis omnes bene vellent prop- ter mundieciam cordis eorum; bene optarentt, ne propter invidiam rerum et feli- eitatem eis inviderent et opprimerent eos seculi servitute. De quibus adhuei fa- vente Deo omnes bona nuntiant“, bene existimant; et sunt adhue virtutibus ın- lustres et mirabiles probitate vitae, quoniam adhue in eis eorum odor respergitur, et virtutes vigent; efferuntur laudes, magnificatur religio, et predicatur! excellens nobilitas, quorum adhue benedictio in eis floret; et amplissima vitae dignitas com- mendatur; cereseit quoque uberrimus meritorum fructus, ac preclara pullulat et ex- tollitur gratia. Severus. Esset laudabile, fratres, quiequid de eis amplissima virtutum fama ubique eoncelebrat, nisi prius res sollempniter monasterio nostro delegatas et om- nia, illis in partibus quae*nobis conlata” sunt, de iure proprietatis coenobii huius (quod valde mirabile est) alienaverint, et in sua eos proprietate per sese esse vo- luerint. Presertim cum rarus qui locum, cui” preest, ditescere rebus magis magis- que non velit, ut valeat amplius dominari et dilatari, quasi pro religione, fastu potentiae. Isti autem e contrario non solum loeum, eui preerant, ditescere rebus, cum possent, noluerunt, verum conlatas” distraxerunt et redigerunt° in libertate usibus fratrum, ne ad nos pertinerent. Pascasıus. Hoe igitur quod docebant verbis, faciebantP ut confirmarent exem- plis. Monebant enim, ne aut nos, aut illi res non necessarias susciperemus, neque facultatem habere amplam ambiremus?, quasi pro Dei religione, sed rebus et pos- sessioni eclesiae modum inponeremus, ne digitum illi ultra extenderent, monente a fi übergeschr. b übergeschr. © inezechielis c. d ji übergeschr. 2. allk - verb. in del. f aus fugient verb. 3 affluerent verb. Mab., aftluere niterentur Traube. h aus aptarent verb. aus adhoc verb. * aus nuntient verdb. 1 tur übergeschr. m conl. verb. in coll. 2 -cum eui auf Rasur. ° in vedegerunt verb. P am Rande nachgetr. U Vergl. V. Adalardi c. 68 p. 333: commendans eis per omnia (sc. Adalardus), ut in nullo terrenorum eupidi essent, neque quiequam vellent aceipere unde alii gravarentur «.s. w. Radbert’s Epitaphium Arsenü. 49 propheta, aut agrum agro usque ad terminum loci absque eoneupiscentiae fine copu- Isai. 5,8. larent. Sed ne iniusta* vobis videatur huiusce libertas facti, noveritis, quia fruc- *Lar. tuosius atque honestius est, eo quod iustius et utilius esset, eas per se in usibus coenobii Domino sub libertate deservire, quam nostro eas inoportune satis atque superflue dominari hereditatis iure, quia ubi vel ubi Domino seu eclesiae sua he- reditas deservire comprobatur, cum in usibus servorum suorum religiose satis cum caritate expenditur. Unde valde locupletatur donum gratiae, cum ex una radice perfeete dileetionis duo coenobia monastice disciplinae geminantur. Apeoparus. Satis sit quod actenus eque ambos replieas, quorum una fuit (e. =.) virtus operis, una mentis intentio. Sed quia Arsenium in hoc opere* lamentis pro- sequi decrevimus, qui in istis etiam amplius laboravit, solus fletibus commendandus est, quoniam nisi tam cito hine abisset, forte fratres de quibus loquimur, celi cives efleeisset,”qui contemptum seculi eis in omnibus exhibebat. Fecisset sane etiam *£ar. eos semetipsos contempnere pro fide, sieut et ipse prius semetipsum contempserat. Redigisset® ergo omnium corda in unum gratia caritatis, ne ullus ultra normam et mensuram monastice discipline ad ea quae foris sunt, se extenderet, quod satis ostendit in prelato', quem ibi preesse maluerant, cum redisset, si non tam cito rursus propulsus Italiam petisset. Pro certo namque comperimus‘, quia ultra ne- quaquam ibi preesset, priusguam de se humilia sentire didieisset, et non inflari pro genere, non dilieias? ampleeti, non lascivire nugis seculi et vanitatibus, neque quae mundi sunt seetari. Vidisses profecto hine inde quasi edifieia eelestis patriae ef Ezech. consurgere ad normam illius eivitatis, quam supra commemoravi, quae*semper vergit + 48 ad austrum, et mensuris celestibus metitur®, et non humanis in saeeulo dilatatur. Vidisses hodie turres ibidem et propugnaeula fidei usque ad caelos humiliter ex- altari, omniaque virtutum genera consurgere; et non pro fastu superbiae locum rebus dilatari. Verumtamen quamvis ita fatear, eius odor adhue hodief ibi fraglats, virtutes vigent, doctrina morum pollet, nobilitas conversationis manet, gravitas admiratur, conlaudatur" caritas, et predicatur in omnibus disciplinae honestas, ita- tenus ut de fecunditate filiae matris ubique fama adnuntietur valde gloriosa, et ubertas hine inde dilatata per omnes aderescat prolis. Haee igitur, fratres, Arsenii nostri sunt preconia, haeec eius operis benefieia et virtutum insignia; euius dum seeula manent et religio eclesiarum*erit, eius laudes famaque bone vitae ab ore +1... hominum numquam deficiet'. Nec inmerito igitur, quia fruetus redundabit in se- mine® multipliei, dum laus satoris crescit! rursus in messe, et* messis per annos multiplicatur in plures. Unde veri Dei sententia confirmatur, qua ait: Quicumgque Maith. 0. reliquerit omnia quae possidet propter nomen meum, centuplum accipiet et vitam aeternam = possidebit. Reliquit ergo iste plura, sed maiora in seculo adquisivit, qui omnes a 0 übergeschr. b verb. in redegisset. © conper. verb. in comper. d dilie. verb. in delic. © aus ment. verb. f am Rande nachgetr. 5 | übergeschr. hverb. in collaudatur. i ci übergeschr. k auf Rasur. I verb. aus crescat. \ Warin, Adalhard’s Nachfolger als Abt von Corvey 826—856. Philos. - histor. Abh. 1900. II. | ef. Ps. 101,6. #249: (e- 2r.) 210% 50 E. Düunter: facultates eclesiae, ipsam amando eclesiam, suas fecit. Reliqwit innumera, qui semetipsum et omnem concupiscentiam presentis vitae ad liquidum calcavit. Reli- quit euneta, quando semetipsum sie deieeit, ut eum vidimus eottidie laboribus fati- gari innumeris, vigilis exeruciari, ieiuniis et abstinentia indesinenter corpus ma- cerare?, ita ut videres cum propheta David eius pelles ossibus herere, et virtutem carnis pre nimia inedia® iugiter tabefieri. Sie denique paupertate Christi vestitus, felix et beatus iure° emieuit, qui habitos*honores contemsit seculi pro religione; sed quam strenuus fuerit operum ad virtutes, testis est Severus, qui cum eo multa egit, ut eorum fratres exemplo proficerent. Severus. Hac! lege vobis meam adstringo fidem, que novi de illo plura reti- ceam, et memoriam obtime instituam, ut cum tempus venerit, sopitis jam inimi- eitiarum facibus, palam volentibus audire edisseram. Quia si falsum aut vanum vel fietum nune ex eo aliquis palam enarrat, magis utique placet. Et ideo, uti Allabigus iste fatetur, 90? adeo hanc primus inceni viam, quoniam est genus hominum, qui se primos esse ommium rerum volunt, cum nee sint; hos consector, his ego me com- paro; ut rideant, hisque ultro adrideo, quoniam nullus® de bonis nune locus dieendi est, quia tales se detrahi putant, cum alios laudari® audiunt. Pascasıus. Bone Iesu! homini? homo quid prestat, quod iste sibi virtutem cum re amisit neque audeat farı, que novit? Fortassis ergo hune omnes* noti omnesque amici et commilitones ita deserunt, ut nullus de eo audeat loqui. Apeoparus. Formidolosa res est, Pascasi, quod audio, ob favorem malorum bonos eonsectari non audere. Ideirco velim convalescas, fac ut audeas, et, sı fieri potest,“Severum revoca, ne multum timeat, et ne bona que didieit, simul abli- gurriet°‘ spe vana deceptus. Severus. Ergone istum laudare pretermittam, quem die noctuque desidero, quem cogito, quem admiror, cwius etiam mihi fantasma visu videre, refrigerari est; quem cum recolo, amore acrius inardesco; cum commendo, veritati participor? Hunene apud probos laudare desistam, qui etiam apud eos, quorum infieitur odüs, laudandus eonvineitur? Gestat enim palmam laudis, etsi contradieitur ab his, ut Hieremias sanetus, qui de corde sibi falsa locuntur, quoniam iam prelatus, sieut testis est non solum totius, cui prefuit, coenobii congregatio, verum plurium fa- mjliaris notitia monachorum, absque ulla exceptione domnus delinquentium et abbas omnium nostrum fuit. Abbas quidem, quia cunetorum pater, eirca singulos viscera caritatis rore Christi repleta gerens, affeetum pietatis exhikuit; domnus vero, quia nulli lascivire, ut adsolent qui curam pastoralem parvipendunt, igna- viter indulsit, sed inspeetor omnium moribus et vita singulos praecessit, ita tamen ut extremos quosque suis traheret ortatibus, et foetantes cum Christo suis virtu- @ macerari c. b verb. aus media. © übergeschr. d Quon. nullus auf Rasur. © i auf Rasur. f abligurriat verd. Mab. ! Ter. Eunuch. I, 2, 22. ® Eunuch. IL, 2, 16-19, vergl. oben S.11. 3 Bumuch. INER2SEI: * Eunuch. II, 2, 7. > Vergl. Eunuch. II, 2, 4: qui abligurrierat bona. Radbert’s Epitaphium Arsenü. 5l tum *levaret ae portaret humeris. Nullum igitur, quem non suis calefaceret® fomentis®, tepentem reliquit; nullum, quem non sapientiae. sale condierit; nullum quoque, quem acrimoniaruım non curarit doctrinis, si facultas morbi, Christi eooperante gratia, permisit. Verumtamen apposite ad curandum peceati vulnera mediei dili- genter offieia peregit, et ad persuadendum virtutes non minus vite prebuit exempla, quam et documenti oportune inportuneve diligentiam. In omnibus unam tenuit caritatem unamque diseiplinam; nihil neglegens, nihilque parvipendens, que ad salutem animarum sibi eommissarum videbantur proficere. At nune velim cetera Pascasius prosequatur, qui magis eum semper assensu consilii, quam exemplis operum consectatus est; licet me nune assentatorem dicat, quoniam comes inre- motus ubique cum eo fuit. Pascasıus. Ego! hominem callidiorem te vidi neminem. Numquwid non tu ita fassus modo ea refugis, que eonsultum iri tibi plaudebas? tamen ne reticeam que plures norunt, ad regimen huie similem vidi neminem, qui tanta virtutum polleret industria, et sanete*sollieitudinis cura tam indefessus ubique vigeret; qui gregem sibi commissum absens presensve ita intenderet; qui pene nihil aliud eogitabat, (quam)‘ qualiter de singulis ante tribunal Christi rationem redditurus esset. Unde quam sepe eunetos generaliter non minus, quam plurimos specialiter de voluntate liberi arbitrii et potestate proprii eorporis iuxta professionem monastice diseipline satis argumen- tose monebat, ne nostrum aliquis voluntatem propriam sequeretur. Alioquin, aiebat‘, Quomodo rationem pro aliguo redditurus ero, nisi et potestatem sui cor- poris et voluntatem proprii arbitrii mihi relinquat? quod® si ipse sibi in sua se retinuerit potestate vel voluntate, noverit rationem se redditurum, non solum pro suis verborum aut cogitationum vel gestorum factis, verum etiam quia contra pro- fessionem monastice legis in sua se retinuit potestate vel voluntate cordis. Tanto profeeto, inquiens, liber ero, quanto non mihi debita potestas concessa manet, neque voluntas sui relaxatur arbitrii. Attamen queeumgque potero, caritative super- impendam, ut de potes*tate et voluntate liber inveniar, ne aut perfunetoria fallar potestate, aut voluntate mee consectationis deeipiar. Bone Jesu, quanta ovium eura et sollieitudine animarum indesinenter affıeiebatur, nune generaliter erudiens omnes, nunc specialiter monens singulos; hune minis, hunc doetrinarum deliniens blandimentis; istum, iuxta quod propheta dieit: Infrenabo te laude mea quasi adu- latorie“ laudibus revocabat; illum reprimebat eonvitiis, omnes tamen suis semper provocabat exemplis. Erant autem verba eius, ut dixi®, quasi clavi defiwi in altum, et dum omnibus proponeret in conventu, videbatur unicuique quasi speeialius affari. Nihil enim ex omni contextu regule relinquens intactum, nihil indiseussum, et, si quid, omnes quod minus agerent, invenisset, illud coram multis apponens suasioni- bus, divinis, quamvis parum videretur, non neglegere commendabat mandatis. Quod a calif. verb. in calefieret c., verb. von Mab. b aus fonentes verb. © von mir ergänzt. d agebat c. © d übergeschr. f -riae a getilgt. 8 ut dixi übergeschr. ı Ter. Phorm. IV, 2,1. %.f.50. ef. 2. Tim. 412. * fi 50’. * fl 51. Isai. 48, 9. Ecel. 12, ır. 2 Sr Ecel. 2, 24. 25; 3, 12. *f. 52. (e. 22.) 3, 52), 52 E. Dünnter: si quispjam ex omnibus sancte regule verbis aliquid excedens non satisfaceret, hune coram, hune secretius arguebat, et sale condiebat doctrinae. Nihil enim parvi- pendebat, sed salutem *animarum ante ommia et super omnia gerens!, etiam minima queque summa ac precipua iudicabat. Omnis ergo sermo eius sale conditus erat; ideirco aut curabat vulnera, ne morbidis actibus grex periret; aut sanitatem eusto- diens animarum, virtutem anımis inserebat, ut semper oves sibi commisse ın herbis virentibus accumberent iuxta aquarum fontes, et inde uberius pinguescerent; quos- que corporeis provocabat etiam benifieis, ut eustodirent legem regule et mandata Christi exquirerent. Severus. Quidam* ait?, quod numguam ita quisguam bene subducta vatione ad vitam fuit, cwi mon res, etas, usus semper adportet novi aliquid, et® moneat ut illa que te scire credas, nescias; et que tibi putaras prima, in experiendo repudies: quod nobis satis nunc dolendum evenit. Nam nos vitam duram olıim qua viximus cum eo, prope iam excurso spatio amisimus. Quamobrem rem ipsam jam censemus facilitate, et” mihil esse homini melius, iuxta Proverbia Salomonis, quam dilcüs“ afflui, et, suis unieuique frui laboribus. (@Quod nunc nosse perfacie est, quando® aliquis suam*semper agit vitam in obio, in conviwüs, elemens sibi et placidus est luxu® voluptatis‘; nulli ledere reo ausus pro veritate, nulli contradicere; consuetus adridere omnibus, nullumque redarguere; siÖı quidem vivere, sibi sumptus facere: et ecce hunc omnes benedicunt, amant et elorificant. Nos autem denotare quam simus agrestes consuerunt, quam sevi, quam Zriszes, quam Zruculenti, quam tenaces, quam ceterorum infamatores, Ergo talibus dum studemus satisfacere, conterimus in querendo vitam, elatem; et ca- pimus ab his odium interdum pro fructu laboris, dum suis potiuntur commeodis; eosque amant ceteri ac diligunt, nos quoque fugitant, talesque ut viwant, optant. Illis quidem sua credunt consilia, apud eos sua commendant vota, nostram autem ex- pectant mortem, et liberos se promittunt futuros, si desierimus ista culpare, ac nullis eos redarguere posse officiis. Unde si velimus istum laudare, se quoque repre- henderes putant. Pascasıus. Age?, age, nunc experiamur e contra, quippiam blande si possimus dicere aut benigne facere; sin autem, queramus nos a nostris*reamari; et que digna sunt laude, commendare posteris, etiam et ista dando, obsequendo, suadendo, dili- gendo, temptemus emollire, ut et bona diligant, quamvis nequeant imitari aut nolint, et que proponimus veritatis non spernant. An non recolis tu, quid Ar- senius noster egerit, quando quidam e nostris alterius prelationem invidens tume- bat, dum se vilissima obsitum euculla hiemali conspieeret tenuique® antepositum? SEvEruUSs. Recolo plane et satis reminiscor, quoniam mox de sua vilitate in- venit antidotum'. Induens ergo se cuculla obtimi subtegininis precipua, post tri- a auf Rasur. b übergeschr. © in delie. verb. d do übergeschr. © vor luxu ein Buchst. getilgt. f -Juptatis übergeschr. 5 reprehendi verd. Mab. h eumque c., verb. von Traube. i vor -tum ein Buchst. getilgt. " Vergl. Reg. 8. Bened. c. 36, ed. Wölfflin p. 40: Infirmorum cura a. o. et s. o. adhibenda est. ° Ter. Adelphi V, 4, 1-20, z. Th. in freier Wiedergabe ° Nach Ter. Adelphi V,4, 23—26. Radbert’s Epitaphium Arsenü. 53 duum iam illo vaniscente tumore, fratri pater obvius venit?, inruensque super collum eius deoseulabatur; aceipiensque® exutus induit° eum cuculla sua, illiusque vestivit. Tuneque frater blandieiis delinitus! alacris sanusque recessit. Tum porro pater gloriabatur® sui, iucundabatur illius, eo quod talem repperisset vulneris medica- mentum, quo et sibi meritum, illi quoque sanitas augeretur. Multis itaque diebus illa indutus veste, nostram conveniebat superbiam, qui de habitu preeiosiori® non- numquam, unde nos°humiliari congrueret, extollimur. Imitatus est ergo summum patremfamilias, qui redeunti filio prior oecurrit, eumque stola prima vestiri feeit: ut caritas invitaret ad amorem, quem luxus expulerat ad exilium. Eeece in uno eodemque facto tria conspeximus: medieinam fratris, patris augmentum, et omnium nostrum religionis exemplum. Sed quia tales non sumus, valde nobis ingemiscen- dum, quia de eultioribus dum deleetamur rebus, etiam a secularibus despieimurs, profeeto quia sciunt, quid esse debuimus. Apeoparus. Miror, cum tante caritatis fuerit tanteque sanetitatis, cur etiam aliquando quasi summitatem lacinii precidentes de ora elamidis, austerum eum fuisse seu durum inculcant, presertim cum in reliquis vite virtutibus multis at- tollant* laudibus? Pascasıus. Ne mireris queso quod ex evangelio recognoseis. Nam piger servus dominum durum vocat, non quia durus sit; sed piger servus', quia torpet eulpis exigentibus suis, dominum infamare laborat*. Hine redeant tales ad con- scientiam, ne forte dum durum istum predicant, atroeiora sibi augeant flagra, et vindietam eumulent!. Nam etsi Dominus colligere dieitur®quo non sparsit, exigit cum usuris ubi non seminavit, quid putas austerum eum fuisse, cum pius ac mitis probatur, nisi quia torpentium ignavia id faeit severum”? Probant igitur se pigros, qui sequi nolunt, eumque durum vocaut, qui vitia leniter vix conpressit et ad virtutes suo provocavit exemplo. Alioquin si durus videtur, duriora erunt tormenta deceptoris, quoniam nihil nisi vitia eulpavit, et virtutes coluit, ne ta- lentum sibi conlatum vacuus reportaret. Quod si Hieremias talibus preesset, nee dubium, quin durior culparetur, quoniam frontem eius Dominus eorum frontibus duriorem posuerat. Luxus quippe virtutum viros duros iudieat semper et agrestes. Verumtamen iste benignus ac pius. fuit, qui plus aliis umquam quam sibi indulsit, sed vitia aut repressit, aut funditus ex” initio resecavit. Unde si durus fuit, illis utique, qui nee suppliciis° a suis refleetebantur conatibus, nee premiis molliebantur, quorum profecto cor obtorpnerat, ut nec eius nee Christi pia monita sentirent?, quia quibusque interdum plus profieit timor, quam amor. Hine quoque seriptum est: /nitium sapientie timor Domini. Et ideo Arsenius nunc* minis, nune plagis, nune rerum beneficiis, nune blandis persuasionibus agebat, ut filios nos adoptionis Christi a auf Rasur. b osculum ergänzt Traube. © -tus in auf Rasur. d dilinitus c. € gloriebatur ce. f preciosioris c. $ aus dispieimur verb. "aus attollunt werd. | am Rande nachgetr. k dom, bis lab. auf Rasur. 1 verb. aus commulent. m S übergeschr. n übergeschr. ° supl. p übergeschr, P sentivet n übergeschr. I pP] g ef, ef. Lue. 15, 22. (e. 23.) Matt. 25. 24. 26. re Psal.rıo, ro. N (e 24.) ef. Lue. 15, 20. * 54. (e- 25.) 1. Cor. 9, 22. Rom. 12, 2. *f. 55. Ioh. 29, 24. 54 E. Dünnmter: faceret. Omni namque industria et sagaeitate curabat circa sıngulos, ne deceptus diaboli astutia aliquis periret. An non vidistis circa? fratrem illum quid* egerit, qui vecors recedere gestiebat nolens pati, eulpis exigentibus suis, quod commiserat? Severus. Vidimus plane et cum eo egimus, is? ne sic efleratus hinc abiret, ponentes ad portam milites, qui eum deterrerent. Unde ille timore conpulsus in- trorsus rediit, atque prostratus ad pedes cecidit suflusus lacrimis. Pascasıus. Gaudeo vere quod recolis, et iueundor nimium, quia de quo loquimur, perfectioris vite modestiam tenens, plurimum, ut reor, profieit ad vir- tutes. Bone Iesu, quanta tune letitia fuit! Etenim quasi vidisses prodigum filium revertentem exultantemque patrem. Flebat ergo ille pre gaudio, flebat et filius jiam mansuefactus. Nam et ego cum vidissem eos plurimum flentes, infremui, si- ımulque multas permiscui lacrimas, Deo gratias agentes, acsı de mortuis eum re- ciperemus. Talis quippe patris erat austeritas, talia viscera rigoris, talıs voluntas, talisque*affeetus. Sed nune quam miseri sumus, quibus peccandi libertas datur! alioquin si tune nemo impune peceabat et tamen reeidivi surgebant casus, quanto magis nunc, cum? malis® blandimur nostris. Aprovarus. ÜUt video, iste perfecte caritatis fuit, qui ad quod Christus di- lexit, diligebat suos, et quod in divinis invenitur disciplinis, operibus exigebat. Sed aiunt, quod non satis conformis® erat, ideirco minus redamabatur!, minusque frequentabatur a multis. Pascasıus. Fateor quod ei sepe ista intuli verba, licet seissem, quod pene omnibus omnia faetus esset. Sed ipse, non ut adsolent® quidam, excusatorie, immo humiliter respondebat, non tantam se latitudinem cordis habere, quanta est arena maris, ut omnia posset. Ac deinde, Quibus me conformari, inquiens, optas? num- quid ignavis aut vieiosis? numquid vaniloquis et iocosis? Annon legisti quid aposto- lus elamet? Nolite conformari huie seculo, sed reformamini in movitate sensus vestri. Talibus ergo et huiuscemodi exemplis altius se iugi conatu erigebat ad virtutes, ne levitas dissolveret mentis, que gravitas Domino caritatis offerebat introrsus. Miror, frater et fili, quid velint lasciviis et voluptatibus tlediti, perfectiores quosque sibi conformes fieri*, cum ipsi potius transire deberent ad formam virtutis. Alioquin adoptionis fili non erunt, nisi preseiti et predistinati fiant conformes imaginis filii Dei. Ad hane igitur formam prescitus et predistinatus Arsenius iste, ideirco pueri- libus non se multum coaptabat ludieris, licet interdum celsa® in petra stans, rari- nantes ! quosque pueros suis ad litus ortabatur facetiis® comminus venire. Quibus licet risum moventia parum diceret, gravitate tamen agebat, ne dissolveretur virtus argumentosa, sed ut lactans infancia, suis exuta crepundüis, paternis lactata visce- ribus, perfeetiora appeteret. Nullus tamen eorum vultui eredebat risibili coram eo, nisi gravitate se reciperet, quia juxta quod Iob ait: Ztsi ridebat ad eos, non a übergeschr. bs übergeschr. © aus conformes verb. d redamnab. n getilgt. © verb. in assolent. f verb. aus arene. S werb. aus caelsa. h -tiis auf Rasur. \ Vergl. Verg. Aen. I, 118: Apparent rari nantes in gureite vasto. Radbert’s Epitaphium Arsenü. 55 credebant ei. (@uoniam etsi resolvebat gravitatem eloquii, Zux vultus eius non cadebat in terram, agens argute, ut sibi conloquentes ad virtutum studia provocaret. Porro eum cum audirent, arpectabant sententiam eius, et intenti tacebant ad consilium. Läcet Iob virtutibus longe inferior esset, auris tamen audiens beatificabat eum, et oculus videns testimonium reddebat ei, quod liberasset pauperem vociferantem, et pupilum cui non erat°adiutor. Benedietio namque perituri super eum veniebat, quia profeeto a puero iustitia sicut vestimento est indutus. Unde et causam quam nesciebat, diligentis- sime investigabat. Quapropter cum pedagogus esset angusti cesarıs! ultra Penninas*® Alpes, quid egerit in iudieiis, quidve in dispositione rerum et iustitiae disciplina, Chremem interrogemus. Curemes. Vereor laudare virum, ne id adsentandi” magis quam quod habeam ex illo, et gratum facere existimer. Tamen ex toto ne reticeam, qualis quantusve investigator veritatis fuerit, quam strenuus in sententia, quam fortis contra summos iudices iniquitatis, quam effieax ingenio contra eos qui corrumpuntur muneribus: unum e pluribus pandam, quo facto nihil iniquius hoe in tempore didici. Nam euidam iudieiario viro vidua quedam nobilis, quasi defensori, sua seque eommisit, eui et per testamentum traditionis, etiam pene dimidium rerum suarum adsignavit, ut cetera sibi tuta manerent. Ille vero mox callide ad integrum omnia in eodem testamento adprehendit et testes adhibuit. Unde prefata mulier ad sua reverti volens suisque rebus*uti; adsunt prohibentes ne ad sua ingrederetur, quasi de- fensori suo omnia tradidisset, et bene (ut aiunt iocose) omnia defendit, qui pos- sessori nihil relinguit. Tum illa infelix vidua suis viduata rebus, imperatorem adiit, illeque suis cam euidam episcoporum una cum reliquis iudieibus terre sacris commendavit scriptis, ut causam ipsius diligenter quererent, iudieiumque reetum agerent. Sed quia deelinawerat unusquisgue post avaritiam suam, causa viduarum non ingrediebatur ad eos. Hinc sıbi fabricantes mendacium, adplauserunt una cum testi- bus, ut populus non intelligeret talia, et universi usque ad sacerdotes Christi fa- cerent dolum. Quibus ita patratis, suis illa rebus iam“ explosa, defensor ille a senioribus populi relatum accepit, ne ulterius de his ulla rerum controversia fieret. Verumtamen illa multis vexata malis et molestiarum doloribus, tandem per Alpium aspera juga montium longo confecta itinere, repedavit ad Gallias, regemque suis pulsare fletibus eoepit. Tum rex tantis miseriarum gemitibus permotus, Arsenio nostro eam commisit, qui tunce una cum augusto°filio eins ob institutionem et dispositionem regni a patre quasi fidissimus mittebatur et propinquus. (uam ille premittens, ad sua ut rediret ıussit, donee veniret idem in patria, ut tune coram cum suis se presentaret testibus. Quibus auditis, Italia omnis contremuit, et ad sua callide! se convertit fraudis argumenta: coepitque moliri insidias a Penninos ce. b_ verb. in assent. © auf Rasur. d verb. in callida. ! LDothar’s, vergl. Annal. regni Francor. a. 822 (ed. Kurze p. 159): cum quo (sc. Hlothario) Walahum monachum propinguum sunm, fratrem videlieet Adalhardi abbatis. . una direxit ete.; Amalar. de ordine antiphonarü (Bibl. patr. max. Lugdun. XIV, 1052). lob 29, 24. ib. zr. ib. ıı. ib. 12. 13. a ib. 14. ib. 16. (e. 26.) * f. 56. Isai. 56, 11; 1,23. er EIN Isai. z, 23. fsr: ef. Gen. 4, 10. Ps. 7,10. fl ef. Gen. 4, 10 56 E. Dümuter: in® morte femine, quia cernebat venire, quem muneribus posse corrumpi non pu- tabat. His jeitur armis omnium consuevit infringere mentes, et ad suos inlicere eoncupiscentiarum amplexus, quo(niam)® pene omnes seguuntur retributiones et diligunt munera. Sed cum in isto nihil ad impietatem proficere posset, vertit se ad fraudes facto iniquitatis. Cui cum iussisset saltim partem aliquam reddere de rebus, quas iniuste per dolum subripuerat, sciens se cireumelusum, mox inmisit elaneulo qua- dam in via tres de suis qui eam occulte perimerent. Sed quia tres erant in ne- gotio°, videbatur non satis tutum ad silentium. Tunxit scelus sceleri, ne forte interrogati facınus detegerent. Sepositis longe ab invicem, uni eorum duos inter- ficere® iussit,"ut iam nullus esset in superficie terre, qui sanguinem innocentem dolo perfusum reseraret, parvipendens miser, quid divinus arbiter sentiret, tantum ut humanum iudicium evaderet. Sed Arsenius noster Dei succensus zelo, multis usus est argumentis, ne lateret occultum, quod manifestum constabat, quanquam! nee® indieio, nec testibus conprehendi posset, a quo esset factum. Reperitur*f interdum tamen unus eorum in cuiusdam specu subterraneo defossus, et fit inde conieetura dissimilis. Tenetur is quidem reus, in cuius invenitur specu, sed ceri- minatur alter, cuius gestum suspicatur instinetu; nullus tamen eorum convinei potest ab aliguo. Qui, putas, dolor tune erat in mente Arsenii, quive gemitus? Vidisti, domine Iesu, quantas coram te profuderit preces, quantasque lacrimas, qui sangui- nem Abel iusti de terra elamantem olım audieras, etiam ut horum a quo fusus esset, aperires. Contra quem tota Auxonia una cum suis senatoribus corrupta muneribus decertans agebat, ne inveniretur reus ab uno, qui omnibus notissimus erat raptor et homicida. Tu autem scrutans corda et renes, Deus, omnia noveras, et tamen athletam tuum multo afficiebariss zelo, nec illi demonstra*bas quod pa- tebat plurimis, sed suorum complieibus. Moliebantur omnes pene usque ad unum, ne inveniretur reus, quia in uno jam coram te, Deus, erant plures rei facti. Quantis tune militem tuum iniqui lacerabant infamiist, quantisve derodebant calumniis', quası solus pre omnibus esset ineredulus, solus innocentium contra legem afflietor! Legem igitur proponebant, qui iustitiam non metuebant infringere, sed sanguis innoxius de terra clamabat, etiam et perempti, quod eum iniuste fudissent, iam apud inferos recepti publicabant. (Quid plura? etiam® ommes proceres palacii nune legibus, nune testibus, nunc vero multis argumentorum ingeniis agebant, ut eun- dem reum quasi innocentem dimitteret, interdum autem precibus eum fatigabant. Ipse vero nullis infatuabatur fallaciis, nullis frangebatur! obprobriis, sed invietus agebat quodceumque poterat, si quo modo tandem aliquando veritas manifestaretur. Tune” ad ultimum videntes eius constantiam®, decrevere, quod nisi iudieium de eo acciperet, nihil amplius, licet lex pro parte manifesta esset, in hac controversia a jübergeschr. b quo c. © ein Wort getilgt. d n ubergeschr. © übergeschr. f ein zweites p übergeschr. 5 affieiebas verd. Mab. h -mis i übergeschr. i aus calomniis verb. k ein Wort getilgt. I frangebantur verb. in -batur. m ein Wort getilgt. 2 -tan- übergeschr. Radbert's Epitaphium Arsenü. 57 facerent. Adplaudebat autem populus, quasi? miles Christi nee iudieium vellet* *r. ss. reeipere. Quibus ille auditis solita repetit arma, sibique ieiunium indixit et nobis qui cum eo eramus, ne forte, ut adsolet, in eodem iudieio aliqua fraus inimiei prevaleret. Totam igitur noetem pervigilem duximus in oratione, precantes ut pius Dominus tanti sceleris reum detegeret. Mane autem facto confisi de Dei pietate processimus quasi ad speetaeulum, ubi® omnis populus jam convenerat. Erat quippe tune magnorum multa insultatio®, ita ut plures episcopi ducerentur in hae in- festatione, quia profeeto causa tanti diseriminis non ingrediebatur ad eos. Tune er.Isai. 1,23. verus athleta Christi eoepit impellere, ut iam iudieium pararent. (Quorum positus in medio, expansis manibus preces ad Deum fundebat cum lacrimis, ne tanta fa- tuitas iudieii etiam probos quosque maculis afficeret. Quibus ita profusis mox de Kccti. 3, maxilla celum penetrant et, quia tribunal humani iudieii munus® subverterat, thro- '""” num gratie Christi adsistunt lacrime, cum quibus pariter de terra sanguis innoxius ef. Gen. 4, elamabat. Siquidem internus arbiter, quasi Cain rursus vetustam inerepans con- seientiam, coegit confiteri quod male tegebatur oceultum; et corruit mox ad pedes Arsenii*tremens ac gemens, quia iudex divinus miseram conscientiam intrinsecus *£ ss. puniebat. Unde novo timore pereulsus, eoepit etiam omnes denotare, quorum pre- sidio est usus, ista ut auderet, nihilque sibi ex omnibus que habere poterat, nisi ut adstabat, solummodo remansisse, presertim quod eircumstantibus omnia con- tulisset. Unde profecto illi excecati pervertebant iudiecium, in tantum ut Arsenium suis afficerent odiis, et tediarent insidiis, sed iam divino convieti iudieio, confusi omnes discessere, ac miser celementer redditus est penitentiae. Pascasıus. Infelix nimium tempus, quando aliquis, si quid bene velit, alteri diecat@, nemo obtemperare disponit, sed unusquisque suum velle et non Dei intendit. Omnes diligunt mumera, sequuntur retributiones; eque eunetis studium, similis pertinatia. Isai. r, 23. Uno eodemque videntur ludo ad malitiam prospicere, et si huiusmodi ullus est lusus. Hine sane forsitan parvam adhibeant fidem, quia ex suis studiis nostrum iudicant Arsenium, quasi nihil aliud possit esse aliquis, nisi quod ipsi sunt, presertim cum apud eos nulla sit veritas, quia corruit in plateis, et equitas non potwit ingredi. Unde Isai. 59, 14. . . . . BER 38 - ef. ib. 1, 23. sanguis vidue*non ingrediebatur ad eos, sed quia innocens erat, prede patwit. re Severus. Quid se de his rerum negotiis Chremes tantum permovet, cum et S9u35. apud nos degens pene cottidie® de abditis cordium receptaculis seereta iudieiorum coniciendo protrahebat ad publieum, ut iam vix esset, qui ei sua celare auderet oceulta, sed perserutatis delietorum admissis, lenissimam Christi medieinam mox superponebat egrotis? Cremes. Vere ita est, ut recolis, sed hie plures erant, qui cum eo talia per- quirerent ad salutem, illue vero nullus aut rarus inventus est, non modo qui veri- tatem vel iustitiam non corrumperet, verum etiam exertis brachiis eontra eum qui scelera iniquitatis non defenderet. Hine quoque quidam eum testamenta hereditatis a ji hinzugefügt. b ein Wort getilgt. © inimieus verm. Traube. 4 aut iudicat e., von Traube verb. e eotidie t übergeschr. Philos. -histor. Abh. 1900, II. 5 (e: 28.) * f. 60. zufg60l: 58 E. Dünmuter: alterius fraude detulisset, testes adhibuit, et in quadam gladii teca?! ea oceulte posuit; sieque causatori suo dolose reddidit. Ille vero neseiens quid aceiperet, mox ibidem casu pretermittens, repetebat paginam hereditatis sug ut redderet. At vero e contrario cum testibus alter agebat, quod ei omnia sui juris instrumenta reddi- disset. Sed quia omnis controversie finis sacramentum est, iurantibus illis miser non habuit quid repeteret,*tamen veniens ante presentiam, querelosis aiebat quid gestum esset vocibus. Tune noster subridens Arsenius iussit venire reumP, aesi conseius esset, ordinem tanti eriminis: Infelix, inquit, nımium, quomodo huiusce- modi ealliditatis strofam‘ tantam taliterve excogitasti? At ılle videns se quasi deprehensum, corruit ad pedes, et quod latebat aperuit. Aperoparus. ÜUt video, sapientia Salomonis in isto fuit, et ideo ad investi- ganda secreti negotia tam sagax erat. Pascasıus. Sepe contingit, quod Parmenus ait!, ut homo quilibet inprudens plus boni interdum nesciens, guam prius sciens umquam agat. Sed hie noster nihil in- prudenter egit a professione sua, qui sepe latentia suis conprehendit conieeturarum retibus, quod et ipsi quam sepe vidimus in quorundam fratrum delinquentiis. Ab initio enim semper peccantes umbras adeunt et gestiunt subterfugere, ne appa- reatX culpantibus quod divinis patet aspectibus. Sed quia longe (diu Italiam in- gressi, eis Penninas® Alpes exulati sumus, ubi aurea vidimus Saturnia regna? artesque malignas, seu in quibuscumque mundus regnat et meretricatur* Auxsonia cespis, Gallias tandem, pene omnibus correctis rebus et Eugenio sanctissimo aposto- lice sedis ordinato antistite?, in cuius nımirum ordinatione plurimum laborasse dieitur, si quo modo per eum deinceps corrigerentur, quae diu neglegentius a plu- rimis fuerant depravata, regrediamur. ApzopArus. Fortassis ergo, Pascasi, non minus occeulte, quam callide seu ingeniose, quem laudare decreveras, acriter culpas, quasi videris quae detulit fra- tribus oblata munusceula universa pene in quibus divitiarum genera vel ornamen- torum mundus regnat; talia namque vel tanta, qualia nullus nostrum se vidisse simul testamur. Pascasıus. Numquam itaque cerediderim, quod tam suspiciosus esses tamque nemorosus’, in tantum ut ea que sinceriter dieta sunt, mei ad calomniam vertas. Nam de his tu forte moveris more quorundam, ex quibus alium notas. Tamen illa omnia benedictiones fuisse caste dileetionis, aut obsequia magnatorum, quia procurator regni et magister® imperatoris erat, debite venerationis, nemo qui du- bitet, dum reete de proximi conscientia censeat. Qua profeeto conseientia tutus coram ommibus”nobis, Ista, inquit, omnia quae cernitis, tam secure sine alieuius diserimine potestis accipere, quam eg0 sine concupiscentiarum elogio, vel sine ullius a verb. aus tega. h et narrare ergänzt Traube. © auf Rasur. d apar. p übergeschr. © penninos verb. in -nas. f morosus verb. Mab. Ss ein Wort getilgt. \ Ter. HecyraV,4, 39. 40. * 'Verg. Eel. IV, 6; VI,41; Aen. XT, 253. ® Euge- nius 1]., 824—827. Radbert's Epitaphium Arsenü. 59 rerum dispendio gratis Deo et vobis in me suscepi oblata causa honeste acceptionis, et honore augusti vestraeque utilitatis. Alioquin pro his nullus iniuste aliquid aut adquisivit aut perdidit, neque accepta vel data doluit; immo, ut verum est, a plurimis cum nollem aceipere, vobis deferri quasi in elemosinam preeati sunt. Quapropter his ita susceptis, patet, non, ut opinaris, a me dietum fuisse, sed usus patrie et regni dilicias prenotasse, quia omnino hunc tam liberalem et mundi eontemptorem in omnibus noveram, ut semetipsum iuxta Domini vocem reliquerit. Ergo qui semetipsum tam perfecte, ut omnes seire lieuit, dereliquit, quid sibi, non dieo inique aut cupide, verum etiam lieite sibi adquirere potuit? Immo, ut fassus sum et res patuit nobis, ea magis suscepit, ne forte aut illi (ut adsolet) qui dare volebant, lederentur offensi, aut nos, nostris expensis vacuus si rediret, his auditis, quod sprevisset que nobis mittebantur, calumniaremur. Apeoparus. Placet quod obiecerim*eum te culpasse, quia auditum erat de his quae attulerat, ut omnes intellegant, quam liberalis fuerit, quam alienus a saeculo, quamque mundo mortuus, qui nee pro his omnibus a nobis, neque pro aliis quibuslibet beneficiis, ab extraneis inhoneste saltem gratiam requisivit, sed eonseius sibi semper in omnibus Deo placere studuit!. ‚ Pascasıus. Ita est, mi frater, ut adseris, in tantum ut quidam ex nostris non intellexerint tune temporis ea illi pro munere data, sed nobis a quamplurimis magnorum aut a summo pontifice sedis apostolice, qui ei quamplurima largitus est, transmissa. Unde contigit quadam ex die, cum quidam e fratribus eum pro talibus et huiuscemodi factis laudaret, alius respondisse fertur: ‘Quid de illo talia in laude fertis? nonne nobis ea (uae detulit, fuere direeta?’ ad quod, cum dixisset, risimus omnes. Tune alius: "Te forte decet, inquit, tibi talia tantaque mittantur”. “Misera, inguam, plane humana conditio, quae tam est hebes, invida, vel ingrata.’ Alias autem eorum is nisi in aliquo laborasset, nequaquam ita fassus esset. Verum- tamen constat nostrum Arsenium tantum tune temporis*dilectum fuisse atque fa- mosum, quantum nullus eo in regno. Ideirco talibus tantisque obleetabatur mu- neribus, in tantum ut nolens cogeretur aceipere gratis, ne lederetur amor dilectionis. Agant alii quod possunt; insidientur et terreant quantum possunt; vendant iustitiam pro muneribus: seviant fraude vel dolis, et omnia eunetis venalia prestent: nulli tamen eorum tam multiplieia tamque preeipua quam isti solummodo pro amore ac veneratione gratis offerebantur. (Juibus ita dietis, quia tandem ad Gallias rursus stilum vertimus, finem libri ponamus, quoniam ea que deinceps cum gemitu pro- sequenda sunt, tam dira sunt, tamque immania, ut vix aut nullus qui mente valeat comprehendere, quia formidolosa sunt nimium et confusa. (Quae cum attigerit calamus, quamvis lapideum cor gerat scriptor illarum rerum, nescio si littere pre laerimis possint formari, ne abluantur fletibus, quanto magis ut formetur narra- tionis ordo et status. Hine eonsolemur interdum* nos gaudio eonscientiae, quod ! Vergl. Amalar. a. a. O.: hos (antiphonarios) quos habuimus Wala, quando funetus est luc legatione aliqua, abduxit eos hine secum in Franciam. ® für interim. Er 8 ef. Act. 14. 16, * f. 61. * f. 61’. #62: et ef. 2. Cor. ah SIR SER 60 I. DUmmtEer: talem eum tantumque cognovimus et habuimus, de quo gaudere in Domino non veremur. * Et ne ullis frangamur infamiis previdendum, quia nune in tempore plu- rimi etiam honestiores oblocuntur bonis‘, ita ut nullus exire intaetus possit. ExPLicITt LIBER EPITAFII ARSENII PRIMUS. INCIPIT SECUNDUS. Aprovarus. Post innumeras intus” officii euras, post immensas exterius oceu- pationum causas, post varios rerum negotiorumque eventus et vitae dispendia, post longa hue illueque diversi itineris fatigia et eoncursus ubique, post“ indefessas omnium pressuras, tandem divino dispensante iudieio, relietis omnibus, quia tibi, Pascasi, reddita est quies et libertas animi, recordari oportet quod omisimus olm, guatinus deinceps aliguando epitaphii patris formam expleamus, quam eommendare litteris coepimus pridem. Alioquin esset honestius non inchoasse, quam inchoata non explere. Pascasıus. Confiteor ita esse, mi frater, sed vereor post surda vite silentia, post omissa litterarum studia repetere, quod aut oblivio abduxit, aut levitas morum iam audire fastidit. Insuper si esset*de talibus tempus loquendi, presertim jam nulla est mihi, etsi quandoque fuerit, litterarum facundia seribendi. Tamen ne quod coepimus, infectum veniat in obprobrium, inimieis in gaudium, et desidiosis in exemplum, experiar quod ortaris, et ineipiam, licet mexplebilia sint gestarum rerum lamenta quae restant. Sed quia interdum Severus ingressus est felix viam universe terre, et Cremes inter discrimina nostra iam“ discessit, necesse est unum elisamus de his more sanetorum patrum, qui nobiscum cum eo versati sunt, qua- tinus et veritas per eum, quasi sub tribus testibus, melius commendetur, et noster planetus non diversus vel numero inveniatur. Ideirco, frater, quia tuum fuit quae eoepimus reincipere, tuum sit consortem in hac parte eligere. Aproparus. (Juamvis ergo minus idoneus sim preiudicio discernendi, quia devotus tuis existo jussis, non abnuo quod exigis. Non enim philosophum ad lamentum rite querimus, sed eorum aliquem, ewius aut memoria pie recordationis aut affeetu ad laerimas ineitemur. Unde si tibi videtur, lieet glaber sit, ex omni- bus eligamus Teofrastum®. Teorrasrus. Nequaquam igitur cogitaverim, quod iocos ludo velitis serere, aut puerilia sectari. Pascasıus. Noli mirari, frater, si te glabrum ad hoe* Adeodatus elesit, cum me deerepitum longe diu talibus oblitteratum® studiis non omiserit, quoniam thre- nos et veritatem audientibus maxime probi et bene eonscii amantes commendare a honos e., von Traube verb. b ein Wort getilgt. © am Rande ergänzt. d etsi c., von Traube ver. © auf Rasur. f oblitterarum e., von Mab. verb. Radbert's Epitaphium Arsenü. 61 debent. Ideo nos duo in multis possumus jam diu vexati quam bene filiis et amieis nostros® pandere fletus. Apzoparus. Sed antequam veniamus ad lamentum, rogo, indiees nobis ini- tium tanti diseriminis, quia nullus est sani capitis, qui eredat haec sine offensa Dei in populo contigisse. Pascasıus. Verum hercule quod ais, sed necdum omnia licet omnibus rese- rari, maxime quibus veritas odii® est et scelera placent. Tamen, etsi minus bona eisdem placeant, verum non semper oceulendum est, quia hie de quo loquimur, etiam exprobrantibus sibi verbum veritatis libere loquebatur. Ex quo fit, ante- quam haec mala totius imperii apparerent, erebrescentibus iam iamque cotidie Dei iusto judicio in populo diversis calamitatibus et flagellis, ut imperator una cum suis senatoribus et proceribus terrae requireret, quid esset quod divina maiestas offensa tot taliaque longo in tempore isto premonstraret in populo, quia ijam, serip- tura teste, sola vexalio intellectum dabat auditui. Tumque preeipitur, ut singuli de hoe diligentius quererent usque ad alium placitum', quid esset in quo Deus oflen- sus esset, vel quibus placari posset operibus. His ita quidem iussis, statuit mox Arsenius noster coram oculis*miserum orbem, et divinas leges, simulque patrum deereta: in quibus eonspexit ilico, quantis ecelesie Christi depravatae forent modis., qualibusque populus universus carnalium rerum operibus corruptus. (Qua de causa parvam edidit scedulam, siquidem sibi ad memoriam, in qua litteris depinxit universa regni huius efficaeiter vitia, sieque eirecumspecte, ut nullus adversariorum omnja ita non esse negare posset. Inde ad comitatum rediens, omnia coram au- gusto et coram cunctis ecelesiarum presulibus et senatoribus proposuit singillatim diversorum ordinum offieia, exerescentibus malis, et ostendit euneta esse corrupta vel depravata. Teorrasrus. Obstupesco‘ valde, cum eius tantis provocamur exemplis, quod nemo nostrum qui ad plenum veritatem de illo audeat posteris narrare, licet au- deat detegere peceata populi longe diu aceumulata, clades, pestilentias, fames, inequalitates aerum, terroresque etiam visionum. @uibus profeeto malis precessit prior pulverum fallax adinventio?, sub qua tanta fuit vexatio et prodigium men- dacii, ut prudentibus daretur intellegi, quod universus orbis ad temptandum esset expositus in manibus inimici. Ex quo liquet, pro talibus et huiuscemoli * causis peccata regni, que necdum completa sunt, quod eotidie in peius commulentur, sie- que restat, quod in multis faetum comperimus, ut destruatur. Unde timendum, ne fiat in nobis, quod in multis jam gentibus actum legimus. Nequaquam igitur" dixerim sine causa miracula sanctorum longe diu in Christo quiescentium nuper »oruscasse, quanta et qualia numquam sunt audita a seculo facta uno in tempore a verb. aus nostris. b odio verb. Mab. © obtupesco c. d am Rande ergänzt. ! Vergl. das Schreiben der Pariser Synode, Capitul. reg. Francor. II, 27, und das Schreiben der Kaiser vom Dec. 828 ebenda 8.4, wo 8.5 dieselbe Stelle aus Jesaias wie oben angeführt wird. ® Im Jahre S10, vergl. Ann. regni Francor. ed. Kurze p. 132 n.2. (e- 1.) Isai. 28, 19. *f.63. *f.64. ef. r. Cor. 14, 22. cf. Ioh. 1,9. + f. 64’. (e 2) * f..65. Sap. 6, 26. 62 - EB. Dümuter: ad reliquias sanetorum, quia omnino, quasi in gallicinio, sancti hoc in regno hue illueque delati, se invicem exeitarunt quasi ad? concentum cantus, ut dare- tur intellegi, quod nostra infidelitas iuxta apostolum id exigeret, quia signa non fidelibus, sed infidelibus, ipso teste, verissime dantur, si quo modo post tenebras cecitatis nostrae ad veram lucem, quae Christus est, tandem expergefacti resur- gamus. Anezoparus. Fortassis ergo iste prius si vocatus esset ad conloguii lamentum, quasi proditor nos detegeret, non valens cohibere spiritum in loquendo. Ideirco etsi vera sint quae tangit, suo in loco dicere non expectat. Teorrasrus. Nequaquam igitur quae proposui, alio in loco rectius profe- runtur, quoniam mala quae per partes creverant, primum isto in tempore feriuntur. Crevit enim hoc imperium prosperis successibus usque ad presens, quasi in per- fectam aetatem plenitudinis, sed vitia quae per partes,“ut” adsolet, in prosperitate commissa sunt, coaceryata inoleverant; justo Dei iudicio non minus flagellis, quam et novis virtutum miraculis arguuntur. Propterea igitur, ni fallor, isto denotanda et plangenda sunt loco, ut si non nobis, saltem posteris veniant correetionis ad exemplum. Pascasıus. Ita esse negare non possumus, tamen que noster Arsenius coram omnibus et summis proceribus tum proposuit, omittere non debemus, quoniam ista et huuscemodi alia eum ad hoe impulerant, ut cunetis ex divina auctoritate, acsi Hieremias alter, ostenderet, in quibus Deum omnes offenderant. Et monuit con- stanter caritatis officio, ut mala que admiserant, destruerent, dissiparent et evel- lerent“; bona vero pretermissa deinceps aedificarent ac plantarent in reliquo. Interea nostis, inguit, quibus ordinibus Christi constat ecelesia? Certum quippe! quod secundum singulorum offiecia requirendus est ordo discipline et status reipublice. Unde primum considerari oportet: intus divina, tum exterius humana, quia pro- eul dubio his duobus totius ecclesiae status administratur ordinibus: ut sit impe- rator et rex suo maneipatus officio, nee aliena gerat, sed ea quae sui juris com- petunt propria, neque pretermittat ea, quia pro his omnibus adducet eum Dominus in iudieio: episcopus vero et ministri ecelesiarum, specialius quae Dei sunt, agant. Deinde rex“reetores in regno tales constituat, quales eos Dominus diligenter in“ lege perquirere inbet, et in quibus rex et pro quibus securus maneat, quos utique probos ad regendum populum sanetum Dei et idoneos cognoscat, non secundum proprios hibitus® qui ei faveant, sed qui avaritiam oderint, et Deum ac iustitiam diligant, cuius profeeto offieium est, semper quae recta et iusta sunt disponere et quae depravata corrigere. Alioquin tu, rex, nisi servaveris quod4 preceptum est, fortior tibi eruciatus instat, et omnibus in te, si avertatur Deus, unus inte- ritus. Ideo providendum nihil neglegas, quia in te uno, secundum Salomonem, totius stabilimentum est regni; in divinis autem ne ultra te ingeras quam expediat.' 2 invicem bis ad am Rande ergänzt. b diese Seite hat 19 Zeilen. ° er über- geschr. d ein Wort getigt. © aus libitos verb. Radbert’s Epitaphium Arsenii. 63 Äpeoparus. UÜt sentio, non immerito tu® alterum eum Hieremiam dicebas, ob constantiam fidei et frontis duritiam, qui tam audenter augusto invexit, tanta, quae vidimus, ob luxus desidiam neenon et pessimas regum consuetudines offieii sui negotia, cum esset preoceupatus vanis* rebus, pretermisisse®. Pascasıvs. Acriora sunt, frater, quae tune prolata sunt, de quibus pauca pandam. Ait namque cesari: "Velim, reverentissime imperator auguste ‚”dicas nobis, tuis quid est quod tantum proprüs interdum relietis officiis, ad divina te trans- mittis? vel quid est quod das, quando honores eccelesiarum, immo, ut sentio, onera que largiris? Quod si res Domino iure elemosinarum legitime consecrate sunt, ecelesiarum eius sunt, quia suis pauperibus et specialiter sibi servientibus legaliter date sunt. Si autem benedietiones et Spiritum sanetum, quem digne Deo electi deinceps a Domino et a sacris consecratis presulibus percepturi sunt, auctoritate divina dare te existimas, noveris, quod extra offieii tui est quod presumis. Cete- rum auetoritate sanetorum patrum si eircumspectius® est agere secundum Deum quod agis, et fructuosius quod largiris; ita temperandus est modus una cum clero, et plebe Dei, et sanctis pontifieibus, ne aut tu tibi tua eligas, tibique divina usur- pes; aut vulgus tantam gratiam, seu quilibet personarum in aliquo eonfundat, quo- niıam in his non nisi divina consideranda sunt, et salutis nostrae documenta. Ideo identitas est pene et in rebus ecelesiarum quia facultas earum nihil aliud est, quam! precia peecatorum, vota fidelium, patrimonia pauperum. Ideirco quod semel*le- gitime conseeratum est Deo, in suis militibus et pauperibus ad usus militie sue libere concedatur. Habeat igitur rex rempublicam libere in usibus militie sue ad dispensandum, habeat et Christus res ecelesiarum, quasi alteram rempublicam, omnium indigentium et sibi servientium usibus, suis commissam ministris fidelibus, et hoe sit regis offieium, ut talibus eommittatur, qui et fideliter dispensent, et sapienter provideant, quatinus omnes glorificent Deum, et gaudeant in Christo, uon minus ex futurorum promissis, quam et ex presentiarum consolationibus. Sin alias, ut apostolus ait, qui aliena diripiunt, regnum non possidebunt aeternum; quanto magis qui ea quae Dei sunt et ecelesiarum, defraudantur, in quibus sacri- legia@ copulantur?” Teorrastrus. Quod si ita est, ut asseruit, et de his ulla providentia apud Deum, nescio prineipum nostrorum quis salvus esse possit, quibus nihil tam duleia sunt, quam predia ecelesiarum, nihilque tam suavia, sieut seriptum est: Panis ab- sconditus suavior est, et aque furtive dulciores. Pascasıus. Verum, mi frater, et ideo ira Dei eflusa est super prineipes nostros, quae errare facit eos in invio,“et non in via, dum et saeculares ad di- vina diripienda indebite se ingerunt. Sacerdotes vero Christi et ministri altarıs una cum divinis ad exteriora de intimis se eieciunt, jam quod peius est sine pu- dore et transfundunt, quamvis seriptum legant, quod nemo militans Deo implieat se a auf Rasur. b pretermississe c. © ij übergeschr. d sacrilegis verb. Mab. ! Vergl. Ansegisi coll. I. I c.77, Capitul. reg. Francor. I, 405. *f.65'. * f. 66. ef. r. Cor 6, 10. Prorv. 9, 17. ef. Ps. 106, 40. * f. 66’. 2. Tim. 2,4. 64 E. Dünmnmter: negotüs saecularibus. Hine pessima presumptio naseitur et confusio, hine vorax con- eupiscentiarum flamma, hine virtutum evacuatio et peccati fomes, dum aut mi- nistri Christi facultatibus rerum, ne amittant, inlecti, ad ea quae sıbi non expe- diunt, impelluntur*; aut seculares concupiscentiarum succensi estibus, quae Dei sunt, quasi auctoritate regia defensi, temerario iure contra Deum ereeti diripiunt. Quibus ita coram rege, et coram Christi presulibus et prineipibus terrae ad liqui- dum explieitis, nullus eorum abnegavit. ApropArus. Miror qui® negari posset, quod omnibus in propatulo est, et pene nullus qui contradicat, immo ad invicem provocati deteriorantur omnia hine inde, et ad usus convertuntur pessimos. (e. 3.) Pascasıus. Pro dolor! quod talis cotidie erescit insania inpresentiarum, ita +66. ut omnes pro talibus gestis et dietis convertantur“ad peius magis, quam ad cor- reptionis augmentum. IHline igitur tune omnes coeperunt, maxime ecelesiastiei vir, querere et contradicere, guomodo aliter dignitas et honor ecelesiarum stare potuisset, acsi decreta sanetorum patrum non legissent. Quibus Arsenius noster: "Considerate, inquit°, quae contra auctoritatem divinam veniunt, quatinus ea ipsius auetoritate Dei corrigantur. Vestris enim in manibus sunt iura non minus humana,, quam et divina‘. Tum saeeulares viri: 'Lieet ita sint omnia, inquiunt, quia respublica multis attenuata de causis per se sufficere non valet, nobis cum rebus ecclesiasticis et militibus agendum est, nosque suffragio facultatum earum iuvandı”. Quapropter pande, aiunt, quid moliris’. At ille, “Miror, inquit, quid requiritis. Ecce rex noster, ut sepe ostensum est, de facultatibus ecelesiarum multa in suis suorumque pre- sumit usibus, sanctorum autem patrum anathemata multa sunt nimis divina aue- toritate prolata, ut ipsi pre manibus quam saepe releeta scitis, quae penitus con- dempnant, si res ecelesiarum vi aut potestate fuerint usurpatae ullius iudieis. Propterea rogo eogitate, si aliquis fidellum sua vota super altare Deo detulerit, *£.67. parum multumve sit, veniens autem *quilibet temere vı aut furto ea quae delata vel consecrata sunt, rapuerit; super hoc queso, vitium huius facti quale sit, cen- seatis. Qui simul, acsi novo intus tacti oraculo, sacrilegium esse sanxerunt. Tum ille: “Nemo te, inquit, augustorum clarissime, fallat, quia valde periculosissimum est, res semel Deo fideliter dicatas, ad usus pauperum et servorum Dei, violenter postmodum diripere, et ad seculares usus contra auetoritatem divinam retorquere, Matth.zs, Quod si secundum sententiam veritatis, quaecumque ligaverint isti sancti ponti- fices super terram, ligata erunt et in celis, timendi sunt tot anathematismi saneto- rum patrum qui leguntur pro talibus prolati in saeris canonibus, quoniam non minus eorum viget auctoritas, quantum aestimo, qui jam cum Deo regnant. Id- eirco, ut; dieitis, si respublica sine suffragio rerum ecclesiarum subsistere non valet, quaerendus est modus et ordo cum summa reverentia et religione, Christianitatis, si quid vos, vestrique ab ecelesiis ob defensionem magis, quam ad rapinam acci- pere debeatis!, ne cum maledietionibus et exsecratione sanctorum patrum itatenus a expelluntur c., imp. verdb. Mab. ® quid c., qui Tr. © am Rande nachgetr. X auf Rasur. Radbert’s Epitaphium Arsemii. 65 presumatur®. Porro isti saneti pontifices, si quid ad usus militie exhibendum est, sie exhibeant,°et sie fiat rationabiliter in quibuslibet rebus, ne ipsi cogantur ad *c.cs. secularia transvolare, et pompis saeculi, quibus abrenuntiaverunt, inreligiosius de- servire, quia juxta apostolum, ut dixi®, nemo militans Deo implicat se negotüis saecu- 2.Tim. 2,4. laribus.! Sin alias eorum aliquis, nee verus est Christianus, qui adhuc pompis et operibus deservit diaboli.. Quo dieto, querere eoeperunt quid essent pompe. Ille autem: “Vestrum est, inquit, hoc decernere, et virum magis evangelicum exhibere, quam in quibus saeceulum regnat et gloriatur inhiare'. Teorrasrus. Hoc quippe est, ut audio adhuc hodie, quod de eo nonnulli (e. 4.) calumniantur, quia voluerit res ecelesiarum dividerentur tantumque remaneret ec- clesiis, quantum admodum sufficeret, cetera vero militie seculi deservirent. Pascasıus. Nequaquam igitur ita est, ut male sentis, sieuti et tune temporis plurimi sensere, quia ille super hac re nihil® temere prefinivit vel significavit, sed ortatus est solummodo, quodeumque fiendum esset, sie omnino fieret, ne utri eorum pro rebus terrenis in Deum peecarent. Unde cum a quibuslibet temptaretur episco- porum, quid exinde vellet, nihil aliquis aliud rescire potuit, quam quod omni- bus coram augusto simul dixit. Monasteriorum interea, dum haec tractarentur, ostendit*et enumeravit pericula, cum iam tune temporis nonnulla@ a laicis tene- *£. 6. bantur, etsi hodie multo minus inveniuntur, que de proprio regantur ordine, sed sunt pro® poena peecati omnia pene mundi usibus et studiis occupata vel depra- vata, quia eum bene coepisset rex? de his, in fine erebrescentibus malis a saecu- larıibus sunt pervasa. Identidem autem et tune plurimum detestatus est, quod episcopatus secundum canonicam auetoritatem non rite darentur, neque eleetio ser- varetur. (Quibus itaque omnibus ita hine inde ostensis, cum nullus eorum negare posset, quod ordo ecelesiastieus in omnibus corruptus non esset, excogitaverunt ut tribus in locis® synodi fierent, in quibus* de hoe diligentius quererent, non quod (quantum exitus probavit) emendare talia vellent, sed ut regi interdum fa- verent, quoniam iam tune ea, quae postea monstrata sunt, moliebantur humana; ideireco minus procurata sunt divina. Apszoparus. Miror absentem, cum eius commemorantur dieta, quem$ non («. 5.) mirabamur presentem. Nam cum esset tam humilis, quo nullus humilior nullusque magis mortuus mundo videretur, quid est quod tam inter summos ecelesiarum, presulum videlicet et senatorum consules, in senatu coram augusto consulte con- stanterque *loquebatur ? #60. Pascnastus. Non ignoras, frater, quod is erat iste, quem nee terror mina- cf Rom. 8, ri 33. 39. rum, nee vis rerum, nec spes presentium, nee metus futurorum, nee promissa facul- a aus presumant verb. b ut dixi am Rande nachgetr. © am Rande nachgetr. d jam folgt noch einmal, getilgt. © übergeschr. f in -bus übergeschr. 5 verb. aus quae. ! Vergl. Vita Adalardi ce. 68 p. 339. ® Karl der Kahle. : An vier Orten, Mainz, Paris, Lyon, Toulouse, s. das Schreiben der Kaiser, Capitul. reg. Francor. II,5—6, Constitut. de sy- nodis ebenda 8. 2. Philos. -histor. Abh. 1900. II. 9 + £.69.. (e- 6.) 66 E. Dümuter: tatum, aut interminata supplieiorum genera, aut ulla auetoritas poterat revocare a caritate Christi, a dilectione* patrie et populi, ab amore ecclesiarum et fide imperatoris. Propterea igitur talia et quamplura, veluti alter Hieremias, constanter® loquebatur. Praesertim et militiam elericorum in palatio, quos capellanos vulgo vocant, quia nullus est ordo ecelesiasticus, denotabat plurimum!, qui non ob aliud serviunt, nisi ob honores eccelesiarum et yuestus saeculi, ac lueri gratiam sine pro- batione magisterii, atque ambitiones mundi. Quorum itaque vita neque sub regula est monachorum, neque sub episcopo militat canonice, presertim cum nulla alıa tyrocinia sint ecelesiarum, quam sub his duobus ordinibus. Aiebat namque idem, quod aut canonicus quisque esse deberet (aut laieus‘) aut monachus, quod si neu- trum, iam sub nullo@ monstratur ordine, quia videntur esse sine capite. @uae profecto heresis® quamvis aliunde sibi hoc nomen vindicaverit, tamen ut fassus idem est, nulla alıa isto in tempore peior invenitur ecelesiarum scabies, quae om- nia*eiusdem iura, ex quo coepit, corrupit, in tantum, quia multi eorum vitiosi erant, ut a laicis pene omnia monachorum et canonicorum necenon et feminarum monasteria oceupentur, et sunt omnia depravata. Propter que numquam, quia fu- tura previderat, dubitavit sententiam pro statu regni, pro salute populi, pro sta- bilitate ecelesiarum et religione pacis dignam dicere, etsi quibuslibet displicuisset. Anpeoparus. Quantum datur intellesi, tales qui tune fuere, non consules, non provisores patriae fuerunt, sed latrones, quorum mentes angustas presentia- rum caligo cecavit,. humilitas prava tenebris opplevit, concupiscentia sordibus ma- eulavit, in tantum ut ipsum consulatus nomen, seu splendorem illius honoris, et magnitudinem tanti imperii, nee intellegere aut intueri, nec capere aut sustinere potuissent. Unde non consules, sed mercatores ac venditores tante dignitatis, et perturbatores ecclesiarum sunt dieendi, qui non modo isto monente non consulue- runt, verum subterfugerunt, everterunt et prodiderunt in invicem, ne aut talıa eorrigerentur aut etiam deteriora quae imminebant, obstarent cum potuissent. Et icleo, sieuti* Pascasius paulo superius doluit, non inmerito talia contigerunt, immo quia noluerunt recipere spiritum veritatis ad correptionem, receperunt‘ spiritum erroris ad vertiginem. Inde est quod adhuec hodie nemo principum explicare potest reipublice vias ad iustitiam. Pascasıus. Nee inmerito, quia pro Deo stare noluerunt neque quae Dei sunt primum querere, ut corrigerent quae ijam depravata erant, si, Deus ab eis recedens, consilium patrie deperierit, fides evanuerit, pax aufugerit, et prosperitas ullarum rerum hodie desperata iaceat. Jam rarus qui regibus fidem exhibeat, nullus patriae aut civibus qui reete consulat, nullus qui sociis et amieis debitam cari- tatem impendat. Iudiees non nisi venale aliquid agunt, populus imperialibus non a auf Rasur. b contestanter c. © auf Rasur; aut laieus besser zu tilgen Traube. d aus nulla verb. © hereses c. f receperent verb. in -runt. ' Vergl. Episcopor. relat. c. 32 (Capitul. reg. Francor. II, 39), Walahfridi Visio Wettini v. 327 bis 338, Poet. Carol. II, 314. Radbert’s Epitaphium Arsenü. 67 suffragatur offieiis, auetoritas non viget prelatorum, quoniam imperialis et regum deperüt; res publica et ecelesiarum pauperrima est, quia predones ea diripiunt; eloquentissimi omnes muti facti sunt, quoniam evacuata est virtus agendi et lo- quendi. Nam a saeculo has in partes nihil maius scitum est, neque argumentosius ad excogitandum, sed posse ac seire post uniuscuiusque velle desudat. Ideirco, quantum ceredo,’quia tune vocem huius, immo Dei non audierunt, versa est omnis prosperitas eorum in contrarium, et confraeti sunt vires; consilium aufugit, et omnis sapientia, juxta prophetam, devorata est. (Quod sane ipse, jam futura previ- dens, in eodem plaeito his explieitis premonuit. Ubi mox eum vehemens infirmitas, quam lienteriam medici vocant, apprehendit, quatinus virtutem in infirmitate per- ficeret. Hine quoque deinceps contieuit, donee Dei iudieium nos apprehenderet, et peecata quae jamiam eonsummata erant, elarescerent in facto, in tantum ut quae agimus, solummodo iam non peceata sint, sed poena peccati. Trorrasrus. Cur talia aceiderint, iam luce elarius manifesta sunt, sed quod habuerint initium, non ab re quaeritur, quoniam iure actum eredimus, ut eorum corda obdurarentur, ne audirent culpis exigentibus: divina ultio postmodum ut amplius in nobis peccatoribus iuste deseviret. Pascasıus. OÖ dies illa, quae pene aeternas huie orbi tenebras attulit et dis- erimina, quae pacatum imperium et unitum conseidit partieulatim ac divisit, ger- manitates violavit, consanguineos dirempsit, inimieitias ubique proereavit, et con- eives dispersit, fidem exterminavit,*caritatem delevit, eeclesias quoque violavit, et omnia corrupit! Unde eotidie eivilia surgunt bella, ut ita loquar, et plusquam eivilia.! Exereitus totius patriae pene huc illueque perimitur*, provintiae, pagi, et urbes passim depopulantur. Si qui residui sunt, sine viribus ubique aut fu- giunt, aut ceduntur gladiis. Hine undique paganorum et hostium incursiones, hine quod omne vulgus eoneiditur, villae, eivitates innumere eremantur. Heu misera dies, quam infelieior nox sequitur, sed nulla infelicior illa, quando sceleratus Naso? vocatus est ab Spaniüs, amisarius ille, qui euneta reliquit honesta, in quibus erat ordinatus; et immersit se fatuus ad omnia eeni volutabra. Siquidem ut advenit, acsi ferus aper, evertit palatium, destruxit eonsilium, dissipavit omnia rationis iura; eonsules omnes, divinos humanosque, expulit et attrivit; thorum oceupavit, atque factiose, ita ut insidie viderentur manifestius, omnia pervasit; sieque ceeus, ut nilil aliud esse posset, quam quod ipse invenerat, postposuit divina. ad humana se immersit per fas nefasque, euneta in subito eonvulsit ae eommaculavit, et omnem dignitatem regiam evacuavit; foedera disrupit. eonfudit ordinem,*ut nullus esset status; singula immutavit: diem convertit in noctem, rursus noctem commutavit in diem. Patri abdicavit filios, et patrem filiis. Sieque tyrannidis eius profeeit, ut excederet ultra omnes, et nihil integrum reliquerit. ® dirimitur verm. Traube. ! Tuc. de bello civ. I,1, vergl. Radbert. in Matth. 1. XT c.24, in lamentat. Ierem. I. IV, Opp, ed. Sirmond col. 981. 1496— 1497. ? Markgraf Bernhard von Septimanien. 9* * f. 70' Ps. 106, 27. “fi 77. ef. gr, *f, 72. Num. 22, 31. Isai. 10, 5. (e: 8.) + fı nat. 68 E. Dümnter: Honores debitos qui habuerant, amittebant; qui needum, 'indebite qualescumque assequebantur. ÖOptimi quique virorum, amplissimi et nobiles atque dignissimi, iam auectoritatem agendi omiserant*, quia profeeto nullus aliam tune temporis habuit viam expeditiorem ad honores retinendos et adquirendos, seu ad ea quae vellet® vel eoncupierat, quam illa sequi, quae tunc tyrannus Naso mallet. Interea con- fregerat omnia ossa virtutum vis feminea. Adeo“ stultus, sine oculis et sensu, ad omnia se immerserat. Movebatur enim iam vertigo totius imperü, ne ullus ad- quireret potentiam, ne ullus honorem, ne ullus facultates, sine scelere aut sine aliorum damnationis dispendio. Iste quippe fructus est infidelitatis et discordie. Ideo eonsultissimum est semper serere prudentiae, justitie, fortitudinis ae tempe- rantie semina, ut metere possis centuplicatum fruetum laboris, quam coneupiscentia- rum et vitiorum molimina, ex quo remetiatur*iudieium, et erescat ultio perditionis. OÖ dies illa, dies tenebrarum et caliginis! o dies exseeranda, quando tale coeptum est consilium! Et haec est hora furoris Dei, hora“ nostrae ad vindietam retri- butionis, in qua aperti sunt oculi omnium cum Balaam ariolo, ubi ceeidimus omnes, et evigilavit virga furoris Dei, ubi violata sunt omnia iura legum. Apeoparus. Pro nefas! quod in subito tam immanıa, tam horribilia erevere in regno detrimenta, licet per partes peccata coaueta id exigerint®. Unde petimus quid fuerit, quod rursus Arsenius ad tam acerrima tamque pernitiosa periculorum genera se iniecerit; nec potuit fortassis providere quem‘ finem haberent, quibus obviam venire voluit, (quae)5 quesumus ut aperias. Pascasıus. Verum, frater, quia videbat mala, quae cotidie surgebant in- numera et immensa, sed prenoscere non valuit quae futura erant. Quibus, quantum ex se fuit, obviare voluit, et resistere pro fide regni et regis, pro amore patriae ac populi, pro religione ecelesiarum et salute eivium, que omnia cariora illi erant, quam sua vita. Sed quia in initio hee non fuerant repulsa et refutata, culpis exigentibus impune ad omnium pernieciem prevaluere, ita ut nullus iam esset fortis ac sapiens qui obviaret. Nam idem cum iam de sua infirmitate convaluisset, coepit audire*undique flagitiosa et obscenissima, turpia et inhonesta, non qualiacumque, sed qualia numqguam in isto nostro audita sunt saeculo. Pro quibus profeeto mox commota sunt omnia viscera eius pietatis affeetu, eo quod esset theatrum, honestatis olim, palatium faetum, in quo tanta sortilegarum prestigia reeidiva scaturrierunt, quanta in omni mundo jam non eredebantur esse. Nec enim poterat se continere pre dolore et amore a fletibus, cum haec illi a bonis et summis ae veracissimis die noctuque nuntiarentur viris, quia quanto plus ecelesiam Christi et augustum una cum populo et prole dilexerat, tanto magis affieiebatur doloribus. Veniebant autem et primj palatii ex utroque ordine, yuia omnia ita esse asserebant, immo peius quam vulgo dieebatur. Tum ipse per se delegit illue qualitereumque venire, si forte quivisset suis argumentose persuasionibus aut consiliis subvenire, furia illa ® amiserant verb. Mab. b. verb. aus volet. © ]deo c., Adeo Traube. d ora h später übergeschr. © verb. in exegerint. f quaem a getilgt. 8 von Traube ergänzt. Radbert’s Epitaphium Arsenü. 69 ut rediret, antequam perturbaret omnia et subverteret. Qui veniens egit quod- eumque potuit; et cum augusto, et cum proceribus locutus est quod intellexerat; et premonuit, in his quae fiebant, quod senserat. Nam et belue factiosissime, quia prius ei pater eius et ipse amieissimi fuerant, aflatus est fideliter cum omni amieitiarum obsequio.* Nec inmerito igitur, eo quod olim uxorem sibi sororem ipsius, fillam nobilissimi viri et magnificentissimi, duxerat. Unde ab incunabulis quasi pater eirca eum in omnibus pium gerebat affectum, euram ae sollicitudinem, plus etiam quam si pater® esset. Sed cum vidisset, quod cecus ijam mente alie- natus esset et per preceps rueret, dixit quodeumque potuit, licet iam moribus» efferatus, quia felle coneupiscentiarum inebriatus erat“, audire noluisset. Sieque cum in nullo proficere se vidisset, prospeetis omnibus dolens ae gemens ad mo- nasterium sine effeetu remeavit. (Quem mox, dato parvissimo temporis intervallo, seeuti sunt iam expulsi et deieeti rectores et primi palatii, flentes et lugentes, quod ab uno impudico violarentur omnia iura totius imperii, pellerentur optimi quique, et opprimerentur ubique fortes et elarissimi viri, non illius virtute con- stupratoris, sed dolo et fraude pessime deceptionis. Nuntiant autem singuli peiora pessimis, et omnes confluunt hine inde ad Arsenium, et requirunt quasi de fonte eonsilium. Ille autem merens ac lugens, totus animo pendebat ad Deum suspeetus, si forte Deus in talibus suis subveniret periculis. Hortatur omnes singillatim, ut sustineant et expeetent Dei iudieium. Deinde singuli ut redeant*ad palatium, et videant et intellegant, persuadeant quoque wmeliora salutis; conentur nisu quo possent“ obviare talibus tantisque perturbationibus. (uo facto, repelluntur summi, deieiuntur eximii; colliguntur improbi, honorantur vanissimi, et introducuntur sce- lesti. Tune itaque, his ita eompertis, renuntiant Arsenio mala in saeculo, que umquam vix sunt audita, ut in tam glorioso imperio subito sie omnia fuerint per- mutata. Fit palatium prostibulum, ubi moechia dominatur et adulter regnat, co- acervantur cerimina, requiruntur nefanda et sortilega malifieiorum omnium genera, quanta numquam credidi in saeceulo remansisse, nihil de universis pretermissum malis, nuntiatur ubique omnibus. Verumtamen vir gravis et cautus, nee sie inter- dum movebatur. nisi ad lacrimas, donec eorum proderetur factio, et firmaretur ab ipsis, qui erant de tam pravissimjs consiliis plane eonscii, quod vellet idem tyrannus augustum perimere elam quolibet pacto, quasi sua infirmitate subito mortuus vide- retur, deinde filios eius, una cum optimis regni prineipibus, quoseumgque dolo prius preoceupare potuisset. Cum autem haee nuntiantur a gravissimis et vera- eissimis viris ita absque dubio esse, nimio merore*pereulsus, misit iterum rursus atque iterum idoneas et sanete religionis personas et probatissimas, oceulte qui venirent, et essent tantisper infra palatium apud quosdam, qui erant qualitereumque in eisdem eonsiliis, quousque quid verum esset, diligentius perserutarentur. (ui mox omnia ut dieta erant, a seereto vere pertractata compererunt, qualiter tyraunus, quando vel quomodo decrevisset fieri quod moliebatur, et quod pro certo jam qui a ein Wort getilgt. b Rasur. © am Rande ergänzt. d aus possunt verb. 273} “hot al: as: 70 E. Dünuter: conscii erant huius consilii, talia mandassent, retulerunt. Tune una cum summis eonsulibus et sancetis quibusdam episcopis, necnon et cum summis offieialibus pa- latii coepit querere in fide Christi, ne talia perficerentur ad subversionem totius imperü, quid agere debuisset. Tune omnes una voce, flentes et eiulantes, magni et summi, cum omnibus qui aderant servis Dei, constanter (dixerunt)?, quod non esset; Deo fidelis et sanete ipsius ecclesiae, qui in talibus subvenire posset perieulis, nee? feeisset. Ita siguidem multis exortantibus accepto consilio, una cum electissimis et elarissimis viris misit se pro fide Christi, pro statu imperii, pro pace eeclesia- rum, pro amore regis et regni, pro salute filiorum eius, zelo Dei succensus, ne fraus prevaleret adversarji, et dignitas servaretur patriae, salus maneret eivibus, in magnum discrimen; et salutem suam°pro iustitia et fide devotus ob omnium libertatem obtulit. Alioquin si vellet favere illis in partibus, acceptior esset omni- bus, et honorabilior haberetur universis. Sed is cum esset fortis anımo, sancti- tate preclarus, iustitia vestitus, fide solidatus, caritate fundatus, virtutum armis indutus, magis elegit mori, quam tale facinus et tam erudelissimum sustinere scelus, quod omnibus esset ad ruinam, ad perditionem, et ad exitium, si consentirent, aeternae damnationis. Ideirco nihil iam de se timere coepit, tantum ut prevenire potuisset Christianissimis prineipibus, presulibus ecelesiarum et omni populo, ac liberare omnes de tam atrocissimo mortis periculo, quoniam omnibus bonis unus imminebat interitus. | Aproparus. Unum debuimus deplorare, sed valde diriora nos cogunt quae contigerunt, quia nimium amariora et erudelissima sunt, quam quae proposuimus lamentari. Unde oportet ea retexere plangentis affeetu. Neque enim ille tam plan- gendus est, quam iugiter ista deploranda, ut avertatur ira Dei a nobis. Verum- tamen sie quae dolemus, fletibus commendanda sunt, ne hie noster ullis involvatur adversariorum eriminibus: etsi singulis, quamvis facultas esset perorandi, respon- dere nequimus*quae dieuntur ad singula. Ideirco petamus potius pietatis gratiam, quam ingeramus interdum reprehensionum querelas: offeramus precordiorum nostro- rum dolores, quam ingenii nostri ad defensionem eius suscipere partes. Deinde, si acrius aliquid eonstanter egerimus aut liberius, quam debemus et ipsi velint, obsecramus tantum imperitiae vel intemperantiae ignoscant, quantum pio dolori vel iustitiae coneedendum putant. Namqgue nullus maior esse potest dolor, quam hie noster, in quo tantus pater in subito sublatus deploratur; tantisque a malis dilaceratur infamiis et odiis, qui multo dignus fuerat amore, cotidie et“ insequitur, in quo et cum quo exeidium patriae, eccelesiarum eversiones, calamitates pauperum, divitum oppressiones, barbarorum incursiones, cedes vulei, bella superbientium, insidias universorum, et (quod atroeissimum) perditiones animarum simul immaniter deploramus, quia illo spreto, cum non est auditus, haee omnia eontigerunt. Qua- propter rogo, ne deficias, etiam minis insectatus et blasphemiis lacessitus. Et ne dieat aliquis, in threnis quod talia non sint coacervanda neque replicanda, sciat a dixerunt ergänzt Mab. b non ce. © übergeschr. Radbert’s Epitaphium Arsenü. 71 quod nullo in loco amplius, maxime quando talia erebreseunt mala, quando veri- tas inseetatur odiis,“quando justitia debellatur. Sie itaque Hieremias propheta post inerepationes, post; persecutiones et inpulsiones, ad lamenta se convertit, et omnia quae aveiderunt pro delietis amarissime deflevit. Pascasıus. Bene nos hortaris, frater, nisi tanta essent, «uanta rememorare non suffieimus nee intueri, non dieco quae olim aceiderant, sed de his tantum, ex quo iste impurus atque impius hostis omnium religionum confudit, eonturbavit et pervertit, honesta omnia obscenis permiscuit, et religiosa vanis, in tantum, nee mens, nec lingua, nee vox, quae narrare queat istius vecordissimi molimina, quae coepit ex omnium scelerum conluvione vallatus.' Arbitrabatur enim diabolieis omnia preoceupare maleficiis; superare non consilio, sed auspieiis preripere et au- guriis, eo quod sacratissimum augustum sie haberet suis dilusum prestigiis, ut omnes repelleret, quos aut ipse aut magnus pater eius imperator nutrierat, a se- ereto*, a colloquio, a familiaritate et” consilio, a fidei fide, ab honoribus, et ab omni eonsortio prioris vitae. Qui furia et auctor sceleris, cum esset munitus po- testate regia, prenituit”quod esset ultio preteritorum scelerum, et inerementum mali. Unde faetum est, (ut)° in regno nullus aliud posset, nisi quod ipse vellet aut mandaret. Ita omnes siquidem oppressi sunt, quasi ex inditio furoris Dei, ne ullus auderet resistere vel contraire, quia potestas et voluntas pii imperatoris, acsi innocenter, cum spureissimo erat. (Juod factum ad memoriam sempiterne tur- pitudinis faetum est. (Wuandoquidem cum iam inchoarentur quae dudum cepta erant. quae inierant consilia, cum iter arriperet rex et regina illius sevissime bestie dueatu; ibat augustus quasi innocens agnus ad vietimam: ibat imperator magnus et elemens, deceptus a qua eum Salomon cavere monuerat, immo lenonis eiusdem insidiis, ad mortem, qui non ob aliud servabatur, nisi cuius“ potestate jus diripere- tur imperi, et fraus inimiei redundaret in omnes. Nemo igitur est qui eredat, nemo qui recogitet quae gesta sunt, quae acta, qualiter aut quanta, idleireo nemo est qui intellegat, cur aut quomodo aceiderint, quive auetores fuerint mali, vel qui boni. Propterea® omnes inscii, mali et pessimi, Arsenium eulpant, quasi in- centorem malorum. Interea cum haee ita aguntur, imperatorf,"aesi agnus innocens ad vietimam, eum a loco promovisset, et iret$ nesciens ad mortem, facta est ma- nus Domini super omnem populum, qui simul omnes, acsi divinitus coaeti, vene- runt in unum pro fide regis et regni, pro salute populi et patriae, pro stabilitate imperii et filiorum successione, quoniam audierant omnes et compererant singuli de loeis suis unum esse interitum omnibus preparatum. Ubi aesi divinitus evocati cum simul essent, retulerunt singuli mala quac audierant, nonnulli quae viderant et cognoverant, aut interfuerant. Quibus undique ita explosis ad liquidum elaruit, quod augusto et filiis una cum universis principibus" unum immineret exitium at- a se- übergeschr. » averb. inet. ° utfehltine. 1 eius c., verb. von Traube. ° -ea übergeschr. | ein Wort getilgt (Tustinianus?). & et iret auf Rasur. N" aus prineipüs verb. U Vergl. Cie. pro Sestio ec. 7.15: ille nefarius ex omnium scelerum colluvione natus. ee, (c- 9) * f. 76. RR 77776 rl ER zieh 72 E. Düunmter: que interitus vitae. Nam et Melanius! filius piissimi cesaris cum his confluxerat, et periclitabatur, rex cum esset una cum suis omnibus*, quia contra eum iter ar- reptum erat inseio patre, ut ipse prior post patrem perimeretur. Deinde eum pro his universi® quid agerent, nutarentur merore perfusi, advolavit extimis a custodüs, et sacramentis diu detentus, quae cum patre eo in tempore pertulerat, Gratianus?, et retulit voce propria quae dieta, quae gesta, quaeve futura cognoverat, quia in his longe diu*commoratus, .nihil aliud jam quam mortem imminere sibi videbat. Ad quos cum fugisset, narravit omnia, quae intus detentus resciverat. Ubi de adulterio nulla universis remansit dubitatio, de prestigiis sortilogorum et divina- tionibus, tuneque per eum audita sunt, quanta et qualia nusquam am remansisse eredebantur, quae tune ex omni parte orbis ad palatium coierant“, aesi antichristus cum suis maleficis apparuisset. Ad ultimum vero de nece patris et de totius im- peru edixit subversione, qualiter auspiens, auguriis, consilüs, atque insidiis, nec- non et omnibus malignis artibus esset prefixum. "Tune omnes hi proceres et filii duo, Melanius! et Gratianus, qui aderant, decernunt potius mori debere eos, quam ultra haee quoque consentire, ut unus eis scelestus, flagitiosus et auctor totius malitiae omnibus esset in contumeliam, in ruinam, et in obprobrium sempiternum. (uod sane consilium et definitionem tune Arsenius cum divino timore merens ac dolens consensit, quia nullum iam alıum evadendi ingenium invenire potuit: non ut augustus® imperio privaretur, aut inhoneste (quantum rei eventus sinebat)*in alıguo aut ab aliquo tractaretur, sed ut hostis pelleretur una cum suis compliei- bus; et moechia quae iam publica erat, in confusionem omnium ne diutius cela- retur. Sortilege ibidem adgresate, divini, coniectores et muti‘, necnon somniatores, et hi qui exta consulebant, vel alıı quamplures malignis instituti artibus, a sacro pellerentur palatio, quorum tanta et talia erant nefandissime artis presagia, etiam ut plurimos traherent in errorem, quia videbantur omnia diabolice artis figmenta in mundo repullulasse, in tantum, cum haee omnia ita fraude seu dolo eirca au- gustum agerentur, ut in nullo penitus sentire posset cotidie quae fiebant. Alioquin malitiosis nisi esset preventus artibus, nequaquam fieri posset, ut fidelissimos quosque consules et sanctissimos presules non audiret, vel erederet sibi talia narrantibus, quos olim semper in consilio habuerat. Non enim alium in fide recipiebat, nisi quem Justina® vellet, neque alıum autS audire, aut diligere valebat, aut assentire, quo usque ista viguerunt, nisi quem illa ei in fide commendabat, et, quod prodi- giosius est, ut aiunt, nec aliud velle, preter quae ipsa vellet. Unde quidam episco- porum,“cum coram eo adstarent omnes presules Christi et senatus totius imperi, necnon et omnis populus, eumgüe jam arguerent constanti fide pro talibus: Scio, inquit, quamvis talia et tanta quae dicuntur, male deceptus his artibus actenus 2 aus omnia verb. b universis s getilgt. © coierat c. 4 us übergeschr. © ein oder zwei Worte getilgt. f scheint fehlerhaft. 5 am Rande ergänzt. ! Pippin, König von Aquitanien. 2 Ludwig, König von. Baiern. 3 Tudith. Radbert’s Epitaphium Arsenüi,. 73 assensisses*, cum his exutus fueris quibus vestiris, quia te recipies, et eris optimus® imperator, quod semper ante fuisti. Apzöparus. A saeculo huiusmodi res gesta, quantum video, non legitur, ut populus pro principe eontra prineipem sie ageret. Fuit enim, aestimo, aut nimia ‚(dileetio'senatorum et presulum eirca augustum et eius prolem, clarescentibus causis, quod eum tam reverenter rursus erigunt in regnum; aut ceca temeritas, quod talia presumpsere nullis extantibus, nisi vulgi aestimatione, causis, moechie sortilogo- zumque et aliis quibuslibet quorundam offensis. Unde non mihi videtur, quod pro talibus deberet omnis religio ecelesiastica et ordo totins populi itatenus insur- gere et commoveri adversus cesarem, nisi forte aliud lateat, quod gravius videatur. Et hoc petimus, quia in eadem coneione et negotio fuisti, paulo clarius aperias, ut Arsenius noster magis excusabilis videatur. Pascasıvs. * Verum, ut ais, in eadem concione me fuisse, quando universi prineipes simul paeifice, quantum intellegere tune potuimus, aggregati, de his alter- cati sunt contra augustum; non abnuo, sed omnia retinere quae dieta quaeve re- sponsa sint, omnino nequeo. ‘Nee itaque mirum, cum et vos ea non recolitis, quae in brevi paulo superius connumeravi. Alioquin nisi immemor esses, certe aut ca- lomniator, numquam parva quae dolenda retuli, existimasses, quoniam nihil sce- lestius esse posset, si proceres regni, et creati iam reges filii, fieri permisissent*® quae connumeravi. Unde rex in illa coneione, cum populo gratias pro his referret, quamvis in corde aliud oceuleret: “Vos enim, inquit, feeistis, qualia numquam po- pulus umquam fecisse cernitur, quia et ego prior admisi et feei, qualia nullus ante me rex fecisse invenitur. Et ideo, inquit, gratias omnipotenti Deo, qui tam im- minens malum ad tam pacificum deduxit exitum. Porro deinceps nihil tale, nihil ‚sine vestro consilio me acturum ulterius profiteor. Imperium namque a me, ut olim ordinatum est una vobiscum et constitutum, ita manere decerno et volo. Fe- mine quoque huie, quam adiudicastis, quia mea est in illa ultio, iuxta®communes leges, sieut deposeitis, vitam concedo, ita tamen ut sub sacro velamine! deinceps degeat, et poenitentiam gerat’. Quibus ita paeifice in eadem coneione dispositis, relevatur in throno gloriosus imperator, et erigitur eum laudibus, et subditur ei ‚omnis populus in fide amplius fidelis, si posset fieri, quam prius. Talis quippe ‘est infidelitas Arsenii, falso ut opinantur, quibus non est precognitum, quod suo sapienti consilio tyrannum prevenerit, ne perficeret quae moliebatur, ut perimeret augustum, 'prolemque eius omnem extingueret, et uxorem, quam infideliter coin- quinaverat, aceiperet. Cum qua, si cederetur, imperium pervaderet, et omnes se- niores terrae aut interficeret aut male subiugaret oppressos; sin alias, ad Hispaniam cum ipsa se transponeret. Propterea ergo dedit se periculo Arsenius, et liberavit omnes a tanti sceleris malo. Nihil itaque idem contra eesarem, quamvis aliter in- ‚scii malignantes sentiant, sed pro cesare feeit et imperio, pro patria et pro omnibus i a das fünfte s in Rasur übergeschr. b optimis c. ° permississent c. ı In dem Frauenkloster zu Laon. Philos, -histor, Abh. 1900, II, 10 (e. 10.) “f7B. ”270, *f.7g'. Isai. 5, 20. * f. 80. * f. 80'. 74 E. Dümmter: maioribus natu, pro fide et zelo Dei, pro religione Christianitatis et salute eivium. Reseinduntur? ergo eo in facto paulo post” iura legum omnia, divina scilicet et humana. * Oecultabatur autem nimia fraus, quasi sub fidei scemate et voluntate regia. Hinc hereule est, quod adhuc hodie plures in eo errant, et dieunt bonum malum, et malum quod omnes tunc detreetabant, bonum. Ex quo sane malo in- numera creverunt et cotidie atrociora crescunt mala.. Tune tamen eum quasi liberatorem omnium omnes magnificabant, et extollebant ubique laudibus, maxime cum cesar augustus Honorius ab Italis evocatus! venisset, eo quod consortem im- perii Iustinianus? sibi olim et successorem totius monarchiae cum voluntate et con- sensu omnium eum fecerat, quem una cum patre prefatus exterminare et subvertere conabatur, cum reliquis fratribus suis regibus. In cuius nimirum adventu detecti sunt plurimi et quae dicebantur reserata. Pro quo consilio illius furiae frater®, quia convictus et confessus est consensisse, in eodem placito cecatus est iudieio publico, vita sibi elementer concessa. Sed quia euncta quae fiebant, non erant ex corde Iustiniani neque ex animo, quoniam ab emulis vere fidei et iustitiae instigabatur et adulabatur, femineo rursus devietus instinetu, quasi multa contra eum inhonesta,*non pro fide facta fuissent, qui nisi se de his vindicaret, bene deinceps regnare non posse, rursusque si ablatam sibi uxorem non reeiperet post velamen. Tegitur interdum vulnus in corde valde defixum, augentur complices iterum, ut reseindatur imperium. Honorius, qui erat longe diu eonsors a patre et ab omnibus procreatus imperator, removetur a potestate, repellitur a consortio; sacramenta universorum, quae illi facta fuerant, auetoritate paterna violantur; boni quoque atque incliti viri, qui dudum pro fide certaverant, tyrannum fugarant, moechiam et universa turpia a conspectu palatii pepulerant; qui patriam et populum salvarant; qui etiam augustum, ut diximus, et filios libe- rarant; qui seipsos cum multo discrimine post talia, quibus eum restituerant in throno imperii, una cum filii consortio in fide, qui pro fide egerant, subdiderunt, ita ut in eis nihil nisi fides et veritas appareret, — sed insidiantibus malis queritur oportunitas temporis et locus electus: disperguntur universi, qui ei prius fidem servarant, senatus exiliatur, et magnati omnes, atque olim carissimi et primi*dam- nantur palatii, inter quos etiam Arsenius noster° rapitur, pontifieum tamen offieio, iubente augusto, acsi cum honore ingenti exiliatur. Retruditur autem et elevatur in quadam longissimo terrarum spatio altissima et artissima specu‘, quo nullus esset accessus, divino agente iudicio, nisi angelieus. Ubi cum non post diu ab a „ditur verd. in -duntur. b paulo post am unteren Rande nachgetr. © eim Buchst. getilgt. ! Lothar, im Mai 830. ? Ludwig der Fromme im Jahre 817. ® Heribert, Bern- hard’s Bruder, vergl. Bondurand, Le manuel de Dhuoda p. 238. * Vergl. unten c. 12; Radbert’s Vorrede an Placidius (Martene et Durand, Ampliss. collect. IX, 378): Praefatus autem pater, uti iustitiae faventibus moris est, exilium fert pro fide, illo ut utar eomieci (Ter, Eun. T, 2, 25), quia plenus rimarum veritatem sciens silere noluit, Radbert’s Epitaphium Arsenü. 75 augusto direetus ob eccelesiasticarum rerum et monastica negotia devenissem, quan- quam non sine periculo, ob suum solamen ad eum visitandum ascendi. Ubi simul inter salsissimas abundantissime gaudii? et meroris laerimas laetum, etsi tristes, duximus diem. Laeti quidem de mutua visione et conscientia pura, quia in eo nulla erat reatus culpa; tristes vero, quod pro tante virtutis beneficio exilium tulit et odium et eustodiam careeris et iniuriam dire calamitatis. Cum quo eum essem, inter duleia amaraque verba, volui ei persuadere, ut in aliquo se excessisse fate- retur, et deinceps quae augustus vellet, in omnibus assentire, si quo modo una eum quibusdam amieis agere quivissem, ut in gratia rediret: quod et caesar satis optabat, si ei solummodo consensisset. Ad quod idem: ‘Miror te, inquit, si de mea in aliguo dubitas conscientia, qui nihil mihi de his negotiis, pro quibus* cul- por, magis quam tibi sum conscius. Ideireo te oportuerat amplius me pro iustitia persuadere certare debere, quam vel in modico tepescere, vel contra verum quip- piam, vel contra quod honestum est, assentire vel confiteri. Tum ego: ‘Nequa- quam, inquam, dubito, neque amplius vellem in hac parte, quam excessus verbum et adsensus de vobis habere, quia in his duobus credo amicos et me obtinere posse non solum veniam pro oflensis, verum et ampliorem gratiam, honores quoque pro- prios et maiores, insuper quiequid de eo et ab eo vobis placuerit'. Tune ita ille subsannando paululum subridens: “Tu forte, inquit, eum et omnes eos qui eum favent, in tua estimas potestate? Numquid Dei iudicia non pertimescis? Quid si ego falso contra me protulero sententiam confessionis et reatus® mendacium, relicta iustitia vere fidei et puritate cordis? Potest igitur contingere, ut in con- trarium vertatur sententia, divino exigente iudicio, quam tu existimas, et si ego pro ullius gratia aut pro honoribus, vel timore vel favoribus, veritate relicta falsum contra me dixero aliquod, et in his deprehensus Dei iusto agente iudicio, proprio condempnatus ore, mortis sententiam excepero, dum leviora vitare me* rogas pericula, et honores querere vel gratiam, cavendum, ne crudeliora excipiam, et dum temporales iniurias fugere vel honores querere me rogas, ineffabili dispen- sante iudicio, sempiterne mortis damnationem adquiram. Quapropter, frater, stemus in via veritatis ingressi, et spem habeamus, quia haec nos ad vitam sempiternam, quae Christus est, admittunt‘. Unde his dietis confusus silui. Et constat, quod in eo nulla conscientia erat, nisi seeundum Deum et propter Deum, eirca augustum et filios, eirca patriam et ecclesias, circa proceres et magnatos, circa religionem et salutem populi, quia non sua in ullo, sed quae Christi erant, quaerebat. Id- eirco errat, qui arbitratur Arsenium in periculum exilii vel capitis vocari, quod deliquerit in his negotiis aliquid sciens vel volens, quod patriam leserit, quod ma- iestatem imperii violaverit, quod augustum et filios inhonoraverit°, quod fidem eorruperit, quod pacem perturbaverit. A bonis enim et prudentibus non aceusatur, quod ecclesiastica iura non dilexerit, regis gloriam et imperii amplitudinem non amaverit, sed quia nimium ea diligendo in aliquo deliquerit. Propterea. merito a verb. aus gaudia. bs später hinzugefügt. © exinhonoraverit c. 10* * f. 8r. *f.8ır, Phil.2,2r. * f. 32. Matth. 5, 10, Mattlı. 12, 25. Hf482H *f. 83. 76 E. Dümuter: non reus citatur malivolentiae in his omnibus, sed reus* virtutis, quoniamm beati qui ‚persecutionem patiıntur‘ propter üustitiam. Vocatur autem jure novus virtutum homo, qui perniciosum fraudis et doli restinxit insaniem et furorem; caesarem liberavit a morte, filios a perditione, regnum et imperium ab invasione tyranni. A palatio namque sacri imperii . pepulit omnes abominationes, moechiam fugavit, sortilegas damnavit personas, honestatem restituit; patrem filüis, ‚et-filios patri reddidit, mon- archiam tune ire in partes non permisit, sacramenta filio augusto facta, violare vetuit. Omnia quippe bona. servare voluit, et mala deicere ac proterere, quatinus tutam et tranguillam seecundum Deum vitam omnes viverent; electio quae sollem- niter facta fuerat in filio a patre et ab omnibus et consecratio imperiälis, aposto- liee sedis auctoritate firmata, inconeussa maneret, ob pacis concordiam, ob. mon- archiae firmitatem et principatus laudem, ob honorem et gloriam Christiane religionis, quae pene iam ubique a perfidis et inimieis tanti nominis conculeatur, aftlisitur, et tenetur. Voluit enim sui consilii vigilantia providere, tam sloriosum regnum et Christianissimum ne divideretur in partes, quoniam iuxta sälvatoris vocem, omme regnum”in seipsum divisum. desolabitur:‘ quod hodie omnes factum 'satis dolemus, momentis singulis et plangimus. Voluit iuramenta, ut diximus, quae facta fuerant Honorio, et fides promissa integra servaretur, ne tantis populus uni- versus fuscaretur periuriis. Voluit ut unitas et dignitas totius imperii maneret ob defensionem patriae et ecelesiarum liberationem, ob integritatem rerum, et dispen- sationem facultatum ecelesiarum: nune autem, ut cernimus, omnia sunt immutata vel perturbata. Quapropter advertat? quilibet inimieus et intellegat, quam preelaris Arsenius ornatur virtutibus; quam multiplieibus pro iustitia commendatur testi- monjs, quem non boni et probi viri dilacerant vel infamant, sed nocentes et maligni vel inscii rumoribus decepti insectantur .odiis, quem honestissima et lau- tissima ubique commendant acta, et protestatur vita. Ideirco qui cupiunt. eius detrahere vitam et imminuere laudes, seipsos accusant, quod aut non habeant sensum, certe aut noluerint virtutibus decertare, adulatores effecti, ne talia quae plangimus, devenirent, alioquin gloriam querere et honores 'vanum, est sine la- boribus et virtute. Unde habeat noster Arsenius laudem, quia ipse sibi*una cum Christi gratia eterne vite conquisivit honores, habeat famam et preconia, 'quia® iam ei post inhonorationes, post exilia datur vita et immortalitas. Apzroparus. Obstupesco, satis nec admirari queo virum, qui tantis et mani- festis. attollitur preconiis; qui omnium ore laudatur; de quo conscia est omnis ecelesia, omnis populus, quod mala quae tune vigebant et augmentabantur semper suo depulerit consilio, gloriam regi et imperium ac filiis servaverit tantisque, ob- viare malis voluerit, ne provenirent, quibus nune omnis ecelesia, omnis populus, omnis aetas et ordo patitur et plangit. Quid est, quod sentire nolunt et intelle- gere, presertim cum et ipsi eisdem vexantur malis, nee volunt animadvertere. nee sentire, unde vel a quo haee exorta :sint, a quibus procreata, 'vel a‘ quo nutrita 2 avertat c., adv. Tr. b nach quia folgt ita getilgt. Radbert’s Epitaphium Arsenü. 77 et-propagata? quia si huius auditum esset consilinm, longe aliud foret quod om- nibus profuisset et omnibus hodie placeret. Sed ne prevaleret consilio contra insidias malignantium obpugnator malorum, contra improbitates iniguorum, immo contra ipsumque augustum,‘ qui contra filios, contra imperium, contra patriam, contra salutem populi, ut manifestum est cotidie, potestate, honoribus, ingenio, arte qua poterat, armis, multitu*dine militum decertabat, expellitur, deicitur, exilio mancipatur, religatur, ut asseris, altissima in specu; ne ulli mortalium iam ultra consilium salutis porrigere posset, quod voluntati pessime obviare posset. Quo- niam non precedebat sapientia vel consilium, ut voluntas bona duceretur ad pro- spera et salubria, sed preibat intentio prave voluntatis et agebatur astutia, ingenio et potestate iniqua, ne frangeretur semel deliberata erudelitas et cepta voluntas. Pascasıus. Animadvertis, frater, vorax incendii flamma quo veniat, quia nisi esset quibuslibet prestigiis mens male delusa, et inflammata potestas, conser- vata voluntas invicta, fidelium fides cum omni reverentia humilis et devota, ne- quaquam agere potuisset tam pernitiose contra suam et omnium salutem, partim persuasionibus, partim potestate et ingeniis. Sed quia fides eorum fuit intemerata et incontaminata; qui boni erant, nimia decepti reverentia, noluerunt iniuriose contrahire? ad primum, ideo incurrerunt damnationis diserimen, et facta est ruina pene omnium una. Unde identidem, cum esset in eadem specu, plurimum de se laetabatur, quod pro iustitia iniuriam® pateretur:*sed dolebat pro perieulis, quae imminere iamiamque videbat, dolebat quod boni et optimi obpugnabantur; viri innocentissimi et fideles quique premebantur et exhonorabantur, tradebanturque exiliis, carceribus, et diversis iniuriarum fatigiis. Qui cum pene inter nubes iste elevatus vitam ägeret (quantum mortalibus fas est) angelicam, non satis tuta visa est augusto et suis, fautoribusque Justine, quae redierat in coniugium, ejus custodia, propter Honorium, qui illis in partibus et ipse reiectus rex a consortio imperii morabatur. Verebantur enim, ne consilium salutis daret eidem vel primoribus, per quod iniquitas frangeretur, et cessaret cepta virtutibus superata erudelitas. Propterea quam cito deponitur de specu precelsa, et transportatur ad Herum infra Oceanum insulam!, omnium terrarum ultimam, si quomodo cum beato Iohanne solummödo quae divina sunt cernat, nec valeat humana contingere sensu, vel re- euperationis ulli porrigere verba. Teorrastrus. Quantum mente concipio, calamitas inlata viro et exilium sine lege, sine iudicio, sine culpa, immo pro fide, pro defensione, pro iustitia, non poena peccati est,*sed preconium laudis, quia non imminuit clarissimi nominis gloriam, verum etiam illustravit, et honestam ubique aspergit famam. Nam si quis hodie illuc® venerit ubi fuit, sentiet odoramenta virtutum que reliquit, quoniam omnis vita eius plena gravitatis, plena operibus bonis, plena religionis fuit, ideo ei laudem ubique ad sempiternam memoriam temporis pressura vel tribulatio pro- ® d.h. contraire. b jiniuria c. © 8 vor ven. getilgt. ! Vergl. Vita Adalardi c. 32 p. 320: wittitur quasi unus ex ignobilibus ad Herio insulam. MfBah (e. 11.) *f. 84. “fB4. 2. Cor. 2, 15. * f. 85. * f. 85’, *f. 86. 78 E. Dümnter: pagavit. Quia etsi optabilius est cursum vite conficere sine dolore et sine iniuria, tamen ad immortalitatis gloriam et fructum aeternae retributionis plus affert pre- mii labor pii certaminis, quibus nullus est finis, quam delicata quies. Propterea idem semper fortis et constans in omni optima ratione et labore pio fuit, semper mansuetus et patiens; paratus exceipere cum omni devotione quiequid virtus divina decrevisset. Non enim exilium sibi, ubi vel ubi® esset: quia cum Deo erat, sed patriam deputabat. Erat igitur in omni loco cum apostolo bonus odor Deo, et; ideo ad famam et gloriam sancti nominis huc illueque deportabatur. Pascasıus. Ita est ut asseris, et ideo non exulem eum apellare licet, sed eos qui eum exulare cogebant. Quoniam ipsi in quocumque loco essent,*exulabantur a se, a sensu, a consilio, cum omnem patriam civibus et optimis curis simillimam exilio suis sceleribus reddebant. Quid est enim exul ipsum per se nomen? calami- tatis utique poena® et turpitudinis. Quando igitur est turpe? revera, cum est poena peccati. Opinio est etiam hominum, sicuti huie, cum est poena iniuste damnati. Alias autem hie non in peccato suo nomen tulit exilii, sed decreto in- iusto iuste Deo agente. Quia nemo tam insanus mente, qui peecatum dicat agere sancto consilio, pro fide, pro vita caesaris, pro filiis et imperio, pro salute populi et salvatione patriae, pro iustitia et legibus augustorum, pro stabilitate et unitate regni, pacisque concordia, pro depulsione vitiorum et abominationum, pro adul- terio, quod ultimum est, et pro contumelia totius imperii. Adeo igitur nemo furiosus, nemo insanus, nemogue tam imperitus, qui felices eos censeat vel sensatos, qui talia contra conscientiam, contra salutem omnium facta laudant, et hune vi- tuperant, quasi non felices fuerint hi omnes, qui pro iustitia agonizantes tales sustinuerunt iniuriarum triumphos. De quorum omnium collegio electus est: suo in tempore iste, qui pro eximiis beneficiis et innumeris*contumeliarum honores per- eiperet. Hine etiam novo genere® ad Herum magnificentissime .honoratus ad exu- landum dedueitur, teste conscientia eorum, qui talia ministrabant consilia, quonjiam innocens et optimus non ob aliud sic vexabatur, nisi ne contrahiret@ bonis consiliis pessimos conatus. Agebant ergo, quod omnes olim perfidi contra sanctos exer- euere, unde et iste similia pertulit, conpassus, ut conregnaret. Aproparus. OÖ prodigiosa intentio et nefanda! Quis umquam audivit, ut aliquis eos odiret, quorum consilio et providentia reservatus esset ad vitam, sui- que ac sua eorum salvata fide et auxilio, vel quis ita sapuit, ut illos diligeret ad consensum, qui hostes suji erant suorumque, quorum contumelie spureitiarum honestatem eius omnem suo scelere foedarant? heu quam nove obscenitatis dementia, ubi omnia vitiorum ostia aperiuntur, quando Iustina, etsi polluta, recipitur, quod non corrigitur, neque datur locus timori, ut corrigatur. Unde huic parantur in- sidie, et removetur de loco ad locum, quoniam vitiis ubique virtutes displicent; nec satis tute ereduntur a vitiosis, dum alicubi esse ereduntur. Ideirco * virtutis vir, a cum folgt in c. b utique poena am Rande nachgetr. © hier .ist et getilgt. d d.h. contrairet. Radbert’s Epitaphium Arsenü. 79 castitatis amator, iustitiae defensor eieitur huc illucque sine testibus, quia publica erat eius virtus, sine iudicio, sine erimine, sine audientia et sine scelere. Qua- propter velim ad Herum deportatus, ultimam terrarum insulam, quid egerit pandas. Pascasıus. Fateor, plane quod aromata solent, quod in predicta specu, nisi quod ibi celum et Penninas Alpes nee non Limanium lacum cernebat, hie vero solummodo mare eaelumqgue; hie autem et illuc Deum meditabatur in mente, secum semetipsum semper sibi presentem ferebat. Cernebat autem, iuxta David, mira- biles elationes maris, cernebat mente in altis Dominum. Ergo considerabat rotas et volubilitates, quibus vertitur saeculum; se autem gaudebat in solido constabilitum, et congratulabatur plurimum, quasi in paradyso deliciarum pre amoenitate nimia constitutus, eo quod evasisset de profundo iniquitatis, ubi indesinenter elevant flumina sibi compugnantium fluetus usque al caelum, ab impulsione daemonum, nec tamen operiunt terras, quorum fluctus et elationes sieut nemo qui denumerare possit, ita potentiam® divinae dispensationis nemo qui apprehendere queat. Unde fidelis quisque*audiat vocem Domini cum Aısenio dicentis mari et saeeulo: Usque huc venies, et hic confringes tumentes fluctus tuos. Alias autem, nisi his solidatus esset promissionibus, et fundatus super firmam petram, inter tot volumina iniuriarum, eonlisiones et fragores temptationum, tam immobilis et inconcussus non permaneret. Ubi non diu, pro nefas! cum beato Iohanne, etsi inferior, cum exultatione et alacri- tate cordis divina cernere lieuit mysteria!; tamen quantisper iucunditate refectus aeterne contemplationis, religuit bonum exemplum fratribus et posteris famam sancte religionis. Et quia nullo in loco satis (tutum)® ereditur, quod timidius formi- datur, ideirco nec hie extra solum, acsi extra mundum, retrusus permanere pa- titar. Nam et Iohannes in carcere religatus pertimescitur. Unde et Justina, iam enixa, cum ad coniugium redisset velamine conculcato, requisivit quo idem esset, quem nullo in loco vivere, quantum arbitror, voluisset. Sed et invidus omnium bonorum diabolus, invidit diutius eum frui tantis virtutum obleetamentis; quia nullo in loco esse poterat in hac vita mortali, quo magis delectaretur, ideo remo- vetur a tam amoenissimo delitiarum loco. Apeoparus. Queso pandas nobis quid fuerit,"quia jam nullus tutior invenitur locus neque remotior, quod inde expellitur, ubi nullus accessus hominum videtur neque recessus, nisi longo maris navigio. Nam et ibidem olim Antonium*® positum fuisse ob firmissimam constat custodiam. Unde et iste ab omnibus plurimum ama- batur, licet suis satis iamdudum bonis et beneficiis amaretur. Qui profeeto An- tonius multa virtutum deposita ibi reliquit, apud Deum merita commendavit, et secum ubique aromata virtutum portavit.? Pascasıus. Quod interrogas, qualis occasio fuerit, prius ostendi, qualem et ® potentia c. b tutum habe ich hinzugefügt. © verb. aus antenium. I Vita Adalardi c. 39 p. 323: Et credimus, quod caelestibus pastus sit sacramentis, ut, eui vetitum erat solum terrarum cernere, Iohannis exemplo caelestis patriae inquisitor fieret, ? Vergl. Vita Adalardi c. 40. 41 p- 324, (e. 12.) Ps. 92,4. * f. 86’. Iob. 38, ır. (e. 13.) * {1 87. xp 37). * f, 88. >2sal. 125, 6. (e. 24.) 80 E. Dümmuer: » lohanunes habuit in carcere, ut feriretur gladio. "Tamen Melanius rex illis erat ad- finis in partibus, super quem: manus mittere decreverant. : Ne consilio iuvaretur, provisum est, quia idem multis cecabatur peccati actibus. Hac quippe occasione, quamvis cum honore, quia venerabatur meritis et timebatur eonsiliis, relevatur cum iniuria exilio, et; deportatur offieiosissime, quasi incensum odoriferum, per medias. Gallias ad Germaniam. Ipse vero semper :ubique 'seeum“patriam ferebat, quwia ubique notus, ubique dilectus, ubique ab omnibus quanto innocentior, tamto carıus amabatur. Equidem iam perfunctus temptationibus, nullam: vim, nullum metuebat imperium, etsi necdum expleverat animos. adversariorum, neque placa-* verat odia improborum; saturaverat tamen tantisper perfidiam et.scelus proditorum, gquamvis non ad plenum, quia reluctabat animo quod volebant. Et ideo timore affıciebantur, ne bonis subveniret consilüs, et fraus deteceta :deperiret. Non’enim ei hostes erant iam expulso, sed virtutibus, quas ubique amittere non'walebat, Dei protegente auxilio. Quid plura, religuit monachorum 'alvearium "virtutibus mellificatum; et ecce cum gaudio rursus, ubi perducitur ad Germaniam, monacho- rum chorus eum suseipit, rursus episcoporum ducatu ad eundem locum et abba- tum, quamvis inhoneste, quodammodo honestatur, | | Teorrasrus. O misera nostra tempora! o stulte discordiarum nostrarum in- sidie, que ad tantam civilium debacchationem perduxere pacatissimum regnum! sed felix de quo ubique tanta virtutum respergitur fama. Puto quod nulla sit regio, nullum terrarum nostrarum solum, etiam ultimarum, .non pontus®, non in- sulae, non littora, non locus, non domus, non civitas, in qua non extent hwus viri laudis preconia, et. ubi non maneant impressa casti consilii vestigia, quae ceunetis prestitit eum incredibili gravitate, virtute, atque constantia, et puritate cordis. Erat enim in eo integritas mentis, religio sancta, diligentia rerum, mode- ratio*virtutum, quibus auetoritas in eo plurimum commendabatur. Ideirco, ubi vel ubi quasi eximius venerabatur patronus et ducebatur, quia in eorum etiam conscientia venerabilis erat pro vite merito et virtute, a quibus, quantum in ipsis fuit, exilio damnabatur. Sed omnino illi non erat exilium, immo augmentum meritorum, quia, sieut in psalmo canitur, eundo ibat de loco ad locum, mittendo semina sua. UÜbique confessores Christi intercessores habuit; ubique eorum exempla exortationis gratia sibi a Deo prestita invenit; ubique et ipse confessor sua reli- quit; et monachorum catervam, inter” quos fuit, secum habuit, quorum commen- daretur precibus, foveretur solatiis, et sollempnibus mulceretur officiis; quos et ipse suis instruebat exemplis, exortabatur oraculis, prestruebat consilüis. : Unde adhuc hodie in eisdem loeis, quocumque fuit, plurimum diligitur et amatur; pre- dieatur quoque et commendatur incessanter, etiam ab® his, qui eum non viderunt, quatinus eius semper fama vigeat et preconia. Pascasıus. Verumtamen in eodem, ad quod pervenerat monasterium, non diu rursus lieuit permanere, ne forte Gratiano illis in partibus misceretur consilio a pontis c. b ter übergeschr. © übergeschr, Radbert’s Epitaphium Arsenü. 81 vel colloquio, quoniam ipse ubique idem erat; et seeundum Deum *quae semel velle debere deliberaverat, infatigabiliter tenebat, ne virtus animi ullis frangeretur mo- lestiarum iniuriis. Quid plura? redueitur ad proprium eisdem privatus honoribus eoenobium, quibus* venerabatur ubique, ne locum haberet contra voluntatem semel inlapsam agendi. Qua de causa, cum redisset, non minus merore, quam gaudio suffusi sumus, quia hine mesti, quod suo privabatur officio, hine vero leti, quod eum saltim videre meruissemus nobiscumque habere lieuisset. Ubi eum quanta humilitate et subiectione interdum! fuerit, quam devotus et paratus ad omnia, credo quod a memoria non delebitur. Etenim paulo post, quamvis multis fatigatus in- iuriarum molestiis, advenerunt missi apostoliei?, regumque filiorum et seniorum®», quod omnes simul cum eodem sanctissimo advenissent, pro pace et unitate, pro indulgentia et satisfactione patris, ut veniam impetrarent auctoritate pontifieis et salvaretur imperium. Qui detulerunt epistolas ex omni auctoritate divina valde gravidas, et precipiunt cum omni adiuratione, quamvis pro his multa® iam per- pessus, ut in adiutorium summi antestitis obviam veniret. Quod si nollet, iusse- runt augusti vi eum abducere, cum omni tamen honore et reverentia. Quod cum*® audissemus omnes, pertimuimus valde, maxime quia totum a militibus nostrum oceupabatur coenobium. Nos tamen primum nesciebamus, quid sibi vellent. Unde plurimum expavimus et quesivimus quid esset. Tum illi rei veritatem pandentes, sed idem ire cum eis recusavit. At illi in nos irruentes dieebant, quod si aliter non possent, vi eum auferre deberent. @Quibus profecto dietis, hine inde valde merore ae terrore afficiebamur, quoniam multum nobis et illi pariter imminebat periculum, facere, aut non facere quod rogabant. Siquidem pro multis eius iam perieulis nimium tristabamur, et quia in nullo prius profecerat, ne rursus repeteret, deterrebamur. Ostendebatur coram auctoritas et legebatur summi pontifieis, pro pace, pro reconceiliatione patris et filiorum, prineipum et seniorum, pro statu ecele- siarum, pro adunatione populi et salvatione totius imperii. Erant autem et alii ex parte filiorum pro eis rogantes eum, ut illis suis succurreret consiliis, qui iam pro eis multa pertulisset, ne eos in fine desereret diseriminis. Nuntiabatur et virtus divina, quae preruptam viam Alpium Penninarum obviam coram sacrosancto complanasset apostolico, quae obstrusa multis fuerat argumentis, ne ultra®*de illis in partibus ullus amplius huc transiret exereitus, quae ultro, ut fertur, aperta est eis. Quibus ita prolatis, et aliis innumeris dietis, coepimus exortari eum, ut oboediret pro pace summo Dei pontifiei, etiamsi eum mori cum eo contingeret, quoniam multa est, inguimus, auctoritas, qua vocaris, multa etiam necessitas et iustitia, pro qua vocaris. Nee minor itaque oboedientia, sub qua devotus Deo bonis et sanetis oboedire congruit tanti pontificis, una cum ceteris sanctis Dei fidelibus, iussis. Apeoparus. Hoc est quod multi calumniantur, quasi non oportuerit de his eum ultra curare, neque talibus se admiscere negotiis. Cum omnino Spiritus sancti 2 quia c., quibus Traube. + dicentes oder dgl. zu erg. ° multis e., verb. von Traube. ! Für interim (s. oben 8.39 n. 2). ® Gregor’s IV. im Jahre 833. Philos.-histor. Abh. 1900, II, 11 *f. 88, *f. 89. (e. 15.) * f. 90. 2af7gol. SRlors 82 E. Dünmmrer: gratiae® nulla preseribit auetoritas euiuslibet regulae; immo cuncta Christi dispensat providentia, singuli quantum in singulis vel quomodo profieiant offieiis. Siquidem considerandum quid quisque agat vel quomodo et ubi. Quwiä, sicut in eadem legitur regula!, claustra sunt monasterii virtutum instrumenta et bonorum operum, quo dili- gentius omnia regulariter compleantur. Qua de causa, cui non licet sine iussione ab- batis quippiam agere, providendum, si lieuit ad tam grandia et incerta sine trans- gressione insilire, quia perieulosissimum est*quempiam suum relinguere pröpositum, et ad ea quae non expediunt, neque suo eongruunt officio, inconsiderate se admittere. Pascasıus. Multorum vox ista est, sed eorum qui non adtendunt, euius digni- tatis esset iste vel ordinis. Nam postquam eleetus ab ommibus est? pastor, et rectoris offieium vocatus a Deo suscepit, ut eredimus, consiliarius totius imperiü una cum ceteris preelectis constitutus, etiam in fide ae eonsilio reliquis antepositus; quod et antea iam erat etiam quam idem esset electus, quia pro genere, pro vite merito, pro institutione, quam percoeperat pene ab ineunte aetate infra senatum et sapientes regni, pro mentis effieacia et nobilitate sensus plurimum ab omnibus audiebatur et venerabatur a singulis. Ideireo qui, iam cum esset prelatus una cum ceteris ecelesiarum pastoribus, est ordinatus senator cum eisdem ipsis et cum als quibuslibet palatii vel regni senatoribus, ut consilium daret de singulis, non mihi videtur, quod sine periculo sui pretermittere posset, prius ne consilium de his in- veniret quae annumeravimus‘, in qubus unus omnium profecto imminebat interitus. Alioquin nullus monachorum maior vel sanctior Iohanned, qui ideo decollatus est,* nullus acceptior Helia, nullus religiosior Heliseo, seu ceteris sanctis et prophetis, qui viriliter regibus restiterunt, et pro iustitia decertarunt usque ad mortem. Nam Zacharias ideo peremptus, Isaias secatus, Hieremias in lacum' dimersus, sed iste lounge inferior in specu altissima est levatus. Errat igitur quieumque dieit, quod pro iustitia non debuerit stare, pro fide non decertare contra tot mala taliaque quae aceiderunt, non debuerit, quia armis non licebat®, saltim consilio, exortatione, persuasionibus non resistere. (@uae profecto mala omnibus tunc et deinceps in manifesto venerunt maiora et atrociora, quam que noster stilus flendo prosequi velit aut possit. Ideo quicumque ea dissimulat se scire, qualia quantaque fuerint, vel quam pessima quae de his orta sunt et permanent, omnino aut desipit aut insanit. Propterea nemo sani capitis qui hune infamare vult, quod talia sapienti suo consilio voluerit contrahire‘. Teorrasrus. Mirabar nimium, et mirantur plurimi quid esset, quod pro tanto imperio, pro tanta dignitate regni et ecclesiarum, nequaquam -satis multi presules vel senatores forti et magno animo invenirentur,“qui auderent se et sa- lutem suam in discrimen offerre pro statu totius imperi, pro communi salute. Hoc tempore miretur potius quilibet nostrum, si quem bonum et fortem virum a oratia c. b übergeschr. © vielleicht connum. zu verb. Traube. d Johannes s geüilgt. © aus licebit verb. f d.i. contraire. j ! Regula S. Benedicti ce. 4 p. 13: Quae sunt instrumenta bonorum operum, Radbert’s Epitaphium Arsenü. 83 viderit, quam si quem aut timidum, aut sibi potius, quam reipublice, quia aut nulla aut parvissima est, consulentem; itaque neque ecelesiis, neque populo, quia omnino non est qui audiat®, vel qui corrigere quae depravata vel perversa” sunt, possit. Nam ut omittamus de uniuseuiusque casu recordari, uno aspeetu intueri® possumus eos, qui eum consilio, vel eum bonis omnibus tune temporis digni- tatem regiam et ecclesiarum afflietam et deiectam vel constupratam® reerexerint et a latrocinio domestico liberaverint; deinceps eos mestos, exhonoratos, infideles adiudicatos, et reos capite, fama, carceribus, et exilio; eos autem, qui omnia divina et humana violarunt, vexarunt, perturbarunt, everterunt suis rapinis, non solum exultantes et laetos, fortissimos atque optimos®, honoratos honoribus et gloriosos, verum inelytis et sapientibus atque honeste zelantibus insidias mohri et perieula, sieque de se nihil timere. In quo nimirum negotio cum multa sint indigna* et de- testabilia, nihil minus tamen perhorrescenda, quod iam non per latrones et ra- paces tantum, atque egestate confeetos, facinorosissimos quosque, seu suo perditos scelere, verum et per optimos qui fuerant olim viros, per eximios auctoritate re- ligionis, per sublimes nobilitate carnis, perieula mortis et degradationis calamitates inferuntur, a quibus etiam rapine et obpressiones inferuntur. (Juia jam pene nullus, qui suis iustisque stipendüs ducat post se milites, sed de rapinis et violentüs, quod Naso ille spureissimus omnium primus docuit, et ad finem! usque semper publieus predo vixit. Nune vero et isti, quanto sunt amplius latronibus eonstipati, tanto potentiores, ne ullus ad rapinas eis contradieat. Sed quamvis militia augeatur pro talibus, nemo tamen eorum, nisi ad eivile malum, vires habere videtur. Ideirco nec mirum, si iste vocatus a summo antistite talibus eontradixerit, qui primum optabat deleri de libro vitae eum Moysi pro populo Dei, pro augusto. et filüis; necnon et cum Paulo pro fratribus et ecelesiis anathema fieri. Apeoparus. Nec mirum itaque, tantis fatigatus exiliis, tantisque sordidatus infamiis si restitit ad primum®, quia, sieut vidimus et eognovimus, nisi ab omnibus nobis violenter cogeretur et tanta auctoritas summi pontifieis eum non premeret, jam ulterius nihil tale adsentisset. Nunc vero a fratribus inpulsus, a summo pontificee eum adiurationibus vocatus, a filiis augusti regibus imploratus, a populo et presulibus, cum quibus olim fuerat in causa huius exordii, deprecatus, pro eoneordia et pace tandem eensuit aliquando coaetus illue venire, summoque anti- stitioboedire, seque illi coniungere, qui tantum pro omni populo Dei assumpserat laborem; si forte cum eo pacem in regno restituere posset et discordias removere. Quapropter detrahendi nullus est locus, immo maior esset reprehensio, si desereret tante auetoritatis iussionem pro ullius discriminis. presentis vite perieulo, quoniam laudabilius est bene mori vel perielitari cum bonis et optimis, quam male vivere aut consentire cum pessimis!. Aliud quippe poena iudieii est, aliud vero aug- a audeat Mab. b pervasa c. © ein Wort getilgt, vielleicht cum. d con- strupratam verd. constup. € opimos verb. Mab. fs übergeschr. ı Er endete im Jahre 844 nach den Annal. Bertin. 14" *f. gr’. ef. Exod. 32, 32. ef. Rom. 9 3- * f. 92. Kfgg2% (e. 16.) 21203. ef. Ier. 20, 1. Kfzoal 84 E. Dümmter: mentum peccati. Et ideo non inconsulte, ut aiunt, neque contra propositum vere religionis rursus idem tradidit se diserimini, sed valde officiosissimum et lauda- biliter se obtulit, et medium pro utrisque* partibus, si reeiperetur eque ab omni- bus;*neque suis deterreri poterat periculis, qui se multotiens ingesserat pro alienis. Unde deinceps Pascasium prosequamur, qui cum eo comes fuit inremotus, quem nullus deterrere potuit presentis vite casus, ne sequeretur quem amaverat in Christo, quem imitari proposuerat; cum quo etiam. bene conscius de eo, mori optarat pro fide Christi, si tempus immineret diseriminis. Pascasıus. Fateor plane, quocumque affeetu id dieas quod dieis, quia ita est ut dies. Quod satis probat iter, quod suscepimus inter medias concursiones insidiantium, inter legiones hue illueque qui nobis adversabantur discurrentium, inter quos, donec ad augustos reges et; ad ipsum sacrum pontificem venimus, satis periculosissime semper cum metu ac tremore incessimus, timentes, ne non® venire ad destinatum lieuisset, quia omnino, si compertum esset, artior nos susciperet custodia, quam olim ei esset inlata, quia erat cum augusto lustina tune temporis, quae movebat totius monarchiae rursus sceptra, concitabat fluctus et maria, im- pellebat ventos, et corda virorum ad omnia quae vellet convertebat, a qua quia unum eiecerant, de quo diximus, flagitiosissimum!, alii serviebant facinorosissimi. Nos autem, quia declinare, nisi inter medias eorum*cohortes iremus, non potuimus, per medium protegente Deo prospere pervenimus. Ubi cum venissemus, cum nimio suscepti sumus gaudio a regibus, a prineipibus, et ab omni populo. Deinde ob- lati sanetissimo pontifiei, satis venerabiliter cum magna alacritate nos excepit, quia erueiebatur et ipse animo pro talibus quae repererat, qualia numquam prius credere potuisset. Terrebatur autem (quod valde dolendum est) ab augusto et ab omnibus suis, etiam ab episcopis, qui sibi pridie quam venissemus dextras dederant, quod unanimes essent ad resistendum his, qui ex adverso erant, regibus filiis, prineipibus, et populo, insuper consiliabantur firmantes, pro dolor: quod eundem apostolicum, quia non vocatus venerat, deponere deberent. Erat enim ibi Phasur, et reliqui eadem cum Justina sentientes. Quibus auditis, pontifex plurimum mirabatur ac verebatur. Unde et ei dedimus nonnulla sanctorum patrum auctoritate firmata, predecessorumque suorum conscripta, quibus nullus contradieere possit, quod eius esset potestas, immo Dei et beati Petri apostoli, suaque auctoritas, ire, mittere ad omnes gentes pro fide Christi et pace ecclesiarum, pro predieatione evangelü et assertione veritatis, et in eo esset omnis auctoritas beati Petri excellens*et potestas viva, a quo oporteret universos iudicari, ita ut ipse a nemine iudicandus esset. Quibus profecto scriptis°, gratanter accepit, et valde confortatus est. Teorrasrus. Qualem putamus augustum tune fuisse, qualemve Tustinam, quae suo tune cuneta vertebat nutu, qualesque prineipes, quando tales inventi sunt pre- 2 utriusque c. b übergeschr. © Simson (Jahrb. Iudwig’s des Fr. II, 42 n.8) ver- muthet eine Lücke. 1 den Kämmerer Bernhard. Radbert’s Epitaphium Arsemii. 85 sules Christi, ut sieut illi in humana, ita et ipsi consurgerent in divina! Ventilabant enim suis cornibus, ut olim pseudoprophetae, in omnem ventum populum, et in- surgebant contra eaput totius Christi ecelesiae, ne pacem ferret inter patrem et filios, inter augustum et prineipes, ne reconciliarentur, qui dispersi et exiliati atqne dehonorati iniuste erant; ne pax redderetur ecelesiis, ne statuta priorum temporum, et divisa inter filios regna manerent inconcussa et indiscussa. Heec erant, quia Iustina sic inflammabat studia eorum, neque prineipi consilia ex corde aut ex animo dabant, sed assentando et adulando pro favoribus, veritatem , iustitiam, pacem ac concordiam coneuleantes, contra eos qui pro his decertare videbantur, pro viribus repugnabant. Verumtamen quam iustitiam habuerint filii et populus, quia hine inde sibi invicem adversantes pater moliebatur*in filios, &t fili eonsurrexisse videntur contra patrem, atque ideo inimiei omnes, quia interfuisti, rogamus aperias nobis. Pascasıus. Justitiae partes eonstat quia plurime sunt. Alia siquidem est iustitia regni Dei, alia regni terreni, alia inter parentes et propinquos, alia inter externos et alienos, in tantum, quot sunt leges et consuetudines gentium, tot di- cantur ex usu iustitie partes. Propterea ex lege Dei, non minus quam ex lege patriae, de istis colligendus est modus iustitiae, etiam et? ex lege nature, quia, sieut seriptum est, jilü oboedite vel deferte parentibus, ita et patres nolite ad iracun- diam provocare filios vestros. (Juod si utrumque servatum providenter esset, tantum malum non aderevisset. Tamen ut elucescant” quae proposui, commemoranda sunt capitula!°, quae augustus pater quasi pro querela filiis direxit?, ut enuntiaret quid contra requireret. Primum rememorari eos monet, quod filii eius sint, et ipse eos Deo auetore genuerit. Ad°® quod ipsi: “Gratias omnipotenti Deo, inguiunt, qui quod verum est de nobis, talia recogitare vobis concessit, et quia non solum reeogitare, verum etiam mandare dignati estis. Nos enim, precellentissime augustorum, in vita nihil post Deum carius*habemus, quam vos sacratissimum genitorem; nihil gloriosius possi- demus, quam quia vestri fili censemur et sumus; nihil loeupletius, nihil ditius, nihilgue nobis magnificentius ad honores, ad excellentiam et dignitatem, ad lau- dem nominis et splendorem gloriae. Ideirco, gloriosissime, venimus humiles et devoti, subditi, ut decet, et subieeti, tantum dignetur pietas vestra et mansuetudo recogitare de nobis, ne condemnemur iniuste, ne abdieemur sine erimine, ne ex- heredemur sine culpa. Non enim insurgimus contra vos, sieut loeuntur et aceu- sant nos, qui nos perdere inimiei moliuntur, sed supplices veniam, indulgentiam et misericordiam postulamus’. Deinde in alio capitulo: “Mementote, inquit, etiam et quod mei vasalli estis, mihique cum iuramento fidem firmastis’. 2 am Rande ergänzt. b elucescat c. © ein Wort getilgt. 4 ein Buchst. getilgt. ErAt.e, ! Haec capitula nemo, ni fallor, hactenus retulit MAB. cf. Ezech. 34, 21. ef. Eeeli. EHIT Eph. 6, r. Eph. 6, 4. *f. 94. * f. 95. sl * f. 96. 86 E. Dümmuer: Ad quod rursus iidem: “Bene, inquwunt, recolimus ita esse uti mandastıs, quoniam et a natura, et a promissis, et ab omni vere fidei sacramento profecto fideles sumus. Unde sicut numquam deseruimus militiae vestrae servitutem, ita donee spiritus in nobis superest, numquam desertores erimus, quia nobis gloria vestra, honor et prosperitas carior est, quam vita nostra. Et ideo non contra vos venimus, sed pro vobis*in omnibus parati sumus, tantum ut gratiam pristi- nam et misericordiam impetremus. Neque contra vos hos qui nobiscum sunt, conduximus, sed quia, ut decuerat, simplieiter venire non audemus, pro his qui nobis insidiantur, volentes nos perdere, et imperium glorie vestrae pervertere, etiam animum vestrum serenissimum pium et mansuetum, a natura summe generositatis bonis omnibus repletum et Christi gratia illustratum, eonantur conturbare et cor- rumpere contra nos, et contra fideles quosque, ac permutare in amaritudinem na- ture (vestrae) alienam*, quia nihil aliud olim egerunt, nisi etiam ut vos perimerent. Contra que sic venimus ad vestram clementiam, ut et ipsi detegantur, et thronus imperii vestri et maiestas, eorum elareseentibus eulpis, admodum gloriosius con- firmetur, nosque reconciliemur ad veniam, qui in nullo, quantum in nobis est, umquam volendo contraximus ceulpam'. Addidit quoque: 'Scire vos, inquit, oportet, quia longe diu defensionem sedis apostolice devotissime suscepi, quamvis nune indebite usurpetis contra me illud, ut excludatis me ab huuscemodi officio, quod quamdıu advixero, pretermittere non queo'. : Unde Honorius una cum fratribus: “Perpendat, ait, sublimitas vestra, et re- cordari*dignetur, quod eque me prestantissima in Christo providentia vestra susci- pere feeit hane curam et defensionem ipsius permaxime, ceterarumque ecclesiarum, quando me consortem totius imperüi celsitudo vestra una cum voluntate populi con- stituit in omni potestate et honore, in onıni conscriptione et nomismate!, in omni dispositione, vestro conservato honore et providentia. Equidem et ad eandem sedem clementer me vestra imperialis eximietas misit, ad confirmandum in me quiequid pia dignatio vestra decreverat, ut essem sotius et consors non. minus sanctificatione, quam potestate et nomine. Unde quia coram sancto altare, et coram sancto corpore beati Petri prineipis apostolorum, a summo pontifice, vestro ex consensu et voluntate, benedictionem, honorem et nomen suscepi imperialis of- fieii, insuper diademata capitis et gladium ad defensionem ipsius ecelesiae et im- perü vestri, nemo vobisecum, magis qui eam, quam ego defendere velit aut debeat. Et quia audivi, quod plurimi insidiantur huie, manifestum esse omnibus volo, quod ei sine me nemo nocebit”, quem pro pace et concordia conduxi vicarium beati Petri, ad vestri reconeiliandam serenissimam animi * pietatem’. 2 nature aliene c., von Traube verb. b ein Wort getilgt. \ Agobard’s Schreiben an Ludwig (EE. V, 225) c.5: In processu quoque temporis, quotiens- eumque aut quocumque imperiales litterae mitterentur, amborum imperatorum nomina con- tinebant. Postea vero mutata voluntate convulsa sunt statuta et de litteris nomen omissum est. Radbert’s Epitaphium Arsenü. 87 Mandavit namque gloriosus cesar rursus, non justum esse, quod eundem apo- stolieum ad se venire minime permitterent, eique vias veniendi prohiberent. Ad quod Honorius: “Nequaquam igitur, serenissime, vias ei prohibuimus ve- niendi, sed auxiliante Deo reseravimus, cum essent iussu vestro obstrusae inter angu- stias Alpium et preruptae, ita ut nemo* mortalium libere transire posset, donee virtute Dei nostroque labore complanate sunt, ita ut queam dicere cum propheta, quod facte sint prave in directas et aspere in vias planas. Ad hoc quippe, ut ad vos tam ille, quam et nos devotissimi veniremus, quem profecto hune ideo laborem assumere® coe- gimus, ut ipse vobis summus intercessor vice beati Petri oceurreret, cuius potestas in eo vivit et auetoritas excellit. Propterea non prohibemus°, ut culpamur, sed offieiosis- sime exhibemus, quem audiri supplieiter in causa Dei et nostra humiliter deprecamur'. Iterum augustus inquit: “Iniuste agis, quod filios nostros, fratres tuos, tecum retines, et eos contra me insurgere facis’. “Absit, absit, Honorius inquit, mi domine, siquidem quia fugati erant et abiecti, longeque persecutionibus expulsi, ad vestram eos clementiam reducere de- erevi, rogans supplieiter: dignetur*sancta paternitas vestra recogitare, quia vestri sumus fili, ne nos sine culpa abdicare vel perdere dignetur maiestas vestra, immo moveat viscera pietatis vestrae affeetus carnis, et iustitia non minus legis naturae, quam et legis Dei, nostrique misereri dignemini.' Tune ad ultimum: “Vasallos quoque, inquit, nostros indebite recepisti, et eos tecum retines’. Honorius: “Non itaque, sciat beatitudo vestra, ita est, sed cum essent et ipsi dispersi, fugati, aut in custodiis et exiliis detenti, fecerunt ad nos et ad istum beatum antistitem confugium, quatinus pro illis apud vestram serenissimam_ cle- mentiam intercedat, ne iniuste damnentur, qui pro fide vestra et iustitia extiterunt, ne fraus prevaleret et dolus scelestissimorum. Hoc semper audivi in vestro sacro concilio, et in elarissimorum senatu virorum, hoc semper in vestris recognovi factis, hoc a vobis audivi, hoc legimus in gestis antiquorum, fortes viros et elarissimos ac bene meritos honorari debere magis et gloria inlustrari, quam depelli; qui pra- vorum hominum impetus et conatus provide represserunt; qui auctoritate, qui fide, qui constantia, qui magnitudine animi et consiliis insidiantium audatiae® restiterunt, eorum scilicet hominum, qui levitate sua et pernitiae*vestrum cum omni improbi- tate foedaverunt imperium. (uos quia isti detexerunt et fugarunt, honorandi essent et glorificandi potius, quam a pestilentissimis viris criminandi, quia et ipsi primum vestris sunt enutriti disciplinis, vestrisque edoeti consiliis, vestra sublimati dignitate, et inlustrati honoribus semper habiti sunt primi et eximii palatii. Unde censui- mus eos ad vestram reducere misericordissimam pietatem vestrisque representare aspectibus: et ideo non debemus offensam contrahere, si, quos fraus factiosorum perdidit, vestris restituimus et reconeiliamur® profeetibus‘. a „mo übergeschr. b ein Buchst. getilgt. ° aus prohibuimus verd. d aus audaciae verb, © vielleicht veconeiliamus zu verb. Traube, Isai. 40, 4. *f. 96', +f, 97. *f. 97". cf. Ioh. 14, 27. Lue. ro, 6. Matth. 10, 40. ch. Ps. r, 2. *f. 08, (e. 18.) 85 E. Düunmter: Haee siquidem est alterna altercatio, hae querele ad invicem, haee propositio paterna, et responsio filiorum. Cum nee sic ullum adsensum optinere quivissent veniae, mittitur sanetus et summus pontifex intercessor, vicarius beati Petri. Qui cum venisset, nullo susceptus est honore condigno, tamen more suo data bene- dietione, proposuit pro quibus venerat. Cui imperator inquit: “Nos ideo te more antiguorum regum, sanete pontifex, non suscipimus cum yınnis et laudibus, alio- que dignitatis tuae et religionis honore, quia tu non sie venisti, sicuti tui prede- cessores ad nostros vocati venire consuerant‘.“ Cui ille: ‘Nos, inquit, bene venisse secjas, quia pro pace venimus et concordia, quam auetor salutis nostrae nobis re- liquit; et mihi predicanda universis commissa est et proferenda omnibus. Ideirco, imperator, si nos et pacem Christi digne susceperis, requiescet in vobis ipsa, nec- non et in regno vestro; sin autem, pax Christi ad nos revertetur, uti legistis in euangelio, et nobiscum erit. TeorrAsrus. Pro dolor! quid eontigerit, quod tam religiosissimus et devotissi- mus imperator pre omnibus qui ante se fuerunt sie insipienter et inconsulte egit, nec honorem Deo dedit, nee beato Petro apostolo? Mala, inquam, et pessima mentis obstinatio ac duritia cordis, mala et persuasio feminea, que primum decepit parentem; haec et hunc male decepisse cognoseitur, quod dolemus. Et ideo tante auetoritatis et sanctitatis virum plangimus multa® caligine pressum, non recordatum quod veritas ait: Qui vos recipit, me recipit; et qui vos audit, me audit. Heu, quae et qualis tune fuit fascinatio et mentis obcecatio, quae talem et tantum virum, inter tot temptationes et pericula, inter tot scandala sie decepit, ut numquam re- vocari potuerit, neque ullis mederi scripturarum sanetarum consiliis! Qui cotidie visus est meditari in lege Dei, et tam longe“a lege vere dileetionis indurato corde recessit. Alioquin filios numquam tam pertinaciter contra mandatum ad iracun- diam provocasset, numquam eos gladio hostili abdicatos tam frequenter et ceru- deliter insecutus esset, cum ipsi nihil.contra eum mali vellent, nisi ea ut incon- cussa manerent, que ipse primum et populus universus ordinarant et juramento firmarant. Quod si aut populum, aut ecelesiam Christi sibi a Deo commissam, certe aut rempublicam diligeret aut procuraret, numquam pro unius femine vo- luntate vel persuasionibus tanta admisisset mala in regno quae acciderunt, quae numguam fortassis imperpetuum, non ingenio, non virtute hominum, non consilio, non potentia alıcuius cessabunt. Interea quia multum dolemus, rogamus, quid summus pontifex cum eo egerit vel quid optinuerit, pandas. PascAsıus. Quod sepe legistis “legati non impetrata pace, unde venerant, rediere’, ita et iste sine effectu, sine honore, et sine fruetu tanti laboris regressus est. Verumtamen post diem qua rediit, insequenti nocte facta est manus Domini super omnem populum justo Dei iudieio, et immutate sunt mentes singulorum, terrore Dei concussi ac tremefacti omnes. Unde in eadem nocte reliquerunt au- gustum sine ullius (quantum rescire potui) persuasione aut exortatione; adieruntque a multo c. Radbert’s Epitaphium Arsenü. 89 omnes,*a minimo usque ad maximum, Honorium, suisque castris se iunxerunt, et apparuerunt in mane omnium eorum circa eum fixa tentoria, ita ut singuli di- cerent a parte filiorum et pontifieis: Manu! quod interpretatur, gwid est hoc. (Juia omnino neseientibus cunctis valde mirabile fuit, qui pridie tam fortes erant et eonstantes, confisi in multitudine, in promissis omnium, in consilio pontificum et senatorum, in auetoritate paterna, in promissionibus multiplieibus, quod tam per- mutabiles inventi sunt et infirmi, ut sine consultu et sine estimatione alieuius caesarem solum relinquerent cum Justina sua, et ad fillum, eontra quem venerant et firmarant, eircumeirca, quasi pulli sub alas, tota in nocte convolarent; et mane castra metati, unus populus appareret. Unde valde diluculo ad eundem pontificem venimus pro miraculo, quod acciderat, et ecce im medio unus Romanorum excla- mans ait voce canentis: Dextera Domini fecit virtutem, et cetera quae secuntur. Tune ab eodem saneto viro et ab omnibus qui convenerant, adiudicatum est, quia im- perium tam preclarum et gloriosum de manu patris ceciderat, ut augustus Honorius qui heres erat, et jam consors factus et procreatus a patre et ab omnibus, eum relevaret et acciperet. Alioquin nisi feeisset, dixerunt omnes, quod sibi eligerent* unanimiter, qui eis auxilium et defensionem ferret. Quibus dietis consensit Hono- rius et suscepit, neseio quo iudicio patrem ducens secum, totius monarchiam im- peri. Quae cum vidissem, interpellavi pro his Arsenium ae dixi, quod malum mihi videretur tam fortuita res sine maiori consilio et ordinatione diligentiori, tantum imperium in subito permutari, qui erat consors factus in fide, ut mox omnem monarchiam ex casu patris sibi evindicaret. Ad quod idem: “Nostrum fuit, inquit, huc venire, pro omnibus bona voluntate laborare, pacisque consilium dare, intestinum bellum, quod imminebat, sedare, nunc autem, sicut nemo nos audit, ita nemo quae dieimus qui attendat, quia omnes, ut legisti*, aut metuunt, aut cupiunt, aut gaudent, aut dolent!. Metuunt pridem quod aceidit, ne rursus quod faetum est vindicetur. Cupiunt autem omnes, et” unusquisque eorum, dum tempus est ad ea, quae habuit, (quam)totius° pertingere, vel quae nondum habuit adquirere. Gaudent vero pro eis de honoribus avidius et exultant, quia sua omnes quaerunt, pauci quae Dei sunt et utilia. Ergo dolent reliqui, qui timent perdere, quorum audacia vel consiliis talia cesar augustus contra filios gessit'. Apeoparus. Quantum intelligo, et isti potius milvi fuerunt, quam consules, qui nihil aliud quam de honoribus propriis*arbitrati sunt statuere, unusquisque sibi quanto amplius rapere potuisset, cum deberent iam, quia ceciderat imperium de manu patris, cogitare atque perquirere cum eodem pontifice, una cum Honorio et fratribus, eur ceeiderit, deinde simul ea corrigere ac firmare et constabilire, quomodo deinceps unitum et inconcussum maneret. Multa siquidem providentia primos et summos multoque consilio invigilare oportuerat, ne respublica et status a aus legesti ver. » am Rande ergänzt, besser zu streichen Tr. ° totius c., oeius Mab. ! Aen.VI, 733, vergl. In lamentat. Ier. 1. III (col. 1422 ed. Sirmond): sicut quidam poetice ait: Hi (hine Verg.) metuunt cupiunt gaudentque dolentque. Philos.-histor. Abh. 1900. II. 12 *fg8t. cf. Exod. 16, 15. Ps. 117, 16. *f. 99. Phil. 2, 2. (e. 19.) + f. gg". * f. 100. Lue. ı1, 17. arferook (e. 20.) * f. 101. 90 E. Dümmter: totius imperii conlapsus rursus per discordiam deperiret, quoniam nullus discor- diarum alius solet esse exitus inter claros (et)® potentes viros, nisi aut universus interitus, aut vietoris dominatus, et regni rursus unitas, pacisque®, concordiae re- paratio. Sed quia nec iste consulte constabilitur in solio nee vietor dominatum, quia ex Dei iudieio pater cecidit, cum Deo tenuit, neqgue pax, dum singuli sua querunt, ad plenum restituitur, et ideo regnum iterum deperiit in manu filü et relabitur. Sieque alternatim dum neuter eorum sinceriter coram Deo incedit, labe- factatum adhuc hodie iacet et divisum. Manet quoque obseurum odium inter fratres atque in pectoribus insitum vulnus penitus et inustum animis hominum amplissimorum;*pro quibus indesinenter ad peius tendit respublica et conlabitur. Queruntur occasiones, singuli et expeetant tempus, quatinus quia cecidit auetoritas regum, quae deceat et expediat ad regimen, et consensus omnium divulsus habe- tur et disruptus. Perierunt iudicia reetaque consilia. Suffragia namque virorum coacervantur, sed effeminati viribus non proficiunt, in tantum ut vix inveniatur vir, qui se pro patriae salute opponat aut pro civibus offerat se perieulis. Id- eirco iuxta veritatis sententiam, divisum regnum cotidie desolatur et corrumpitur, quoniam ubi non est gubernator, populus corruit. Gubernatorem autem Deum hine inde amiserunt singuli, quando fieto inter diserimina requisierunt corde. Unde cum quadam die primi et consules palatii secretius insisterent ac vigilarent, cum augusto filio totum sibi diviserunt imperium, non attendentes prerogativa parentum nee coequalitates magnorum, non innumerositatem nobilium, non bene meritorum retro fidellum, non eeclesiarum (quod maius est) dignitatem, non Dei ex corde reverentiam. Quod eum subito factum esset, supervenit Arsenius. At illi eonfusi, guia conscii, obtulerunt ei distributionis sortes,’si quippiam esset quod displicere potuisset. Tum ille, ut erat sagax in responsis: "Totum, inquit, bene dispositum est, nisi quod Deo sui iuris nihil reliquistis, neque quod bonis placeat ordinastis”. Quibus ita inlatis, magis magisque contristari coepit, quoniam pene in nullo iam audiebatur, cecorum cupiditate superatus. Unde faetum est, (ut)“ momentis singulis regia potestas labefactata potius deperiret, quam cresceret. Aucmentantur scelera, inflammatur rursus discordia, concitantur iurgia, nutriuntur insidie, reanimatur augustus pater, plurimis exortantibus recreari debere ad thronum imperii. Conei- tantur hine inde seditiones et augentur discrimina, in tantum ut nulla sit domus, nulla civitas nullumgue municiprum, nullus pagus et nulla provintia, in qua non regnet actenus discordia. Sed tunc vieissim maiora augebantur perieula, quousque augustus pater resuseitaretur in sede regni et filius pelleretur. Pascasıus. Non itaque pulsus est, ut asseris, neque tam insipienter egit, ut tu plangis, quoniam regnum et imperium, quod ceciderat, comitante secum augusto patre sustinuit et servavit, neque in eo quippiam admisit, nisi quod universus senatus coegit“et populus, in potestatis privatione et iudicio presulum, qui eum sub poenitentia redigerunt. Haec omnia quidem Arsenius noster una cum Dei a et fehlt in c., paripotentes verm. Traube. ® ac fügt Mab, hinzu. ° ut ergänzt Traube, Radbert’s Epitaphium Arsenü,. 91 gratia temperabat, ne utra eorum pars in altero erudelius, quam natura sinit, aut scelestius pro tanto diserimine ageret. Sed cum vorax flamma discordiarum am- plius seviret, nee pater augustus in aliquo adquiescens sponte emollesceret, ne forte parrieidium proveniret, fecit suo saneto consilio, augustus filius, relicto patre rursus in solio imperüi, petita venia cum suis omnibus qui cum eo consenserant liber ut abiret: quia hine inde super omnem populum furor Dei effusus efferbuerat. Nam secundum lob tabernacula abundabant predonum ex utrisque partibus, qui satis audacter provocabant suis pravis operibus Deum. Et ideo iam minus Arsenius suis profieiebat consiliis. Erant enim ostia concupiscentiarum ubique aperta et con- flagrata cupiditas. Ideirco suspendium elegit, de medio eorum ut recederet, quia cum Deus omnia dedisset in manibus eorum, nemo tamen Deum ex corde quere- bat, apud quem est sapientia et fortitudo, ipse quidem habet consilium et intellegentiam. Unde liquido eonstat, quod quem ipse omnipotens destruxerit, nemo est” qui, edificet; quem concluserit, nemo est qui aperiat. Et ideo, quia hos alternatim destruebat quos erexerat, et reerigebat quos concluserat, maluit abscedere liber, quam inter eos manere servus peccati. Considerabat enim iam stupefactus, quod fortitudo hominis et ingenia nulla essent, quod sapientia magis stultitia recte* videretur: nam teste scriptura, decipientem, et eum qui decipitur, ipse novit. Propterea cum vi- disset diversos dolos et fraudes hine inde compugnare, feeit, ut filius patri deferret et cum suo exereitu inlesus abiret; ac pater cum his qui cum eo vellent, in im- perio remaneret, ita ut daretur omnibus intellegi, quod ipse sit rex solus omni- potens, qui addueit consiliarios in stullum finem, et iudices in stuporem; balteuım quoque regum dissolvet, et precingit fune renes eorum, quod huie sane contigisse vidimus. Sed quia neutra pars eorum ex toto Deum digne requisierat, vieissim alternis successi- bus commutantur, et flagellatur populus, ut intellegant omnes, quod ipse sit Deus, qui adducet sacerdotes inglorios, et oplimates supplantat. Alioquin numquam, nisi eorum ex eulpis, tanta esset vexatio et confusio omnium. Commutatum namque erat la- bium veratium,*et ablata doctrina senum. Propterea solus iste non poterat jam contra omnes, nisi tantum quod egit, ne tune rerum eventus in peius deveniret, quod hine inde plurimi ortabantur, quoniam eflusa erat contentio ac dispectio super prin- eipes. Sed quod tune obstitit, pro dolor! postea factum vidimus, ne eivile bellum inter eos surgeret. Verumtamen "bie noster potius mori, quam tale aliquid assentire aut interesse vellet. Hinc” persuasit, filius ut“ abscederet una cum suis omnibus, et pater olim male traetato potiretur imperio. Quandoquidem Deus, quia indurarat cor eius, qui commutat corda principum terrae, et decipit eos, ut frustra incedant per invium, eius totum commisit iudicio, ne aliquid quod scelestius esset, proveniret inter eos. Erat enim triste tune videre, culpis exigentibus, quod lob ait: ‚Palpa- bunt quasi in tenebris, et non in luce; et errare eos faciet quasi ebrios. Quoniam ipse solus est, cuius nemo avertere potest cogitationem; sed faciet quaecumque voluerit, suo iusto iudieio. Quae nimirum iudieia considerans hie noster, quae aceiderant, que cotidie a am Rande ergänzt. b Hievc. © am Rande ergänzt. 12* Iob ı2, 6. ib. 13. * f. or’. ib. 14. Iob ı2, 16. ib. 17. ib, 18. ib. 19. ib. zo. * f. 102. ib. 2ı. ih. 24. Iob 12, 25. ib. 23, 13. afTo2l (e. 2.) ef. Matth. 25, 25. * f. 103. (e. 22.) * f. 103’, 92 E. Dünmter: fiebant peiora et augebantur, ideirco, licet sero, previdit futura, quae hine inde ad presens iam completa cernuntur. Unde elegit magis aufugere, quam cum ali- quo eorum remanere.* Nam pater voluit eum, me teste, multum instanter secum tune cum omni honestate et reverentia summi honoris retinere, etiam si vellet iuramentum a suis fidemque facere, deinde augustus filius seeum abducere. Verum- tamen ille neutrum eorum audiens, immo fortiter resistens, ab utrisque discessit, pennigeroque gressu Italiam ingressus, infra coenobium saneti Columbani! se recepit, quod sane coenobium ne invaderetur a raptoribus, ut cetera omnia sunt pervasa, ipsis petentibus fratribus suscepit ad regendum; et quamdiu advixit, nobiliter ae pacifice eum rexit. Teorrastus. Hine est quod multi eum reprehendere conantur, quia suum in quo professus et electus est, reliquit et aliud, quasi eupiditate ductus, quolibet pacto preripuit. Fortassis ergo religiosius esset, aut in suo permanere, paulo ante quod fassus es pacifice (eum)? facere potuisse, aut in eodem sine regiminis onere subsistere. Esset quippe in uno eorum voti adimpletio, in altero vero humilitatis cum laude exsecutio. Pascasıus. Forte non legisti Vitam et actus eiusdem beati Columbani, qui, expulsus zelo cuiusdam femine* a Luxovio, hune rursus coaedificavit locum et prefuit ibi multis fratribus laudabiliter usque ad finem vitae.“ Non enim talentum sibi ereditum abscondere in terram debuit®, sed erogare fratribus, quod beatum Benedietum et alios quamplurimos feeisse legimus. Nequaquam igitur minus vi- detur eum defendisse ab hostibus, et religiosissime rexisse sub saneta regula, et augmentasse studiosissime, in ipsa eademgue professione quam primum illud in- choasse. Namque in suo quia non satis se credidit quiete vivere posse neque in officio regiminis proficere, credo quod nullus sane mentis eum reprehendere velit, si ad quietem et ad utilia valde fratribus sub eadem religione se contulit, plurimis profuturus, qui nescio si se salvare posset® nobiscum inter tot diserimina, ubi iam nulla fides vel vix rara invenitur, maxime inter eos, qui summi esse eu- piunt vel videntur: inter quos°, honores eontempnere@ seculi pro religione, ignavia putatur®. Apzoparus. Novimus haec omnia, quomodo conversatus sit inter eos, etsi® honores contempnere eriminis est, paupertatem Christi amare inprudentia iudicatur. Seds quoniam retro quae gesta sunt, quae contigerunt, Pascasi, doluimus, rerum diserimina et varios eventus deflevimus, temptationes quoque recensuimus, et varia causarum negotia plangen*tes enumeravimus: nunc restat ad finem intendere, eius- 2 ergänzt von Traube. b potuisset verm. Traube. ° inter quos am Rande nachgeir. d „re übergeschr. © jgn. put. am Rande nachgetr. f übergeschr. 85 am Rande nachgetr. 1 Bobbio. ? Die Königin Brunihildis, s. Ionae Vita Columbani I c.19 (SS. rer. Mero- ving. IV, 88). °® Totus hie locus valde intricatus et obscurus est, qui prima fronte Columbano tribuendus widetun: tametsi attentius rem ewpendenti perspicuum fit, ab hoc loco „ aut cerie a sequente ‚periodo, sermonem esse de Wala, non de Columbano. MAB. Radbert’s Epitaphium Arsenü,. 93 que obitum, quia presentes non fuimus nec ad excubias eius circa tumulum laerimas pro floribus sparsimus!, saltem longe post absentes preeibus Domino eommendemus, nosque quwia dies? sepulture eius nescivimus, vel diem anniversarium, dum vita nobis manet, commemoremur. (Quae profecto dies future quietis est nostra in mente re- presentatio, in qua vivit qui mortuus putatur; eiusque memoriae commendatio de- elarat, quod melior est dies mortis, quando perpetuam ingressus est vitam, quam dies nativitatis eius, quando ut vivere coepit, mox morti obnoxius fuit. Pascasıus. Bene nos ortaris, frater, qui eius obitum sie adoriri iubes et re- texere, ut nostrum doceas non lugendum, quoniam sieut per unius peccatum mors in ommes homines pertransüt, ita et per unum resurrectio prestatur, apud quem omnes qui pie moriuntur, beate vivunt.“ Et ideo quia auetorem non refugimus generis?, auctorem non valemus eflugere mortis, et si eum non effugimus, nec vitare possu- mus quod commune omnibus est, indecens est ut disperemus de vita, quae in Christo est, quoniam ipse unus auctor vitae et resurrectionis est. Ac per hoc sieut per unum mors, ita credendum verissime, quod et per unum Iesum Christum vita, et non qualiscumque vita, sed beata et sempiterna vita. Ideirco, dileetissimi, dies obitus patris nostri potius dies vitae est quam mortis, quando sempiternam hane per mortem intravit vitam. Hine nos magis consolari decet quam plangere, quia mors ista usus omnium est, nec debemus durum putare, quicequid universorum est. Unde nee lugenda est, primum quia communis est et eunetis debetur, deinde quia nos ab omnibus seculi erumnis absolvit, posttremo quia species somni est, dum ab istius mundi*laboribus seu euris nos liberat, et quietem° post miserias et do- lores presentis vitae praestat. Et ideo nobis annua haee dies iure vigorem tribuit fidei, spem dat perveniendi et caritatem refundit amoris. Quem enim non soletur resurrectionis gratia? quem non sustollat spes, et non corroboret perveniendi fidutia? quem non accendat caritas, et quem non vivificet tantus amor interius, qui non nisi de Spiritu sancto nascitur? Propter quod etsi varios accidentium casus, et miseriarum labores actenus deflevimus, restat nune mentem illue dirigere diemque illam conspicere, in qua melius vivit{ur)°; intentionem nostram post eum refundere, quia melior est dies illa, quamvis una et singularis, in atriis Domini, super milia; ita ut non totis sensibus defigamur in patrem, ne obrepat mestitia rursus pro ab- sentia. Sed ne exules simus tante pietatis et gratiae ab eo quem! diligimus, mente cum eo commoraris oportet, ubi tanta*predicantur gaudia, ad” que nimirum in- vitatus venit et ipse ad ea cum gaudio introivit. Trorrasrus. Quid igitur est quod invitatum eum dieis? Numquid non omnes invitati sunt, qui regenerationem' per fidem susceperunt baptismi? Omnes quidem a diem verb. Mab. » generationis verm. Traube. ° -tem auf Rasur. 4 mente e. © vivit e., vivitur Traube. f aus quae verb. 8 commemorari c. hAtc i aus regenerationes verb. ! Vergl. Radberti Egloga v. 3 (Poet. Carol. III, 75): Spargite humum laerimis, conponite floribus arvam. ef. Rom. 5, 12. * f. 104. * fi 104”. * f. 105. (e. 23.) + f. 105’. ef. Ecel. 4, II. * f. 106. * f. 106’. 94 E. Düunmter: ad eandem inmortalitatem sunt vocati et ideo absurdum est hunc quasi mortuum deplorare, quamvis etiam stultum sit id specialius deflere, quod scias omnibus pre- scriptum esse; quia hoc est animum super conditionem extollere, legem mortis communem non reeipere, nature consortium recusare, mensuram earnis nescire. Si autem iste, ut ais, ad hane invitatus venit, ut volens eam susciperet, causam ex- ponis iusti debitoris, qui quod debet, sponte occurrit, paratus reddere quod debet. Pascasıus. Nequaquam igitur sine causa invitatum eum venisse -dixi, quia quodam sancto narrante audivi episcopo, antequam dies obitus eius adpropinquasset, non solum semel, verum et secundo per visum*vocatum fuisse et invitatum, quasi legationem suam expleturus ante conspeetum aeterni regis et pro laboribus gratiam accepturus, ita ut Arsenius noster ei dieeret?, etiam antequam febrem incurreret mortis, quod paulo post hine iturus per mortem esset. Et, ut ipse prefatus in- telligere potuit episcopus, alacrior in spe deinceps vixit, et securior in febre non diu laboravit. Qua correptus sollieitior pro augusto imperatore, apud quem tune agebat, quam pro se erat, ne forte quod nuper patri promiserat, omitteret occasione accepta, quia ipse febribus vexabatur. In quo patet, quia invietus permansit in fide et in caritate devotus, spe consolatus suae vocationis. Quo profecto tripliei funiculo religatus ad Christum, securus animam celo reddidit!, cuius corpusculum in basilica, qua beatus Columbanus requieseit, ad latus terra suscepit. Nec*igitur ab re factum erediderim, ut pariter una domus ambiret unaque vieinitas sepulturae commendaret, quos una religio tenuit, equa pene temptatio a suis quasi peregrinos expulit sedibus et Italiam fugavit. Fuerunt enim regine non dispari nequitia®, quae hoc fecerunt, duae, non uno in tempore, sed sub uno impietatis scelere con- iunetae et consotiate, quae pro consimili zelo non ferentes sanctos viros earum consimilem reprehendere nequitiam nefandam satis neque in aliquo contraire; id- eirco coegerunt dolo et fraudibus eos insidiando, ut relietis in quibus preerant propriis coenobiis, Auxoniam peterent. Qua demum quorum una fuit conversatio, etsi parum dispar causa, una religio, unaque fuga insidiarum duarum mulierum, una esset quies laboris et sepultura funeris. Ille siquidem ut sanctus confessor Christi virtutibus*approbatus; iste ut eius pedisecus meritis fuleiretur, commenda- retur preconiüs et auxiliaretur preeibus. Nee igitur absque providentia Dei factum eredo, qui pro fide, pro zelo Dei, pro religione, pro equitate iudieii atque in- tentione virtutum se diserimini obvios obtulerunt, quod uno in loco finem per- coeperunt laboris. Et ideo dubitare non lieet, quod pater egregius eum sancto confessore Dei togatus requiescat in aeterna requiae, qui pari exemplo exul pulsus est de coenobio suo, deiectus a patria et ab officio regiminis, ut quorum fuit una temptatio, una eos refoveat consolatio quietis in aeterna pro qualitate meritorum, et exornet alterna proportio iustitiae in caelo. a aus dicetret verb. b -tia auf Rasur. ı Uber seinen Todestag, wahrscheinlich den 31. August 836, s. Simson, Jahrb. Tudwig’s des Fr. II, 156 n. 5. Radbert’s Epitaphium Arsenüi. 95 Unde oportet pro tanta spe nos ad invicem consolari potius quam dolere, quia ınestitiam® tanti luctus jam non solum fidutia beatitudinis eius lenivit®,° verum tempus oblitteravit et ratio devieit, neenon et prudentia jam olim mitigavit. Et si planximus iure, dum varias° eius deflevimus inpulsiones, et temptationes multi- plices dinumeravimus, casus quoque exposuimus, decet nos deinceps iam congra- tulari@ illi, et gaudio refoveri pro luetu, laetitia bone spei recreari pro merore, et exultatione intus indui pro tristitia, eo quod pro certo seimus, quia pater egregius corpori supervivit. Qui licet absens fuerit a nobis, quando obiit, presens tamen est, quia in eo qui ubique est, beatae vivit. Nam depositis proprii sensus anima eius repagulis expedita iam libero cernit obtutu, quae ante sita in corpore videre non poterat. Si enim dormiendo anima ad altiora se subrigit, velut sepulta in corpore°®, et renuntiat nonnumgquam corpori rerum absentium vel etiam celestium visiones: quanto magis cum absoluta est erumnis*seculi et tota vivit in Domino, qui ubique vivit, et ubique omnia complet et regit. Non enim alieubi longe pere- grinatus est pater noster, nisi ad eum, eui et in quo vixit, qui ubique in se est et ubique vivit. Ad hoc quippe eottidie moriebatur cum apostolo, ut perfectius viveret Deo, quia, ut philosophi dieunt!, sapientis viri vita meditatio mortis est. Meditabatur autem pervenire ad id quod perfeetum est, quando revelata facie, non ex parte, neque in enigmate vel in umbra, sed in veritate, prout est, specu- lanti appareret aeterna visio manifesta; quod inpresentiarum esse non poterat, quia juxta apostolum inpresentiarum ex parte scimus, el ex parte prophetamus. Cum autem pervenerit in nobis quod in ea vita perfeetum est, evacuabitur quod ex parte, et erit tune perfectum, quod nunc ex parte est. Nam nemo festinaret ad finem fide eonfisus in Domino, nisi vitae istius fugeret incommoditates,* pro quibus David plangit dieens ad Deum: Ecee dies meos veteres posuisti coram te, et substantiam meam tamquam nihilum ante te, verumtamen universa vanitas, ommis homo vivens. Et .ideo iste, fratres, postquam cognovit, postquam didicit, numquam moratus est fugere voluntatem suamf, neque voluit in seculo vane conturbari, neque sperare in incerto divitiarum, sed speravit in Deo vivo, ad quem pervenit. Et ideo dum mortem gustavit corporis, vitam invenit, quia non prima animae incurrit mortem. Triphei namque modo mors dieitur?: uno cum morimur peccato et vivimus Deo, alio cum peccamus ad mortem, de qua dieitur: Anima quae peccaverit, ipsa morielur, tertio est vitae huius excessus, qua mortuus est etiam Christus; et omnis quieumgque vitam gustaverit istam, morietur, ne ultra peccare possit. Unde una spiritalis vocatur, altera naturalis, tertia*quoque penalis. Sed quae naturalis iam vocatur, ® -ti- übergeschr. b lenivit verb. in linivit. © varios c. d ri übergeschr. auf Rasur. € corporae a getilgt. f übergeschr. U BHieronymi ep. LX (Opp. I, 341): Platonis sententia est omnem sapientium vitam medi- tationem esse mortis. Laudant hoe philosophi.. sed multo fortius apostolus: quotidie, in- quit, morior etc. Tr. 2 Ambros. de bono mortis e.2 (Opp. I, 390; ed. Schenkl I, 704): Sed mortis tria sunt genera, doch ist er nicht wörtlich benutzt, * f. 107. * f. 107". r. Cor. ı5, 31. 1. Cor. 13, 9. * f. 108, Psal. 38, 6. Ezech. 18,4. * f. 108', Gen. 3, 17-19. * f, 109, Phil. z, 2r. * f. 109", Phil. 1, 2r. SIE seien (e. 24.) 96 E. Dümmrer: quamvis quibusdam poenalis videatur, non eam pro poena Dominus dedit, ut ipsi volunt, qui de bono mortis seripserunt libros, sed pro remedio datam dicunt; quoniam Ade aliud prescriptum est ad poenam, et aliud ad remedium®. Nam pro poena, cum dieitur: Quia audisti vocem uworis tuae plus quam me, et manducasti de quo preceperam ne mamducares, maledieta terra in opere tuo, seu cetera, donec revertaris in terra, de qua sumptus es. Eece poenarum genera, cum maledieitur, et in operibus eius spine et tribuli germinantur. Quae spine et tribuli verbum suffocant vitae, curas quoque ac sollieitudines generant, quibus necatur et exeluditur eibus, qui de caelo venit, quo vivit omnis homo, qui Deo vivit; et ineluditur mors, qua anima poenaliter vivat. Unde a pio Domino mors ista pro remedio data est quasi finis malorum. Hine quoque Adae non dieitur, Quia® audisti vocem uxoris tuae, reverteris*in terram. Haec enim si dixisset, esset poenalis sententia, quemadmodum est illa, Maledicta terra in opere tuo, et cetera. Habes igitur mortem anime pecca- tum, habes et poenam, quae vera mors jure vocatur, habes et mortem, quae magis poenarum nostrarum finis est et remedium, qua cursus huius vitae ad horam pre- eiditur. Hine ergo mors ista, qua mortuus est Abraham, mortuus et pater noster, qua morimur omnes, non solum malum non est, verum etiam bonum est. Et ideo etiam beatus Ambrosius de bono mortis edidit librum satis pernecessarium. Qua- propter si planximus in obitu tanti patris, varios rerum merores et eius labores plurimos, gaudeamus cum eo, quia ei vivere Christus fuit, et mori lucrum. Com- moriamur autem cum eo, ut vivamus ın Christo cum eo, discamus cottidianis usi- bus mori seculo, ut segregemur a carne, et tamquam in celo meditatione vivamus. Susciplamus inter’dum imaginem mortis, ne poena nos invadat mortis, ut per bonum mortis ad vitam possimus pertingere sempiternam, in qua mors iam ultra non erit neque luctus.. Moriamur autem morte justorum, ut cum illis vivamus, moriamur et morte tanti patris, quia ipse, ut ceredimus, iam beate vivit, ut cum eo et nos vivere valeamus, quod ipse semper oravit et docwt. Offeramus in nobis vota eiusdem patris, quia ipse nos Deo vovit et obtulit acsi hostiam, maxime fratres nostros, oblationem novam in sacrificitum, quos Domino dedicavit. At non solum quos ipse instituit et collegit, sed et eos quicumque futuri sunt ibidem ad eandem institutionem, quam ipse Domino dedicavit, qui non solum sibi vixit et Deo, verum omnibus nobis vixit ad exemplum et doctrinam, ut nos doceret vivere Deo. Et ideo eius vivere nobis profuit, eui cum apostolo mori lucrum fuit. Hine supplices exoremus, ut*Christus qui Deo patri sanctorum offert vota, ipse in nobis pro eius augmento meritorum sua conferat dona, quae largius ad cumulum mer- cedis eius offerantur Deo patri pro eo, ut simul nostra atque eius in nobis ob- latio per Christum accepta sit in sacrifieium sempiternum, quatinus quorum in sacramento sacre confessionis una fuit professio, una sit et aeterne remunerationis partieipatio in gaudio. Quod autem ad aeternae vitae gaudia angelieis sit ipse deportatus manibus, a re- übergeschr. b -i- übergeschr. Radbert’s Epitaphium Arsenü,. 97 venerabili referente Ermengardi regina! omnino cognovimus. (Juae quam sepe piae recordationis afleetu aiebat, in exitu tanti viri et in hora obitus eius misisse* se per diversa Italiae loca, ut singuli beati viri anımam precibus Domino com- mendarent. Inter quae quod miserit etiam ad monasterium suum valde egregium, quod est infra moenia Brixe civitatis Domino dedicatum?, distans a Tieino ferme xt milibus, in quo sanetimonialium multitudo Domino famulatur, similiter eis praecipiens, obnixius et obsecrans®, ut beatam animam viri Dei Christo deo prae- eibus commendarent. Ad quod municipium missi*cum pervenissent directi°, in- venerunt easdem Christi famulas de obitu prefati viri jam pertractantes atque, horam et tempus exitus eius prescias, loquentes ad invicem. Tunceque* relectis® sacris litterisf, quas regina miserat, invenerunt omnia de eo, ut illis ab angelis declaratum fuerat. Nam exstiterant inter eas due sacratissime virgines, quae haec omnia illis, utS testabantur®, praedixerant, eo quod audissent choros angelicos in caelum, quasi per eundem locum, animam beati viri deferentes.. Ad cuius ex- sequias inter cetera ymnum Te Deum laudamus, te Dominum confitemur"‘, alternis vocibus more ecelesiastico decantabant, et symphonizando beati viri! exsequias pio Domino eommendabant. Quas cum duae tantum longe diu laudes intenderent, demum convocarunt reliquas omnes, ut et ipse easdem audirent, sed nemini earum admodum concessum est, ni illis duabus® solummodo, ut testes exsisterent veri- tatis. Quibus, ut dixi!, ita loquentibus, releetis sacris litteris, quas prefati de- tulerant veredarii, invenerunt hora et die eadem eum obisse, in qua ipsum angeli detulerant cum laudibus. Unde constat verum esse, quod seriptura testatur: Beatus vir qwi suffert temptationem, quoniam cum probatus fuerit, accipiet coronam vite. Et ut haee ita esse manifesta fierent, verissimo relatu ab omnibus mandatum est regine, quod due tantummodo heec talia et ineffabilia alia audissent. Sed forte ad hec sichofanta quilibet ineredulus*dieturus” est, virum tantis expositum temptationibus et iactatum pressuris, talia non promeruisse, presertim® cum ipse iudex Christus, qui exposuit et probavit, probatum autem (ut eredimus) remuneravit, sieut promisit in euangelio, ita dieens: Euge serve bone et fidelis, quia in pauca fuisti fidelis, supra multa te constituam, intra in gaudium Domini tw. Face ergo falsa esse que dico, cum sint vera®....... quae dicoP retro narrantur. Ideirco4 proprüs iustisquer ..... est a Deo aeternae vitae praemia percoepisse, qu(ia a mississe c. b obse- auf Rasur. © cum bis direceti auf Rasur. d Joquentes bis Tuneque am Rande ergänzt. © -s übergeschr. f _ras verb. in vis. 8 übergeschr. h te bis confitemur am Rande nachgetr. i „ri übergeschr. k „bus übergeschr. ut dixi am Rande ergängt. m diese Seite hat nur 16 Zeilen. na am Rande ergänst. ° dico bis vera am Rande ergänzt. P de eo las Mab. 4 -circo übergeschr. " judieiis existi- mandus ergänzt von Winterfeld dem Sinne nach, doch wollen die lesbaren Reste nicht passen. ! Lothar’s I. Gemahlin, starb am 20. März 851. ® Das von der Langobardenkönigin Ansa dem Erlöser und der hl. Julia gestiftete Nonnenkloster in Brescia (S. Salvatore), welches Lothar I. im Jahre 848 seiner Gemahlin Hirmingard und nach ihrem Tode seiner Tochter Gisla übergeben hatte, s. Mühlbacher, Reg. (2. Ausg.) no. 1133. 1147. Philos. -histor. Abh. 1900. II. 13 * f. 110’. Iae. r, 12. * f. ııı. Matth. 25, 2I. Matth. zo, 13. Mattlı. 20, 15. y8 E. Düunser: Radbert’s Epitaphium Arsenü. habes)® pro eo ex euangelio dieentem: Amice, non facio tibi iniuriam: gratis dono. Nonne et tw conwenisti mecum ex denario? vitae aeternae. Aut non lieet mil facere quod volo? quoniam non nisi gratis alieui aliquid rependo mereedis. An oculus tuus neguamı est, guia® ego bonus sum? quod gratis inpendo (id est)“ nulli nisi qui afcceptus ex gratia, non)° ex opere, Deo. Unde quaeso gratias agamus Deo, fratres, qui huie ista concessit, et nobis sese promisit, talia ei praestitisse... ut multum® gaudea- mus! deper... NACHTRAG. 5.20 Z.24 schlägt Mabillon für prosequere prosequi vor, Traube prosequi vere. Ich kann diese Arbeit nicht schliefsen, ohne dem letzteren meinen wärmsten Dank für seine vielfältige Beihilfe zur Herstellung dieses schwierigen Textes auszusprechen, zumal da sein Antheil an der Ausgabe durch die Nennung seines Namens im Einzelnen keines- wegs vollständig umschrieben werden konnte. a von Traube ergänzt. b quia bis sum folgen in c auf mercedis, von Traube um- gestellt. © von Traube ergänzt mit Benutzung des Matthaeus-Commentars, wo es im 9. Buche heifst: Unde recte probatur, quod non ulli ex merito operis, sed ex gratia Christi cunetis vita praestatur aeterna. d sese promisit oder se repromisit? © mit diesen Worten schliefst die vorletzte Zeile. f Anfang der letzten Zeile. CODEX PARISINUS 13909 (quondam S. Germani a Pratis 1412) fol. 52. "ent Lleden reo aufuf Sa ü adrıdereommbur: pellig Be % Ne vet bı fumpruffere” Geuschunsenny bonahianlt afcane - 14 ofaucedenorareguamfimaf'agre = A N „ Samfeuı guamerifzef: gquamzrüculenz N 3 re OumasE|. rabhırodıu" Kg ’ nacht u was je -confılıa A. - memoren er P&bberf iepterale Aeneliteof re 2 ber as “ .p- Be se U uppumblandeiporiimardie teerei m E Sy 71 ? i aD 5 DA Ve ZZ bangen den Aönigl Preass = Aka emie den Wessenschaften zu Derlin vom fah ie7Ill. P üsse in den Komödien des Terentius. v ii ah ae TEE LT, | R neh rinracat { heben PL u vr “ ash dd; rn Fr u u Ei; VAHLEN. 4 3 vun Bi ek nike 1 Hi ö Bent eV, Kumtstın. wel e N & home 7 ! ae ROTER [Sitzungsberichte St. XI. S. 119]. Zum Druck eingereicht am 29. November 1900, ausgegeben am 29. D Die handschriftliche Überlieferung der Komödien des Terentius weist in einer nicht unbeträchtlichen Anzahl von Beispielen die Thatsache auf, dafs eine dem Gedanken nach nothwendig zum Folgenden gehörige einsilbige oder einsilbig gewordene vocalisch anlautende Conjunction oder Praeposition so an das Ende des Verses gestellt ist. dafs sie mit dem vorangehenden Wort durch Synaloephe verbunden ist und den Vers mit langer Silbe be- sehlielst: Sosia et | Liberius vivendi; ad forum ut | Conveniam. Diese Erschei- nung, an der im einzelnen Fall und aus besondern Gründen wohl auch ältere Kritiker, wie Bentley, Anstofs genommen haben, ist von neuern Herausge- bern wie Fleckeisen und Dziatzko durchweg dem Terentius abgesprochen und mit Consequenz aus ihren Texten ausgewiesen worden. indem sie dureh eon- jeeturale Abänderungen verschiedener Art den Versen reinen Abschluls zu geben suchen; insbesondere hat Fleckeisen schon in seiner ersten Ausgabe v. J. 1881. zum Theil im Anschlufs an Andre, selbst kühnere Neuerungen nieht gescheut. um seinen Glauben an die Unzulässiekeit solcher Versbildung, sei es auch mit Gewalt. «durchzusetzen, und hat in seiner Neubearbeitung des Terentius v. J. 1898 diese Theorie von Neuem durchgeführt, nur so. dafs er gewagte Berichtigungsversuche durch bescheidenere und ansprechen- dere ersetzt hat. Gegen diese Ansicht und das darauf gegründete Verfahren der Kritik haben sich mir von jeher schwere Bedenken aufgedrängt: sehon ı888 habe ich in unsern Sitzungsberichten S. 44 bei Besprechung eines Bruchstücks des Emnius, in welehem ich einer Praeposition ihren Platz am Ende des Verses zu sichern mich bemühte. auch einen Seitenblick geworfen auf die Komödien des Terentius,. und habe vorher und nachher zu wiederholten . 4 ). VAHLEN: Malen die Frage im Ganzen oder an einzelnen Beispielen in Vorlesungen und Übungen «durchgesprochen. Fleckeisen’s neue Bearbeitung. die in ihrer eleganten Glätte nicht ver- fehlen wird. Eindruck zu machen. ist es vornehmlich. «ie mich veranlafst spät noch den Gegenstand in vollem Zusammenhang darzulegen und «lem Versuch zu machen, eine Auffassung mit Gründen abzuweisen, die sich mir nur als ein Ergebnils philologischer Willkür und subjeetiven Ermessens (dargestellt hat. Doch ist die Beweisführung nicht eben leicht. Denn weder (lie Herausgeber. die stillschweigend dem Leser (darbieten, was sie für richtig halten. noch auch andre Gelehrte, die derselben Ansicht huldigen, wie Conradt (Herm. 10, 1876, S. 106) und Sauppe (Ind. lect. Gotting. 1830, p- S: Opuse. p. 722) haben es sich angelegen sein lassen, ihre Meinung mit Gründen, die aus der Sache gezogen. sind. zu stützen, sondern die Richtigkeit der Annahme voraussetzend. handeln sie über die wahrschein- liehste Art «der Berichtigung oder über Folgerungen, die aus dem ange- nommenen Gebrauch «des Terentius für andre Diehter sich ziehen lassen. Und so hat bis jetzt der Glaube «lie Beweisführung ersetzt. - Um aber die Frage aus .dem Stadium «des Beliebens in den metho- (lischen Gang einer Untersuchung zu heben, schien es gerathen nach ver- wandten Erscheinungen bei demselben Dichter sich umzusehen, die eine Norm darböten, an der «die fraglichen Thatsachen zu messen seien. Nun kann näherer Betrachtung nicht entgehen, dals Terentius auch Wörtchen wie hoc, oder Partikeln wie «ti. quia,. die den Anfang eines Satzes oder Satztheiles bezeichnen. an das Ende des Verses gerückt hat, und dafs in einer nicht geringen Anzahl einsilbige Interjeetionen, Ah, Hem, Hw. ganz wie die uns beschäftigenden Partikeln. mit dem vorangehenden Wort durch Synaloephe verknüpft. den Schhuls des Verses und zugleich den Anfang einer neuen Pmous mit Eintritt einer neuen Person bilden, und endlich, dafs, wenn Terentius’ Verse auch oftmals ganze Reihen hindurch mit Gedanken- abschlufs sich abrunden, wie z. B. Andr. ıv ı (639-650), er doch weit (lavon entfernt ist, «lies zum alleinigen Prineip seiner Versbildung zu machen, sondern nicht minder oft seinen Gedankenausdruck in zusammenhängenden Versen sich entwickeln läfst (z. B. Eunuch. ı 1). Daraus ergab sich mir, um wo möglich auch Andre zu überzeugen, die Nothwendigkeit, das be- weiskräftige Material übersichtlich zusammenzuordnen, so schwer es auch ist. auf diesem Wege anschaulich zu machen. was nur intensive Leetüre Über die Versschlüsse in den Komödien des Terentius. 5 und Beobachtung erreichen kann. So versuche ich, mit Beschränkung auf das Nothwendigste, nach Abfolge der Komödien eine knappe Auslese von Versen zu geben, in denen ein neuer Gedanke mit dem letzten Wort oder einem der letzten Worte des Verses beginnt, sei es eine Conjunetion oder Interjeetion oder irgend ein andres Wort, und in dem folgenden Vers fortgesetzt wird, oder der neue Vers mit einem nothwendie zum Gedanken les vorigen gehörenden Worte anhebt: in beiden Fällen zeigt sich der enge Zusammenhang der Verse, der in bestimmten Fällen dureh die rhyth- mische Verknüpfung zweier Verse verstärkt wird. Da dieser Übersicht die fraglichen Erscheinungen eingeordnet sind, so wird schon daraus ersichtlich werden, wie sehr sie ihrer ganzen Art nach den übrigen gleichwerthig sich an die Seite stellen: so dafs auf dieser Grundlage, die allein ausreichend sein wird, die bestrittenen Thatsachen als echt und ursprünglich zu erweisen, nur noch erforderlich ist, die für jede dieser Stellen im Besondern sprechenden Gründe dar- zulegen, wobei sich zeigen wird, ein wie nützliches Mittel der Entschei- dung die von den Kritikern bei ihren einschneidenden Neuerungen nur zu oft vernachlässigte Beobachtung «es Sprachgebrauchs (dieses Dichters gewesen ist. ANDRIA. 49 et gnatı vitam et consilium meum Cognosces I. 5ı Nam is postquam excessit ex ephebis, Sosia, el Liberius vivendi fuit potestas (nam anten (ui seire posses aut ingenium noscere, Dumm aetas metus magister prohibebant? SO. Itast) Sosia et dje Handschriften, unter denen der eod. Bemb. fehlt; Sosia , «ec Bentley ohne Vermerk. Die Citate bei Cicero de invent. ı 19, 27 und 23, 33; de orat. ıı 80, 326 reichen nur bis ephebis; ebenso Iulius Vietor in Halın’s Rhe- tor. Lat. p.424; nur Vietorinus ebenda p. 202 hat, wie einige Hdschr. de invent., ephebis Sosia.. Et liberius Donat iin Lemma. Sosia — potestas mit C. F. Hermann (Rhein. Mus. 6, 444) getilgt von Fleckeisen ı und Dziatzko. Sosia Läberius vivendi ubi potestas Fleckeisen =: Sosia Liberius vivendi est potestas Spengel. Meine Angaben über Handschriften und Grammatikerzeugnisse entnehme ich Umpfenbach. 71 Inopia et cognatorum neglegentia Coacta 74 vitam parce ac duriter Agebut ANDRIA I. 77 80 85 88 90 J. VAHLEN: ut ingeniumst ommum Hominum flium Perduxere illue, secum ut una esset, meum nam Andriae [ii id erat nomen ... Phaedrum aut Cliniam Dicebant aut Niceratum: nam hi tres tum simul Amabant .... symbolam Dedit, cenavit ... item alıio die Quaerebanı: comperiebam nihil ad Pamphilum Quiequam aftinere ... spectatum satis Putabam uno ore omnes omnıa Bona. dieere hae fama impulsus Chremes Ultro ad me venit parvae consuetudinis Causa, funus interim Procedit siquid consili Habei obnixe omnia Facturum ubi nuptias Futuras esse audıvit guieguam in his te nuptiis Fallaciae eonanı eieetam Chrysidis Patrem vecepisse Mihi quidem herele non fit verisimile, atqueipsiscommentum placet. Sed Mysis ab ea egreditur: at ego hince me ad forum. ut Conveniam Pamphilum. ne de hac re pater imprudentem opprimat. ad forum ut Conveniam die Handschriften und ältern Ausgaben; die Neuern tilgen meist «4 und stellen ein Asyndeton her; überdies haben sie die drei unverdächtigen Schlufsverse der Scene, die so überliefert sind, mit viel Freiheit und Willkür abgeändert. So aufser Fleckeisen ı u. 2 Conradt Hermes ı0 $.r0o7 u. Metrische Composition S. 226 fe. nonne oportuit Praeseisse me ante se commissurum mihi (natam suam UXorem . ANDRIA Uber die Versschlüsse in den Komödien des Terentius. 248 268 282 306 310 314 322 351 359 363 381 391 401 410 412 facta transacta omnia: hem Repudiatus vepetor quid ego dieam de patre? ah Tantamne rem tam neglegenter agere Obstipui: censen me verbum potuisse ullum prologui aut Ullam causam, ineptam saltem, falsam iniguam? obmutui. aut in einer Hdschr. am Anfang von 257. Schol. Bemb. zu Adelph. ıv 4 Anf. similis sensus in Andria. obstipui. censeten me verbum potuisse ullum. proloqui aut ü. causam ineptam S.f. obmutui. Danach Fleckeisen 2 Obstipui: me eensetin ver- hum potuisse ullum prologui Aut causam ineptam saltem falsam? obmutui. Früher Aut causam ullam, i. 5. f. iniquam ? obmutui. diem Quia olim in nme sunt constitutae nuptiae etiam nune mir Scripta illa dieta sunt m animo Chrysidis De Glycerio nil volo aliıud nisi Philumenam. BY. Ah Quanto satius te id dare operam qui istum amorem ex animo amoveas tuo. Sed Pamphihum Video Byrria, Quid tibi videtur? Ei mih, Vereor dicere hoc me libera miserum metu. DA. Em (hem) Libero mi ineidit suspieio: hem Paululum obsoni interea ’ntro ire neminem Video dietum ac faetum ınvenerit Aliquam causam hau dubiumst quin Chremes Tibi non det gnatam Hanc fidem Sibi me obsecravit qui se seiret non deserturum ut darem. Numquam hodie teeum commutaturum patrem Unum esse verbum iussit Pamphihum Hodie observare ut quid ageret de nuptüis Scirem 8 ANDRIA IN, 492 504 590 592 612 615 627 TV AL BIN: me eredit aliquam sibi fallacıam Portare biduist aut tridui Haee solheitudo MY. Sed hie Pampbilus. SI. Quid dieit? MY. firmavit dem, Sl, Hem. 0 Juppiter Quid ego audio jam scio: ah Vix tandem sensi stolidus itane tandem ?doneus Tibi videor esse continuo darı Tibi verba censes nam omnes nos quidem Seimus, guam — nune Chremem Conveniam, orabo gnato uxorem hodie jilkam Meam nubere tuo gnato ita utı nuptiae Fuerant futurae Kant Uxorem demus. spero consueludine et Coniugio liberali devinetum, Chremes, Dein facile ex illis sese emersurum malis. So die Handschriften. Die neuern Herausgeber tilgen e? und schaften ein Asyndeton. Fleckeisen 2 schreibt consuetudine Coniugi eum liberalis devinetum. opportune hie fit mi obviam. DA. Hem Numnam perimus? gnatam ut det oro vixque id exoro. DA. Oeccidi. SI. Hem Quid dieisti? | negabon velle me, modo Qui sum polheitus ducere? huie malo aliguam producam moram. PA. Oh. ex inecommodis Alterius sua ut comparent commoda: ah Idnest verum? immo id est genus hominum pessumum, in Denegando modo quis pudor paulum adest: Post ubi tempust promissa iam perfici, Tum coacti necessario se aperiunt: Et timent et tamen res premit denegare. Ibi tum eorum inpudentissima oratiost. Uber die Versschlüsse in den Komödien des Terentis. 9 ANDRIA 660 664 718 722 734 747 754 776 785 VI. 838 872 928 943 Philos. - histor. Abh. 1900. ITI. 629 immo id est genus hominum pessumum in | Denegando die Hdschr. des Terentius; nur eine hat in am Anfang des folgenden Verses. — pessumum ho- minum genus Eugraphius im Lemma; immo id genus hominum est pessimum. In denegando Donatus, wie es scheint; Servius Danielin. Aen. xır 694 p. 634, 2 Thil. verum enim quod rectum et bonum esset appellabant: Terentius “idne est verum modo? id est pessimum genus. Die Neuern id est pessimum hominum genus | In negando oder Denegandi. numquam destitit Instare ut dicerem DA. Faetum. CH. HHem quid ais, o scelus. Cf. 682. virum in quovis loco Paratum; verum ex eo nune misera quem capıt Dolorem nune opus est fua Mihi ad hance rem exprompta malitia Ego quoque hine ab dextera Venire me adsimulabo: tu ut subservias Orationi MY. Cur tu obsecro hie me solam? DA. Hem quae haec est fabula? Dlahae: Mirum vero, impudenter mulier si facit Meretri.x iam ego hune :n mediam vıam Provolvam Audistin, obsecro? hem Scelera. CH. Erras: cum Davo egomet vidi iurgantem aneillam. SI. Scio. CH. Ai Vero vultu, cum ibi me adesse neuter tum praesenserat. At vero vultu die Hdschriften (im Bemb. AT über V vom corr. antig. über- geschrieben) und die ältern Drucke. Faerni bemerkt, dafs At an das Ende des vorhergehenden Verses gehöre. Aber Bentley: tolle Hud ‘at’: obest enim potius quam prodest. Nach ihm, dessen Urtheil Conradt Herm. 10 S. 108 bekräftigt. haben die Neuern dieses #f nicht mehr erwähnt, geschweige aufgenommen. SI. Quid ais ommum? Ch. Ah Rem potius ipsam die ac mitte male logquıi. CR. Nomen tam eito? PA. Phania. CH. Hem Perüi Egon hujus memoriam patiar meae Voluptati obstare EUNUCHUS. Diese Komödie zeigt besonders häufig die sprachliche Ver- kaüpfung der Verse: von denen ich nur eine kleine Auswahl anführe. ) 10 EUNUCHUS Ile DL. 214 217 228 J. VAHLER: et easdem scribendo male ex Graecis bonis Latinas fecit non bonas. Die Handschr. Ex Graeeis. ut te redimas captum quam queas Minumo quas ipse amor molestias Habet matri parvolam Puellam dono quidam mercator dedit PA. Utrumque hoc falsumst: effluet. TH. Qui istuc? PA. Quia Neque tu uno eras contenta neque solus dedit. te interea loci Cognovi. tute scis postilla guam intimum Habeam te. PA. Ne hoc quidem tacebit Parmeno. TH. Oh dubiumne id est? Vgl. 139. 140. 141. praeterea ut sus Restituam ac reddam. numcubi meam Benignitatem sensisti in te elaudier. neque meo Cordi esse quemguam cariorem Ph. Satin hoc mandatumst tb? PA. Ah Rogitare quasi difhecile sit. et ıstum aemulum Quod poteris ab ea pellito. PA. Au Memini tam etsi nullus moneas. So Fleckeisen ı mit einem Theil der Handschriften. Die meisten Heraus- geber verschmähen die Interjecetion. Bentley: AR | Memini —. PH.Sed heustu. PA. Quid vis? PH. Censen posse me offirmare et Perpeti ne redeam interea? So Umpfenbach mit den Handschriften. Censen me posse obfirmare et perpeti Donat im Lemma, zweimal. Ältere Drucke offmmare Et perpeti, was Bentley, damit auf den Octonar ein trochäischer, nicht ein jambischer Vers folge, in offirmare et Perpeti abgeändert hat. Die neuern, Fleckeisen ı u. 2, Dziatzko, Conradt (Herm. 0 S. 109) tilgen et, damit ein Infinitiv vom andern ab- hängig sei. non ego illam caream, si sit opus, vel totum triduom? PA. Hın Univorsum triduom. Vgl. 225. 226. hie quidemst parasıtus Gnatho Mikitis: ducit secum una virginem dono huic: papae Facie honesta. Vgl. 317. EUNUCHUS IL. EV. ni Uber die Versschlüsse in den Komödien des Terentüus. ll 237 260 263 308 319 324 327 331 338 344 349 356 362 quoniam miser quod habui perdidi, em Quo redactus sum hem Bemb. mit den meisten übrigen, em zwei Handschriften, von denen eine Em am Anfang des folgenden Verses hat. Ile ubi miser famelicus videt mihi esse tantum honorem et Tam facile vietum quaerere mihi esse tantum honorem Et tam Bemb. (me esse in corr. rec.) — me esse tanto honore et Tam f. die übrigen Hdschr. videt me und in tanto honore Donat im Lemma. Mit Tilgung des et, mi esse tantum honorem, Tam facile Dziatzko, me esse tanto honore, Tam f. Fleckeisen ı u.2, Conradt Herm. 10 S. 108. tamquam philosophorum habent disciplinae ex ipsis Vocabula Chaerea aliquid inveni Modo, quod ames PA. Flos ipse. CH. Verum: hanc mihi tu vel vi vel clam vel precario Face tradas. cui magis bonae Felicitates omnes adversae sient Patris cognatum atque aequalem Archidemidem Novistin? his mensibus Sex septem prorsum non vidisse proximis eras est mihi Judieium ... ut diligenter nunties Patri mirum ni hanc dieit, modo Huic quae datast dono. CH. Nostin quae sit, die mihi, aut Vidistin? PA. Vidi, novi: scio quo abducta sit. CH. Eho, Parmeno mi, nostin? PA. Novi et scio ubi sit? die mihi aut Bentley, ebenso Umpfenbach mit den Handschriften, von denen nur Bemb. die mihi Aut vidistin; vgl. 260. Fleckeisen ı u. 2, Dziatzko, Conradt (Herm. 10 S. 108) tilgen aut. Ilhumne obsecro Inhonestum hominem CH. Obsecro herele, Parmeno, fac ut potiar. PA. Faeiam sedulo ac Dabo operam, adiuvabo. sedulo ac die Handschriften mit dem Bemb. Die Herausgeber folgen alle (auch Umpfenbaeh) dem Urtheil Bentley’s: ‘ac’ deleo ut per asyndeta fortius incedat oratio: an der Stellung der Partikel nahm er keinen Anstofs. G. Her- mann (De Bentleii Terentio dissert. opp. ı p. 285 sq.) vertheidigte die Partikel mit der Erklärung, dafs dabo operam, adiuvabo so viel sei als dabo operam ut adiuvem. DE 12 J- VAHLEN: zunucaus 366 summa forma semper conservam domi Videbit 383 si in domum meretriciam Deducar 393 non tam ipso quidem Dono yuam abs te datum esse: id vero serio Triumphat. PA. Hoc proviso ut, ubi tempus siet, ‚Deducam. 407 Tum me convivam solum abducebat sibi. GN. Hu Regem elegantem narras. 416 papae Iugularas hominem. Vgl. 229. 422 Una in convivio Erat hie quem dico Rhodius adulescentulus. 437 siquando illa mentionem Phaedriae Faeit Vgl. 440ff. 477 quae hberum Seire aequomst adulescentem 489 quem ego esse infra infimos omnes puto Homines 524 quae olim periit parvola Soror 532 Thais maximo Te orabat opere 540 Chaeream ei rei Praefecimus 555 ubi sem Vestitum hune nanctus 568 forte fortuna domi Erat quidam eunuchus 570 submonuit me Parmeno Ibi servus 623 Miles vero sibi putare adductum ante oculos aemulum. Voluit facere contra huie aegre: heus, inquit, puer, x Pamphilam Accerse ut delectet hie nos. illa exclamat, minume gentium: In convivium illam So die Handschriften: nur ö von Bentley eingesetzt, der auch die Ver- bindung von 625 fg. gentium In erkannte. Fleckeisen 2 hat, um eine sehr zweifel- hafte Entsprechung (Conradt Metr. Compos. S. 148fg.) mit Gewalt durchzu- setzen, den Vers mit grofser Freiheit, aber wenig Wahrscheinlichkeit umgestaltet. VI. 631 Dum rus eo, coepi egomet mecum inter vias, Ita ut fit, ubi quid in animo est molestiae EUNUCHUS vn. Uber die Versschlüsse in den Komödien des Terentius. Aliam rem ex alia cogitare et ea omnmia in Peiorem partem omnia in | Peiorem Umpfenbach mit den Handsehr. omnia Peiorem in Bent- ley mit der Bemerkung magis er consuetudine Terentiü est, und ihm sind die Neuern alle gefolgt. 655 PY.Perii. PH. Temulenta es. PY. Utinam sie sint qui mihi male volunt. 669 674 679 689 736 744 807 SI 822 827 838 842 858 DO. Au Obsecro, mea Pythias, quod istuc nam monstrum fuit? So Fleckeisen 2 mit Conradt Metr. Comp. S. 161; vgl. Adelph. 709. Handschriften volunt.| DO. Au obsecro. Vgl. Phorm. 803. DOR. Obsecro. PH. Oh lud vide, os ut sibi distorsit PH. Quid ni habeam? PY. Oh factum bene. PY. An tu hune eredidisti esse, obsecro, Ad nos deductum® PII. Namque alium habui neminem. PY. Au Ne comparandus quidem hie ad illumst: ille erat Honesta facie et liberali. Colore mustelino. PH. Ilem quae haec est fabula? Vgl. Andr. 747. CH. At neseibam id dicere illam, nisi quia Correxit miles. Vgl. 998. Adelplı. 523. et adeo ad te attinere hane Omnem rem ego eo ad Sophronam Nutricem haec tibi aderit supplicans Ultro illum eunuchum negant Fuisse Nisi amasse eredo Pamphilam. TH. Iem, misera oceidi Infelixe Vide, amabo, si non, cum aspicias, os impudens Videtur interim Dum ante ostium sto, notus mihi quidam obviam Venit, ubi vidi, ego me in pedes quantum queo In angiportum quoddam desertum, inde ifem In aliud, inde in aliud: ita miserrimus Fui fugitando CH. Conservam esse eredidi. PY. Conservam? vix contineo me quin involem in Capillum: monstrum etiam ultro derisum advenit. Die 14 EUNUCHUS 864 I. VAHLER: involem in Bemb. u. Par. P. Ebenso Bentley. — Umpfenbach mit den meisten Hdschr. involem In capillum. Fleckeisen ı u. 2 quin.involem Monstro in capillum: etiam, was Conradt Herm. 10, 107 billigt und Dziatzko befolgt. non te dignum, Chaerea, Feeisti: nam si ego digna hae contumelia Sum maxume VII. 872 At nunc dehine spero aeternam inter nos gratiam 962 977 985 994 1009 1052 1061 Fore, Thais. saepe ex huius modi re quapiam et Malo prineipio magna familiaritas Conflatast. quapiam et Bembin. quupiam Ei malo die meisten übrigen Handschriften und Eugraphius im Lemma. quapiam et Malo ex prineipio Bentley mit Faerni. Von den neuern Herausgebern wird et nicht erwähnt noch benutzt. eccum Parmenonem incedere Video 5 PA. Nam ut mittam quod ei amorem diffieillimum et Carissimum, a meretrice avara virginem Quam amabat. eam confeci sine molestia Sine sumptu et sine dispendio. tum hoc alterum diffieillimum et Umpfenbach mit den Handschriften.. Ebenso Bentley, der Quo amabat, eum schreibt, an der Partikel keinen Anstofs nimmt. Die Neuern (ohne et) diffieillimum, Carissimum. edico vobis nostrum esse illum erilem Alium. PY. Hem Obsecro an is est? Perii: lingua haeret metu. SE. Hem Quid est quod tu trepidas? Tum quandam fidieinam amat hine Chaerea. SE. Hem Quid? amat? an jam scit ille quid meretrix sit So Bentley und Fleckeisen. Chaerea. | SE. Hem quid? amat? an seit iam ille Umpfenbach mit den Handschriften. Vgl. ro16. Numquid est Aliud mali damnive quod non dixeris Relhicuom. Numquam pol hominem stultiorem vidi nec videbo. ah Non possum satis narrare — nihil est Thaide hat, frater, tua Dignius quod ametur: ita nostrae omni est fautrix familiae. PH. Hui Mihi ıllam laudas? Hui nur ein Theil der Handschr., am Schlufs des Verses oder vor Hihi, von Umpfenbach verschmäht. Bentley ‘ex omnibus fere libris et edd. vett’: familiae PH. Hui | Mihi illam laudas. Quod egregie iuvat sententiam. So Fleckeisen 2, Tu fortasse quae facta hie sient Nescis ; Uber die Versschlüsse in den Komödien des Terentis. 15 ADELPHOE 1072 Militem ego rivalem recipiundum censeo. PH. Hem Reeipiundum ? ADELPHOE. 30 Quae in te uxor dieit et quae in animo cogitat Irata l. 35 Ego quia non rediit filius, quae cogito et Quibus nune sollieitor rebus. Et quibus Bembin. mit den übrigen. Dafs et an das Ende des vorigen Verses gehört, hat schon Faerni bemerkt. Servius Daniel. Aen. ıv 379 p. 533, 2 Thil. sollieitat vero sollicitos habet: Terentius ‘ego quia non redit filius, quae cogito et quibus nunc sollieitor rebus. Aber Donat cogito quibus im Lemma. Bentley hat mit wenigen seiner Handschriften die Partikel getilgt: in asyndetis concitatior affeetus est. Vgl. zu Eun. 362. Ihm sind die Spätern durchweg gefolgt. I, 36 ne aut ille alserit Aut uspiam ceeiderit aut praefregerit Aliguid. vah quemquamne hominem in animo instiluere aut Parare quod sit carius quam ipse est sibi. So Umpfenbach mit seinen Handschriften, von denen einige animum für animo haben. Ebenso Bentley. Probus Inst. art. (G.L. RK. ıv) p. 146, 30 'va si cum animi affectu profertur, hoc est per suspirationem, erit interiectio, ut puta va quemquamne hominem in animo (amimum Bob.) instituere aut parare quod sit carius quam ipse est sibi. Ritschl Proleg. Trin. p. cxx Vak quemguamne hominem in animum instituere aul sibi Parare quod — und mit ihm Fleckeisen ı. Conradt (Herm. ı0, 109) tilgt aut, damit parare von instituere abhängig sei. Ihm folgen Dziatzko und Fleckeisen 2. 45 semper parce ac duriter Se habere, uxorem duxit, nati jılü Duo Mlyunse postremo. alii elanculhun Patres quae faciunt, quae fert adulescentia, Ea ne me celet. .consuefeei filium. 55 Nam qui mentiri aut fallere insuerit patrem auf Audebit, tanto magis audebit ceteros. Aut audebit Bembin. mit den übrigen. von denen zwei aut am Ende des vorigen Verses haben. S. zu V.35.— Aut audebit haben Umpfenbach und Dziatzko mit dem Zeichen der Verderbniss beibehalten. Dass auf, wenn es stehen soll, an das Ende des vorigen Verses gehört, ist selbstverständlich. Martianus Ca- pella v p. 162, ı7 Eyss. ‘a comparatione maiorum .. Vergilius “tu potes unani- mos armare in proelia fratres’ ex hoc utique probat et alienos posse, quod minus est. Terentius nam qui mentiri aut fallere (falli Bamb. m. pr. et Reich.) insti- tuerit patrem aut audebit (so BR.; [aut audiebat] Eyssenh.) tanto magis aude- bit ceteros”” Donatus Andr, v 2, 26 tibi Ostendam erum quid sit perich ‚fallere et li patrem: erum et patrem cum ingenti pronuntiatione diwit. Et alibi: 'nam qui 16 IRRNAITIEINE " ADELPHOE mentiri aut fallere i.p.a.u.t.m.a.c. Fallere ita ut fit patrem Audebit Bentley. — insuerit patrem Fraudare (deeipere) tanto magis Ritschl Prol. Trin. p. cexx und Fleckeisen 1. insuerit patrem Audaeter tanto m. Dziatzko ; patrem Hau dubie tanto nı. Fleckeisen 2. S. auch Philol. 55 S. 390. 84 quem neque pudet Quicguam nec metuit quemquam neque /egem putat Tenere se ullam. nam illa quae antelıae facta sunt Omitto 38 in aedes inruit Alienas: ipsum dominum atque omnem familiam Mulcawit gI elamant omnes indignissume Factum esse. hoc advenienti quot mihi. Micio, Di.rere ı12 Non est flagitium facere haee adılescentulum. MI. Ah Ausculta, ne me obtundas — 127 Tun consiliis quiequam. MI. Ah, si pergis, abiero. 131 nam ambos curare propemodum Reposcere illum est quem dedisti. DE. AA Mieio. I4I tamen Non nil molesta haec sunt mili 149 aut cui non dedit Aliguid, postremo nuper (credo iam omnium Taedebat) dixit 181 iam intro abripiere atque ıbı Usque ad necem operiere loris. IV. 216 SY. Pecuniam in loco neglegere maxumum interdumst lucrum. Aui Metuisti. si nune de tuo iure concessisses paululum atque Adulescenti esses morigeratus, hominum homo stultissume, Ne non tibi istue faeneraret. hui hat Fleckeisen 2 dem Sannio gegeben, nieht unpassend, aber nicht noth- wendig. — paululum atque Adulescenti Umpfenbach mit den Handschriften. Nonius P- 269, 30 ‘concedere dare vel permittere... Terentius in Adelphis “hui metuisti si Fleckeisen ı paululum Atque adulescenti »» nume de tuo iure concessisses paululum”. morigerasses. Dziatzko und Fleckeisen 2 tilgen afque und stellen ein Asyndeton her. Für Streiehung von atgue an dieser und den analogen Sıellen der Adelphi spricht auch Leo sich aus Rhein. Mus. 38 (1883) S. ı2. Conradt (Herm. 10 S. 109) hält atque mit dem V.218 für eine Interpolation. Anders Lachmann Comm. z. Lucr. p. 81. 274 CT. Pudebat. AE. Ah stultitiast istaee, non pudor, tam ob parvolam Rem paene e patria 308 SO. Non intellego Satis quae loquitur. CA. Propius obsecro accedamus, Sostrata. GE. Ah Me miserum. Über die Versschlüsse in den Komödien des Terentins. 17 ADELPROE 320 SO. Revocemus. (reta. GE. Hem (Juisquis es, sine me. 326 GE. Alienus est ab nostra familia. SO. Hem Perit. quare? 329 hisce oculis egomet vidi, Sostrata. SO. Ah Me miseram. ef. 342. 343. 37: Id distributum sanest ex sententia. DE. Hem Huie mandes, siquid reete curatum velis. Meat DE. vostram nequeo mirari satis Rationem. SY. Est herele inepta. ne dieam dolo, atque Absurda dolo atque Umpfenbach mit den Handschriften, und Bentley. Nur Bemb. hat ATQ am Anfang des folgenden Verses vor absurda. — atque absurda Donat im Lemma. et absurda Bugraphius im Lenıma. Fleckeisen und Dziatzko stellen mit Tilgung der Partikel ein Asyndeton her. S. zu 217. 377 in aqua sinito ludere Tantısper 382 an laudi putat Fore, si perdiderit gnatum 386 Istuc est sapere, non quod ante pedes modost Videre, sed etiam illa quae futura sunt Prospicere VI. 392 Nimium inter vos, Demea, ac (Non quia ades praesens dieo hoc) pernimium interest. ac die sämmtlichen Handschriften nit Ausnahme des Bemb. Die Par- tikel, die Bentley beibehielt, wird von den neuern Herausgebern (auch Umpfen- bach) verschmäht und nicht erwähnt. 411 DE. Salvus sit spero: est similis maiorum suum. SY. Ai DE. Syre, praeceptorum plenust istorum ille. NY. Phy Domi habuit unde disceret. 439 si satis cerno,. is est hercle: vah Homo amicus nobis iam inde a puero: o di boni. " Ne illius modi iam magna nobis eivium Penuriast 450 Videhcet De psaltria hae audivit: id illi nune dolet Alieno VI. 465 HE. Nostrum amieum noras Simulum atque Aequalem? DE. Quidni? HE. Filiam eius virginem Vitiavit Sirmulum atque, wie Bentley mit Faerni edirt, die Mehrzahl der Hand- schriften: Simulum Bemh.. doch ist atque ma. rec. vor Aequalem zugefügt. Umpfen- Philos.- histor. Abh. 1900. III. 3 18 ADELPHOE 471 474 523 799 790 SAVE: bach hat die Partikel eingeklammert, die übrigen Herausgeber erwähnen sie nicht. S. zu 217. ad matrem virginis Venit ıpsus ultro lacrumans | virgo ex eo Compressu gravida facta est non malus Neque iners alit ıllas, solus omnem familiam Sustentat serva me obsecro, HE. Hem Numnam illa quaeso parturit. GE. Certe, Hegio. HE. Hem Illaee fidem nune vostram implorat, Deinea. HE. Em illaece Dziatzko, s. die Vorr. una semper militiae et domi Fuimus vos aequo animo aequa noscere Oportei et istam quod potes Fac consolere. ego Micionem, si apud forumst, Conveniam atque ut res gestast narrabo ordine: Sı est facturus ut sit offieium suum Faciat — Et illud rus nulla alia causa tam male odi, nis ga Propest. Vgl. Eunuch. 736. Verum hercle: vah Censen hominem me esse. quae dolore ac miseria Tabeseit Sostrata Credit mıhı me psaltriam emisse hanc ubi eam vıdi, ilco Aeccedo, rogito Hie non amandus? hieine non gestandus in sinu est? hem. Itaque adeo magnam mi iniicit sua commoditate. euram. Vgl. Eunuch. 655. ut, Syre, te cum tun Monstratione magnus perdat Tupiter. DE. Ceterum Placet tibi factum ? MI. Em tibi Reseivit omnem rem: id nune elamat. scilicet Paratae lites Uber die Versschlüsse in den Komödien des Terentius. 19 ADELPHOE 826 ut confidam fore Ita ut volumus. video eos sapere, intellegere, in /oco Vereri, inter se amare. scires liberum Ingenium atque animum: quo vis illos tu die Redducas. VI. 845 Modo facito ut illam serves. DE. Ego istuc videro atque Ili favillae plena fumi ac pollinis Goquendo sit faxo et molendo: praeterhac Meridie ipso faciam ut stipulam conligat. atque |, Ili Beutley mit der Mehrzahl seiner Handschriften, die ii oder illie haben. Ebenso die meisten Umpfenbach’s. Atque illie Donat im Lemma. Über die Vertheilung des «afque auf die beiden Verse s. zu 217. Atque ibi wie es scheint Bemb.. ebenso zwei der ältesten Bentley’s; was die‘ Neuern befolgen. 389 Era, ego huc ad hos proviso, quam mox virginem Arcessant 891 DE. Geta, hominem maxumi Preti te esse hodie iudicavi 905 DE. Eho be Vin tu huie seni auscultare? 980 atque huie aliquid paulum prae ımanu Dederis ? HAUTON TIMORUMENOS. 69 denique Nullum remittis tempus 88 At istos rastros interea tamen Adpone 90 Sine me voeivom tempus ne quod dem mihi Laboris. CH. Non sinam, inguam. ME. Ah non aequom faeis. ııı Sed in Asiam hine abii propter pauperiem, afque ibi Simul rem et gloriam armis belli repperi 128 eoepi cogitare "hem tot mea Solius sollieiti sint causa 209 Necessest, Clitipho, eonsilia consequi consimilia: hoc Seitumst. perielum ex aliis facere, tibi quid ex usu siet. consimilia hoc Bemb. mit allen übrigen. Ebenso die alten Drucke und Bentley. Von den Neuern (auch Umpfenbach) verschmäht und der Erwähnung nicht werth gehalten. Aber hoc seitumst, perielum ev alüis facere wird durch deu Sprachgebrauch gerechtfertigt: s. Plautus Menaechmi 441 und Ind. leet. aest. 1880 p- ır. Herm. 17, 608. Auch ist gid, nicht quod (die Handschriften schwanken) hier und 221 bei der Wiederholung zu schreiben, worüber Bentley riehtig urtheilt. 225 hie Chinia, etsi is quoque suarum rerum sat agitat, lamen Habet bene et pudiee eductam 20 TASVINSRDEN : HAUTON TIM. 202 SY. Anus Subtemen nebat. praeterea una aneillula Erat 295 Si haec sunt, Clinia, Vera 304 Ubi dieimus redisse te et rogare utı Veniret ad te, mulier telam desinit Continuo BE: CLT. © hominis impudentem audaciam. SY. Heus Non fit sine perielo facinus magnum nee memorabile 339 SY. Maxime: Ibo obviam huie, dieam ut revortatur domum. CLT. Hem Quid dixti? 358 CLN. Seilicet Facturum me esse. 364 In tempore ad eam veni, quod rerum omniumst Primum 396 ımequidem semper scio fecisse sedulo Ut ex illius commodo meum compararem commodum. UL. Ak, Ergo, mea Antiphilä, tu nune sola reducem me in patriam facıs. a3 ja ME. Clinia Meus venit? 433 Non volt te scire se redisse etiam, et tuum Conspectum fugitat 439 satis jam, satis pater durus fui. CH. AA Vehemens in utramque partem, Menedeme, es nimis quep 455 namque unam ei cenam atque eius comitibus Dedi 463 Ita me di amabunt, ut me fuarım miseritumst, Menedeme, fortunarum 479 Prius proditurum te tuam vitam et prius Pecuniam omnem, quam abs te amittas filium: Aus (Quantam fenestram ad nequitiem patefeceris. Quantam ei fenestram Bentley. ‚flium. Huic quantam fenstram Fleck- eisen 2. huic hätte am Schlufs von 480 stehen können, wie Aoc 209; doch eines Dativs bedurfte es nicht, weder ei noch Akuie, und hui ist vorzüglich am Platz. 514 videlicet Ille Cliniai servus tardıiuseulust. Egon SY. Mulier commoda et Faceta haeec meretrix. commoda et Umpfenbach mit den Handschriften. Ebenso Bentley. Fleck- eisen und Dziatzko tilgen die Partikel. HAUTON TIM. ll. Uber die Versschlüsse in den Komödien des Terentius. 2] 538 595 600 795 711 CH. Quippe qui Magnarum saepe id remedium aegritudinumst. cum male facere crederem mi inpunius Licere CL. Syre, pudet me. SY. Credo: neque id iniuria: guin Mihi molestumst. So Umpfenbach mit der Mehrzahl der Handschriften. Im Bemb. und zwei andern beginnt guin den folgenden Vers. Dafs es an das Ende des vorigen gehört, bemerkt auch Bentley. CH. Quid tu? eequid de illo quod dudum tecum egi egisti, Syre, aut Repperisti tibi quod placeat an nondum etiam? SY. De fallacia Dieis? est: inveni nuper quandam. Syre aut Umpfenbach mit den Handschriften. Syre. Aut est tibi quod pl. Bentley, das andre Gründe, mit der Stellung der Partikel nichts zu thun hat. Fleckeisen und Dziatzko tilgen aut. Vah vide quod inceptet facinus. fuit quaedam anus Corinthia Hie: huie drachumarum haec argenti mille dederat mutuom. So die Handschriften, nur dafs Aic im Bemb. vor Auic ausgefallen ist. Fleckeisen Corinthia hic, indem er den folgenden Vers mit viel Freiheit um- gestaltet: (Quoi drachumarum haece argenti [olim] mille dederat mutuom. SY. Cliniam orat, sibi ut id nune det: illam illi Zamen Post daturam: mille nummum poseit. CH. Et poseit quidem? SY. Au Dubium id est? ego sic putavi. SO. Ut stultae et misere omnes sumus Religiosae, cum exponendam do illi, de digito anulum Detraho SO. Quam Bacchis seecum adduxit adulescentulam. SY. Hem (Juid illa narrat? sed postquam aspexi, ilico Cognovi Et seilicet iam me hoc voles patrem exorare ut celet Senem vestrum? SY. Immo utreeta viarem narret ordine omnem. CH. Hem Satin sanus es aut sobrius? ut cum narret senex Vester nostro esse istam amicam gnati, non eredat tamen. sed illud quod tibi Dixi de argento, quod ista debet Bacchidi num illa oppignerare jiıliam Meam me invito potuit? Mihi nune relietis rebus inveniundus est Aliquis, labore inventa mea cui dem bona. ME. Ubi abiere intro, operuere ostium. CH. Hem Clinia haec fieri videbat? 22 PHORMIO 93 3 945 IOIO 51 192 325 418 IONV AHLEN: Difficilem ostendes te esse et ignosces tamen Post, et"id (erit) ingratum. CH. Ah neseis. quam doleam. ut ejus anımum, qui nunc luxuria et lascivia Diffluit, retundam CH. Immo seis, potius quam quidem redeat integra eadem oratio. SO. Oh Iniquos es, qui me tacere de re tanta postulas. CH. Non, si ex capite sis meo Natus, item ut aiunt Minervam esse ex love, ea causa magis Patiar, Clitipho, tlagitiis tuis me infamem fieri. PHÖORMIO. DA. Praestost, desine. GE. Oh, At ego obviam conabar tibi, Dave. Sed quid tu es tristis®? GE. Egone? nescis quo in metu ef Quanto in periclo simus? et am Schlufs des Verses, das Umpfenbach mit den Handschriften bei- behält, ebenso Bentley, haben Fleckeisen und Dziatzko gestrichen. PH. Te nominat. AN. Nescio quod magnum hoc nuntio exspecto ma- lum. PH. AA Sanun es? GE. Domum ire pergam: ibi plurumumst. PH. Revocemus hominem. AN. Sta ılico.. GE. Hem Satis pro imperio, quisquis es. ’ AN. Voltum contemplamini: em Satıne sie est? salvom te advenisse gaudeo. DE. Oh Bone custos, salve GE. Iam dudum te omnes nos accusare audio Immerito DE. Mitto omnia. Add(o) Istuc“inprudens timuit adulescens’: sino "Tu servos: verum si cognata est maxume, Non fuit necesse habere. Addo istue Bemb. Adde istue die meisten übrigen. Adde istue Donat im Lemma. Donat Heeyr. ıy r, 41 Bi alibi. 'mitto omnia. Addo (adde) istue: impru- ddens limit adulescens sino: Tu servus Addo istue inprudens Bentley. Addo auf‘ die beiden Verse vertheilt Lachmann Luer. p- 81. Do istue Fleckeisen, das Umpfenbach und Dziatzko aufgenommen haben. Vereor, ne istaec fortitudo in nervom erumpat denique. PH. 4 Non itast. ' DE. Ita, proximo quidem: at nos unde aut quam ob rem? Ph. Ohe, Actum aiunt ne agas. PHORMIO IH. Uber die Versschlüsse in den Komödien des Terentius. 23 428 490 827 831 847 857 904 921 PH. Metuit hie nos, tam etsi sedulo Dissimulat. PH. Quin quod est EFerundum fers. DE. Egon tuam expetam Amieitiam habebis quae fuam Senectutem oblectet Mihr Sie hoc videtur; quod te absente hie filius Egit, restitui in integrum aequomst. DO. Mirabar si tu mihi quiequam adferres novi. AN. Ei Metuo lenonem, nequid suo suat capiti. Ei im Bemb. und zwei andern am Anfang des folgenden Verses. sed venisse eas Salvas audivi ex nauta qui illas vexerat. eho die quid vis dari Tibi in manum tria non eommutabitis Verba hodie inter vos quaeso, quid si fillam Suam unicam locaret Aediculae item sunt ob decem alıas. DE. Oiei Nimiumst. ante brumam autem novi Negoti incipere gnatam inveni nuptam cum tuo filio. DE. Hem Quo pacto id potuit. sed ubinam Getam invenire possum uf Rogem quod tempus conveniundi patris me capere suadeat. ut im Bemb. und zwei andern am Anfang des folgenden Verses. Bentley, der den V.828 frei abgeändert, hat keinen Gebrauch davon gemacht. swuadeat Bemb. inbeat die meisten übrigen. Fleckeisen hat den Vers ut rogem ... suadeat als einen interpolirten ausgeschieden; ebenso Dziatzko. Nune una mihi res etiam restat quae est conficienda, ofmam Ab senibus ad potandum ut habeam. AN. Heus Geta. GE. Em tibi, Num mirum aut novom est revocari Quin tu hine pollieitationes aufer et quod fers cedo. GE. Oh Tu quoque aderas, Phormio? Heus quanta quanta haee mea paupertas est, famen Adhuc curavi unum hoc quidem, ut mihi esset fides. transi sodes ad forum atque .4/ud mihi Argentum vursum iube rescribi, Phormio. 24 J: VAHLeEns: AEOIBA 5054 PH. Inieci serupulum. DE. Hem Hieine ut a nobis hoc tantum argenti auferat. 978 hoc publieitus scelus hine asportarier In solas terras 1032 novi aegue omnia Tecum HECYRA. 78 si quaeret me, ut Tum dicas, si non quaeret, nullus dixeris. 89 et te Zuom Consilium contempsisse 98 quod ego numyuam eredidi Tore, ut ille hae viva posset anımum inducere Uxorem habere 112 si mihi jidem Das te tacıturam, dicam 143 Diebus sane pauculis Post Pamphilus me solum seducit 178 interim Miris modis odisse coepit Sostratam: Neque lites ullae inter eas, postulatio Numguam 2 205 Me miseram, quae nune quam ob rem accuser nescio. LA. Hem Tu nescis. 277 ita anımum induxerunt, socrus Omnis esse iniquas 283 Hacine causa ego eram tanto opere cupidus redeundi domum. Hui Quanto fuerat praestabilius ubivis gentium agere aetatem. domum. | Cui quanto die Handschriften mit dem Bembinus. Dafür hat Rleckeisen Aus (Bentley ah) an das Ende des vorigen Verses gesetzt. Vel. Hautontim. 480. u 365 alio suspicans. | Morbo me visurum adfectam ac sensi esse uxorem: ei mahn. 387 Per eam te obseeramus ambae, si ius, sı fas est. ut Adversa eius per te teeta tacıtague. apud omnes sient. 416 Non :herele verbis, Parmeno, diei potest Tantum, quantum re ipsa navigare incommodumst: 434 ° = vovisse hune dicam, si salvos- domum. 2 Redisset umquam, ut me ambulando rumperet. 459 Sane hercle homo voluptati obsequens RFuit. dum vixit. Uber die Versschliisse in den Komödien des Terentius. 25 HECYRA 519 id qua causa clam me habuisse Dicam, non edepol secio. 530 Quid sit quam ob rem tantopere omnes nos celare volueris Partum 579 Verum ita me di ament itaque obtingant ex te quae exoptem mi, uf Numquam sciens commerui, merito ut caperet odium illam mei. So Fleckeisen aus Eigenem: so wenig stiefs er sich an dieser Stellung der Partikel. Denn die Handschriften eropto (rroptem) mihi Ut nümquam seiens commerui mit einsilbigem seiens. 595 ut ne cui mea Longinguitas aetatis obstet mortemve exspectet (exoptet) meam. 630 Ne revereatur minus iam quo redeat domum. PH. Ah Nullam de his rebus eulpam commeruit tua. 677 te propter luam Matrem non posse habere hane uxorem domi. 697 Dabo ius iurandum nihil esse istorum mil. LA. Ah Reddue uxorem, aut — Wenn man diese lange Liste der Beispiele, aus der doch vieles Be- achtenswerthe der Kürze halber ausgeschieden ist, aufmerksam durchgeht, wird man leicht wahrnehmen, dafs die Eigenheit der Verstechnik. deren Prüfung mir obliegt. weder an Zahl der Belege so gering noch in ihrer Art so vereinzelt ist, dafs sie schon darum Verdacht erregen könnte. Wir sehen, Terentius hat die der Elision zugänglichen Interjeetionen, hem, hu, ah, au, ebenso behandelt, wie die vocalisch anlautenden Partikeln. et, aut, u. Und wenn man die Unzulässigkeit der letztern damit zu erweisen gemeint hat. dafs man sie, da sie keine besondre Silbe ausmachen, ohne Schaden für den Vers ausstreichen könne (Conradt Herm. 10 S. 107). so leuchtet ein, dafs aus demselben Grunde die sämmtlichen Interjecetionen aus den Schlufsstellen des Verses sich ausweisen liefsen. ohne Nachtheil für die Versform, aber zu grofsem Schaden für Gedanken und Rede. Und doch hat m. W. Niemand bei dieser Frage die naheliegende Parallele in Betracht gezogen, die davor warnen konnte, bei den einen zu ver- werfen, was für die andern unweigerlich anzuerkennen war.' Zeigt sich schon hierin nieht Zufall oder Verderbnifs, sondern Absicht des Dichters. ' Dals in den Ausgaben meist, nicht immer. hinter den Interjeetionen eine leichte Interpunction folgt, wird Niemanden über den engen Zusammenhang täuschen, in welchem sie mit der folgenden Rede stehn; was beim Versschlufs nicht anders ist als mitten im Verse: wofür im Obigen auch einige Beispiele eingestreut sind. Philos. - histor. Abh. 1900. III. 4 36 J). VAHLEN: . der in gleicher Weise mit beiden Arten einsilbiger Wörter seine Vers- schlüsse ausgestattet und mit beiden einen engern Zusammenschlufs seiner Verse erzielt hat. so wird dies durch die gleichfalls aus unsern Zu- sammenstellungen sich ergebende Thatsache bekräftigt, dafs auch Wörter wie hoc, und Partikeln wie ut, quia, quin, auch ohne durch Elision ge- bunden zu sein, in den Schlufsstellen stehn und der Gedankenverbindung der Verse dienen, an deren Stellung man so wenig Anstols genommen hat, dafs. selbst Kritiker, denen ein elidirtes «? am Schlufs unerträglich ist, ein nicht elidirtes «#4 nicht nur dulden, sondern aus Eigenem in die Sehlufsstelle gebracht haben. Man wird nicht behaupten, dafs die mit solcher Entschiedenheit durchgesetzte Verwerfung eines schliefsenden ef oder auf auf allseitiger Beobachtung und Prüfung der verwandten That- sachen und Erscheinungen beruhe. Was aber die Zahlen anlangt, so weisen Andria 6, Eunuchus 9, Adelphi 8, Hautontim. 2, Phormio 2, die Hecyra, obwohl sie zwei (vielleicht drei) Beispiele für schliefsendes wt hat und auch im übrigen, namentlich in der Verwendung der Interjeetionen, gleiches Verfahren erkennen läfst, kein Beispiel auf: im Ganzen 27, eine Anzahl, dünkt mich, im Verhältnifs grofs genug, um bewulste Absicht zu verrathen: begnügt sich doch oft genug die Induction mit viel weniger, um Gesetze zu proclamiren. Die Partikeln selbst vertheilen sich so, dafs unter den angegebenen Bedingungen schliefsendes et 9 Verse haben, auf 5. ac 2, atque 3 (4) ausschließslich in den Adelphi, at ı, ut 2, in 3 und ex ı Vers. Hinzu kommen die nicht mitgezählten, dem schliefsenden atgu(e) sich anreihenden weitern Fälle hypermetrischer Verse, die für unsre Betrachtung nieht ohne Bedeutung sind. B: Doch mit diesen. allgemeinen Erwägungen wird gegenüber einer so herrschenden und festgewurzelten Ansicht nicht viel ausgerichtet, sein. Indem ich mich zu den Einzelstellen wende, um die Besonderheiten einer ‚jeden näher zu prüfen, gehe ich aus von den viel besprochenen Versen der Andria 51ff., die in ihrem vollen Zusammenhang hierher zu setzen sind: ‚51 Nam is postquam excessit ex ephebis, Sosia, ef Liberius vivendi fuit potestas (nam antea Qui seire posses aut ingenium noscere, Dum aetas metus magister prohibebant? SO. Itast). 55 SI. Quod plerique omnes faciunt adulescentuli, Ut animum ad aliquod studium adiungant, aut equos ID | Uber die Versschlüsse in den Komödien des Terentius. Alere aut canes ad venandum, aut ad philosophos, Horum ille nihil egregie praeter ceter: 59 Studebat; et tamen omnia haec mediocriter. Die besondre Schwierigkeit dieser Verse beruht darauf, dass sie in dem Eingang von V. 52 Liberius vivendi ein prosodisches oder metrisches Be- denken enthalten. dem man zugleich mit der Beseitigung des schliessenden et zu begegnen gesucht hat. Spengel, indem er schreibt Sosia, Liberius vi- vendi est potestas, Fleckeisen in der 2. Bearbeitung Sosia, Liberius vivendi ubi potestas, Berichtigungen, die beide zwar den prosodischen Anstoss heben. im Übrigen aber wenig Vertrauen verdienen: denn Spengel’s est führt eine kaum passende Verbalform ein und hebt den periodischen Satzbau auf, der trotz des parenthetischen Einschubs in voller Klarheit sich entwickelt: Fleckeisen’s Verbesserung ist mit der öfters von ihm geübten Freiheit ge- macht, die mit der Wahrscheinlichkeit schlecht besteht: er scheint aber anzunehmen, dass das beigeschriebene fwit das ursprüngliche ubi verdrängt und sich an seine Stelle gesetzt habe. Wenn aber der Satz lautete Liberius vivendi ubi potestas, war fuit kaum zu entbehren und wer es zuschrieb. ver- diente keinen Tadel. Bedenklicher ist, dass die Beziehung dieses mit ubi eingeführten Sätzchens nicht sicher zu erkennen ist und zu bedauern, dass die Glätte der kritischen Ausgabe es verwehrte dem Leser einen Fingerzeig zu geben. Sollte es erläuternder Zusatz sein zu postquam ewcessit ex ephebis, ‘nachdem er aus den Epheben ausgeschieden, wo dann (wobei) die Möglich- keit freiern Lebens war (oder ist?), so ergäbe sich ein wenig angemessener Ausdruck. wenn auch für dieses bi sich vielleicht vergleichen liess Hauton tim. 315 in mea vita tu tibi laudem is quaesitum, ubi si paululum modo quid te fugerit, ego perierim. Aber wahrscheinlicher soll der Satz mit ubi zweiter Temporalsatz sein, dem ersten untergeordnet und zum Nachsatz gehörig: ‘nachdem er aus dem Ephebenalter ausgeschieden, fing er, sobald die Möglichkeit freiern Lebens (war), an, das und das zu treiben‘, ungefähr wie Catullus schreibt (68, 15) tempore quo primum vestis mihi tradita purast, iucundum cum aetas florida ver ageret, multa satis lusi; oder Terentius selbst Eunuch. 403 sieubi cum satietas hominum aut negoti si quando odium ceperat, requiescere ubi volebat, quasi ubi illam exspueret miseriam ex animo, tum me convicam abducebat sibi. Allein in diesem Falle würde man fuwit (erat) um so‘schwerer vermissen (denn was vergleichbar scheinen könnte, wie Andr. 138. 149, erweist sich bei näherer Prüfung als verschieden) und würde in 4 28 INKuLEN: der einmal gewählten Satzform des Ganzen diese Absicht des Dichters kaum recht verständlich sein. Doch wie dem sei: wir haben nicht die Möglichkeit dieses ubi zu würdigen, das gewils vielen gefallen wird, weil es über die Schwierigkeit des Verseingangs Liberius vivendi täuschend hin- weghilft. sondern die überlieferte Form in das Auge zu fassen; und sieht man einen Augenblick ab von der metrischen Beschaffenheit der Worte Liberius vivendi, die für den Gedanken unentbehrlich und in ihrer Form unantastbar sind und deren prosodische Schwierigkeit für sich gelöst werden muls, sei es mit Lachmann (Luer. S. 120) durch dreisilbige Aussprache von Liberius oder mit Schopen (De Terentio et Donato, Bonn 1821, p. 6) und Klotz (Antike Metrik S. 286) durch zweisilbige von vivendi, sieht man, sage ich, davon ab, so ist leicht zu erkennen, und gerade die beiden Ver- besserungsversuche lassen es im Vergleich nur um so deutlicher empfinden, dafs eine einfachere und natürlichere Ausdrucksweise nicht erdacht werden kann, als die aus der Überlieferung sich ergiebt, und dafs, wenn man ohne Rücksicht auf die Versform läse is postguam ezxcessit ex ephebis et liberius vivendi fuit potestas, daran Niemand sich stossen, sondern jeder bekennen würde, wie ungesucht diese beiden an postguam hangenden Bestimmungen durch die Bindepartikel vereinigt werden, von denen die zweite, die aus der ersten resultirt. ihr zur nothwendigen Ergänzung dient und zugleich, wie sie die unerlässliche Unterlage für den begründenden Zwischensatz nam antea (Qui scire posses usw. abgiebt, der ohne sie jeden Halt verliert, so auch die nähere Voraussetzung für die daraus abgeleiteten Folgerungen ergiebt. Dals diese durch ef gegebene Verbindung der zwei zusammen- gehörigen Gedanken, wie ich sage, die natürliche und einfache Redeweise ist, mag verwandter Gedankenausdruck bei andern zeigen, Propertius (3. 15, 3) Ut mihi praetexti pudor est ablatus amictus et data libertas noscere amoris iter, illa rudes animos .. imbuit; oder Plautus (Mercat. 40) Principio ut ex ephebis aelate exii atque animus studio amotus puerilist meus, amare coepi: beidemal der genau entsprechende Gedanke in analoger Form. Aber weil solche Verbindung gleichartiger Bestimmungen als das natürliche ungesucht sich einstellt, fehlt es begreiflicher Weise dafür nirgend an Beispielen, und werden mehre derselben aus Terentius bei afque, wo dieselben Fragen und dieselben Bedenken wiederkehren, zu Adelph. 217 zusammengestellt werden. Hier sei noch erwähnt Hautont. 417 ut filium meum amico atque aequali suo video inservire et socium esse in negotüs: Adelph. 272 hoc "nihi dolet, nos Uber die Versschlüsse in.den Komödien des Terentius. 29 paene sero scisse et paene in eum locum redisse, ut si omnes cuperent tibi nil possent auiliarier; Hautont. 696 nam si nunc a nobis abis et Bacchidem hie relinquis, senex resciscet ilico —: immer dasselbe Verhältnifs: das zweite die Folge des ersten. zugleich die schärfere und ergänzende Bestimmung zu jenem. So also auch hier: postquam ewcessit ex ephebis et liberius vivendi Fuit potestas nachdem er aus dem Ephebenalter geschieden und die Möglich- keit freiern Lebens besals’: und hier war die Bindepartikel um so noth- wendiger, weil ohne sie der zweite Satz für den Nachsatz des ersten zu halten und nicht zu erkennen gewesen wäre, dafs sie beide zusammen den Vordersatz zu diesem weit ausgeführten Satzgefüge abgeben. Hinzu kommt, dass in dem zweiten Satz ein Dativ vermifst wird: deest "ei, sagt Donatus: denn der Sinn ist: is postquam excessit ex ephebis et ei liberius vivendi fwit potestas. Nun ist zwar dem Terentius die Sparung des Pronomens sehr ge- läufig, worüber später zu Andr. 560 und Eunuch. 3859 zu sprechen sein wird, und es war daher, wenn man den Zusammenhang beachtet. nicht erforder- lich, Hautont. 252 viden tu? aneillas aurum vestem, quam ego cum una ancillula hie reliqui, unde esse censes? vor esse oder vor quam, oder Andr. 189 dum tempus ad eam rem tulit, sivi animum ut expleret suum; nune hie dies aliam vitam adfert, alios mores postulat vor adfert ein ei einzusetzen, wie Fleckeisen an beiden Stellen thut. Allein hier war die Ergänzung des Dativs um so leichter, wenn beide Sätze verbunden waren und aus dem is des ersten das eö des zweiten hinzugedacht werden konnte, etwa wie Phorm. 292 servom hominem causam orare leges non sinunt, neque testimoni dietio est, d.i. neque ei t. dictio est. Wenn nun so die sprachliche Form des Satzes nach allen Seiten sich stützen und rechtfertigen läfst, die unentbehrliche Bindepartikel aber anders als am Schlufs des ersten Verses ihren Platz nicht finden konnte, so sollte man sich, meine ich, der Folgerung nicht entziehn, dafs hier wenigstens diese Versbildung dem Dichter genehm gewesen und nicht durch zufälligen Irrthum oder absichtliche Ergänzung entstanden sei. Der Versschlufs Sosia, et, während die Namen in der Anrede, wozu ihre Form einlud. meist den Schlufs bilden, hat genaue Analogie an Syre, aut Hautont. 595; Demea, ac Adelph. 392, welche Versschlüsse freilich auch ihrerseits der Rechtfertigung bedürfen werden. Wenn es geglückt ist, dieses et nicht blofs aus den allgemeinen Er- wägungen, die ich vorausgeschiekt habe. sondern auch aus Gründen, die 30 J. VAHLENR: in der Stelle selbst liegen, zu sichern, so dürfen wir mit etwas mehr Ver- trauen die zunächst verwandten Fälle betrachten. Denn ich halte es für die Beweisführung angemessener, nicht der Abfolge der Komödien und der Beispiele in einer jeden mich anzuschliefsen, sondern die Belege für jede Partikel zusammenzureihen. Es sind aber noch acht Stellen. an denen ein versschliefsendes et die Kritiker bemüht hat, unter einander manchfach verschieden, so dals eine jede besonderer Betrachtung zu unterziehen ist, aber auch verwandt, so dafs gleichartige Erscheinungen, die einander zur Unterstützung gereichen können, sich zusammen ordnen lassen. Zuerst Andr. 560. 556 Em, id te oro ut ante eamus, dum tempus datur Dumgque eius lubido ocelusast contumeliis. Prius quam harum scelera et laerumae confietae dolis Redducant animum aegrotum ad misericordiam, 560 Uxorem demus. spero consuetudine et Coniugio liberali devinetum, Chremes, Dein facile ex illis sese emersurum malis. Es ist nicht deutlich, wie die Herausgeber, welche 560 et tilgen, den Ausdruck gefalst wissen wollen, spero consueludine coniugio liberali devinctum sese emersurum, ob als asyndetische Zusammenordnung verwandter Begriffe, consueludine, coniugio, oder beide Ablative in verschiedener Beziehung und Abhängigkeit von dem Partieipium devinctum. Allein keins von beiden er- giebt, wie mir scheint, einen klaren und einfachen Ausdruck (denn dem ersten consuetudine coniugio devinctum ist das Epitheton entgegen; bei dem zweiten per consuehudinem coniugio liberali devinctum ist consuetudine ein un- nützer Zusatz) und schon die Unklarheit der Auffassung ist Terentius’ Weise nur.zu sehr entgegen. Daher Fleckeisen nicht ohne Grund in seiner zweiten Bearbeitung sich nicht begnügte, wie früher und wie die meisten, et zu tilgen, sondern einen andern Weg einschlug der versschliefsenden Partikel sich zu entledigen, indem er folgende Schreibung in seinen Text setzte: consueludine Coniugi eum liberalis devinetum. Ich lasse die Kühnheit der Abänderung auf sich beruhen. Aber die Fassung selbst ist nicht ohne Bedenken. Der Zusatz des Pronomens eum, der nur gemacht ist, um die Verbesserung zu ermöglichen, war durch die Satzform nicht nur nicht ge- tordert. sondern eher vom Überfluss und störend. Terentius, der, wie zu Andr. 52 (S. 29) bemerkt, die Pronomina. wo sie selbstverständlich sind. zu Uber die Versschlüsse in den Komödien des Terentius. 31 sparen liebt, hat namentlich in abhängigen Infinitivsätzen von dieser Freiheit Gebrauch gemacht. wie. um weniges anzuführen. Andr. 553 irae sunt inter GHycerium et gnatum .. ita magnae ul sperem posse avelli; nämlich eum. oder ebend. 976 tuus est nunc Chremes: facturum quae voles scio esse omnia ; 840 credo, et id facturas Davos dudum praedixit mihi; Phorm. 1022. Vollends aber erscheint das Pronomen unnöthig und lästig. wo es durch ein Parti- eipium gleichsam mitvertreten ist: spero coniugio devinctum sese emersurum ich hoffe, dafs er durch ein Ehebündnils gefesselt aus dieser Misere sieh erheben werde‘. Denn das ist allgemeiner Brauch. der. so bekannt er ist. loch auch mitunter verkannt wird: Catullus 35. 8 si sapiet, viam vorabit, quamvis candida milies puella euntem revocet, d. i. ihn wenn er geht: Livius 42. 28, 12 mane ingressi cubiculum servi laqueo dependentem invenere, d.i. fanden ihn hangend; wie Taecitus dial. e. 3 sedentem et ipsum quem pridie reci- taverat librum inter manus habentem deprendimus; Livius 37, 7. 10 optime ewplo- rabitur, si nihil ex praeparato agentem opprimet, qui mittetur, ganz wie Teren- tius selbst Andr. 227 conveniam Pamphilum, ne de hac re pater inprudentem opprimat d.i. ihn ohne Vorwissen überrasche. Das Pronomen eum also war nutzlos und ist gegen herrschenden Gebrauch eingefügt. Was nach Be- seitigung desselben von der Verbesserung übrig bleibt, consuetudine coniugüi liberalis devinctum, ist zwar ein Ausdruck, dessen Möglichkeit nieht zu be- streiten ist, aber abgesehen davon, dals er ohne das Pronomen im Verse nicht bestehen kann. wird auch Niemand behaupten. dafs gerade diese Fassung (consuetudo coniugü) begehrt werde. Betrachtet man dagegen die überlieferte Form consuetudine et coniugio liberali devinctum, so läfst sich, wie ich glaube, eine Auffassung gewinnen. (die allen Ansprüchen genügt. Consuetudo ist das Zusammenleben (vgl. über consuetus Herm. 33 S. 245) und steht sowohl von der consuetudo amatoria, wie von der consueludo uxoria ; Andr. 439 huiusce propter consuetudinem hospitae im Gegensatz gegen die nuptiae; ebend. 279 ut neque me consuetudo neque amor neque pudor commao- veat: beides von der Hetäre, die als eine peregrina galt. Dagegen Heec. 404 etsi amor me graviter consuetudoque eius tenet; Phorm. 161 ewspecto quam. mos veniat qui hanc mihi adimat consuetudinem, beides von der rechtmälsigen Gattin. Aus diesem Gebrauch des Wortes, zumal es sich hier darum handelt. den Pamphilus durch ein Ehebündnifs aus den Schlingen der Hetäre zu ziehen, ergiebt sich als wahrscheinlich, dafs Ziberali nicht blols zu coniugio. sondern auch zu consuetudine gehöre, um diese als eine consuetudo mit einer 32 J. VAHLEN: ingenua ac liberalis (vgl. Phorm. 168; Heeyr. 164) im Gegensatz gegen die consuetudo hospitae zu bezeichnen, und dafs also das Epitheton gemeinsam an beide Nomina sich anschliefst, die als ein Paar verwandter Begriffe zusammengeordnet sind. wie z. B. Hautont. 945 af eius animum qui nume luxuria et lascivia difflwit retundam; oder Phorm. 441 quanta me cura et sollicitudine adjfieit, oder Andr. 813 iam aliguem esse amicum et de- fensorem ei, oder in scharfem Gegensatz zu dem Doppelausdruck consue- tudine et coniugio liberali Andr. 830 filiam ut darem in seditionem atque in- certas nuptias (s. Verwandtes bei afgue zu Adelph. 375). Wenn wir aber so riehtig interpretiren, ist ef unerläfslich, und ohne den Anstol[s an der versschliefsenden Partikel hätte in dem Ausdruck consuetudine et coniugio liberali devinctum ex illis sese emersurum malis wohl Niemand ein Bedenken gefunden, sondern jeder ihn im Sinne des Dichters aufgefalst. Und während die Streichung des et erst die Schwierigkeiten schafft, die so schwer zu beschwichtigen sind, sollen wir doch nicht glauben, dafs. Terentius auch in dieser Form und Stellung verbunden habe. was zu verbinden war, um unzweideutigen Ausdruck zu erhalten? ir: Einer gewissen Ähnlichkeit wegen lasse ich zunächst Eunuch. 873 folgen. CH. At nunce dehine spero aeternam inter nos gratiam Fore, Thais. saepe ex huius modi re quapiam et Malo principio magna familiaritas Contlatast. Die neuern Herausgeber erwähnen et nicht, das beinahe die sämmtliche Über- lieferung für sich hat, und dafs es im Bembinus hinter quapiam, wo es allein am Platz ist, in den übrigen Handschriften vor Malo steht, thut nichts zur Sache und darf nicht schon Zweifel an der Ursprünglichkeit des Wortes erregen. Durch die Beseitigung der Verbindung haben auch hier, wie mich dünkt, die Kritiker erreicht, dafs aus einem klaren und für Jedermann verständlichen Ausdruck ein schwieriger und bedenklicher geworden ist. Denn wie deuten wir nun das losgelöst stehende malo prin- cipio? Saepe ex huius modi re quapianı malo principio magna familiaritas con- flata est. Aus Dziatzko’s praefatio entnehme ich, dafs man malo principio als ablat. absol. erklärt hat: was doch im besten Falle einen schwerfälligen Ausdruck ergiebt, den man nicht ohne Noth einem so durchsichtigen Stile aufbürden sollte. Wie andre das für sich stehende malo principio erklären, weils ich nicht. Aber klar ist, dafs erst die Trennung der Ablative die Uber die Versschlüsse in den Komödien des Terentus. 33 Unsicherheit erzeugt hat. hier wie bei consuetudine et coniugio liberali. Setzt man sie in die rechte Verbindung saepe ew huius modi re quapiam et malo prineipio magna familiaritas conflata est, ist alles hell, und man erkennt. dafs ew Ahaus modi nicht blofs zu re quapiam, sondern auch zu malo prineipio gehört: denn nicht ein schlechter Anfang schleehtweg, sondern ein schlechter Anfang «dieser Art erzeugt oft die gröfste Vertraulichkeit. Die res quaepiam, womit Chaerea euphemistisch bezeichnet. was er gethan hat. und das ma- lum principium sind identisch und werden durch Auius modi deutlich genug als das bezeichnet. was sie sind. Auch hier bin ich der Meinung. dafs ohne das Vorurtheil gegen das «den Vers beschliefsende ei Niemand «len Sinn der Worte ew huius modi re quapiam et malo principio verkannt oder ihren Zusammenhang aufgehoben hätte. Von andrer Art ist Eunuch. 217. wo Phaedria. der seine Geliebte auf‘ zwei Tage verlassen soll. sich darüber mit seinem Selaven Parmeno unterhält. PH. Sed heus tu. PA. Quid vis? PH. Censen posse me offirmare et Perpeti ne vedeam interea? PA. Tene? non herele arbitror. Die von den Herausgebern heliebte Entfernung der Bindepartikel ergieht. dafs der eine Infinitiv vom andern abhängig ist: censen posse me offirmare perpeti ne redeam. Solche Abhängigkeit eines Infinitivs vom anderm. oder wie hier gar dreier von einander. war grammatisch nieht unmöglich und ist nieht ohne Beispiel bei Terentius. wie wenn er schreibt Hee. 99 quod ego numquam credidi fore ut ille hac viva posset animum inducere uxorem habere, oder ebend. 845 sic te diwisse opinor invenisse Myrrinam Bacchidem anulum suum habere. Vgl. 451. Unserm Verse scheinbar nahe vergleichbar ist Hec. 454 certum offirmare est viam me quam decrevi persequi, auch um- ständlich: denn es hätte genügt zu sagen. certum est viam me quam decrevi persequi. Aber die scheinbare Ähnlichkeit verschwindet bei näherer Be- trachtung: denn der Vergleich kann nicht offirmare perpeti ne redeam, son- (lern nur censen me posse offirmare ne redeam (oder me posse offirmare non redire, wie offirmare persequi viam) vechtfertigen und unterstützen. Ebenso nach andrer Seite. Verse wie Eun. 551 nune est profeelo interfiei cum perpeti me possum, oder Phorm. 518 fune praeterea horum amorem distrahi poteris vati, ‘weisen zwar auch die Abhängigkeit eines Infinitivs von einem andern auf. aber nach ihrer Analogie könnte an unserer Stelle gesagt sein censen me posse perpeti ne redeam. Das Eigenthümliche also obiger Verse censen posse me offirmare perpeti ne redeam, das aus der Beseitigung des ef erwächst, Philos. -histor. Abh. 1900. III. B) 34 J. VAHten: können die angeführten Belege nicht schützen, können dagegen zeigen, dafs jedes der beiden Verba, offirmare wie perpeti, für sich allein am Platze war. Daraus ergiebt sich mir die Wahrscheinlichkeit. dafs Terentius, wie die Überlieferung es aufweist, die beiden verwandten Verba, nicht eins vom andern abhängig gemacht, sondern beide mit einander verbunden habe, offirmare et perpeti, um von beiden den Satz ne redeam abhängig zu machen, dies um so mehr, als er auch sonst liebt, gleichartige Verba zu combiniren, wie z.B. Adelph. 879 ego quoque a meis me amari et magni pendi postulo, Andr. 648 ni me lactasses amantem et falsa spe produceres. Ein dem hiesigen analoger Fall wird uns bei aut Adelph. 38 beschäftigen. Eine andre Betrachtung erheischt Eun. 260 Dle ubi miser famelieus videt mihi esse tantum honorem et Tam facile victum quaerere, ibi homo coepit me obseerare Ut sibi liceat discere id de me. Um über # am Sehlufs von 260 zu urtheilen, das keiner «der neuern Her- ausgeber duldet. ist die Differenz in der Schreibung des Verses zu beachten: der Bemh. allein hat mihi esse tantum honorem Et tam; «die meisten andern me esse tunto honore et Tam. Die Partikel ist in beiden Fassungen genügend gesichert, und auch hier kann sie durch die verschiedene Stellung der- selben in den Handschriften nicht verdächtigt werden. Was aber im Übrigen die beitlen Sehreibungen anlangt, so hat Fleckeisen in beiden Ausgaben die letztere. me esse tanto honore, aufgenommen: mit Unrecht, wie mir scheint. weil kein Vertrauen verdient, was so deutlich seinen Anlafs und Ursprung verräth: man wollte für beide abhängigen Infinitive denselben Aceusativ des Subjeetes haben: me esse tanto honore et tam facile victum quae- rere. Das aber war unnöthiges Bemühen. da, wie Andr. 51 aus is im ersten Satz zum zweiten ei sich ergänzte, so hier aus mihi im ersten das erfor- derliche mr zum zweiten, genau wie Hec. 876 Nescis, Parmeno, quantum hodie profueris mihi et ex quanta aerumna estraxeris. War es nun schon. nicht eben gefällig me esse tanto honore, tam facile vichum quaerere asyndetisch zusammenzuordnen, so ist völlig unerträglich. beim Wechsel der Construe- tion. mihi esse tantum honorem, tam facile vichum quaerere verbindungslos zu lassen, sondern was im ersten Falle räthlich war, ist in diesem unerläfs- lich: videt mihi esse tantum honorem et tam facile vietum quaerere. Auch dafür kann uns der eben angeführte Vers der Hecyra bürgen, der auch darin mit dem unsrigen übereinkommt. dafs er die beiden Glieder des Über die Versschlüsse in den Komödien des Terentius. 35 Satzes mit gleichem Wort anhebt, guantum hodie profueris mihi et ex quanta aerumna extraxeris, so hier esse tantum honorem et tam facile v.g. Die letztere Beobachtung wird uns nützlich für die Beurtheilung von zwei wei- tern Versen mit schliefsendem et. Verwandter Art und gemeinsamer Betrachtung zu unterziehen sind die beiden folgenden Beispiele, deren et am Schlufs des Verses die Heraus- geber beseitigt haben: Phorm. 57 Sed quid tu es tristis? GE. Egone? neseis quo in metu ei Quanto in periclo simus. Adelph. 35 Ego quia non redit filius quae cogito et Quibus nune sollieitor rebus. Denn vergleicht man diese beiden unter sich und mit den beiden vorhin besprochenen Versen. so möchte man glauben, hier einer Gleichartigkeit der Satzbildung zu begegnen, die für die Erhaltung der Bindepartikel ein starkes Gewicht in die Wagschale wirft: denn die Partikel ist durch die Satzform gefordert. quo in melu et quanto in periclo simus; quae cogilo et quibus sollicitor rebus, und es kann nicht entscheidend sein, dafs sie das eine und andre Mal an «as Ende des Verses zu stehen kommt. Wie be- liebt dem Dichter diese zweigliedrige Satzform war, zeigen auch folgende Verse. bei denen die Stellung des ef nicht in Frage kommt. Adelph. 30 Quae in te uxor dieit et quae in animo cogitat. Andr. 649 Ah neseis quantis in malis verser miser (Quantasque hie consiliis suis conflavit sollieitudines. Phorm. 344 Haec cum rationem ineas quam sint suavia et quam cara sint. Hautont. 59 Quod mihi videre praeler aetatem tuam Facere ef praeter quam ves te adhortatur tua. Ebend. 423 Nam mihi quidem cottidie augeseit magis De filio aegritudo, et quanto diutius Abest, magis cupio tanto et magis desidero. Ebend. 479 Prius proditurum te tuam vitam et prius Pecuniam omnem, quam abs te amittas filium. Adelph. 68 Mea sie est ratio et sic animum induco meum. Andr. 556 id te oro ut ante eamus dum tempus datur Dumque eius lubido ocelusast contumeliis. Erkennt man wohl in diesen Sätzen etwas von der gleichen Dichterhand mit den beiden um ihr ef gekränkten? 36 J. VAHLEN: Es erübrigen noch zwei unter einander verwandte Beispiele unrecht- mälsig verworfener Bindepartikel. Von «denen das erste Hautont. 521 SY. Mulier commoda et Faceta haec meretrix. CH. Sane item visast mihi durch die sprachliche Form geschützt wird. Denn wenn das Vorurtheil nieht hinderte. hätte, möchte man glauben, jeder gesehen, dals so zu ver- stehen sei: 'ein gefälliges und witziges Frauenzimmer diese Hetäre‘, und dafs. wenn ef fehlt. das Verständnifs getrübt und in Frage gestellt wird. Oder wie soll man erklären, was in den Ausgaben steht Mulier commoda. Faceta haec meretrix. Überdies zeigen zahlreiche Beispiele, wie sehr dem Diehter solche Paarung verwandter Ausdrücke genehm war, von denen einige angeführt seien. Adelph. 986 quod te isti facilem et festivum putant, womit zu vergleichen Eunuch. 1048 an mei patris festivitatem et facilitatem Adelphı. 930 Proba et modesta. Hautont. 530 hominis frugi et temperantis funetus officium Ebend. 609 dicam hane esse captam e Caria Ditem et nobilem Ebend. 327 consilium quod cepi rectum esse et tutum seio. Andr. 36 apud me iusta et clemens fuerit servitus Ebend. 956 0 faustum et felicem hune diem Ebend. 619 tu rem impeditam et perditam vestituas ? Hecyr. 841 ut mihi haee certa et clara attuleris Adelph. 251 memorem me dices esse ef gratum. Vergleichbar sind auch die unten angeführten Beispiele von aique, von denen Adelph. 375 Est herele inepta, ne dicam dolo, atque absurda allein ge- eignet und genügend scheint, unsern Vers zu rechtfertigen. Und endlich die so reichlich constatirte stilistische Eigenheit wird vielleicht auch ausreichen, das zweite mit dem ersten verwandte Beispiel eines aus dem Schluls des Verses ausgewiesenen etzu rechtfertigen: Eunuch. 926 Nam ut mittam quod ei amorem diffieillimum_ et Carissimum, a meretrice avara virginem Quam amabat, eam confeci sine molestia Sine sumptu et sine dispendio. Denn wer würde wohl Anstofs nehmen, wenn er läse ei amorem diffieilli- mum et carissimum confeci, da doch diese Verbindung der beiden verwandten Uber die Versschlüsse in den Komödien des Terentius. 37 Adjeetive sich als das natürliche darstellt, überdies den aufgezählten Bei- spielen gleichartig an die Seite tritt, zu denen hier noch hinzugefügt sei Phornm. 228 Em nune ipsast opus ea (oratione) aut siquid potest Meliore et callidiore. An die Partikel ef reihe ich die Belege für versendigendes aut, (leren Zahl nächst ef die gröfste ist. Es wird sich aber zeigen, dafs diese Par- tikel, deren Platz amı Ende der Verse wir nun schon mit gröfserer Zu- versicht behaupten dürfen, da was dem ef einzuräumen war, Niemand dem aut versagen wird, in verschiedener Weise vom Dichter für seinen Gedanken- ausdruck verwendet worden ist. Andr. 256 Öbstipui: censen me verbum potuisse ullum proloqui aut Ullam causam, ineptam saltem, falsam,, iniguam? obmutui. So die Handschriften, nur dafs in einer (P) aut an den Anfang des zweiten Verses gestellt ist. Beide Verse geben sich, von aut noch abgesehen, wer unbefangen zusieht, als zwei sprachlich und metrisch untadelige trochäische Verse. Fleckeisen hat dagegen in seiner zweiten Bearbeitung durch das früher mitgetheilte Scholium «des Bembinus und, wie es scheint, durch die vermeintliche Nöthigung metrischer Entsprechung sich bestimmen lassen, mit gewaltsamen Änderungen zwei jambische Verse, einen Oetonar und einen Senar, herzustellen: Obstipui: me censetin verbum potuisse ullum proloqui Aut causam ineptam saltem falsam? obmutui. Auf die Forderung metrischer Entsprechung gehe ich nicht näher ein; mir scheint nieht zu bezweifeln, dafs die beiden Verse 256. 257 in einer Reihen- folge trochäischer Septenare (von V. 254-260) stehen und selbst der gleichen Versform folgen. Dafs aber Fleckeisen an das Scholium des Bembinus sich gehalten, das die beiden Verse einer Gedankenähnlichkeit wegen zu Adelph. ıv 4 in dieser Form beigeschrieben hat: obstipwi censeten me verbum potuisse ullum proloqui aut u. causam ineptamS. f. obmutwi, verräth nur den verbreiteten Aberglauben, dafs ein äufseres Zeugnifs dieser Art mehr Werth beanspruche als eine einhellige Überlieferung der Handschriften. Oder kann man zweifeln, dafs iniquam hinter falsam in dem Schol. dureh zu- fälligen Irrthum übersprungen ist, oder dafs censeten nichts ist als ein Schreibfehler für censen, Schreibfehler zugleich (censet) und Berichtigung 38 . J. VAHLEN: (en)? Denn wenn man fragt, an wen censen sich wendet, so sei auf Eunuch. 265 verwiesen. wo Parmeno ohne Jemanden anzureden sagt, viden otium et cibus quid facit alienus. Doch beides eingeräumt, bleibt dann noch, um mögliche Verse zu erlangen, die Hauptsache zu thun: die Umstellung me censetin im ersten, die Tilgung von ullam im zweiten Vers gegen das gemeinsame Zeugnifs der Handschriften und des Scholium. Und wir sollten glauben, dafs auf solchen Wegen und mit solchen Mitteln die ursprüng- liche Hand des Dichters wieder hergestellt sei? Die übrigen Herausgeber, die an der handschriftlichen Überlieferung halten, haben, um aut von seiner Stelle am Schlufs zu beseitigen, entweder in der Form Aut üllam causam ineptam einen jambischen, oder mit der Umstellung Aut causam ullam ineptam einen trochäischen Vers beliebt. Gegen einen jambischen Vers spricht, wie bemerkt, die Abfolge der Verse, die einen trochäischen erwarten lälst, und der rhythmische Tonfall selbst scheint mehr einen trochäischen als einen jambischen zu empfehlen. Wenn daher aut am Schlufs des Verses nicht stehen soll, wird es vielleicht gerathner sein, statt den Vers zu schädigen oder mit weitern Änderungen zu operiren, die Partikel selbst preiszugeben, wie Dziatzko gethan hat. Wenn nur nicht der sprachliche Ausdruck entschieden für die Erhaltung der Partikel einträte. Es sind nicht zwei Sätze, die aut verbindet, eine Verbindung, die uns später be- schäftigen wird, sondern zwei verwandte Nomina, die mit dem zierlichen Wechsel der Stellung, verbum ulhım, ullam causam, durch aut verbunden, an dem einen Verbum hangen, prologui verbum ullum aut ullam causam. Aber der Satz hat negativen Sinn und diesem dient nach bekanntem Ge- brauch die Partikel aut. So Andr. 236 Hoeinest humanum factum aut inceptum? (vgl. Eun. 966 fg.) Ebend. 245 Adeon hominem esse invenustum aut infeliceem quemguam, utego sum? Phorm. 848 Num mirum aut novomst revocari, cursum quom institeris? Hecyr. 73 Iniurium autemst uleisci adversarios Aut qua via te captent eadem ipsos capi? Ebend. 549 Tun prospicere aut iudicare nostram in rem quod sit potes? Hecyr. 675 Ignarum censes tuarum lacrumarum esse me Aut quid sit id quod sollieitere ad hune modum? Hautont. 707 Satin sanus es aut sobrius? Uber die Versschlüsse in den Komödien des Terentius. 39 Solehen negativen Fragesätzen reihen sich unsere Verse gleichartig an: censen me potuisse verbum ullum aut ullam causam proloqui? Ja selbst wenn nur dieses Beispiel in Frage käme, dürfte man aut nicht von seinem Platze rücken, das von der Sprache gefordert wird und ohne den Rhythmus oder die Sprache zu schädigen an keiner andern Stelle stehen kann. Hätte nieht Vorurtheil und Aberglaube die ganze Untersuchung in Verwirrung gebracht. hätte man eine Stelle wie diese vielmehr zur Richtschnur für andre genommen. Von gleicher Art ist Adelph. 38 Vah quemquamne hominem in animum (animo) instituere auf Parare quod sit carius quam ipse est sibi. So redet der alte Micio. nachdem er seinen Sorgen und Beunruhigungen um seinen ausgebliebenen Adoptivsohn Ausdruck gegeben hat. Und wenn die Kritiker gewohnt wären, statt am Äufsern zu haften, den Sinn der Verse aus ihrem Zusammenhang zu interpretiren, würde man von jeher verstanden haben: ‘o dafs doch irgend ein Mensch so thöricht sein kann. etwas in das Herz zu fassen oder sich anzuschaffen, was ihm theurer wäre als er sich selbst!” Bliekt man vollends zurück auf die vorhin zusammen- gestellten Belege, wird man überrascht sein, wie genau diese Verse nach ihrer Art den dortigen sich anfügen. Denn auch hier haben wir eine verwundernde Frage mit negativem Sinn. Doch sehen wir zu. wie die Kritik diese Verse behandelt hat. Von Ritschl’s kühner Änderung dieser und der vorangehenden Verse, der Fleck- eisen sich früher angeschlossen, darf man jetzt absehen. obwohl auch nicht zu verkennen ist, dafs Ritschl den Sinn und die Rede weniger geschädigt hat als andre. Die neuern Herausgeber, Fleckeisen selbst in der zweiten Bearbeitung und Dziatzko. haben sich den Gedanken von Conradt (Her- mes IO, $S.109) angeeignet, der mit Beseitigung von aut (die beiden Infi- nitive, den einen vom andern, abhängig gemacht hat, dies in der Weise, wie derselbe Gelehrte (a. a. 0.) Eun. 217 posse me offirmare [et] Perpeti ne redeam mit Tilgung des ef die beiden Infinitive in Abhängigkeit des einen vom andern gesetzt hat. In dieser Stelle habe ich ef zu schützen gesucht, obwohl ich nicht in Abrede stellte. dafs grammatisch angesehen jene Ab- hängigkeit möglich war. Auch hier bestreite ich nicht. dafs in animum in- stituere parare, so dafs ein Infinitiv den andern regiere, grammatisch zu- lässig war, etwa wie Hec. 99 fore, ut ille posset animum inducere uxorem 40 J. VAunen: habere. Doch ist nicht zu übersehen, dafs Micio seines Bruders Sohn thatsächlieh adoptirt und bei sich erzogen hat und dureh die Liebe, die er ihm zugewendet. sich die Sorgen bereitet, über «ie er eben klagt: vgl. 47 ff. Auf dieses Verhältnifs würde parare vorzüglich passen. in dem Sinne. wie es z. B. Andr. 66 heifst ut facillume sine invidia laudem in- venias et amicos pares, oder Hautont. 1002 ad Menedemum hunc pergam : eum mihi precatorem paro, vgl. 976. So würde parare ohne Abhängigkeit von einem andern Verbum für sich allein dem Gedanken genügen können: quemquamne hominem parare quod sit carius quam ipse est sibi. Nicht ebenso deutlich ist #n animum institwere oder in animo; «denn die Überlieferung des Terentius wie die der Grammatiker schwankt. Für in animo instituere hat Dziatzko an Afranius 84 R. hoc oro in animo ut sic statuas tuo ewinnert, doch ist dies eher zu Terentius in animo cogitat Adelph. 30 und 818 haee si voles in «amimo vere cogitare zu stellen. und besser vielleicht vergleichbar Phorm. 821 eius modi in animo parare cupiditates. Doch bin ich nach dem, was Plautus schreibt (Mostell. 35). diu cogitavi argumenlaque im pectus in- stitui multa ego, geneigter, in animum instituere für wichtig zu halten und so zu verstehen: etwas in das Herz oder in den Sinn stellen (fassen), das man nicht besitzt, aber zu besitzen wünscht. Dann würde man ein dem parare verwandtes Verbum mit schwächerer Bedeutung gewinnen, das sich mit jenem «durch aut verbinden liefse. Denn das ist das Eigenthümliche dieser Redeweise, dafs sie, wie die angeführten Belege zeigen, zu vollerem Gedankenausdruck verwandte Begriffe paart. Und so zeigt sich auch hier. dafs aut nicht ohne Schädigung des Sinnes und des Sprachgebrauchs ent- fernt werden kann. Zwei weitere Fälle betreffen Doppelfragen, zuerst Hautont. 595 fg., wo so überliefert ist. CH. Quid tu? eequid de illo quod dudum tecum egi egisti, Syre, aut Repperisti tibi quod placeat an nondum etiam. SY. De fallacia Dieis? est. inveni nuper quandam. Die Fragen gehen zurück auf die Rathschläge. welche der alte Chremes dem Selaven Syrus gegeben hat, 532 ff. / SY. Quid faceret? CH. Rogas? Aliquid reperiret, fingeret fallacias. Unde esset adulescenti, amicae quod daret, Atque hune diffieilem invitum versaret senem. Uber die Versschlüsse in den Komödien des Terentius. 41 und 546ff.. auf die er 759 ff. noch einmal zurückkommt. Auf jenen seinen Vorschlag zurückblickend erkundigt sich jetzt Chremes nach dem Erfolge. Es sind. wie man sieht. zwei parallele Fragen. auf dieselbe Sache gehend. die zweite in schärferem Ausdruck als die erste: "Hast du etwas in der Sache gethan. von der ich dir gesprochen, oder etwas gefunden. womit du zufrieden bist, oder noch nicht? Syr. In Betreff der Schliche. meinst du. Sinn und Zweck beider Fragen sind aus ihnen selbst und dem be- zeichneten Zusammenhang deutlich und sie würden kaum ein Bedenken gelassen haben. stünde nicht aut in der Schlufsstelle des ersten Verses. Auch die Versform ist tadellos, wenigstens in dem ersten Vers; in dem zweiten sitzt eine Schwierigkeit, die Bentley. der an aut keinen Anstofs nahm, weder an der Partikel noch an ihrer Stellung, zu einer Abänderung veranlafste. «die wir vorderhand auf sich beruhen lassen: über die Form (dieses Verses wird an andrer Stelle zu handeln sein. Wir halten einst- weilen als Form des zweiten Verses fest Repperisti tibi quod placeat an non- dum etiamn? Die neuern Herausgeber nun haben aut getilgt und beide Fragen von einander losgelöst und asyndetisch zusammengeordnet: Eequid de illo quod dudum tecum egi egisti, Syre?- Repperisti tibi quod placeat an nondum etiam? Womit freilich auf den Vortheil verzichtet wird. dafs auch die zweite Frage an den Worten de illo quod tecum egi der ersten partieipirt. Doch ist einzuräumen, dafs auch die asyndetische Form möglich war. Denn wenn auch im Allgemeinen die Asyndeta bei Terentius andrer Art sind und wohl eine besondre Betrachtung verdienten. so fehlt es doch nicht an Beispielen, dafs parallele Fragen auch ohne «die Partikel zusammengeordnet sind. Man vergleiche Phorm. 234 Quid mihi dicent aut quamı causam reperient ? Eunuch. 542 neque scio quid dieam auf quid eonieetem. Aber Hautont. 701 Quid dicam? quam causam adferam ? Heeyr. 516 Periiquidagam ? uome vortam? quid viro meorespondebo? (vgl. 715, 524) Andr. 404 Reviso quid agant aut quid captent consili. Aber ebend. 169fg. observes filium Quid agat, quid cum illo consili captet. Allein unsere Aufgabe ist es nicht. zu prüfen. ob das durch Berichtigung hergestellte Asyndeton zulässig war. sondern zu untersuchen, ob die über- Philos. - histor. Abh. 1900. III. 6 42 J. VAHLEN: lieferte Partikel sich rechtfertigen lasse, auch ohme die allgemeinen Be- trachungen. von denen ich ausgegangen bin. Und in der 'That ist dem Dichter nichts geläufiger als parallele Fragen, die ziemlich denselben Ge- danken enthalten aber in verschiedener Form. durch die Disjunctiv- partikel zu verbinden. Eine kleine Auswahl von Beispielen wird es zeigen. Hautont. 674 Quidagam aut quid comminiscar? ratio deintegro ineundast mihi Heeyr. 825 Quid exanimatu’s obsecro aut unde: anulum istum nanetu’s. So mit Bentley: die Herausgeber meist anders mit Streichung von aut, das die Handschriften haben. Beide Fragen haben das gleiche Ziel. Heeyr. 628 Quid respondebo his auf quo pacto hoc aperiam? Auch hier gehen beide Fragen auf dieselbe Sache. Hecyr. 643 sed quid mulieris Uxorem habes aut quibus moratam moribus ? Ebend. 355 Quid tu igitur lacrimas aut quid es tam tristis? Adelph. 677 sed quid ista, Aeschine. Nostra aut quid nobis cum illis ? Ebend. 690 cedo Numquid eireumspexti aut numquid tute prospexti tibi Quid fieret? Ebend. 149 Quam hie non amavit meretricem aut cui non dedit | Aliquid ? Andr. 343 Sed ubi quaeram aut quo nunc primum intendam ? Ebend. 492 O Dave, itan contemnor abs te aut itane tandem idoneus Tibi videor esse, quem tam aperte fallere ineipias dolis? Phorm. 192 Sed ubi Antiphonem reperiam aut qua quaerere insistam via? Eunuch. 643 Ubi ego illum scelerosum misera atque inpium inveniam auf ubi quaeram? Ebend. 650 quid festinas aut quem quaeris, Pythias? Phorm. 626 Quid hie coeptat aut quo evadet hodie? Vgl. 550. Ebend. 728 Quid agam? quem mihi amicum inveniam misera aut quo consilia haec referam Aut unde auxilium petam ? Hoffentlich habe ich richtig ausgewählt aus einer gröfsern Zahl von Bei- spielen: denn eine gewisse Verwandtschaft zwischen diesen und den zu Andr. 256, S. 38 zusammengestellten ist nicht zu verkennen. Es ist aber die- selbe Art von Doppelfrage, deren Cicero sich oft bedient. Quo tandem modo Über die Versschlüsse in den Komödhen des Terentius. 43 aut quale est istuc quod poetae serunt? Quid agam potius aut in quo melius hune consumam diem? (worüber de legg. S. 38. 14), bei der doppeltes Frage- zeichen den Gedanken verdirbt, wie auch bei Terentius die Herausgeber meist beide Fragen durch die Interpunction trennen, die zusammen ein Ganzes ausmachen sollen. Betrachtet man die hier ausgesonderten Bei- spiele und gewinnt aus ihnen eine deutliche Vorstellung von der Natur dieser doppelten Fragen. von denen die zweite. wie eine Correetur der ersten, dasselbe genauer aussagt, was auch die erste enthielt. so wird man. denke ich. geneigter sein zu glauben, dafs Terentius mit Beibehaltung des aut seine Gedanken so formulirt habe: Eequid de illo quod dudum tecum egi egisti. Syre, aut Repperisti tibi quod placeat an nondum etiam? ‘Hast du etwas in der Sache gethan oder etwas gefunden, das dir genügt? und vielleicht auch einräumen, dafs der Gedankenfärbung diese Verbindung der beiden Fragen besser sich anschmiegte. als das Asyndeton. Eine ähnliche Doppelfrage ergiebt Eun. 349 CH. Nostin quae sit die mihi «aut Vidistin? PA. Vidi. novi, scio quo abdueta sit. CH. Eho Parmeno mi, nostin? PA. Novi et scio ubi sit. Die Herausgeber, Fleekeisen und Dziatzko. haben aut beseitigt und folgende Verbindung hergestellt. nostin quae sit? die mihi vidistin?, die, wenn meine Empfindung mich nicht täuscht, wenig gefällig ist und ohne die Abneigung gegen versendigendes auf kaum vorgeschlagen oder gebilligt worden wäre. Anders ist 360 die einfache Frage eho dum die mihi, Estne ut fertur forma? Hier dagegen erscheint die Paarung der beiden verwandten Fragen, von denen die zweite eoncreter ist als die erste, das naturgemälse: nostin quae sit aut vidistin: 'du weilst, wer sie ist oder hast sie gesehen?” Worauf Parmeno passend erwidert Vidi novi, scio quo abducta sit. Und sind nicht beide Fragen Nostin aut vidistin genau so durch aut verbunden, wie ecquid egisti aut repperisti Haut. 595 und in den vielen dort zusammengestellten Beispielen? Auch vergleiche man, um sich zu überzeugen, dafs wir dem Dichter nicht Unpassendes zutrauen, Plautus Pseud. 619 sed ubi tu me novisti gentium |, Aut vidisti aut conlocutws? Dals aber die mihi in die Mitte zwischen beide Fragen gestellt ist, zu denen es gehört. war zweckmälsig und findet sein Analogon an Adelph. 375 Est herele inepta, non dicam dolo, alque absurda. worüber an seiner Stelle zu reden sein wird. 44 J. VAHLEN: Es bleibt noch ein verworfenes oder verdächtigtes aut zu besprechen, das von andrer Art ist und andrer Rechtfertigung bedarf, wenn sie gelingen soll. Adelph. 55. Der alte Micio setzt seine Erziehungsmethode aus einander und sagt zum Schlufs 52 postremo alii elaneulum Patres quae faciunt quae fert adulescentia, Ea ne me celet consuefeei filium. 55 Nam qui mentiri aut fallere insuerit patrem auf Audebit. tanto magis audebit ceteros. Hier genügt es nicht, auf einfach auszustreichen. Wenn man aber daraus, dafs Aut audebit im Bembinus und den meisten übrigen Handschriften ge- schrieben ist, geschlossen hat, dafs beide Worte verderbt seien, wie Umpfen- bach und Dziatzko sie bezeichnen, so beruht dies auf ungenügender Be- obachtung, da doch auch sonst oft genug im Bembinus und andern Hand- schriften die Partikel, die nur am Schlufs des Verses stehen kann, an den Anfang des folgenden gesetzt ist (z. B. Eun. 260 u. 873. Ad. 375. 8. S. 32, 34. 53) und nicht blofs Partikeln, sondern auch andre Wörter, wie z. B. Eun. 739. Phorm. 774. Will man daher consequent sein, so mufs man die Verse schreiben, wie ich sie oben hingesetzt habe, qui mentiri aut fallere insuerit patrem aut Audebit, tanto magis audebit ceteros, ' und dann fragen, wie zu erklären oder wie zu berichtigen sei. Eine Er- klärung hat Niemand versucht: denn dafs aut so nicht stehen könne, war ausgemacht. Verbesserungen dagegen sind mehre in Vorschlag gebracht worden, mit wenig Glück und wenig Empfindung für das Angemessene des Ausdrucks. Wie schwerfällig z. B. ist der Zusatz, den Ritschl ersonnen und Fleckeisen gebilligt hat qui mentiri aut fallere insuerit patrem, Fraudare (decipere) tanto magis audebit ceteros. Denn ein Verbum hinzuzufügen. wo kein Verbum vermifst wird, und noch dazu nicht dasselbe sondern ein verwandtes, läfst nicht Diehterhand sondern nur Philologenmachwerk erkennen. Oder Zusätze andrer Art, wie Audacter tanto magis a. c. Hau dubie tanto magis a. c. wer wird sie erträglich finden. bei /anto magis, das keinen Zusatz verlangt oder verträgt: ‘wer das Eine thut, wird um so mehr das andre thun.' Uber die Versschlüsse in den Komödien des Terentius. 45 Wieviel verständiger war Bentley, der einsah. dafs die Rede nicht mehr verlange als qui mentiri aut fallere patrem audebit, tanto magis audebit ceteros, und daher an inswerit (insueverit) seine Bedenken heftete und dies abzu- ändern suchte. wie es auch neuester Zeit noch einmal, nicht glücklich, bin ich der Meinung, versucht worden ist. Allein Bentley’s Zweifel an inswerit sind unberechtigt: denn zu geschweigen, dafs die Zusammenordnung von Formen des futur. exact. und futur. unbedenklich ist (Adloguar audiero sagt Catull. vgl. Ad. 980fg.), hier lälst insueverit die strengste Auffassung seiner Bedeutung zu: "wer sich gewöhnt haben wird, das eine zu thun, wird um so mehr das andre wagen.’ Überdies war insuerit gegeben durch das vorange- gangene ne me celet consuefeci filium: ‘ich habe meinen Sohn gewöhnt mir nichts zu verhehlen: denn wer sich gewöhnt hat (haben wird) seinen Vater zu hintergehen. der wird dasselbe bei andern versuchen. So sind wir von insuerit, das unantastbar ist, zurückverwiesen an (auf) audebit. Wenn nun Bentley schreibt post Inswerit quorsum infertur Audebit? quasi non saepe ac diu ausus sil priusguam posset inswescere, so ist zwar letzteres richtig. aber es hätte belehren sollen. dafs audebit neben insuerit das Ge- ringere ist; und wenn man fragt. was den Dichter hätte veranlassen können, neben dem Stärkeren auch das Schwächere zu nennen, so ist leicht zu er- kennen, dafs es ihm auf das Gleichgewicht des Vorder- und Nachsatzes ankam. Bentley hatte Recht zu sagen. man bedarf nur qui fallere patrem audebit, tanto magis audebit ceteros, das allein jenes abgemessene Gleichmaßs ergab. Aber insuerit war nicht zu entbehren, um den begründenden Satz an den ausgesprochenen Grundsatz consuefeei filium angemessen anzuknüpfen. So ergab sich für den denkenden Dichter, um den Ausdruck nach beiden Seiten mit dem Dastehenden conform zu gestalten. zu insuerit der Zusatz aut audebit. ; ne me celet consuefeci filium. Nam qui mentiri aut fallere insuerit patrem aut Audebit, tanto magis audebit ceteros. ‘Mir nichts zu verheimlichen habe ich den Sohn gewöhnt: denn wer den Vater zu belügen oder zu betrügen sich gewöhnt hat oder es auch nur ver- suchen wird, wird es um so mehr versuchen bei andern. Es mag Täuschung sein: aber es kommt mir vor, als ob sich die Absichten des Dichters auf jedem Punkte deutlich wahrnehmen liefsen. Und dafs die Partikel aut dazu dient. das Geringere an «las Stärkere an- 46 J. VAHLERN: zufügen, wie wir es durch ‘oder auch nur wiedergeben. hat auch bei Terentius seine Beispiele: Phorm. 431 Egon tuam expetam Amieitiam aut te visum aut auditum velim? Eunuch. 796 TH. Pamphilam ergo hue redde, nisi vi mavis eripi. CH. Tibi illam reddat aut tu eam tangas, omnium —? Heec. 655 Pater, si illa ex me liberos vellet sibi Aut sese mecum nuptam, satis certo Scio, Non clam me haberet quod celasse intellego. Denn auch hier ist das Zweite das Geringere. Da nun dieses auf audebit nach allen Seiten befriedigende Erklärung zuläfst und so wie man es auf- giebt des Rathens und Muthmafsens kein Ende ist, sollen wir uns darüber beunruhigen, dafs die Partikel da steht. wo sie allein stehen konnte. am Schlufs von V. 55? Ich kehre zur Andria zurück, von der ich ausging. um 226 ein den Vers abschliefsendes u?! in Kürze zu rechtfertigen. 225 Miquidem herele non fit verisimile: atqui ipsis commentum plaecet. Sed Mysis ab ea egreditur: at ego hine me ad forum, ft Conveniam Pamphilum, ne de hac re pater inprudentem opprimat. Ich halte die Verse, in denen ich einen jambischen Senar zwischen zwei jambischen Octonaren erkenne, für unversehrt überliefert: und kann daher von der willkürlichen Behandlung, der Fleckeisen früher und später und Conradt (Metr. Compos. 8.73) die drei Schlufsverse dieser Scene unterzogen haben, um so leichter absehen, als die uns beschäftigende Frage davon kaum berührt wird. Was aber das schliefsende u? anlangt, so hege ich die Meinung. wer mit lebendiger Empfindung in die Situation der sprechen- den Person sich hineinversetze, werde erkennen, dafs es nicht wohl ent- behrt werden könne und eine asyndetische Zusammenordnung der Sätze hier nicht zum Vortheil des Ausdrucks sei. Denn was will Davus sagen? Ich will zum Forum, um den Pamphilus zu sprechen (sonst hat sein Gang zum Forum keinen Zweck), damit er nicht vom Vater überrumpelt werde.’ Aber wenn man der Empfindung nicht traut, die doch ein wichtiger Factor in der Auslegung des Dichters ist. so lasse man sich durch die Beispiele und den Sprachgebrauch belehren. Andr. 339 sed ubi inveniam Pamphilum, Ut metum in quo nunc est adimam atque expleam animum gaudio? Über die Versschlüsse in den Komödien des Terentius. 47 Andr. 355 ÜContinuo ad te properans percurro ad forum, uf dieam haee tibi. Adelph. 277 Ego ad forum ibo. ut hune absolvam. Ebend. 636 ego Aeschinum eonveniam. uf quo modo acta haec sint sciat. Ebend. 706 Ego eo intro. uf quae opus sunt parentur. Eunuch. 308 ego eo ad Sophronam Nutriecem. ut eam adducam et signa ostendam haec. Ebend. 921 Iho intro, de cognitione ut certum sciam. Ebend. 1005 nune id prodeo ut conveniam Parmenonem. Vgl. 394. Hautont. 211 Ego ibo hine intro, vt videam nobis quid in cenam siet. Phorm. S45 hominem propero invenire u haee quae eontigerint sciat. Ebend. 899 nune eonveniundust Phormio, Prius quam dilapidet nostras triginta minas Ut auferamus. Ebend. 463 At ego Antiphonem quaeram «ft quae acta hie sint sciat. Ebend. 592 veni ad hominem, ut dieerem Argentum opus esse. Man sieht auch aus dieser Auslese von Belegen. nach welcher Seite die Ausdrucksweise des Dichters sich vornehmlich gewendet hat: und einige Beispiele des Asyndeton in analogem Gedankenausdruck.. wie Andr. 528 illud mihi multo maxumumst Quod mihi pollieitust ipsus gnatus. nune Chremem Conveniam: orabo gnato uxorem: id si inpetro cet. Hautont. 608 ad Menedemum ibo, dicam hanc esse captam e Caria während 300 ibo ac dicam, wo ac nicht zu verdächtigen war: ebend. 340 Ibo obviam huie. dieam ut revortatur domum. deren Verschiedenheit näherer Betrachtung kaum entgehen kann (an keiner Stelle würde man ut dem Asyndeton vorziehen), werden uns nicht bewegen. ein überliefertes ut, das Gedanke und Sprachgebrauch gleicherweise schützen. darum preiszugeben. weil es den Beschlufs des Verses ausmacht. Nieht anders ist. wie ich glaube, Phorm. 828 zu beurtheilen. Sed ubinam Getam invenire possum. «ft Rogem quod tempus conveniundi patris me capere suadeat. Denn der V. 828 schliefst sich dem aufgewiesenen Sprachgebrauch auf das genaueste an (vgl. besonders Andr. 339). so dafs kaum zu begreifen ist. wie Fleckeisen den auch für den Gedanken unentbehrlichen als einen unter- gesehobenen aus seinem Texte hat ausweisen können. Dafs der Bembinus 48 J. VAHLEN: und noch zwei Handschriften v? am Anfang des zweiten Verses haben. wird uns nieht abhalten, die Partikel an den Platz zu stellen. für den sie be- stimmt war: und es ergiebt sich ein m. E. untadeliger jambischer Octonar, mit dem nicht übel der kleine in jambischen Septenaren ausgeführte Mo- nolog beschlossen ward. Denn auch suadeat des Bembinus tauschen wir nieht aus gegen das iubeat der übrigen. dessen Anlafs nur zu sehr in die Augen springt (vgl. Hautont. 702): suadet aber ist eonstruirt wie Heeyr. 481 nunc me pietas matris potius commodum swadet sequi. Bentley hat den Vers 828 mit genialer Freiheit behandelt. aber ohne. dünkt mieh. Vertrauen zu er- wecken. Von Conjunetionen sind noch übrig at, ac, atque. Ein von allen ver- schmähtes at glaube ich Andr. 838 wiederherstellen und sichern zu können. 837 SI. Ubi ea causa. quamobrem haec faciunt. erit adempta eis, desinent. CH. Erras: cum Davo egomet vidi iurgantem ancillam. SI. Scio. CH. At Vero vultu, cum ibi me adesse neuter tum praesenserat. 840 SI. Credo. et id facturas Davus dudum praedixit mihi. Die Handschriften AZ vero; im Bembinus ist ar über vero von alter Hand übergeschrieben. Am Anfang (dieses Verses kann A? nicht stehen, setzen wir es also dahin. wohin es gehört. an das Ende des vorigen. wie schon Faerni gewollt hatte. Aber Bentley bemerkte entgegen Tolle illud At: ob- est enim potius, quam prodest. Und ihm sind die Nachfolger alle beige- treten. Aber wer etwas näher zusieht. kann finden. dafs die Partikel nicht nur nieht vom Übel. sondern gar sehr zum Nutzen ist. Da nämlich auf Chremes’ Bemerkung cum Davo egomet vidi iurgantem ancillam Simo mit seinem scio andeutet. dafs er diesem Zank als einem fingirten keinen Werth beilege. wie er es auch V. 840 ausdrücklich aussagt, so entgegnet Öhremes AZ vero vultu scil. iurgabant: "aber das war kein verstellter Zank, sondern ein wahrer und wirklicher, da keiner von beiden meine Anwesenheit bemerkt hatte. Wie sollte AZ störend sein. das vielmehr für den Gang des Gesprächs und den Zusammenhang der Rede gefordert ist. Ein verwandtes Az bietet Eunuch. 207 ft. PH. Fae, ita ut iussi, deducantur isti. PA. Faciam. PH. A/ diligenter. ' PA. Fiet. PH. At mature. Das trockne Faciam, Fiet in der Antwort des Sclaven genügt dem über- eifrigen Phaedria nicht: daher im Gegensatz zu der schwächliehen Zustim- mung Parmeno’s das nachdrückliche At diligenter, At mature. Uber die Versschlüsse in den Komödien des Terentius. 49 Die Partikel «e hat Terentius zweimal an den Schlufs des Verses ge- bracht, einmal Adelph. 392. SY. Nimium inter vos, Demea. ac (non quia ades praesens dico hoc) pernimium interest. Die Partikel fehlt im Bembinus. es haben sie aber «die sämmtlichen übrigen Handschriften. Bei den neuern Herausgebern wird der Zusatz nicht mehr erwähnt. Aher die Differenz der Überlieferung ist nieht entscheidend und nicht alles falsch. was im Bembinus fehlt. Überdies war es leicht. hinter dem Namen Demea ein ac zu übersehen. es zuzusetzen. wenn es fehlte. kaum ein dringender Anlafs. Wichtiger ist, dafs der Zusatz dem sprach- lichen Ausdruck vorzüglich dient. Nur mufs man richtig erklären. Bentley. der die Partikel hat. verbindet so nimium inter vos, Demea, ac Non quia ades praesens dico hoc, pernimium interest. Es ist aber einleuchtend. dafs zu- sammengehört nimium ac pernimium, dies nach bekanntem Sprachgebrauch, für den ich zu Aristoteles Poetik S. 135 Beispiele angeführt habe: Cicero de legib. 3. 14. 32 pauci atgwe admodum pauei; in Verr. u 3. 5. ıı quae si magna atque adeo mazima vobis videbuntur; de imp. Cu. Pompeii 18. 54 magna ac multo maxima parte, Lucretius ıv 1163 magna atquwe immanis. Diesen reiht sich nimium ac pernimium an. Für solche Steigerung, wenn auch in andrer Satzform,. darf man auch vergleichen Adelph. 566 DE. Fortiter. SY. Perguam, quia miseram mulierem et me servolum, qui referire non audebam, vicit, hui perfortiter. Wer den bezeichneten Sprachgebrauch kennt. der den Griechen nicht minder geläufig ist als den Römern. und den Zusammen- hang an unsrer Stelle erwogen hat, wird, denke ich. das Vorhandensein dieses ac nicht dem Zufall. sondern dem Dichter beimessen. und schwer- lich wird die Einfügung des Zwischensatzes (non quia ades praesens dico hoc) hinter ac ein Bedenken erregen. der kaum an andrer Stelle stehen konnte: doch siehe auch Hautont. 286 mediocriter vestitam veste lugubri (eius anuis causa opinor quae erat mortua) sine auro: denn zusammengehört veste lugubri sine auro. Ist es gelungen, dieses ac zu restituiren (denn die ältern Drucke haben es) und durch richtige Erklärung zu sichern. so wird man vielleicht auch gegen das andre Beispiel eines schliefsenden ae sich weniger sträuben. Eunuch. 362 i; CH. Obseero herele. Parmeno. face ut potiar. PA. Faciam sedulo ac Dabo operam, adiuvabo. Philos. - histor. Abh. 1900. III. 50 J: VAHLEN: So der Bembinus mit sämmtlichen übrigen Handschriften. Bentley tilgte ac und schrieb Faciam sedulo, Dabo operam, adiutabo, damit, wie er sagte, per asyndeta fortius incederet oratio. Ihm widersprach G. Hermann, der die Partikel schützte, indem er der Meinung war, dabo operam, adiwabo ständen enger zusammen in dem Sinne dabo operam ut adiuvem. An der Stellung der Partikel nahm Hermann so wenig wie Bentley Anstofs. Ihre Erklä- rungen aber treffen beide nicht zu: weder ein dreigliedriges Asyndeton ist bezweckt, noch hat dabo operam an adiuvabo sein Supplement. Betrachtet man den Zusammenhang des Gesprächs, so ergiebt sich, dafs, wenn auf Chaerea’s Bitte Fac ut potiar der Sclave antwortet Faciam sedulo verstanden wird f. s. ut potiare; wie Adelph. 50 ille ut item contra me habeat facio sedulo, worauf das Verfahren näher bezeichnet wird: do praetermitto usw. In demselben Sinne aber wird auch dabo operam gesetzt, wie viele Beispiele zeigen: Phorm. 760 quod nos ambo opere maxumo dabamus operam ut fieret, . sua cura hie solus fecit. Hautont. 789 guam mawume Volo te dare operam ut fiat. Adelph. 933 te (aeguom est) operam ut fiat dare. Hecyr. 396 maxime volo doque operam ut clam eveniat partus patrem. Und wenn Hautont. 494 Menedemus sagt Scin quid nune facere te volo. (Quod sensisti illos me incipere fallere, id ut maturent facere und Chremes antwortet operam dabo, so er- gänzen wir aus dem vorigen ut malurent. Daher an unsrer Stelle die beiden Verba, welche dieselbe Beziehung und Ergänzung haben, zweckmäfsig durch die Bindepartikel enger verbunden werden. Faciam sedulo ac dabo operam (seil. ut potiare). Und diese in der Sache gegebene Verbindung wird da- durch nieht aufgehoben, dafs noch ein drittes asyndetisch sich anreiht: s. Phorm. 520ff. Ego te complures . . menses tuli pollieitantem et nil ferentem, ‚flentem. nune contra omnia haec: repperi qui det neque lacrumet. Wenn man aber fragt. wie die Verbindung gedacht ist, so bin ich der Meinung, dafs die Rede zweigliederig ist, nur nicht im Sinne Hermann’s, sondern so dafs Jfaciam sedulo das eine Glied, dabo operam, adiuwwabo das andre ausmache, und beide Glieder durch die Bindepartikel verknüpft werden: wie zwei- gliederig auch die Stelle: des Phorm. ist, wie der Gegensatz zeigt, nur so, dafs die beiden Glieder asyndetisch zusammengefügt sind, das erste Glied aber aus zwei verbundenen Theilen besteht. Vgl. Eun. 928fg. Unsrer Glie- derung entsprechend schreibt Lucretius 3, 58 verae voces tum demum pectore ab imo eichuntur et eripitur persona, manet res. Dafs adiuvabo gleichartig an dabo operam sich anschliefsen konnte. mag Eunuch. 150 id amabo adiuta me quo Uber die Versschlüsse in den Komödien des Terentius. Sy: id fiat facilius zeigen. und die asyndetische Paarung beider wird durch viele ähnliche‘ Zusammenordnungen bei Terentius unterstützt: symbolam de: dit, cenavit; amicos oras, ambis; ades, resiste usw. Schliefslich sei erwähnt. dafs auch Aceius bei Cicero de div. ı. 22,44 ein schliefsendes ac sich gestattet hat, das ihm Ribbeck freilich (trag: fragm. ım p. 329) nicht eingeräumt hat: Exin prostratum terra graviter saucium -Resupinum in caelo contueri maximum ac Mirifieum faeinus, das eine Handschrift am Schluß, die andern am Anfang des folgenden Verses überliefern. Das Beispiel stellt sich am nächsten zu unserm ni- mium ac pernimium, und das Asyndeton wäre so ungeschiekt wie jenes. Was ac vor eonsonantischem Anlaut des folgenden Verses, ist atqur vor vocalischem, und da aique vor dem vocalischen Anlaut des folgenden Verses um seine Schlufßssilbe gekürzt, ac dagegen und die verwandten ein- silbigen Partikeln, wenn sie es nicht von Hause sind wie aut, durch den eonsonantisch beginnenden folgenden Vers lang werden. so erkennt man aus diesem, metrisch angesehen, gleichartigen Vorgang, dafs dem Dichter die Verse beider Arten verbundene Verse sind: ein Beweis mehr, daß wir es mit Absichten des Dichters, nicht mit Zufälligkeiten oder Verderb- nissen zu thun haben. Stilistisch aber sind ac und atgue einander völlig gleich, so dafs sie sich gegenseitig zur Unterstützung gereichen können. Wir dürfen daher die zwei Beispiele für ac und die drei Beispiele für atque zusammen nehmen, um daran zu erkennen, dafs Terentius diese Art von Verbindung auch in den Schlufsstellen der Verse nicht gemieden, sondern häufig genug angewendet hat, um über die Thatsache nicht in Zweifel zu lassen. Es stehen aber die drei Fälle von atgue, wie früher bemerkt, allein in den Adelphen. Zuerst 217. Metuisti si nune de tuo iure concessisses paululum atque Adulescenti esses morigeratus. hominum homo stultissime, Ne non tibi istuc faeneraret. So die Überlieferung; weder Bentley noch Lachmann haben an der Stellung der Partikel Anstofs genommen; die neuern Herausgeber hingegen sind einhellig der Überzeugung, dafs atque an der Stelle nicht zu dulden sei: die meisten plädiren für einfache Tilgung, andre haben an dem zweiten ‘ * 52 J: VAHLEN: Vers Verbesserungskünste versucht, um hier Platz für die Partikel zu schaffen, Conradt (Herm. 10 S. 110) atque mit dem ganzen folgenden Vers als eine Interpolation zu beseitigen gerathen. indem er u. A. hominum homo stultissime für schlechtes Fliekwerk hält, das dann also wohl der Inter- polator aus Phorm. 853 hominum homo ornatissime zusammengeflickt hat. Ich versuche die Partikel zu rechtfertigen, indem ich den Sprach- gebrauch des Dichters verfolge. Der Gang des Gesprächs ist einfach und durchsichtig, und hätte keinen Anstofs gewähren sollen. Der Selave Syrus, auf den Kuppler Sannio einzuwirken beauftragt, beginnt mit der Prügelei. die der Kuppler mit seinem Herrn gehabt hat; und da Syrus ihm Vorwürfe macht, dafs das seine Schuld sei, und dafs er dem jungen Herrn hätte willfahren sollen. tua culpa: adulescenti morem gestum oportuit (214), bezieht Sannio dies auch noch auf die Schläge, die er bekommen: qui potui melius, qui hodie usque os praebui (215). Aber Syrus belehrt ihn eines Bessern, und dals er es anders verstanden habe: scis quid loquar? Pecuniam in loco neglegere maximum interdumst lucrum; wand entwiekelt seinen Gedanken ge- nauer in den oben angeführten Versen. Du fürchtetest, wenn du von deinem Recht ein wenig nachgegeben und dem jungen Herrn zu Willen ge- wesen wärest, dafs sich dir das nicht verzinsen würde.” Es ist leicht zu sehen, dafs die beiden durch afque verbundenen Satztheile in dem Ver- hältnils zu einander stehen, dafs das zweite die nothwendige Ergänzung des ersten ist, das für sich allein nicht genügend war; denn das concedere de iure soll das morigerari adulescenti zur Folge haben, welches letztere die Hauptsache ist, ohne welches jenes keine Bedeutung hat. Bei solchem Verhältnifs aber, in dem das eine die Folgerung aus dem andern ist, würde ein Asyndeton, wie die Kritiker herstellen, weniger am Platze sein als die Partikel aique, die, wie viele Beispiele zeigen, gerade solcher Satz- verbindung zu dienen bestimmt ist. Und wenn die Stellung der Partikel nicht hinderte und man z.B. läse si de tuo iure concessisses paululum atque adulescenti esses morigeralus würde gewils Niemand Bedenken schöpfen oder einen Fehler vermuthen. Es ist aber im Wesentlichen derselbe Fall, wie der zu Andr. 51 über et besprochene is postguam excessit ex ephebis et liberius vivendi fuit po- testas, wo schon auf den analogen Gebrauch des afque hingewiesen ward. Einige erlesene Beispiele mögen das Gesagte bekräftigen: Adelph. 283 ne aliqua ad patrem hoc permanet atque ego tum perpetuo perierim: Uber die Versschlüsse n den Komödien des Terentius. 53 Adelph. 299 si omnia omnes sua consilia eonferant atque huie malo sa- lutem quaerant; Ebend. 598 sed quaeso, ut una mecum ad matrem virginis eas, Micio, atque istaec eadem quae mihi dixti tute diecas mulieri; Ebend. 980 si quidem porro tu tuom offieium faeies atque huie aliquid paulum prae manu dederis. Hecyr. 284 quanto fuerat praestabilius ubivis gentium agere aetatem quam huc redire atque haece ita esse miserum me resciscere. Phorm. 322 nisi ut maneat Phanium atque ex cerimine hoc Antiphonem eripiam atque in me omnem iram derivem senis. Ebend. 746 ne vos forte inprudentes foris effutiretis afque id porro aliqua uxor mea rescisceret. Ebend. 844 qui non umerum hune onero pallio atque hominem propero invenire. Eunuch. 172 illam cupio abducere atque hac re arbitror id fieri posse maxume. Ebend. 197 forsitan hie mihi parvam habeat fidem afque ex aliarum ingeniis nune me iudicet. Wer, der diese Beispiele betrachtet, wollte in obigen Versen atque, das dort so ganz denselben Dienst versieht. mit Schädigung des Ausdrucks, darum beseitigt wissen, weil es den Vers beschliefst und ihn mit dem fol- genden verbindet. In den beiden andern Fällen des versschliefsenden afque handelt es sich nicht um Satzverbindung, sondern Wortverbindung. Adelph. 375 DE. vostram nequeo mirari satis Rationem. SY. Est hercle inepta, ne dieam dolo, atque Absurda. Nur der Bembinus ara. absurda; die übrigen Handschriften dolo atque. Zur Rechtfertigung sei einerseits erinnert an Hautont. 521 mulier commoda et Faceta haec meretrix, das ich dort zu vertheidigen suchte; denn wie dort commoda et Faceta, stehen hier die analogen Praedicate inepta atque Absurda zusammen: und anderseits für das eingeschobene ne dicam dolo an Eu- nuch. 349 nostin quae sit, die mihi, aut Vidistin; denn wie dort nostin aut Vidistin unbeschadet des Zwischensatzes zusammengehören und fälschlich mit Beseitigung des aut interpungirt ward nostin quae sit; die mihi Vidistin, so hier trotz der Zwischenbemerkung inepta atque Absurda und unleidlich 54 FIERVAHLEN: ist auch hier mit Tilgung von aique zu verbinden est herele inepta; non dicam dolo, Absurda. Solche einfachem Sinne widerstrebende Auffassungen und Anordnungen entstehen aus der Empfindung, dals, wenn die Partikeln fehlen, die Verbindung der verwandten Ausdrücke nicht mehr zu Recht besteht. Doch wie ich oben zu commoda et faceta nicht unterlassen habe. den Gebrauch solcher Zusammenstellungen durch einige Beispiele zu er- läutern. so will ich auch hier. so überflüssig es scheinen mag, einige Stellen für die Verbindung gleichartiger Bezeichnungen durch atque anführen: je mehr man den Sprachgebrauch übersieht, um so mehr wird man Bedenken tragen, dieses sonst so beliebte afque da zu entfernen. wo es an den Schlufs des Verses gerückt ist. Hautont. 633 inseientem afque inprudentem Phorm. 499 incogitantem atgue inpudentem Hautont. 704 Bonam aique iustam rem oppido imperas et factu facilem Phorm. 497 ingenio esse duro te afque inexorabili Hecyr. 457 salvom aique validum Eunuch. 643 Ubi ego illum scelerosum misera aique inpium inveniam Ebend. 709 oh scelestum aique audacem hominem Phorm:-ı31 bonum atgque commodum Ebend. 339 venire unctum afque lautum e balineis Andr. Sıı facile atque utile. Denen, dünkt mich, inepta atque absurda auf's Beste sich anreiht. Das andre Beispiel ist in den neuern Ausgaben so gedruckt: Adelph. 465 HE. Nostrum amicum noras Simulum Aequalem ? Das grundlose Vorurtheil von der Unzulässigkeit schliefsender Partikel, hier, in Verbindung mit dem übertriebenen Vertrauen auf die Unfehlbarkeit des Bembinus, muls es erklären, dafs diese Lesung, die jeder Unbefangene als eine unfertige und mangelhafte erkennen wird, in so viel Ausgaben dem Dichter aufgenöthigt worden. Denn die Mehrzahl der Handschriften giebt Nostrum amicum noras, Simulum. atgue Aequalem, und dieses aigue ist von Correctorhand im Bemb. vor aequalem eingefügt, wie auch Adelph. 376 im Bemb. arg. absurda steht: und stand in seiner Über die Versschlüsse in den Komödien des Terentius. 55 Vorlage arg. vor aequalem, würde das Übersehen der Partikel sich um so leichter erklären. Und nun vergleiche man Hautont. 417 filium meum amico atque aeguahı suo Video inservire: Eunuch. 327 Patris cognatum atque aequalem Archidemidem Novistin ? Plautus Trin. 326 Adulescenti hine genere summo, amico atque aequali meo. Ebend. 48 o amice, salve, atque aequalis, ut vales, Megaronides. Von Terentius vergleichbar ist auch Phorm. 35 Amicus summus meus et popularis Geta und ebend. 324 vir fortis atque amicus. Was aber die Zwischenstellung des Namens Simulum zwischen die zusammengehörigen Worte amicum atque aequalem anlangt. so könnte darüber schon der angeführte Vers des Trin. 48 beruhigen, überdies ist vergleichbar aus Terentius Eu- nuch. 228 hie quidemst parasitus @natho Militis mit Zwischenstellung des Namens zwischen die beiden Bestandtheile der Apposition, oder die ähn- liehen bei Cieero und Livius. Metello et eius Pio filio, huius Absyrto fratri, Ino et eius Palaemonem filium. Bentley, der an keines der drei Beispiele für Schlufs bildendes atque ein Bedenken geheftet, hat noch zwei weitere Verse mit schliefsendem atque, wohl zum Beweise, wie wenig ihm diese Stellung der Partikel Zweifel ein- tlöfste. erstens Phorm. 728, doch ist seine Annahme, auf die ich. näher nieht eingehen will, nicht haltbar (s. den Vers oben S.42 bei aut): und zweitens Adelph. 845 Eo paeto prorsum illi alligaris filium. Modo faeito ut illam serves. DE. Ego istuc videro afque Oli favillae plena, fumi ac pollinis Coquendo sit faxo. Aber auch diese Fassung, mit der Lachmann einverstanden war, bleibt wenigstens unsicher Angesichts der handschriftlichen Überlieferung: atque illi die Mehrzahl der Handschriften, wie Donat atquwe illie im Lemma. Aber die eine und andre Handschrift, auch der Bembinus. wenn ich Umpfen- bach’s Angabe richtig verstehe, scheint atque ibi von erster Hand gehabt zu haben. Und das befolgen die Neuern: Atque ibi favillae plena. 56 als | J. VAuLeEn: Wenn wir die drei Stellen eines schliefsenden afque genügend gerecht- fertigt haben, so ergiebt sich, dafs Terentius nicht blofs einsilbige Partikeln an den Schlufs der Verse gestellt. sondern mit afgue auch hypermetrische durch Elision zu kürzende Verse sich gestattet hat. wie bei afque auch Pacuvius gethan (ine. 191 Ribh.) situ nigroris barba paedore horrida atque Intonsa infuscat peetus. vielleicht auch Ennius mit que Regnumgue nostrum ut sospitet superstitetgue (s. Proovem. 1878, p. 6). Dann aber wird glaublicb, wie Lachmann (Luer. S. $ı) annahm, dafs dem Terentius, auch abgesehen von den versschliefsen- dien Partikeln, hypermetrische Verknüpfung der Verse nicht fremd gewesen. was begreiflicher Weise von den neuern Herausgebern nicht zugegeben wird. Es sind folgende Verse. Eunuch. 625 Voluit facere eontra huie aegre: heus, inquit, puer Pamphilam 625 Accerse ut deleetet hie nos. illa exelamat minime gentium. In convivium illam?" miles tendere inde ad iurgium. Ein Fehler ist nur bei puer, wofür Bentley puer, i (d. i. i accerse) gesetzt hat. Sieht man aber, was für Änderungen Fleckeisen aus metrischen Gründen an den V. 623. 624. 625 vorgenommen, die völlig ohne Anstofs laufen. oder andre, wie Umpfenbach und Dziatzko. an V.625. wo sie das un- tadelige und unentbehrliche exelamat tilgen. so gewinnt es an Wahrschein- lichkeit. dafs, wie Bentley statuirt und Lachmann gebilligt hat. gentium seine letzte Silbe vor dem vocalischen Anlaut des folgenden Verses In con- vivium einbüfst und der Vers mit genti ein voller trochäischer sei. Das zweite Beispiel ist Andr. 633 Et timent et tamen res premit denegare. Ibi tum eorum inpudentissima oratiost. Denn auch hier. wenn man die Abänderungen betrachtet. denen V. 633 ünterzogen worden, wird man der einfachsten Annahme beitreten, dafs Terentius diese beiden eretischen Verse durch die überschiefsende vor dem vocalischen Anlaut (des zweiten Verses verschwindende Silbe in eine engere Verknüpfung gesetzt hat. Was auch andre Verse dieses Canticum nahe- legen, von denen nachher zu reden sein wird. Das dritte Phormio 294 in den jambischen Versen Uber die Versschlüsse in den Komödien des Terentius. ST | GE. Servom hominem causam orare leges non sinunt, Neque testimoni dietio est. DE. Mitto omnia. addo Istue ‘inprudens timuit adulescens’. Sino. Hier hat Fleckeisen durch die Schreibung do für addo die Versverknüpfung beseitigt: und seine Vermuthung, die nicht ohne Schein ist, hat viel Bei- fall gefunden und gewinnt eine gewisse Unterstützung an Adelph. 5ı Do, ‚praetermitlo, ‘non necesse habeo omnia Pro meo iure agere. Dennoch meine ich aueh addo istuc lasse im Zusammenhang eine befriedigende Auffassung zu. Ich lasse alles gelten, sagt Demipho, "füge auch das noch hinzu, als etwas das gelten zu lassen’ (addo istuc), den Einwand nämlich inprudens timuit adulescens. Doch wie dem sei, aus metrischen Grunde, um die Vers- verknüpfung zu vermeiden, sollte man, bin ich der Meinung, weder hier noch an den andern Stellen mäkeln und ändern. Denn diese Eigenheit fügt sich in die ganze Art. wie Terentius seine Verse in Rücksicht auf ihre Abfolge behandelt hat, worüber 8. 51. Uns bleibt noch übrig ein Wort über die Praepositionen zu sagen. Es kommt zunächst in in Betracht, das zweimal die Schlufssilbe ausmacht. beidemal im Eunuch., zuerst 631 coepi egomet mecum inter vias Aliam rem ex alia cogitare et ea omnia in Peiorem partem. So die Überlieferung: aber hier fiel Bentley, den solche Stellung der Par- tikel nicht anficht, von sich ab; 'magis’, schreibt er, "ex consuetudine Terentü est, si sic refingis: et ea omnia Peiorem in partem. Und das billigen Fleck- eisen und Dziatzko.. Aber warum wollen wir Bentley folgen? den hier sein Gedächtnifs im Stich liefs. Schreibt doch Terentius auch Adelph. 3 rapere in peiorem partem, Andr. 193 tum si quis magistrum cepit ad eam rem inprobum, ipsum animum aegrotum ad deteriorem partem plerumque adplicat. Ich füge noch hinzu Adelph. 174 verum in istam partem potius peccato tamen; Eun. 876 equidem pol in eam partem accipioque et volo; oder Hautont. 57 quod ego in propingua parte amicitiae puto. Zwar hat Teren- tius mitunter auch die andre Wortstellung, allein diese einfachste ist ihm so geläufig, dafs kein Grund vorhanden ist, sie preiszugeben. Und läse man die Verse, wie sie Terentius gelesen will, im Zusammenhang aliam rem ex alia cogitare et ea omnia in peiorem partem, würde Niemand sich verwundern oder anstolsen. Philos.-histor. Abh. 1900. III. bo) 58 JVAHLEN: Die zweite Stelle ist Eunuch. 359 CH. Conservam esse eredidi. PY. Conservam? vix contineo me quin invölem ın Capillum: monstrum etiam ultro derisum advenit. Hier hat Bentley keinen Anstofs an der Schlufsstelle der Praeposition ge- nommen, sondern sie ausdrücklich (zu Eun. 7) gebilligt. Sie steht aber im Bembinus und noch einer Handschrift hinter involem, in andern vor capillum. Wohin sie allein gehört. kann nicht zweifelhaft sein. Statt dessen hat Fleckeisen in seine beiden Ausgaben folgende Schreibung aufgenommen, und andre sind seinem Vorgang gefolgt, vix contineo me quin involem Monstro in capillum: etiam ultro derisum advenit. Man erkennt leieht, was die Herausgeber vermilst haben. Denn der Sinn ist vix contineo me quin ei imvolem in capillum, wie es Eunuch. 648 heifst Ut ego unguibus facile illi in oculos involem venefico. Allein schon zu Andr. 5r. S. 29 habe ich bemerkt, dafs Terentius häufig. wo es selhstverständlich war, einen Dativ des Pronomens unausgedrückt gelassen, während die Her- ausgeber schwanken, bald einen Dativ zusetzen. wo es angeht, wie Andr. 189 nunc hie dies aliam vitam adfert. bald sich ohne Dativ begnügen. wie Andr. 51 und den dort angeführten verwandten. Hier sei folgendes er- wähnt: Eunuch. 740 Atgwi si illam digito attigerit uno, oculi ilico ecfodientur, wo Bentley. sehr inconsequent. nachdem er involem in Capillum ausdrück- lich gebilligt. durch Tilgung von uno Platz für ein vor ilico einzusetzendes lli gemacht hat: worin ihm die Neuern nicht beigetreten sind. Ebenso Hautont. 480 Prius proditurum te tuam vitam et prius Peceuniam omnem, quam abs te amittas filium. Hui 481 Quantam fenestram ad nequitiem patefeceris. hat, wie zur Stelle (S. 20) bemerkt ist. Bentley ei hinter guantam eingesetzt. Fleckeisen aus Au einen Dativ Awie, den er dem V.481 vorsetzt, hergestellt: alles ohne Noth und zum Theil zum Nachtheil des Ausdrucks. Auch Andr. 809 semper enim dietast esse haec atque habitast soror wird enim grundlos und zum Schaden von Bentley und Fleckeisen abgeändert in ei, das selbst- verständlich war, während enim dem Gedankenfortschritt diente. Ich be- gnüge mich hier Beispiele für vermifsten Dativ des Pronomens anzuführen. Wer aber diese Stileigenthümlichkeit des Terentius im Ganzen verfolgen Über die Versschlüsse in den Komödien des Terentins. 59 wollte. würde “leicht darthun können. wie unnöthig sich die Kritiker be- müht haben. der Rede des Dichters mit ihren Zusätzen aufzuhelfen, zumal mit mangelhafter Beobachtung und nach sporadischen Einfällen. S. auch zu Andr. 560 S. 3ofe. Um so weniger wird man Fleckeisen beistimmen können, wenn er an unserer Stelle mit Gewaltsamkeit den Dativ zu erzwingen sucht: »iw contineo me quin involem Monstro in capillum: denn monstrum gehört zum folgenden und hat dort seinen guten Platz: monstrum etiam ultro derisum advenit, ein Ausdruck wie Phorm. 669 inpuratus me ille ut etiam inrideat. Und monstrum wird der vermeintliche Eunuch in dieser Form nieht unpassender genannt als in der andern. oder als 696 der wirkliche monstrum hominis ange- redet wird. Die dritte Stelle eines schliefsenden in ist in dem Cantieum der Andr. ıv 1. 626 Tanta vecordia innata euiquam ut siet, Ut malis gaudeant atque ex incommodis Alterius sua ut comparent commoda: ah 629 Idnest verum? immo id est genus hominum pessumum in Denegando modo quis pudor paulum adest: Post ubi tempust promissa iam perfici, Tum coacti necessario se aperiunt: Et timent et tamen res premit denegar(e) 634 Ibi tum eorum inpudentissima oratiost. Die Praeposition am Ende von 629 hat Bentley. auch Umpfenbach. unbe- rührt an ihrer Stelle belassen. und man möchte glauben, sie sei genügend gesichert nach den beiden besprochenen Beispielen eines versschliefsenden in, zumal in diesem Cantieum. das 633 eine überhängende. vor dem vo- ealischen Anlaut des folgenden Verses schwindende Silbe aufweist, auch 628 mit dem an das Ende gerückten ah den Gedanken des folgenden einführt. Allein die neuern Herausgeber haben die Worte umgestellt immo id est pessumum hominum genus und damit der Praeposition den Platz verlegt. Es ist nieht zu leugnen, dafs sie damit einen bessern rhythmischen Tonfall gewonnen haben. aber die Neuerung hat an den Anführungen bei Servius und Eugraphius (s. oben S. 9) doch nur geringe Unterstützung. Wenn sie aber statt in Denegando modo entweder In negando modo oder Denegandi modo schreiben. so fürchte ich. sie haben den Ausdruck nicht verbessert: denn negando zu setzen für denegando, das gleich wieder folgt (633) und 60 J. Vanzen: Über die Versschlüsse in den Komödien des Terentins. das eine stärkere Bedeutung hat, welche Zuverlässigkeit hätte das, oder Denegandi statt in denegando, welches das bezeichnendere war; gwbus in denegando paulum modo pudor adest, d. i. denen beim Abschlagen, dum dene- gant, Schamgefühl zur Seite steht‘, dies im Gegensatz gegen 634 ibi tum eorum inpudentissima oratio est. Zu in denegando vgl. Phorm. 226 in re in- cipienda und die Bemerkungen im Hermes 17, 8.596. Um aber dieses zu schützen, das durch Änderung nur verschlechtert werden kann, wird es doch wohl gerathener sein, bei der überlieferten Wortstellung zu beharren und die Praeposition an ihrer Stelle zu wahren. immo id est genus homnium pessumum zn Denegando modo quis pudor paulum adest. Über ex am Ende eines Ennianischen Verses und wahrscheinlich auch eines Terentianischen (Eunuch. 7) s. m. Aufsatz in den Sitzungsber. d. Aka- demie 1888, S. 44. ANHANG ZU DEN ABHANDLUNGEN KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. ABHANDLUNGEN NICHT ZUR AKADEMIE GEHÖRIGER GELEHRTER. _ AUS DEN JAHREN 1899 unn 1900. MIT 11 TAFELN. BERLIN 1900. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. GEDRUCKT IN DER REICHSDRUCKEREI. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER, EN Ar ER nike en BRErTn abe HILL, d Il aumz 2 Re ursheje, KRUERG war >, F vg 5 Su BASE EAU IFER SEIN, Ba e tl IN ALINd EDEN u > ATOHONSH SNASU ANA Aa THMA-OR Le Ne AHTERL Wild. BIER | ER | Ne re AH EL ST EIN N HOT Mu) ih: | 2 AR erde A ns aaa FE HOIIAR BDIERR rasen Ka E Inhalt. Physikalische Abhandlungen. F. Sckaupınn: Untersuchungen über den Generationswechsel von Tri- chosphaerium sieboldi Schn. (Mit 6 Tafeln). . . . 2... Abh I. K. Scuumann: Die Verbreitung der Cactaceae im Verhältnils zu ihrer systematischen Gliederung. (Mit 2 Tafeln) . . . . 2... Abh. I. R. Krause: Untersuchungen über den Bau des Centralnervensystems Versen Nstsmlateliej es. u ae eu: 2. Abb. IN. S. 1-93. S. 1—- 114. S. 1-49. sehe oe ash eereeshen Bi A TEN PHYSIKALISCHE ABHANDLUNGEN. > aNDakAANeENE Untersuchungen über den Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Schn. Von Dr. FRITZ SCHAUDINN, Privatdocent und Assistent am Zoologischen Institut der Universität Berlin. Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. 1. 1 Vorgelegt in der Sitzung der phys.-math. Classe am 1. December 1898 [Sitzungsberichte St. L. S.79 ze ; ER « Tat Zum Druck eingereicht am gleichen Tage, ausgegeben am 2. August 189 Einleitung. Die Classiker der Protozoenforschung hatten den gewaltigen Formenreich- thum dieser niedersten Thiergruppe kennen gelehrt und ihre Morphologie in mustergültiger Weise studirt. Die Lebensgeschichte, insbesondere die Fort- pflanzungsvorgänge waren aber in den meisten Fällen sehr wenig erforscht. und bis heute sind noch grofse Lücken in unseren Kenntnissen geblieben. Es ist nicht lange her, dafs bei den Protozoen keine anderen Fort- pflanzungsvorgänge als die einfache Theilung bekannt waren. Erst die Forschungen der letzten Jahre lehrten, dafs noch andere Reproduetionsmodi vorkommen und dafs zahlreiche Protozoen eine complieirte Entwickelungs- geschichte besitzen. In einzelnen Fällen wurde nachgewiesen, dafs innerhalb desselben Art- bereiches zwei verschiedene Formenreihen vorhanden sind (Foraminiferen, Paramoeba), die durch die Fortpflanzung zu einem Zeugungskreis verbunden werden. Bei der Untersuchung dieses sogenannten »Dimorphismus« stellte es sich heraus, dafs die beiden verschiedenen Formen einer anderen Art der Fortpflanzung ihren Ursprung verdanken; während die eine durch Thei- lung der anderen entsteht, wird die letztere aus der ersten durch Schwärmer- bildung gebildet, so dafs also die beiden Formen mit einander abwechseln. Die in neuester Zeit gemachte Entdeckung, dafs schon in der nieder- sten Gruppe der Protozoen, bei Rhizopoden, geschlechtliche Fortpflanzung vorkommt (Actinophrys- und Actinosphaerium-Copulation), und die Erforschung des Generationswechsels der Cocceidien (durch Siedlecki und mich) demon- strirten die Wichtigkeit der Protozoenfortpflanzung für das Verständnifs und besonders den Ursprung der Metazoenbefruchtung. Dafs die Schwärmerbildung der Protozoen ebenso wie bei den nie- deren Pflanzen mit einem Geschlechtsaet verbunden sein könnte, war nicht 1* a F. ScuAupınn: unwahrscheinlich, und diese Vermuthung wurde auch bei der Erklärung des »Dimorphismus« von verschiedenen Forschern ausgesprochen, mit um so mehr Berechtigung, als bereits in einem Falle (Hyalopus, Schaudinn 1894) die Copulation von Schwärmsporen beobachtet war. Um diese Frage »Ist der Dimorphismus durch echten Generationswechsel bedingt?« zu entscheiden, wurde die nachfolgende Untersuchung vorge- nommen. Trichosphaerium schien mir ein besonders günstiges Object deshalb zu sein, weil es sich gut in Aquarien züchten läfst und zu den häufigsten ma- rinen Rhizopoden gehört. Trotzdem boten die complieirten Lebensschick- sale dieses Organismus der Erforschung zahlreiche Schwierigkeiten, so dals ich die verhältnifsmäfsig lange Zeit von fünf Jahren dazu gebraucht habe. Während derselben habe ich Trichosphaerium nie ganz aus den Augen ge- lassen und mit Unterbrechungen immer von neuem gezüchtet und beobachtet, bis der Zeugungskreis geschlossen werden konnte. Einen wesentlichen Fortschritt bei diesen Studien erlangte ich durch einen von der Königlichen Akademie der Wissenschaften mir ermöglichten Aufenthalt am Meere, an der norwegischen Küste, wo ich die marinen Rhi- zopoden in natürlicheren Lebensbedingungen als hier in Berlin in kleinen Aquarien beobachten konnte. Nicht zum wenigsten haben mich auch zahl- reiche belehrende und anregende Gespräche gefördert, die ich mit meinem verehrten Lehrer und Chef, Hrn. Geh. Rath Prof. Dr. F. E. Schulze, geführt habe. Hierfür und für die liberalste Gewährung jeder Unterstützung durch das Zoologische Institut gebührt ihm mein aufrichtigster Dank. Die nachfolgende Abhandlung ist die erste einer Reihe von Untersu- chungen über den Generationswechsel bei Protozoen, eine zweite, die dem- nächst erscheint, wird sich mit dem Generationswechsel der Coceidien be- schäftigen, woran sich eine ausführliche monographische Schilderung des Zeugungskreises der Foraminifere » Polystomella crispa« schliefsen wird; die dann folgenden Abhandlungen werden sich mit Heliozoen beschäftigen und die ausführlichen Mittheilungen über die bereits von mir in Kürze publi- eirten Beobachtungen an Actinophrys und den Acanthocystiden enthalten. Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Schn. 5 Litteratur über 7röichosphaerium. Unter dem Namen Trichosphaerium sieboldii wurde im Jahre 1878 von A. Schneider (78) ein Rhizopode aus den Austernbassins von Ostende be- schrieben, der kugelige oder ovale Gestalt besals und dessen Oberfläche mit dicht stehenden, gleich langen »Borsten« besetzt war. Die letzteren schienen einer festen Haut aufzusitzen, welche zahlreiche röhrenförmige Öffnungen besafs, aus denen hyaline, fadenförmige Pseudopodien ausgestreckt wurden. Schneider stellte diesen Organismus zu den Foraminiferen, ohne Gründe hierfür anzugeben; er sah ihn als Übergangsform von der Lieberkühnia zu den echten kalkschaligen Thalamophoren an. Die Beschreibung Schnei- der’s ist sehr kurz und liefert keinen Beitrag zur Kenntnifs der inneren Organisation des Thieres. Obwohl er den Namen gegeben hat, ist Schneider nicht der erste Beobachter dieses Rhizopoden, den er als neu beschreibt, doch konnten ihm die früheren Beobachtungen entgehen, da sie sehr versteckt publieirt waren. Nämlich schon neun Jahre früher (1869) hatte R. Greeff (69) an dersel- ben Localität (Ostende) einen marinen Rhizopoden gefunden und kurz be- schrieben, der in allen von Schneider aufgestellten Charakteren mit Tricho- sphaerium übereinstimmt (»kugelige, von feinen Kalknadeln besetzte Kapsel, durch deren runde Öffnungen stäbehenförmige Pseudopodien hervorgestreckt werden«). Greeff hat aber weder in dieser, noch in einer bald darauf folgenden Mittheilung (69 a) seinen Rhizopoden benannt, und der von Schneider gewählte Name besteht daher zu Recht. In seiner zweiten Notiz (69 a) stellt Greeff seinen Organismus ebenfalls zu den Foraminiferen, weil er annimmt, dafs die die Hülle zusammensetzenden Stäbehen aus kohlensaurem Kalk bestehen, und daher in der Schale eine Vorstufe der kalkigen Monothalamienschale erblickt. Ohne die Arbeit Schneider’s zu kennen, beschrieb 1883 Gruber (33) unter dem Namen Pachymyza hystrie aus Freiburger Seewasseraquarien einen Rhizopoden, der vollständig mit Trichosphaerium übereinstimmte, was bald 6 F. ScHAauvınn: darauf auch von diesem Autor erkannt und berichtigt wurde, indem er den von ihm gegebenen Namen zurückzog (83 a). Während die bisher erwähnten Beobachter eigentlich nur das, was man bei einer oberflächlichen Betrachtung mit dem Mikroskop sehen kann, mittheil- ten, hat Gruber (83) genauere Untersuchungen angestellt und eine Reihe That- sachen über die Lebensweise, die Structur der Schale und den Bau des Weich- körpers von Trichosphaerium geliefert, auf die im Laufe dieser Arbeit wiederholt eingegangen werden wird. Gruber sucht die nächsten Verwandten des Tricho- sphaerium nicht bei den Foraminiferen, sondern bei amoebenartigen Organis- men, ja er fand bereits die stäbchenlosen, amoebenähnlichen Stadien von Tri- chosphaerium und vermuthete in ihnen Entwickelungsstadien unseres Thieres. Möbius (89) beobachtete in der Kieler Bucht einen Rhizopoden mit Stäb- chenhülle, den er für identisch mit Trichosphaerium sieboldii hält, obwohl der- selbe einzelne Abweichungen zeigt. Diese beziehen sich namentlich auf die Stäbchen, die bei der Kieler Form organischer Natur sind, und auf die Pseu- dopodien, die Möbius nicht als fadenförmig, sondern als »kugelig-lappen- förmige« Plasmafortsätze beschreibt. Dieser Forscher stellt für Trichosphae- rium eine neue Rhizopodengruppe auf, die er Trichosa nennt und die ein Verbindungsglied zwischen den Amoebaea und Perforata bilden soll. Im Jahre 1892 constatirte Greeff(92), dals er der erste Beobachter des Trichosphaerium sei (vergl. oben). Seine Behauptung, dafs die Stäbchen der Hülle aus kohlensaurem Kalk bestehen, hält er aufrecht, ohne sie aber zu beweisen; die Pseudopodien sind lang »stäbehenförmig«. Weil Möbius (80) bei seiner Form organische Stäbchen und lappenförmige Pseudopodien an- gibt, hält Greeff dieselbe für eine Varietät der Nordseeform. Noll (92) beschreibt in einer kurzen Notiz die Art der Ausbreitung der Triehosphaerien an der mit Algen bewachsenen Glaswand eines Aquariums und die kreisförmigen Frafsstellen in dem Algenfilz. Über die Organisation gibt er nichts an. - Labbe (95) fand unseren Rhizopoden bei Roscoff und beobachtete das Vorkommen von Zooxanthellen im Weichkörper desselben. Hiermit sind die bisherigen Beobachtungen über Trichosphaerium er- schöpft. Dieselben sind sehr unvollständig und einander widersprechend. Über die Lebensgeschichte, die feineren Bauverhältnisse, die Kerne und die chemische Natur der Schale ist nichts bekannt. Generationswechsel von Trichosphaerüum sieboldi Schn. 1 Material und Untersuchungsmethoden. Die zur nachfolgenden Untersuchung verwendeten Trichosphaerien stam- men eines Theils aus den Seewasseraquarien des hiesigen Zoologischen In- stituts, die ihre Füllung durch die Zoologische Station zu Rovigno erhalten hatten; ein anderer Theil fand sich in Gläsern ein, die vor mehreren Jahren aus dem Wiener Zoologischen Institut mit Trichoplax adhaerens hierher ge- kommen waren und deren Inhalt aus der Adria bei Triest stammte. Auch in mehreren Gläsern aus Helgoland lebt Trichosphaerium. Endlich fand ich diesen Rhizopoden freilebend im Puddefjord bei Bergen in Norwegen. Die dort beobachteten Individuen waren für mich besonders deshalb von Werth, weil ich ihre vollkommene Identität mit den Mittelmeerformen constatiren konnte. Trichosphaerium fand sich in der littoralen Zone bis zu einer Tiefe von etwa 5” auf Algen ziemlich häufig. Unser Rhizopode tritt zeitweilig in so ungeheueren Massen auf, dafs die Glaswände der Aquarien wie mit einem weifsen Filz überzogen erschei- nen, und ich litt daher niemals an Materialmangel. In den 38 Seewasser- gläsern, die mir zur Verfügung standen, trat zu jeder Jahreszeit während der verflossenen fünf Jahre mindestens in der Hälfte Trichosphaerium wahr- haft epidemisch auf. Besonders angenehm für die Untersuchung der Lebens- verhältnisse dieses Rhizopoden ist seine Lebenszähigkeit. Er palst sich den schlechtesten Lebensbedingungen an und scheint, wo er einmal sich ein- gebürgert hat, unausrottbar zu sein. Daher ist es auch nicht schwierig, ihn in kleineren Glasgefäfsen (sogenannten Krystallisirschalen und Uhrgläs- ehen) zu züchten, um seine Fortpflanzung und Entwiekelung zu beobachten. Zum Aufsuchen einzelner Stadien an den Glaswänden der Aquarien habe ich, wie früher bei anderen Rhizopoden, auch hier mit bestem Erfolge das von F.E. Schulze construirte. Horizontalmikroskop benutzt. Dieses Instru- ment erleichtert aufserordentlich die biologische Erforschung kleiner Orga- nismen, und es nimmt mich Wunder, dafs nur so wenige Forscher dasselbe 8 F. ScHhAuDınn: benutzt haben. Zum Absuchen von Aquarienwänden ist es mir wegen seiner feinen Einstellung unentbehrlich, aber auch für die Beobachtung von Bewegun- gen und der gröberen Fortpflanzungsverhältnisse der Rhizopoden sehr geeig- net, besonders deshalb, weil man die Thiere unter natürlicheren Lebens- bedingungen als auf dem Objeetträger, in der feuchten Kammer oder der Uhr- schale studiren kann. Natürlich dürfen die letzteren Hülfsmittel auch nicht vernachlässigt werden, um mit stärkeren Vergröfserungen beobachten zu können; doch hat man an den gröberen Untersuchungen eine gute Controle, ob die Thiere bei der Herausnahme aus ihren gewohnten Lebensbedingun- gen nicht wesentlich alterirt worden sind. Ich habe daher bei meinen Rhi- zopodenstudien stets beide Beobachtungsmodi combinirt. Zur Betrachtung mit stärkerer Vergröfserung verwendete ich mit Erfolg das von mir (94) beschriebene einfache Mikro-Aquarium, in welchem ich die Rhizopoden wochenlang lebend halten konnte. Vorbedingung für die Zucht aller ma- riner Rhizopoden in kleinen und kleinsten Behältern ist eine möglichst ge- naue Regulirung des Salzgehaltes, was leicht durch vorsichtiges Nachfüllen destillirten Wassers erreicht wird, und die Sorge für reichliche Nahrung. Trichosphaerium ist in Bezug auf den ersten Punkt weniger gefährlich als andere Rhizopoden, weil es euryhalin ist, dafür ist es aber um so gefräfsiger, und ich mufs daher meine Methoden der Nahrungsversorgung etwas ein- gehender besprechen. Alle Gefäfse, die ich zur Zucht benutzte, wurden einige Zeit, bevor ich die Rhizopoden hineinsetzte, mit Seewasser gefüllt und die Höhe des Wasserstandes durch einen Diamantstrich an der Glas- wand bezeichnet und genau eingehalten; aufserdem wurde eine Anzahl grü- ner Algen, meist Siphoneen und viele Diatomeen, hineingebracht, die dann allmählich den Boden und die Wände der Gefäfse überzogen. Meist ent- spann sich ein Kampf zwischen Fäulnifserregern und den grünen Algen, und erst wenn sich derselbe zu Gunsten der letzteren entschieden hatte, wurden die Rhizopoden hineingesetzt. Diese Mafsregel ist von grofser Wich- tigkeit, weil bei gleichzeitigem Ansetzen der Nährorganismen und der Rhi- zopoden letztere gewöhnlich durch Fäulnils zu Grunde gehen. Es scheint, als ob die Algen nach einmal bestandenem Kampf mit den Fäulnilserregern widerstandsfähiger werden, denn in einmal ausgefaulten Gläsern habe ich niemals wieder Fäulnifs eintreten sehen. Es ist sehr zweckmälsig, bei der Untersuchung mariner Rhizopoden stets eine Anzahl derartig gut eingewachsener und mit Nährobjecten reichlich besetzter Gläser Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Schn. S) ‘und Uhrschalen vorräthig zu halten, um nöthigenfalls Entwickelungsstadien schnell isoliren zu können. Um einzelne Individuen oder Fortpflanzungsstadien aus den Gefälsen herausnehmen zu können, ohne sie, wie es mit einer Pipette oft leicht geschieht, zu zerstören, wurden die Böden der Zuchtgläser mit kleinen Deckglasstücken dicht belegt, die so grofs waren, dafs man sie mit einer feinen Pincette fassen und herausholen konnte. Auf ihnen setzten sich die Rhizopoden dann fest und konnten bequem mit dem Deckglas in andere Gefälse übertragen oder conservirt werden und zwar in natürlicher Lage. — Deckgläser wurden auch als Sporenfalle benutzt. Zu diesem Zweck wurden sie an Fäden geklebt und so in die Aquarien gehängt, dafs sie senkrecht einige (2-3) Centimeter über dem Boden schwebten. Wenn sich dann auf ihnen nach kurzem Hängen junge Rhizopoden anfanden, konnte man an- nehmen, dafs sie im freibeweglichen Schwärmsporenstadium hinaufgelangt seien. Um andere Möglichkeiten auszuschliefsen, habe ich zwischen dem Deckglas und der Oberfläche des Wassers noch eine horizontal schwebende gröfsere Glasscheibe an dem Faden befestigt in der Weise, dafs der Faden durch einen Kork gezogen wurde, der in das centrale Loch einer etwa 4°” im Durchmesser grolsen Glasscheibe gesteckt wurde (ich benutzte hierzu die durchlochte Glasscheibe der feuchten Kammer, nach F. E. Schulze’s Construetion). Hierdurch sollte verhindert werden, dafs die Rhizopoden von der Öbertläche des Wassers auf irgend welehe Weise zu dem Deck- glas gelangten. Um das letztere aber auch beim Hineinsetzen in das Aqua- rium nicht mit der Wasseroberfläche in Berührung zu bringen, wurde der ganze Apparat in einen breiten Lampeneylinder gebracht, der beim Hinein- em tauchen in das Wasser oben zugehalten und erst unterhalb der Oberfläche geöffnet und entfernt wurde. In derselben Weise wurde beim Herausnehmen der Deckgläser verfahren. Wo bei der Untersuchung der lebenden Thiere eine starke Quetschung nothwendig war, habe ich auch das Ziegler’sche Durehströmungscom- pressorium mit Erfolg benutzt. Zur Conservirung der Trichosphaerien habe ich verschiedene der ge- bräuchlichen Flüssigkeiten probirt, aber wie bisher bei meinen Rhizopoden- studien auch jetzt gefunden, dafs Sublimatlösungen am vortrefflichsten wir- ken. Besonders erwies sich eine Mischung von concentrirter wässeriger Subli- matlösung mit absolutem Alkohol im Verhältnifs 2:ı als vorzüglich zur Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. 1. 2 10 F. ScHuavpınn: Fixirung des Plasmas und der Kerne. Häufig wurde noch eine Spur Eis- essig hinzugefügt. Doch habe ich auch Kleinenberg’s Pikrinschwefel- säure, Flemming’s Chromosmiumessigsäure und Herrmann’s Platinchlo- rid-Osmium -Essigsäure häufig angewendet. Letztere Fixirung ergab beson- ders bei Nachbehandlung mit Holzessig nach von Maehrenthal’s Angabe für das Studium der feineren Plasmastrucetur gute Bilder, doch müssen die Sehnitte sehr dünn sein. Ausgewaschen wurde bei Sublimatbehandlung mit 63 procentigem Jodalkohol, bei Kleinenberg’s Flüssigkeit mit 63 procen- tigem Alkohol in der Wärme, sonst mit Wasser. Um die Trichosphaerien in natürlicher Lage und mit ausgestreckten Pseudopodien abzutödten, be- nutzte ich auch die von Buetschli angegebene Methode der Fixirung durch Osmiumdämpfe, doch kam ich durch Übergiefsen der Deckglasculturen mit heifsem Sublimatalkohol ebenso weit. Die früheren Beobachter unseres Rhi- zopoden haben am ganzen Thier die Kerne nicht durch Färbung differen- ziren können. Auch meine ersten Versuche waren vergeblich; mit Borax- karmin, Saffranin, Haematoxylin und Brasilin habe ich keine deutliche Kern- färbung erhalten, weil die vielen Inhaltskörper des Plasmas, besonders ein- zellige Algen, sich ebenso intensiv wie die Kerne färben. Endlich gelang es aber in vorzüglicher Weise mit Grenacher’s Alaunkarmin; ich erhielt nach einhalbstündiger Färbung und darauf folgendem mehrstündigen Aus- ziehen in 43 procentigem Alkohol eine reine Färbung der zahlreichen Kerne. Längeres Verweilen der Objeete in der Farbe lieferte schlechtere Resultate, weil dann die vorhin erwähnten Inhaltsgebilde mitgefärbt wurden. Eine noch kürzere Färbungszeit gestattet eine im hiesigen Institut gebräuchliche 43 procentige alkoholische Alaunkarminlösung, weil sie schneller eindringt. Für das Studium des feineren Baus mufs man die Trichosphaerien in Sehnittserien zerlegen. Die Einbettung erfolgte anfangs in Uhrschalen, spä- ter in meinem Mikro-Aquarium, welches den Vortheil bietet, dafs man sehr viele Exemplare auf engem Raume zusammen einbetten kann. In beque- merer Weise erreiche ich diefs in neuerer Zeit durch Anwendung einer Öen- trifuge. Mehrere hundert Individuen können zugleich behandelt werden, ohne dals man Gefahr läuft, bei den verschiedenen Manipulationen, wie Färbung, Alkoholwechsel, Paraffineinbettung, auch nur ein einziges Thier zu verlieren. Nach der Fixirung werden die Thiere in einen kleinen Glas- eylinder (Praeparatenglas) gebracht, in dem sie weiter behandelt werden; vor jedem Flüssigkeitswechsel wird centrifugirt, wodurch die Thiere auf Generationswechsel von Trichosphaerium sıeboldi Schn. 11 dem Boden des Gläschens dieht zusammengedrängt werden. Nachdem sie mit Paraffın durehtränkt sind, läfst man das Gläschen in Wasser schnell erkalten, wodurch sieh das erstere von der Glaswand zurückzieht. Durch Zerschlagen des Cylinders erbält man einen schnittfertigen Paraffinblock, in dem die Triehosphaerien so dicht liegen, wie man es ohne Centrifuge nicht erreichen kann. Das Schneiden der Rhizopoden ist bisweilen, wenn zahlreiche spröde Plasma-Einschlüsse vorhanden sind, recht schwierig. Um sehr dünne (1-2) Sehnitte zu erhalten, habe ich dann die von Heider angegebene Methode des Überstreichens des Paraffinblocks mit Mastixcollodiumlösung benutzt. Bei Sehnittfärbung gelingt es leicht, mit Alaunkarmin, Boraxkarmin. Cochenilletinetur, Fuchsin. Safranin, Thionin, Kernschwarz gute Färbun- gen der Kerne zu erhalten. Eine lange Färbung (24-36 Stunden) mit ver- dünntem Grenacher’schen Haematoxylin und Ausziehen mit salzsaurem Alkohol habe ich ebenfalls mit Erfolg angewendet. Sehr schöne Bilder lieferte eine Doppelfärbung mit Methylenblau und Brasilin, wobei ich in folgender Weise verfuhr: die auf Wasser gebrachten Schnitte kommen für fünf Minuten in eine wässerige Methylenblaulösung (concentrirt), werden hierauf gut mit Wasser abgespült und auf einen Tag in Brasilin gebracht. (Die Herstellung der von mir benutzten Brasilinlösung ist früher [96] be- reits angegeben.) Nachdem sie einige Stunden in 43 procentigem Alkohol ausgewaschen sind, werden sie durch die Alkoholstufen auf Xylol gebracht und in Canadabalsam eingeschlossen. Mit dieser Färbung sind alle Fremd- körper, Faecalien u.s. w. blau, das Plasma rosa und die Kerne leuchtend roth gefärbt. Es scheint, als ob diese Doppelfärbung Ähnliches leistet, wie die von Rhumbler angegebene Methylgrün-Eosinmischung für andere Rhi- zopoden. Bei Trichosphaerium habe ich mit dieser Doppelfärbung keine so guten Resultate gehabt, wie bei anderen Rhizopoden. Endlich habe ich als vorzügliche Kernfärbung bei Trichosphaerium auch die Benda-Heiden- hain’sche Eisenhaematoxylinfärbung benutzt. Als Einschlufsmittel wurden aufser Canadabalsam und Dammarharz für bestimmte Zwecke (Studium der Hülle, achromatische Kernsubstanz) auch Glycerin und essigsaures Kali angewendet. Zum Auffinden bestimmter Entwickelungsstadien auf Deckglaseulturen und in Schnittserien ist ein verschiebbarer Objeettisch mit Nonien unent- behrlich. Ich benutzte einen solchen von Seibert. 2* 12 F. ScHuAauvınn: Zur Untersuchung der feinsten Organisationsverhältnisse stand mir ein Zeiss’scher Apochromat, Ap. 1.30, 2”” Brw. und die Compensationsoculare 4-12, für noch stärkere Vergröfserungen das vorzügliche Seibert’sche apochromatisch-homogene Immersionssystem, Ap. 1.35, Brw. 2””, nebst den Compensationsocularen I, 4, 6, 8, 12, 18 zur Verfügung. Als Lichtquelle wurde aufser Tageslicht Gasglühlicht, und für die stärksten Vergröfserun- gen Zirkonlicht benutzt. Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Schn. 13 Kurze Übersicht der Organisation und des Zeugungs- kreises von Trichosphaerium sieboldi Schneider. Trichosphaerium sieboldi ist ein mariner Rhizopode, der im Schlamm und auf Algen in der littoralen Zone weit verbreitet lebt. Er besitzt kugelige oder ganz unregelmälsige Gestalt und ist nur äufserst langsamer, aber trotz- dem bedeutender Formveränderungen fähig. Wie zahlreiche Foraminiferen zeigt auch dieser Organismus die Erscheinung des sogenannten Dimorphis- mus, d.h. er tritt in zwei Formen auf, die in den meisten Charakteren übereinstimmen, in einigen aber von einander abweichen und besonders einer anderen Art der Fortpflanzung ihren Ursprung verdanken. Was bei den Foraminiferen wahrscheinlich, indessen noch nicht be- wiesen ist, gelang mir hier sicher nachzuweisen, nämlich die Zugehörig- keit beider Formen zu einem Zeugungskreise. Die beiden Formen übereinstimmend zukommenden Bauverhältnisse sind folgende: ı. Die Kernverhältnisse; beide sind während des vegetativen Lebens vielkernig, der feinere Bau der Kerne stimmt ebenfalls überein; die Kernvermehrung erfolgt durch eine Art primitiver Mitose, und zwar theilen sich stets alle Kerne gleichzeitig, so dafs die Zahl derselben mit einem Male verdoppelt wird. 2. Die Pseudopodien sind lang, dünn, fadenförmig, am Ende abgerundet, sie führen nutirende Bewegungen aus, dienen aber weder zur Locomotion, noch vermitteln sie die Nahrungsaufnahme, sondern scheinen nur als Tastorgane zu functioniren. Die äufserst träge Bewegung der Organismen erfolgt durch langsames Dahinfliefsen der Sarkode, die Nah- rungskörper werden durch Umifliefsen aufgenommen. Der Hauptunterschied der beiden Formen, der sie auch äufserlich leicht kenntlich macht, besteht in den Hüllbildungen. Der Weichkörper ist bei beiden mit einer weichen, gallertigen Hülle allseitig umgeben. Bei der einen ist nun diese Hülle dicht mit kurzen, radiär stehenden Stäbchen aus koh- lensaurem Magnesium besetzt (das Trichosphaerium der Autoren), während sie 14 F. ScHAUDInn: bei der anderen nackt bleibt. Die Hülle ist mit besonders differenzirten, persistenten Öffnungen für den Durchtritt der Pseudopodien versehen, die bei beiden Formen kleine Verschiedenheiten zeigen. Beide Formen können sich während ihres vegetativen Lebens durch einfache Zweitheilung, Knospung oder Zerfall in viele Theilstücke vermehren; doch sind diese Theilstücke stets mehrkernig und weichen in ihrem Bau nicht von dem Mutterthier ah. Am Ende ihres vegetativen Lebens zerfällt die stäbchenführende Form innerhalb der Hülle in zahlreiche, einkernige Theilstücke, die nach der Zer- störung der Hülle als kleine Amoeben auswandern und sich, ohne Stäbchen zu bilden, zu Individuen der zweiten Form entwickeln. Um der leichteren Darstellung willen belege ich die Formen mit besonderen Namen'. Die stäb- chenführende Form mag, weil sie durch einfache Zerspaltung ihre Spröfs- linge liefert, Schizont, der Vorgang Schizogonie heifsen. Die aus den- Theilungsproducten sich entwickelnden Individuen bilden am Ende ihres ve- getativen Lebens andersartige Fortpflanzungskörper, nämlich mit zwei Geifseln versehene Schwärmer. Wegen dieser Sporulation nenne ich diese Form Spo- ront, den Vorgang Sporogonie, die Produete Sporen. Weil sie Geilseln besitzen, wird man von Schwärmsporen (im Gegensatz zu Dauersporen) sprechen. Je zwei von verschiedenen Individuen stammende Schwärmsporen können sich durch Copulation vereinigen. Sie entwickeln sich nach Ab- werfen der Geilseln und Verschmelzung der beiden Kerne unter Ausbildung einer Stäbchenhülle zu Schizonten. Die copulirenden Schwärmsporen kann man als Gameten bezeichnen. Das Schema auf Taf. I verdeutlicht leichter als viele Worte den Zeu- gungskreis von Trichosphaerium, der sich durch den Wechsel von geschlecht- licher und ungeschlechtlicher Generation als echter Generationswechsel do- cumentirt. In den folgenden Capiteln soll zunächst der Weg, der zu diesem Resultate geführt hat, eingehend geschildert werden, und hieran wird sich eine genaue Darstellung der feineren und feinsten Bauverhältnisse des Tri- chosphaerium schliefsen. ' Die ich einer anregenden Discussion mit Hrn. Geh. Rath F. E. Schulze verdanke. Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Schn. 15 Der Zeugungskreis von Trichosphaerium. Die Schizonten. Die Form des Trichosphaerium, welche den meisten bisherigen Beobachtern allein bekannt war, ist das Schizontenstadium. Diefs ist nicht wunderbar, weil die anderen Stadien unseres Rhizopoden viel we- niger auffallend sind als dieses. Schon mit blofsem Auge kann man diese ver- hältnifsmäfsig grofsen Formen (sie können einen Durchmesser von 2”” er reichen) auf Algen oder an der Glaswand des Aquariums erkennen. Bei durehfallendem Licht erscheinen sie sehr dunkel wegen des starken Licht- breehungsvermögens der Stäbchen, welche sich auf der Gallerthülle befin- den, und wegen der zahlreichen dunkeln Einschlüsse des Weichkörpers (Fig.ı Taf.II). Nur die Pseudopodienöffnungen machen sich als helle Flecke bemerkbar. Bei auffallendem Licht reflectiren die krystallähnlichen Hüllen- stäbehen das Licht so stark, dafs die Thiere weils erscheinen (Fig.2 Taf. II) und nur die Pseudopodienöffnungen als schwarze Löcher hervortreten. Die fadenförmigen Pseudopodien, die nach allen Seiten ausgestreckt werden können, führen fortwährend drehende und tastende Bewegungen aus, niemals aber kann man beobachten, dafs dieselben irgend ein Nahrungsob- jeet festhalten oder dasselbe umfliefsen, wie es bei «en meisten Rhizopo- den der Fall ist. Vielmehr wenn sie einen Fremdkörper, eine Diatomee oder Fadenalge zufällig berühren, so ziehen sie sich sofort von demselben zurück und setzen ihre Drehbewegung nach anderer Richtung fort. Die Nahrungsaufnahme erfolgt in ähnlicher Weise wie bei den Amoe- ben durch Umtfliefsen seitens des Weichkörpers. Wenn der Organismus auf seinen Wanderungen auf einen Fremdkörper stölst, so bleibt der letztere zwischen den Stäbchen an der klebrigen Gallerte der Hüllschicht haften; langsam wälzt sich nun der Weichkörper weiter und drückt so, indem er wie eine zähe Teigkugel darüber fliefst, den Fremdkörper durch die Gallert- hülle hindurch in das Plasma hinein. Auf diese Weise kann das Thier selbst sehr grolse Objecte, wie lange Fadenalgen (vergl. Fig.ı Taf. II), sich einver- 16 F. ScHuauvınn: leiben. Die Pseudopodienöffnungen wären viel zu eng, um als Eingangs- pforte für die Fremdkörper zu dienen, welehe man im Innern des Weich- körpers findet, wie schon Gruber richtig erkannt hat. Die hier geschil- derte Nahrungsaufnahme haben aber merkwürdiger Weise die Autoren noch nicht gesehen, obwohl sie in meinen Qulturen sehr leicht zu beobachten war, weil sie aufserordentlich langsam erfolgt. Auf Siphoneenrasen findet man z.B. kaum ein Individuum, bei dem nicht ein oder zwei Algenfäden zur Hälfte aus dem Weichkörper noch herausragen; beobachtet man nun das Hineinziehen der Fäden, so kann man oft mehrere Stunden warten, bis sie ganz von der Aufsenwelt verschwunden sind. Um ein so kleines Stück- chen, wie es in Fig.ı Taf.II herausragt, ganz hineinzuziehen, braucht das Thier gut eine Stunde. Bei dieser Langsamkeit ist es erklärlich, dafs Tri- chosphaerium meist nur Pflanzen oder festsitzende Thiere frifst. Bewegliche, wie Infusorien, Flagellaten, Copepoden u.s.w., kann es nicht fangen. Doch verschmäht es dieselben nicht, wenn man sie ihm todt vorwirft; so habe ich zu bestimmten Zwecken (vergl. das Capitel über die Exeretkörner) Tricho- sphaerien nur mit zerquetschten Copepoden ernährt, und sie gediehen sehr gut dabei. Trichosphaerium scheint demnach alles zu fressen, was ihm in den Weg kommt. Nachdem wir gesehen, dafs die Pseudopodien nicht bei der Nahrungs- aufnahme behülflich sind, wäre es noch möglich, dafs sie zur Locomotion dienen. Diefs ist aber ebenso wenig der Fall, wie man sich leicht durch die Beobachtung überzeugt. Bei der Bewegung drehen sich die sämmt- lichen Pseudopodien ungestört weiter, und sie documentirt sich nur durch langsame Gestaltveränderungen des Körpers. Sie erfolgt durch Vorwärts- fliefsen des Plasmas. Aber wenn die Nahrungsaufnahme schon langsam er- folgte, so kann man die Bewegung als Prototyp der Langsamkeit betrachten. Es ist daher schwer, sie mit dem Auge zu verfolgen; leichter gelingt es mit Hülfe des Zeichenprismas, und habe ich nach vielen Messungen eine Durch- sehnittsgeschwindigkeit von Iou in der Minute ausgerechnet. Ich kenne keinen Rhizopoden, der ähnlich langsame Bewegungen ausführt. Selbst die ungewöhnlich trägen Labyrinthuleen erreichen eine Durchschnittsgeschwin- digkeit von 204 in der Minute. Diese Trägheit des Trichosphaerium ist für das Studium der Lebensge- schichte aufserordentlich günstig, sie ermöglicht es, die verschiedenen Ent- wickelungsstadien gut im Auge zu behalten, erfordert aber auch gröfsere Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Schn. 17 Geduld, als es bei anderen Organismen mit lebhafteren Lebensäufserungen nothwendig ist. Die einzige bisher beobachtete Fortpflanzungsart unseres Organismus ist die Theilung. Schon Schneider (78) und später Gruber (83) haben eine Längsstreckung und Durchschnürung des Thieres beschrieben. Auch in meinen Culturen konnte ich diese Vermehrungsweise häufig beobachten. Die weiche Gallerthülle, die auch sonst allen Gestaltveränderungen des Weich- körpers folgt, wird bei der Theilung des letzteren einfach mit durchge- schnürt. Die beiden Theilstücke sind nieht immer gleich grofs, und lassen sich alle Übergänge bis zur Abschnürung einer winzigen Knospe auffinden. Aber nicht nur in zwei, sondern in drei, vier und mehr Theile kann der Organismus sich zerschnüren. Ein Blick auf die Figuren 2-5 der Tafel II zeigt, wie mannichfaltige Theilungsstadien vorkommen. Da findet sich Durch- schnürung in zwei gleiche Theile (Fig. 3«), zwei ungleiche (Fig. 3a,), in drei (Fig. 2, 3b, 3b,), in vier (Fig. 3e), in fünf (Fig. 3d) und in zahlreiche (Fig. 3e, 4, 5) Stücke. Vor dem Zerfall in viele Theilstücke wird die Gestalt der Thiere ganz unregelmäfsig, lappig und buckelig (Fig. 4 Taf. II). Die einzelnen Fortsätze strecken sich in die Länge und werden durch ringförmige Einschnürungen in eine Reihe von Segmenten zerlegt, die sich dann allmählich von ein- ander lösen (Fig.5 Taf.I). Der ganze Theilungsprocels verläuft aufseror- dentlich langsam.‘ Einige Beispiele können diefs erläutern. Die Figuren 4 und 5 sind zwei auf einander folgende Stadien desselben Individuums. Die Figur 5 wurde erst am zehnten Tage nach Fig. 4 gezeichnet, und erst nach weiteren sechs Tagen war das Thier in die 26 schon in Fig. 5 erkennbaren Theilstücke zerfallen. Bisweilen geht es etwas schneller, so konnte ich an einem 1"”5 grofsen Exemplar’ den Zerfall in 35 Theilstücke innerhalb einer Woche verfolgen. Schon am vierten Tage, nachdem die Gestaltverände- rung begonnen hatte, markirten sich die einzelnen Segmente deutlich. Beim Zerfall der letzteren lösen sieh nicht alle gleichzeitig von einander; an ein- zelnen Stellen lösen sich einzelne Theilstücke ab, während an anderen ganze Complexe abgeschnürt werden, die erst später zerfallen, wie diefs auch schon in Fig. 5 zu erkennen ist. Durch diese Art der Vermehrung finden die merkwürdigen Frafsstellen der 'Trichosphaerien ihre Erklärung. Schon Noll (92) hatte beobachtet, dafs diese Rhizopoden aus dem Algenfilz an der Glas- wand der Aquarien kreisförmige Löcher ausfressen, vermochte aber die Er- Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. 1. 3 18 Re F. ScHauDınn: scheinung nicht zu erklären. Bei Calcituba habe ich ganz Ähnliches (1895) beobachtet und nachgewiesen, dafs es durch den Zerfall eines grolsen, stern- förmigen Individuums in viele Tochterthiere, die in radiärer Richtung sich weiter theilen, bedingt ist. Ganz dieselbe Ursache hat die Erscheinung auch hier.' Fig.6 Taf. II stellt zwei Frafsstellen des Trichosphaerium bei ganz ge- ringer Vergrölserung (etwa 2:1) dar. In einer kreisförmigen Stelle ist die Glaswand des Aquariums ganz von dem sie bedeckenden Filzwerk von brau- nen Algen und Diatomeen gesäubert. In der Mitte sitzen nur ganz verein- zelte Trichosphaerien, während sie am Rande dicht gehäuft sind. Ebenso wie bei Calcituba kann man die weitere Ausdehnung der Fralsstellen mit Hülfe des Horizontalmikroskops leicht beobachten; auch die erste Entstehung ist nicht schwer zu eruiren. Wenn ein einzelnes Individuum auf eine un- versehrte Stelle des Diatomeenrasens gesetzt wird, so verzehrt es zuerst seine Unterlage: hierdurch entsteht ein kleines Loch im Algenfilz. In Folge der guten Ernährung nimmt das Thier Sternform an (wie in Fig. 5 oder links unten Fig.6 Taf.U), um sich zur Vieltheilung anzuschicken. Schon hierbei wird die Lücke erweitert. Bei der Trennung der Theilstücke von einander finden sie natürlich gute Nahrung nur noch in radiärer Richtung. Sie theilen sich wieder und erweitern auf diese Weise immer mehr den Kreis. Die Zeit, in welcher ein Kreis, wie er in Fig. 6 Taf. II oben gezeichnet ist, entsteht, beträgt ungefähr zwei bis drei Monate. Nach dieser kleinen biologischen Abschweifung kehren wir zum Thei- lungsprocels zurück. Die vegetativen Thätigkeiten werden bei dieser Art der Fortpflanzung nicht unterbrochen, der Organismus frifst und verdaut ruhig weiter. Auch bei der Untersuchung fixirter und gefärbter Theilungs- stadien ergibt sich, dafs im Innern keine Veränderungen gegenüber dem Ruhezustand eingetreten sind. Die Kerne, die stets in grofser Anzahl vor- handen sind, befinden sich im Ruhezustande. Die Kernvermehrung ist ganz unabhängig von der Vermehrung der Individuen durch Theilung, kurz, die Organismen befinden sich im vegetativen Zustande, weshalb ich diese Art der Schizontenvermehrung gegenüber der Schizogonie als vegetative bezeich- nen möchte. Bei längerem Leben in der Gefangenschaft scheint diese Art der Vermehrung die einzige Art der Fortpflanzung des Trichosphaerium zu " Vielleicht auch bei Trichoplaa: adhaerens. Wie Herr Geh. Rath Prof. Schulze mir mündlich mittheilte, bringt dieser Organisınus ähnliche Frafsstellen hervor. Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Schn. 19 sein. In alten, mehrjährigen Culturen habe ich die Schizogonie und Sporo- gonie nicht beobachtet. Ob diefs eine Folge der langen Inzucht ist, läfst sich schwer sagen. Im freien Meere habe ich übrigens nur selten Stadien der einfachen vegetativen Vermehrung beobachtet, dort fanden sich meistens nur Stadien der Schizogonie und Sporogonie. Vielleicht ist die überaus häufige vegetative Theilung ein durch die reiche Ernährung in der Ge- fangenschaft veranlafster, nicht normaler Vorgang, den man als eine Art von Hyperthrophie bezeichnen kann (vergl. das Schema Taf. ]). Wie erwähnt, sind die Schizonten während ihres vegetativen Lebens stets vielkernig (Fig. ı Taf. IV). Die Vermehrung der Kerne während des Wachsthums der Thiere erfolgt durch Mitose, die später eingehend geschil- dert werden soll. Stets theilen sich alle Kerne gleichzeitig (Fig. 2 Taf. IV), und wird hierdurch die Zahl derselben natürlich mit einem Male verdoppelt. Diefs Verhalten zeigen die Kerne in allen Entwickelungsstadien des Tricho- sphaerium (vergl. das Schema auf Taf. I) und ist die Art der Kerntheilung stets die gleiche. Genauere Angaben über die Kernverhältnisse werden an anderer Stelle gegeben werden. Bevor ich zur Besprechung der Schizogonie übergehe, will ieh noch kurz erwähnen, dafs die Schizonten bei sehr ungünstigen Lebensbedingungen in den Öystenzustand übergehen können. Mit der Fortpflanzung ist dieser Vorgang nicht in Beziehung zu bringen. Ich habe ihn nur selten beobachtet, in Aquarien scheint er überhaupt nicht vorzukommen, nur im Meere fand ich einige Male die Cysten an Stellen, die bei der Ebbe trocken gelegt waren. Bei der Eneystirung werden aus dem Weichkörper alle Fremdkörper heraus- befördert. Das Plasma eontrahirt sich zu einem Klümpchen, das innerhalb der Gallerthülle sich mit einer dünnen Cystenhaut umgibt. Mit der Ver- diehtung des Weichkörpers geht das Auftreten zahlreicher, stark lichtbre- chender Körncehen im Plasma Hand in Hand. Bei der fertigen Cyste er- füllen sie das Plasma vollständig (Fig. 9 Taf. IV). Sie dürften als dotter- artige Reservestoffe gedeutet werden, wie sie sich bei der Eneystirung der Protozoen fast stets finden. Die Kerne sind ebenso wie das Plasma sehr compact und stark färbbar (Fig. 9, 10 Taf.IV). Leider standen mir nur we- nige Cysten zur Verfügung, und konnte ich daher keine ausgedehnteren Be- obachtungen über dieselben machen. Ich brachte zwei Cysten isolirt in eine Krystallisirschale mit reinem Meerwasser. Aus der einen hatte sich nach fünf Tagen ein gewöhnlicher, normaler Schizont entwickelt, der die 38 20 F. ScnAupınn: Gallerthülle wieder vollständig ausfüllte. Statt der sonst reichlich vorhan- denen Inhaltsgebilde des Weichkörpers war derselbe mit grolsen Flüssig- keitsvacuolen durchsetzt. Die andere Cyste entwickelte sich nicht, sondern gieng schliefslich zu Grunde. Meine Versuche, durch Verdunstenlassen des Meerwassers die Trichosphaerien in den Aquarien zur Eneystirung zu zwin- gen, gelangen nicht. Die Thiere vertragen eine aulserordentliche Steige- rung des Salzgehaltes; selbst wenn bis zu einem Viertel die Flüssigkeit in den Culturgefäfsen verdunstet war, lebten die meisten Individuen noch, beim weiteren Verdunsten giengen aber schliefslich stets alle zu Grunde, anstatt sich zu eneystiren. 2. Die Schizogonie. Gruber (33) beschreibt am. Schlusse seiner Trichosphaerium-Arbeit einen Rhizopoden, der in allen Punkten mit Tricho- sphaerium übereinstimmt; nur der Umstand, dafs die Stäbehen auf der Hülle fehlen, läfst ihn von diesem unterscheiden. Er fand diesen Organismus in seinen Aquarien mit den gewöhnlichen Trichosphaerien vermischt vor und sprach bereits die Vermuthung aus, dafs es nur ein anderer Zustand von Trichosphaerium wäre. Auch in meinen Culturgläsern fanden sich stets stäbchenlose Indivi- duen in beträchtlicher Anzahl neben den stäbchenführenden vor. Bald über- wog die eine, bald die andere Art an Zahl. Um nun den Zusammenhang der beiden Formen kennen zu lernen, fieng ich zuerst die stäbchenbesetzten Individuen in grofsen Mengen aus den Aquarien heraus und isolirte sie in einer an Nahrung reichen Glasschale; schon nach zwei Wochen konnte ich _ die nackten Formen auftreten sehen. Um die Thiere unter den Augen zu behalten, isolirte ich wenige stäbehenführende in einem gut mit Diatomeen besetzten Mikro- Aquarium und controlirte nun die an Zahl bekannten Indi- viduen täglich. Da fand ich eines Tages zu meiner grofsen Überraschung an der Stelle, wo Tags zuvor ein Individuum noch gesessen hatte, einen grolsen Haufen winziger, kugeliger Amoeben, die zum Theil schon Pseudo- podien ausstreckten, die vollständig den Charakter der Trichosphaerium- Scheinfülschen besafsen. Nach kurzer Zeit konnte man auch auf der Ober- fläche des Weichkörpers eine feine Hülle unterscheiden, kurz, es war klar, dafs es die jüngsten Stadien der stäbehenlosen Form waren. Lange Zeit habe ich mich aber vergeblich bemüht, die Schizogonie direet zu beob- achten, bis ich auf den Gedanken kam, die Thiere auch Nachts zu unter- suchen. Und in der That stellte es sich heraus, dafs diese Art der Fort- Ar Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Schn. 21 pflanzung, wie die Vermehrung verschiedener anderer von mir untersuchter Protozoen, nur während der Nacht stattfindet. Seit dieser Entdeckung habe ich dann den ganzen Theilungsvorgang wiederholt beobachten können. Er begann gewöhnlich erst gegen Mitternacht, bisweilen noch später; vom Eintritt der Dunkelheit bis zu dieser Zeit finden die Vorbereitungen zur Theilung statt. Die letzteren bestehen in einer Reinigung des Plasmas von allen Fremdkörpern. Kernveränderungen finden nicht statt; das Plasma selbst wird gröber vacuolisirt, als während des vegetativen Zustands. Das vielkernige Individuum zerfällt in so viele kugelige Theilstücke, als Kerne vorhanden sind; jedes Tochterthier ist also einkernig, wie man auf dem in Fig.9 Taf.II gezeichneten Schnitt dureh einen in Schizogonie begriffenen Schizonten erkennt. Der Vorgang erinnert sehr an die sogenannte Em- bryonenbildung, welche ich (1893 u.s.w.) bei Foraminiferen beobachtet habe, doch ist es schwierig, den Beginn der Theilung, die aufserordent- lich langsam vor sich geht, zu beschreiben. Der Procefs spielt sich nicht etwa nach Art der Furchung ab, indem der Weichkörper erst in zwei, dann in vier u. s. w. Theilstücke zerfällt. Ganz unmerklich wird der Weich- körper unter der Gallerthülle buckelig und höckerig. Die letztere wird offen- bar am Ende des vegetativen Lebens zäher und folgt nicht mehr den Ge- staltveränderungen des Plasmas. Die einzelnen Plasmabuckel erheben sich immer mehr, und schliefslich löst sich bald hier, bald da einer von dem benachbarten als Kugel ab, bis der ganze Inhalt der Hülle in die kugeligen Sporogone aufgetheilt ist: ein Rest bleibt nicht übrig. Ebenso langsam, wie sich der Weichkörper gespalten hat, trennen sich auch die jungen Spröfslinge von einander. Fig.7 und 8 Taf. II stellen zwei ohne weiteres verständliche Stadien der Auswanderung der Sporogone dar. Die Gallerthülle der Mutter wird hierbei vollständig zerstört, weil sie nach allen Richtungen zugleich aus einander gehen; die Stäbchen der Hülle werden, zu kleineren und gröfseren Packeten verklebt, überall hin verstreut. Die jungen Sporo- gone bilden gleich nach dem Auswandern die charakteristischen, tastenden Pseudopodien und scheiden nach kurzer Zeit eine zarte Gallerthülle ab, die von den Scheinfülschen anfangs einfach durchbrochen wird; erst später beim weiteren Wachsthum werden persistirende Öffnungen in der Hülle differeneirt. Die mehrere Tage einkernigen Sporogone entwickeln sich so- mit zu Sporonten, indem sich der Kern erst in zwei, dann die beiden Tochter- kerne gleichzeitig wieder in je zwei theilen u. s. w. Bei diesen jungen 22 F. ScHhauvınn: Sporonten kann man die Kerne recht gut im Leben erkennen, wie z.B. Fig.ıo Taf. II (ein achtkerniges Individuum) demonstriren kann. Fig.ıı zeigt schon einen fertigen Sporonten mit dunkeln Inhaltsgebilden (Sterko- men). Stäbehenführende Formen bilden also durch Schizogonie die stäbchen- losen, welche ich, solange sie noch einkernig sind, Sporogone, vom Mo- ment der Kernvermehrung ab Sporonten genannt habe. 3. Die Sporonten. Bezüglich dieser Formen kann ich mich kurz fassen. In der Ernährung, Bewegung und den Kernverhältnissen stimmen sie vollkommen mit den Schizonten überein. In derselben Weise kann auch hier während der vegetativen Periode durch Einschiebung der reproduetiven Thätigkeit die Zahl der Individuen vermehrt werden. Die Zwei- und Viel- theilung dieser vegetativen Vermehrung unterscheidet sich nicht von den vorher geschilderten Vorgängen bei der entsprechenden » Vervielfältigung« der Schizonten. Wie wir bei den Schizonten gesehen haben, können die- selben sich encystiren. Bei den Sporonten habe ich diefs nie gefunden. Dafür besitzen sie aber eine andere Fähigkeit, welche die Schizonten nicht aufweisen, sie können sich nämlich zu grofsen Verschmelzungsproducten plastogamisch vereinigen. Bis zu zehn Individuen habe ich so vereinigt ge- sehen, und können diese Synceytien eine Ausdehnung von 4°” erreichen. Fig.2 Taf. III zeigt eine solche Gruppe plastogamisch verbundener Indi- viduen; bei einigen derselben sind die trennenden Gallerthüllen noch er- halten, bei anderen communieirt schon das Plasma mit dem des benach- barten, nachdem die Gallerthülle an der Berührungsstelle gelöst ist; unten links macht sich zwischen zwei T'hieren noch eine feine Grenzlinie bemerk- bar, während die Hülle bereits verschwunden ist. Das Plasma bleibt inner- halb der Syneytien individuell gesondert und wird nicht durch Strömungen in dem Verbande durch einander gerührt. Hiervon kann man sich leicht dureh die Conservirung und Färbung der Thiere überzeugen. Man bemerkt dann, dafs die äufserlich nicht mehr zu sondernden Individuen durch ihre Kernverhältnisse scharf zu trennen sind. In einem Individuum sind stets alle Kerne im gleichen Stadium, und kann man durch Auffindung verschie- dener Stadien die Grenze zwischen zwei Individuen recht scharf ziehen, besonders leicht, wenn eines der verschmolzenen Thiere in Kernvermehrung begriffen ist, während das benachbarte ruhende Kerne besitzt, wie Fig. 2 Taf.V es ohne weiteres zeigt. In dem unteren Individuum sind alle Kerne im Stadium der Aequatorialplatte. 2 Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Schn. 23 4. Die Sporogonie. Die Beobachtung der Sporenbildung bot nach meinen Erfahrungen an Hyalopus und den Foraminiferen keine grofsen Schwierigkeiten, am leichtesten und häufigsten habe ich sie im Mikro-Aqua- rium beobachten können, sie findet in beliebiger Tages- oder Nachtzeit im Gegensatz zur Schizogonie statt. Die ersten Anzeichen, dafs ein Sporont sich zur Sporenbildung anschickt, äufsern sich in der Einziehung der Pseu- dopodien und in einer Reinigung des Plasmas von allen Fremdkörpern. Während dieses Processes wird der Weichkörper allmählich immer gröber vacuolisirt und treten in ihm kleine, stark lichtbrechende Körnchen in grolser Menge auf. Auf diesem Stadium befindet sich der in Fig. 3 Taf. II abgebildete Sporont. Durch Conservirung solcher Stadien überzeugt man sich, dafs eine lebhafte Vermehrung der Kerne stattfindet, die hierbei im- mer kleiner werden (Fig. 3 Taf.V) und schliefslich in ungemein grolser Zahl den Weichkörper erfüllen. Wie Fig.4 Taf.V, welche ein Individuum un- mittelbar vor der Sporulation zeigt. lehrt, sind die Kerne in einschichti- ger Lage um die einzelnen Vaeuolen radiär angeordnet, ein aufserordent- lich merkwürdiges Bild für ein Protozoon, es erinnert lebhaft an manche Metazoengewebe. Der ganze Weichkörper zerfällt nun in zahlreiche grölsere Kugeln, die dann erst in die Sporen sich auflösen (Fig. 4 Taf. III), welche, mit zwei Geilseln versehen, lebhafte drehende und kugelnde, ziemlich un- geschickte Bewegungen ausführen und schliefslich nach Durchbruch der Gallerthülle ausschwärmen (Fig. 5 Taf. II). Wie die genauere Untersuchung lehrt, sind die kugeligen Körper, in welche der Weichkörper zunächst zer- fällt, blastulaähnliche Hohlkugeln (Fig. 5 Taf. V). Die Entstehung der Ku- geln aus dem in Fig.4 Taf.V gezeichneten Stadium ist ohne weiteres ver- ständlich. Die Geifseln der Sporen werden innerhalb der Hohlkugeln gebildet (Fig.5 Taf.V); durch’ihre lebhaften Bewegungen werden die ein- zelnen die Wand bildenden Sporogone schliefslich aus einander getrieben. Die fertigen Schwärmsporen (Fig.6 Taf. II und Taf.V) besitzen kugelige oder ovale Gestalt und sind ziemlich grofs (bis Su Durchmesser). Das ziemlich stark lichtbrechende Plasma enthält den Kern, eine Anzahl glän- zender Körnchen und stets eine grölsere Vacuole, an der aber keine Pul- sationen wahrzunehmen sind. An dem bei der Bewegung nach hinten ge- richteten Ende, das häufig in eine kleine Spitze ausgezogen ist, befinden sich zwei gleich lange Geilseln. Die ganze Gestalt und auch der Bau der Spore erinnert sehr an die Schwärmer, welche ich bei Hyalopus beobachtet habe. DA F. Seuaupvınn: Die Schwärmsporen verschiedener Sporonten zeigten niemals besondere Verschiedenheit in der Gröfse oder im Bau der Kerne, es werden bei Tricho- sphaerium nur Isosporen gebildet. Die Sporen, die nieht zur Copulation ge- langen, gehen bald zu Grunde, was meistens der Fall ist, weil niemals die aus demselben Individuum stammenden Sporen copuliren und man zwei gleichzeitig sporulirende Sporonten selten dicht neben einander findet. 5. Die Gopulation. Dafs die Schizonten aus den Sporen entstün- den, war mir schon am Anfang meiner hierauf bezüglichen Beobachtungen wahrscheinlich, weil ich junge Schizonten auf der Deckglas-Sporenfalle, die ich früher (S. 9) beschrieben habe, fand. Doch gelang es mir nur durch einen glücklichen Zufall, die zwischen diesen beiden Stadien sich ab- spielenden Vorgänge kennen zu lernen, In- einem meiner Culturgefälse befanden sich zahlreiche grolse Sipho- neen. Mit Vorliebe frafsen sich die Trichosphaerien in das Innere dieser Pflanzenschläuche hinein und vermehrten sich sehr lebhaft unter den gün- stigsten Lebensbedingungen, so dafs sie zu einer epidemischen Krankheit wurden, an der die Siphoneen schliefslich sämmtlich zu Grunde giengen. Für die Beobachtung waren diese mit Trichosphaerien erfüllten Algenschläuche sehr günstige Objecte, gewissermalsen natürliche Mikro-Aquarien. Durch Zufall fanden sich nun in einem dieser Schläuche, gerade wäh- rend der Untersuchung, zwei dicht bei einander liegende Sporonten zu- gleich in den Vorbereitungsstadien zur Sporogonie, und konnte ich bei den- selben sehr leicht die Copulation der Schwärmer und die Weiterentwicke- lung der Copulae direet verfolgen. Diefs gelang mir auf ähnliche Weise noch öfters, und konnte ich auch die einzelnen Stadien conserviren. Der ganze Procels von dem Beginn der Verschmelzung bis zur vollendeten Ka- ryogamie dauert ungefähr sechs Stunden. Nach weiteren zwölf Stunden beginnt bereits die Ausbildung der Schizontenhülle. ‚Fig. 7-12 Taf. III zeigt die Stadien der Copulation nach dem Leben, Fig. 7-9 Taf.V nach Praeparaten. Die Schwärmsporen verschmelzen mit den Vorderenden, wobei diesel- ben bei Annäherung der beiden Schwärmer häufig in Spitzen ausgezogen sind (Fig. 7 Taf. Il und V). Interessant zu beobachten ist es häufig, dafs die Sporen vor dem Verschmelzen gewissermafsen mit einander zu spielen scheinen; sie nähern sich, stofsen an einander, stofsen sich wieder ab. drehen sich mehrmals um einander, um dann erst zusammenzukleben. In \ 5 [>11 Generationswechsel:von Trichosphaerium sieboldi Schn. 2 anderen Fällen konnte ich allerdings auch beobachten, dafs zwei Sporen von entgegengesetzten Seiten mit beschleunigter Geschwindigkeit direet auf einander zu kugelten und sofort verklebt waren. Nachdem die vereinigten Sporen kurze Zeit ungeschickt umhergerollt sind, werden die schlängeln- den Bewegungen ihrer Geifseln langsamer, bis dieselben plötzlich abge- brochen werden; fast gleichzeitig lösen sich alle vier Geilseln von der Co- pula, führen noch einige Bewegungen aus und zerfallen dann in eine Körnchenreihe. In der Copula sind die Kerne auch im Leben recht gut zu erkennen. Dieselben nähern sich beim weiteren Fortschreiten der Ver- schmelzung, legen sich schliefslich an einander und verschmelzen vollstän- dig (Fig. 10-12 Taf. III, Fig. 35-9 Taf.V). Irgend eine Andeutung, dafs auf diesen Stadien eine Reduction des CGhromatins durch Ausstolsung von Re- duetionskörpern, wie bei den Heliozoen, stattfindet, konnte ich nicht be- merken. Da man die Kerne sehr deutlich auch am lebenden Thier sieht, kann nicht gut ein derartiger Vorgang der Beobachtung entgangen sein, Obwohl ich selbst davon überzeugt bin, dafs auf irgend einem Stadium der Entwickelung eine Chromatinreduction stattfinden wird, konnte ich lei- der trotz sorgfältiger Untersuchung niemals auch nur irgend eine Kernver- änderung entdecken, welche eine Andeutung für eine Reduetionstheilung des Kerns bieten konnte. Der Durchmesser der Copula wird durch Auf- nahme von Flüssigkeit sehr vergrölsert (Fig. 9-12). Die Weiterentwickelung der Gopula zum ausgebildeten Schizonten ist nun sehr einfach. Die Kernvermehrung findet in derselben Weise wie bei den jungen Sporonten statt (Fig. 10,ıı Taf.V). Die anfangs durchsichtige Gallerthülle wird schnell trübe und erscheint bei auffallendem Licht weils- lich. Es treten in ihr zahlreiche glänzende Körnchen auf (Fig. 14 Taf. III, die sich in radiären Reihen anordnen (Fig. ı5 Taf. II) und beim Dicker- werden der Gallerthülle zu den typischen Hüllstäbehen der Schizonten ver- schmelzen. Hiermit sind wir beim Ausgangspunkt unserer Betrachtungen angelangt und ist der Zeugungskreis geschlossen. An Stelle einer Zusam- menfassung desselben in wenige Worte, kann ein Blick auf Tafel I densel- ben besser recapituliren. — Im Vorhergehenden sind die Organisations- eigenthümlichkeiten unseres Rhizopoden nur beiläufig erwähnt, soweit sie für die Entwickelung charakteristisch waren, im Folgenden sollen diesel- ben eingehender besprochen werden. Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. 1. 1 26 } F. ScHuauvınns: Der feinere Bau von Trichosphaerüum. I. Die Hülle. Während des grölsten Theiles seines Lebens ist Trichosphaerium, wie wir gesehen haben, mit einer Hülle allseitig umgeben. Die Verschieden- heiten,. welehe dieselbe in den einzelnen Entwickelungsstadien aufweist, sind bereits bei Schilderung des Zeugungskreises besprochen worden. Der auffallendste Unterschied zeigte sich bei den Schizonten und Sporonten. Wäh- rend bei letzteren die Hülle eine einfache, doppeltconturirte Gallertschieht darstellt, sind bei ersteren der Oberfläche der Gallerte zahlreiche Stäbchen einer andersartigen Substanz eingepflanzt. Sieht man von den letzteren ab, so zeigen sich bezüglich der Natur der gallertigen Hüllschicht keine Unter- schiede bei den Sporonten und Schizonten: sie kann daher hier für beide Stadien gemeinsam besprochen werden, während die Stäbchen in einem be- sonderen Abschnitt eingehend geschildert werden sollen. An unversehrten Thieren beobachtet man, dafs die Hülle überall dem Weichkörper dicht aufliegt und bei seinen Bewegungen folgt. Alle Buckel und Falten markiren sich auch an der Hülle; hieraus folgt, dafs dieselbe nicht fest sein kann, sondern weich und biegsam, was auch daraus her- vorgeht, dafs dieselbe bei der Theilung der Thiere mit durchgeschnürt wird und dafs bei der Nahrungsaufnahme die Nährsubstrate durch die Hülle hin- durchpassiren, ohne dafs sie an der betreffenden Stelle eine besondere prae- formirte Öffnung aufweist. Sie besitzt demnach gallertige Consistenz, wie diefs ja von den Hüllbildungen verschiedener Rhizopoden bereits bekannt ist. So will ich nur erwähnen, dafs nach Greeff bei Amphizonella die Hülle von den austretenden Pseudopodien an beliebiger Stelle durchbrochen wird, was ich (93) auch bei der Foraminifere Mywotheca eonstatiren konnte. Dafs die Hüllschicht von Trichosphaerium nicht etwa blofs einen Theil des Plasmas darstellt, wie Gruber (83) anzunehmen scheint, sondern eine besondere Differenzirung ist, kann man leicht nachweisen. Wenn man näm- Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Schn. 27 lich ein Trichosphaerium (Schizont oder Sporont) mit Säure (Salzsäure, Chrom- säure oder Essigsäure) behandelt, so quillt das Protoplasma stark. Die Sub- stanzen desselben, die eoagulirt werden oder unverändert bleiben, rücken nach dem Centrum der Zelle, während die gelösten als breite Flüssigkeits- schicht sich im peripheren Theil derselben ansammeln. Die Hülle hingegen bleibt als deutlich doppelteonturirte Membran auf der Oberfläche erhalten und legt sich, wenn die Flüssigkeit aus der Zelle allmählich diffundirt, in zahlreiche Falten. Im Leben erscheint die Hülle sehr schwach liehtbrechend, und ist es daher bisweilen nicht ganz leicht, ihre Conturen auf der Aufsenseite zu ver- folgen. Sehr deutlich tritt sie aber nach der Fixirung der Thiere hervor. Sie ist meist ganz farblos und wasserhell, und läfst sich eine feinere Struc- tur an ihr nieht nachweisen. Eine concentrische Schiehtung, wie ich (93) sie bei der Gallerthülle der Myxotheca bisweilen beobachtete, konnte ich nie bei Trichosphaerium finden. — Die Dicke der Hülle ist sehr verschieden, doch ist sie im allgemeinen bei den Sporonten dünner als bei den Schi- zonten, obwohl es auch hiervon Ausnahmen gibt. — Wenn man bei den Sehizonten an gehärteten Exemplaren die Stäbehen mit Säure entfernt, so bleibt die Gallerthülle als schwach lichtbrechende Membran zurück; wäh- rend ihre Conturen nach dem Weiehkörper zu glatt sind, erscheint die äulsere Oberfläche wie mit Fransen besetzt. Diefs rührt daher, dafs die Stäbehen mit ihren Enden eine Strecke weit in die Gallerte eingesenkt sind; war nun die letztere gehärtet. und wurden dann die Stäbchen entfernt, so bleiben die diekeren Gallertmassen, die sich zwischen den Stäbchen befan- den, als Pfeiler oder regelmäfsige Fortsätze zurück, während die dünneren Partien bei der Auflösung der Stäbehen zu Grunde gehen (Fig. 2, 3 Taf. IV). Davon, dafs die Stäbchen nicht der äufseren Oberfläche der Hülle aufsitzen, sondern in dieselbe eingesenkt sind, überzeugt man sich auch leicht an Sehnitten. Doch zeigt es sich dann auch, wie aufserordentlich variabel nieht nur die Dicke der Gallertschieht, sondern auch der Grad der Ein- senkung der Stäbehen ist. Im allgemeinen scheinen nach zahlreichen Messungen die Stäbchen bei diekeren Hüllen tiefer eingesenkt zu sein als bei dünnen. Die diekste Hülle, welche ich bei Schizonten beobachtet habe, mals 23 4, bei Sporonten nur 164; die dünnste bei Schizonten 4 u, bei Sporonten 1-24. Zwischen diesen Extremen finden sich alle Übergänge. Natürlich 4* 28 F. Scuaupvınn: handelt es sich hierbei immer nur um ausgebildete vegetative Stadien, nicht um Entwickelungszustände. Das Verhalten der Gallerthülle gegen Farbstoffe ist sehr verschieden. Am stärksten läfst sie sich mit Eosin tingiren. Bei Doppelfärbung mit Eosin-Haematoxylin erscheint sie meist lebhaft roth. Gegen Haematoxylin allein verhalten sich die Hüllen sehr verschieden, doch sind dieselben bei jüngeren Individuen leichter zu färben als bei alten. Aufserdem scheint auch ein Unterschied nach dem Grad der Dicke vorzuliegen; nämlich dickere Hüllen sind im allgemeinen leichter färbbar als dünne, was vielleicht ebenso wie bei den jungen Individuen durch einen gröfseren Gehalt an protoplas- matischen Stoffen bedingt ist. Frisch vom Plasma gebildete Hüllen sind noch sueeulenter und reicher an färbbaren Eiweifsstoffen als alte, und da die diekeren Hüllen im Alter dünner werden, wie bereits früher er- wähnt wurde, scheint sich hieraus die stärkere Färbbarkeit der ersteren zu erklären. Behandelt man die Thiere nach Vorfärbung mit Haematoxylin mit Pikrinsäure, so färbt sich die Hülle stark gelb, während das Plasma den blauen Ton beibehält; ebenso wird mit Pikrokarmin die Gallerte gelblich tingirt. | Im Biondi’schen Gemisch wird die Hülle bläulichgrün (Methylgrün), während das Plasma roth gefärbt erscheint. Bei meiner Doppelfärbung (Methylenblau-Brasilin) wird das Plasma roth, die Hülle blau. Mit Orcein, einem in der pathologischen Histologie gebräuchlichen Farbstoff, der als Reagens für gallertige Colloidsubstanzen angewandt wird, blieb die Hülle meist ganz farblos. Über die chemische Natur der Gallerthülle kann ich nur wenige Mit- theilungen machen, und zeigt sich hierbei auch eine gewisse Variabilität, die wahrscheinlich dadurch bedingt ist, dafs die Hülle in verschiedenen Stadien verschieden reich an protoplasmatischen Bestandtheilen ist. Im allgemeinen sind junge und eben abgeschiedene Hüllen noch leichter lösbar in Säuren und Alkalien als alte. Die nachfolgenden Angaben gelten daher nur für vollkommen ausgebildete Hüllen erwachsener Individuen. In schwacher oder concentrirter Essigsäure bemerkt man keine Veränderung der Hülle. (Nur die jungen Hüllen der Schizogone und Sporogone quellen stark und lösen sich dann auf.) Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Schn. 29 In kalter, concentrirter H,SO, löst sich die Hülle erst nach mehreren Stun- den, etwas schneller, wenn die Säure sich in Paraffinofenwärme befindet, Schnell erfolgt die Auflösung in kochender Schwefel- sowie Salzsäure. Stark verdünnte Kalilauge macht keine merkbare Veränderung an der Hülle. Erst in stark concentrirter Kalilauge wurde dieselbe allmählich ge- löst, in der Wärme schneller. Durch die Löslichkeit in KHO unterscheidet sich die Gallerthülle von Trichosphaerium von der, welche ich (93) bei Myxo- theca beschrieben habe. Es scheint demnach nicht eine chitinähnliche, son- dern eine dem Hornstoff nahestehende Substanz zu sein, welche die gal- lertige Hüllschicht von Trichosphaerium bildet. Und jedenfalls ist dieselbe reichlich mit Eiweilsstoffen durchtränkt, worauf aufser ihrer weichen Con- sistenz auch das Verhalten gegen Farbstoffe hinweist. a. Die Pseudopodienöffnungen der Hülle. Schneider (78) und Gruber (83) haben schon erkannt, dafs die Hüllen von Trichosphaerium persistente Öffnungen für den Durchtritt der Pseudo- podien besitzen, doch haben sie dieselben nicht eingehender untersucht. Die beste Schilderung derselben gibt von den bisherigen Beobachtern des Trichosphaerium Möbius (89). »Die Hautschicht .. (unsere Hülle) .. zeigt doppelte Begrenzung und sendet röhrenförmige Fortsätze nach aufsen, wel- che sieh mitten in ihrer Länge so verengen, dafs sie sowohl innen wie aufsen triehterförmig erweitert erscheinen. Die Verengung erscheint als ein kleiner Porus in der Mitte des gröfseren, wenn man die Hülle von oben betrachtet. « Wenn man zahlreiche verschiedene Individuen von Trichosphaerium un- tersucht, überzeugt man sich bald, dafs die Pseudopodienöffnungen ebenso variable Bildungen sind, wie’ die Hülle selbst. Im einfachsten Fall sind es nur kreisrunde Durchbrechungen der Hülle ohne besondere Differenzirung. Bei ganz jungen Schizonten und Sporonten, deren Gallerthülle eben erst abgeschieden ist, konnte ich überhaupt keine persistirenden Öffnungen beobachten, vielmehr durchbrachen die Pseudopo- dien einfach die Hülle, die sich, wenn die ersteren zurückgezogen wurden, wieder schlofs. Beim weiteren Wachsthum werden dann besonders differenzirte Mün- dungen gebildet, indem sich der Rand der Poren verdickt. Die Substanz der Hülle nimmt hier eine andere Beschaffenheit an, indem sie stärker liclt- »0 F. ScHAUDINN: brechend wird und meist etwas gelbliche Färbung erhält. Ein soleher Porus mit einfacher Randverdickung ist in Fig..4 Taf. IV abgebildet. Bei der Be- trachtung von oben erscheint er als stark lichtbrechender Ring (Fig.5 Taf. IV), der die Öffnung umschliefst. Eine weitere Differenzirung besteht darin, dafs die verdickten Ränder zitzenartig vorgezogen werden. Auf diesem Sta- dium bleiben die Mündungen fast stets bei den Sporonten (vergl die Figuren der TafelII), während sie bei den Schizonten häufig eine noch weitere Com- plication durch Ausstülpung des Mündungsrandes erreichen. Aufserdem weichen bei dieser Generation die Öffnungen dadurch ab, dafs ihre Ränder aus einer anderen Substanz gebildet sind, welche sich mit Haematoxylin stark färbt. Besser als eine lange Beschreibung kann ein Blick auf Fig. 6 Taf.IV die Beschaffenheit dieser Poren erläutern. Dieselbe stellt einen Längs- schnitt durch eine Schizontenmündung dar. Die mit Haematoxylin färb- bare Substanz ist stets scharf gegen die ungefärbte abgesetzt. Häufig sind die verdickten, vorgestülpten Ränder auf ihrer äufseren Oberfläche mit regelmäfsigen Falten oder besser Einziehungen versehen, wie Fig.7 Taf.IV es zeigt. Bei der Betrachtung von der Oberfläche erscheint eine solehe Mündung von stark gefärbten concentrischen Ringen umgeben (Fig. 8). Wenn die Pseudopodien nicht ausgestreckt sind, liegen die Mün- dungsränder stets dicht an einander, und kann man beobachten, dafs, wenn die ausgestreckten Pseudopodien eingezogen werden, die vorher klaffende Mündung sich sofort schliefst. Diese Beobachtungen machen es wahrschein- lich, dafs die starke Verdickung und Differenzirung der Mündungsränder im wesentlichen dazu dient, einen elastischen, automatisch wirkenden Ver- schlufsapparat herzustellen, welcher die Mündung nach Rückflufs des Pseu- dopodienplasmas sofort verschliefst. — Einen ähnlichen Mündungsapparat habe ich bisher bei Rhizopoden noch nicht beschrieben gefunden. Eine besondere Differenzirung der Mündung hat aber Bütschli (92) auch bei Hya- lopus beobachtet, und kann ich seine Angaben vollkommen bestätigen. Er sagt: »Bei dieser Form nimmt die Mündungsregion eine etwas verschiedene Be- schaffenheit an, je nachdem das Plasma reichlich aus der Mündung her- vortritt oder sich ganz in die Schale zurückgezogen hat. Im ersteren Fall springt sie zitzenartig vor, im anderen hingegen, wo auch die’ Mündung gewöhnlich sehr verengt bis nahezu geschlossen erscheint, ist der zitzen- artige Vorsprung ganz niedrig und abgeflacht. Die ziemlich dicke Schalen- haut erscheint auf dem optischen Längsschnitt fein radiär gestreift. Am Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Schn. 31 vorderen Pol, gegen die Mündung zu, wird sie allmählich stärker, um an der Mündung selbst eine beträchtliche Dicke zu erreichen. Bis in eine ge- wisse Entfernung von der Mündung bewahrt die Schale die radiär gestreifte Beschaffenheit auf dem Durchschnitt. Der dickste Theil ihrer Mündungs- partie ist dagegen anders beschaffen; er erscheint auf dem Durchschnitt fein granulirt und setzt sich mit scharfer, meist etwas geschwungener Linie gegen den angrenzenden gestreiften Theil ab.« Diese Differenzirung ist. mit der blau färbbaren Partie im Mündungsrand des Trichosphaerium zu vergleichen. In ähnlicher Weise wie hier, wird auch bei Hyalopus die Mün- dungszitze von dem granulirten Theil und dem anschliefsenden dicken, ge- streiften Theil der Schale gebildet, welche beim Andrängen des Plasmas und bei der Erweiterung der Mündung emporgehoben und aus einander ge- trieben werden. Diese besondere Beschaffenheit der Mündung scheint auch nach Bütschli (92) hauptsächlich zum selbstthätigen Verschlufs der Mün- dung nach dem Einziehen der Pseudopodien zu dienen. — Schon an an- derer Stelle habe ich erwähnt, da(s Nahrungsmittel nicht durch die Pseu- dopodienöffnungen, sondern durch die Hülle hindurch aufgenommen wer- den. Die besondere, hier geschilderte Beschaffenheit dieser Billungen macht diefs ohne weiteres verständlich. b. Die Stäbehen der Hülle bei den Schizonten. Das Hauptmerkmal der Schizonten ist der Besitz von kleinen Stäb- chen oder Borsten auf der Oberfläche der Gallerthülle. Sie verleihen den Thieren bei durehfallendem Licht ein sehr dunkles Aussehen, während bei auffallendem Licht die Organismen weifs erscheinen und daher auch mit blofsem Auge leicht von den Sporonten zu unterscheiden sind. Dafs die Stäbehen nicht der Oberfläche des Plasmas direet eingepflanzt sind, sondern einer besonderen Hüllschicht, einer »Haut«, aufsitzen, hatte schon Sehneider (78) erkannt, und alle bisherigen Beobachter haben diefs bestätigt. In welcher Art sie aber dort befestigt sind, hat bisher Keiner eruirt. Schneider hielt sie, wenn ich seine Angaben richtig verstehe, wohl für direete Fortsätze der »Haut« und nannte sie Borsten. Dafls diese Bildungen nicht etwa vom Thier angesammelte und zu- sammengefügte Fremdkörper, sondern vom Weichkörper produeirt sind, haben alle Beobachter übereinstimmend angenommen. 32 . FE. ScuAaupınn: Bei unversehrten, vollständig ausgebildeten Individuen stehen die Stäb- chen dicht neben einander, ungefähr senkrecht zur Oberfläche. Bei mittlerer Vergröfserung erscheinen sie alle gerade, annähernd gleich lang und dick. Verwendet man starke Vergrölserungen, so zeigt es sich aber, dafs sie etwas variabel sind. Nicht nur bei verschiedenen, sondern auch bei demselben Individuum ist ihre Länge und Dieke nicht constant, so dafs sich ein be- stimmtes Mafs für dieselben schwer angeben läfst. Die gröfsten, welche ich überhaupt beobachtet habe, besafsen bei einer Länge von etwa 204 eine Dicke von 34; die kleinsten waren etwa 6u lang und ıu diek. Ihre Oberfläche ist in den meisten Fällen glatt, und erscheinen ihre Conturen dann parallel; bisweilen sind sie aber auch mit kleinen Höckern und Aus- buchtungen versehen, und ihre Hauptaxe ist nicht immer gerade, sondern in einzelnen Fällen unregelmäfsig nach verschiedenen Riehtungen gekrümmt; selbst hakenförmig gebogene habe ich gefunden. An isolirten Stäbchen be- merkt man, dafs die Enden oft abgerundet, bisweilen aber auch zugespitzt oder andererseits etwas knopfartig verdiekt sind. Im Querschnitt erscheinen sie meistens drehrund, aber auch elliptische und ganz unregelmälsig. ge- staltete Durchschnitte kommen vor. Möbius (89) gibt bei seiner Form an, dafs die Stäbchen Nebenaxen von ungleicher Länge besitzen, es sind Prismen mit scharfen Kanten. Derartige Stäbchen habe ich in seltenen Fällen auch gefunden. Bei Anwendung stärkster Vergröfserungen erscheinen manche vollkommen structurlos, bei den meisten erkennt man aber eine deutliche Querstreifung und bisweilen sogar eine Gliederung in kleine, etwas abgerundete Segmente (Fig. ıı Taf. 4). Optisches Verhalten: Bei durchfallendem Licht erscheinen die Stäb- chen bei schwächerer Vergröfserung farblos, mit starken Systemen macht sich ein schwacher, grüngelblicher Schimmer bemerkbar. Sie sind sehr scharf und dunkel eonturirt. Bei auffallendem Licht glänzen sie stark und sind opak. Ihr Liehtbreehungsvermögen ist sehr bedeutend; in Canadabalsam sind sie deutlich erkennbar und scharf conturirt. Ihr Brechungsindex mufs demnach mehr als 1.535 betragen. Was sie besonders charakterisirt, ist der Umstand, dafs sie im polarisirten Licht deutlich doppeltbrechend er- scheinen. Chemische Natur. Die bisherigen Angaben über die chemische Natur der Trichosphaerium-Stäbcehen sind nur sehr unvollständig. Schneider (78) gibt an, dals sie in Kalilauge unverändert bleiben, aber in Essigsäure Generationswechsel von Trichosphaerium_ sieboldi Schn. 33 und Salzsäure selbst bei starker Verdünnung ohne Gasentwickelung löslich sind. Gruber (83) fügt diesen Angaben hinzu, dafs sie auch in Chromsäure sich lösen, hingegen in Überosmiumsäure vollkommen unverändert bleiben. Möbius (89) gibt bei seiner Form an, dafs sich die Stäbehen mit Jod nicht färben, in Osmiumsäure aber bräunen; in ıo procentiger Essigsäure wur- den die Kanten derselben undeutlich, und es blieben blasse Fasern zurück. Hieraus und aus der Bräunung mittels Osmiumsäure schliefst dieser For- scher, dafs sie aus organischer Substanz bestehen. ı. Verhalten bei Glühhitze. In der Glühhitze bleiben die Stäbehen von Tri- chosphaerium unverändert. Zu Anfang setzte ich die Triehosphaerien, welche vorher mit absolutem Alkohol getödtet und getrocknet waren, auf einem Deck- glase der Glühhitze über einem Bunsenbrenner aus. Nach kurzer Zeit waren die Stäbehen in das Glas eingeschmolzen und lieferten so geeignete Prae- parate, konnten aber nicht bis zur Weifsgluth erhitzt werden. Um diefs zu erreichen, brachte ich sie auf ein Platinspatel und setzte sie so der Hitze aus, konnte aber keine Veränderung an ihnen wahrnehmen. Bei diesem Verfahren blieben nur die Stäbchen als sichtbarer Rest vom ganzen Orga- nismus übrig, alle organische Substanz war bis auf kleine Aschenreste ver- brannt. Rein organischer Natur, wie Möbius annimmt, konnten hiernach bei meiner Form die Stäbehen nicht sein. 2. Verhalten zu Lösungsmitteln. Die nachfolgenden Ergebnisse wurden, wo es nicht besonders erwähnt ist, an ganzen Trichosphaerien erhalten, weil die isolirten Stäbehen wegen ihrer Kleinheit die Manipulationen sehr er- schweren. a. Destillirtes Wasser. Bringt man lebende Trichosphaerien in eine Uhr- schale mit ungekochtem destillirten Wasser, so lösen sich die Stäbchen zwar nieht sofort, aber doch in kurzer Zeit (etwa 20-30 Minuten) auf. In lau- warmem Wasser erfolgt die Auflösung noch etwas schneller. Wenn hin- gegen die lebenden Thiere in siedendes Wasser gebracht wurden, konnte ich nach einhalbstündiger Beobachtung noch keine Veränderung der Stäb- chen wahrnehmen; sie waren vielmehr erst nach etwa drei Stunden gelöst. Fixirt man die Triehosphaerien, bevor man sie in das destillirte Wasser bringt, mit absolutem Alkohol, so erfolgt die Lösung der Stäbchen erst nach etwa einer Stunde. Entfernt man aus dem Wasser die Kohlensäure durch Kochen, so werden bei lebend hineingebrachten Thieren die Stäb- chen in etwa zwei Stunden gelöst: bei Individuen, die vorher mit Alko- Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. 1. 5 34 F. ScHuAauviınn: hol absolutus getödtet waren, blieben sie aber fünf Stunden unverändert. Es sei erwähnt, dafs die Trichosphaerien in Uhrschalen mit Überschufs von Wasser behandelt wurden. Isolirte Stäbehen blieben in gekochtem destillirten Wasser unter dem Deckglase mehrere Stunden unverändert. Aus diesen Versuchen folgt, dafs die Stäbchen in reinem destillirten Wasser unlöslich (im üblichen Sinne) sind; fast unlöslich, wenn der Weich- körper vorhanden, aber durch Alkohol oder Hitze coagulirt war, leichter löslich, wenn der Weichkörper erst im Wasser abstarb (wohl in Folge che- mischer Umsetzungen im letzteren) und noch leichter bei Anwesenheit von Kohlensäure. In Meerwasser sind die Stäbchen unlöslich, was daraus hervorgeht, dafs die Hüllen von abgestorbenen Individuen in einem Aquarium nach ı2 Jahren noch ganz unverändert waren. b. Verhalten gegen Säuren. Schwefel-, Salpeter- und Salzsäure, con- centrirte wie verdünnte, lösen die Stäbehen schnell auf, und zwar, wie ich im Gegensatz zu den bisherigen Beobachtern angeben muls, unter Gas- entwickelung. Bringt man ein mit absolutem Alkohol entwässertes Tri- chosphaerium auf einen Objeetträger und fügt, ohne es mit einem Deck- glase zu bedecken, einen Tropfen concentrirter Salzsäure (bez. Schwefel- oder Salpetersäure) hinzu, so sieht man schon mit blolsem Auge grolse Gasblasen von dem Thier zur Oberfläche des Tropfens aufsteigen, so dafs an dem Vorhandensein von Kohlensäure kein Zweifel sein kann. Indessen glaube ich auch die negativen Resultate der früheren Untersucher erklären zu können. Zu diesem Zweck habe ich die Einwirkung der Säuren auf die Stäbchen in verschiedenen Abstufungen der Concentration beobachtet. Bei minimal verdünnter Säure entwickeln sich noch grofse Gasblasen, doch bemerkt man deutlich, dafs dieselben beim Emporsteigen an die Oberfläche sich verkleinern. Bei etwas stärkerer Verdünnung werden zwar auch noch Gasblasen entwickelt, doch sind dieselben viel kleiner und zahlreicher und verschwinden schon beim Aufsteigen, bevor sie die Oberfläche erreichen. Verdünnt man die Säure immer weiter, so bilden sich schliefslieh über- haupt keine Gasblasen, sondern die Stäbchen werden, wie man bisher an- nahm, scheinbar ohne Gasentwickelung gelöst. Ich wiederhole, dafs diese Versuche auf dem offenen Objectträger oder der Uhrschale an entwässerten Triehosphaerien angestellt wurden. Hat man dagegen die Thiere in einen Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Schn. 35 Wassertropfen gebracht und mit einem Deckglase bedeckt und setzt nun vom Rande einen Tropfen concentrirter Säure hinzu, so findet ebenso wenig eine sichtbare Gasentwickelung statt, wie bei Anwendung verdünnter Säure, denn bis die Säure unter dem Deckglas bis an das Object gelangt, ist sie ja bereits stark verdünnt. Hieraus erklären sich die negativen Resultate der Autoren, die ihre Reaetionen unter dem Deckglas gemacht haben. Das verschiedene Verhalten der Stäbehen findet aber seine Erklärung dadurch, dafs die frei werdende Kohlensäure im Wasser gelöst wird. Man muls bier- bei bedenken, dafs jedes Stäbchen von dem benachbarten durch eine Flüs- sigkeitsschieht getrennt ist; wenn nun diese Flüssigkeit wässerig ist, so wird das dureh Auflösung des einzelnen Stäbchens frei werdende mini- male Kohlensäurequantum sofort von dem im Überschusse vorhandenen Wasser resorbirt. Bei Fehlen von Wasser hingegen, bei ceoncentrirter Säure, haben die an den einzelnen Stäbchen entstehenden Gasbläschen Zeit, sich zu gröfseren Blasen zu vereinigen und so dem Auge sichtbar zu werden. Coneentrirte Essigsäure löst die Stäbchen schwer, verdünnte hin- gegen leicht und, wie nach den obigen Auseinandersetzungen erwartet wer- den konnte, ohne sichtbare Gasentwickelung. Wenn ich unter dem Deck- glase Trichosphaerien mit Wasser, dem eine Spur von Essigsäure zugesetzt war, behandelte, so gieng die Lösung der Stäbchen so langsam vor sich, dafs man sie mit starker Vergröfserung genauer verfolgen konnte. Die Stäbehen werden von auflsen her angegriffen, gleichsam abgeschmolzen, ohne dafs sie ihr starkes Liehtbrechungsvermögen vor der vollständigen Auflösung einbüfsten; zuerst bekamen sie in ziemlich regelmäfsigen Ab- ständen ringförmige Einschnürungen und zwar an den durch die früher erwähnten Querstreifen markirten Stellen; dieselben drangen allmählich tiefer vor, bis sie schliefslich durchschnitten, wodurch aus dem Stäbchen eine Reihe runder oder unregelmäfsig gestalteter Körnchen gebildet war, die dann auch aufgelöst wurde, so dafs nichts übrig blieb. Auch bei vor- sichtigster Anwendung der Säuren konnte ich keinen organischen Rest mit Sicherheit nachweisen, obwohl das Vorhandensein einer feinen organischen Basis wegen der Analogie mit den Foraminiferen sehr wahrscheinlich und auch möglich ist. Die Art der Stäbchenauflösung ist besonders interessant, weil sie, wie wir früher gesehen haben, genau in umgekehrter Reihen- folge verläuft, wie ihre Bildung. 5* 36 F. ScuAauvınn: In Osmiumsäure sind die Stäbchen unlöslich. Eine Bräunung bei Behandlung mit diesem Reagens habe ich bei isolirten Stäbchen nicht be- obachtet. c. Alkalien. In Ammoniak sind die Stäbchen nicht löslich; hingegen löst Salmiaklösung dieselben schnell auf. In Kalilauge, concentrirter wie verdünnter, in kaltem wie in kochendem Zustand, sind sie unlöslich. — Alcohol absolutus und Aether haben keine Wirkung auf die Stäbchen, auch Farbstoffe werden nicht angenommen. Nachdem der Nachweis der Kohlensäure gelungen war, lag es nahe, zu prüfen, ob die Stäbchen aus kohlensaurem Kalk bestünden, weil ja diese Substanz bei den Rhizopoden als Hauptbestandtheil der Gehäuse sehr verbreitet ist. Es wurde daher die Probe auf Caleium gemacht. Bei den nachfolgenden Reactionen machte ich stets den Versuch zuerst mit Sub- stanzen von bekannter Zusammensetzung, um daran die Richtigkeit des Verfahrens zu prüfen. Als Probe zur Caleiumreaection bediente ich mich eines kleinen Stück- chens einer Muschelsehale, das kaum Stecknadelkopfgröfse erreichte. Das- selbe wurde in einigen Tropfen sehr verdünnter Essigsäure gelöst (in einer Uhrschale). Hierauf wurde in einem anderen Uhrschälehen eine Lösung von oxalsaurem Ammoniak in Wasser, dem eine Spur von Oxalsäure zugesetzt war, hergestellt. Brachte man nun in diese letztere Lösung einen Tropfen der ersteren, so trat sofort eine für das blofse Auge sichtbare milchige Trü- bung ein. Mit den Trichosphaerien wurde nun ebenso verfahren. Fünfzig grolse Individuen, deren Volumen das des Muschelstückehens weit über- traf, wurden mit absolutem Alkohol fixirt und wiederholt mit gekochtem destillirten Wasser abgespült, um möglichst Salze, die vom Meerwasser den Thieren noch anhaften konnten, zu entfernen. Zur Lösung der Stäbchen benutzte ich einen Tropfen ganz schwacher Essigsäure und sog dieselbe dann mit einer Capillare von den zurückbleibenden Überresten der Weich- körper ab. Zu diesem Tropfen der Trichosphaerium-Lösung fügte ich einen Tropfen oxalsaures Ammoniak mit Oxalsäure (dieselbe Lösung wie vorlin) hinzu. Die Flüssigkeit blieb bei mehrstündiger Beobachtung vollkommen klar, auch bei Zusatz von kohlensaurem Ammonium. Hieraus ergibt sich, dafs Galeium in nachweisbaren Quantitäten in den Stäbchen von Trichosphaerium nicht vorhanden ist. Ich habe die Reaction wie- derholt angestellt bei Trichosphacrien aus den verschiedensten Culturen Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Schn. 87 (aus dem Mittelmeer, Helgoland, Norwegen, Kiel), aber immer mit dem- selben Resultat. Dafs die Stäbchen nicht aus kohlensaurem Kalk bestünden, war mir auch durch eine biologische Beobachtung wahrscheinlich geworden. In einem Glase, das nur grüne Algen, aber sonst keinen Bodensatz enthielt. hatte ich zwei Jahre hindurch zahlreiche Generationen von Caleituba, einer kalkschaligen Foraminifere, gezogen. Wenn die Caleituben fast alle Algen in dem Glase verzehrt und sich dabei so stark vermehrt hatten, dals sie mehrere Millimeter hoch den Boden des Gefälses bedeckten, wurden alle bis auf wenige Exemplare herausgefangen; hierauf vermehrten sich wieder die Algen, die dann wieder von Nachkommen der zurückgebliebenen Fo- raminiferen bevölkert wurden; dieser Wechsel fand in den zwei Jahren neunmal statt. Da nun das Wasser nicht erneuert, sondern das verdunstete nur durch destillirtes ersetzt wurde, fanden die letzten Generationen der Caleituben nicht mehr genügend Kalk im Meerwasser, um daraus ihre Schale aufzubauen. Die Schalen wurden immer kalkärmer und waren schliefslich fast rein chitinös. In dieses Glas wurden nun einige Trichosphaerien gebracht, die sich in einem Vierteljahr so stark vermehrten, dafs die Glaswände wie mit einem dichten weilsen Filz überzogen waren, der nur aus Diatomeen, Algen und Triehosphaerien bestand; die letzteren besalsen alle prachtvoll entwickelte Stäbehenhüllen. Da die Organismen die Substanzen, aus denen sie ihren Körper aufbauen, doch aus ihrer Umgebung nehmen, so konnte es in diesem Falle schwerlich kohlensaurer Kalk sein, der die Stäbehen bildete, weil nur minimale Quantitäten von Caleium im Wasser vorhanden sein konnten. Es war mir bekannt, dafs Foraminiferen zum Bau ihrer Schale aufser Kalk auch Magnesium in Verbindung mit Kohlensäure benutzen; daher lag es nahe, die Stäbehen von Trichosphaerium auf das Vorhandensein von Ma- gnesium zu untersuchen. Bevor ich die Trichosphaerien prüfte, wurde eine Probe der Reaction mit Magnesiumoxyd gemacht. Ein stecknadelkopfgrofses Körnchen von reinem Magnesiumoxyd wurde in einigen Tropfen Salmiaklösung unter Zu- satz einer Spur von Salzsäure gelöst. Hierauf wurden in einer Uhrschale einige Tropfen einer Lösung von phosphorsaurem Ammoniak mit einigen Tropfen Ammoniak gemischt und zu dieser Mischung die erste Lösung zu- gesetzt. Nach wenigen Minuten bedeckte sich der Boden der Uhrschale mit 38 F. ScuAuvınn: den charakteristischen, sargdeckelähnlichen Krystallen von phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia. Die Krystalle wurden für den Vergleich aufbewahrt und dann dieselbe Reaction mit 50 grofsen Trichosphaerien vorgenommen. Dieselben wurden mit Alcohol absolutus fixirt und gründlich mit destillir- tem Wasser abgespült, im übrigen genau so wie das Magnesiumoxyd be- handelt. Wie dort traten auch hier nach etwa zehn Minuten die Krystalle auf, die sich beim Vergleich mit den aus Magnesiumoxyd gewonnenen als identisch erwiesen. Von den 5o Trichosphaerien war nach einer Stunde der ganze Boden der Uhrschale ziemlich dieht mit Krystallen bedeckt. Diese grofse Menge derselben läfst den Schluls gerechtfertigt erscheinen, dafs kohlensaures Magnesium der Hauptbestandtheil der Trichosphae- rium-Stäbchen ist. Ob noch andere Substanzen in geringen Quantitäten in den Stäbchen enthalten sind, vermag ich nicht zu entscheiden. — Bei Foraminiferen ist der kohlensaure Kalk bekanntlich einer organischen, chitinähnlichen Haut eingelagert, die nach Lösung des Kalkes als sogenannte Schalenbasis zu- rückbleibt. Während Möbius (89) bei den Trichosphaerienstäbchen der Kieler Bucht eine solche Basis beobachtete, konnte ich aus den gelösten Stäbehen keinen wahrnehmbaren Überrest erhalten. Aber nicht nur hierin unterscheidet sich die von Möbius studirte Form von der meinigen, son- dern auch, wie bereits früher erwähnt, durch die Gestalt und chemische Beschaffenheit der Stäbchen, so dafs die Annahme Greeff’s (92), dafs Mö- bius eine etwas abweichende Varietät vor sich gehabt hat, sehr wahrschein- lich ist. Vielleicht sind die erwähnten Differenzen durch Anpassung an das Leben im Brackwasser entstanden, wie ja Ähnliches von F. E. Schulze (75) an zwei Foraminiferen des Brackwassers beobachtet wurde. Quinquelocu- lina fusca verliert im Brackwasser ihren Kalkgehalt und nimmt statt dessen Sandkörnehen zur Verfestigung ihrer Schale auf oder verdickt ihre cehi- tinöse Schalenbasis stark. Ähnlich verhält sich Spiroloculina hyalina. Wie Hr. Geh. Rath Prof. Schulze mir mündlich mittheilte, konnte er im Brack- wasser bei Warnemünde und im Hafen von Edinburgh alle Übergänge von rein kalkigen durch kalkig sandige, rein sandige bis zu rein chitinösen For- men bei Quingueloculina fusca eonstatiren. Ähnlich könnte auch Trichosphae- rium seinen Magnesiumgehalt verloren haben. Mit der Verwendung der Magnesia für den Skeletbau steht Trichosphae- rium nicht allein im Thierreich da, wenn auch bisher nur selten Magne- Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Schn. 39 siimverbindungen als Hauptbestandtheile von Thierskeleten gefunden wor- den sind. Wie bereits erwähnt, findet sich in wanchen Foraminiferen- schalen aufser kohlensaurem Kalk auch kohlensaures Magnesium in bedeu- tender Menge. Nach Walther (92) enthält z.B. die Schale von Orbitolites complanata 12.52 Procent, von Nubecularia novorossica sogar 20 Procent Ma- gnesia. Aber auch in anderen Thiergruppen ist das Vorkommen von Ma- gnesia in bedeutender Menge constatirt. So fand Liebe' in Gorgonia 21 Pro- cent, in Flustra 21.3 Procent Dolomit. II. Der Weichkörper. Der von der Hülle umgebene Weichkörper ist sehr zähtlüssig, worauf nicht nur die sehr trägen Bewegungen desselben, sondern auch sein starkes Liehtbreehungsvermögen hinweisen. Es gehört ein nicht geringer Druck dazu, um denselben unter dem Deckglase zu zerquetschen; bei gelindem Druck wird er etwas abgeplattet, nimmt aber nach Aufhören desselben sofort wie- der seine ursprüngliche Gestalt an. Er besitzt demnach im Gegensatz zu vielen anderen Rhizopoden eine bedeutende Elastieität. Am lebenden und unversehrten Thier vermag man im Weichkörper kein besonders differenzirtes Ektoplasma und Entoplasma zu unterscheiden. Vielmehr ist derselbe ziemlich gleichmäfsig mit zahlreichen Inhaltsgebilden durchsetzt. Die Schizonten zeigen hierin keine Unterschiede von den Spo- ronten. Schneider (78) gibt au, dafs der Weichkörper in ein hyalines Ekto- plasma und ein Vacuolen und sonstige Einschlüsse enthaltendes Entoplasma scharf geschieden sei, indessen glaube ich, dafs er den gallertigen Theil der Hülle mit Ektoplasma verwechselt hat, was um so leichter möglich ist, da er nur ganze und ungefärbte Thiere untersucht hat. Die übrigen Be- obachter haben auch nichts derartiges gesehen. Die Farbe des Weichkörpers ist gewöhnlich braun und rührt von den zahlreichen braunen Einschlüssen her, welche denselben ganz durchsetzen: wenn sie fehlen, ist derselbe farblos. Bei Betrachtung mit schwacher Ver- gröfserung erscheint der Weichkörper ziemlich grob granulirt und zwar gleich- ! Zeitschrift der Deutsch. Geol. Gesellsch. 1857, S. 426. 40 F. ScHuAaupınn: mälsig bis zur Oberfläche, nur unter den Pseudopodienöffnungen machen sich kleine Inseln hyalinen und im Leben stärker liehtbrechenden Protoplasmas bemerkbar; aus denselben werden die hyalinen Pseudopodien gebildet, wie später bei Betrachtung dieser Gebilde genauer erläutert werden soll. Gru- ber (83) hat diese Inseln bereits richtig erkannt. Er sagt: »An der Stelle, wo Pseudopodien austreten, verräth das stärkere Lichtbrechungsvermögen eine Lage hyalinen Plasmas, aus welchem die Fortsätze hervorgehen, wäh- rend nach innen zu der Körper aus einer trüben, reichlich mit Körnchen und Vacuolen versehenen Sarkode besteht«. Bei Untersuchung des lebenden wie des conservirten Weichkörpers mit starken Vergröfserungen erkennt man, dafs derselbe aus zahlreichen ver- schiedenartigen Inhaltsgebilden und einer dieselben umschliefsenden, gleich- mäfsig strueturirten Grundsubstanz zusammengesetzt ist. Im folgenden sollen zuerst die Inhaltsgebilde und dann die Grundsubstanz oder das eigentliche Protoplasma besprochen werden: die besonderen Differenzirungen desselben, die Pseudopodien und die Kerne werden in eigenen Capiteln abgehandelt werden. a. Die Inhaltsgebilde des Weichkörpers. Durch direete Beobachtung, durch mikrochemische Untersuchung und durch Vergleich mit bekannten Gebilden bei anderen Protozoen gelang es, folgende Inhaltsgebilde deutlich zu unterscheiden: Flüssigkeitsvacuolen, auf- genommene Nahrungskörper, besondere, aus nicht verdaubaren Nahrungs- resten hergestellte Faecalballen, die ich Sterkome nennen will, Excretkör- ner, diverse andere Körnchen, wie Fettkörnchen und sonstige Stoffwechsel- producte und Reservestoffe, endlich commensale Algen. Alle diese Inhalts- gebilde sind nach Art einer Emulsion in der zähflüssigen Grundsubstanz sus- pendirt. Vollständig fehlen können sie aber auch; in gewissen Entwicke- lungsstadien, so bei Beginn der Sporogonie und der Schizogonie, reinigt sich der Weichkörper gewissermalsen, indem er alle fremden Einschlüsse ausstöfst. Auf diesen Stadien kann man natürlich den Bau des Plasmas am leichtesten studiren. Auch beim Verhungern der Trichosphaerien wer- den allmählich sämmtliche Inhaltsgebilde des Weichkörpers ausgestofsen, ebenso vor der Eneystirung der Schizonten. Ganz allgemein kann man sagen, dafs der Weichkörper während der vegetativen Lebensperiode reich an In- haltsgebilden ist, während der reproductiven aber arm. Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Schn. 41 1. Die Vacuolen. Bei der Betrachtung fast jedes Weichkörpers fallen mehr oder weniger zahlreiche helle Blasen auf, «die sich bei genauerer Un- tersuchung als einfache, mit wasserklarer Flüssigkeit erfüllte Vacuolen er- weisen. Ihre Conturen sind stets scharf und glatt; doch ist diefs Verhalten nicht auf das Vorhandensein einer eigenen, besonders differenzirten Wan- dung zurückzuführen, vielmehr sind sie als dünnflüssige Tropfen in einer zähflüssigen Masse aufzufassen. Ihre Gestalt und Gröfse können sie lang- sam ändern, doch geht diels so allmählich vor sich, dafs man es mit dem Auge gar nicht beobachten kann, wohl aber mit Hülfe des Zeichenprismas; wenn man eine Vacuole in ihrem gröfsten Umrifs gezeichnet hat, so kann man nach einiger Zeit beobachten, dafs die Conturen sich nicht mehr decken, sondern dafs die Vacuole gröfser oder kleiner geworden ist. Wie bei vielen marinen Rhizopoden, findet sich eine in rythmischen Intervallen pulsirende Vacuole nicht bei Trichosphaerüum , vielleicht wird aber dasselbe Ziel, nämlich der Wasserwechsel im Protoplasma, durch die sehr langsamen Contractionen und Expansionen zahlreicher Flüssigkeitsvacuolen ebenso gut erreicht, wie durch die schnellen Pulsationen einer oder we- niger Vacuolen. Diese Ansicht wird noch plausibler, wenn man in Betracht zieht, dafs auch bei den Süfswasser-Rhizopoden nicht nur die Zahl der pul- sirenden Vacuolen, sondern auch die Frequenz ihrer Entleerung sehr ver- schieden ist. Bei manchen Formen pulsirt die Vaeuole sehr langsam, bei anderen sehr schnell, und finden sich alle möglichen Übergänge. Nach Schwalbe (64) pulsiren die Vacuolen um so langsamer, je grölser sie sind oder je zahlreicher sie werden; dieses Gesetz würde sich auch auf die ma- rinen Rhizopoden anwenden lassen, wenn man annimmt, dafs hier sehr zahlreiche Vacuolen nur äufserst langsame Contractionen auszuführen brau- chen, um den nöthigen Wasserwechsel zu erzeugen. Über die chemische Natur der Vacuolenflüssigkeit kann man nichts ge- naueres aussagen, weil uns hier die Methodik der Mikrochemie noch voll- ständig im Stiche läfst. Manche Vacnolen (die sogenannten Nahrungs- oder Verdauungsvacuolen) enthalten Säuren, wie durch Fütterung mit blauen Farbstoffen, die in den Vacuolen roth werden, nachgewiesen werden kann (vergl. auch das Capitel über die Nahrungskörper). Aufser Flüssigkeitsvaeuolen habe ich in einem einzigen Individuum im Weiechkörper eine Gasvaeuole beobachtet. Bei Süfswassertestaceen finden sich ja, wie bekannt, häufig Gasvacuolen, die dort als hydrostatischer Ap- Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. 1. 6 42 F. ScHuauDınn: parat funetioniren, mit dessen Hülfe die Thiere im Wasser auf- und nieder- steigen können. Über die Herkunft und Bedeutung der nur einmal bei Tri- chosphaerium beobachteten Gasvacuole vermag ich keine Auskunft zu geben. 2. Die Nahrungskörper. Den Haupttheil der Inhaltsgebilde des Weichkörpers von Trichosphaerium bildet die aufgenommene Nahrung, die aus den verschiedensten verdaubaren wie unverdaulichen Gegenständen be- steht. Unser Rhizopode scheint alles, was ihm im Wege liegt, durch Auf- nahme in seinen Körper wegzuräumen. Man findet im Plasma die ver- schiedensten pflanzlichen Gebilde, Algenfäden, Diatomeen, Bacillarineen, Gyanophyceen u. s. w., ferner Überreste von Thieren, Copepodennauplien, Infusorien, Rhizopoden, daneben aber auch Sandkörnchen, Reste und Bruch- stücke von Thalamophorengehäusen und allen möglichen undefinirbaren De- tritus. Alle aufgenommenen Fremdkörper werden in Vacuolen des Plasmas eingeschlossen, und geht in denselben die Verdauung der Nährstoffe vor sich. Auf Schnitten durch Schizonten und bei den Sporonten, ohne weiteres am lebenden Object, kann man leicht die Stadien der Verdauung con- statiren. Hier liegt noch eine unversehrte Alge mit glatter Cellulosemembran, grünem Chlorophyll und vacuolärem Plasma, daneben eine andere, schon halb verdaute; nur die Membran, der Kern und die Stärkekörner haben noch Widerstand geleistet. Schliefslich findet man in der grofsen Nahrungs- vacuole nur noch eine ganz zerknitterte Membran und ein Häufchen von Amylumkörnern, die unverdaulichen Überreste der Algenzelle. Während häufig die Nahrungskörper einzeln in je einer Vacuole liegen, finden sie sich bisweilen in gröfseren Mengen in einer Verdauungsvacuole vereinigt. Bei den Schizonten konnte ich die Beobachtung machen, dafs sie nicht selten kleinere Individuen der eigenen Art verzehren; bei den Sporonten, die ja die Fähigkeit der Plastogamie besitzen, fand ich diesen Kannibalismus nicht. Meines Wissens sind ähnliche Beobachtungen bei Rhizopoden noch nicht gemacht worden. Man findet auf Schnittserien im Innern der Schizonten häufig kleinere Individuen in verschiedenen Stadien der Verdauung. Auch habe ich häufig die Einverleibung direct beobachtet, aber anfangs für Plastogamie gehalten, bis ich die Trichosphaerien, um etwaige Kernverschmelzungen zu consta- tiren, in verschiedenen Zeiten nach der Verschmelzung oder besser Um- fliefsung abtödtete und auf Scehnittserien untersuchte. Es schien mir von Interesse, einiges über die Verdaubarkeit der Trichosphaerium-Bestandtheile Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Schn. 43 zu ermitteln. Sofort nach der Aufnahme in den Weichkörper bildet sich um das gefressene Thier ein mit Flüssigkeit gefüllter Raum, d.h. es wird in eine grofse Vacuole eingeschlossen. Die Vacuolenflüssigkeit mufs ziemlich stark sauer sein, denn nach wenigen Minuten waren die Stäbehen der Hülle bereits gelöst. Bekanntlich konnte schon wiederholt bei Protozoen das Vor- handensein von Säure in den Nahrungsvacuolen nachgewiesen werden, so z. B. von Meifsner (88) durch das Rothwerden des Alkannafarbstoffes bei Fütterungsversuchen mit Öltropfen. Nach ungefähr 6-8 Stunden ist der Weichkörper so weit verdaut, dafs nur die in demselben enthaltenen un- verdaubaren Nahrungsreste und die Kerne übrig sind (Fig.ı Taf. IV). Die letzteren leisten am längsten Widerstand, doch erleiden sie beim weiteren Fortschreiten der Verdauung eigenthümliche Structurveränderungen, die in dem Capitel über die Kernverhältnisse genauer geschildert werden sollen. Die Hülle scheint nach der Lösung der Stäbchen unverändert zu bleiben, was ja gut mit ihrer Resistenz gegen Säuren und Alkalien übereinstimmt. Die nieht verdaubaren Nahrungsreste werden von den Trichosphaerien allmählich zu gröfseren Klumpen zusammengeballt und dann ausgestolsen; oft bleiben sie aber noch lange Zeit im Innern des Weichkörpers und werden durch eine vom Plasma abgeschiedene Kittsubstanz zu stark lichtbrechenden, kugeligen Körpern umgebildet, die ich, weil sie bei schlickbewohnenden Rhizopoden sehr verbreitet sind, mit einem besonderen Namen als Sterkome' bezeichnen will. 3. Die Sterkome (Fig.ı4 Taf. IV). Dafs die Sterkome nur Ballen unverdaubarer Nahrungsreste darstellen soll weiter unten experimentell nach- gewiesen werden. Im ausgebildeten Zustand besitzen die mit diesem Namen belegten Gebilde die Gestalt einer Kugel oder häufiger noch die eines mehr oder minder gestreckten Rotätionsellipsoids.. Ihr Durchmesser wechselt zwischen 10-30 u, nur ein einziges Mal habe ich ein Individuum mit Ster- komen von nur etwa 6 u Durchmesser gefunden. Ihre Farbe ist sehr mannich- faltig und spielt in allen Tönen des Grau und Braun, selbst fast ganz schwarze Kugeln kann man beobachten. Ihre Conturen sind glatt und be- sitzen sie bedeutendes Lichtbrechungsvermögen. Sie verleihen, wenn in gröfserer Menge vorhanden, dem Weichkörper ein ganz dunkles und un- durchsichtiges Aussehen. Die Bestandtheile der Sterkome sind der ver- ! Nach einem Vorschlag von Hrn. Geheimrath F. E. Schulze. AA F. Scuaupvınns: schiedensten Art, doch meist schwer zu definiren, am leichtesten erkennbar sind Diatomeenreste, Spongiennadeln, Quarzstückchen und sonstige mine- ralische Einlagerungen. Von organischen Resten kann man nur Cellulose- membranen und bisweilen Stärkekörner mit Sicherheit nachweisen. Die vom Weichkörper abgeschiedene Kittsubstanz, welche die verschiedenen Fremdkörper des Sterkoms zusammenhält, besitzt weiche Consistenz, so dafs man die Sterkome unter dem Deckglase platt drücken kann. Sie scheint der Substanz, aus welcher die Gallerthülle gebildet ist, nahe zu stehen, wenigstens stimmt sie mit ihr im Verhalten gegen Farbstoffe (vergl. das Ca- pitel über die Gallerthülle) überein. Die Sterkome sind resistent gegen kalte wie heilse Säuren und Alkalien, sie verwesen daher auch nicht, wenn der Weichkörper des Thieres zerfällt. Man findet sie häufig als einzigen In- halt in den Hüllen abgestorbener Individuen. Wenn dann im Laufe der Zeit auch die Hülle zerstört wird, bleibt nur ein Häufchen von Kugeln übrig, das bei oberflächlicher Betrachtung mit schwachen Vergröfserungen leicht Schizogone vortäuschen kann. Dafs in der That die älteren Forscher Sterkome und ähnliche Gebilde für Keimkörper und sonstige Fortpflanzungsstadien gehalten haben, hat ‚ Rhumbler (92) wahrscheinlich gemacht. Er wies nach, dafs die Keim- kugeln, die M. Schultze (64) bei Foraminiferen beschreibt, theils Eisen- kiesablagerungen in verwesten Weichkörpern sind, theils aber Gebilde, welche den hier geschilderten Sterkomen sehr ähnlich sind. Auch die »propa- gative bodies« Carter’s (76) sind nichts weiter als Sterkome. Carter fand diese Gebilde bekanntlich sogar in fossilen Foraminiferen, und ist bereits Bütschli (80) der Auffassung, dafs es Fortpflanzungskörper seien, ent- gegengetreten. Er sagt S.139: »Schon die allmähliche Bildung dieser Kugeln aus kleinen moleculären Körnchen, die, ohne von einer Hülle umschlossen zu sein, sich zu den erwähnten Kugeln zusammengruppiren, läfst die Be- deutung derselben als Fortpflanzungskörper sehr zweifelhaft ercheinen. Zu völliger Gewilsheit scheint jedoch dieser Zweifel erhoben, wenn wir ferner . beachten, dafs diese Kugeln sich durch ihre Resistenz, selbst gegen die stärksten Mineralsäuren und kochende Alkalien, als Körper ausweisen, die unmöglich von lebendiger, thierischer Substanz gebildet sein können«. Bei anderen Rhizopoden sind die Sterkome zwar nicht für Fortpflan- zungskörper, aber für wichtige Bestandtheile des Plasmas gehalten worden. So bei Hyalopus (Gromia) dujardini. Max Schultze (54) schildert bei die- Generationswechsel von Trichosphaerüum sieboldi Schn. 45 ser Form eingehend braune Körper, die den Hauptbestandtheil des Plas- mas bilden und sich bei keinem anderen Rhizopoden finden sollen. Die Resistenz gegen Säuren und Alkalien war ihm schon bekannt. Gruber (84) fand die braunen Kugeln vereint mit blassen Körpern vor und sagt von ihnen: »Es ist mir sehr wahrscheinlich, dafs die Körner (braune und blasse Kugeln) hier die feinsten Nahrungsbestandtheile verarbeiten und ver- dauen, während das ungeformte Plasma (der Pseudopodien) auf Nahrungs- erwerb ausgeht«. Dieser Forscher hält also, ähnlich wie Schultze, die braunen Kugeln für »geformtes Plasma«. Mir selbst (94a) gelang es dann, durch Kernfärbung unter Anwendung der Schnittmethode nachzuweisen, dafs die blassen Kugeln Gruber’s die Kerne sind, doch vermochte ich über die Natur der braunen Kugeln auch nichts genaueres anzugeben. Dafs sie unwichtige Bestandtheile des Weichkörpers waren, schien daraus hervor- zugehen, dafs sie bei Ausschwärmen der Sporen mit den Nahrungsresten in der Schale zurückblieben. In demselben Jahre schilderte dann Rhumbler bei der Foraminifere Saccammina (94) Schliekkugeln und Faecalballen als Inhaltsgebilde des Weich- körpers und leerer Schalen und machte ihre Entstehung durch Zusam- menballen aufgenommener unverdaulicher Nahrungsreste plausibel. Diefs brachte mich auf den Gedanken, die braunen Kugeln von Hyalopus und Trichosphaerium wit den Schlickkugeln von Saccammina zu vergleichen. Mein Aufenthalt an der norwegischen Küste bot mir reichliche Gelegenheit hierzu, und konnte ich mich von der grofsen Ähnlichkeit der Bildungen überzeugen. Überdiefs fand ich die braunen Kugeln bei fast allen schlammbewohnenden Rhizopoden in übereinstimmender Weise vor. Die Angaben Rhumbler’s (94) konnte ich vollkommen bestätigen. Um die auf diese Weise wahrscheinlich gewordene Entstehung der Sterkome aus Nahrungsresten experimentell zu beweisen, brachte ich Tri- chosphaerien (und Hyalopus) in Culturgefäfse, in welchen Farbstoffe suspen- dirt waren, die allmählich alle Nährsubstrate bedeckten, von den Thieren mitgefressen wurden und nun deutlich die Umwandelung der Nahrungsreste in Sterkome demonstrirten. Ich verfuhr hierbei folgendermalsen: Chine- sische Tusche, Indigo oder Karmin (die beiden ersten Farbstoffe sind ge- eigneter, weil Karmin in geringen Quantitäten im Meerwasser gelöst wird) wurden fein in Seewasser verrieben und in nahrungsreichen Culturgefälsen verrührt. Nach einigen Tagen waren mit den Nährsubstraten alle kleinen 46 F. ScHuAuDınn: Farbstoffpartikel auf den Boden gesunken und bedeckten alle Körper mit einem dichten Überzug. Nun wurden die Gefäfse mit den Rhizopoden be- schiekt und einige Tage in Ruhe gelassen. Nachdem ich mich an einzel- nen herausgefangenen Trichosphaerien überzeugt hatte, dafs die Farbstoffe mit der Nahrung aufgenommen waren und dicht den Weichkörper dureh- setzten, wurden die Versuchsthiere aus den Farbstoffgläsern herausgenom- men und in reines Meerwasser, das nur Diatomeen als Nahrung enthielt, gebracht. und dann täglich einige Individuen genau untersucht. Dabei zeigte es sich deutlich, dafs die anfangs locker mit den Nahrungsstoffen durch den Weichkörper vertheilten Farbstoffkörnchen allmählich in einzel- nen Vacuolen eoncentrirt und immer dichter an einander gelagert wurden, bis schliefslich typische Sterkome gebildet waren, die mit Farbstoffkörn- chen mehr oder weniger dicht durchsetzt waren. Der ganze Procefs dauerte ungefähr eine Woche. Häufig fand ich fertige, gefärbte Sterkome frei auf dem Boden der Culturgefäfse neben den Trichosphaerien, wodurch bewiesen ist, dafs sie aus dem Weichkörper ausgestolsen werden können. Andererseits lehrte aber die Thatsache, dafs ich noch zehn Wochen nach der Entfernung der Thiere aus den Farbstoffgefäfsen gefärbte Sterkome im Weichkörper vorfanud, wie lange die letzteren zurückbehalten werden können. Besonders schienen hier- bei die mit Tusche schwarz gefärbten Sterkome bevorzugt zu werden. Eine mit diesem Verhalten vergleichbare Erscheinung konnte ich im Hafen des Puddefjords zu Bergen beobachten. Dort befinden sich von den zahlreichen verkehrenden Dampfern viele Kohlenstücke im Schlick. Die daselbst gefan- genen Trichosphaerien' besafsen nun stets Sterkome, die dicht mit Kohlen- partikeln erfüllt waren, und sie behielten dieselben über zwei Monate im Aquarium bei sich. Auch Gruber (84) fand im Hafen von Genua Gromien und Ayalopus dieht mit Kohlenstückehen erfüllt. Die Aufnahme und das Zurückbehalten schwarzer Fremdkörper im Plasma. ist vielleicht bei diesen Rhizopoden durch gröfseres Wärmebedürfnifs bedingt: die mehr Wärme- strahlen absorbirenden Körper werden vielleicht deshalb vor anderen bevor- zugt. Die experimentelle Prüfung dieser Frage dürfte, wie es mir. nach meinen biologischen Beobachtungen scheint, nicht ohne interessante Resul- ' Ebenso Hyalopus, Stortosphaera und einige Gromien, nicht hingegen Astrorhiza, Sac- cammina und verschiedene andere Foraminiferen, obwohl sie auch Sterkome besalsen. Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Schn. 47 tate sein, und würden bei einem vergleichenden Studium zahlreicher Pro- tozoen sich bedeutende Differenzen finden lassen (vergl. die Anmerkung). Dals Protozoen, besonders Rhizopoden, Fremdkörper ohne Nährwerth lange Zeit mit sich herumschleppen, ist schon wiederholt beobachtet. Gruber (85), der manche Amoeben ganz mit Sand vollgestopft fand, vermuthet, dafs die Fremdkörper nicht ausgestolsen werden, weil durch sie das weiche Protoplasma eine gewisse Festigkeit erlangt. Einen anderen ganz plausibeln Grund führt noch Meifsner (88) an, nämlich »dafs durch Anhäufung grofser und fester Partikel in der Mitte des Plasmas die Oberfläche des Rhizopodenkörpers, die dem Gasaustausche und der Ernährung durch Endosmose hauptsächlich dient, vergröfsert wird«. Endlich möchte ieh noch hinzufügen, (dafs es für schlammbewohnende Tliiere vortheilhaft ist, wenn ihr Körper durch Aufnahme von Fremdkör- pern schwerer wird. Sie werden bei Strömungen nicht so leieht mit fort- gerissen und sinken, wenn es geschieht, schneller wieder in ihr Nahrungs- gebiet zurück. Wenn man die Trichosphaerien aus dem Schlick entfernt und sie in ganz andere Lebensbedingungen bringt, ihnen z. B. nur Siphoneen als Nah- rung gibt, so verlieren sie allmählich die Sterkome ganz und können aus Materialmangel keine neuen bilden. Sie erhalten dadurch ein sehr viel rei- neres Plasma und eignen sich besser für das genauere Studium der Fort- pflanzungsvorgänge und der Plasmastructur, weshalb ich hauptsächlich ster- komfreie Individuen für meine Studien benutzt habe. In grofsen Massen finden sich derartige Thiere an den Seitenwänden der Aquarien, die ja meistens mit einem dichten Filz von Algen bedeckt sind, in denen wenig unverdauliche Substanzen enthalten sind. Bei reiner Diatomeennahrung werden auch keine Sterkome gebildet, die Kieselpanzer dieser Organismen sind wohl zu grofs, um noch zu gröfseren Kugeln zusammengebacken zu werden." Eine ähnliche Beobachtung scheint Rhumbler (92) bei Trun- catulina gemacht zu haben. Während er in allen aus Bodenproben stam- menden Thieren die Schlickkugeln vorfand, fehlten sie stets bei Individuen, welehe von Bryozoen- und Hydrozoenstöcken abgesucht worden waren. Die eigenthümlichen gelben Körperchen, welche Rhumbler unter dem Namen »Xanthosomen« bei Saccammina beschreibt und die sich zwi- ! Vergl. Fig.ı und 2 Taf. IV und V. 48 F. ScHuAuvınn: schen den Sterkomen und in denselben eingelagert finden, habe ich bei Hyalopus ebenfalls gefunden. Bei Trichosphaerium scheinen sie zu fehlen; hier werden sie durch die im nächsten Capitel zu schildernden Exeretkörner ersetzt. die sich häufig in den Sterkomen eingebacken vorfinden. Rhumb- ler hat die Vermuthung ausgesprochen, dafs die Xanthosomen aus den Exeretkörnern unter dem Einflufs der Sterkome entstehen, weil er vor der Bildung der Faecalballen nur Exeretkörner vorfand, dann aber nur Xan- thosomen. Demgegenüber kann ich angeben, dafs bei Hyalopus Exeret- körner und Xanthosomen sich zugleich und in gleichen Mengen in den Sterkomen beobachten lassen. 4. Exeretkörner (Fig. 15,16 Taf. IV). Die Inhaltsgebilde des Proto- plasmas, welche ich unter diesem Namen genauer schildern will, sind von allen andern durch aufserordentlich starkes Lichtbrechungsvermögen unter- schieden. Sie finden sich in gleicher Weise bei den Schizonten und Spo- ronten, treten aber in sehr wechselnder Menge auf. Man findet Individuen, die dieht damit erfüllt sind, während andere nur wenige kleine Körnchen enthalten. Es hat sich gezeigt, dafs dieser Unterschied von der Art der Nahrungsmittel abhängt. Die thierische Nahrung begünstigt’die Entstehung der Gebilde, bei pflanzlicher sind sie selten. Weiter unten werde ich näher auf diese interessanten Verhältnisse eingehen. Wie die Menge, so varürt auch die Gröfse der Körner bedeutend (von I-I6u). Sie treten in mannichfaltiger Gestalt auf (Fig. 15); man findet kugelige, ellipsoidale, hantelförmige, ganz unregelmäfsige, aber auch poly- edrische, krystallähnliche mit scharfen Kanten oder büschel- und garben- förmige, zusammengesetzte Bildungen, die aus zahlreichen Nadeln oder schief abgestutzten Prismen bestehen. Seltener finden sich einzelne Nadeln, und sind dieselben stets sehr klein. Drusen. aus Bündeln kleiner Nadeln be- stehend, habe ich nur wenige Male beobachtet. Manche Krystallconglo- merate besalsen abgerundete Ecken und waren theils von geraden, theils von krummen Flächen begrenzt. Bei sehr starker Vergröfserung konnte man bei allen noch eine feinere Structur erkennen (Fig.16). Dieselbe machte sich als eine feine Streifung bemerkbar, wobei die Streifen entweder pa- rallel waren oder radiär von einem Punkte ausstrahlten. Der feinere Bau der Körner ist demnach auch krystallinisch, und zwar sind sie Aggregate kleinster nadelförmiger Krystalle, wie die Art ihrer Auflösung in stark verdünnten Säuren lehrte. Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Schn. 49 Die Farbe der Körner ist bei durchfallendem Licht grüngelb bis grau- braun; bei auffallendem Licht sind sie stark glänzend und opak. Beson- ders charakteristisch für sie ist, dafs sie im polarisirten Licht deutlich doppeltbrechend erscheinen.' Ähnliche Gebilde wie die hier beschriebenen sind schon lange bei zahlreichen Protozoen bekannt und wahrscheinlich überall verbreitet, nur können sie, wenn sie spärlich und klein vorkommen, leicht übersehen und mit anderen Einschlüssen zusammengeworfen werden. Eine recht vollstän- dige Zusammenstellung der Angaben über diese Gebilde findet sich in Schewiakoff’s Arbeit über die Exeretkörner bei Paramaecium (93). Über die chemische Natur der Körner wie über ihre Bedeutung liegen nur we- nige Angaben vor, und sind dieselben zum Theil sich widersprechend; aulserdem beziehen sie sich fast ausschliefslich auf Infusorien. Bei Rhizopoden ist nichts sicheres über dieselben bekannt.” Rhumb- ler (94) und ich (95) haben sie zwar bei Foraminiferen beschrieben, aber keine chemische Untersuchung vorgenommen, so dafs unsere Deutung als Exeretkörner nur eine gewisse Wahrscheinlichkeit besitzt. Der Name »Excretkörner« rührt von Bütschli (78) her, der sie für Endproduete des Stoffwechsels erklärte und ohne chemische Untersuchung auf Grund ihrer krystallinischen Beschaffenheit die Vermuthung aussprach, dals sie aus oxalsaurem Kalk bestehen könnten. Von einer Anzahl Forscher wurden die Körner wegen ihrer Gestalt und Farbe und wegen des Verhaltens gegen Säuren mit Harnconerementen ver- glichen, so von Wrzesniowski (70), Entz (79), der darin harnsaures Natron vermuthet (auf Grund von Vergleichen mit den Harnconcrementen in den Malpighi’schen Gefäfsen der Insecten), Maupas (83), der die Doppel- brechung zuerst nachwies, und endlich Rhumbler (92), welcher durch die Murexidreaetion Harnsäure nachgewiesen haben will. Rhumbler ist der Erste, welcher eine genauere chemische Untersuchung der Exceretkörner (bei Stylonychia) vorgenommen hat. Nach ihm hat Schewiakoff (93) in einer ! Da die Stäbchen der Schizontenhülle bei der Untersuchung dieser Inhaltsgebilde be- sonders störend sind, wurden für die Untersuchung der Excretkörner hauptsächlich Spo- ronten verwendet, dann aber die Resultate auf Schnitten durch Schizonten controlirt. Die Excretkörner beider Formen zeigten keinerlei Abweichungen. 2 Als Excretkörner mit Wahrscheinlichkeit zu deutende Gebilde wurden bei vielen Rhizopoden von Auerbach, Carter, Ray Lankester, F. E. Schulze und Anderen be- obachtet, ohne dafs aber eine Deutung versucht wurde. Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. 1. u | 50 F. ScHuaupıns: sehr eingehenden Arbeit bei Paramaecium dieselben Körner studirt, kommt aber zu einem ganz abweichenden Resultat; er findet nämlich, dafs sie aus phosphorsaurem Kalk bestehen, oder vielmehr, dafs die Exeretkörner zum gröfsten Theil Caleium sowie Phosphorsäure enthalten. Die An- gaben Rhumbler’s hält er für irrthümlich. In einer neueren Arbeit hält Rhumbler (95, p.155) seine früheren Aussagen aufrecht und fügt als Stütze seiner Ansicht hinzu, dafs auch Griffith' in Infusorien durch die Murexid- probe Harnsäure nachgewiesen habe. Diese Controverse schien es mir wünschenswerth zu machen, beide Reaetionen (auf phosphorsauren Kalk und auf Harnsäure) bei den Exeret- körnern von Trichosphaerium zu versuchen. Chemische Natur der Excretkörner. Ich will hier nicht die ein- zelnen Versuche über die Löslichkeit der Körner in verschiedenen Lösungs- mitteln anführen. Das Resultat war, dafs sie sich genau so verhalten, wie die Exeretkörner des Paramaecium nach Schewiakoff’s (93) Angaben. Das Verhalten läfst sich kurz dahin zusammenfassen, dafs die Körner leicht lös- lich sind in Mineralsäuren und Alkalien, schwer löslich in eoncentrirter Essig- säure und verdünntem Ammoniak, leichter in verdünnter Essigsäure und Ammoniak, unlöslich in Wasser, Alkohol, Aether, Schwefelkohlenstoff. a. Reaction auf phosphorsauren Kalk. Zu dieser und den nachfolgenden Reactionen wurden nur Sporonten verwendet, weil die Hüllenstäbchen der Schizonten einwandsfreie Versuche bei dieser Form verhinderten. 1. Nachweis von Calcium. Mehrere grofse Sporonten mit sehr grofsen Exeretkörnern wurden in absolutem Alkohol entwässert und hierauf in einen Tropfen fünfprocentiger Essigsäure gebracht. Nachdem die Exeretkörner gelöst waren, wurde auf dem Objectträger eine Spur von Ammoniumoxalat zugesetzt. In und in der Nähe der Sporonten traten bald darauf kleine Krystalle von oxal- saurem Kalk auf. Setzte ich an Stelle des Ammoniumoxalats Schwefelsäure hinzu, so traten die leicht erkennbaren Nadeln von schwefelsaurem Kalk auf. 2. Nachweis von Phosphorsäure. Zu mehreren troekenen Sporonten wurde ein Tropfen einer Mischung von molybdänsaurem Ammoniak und Sal- petersäure zu gleichen Theilen hinzugefügt. Die Exeretkörner wurden so- fort gelöst, und in und an den Sporonten wurden die grüngelblichen Krystalle von phosphorsaurem Ammoniummolybdat ausgeschieden. ! In: Proc. R. Soc. Edinburgh. vol. XVI, p. 131-135. Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Schn. 51 Aus dieser Reaction ergibt sich, dafs die Exeretkörner von Trichosphae- rium dieselbe chemische Zusammensetzung (soweit sich das bei unseren mi- krochemischen Reactionen überhaupt erkennen läfst) haben, wie bei Para- maecium nach Schewiakoff’s Resultaten; sie enthalten zum gröfsten Theil Caleium und Phosphorsäure und bestehen wahrscheinlich aus phosphor- saurem oder saurem phosphorsauren Kalk [Ca,(PO,), oder Ca,H,(PO,);]. b. Murexidreaction. Die Reaction, welche Rlıumbler (92) ausführte, ist, wie bereits Bütschli und Schewiakoff eingewendet haben, gar keine Murexidprobe, weil er angibt, dafs (die Excretkörner nach dem Verdampfen der Salpetersäure erhalten geblieben waren, während bei dieser Reaction die Harnsäure gelöst und in Purpursäure übergeführt wird. Rhumbler gibt diesen Irrthum zu, erklärt aber seine Auffassung dadurch, dafs er das Verdampfen der Salpetersäure nicht unter dem Mikroskop verfolgt habe und dafs möglicherweise die Purpursäureniederschläge an die Stelle der Exceret- körner getreten seien und so das Vorhandensein der letzteren vorgetäuscht hätten, Um die Trichosphaerien auf Harnsäure zu untersuchen, brachte ich einen grofsen, durch Centrifugiren erhaltenen Klumpen derselben, nach- dem er getrocknet war, in Salpetersäure. Nach Verdampfen der Flüssig- keit war der Rückstand braunroth, nicht rein roth, wie es für reine Harn- säure charakteristisch ist; doch zeigten sich hierin bei öfters vorgenomme- nen Reaetionen Verschiedenbeiten, bald spielte die Farbe mehr in’s Braun, bald mehr in’s Rotlı. Jedenfalls traten aber in den meisten Fällen bei Zu- satz von Kalilauge mehr oder weniger zahlreiche, intensiv blau gefärbte Körn- chen auf; ebenso zeigten sich bei Ammoniakzusatz rothe Körper, so dafs Harnsäure ohne Zweifel in den Trichosphaerien vorhanden ist. Die Harnsäurekrystalle aber unter den Excretkörnern heraus zu erkennen, dürfte sehr schwierig sein. Hiernach halte ich es nicht für ausgeschlossen, dafs auch bei anderen Protozoen die unter dem Namen »Exceretkörner« zu- sammengefafsten Gebilde verschiedene chemische Zusammensetzung, haben und wird man sich vor Verallgemeinerungen hüten müssen. Über die Bildung der Exeretkörner hat Schewiakoff (93) angegeben, dafs sie zuerst in Nahrungsvacuolen auftreten und später in das Plasma übergehen. Auch ich fand die kleinsten Exeretkörner häufig in Vacuolen, die halbverdaute Nahrung enthielten, konnte jedoch niemals frei im Plasma befindliche Körner entdecken, sondern bei den Trichosphaerien lagen sie 7* 52 F. ScHnaupınn: stets in Vacuolen eingeschlossen. Während Schewiakoff eine Ausstofsung der Exeretkörner mit den Nahrungsresten nie beobachten konnte und wahr- scheinlich zu machen sucht, dafs dieselben wiederum im Plasma gelöst und im flüssigen Zustande durch die contraetile Vacuole nach aufsen entleert werden, habe ich bei Trichosphaerium die Ausstofsung direet beobachten können; überdiefs enthalten die Sterkome häufig einige Exeretkörner, wie bereits früher erwähnt wurde. Eine Hinausbeförderung in gelöstem Zustand durch eine pulsirende Vacuole kommt natürlich bei Trichosphaerium überhaupt nicht in Frage. Übrigens scheinen auch bei den Infusorien die Verhältnisse verschieden zu sein. Stein (82) z.B. hat bei Paramaecium bursaria die Ausstolsung der Exceretkörner mit den Kothballen durch den After beobachtet. Bei Foraminiferen habe ich bereits früher (95) gezeigt, dafs bei thieri- scher Nahrung die Exeretkörner zahlreicher und gröfser werden als bei pflanzlicher. Wenn Patellina Copepoden oder Infusorien verzehrt, ist sie mit grofsen Krystallen dicht erfüllt, bei Diatomeennahrung verschwinden sie fast vollständig. Auch hei Trichosphaerium konnte ich diese Abhängig- keit der Exeretkornbildung von der Nahrung experimentell nachweisen. Cul- tivirt man die Thiere auf Diatomeenrasen, so bleiben sie fast ganz frei von den Körnern; wenn solche vorhanden sind, besitzen sie eine winzige Grölse. Lebende Thiere vermögen die Trichosphaerien nicht zu fangen; ich centri- fugirte daher eine Menge Copepoden und Infusorien aus dem Seewasser her- aus, zerquetschte sie und brachte den Brei auf die Deckglaseulturen der Triehosphaerien; schon nach wenigen Tagen waren sie reich mit grolsen Excretkrystallen erfüllt, die bei Diatomeennahrung schnell wieder verschwan- den. Diese Beobachtungen erklären auch die Thatsache, dafs die an den Wänden der Aquarien lebenden Thiere viel spärlichere Exeretkörner ent- halten als die im Schlamm auf dem Boden lebenden; hier befinden sich viele Thierleichen, die zu Boden gesunken sind, dort nur Pflanzen als Nah- rung. Dafs bei hungernden Trichosphaerien die Excretkörner verschwin- den, ist verständlich (vergl. das Capitel über das Verhungern). Auch Schewiakoff(93) erhielt bei Paramaecium gröflsere Exeretkörner, wenn er in seiner Heu-Infusion ein Stück Fleisch abkochte. Er gibt auch eine plausibele Erklärung für diese Thatsache, die auf Trichosphaerium eben- falls angewendet werden kann. »Bekanntlich enthalten die Muskeln ge- lösten phosphorsauren Kalk (in der Fleischasche 3.19 Procent phosphorsaurer Generationswechsel von Trichosphaerüum sieboldi Schn. 53 Kalk), welcher bei der Nahrungsaufnahme in die Nahrungsvacuolen aufge- nommen wird und daselbst bei der Verdauung (Entziehung von Verdauungs- stoffen) sich in Krystallen ausscheidet«. 5. Verschiedene Körnchen, Fett,’ Reservestoffe u.s.w. Von den zahlreichen körnerartigen Bildungen, die sich in der Grundsubstanz des Plasmas suspendirt befinden, läfst sich wenig sicheres aussagen, weil unsere Kenntnisse über die chemische Natur der feinsten Stoffwechselpro- duete nur sehr geringe sind. Überdiefs läfst die mikrochemische Methodik uns bei den Eiweilsstoffen fast ganz im Stiche. Am leichtesten erkennbar sind noch fettartige Stoffe durch die Ös- miumreaction. Auch bei Trichosphaerium finden sich bisweilen im Plasma kleine kugelige Tröpfehen von ı-2 u Grölse und starkem Lichtbrechungs- vermögen, die bei Osmiumbehandlung schwarz werden und in Alkohol und Aether löslich sind. Doch finden sich solche Fetttröpfehen nur selten und spärlich bei diesem Rhizopoden, obwohl ich zahlreiche Individuen in ver- schiedenen Entwickelungsstadien daraufhin untersucht habe. Wenn sie vor- handen waren, kamen sie nur vereinzelt im Plasma zerstreut vor; grolse Öltropfen, wie man sie bei zahlreichen Schliekbewohnern vorfindet, habe ich bei Trichosphaerium nicht beobachtet. Den Fettkügelchen ähnliche Körnchen, die sich aber mit Osmiumsäure nicht sehwärzen und in Alkohol und Aether erhalten bleiben, finden sich stets in reichlicher Menge im Plasma. Sie besitzen nicht so starkes Licht- breehungsvermögen wie die Fettkörner, sind kugelig oder oval, 1-2 u grols und bald in den Ecken zwischen den Plasma-Alveolen einzeln oder in klei- nen Häufchen gelagert, bald bilden sie ganze Inseln im vacuolären Plasma. Es scheinen plasmatische Bildungen zu sein, wenigstens spricht hierfür die Thatsache, dafs sie sich’ mit allen Farbstoffen stets ebenso wie die Substanz der Alveolenwände färbten. Rhumbler (94) beschreibt bei Saccammina ganz ähnliche Körperchen und macht den interessanten Versuch, sie aus der Wabenstruetur des Plas- mas abzuleiten. Er bezeichnet sie als »Wabenkörperehen« und glaubt, dafs sie aus Confluenz der Wandmasse geplatzter Vacuolen entstanden sind. Da Rhumbler nur conservirtes Material besafs, kann die Möglichkeit, dafs die Conservirung derartige Körnchen durch Zerstörung von Alveolen hervorgebracht hat, nicht von der Hand gewiesen werden. Er fafst diese Möglichkeit auch in’s Auge, hat aber einen etwas anderen Gedankengang. 54 F. Scuauvınn: Es ist ihm sehr wahrscheinlich, dafs man die Wabenkörperchen in der lebenden Sarkode nicht antreffen wird. Hier werden dieselben jedenfalls sehr rasch sich mit der Wandmasse noch ungeplatzter Vacuolen vereini- gen, so dafs ihre Existenz sich vielleicht wegen der Schnelligkeit, mit der sie verschwinden, nicht beobachten läfst. So weit kann ich diesem Autor beistimmen; wenn er aber meint, dafs der Alkohol (und sein Ma- terial war nur in 7oprocentigem Spiritus conservirt) die Verschmelzungs- erscheinungen festgehalten hätte, die im Leben ungemein schnell verlau- fen dürften, so mufs ich hiergegen anführen, dafs nach meiner Erfahrung Alkohol allein bei Saccammina ebenso wenig wie bei anderen Rhizopoden das Plasma gut fixirt, sondern stets bedeutende Schrumpfungs -Erschei- nungen hervorruft. So denke ich mir auch bei Saccammina die Waben- körperchen durch Schrumpfung von Alveolen entstanden. — Für Tricho- sphaerium trifft diese Erklärung nicht zu, weil die fraglichen Körperchen auch im lebenden Plasma vorhanden sind, und zwar nicht verschwinden und wieder auftauchen, sondern lange Zeit an derselben Stelle zu beobachten sind. Ich möchte diese Gebilde daher am ehesten für körnig structurirtes Plasma halten, obwohl auch die Ansicht, dafs es Stoffwechselproducte, etwa Reservestoffe, sind, nicht ganz von der Hand zu weisen ist, namentlich mit Rücksicht auf ähnliche körnige Gebilde im Plasma der Coceidien, die sogenannten karmino- philen Granula, die sich ebenfalls gegen Farbstoffe wie das Plasma verhalten. Mit mehr Sicherheit als Reservestoffe anzusprechen sind Gebilde, die sich nur bei bestimmten Entwickelungsstadien des Trichosphaerium finden. Bei der Eneystirung der Schizonten und bei der Sporulation der Sporonten treten im Plasma zahlreiche stark lichtbrechende Körnchen auf, die dann bei der weiteren Entwickelung der Cysten und der Schwärmer wieder ver- schwinden, also wohl resorbirt werden. Über die chemische Natur dieser Körnchen habe ich verschiedene Re- actionen auf Eiweilsstoffe vorgenommen: ı. in Jodlösung färben sie sich gelb bis braun, Pikrinsäure färben sie sich gelb, 3. in Millon’s Reagens' färben sie sich ziegelroth, 4. in Haematoxylin-Eosin färben sie sich roth, 5. in Flemming's Dreifarbengemisch” färben sie sich orange. D mr BD ! Quecksilber 10°, rauchende Salpetersäure roCem, Wasser 2otem, ° Safrauin — Gentianaviolett — Orangegelb. Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Schn. 55 Sie sind leicht löslich in Ammoniak, Mineralsäuren und Essigsäure; unlöslich in Wasser, Glycerin, Alkohol und Aether. Ihre chemische Zu- sammensetzung scheint demnach mit den Proteinkrystalloiden übereinzu- stimmen, die ja auch meistens als Reservestoffe funetioniren. Trotz des gleichartigen Verhaltens gegen die hier aufgezählten Farbstoffe und Rea- gentien scheinen doch die Reservekörnchen der Schizonten und Sporonten nicht identisch zu sein, was daraus hervorgeht, dafs die letzteren bei Le- bendfärbung mit Bismarekbraun tief braun gefärbt werden, während die ersteren farblos bleiben. 6. Commensale Algen (Zooxanthellen) (Fig.ı2, ı3 Taf. IV; Fig.52-57 Taf.VI). Labbe (95) gibt an, bei Triehosphaerien in Roscoff Zooxanthellen beobachtet zu haben. Aufser dieser Behauptung findet sich Näheres über diesen Gegenstand nicht in der Litteratur. In der That findet man nicht selten Trichosphaerien, die zahlreiche braune, kugelige oder ovale Zellen enthalten, «die grofse Ähnlichkeit mit gewissen commensalen Algen besitzen, die man unter dem Sammelnamen »Zooxanthellen« bei zahlreichen Proto- und Metazoen beschrieben hat. Bei Trichosphaerium findet man diese Zellen jedoch durchaus nicht immer, son- dern es scheinen nur gelegentliche Mitbewohner des Weichkörpers (dieses Rhizopoden zu sein. Ich habe sie nur in den vegetativen Stadien der Schizonten und Sporonten häufiger beobachtet. Beim Beginn der Fortpflan- zung scheinen sie, wie alle übrigen Fremdkörper, vom Weichkörper aus- gestolsen zu werden, während ich bei hungernden Thieren wiederholt be- obachtet habe, dafs die braunen Zellen im Schwärmerzustand den Wirth verliefsen, wie weiter unten genauer geschildert werden soll. Obwohl doch Trichosphaerium sonst alles mögliche frifst, habe ich nie eine Andeutung davon gesehen, dafs auch diese braunen Zellen verdaut werden; man fin- det sie stets unversehrt im Plasma, selbst bei hungernden Individuen. Obwohl auch bei Rhizopoden (s. str.) in zahlreichen Fällen Zooxan- thellen beobachtet sind, fehlen doch genauere Angaben über diese Gebilde in dieser Protozoengruppe vollständig. Meistens geben die Beobachter nur an, dafs sie braune oder gelbe Einschlüsse des Protoplasmas gesehen hät- ten, die man vielleicht als Zooxanthellen ansprechen könnte. Dafs es sich wirklich darum handelt, wurde bewiesen nur in ganz wenigen Fällen, meines Wissens nur in drei: von Brandt (83) bei Globigerina und von Bütschli (86) bei Orbitolites und Peneroplis. In allen drei Formen waren 56 F. ScsAuDınn: aber die Gebilde sehr von einander verschieden, so dafs ich nicht glaube, dafs man sie in einer Algengattung unterbringen kann. Überhaupt sind die unter dem Namen »Zooxanthella« bekannten Gebilde sehr verschiede- ner Natur; daher war es nothwendig, die braunen Zellen von Trichosphae- rium genauer zu untersuchen, um zu sehen, ob sie zu bekannten commen- salen Algen Beziehungen aufweisen. Die braunen Zellen von Trichosphaerium, die regellos durch das ganze Plasma zerstreut sind, besitzen einen Durchmesser von 6-15u und zeigen im Leben eine braune bis braunviolette Farbe. Dieselbe stimmt ziemlich genau mit der Farbe überein, die F. E. Schulze (78) bei den Zooxan- thellen von Hircinia variabilis beschrieben hatte, wie ich mich selbst an frischen Hircinien überzeugen konnte." Im Übrigen sind die Formen aber nicht identisch, wie aus der folgenden Beschreibung hervorgehen wird. Die Zellen besitzen eine starke, doppelt conturirte Membran, die bei kleineren farblos, bei grofsen leicht bräunlich gefärbt erscheint. Die Mem- bran färbt sich mit Jod und Schwefelsäure blau. In Salzsäure quillt sie stark auf und nimmt bei darauf folgendem Zusatz von Jodjodkalium tief violette Färbung an. In concentrirter Schwefelsäure löst sie sich vollständig. Im polarisirten Licht erscheint sie deutlich doppelt breehend. Bei grofsen Zellen kann man bisweilen eine undeutliche concentrische Schichtung be- obaehten. Aus diesen Angaben folgt, dafs die Membran aus Cellulose _ besteht. Der braune Farbstoff ist an zwei Chromatophoren gebunden, die dicht unter der Membran, fast die ganze Oberfläche der Zelle einnehmend, ge- lagert sind (Fig. 12). Sie haben die Gestalt von zwei Kugelcalotten und lassen nur einen schmalen Ring von farblosem Plasma zwischen sich auf dem Aequator der Zelle frei. Ihre Abgrenzung gegen das Zellinnere ist wegen des starken Lichtbrechungsvermögens des körnigen Plasmas nicht zu erkennen. Bei Behandlung mit Alkohol wird, wie bei den Zooxanthel- len der Actinien (nach Brandt [83]), zuerst ein rother Farbstoff ausge- zogen, während der zurückbleibende grüne Farbstoff länger der Lösung widersteht. Derartige Chromatophoren sind meines Wissens noch nicht bei Zooxan- thellen beobachtet, obwohl abgegrenzte Farbstoffkörper bei den gelben Zel- " Eine goldgelbe Farbe, wie sie Brandt (a.a. ©.) hier beschreibt, habe ich nicht be- obachten können. Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Schn. 57 len der Anthozoen nach Brandt vorkommen sollen; doch finde ich keine Angaben über Gestalt und Zahl der Platten, vermag daher nicht zu sagen, ob sie ähnlich denen von Trichosphaerien sind, auch aus den Abbildungen ist nichts hierüber zu entnehmen. Das Plasma der braunen Zellen enthält stets eine Anzahl stark licht- brechender Körner; ein Theil derselben färbt sich mit Jod blau, ist also Stärke. Diefs ist ein wichtiger Unterschied von den Zooxanthellen der Ac- tinien, mit denen die braunen Zellen von Trichosphaerium grofse Ähnlich- keit, besonders in Bezug auf den Farbstoff und die Gröflse besitzen. Dort kommt nämlich stets nur ein einziges groflses hohles Stärkekorn vor, das etwas andere chemische Zusammensetzung besitzt, auch nicht doppelt brechend wie echte Pflanzenstärke ist. Es färbt sich nämlich mit reinem Jod nicht blau, sondern gelb oder braun. Brandt hat die Ansicht, dafs es aus einer anderen Modification der Stärke besteht. Ein Theil der Körnchen bei den Trichosphaerium-Zooxanthellen, die ebenso wie die Stärkekörnchen doppelt brechend sind, wird durch Jod- behandlung nicht verändert. Brandt, welcher feststellte, dafs derartige Körnchen bei fast allen Zooxanthellen vorkommen, hält sie für Assimila- tionsproducte, weil sie bei intensiver Belichtung der Organismen zahlreicher wurden. Bei Trichosphaerium besitzen sie grofse Ähnlichkeit mit den Exeret- körnchen, mit denen sie auch im Verhalten gegen Säuren und Alkalien über- einstimmen, soweit sich diefs bei der Kleinheit dieser Bildungen ermitteln läßst; es dürfte daher nicht unmöglich sein, dafs es ähnliche Bildungen sind. Die braunen Zellen besitzen einen ziemlich grofsen kugeligen Zellkern, der fast stets im Centrum der Zelle liegt. Im Leben erscheint er als helle Blase mit einem deutlichen stärker lichtbrechenden Binnenkörper. Am con- servirten und gefärbten Objeet tritt ein deutliches chromatisches Netzwerk hervor, das ich für den optischen Ausdruck eines Alveolenwerks halte. Die braunen Zellen vermehren sich durch Zweitheilung, wie diefs ja von vielen Zooxanthellen bekannt ist; daher will ich nieht näher hierauf eingehen. Über die vorausgehende Kerntheilung ist jedoch meines Wissens nichts Näheres bekannt geworden; daher dürften einige Angaben hierüber von Interesse sein. Der ruhende Kern besitzt Kugelgestalt. Eine Membran vermochte ich mit den stärksten Vergrölserungen nicht wahrzunehmen. Untersucht man den mit Haematoxylin gefärbten Kern mit sehr starken Vergröfserungen, Phys. Abh. nicht zur Akad, gehör. Gelehrter. 1899. 1. be) 58 F. Scuaupınns: so erscheint er vollständig und gleichmäfsig erfüllt von einem feinen, stär- ker gefärbten Netzwerk, das ich für den optischen Durchschnitt eines Al- veolensystems halte; die Knotenpunkte des Netzwerks sind verdickt und am stärksten gefärbt; es macht den Eindruck, als ob hier noch besondere Körn- chen eingelagert wären, indessen mufs ich die(s, der grolsen Kleinheit dieser Structuren wegen, unentschieden lassen. An der Oberfläche bilden die Maschen einen mehr oder weniger deutlichen Alveolarsaum, ebenso läfst sich dies um den stets in der Einzahl vorhandenen Binnenkörper beob- achten. Der letztere liegt nicht immer central, sondern bisweilen excen- trisch, ja sogar an der Peripherie. Er besitzt kugelige oder ovale Gestalt, zeigt bedeutendes Lichtbrechungsvermögen und ist besonders stark mit Eisenhaematoxylin färbbar. Er behält bei Extrahiren den Farbstoff länger als das chromatische Gerüstwerk (Fig. 55 Taf. VI). Netzartige Kernstructuren sind bei Zooxanthellen bereits von Brandt beobachtet, sollen aber selten sein (nur bei den gelben Zellen von Convo- luta). Meist sind nach diesem Autor die Kerne homogen. Es ist mir wahr- scheinlich, dafs diese Homogenität entweder durch die Fixirung hervorge- bracht oder bei Anwendung zu schwacher Vergröfserungen vorgetäuscht ist; ich finde die netzige Struetur bei den Zooxanthellen der Foraminiferen auch stets sehr deutlich. Die ersten Anzeichen für den Beginn der Kerntheilung sind eine Ab- plattung des kugeligen Kerns und die Verdoppelung des Binnenkörpers. Es ist mir wahrscheinlich geworden, dafs der letztere sich durch einfache Durehschnürung theilt, weil ich bisweilen hantelförmig gestaltete Körper- chen sah. Gleichzeitig hat eine Umlagerung des Alveolenwerks stattge- funden; die vorher unregelmäfsig durch den Kernraum vertheilten Alveolen haben sich zu parallelen Maschenzügen angeordnet, die durch den ganzen Kern von dem einen abgeplatteten Pol zum anderen ziehen. Besondere Diffe- renzirungen an den Polen, wie Polplatten und Protoplasmakegel, sind nicht zu beobachten. Die Structur des Kerns erinnert auf diesem Stadium sehr an die Bilder, die Lauterborn (95) bei der Kerntheilung von Ceratium be- obachtete. Er beschreibt auch, dafs der Kernraum von parallelen. Chro- matinfäden durchzogen wird, die zarte Verbindungsfäden zwischen sich er- kennen lassen, und falst die Structur ebenfalls als alveolär auf. Ein weiteres Stadium der Kerntheilung zeigt Fig. 56 Taf. VI; der Kern- hat sich bereits bedeutend in der Richtung der Kerntheilungsaxe in die Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Schn. 59 Länge gestreckt. Die Maschenzüge haben sich in der Aequatorialzone ge- theilt und bilden zwei durch eine ungefärbte Zone getrennte Abtheilungen; beim weiteren Auseinanderrücken derselben nimmt der Kern eine sanduhr- förmige Gestalt an. Die Nucleolen sind als stäbehenförmige Gebilde zwischen den Maschenzügen des Chromatins zu erkennen. Das am meisten vorge- schrittene Stadium der Kerntheilung, welches ich beobachten konnte, ist in Fig. 57 Taf. VI abgebildet; die chromatischen Theile haben sich schon be- deutend von einander entfernt. Im ungefärbten Abschnitt der Kernspindel ist genau in der Mitte zwischen den beiden Kernpolen eine intensiv färb- bare Platte aufgetreten, die auf der Theilungsaxe des Kerns senkrecht steht. Dieselbe dürfte ein ähnliches Gebilde sein wie die sogenannte »Zwischen- platte« Stra(lsburger’s. Sie bezeichnet die Ebene, in welcher die Tren- nung der beiden Tochterzellen erfolgt. Man kann sie noch deutlich nach- weisen, wenn die Scheidewand zwischen den beiden Zellen schon ausge- bildet ist; sie liegt als linsenförmiger Körper im Centrum derselben. Auf diesem Stadium haben die Tochterkerne bereits wieder die Structur des ruhenden Kerns angenommen (Fig. 54 Taf. VD. Die Art der Kerntheilung, welche hier nur in wenigen Stadien ge- schildert werden konnte, kann man wegen der charakteristischen fädigen Umlagerung des Chromatins nicht als direete ohne weiteres bezeichnen. Ebenso wenig ist es aber eine typische Mitose. Ich möchte sie, wie zahl- reiche Kerntheilungsmodi der Protozoen, die in den letzten Jahren bekannt geworden sind, als eine Zwischenstufe der mitotischen und amitotischen Kerntheilung auffassen und sie am ehesten mit der Kerntheilung von Cera- tüum nach Lauterborn (95) vergleichen, möchte aber bezüglich des Binnen- körpers die Muthmafsung aussprechen, dafs er eine ähnliche Rolle spielt wie das »Nucleolo-Centrosoma« bei verschiedenen Amoeben und Flagellaten. Bei anderer Gelegenheit werde ich eingehender auf diese Frage, die für die Phylogenie der Kerntheilung von Wichtigkeit ist, zurückkommen. Bereits am Anfang dieses Capitels wurde erwähnt, dafs bei hungernden Triehosphaerien die Zooxanthellen die Thiere als Schwärmer zu verlassen im Stande sind. Ich habe viermal Gelegenheit gehabt, diesen Vorgang zu beobachten, und will ich etwas näher darauf eingehen, weil es für die Frage nach der Zugehörigkeit der Zooxanthellen von Wichtigkeit ist. Bei meinen Hungereulturen schlüpften die Zooxantheillen stets auf dem Stadium der Degeneration aus, in welchem fast alle Nahrungsreste ausge- gr 60 F. ScHAUDInN: stofsen waren und das Plasma anfieng, grob vacuolisirt zu werden (vergl. das Capitel über Verhungern). Die Kerne zeigten schon den Beginn der Zusammengruppirung in kleine Häufchen. Das erste Anzeichen, dals eine Zooxanthelle bald ausschlüpfen wird, besteht in einer rotirenden. Bewegung des Plasmas innerhalb der Zellulosehülle. Wenn diese ziemlich lebhafte Ro- tation eine kurze Zeit (etwa ıo Minuten) angedauert hat, platzt plötzlich die Membran an einer Stelle, und aus dem mit zackigen Rändern. versehe- nen Rifs drängt sich teigartig das Protoplasma heraus und kriecht nach Art einer Amoebe in Gestalt eines ovalen braunen Klümpchens aus dem Wirthsthier heraus (Fig. ı3 Taf. IV). Das Kriechen hat grofse Ähnlichkeit mit der Bewegung von Amoeba limax unter lebhaftem Vorwärtssprudeln des Protoplasmas. Nachdem der kleine Plasmaklumpen eine Weile umherge- krochen ist, tritt allmählich Ruhe in seinem Plasma ein; er nimmt ovale Gestalt an und bildet an einer Seite dicht unter dem Pole des Ovoids eine seichte Vertiefung. Ganz unmerklich erheben sich vom Grunde dieser Grube zwei hyaline Fortsätze, die sofort vom Beginn ihrer Erhebung an in leb- haft flirrender Bewegung sind, immer länger werden und schliefslich zwei gleich lange Geifseln darstellen. mit deren Hülfe die zum Schwärmer ge- wordene Zooxanthelle sich fortbewegt. Gleichzeitig mit der Erhebung des Plasmas und seiner Umbildung zu Geiflseln bildet sich vom Grunde der Einsenkung eine schlundartige Röhre, die etwas gebogen eine kurze Strecke in das Plasma sich erstreckt. Bei der Beobachtung dieser Erscheinungen kam mir unwillkürlich die Idee, dafs die Geifselbildung und die Schlund- entstehung in ursächlichem Zusammenhang stehen, etwa derart, dafs beim Hervorwachsen der Geifseln das Material hierzu den Defeet der Schlundröhre erzeugt. Eine Rolle bei der Ernährung spielt diese Röhre wohl ebenso wenig hier wie bei zahlreichen anderen holophytisch lebenden Flagellaten. Die Chromatophorenplatten sind dorsal und ventral (ventral die Schlund- seite) dieht unter der Oberfläche gelagert. Sie zeigen genau dieselbe Ge- stalt und Anordnung wie die entsprechenden Gebilde bei den Angehörigen der Flagellatengattung Oryptomonas, mit denen die Schwärmsporen auch in Bezug auf Gestalt, Schlund und Geifseln übereinstimmen, so dafs ich glaube mit grofser Wahrscheinlichkeit die Schwärmer in diese Gattung stellen zu können. Ich komme demnach zu dem Resultat, dafs die Zooxanthellen von Tri- chosphaerium nieht Algen, etwa Melanophyceen (nach Brandt) sind, son- Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Schn. 61 dern Ruhestadien von Flagellaten, die ich zur Gattung Cryptomonas stelle und provisorisch mit dem Speciesnamen Cr. brandti zu Ehren des Erfor- schers der Zooxanthellen belege. Provisorisch nenne ich den Namen darum, weil es nicht ausgeschlossen ist, dafs eine genaue Untersuchung des Zeu- gungskreises der Cryptomonadinen vielleicht eine Identifieirung mit einer schon bekannten Species möglich macht; vor der Hand ist diefs aber bei unseren geringen Kenntnissen von den Lebensschicksalen der Flagellaten nicht möglich. Sehr gut mit meiner Auffassung stimmt die Kerntheilung überein. die, wie bereits früher erwähnt, aufserordentlich an die Kernthei- lungen der frei lebenden Flagellaten erinnert. Ähnliche Umbildung der Zooxanthellen in Schwärmer, wie sie hier ge- schildert wurden, hat Brandt (83) bei den von den Tri hosphaerium-Com- mensalen sehr abweichenden gelben Zellen der koloniebildenden Radiolarien eonstatirt. Er nannte diese Form zuerst Zoowanthella nutrieula (1881), wies dann aber (1884) darauf hin, dafs das Schwärmerstadium grolse Ähnlich- keit mit Exwviaella marina besitzt, einer Flagellate. die Cienkowski (81) im Weifsen Meere entdeckte. Klebs (84) zeigte dann, dafs Exwviaella wahr- scheinlich identisch ist mit Dinopy.xis laevis Stein einem Dinoflagellaten, so dafs also Brandt zu dem Resultat kommt, dals die gelben Zellen von Radiolarien nur Ruhezustände der Peridinee Dinopyxis mit grolser Wahr- scheinlichkeit sind. Für die gelben Zellen von Acanthometra suchte Brandt (83) Bezie- hungen zu ganz anderen Organismen wahrscheinlich zu machen, nämlich zu den räthselhaften Labyrinthuleen, die Cienkowski (67) entdeckt hatte. Besonders stützt er sich hierbei auf den Stärkegehalt, die gelbe Färbung und die spindelförmige oder ovale Gestalt der Zellen von Labyrinthula vi- tellina Cienk., die gewisse Ähnlichkeit mit den spindelförmigen Commen- salen von Acanthometra zweifellos besitzen. Sicher scheint mir diefs aber durchaus nicht zu sein, um so weniger, als ich bei der nahe verwandten Labyrinthula macrocystis Cienk. mich davon überzeugen konnte, dafs diese Form ein an und in Algen schmarotzender Rhizopode ist; der Stärkegehalt derselben rührt aus den verzehrten Algen her, wie ich in einer besonde- ren Arbeit, die über die Organisation dieses Wesens handeln wird. nach- weisen werde. Als allgemeines Resultat dieser Betrachtungen ergibt sich die That- sache, dafs man über die Natur und systematische Stellung der Zooxan- 62 F. Scuaupınn: thellen erst aus ihrem freilebenden Stadium Aufklärung erlangen kann. Ferner lehren schon Brandt’s Untersuchung über die gelben Zellen der Radiolarien und meine hier vorliegende über die Commensalen von Tricho- sphaerium, dafs die unter dem Namen »Zoozxanthella« zusammengefalsten Gebilde sehr verschiedener Natur und Herkunft sind. Hier eröffnet sich noch ein weites Feld der Untersuchung sowohl für den Botaniker als den Zoologen. b. Die Grundsubstanz des Weichkörpers. Während die älteren Protozoenforscher die Substanz, welche die ver- schiedenen geformten Inhaltsgebilde des Weichkörpers verbindet, für durch- aus gleichartig hielten und sie deshalb »homogene Grundsubstanz« der Sarkode nannten, haben die neueren Untersuchungen, die mit stärkeren Vergröfserungen und besseren technischen Hülfsmitteln arbeiteten, erkannt, dafs auch diese Substanz in vielen Fällen noch zusammengesetzter Art ist oder wie man auch sagte »eine feinere Struetur besitzt«.' Zunächst glaubte man, dals diese Struetur in einer sehr gleichmälsigen Granulirung bestehe. In neuerer Zeit suchte man aber, offenbar unter dem anregenden Einflufs der Plasmatheorien von Fromman, Bütschli, Flemming und Anderen, eine eomplieirtere Structur nachzuweisen. Bei den Rhizopoden kommen die meisten neuesten Untersucher, von denen ich nur Bütschli, Erlanger, Lauterborn, Rhumbler, Schaudinn, Schewiakoff erwähne, über- einstimmend zu dem Resultat, dafs die feinste noch sichtbare Strucetur des Protoplasmas eine alveoläre im Sinne der Bütschli’schen Wabentheorie sei, was sogar von heftigen Gegnern dieser Theorie, wie z.B. Flemming, anerkannt wurde. Im Wesentlichen zeigt die Grundsubstanz des Weichkörpers von Tricho- sphaerium ähnlichen Bau, wie ich (95) ihn eingehend bei der Foraminifere Caleituba beschrieben habe. Die Auffassung von der Structur, welche ich mir dort gebildet habe, gilt auch für Trichosphaerium. Es ist folgende: die Grundsubstanz ist aus zwei optisch-differenten Bestandtheilen zusammen- gesetzt. Eine stärker licehtbrechende und eine hellere Substanz sind in Form " Nach meinem Sprachgefühl eine etwas schiefe Ausdrucksweise, weil man bei Flüssig- keiten, deren das Protoplasma doch eine ist, nicht von Structur zu sprechen pflegt. Doch hat sich der Ausdruck zu sehr eingebürgert, um ihn mit Erfolg durch einen anderen, etwa »Zusammensetzung« oder »Aufbau«, zu ersetzen. Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Schn. 63 einer Emulsion durch einander gemengt, doch in äufserst feiner und gleich- mälsiger Weise. Die hellere Substanz erfüllt in Tröpfehenform die stärker lichtbrechende so vollständig, dafs die letztere optisch nur als das Faden- werk eines feinen Netzes erscheint, während die hellen Tropfen die Maschen- räume bilden. Dafs die stärker lichtbrechende Substanz nicht eine feste Structur be- sitzt und etwa ein spongiöses Gerüstwerk darstellt, beweist die Thatsache, dafs die hellen Tröpfehen ihre Gestalt und Anordnung, wenn auch äulserst langsam, ändern, was nur möglich ist, wenn sie in eine flüssige Masse ein- gebettet sind. Das starke Liehtbrechungsvermögen dieser Substanz deutet wohl eine zähtlüssige Consistenz an. Am lebenden Thier überzeugt man sich am leichtesten von der Alveolar- struetur des Protoplasmas bei den Sporonten; wenn dieselben sich flach auf dem Deckglas ausgebreitet haben, vermag man an den dünnen Rand- partien des Weichkörpers die Vacuolisirung ausgezeichnet zu studiren. Triehosphaerium ist für das Studium der feinsten Plasmastructuren beinahe ein noch günstigeres Objeet als die Foraminiferen, weil das Plasma hier nur äufserst langsam sich bewegt, während bei jenen, wie ich bei Caleituba nachgewiesen habe, sehr lebhafte Strömungen fortwährend das Bild ändern. Diesem Vortheil steht allerdings ein kleiner Nachtheil gegenüber. Bei den Foraminiferen ist nämlich das Lichtbrechungsvermögen des Alveoleninhalts sehr viel geringer als das der Wandsubstanz, während bei Trichosphaerium dieser Unterschied etwas weniger stark ausgeprägt ist; daher erscheint das Netzbild bei letzterem Rhizopoden etwas blasser. Indessen kann man auclı hier durch geeignetes Abblenden (was nicht ganz leicht ist) sehr scharfe und klare Bilder erhalten. Als Lichtquelle ist besonders Gasglühlicht oder noch besser Zirkonlicht zu verwenden, mit letzterem kann man noch bei 3000facher Vergrösserung gut arbeiten; Tageslicht ist für das Studium der- artiger Strueturen nicht zu verwenden. Bei conservirten und gefärbten Thieren ist die alveoläre Structur der Grundsubstanz naturgemäfs leichter zu erkennen als beim lebenden Thier; dafs bei Anwendung meiner Fixirungsmfittel (Sublimatmischungen) die Struc- tur jemals verändert war, habe ich nicht beobachtet, vielmehr habe ich mich durch genaue Messungen überzeugt, dafs keinerlei Schrumpfung eintritt. Beim gefärbten Object treten besonders deutlich als stärker tingirte Punkte die Knoten des Maschenwerks hervor. Ob hier besondere Körnchen 64 F. Scuaupvıns: liegen oder nur die Alveolenwandsubstanz stärker angehäuft ist, läfst sich hei der Kleinheit der Bildungen schwer nachweisen. Dafs wirklich beson- dere körnige Bildungen, die sich ebenso wie die Wandsubstanz der Alveo- len färben, nieht nur in den Knotenpunkten der Maschen, sondern auch gehäuft als kleine Körnerinseln zwischen den Alveolen vorkommen, ist be- reits früher gesagt worden (vergl. das Capitel über Körnerbildungen). Doch sind die Bildungen von constanter, ziemlich bedeutender Grölse (1a) und nicht mit den kleinen Knotenpunkten des Maschenwerks zu verwechseln. Die Frage, ob es besondere Structuren des Plasmas oder Stoffwechselproduete sind, ist auch in jenem Capitel disceutirt worden, konnte aber nieht mit Sicherheit entschieden werden. | Als sehönste Färbung für die feinste Plasmastructur erwies sich die Eisenhaematoxylinfärbung nach Heidenhain; fast ebenso gute Bilder er- gab aber auch Fixirung mit Flemming’s Chromosmiumessigsäure und Nach- behandlung der Schnitte mit Holzessig (nach von Mährenthal). Die Untersuchung der verschiedenen Entwickelungsstadien von Tricho- sphaerium ergab bezüglich der Alveolarstructur der Grundsubstanz keine Unterschiede, und ist daher eine besondere Besprechung derselben über- flüssig. Nur auf einige Unterschiede gegenüber den Foraminiferen will ich noch hinweisen. Die Grölse der Alveolen ist! bei Trichosphaerium stets sehr gleichmälsig (+-1u), viel constanter als bei Calcituba und anderen Thalamophoren. Dort liefsen sich alle Übergänge von den kleinsten Alveolen (4u und kleiner) bis zu grolsen (204 und gröfser) Vacuolen nachweisen, und auch Zusam- menfliefsen kleinerer zu gröfseren konnte beobachtet werden. Hier finden sich zwar auch grofse Flüssigkeitsvacuolen, doch deutet schon ihr heller, viel schwächer lichtbrechender Inhalt darauf hin, dafs es andersartige Bil- dungen sind als die kleinen Plasma-Alveolen (vergl. das Capitel über die Vaeuolen). und die Entstehung solcher Vacuolen durch Vereinigung der klei- nen Alveolen konnte ich niemals beobachten und auch keine Übergänge zwischen den beiden Bildungen auffinden. Dort war das ganze Protoplasma fortwährend in lebhafter Strömung begriffen, und wechselten die Alveolen jeden Augenblick ihre Lage zu ein- ander; hier kann man sich nur mit grofser Mühe, mit Hülfe des Zeichen- apparats, davon überzeugen, dafs überhaupt Verschiebungen im Protoplasma stattfinden. Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Schn. 65 Über die Umordnung des Alveolenwerks zu faserig-maschigen Strue- turen und über die hyaline Grundsubstanz an den Pseudopodienöffnungen wird das Capitel über die Pseudopodien nähere Angaben enthalten. ec. Die Pseudopodien. Durch die Öffnungen der Hülle vermag Trichosphaerium lange, faden- förmige, drehrunde, hyaline Pseudopodien auszustrecken, und zwar tritt stets nur ein einzelner Plasmafortsatz aus jeder Öffnung heraus. Derselbe ist von seiner Basis bis zum Ende gleichmäfsig diek und endet halbkuge- lig abgerundet. Die Pseudopodien der Schizonten und Sporonten zeigen keine Unterschiede. Die Länge und Dicke derselben ist bei demselben In- dividuum fast gleich, bei verschiedenen Thieren aber variabel. Bei voll- kommen ausgebildeten Exemplaren können die Pseudopodien eine Breite von Su und eine Länge von gou erreichen. Merkwürdigerweise herrscht über die äufsere Gestalt der Pseudopo- dien, die doch der Beobachtung keine grofsen Schwierigkeiten bereitet, wenig Übereinstimmung unter den Autoren. Schneider (78) schildert sie als kurz stäbehenförmig, »nur wenig länger als die Borsten« (die Stäbehen der Hülle). Diese Angabe ist nicht richtig; vielleicht hat Schneider die Pseudopodien nur beim Beginn des Ausstreckens gesehen. Greeff (69«) und Gruber geben eine richtige Darstellung. Gruber (83) will jedoch aulser den fadenförmigen noch eine zweite Art von Pseudopodien gesehen haben, nämlich breite, lappenförmige Fortsätze, jedoch nur, wenn das Thier sich stark abtlachte. Der letztere Umstand macht es wahrscheinlich, dafs diese Bildungen durch zu starken Deckglasdruck veranlafste Kunstproducte sind, wenigstens habe ich in solchen Fällen bisweilen das Protoplasma in Lappenform aus der Hülle hervortreten sehen. Bei normalen Individuen finden sich derartige Plasmafortsätze nicht. Eine vollständig abweichende Darstellung gibt Möbius (89) von den Pseudopodien der Kieler Form. Aus den Poren der Hülle tritt das Protoplasma des Weichkörpers in der Form rundlicher Läppcehen hervor. »Das austretende Plasma ist farblos; es ent- hält feine Körnchen, oft auch Stäbchen. Die hervorkommenden Klümpchen bilden kleinere lappige einfache oder gröfsere verzweigte Massen. Diese eigenthümlichen Pseudopodien treten besonders an solchen Stellen aus den Poren der Hülle hervor, wo diese von anliegenden Pflänzchen berührt wird, Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. TI. 9 66 F. ScHuaudınn: um welche sich dann die Pseudopodien herumlagern.« Derartige Gebilde hat auflser Möbius kein anderer Autor beschrieben; auch habe ich nie- mals Ähnliches gesehen. Greeff (92) glaubt, dafs diese Plasmaklümpchen durch Deckglasdruck veranlafst seien, übersieht aber, dafs Möbius aus- drücklich angibt im hängenden Tropfen beobachtet zu haben und die Deck- gläser mit Wachsfüfschen unterstützte. Demnach ist diese Erklärung der Abweichung ausgeschlossen. Da Möbius die merkwürdigen Pseudopodien nicht nur beschreibt, sondern auch gut abbildet, kann man an ihrer Exi- stenz nicht zweifeln, und trete ich der Annahme Greeff's bei, dals Möbius eine abweichende Form (andere Art oder Varietät, vergl. den systematischen Theil) vorgelegen hat, was auch durch den Bau der Stäbehen und die Fort- pflanzung, die ebenfalls von dem typischen Trichosphaerium abweichen, wahr- scheinlich wird. Gruber (83) machte schon die Beobachtung, dafs die Pseudopodien der Trichosphaerien sich langsam hin- und herbiegen; diefs kann ich bestä- tigen. Wenn man die Thiere vollkommen ungestört im hängenden Tropfen oder Mikro-Aquarium beobachtet, bemerkt man an den Pseudopodien lang- sam nutirende Bewegungen, welche die gröfste Ähnlichkeit mit der Dreh- bewegung haben, welche ich (94) bei den Pseudopodien des Camptonema nutans beschrieben habe. Wie dort, führen auch hier nicht alle Pseudo- podien zugleich die bezeichnete Bewegung aus, sondern nur einzelne. Sie beschreiben dabei einen bald sehr spitzen, bald stumpfen Kegelmantel, d.h. sie bleiben in ihrer ganzen Länge gerade gestreckt und biegen sich nur an ihrer Basis. In anderen Fällen kann sich die Biegung aber auch auf das ganze Pseudopodium erstrecken, oder in der Mitte und selbst in der Nähe der Spitze gelegen sein. Ähnliche Pseudopodien-Bewegungen sind selten bisher beobachtet. Bütschli (78) gibt an, dafs bei Amoeba (Dacty- losphaerium?) radiosa die fadenförmigen Pseudopodien bisweilen drehende Bewegungen ausführen oder mit ihren Spitzen leicht hin- und herpendeln. Sehr ähnliche Bewegungen hat Gruber (82) bei seiner Amoeba tentaculata beschrieben; doch ist diese Form, wie bereits früher erwähnt wurde, höchst wahrscheinlich identisch mit den Sporonten von Trichosphaerium und daher die Übereinstimmung der Pseudopodien nicht wunderbar. Während die Pseudopodien bezüglich der Nutationsbewegung mit denen von Camptonema vollkommen übereinstimmen, ist ihre Structur und Function eine andere. Sie besitzen keinen Axenfaden wie die von Camptonema, son- Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Schn. 67 dern sind im Leben wie beim eonservirten Thier vollkommen hyalin; keine Spur von Körnelung ist mit den stärksten Vergrölserungen daran wahrzu- nehmen (Taf. IIf. 21, III, 3). Auch knicken sie nicht bei Berührung an der berührten Stelle plötzlich um, wie dort, sondern sie collabiren langsam, indem sie ihre glatten Conturen verlieren, und werden dann allmählich eingezogen. Ihre Oberfläche ist nicht kleberig, Fremdkörper bleiben nie daran haften. Daher vermitteln sie auch nicht die Nahrungsaufnahme, in- dem sie Nährobjecte herbeischaffen. Ebenso wenig dienen sie zur Loco- motion, die durch Dahinfliefsen des Plasmas erfolgt, wie bereits früher ausführlich geschildert wurde. Sie scheinen vielmehr nur als Tastapparate zu funetioniren, was Gruber (82) auch für seine Amoeba tentaculata als wahr- seheinlich annimmt. Er sagt z.B., dafs an dem vorantreibenden Theil des Körpers bei der Bewegung die Pseudopodien mit ihren Kegeln erhalten bleiben »und so gewissermalsen als Fühler wirken können«, eine Beobach- tung, die man bei Trichosphaerium ebenfalls leicht machen kann, und zwar sind hierbei die Pseudopodien alle nach vorn gerichtet und führen dabei ihre Drehbewegungen aus. Um etwas über den feineren Bau der Pseudopodien zu ermitteln, habe ich dieselben im Leben und conservirt mit den stärksten Vergröfserungen und nach Anwendung der verschiedensten Färbungsmethoden studirt, aber das ausgestreckte Pseudopodium stets völlig strueturlos und glasartig hyalin gefunden. Es ist sehr stark lichtbrechend, was auf eine grolse Zähigkeit hinweist. Hierin stimmt der Charakter des Pseudopodienplasmas sehr mit dem von Hyalopus überein, welches von Bütschli sehr genau studirt wurde und ihm die Umbildung von vacuolärem Plasma in hyalines bewies. Ich konnte die Beobachtungen Bütschli’s (92) an Hyalopus bei Trichosphaerium in ganz entsprechender Weise machen und will sie daher nur ganz in Kürze anführen. Bütschli sagt: »Das Einzige von Structur, was man bisweilen an stärkeren Pseudopodien wahrnehmen konnte, ist ein ziemlich dicker, dunkler Grenzsaum, welcher pelliculaartig erscheint, und darunter ein heller Rand. Beides erinnert lebhaft an eine Alveolarschicht. Mit Rücksicht auf diese Beschaffenheit der Pseudopodien verdiente ihr Ursprung aus dem al- veolären Plasma des Weichkörpers besondere Beachtung«. Sowohl am leben- den wie am eonservirten Objeet kann man sich leicht davon überzeugen, dafs die structurlose Plasmamasse der Pseudopodien direet aus der alveo- lären des Weichkörpers hervorgeht. Gegen die Basis des Scheinfülschens 9* 68 F. ScHhauvıns: zu werden die Alveolen des Plasmas immer mehr längsgestreckt und blässer, so dafs sie optisch das Bild eines nach der Basis des Pseudopodiums zu con- vergirenden Faserbündels machen. Leichter als eine Beschreibung kann Fig. 3 Taf. IV diefs Verhalten illustriren. Die Streifung oder richtiger die radiäre Anordnung der Alveolenzüge dürfte durch Flüssigkeitsabgabe des Pseudopodienplasmas mit einiger Wahrscheinlichkeit erklärt werden, in ähn- licher Weise wie die radiäre Anordnung der Plasma-Alveolen um die con- tractile Vacuole bei ihren Pulsationen. Den klarsten Beweis für die Entstehung des hyalinen aus dem alveo- lären Plasma erhält man durch direete Beobachtung der Umbildung des hyalinen in alveoläres innerhalb der Pseudopodien. Wenn. man das aus- gestreckte, vollkommen hyaline Scheinfüfschen berührt, so collabirt es, wird schlaff und nimmt eine unregelmäfsig wellige und buckelige Gestalt an, und sofort tritt in den Buckeln eine deutliche Alveolarstruetur auf, während das Liehtbrechungsvermögen an der alveolären Stelle abnimmt (vergl. Fig. 22 Taf. III), was man im Gegensatz zum Hyalinwerden des Plasmas doch am besten durch Flüssigkeitsaufnahme erklärt. Beim Hyalin- und Zähwerden des Pseudopodienplasmas wurde Flüssigkeit abgegeben (die Flüssigkeits- tröpfchen oder Alveolen verschwanden gegen das Pseudopodium zu, immer kleiner werdend), beim Collabiren wurde das Plasma flüssiger durch Auf- nahme von Flüssigkeit und Abscheidung derselben in Tröpfchenform (Wie- derauftreten der Alveolarstructur). Bütschli postulirt auch für das hyaline Plasma eine alveoläre Structur, meint nur, dafs sie mit unseren optischen Hülfsmitteln noch nicht wahrnehmbar sei. Als Beweis hierfür sieht er die Fähigkeit des hyalinen Plasmas, sich in wabiges umzubilden, und das um- gekehrte Verhalten an. Für hyalines Plasma, das schwächer lichtbrechend oder, besser gesagt, flüssiger ist als das wabige, mag diels vielleicht zu- gegeben werden können, aber für zähflüssigeres scheint mir meine Erklä- rung etwas weniger künstlich zu sein, wenn man überhaupt bei diesen Fragen von Beweisen und Erklärungen sprechen darf. Richtiger dürften wohl derartige hypothetische Erörterungen nur als Erläuterungen der Be- schreibung oder Umschreibungen der Beobachtungen aufgefafst werden. Eine mechanische Erklärung ist vor der Hand für derartige Lebenserscheinungen nicht möglich, und Hypothesen über dieselben haben nur einen gewissen heuristischen Werth. Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Schn. 69 d. Die Kerne. Bei den früheren Erforschern des Trichosphaerium finden sich keine be- stimmten Angaben über die Kernverhältnisse. Gruber (83) färbte die Thiere mit Karmin und sah bisweilen im Plasma kleine gefärbte Partikel, die er aber nicht als Zellkerne anzusprechen wagte. Möbius (89) hat bei seiner Kieler Form vielleicht schon die Kerne gesehen; nach Safraninfärbung waren zahlreiche »runde Körperchen« roth gefärbt, von denen dieser For- scher die Vermuthung ausspricht, dafs es kleine Kerne sein könnten. Nä- here Angaben finden sich nicht in der Litteratur, obwohl die Kerne nicht klein sind und leicht gefärbt werden können. Im allgemeinen sind die Kernverhältnisse von Trichosphaerium schon bei Schilderung des Zeugungskreises erörtert worden. Bei der Beschreibung der einzelnen Entwickelungsstadien finden sich stets Angaben über das Ver- halten der Kerne, über ihre Zahl, Gestalt, Gröfse und Anordnung im Proto- plasma. In diesem Capitel erübrigt es daher nur noch, eine genauere Schilderung der feineren Structur der einzelnen Kerne und der Art der Kerntheilung zu geben, die, wie bereits früher erwähnt wurde, stets in gleicher Weise erfolgt. Der feinere Bau der ruhenden und sich theilenden Kerne ist bei den Schizonten und Sporonten vollkommen gleich; deshalb ist eine gesonderte Besprechung der Kernverhältnisse bei diesen beiden Generationen überflüssig. Wie wir gesehen haben, ist Trichosphaerium während des gröfsten Theils seines Lebens vielkernig, nur die Sporogone und Schizogone besitzen einen Kern. Auch ist bereits erwähnt worden, dafs bei jeder Kernvermehrung alle Kerne sich gleichzeitig theilen, wodurch die Zahl der Kerne in einem Individuum mit einem Male verdoppelt wird. Es ist nun von besonderem Interesse, dafs diese Übereinstimmung der Lebensäufserungen der Kerne sich auch bis auf die feinste Structur erstreckt. Innerhalb eines Individuums befinden sich alle Kerne in genau demselben Stadium und weisen die gleiche Structur auf; und zwar zeigt sich diefs Verhalten in allen Entwickelungs- stadien. Bei der Kerntheilung tritt diefs besonders frappant hervor; so kann man z.B. auf dem Stadium der Tochterplatten durch ‘genaue Messung aller Kerne, die auf den Schnitten in gleicher Lage getroffen sind, nach- weisen, dafs in denselben die Tochterplatten stets gleich weit von einander entfernt sind. 70 F. ScHuauviınns: Meines Wissens ist bisher ein ähnliches Verhalten der Kerne einer Zelle nur in einem Falle beschrieben worden, und zwar bei der stets zweikernigen Amoeba binucleata Gruber. Schon Gruber (84) hatte beobachtet, dafs die Gröfse und Zahl der Chromatinbrocken in Kernen eines Individuums über- einstimmte, und schlofs hieraus »auf eine Congruenz in den Lebenserschei- nungen der beiden Nucleic. Später konnte ich (95) dann nachweisen, dals die beiden Kerne sich stets in demselben Entwickelungsstadium befanden, die gleiche Struetur besitzen und sich auch gleichzeitig mitotisch theilen, so dafs die Amoebe vierkernig wird. Hierauf theilt sich dieselbe in zwei zweikernige Stücke, woraus folgt, dafs die Zelle stets zweikernig war und dafs die beiden Kerne wie einer functionirten. Bei Trichosphaerium wird das zweikernige Stadium, auf dem Amoeba binu- cleata stehen geblieben ist, auch durchlaufen, sowohl von den Schizonten als den Sporonten (die einkernigen Schizogone wie die Zygoten werden zweikernig, dann vierkernig, achtkernig u. s. w.), doch ist es hier nur von kurzer Dauer. — Eigene Beobachtungen an verschiedenen Rhizopoden haben es mir wahrschein- lich gemacht, dafs mehrere vielkernige Protozoen eine ähnliche »Congruenz« der Kerne aufweisen, doch werde ich hierauf bei anderer Gelegenheit eingehen. Für das Studium der feineren Kernstructuren und der Kerntheilung von Trichosphaerium bietet die Übereinstimmung der Kerne eines Individuums einen Vorzug und einen Nachtheil gegenüber Objecten mit differenten Kernen. Der Vorzug besteht darin, dafs man auf Schnitten durch ein Individuum das betreffende Kernstadium sehr genau studiren kann, weil die zahlreichen Kerne in den verschiedensten Stellungen vom Messer getroffen werden. Ein Nachtheil ist es, dafs man sehr zahlreiche Thiere in Schnittserien zerlegen muls, um alle Übergänge zwischen den einzelnen Kernstadien zu erhalten. Sehr erleichtert wird diese Arbeit, wie bereits bei Angaben über die Unter- suchungsmethoden erwähnt wurde, .durch die Centrifuge.. Man kann mit Hülfe derselben unbegrenzte Mengen von Thieren zugleich behandeln und schneiden. Die Untersuchung der Serien und das Herausfinden bestimmter Stadien wird dann durch Zuhülfenahme eines verschiebbaren Objecttisches mit Nonius ermöglicht. Auf diese Weise habe ich im Laufe der Jahre gut einige Tausend Individuen auf ihre Kernstrueturen untersucht, und ich glaube wohl kaum ein Stadium übersehen zu haben. Über den lebenden Kern vermag man bei Trichosphaerium nicht viel auszusagen, weil die Kerne wegen der zahlreichen undurchsichtigen Inhalts- Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Schn. 71 gebilde des Plasmas schwer zu erkennen sind. Die Schizonten sind wegen des starken Lichtbrechungsvermögens der Hüllenstäbehen für diese Unter- suchung ganz unbrauchbar. Bei den Sporonten vermag man auch nur bis- weilen in helleren Raudpartien die Kerne zu erkennen. Am deutlichsten sind sie in den vorbereitenden Stadien der Sporogonie und in den jungen Schizonten und Schizogonen zu beobachten. Etwas weniger günstig sind wegen des starken Lichtbrechungsvermögens ihres sehr compacten Plasmas die Sporogone, doch tritt der Kern hier ebenfalls sehr klar hervor, wenn sie nach der Copulation gröber vacuolisirt werden; ich vermochte daher, wie ja bereits früher erwähnt wurde, die Kernverschmelzung ohne grofse Schwierigkeit im Leben zu beobachten. Bei schwächerer Vergröfserung er- scheint der lebende Kern als scharf begrenzter heller Fleck im Protoplasma; von Flüssigkeitsvacuolen ist er durch stärkeres Lichtbrechungsvermögen leicht zu unterscheiden. Bei Anwendung stärkster Vergröfserung und künst- lichen Lichtes (Gasglühlicht) bemerkt man, dafs derselbe eine deutlich doppelt eonturirte dünne Membran besitzt, die sich von dem Inhalt und dem um- gebenden Plasma durch etwas stärkeres Liehtbrechungsvermögen abhebt. Im Innern des Kerns befindet sich ein zartes reticuläres Maschenwerk, in dessen Knotenpunkten stärker lichtbrechende Körnchen eingelagert sind; nicht selten sind auch die Fäden des Netzwerks mit Körnchen bedeckt, während bisweilen die Structur einen vacuolären Eindruck macht, indem kleine helle Tropfen durch eine homogene oder feinkörnige Masse vertheilt sind. In manchen Kernen tritt ein gröfserer stärker lichtbrechender Bin- nenkörper hervor, um den die anstofsenden Maschen gewöhnlich radiär angeordnet sind. Auch die an der Membran befindlichen Maschen sind häufig in Gestalt eines regelmäfsigen Alveolarsaumes angeordnet, was nach Bütschli für eine alveoläre Structur spricht. Bei Zusatz von Essigsäure werden die erwähnten Structuren noch etwas deutlicher, doch nur vorüber- gehend, um sich dann aufzulösen. Für das Studium der Kernveränderun- gen sind die lebenden Kerne nicht zu verwenden, weil sich diese Processe sehr langsam abspielen. Doch zeigen sie überzeugend, dafs die Structuren, die man an gefärbten Kernen bequem studiren kann, auch im Leben vor- handen sind und nicht etwa durch die Conservirung hervorgerufen oder verändert sind. Über die besten Kernfärbungen vergleiche das Capitel über die Unter- suchungsmethoden. An den gefärbten Kernen lassen sich auf allen Stadien 72 F. ScHAuvınn: folgende Substanzen nachweisen: ı. Chromatin, kenntlich an seiner star- ken Färbbarkeit mit Kernfärbemitteln; 2. Kernsaft, nicht färbbar, schwach lichtbrechend; 3. Linin, die Gerüstsubstanz, schwach färbbar, aber stärker lichtbrechend als der Kernsaft. Ob die Substanz, aus der die Membran besteht, nur Linin ist oder eine besondere andersartige Zusammensetzung hat, wage ich nicht zu entscheiden. Für letztere Annahme spricht das Verhalten der Membran bei der Verdauung der Kerne, bei welcher das Li- nin zuerst, die Membran aber zuletzt gelöst wird, wie später aus einan- der gesetzt werden soll. Von manchen Forschern wird die Membran nur für eine Verdichtung des Kerngerüsts gehalten, wofür der Umstand spricht, dafs sie sich bisweilen auch mit Kernfärbemitteln tingirt, also wohl Chro- matin enthält. Andere, besonders Botaniker, nehmen eine besondere Sub- stanz an, die man nach Zacharias (32) als Amphipyrenin bezeichnet. In Wirklichkeit scheinen mir bei Protozoen alle Möglichkeiten realisirt zu sein. Man findet ganz membranlose Kerne, Kerne mit differenzirter Ober- flächenschicht, die bald vom Kerngerüst, bald vom Plasma oder auch von beiden zugleich geliefert wird, und schliefslich Membranen von zweifellos andersartiger chemischer Zusammensetzung. In meiner Rhizopoden-Mono- graphie werde ich näher auf dieses Object auf Grund vergleichender Stu- dien eingehen. Eine andere Substanz, die in den Kernen höherer Thiere niemals zu fehlen scheint, bei Protozoen aber nicht immer zu beobachten ist, bildet die sogenannten »echten Nucleolen«; man hat sie Paranuclein oder Pyrenin genannt. Auch Trichosphaerium besitzt nucleolenähnliche Binnenkörper in manchen Kernstadien, doch scheinen mir dieselben hier nur aus Chroma- tin und Linin zu bestehen. Sie färben sich intensiv mit sauren Farbstoff- lösungen und quellen nicht in Essigsäure, sondern gerinnen, was nicht mit den Eigenschaften des Paranucleins übereinstimmt. Es sind daher so- genannte »falsche Nucleolen«. Ich will sie mit dem ganz indifferenten Na- men »Binnenkörper« (nach Rhumbler) bezeichnen. In der Zellenlehre pflegt man den Kern in dem Zustand, in welchem er sich zwischen zwei Theilungen befindet, als »ruhenden Kern« zu be- zeichnen. Bei den meisten Protozoen befindet sich aber der Kern während dieser Phase nicht in Ruhe, sondern ändert fortwährend seine Struetur. Schon R. Hertwig (84) hat diefs bei den Kernen von Actinosphaerium richtig erkannt und in seiner celassischen Monographie klar ausgesprochen. ‘Er Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Schn. 73 sagt: »Von einem ruhenden Kern kann man streng genommen nicht re- den, weil auch in den Zwischenräumen zwischen zwei Theilungen die Kerne beständigen Veränderungen unterliegen, nur dafs dieselben sich äufserst langsam vollziehen. Man kann ihren Zusammenhang dalıer nicht durch direete Beobachtung feststellen, sondern mufs die neben einander auftre- tenden Zustände combiniren und daraus sich von der Umwandelung der Kernformen ein Bild entwerfen«. Diese Worte gelten auch für die Kerne von Trichosphaerium. Weleher Art sind nun diese Structurveränderungen? Zunächst läfst sich nachweisen, dafs eine ganze Anzahl Stadien keinerlei Beziehungen zu der Kerntheilung aufweisen und daher nicht als Vorbereitung oder Folgen derselben aufzufassen sind. Die Veränderungen dieser Stadien bestehen ı. in Umlagerungen der Kernsubstanzen, 2. in Zu- und Abnahme dersel- ben, also Vorgängen, die eher mit dem Stoffwechsel als mit der Vermeh- rung des Kerns zu thun haben. Ich möchte daher diese Stadien des so- genannten »ruhenden Kerns« als vegetative bezeichnen, im Gegensatz zu den »reproductiven«, welche Vorbereitungen zur Kerntheilung darstellen. 1. Die vegetativen Kernveränderungen. Da man eine Anzahl recht differenter Kernformen immer wieder vorfindet, so wird man zu der Vermuthung geführt, dafs alle Kerne dieselben Stadien durchmachen, und diese Annahme findet sich durch das Vorkommen aller Übergänge zwischen den differenten Stadien bestätigt. Die Gröfse der Kerne ist als Kriterium bei der Combination der einzelnen Kernformen 'nicht zu verwenden, son- dern nur die feinere Struetur. Während die Kerne eines einzelnen Indi- viduums recht eonstante Gröfse besitzen, zeigen sich bei verschiedenen Thieren und Entwickelungsstadien grofse Schwankungen hierin. Ich habe Kerne von 64 bis 2ou Durchmesser beobachtet; die kleinsten bei Sporen, die gröfsten bei Schizogonen und Sehizonten. Die Gestalt der Kerne ist nicht so grofsen Schwankungen unterworfen, sie ist meist kugelig oder oval, selten unregelmäfsig polygonal, und es läfst sich in solehen Fällen stets nachweisen, dafs abweichende Form durch den Druck umliegender Fremdkörper (Nahrungskörper, Sterkome) hervor- gerufen ist. Die Kernmembran bleibt in allen Stadien erhalten und er- leidet keine sichtbaren Veränderungen. I. Stadium. Linin in Gestalt eines gleichmaschigen feinen Ge- rüstwerks (Maschenweite ıa), Chromatin spärlich in Gestalt Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. 1. 10 14 F. ScHuaupınn: kleiner (4-ıu) Körnehen nur in den Knotenpunkten des Gerüsts. Ein ehromatischer Binnenkörper vorhanden. (Fig. r.) Von der optisch als Netzwerk erscheinenden Struetur des Linins läfst sich wegen der Kleinheit der Maschen nicht mit Sicherheit aussagen, ob sie ein Alveolenwerk oder ein fädiges Gerüstwerk darstellt. Das erstere ist mir wegen der häufig zu beobachtenden Alveolarsäume wahrschein- licher. Der Binnenkörper hat sich ebenso wie das sehr feinkörnige Chro- matin gefärbt. Derselbe liegt bald central, bald excentrisch, ist scharf conturirt und zeigt eine äufserst feine Granulirung. Im Innern machen sich ı-2 kleine helle Vacuolen bemerkbar. II. Stadium. Linin in Gestalt eines gleichmaschigen groben Gerüstwerks (Maschenweite 3-4a), Chromatin spärlich und dif- fus in den Knotenpunkten des Gerüsts. Binnenkörper fehlt. (Fig. 6.) Die Übergänge vom I. zum II. Stadium sind in den Figuren 2-5 dar- gestellt. Fig. 2. An einer Seite sind die Lininmaschen wahrscheinlich durch Flüssigkeitsaufnahme seitens des Kerns bereits vergrölsert; auch der Binnen- körper ist gröfser geworden, enthält aber mehr Vacuolen, so dafs er dif- fuser gefärbt erscheint. Fig. 3. Weiteres Fortschreiten der Maschenerwei- terung; Beginn der Auflösung des Binnenkörpers in Chromatinbrocken durch Knospenabgabe. Fig. 4. Diffuswerden des körnigen Chromatins (wahrschein- lich durch Auflösung in der Lininsubstanz); Binnenkörper sehr verkleinert. Fig. 5 leitet ohne weitere Erklärung zu Fig. 6 über. III. Stadium. Linin verdeckt, Chromatin stark vermehrt, er- füllt in feinkörnigem Zustande den ganzen Kern, nur einige gröfsere Kernsaftvacuolen (I-3u) sind darin enthalten. (Fig. 14.) Diefs Stadium, das mit dem vorigen gar keine Ähnlichkeit besitzt, wird durch die in Fig. 7-13 abgebildeten Kernformen erreicht. Das dif- fuse Chromatin (Fig.6) beginnt sich in den Knotenpunkten des Lininge- rüsts zu groben Körnern zu consolidiren, die sich dann durch Theilung vermehren, dabei kleiner werden (Fig.8) und auf das Fadenwerk übertre- ten, bis sie es ganz erfüllen und damit das Linin verdecken (Fig.9). Die Vermehrung des Chromatins schreitet fort, wobei es immer feinkörniger wird und den Kernsaft in Vacuolen zusammendrängt (Fig. ı2), die allmäh- lich kleiner werden. Während der Vermehrung des Chromatins innerhalb des Gerüstwerks ist meist nur eine feine Granulirung desselben wahrzu- Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Schn. 75 nehmen; auf manchen Stadien ordnen sich aber die Körnehen zu einer sehr feinen Netzstructur an (Fig. ı1). Von dem chromatinreichen III. Stadium wird das I. Stadium wiederum durch Auftreten vieler kleiner Kernsaftvacuolen erreicht. In Fig. 14 ist ihre Zahl noch mäfsig, das Chromatin überwiegt; Fig. 15 zeigt, wie winzig kleine Tröpfehen auftreten und allmählich das dichte Chromatin auflockern. In Fig. 16 ist schon der Kern gleichmäfsig vaecuolisirt, und seine Structur erinnert bereits lebhaft an das gleichmälsig feine Gerüst der Figur ı. Die Chromatinkörnehen vereinigen sich schon in den Knotenpunkten des Maschen- werks. Durch dichtere Anhäufung derselben an einer Stelle wird der Bin- nenkörper gebildet. Hiermit ist der Kreis vegetativer Kernveränderungen geschlossen; leider vermag man sich vorläufig noch nicht über die physio- logische Bedeutung derselben eine Vorstellung zu machen. Nur so viel dürfte plausibel sein, dafs es Stoffwechselvorgänge sind, die sich zwischen Kern und Protoplasma abspielen, denn die Flüssigkeitszunahme kann man doch nur durch Aufnahme aus dem umgebenden Plasma erklären. Ähnlich re- gelmäfsig ablaufende Kernveränderungen sind meines Wissens bei den vege- tativen Zuständen von Zellkernen bisher noch nicht beschrieben worden, doch ist es mir nach Untersuchungen an anderen Objecten schr wahrschein- lich geworden, dafs sie eine weite Verbreitung besitzen. Dafs andere Pro- tozoenforscher gelegentlich auch abweichende Stadien des ruhenden Kerns gesehen haben, geht aus der Litteratur hervor, doch haben sie meist aus Mangel an Material (denn es gehört ein sehr reiches Material hierzu) die- selben nicht zu einem einheitlichen Kreis combiniren können; zum Theil ist aber auch Schuld daran, dafs man sich bei Kernuntersuchungen mei- stens nur für die Kerntheilung interessirt und daher alle nicht hierzu in Beziehung stehenden Stadien vernachlässigt oder nur nebenher erwähnt. 2. Die reproduetiven Kernveränderungen. Dieselben gehen von dem in Fig. ı abgebildeten Stadium des »ruhenden Kerns« aus. Die erste Andeutung, dafs die Kerne sich zur Theilung anschieken, besteht in einem Zerfall des Binnenkörpers, der durch Theilung und Knospung all- mählich in kleine Chromatinpartikel aufgelöst wird (Fig. 17-20). Was diese Stadien aber scharf von -den Übergangsstadien von der I. zur II. vegetati- ven Phase trotz des ähnlichen Verhaltens des Binnenkörpers unterscheiden läfst, ist der Umstand, dafs hier die Lininstruetur feinmaschig bleibt, ja eher noch feiner und regelmäfsiger wird, während sie dort gleichzeitig 10* 76 F. Scuaupınn: mit der Auflösung des Binnenkörpers sehr grobmaschig wurde (vergl. die Figuren ı-6 mit Fig. 17-21). Ein ganz ähnlicher Zerfall des Binnenkörpers vor Beginn der Kern- theilung wurde schon von R. Hertwig (82) bei den Kernen von Actino- sphaerium beschrieben. Ich selbst (93) habe dann bei Amoeba binucleata auch eine feine Vertheilung der grofsen Chromatinbrocken beobachtet. Ab- weichend sind die Angaben, die Brauer (94) bei den Kernen der ency- stirten Actinosphaerien macht; er fand gar keinen gröfseren Binnenkörper vor, wie überhaupt nach Hertwig’s neuesten Untersuchungen (97) be- deutende Unterschiede zwischen den Kerntheilungen des freilebenden und des eneystirten Actinosphaerium bemerkbar sind. Wenn bei Trichosphaerium die chromatische Substanz sich ganz gleich- mäfsig durch den ganzen Kernraum in Gestalt feinster Körnchen, die sich nur in den Knotenpunkten des Gerüsts befinden, vertheilt hat (Fig. 21), beginnen Umlagerungen der Lininmaschen, die zu dem in Fig. 22 abgebil- deten Stadium führen. Schon in Fig. 21 bemerkt man, dafs die Maschen oder, nach meiner Auffassung, Alveolen des Linins anfangen, sich in Reihen hinter einander anzuordnen; zunächst verlaufen sie noch in maeandrischen Windungen und erinnern entfernt an die Spiremstadien bei der Kerntheilung der höheren Thiere. Allmählich bildet sich aber eine Bipolarität des Kerns dadurch aus, dafs die Alveolenzüge sich in parallele Reihen anordnen, wie Fig. 22 es zeigt. Bei offener Blende scheint der Kern, der schon eine schwache Andeutung beginnender Abplattung zeigt, von parallelen Reihen gefärbter Körnchen durchzogen, die von einem Pol zum anderen verlaufen. Erst bei günstiger Abblendung bemerkt man, dafs die Körnchen in regelmäfsi- gen Abständen in Lininfäden eingelagert sind, die an diesen Stellen feine Querverbindungen zu den benachbarten aufweisen, weshalb ich die Struc- tur für alveolär halte. Die Bildung der Aequatorialplatte. Nach Ablauf der vorbereitenden Sta- dien, die den Zweck zu haben scheinen, das Chromatin gleichmäfsig zu zerkleinern und zu vertheilen, verschmelzen die einzelnen winzigen Chro- matinkörnehen zu gröfseren stäbehenartigen Gebilden, die man im Vergleich mit der Kerntheilung der Gewebszellen als Chromosomen bezeichnen kann, wenn sie dort auch auf ganz andere Weise, nämlich durch Segmentirung eines langen Chromatinfadens gebildet zu werden scheinen. Der Chromatin- Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Schn. 77 faden selbst entsteht aber, wie bekannt, auch durch Verschmelzung klei- nerer Chromatinpartikel, so dafs der Hauptunterschied zwischen der Chro- mosomenbildung der Metazoen und des Trichosphaerium eigentlich nur in der Einschiebung eines Knäuelstadiums bei ersteren besteht, welcher Um- weg bei letzterem noch nicht eingeschlagen wird, obwohl Andeutungen dieser Vorgänge schon in der Anordnung der Maschen in maeandrischen Windungen (Fig. 20) gefunden werden können. Übrigens scheinen ähnlich primitive Verhältnisse auch bei Metazoenkernen, obwohl selten, vorzukom- men, wie die interessante Art der Kerntheilung, welche von Erlanger (97) kürzlich beim Cephalopodenkeim beschrieben hat, beweist. Die Ausbildung der Aequatorialplatte geht bei Trichosphaerium mit einer deutlichen Abplat- tung des Kerns Hand in Hand; gleichzeitig machen sich auch Verände- rungen des Liningerüsts an den Polen des Kerns bemerkbar, welche darin bestehen, dafs hier die streifig-alveoläre Anordnung verschwindet und das Kernplasma vollkommen hyalin wird. Diese structurlosen, hyalinen und etwas stärker lichtbrechenden Polkappen sind gegen das Plasma scharf ab- gegrenzt, gegen das Innere des Kerns aber nicht, sondern es ist der Über- gang in die streifige Structur ein ganz allmählicher. Hierdurch ist ein Unterschied gegenüber den Poldifferenzirungen bei Actinosphaerium, Actino- phrys, Amoeba binucleata u.s.w. gegeben, denn in diesen Fällen sind die als »Polplatten« bezeichneten Gebilde auch gegen das Kerninnere scharf abgesetzt. Ich vermuthe, dafs bei Trichosphaerium die Lininstruetur an den Polen durch Flüssigkeitsabgabe hyalin wird, und stelle mir diefs ähnlich vor,’ wie das Hyalinwerden des Weichkörperplasmas bei der Pseudopodienbildung (vergl. das Capitel über die Pseudopodien). Jedenfalls lassen sich tinctoriell auf keinem Kernstadium irgend welche andersartige polare Differenzirungen, wie Polplatten, Plasmakegel, Kernkappen, Centrosomen u. s. w. nachweisen. Ein Mittelstadium zwischen dem in Fig.22 abgebildeten Kern, mit gleichmäfsig vertheiltem Chromatin und dem mit fertiger Aequatorialplatte (Fig.24) stellt Fig.23 dar. Man sieht daran, dafs die Chromatinkörnchen mit dem Hyalinwerden der Pole aus der polaren Region sich nach der Aequatorialebene versammeln, dichter an einander gelagert werden und so Körnchenreihen bilden, welche der Zahl der Lininalveolenzüge entsprechen. Aufserdem vereinigen sich dabei die kleineren Körnchen durch Verschmel- zung zu gröfseren, bis schliefslich aus jeder Körnchenreihe ein einziges Stäbehen, das fertige Chromosom gebildet ist. 78 F. Scuauviınns: Eine ähnliche Schilderung hat R. Hertwig von der Bildung der »Kernplatte« von Actinosphaerium gegeben. »Die Entwickelung der Kern- platte ist dadurch bedingt, dafs sich Körnchen in der Gegend des Aequa- tors anhäufen. Aufserdem scheinen auch die einzelnen Körnchen unter einander zu verschmelzen, so dafs aus Vereinigung mehrerer kleinerer ein gröfseres Element entsteht.«e Brauer (95) hat beim eneystirten Actino- sphaerium schon auf viel früheren Kernstadien deutlich zweitheilige Chro- mosomen gefunden und bezweifelt daher die Angaben Hertwig’s über die Chromosomenbildung. Doch scheint mir, als ob Brauer etwas zu stark die Übereinstimmung der Protozoenkerntheilung mit der bei Metazoen be- tont und bei seiner Arbeit, vielleicht unbewulst, bemüht gewesen ist, diese Übereinstimmung in allen Punkten aufzufinden. Meine Beobachtungen an Trichosphaerium bestätigen für dieses Objeet die Anschauungen Hertwig’s vollkommen, und dieser Forscher hält auf Grund einer Neuuntersuchung der Actinosphaerium-Kerntheilung gegenüber Brauer an seinen alten Angaben fest. Dafs bei Trichosphaerium die Chromosomen einheitliche Elemente dar- stellen und nicht schon von Anfang an in zwei Theile differenzirt sind, wie diefs sich bei vielen Metazoenzellen und auch schon bei einigen Pro- tozoen (Amoeba binucleata, Radiolarien) findet, geht deutlicher als aus ihrer Bildung noch aus der Art ihrer Theilung hervor. Die Entstehung der Tochterplatten. In der fertigen Aequatorialplatte sind die einzelnen Chromosomen einheitliche, kurze stäbchenförmige Ge- bilde, die mit den stärksten Vergröfserungen keinerlei feinere Structur er- kennen lassen; sie sind alle parallel in der Aequatorialebene gelagert und lassen zwischen sich kleine farblose Spalträume frei, die mit Kernsaft ge- füllt zu sein scheinen. Besser als die Seitenansicht belehrt uns hierüber die Polansicht der Aequatorialplatte, wie sie in Fig.26 gezeichnet ist. Hier sieht man, dafs es eine kreisrunde Scheibe ist, die in allen ihren Theilen gleichmäfsig von den nun als Körnchen erscheinenden Chromosomen er- füllt ist. Die letzteren liegen in den Knotenpunkten eines feinen Linin- netzwerks, ein Beweis, dafs die Lininalveolen auch die Aequatorialplatte durchsetzen; die Lininzüge gehen also von Pol zu Pol als continuirliche Maschenreihen. Fig.27 zeigt den Querschnitt der Kernspindel über der Aequatorialplatte und erklärt sich danach von selbst. Die Tochterplatten werden aus der Aequatorialplatte durch Spaltung in zwei gleiche Hälften gebildet. Hierbei streckt sich jedes einzelne Chro- Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Schn. 79 mosom in die Länge und schnürt sich unter Bildung einer hantelförmigen Figur durch. Fig.25 und 28 zeigen das Anfangs- und Endstadium dieses Processes. Der auf Fig.25 abgebildete Kern ist noch ziemlich platt, ob- wohl sich schon gegenüber Fig.24 eine geringe Längsstreckung in der Richtung der Spindelaxe bemerkbar macht. Die meisten Chromosomen sind hantelförmig, einzelne noch unverändert oder schon durchgeschnürt. In Fig.28 hat der Kern bereits Tonnenform angenommen und die Mehr- zahl der Chromosomen ist in zwei zerfallen, nur wenige sind noch durch ein dünnes Verbindungsstück vereinigt. Nachdem die Tochterplatten sich vollständig getrennt haben, treten zwischen ihnen Längszüge von Alveolen auf, die sich im optischen Durch- schnitt als maschige Faserzüge oder als Fäden mit Querverbindungen be- merkbar machen. Bei weiterem Auseinanderrücken der Chromatinplatten streekt sieh der Kern immer mehr in die Länge (Fig.29). Im weiteren Verlaufe dieses Processes krümmen sich die Tochterplatten schüsselförmig und zwar so, dafs die Concavität gegen den Pol gerichtet ist, also gerade umgekehrt, wie auf dem entsprechenden Stadium der Actinosphaerium-Kerne, [vergl. R. Hertwig (82)]. Die Chromosomen sind innerhalb der Chroma- tinplatten nur noch schwer zu erkennen, weil sie dichter an einander gelagert werden und auch bereits theilweise mit einander verschmelzen, worüber uns am besten eine Polansicht des Kerns auf diesem Stadium be- lehrt (Fig. 33). Bei der weiteren Entfernung der Tochterplatten wird der Kern mehr und mehr in die Länge gezogen, dann nimmt er Sanduhrform an (Fig. 32), indem er sich in der Mitte einschnürt, worauf bald die völ- lige Trennung der beiden Kernhälften erfolgt. Nicht selten kann man be- obachten, dafs die mittlere Partie des Zwischenstückes, welches die bei- den Tochterplatten verbindet, spindelförmig angeschwollen ist (Fig. 31) oder auch etwas geschlängelte Formen (Fig. 39) annimmt. Ähnliche Erscheinun- gen hat R. Hertwig (95) bei den Spindeln der Infusorien-Nebenkerne be- obachtet und dieselben gegen die Contractionstheorie Heidenhain’s ver- werthet. Er erklärt dieselben dadurch, dafs die wachsenden Spindelfasern einen Druck auf die Kernpole ausüben, dabei aber Widerstand erfahren, den sie nicht in gleichem Mafse, als sie sich ausdehnen, überwinden. Diese Auffassung scheint mir auch für Trichosphaerium zutreffend zu sein, doch möchte ich derartige Spindeln nicht für normale Bildungen halten. Erstens, weil sie nicht immer vorkommen, und zweitens, weil häufig auch s0 F. ScHuauvınn: das Chromatin deutliche Anzeichen pathologischer Veränderung aufweist; so ist es z.B. in Fig.39 nicht in Platten angeordnet, sondern in unregel- mäfsigen Körnern durch die Poltheile des Kerns zerstreut. In Übereinstimmung mit den Angaben Hertwig’s (82) und Brauer’s (95) bei Actinosphaerium glaube ich für Trichosphaerium mit Sicherheit be- haupten zu können, dafs die Kernmembran auf die Tochterkerne übergeht. Auf keinem Stadium findet eine Auflösung oder Lückenbildung statt, son- dern das umgebende Plasma bildet stets einen deutlichen Alveolarsaum um den scharf conturirten Kern. Nach der Trennung der beiden Tochterkerne wird der Zipfel, in welchen sie nach der Mitte zu kurz nach der Durch- schnürung auslaufen, allmählich eingezogen. Die neuen Kerne runden sich ab, die Chromatinplatten lösen sich in Körnchen auf, die sich wieder durch den ganzen Kernraum vertheilen, und die Lininstructur wird unregelmälsig maschig (Fig. 35-37). Durch Zusammenhäufen von Chromatinkörnchen an einer Stelle (Fig. 37) und Verschmelzung derselben zu einem kugeligen Kör- per (Fig.38) entsteht ein Binnenkörper, und das Stadium des ruhenden Kerns, von dem wir beim Beginn der Kerntheilung ausgiengen, ist wieder erreicht (Fig.38). Die hier geschilderte Art der Kerntheilung documentirt sich als Mitose durch die Umlagerungen, welche die chromatische Sub- stanz während derselben erleidet. Doch ist dieselbe gegenüber den com- plieirten Vorgängen, welche sich bei der karyokinetischen Kerntheilung der Metazoen und einzelner Protozoen (Heliozoen) abspielen, sehr primitiver Art. Sie stimmt bezüglich des chromatischen 'Theils vollständig mit der Mitose der Actinosphaerium-Kerne (nach Hertwig [82] und Brauer [94]) überein, während der achromatische auf noch niederer Stufe steht. Es fehlen die dort vorkommenden Poldifferenzirungen (Polplatten und Proto- plasmakegel) noch vollständig. Hierin schliefst sich Trichosphaerium an die Kerntheilung des Makronucleus der Infusorien oder noch besser an die von Lauterborn (95) bei Ceratium beobachtete an. Eine Mittelstellung zwi- schen diesen Formen und Actinosphaerium nimmt Amoeba binucleata ein, wo nach meinen (94) Untersuchungen die betreffenden Poldifferenzirungen nur sehr schwach entwickelt sind. Der Schilderung der normalen Kernverhältnisse des Trichosphaerium möchte ich noch einige Beobachtungen über pathologische Degeneration und über den Untergang der Kerne hinzufügen, weil hierüber bei Protozoen meines Wissens noch gar nichts Sicheres bekannt geworden ist. Generaltionswechsel von Trichosphaerium sieboldi Schn. 81 3. Die Veränderungen, welche die Trichosphaerium-Kerne während ihrer Verdauung erleiden. In einem früheren Capitel wurde bereits erwähnt, dafs die Triehosphaerien nicht selten ihre eigenen Artge- nossen verzehren, und es wurden dort schon Angaben über die Verdauung der verschiedenen Substanzen des Weichkörpers gemacht. Hier sollen noch die Kerne besonders berücksichtigt werden, weil das Verhalten der ver- schiedenen Kernsubstanzen gegen die verdauende Flüssigkeit von einigem Interesse ist. Wie in allen normalen Verhältnissen, zeigen auch in diesen patho- logischen die Kerne eines Individuums vollkommene Übereinstimmung, sie befinden sich stets in demselben Stadium der Degeneration. — Die Kerne leisten der Verdauung viel länger Widerstand als das übrige Plasma des Weichkörpers, und innerhalb derselben sind es wieder bestimmte Sub- stanzen, welche länger Widerstand leisten als die anderen. Nach 6 bis $S Stunden, nachdem das Thier gefressen und der Weichkörper schon voll- ständig aufgelöst war, zeigten die Kerne noch die Structur, welche in . Fig. 40 abgebildet ist. Dieselbe ist gegenüber normalen Kernen noch wenig verändert; man kann noch ein Liningerüst unterscheiden, wenn auch das Chromatin schon etwas diffuser vertheilt ist. Beim weiteren Fortschreiten der Verdauung zeigten die Kerne Veränderungen, welche in den Figuren 41 bis 45 abgebildet sind. Die Reihe ist nach Schnitten combinirt, und ich vermag nicht zu sagen, in wie langer Zeit der Kern von dem auf Fig. 40 bis zu dem auf Fig. 45 abgebildeten Stadium gelangt. Zuerst wird das Linin gelöst, das Chromatin sinkt hierbei auf eine Seite des Kerns, und zwar der Schwerkraft folgend, wie ich auf den Schnitten daraus ersah, dafs die Chromatincalotten alle in derselben Richtung lagen. In einem Falle konnte ich bei einem auf einer Ulve sitzenden Individuum auch nachweisen, dafs diese Riehtung senkrecht zur Horizontalebene ist. Das Chromatin wird nun auch allmählich gelöst, und nimmt hierbei meist Kugelgestalt an (Fig. 43-45). Es schien mir, als ob hierbei seine Färb- barkeit zunimmt, was vielleicht darauf beruht, dafs bei der Verdauung ein nicht färbbarer Theil seiner Substanz früher gelöst wird, während die färb- baren Theilehen dichter zusammengedrängt werden und daher in ihrer Ge- sammtheit dunkler gefärbt erscheinen. Schliefslich bleibt nur die Membran übrig, die während des ganzen Processes keine Veränderung‘ zu erleiden scheint, was mich sehon früher Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. 1. 11 82 F. ScHAuDIınn: (vergl. S.72) zu der Annahme veranlafste, dafs sie aus einer besonderen Sub- stanz bestehe und nicht blofs eine Verdichtung des Liningerüsts darstellt. Dafs sie nach längerer Zeit auch zu Grunde geht. darf man daraus schliefsen, dafs man später nur noch unverdaubare Nahrungsreste in der Verdauungs- vacuole vorfindet. e. Die Plasma- und Kernveränderungen während des Verhungerns der Trichosphaerien. In nahrungsarmen Culturen von Trichosphaerien waren mir schon zu Beginn meiner Untersuchungen sehr eigenthümliche Individuen aufgefallen. Das Plasma war sehr rein, frei von Fremdkörpern, stark vacuolisirt, und schien bei oberflächlicher Betrachtung nur einen einzigen grolsen Kern zu besitzen, der sich intensiv färben lies. Bei genauerem Zusehen erkannte man aber, dafs der grofse Kern nur eine dichte Zusammenhäufung zahl- reicher winziger Kerne von normaler Structur war. Da ich derartige In- dividuen häufig fand, hielt ich sie anfangs für merkwürdige, räthselhafte Vorbereitungsstadien zu irgend einer noch unbekannten Art der Fortpflan- zung. Erst später fiel mir auf, dafs solche Individuen sich nur in nahrungs- armen Culturen vorfanden, und kam ich auf die Idee, dafs es Hungerzustände sein könnten, was ich durch das Experiment bestätigen konnte. Ich brachte zahlreiche gut genährte Individuen, von deren normaler Beschaffenheit ich mich überzeugt hatte, auf Deckgläsern in reines Meer- wasser und fixirte nun von Tag zu Tag ein Deckglas mit den darauf sitzen- den Thieren. Auf diese Weise konnte ich innerhalb 3 Wochen die in den Figuren 46-51 abgebildeten Veränderungen in Folge des Hungers con- statiren. Die erste Veränderung gegenüber normalen Thieren besteht darin, dafs am zweiten oder dritten Tage alle Pseudopodien eingezogen und nicht wieder ausgestreckt werden. Nachdem die im Weichkörper vorhandenen Nahrungskörper vollständig verdaut sind, werden die unverdaubaren Nah- rungsreste allmählich ausgestofsen, bis das Plasma vollkommen von Fremd- körpern befreit ist. Zugleich mit diesen Vorgängen beginnen die Zellkerne sich an einzelnen Stellen zu kleinen Gruppen zusammenzulagern. Die ersten Andeutungen dieser Vorgänge zeigt Fig.46, welche ein Individuum nach 5tägigem Hungern darstellt. Nachdem das Plasma ganz rein ge- worden ist. wird dasselbe grob vacuolisirt, und zwar scheint diese Va- Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Schn. 83 euolisirung von der Peripherie gegen das Centrum vorzuschreiten. Fig. 47 zeigt ein Thier nach Stägigem Hungern. Die Kerne sind zu kleinen Gruppen vereinigt. Im Centrum ist das Plasma um diese Zeit stets noch fein granulirt, während die peripheren Theile schon vacuolisirt erscheinen. Im weiteren Verlauf vereinigen sich die einzelnen Kerngruppen zu einer einzigen grofsen Gruppe, und die Zelle rundet sich kugelig ab (Fig. 48). Die Vacuolisirung nimmt immer mehr zu, und zwar werden jetzt umgekehrt wie zu Anfang die centralen Vacuolen immer gröfser. Die Kernanhäufung liegt gewöhnlich im Centrum der Zelle von den gröfsten Vacuolen umgeben, wie Fig. 49, welche ein Individuum nach ı4tägigem Hungern darstellt, es zeigt. Schliefslich (nach ungefähr 3 Wochen) zerfällt das Plasma in eigen- thümlicher Weise, indem es sich nämlich zunächst in wenige grolse Kugeln zertheilt, die wieder in kleinere sich auflösen, welche dann ganz ver- schwinden. Fig. 50 stellt ein Stadium dieses Processes dar. Der Kern- haufen bleibt schliefslich allein in der zusammengefalteten Gallerthülle übrig und leistet noch lange Widerstand, wenn er nicht durch Bakterien oder andere Organismen zerstört wird. Nach etwa 5 Wochen fallen aber auch die Kerne aus einander: sie werden immer schwächer lichtbrechend, nehmen keinen Farbstoff mehr an und verschwinden schliefslich spurlos. Fig. 51 stellt einen Kernhaufen nach 4wöchigem Hungern dar, gerade im Be- ginn des Auseinanderfallens.. Auf diesem Stadium zeigen die einzelnen Kerne noch alle für den normalen Kern charakteristischen Kernsubstanzen. Fig. 51a, welche einige der Kerne bei stärkster Vergröfserung zeigt, beweist, dafs auch die Anordnung der Kernsubstanzen noch im wesentlichen die- selbe ist wie bei normalen Kernen. Nur die Gröfse der ganzen Kerne ist stark redueirt, aber keiner der drei Kernbestandtheile ist gegenüber den anderen besonders stark verringert. Aus diesen Beobachtungen folgt, dafs die Kerne die widerstandsfähig- sten Theile der Trichosphaerien sind, und dieses Resultat steht in Über- einstimmung mit dem Verhalten der Kerne bei der Verdauung der Zelle, welches vorher geschildert wurde. 84 F. Scuaupdınn: Die systematische Stellung von 7richosphaerium. Der erste Beobachter des Trichosphaerium, Greeff (69), stellte diesen Organismus zu den Foraminiferen, auf Grund der Annahme, dafs die auf der Hülle sitzenden Stäbchen aus kohlensaurem Kalk beständen und daher die Hülle gewissermafsen eine Vorstufe der Thalamophorenschale sei. Ohne diese Ansicht Greeff’s zu kennen, hat auch Schneider (78) dem Rhizopoden einen Platz bei den Foraminiferen angewiesen und sah ihn als Übergangsform von der Lieberkühnia zu den echten kalkschaligen Foraminiferen an. Gruber (33) betonte richtig, dafs die ganz andersartigen Pseudopodien es unmöglich machten, Trichosphaerium zu den Foraminiferen zu stellen, und ich kann ihm hierin nur beipflichten. Der Hauptcharakter der recht ge- schlossenen Gruppe der Foraminiferen ist nicht die Beschaffenheit der Schale, sondern, wie besonders F. E. Sehulze immer betont hat, der Bau der Pseudopodien. Die Schale ist variabel, sowohl der Form, wie dem Material nach. Es gibt nackte Foraminiferen, solche mit gallertartiger oder chitinöser Hülle, ferner Sand-, Kiesel-, Kalkschalen u.s.w. Aber die Pseudo- podien sind stets retieulär. Nach meiner Überzeugung ist daher der Name »Reticulosa«, den F. E. Schulze vertheidigt hat, allen anderen vor- zuziehen. Jedenfalls gehört aber Trichosphaerium nicht zu dieser Rhizo- podengruppe. — Gruber spricht die Ansicht aus, dafs die geringe Con- sistenz der Hülle, die Gestalt der Pseudopodien, sowie der ganze Bau des Protoplasmaleibes das Trichosphaerium zu den amoebenartigen Rhizopoden verweise. In der neuesten Zusammenstellung der Protozoen von Yves Delage (96) ist Trichosphaerium in der Ordnung der Gymnamoebida untergebracht, meines Erachtens mit wenig Glück, weil es ja keine nackte Amoebe ist. Im System dieses Forschers, das natürlich bei dem heutigen Stand unseres Wissens auch nur ein ganz künstliches sein kann, würde unsere Form vielleicht eher in der zweiten Ordnung der Amoebaea, den Thecamoebida, einen Platz finden. Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Schn. 85 Trichosphaerium innerhalb der amoebenartigen Rhizopoden eine genauere Stellung zuzuweisen, ist vor der Hand deshalb unmöglich, weil man es keiner schon bekannten Form anreihen kann. Die Pseudopodien haben am meisten Ähnlichkeit mit denen der Orbulinella, die Entz'! beschrieben hat. Doch ist von dieser räthselhaften Form, aufser der allgemeinen Gestalt und den Pseudopodien, eigentlich nichts Sicheres bekannt. Man weils nicht einmal, ob die Schale aus Kieselsäure oder Kalk besteht. Die systematische Stellung dieses Organismus ist natürlich vollständig unsicher, und daher ist diese Form für unsere Frage gar nicht zu verwerthen. Für die Stäbchen- hülle hat man kein Analogon. Gruber fiel die Ähnlichkeit auf, welche dieselbe mit dem Besatz von feinen Fortsätzen hat, die Archer” bei seinem Diaphorodon mobile abbildet. Doch sollen die kleinen Strahlen, welche sich auf der Oberfläche dieses Rhizopoden befinden, Pseudopodien und keine starren Stäbchen sein. Die Fortpflanzungsverhältnisse werden vielleicht später einmal für die systematische Stellung zu verwerthen sein. Vorläufig sind sie es deshalb nicht, weil man bei den meisten Rhizopoden nichts davon weils; besonders die Gruppe der Amoebaea, die offenbar sehr zusammengewürfelt ist, dürfte zur Zeit morphologisch und entwickelungsgeschichtlich zu wenig erforscht sein, um schon einigermalsen natürlich systematisirt zu werden. Aus diesen Gründen ist es vorläufig unmöglich, Trichosphaerium eine Stellung im System anzuweisen, ohne rein willkürlich zu handeln; Möbius (89), der seine Form auch nirgends unterbringen konnte, hat für sein Tricho- sphaerium eine eigene provisorische Gruppe »Trichosa« aufgestellt, die er den Amoebaea coordinirt. Er sagt von derselben, dafs sie unter den Testaceen eine der niedrig- sten Rangstufen in der Nähe’ der Amoebaeen einnehme, wo sie als ein Verbindungsglied zwischen diesen und den Perforaten anzusprechen wäre. Die Definition, die Möbius auf Grund seiner Kieler Form gab, müfste nach meinen Untersuchungen erweitert werden; die Stäbchen, die das Hauptmerk- mal dieser Gruppe bilden, sind ja nur-einem Zustand des Thieres eigen- thümlich. Es dürfte sich daher nicht sehr empfehlen, gerade den Namen der Gruppe »Trichosa« nach diesem Merkmal zu wählen, wie überhaupt die Aufstellung einer besonderen, wenn auch nur provisorischen Abtheilung für ! Naturhist. Hefte d. ungar. Nat.-Mus. I (mir nicht zugänglich, vergl. Bütschli [8o]). 2 Quart. journ. Mier. soc. N. S. IX, vergl. Bütschli (80) Taf. IV Fig. ı. 86 F. Scaauoınn: eine einzige Species mir deswegen überflüssig erscheint, weil unser zur Zeit durchaus künstliches Rhizopoden-System durch derartige Gruppenbildung nur noch künstlicher wird. — Ich schlage vor, wie bereits oben erwähnt, un- seren Organismus in der von Delage geschaffenen Gruppe der T’hecamoebida, obwohl sie auf dem rein äufserlichen Merkmal der Hüllbildung basirt, vor- läufig unterzubringen, bis wir mehr von den Verwandtschaftsbeziehungen der Rhizopoden wissen. Hier würde Trichosphaerium vielleicht am Anfang, noch vor dem ebenfalls weich gehüllten, aber bereits monaxonen Cochlio- podium, am besten seine Stellung finden. Die von Möbius (89) unter- suchte Form der Kieler Bucht weicht, wie in der vorstehenden Unter- suchung nachgewiesen wurde, so wesentlich von meiner ab, dafs es viel- leicht möglich wäre, sie als besondere Art abzutrennen; doch wird es sich wohl empfehlen, erst eine weitere Untersuchung und Bestätigung der von Möbius in Kiel beobachteten Charaktere abzuwarten. Wie in dem Abschnitt über die Hülle des Trichosphaerium angedeutet wurde, könnte man sich viel- leicht die abweichenden Eigenschaften der Kieler Form durch die Anpassung an das Leben im Brackwasser entstanden denken, und würde dann dieses Trichosphaerium nur als aberrante Localvarietät anzusehen sein. Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Schn. 87 Benutzte Litteratur.' Brandt,K. (81). Über das Zusammenleben von Thieren und Algen. Verhdl. Physiolog. Ge- sellschaft. Berlin 1881. p.22—26. Figg. Idem (83). Über die morphologische und physiologische Bedeutung des Chlorophylis bei Thieren. Mittheil. Zoolog. Stat. Neapel. Bd.4. 1883. p.91— 302. Taf.19— 20. Idem (85). Die koloniebildenden Radiolarien (Sphaerozoen) des Golfs von Neapel. Fauna und Flora des Golfs von Neapel. vol. 13. Berlin 1885. Brauer, A. (94). Über die Eneystirung von Actinosphaerium eichhorni Ehrbg. Zeitschr. wiss. Zool. vol.58. 1894. p-ı89— 221. Taf. X—XI. Bütschli, O. (78). 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Schematische Darstellung des Zeugungskreises von Trichosphaerium sieboldi Schn. Tafel I. Fig. 1. Ausgebildeter Schizont bei durchfallendem Licht. » 2. Derselbe bei auffallendem Licht. » 3. Verschiedene Theilungsstadien von Schizonten. a. Zweitheilung; 5. Dreitheilung; c. d. Viertheilung; e. Mehrtheilung. » 4-5. Zwei Theilungsstadien der Schizonten. » 6. Fralsstellen von Trichosphaerium auf einem Algenfilzwerk, zur Demonstration der Art der Ausbreitung dieser Organismen in ihrem Nahrungsgebiet. Schizogonie. Auskriechen der Sporogone. » 9. Theil eines Schnittes durch ein in Schizogonie begriffenes Individuum. Sublimat- Alkohol - Haematoxylin. » I0o. Junger Sporont mit 8 Kernen, im Begriff eine Diatomee zu verzehren. » 11. Etwas älterer Sporont, eine Alge fressend, schon mit Sterkomen gefüllt. Mit Ausnahme von Fig. 9 sind alle Figuren nach dem Leben gezeichnet. s = raınaıl ME Fig. ı. Ausgebildeter Sporont. » 2. Plastogamie der Sporonten; an 3 Stellen ist die Hülle, welche die einzelnen Indi- viduen trennt, noch erhalten. 3. Sporont, in Vorbereitung zur Sporogonie begriffen. » 4. Sporogonie. 5. Ausschwärmen der fertigen Sporen. 6. Zwei Schwärmsporen. » 7-12. Copulation der Schwärmsporen. Fig.7. Erstes Stadium (Plastogamie). Fie. 8. Abwerfen der Geilseln. Fig. 9. Abrundung der Zygote. Fig. ro. Vacuolisirung der- selben. Fig.ır. Beginn der Kernverschmelzung. Fig. ı2. Dieselbe vollendet. » 13. Junger Schizont mit 4 Kernen. » 14—15. Zwei Stadien der Ausbildung der Hüllschicht bei den Schizonten. Fig.ı4. Auf- treten von Körnchen in der Gallerte. Fig.ı5. Anordnung derselben zu radiären Stäbchen. » 16-20. Verschiedene Kernstadien und feinere Structur des Plasmas nach dem Leben. » 21. Die Enden zweier Pseudopodien. » 22. Pseudopodium nach Erschütterung. Alle Figuren dieser Tafel sind nach dem Leben gezeichnet. Fig. 1. » 2. ” 3. Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Schn. 91 Tafel IV. Schnitt durch einen Schizonten, welcher einen anderen Schizonten gefressen hat. Der Inhalt des letzteren ist bis auf die Hülle, die Kerne und die unverdaulichen Nahrungsreste bereits verdaut. Sublimat-Alkohol, Haematoxylin (dünne Lösung ohne Nachbehandlung mit Salzsäure, daher die Stäbchen der Hülle erhalten). E Schizontenschnitt. Alle Kerne in Theilung begriffen, und zwar befinden sie sich sämmtlich auf dem Stadium der Aequatorialplatte. Letztere sind in allen möglichen Stellungen vom Messer getroffen. Sublimat-Alkohol-Eisessig (daher Stäbchen gelöst). Haematoxylin, Salzsäure-Alkohol-Ammoniak. Diels wie das vorige Individuum stammt aus reinen Diatomeenculturen, daher ist das Plasma sehr rein, besonders frei von Sterkomen. Dünner Schnitt durch die Randpartie und Pseupodienbasis eines Schizonten. Chrom- osmiumessigsäure, Holzessig (von Mährenthal’s Methode). Pseudopodienöffnung im optischen Längsschnitt, nach dem Leben. Dieselbe von oben gesehen. 4 5 » 6-7. Zwei Längsschnitte durch Pseudopodienöffnungen. Sublimat, Haematoxylin. 8 Eine der Fig.7 ähnliche Pseudopodienöffnung, von oben betrachtet. Sublimat, Hae- matoxylin. i Schnitt durch einen eneystirten Schizonten. Sublimat-Alkohol, Alaunkarmin. Ein Kern mit umgebenden Reservestoffkörnern aus demselben Schnitt bei stärkerer Vergrölserung (etwa 2°°0/,). Hüllenstäbehen von Schizonten in Längsansicht und (links oben) im Querschnitt. Commensalen von Trichosphaerium: a. im ruhenden, d. im frei schwärmenden Zustand. chrom = Chromatophorenplatten, n= Kern, A= Amylum, ph = Schlundeinsenkung. Nach dem Leben. Austreten des Commensalen aus der Cellulosehülle, nach dem Leben. Sterkome in drei verschiedenen Formen. Verschiedene Formen der Excretkörner. Feinere Structur eines Exeretkorns. Vergrölserung ?°%/,. Sterkom mit Excretkörnern erfüllt. Tafel V. Sporont auf Diatomeenrasen gezogen. Sublimat-Alkohol, Haematoxylin. Partie an der Grenze zwischen zwei plastogamisch verschmolzenen Individuen. Die Weichkörper der verschmolzenen Thiere haben sich nicht vermischt, was daraus her- vorgeht, dafs in dem einen alle Kerne im Ruhezustand sind (oben), während im ande- ren dieselben sich im Stadium der Aequatorialplatte befinden. Aulserlich und auch im Plasma markirt sich keine Grenzlinie zwischen den beiden Individuen. Sublimat- Alkohol-Eisessig, Haematoxylin. Kerntheilung des Sporonten kurz vor der Sporogonie, das Plasma ist schon rein von Fremdkörpern und stark vacuolisirt. Alle Kerne im Dyasterstadium. Sublimat-Al- kohol, Haematoxylin. Schnitt. Sehnitt durch einen Sporonten, unmittelbar vor der Sporogonie. Sublimat-Alkohol, Haematoxylin. Kleine Partie aus demselben Schnitt bei starker Vergrölserung (?°°°/z). Schnitt durch einen in Sporogonie begriffenen Sporonten. Sublimat-Alkohol, Hae- matoxylin. Zwei Sporen bei starker Vergrölßserung (etwa 2°/,). Osmiumsäure, Heidenhain’sche Färbung. 92 F. Scuauviınn: Fig. 7-9. Drei Copulationsstadien der Gameten. Sublimat-Alkohol-Eisessig, Heidenhain- sche Färbung. » 10. Junger Schizont, zweikernig, beide Kerne in Theilung begriffen. Sublimat, Alaun- karmin. » 11. Junger achtkerniger Schizont. Sublimat-Alkohol, Alaunkarmin. ranenl MAC Fig. 1-16. Die vegetativen Kernveränderungen der Trichosphaerium - Kerne (vergl. Text). » 17-39. Die reproductiven Kernveränderungen und die Kerntheilung von Trichosphaerum. » 40-45. Die Kernveränderung bei der Verdauung der gefressenen Trichosphaerien. Alle diese Figuren sind nach Schnitten gezeichnet. Conservirung: Sublimat-Alkohol- Eisessig: Färbung: Grenacher’s Haematoxylin oder Heidenhain’s Eisenhaematoxylin- färbung. Fig. 46-51. Die Veränderungen und der Zerfall der Trichosphaerien beim Verhungern. Nach Totalpraeparaten. Sublimat-Alkohol, Haematoxylin. » 52—57 beziehen sich auf die Kern- und Zelltheilung der Commensalen von Trichosphae- rim. Fig. 52 ruhender Commensale; Fig. 53 Kerntheilung; Fig. 54 Zelltheilung; Fig. 55 ruhender Zellkern bei stärkster Vergrölserung (225°/,); Fig. 56-57 zwei Kern- theilungsstadien bei stärkster Vergrölserung (?25°/,). Nach Schnitten. Sublimat-Al- kohol-Eisessig, Haematoxylin. Bei der Anfertigung der Zeichnungen wurden folgende Oculare und Öbjective von Seibert verwendet: Ocular ı, 4, 6, 8, 18; Objective 16, 8,4, 2. Die Vergrölserungen sind den einzelnen Figuren beigefügt. Buchstabenerklärung. ec = Commensalen. ncl—= Binnenkörper. po = Pseudopodienöffnung. chr = Chromatin. m —= Kernmembran. st — Sterkom. d = Diatomeen. ! = Linin. th = Hülle. e = Excretkörner. N = Nahrungskörper. v — Flüssigkeitsvacuole. n — Kern. p = Pseudopodium. vd = Verdauungsvacuole. Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Schn. Inhaltsübersicht. Einleitung : 5 Litteratur über Er honphaehum Material und ee chaagemethoden SUSE ae ht Kurze Übersicht der Organisation und des RR SE von Tricho- sphaerium sieboldi ande Der Zeugungskreis von Trichosphaerium . Der feinere Bau I. Die Hülle C A a) Die eoelöfhungen : 6) Die Stäbchen der Hülle . "U. Der Weichkörper a) Die Inhaltsgebilde Vacuolen . Nahrungskörper Sterkome . Excretkörner el Verschiedene Bernebän, Fett, Riesratei u. Ss. w. sutunn . Commensalen. b) Die Boondeubstatz . c) Die Pseudopodien d) Die Kerne. x RE 1. Die vegetativen Kernyerändernngen : 2. Die reproductiven Kernveränderungen . 5 3. Die Kernveränderungen während der Veröinigg der Tricho- sphaerien . > : ; e) Die Plasma- und Kernyen Inderagen Vehrehil de Velekem ns ea Trichosphaerien . Dversystenfatische Stellung... um. anal. Benutzte Litteratur Tafelerklärung Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. 1. 13 93 Anhang z.d.Abh.1899. Zweitheilung Vieltheilung Bildung der Stäbchenhnille und erste Kerntheilung des, Jungen Schizonter __ “ / | Schizont Schizogonie Copulation zweier Schwärmsporen Zr TERTEERNUN PUT TERSTRICTTNNNN SI N | Sporogorie Auswanderung der Ki Jungen Sporogonien — Die Kerne sind blau, Kerntheilungen sind durch Spindeln, gekennzeichnet. Schaudinn: Trichosphaerium sieboldi Schn. Taf Anhang z.d.Abh.1899. Meisenbach Rıffareh,a 0® Berlin. Schaudinn: Trichosphaerium sieboldi Schn. Ta£.IIl. {.Preuss. Akad.d.Wissensch. j Anhang z.d. Abh.1899. Schaudinn: Trichosphaerium sieboldi Schn. Taf.IV. rc - Pac un} j K.Preuss. Akad.d.Wissensch Anhang z.d Ab] Schaudinn: Irichosphaerium sieboldi Schı Taf.\ Pr K.Preuss. Akad.d.Wissensch. Anhang z.d.Abh.1899. E.Schaudiınn, del Schaudinn: Trichosphaerium sieboldi Schn. TafYl. Die Verbreitung der Caeiaceae im Verhältnils zu ihrer systematischen Gliederung. Von Prof. Dr. K. SCHUMANN. Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. II. l Ay ie Bi 4 a N } x > £ . Vorgelegt in der Sitzung der phys.-math. Classe vom 15. December 1898 Er Fr [Sitzungsberichte St.LII. S.807]. ! ! Zum Druck eingereicht am gleichen Tage, ausgegeben am 23. Februar 1899. Einleitung. Mir ist keine Familie in dem Bereiche der Siphonogamen bekannt, welche einer systematischen Bearbeitung solche erhebliche Schwierigkeiten in den Weg stellten, wie die Kakteen. Die Schwierigkeiten liegen in drei Ver- hältnissen: erstens in dem ungeheuren Schwalle von Formen, welche haupt- sächlich durch die Händler benannt worden und zum grofsen Theile ganz ungenügend oder überhaupt nicht diagnostieirt worden sind; zweitens in der keineswegs genügenden und gleichmäfsigen wissenschaftlichen Durch- arbeitung der ganzen Familie, d.h. in dem Mangel einer vertrauenswerthen Litteratur; drittens in dem ungenügenden getrockneten Typenmateriale. Seit mehr als 70 Jahren sind die Kakteen, wenn auch nicht immer mit derselben Leidenschaft, sondern in gewissen Zeitläufen mehr, in anderen weniger der Gegenstand einer eifrigen Pflege von Zimmereultivateuren ge: wesen. Diese betrieben die Pflege aus Liebhaberei: ihnen kam es mehr auf den Besitz der Objeete als auf die kritische Durchforschung der Arten an. Erst in neuerer Zeit ist hauptsächlich unter dem Einflufs der Deutschen Kakteen-Gesellschaft nach dieser Richtung hin eine Änderung eingetreten; viele der Zimmereultivateure haben ein hohes wissenschaftliches Streben und bemühen sich nicht blofs darum, die Formenkreise gründlich zu stu- diren, sondern auch die Entwickelung der Arten von der Keimpflanze bis zur erwachsenen genau kennen zu lernen. Es lag nun naturgemäfs im Interesse des Geschäftes, dafs die Kakteen- händler die Kauflust reizten und anspornten. Der Händler erreicht dieses Ziel, wenn er in jeder Saison mit Neuheiten auf dem Markte erscheint, denn diese sind für den Sammler in erster Linie begehrenswerth; der letztere wird immer darauf bedacht sein, die Sammlung zum mindesten in einigen Gattungen zu vervollständigen. Neue Arten können bei der Erschliefsung bisher nicht ausgebeuteter Distriete in einem reichlichen Mafse 1* 4 K. Schumann: zufliefsen; sind aber unberührte Gebiete nicht zugänglich, so wird der Wunsch nach Neuheiten in dem kaufkräftigen Publicum doch immer leb- haft bleiben. Das Auge des Händlers schärft sich dann bis zu einer er- staunlichen Feinheit in der Unterscheidung der Formen; was Wunders also, wenn in einer so aufserordentlich formenreichen Pflanzenreihe auch minder scharf umschriebene und unbedeutendere Abwandlungen zu besonderen Arten erhoben werden! Staunenswerth und für einen Botaniker fast unbegreiflich ist das Unterscheidungsvermögen des Specialisten in dem Bereiche der Gärtnerei. Mit spielender Leichtigkeit vermag der Azaleenzüchter mehrere hundert Formen, die aus einer einzigen Art entstanden sind, in sterilem Zustande, also nur nach der Tracht von einander zu sondern. Ich habe keineswegs den Eindruck, dafs der Kakteenhändler die von ihm als spe- cifisch verschieden verkauften Gestalten nicht meist zu trennen vermag, auch ich konnte, auf die Differenzen hingewiesen, später manche Ver- schiedenheiten wahrnehmen, die sich früher meiner Beobachtung entzogen hatten. Wie aber der Botaniker unmöglich alle vielleicht gärtnerisch werth- vollen Formen in den Bereich der systematischen Gliederung ziehen kann, so vermag er auch nicht bei den Kakteen jene oft nur durch minutiöse Details abweichenden Gestalten als eigene Arten anzuerkennen. Das Interesse, neu entdeckte Formen wissenschaftlich zu fixiren, liegt bei dem Händler nicht vor; aufserdem fehlt ihm auch häufig das Ver- mögen, eine Diagnose zu entwerfen. Aus dem letzterwähnten Umstande soll ihm nicht etwa ein Vorwurf erwachsen; die Beschreibung einer Pflanze abzufassen, ist Ja gar nicht seine Sache. Nun könnte man glauben, dafs ihm der Botaniker hülfreich beispringen könnte. Bei uns in Deutschland wurden von Seiten der Händler wenigstens seit der Mitte dieses Jahr- hunderts die meisten Arten benannt; niemals aber sind diese von einem Fachmanne geprüft und beurtheilt worden. Dem Händler genügt es vollkommen, wenn er für eine Pflanze, die ihm der Import zugeführt hat, in seinem Kataloge einen Namen führt und wenn jene Pflanze gekauft wird. Unter Umständen wird es ihm sogar nur erwünscht sein, wenn dieser Name wieder einmal verschwindet; denn dann kann nach einiger Zeit die in Vergessenheit gerathene Art wieder als Neu- heit eingeführt werden, und Neuheiten zu bringen, ist die Aufgabe jedes rührigen Händlers. Ich will an zwei Beispielen aus der neueren Zeit mir genügen lassen. MacDowell in Mexico führte vor wenigen Jahren aus Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. 2. ihrer systemat. Gliederung. 5 dem Staate Guanaxuato zwei wohlcharakterisirte Mamillarien ein, die unter dem Namen M. Heeseana Mac Dow. und M. Mac Dowellii Heese einen um- fangreichen Absatz fanden. Sie wurden in Deutschland hauptsächlich dureh den Kaufmann Heese verbreitet, der natürlich gute Preise erzielte, weil die Arten eben Neuheiten waren. Die Firma Hildmann in Birkenwerder bei Berlin erhob aber Protest gegen die Neuheitserklärung, indem sie be- hauptete, in der M. Heeseana Mae Dow. liege nur die von ihr früher ein- geführte M. Petersonü Hildm. vor und die M. Mac Dowellii Heese stimme völlig überein mit der M. gigantea Hildm., die wieder identisch ist mit der M. guana.uatensis Runge. Wenn von diesen Arten Beschreibungen vorlägen, so würde die Behauptung wenigstens einigermalsen zu controliren sein; da diese aber fehlen und da die Typen jener Arten längst sämmtlich zu Grunde gegangen sind, ohne Spuren zu hinterlassen, so ist eine Prüfung auf die Richtigkeit der Annahme völlig ausgeschlossen. Der Umstand, dafs die von Händlern aufgestellten und benannten Arten in einer unendlichen Zahl nomina nuda sind und dafs die früheren ver- gessen und immer wieder neue geschaffen wurden, erzeugte jene unendliche Menge von Arten, welche wie ein unerträglicher Ballast jede wissenschaft- liche Bearbeitung in so hohem Mafse erschwerte. Ich schätze die Zahl der Artnamen, welche in der Litteratur vorliegen und für die meistens, wenn auch oft nur ganz unzureichende Beschreibungen gegeben wurden, auf 3000, so viel sind im Kew-Index erwähnt; dazu kommen noch mehrere hundert Arten, die von Händlern aufgestellt sind. In meiner Gesammt- beschreibung habe ich noch nicht 670 Arten beschrieben, von denen vielleicht noch manche Mamillaria und manche Opuntia fallen könnte. Aus diesen Zahlen geht hervor, dafs noch lange nicht ein Viertel der benann- ten Arten der kritischen Betrachtung eines Botanikers Stand zu halten ver- mochten. Wenn ein Botaniker unternimmt, die Monographie einer Pflanzenfa- milie zu schreiben, so verschafft er sich zunächst das getrocknete Material derselben aus den verschiedenen Herbarien, wobei er vor allem darauf Be- dacht nimmt, ‘die Originalexemplare zu erlangen, welehe die Grundlage für die Aufstellung der Arten ausmachten. Diese unterwirft er einer möglichst eingehenden Untersuchung, womöglich in chronologischer Folge ihrer Auf- stellung, und versucht auf diese Weise, in die historische Entwickelung über die Erkenntnifs der Familie einzudringen. 6 K. Scauumann: Dieser allein gangbare Weg der Arbeit ist bei den Kakteen einfach unmöglich, weil die sicheren Originalien nirgends mehr existiren. Bis vor kurzem gab es nur eine umfangreiche Sammlung getrockneter Kakteen, die- jenige nämlich, welche Engelmann in St. Louis angelegt hat und die von dort nicht erhältlich ist. Mir wurde zwar berichtet, dafs der Fürst Salm- Dycek, ohne Zweifel eine der allerersten Autoritäten auf dem Gebiete der Kakteenkunde, auf seinem Schlosse Dyck eine sehr umfangreiche Sammlung getrockneter Körper angelegt hatte. Hr. Gartendireetor Hermes aber theilte mir mit, dafs nach dem Ableben des Fürsten diese Skelette körbeweise auf den Composthaufen gewandert wären. Um nun für die Zukunft diesen Mangel zu beheben, habe ich neben der bedeutenden Erweiterung des Her- barmaterials eine sehr umfangreiche Sammlung von todten und getrockneten Kakteenkörpern angelegt, welche in dem Königlichen Botanischen Museum zu Berlin aufbewahrt wird. Auf diese Weise ist die Möglichkeit gegeben, dafs — wenigstens nach meiner Auffassung — die Typen in der Gesammt- beschreibung für alle Zeiten festgelegt worden sind. Wiederum ganz eigenartig für die Bearbeitung der Kakteen ist nun die Thatsache, dafs die in den Culturen vorhandenen lebenden Pflanzen einen Ersatz für die Herbaroriginale bieten. Die Zahl der gegenwärtig eultivirten Kakteenarten ist sehr grols; wir können getrost annehmen, dafs vielleieht drei Viertel aller, vielleicht aber noch mehr, in den verschie- denen Sammlungen vorliegen. Da war nun zunächst die Frage zu stellen: Entsprechen die unter bestimmten Namen eultivirten Pflanzen wirklich noch den ursprünglichen Typen? Ich habe mich sehr ernstlich bemüht, diese Frage zu beantworten, und war in der That im höchsten Mafse erstaunt über die Zuverlässigkeit der Bestimmung. Die Ursache dieser überraschen- den Erscheinung kann nur in der Continuität gesucht werden, deren sich die Kakteenpflege von ihrem Beginn bis heute erfreut hat. Ich kann nicht unterlassen, auf einen Umstand hinzuweisen, welcher leicht eine unheilvolle Verwirrung hätte erzeugen können. Zu der Zeit, als die erste Blütheperiode der Kakteenpflege sich entwickelte, deren Anfang mit dem Jahre 1838 zusammenfällt (dem Datum des Erscheinens von Pfeif- fer’s Enumeratio diagnostica und deren deutscher Übersetzung), belebte sich auch in Frankreich das Interesse für die Kakteen. Wir müssen dasselbe in erster Linie auf den Eifer von zwei Männern zurückführen, von Le- maire und dessen hochherzigem Maecen, den Hrn, de Monville, einem Pe Die Verbreit. der Cactaceae im Verhälln. z. ihrer systemat. Gliederung. 7 reichen Fabrikbesitzer bei Rouen. Ein furchtbares Naturereignifs zerstörte die grofsen Fabriken de Monville’s und bedingte den Zusammenbruch seines Vermögens. Später hat dann Schlumberger seine Stelle Lemaire gegenüber eingenommen. Zahlreiche Einführungen von Kakteen aus Nord- und Süd-America in Deutschland und Frankreich spornten nun die Kakteenkenner in beiden Ländern zu einem wahren Wetteifer in der Beschreibung neuer Arten an. Bis zum Jahre 1833 standen die Deutschen zweifellos an der Spitze der Kakteenkunde, da die Thätigkeit des bedeutenden Haworth in England schon früher ihren Abschlufs gefunden hatte und da sich P. de Candolle nach dem Erscheinen seiner Revue und der Memoires sur les Cactees nicht weiter mit der Familie befafste. Zunächst trat der Fürst Salm-Dyck als Autor schärfer hervor (Hortus Dyckensis, Bonn 1834), Link und Otto, endlich Pfeiffer folgten ihm und beschrieben zusammen mehrere hundert Arten. In Frankreich gab Lemaire zwei Werke heraus, in denen eben- falls zahlreiche Arten beschrieben wurden (Cacteae aliquot novae 1838, Cactearum genera nova speciesque novae, mit dem Katalog der de Mon- ville’schen Sammlung 1839). Bei dieser Fruchtbarkeit in der Beschreibung neuer Arten konnte nicht fehlen, dafs in beiden Ländern manche Art doppelt beschrieben wurde; die Identificirung derselben mufste bei dem geringen Austausch der damals nur möglich war, grofse Schwierigkeiten bereiten. Wer nun weils, in welchem Mafse oft die verschiedenen Alterszustände der Arten im äufseren Aussehen von einander abweichen, ich erinnere z.B. an den Echinocactus ingens Zuce., der wird verstehen, dafs bis auf den heutigen Tag die Arbeit noch nicht vollkommen abgeschlossen ist. Wenn wir aber im grofsen und ganzen doch dazu gekommen sind, diese Reinigung in der Systematik der Kakteen zu vollziehen, so haben besondere günstige Umstände mitgewirkt. Nachdem die erste Hochfluth der Kakteenpflege verlaufen war, trat in Deutschland um den Anfang der fünfziger Jahre ein bemerkenswerther Um- schlag ein. Noch in den vierziger Jahren bildet die Kakteenlitteratur einen nicht unwichtigen Abschnitt in den gärtnerischen und botanischen Zeit- schriften. Der Abschluss dieser Litteratur über die Kakteen wird gewisser- mafsen durch das letzte Verzeichnifs des Fürsten Salm-Dycek (Caetaceae in horto Dyckensi eultae, Bonn 1850) gebildet. Als Schriftsteller sind dann 8 K. Schumann: nur wenige Epigonen thätig gewesen, ich nenne Meinshausen und den Ber- liner Tischlermeister A. Linke, welcher seine lateinischen Diagnosen wie ein fachmännisch gebildeter Botaniker schrieb. Dafür blieb aber Lemaire in Frankreich bis in die sechziger Jahre schriftstellerisch thätig und ver- öffentlichte in belgischen und französischen Zeitungen noch recht werth- volle Beiträge zur Kenntnifs der Kakteenkunde. Botaniker von Fach traten mit der Pflanzenfamilie bei uns in Deutsch- land überhaupt nicht mehr in Berührung. Das Interesse daran fand sich vielmehr nur noch in den Kreisen der Privatleute verschiedensten Berufes. Von diesen machte sich noch einer während einer kurzen Zeit öffentlich bemerkbar. In Berlin besafs eine sehr grofse und artenreiche Sammlung Poselger, der in dem Jahre 1854 eine Reise nach Mexico unternahm, mit der ausgesprochenen Absicht die Kakteen zu studiren. Als eine Frucht dieser Reisen erschienen 1856 zwei Aufsätze in der Allgemeinen Garten- zeitung, die von Otto und Dietrich begründet wurde. Diesem Manne und einer Anzahl Händlern, welche das kakteenkaufende Publieum mit Material versahen, ist es nun zu danken, dafs von der Blüthe- zeit her die alten Arten erhalten blieben. ‚Ich nenne von den letzteren die Firmen Friedrich Adolph Haage jun., wohl die älteste Kakteen- firma in Deutschland, die noch heute in den Händen des Enkels des Be- gründers, Ferd. Haage jun., liegt, Haage und Schmidt, beide in Erfurt, und Sencke in Leipzig. Von der hervorragendsten Bedeutung ist ferner für die Erhaltung der Kenntnifs der Arten über eine wissenschaftlich sterile Zeit hinweg der Königliche Botanische Garten zu Berlin gewesen. In ihm hat man mit grofsem Verständnifs immer einen Werth auf die einst so hochberühmte Sammlung der Kakteen gelegt, die er früher beherbergte, hat sie zu erhalten gewulst und durch Neuanschaffungen bereichert. Kein Ort in Deutschland war also mehr geeignet, für die gründliche Durchar- beitung dieser so schwierigen Familie als Berlin. Nachdem ich begonnen hatte, mich mit den Kakteen zu beschäftigen, wurde Sorge getragen, dafs diese Sammlung auf die Höhe der Gegenwart gebracht wurde. Ich kann dem Director des Gartens, Hrn. Geheimrath Engler nicht genug danken, dafs er in voller Anerkennung der Wichtigkeit der Sache mir die Mittel gewährte, dieselbe so auszugestalten, dafs sie jetzt zweifellos eine der ersten Stellen einnimmt, was Vollständigkeit der Arten anbetrifft. Mehrere Um- stände wirkten dabei helfend mit: in erster Linie die thatkräftige Unter- Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. 2. ihrer systemat. Gliederung. stützung der Mitglieder der Deutschen Kakteen-Gesellschaft, die dem Garten viele interessante, seltene und kostbare Arten überliefsen. Sehr wichtig war auch die Unterstützung von Männern, welche mir werthvolle Pflanzen aus der Heimat einsandten, ich nenne Hrn. Direetor Söhrens und Prof. Dr. Reiche in Santiago de Chile, die Firma 6. H. L. F. Blohm in Hamburg, durch die ich die in neuerer Zeit niemals mehr importirten Kakteen aus Venezuela erhielt, Hrn. Grosse und vor allem Prof. Anisits aus Paraguay. - Endlich lernten wir durch die ausgezeichneten Erfolge der Zimmereultiva- teure die Pflege der Kakteen so vortrefflich kennen, dafs durch geschickte Gehülfen im Botanischen Garten auch ein vollendeter Wandel im Aussehen dieser Pflanzen geschaffen wurde und ich gesunde und kräftige Vorbilder als Unterlage für meine Beschreibungen erhielt. Nachdem Lemaire mehr und mehr seine litterarische Thätigkeit ein- gestellt hatte, wurde auch in Frankreich die Kenntnifs der Kakteen latent und verblieb in dem Kreise der privaten Zimmercultivateure. Hier wirkte nun ein Mann aufserordentlich günstig für die Erhaltung der Kenntnisse der Arten, Pfersdorff in Paris. Er war aus Mainz .eingewandert, und sein ganzes Leben ging in den Kakteen auf. Als Händler entwickelte er eine emsige Thätigkeit. Von besonderer Bedeutung ist diesem Manne gegen- über der Umstand, dafs er die Arten, die man in Frankreich beschrieben hatte, mit denen vergleichen konnte, welche von deutschen Autoren auf- gestellt worden waren. Durch diese glückliche Vereinigung halte ich seine Wirksamkeit für äufserst wichtig und bedeutsam. Bei ihm war lange Zeit ein Mann thätig, der später in Deutschland die erste Stelle als Händler einnehmen sollte: Hildmann brachte, als er durch die Kriegswirren im Jahre 1870 Frankreich verlassen mufste, die gründlichste Kenntnifs der Formen mit nach Deutschland und hat durch den Vertrieb gut bestimmter Pflanzen sehr viel dazu beigetragen, dafs sich in den Sammlungen eine richtige Nomenelatur erhielt. In der ganzen Welt fast wird gegenwärtig die Kakteenpflege mit grofsem Eifer, vielfach von kleinen Leuten in wenig umfangreichen Samm- lungen betrieben. Die Mitglieder der Deutschen Kakteen-Gesellschaft be- wohnen die verschiedensten Länder von Europa und America; sehr deut- lich spricht für die grofse Zahl Interessenten der Absatz kleiner Cultur- anweisungen, welche im Laufe eines Jahres in mehr als 700 Exemplaren verkauft wurden. In Frankreich allein hat die Pilege gegen früher ganz Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. II. 2 10 K. Schumann: erheblich abgenommen; dafür lebt aber dort ein Mann, der Generalarzt z. D. Dr. Weber, welcher zweifellos der beste der jetzt lebenden Kakteenkenner ist. Eine sehr grofse Sammlung besitzt Hr. Roland-Gosselin in Colline de la Paix bei Nizza, dem das günstige Klima erlaubt, fast alle Kakteen im Freien zu cultiviren. Die Unterstützung von Dr. Weber vervollständigt seine Sammlung mehr und mehr und bedingt die Zuverlässigkeit in der Bestimmung. Auf diesem Wege ist es gekommen, dafs wir, trotz des Verschwindens der alten Originale, doch mit Sicherheit über die früheren Arten urtheilen können und dafs die heute eultivirten Pflanzen in vielen Fällen den Werth besitzen, welchen sonst die typischen Exemplare allein beanspruchen dürfen. Ich komme nun zu dem letzten von mir angeregten Punkte, zu der Besprechung der Kakteenlitteratur. Diese lag nun bis vor Kurzem derart im Argen, dafs, wenn wir nicht die Arten in der Cultur besäfsen, eine wirkliche Monographie ein Ding der Unmöglichkeit wäre. Die älteren Ar- beiten sind im grolsen und ganzen von demselben Werthe wie die gleich- zeitigen über andere Pflanzengruppen. Haworth, der Fürst Salm-Dyck, P. de Candolle haben die Kakteen mit Sachkenntnils nach vorliegenden Exemplaren beschrieben. Wenn auch Pfeiffer die Diagnosen der vor ihm beschriebenen Arten aus den Arbeiten der Autoren excerpirte, so fügte er doch so viele auf Autopsie gegründete Bemerkungen hinzu, dafs seine Enu- meratio diagnostica immer ein sehr werthvolles Buch bleibt. Schon mit Förster aber begann eine bemerkenswerthe Veränderung, indem an die Stelle einer sorgfältigen eigenen Beobachtung die Compilation trat. Seine Diagnosen sind wörtliche Übersetzungen aus Pfeiffer’s Enumeratio. Dafür ist aber der allgemeine Theil, besonders soweit er von der CGultur der Kakteen handelt, werthvoll, und auch manche den Arten angehängte Be- merkung verdient Berücksichtigung. Die zweite Auflage, welche von Rümp- ler besorgt wurde, ist eine sehr fleifsige Arbeit. Er hat die gröfste Mühe darauf verwandt, möglichst vollständig alle vorhandenen Beschreibungen abzudrucken bez. zu übersetzen. Wenn er die Vollständigkeit nicht erreicht hat, so liegt diesem Mangel der üble Umstand zu Grunde, dafs einzelne Arbeiten äufserst schwer zu erreichen sind. Die Kritik ist dagegen nicht seine Sache! Bisweilen hat er, selbst gegen die ausdrückliche Ansicht der Autoren, Arten wieder aus einander gezogen, die identisch sind, ganz da- von zu schweigen, dafs er sich ein Urtheil über dieselben nicht bilden EEE Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemat. Gliederung. 11 konnte, weil sie nicht mehr existirten. Ich habe nach einer sehr genauen Benutzung des Buches nicht den Eindruck gewinnen können, dafs er seinen Gegenstand genügend kannte und ausreichend beherrschte. Will man einen Beweis für diese Behauptung, so studire man seine Bearbeitung von Pilo- cereus, in der er mangels einer ihm bekannten Gliederung (dieselbe lag allerdings von Lemaire entworfen vor) die Arten alphabetisch aufzählte. Über die bekannten gegebenen Gruppirungen in den Gattungen ist er niemals herausgegangen; die bis dahin nicht bekannten Arten hat er in die alten Abtheilungen einzugliedern versucht. Er verfuhr dabei nieht immer mit Glück, wie z. B., wenn er ©. leptocaulis P.DC. zwischen O. arborescens Eng. und O. acanthocarpa Eng. bei den Cristatae, O. ramulifera S.-D. am Schlufs dieser Abtheilung, O. Kleiniae P. DC. bei den Monacanthae, O.Wrightii Eng., O. gra- cilis Hort. und O. frutescens Eng. bei den Subfrutescentes unterbrachte, obgleich doch O. leptocaulis und O. ramulifera sicher identisch sind und O.Wrightii mit O. Kleiniae zusammenfällt, alle aber in die Gruppe Monacanthae gehören. Über Labouret, Monographie des Cactees, ein Wort zu verlieren, ist eigentlich Zeit- und Raumvergeudung. Mir ist in der gesammten bota- nischen Litteratur nicht ein Buch bekannt, welches so klar und deutlich beweist, dafs der Autor selbst den geringsten Anforderungen, die man an ihn zu stellen berechtigt ist, auch nur im mindesten entspricht. Die Mo- nographie ist die flüchtigste Compilation, ohne Kritik und Sachkenntnils. Ich bezweifle selbst, dafs der Verfasser die lateinische Sprache kannte, denn wenn er sie beherrschte, hätten nicht so viele Druckfehler in den Namen stehen bleiben können. Die Litteraturnachweise wulste er in ihren Ab- kürzungen nieht zu deuten; in seinen Synonymenverzeichnissen kann man die wunderbarste Blumenlese von Mifsverständnissen und den unglaublichsten Irrthümern finden (vergl. die Litteratur von Melocactus communis Lk. et O.). Von den zuletzt erwähnten Arbeiten heben sich aber diejenigen zweier neuer Autoren auf das Vortheilhafteste ab. Zunächst mufs ich Engelmann erwähnen. Neben einigen anderen schwierigen Pflanzengruppen der nord- americanischen Flora wandte er die Aufmerksamkeit den in seinem neuen Vaterlande vorkommenden Kakteen zu. Er behandelte dieselben mit solcher Sachkenntnils, dafs seine durch die schönsten Kupferstiche gezierten Schriften geradezu classisch genannt werden dürfen. Wenn die Beschreibungen .der Kakteen, welche von botanischen Sammlern (Wislizenus, Fendler, Lind- heimer) oder von den Führern der staatlicherseits unternommenen Er- .)* 112 K. Scuumans: forschungsexpeditionen (Emor’y, Whipple, King, Ives, Wheeler u.s. w.) mitgebracht wurden, durch ihre peinliche Genauigkeit und Vollständigkeit gerühmt werden können, so ist die Synopsis durch die Kürze der Phrasen und durch die Schärfe der Gliederung der allerhöchsten Beachtung werth. Engelmann hat die Kakteen seines Gebietes als durchaus selbständig unter- suchender und denkender Botaniker studirt und den schwierigen Gegenstand vollkommen sachgemäfs zu meistern verstanden. Noch eines zweiten Mannes habe ich hier rühmend zu gedenken, dem gegenüber ich mit Dank hervorheben kann, dafs mir sein Rath und Bei- stand bei dem so schwierigen Unternehmen einer Monographie von dem gröfsten Nutzen gewesen ist. Herr Generalarzt z. D. Weber in Paris gieng mit der französischen Expedition nach Mexico, das er auf zahlreichen Streif- zügen in vielen Theilen genau kennen lernte. Dabei schenkte er den Kak- teen eine besondere Beachtung und erwarb sich eine eingehende Kenntnifls derselben. Er trat in Verbindung mit Engelmann: es entwickelte sich zwischen beiden Männern ein lebhafter Briefwechsel, in welchem Weber seine zahlreichen Erfahrungen selbstlos niederlegte.e. Engelmann hatte zweifellos die Absicht, noch einmal in seinen späteren Jahren auf die Kakteen zurückzukommen, und sammelte alle Notizen für eine Bearbeitung derselben. Als Coulter seine Preliminary revision of the North- American species heraus- gab, hat er auch die Arten, die Weber für neu hielt und deren Beschrei- hungen von ihm an Engelmann eingeschickt waren, veröffentlicht. Leider hat er Weber von seinem Vorhaben nicht in Kenntnifs gesetzt, und auf diese Weise sind einige Mifslichkeiten entstanden, da sich doch immerhin im Laufe von mehr als 30 Jahren, so lange hatten die Manuseripte geruht, mancherlei Veränderungen vollzogen haben. Weber hat neben einzelnen kleineren Veröffentlichungen die Summe seiner Erfahrungen in dem Diectionnaire d’horticulture von D. Bois nieder- gelegt; die Bearbeitung der Kakteengattungen in diesem Buche ist sein Werk. Er hat nicht die Absicht gehabt, eine Mönographie zu schreiben, sondern wollte nur mit schärfster Kritik als ein wahrer Gelehrter diejenigen Erfahrungen mittheilen, die er im Laufe seines langen Lebens gesammelt hatte. Er stand nicht blofs in fräher Jugend schon mit Pfersdorff in Ver- bindung, sondern spannte seine Beziehungen auch später noch über alle Gebiete der Kakteen aus. Auf diese Weise trug er namentlich dazu bei, unsere Kenntnisse über diese Familie in der Argentinischen Republik, Bo- Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemat. Gliederung. 13 livien und Patagonien zu vermehren. Er wurde darin von Schieckendantz in Tucuman, Spegazziniin La Plata und von Dusen in Stockholm unter- stützt. Auch die Sammlungen von Malme und Lindman sind von ihm bearbeitet worden. Ich stehe nicht an zu erklären, dafs der Name Weber neben dem des Fürsten Salm-Dycek und Engelmann’s in erster Linie unter den Botanikern zu nennen ist, die sich mit Kakteen befalst haben. I. Das natürliche System der Kakteen. Die geringe Berücksichtigung, welche die Kakteen unter den Botanikern fanden, erklärt die befremdliche Erscheinung, dafs bis in unsere Tage das System derselben in den gro(lsen Gruppen nicht reformirt wurde, dafs man vielmehr mit einer zähen Beharrlichkeit an dem von dem Fürsten Salm- Dycek und Pfeiffer begründeten System festhielt, obschon die Mängel des- selben für Jeden, der mit der Familie nur einigermafsen vertraut war, offen- kundig zu Tage lagen. Ich habe zuerst im Jahre 1890 bei der Bearbeitung der Familie für die Flora Brasiliensis einen Versuch gemacht, das System nach neuen Eintheilungsprineipien, welche aus dem Studium der morpho- logischen Verhältnisse erwuchsen, umzugestalten. Wesentliche Einsprüche sind gegen dasselbe nicht erhoben worden; denn die in einem gegen mich gerichteten Flugblatte gemachten Einwürfe können, da sie von kenntnils- losen Laien ausgiengen, nicht als der Widerlegung würdig erachtet werden. Ich habe die historische Entwickelung des natürlichen Systems der Kakteen in einer umfangreichen Arbeit zu schildern versucht' und kann auf diese verweisen. Dagegen mufs ich wenigstens kurz auf diejenigen Punkte in dem Pfeiffer-Salm-Dycek’schen Systeme eingehen, welche seine gegenwärtige Unzulänglichkeit, bedingen. A. Kritik des Pfeiffer-Salm-Dycek’schen Systems. Das System entstand durch die gemeinschaftliche Arbeit des Fürsten Salm-Dyck und Pfeiffer, indem der erstere die Hauptgrundzüge bereits in der Kritik einer Eintheilung von P. de Candolle* niedergelegt hatte, die dann Pfeiffer zum formalen Ausbau des Systems benutzte.” Einige Ab- ! K.Schumann in Monatsschr. f. Kakteenk. VII, off. ® Salm-Dyck in Allg. Gartenz. IV, 145. > Pfeiffer, Enum. diagnost. 4. 14 _K. Scuumann: änderungen brachte dann der Fürst Salm-Dyck an, als er sein letztes Verzeichnifs publieirte.' Dieses soll der folgenden Besprechung zu Grunde gelegt werden. | Die Haupteintheilung in Tubulosae und Rotatae muls insofern unzu- länglich genannt werden, als durch dieselbe die Tribus V, die Rhipsalideae umfassend, aus ihrer offenbaren nächsten Verwandtschaft hinweggenommen und zu den Opuntieae und Peireskieae gebracht wird, mit denen sie un- bedingt keinerlei innere verwandtschaftliche Beziehungen hat. “Überdiefs ist die Bezeichnung Tubulosae schief, da die Blüthenhülle der Kakteen so gut wie niemals röhrenförmig genannt werden kann. Diese letzte Gruppe umfafst einzig die Aphyllae, während die Rotatae in zwei Untergruppen, Squamatae (Subaphyliae Pfeiff.) und Foliosae, zerfallen. Diese Gliederung ist weder in sich logisch, noch ist sie wissenschaft- lich richtig. Wir wissen heute, dafs alle Kakteen Blätter erzeugen, wenn sie auch häufig sehr klein, bisweilen nur mikroskopisch nachweisbar sind; die Bezeichnung Aphyllae ist somit, wenn sie auch einem alten botanischen Sprachgebrauch nicht fremd ist, unbedingt zu verwerfen. Wenn nun zwar Pfeiffer sowohl wie dem Fürsten Salm-Dyck unbekannt war, dafs in der Gattung Cereus, Mamillaria u. s. w. Blätter vorhanden sind, so mufsten Beide doch wissen, dafs die Blätter der Rhipsalideae (squamae) in jeder Be- ziehung mit denselben Organen bei den Phyllocacteae übereinstimmen, wa- ren die einen aphyllae, so waren es die anderen gleichfalls. Gegen die weitere Gliederung der Aphyllae in diejenigen Formen, welche ein »Germen inelusum laeve« und diejenigen, welche ein »Germen exsertum squamosum raro laeve« haben. will ich nur die Bemerkung einwerfen, dafs hei Discocaetus und Malacocarpus stets, bei Echinocactus und Pilocereus in einzelnen Fällen der Fruchtknoten nicht deutlich exsert und nicht immer beschuppt ist: diese Ausnahmen könnten indefs noch durch das beigefügte »raro« gedeckt werden. Dagegen ist falsch, wenn der Fürst Salm-Dyck die Squamatae durch ein Germen exsertum, perigonio marcescente coronatum charakterisirt; denn bei Rhipsalis kommen eingesenkte Fruchtknoten nicht selten vor, und die Beere ist sogar gewöhnlich nicht von dem abgetrockneten Perigon ge- krönt. } ' Salm-Dyek, Caez. hort. Dyck. Bonn 1850. p- 11. Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemat. Gliederung. 15 Die Gattungen der Tubuwlosae germine incluso laevi, welche die Tribus I Melocacteae‘ bilden, zerfallen wieder in solche, bei denen die Blüthen aus den Axillen der Höcker hervortreten, und in solche, deren Blüthen aus einem ÜCephalium entspringen. Diese Eintheilung ist unlogisch; denn die beiden Gruppen sind nicht nach dem Satze des Widerspruchs gebildet. Sie mulste sich auf das Vorhandensein oder das Fehlen eines Cephaliums gründen. Über das Wesen des Cephaliums war der Fürst Salm-Dycek nicht genügend unterrichtet, obschon dasselbe bereits vorher von de Mon- ville richtig analysirt worden war. In Wirklichkeit treten die Blüthen hier aus den Areolen:;: aber es wäre sehr wohl möglich gewesen, dafs sie auch im CGephalium aus den Axillen hätten entspringen können. Die zweite Abtheilung der Aphyllae germine exserto squamoso raro laevi zerlegt er in diejenigen Gattungen, bei welchen die Blüthen aus areolentragenden, meist in Rippen zusammentliefsenden Höckern hervor- treten, und in diejenigen, bei welchen die Blüthen aus seitlichen Kerben oder aus der Spitze der Glieder eines blattartigen Stengels erscheinen. In beiden Fällen kommen sie aus den Areolen, die noch dazu bei Cereus häufig eine völlig identische Beschaffenheit mit denen der Phyllocacteae haben. Überdiefs gibt es wieder Formen, welche ein Gephalium bilden, von der ‚nämlichen Beschaffenheit wie das von Melocactus, die also in dieser Ab- theilung keinen Platz finden können. Sonst ist noch als mangelhaft an dem System zu erklären, dafs es die Gattung Leuchtenbergia von Echinocactus, mit der sie allein verwandt- schaftlich in Beziehung gesetzt werden kann, entfernt und sie zu den Cereastreae bringt. Sie hat weder die »flores laterales«, noch den »tubus perigonii plerumque elongatus« der Cereastreae. Die Blüthen sind vielmehr ganz in dem Sinne scheitelständig, wie er für Eehinocactus genommen werden kann, und die Form der Blüthe schliesst sich an die der grossblüthigen Eehinocaeten mit beschuppter, aber nicht behaarter Röhre an. Diese Ausstellungen an dem System von Pfeiffer-Salm-Dycek werden zur Genüge darthun, dass es reformbedürftig war; nach der einen Seite ! In der unglückseligen Vereinigung der Gattungen Melocactus und Mamillaria zu einer Tribus muls man die Nachwirkung einer irrthümlichen Vorstellung von P.de Candolle er- kennen. Dieser meinte nämlich in seiner Revue des Caetees. ein blühender, mit Schopf ver- sehener Melocactus sei als ein Echinocactıs aufzufassen, der am oberen Ende eine Mamillaria aufgesetzt trüge. 16 K. Schumann: hin hat die fortschreitende Erkenntnils über die Kakteen wesentliche Er- weiterungen gebracht, nach der anderen Seite hin hat der Fürst Salm- Dyck die schon zu seiner Zeit vorliegenden Kenntnisse nieht richtig ver- werthet. B. Die Begründung des von mir entworfenen Kakteensystemes. Ein System der Kakteen mufs, wenn es der doppelten Anforderung, die man an ein solches zu stellen berechtigt ist, Genüge leisten will, be- sondere Verhältnisse in Rücksicht ziehen. Einmal wird es die Fülle von Formen in einer übersichtlichen Gliederung zusammenstellen, welche die Blutsverwandtschaft soweit wie möglich zum Ausdruck bringt; aufserdem wird es derart beschaffen sein müssen, dafs eine vorliegende unbekannte Form in dasselbe hineingegliedert werden kann, es soll also zur Bestimmung derselben geeignet sein. In den wenigsten Fällen befindet sich der zu be- urtheilende Körper in dem Zustande botanischer Vollständigkeit: von vielen Arten der Kakteen kennen wir Blüthen und Früchte wie Samen nur man- gelhaft, oder sie sind überhaupt noch nicht gesehen worden. Diesen Um- stand hat der Botaniker, welcher es unternimmt, ein System der Kakteen aufzustellen, sehr zu beherzigen. Mir lag also in erster Linie daran, aus den groben exomorphen Merkmalen der Körper einen möglichst weitgehenden Nutzen für die Eintheilung zu ziehen. Schon hierin liegt ein ungewöhn- liches Verhältnifs vor, da fast in allen Familien der Pflanzen die Eintheilung auf die floralen Charaktere gegründet ist. Zum Glück bieten die Kakteen Merkmale, welche es gestatten, die Hauptgliederungen nach leicht wahrnehmbaren Charakteren zu vollziehen. Von besonderer Wichtigkeit ist das Vorhandensein von Widerhakenstacheln oder Glochiden. Sie finden sich ausschliefslich bei den Gattungen der Gruppe, die ich als Unterfamilie Opuntioideae zusammengefafst habe. Die Natürlichkeit dieser Absonderung wird gewährleistet durch ein äulserst wichtiges, constant wiederkehrendes Merkmal an den Samenanlagen. Näm- lieh nur bei den Opuntioideae wird die eigenthümliche Thatsache wahr- genommen, dafs die Samenanlage von einer eigenartigen Hülle, die von (lem Nabelstrang ausgeht, eingeschlossen wird. Die Hülle erzeugt in ihrer weiteren Entwickelung dickwandige sklerotische Elemente und bleibt immer blals, sie ist entweder gelblich oder hellbräunlich, so dafs man die Samen aller Opuntioideae als hart- und hellschalig bezeichnen kann. Berücksichtigt Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemat. Gliederung. 17 man nun noch, dafs die Opuntioideae zum mindesten am Neutrieb immer grölsere und deutliche, zuweilen sehr grofse und auch später oft bleibende Blätter haben, so wird man zugeben, dafs diese Unterfamilie immer leicht zu erkennen und dafs sie auch natürlich gut begründet ist. Grofse und deutliche Blätter kommen auch der Unterfamilie Peireskioideae zu; da ihnen aber, selbst wenn sie opuntioide Tracht besitzen, stets der Glochiden entbehren, so wird man sie in bequemer Weise zu erkennen vermögen. Allen Formen der Peireskioideae sind die glänzenden. dünnen, schwarzen Samenischalen der übrigen Kakteen eigen, und diesem Umstande entsprechend ist die Samenanlage nicht besonders umhüllt. Als dritte Unterfamilie bleibt diejenige der Cereoideae zurück, welche ‚dureh kleine, häufig nur in jugendlichem Zustande mit Hülfe des Mikro- skopes nachweisbare Blätter ausgezeichnet ist, niemals aber Glochiden be- sitzt. Die Samenanlagen sind nicht von einer besonderen Hülle umgeben, die Samenschale ist dünn und brüchig, dabei dunkelgelb, braun oder schwarz gefärbt, selten sind die Samen heller gelb. Nachdem ich die Gesammtbeschreibung der Kakteen vollendet habe, bin ich zu einer anderen Ansicht über die Anreihung dieser Unterfamilien gekommen. Ich halte jetzt die Peireskioideae für diejenige Gruppe, welche den Ausgangspunkt der merkwürdigen Differenzirungen zu den Körpern der Kakteen darstellt. Durch das Vorhandensein von breitspreitigen Blättern und bisweilen von wahren Blüthenständen lelınen sie sich am nächsten an die normalen Dicotyledoneen an. Auf sie folgen die Opuntioideae, welche mit den Peireskioideae durch die Gattung Maihuenia Phil. verbunden werden; dabei ist die letztere aber nach ihren wichtigen Charakteren in der Beschaffen- heit der Samen und wegen des Fehlens der Glochiden in die letzt erwähnte Unterfamilie zu stellen. Die Cereoideae zerlege ich in 2 Tribus, in die Echinocacteae und Mamillari- eae, welche sich dadurch von einander unterscheiden, dafs bei jenen der Neubildungsherd in der Achsel der Blätter einheitlich, bei diesen aber getheilt ist, mit anderen Worten die Eehinocacteae erzeugen Knospen und Blüthen aus den Areolen, die Mamillarieae aber aus den Axillen. Die Rhipsalideae, welche ich noch in der Gesammtbeschreibung als dritte Tribus festhielt, kommt jetzt zu den Eehinocacteae. Ich habe schon oben gesagt, dafs ich der rad- förmigen Blüthenhülle keine so grofse Bedeutung zuschreiben kann; jetzt, da wir die kleine, radförmige Blüthe von Cereus geometrizans Mart. so genau Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. II. 3 18 K. ScHuumann: kennen gelernt haben, fällt die Möglichkeit einer derartigen Sonderung über- haupt weg. Ihrer ganzen Morphologie nach ist die Tribus der Ahipsalideae mit den cereusartigen Gestalten verwandtschaftlich eng verbunden, und zu ihnen müssen sie wieder gebracht werden. Die Gliederung der Mamillari- eae ist klar und durchsichtig; ich habe nicht nöthig, sie hier zu wieder- holen, da ich keine Abänderung gegen die Eintheilung in der Gesammt- beschreibung vorzunehmen gedenke. Die Vielgestaltigkeit des Körpers in der Gattung Rhipsalis, die ich nicht weiter in Gattungen zerlegen möchte, zwingt mich nun, von der Beschaffen- heit der Blüthenhülle für die Gliederung Gebrauch zu machen; ich muls die Echinocacteae nach dem Vorhandensein einer kleinen, radförmigen oder einer gröfseren, meist trichterförmigen Blüthenhülle zerlegen. Dabei will ich aber beide Gruppen wegen der engen Beziehungen zu einander nicht mit besonderen Namen hervorheben. Auch die weitere Scheidung lasse ich in der Form bestehen, welche man in der Gesammtbeschreibung findet, nur rücke ich Leuchtenbergia noch näher an Echinocactus heran und stelle Melo- cactus hinter diese Gattung, so dafs ihr derselbe Ort zukommt, der Cephalo- cereus hinter Cereus und Pilocereus angewiesen ist. Mein System hat also jetzt folgende äufsere Gestalt: I. Unterfamilie Peireskioideae K. Sch. (Peireskia L., Maihuenia Phil.). II. Unterfamilie Opuntioideae K.Sch. (Opuntia Mill., Nopalea S.-D.', Ptero- cactus K. Sch.). f III. Unterfamilie Cereoideae K. Sch. 1. Tribus Echinocacteae K. Sch. A. Stamm verlängert, kantigodergerippt, Blüthen ansehnlich, trichter- förmig (Cereus Mill., Pilocereus Lem., Cephalocereus K. Sch.). B. Stamm verlängert, blattförmig, Blüthen ansehnlich (Phyllocactus k., Epiphyllum Pfeiff.). ©. Stamm verlängert, fadenförmig, kantig oder blattartig, Blüthen klein, radförmig (Pfeiffera S.-D., Hariota P. DC., Rhipsalis Gärtn.). D. Stamm verkürzt, Blüthen ansehnlich trichterförmig. a. Ein Cephalium nicht vorhanden. &. Körper gerippt oder in kurze Höcker aufgelöst. ‘ Ich bin doch sehr zweifelhaft geworden, ob diese Gattung fernerhin anzuerkennen ist; besser wäre es wohl, sie wieder nach Opuntia zurückzubringen. Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemat. Gliederung. 19 I. Blüthenhülle verlängert, trichterförmig (Echinopsis Zuce.). II. Blüthenhülle meist verkürzt. 1. Körper kurz eylindrisch, sehr weich, Blüthen seiten- ständig, Fruchtknoten bestachelt, Narbe grün (Zehi- nocereus Eng.). 2. Körper kugelförmig, selten eylindrisch, derb und prall, Blüthen meist endständig, Fruchtknoten nicht bestachelt (Hehinocactus Lk. et O.). 2. Körper mit prismatischen langen Warzen bedeckt (Leuch- tenbergia Hook. et Fisch.). b. Ein Cephalium entwickelt sich, wenn die Pflanze blühfähig wird (Melocactus Lk. et O.). 2. Tribus Mamillarieae (Mamillaria Haw., Pelecyphora Ehrbg., Ariocar- pus Scheidw.). Wenn ich mein System mit denjenigen vergleiche, welche in den gegen- wärtig gebrauchten grofsen systematischen Handbüchern, in Bentham- Hooker, Genera plantarum, und in Baillon, Histoire des plantes, ange- nommen, sind, so macht sich zunächst ein Unterschied in der Zahl der an- erkannten Gattungen bemerkbar. Beide genannte Autoren haben nur 13 Gat- tungen in der Familie der Kakteen angenommen, während ich deren früher 20, jetzt 21 anerkannt habe. Sehe ich von der erst durch mich auf eine neuerdings gefundene Pflanze gegründete Gattung Pferocactus ab, so habe ich immerhin noch um die Hälfte mehr als jene. Allgemeine Grundsätze über die Aufstellung von Gattungen im Pflanzenreich festzusetzen, ist längst als ein Ding der Unmöglichkeit erkannt worden; die einzelnen Familien müssen nach dieser Richtung hin einzeln für sich betrachtet und noth- gedrungen verschieden behandelt werden. Aber auch in einer einzelnen solehen Gruppe wird man nicht dahin gelangen, «allgemein gültige Prin- eipien niederzulegen, die von allen Botanikern gleichmäfsig angenommen werden müssen. Die Aufstellung der Gattungen ist durchaus abhängig von der höheren oder geringeren Bewerthung der Merkmale, die immer subjeetiv bleibt. Wenn ich also in dem weichen Körper der Arten von Echinocereus, in dem stets bestachelten Fruchtknoten und der grünen Narbe 3* 20 K. Scuumann: vortreffliche Charaktere zur Abgliederung der Gattung erkenne, so wird man mir vielleicht in dieser Anschauung nicht beitreten, wie denn diese Gattung nicht blofs von ihrem Schöpfer Engelmann selbst wieder ein- gezogen, sondern auch später mit Ausnahme von Lemaire durch keinen Botaniker mehr angenommen worden ist. Ich habe Cephalocereus wieder hergestellt bez. aus Pilocereus selbständig abgesondert und auch Ariocarpus und Hariota und Maihuenia angenommen, alles Vornahmen, denen gegen- über sich Bentham-Hooker und Baillon ablehnend verhalten haben. Wie in meinen früheren Arbeiten, stehe ich auf dem Standpunkte, dafs man in dem System eine weitgehende Zerlegung in Gattungen befür- worten soll, während ich andererseits die Ansicht vertrete, dafs man’ die Arten möglichst straff zusammenziehen soll. Ich möchte im Folgenden diesen Standpunkt etwas näher begründen. Bis in die neuere Zeit hinein hat die alte, von Linne vertretene Ansicht fast allgemein Geltung gehabt, dafs alle Formen oder auch Abstractionen, wie Arten, Gattungen u. s. w., dann in eine Classe oder Abtheilung zusammengefalst werden mülsten, so- bald sich zwischen den Formen bez. den Merkmalen, die zur Aufstellung jener Abstractionen dienten, Übergänge finden. Diesen Standpunkt kön- nen wir heute nicht mehr festhalten, nachdem sich die Zahl der Formen so aulserordentlich vermehrt hat; denn jede neue zeigt nach irgend einer Beziehung hin Verbindungen mit anderen Arten oder den Gattungen unter einander. Für uns sind gegenwärtig die Gattungen nicht mehr die durch schroffe, scharflinige Grenzen abgeschiedenen Kreise oder Bezirke, sondern Kerne, von denen aus Strahlen nach den verschiedensten Richtungen hin ausgehen. Es ist einleuchtend, dafs sich diese Strahlen mit denen der benachbarten Kerne nicht selten berühren werden, weil ja die Differentia- tionen der gemeinschaftlichen Charaktere einer Gruppe allein die Ver- schiedenheiten der Formen bedingen. Wenn wir bei den Kakteen aus den Übergängen stets die Verbindung der Gruppen erschlössen, so mülste das System vollkommen zusammenbrechen. Es gibt Übergänge zwischen den alten Gruppen der Tubulosae und den Rotatae, zwischen den Aphyllae, Sguamatae und Foliosae, zwischen Germen inchısum laeve und Germen exsertum squamosum u. s. w.; denn alle diese Charaktere sind nur gradweise Unterschiede in den gewissen Kakteen zu- kommenden und gemeinsamen Merkmalen. Die Gattungen zumal in der Unterfamilie der Cereoideae sind zum gröfsten Theil so beschaffen, dafs der- Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. 2. ihrer systemat. Gliederung. 21 jenige, welcher sich darauf verlegt, diese Übergänge besonders hervor- zuheben, schliefslich alle in eine Gattung zusammenziehen kann. Ich werde unten Gelegenheit nehmen, auf die gleitenden Arten, welche die Gat- tungen verbinden könnten, besonders aufmerksam zu machen. Von ganz besonderer Bedeutung wird aber die Zerlegung der grolsen Gattungen in minder umfangreiche für die Pflanzengeographie. Bei dem Fest- halten an jenen gehen die feineren Details in der Verbreitung der Arten vollkommen verloren, das geographische Feld erscheint wie ein massiges ungegliedertes Ganze, während unter Berücksichtigung der kleineren For- menkreise dieses Besetzungsgebiet in eine grölsere Zahl gegliederter Di- striete zerfällt, welche für die Erkenntnifs der Entwiekelung einer Familie oft von der erheblichsten Bedeutung sind. II. Die systematische Gliederung der einzelnen Gattungen und die geographische Verbreitung derselben. A. Die Gattungen Peireskia Linn. und Maihwenia Phil. Während in so vielen Gattungen der Kakteen, durch eine erweiterte Kenntnifs oder durch veränderte Anschauung veranlafst, Umstellungen der Arten aus der einen in. eine andere geschehen mulfsten, erschien die Gattung Peireskia. die vor den anderen besonders fest gefügte zu sein. In allen Handbüchern, von demjenigen Pfeiffer’s an bis auf Rümpler’s, ist der Bestand der Gattung recht wenig verändert. Ein Kern von ı1 Arten ist diesen beiden, um 48 Jahre in ihrem Erscheinen aus einander liegenden Büchern gemeinsam. Wenn Rümpler 2 Arten, die Pfeiffer aufgenommen hatte, wegliefs, so erhielt er die gleiche Zahl dadurch, dafs er 2 neue hin- zufügte, von denen die eine erst später beschrieben war (Peir. subulata Mühlpf.), die andere hatte der Fürst Salm-Dycek schon 1849 von Opuntia herübergenommen (P. Poeppigü [Pfeiff.] S.-D.). In der That schien diese Gattung Peireskia auch ganz besonders gut durch die grofsen, meist breit- spreitigen, lange bleibenden Blätter charakterisirt. Und doch war schon zur Zeit Rümpler’s, ohne dafs er darüber eine Kenntnifs hatte, in dieses Gebäude durch E ngelmann eine Bresche ge- legt; Rümpler war nicht davon unterrichtet, dafs Engelmann bereits 1853 die Peireskia subulata Mühlpf. wegen des Vorhandenseins der Glochi- 22 K. Scnuumans: den und wegen der knochenharten hellschaligen Samen in Opuntia aufge- nommen hatte; Rümpler that des neuen Namens nicht einmal in der Syno- nymie Erwähnung. Meines Erachtens nach mufste jeder einigermafsen bo- tanisch geschulte Autor den Schritt Engelmann’s billigen, denn in jeder Hinsicht weisen die Charaktere dieser Art auf die Verwandtschaft mit O. cylindrica (Juss.) P. DC. und den übrigen Teretes hin. In den Andeutungen, welche Engelmann gegeben, ruht nun die vollkommene Zertrümmerung der Gattung Peireskia und ihre Wiederaufriehtung, die von mir schon früher angedeutet, hauptsächlich von Weber in Paris vollzogen wurde. Ich war durch meine Untersuchungen zu einem ganz ähnlichen Resultate gekom- men, das ich aber, als Weber’s Arbeit erschien, noch nicht veröffentlicht hatte. Die Wiedereinsetzung der Gattung Maihuenia Phil., welche ich erst vor Kurzem im Typ kennen lernte, ist Weber’s eigenes Werk; ihm ge- bührt also in der Reformation der Gattungsumgrenzung von Peireskia, Mai- huenia und Opuntia anstandslos die Priorität. Indem Weber die Arten der Gattung Peireskia sichtete, kam er zu dem Ergebnils, dafs wegen des Vorhandenseins von Glochiden und hart- und hellschaligen Samen die Peir. spathulata Web. und Peir. pititache Karw., trotz der breitspreitigen Blätter aus Peireskia zu entfernen und in die Gat- tung Opuntia zu versetzen wären. Mit der eigenthümlichen O. rotundifolia T. S. Brand. (nicht Peireskia rotundifolia P. DC.) verband er sie zu einer besonderen Section oder Untergattung Peireskiopuntia. Als Anmerkung füst er bei der Behandlung der Gattung Peireskia noch hinzu, dafs auch P. ro- tundifolia P. DC. und P. opuntüflora P. DC., zwei nur nach den Abbildun- gen, welche Mocino und Sesse gegeben haben, bekannte Arten, wahr- scheinlich ebenfalls hierher gehören. Da ieh von der Richtigkeit der An- nahme Weber’s überzeugt bin, so habe ich die beiden Arten nach Pei- reskiopuntia hinübergenommen; die O. rotundifolia T. S. Brand. musste durch diese Veränderung einen neuen Namen erhalten: ich nannte sie O. Bran- degeei. Da für meine Empfindung O. opuntüflora (P. DC.) eine unmögliche Combination ist, so habe ich diesen Namen in O. Golziana abgeändert. Die Gattung Maihuenia wurde zuerst durch Philippi in Vorschlag gebracht. Er gab eine gute, von einer Abbildung begleitete Beschreibung der Opuntia Poeppigüi Otto (Peireskia Poeppigü S.-D., Peireskia Maihuen Remy) und meinte, man könnte für die Pflanze wohl mit Recht eine neue Gat- tung aufstellen, die er indefs nicht scharf und genügend charakterisirte. Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemat. Gliederung. 23 Weber hat die Pflanze mit einer zweiten Art Peireskia Philippü (F. Hge.) Web. in der Untergattung Maihuenia noch bei Peireskia belassen, aber eben- falls betont, dafs sie besser ein besonderes Geschlecht ausmachen würden; er fügte dabei die Namen Maihuenia Poeppigü Web. und M. Philippü Web. in der Synonymie gleich bei. Durch die Güte des Hrn. Director Soehrens in Santiago de Chile er- hielt ich sehr schönes Material der Pflanze mit Früchten und konnte mich überzeugen, dafs in der That der Mangel an Glochiden und die Natur der Samen die nahe Verwandtschaft von Maihuenia mit Peireskia offenbart. Die opuntioide Tracht indessen in Verbindung mit den pfriemlichen,, stiel- runden Blättern trennt sie in genügendem Mafse von dieser Gattung. Es ist übrigens leieht möglich, dafs eine spätere Erweiterung unserer Kenntnisse über die Früchte und Samen noch manche Überraschung in dieser Verwandtschaftsreihe bringen kann. Ich willınur darauf hinweisen, dafs ich zugleich mit jener Pflanze die Frucht von O.ovata Pfeiff. erhielt. Ich war nicht wenig erstaunt, als ich bei der Untersuchung in derselben neben den typischen hartschaligen Samen zugleich solehe mit einer glän- zenden, braunen, dünnen Schale vorfand. Das Praeparat der Frucht ist wegen seiner Wichtigkeit in dem Königlichen Botanischen Museum von Berlin aufbewahrt. Die Gattung Peireskia ist von mir in 2 Untergattungen zerlegt worden, von denen Eupeireskia K.Schum., P. aculeata Linn., Aho- plocarpus K. Sch. die übrigen Arten umfafst. Weber, welcher der Gattung eine sehr dankenswerthe Aufmerksamkeit schenkte, hat dieselbe um viele Arten bereichert, so dafs wir jetzt ıı Arten kennen. Wie diese Pflanzen im äufseren, häufig auch in zusammengesetzten Blüthenständen den normalen Dicotyledoneae mit breitspreitigen Blättern am nächsten kommen, so haben auch ihre Wohnplätze nichts, mit denen der typischen Kakteen gemein: sie meiden die Orte höchster Trockenheit und bevorzugen waldige und schattige, feuchte Plätze fast ausschliefslich in der heilsen Zone. Die letztere wird nur, wie wir diefs von vielen brasilianischen Typen kennen, in Ar- gentinien und Paraguay überschritten, denn P. amapola Web. und P. acu- jeata Linn. gehen noch über den 25. Grad bei Asuncion heraus, was auch von O. sacha rosa Gris. gelten dürfte, die im Staate Salta gedeiht. Die Pflanze, welche jetzt allgemein als P. bleo (H. B. K.) P. DC. eultivirt wird, wächst sicher in Brasilien bei Rio de Janeiro und im Staate Espiritu Santo. Die Zweifel aber, welche Weber bezüglich der Identität mit der von Kunth beschrie- 24 K. ScHnumann: benen Pflanze aus dem Thal des Magdalenenstroms äulsert, scheinen mir sehr beherzigenswerth. Bei Jaen de Bracamoros fand Humboldt die P. horrida (H.B.K.) P.DC.; ich habe eine neue Art P. Weberiana aus Bolivien beschrieben. Aus Venezuela kam die einzige gelbblühende Art, P. Gua- macho, an Weber, der auch eine P. panamensis vom Isthmus von Panama aufstellte.e Auf den Antillen verbreitet ist die P. aculeata L., welche den gröfsten Verbreitungskreis besitzt, da sie bis Brasilien nach Süden herab- steigt; vielleicht hat an dieser Ausdehnung die Benutzung der Früchte als Obst (Groseilles de Barbados) ihren Antheil; in West-Indien ist auch die schon von Plumier beschriebene P. portulacifolia (L.) P.DC. zu Hause. Nun bleiben noch 2 Arten übrig, welche wir nur nach den Skizzen von Mocino und Sesse kennen und die schon von P. de Candolle in der Revue veröffentlicht sind: P. zinnüflora P. DC. und die wegen ihrer gefransten Blüthenhüllblätter sehr merkwürdige P. Iychnidiflora P.DC., beide wahrschein- lich aus den heifseren Distrieten Mexicos. Mit jener kann vielleicht We- ber’s P. tampicana übereinstimmen. Wie viele Kakteen, werden auch einige Peireskia- Arten in den Tropen- ländern beider Hemisphaeren cultivirt. Am Cap wird nach Schlechter eine Art, die er mir als P. bleo (H.B.K.) P.DC. bezeichnete, nicht selten als niedrige Heckenpflanze gezogen: sie kommt dort auch bisweilen ver- wildert vor; vielleicht ist die von ©. Kuntze als P. aculeata Mill. bestimmte Pflanze der Bluffs in der Nähe von Durban (Natal) dieselbe Art. Die Gattung Maihuenia ist ein durchaus andines Geschlecht. Der Typus ist auf der Cordillere von Chillan auf sandigen hochgelegenen Weiden ver- breitet, wo er grofse, gerundete Büsche bildet. M. Philippü Web. findet sich auf der nicht weit davon entfernten Cordillera de Linares, auf welcher sie bis in die Nähe der Schneegrenze aufsteigt. Eine dritte Art M. brachy- delphys habe ich aus der Kuntze’schen Sammlung beschrieben ; sie wurde am Paso Cruz, dem Übergange von Argentinien nach Santiago, aufgenommen. B. Die Gattungen Opuntia, Nopalea und Pterocactus. Auf die wesentlichsten Momente, welche eine neue Ordnung des Systems in den Gattungen Opuntia und Peireskia bedingt haben, wurde schon bei Peireskia hingewiesen. Weber nahm, nachdem bereits Engelmann mit P. subulata Mühlpf. vorausgegangen war, die Arten mit breitspreitigen Blättern, welche mit Glochiden versehen waren, aus der Gattung heraus Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemat. Gliederung. 25 und stellte sie zu Opuntia, wo sie jetzt eine eigene Untergattung Peire- skiopuntia bilden. Derselbe vorzügliche Kenner dieser Gruppen reformirte das System insofern noch, als er zu den beiden Engelmann’schen Unter- gattungen Oylindropuntia und Platyopuntia' die alte Lemaire’sche Gattung Tephrocactis, allerdings viel besser charakterisirt, als Untergattung hinzu- fügte. Ich habe dann noch die Untergattung Brasiliopuntia gegründet, welche durch eine bemerkenswerthe Dimorphie der Glieder gekennzeichnet ist, indem die einzige Art derselben O. brasiliensis (W.) Haw. dünne, laub- artige Brachyblasten an ceylindrischen Langtrieben erzeugt. Die beiden anderen Gattungen, welche Lemaire geschaffen hatte, Con- solea und Cactus, habe ich dagegen ebenso wenig wie Weber angenommen. Jene ist nur auf das Vorhandensein einer verengten Kammer am Grunde des Fruchtknotens gegründet, diese ist eine Mischung so verschiedener Elemente, dafs die Diagnose Lemaire’s keineswegs auf die Gesammtheit pafst. Ein Theil der Arten, wie Cactus Pentlandü, ©. bolivianus, C. corrugatus, sind zu Tephrocactus gehörig, andere sind Platyopuntien. Weder (©. curassa- vicus, noch C©. Salmianus, noch (©. aurantiacus können in Lemaire’s Gattung eigentlich Aufnahme finden, da sie keineswegs »des especes naines, cou- chees ou A peine ascendentes« sind. Aufserdem ist die erneute Benennung einer Gattung Cactus die unheilvollste, die man sich denken kann, denn mit Lemaire hat sie nun die sechste Variation ihres Inhaltes erfahren.” Die Untergattung Peireskiopuntia Web. umfalst gegenwärtig 5 Arten, welche jedenfalls sämmtlich dem wärmeren Mexico eigenthümlich sind; mit Sicherheit wissen wir, dafs die Heimat von 0. spathulata (Lk. et O.) K. Sch. am Pie von Colima, die von O. pititache (Karw.) Web. bei Tehuacan, die von O. Brandegeei K. Sch. auf der Südspitze der Halbinsel Californien gelegen ist, welche im Gegensatz zum Norden durch viele tropische Formen ausgezeichnet ist. Die Untergattung Brasiliopuntia gehört, wie der Name sagt, Brasilien an; O. brasiliensis (W.) Haw. bildet in der Umgebung von Rio de Janeiro ! Ich halte diesen Namen für besser als Platopuntia , s. u. S.28. ® (Cactus L. 1737 = Cactaceae Lindl. exel. Peireskia. Cactus L. 1753 = Cactaceae Lind. inel. Peireskia. Cactus Haw. = Echinocactus + Melocactus Lk. et O. Cactus Mig. = Mamillaria Haw. + Melocactus Lk. etO. Cactus OKtze. = Mamillaria Haw. Cactus Lem. = Opuntia Mill. ex p. Dabei habe ich von Cactus Neck. noch abgesehen, weil diese Gattung schwer und unsicher zu definiren ist. Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. II. 4 26 j K. Senumann: Holzgewächse, welche, von Ferne betrachtet, Birnbäumen gleichen sollen; sie kommt auch noch in Argentinien vor. Die Untergattung Cylindropuntia, welche ich in 9 Reihen zerlegt habe, ist sowohl dem nördlichen wie dem südlichen Theile des americanischen Con- tinentes zugehörig, bei weitem die gröfste Menge der Arten ist aber dem mexicanisch-texanischen Gebiete eigen. Besonders bemerkenswerth ist hier das Vorkommen von Arten, deren Stacheln mit einer lockeren, seidigen Scheide überzogen sind; man kann diese nach meinem Vorschlage Hosen- stacheln nennen. Von diesen Arten gedeihen die meisten in den Vereinig- ten Staaten und auf der pflanzengeographisch durch Arizona mit ihnen ver- bundenen Halbinsel Californien, nur O. Kleiniae P. DC., O. stapeliae P. DC., O. Thurberi Eng., O. imbricata P. DC., O. tunicata (Lehm.) Lk. et O. sind mexi- canisch; aber auch einige von diesen dringen noch in die Vereinigten Staa- ten ein, denen im Ganzen 17 Arten eigen sind. Unter allen will auf O. Zunicata nochmals aufmerksam machen, welche ich neuerdings von Cuba und Ecuador in getrockneten Exemplaren gesehen habe. Ob es sich bei diesen Vorkommen um wirklich wild wachsende Pflan- zen handelt, oder ob wir es bei ihnen mit eultivirten Exemplaren zu thun haben, ist vorläufig nicht zu entscheiden, so viel steht aber sicher fest, dass die Pflanze unter dem Namen tentscholote in Mexico häufig auf Mauern gepflanzt wird, um dieselben unübersteigbar zu machen. Die furcht- baren Waffen der Pflanze machen sie zu diesem Zwecke sehr geschickt. Von der Reihe C/avatae Eng. ist eine Art deswegen hervorzuheben, weil sie eine allerdings unbegründete Aufmerksamkeit als Repraesentant einer Zwischengattung von Cereus und Opuntia erregte. Für sie wurde die Gattung Grusonia geschaffen. Äufserlich ist die Gr. cereiformis F. Reichb. allerdings einem Cereus nicht unähnlich; die kräftigen Stämme sind gerippt, und wenn sie auch deutlich gegliedert sind, so kommt diese Eigenthüm- lichkeit, welche bei den Cylindropuntien allgemein verhreitet ist, doch auch bei Cereus vor (C. Ghiesbreghtü K. Sch.). Wie weit die Ähnlichkeit geht, kann schon daraus geschlossen werden, dafs Coulter die Pflanze als Cereus Bradtianus beschrieb. Nachdem die Anwesenheit der Glochiden namentlich in den Areolen des Fruchtknotens und das Vorhandensein von etwa 1°” langen, leicht abfälligen Blättern von mir zuerst nachgewiesen worden ist, kann ein Zweifel über die Zugehörigkeit des O. cereiformis (F. Reichb.) Web. zu dieser Gattung nicht mehr bestehen. 2 Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemat. Gliederung. 27 In Süd-America sind 4 Reihen der Cylindropuntien vorhanden. Zu derjenigen, welche ich Teretes genannt habe, gehört die Art, welche zuerst aus der Gattung Peireskia zu Opuntia herübergenommen wurde, ©. subulata (Mühlenpf.) Eng. Sie ist in Bolivien auch auf den höheren Ge- birgen verbreitet und wegen der längsten Blätter in der Gattung allgemein bekannt; die Ausmessungen der letzteren betragen bis 12°”. Ihre Samen sind sehr grofs und diekschalig, so dafs Engelmann auf diese Art eine besondere Gruppe Pachyspermae gründete. Da die Samen so vieler süd- americanischer Opuntien noch gar nicht bekannt sind, so ist über Umfang und natürliche Zusammengehörigkeit der Componenten dieser Gruppe kein Urtheil möglich. ©. Salmiana Parm., welche bei uns niemals, in der Hei- mat wahrscheinlich ebenso wenig Früchte mit Samen bringt, verhält sich in allen Einzelheiten doch zu verschieden, als dafs ich Engelmann’s Vermuthung der Zugehörigkeit zu den Pachyspermae Beifall zollen könnte. Die Arten aus der Reihe Teretes ebenso wie aus den beiden folgenden Austro-Tuberculatae K. Sch. und Etuberculatae S.-D. gehören dem andinen (ebiete an, während die Reihe Fruiescentes östlichere Arten umfalst: O. Salmiana Parm. ist in Brasilien heimisch, 0. Schickendantzii Web. wächst im Staate Tucuman, und dort gedeiht auch O. Spegazzinü Web. Die IV. Untergattung Tephrocactus Web. ist fast ausschliefslich dem andinen Gebiete eigen, wobei allerdings mehrere schon von Gillies ein- geführte Arten auf der argentinischen Seite, in der Umgebung von Men- doza wachsen (O0. aoracantha Lem., O. diademata Lem., O. platyacantha S.-D., O. andicola Pfeiff., ©. ovata Pfeiff... Zwei andere wohnen entfernter von diesem Hauptgebiete, nämlich O. australis Web. und ©. Darwini Hensl., welche in Patagonien heimisch sind. Die typischen Formen von Tephro- cachıs sind jene kurzgliedrigen, bald aschgrau gefärbten Kakteen, von denen O. diademata Lem. allgemein bekannt ist. Diese Art wie noch mehrere andere besitzen jene eigenthümlich verbreiterten und dabei relativ dünnen »Papierstacheln«, die allmählich durch solche von festerer, cartonartiger Beschaffenheit (O. platyacantha S.-D.) in sehr robuste Gestalten übergehen (O. tarapacana Phil., O. pyrrhacantha K. Sch.). Bei einigen Arten nehmen die Glieder die Grölse von Hühnereiern und darüber an, so dafs sie in der grauen bis bräunlichen Farbe lebhaft an Kartoffelknollen erinnern. Alle Arten wachsen in grofsen gesellschaftlichen Verbänden und bilden entweder rasenförmige Aggregate (O. corrugata S.-D.) oder gerundete Hauf- 4* 28 K. Scauumann: werke (0. tuberiformis Phil., O. ovata Pfeiff., O. aoracantha Lem.); die letztere ist mit furchtbaren, bis 10°” langen Waffen bewehrt. Sehr interessant und bemerkenswerth sind die Beobachtungen, welche Weber über eine nicht unerhebliche Anzahl von Samen der Untergattung Tephrocactus mitgetheilt hat. Diese sind zwar ebenfalls hell gefärbt, aber von stäbchenförmiger Gestalt; ihre Samenschale ist nicht mehr so auffallend dick und dabei fein gerunzelt. In die bisher behandelten 4 Untergattungen gehört die Hälfte aller Arten der Gattung (65); die andere Hälfte (66 Arten) wird ausschliefslich bei der Untergattung V. Platyopuntia untergebracht. Nach dem Vorgange von Engelmann schreibt man heute allgemein Platopuntia; entsprechend aber platyacantha, ferner den echt griechischen Wörtern platyamphodos, pla- tyophthalmos, platyurus muls wohl meine Rechtschreibung vorgezogen werden. Ich habe die Untergattung in ı3 Reihen zerlegt, welche sich wenigstens gröfstentheils auf leicht zu beobachtende Merkmale der Glieder oder Stacheln gründen. Ein Anspruch darauf, dafs nun die Reihen eine vollkommen na- türliche Gliederung dieser sehr schwierigen Untergattung darstellten, kann leider nicht erhoben werden; die Zukunft wird uns erst in dieser Hinsicht eine weitere Vertiefung bringen müssen. Wiederum ist ein Theil der Reihen von Platyopuntia in Nord-, ein anderer in Süd-America heimisch. Sehr eigenthümlich ist die I. Reihe Oruciatae deswegen, weil die Hauptaxe unbegrenzt und ungegliedert fort- wächst, während die Seitenzweige gegenständig befestigt sind. Die einzige mir bekannte Art O. spinosissima Mill. ist in West-Indien zu Hause; ihre äufserst spitzen und zahlreichen Stacheln sind im Neutrieb am Grunde karminroth. Die II. Reihe Pubescentes S.-D., gekennzeichnet durch eine weiche, kurze Sammetbekleidung der Glieder, enthält als Typ die allgemein bekannte, stachellose, auf den Gliedern aber mit vielen Bündeln goldener Glochiden bestreute O. microdasys Lehm. Sie wächst in Coahuila und Chihuahua, geht aber nicht wie die O. basilaris Eng. et Big. in die Vereinigten Staaten über. Die anderen Arten sind echt mexicanisch. Die durch gelockte, weilse, feine Haare, welche aus den Areolen her- vortreten, gekennzeichnete III. Reihe Oriniferae Pfeiff., von der die bekann- teste O. erinifera Pfeiff. ist, kommt allein dem mexicanischen Gebiete zu. Die schon seit Decennien in den Sammlungen vorhandene O. Scheeri Web. Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemat. Gliederung. 29 wurde erst neuerdings beschrieben; so lange kann sich eine alte Cultur- pflanze einer genauen Beschreibung entziehen. Mit längeren steifen, geraden oder gebogenen Borsten versehen ist die IV. Reihe Chaetophorae K.Sch. Eine Art O. leucotricha P.DC. ist eine uralte Einführung aus Mexico, während die zweite unter dem Namen Opuntia Grizzly Bear aus den Paramintbergen, Staat Californien, Vereinigte Staaten, vor wenigen Jahren eingeführt wurde. Weber hat sie erst vor Kurzem mit dem Namen O. ursina belegt. Die V. Reihe Divaricatae S.-D. hat auffallend gespreizte, etwas ange- schwollene Glieder, die sich bisweilen fast in die eylindrische Form abändern. O. curassavica Mill. ist schon vor Linne aus West-Indien bekannt gewesen; sie löst aufserordentlich leicht ihre Endglieder ab, die nur wie durch einen dünnen Faden mit den Zweigen in Verbindung stehen und’ durch die Verstärkung des Wollfilzes aus der erzeugenden Areole abgedrückt zu werden scheinen. Auf den französischen Inseln heifst sie wegen der leicht beweglichen Sprofsglieder Chardon volant. Wenn die Heimat der O. foliosa S.-D., einer früher bei uns in blühen- den Exemplaren vorhandenen Art, nicht bekannt ist, so können wir aus dem Vorkommen der nahe verwandten 0. pes corvi Lee. auf Florida schliefsen, dafs sie wohl ein westindisches Heimatsrecht besitzt. Die VI. Reihe Mierocarpeae Eng. enthält eine texanische Art O. strigilis Eng. (fälschlich O. strigil genannt), die stark bestachelt ist. Eine andere neue Art aus Haiti, O. microcarpa K.Sch., hat grofse, fast silberschimmernde, stachellose Glieder; wahrscheinlich lag sie in einer Pflanze vor, die 1897 in der Deutschen Kakteen-Gesellschaft aus Haiti gezeigt wurde. Ich habe sie nach trockenem Material aus dem Herbar Krug und Urban beschrieben. Von der VII. Reihe Vulgares Eng. gehört O.vulyaris Mill. den atlanti- schen Küstenländern der Vereinigten Staaten, während die bisweilen schwer von ihr zu sondernde O. Rafinesquei Eng. sie auf der westlichen Seite des Mississippi vertritt. Die Reihe ist im ganzen durch eine geringe Bestache- lung und durch rothe, keulenförmige Beeren charakterisirt. Beide Arten gehören zu denen, die auch in Mittel-Europa im Freien gedeihen, wenn sehon die reichlichen Niederschläge, nicht der Frost, die O. vulgaris in Nord- deutschland nicht mehr recht aufkommen lassen. Sie ist aber in dem weite- ren Bereich der deutschen Flora eingebürgert und findet sich bei Bozen an mehreren Stellen massenhaft verwildert; auch in dem westlichen Capgebiet 30 K. Scuumann: kommt dieselbe oder eine verwandte niederliegende Art als ein unbequemes Unkraut vor. Ein besonderes Interesse nimmt die O. inermis P. DC. in An- spruch, ein meterhoher Strauch, welcher in Süd-Frankreich, Catalonien und auf den Balearen in Masse verwildert ist. Von hier wurde sie zuerst ge- nauer bekannt und erhielt den Namen Opuntia vulgaris balearica Weh.; ich sah sie in schönen Exemplaren frei wachsend im Garten des Hrn. Ro- land-Gosselin zu Colline de la Paix bei Villeneuve. Weber ermittelte später, dafs diese Pflanze identisch mit dem Oactus opuntia inermis P. DC. ist. Über die eigentliche Heimat war man nicht unterrichtet, bis ich die Pflanze in getrockneten Stücken aus West-Indien sah und bis ich fand, dafs Tussac als Vaterland Haiti genannt und sie sehr kenntlich von dort ab- gebildet hat; auf dieser Insel wächst sie zwischen Gonaives und Artibonite. O. lanceolata Haw. habe ich zwar noch als Art beibehalten; ich möchte aber fast glauben, dafs diese nur eine Varietät von jener mit schmaleren Gliedern ist. i In der VII. Reihe Subinermes Eng. habe ich nur 2 Arten belassen: die dickgliederige O. crassa Haw. und O.ficus Indica Mill., welche durch ihre Beeren in America, besonders aber auch in Süd-Europa ein wichtiges Volks- nahrungsmittel geworden ist. Die sehr geringe Bestachelung und der stark gehöckerte, nur mit Glochiden bewehrte Fruchtknoten, sowie der bläuliche Wachsduft der laubgrünen Glieder lassen die Pflanze leicht erkennen. Ich mache ausdrücklich darauf aufmerksam, dafs in den deutschen Gärten sehr häufig die schon durch die gelbgrüne Farbe auffällig verschiedene O. iner- mis P. DC. unter jenem Namen irrthümlich gezüchtet wird. Die IX. Reihe Setispinae Eng. umfaflst 3 Arten von geringer Ausdehnung der Glieder, die mit dünneren Stacheln bewehrt sind; sie finden sich in Texas am Rio Grande und gehen bis Chihuahua. Die X. Reihe Tunae K. Sch. begreift jene grolsgliederigen Arten She kräf- tiger Bewehrung, die aus gelben Stacheln besteht. Die wichtigste der hier- her gehörigen 7 Arten ist die O.tuna Mill., welche in West-Indien viel- leicht die gemeinste Opuntia ist. Sie wird vielfach eultivirt und findet sich z.B. um die alten verlassenen Missionsstationen auf der Halbinsel Ca- lifornien oft massenhaft verwildert; aus dem Namalande in Südwest- Afriea habe ich sie ebenfalls nach guten Photographien erkannt. Mir ist fast sicher, dafs einige braunstachelige Formen, besonders die O. nigricans Haw., obschon sie in eine andere Reihe (XIl., Fulvispinosae) versetzt sind, mit dieser vielge- Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemat. Gliederung. 31 staltigen Art verwandtschaftlich verbunden sind. In dieser Zone des Sy- stemes sind noch manche Lücken auszufüllen und manche Verbesserungen anzubringen. O.polyantha Haw. ist eine schön goldgelb bestachelte Art, die zweifelsohne West-Indien ihre Heimat nennt; sie ist schon seit mehr als 100 Jahren in Cultur und durch ihre Blühwilligkeit ausgezeichnet. Die XI. Reihe Procumbentes Eng. umfalst 3 niederliegende Arten, die fast sämmtlich in dem texanisch -californischen Gebiete zu Hause sind; nur die O. rubrifolia Eng. ist von Palmer im Staate Utah gefunden worden. Aufser der oben erwähnten O0. nigricans Haw., die bei uns in zum Theil gigantischen Exemplaren gezüchtet wird, gehören noch 6 Arten zu der XII. Reihe Fulvispinosae S.-D.: einige sind wohl nur Mexicaner, andere aber kommen auch im texanischen Gebiete vor. Zu diesen gehört vor- nehmlich O. camanchica Eng. und Bigel., welche zu den bei uns während des Winters im Freien aushaltenden Opuntia zählt. Die XII. Reihe Xerocarpeae Eng. umschliefst ausschliefslich nördlichere Arten aus dem Gebiete der Vereinigten Staaten. Zunächst erwähne ich die formenreiche, gelb blühende O. missouriensis P. DC., die von Texas aus in die Gebirge von Colorado bis zu 2000” und darüber aufsteigt. Sie geht dann weiter durch die nördlichen Staaten bis Canada und kann bei uns auch im Freien ceultivirt werden, wo sie noch lange nicht die un- günstigsten Bedingungen findet, denn auf ihrer Nordgrenze am Peace River in Canada ist sie bei 56° n. Br. keineswegs ‚selten einer Wintertempe- ratur von —40°R. ausgesetzt. O. rhodantha K.Sch. und O. wanthostemma K. Sch., durch prachtvolle rothe Blüthen ausgezeichnet, stehen ihr nahe und stammen aus den Gebirgsgegenden mit gleichen Erhebungen in Colorado. Auch sie vertragen unsere Winterkälte und sind wahre Zierden unserer im Freien befindlichen Kakteengärten. Die XIV. Reihe Tumidae K.Sch. lehnt sich unmittelbar an die Xero- carpeae an, mit denen sie die trockenen Früchte theilt; die Glieder sind aber stets mehr angeschwollen und werden häufig wurstförmig, so dafs sie beinahe an die Cylindropuntia in der Gestalt erinnern. Die bekannteste der 3 Arten ist O. fragilis (Nutt.) Haw., die in der Var. brachyarthra (Eng.) Coult. recht häufig bei uns eultivirt wird und auch im Freien aushält. Die Arten der XV. Reihe Albispinosae S.-D. sind im Gegensatz zu den zuletzt besprochenen Reihen ausschliefslich wärmeren Gegenden eigen. Eine ist westindisch (O. iriacantha (W.) P. DC.), die übrigen sind alle mexicanisch. 32 K. Schumann: Von ihnen sind O. hyptiacantha Web. und 0. streptacantha Lem. mächtige Bäume; die letztere wird als Tuna Cardona der wohlschmeckenden Früchte halber eultivirt. Keine aber gibt ein angenehmeres Obst als die in Mexico unter dem Namen Camuessa gebaute Form der O. robusta Wendl. mit ihren enormen blaugrünen Gliedern, welche schon längst, allerdings oft unter anderen Namen, in den wiederkehrenden Bestand jeder Opuntien -Samm- lung in Europa eingetreten ist. Eine recht eigenthümliche Art ist O. glau- cescens S.-D., welche mit der Engelmann’schen O. stenopetala von dem Sehlachtfelde bei Buena Vista in Coahuila, Mexico, identisch ist. Sie hat in der ganzen Gruppe der nordamericanischen Platyopuntien bei weitem die kleinsten Blüthen, deren feuerfarbige Blätter so schmal sind, dafs sie nur als lanzettlich bezeichnet werden dürfen. Wir kommen nunmehr zu den südamericanischen Reihen. Die XVI. Reihe Inarmatae K.Sch. umfafst nur 2 brasilianische Arten; davon ist die eine O. inamoena K.Sch. eine unansehnliche, niederliegende, mit Wollhaaren besetzte Art, während O. rubescens S.-D. eine aufrechte, paarig verzweigte Form mit oft fortgesetzten (nicht gegliederten), meist röthlichbraun über- laufenen Zweigen darstellt. Die XVII. Reihe Armatae K. Sch. umfafst zunächst O. microdisca Web. eine neuere, bisher nicht ausführlich beschriebene Art aus dem argentinisch- andinen Gebiet bei Catamarca. Sie steht auch der O. corrugata S.-D., die aus derselben Gegend, vielleicht auch aus Hoch-Bolivia stammt, nahe und stellt offenbar eine gleitende Form nach Tephrocactus hin dar. Die O. auran- tiaca Gill. ist eine sehr sparrig verzweigte Art mit schmalen Gliedern, wäh- rend sich O. sulphurea Gill. in der ganzen Tracht am nächsten an die Klei- neren nordamericanischen Opuntien anlehnt; beide sind Argentinien eigen- - thümlich. Aus demselben Staatenbunde, und zwar von la Banda in der Pro- vinz Santiago, brachte OÖ. Kuntze eine neue Art mit, welche sich durch riesige, bis 50°” lange Glieder und furchtbare, bis 14°” lange Stacheln auszeichnet; ich habe sie nach dem einheimischen Namen O. quimilo genannt.Die verbreitetste aller Arten aber, in der Tracht an die Opuntia tuna Mill. erinnernd, ist O. monacantha Haw., die in Brasilien häufig wächst und bis nach Argentinien geht; sie ist in den alten Stämmen, welche sich aus der flachen Form zuletzt in eine drehrunde umwandeln, oft ganz aufserordentlich stark bestachelt. Der letzten, XVII. Reihe habe ich den Namen Parviflorae gegeben; die Blüthen derselben sind verhältnifsmäfsig sehr klein, sie halten kaum Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemat. Gliederung. 33 em 2°” im Durchmesser. Eine derselben, O.galapageia Hensl., wurde zuerst durch Darwin von den Galapagos-Inseln nach England gebracht; sie ist ein baumartiges Gewächs, von dessen Gliedern sich alle auf der Insel leben- den pflanzenfressenden Thiere, besonders die Schildkröten, ernähren. Die Glieder sind zuerst wenig bestachelt, später treten so viele Waffen hinzu, die sich erheblich vergröfsern, dafs die Glieder wie mit Büscheln von Schweinsborsten bedeckt sind. Nach der Beschreibung möchte ich fast glauben, dafs O. myriacantha Web. von ihr nicht verschieden ist. Die zweite Art der Reihe, ©. quitensis Web., ist auf den Anden von Eeuador heimisch; nach Weber’s Aussage ist mit ihr der Cactus Bonplandü H.B.K. aus derselben Gegend verwandt. i Wenn wir die gewonnenen Thatsachen vergleichend zusammenstellen, so ergiebt sich, dafs die Gattung Opuntia bei weitem das grölste geogra- phische Feld aller Gattungen besiedelt hat. Sie ist offenbar diejenige Gat- tung, welche in jeder Hinsicht die gröfste Anpassungsfähigkeit besitzt. Zunächst sind es gewisse Opuntien fast allein, welche unter den Kakteen eine geringere Anforderung in Bezug auf die Winterwärme stellen. Wenn auch noch einige andere »winterharte« Kakteen bei uns zur Noth aushalten, so wird doch die grofse Masse derselben von diesen Opuntien ausgemacht. Wenn sie auf der einen Seite durch keinen bei uns eintretenden Frost geschädigt werden, so ist für sie die Nässe ein um so grölserer Feind, vor der sie während des Winters unbedingt geschützt werden müssen. Überlegen wir uns nun, ob den Opuntien nicht andere Eigenthümlich- keiten zukommen, welche zu ihrer weiten Verbreitung beitragen dürften, so wird unsere Aufmerksamkeit zunächst auf diejenigen morphologischen Charaktere gelenkt werden, die sie vor anderen Gruppen der Kakteen aus- zeichnen: auf das Vorkommen von Glochiden und die hartschaligen Samen. Wer je mit diesen Pflanzen zu thun gehabt hat, wird wissen, dafs in jenen mit Widerhaken besetzten Organen eine entsetzliche Waffe liegt, welche die Pflanzen in einem eroberten Terrain vor vielen Feinden zu schützen vermag. Die harten Schalen der Samen müssen aber nothwendig ein Schutzmittel für ihre Verbreitung sein, zumal die schwarzen oder braunen glänzenden Samen der übrigen Kakteen selbst bei einem ganz geringen Druck rettungslos der Vernichtung anheimfallen. Ich glaube wohl, dafs diese beiden Momente dazu beigetragen haben mögen, die weite Verbreitung der Opuntien zu befördern. Arten aus die- Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. I. 5 34 K. Scuumann: ser Gattung sind denn auch in gewissen Gegenden aufserhalb der ursprüng- lichen Heimat dergestalt massenhaft aufgetreten, dafs sie als höchst un- bequeme Gäste erscheinen und dafs selbst ein so ausgezeichneter Phyllo- loge wie Kerner an dem ursprünglichen Indigenat von ©. vulgaris Mill. um Bozen und sonst in Süd-Europa sowie an dem von der O. vulgaris Mill. var. nana Vis. in Dalmatien festhalten zu müssen glaubte. In Süd-Europa sind aufser diesen beiden Formen noch bestimmt O.inermis P. DC. und O. lep- tocaulis P.DC. oft in Menge verwildert: auf der Insel Sumbawa gibt es undurch- dringliche Opuntienfelder, und auch aus Süd-Africa und besonders aus Neu Süd-Wales sind mir Mittheilungen darüber zugegangen, dafs sie sich höchst unliebsam wie die Disteln verbreiten. Sehr bezeichnender Weise werden auch die kleineren Opuntien in den Gebieten mit spanisch sprechender Be- völkerung Obrollos, d.h. Disteln, genannt. Die Grenzen der Opuntien liegen bezüglich ihrer ursprünglichen Heimat in nordsüdlicher Richtung zwischen dem 56. Grad n. Br. in Canada und dem 50.-51.Grad s.Br. in Patagonien. Sie sind durchgehends Pflanzen der freien und offenen Gebiete und besiedeln in Süd- America alle geeigneten Ländereien bis in eine Höhe von mehr als 5000”. Wir kennen sie also nicht aus den Wäldern des Amazonenstromes und ebenso wenig aus den chilenischen Urwaldgebieten. In Nord- America nehmen sie ein grofses Areal ein im Westen des Continentes; Texas, Neu-Mexico, Arizona und Californien stellen ein Ent- wiekelungscentrum dar, das sehr reich an besonderen Formen ist. Die Halb- insel Californien ist ein anderes gesondertes, kleines Gebiet mit eigenartigen Gestalten, die im Süden Berührungspunkte mit dem so reichen mexicani- schen Felde bieten (z. B. O. Brandegeei K.Sch.) Von diesem westlichen, zu- sammenhängenden Territorium, welches erst in Canada allmählich ausläuft, geschieden liegt ein kleines Gebiet an der Ostseite der Alleghanies, welches durch die Halbinsel Florida mit West-Indien zusammenhängt, so dafs also die geographische Area der Opuntiae in Nord-America eine nach Norden ge- öffnete Gabel darstellt, deren beide Zinken sich im Süden vereinigen. Auf diese Weise geschieht es, dafs sich das Gebiet der Opuntien in Nord - America nach westöstlicher Ausdehnung auf der Höhe des 40. Breitengrades mit sehr kurzer Unterbrechung über den ganzen Continent ausdehnt, während in Süd-America auf seiner gröfsten Breite nur die Ränder des Continentes Opuntien beherbergen; eine compactere Verbreitung besitzen in dieser Hälfte Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. 2. ihrer systemat. Gliederung. 35 des Continentes einerseits nur die nördlichen Staaten Columbien, Venezuela auf ihren Ebenen und Gebirgen, sowie die offenen Landschaften des süd- lichen Theiles: Argentinien, Paraguay, Süd-Brasilien, Uruguay und Pata- gonien bis zu den Grenzgebirgen nach Chile. Über die Gattung Nopalea habe ich mich schon in der Einleitung dahin ausgesprochen, dafs sie am besten mit Opuntia wieder verbunden würde. Ihrer Verbreitung nach schliefst sie sich den Opuntien eng an; fast alle Arten gedeihen in West-Indien; meines Erachtens nach sind nur N. coceinellifera (L.) S.-D. und N. Karwinskiana S.-D. in Mexico heimisch. Was endlich die von mir aufgestellte Gattung Pferocactus anbetrifft, die sich durch echt terminale Blüthen, aufspringende Kapselfrüchte und geflügelte Samen in hohem Malse auszeichnet, so gehört dieselbe ausschliefs- lich dem andinen Gebiet auf argentinischer Seite an. ©. Kuntze nahm den Typ Pt. Kuntzei K.Sch. von dem Paso Üruz auf; vielleicht einen zweiten Vertreter der Gattung erhielt ich von F. Kurtz aus Tucuman. Ob wir es in dieser letzten Pflanze mit einer eigenen Art oder grösseren Form der vori- gen zu thun haben, bedarf weiterer Aufklärung: namentlich gilt es, zunächst noch die Früchte zu kennen, um ein endgültiges Urtheil abzugeben. C. Die Gattung Cereus. Wennschon wir in der Erkenntnifs dieser Gattung ganz erhebliche Fortschritte gemacht haben, so ist sie doch bei vielen Arten bezüglich der Blüthen, Früchte und Samen noch recht mangelhaft. Deshalb ist es heute noch nicht angezeigt, diese Gattung in natürliche Untergruppen zu zerlegen, und wir müssen uns damit begnügen, Reihen zu bilden, welche auf Grund der leicht wahrnehmbaren Merkmale des Körpers aufgestellt werden können. Wenn wir einmal später von allen Arten Blüthen, Früchte und Samen kennen gelernt haben werden, dann wird sich «das System in dieser Gat- tung vertiefen und wissenschaftlich weiter ausgliedern lassen. Ich habe schon in den »Natürlichen Pflanzenfamilien« in dieser Hinsicht auf die Zu- kunft vertröstet. Deslıalb kann ich mich auch heute noch nicht entschliefsen, den Weg zu betreten, den Lemaire vorher gegangen ist und den Console auf meinen Wink hin eingeschlagen hat. Ich habe Lemaire’s Gattung Aporocactus, gegründet auf Cereus flagelliformis Mill., ebenso wenig ange- nommen wie Cleistocactus, deren Typ in Cereus Baumannü Lem. vorliegt; 5*r 36 K. Scaunmann: denn ich weils nicht, ob nicht vielleicht in den noch unbekannten Blüthen anderer Arten dieselben Charaktere wiederkehren. Wenn Gonsole meinen Hinweis, dafs bei einer Auftheilung der Gattung Cereus nach den Merk- malen der generativen Sphaere auch Cer. geometrizans Mart. zu einer eigenen Gattung erhoben werden dürfte, aufgegriffen hat, um die Gattung Myr- tillocactus zu bilden, so hat mich der oben entwickelte Gedanke bestimmt, ihm auch darin nicht zu folgen. In der Gruppe, welche durch Cereus, Pilocereus und Cephalocereus zu- sammengesetzt wird, sind alle Kakteen vereinigt, die sich durch einen ge- streckten, kantigen oder gerippten Körper auszeichnen. Die Differenzirung ist eine von Cereus nach Cephalocereus hin fortschreitende, indem sich bei Pilocereus auf den Areolen mehr oder minder reichliche Haarbekleidung einstellt, die sich schliefslich bei Cephalocereus in dem von mir vorge- schlagenen Sinne zu einem echten Cephalium ausgestaltet. Während Über- gänge zwischen der letzterwähnten Gattung und Pilocereus nicht bekannt sind, liegen in Pilocereus pentaedrophorus (Lab.) Cons. und Cereus Pringlei Wats. gleitende Formen zwischen Cereus und Pilocereus vor... Rein äufser- lich kann man schon das Schwanken in der Zugehörigkeit daran erkennen, dafs Weber jenen in der Gattung Cereus belassen, diesen aber zu Pilo- cereus gestellt hat. Ich bin zu meiner Auffassung durch die Erwägung gekommen, dafs Piloc. pentaedrophorus, wenn er auch keine wollige Beklei- dung der Areolen besitzt, doch in seiner Blüthenbildung durchaus mit Piloc. exserens (Lk.) K.Sch. übereinstimmt. Cereus Pringlei ist durch die Eigen- thümlichkeit höchst bemerkenswerth, dafs der Filz der Areolen in späterer Zeit auf den Rippen zusammenfliefst. Nun kann ich freilich an dem spärlichen Herbarmaterial nicht sehen, wie sich dieses Verhältnifs am Scheitel äufsert, noch kann ich beobachten, ob, wie bei einem Cephalium, trotz der engen Berührung die Selbständigkeit der genäherten Areolenbezirke gewahrt wird. Jedenfalls stimmt der Charakter, soweit er zur Beurtheilung vorliegt, mit demjenigen von Pilocereus, der reichen Bekleidung nämlich mit Wollhaaren, nicht überein. Gleitende Formen zwischen Cereus und Echinopsis werden geboten durch die gurkenförmigen Arten, welche in Argentinien vorkommen. Ich erkenne solche in dem Cer. lamprochlorus Lem. und Cer. candicans Gill. Ihr Blüthen- bau stimmt so weit mit dem der Gattung Zchinopsis überein, dafs noch neuerdings ein guter Kenner der Kakteen, der verstorbene Mathsson, Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemat. Gliederung. 37 den C. lamprochlorus zu Echinopsis' brachte, eine Umstellung, die später auch Weber” vornahm, ohne dafs ihm das Urtheil Mathsson’s bekannt war. Der Cereus candicans ist aber von Salm-Dyck geradezu zum zweiten Male als Echinopsis aurata beschrieben worden. Wenn der Cereus Pasacana Web. schon früher unter dem Namen Echinopsis formosissima Lab. be- schrieben wurde, so beruht dieser Irrthum auf einer mangelnden Kennt- nils der Thatsachen; diese Art ist der Riese unter den argentinischen Kak- teen und kann schon deshalb als Übergangsform nicht gedeutet werden. Die Anknüpfungspunkte zwischen Cereus und Echinocactus sind zahl- reich. Da haben wir zunächst Arten, welche mit dem schlanken Körper der echten Cereen die kleinen Blüthen von Trichterform verbinden, welche Echinocaetus zukommen. Solche Gestalten finden sich nur in Süd- America: Cer. aureus (Mey.) K.Sch. von Tacna, der Cer. hypogaeus Web. von Chile; auch der neuerdings beschriebene Cer. patagonicus Web.” dürfte hierher ge- hören. Umgekehrt fehlen auch unter den Arten der Gattung Echinocactus keineswegs die längeren säulenförmigen Gestalten, welche normal den 3 oben erwähnten Gattungen eigen sind. Hauptsächlich kommen hier wegen ihrer schlankeren Formen südamericanische Arten in Betracht, wenn auch einige Mexicaner in ihrer späteren Entwickelung übermannshohe, dabei aber sehr dicke Säulen erzeugen; wurde doch die heute so bekannte Bischoffs- mütze (Echinocactus myriostigma S.-D.) von Galeotti als ein Cereus angesehen und (er. callicoche genannt. Von den Brasilianern und den Bewohnern Para- guays kennen wir 3 schlankere, säulenförmige Formen: Eehinocactus scopa Lk. et O., E. Leninghausi (Hge. jun.) K.Sch. und E. Schumannianus Nie. Die beiden letzten, offenbar unter einander nahe verwandt, nehmen noch ein wenig unsere Aufmerksamkeit in Anspruch. Jener wird noch jetzt allge- mein als eine Art von Pilocereus in den Händlerkatalogen geführt; auch Weber hat ihn in dieser Gattung behalten, meint aber, dafs er besser bei Cereus untergebracht würde. Die eigenthümliche Schiefe des Scheitels, welche selbst junge Pflanzen so häufig zeigen, weist darauf hin, dafs diese Art genau ebenso wie E. Schumannianus, der dieselbe Besonderheit zeigt, später auf dem Boden hinkriecht oder an Felsen herabhängt; die Art der Be- stachelung, die Form der Stacheln u. s.w. zeigt entschieden übereinstimmende ! Mathsson in Monatsschr. f. Kakteenk. ], 89. 2 Weber in Bois, Dictionn. 471. > Weber bei Spegazzini in Revista facult. agron. La Plata. III, 604. y. \ 38 K. Scuumann: Merkmale, so dafs ich nun, nachdem die Blüthen und Früchte der letzt- erwähnten Art schon mehrfach gesehen worden sind‘ und ihre Zugehörig- keit zu Echinocactus überhaupt nicht mehr angezweifelt werden kann, über die systematische Stellung des &. Leninghausi überhaupt nicht mehr schwan- kend bin. Eine sehr bemerkenswerthe Art der Gattung Cereus liegt in dem €. obtusangulus (@. A. Lindb.) K. Sch. vor, für den ich eine besondere Reihe, Anomali, gegründet habe.” Der Blüthe nach nähert sich diese Art der Gattung Epiphyllum Pfeiff.; ihr Körper stimmt aber durchaus im Bau mit dem dünne- rer Cereus-Arten überein, die Kürze der Glieder wiederum, sowie die Schwäche der Stacheln weist auf die RäAipsalideae hin. Darüber kann ein Zweifel nicht bestehen, dafs die Galkone Cereus zu Phyllocactus und namentlich zu den Rhipsalideae offenbare Beziehung aufweist. Alle Phyllocactus- Arten sehen im jugendlichen Zustand den Cereen annähernd ähnlich, erst später gehen aus den kantigen, bestachelten Keimpflanzen die blattartigen Zweige hervor. Üereiforme Glieder sind bei den Rhipsa- lideae ebenfalls in der Jugend normal zu finden, treten aber auch sonst bisweilen auf. Diejenigen von Rh. dissimilis (GC. A. Lindb.) K. Sch. erreichen dabei die Dicke eines kleinen Fingers, so dafs sie auch in den Dimensio- nen die Cereen schwächeren Körpers erreichen. In welchem Mafse manche Rhipsalis- Arten denen von Cereus ähneln, sehen wir daraus, dafs Rh. sgamu- losa (S.-D.) K. Sch. und Rh. myosurus (S.-D.) K. Sch. noch bei Cereus standen, als schon längst die Gattung Rhipsalis gegründet worden war. Wir sehen also, die direeten Berührungspunkte von Cereus mit den anderen Gattungen der Kakteen sind äufserst zahlreich. Ihnen entsprechend ist auch die geographische Verbreitung eine sehr ausgedehnte. Wenn ieh von den Arten unsicherer Stellung absehe, so sind in der Gattung etwa 100 Arten genügend genau gekannt. Die Grenze in nördlicher Richtung bildet bei etwa 34° n.Br. am Bill William Fork der bekannte (er. giganteus Eng.; diejenigen Arten, welche ihm in der Verbreitung am nächsten kommen, sind der niederliegende Cer. EmoryiEng. und der aufrechte, schlanke und dünne Cer. GreggüEng., die den 32. Grad n. B. nicht überschreiten. Jener wird noch bei Guaymas, einer Hafenstadt am Meerbusen von Californien im Staate Sonora, Mexico, gefunden, wo er sich r mit anderen Arten vermischt. re nn in Monstsschr. £. Kaktesals V1l, 54 ans). ° RK. Schumann, Gesammtbeschr. 128, Fig. 30. Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemat. Gliederung. 39 Die Gattung bricht also plötzlich mit einer der riesigsten Formen, die sie überhaupt hervorgebracht hat, nach Norden hin unvermittelt ab und wird dann weiter nördlich durch die stets kleinen und niedrigen Arten von Eehi- nocereus vertreten. Im Süden hat die Grenze der Gattung Cereus diese Breite erheblich überschritten. Die häufigste der chilenischen Cereen ist der Quisco der Eingeborenen, von dem wir heute wissen, dafs er dem (. chilensis Colla entsprieht. Wir kennen ihn nur als kleinere Pflanze; er wird mit einer Höhe von 30—40°” bei uns eingeführt und kommt dann schon bisweilen zur Blüthe, ein Zeichen dafür, dafs er überhaupt nicht zu den Riesen seines Geschlechtes gehören kann. Man findet die Angabe, dafs er auf der Insel Chiloe gedeihen soll, wie er denn von P. de CGandolle (©. chiloensis genannt wurde. In Johow’s musterhafter Darstellung der Vegetation dieser Insel ist er aber nicht erwähnt; dagegen nennt ihn Poeppig als einen Bürger des Chonos- Archipels unter 45° s.B. Auf der Ostseite hat in neuester Zeit Weber' einen Cer. patagonicus aus der Umgebung des Flusses Chubut beschrieben, so dafs also hier dieselbe Breite oder eine etwas nördlichere Linie der Gat- tung ein Ziel setzt. Innerhalb dieses Rahmens können wir nach den dichteren Ansamm- lungen von Arten folgende Gebiete unterscheiden: Die Halbinsel Californien mit dem gegenüberliegenden Theile von Sonora (über den benachbarten Staat Sinaloa sind wir leider gar nicht unterrichtet) bietet viele Meilen ausgedehnte, zusammenhängende Wälder von riesengrofsen Cereen, welche in meine Reihe der Gigantei gehören. Namentlich werden die dort Cardonales genannten Wälder, die jeden Unterholzes entbehren, zusammengesetzt von (. Thur- beri Eng., €. Pringlei Eng., C. pecten aboriginum Eng. Zu den beiden letzteren gehören auch (©. calvus Eng. und (. titan Eng., welche beide erst durch Coulter nach den äufserst kümmerlichen Schnipseln von Gabb beschrieben worden sind. Die von mir schon in der Gesammtbeschreibung geäufserte Meinung ist neuerdings durch Mrs. Brandegee nach Einsicht der Originale bestätigt worden. In Sonora kommen alle drei vor und (©. giganteus Eng. gesellt sich häufig zu ihnen. Die nordsüdlich streichende Sierra Madre dürfte aber für diese Cardones die Grenze bilden, ich finde nur (. pecten abori- ginum Eng. noch aus Chihuahua von der Hacienda S. Miquel erwähnt. ! Weber bei Spegazzini in Revista facult. agron. lll, 604. 40 K. Scuumann: Auf der Halbinsel Californien finden sich aber noch einige sehr charak- teristische Arten; zunächst sei der Cer. gummosus Eng. (auch Cer. yuminosus oder C. gummatus in den Handelskatalogen) genannt, welcher sowohl aus der Mitte der Halbinsel bei 27°n.Br. als vom Süden, von den Inseln S. Pablo und Sa. Magdalena, ferner von dem an der Südspitze gelegenen Orte S. Jose del Cabo bekannt ist. Er ist identisch mit ©. Cumengei Web. und mit ©. flewuosus Eng. ; er gehört zu den niederliegenden Formen, deren Stämme an der Vorder- seite aufsteigen. Die Angabe, dafs die zerquetschten Glieder zum Betäuben der Fische Verwendung finden, weist auf die nun schon mehrfach nach- gewiesene Giftigkeit der Kakteen hin; das sehr schleimreiche Fleisch erhärtet beim Eintrocknen zu einer gummiartigen Masse, daher der Name der Art. Ähnlich verhält sich auch der noch stärker bestachelte ©. Eruca Brand., der in den sandigen Ebenen um die Magdalena-Bai truppweise wächst, wobei eine Pflanze den Raum von vielen Quadratmetern einnimmt. Gabb verglich diese Massen mit Haufen planlos durch einander geworfenen Feuerholzes, während Brandegee die niederliegenden, nur am Vorderende aufgebogenen Axen riesigen kriechenden Raupen ähnlich fand. Beide Arten sind mit furcht- baren Waffen versehen und sind seit etwa 3 Jahren zu uns in den Handel gebracht worden. (. striatus Brand., welcher von Mrs. Brandegee — ob mit Recht, weils ich nieht — mit (©. Diguetü Web. gleich gesetzt wird, ist mir nicht bekannt geworden. Zugleich mit Cereus gummosus Eng. und C. Eruca Brand. wurde noch eine dritte Art eingeführt unter dem Namen (©. Cochal Orc. Der Autor hatte sie häufig von der Todos Santos-Bai bis Rosario unter dem 30. Grad n. Br. gefunden. Jene ersterwähnte Örtlichkeit ist nicht zu ver- wechseln mit Todos Santos im Süden der Halbinsel; sie liegt unfern der Grenze mit den Vereinigten Staaten. Ich erklärte beim ersten Anblick der Öriginalpflanzen die Art sogleich für identisch mit C. geometrizans Mart., eine Vermuthung, die bestätigt wurde, als die abgeschlagenen oberen Aststücke in Berlin bei C. Liebner Blüthen hervorbrachten. Auf der Halbinsel Californien sind jetzt also 9 Arten bekannt, von denen 3 endemisch sind (C. striatus Brand., C. gummosus Eng., ©. Eruca Brand.); 2 gehen bis in die Vereinigten Staaten (C. Emoryi Eng., ©. Thur- beri Eng.); 3 sind auf der gegenüberliegenden Seite von Sonora verbreitet (©. Pringlei Eng., C. Thurberi Eng., O. pecten aborigimum Eng.); ein einziger aber, C.geometrizans Mart., tritt weit entfernt davon erst wieder in den Staaten San Luis, Potosi, Hidalgo, Guanaxuato, also auf dem Centralplateau von Pe Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. 2. ihrer systemat. Gliederung. 41 Mexico, auf, doch dürfte in dem Staate Sinaloa später die Verbindung jener östlichen Vorkommen mit dem westlichen auf der Halbinsel Californien zu erwarten sein. Andere Arten der Gattung aus dem Staate Sonora sind mir nicht be- kannt. Coulter gibt zwar bei Cer. grandiflorus (L.) Mill. an, dafs er von Schott zweimal, 1859 und 1865, dort gesammelt worden wäre. An ein Indigenat in diesem Staate möchte ich aber doch nicht glauben; einmal hat Engelmann der Funde Sehott’s nicht gedacht und, wenn der Letztere die Exemplare gesehen hat, so dürfte er sie wohl für Culturpflanzen gehalten haben, die sie zweifellos sind. Soll das Vaterland des €. grandiflorus (L.) Mill. überhaupt in Mexico zu suchen sein, so kann nur eine tropische Ge- gend in Betracht kommen. Von C. serpentinus (Lag.) P. DC. aber wissen wir ganz genau, dals er in Sonora cultivirt wird, ebenso wie auf der Halb- insel Californien. Merkwürdig spärlich sind unsere Kenntnisse über das Vorkommen von echten Cereus-Arten in dem von Sonora durch die Sierra Madre geschie- denen Staate Chihuahua: aufser dem schon oben angeführten Cer. pecten aboriginum Eng. ist nur noch Cer. Greggü Eng., jene dünne, dreikantige Form mit sehr kurzen Stacheln und den oft aufserordentlich umfangreichen, unterirdischen Knollen zu erwähnen, die von hier ziemlich weit nach Texas hineinreicht. Höchst auffallend ist wieder Coulter’s Nachricht von dem Vorkommen des Cer. flagelliformis (L.) Mill. in diesem Staate, welches er auf Exemplare, die Wislizenus unter Nr. 227 und 248 gesammelt hatte, zurückführt. Auch über diese Funde hat Engelmann geschwiegen, zweifel- los mit gutem Grunde: denn es kann sich bei dieser Art, wie bei ©. grandi- florus (L.) Mill., unbedingt nur um aufgenommene Culturpflanzen handeln. ©. flagelliformis ist ein Epiphyt,.und wir haben gar keine Mittheilungen dar- über, dafs in Chihuahua Wälder vorhanden sind, welche mit solchen ge- schmückt sind. Es ist oft unglaublich, welchen Meinungen über die Ver- breitung von Kakteen wir begegnen; so z. B. hat sich lange die Mittheilung erhalten, dafs derselbe C. flagelliformis in Arabien vorkomme; Förster! dis- eutirt selbst die Möglichkeit, dafs der in »Süd-America« (sie!) verbreitete ©. flagelliformis durch eine der zufälligen Ursachen (heftige Stürme, Zug- vögel), namentlich aber durch die heftige Strömung des Atlantischen Oceans ! Förster, Handbuch 13. - Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. II. 6 42 K. Scuumans: irgendwo (d. h. in den arabischen Wüsten) angesiedelt und eingebürgert worden sein dürfte. Man kann in der Beurtheilung solcher Vorkommen nicht vorsichtig genug sein, weil durch die Aufnahme irrthümlicher Ansichten die Verbreitungsgebiete eine ganz falsche Gestalt erhalten. Aus dem südöstlich von Chihuahua gelegenen Staate Coahuila sind mir specielle Vorkommnisse von Arten der Gattung Cereus nicht bekannt ge- worden; wahrscheinlich fehlen sie jedoch nicht, denn mir wurde die Nachricht zu Theil, dafs auf mehrere Stunden Entfernung von der Hauptstadt Saltillo hohe Säulenkakteen, welche in Mexico häufig den Namen Organos oder Orgelpfeifen führen, gesehen worden sind. Auch aus den benachbarten Staaten Nuevo Leon, deren Hauptstadt Monterey als ein wichtiger Fundort von Kakteen bekannt ist, kann ich keine Art von Cereus namhaft machen. Dagegen werden uns aus der Umgebung von S. Luis Potosi im Staate gleichen Namens C. geometrizans Mart. und (©. eburneus S.-D.(em. Web.) genannt. Beide Pflanzen liefern geschätztes Obst, und von dem letzerwähnten ist es sicher, dafs er in den südlicheren Gebieten als Culturpflanze zu Hecken Ver- wendung findet; er hat auch wegen seiner grolsen, schmackhaften Früchte den Namen (. edulis erhalten. Unfern der Hauptstadt Mexico liegt der durch die verschiedensten Sammler besuchte und wegen der Menge der dort gedeihenden Kakteen berühmteste Staat Hidalgo mit den bekannten Orten Pachuca, Ixmiquilpan, Real del Monte u. a. Hier gedeihen nicht blofs die Organos O©. marginatus P.DC. und C. eburneus S.-D., sondern auch (©. geometrizans Mart., ein reich- lich verzweigter höherer oder niedrigerer Baum, gehört zu den weit ver- breiteten Arten. Säulenförmige Arten sind ferner (©. stellatus Pf. und ©. Jfarinosus Ehrenberg. Von den aufsteigenden Arten finden sich in diesem Staate der C. serpentinus Lug., und in den Wäldern hängen C. flagelliformis (L.) Mill. und C. Martianus Zuce. als epiphytische Gewächse von den Bäu- men herab. Ebenso verhalten sich C. speciosus (Cav.) K.Sch. und C. Ame- caensis Heese; die eine oder die andere dieser Arten wechselt auch gele- gentlich ihren Standort, indem sie von den Bäumen auf sterile Felsen übersiedelt. Südlich und westlich von dem Plateau von Anahuac senkt sich all- mählich das Land und nimmt dabei immer mehr einen tropischen Charakter an. Im Staate Michoacan, der durch seine hohen Temperaturen sehr be- rüchtigt ist, finden sich (©. queretaroensis Web., der zuerst bei dem höher Die Verbreit. der Cactaceae im Verhälln. z. ihrer systemat. Gliederung. 43 gelegenen Queretaro beobachtet wurde; bei Tacambaro fand Mathsson den Cer. Ocamponis S.-D. und Cer. triangularis (L.) Haw., dem man auch bei Orizaba wieder begegnet. C. Kerberi K.Sch. stammt von dem Pie von Colima. Vor allem berühmt ist aber Tehuacan im Staate Puebla, südöstlich von der Haupt- stadt deswegen, weil Weber die Umgebung durchstreifte und hier viele neue Arten auffand, wie den (er. bavosus Web., C. candelabrum Web. Von Oajaca hat derselbe ferner den €. Chiotilla beschrieben, jene zierliche Form, dessen Blüthen mit denen der Immortellen verglichen werden und dessen Früchte efsbar sind. Nach Westen hin fällt das Plateau sehr steil gegen die Küste ab, so dafs von Vera Cruz aus Mexico in 14 Stunden Eisen- bahnfahrt zu erreichen ist. An dem Anstiege derselben, aber noch in der Tierra caliente gelegen, befinden sich weit ausgedehnte sterile Schotterfelder von Lavagesteinen, die mit Cereus grandiflorus (L.) Mill. und C. nyeticalus Lk. et O. bedeckt sind. Ob der erstere hier sein Indigenat besitzt, ist nicht sicher, aber durchaus nicht unwahrscheinlich; der zweite soll an dem Ge- stade des mexicanischen Golfes nicht selten sein. An der Küste endlich tritt wieder der €. eburneus S.-D. (emend.Weber) auf, während (©. hamatus Scheidw., welcher auch bei Orizaba vorkommt. die Strandgebüsche von Tampico im Staate Tamaulipas bis Vera Cruz mit €. bawaniensis Karw. durchwuchert. Die grofse Überzahl der in Mexico wirklich heimischen Cereus-Arten sind hier auch endemisch. Nur von 3 Arten wissen wir, dafs sie das Gebiet überschreiten: Cereus baxaniensis Karw. ist offenbar eine Strandpflanze und findet sich als solche auch an der Küste der westindischen Inseln. Cer. eburneus S.-D. (emend. Web.) ist ebenfalls über Central-America und Ve- nezuela verbreitet, dankt aber diese weite geographische Area wahrschein- lich nur der Cultur. Cer. triangularis (L.) Haw. findet sich nicht blofs auf vielen westindischen Inseln. sondern auch in Brasilien, wohin er zweifellos gerade so gut wie nach der alten Welt als schönblühende Gartenpflanze gekommen ist, die überdiefs noch ein sehr wohlschmeckendes Obst in ihren Beeren geben soll. Im ganzen wird Mexico von etwa 27 Arten bewohnt und weist mit dieser Zahl den gröfsten Procentsatz aller Gebiete auf. Mittel-America ist sehr arm an Cereen wie an Kakteen überhaupt. Wir haben nur 2 Arten von hier kennen gelernt: (©. Hirschtianus K.Sch., welchen Wright aus Nicaragua mitgebracht hat, aufserdem den €. Mac Donaldiae Hook., von dem der Autor angibt, dafs er aus Honduras eingeführt worden 6* 44 K. Schumann: sei. Zweifellos ist aber mit diesen beiden die Zahl nicht erschöpft; ich sah in Magdeburg in der Gruson’schen Sammlung einen sehr kräftigen Cereus, der noch nicht beschrieben ist, und aulserdem besitzen wir von Rüst in Hannover einen kletternden, sehr reich behaarten Cereus aus Honduras, dessen Blüthen ich abwarten will, ehe ich ihn beschreibe. Neuer- dings hat mir übrigens Sapper mitgetheilt, dafs in den trockenen Strichen von Guatemala bei Salama grofse Säulen-Cereen gedeihen, die der Art nach leider nicht bekannt sind. Reichlicher ist die Flora der westindischen Inseln mit den Arten der Gattung ausgestattet. Von der Küste Mexicos herkommend, geht Cer. baxa- niensis Karw., eine jener durch Anlehnen an Gesträuche, Bäume und Stützen überhaupt aufsteigenden Arten, welche in ihrem dunkelen, saftigen Grün des kräftigen, wohl bis 10° im Durchmesser haltenden, meist drei-, aber auch mehrkantigen Körpers, zu den schönsten Formen gehört, bis nach Cuba und wahrscheinlich nach Porto Rico. Eine der häufigsten Arten ist (. pe- ruvianus (L.) Mill., von dem mir mitgetheilt wurde, dafs er auch in Mexico wild wüchse; durchaus verbürgt erscheint mir aber jetzt diese Angabe nicht mehr, und ich habe ihn deswegen dort übergangen. In Peru ist er sicher nicht heimisch; zur Zeit als Tabernaemontanus diese Pflanze zuerst er- hielt und benannte, wurde aber das Gebiet von Peru weit über seine gegen- wärtigen Grenzen ausgedehnt. Zu den Säulenkakteen gehört noch der mächtige C. lepidotus S.-D., der in seinen wenig verzweigten, unten furcht- bar bewaffneten, oben bisweilen fast unbewehrten Stämmen 15°” im Durch- messer halten kann. Pere Duss, dem die Botanik so grofsen Dank wegen der Erforschung der Flora von West-Indien, namentlich der Inseln Gua- deloupe, Martinique und Haiti, schuldet, bestimmte diese Pflanze als C. mo- noclonos P.DC. Ich vermag nicht zu entscheiden, ob diese Identification mit einer Plumier’schen Art richtig ist; wenn so, dann fällt vielleicht der auf Florida vorkommende C. monoclonos P.DC. mit C. lepidotus S.-D. zu- sammen. Wahrscheinlicher allerdings dünkt mir, dafs der offenbar dort wild gedeihende Cereus mit dem gemeinen (C. perwianus (L.) Mill. identisch ist. In C. repandus (L.) Haw. haben wir eine der schwächeren, schon bei 50-60" Höhe blühenden, strauchartig wachsenden Arten vor uns. Er ist wohl ein Dutzend mal immer von neuem beschrieben worden, obschon er wegen der sich nach der Spitze zu verjüngenden Axen und der niedrigen, stumpf gesägten Rippen so leicht zu erkennen ist. Eine sehr charakte- Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemat. Gliederung. 45 ristische, durch flügelartige, zusammengedrückte Rippen ausgezeichnete auf- rechte Form ist ('. guadricostatus Bello von Porto Rico. Sonst sind die bisher bekannten Arten von West-Indien sämmtlich durch Anlehnen aufsteigende oder mit Wurzeln kletternde, den tropischen Wäldern angehörige Formen, wie der kräftige, dreikantige ©. Dussü K.Sch. von Guadeloupe, C. assurgens Gris., €. Boeckmanniü Otto von Cuba, Cer. Lemairei Hook. von Antigua, C. extensus S.-D. von Trinidad. Endlich wurde uns neuerdings durch den Kaufmann Heese mitgetheilt, dafs Cereus grandiflorus (L.) Mill. und ©. nyeti- calus Lk., bekannt unter den Namen Königin und Prinzessin der Nacht, auf Haiti in den Mangrovegebüschen nahe der Hauptstadt Port au Prince in gröfster Menge die Bäume überwuchern. Wir wissen aber dureh Baron von Eggers, dafs beide Pflanzen auch auf St. Thomas massenhaft ver- wildert vorkommen, so dafs jene Angabe über das Indigenat derselben noch nicht gesichert erscheint. Die Zahl der Arten der Gattung Cereus von West-Indien ist mit 13-15 schon ziemlich ansehnlich; wir können aber mit Sicherheit erwarten, dals sie durch weitere Erforschungen noch vergröfsert werden wird. Sehon die Zeichnungen Plumier’s geben uns die Gewähr, dafs die Insel Haiti oder St. Domingo noch manche Art bringen wird, wenn das Land wieder einmal zum Gegenstande der botanischen Erforschung gemacht werden sollte. Neben C©. grandiflorus, C. nycticalus und C. triangularis wird jedenfalls auch C. fla- gelliformis (L.) Haw., der von Cuba als wild wachsend angegeben wird, eultivirt, und nach solchen Exemplaren ist das indigene Vorkommen dieser Pflanzen in vielleicht meist irrthümlicher Weise bis hierher ausgedehnt worden. Diejenigen Arten, welche über die Grenzen des westindischen Gebietes herausgehen, sind zum Theil schon bei den mexicanischen genannt worden; aufser ihnen finden sich C. lepidotus S.-D. und Ü. perwvianus (L.) Mill. auf dem Festlande von Süd- America; dieser ist von Venezuela bekannt, jener geht über Guiana bis Brasilien. Über die Cereen der nördlichen Gebiete von Süd-America sind wir im ganzen noch nicht genügend unterrichtet, die Zahl der Arten ist spär- lich, die Fundorte sind häufig nicht genau bekannt. Von gröfseren Formen erwähne ich neben (. eburneus S.-D. (em.Web.) und den obigen Arten (©. Ja- macaru DC., eine sehr charakteristische Art, welche unter den Namen (. lividus Pfeiff. oder (©. Perrottetii Lem. bekannter ist. Von hier wurde auch 46 K. Schumann: der ©. Pitahaya (Jacq.) P. DC. zuerst beschrieben, eine Pflanze, die sicher auch aus dem südlichen Brasilien eingeführt wurde. Ob die Jaequin’sche Pflanze wirklich mit der heute gleich benannten übereinstimmte, wird sich schwer festsetzen lassen. Cer. pterogonus Lem., eine weithin mit den unteren Ästen auf dem Boden kriechende und wurzelnde, später aufsteigende Art soll aus Carthagena in Neu-Granada stammen. Durch Murillo erhielt ich eine Photographie dieser, wie der Name sehr gut ausdrückt, mit fünfflüge- ligen Axen versehenen Pflanze aus Mexico; ich möchte aber glauben, dafs diese Photographie einer eultivirten Pflanze entnommen wurde. Wie zu er- warten ist, fehlen die epiphytischen und kletternden Cereen keineswegs in diesem Gebiete. Der C. inermis Otto von Venezuela ist eine solche, gegen- wärtig nur selten noch in den Sammlungen vorkommende Art, die ich neuer- dings von Puerto Cabello erhielt; auch €. Karstenü S.-D. wurde von Kar- sten aus Columbien geschickt. Nach Weber wurde wahrscheinlich auch Oer. polyrhizus Web. mit Orchidaceae aus Columbien eingeführt. Aus Guiana soll Rob. Schomburgk eine in die gleiche Verwandtschaft gehörige Pflanze eingesandt haben, welche Fürst Salm-Dyck (er. scandens nannte; die Pflanze, welche in Berlin unter dem Namen Cer. Schomburgkü eultivirt wird und auch aus Guiana importirt wurde, ist von: Cer. peruwvianus (L.) Mill. nicht ver- schieden. Im ganzen sind aus dem Gebiet des nördlichen Süd-America, von den Columbischen Freistaaten bis nach Guiana, etwa 10 Arten bekannt, von denen die Hälfte jene Gebiete überschreitet: die aufrechten sind gröfsere und kräf- tigere Formen, mit Ausnahme des (er. Pitahaya (Jacq.) P. DC., der schmäch- tiger bleibt. Die schlanken, kletternden Arten sind sämmtlich endemisch. Das brasilianische Gebiet will ich an dieser Stelle über die politischen Grenzen erweitern, indem ich Paraguay und Argentinien bis zum Parana und Uruguay hinzufüge. Die Republik Paraguay geht ganz allmählich in botanischer Hinsicht in den Staat Matto Grosso über, so dafs dort eine Scheide ebenso wenig möglich ist wie zwischen Uruguay und Süd-Bra- silien. Aus den nördlicheren Staaten am Ufer des Atlantischen Oceans wird ©. Jamacaru P. DC. genannt; auch (©. platygonus Otto dürfte im Staate Bahia heimisch sein. Weiter nach Süden zu gedeihen im Staate Rio de Janeiro (C. tetragonus (Willd.) Haw., welcher mit C. perwianus (L.) Mill. grofse Diekichte in der Restingaformation des Strandes bildet, sowie der C. Hildmannianus K. Sch., der mit (©. lepidotus S.-D. verwandt ist, und auf dem Boden kriecht Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemat. Gliederung. 47 über Steine €‘. setaceus S.-D. Wahrscheinlich stammen auch aus jener Gegend €. euchlorus Web. und C. euphorbioides Haw., Beides aufrechte Formen, wäh- rend (. melanurus K. Sch.. ©. Glazioviüi K.Sch., Gestalten, welche sich an den schlankeren €. Baumannü Lem. aus Paraguay, vielleicht auch aus Uru- guay, anlehnen, in dem Innern, muthmafslich in Minas Geraös gesammelt worden sind. Die epiphytischen Formen sind viel seltener; sicher bekannt sind nur der höchst merkwürdige, oben besprochene (. obtusangulus (G. A. Lindb.)K.Sch., welcher einen Leib etwa von der Gestalt des €. flagelliformis (L.) Mill. mit Blüthen verbindet, die an Epiphylhım erinnern, und der zier- liche ©. Donkelaerü S.-D.; aus Paraguay beschrieb Weber den (©. Lindmanü. Als Bewohner der südlicheren Gebiete, Paraguay, Argentinien und Uru- guay, werden uns nur schlankere Formen genannt: €. Pitahaya DC., C. cae- sius S.-D. und (. azureus Parm. können sich noch aufrecht erhalten, aber €. Bonplandiü Parm., C. tortuosus Forb. und €. Jusbertü Reb., (. saxicola Morong, (. Martinü Lab. kriechen über Felsen und Steine hin und steigen durch Anlehnen auf; einen Theil der letzteren erhielt neulich der König- liche Botanische Garten von Berlin in Originalexemplaren, die von Para- guay eingeführt waren. Von diesen 16 Arten sind alle südlichen und centralbrasilianischen Formen endemisch; über (©. Pitahaya (Jaeg.) P.DC. und ©. Jamacaru P.DC., die einzigen mit (©. peruvianus (L.) Mill. über das Gebiet herausgehenden Arten, habe ich schon oben das Nöthige gesagt. Die Arten von Cereus aus Eeuador sind, obschon sie bereits von Hum- boldt und Bonpland gesammelt und durch Kunth beschrieben worden sind, so gut wie unbekannt: nur von (. sepium (H. B. Kth.) P. DC. halte ich es nun für ausgemacht, dafs er mit den jetzt in den Sammlungen bis- weilen begegnenden (. Roezlü Hge. jun. identisch ist. Wahrscheinlich ist mir auch, dafs ©. icosagonus (H. B. Kth.) P. DC. mit €. multangularis Haw. über- einstimmt. Aus den südlicheren Theilen des andinen Gebietes haben wir aber eine grofse Zahl noch heute wohl bekannter Arten erhalten. So wissen wir bestimmt, dafs der merkwürdige graue, aus tonnenförmigen Gliedern auf- gebaute (©. Ghiesbreyhtü K. Sch. in Bolivien bei 4-5000” Höhe mit ©. Mon- villeanus Web. zusammen wächst. Den (. tephracanthus Lab. erhielt ich von ©. Kuntze aus Chuquisaca, während er in einer Varietät Weber durch Dr. Sace aus Cochabamba zugieng. Desgleichen bekam ich durch Kuntze ©. areolatus Muehlenpf., C. laniceps K. Sch. und €. parviflorus K. Sch. aus Bo- 48 K. Schumans: livien, der erstere war dabei schon in sehr alten Pflanzen im Königlichen Botanischen Garten unter dem Namen (©. Dumesnilianus vorhanden. Cer. aureus (Pfeiff.) K. Sch. ist eine der kleinblüthigen, kriechenden Arten, die schon von Meyen mit C. fascicularis (Mey.) K. Sch. bei Tacna gesammelt. wurde, während neuerdings Rusby den von Bang bei la Paz gesammelten C. me- lanotrichus K. Sch. an mich schickte. Von den folgenden Arten ist uns nur bekannt, dafs sie mit grolser Wahrscheinlichkeit aus dem andinen Gebiet stammen: (©. rigidispinus Monv.., ©. Funkü K.Sch., ©. Hankeanus Web., C. macrogonus S.-D., C. Malletianus Cels, C. isogonus K. Sch. Da aber genauere Angaben fehlen, so wissen wir nicht, ob sie dem nördlichen Theil oder ob sie Chile oder Argentinien angehören. Aus den von den Anden durchzogenen oder von den Seitenketten durch- setzten westlichen argentinischen Gebieten mit den Staaten Tucuman, Salta, Rioja u.s.w. wissen wir,. dafs sie verhältnifsmäfsig reich an Cereus- Arten sind. Ich nenne zuerst jene Riesenform, die sich mit Recht dem (. giganteus Eng. an die Seite stellen läfst, den ©. Pasacana Web., welcher mit Echinopsıs ‚formosissima Lab. aus Bolivien übereinstimmt. Weber beschrieb ihn nach den schriftlichen Nachrichten, Abbildungen und, ich glaube, getrockneten Blüthen, welche ihm durch Schickendantz aus Catamarca zugegangen waren; er ist jetzt, aus Samen gezogen, eine häufige Erscheinung in den Sammlungen. Er bewohnt dort und im Staate Salta die Hochthäler der Cordilleren und erreicht eine Höhe bis zu 15”, bei 40° im Durchmesser. Solche Riesen- formen sind auch in dem benachbarten Bolivien vorhanden; über sie haben mir die HH. George Erman und O. Kuntze noch gröfsere Dimensionen (17 90% sind, wie mir Hieronymus freundlichst berichtete, ebenfalls kolossale Durchmesser) mitgetheilt: An den Rändern der Salinas der Rioja Säulen von Cereen zerstreut, die einzigen schattenspendenden Gewächse in jenen trostlosen, pflanzenarmen Gebieten; leider sind sie uns der Art nach nicht bekannt. Im übrigen erzeugen die nördlichen Staaten Argentiniens noch eine ziemliche Anzahl von Formen; von hier beschrieb Weber 2 säulen- förmige Arten: den ©. Huascha und C. andalgalensis mit minder hohem Körper und den schlanken, höhere Säulen erzeugenden, durch Auflösung der Rippen in gesonderte Warzen ausgezeichneten (. thelogonus. Von O. Kuntze er- hielt ich aus dem Staate Jujuy den schlankeren, im Äufseren etwas an ©. Baumannü Lem. erinnernden (. hyalacanthus, aulserdem brachte dieser den Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemat. Gliederung. 49 ©. lamprochlorus Lem. aus dem nördlichen Argentinien mit. (. Forbesiü Otto und €. Coryne Otto sind in den Staaten Tucuman und Catamarca heimisch, werden baumförmig und bilden kleine Wälder; etwas südlicher dürften ©. chalybaeus Otto und (. coerulescens S.-D. vorkommen, von denen der erstere rein baumförmig sich entwickelt, während der letztere in seinen schlankeren Zweigen die Neigung verräth, durch Anlehnen an Sträuchern und Bäumen aufzusteigen. Zu den noch schlafferen Arten, die entweder über Boden und Gesteine kriechen oder von vorn herein der Stützen bedürfen, gehört ©. pomanensis Web., welcher dem (©. Bonplandii Parm. verwandt ist. In dem durch die Erforschungen von Gillies und Philippi so be- rühmten Gebiete von Mendoza bei etwa 33° s.Br. wurden folgende Arten gefunden: C. candicans Gill., eine kleinere Art, die zu Echinopsis hinüberführt, €. strigosus S.-D. und (©. Spachianus Lem., beide zwar schlankere, aber doch noch kräftige Formen, die durch Anlehnen aufsteigen, und (. coerulescens S.-D. in 2 Varietäten, welche vom Typus etwas abweichen. Aus noch süd- licherer Breite erwähnte Spegazzini dieselbe Art von der Sierra de la Ven- tana bei etwa 38° s. Br., sowie den niedrigen (©. patagonicus Web., der noch bei 45° s.Br. gedeiht. Für das chilenische Andengebiet bleiben uns nun noch etwa 5 Arten übrig: der nördlichste Vertreter der Gattung ist (. coguim- banus (Mol.) K. Sch. mit seinen aufserordentlich langen, früher als Strick- nadeln dienenden Stacheln und der, wenn auch kleinere, so doch furchtbar bewaffnete Quisco, (©. chilensis Colla. Zu diesen beiden würde sich noch der €. stolonifer Web. oder C©. hypogaeus Web., eine kleinere Form, gesellen, dessen genauere Heimat mir nicht bekannt ist. €. Philippi Web. machte mir nach der allerdings nicht gerade sehr schönen Abbildung den Eindruck, als ob er ein Echinocactus sein könnte. Über die anderen Arten habe ich nichts Genaueres erfahren können. D. Die Gattungen Cephalocereus Pfeiff. und Pilocereus Lem. Im Jahre 1837 wurde Lemaire von dem Inspector des Jardin des plantes in Paris, Naumann, ein Körper vorgelegt, der, aus Mexico einge- führt, mehr einem Thiervliefs als einer Pflanze glich. Bei genauerer Be- trachtung erkannte Lemaire in dem unterhalb des Vliefses gelegenen Theil des Stammes den Cereus senilis Haw. Dieser brachte also in der blühbaren Zone eine üppige Wucherung von Wollhaaren und Borsten hervor, d.h. er erzeugte wie Melocactus ein »Öephalium verum«. Aus ihm konnte Le- Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. II. 7 50 K. Scaumann: maire auch noch die verborgenen Blüthen hervorholen und beschreiben. Das Vorhandensein des Cephaliums erschien Lemaire' doch zu eigenartig, als dafs er nicht für diesen Cereus eine eigene Gruppe bilden mulste. Er nannte sie Cerei cephalophori und nahm noch den Cereus columna Trajani Karw. in dieselbe auf. Bei der Besprechung, welche Pfeiffer” der Lemaire’schen Schrift widmete, wies dieser darauf hin, dafs das Vorhandensein jenes Cephaliums vollkommen zur Begründung einer eigenen Gattung genügend sei, die er Cephalocereus nannte. An dieser Gattung muls also für das Greisenhaupt unbedingt festgehalten werden. Die Botaniker pflegten damals’ auf ihre Genossen nicht eben grofse Rücksicht zu nehmen, und so ist es für uns keineswegs überraschend, dafs Lemaire’ ein Jahr später, ohne Pfeiffer’s mit einer Silbe Erwähnung zu thun, dieselbe Gründung noch einmal voll- zog und die neue Gattung in dem Umfang seiner Reihe Cerei cephalophori mit dem Namen Pilocereus belegte. Viel befremdlicher aber ist für uns Deut- sche, dafs wir den Namen Pfeiffer’s aufgegeben und Pilocereus angenom- men haben. Diese Hintansetzung geschah unter der Autorität des Fürsten Salm-Dyck und erhielt sich, bis ich‘ für den Namen Cephalocereus aus Prio- ritätsrücksichten eintrat. Allerdings erforderte die durch eine ziemliche Anzahl von Arten er- weiterte Gattung eine Emendation. In ihr war nämlich eine ganze Reihe von Arten eingeschlossen worden, welche den Charakter eines »Cepha- lium verum« nicht besalsen. Zu diesen gehörten alle diejenigen, welche der Fürst Salm-Dyck in die Gattung gestellt hatte. Diese zeigten nur eine mehr oder minder reichliche Bekleidung der Areolen mit Haaren oder Borsten. Die Areolen aber rückten unter Auflösung der Rippen keineswegs so dieht an einander, dafs sie eine in spiraligen Zeilen verlaufende Anord- nung, den wesentlichen Charakter eines Cephalium verum, erfuhren. Nach und nach wurden nun von den Händlern alle diejenigen Cereen, welche durch eine Bekleidung mit längeren Haaren auffielen, zu Pilocereus herüber genommen; alle bekannten Arten wurden dann durch Lemaire in einer Übersicht zusammengestellt. Lemaire, Cact. aliq. nov. Pfeiffer in Allg. Gartenz. VI, 142. Lemaire, Gen. nov. et spec. 6. 1 2 3 * K. Schumann, Gesammtbeschreibung S. 197. Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemat. Gliederung. 51 In Würdigung dieser Verhältnisse habe ich dann alle Arten von Pilo- cereus, welche ein Cephalium verum unseres Wissens besitzen, zusammen- gefalst und, wie diefs unter Berücksichtigung der Priorität geschehen mulste, in die Gattung Cephalocereus Pfeiff. gestellt, während ich für alle übrigen den Gattungsnamen Pilocereus Lem. mit meiner Emendation beliefs. Dieser Auffassung zufolge verbleiben dort nur noch 5 Arten, von denen Ceph. se- nilis (Haw.) Pfeiff., ©. columna Trajani (Karw.) K.Sch., ©. chrysomallus (Lem.) K.Sch., C. Melocactus (Vell.) K.Sch. schon länger bekannt sind, während CO. macrocephalus Web. erst in meiner Gesammtbeschreibung aufgestellt wor- den ist. Die Gattung Pilocereus dagegen ist jetzt bis auf 25 Arten angeschwol- len, zu denen noch vielleicht einige nur ungenügend bekannte, namentlich von Plumier aus Haiti beschriebene Arten treten. Eine Sonderung in Untergattungen oder auch nur Sectionen habe ich in dieser Gattung nicht vorgenommen, weil derselbe Übelstand, und vielleicht in noch höherem Grade, vorliegt, der bereits bei Cereus so empfindlich hinderlich war: von zu vielen Arten sind uns die Blüthen und Früchte ganz und gar nicht be- kannt. Die meisten Arten werden zwar in den Sammlungen angetroffen ; mit wenigen Ausnahmen aber blühen sie offenbar erst in hohem Alter und nachdem sie eine beträchtliche Gröfse erreicht haben. Nur Piloe. exerens (Lk.) K.Sch., P. pentaedrophorus Cons. und P. Houlletii Lem. machen von dieser Regel eine Ausnahme, da sie bei uns nicht allzu selten ihre Blüthen ent- wickeln. Von einigen anderen Arten (P. Royenü (L.) Rümpl., P.strietus (Willd.) Rümpl.) sind uns die Blüthen ebenfalls bekannt, und aus diesen Beispielen erfahren wir, dafs dieselben von denen der Cereus-Arten recht verschieden sind. Die Röhre ist nämlich sehr viel kürzer und breiter, so dafs sich die Blüthen der Glockenform nähern. Die inneren Blüthenhüllblätter sind ebenfalls kurz und verhältnifsmäfsig sehr breit, von meist grünlichbrauner Farbe. Die Blüthen hauchen einen unangenehmen, fast zwiebelartigen Ge- ruch aus. Die Früchte sind niedergedrückt und springen, wenigstens zu- weilen, auf. Der Charakter der Areolenbehaarung wechselt: zuweilen sind die Woll- haare sehr lang, zuweilen sind sie kürzer, ja sie können sogar ganz fehlen, wie bei P. pentaedrophorus Cons., den ich aber wegen seiner Blü- then von P. exerens (Lk.) K.Sch., einem typischen Pilocereus, nicht trennen möchte. Eine sehr eigenthümliche Dimorphie weist P. Schottü (Eng.) Lem. 7*+ 52 K. Scaumann: auf. Während des sterilen Zustandes tragen die Areolen nur wenige, kurze, meist kaum 5”” lange, derbe, kegelförmige Stacheln. Wenn er sich aber zum Blühen anschickt, dann wird die Zahl derselben ins Vielfache ver- mehrt; sie wachsen aufserordentlich heran und erlangen die Consistenz von derben Pferdehaaren, aus deren Mitte die Blüthen hervorbrechen. Diese eigenthümliche Bildung erinnert offenbar schon an die Entwickelung eines Cephaliums. Dieselbe Erscheinung, dafs die Stacheln länger und dünner werden, tritt auch bei P. scoparius Pos. und P. fulviceps Web. auf. P. Hop- penstedtii Web. bringt sogar auf der Nordseite des Stammes dichte Woll- polster hervor, die sehr regelmäfsig längs gereiht sind. Ich habe in der Gattung Pilocereus 25 besser gekannte Arten beschrie- ben, welche in ihrer Gesammtverbreitung fast genau mit derjenigen der Gattung Cereus übereinstimmen; freilich ist die Dichtigkeit der Arten durch- gehends, der geringeren Zahl der letzteren überhaupt entsprechend, eine viel geringere. Die Art, welche den nördlichsten Ausläufer darstellt, ist P. Schottüi Lem., der in dem Gebiete der Papayole-Indianer, ferner auf der Grenze von Arizona und Sonora auf der Sierra de Sonoyita sehr weit ver- breitet ist. Mit ihm erreicht hier die Gattung 314° n.Br.; auf der Halb- insel Californien findet er sich südlich bis S. Gregorio und Comondu, die auf dem südlichsten Drittel liegen, auch auf der Insel Cedros ist er beob- achtet worden; von hier brachte ihn Orceutt unter dem Namen (. Sargen- tianus Orc. in den Handel. Bei S. Luis Potosı will ihn Dr. Eschanzier gesammelt haben, weitere Angaben liegen über diese Örtlichkeit aber nicht vor. Aus demselben Staate soll auch der P. cometes (Scheidw.) Mittl. ein- geführt worden sein. Die eigentliche Hochfläche in der Nähe der Haupt- stadt bietet nur ı Art, nämlich den mächtige Organos bildenden P. po- Iylophus S.-D. im Staate Hidalgo. Alle übrigen Arten Mexicos finden sich in den heifseren Gebieten der Gebirgsabhänge oder in den ebeneren Theilen der Sierra Caliente. Eine überraschend grofse Menge ergab sich aus der Umgebung von Tehuacan, wo Weber zunächst bei Zapotitlan auf der Grenze der Staaten Puebla und Oaxaca 1864 seinen P. Hoppenstedtii entdeckte. An derselben Localität wuchsen aber noch 3 andere höchst charakteristische Arten, die er zuerst in meiner Gesammtbeschreibung veröffentlicht hat, nämlich P. Tetetzo Web., P. fulviceps Web. und P. chrysacanthus Web. Unter ähnlichen Bedingungen gedeiht in den heifsen, tiefen Thälern und Schluchten, dem Mal pays bei Naulingo zwischen Vera Cruz und Ja- Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemat. Gliederung. 53 lapa diejenige schön blaugrüne und reichlich weifswollige Art, welche zu den häufigsten Erscheinungen in unseren Sammlungen gehört, der P. Houl- letii Lem., während der P. scoparius Pos. von dem Autor bei Soledad in der Umgebung von Vera Cruz gesammelt wurde. Wenn Rümpler das Soledad Poselger’s auf der Halbinsel Californien sucht, so ist er im Irr- thum, denn Poselger ist niemals auf jener Halbinsel gewesen. Auf den’ Antillen gedeihen 4 von den genauer bekannten Arten: der in den Sammlungen sehr häufige P. strietus (Willd.) Rümpl., eine mehr als dutzendfach beschriebene Art, die durch ihren im Alter sehr dunklen, bis- weilen fast schwarzen Körper ausgezeichnet ist und gewöhnlich unter den Namen P. Ourtisü S.-D. oder P. Haworthi Cons. begegnet; der schön dunkel- blaue P. Royenüi (L.) Rümpl. ist von S. Thomas und S. Croix bekannt, wo auch P. lanuginosus (Mill.) Rümpl. gedeihen dürfte; ich sah diesen auch von Porto Rico. Den P. Urbanianus K.Sch. erhielt ich durch die Güte Urban’s aus einer Sammlung, welche Pere Duss in Guadeloupe gemacht hatte. Schon oben sagte ich, dafs unter den Plumier’schen Arten von Haiti wohl noch die eine oder die andere Art zu Pilocereus gehören dürfte, na- mentlich wird diese Meinung von dem P. fimbriatus Lem. gelten. Wir wissen durch Weber, dafs P. Hermentianus Lem. und P. Schlumbergeri Web. aus Haiti stammen, letzterer wurde aus der Umgebung von Gonaives eingeführt. Vielleicht steckt in diesen eine jener Arten. Von der Nordküste Süd-Americas stammen mit Bestimmtheit P. Mo- ritzianus (Otto) Lem. et Cons., sowie P. Russellianus (Otto) Rümpl., jener ist in den europäischen Sammlungen verbreitet, dieser gehört zu den selte- neren Culturpflanzen. Auch von P. albispinus (S.-D.) Rümpl. geht die Mei- nung, dafs er aus Süd-America zu uns gekommen sei; doch kann ich für die Richtigkeit, dafs diese schöne, seltene Art aus Curacao stamme, keine Bürgschaft übernehmen. Brasilien beherbergt 3 Arten der Gattung, von denen mir P:Gounellei Web. aus den Certäos von Pernambuco nicht bekannt ist. P. pentaedro- phorus (Lab.) Cons. wurde durch Morrel von dem Morro Queimado, wahr- scheinlich im Staate Bahia, eingeführt; in seiner Blüthe nähert er sich durch- aus der dritten Art, dem P.exserens (Lk.) K.Sch. aus Bahia und Pernam- buco, der wahrscheinlich aber auch im Staate Rio de Janeiro vorhanden ist. Von Huancabamba in Ecuador wurde durch Roezl um das Jahr 1870 der prachtvolle, von dichter, weifser, spinnewebiger Wolle rings umsponnene 54 K. Schumann: P. Dautwitzü Ferd. Hge. sen. eingeführt. Schon Humboldt fand bei der- selben Ortschaft einen hochsäulenförmigen Cactus, den Kunth wegen seiner reichlichen: Wollenbekleidung mit dem Namen Cactus lanatus belegte. Ich möchte fast mit Bestimmtheit glauben, dafs beide Pflanzen identisch sind; freilich wird diese Vermuthung erst durch eine genauere Erforschung dieser gegenwärtig leider recht vernachlässigten oder unzugänglichen Gegend fester zu begründen sein. Sonst ist aus Bolivien nur noch der P. Ceisianus Lem.., eine der vielgestaltigsten Arten der Gattung, zu uns durch Bridges ge- bracht worden, der heute noch in fast allen, selbst kleineren Sammlungen gern in mannigfachen Spielarten gezogen wird. Mit P. erythrocephalus K. Sch. von dem Ostabhang der argentinischen Cordillere, aus der Nähe des Paso Cruz 34° s.Br., mufs ich den Beschlufs der Gattung machen. Poeppig erzählte uns die bis in die Neuzeit be- fremdliche Thatsache, dafs in der Nähe dieser Localität ein Melocactus mit wolligen Schöpfen gediehe. Ich habe gar keinen Zweifel, dafs es uns ge- lungen ist, in der obenerwähnten Pflanze diesen Körper wieder aufzufinden; denn im Gegensatz zu allen anderen Arten der Gattung ist diese eine niedrigere Form, die nur etwa 1”5 hoch wird und 30°” im Durchmesser hält. Wenn nun Poeppig solchen Pflanzen begegnet ist, so konnte er wohl bei der offenbaren Unzulänglichkeit seiner Kenntnils der Kakteen zu der Meinung geführt werden, dafs hier ein Melocactus vorläge, gerade so wie wahrscheinlich der P. Celsianus Lem. die Veranlassung zu der irrthümlichen Meinung wurde, dafs der Cereus senilis Haw. in Bolivien vorkäme. j Aus den soeben niedergelegten Thatsachen erhärtet, dafs die Verbreitung der Gattung Pilocereus mit derjenigen von Cereus in einer eigenthümlichen Weise parallel läuft. Beide sind in Nord- und Süd- America einheimisch und finden sich in allen gröfseren Gebieten vereint wieder. Relativ die meisten Arten weist Mexico auf, das, die Halbinsel Californien einbegriffen, 8 Arten, d.h. 30 Procent der Gesammtzahl, beherbergt; auch die west- indischen Inseln sind ziemlich reich an Arten (6 Arten, d.h. 20 Procent); auffällig arm ist Brasilien (mit 3 Arten), wenn man die grofse Zahl von Cereus- Arten erwägt, welche hier gefunden worden sind. Sehr bemerkens- werth ist ferner, dafs die Nordgrenze nahezu vollkommen mit der von Ce- reus zusammenfällt und dafs aber die Südgrenze beträchtlich nördlicher liegt als die von Cereus. Was die Verbreitungsgebiete der Arten anbetrifft, so ist dieselbe nach der heutigen Kenntnils äufserst beschränkt. Nur von Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemat. Gliederung. 55 einer Art wissen wir, dafs sie ein geographisches Feld von etwa 7 Grad Ausdehnung besiedelt hat, von P. Schott (Eng.) Lem., wobei ich die An- gabe seines Vorkommens bei S. Luis Potosi, weil sie mir zu unsicher ist, übergangen habe; sonst sind die Verbreitungsgebiete derartig eng, "dafs nicht eine einzige Art aus dem einen der von mir gewählten Bezirke in einen anderen übergeht. Aus der Gattung Cephalocereus ‘habe ich 5 Arten beschrieben, ich glaube auch nicht, dafs deren mehr vorläufig bekannt sind. Allerdings ist die Scheidung von Cereus bez. Pilocereus und Cephalocereus erst mit Sicher- heit festzusetzen, wenn die Blüthen erscheinen; da nun aber einige Arten beider ersterwähnten Gattungen noch niemals blühend gesehen worden sind, so ist die Möglichkeit, dafs sich in Zukunft die Artenzahl durch Über- führung der einen oder der anderen Art aus jenen nach Cephalocereus noch erhöhen kann. Die grofse Mehrzalıl der Arten gedeiht wiederum in Mexico; diefs gilt zunächst von dem Typ der Gattung von ('. senilis (Haw.) Pfeiff., welcher an den Abhängen der heifsen Schluchten im Staate Hidalgo gefun- den wurde; die Abbildung, welche nach einer gütigst von Mathsson mir überlassenen Photographie hergestellt in die »Natürlichen Pflanzenfamilien « aufgenommen wurde, gibt eine Vorstellung der Vegetationsverhältnisse, unter denen er bei Venados nördlich von Pachuca gedeiht. Das Greisenhaupt wird häufig von hier in Originalpflanzen eingeführt; die gröfsten Stücke, welche ich sah, waren zwischen Atotonilceo und Meztitlan in demselben Staate gesammelt und auf der Weltausstellung zu Paris im Jahre 1890 aus- gestellt worden. Allerdings in halbtodtem Zustande wurden sie 2 Jahre später in Berlin gezeigt; an ihnen war eine Art durch eine riesige ‚Verbän- derung ausgezeichnet. Ein besonders schönes Aussehen gewähren die. Im- porten nicht; die Pflanzen, welche bei uns aus Samen sehr leicht erzogen werden können, sind bei weitem schöner. Nach Mathsson findet sich Ceph. senilis (Haw.) Pfeiff. auch auf der Grenze zwischen Guanajuato und Morelia. Die 3 anderen Arten sind ebenfalls Bewohner der heifsen Distriete von Mexico. (. columna Trajani (Karw.) K.Sch. wurde von dem Baron von Karwinski im Staate Puebla bei S. Sebastian entdeckt; Mathsson nannte mir ihn auch von Tehuacan, der classischen Fundstelle so vieler ausge- zeichneter Arten der Gattung Pilocereus. Vor vielen Jahren wurden die wie ein reichwolliges Löwenfell aussehenden Cephalienenden in den Handel gebracht; das Königliche Botanische Museum in Berlin besitzt noch ein 56 K. Scuumann: solches kostbares Stück; in den letzten ıo Jahren sind sie nicht mehr zu uns gekommen. Unter den Arten von Pilocereus, die Weber in einem Cactuswalde bei Tehuacan versammelt fand, war auch ein echter Cephalocereus in wenigen Exemplaren eingestreut, der ein mächtiges, bis 2” hohes, endständiges, eylindrisches Cephalium entwiekelte, das in gleichmäfsiger Fortsetzung mit der Dicke des Stammes (15-25°”) ganz von der Beschaffenheit eines Melo- cactus-Cephaliums war. Die dichte Wolle desselben ist bei Ceph. macro- cephalus Web. gelblich und wird von schmutzig weifsen oder gelblichen Borsten durchstofsen.. Am Südabhange des Pies von Colima im Distriete Huetamo, Staat Michoacan, gedeiht die vierte Art der Gattung Ceph. chryso- malhıs (Lem.) K.Sch., der einen bald vollkommen endständigen, bald unten mehr oder weniger seitenständigen Wollschopf bildet; die isabellfarbige Wolle wird von zahllosen braunen, pferdehaarähnlichen Borsten durchsetzt, auf diese Weise entsteht ein Körper, der mit einer Bärenmütze verglichen werden kann, weiter unten aber an den früheren bayerischen Raupenhelm erinnert; die Pflanze wird deshalb von den Eingeborenen Gorro de Grana- deiro oder Grenadierhelm genannt. : Die letzte Art der Gattung findet sich in Brasilien; sie war schon Vellozo bekannt, der sie kenntlich abgebildet hat. Sie ist mehrfach von Glazion nach Europa geschickt worden und hat Goebel so wie mir haupt- sächlich zum Studium der in der Gattung obwaltenden Verhältnisse gedient. Der in der Bestachelung einigermafsen an (. euphorbioides Haw. erinnernde Stamm erzeugt einen einseitigen Schopf, welcher wie eine grosse, zusammen- gezogene Raupe auf der einen Seite desselben und nahe am Scheitel sitzt. Nach dem in der Sammlung des Königlichen Botanischen Museums befind- lichen Stücke hat es fast den Anschein, als könnte die Bildung des Cepha- liums aussetzen und der Stamm zeitweise in steriler Form weiterwachsen, denn an ihm ist der Scheitel oberhalb des Schopfes vollkommen frei von der Cephaliumbildung. Das geographische Verbreitungsgebiet der Gattung Cephalocereus liegt also zwischen dem 20.Grad n.Br. und dem Wendekreis des Steinbocks, dem 224.Grad s.Br., wobei aber nur zwei engere Gebiete vorhanden sind, das an der Nordgrenze mit der Hauptmasse der Arten und das an der Südgrenze mit einer Art: zwischen beiden ist keine Spur der Gattung nachweisbar. Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemat. Gliederung. 57 E. Die Gattung Echinopsis Zuce. Die typischen Gestalten der Gattung sind diejenigen, welche sich an Echinopsis Eyriesü (Turp.) Zuce. anlehnen; zuerst von etwas gedrückter Kugel- gestalt, können sie später, wie jener Typus selbst, mehr in die Cylinder- form übergehen. Hierher gehören die mit Zps. Eyriesü so nahe verwandten Arten: Eps. gemmata (Otto) K.Sch., E. multiplex (Otto) Zuce., E. oxygona (Pfeiff.) Zuce., E. tubiflora (Hook.) Zuce., heute oft schwer von einander zu scheiden, weil dem Verlangen, die Arten unter den Kakteen zu verbastern, nirgends mehr Folge gegeben wurde als hier. Sehr kräftige Gestalten, die sich aber in der Jugend zum mindesten der Kugelform nähern, sind die prachtvolle, starrend bestachelte E. formosa (Pfeiff.) Jac. mit der ver- wandten E. catamarcensis Web. und die echte E. leucantha (Gill.) Walp., wäh- rend E. Huottü (Cels.) Lab., E. SalmianaWeb., E. Schickendantzü Web., E. valida Monv. und E. campylacantha R.Mey. schon von Anfang an durch den minder kräftigen Körper eine schlankere Säulenform andeuten, die allerdings in der Höhe wenigstens nach unserem heutigen Wissen nur geringe Ausmessun- gen erlangt. Durch diese Gestalten wird dann mit Hülfe des Cereus lampro- chlorus Lem. eine Verbindung mit dieser Gattung hergestellt. Alle diese Formen haben jene so charakteristischen langtrichterförmigen, weilsen oder rothen Blüthen, welche, wenn sie nicht so willig erschienen, wenn sie sich also »seltener machten«, zweifellos die Echinopsen zu sehr geschätzten Cultur- objecten machen würden. Ganz anders sind die Blüthen von 2 Arten beschaffen, von E. cinna- barina (Hook.) Lab. und E. Pentlandii (Hook.) S.-D.: diese Blüthen sind echte Echinocactus-Blüthen. Beide Arten zeigen auch in der Bildung ihrer Rippen einen eigenartigen, gemeinschaftlichen Charakter, indem dieselben gewisser- malsen durch tiefe, schräge Kerben in keilförmige Höcker zerlegt sind; auch diese Besonderheit zeigt sich annähernd in der Gattung Echinocactus. Ich würde gar keinen Anstand genommen haben, diese beiden Arten wieder nach dieser Gattung zurückzuversetzen, wenn nicht E. obrepanda (S.-D.) K. Sch. mit ähnlich zerklüfteten Rippen wieder echte Echinopsis-Blüthen ver- bände. Um nun in dem System einigermafsen Beständigkeit zu schaffen, habe ich also diese 3 Arten bei der Gattung Echinopsis belassen, wobei ich allerdings nicht verkenne, dafs Eps. cinnabarina und E. Pentlandü zwei glei- tende Formen sind. Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. II. 8 58 K. Schumann: Die geographische Verbreitung betreffend, so ist der Hauptkern der Gattung, der die um Eps. Eyriesü gruppirten Arten umfalst, im südlichen Brasilien, Paraguay und Uruguay, vielleieht auch in Argentinien heimisch. Genauere Mittheilungen über das Vaterland der Arten haben wir leider nicht. Da sie sich durch Sprossung überreichlich bei uns vermehren, so haben sie einen äufserst niedrigen Marktpreis und werden deshalb kaum importirt. Ich habe neulich ganz zufällig E. tubiflora aus Paraguay erhalten. Die säulenförmigen Arten sind in den westlicheren Gegenden Süd- Americas zu Hause: Zps. Huottii und E. Salmiana stammen aus Bolivien, E.leucantha, E.campylacantha, E. formosa und E. catamarcensis, E. Schicken- dantzii gedeihen in Argentinien am Ostabhange der Cordilleren. Hier wächst auch die sehr schön bestachelte, durch kugelförmigen Körper ausgezeich- nete E. rhodacantha S.-D.; E. valida Monv. ist die einzige mehr säulenförmige Art aus Paraguay, während die beiden kurzblüthigen oben erwähnten Arten E.cinnabarina und E. Pentlandii nur aus Bolivien bekannt geworden sind. Woher die jetzt ganz verschwundene E. duecis Pauli Forst. zu uns gekommen ist, wissen wir nicht. Die Verbreitung der Gattung liegt also zwischen dem 16.-18.Grad s. Br. und dem 32.-33.Grad s.Br. Sie umfalst ein ziemlich zusammenhängendes Gebiet, welches wahrscheinlich hufeisenförmig den Gran Chaco umzieht und eine Enclave nach Bolivien vorschickt. Am dichtesten ist die Arten- zahl in Süd-Brasilien und Paraguay, sowie in Nord- und West- Argentinien entwickelt; bei Mendoza scheint die Gattung plötzlich abzubrechen, der Hochkamm der Cordilleren wird von ihr nicht überschritten. Keine Art beherrscht ein nur einigermafsen ausgedehntes Areal. F. Die Gattung Echinocereus Eng. Wislizenus brachte von seiner Reise nach Mexico nicht weniger als 8 Arten kleinerer Cereen mit, auf welche Engelmann im Jahre 1848 die Gattung Echinocereus gründete. Doch schon im folgenden hob er sie wieder auf, indem er meinte: »after a careful revision of the charaeters which distinguish my genus Zehinocereus from Cereus proper, I think it most na- tural to unite the two«. In diesen wenigen Worten liegt die Begründung der Vereinigung zweier Geschlechter, die meiner Meinung nach von ein- ander getrennt bleiben sollten. Die botanisch geschulten Autoren, nament- lich der Fürst Salm-Dyck und Weber, sind jenem darin gefolgt; die Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemat. Gliederung. 59 Händler aber und Zimmereultivateure haben diese Verbindung nicht an- genommen, auch Lemaire hat in seinem kleinen Büchelchen »les Cact6es« die Gattung aufrecht erhalten. Ich stehe auf dieser Seite und meine, dafs die Gattung mit zu den bestumschriebenen gehört, wenn sie in dem Sinne der Gesammtbeschreibung' gefafst wird; gleitende Formen sind mir in ihr nieht bekannt. Der eigenthümlich weiche Körper, der es gestattet, dafs man einen Echinocereus durch das Tastgefühl zweifellos im Finstern erkennt. der bestachelte Fruchtknoten, die meist kurztrichterförmige Blüthe und die ausnahmslos smaragdgrüne Narbe sind untrügliche Charaktere. Die erst- erwähnte Eigenthümlichkeit läfst die Körper nicht blofs wie Gurken schnei- den, sondern bedingt auch, dafs die verlängerten Körper z. B. von Eeer. Poselgerianus A.Lke. nicht selten von selbst zu Bruche kommen, wenn sie über den Rand der Töpfe hinwegwachsen und der Unterstützung entbehren. Von den dureh mich aufgestellten Reihen können einige den Werth wohlcharakterisirter Untergattungen in Anspruch nehmen. Zunächst ist die Reihe Graeiles mit E.tuberosus (Pos.) Rümpler eine ganz ausgezeichnete Gruppe, die durch die dünnen Glieder und die stets echt terminalen Blüthen sehr wohl charakterisirt ist. Die Zweige gehen am Ende unmittelbar in den Fruchtknoten über, die Blüthen treten also nicht aus Areolen hervor. Da jeder blühende Zweig somit einen vollkommenen Abschlufs erfährt, muls unterhalb der Blüthe eine Verästelung einsetzen, die aus den Areolen einer niedrigen Zone in gedrängter Folge stattfindet‘ und einen falschen Wirtel erzeugt. Die Pflanze ist schwächlich und kann sich »nur durch Anlehnen an Gebüsch aufrecht erhalten. Gut umgrenzt und durch die geringe Bestachelung, sowie durch ver- hältnifsmäßsig kurzen und kräftigen, aufrechten Körper ausgezeichnet ist auch die zweite Reihe Subinermes. Die Melanochlori sind durch eine ver- längerte Blüthe charakterisirt, welche in der Gattung seltene Farbentöne, nämlich Mohrrübengelb (Ecer. Salm- Dyckianus Scheer) oder Rosakarmin (Ecer. Scheeri S.-D.) aufweist. Nicht minder gut umschrieben sind die Nigricantes, welche sich um den Ecer. Poselgerianus A.Lke. schaaren. Auch die Pen- talophi, Leucacanthi und Pectinati sehe ich für natürliche Gruppen an. Bei den Decalophi könnte man vielleicht die mit purpurvioletten Blüthen schärfer von denen trennen, die durch scharlachrothe Blüthen ausgezeichnet sind. ı Ecer. hypogaeus (Web.) Rümpl. ist aus der Gattung auszuscheiden; er ist ein echter (ereus. 8* 60 K. Scuumanns: Bezüglich der geographischen Verbreitung stellt die Gattung Eehino- cereus gewissermalsen ein Gegenbild von Echinopsis dar; während diese in den südlicheren Gebieten von Süd-America entwickelt ist, liegt die Ver- breitung jener in entsprechend nördlicherer Lage in Nord-America. Ihre Verbreitung erstreckt sich von den Laramie plains im südlichen Wyoming bei 42° n.Br. bis in den Staat Hidalgo auf dem Plateau von Anahuac unter 19-20° n. Br., wobei die gröfste Diehtigkeit der Arten bei etwa 32° an den Ufern des Rio Grande del Norte, bei el Paso, zu suchen ist. Hier concentrirt sich zunächst das Maximum der Pectinati, von deren 7 Arten hier 5 gedeihen. Sie strahlen aus bis zur Nordgrenze der Gattung einer- seits, denn Ecer. viridiflorus Eng. erreicht den nördlichsten Punkt des Vor- kommens, andererseits dringt der E. Roetteri (Eng.) Rümpl. tief nach dem Staate Coahuila in Mexico ein. Zwei der Arten, Ecer. chloranthus (Eng.) Rümpl. und E. dasyacanthus Eng., sind für die Vereinigten Staaten vorbehalten. Der schöne Ecer. pectinatus (Scheidw.) Eng., dessen Typ in den Staaten Coahuila, Chihuahua und Nuevo Leon gedeiht, tritt in seiner Varietät caespitosa (Eng.) K.Sch. nach Texas über und bildet in der Indianer-Reservation am Cana- dian- und Arkansas-River bei 95° w.L. die Ostgrenze der Gattung und der Cereoideae in Nord-America überhaupt. Von den 7 Arten der Decalophi finden sich 3 wiederum bei el Paso; die eine von ihnen, Ecer. stramineus Eng., hat eine sehr ausgesprochene Ex- pansionstendenz, denn wenn die Bestimmungen irgend vertrauenswerth sind, so geht sie bis Saltillo und Monterey in Mexico. Ecer. conglomeratus Forst. und Zecer. Merckeri Hildm. sind aufserhalb der Grenzen Mexicos nicht ge- funden worden, jener wächst im Staate Nuevo Leon, dieser im Staate Durango und im Süden von Coahuila. Eine sehr auffallende Art ist der stark und bunt bestachelte Zcer. Engelmannü Parry; sie ist zwischen dem Rio Gila und Sonora in jener sterilen Wüste gern ein Begleiter des Cereus giganteus Eng., von hier dringt sie in die Halbinsel Californien ein und geht andererseits so weit nach Norden, dafs sie mit C. viridiflorus Eng. in der Polhöhe wetteifert. Ecer. phoeniceus (Eng.) Lem. ist gleichfalls ein treuer Begleiter des Cer. giganteus Eng.; er dringt aber nach Norden ebenfalls viel weiter vor und findet sich in Delta Co. Col. noch in 2000” ü.M., so dals er sich in einem rauhen Klima als winterhart erweist; in seiner Gesellschaft wird gewöhn- lich Ecer. paueispinus (Eng.) Rümpl. angetroffen, auch Ecer. polyacanthus Eng., Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. 2. ihrer systemat. Gliederung. 61 derselben Verwandtschaft angehörig, gesellt sich häufig zu beiden. Als einzige Mexico eigenthümliche Art dieser Gruppe ist Ecer. acifer (Otto) Lem. zu nennen, der in Durango und Coahuila gefunden wurde. Der Staat Tamaulipas und das Mündungsgebiet des Rio Grande del Norte beherbergen zunächst Ecer. tuberosus (Pos.) Rümpl., den einzigen Ver- treter der Graciles, ferner die Nigricantes und wahrscheinlich die beiden Arten der Pentalophi; von dem gelbblühenden Zeer. papillosus A. Lke. ist mir die Heimath nicht bekannt geworden. Alle folgenden Reihen dagegen sind fast ausschliefslieh mexicanisch, nur der Ecer. enneacanthus Eng. aus der Reihe Leucacanthi schwärmt über die Grenzen dieses Staatenbundes hinaus und gelangt bis el Paso. Die übrigen Vertreter dieser Reihen sind nur Bürger des Plateaus von Anahuac; das Gleiche gilt von der einzigen Art der Oleosi, dem Ecer. glycimorphus Först. Die kleine Gruppe der Subinermes zeigt eine zersprengte Verbreitung, denn Ecer. subinermis S.-D. wurde von Chihuahua nach Europa geschickt, während Ecer. pulchellus (Mart.) K.Sch. aus dem Staate Hidalgo zu uns kam. Von Ecer. Knippelianus Liebn. wissen wir nicht genau, welches Gebiet seine Heimath ist. Nach den Arten aber, die um dieselbe Zeit zu uns gelangten, wäre die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dafs er einer zwischen beiden Staaten gelegenen Örtlichkeiten entnommen wurde. Aus Chihuahua stam- men auch die beiden Arten der Melanochlori. Betrachten wir noch einmal kurz die gewonnenen Thatsachen, so er- giebt sich, dafs die gröfste Entfaltung der Arten längs des Rio Grande del _ Norte liegt; an ihm sind von el Paso bis zur Mündung nicht weniger als 16 Arten gefunden worden. Das südliche Verbreitungsgebiet in Tamaulipas zeigt keine erhebliche Expansionstendenz; die meisten Arten aber der nörd- lichen Zone bei el Paso schwärmen mehr oder minder weit aus, so dafs mehrere tief nach Chihuahua und Coahuila, zwei sogar bis Nuevo Leon vordringen. Auch die nördlichsten und östlichsten Vorkommen hängen mit diesem Gebiet zusammen. Nach Sonora gehen 3 Arten, von denen 2 auch die Halbinsel Californien erreichen; zu diesen gesellen sich hier noch 4 andere Arten, E. Brandegeei (Coult.) K. Sch., E. mamillatus (Eng.) K. Sch., E. pacificus (Coult.) K.Sch., E. maritimus (Jones) K.Sch., die ich nur den Be- schreibungen nach kenne, so dafs in diesem eigenthümlichen Kakteenlande 6 zum gröfsten Theile endemische Arten vorkommen. Chihuahua besitzt 3 oder 4 endemische Arten, Coahuila nur eine, wird aber von dem Rio 62 K. ScHuumann: Grande her mit weiteren 6 Arten versorgt. Nach Süden läuft die Gattung dann aus, indem Nuevo Leon 4 Arten mit einer endemischen aufweist und in den Staaten Hidalgo und Mexico zusammen 3 endemische Arten gefun- den worden sind. G. Die Gattung Echinocactus. Über die Verbindung der Gattung mit Cereus und Echinopsis habe ich oben schon das Nöthige gesagt, mir bleiben nur noch einige Bemerkungen übrig, die ich über den Zusammenhang mit Melocactus zu machen habe. ‚Im Äufseren zeigen die Melokakteen während des Jugendzustandes eine solche Überein- stimmung mit den Körpern von Eehinocactus, dass Niemand im Stande ist, sie von einander zu unterscheiden, es sei denn, dafs man sich durch eine genaue Beobachtung der Keimpflanzen die Tracht jeder Art von Melocaetus eingeprägt hat. Der besondere Charakter der letzterwähnten Gattung tritt eben erst hervor, wenn die Pflanze blühfähig wird und das Cephalium er- zeugt. Das letztere hat eine so eigenthümliche morphologische Ausbildung, dafs gleitende Formen zwischen beiden Gattungen nicht existiren. Ein reichlicher Wollbelag der Areolen kommt auch echten Echino- kakteen zu (E.ingens Zuee. u. a.); ein Verkennen der Besonderheiten des Cephaliums hat bei früheren Reisenden die Meinung hervorgebracht, dafs die Gattung Melocactus einerseits auf dem mexicanischen Hochland, anderer- seits im südlichen Cordillerengebiet vertreten sei. Spätere Beobachter haben uns darüber aufgeklärt, dafs man irrthümlicherweise jene mit Wollscheiteln versehene Echinokakteen von Mexico für Vertreter der Gattung gehalten hat, und ich habe oben nachgewiesen, dafs mit der höchsten Wahrschein- lichkeit hinter dem Pilocereus erythrocephalus K. Sch. der von Poeppig ge- sehene argentinische Melocactus steckt. Das bisher geltende System der Kakteen zerlegte die Gattung in eine grö- (sere Anzahl zum Theil schlecht umschriebener Reihen. Ich habe diese soweit wie möglich von den nicht hinein gehörenden Arten gereinigt und bin endlich dahin gelangt, dafs sie füglich als Untergattungen mit bestimmt umschriebe- nen geographischen Gebieten betrachtet werden können. Die erste derselben Discocaetus, besitzt jenen reichlichen Scheitelfilz; in Correlation damit tritt hier wie sonst sehr häufig ein vollkommen schuppenloser Fruchtknoten hinzu; die Blüthenhülle ist langtrichterförmig. In dieser Untergattung sind nur 2 Arten bekannt, von denen die eine noch neuerdings bei Cuyaba, der Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemat. Gliederung. 63 Hauptstadt des Staates Matto Grosso in Brasilien, gesammelt wurde (E. alte- olens (Lem.) K. Sch.), während die zweite jedenfalls in der Nähe von Rio de Janeiro wachsen mufs, da ich einmal unter einem grofsen Trupp des Melocactus violaceus Pfeiff., der am Strande dieses Staates gesammelt wurde, ein Exemplar desselben fand. Die II. Untergattung Malacocarpus, lange Zeit als Gattung betrachtet, aber schon von Weber wieder mit Zechinocactus verbunden, umschliefst einige sehr wenig von einander verschiedene Arten. welche ebenfalls einen wolligen Scheitel besitzen; die gelben Blüthen aber haben einen wollig be- haarten und borstigen Fruchtknoten. Die früher lebhaft betonte, sehr weiche Beschaffenheit der Beeren ist bei der grofsen Mannigfaltigkeit der Früchte in der Gattung Echinocachıs von keiner ausschlaggebenden Bedeutung. Über das Vorkommen der Untergattung wissen wir nur, dals die Arten aus dem Süden Brasiliens -oder aus Uruguay zuerst von Sellow nach Berlin eingeführt wurden. Die Örtlichkeiten sind aber wohl neuerdings nicht wieder be- rührt worden, denn unter den allerdings gegenwärtig recht spärlichen Ein- führungen aus Brasilien kamen sie niemals mehr vor. Sehr nahe verwandt ist die III. Untergattung Cephalocactus, welche nur durch die meist rothe Farbe der Blüthen und durch nicht zerfliefsende Beeren gekennzeichnet wird. Sie ist die einzige Untergattung, welche sowohl nord- wie südamericanische Arten umschliefst. Zu den ersteren gehört jene Riesen- form unter den Kakteen, der Ects. ingens Zuce., welche unter dem Namen Vis- naga, d.h. Zahnstocher, oder V. de algodon auf dem Plateau von Anahuae in Mexico sehr allgemein verbreitet ist. Alle Echinocacteen mit starken Stacheln werden dort Visnagas genannt; dieser führt den speeifischen Namen algodon (Baumwolle), weil seine Scheitelwolle so massig entwickelt ist, dafs man mit-ihr Kissen stopft. Er wird bis 4” hoch und hat bisweilen mehr als 13 im Durchmesser. Im Alter wird er durch den Druck der Masse seitlich ganz runzelig, hängt dann über und fällt endlich um; trotz der gigantischen Masse — es sind Exemplare nach Europa gekommen, die 20 Centner wogen — hinterläfst er nach der Verwitterung nur eine ganz geringe Menge orga- nischer Substanz. Ihm steht der prachtvolle E. @rusonii Hildm. mit seiner starken und eleganten hellgelben Bestachelung am nächsten, der aber stets niedrig bleibt; er wächst wohl auch im Staate Hidalgo, besonders in einer Barranca del Infierno. Noch recht Kräftige Gestalten sind der Eets. pilosus Gal., der in kälteren Lagen, wie bei Carneros, gedeiht, und E. haematacanthus 64 K. ScHuumanns: Monv., der zwischen Puebla und Tehuacan gefunden wurde. In den nörd- licheren Staaten wachsen die kleineren Arten EZ. bicolor Gal., E. horizonto- halonius Lem. und E. heterochromus Web. Einen Stellvertreter des EZ. ingens Zuce. möchte ich den Zets. ceratites Otto von den chilenischen Anden nennen, der unter dem Namen Z. san- ° dillon Remy bekannter ist. Er gedeiht noch in so hohen Lagen, dafs die bisweilen ı" im Durchmesser haltenden Kugeln im Winter vollkommen verschneit sind; mehr säulenförmig entwickeln sich die chilenischen Z. mar- ginatus S.-D. und E. ambiguus Hildm. Die IV. Untergattung Lophophora, ausgezeichnet durch unbestachelten Körper, nackten Fruchtknoten und wolligen Scheitel, umfafst nur die neuer- dings so vielfach besprochenen E.Williamsü Lem. und E. Lewinü (Henn.) K.Sch. Sie sind chemische Formen einer und derselben Art, dadurch von einander verschieden, dafs jener das medicinisch werthvolle Pellotin, dieser Anhalonin enthält. Morphologisch sind bei einer grofsen Formenmannig- faltigkeit des Körpers beide Formen absolut nicht zu trennen. Neuerdings kommt nur die Form Lewiniü auf den Markt, die andere ist ganz verschwun- den, ein für die Fabrik, welche es unternommen hatte, Pellotin in den Handel zu bringen, höchst fataler Umstand. Da natürlich der Lemaire- sche Typ s.Z. auf die chemischen Besonderheiten nicht untersucht worden ist, so kann nicht einmal mit Sicherheit geschlossen werden, ob nicht die gegenwärtig Lewiniü, genannte Form, die viel häufiger zu sein scheint, der eigentliche Typ der Art, war. Die Untergattung hat ihre Heimath in Hidalgo, Coahuila, nach Frau Nickels auch in Texas. Die V. Untergattung Asirophytum weist wie die folgenden keinen Woll- schopf mehr auf; die Kanten der Rippen sind sehr scharf, die Flanken der letzteren mit kleinen Sternschüppchen weils bepudert; die Blüthen haben einen besehuppten und wollig behaarten Fruchtknoten. Die 4 hierhergehörigen Ar- ten sind ausschliefslich mexicanisch, 2 davon wachsen in nördlicheren Staaten: E..myriostigma (Lem.) S.-D., die bekannte Bischofsmütze in S. Luis Potosi, E. capricornus Pos. in Coahuila. Dagegen dürfte wohl E. asterias Zuce., eine wenig gekannte Art, aus südlicheren Gegenden stammen, da der Baron von Karwinsky, der sie einführte, so viel mir bekannt ist, nicht in die nörd-- licheren Staaten kam. Der schöne E. ornatus P.DC. gedeiht im Staate Hidalgo. Die VI. Untergattung Zuechinocactus wird hauptsächlich durch ihre kräf- tigen, häufig kugelförmigen oder kurzsäulenförmigen Kakteenkörper cha- Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemat. Gliederung. 65 rakterisirt; der Fruchtknoten ist stets beschuppt, aber nicht wollig. Der gröfste Theil der Arten gehört dem Staate Hidalgo oder noch südlicheren und wärmeren Gebieten an, einzig und allein der mächtige E. Pottsü S.-D. wurde aus Chihuahua zu uns gebracht. Die VI. Untergattung Aneistracanthus ist vor allen Dingen durch ge- krümmte, oft angelhakige Stacheln ausgezeichnet; sie ist also sehr leicht zu erkennen, dabei ist allerdings zu beachten, dafs E. unguispinus Eng. und E. mierospermus Web. auch gekrümmte Stacheln besitzen; jener ist aber an den in Höcker zerklüfteten Rippen, die dem Körper ein an Mamillaria erinnerndes Aussehen gewähren, leicht zu erkennen; dieser ist ein Bürger Süd-Americas und gehört zu den mit kleinen, runden Höckern versehenen Arten der Untergattung Notocactus. Alle Arten mit Angelhakenstacheln (Reihe Hamati) wachsen in den Vereinigten Staaten und schicken von hier aus nur kurze Zweige der Ver- breitung bis in die nördlicheren Staaten Mexicos (E. longihamatus Gal., E. un- cinatus Gal., E. setispinus Eng.). Dagegen ist nur ein geringer Theil der Arten mit hornförmigen Stacheln (Reihe Cornigeri) ausschliefslich auf die Ver- einigten Staaten beschränkt, von 13 Arten 3. Einige, die hier vorkommen (E. Emoryi Eng., E. eylindraceus Eng. und E. Wislizeni Eng.), gehen durch So- nora auf die Halbinsel Californien, wo sich ihnen 2-3 endemische Förmen zugesellen. Eine Art, E. tewensis Hopff., dringt vom südlichen Texas in das benachbarte Mexico bis Tamaulipas und Nuevo Leon vor, während die übrigen 4 Arten Central-Mexico bewohnen. Der bemerkenswertheste ist der mit mächtigen, aufserordentlich breiten, quer gerippten Stacheln versehene E. corniger P-DC., von dem ich nach neueren Untersuchungen fast glauben möchte, dafs er mit Cactus latispinus Haw. übereinstimmt. Die VII. Untergattung Stenocactus umgreift jene merkwürdigen Formen, welche mit einer Ausnahme (Z. coptonogonus Lem.) äufserst dünne, oft earton- artige, gewellte, meist ungewöhnlich zahlreiche, stets über 30, manchmal bis 100 Rippen besitzen. Im Jugendzustand sind die Körper mit Warzen bedeckt, so dafs sie von Mamillaria nicht getrennt werden können; auch in der Form der Blüthe erinnern sie an jene Gattung; ihr Fruchtknoten ist beschuppt und kahl. Ich habe die ungeheure Menge der beschriebenen Arten auf 18 redueirt, eine Zahl, die vielleicht noch zu hoch ist. Weber ist geneigt, die ganze Fülle mit Ausnahme des E. coptonogonus Lem. in eine zusammenzuziehen. Die geographische Area der Untergattung ist beschränkt, Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. II. 9 66 K. Schumann: keine Art überschreitet die Grenzen Mexicos, die Hauptmasse ist in dem Staate Hidalgo zusammengedrängt. Nur E. multicostatus Hildm. tritt ganz versprengt bei Saltillo im Staate Coahuila auf. Während in all den bis jetzt behandelten Untergattungen die Rippen in vollkommenem Zusammenhange bleiben, tritt in der IX. Untergattung Notocactus eine tiefer und tiefer gehende Gliederung auf, die schliefslich fast einen Zerfall in Höcker bedingt. Der Fruchtknoten bei diesen, meist schmalrippigen Gestalten ist stets beschuppt und wollig behaart, häufig auch borstig, nur EZ. minusculus Web. hat einen blofs beschuppten Frucht- knoten. Alle Arten sind ausschliefslich südamericanisch, und zwar ist der grölste Theil den östlicheren Gebieten von Süd-Brasilien und Paraguay, sowie Uruguay eigenthümlich; einige wenige, durch ihre winzige Grösse auffallende Arten sind chilenisch (E. senilis Phil., E. occultus Phil., E. humihs Phil., E. napinus Phil., E. mitis Phil). Aus Paraguay stammt der häufig eultivirte, niedergedrückte, kugelförmige, kleine E. pumilus Lem. und der mehr säulenförmige E. gracillimus Lem., aus deren engerer Verwandtschaft wir neulich noch den EZ. Schilinzkyanus F. Hge.jun. und den noch nicht be- schriebenen E. Grahlianus FE. Hge. jun. erhalten haben. Eine andere kleine Form ist der durch seine prachtvollen, zahllosen, rothen Blüthen auffällige E. minusculus Web., welcher aus Tucuman in Argentinien zu uns kam; auch der etwas stärkere, gelbblüthige, mit Angelhakenstacheln versehene 2. mi- crospermus Web. stammt von dort. Er ist fast die einzige südamericanische Kaktee, welche mit dieser Art von Waffen ausgestattet ist, nur der sehr ungenügend bekannte Cereus Bertiniü l’Herineq besitzt dieselben auch. Gröfsere kugelförmige Körper weisen zunächst der E. Ottonis Lk. et Otto, eine der ältesten südamericanischen Arten, E. Haselbergü F. Hge. sen. und E. concinnus Monv. auf. Jene beiden sind sicher brasilianisch. Wahr- scheinlich haben die endlich mehr kurzsäulenförmig wachsenden E. muri- catus Otto, E. submammulosus Lem.. E. mammulosus Lem. und E. tabularis Cels. dieselbe Heimath. Von den schlanker säulenförmigen Arten sind der E. scopa Lk. und O. und E. Leninghausü (F. Hge. sen.) K.Sch., von dem ich schon früher sagte, dafs er beharrlich bei Pilocereus untergebracht wird, in Brasilien heimisch, während E. Schumannianus Nie. aus Paraguay eingeführt wurde. Auch die X. Untergattung Hybocactus ist ausschliefslich südamerica- nisch. Die Rippen sind bei den hierhergehörigen Pflanzen noch weiter in Höcker zerlegt, die am Grunde mehr oder weniger kinnförmig vorge- Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemat. Gliederung. 67 zogen sind. Meist ist der Fruchtknoten beschuppt, aber völlig kahl, nur E. eurvispinus Colla zeigen Wollhaare in den Achseln der Schuppen. Auch in dieser Untergattung haben wir zunächst einige mehr östliche Arten, obschon innerhalb Brasiliens wohl keine vorkommt. In Paraguay aber wachsen der E. Monvillei Lem., E. denudatus OÖ. mit zahlreichen For- men, E. multiflorus Hook. (0. Ourselianus Lem.) und E. hyptiacanthus Lem. (E. multiflorus Hook.). Besonders hervorzuheben ist E. gibbosus (Haw.) P. DC., der gewöhnlich als in Jamaica oder Guatemala oder Mexico heimisch ge- nannt wird. In Wirklichkeit findet er sich, wie Weber zuerst bekannt gemacht hat, in zahlreichen Formen zwischen dem 43. und 45. Grad s. Br. in Patagonien. Wieder andere Arten gedeihen im nördlicheren Argentinien, wie E. Schickendantzii Web. und E. Saglionis Cels aus Tucuman. E. cente- terius Lem. ist wahrscheinlich aus den Argentinischen Anden bei Mendoza eingeführt worden, kommt aber nicht, wie ich früher glaubte, in Brasilien vor. Die übrigen ı8 Arten gehören der Westseite Süd- Americas, grölsten- theils wohl Chile an. Die XI. und letzte Untergattung Thelocactus ist wieder ausschliefslich nordamericanisch, und zwar zum allergröfsten Theile mexicanisch. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dafs die Rippen durch Querfurchen ebenfalls mehr oder weniger, bisweilen vollkommen in Höcker zerlegt, aber am Grunde nicht kinnförmig vorgezogen sind. Bei der weitgehendsten Gliederung sind sie ähnlich den Warzen der Mamillarien in Systemen von Schrägzeilen nach den Fibonaceischen Zahlen angereiht. In den Vereinigten Staaten finden sich nur Eets. Sileri Eng., E. intertextus Eng., E. Krausei Hildm., E. Johnsonüi Parry, E. Simpsonü Eng. und der sehr seltene E. papyracanthus Eng., die von dem Staate Utah bis Texas reichen, sämmtlich aber die mexicanische Grenze nicht zu überschreiten scheinen.. Während bei den übrigen Untergattungen der Staat Hidalgo eine besondere Bevorzugung in der Dichtigkeit der Arten nieht verkennen liefs, tritt er bei Thelocactus in dieser Hinsicht etwas zu- rück: von den 14 Arten, die Mexico im ganzen zukommen, werden in Hi- dalgo nur 5 gefunden (Z. tulensis Pos., E. leucacanthus Zuce., E. Ehrenbergü Pfeiff., E. horripilus Lem. und E. turbiniformis Pfeiff.). Ebenso viele gedeihen im Staate Chihuahua (Z. lophothele S.-D., E. Saussieri Web., E. Mac .Dowellüi Reb., E. unguispinus Eng. [E. Trollietii Reb.], E. Beguinü Web.). Von diesen zeigen die letzterwähnten die nächsten Beziehungen zu Mamillaria. In den mittleren Staaten Nuevo Leon, S. Luis Potosi und Durango sind 4 Arten g* 68 K. Scaumanns: bekannt, die aber durch weitere Erforschungen des letztgenannten Gebietes wohl vermehrt werden dürften (Z. neonndensss Pos., E. hexaedrophorus Lem., E. Smithü Muehlenpf. und E.durangensis Runge). Ziehe ich die Summe aus diesen Thatsachen, so ergibt sich, dafs die Gattung Echinocactus mit etwa. 140 Arten ein allerdings nicht lückenloses, in der Mitte unterbrochenes Gebiet zwischen dem 46.-48.Grad n.Br. und dem 43.-45.Grad s. Br. bewohnt. Im Norden bildet jetzt nicht mehr wie früher die Societät der Arten E. polyancistrus Eng., E.Whipplei Eng. u.s.w., welche von Colorado durch Utah bis Nevada vordringen, die Grenze, nach- dem Brandegee und Tweedy den E. Simpsonü Eng., eine ebenfalls nach Mamillaria hinüberschillernde Art, in den Gebirgen des Staates Washington unter der oben angeführten Breite gesehen haben. Die südliche Grenze aber wird von Zcts. gibbosus (Haw.) P.DC. gebildet. H. Die Gattung Leuchtenbergia Hook. et Fisch. Die Leuchtenbergia principis Fisch. et Hook. ist eine so eigenthümliche Pflanze bei der ersten Betrachtung, dafs man selbst über ihre Familien- zugehörigkeit so lange im Zweifel blieb, bis sie ihre Blüthen hervorbrachte. Dann wurde allerdings ihre Zugehörigkeit zu den Kakteen klar. Bei ge- nauerer Betrachtung kann aber ein Zweifel darüber nicht obwalten, dafs sie in die unmittelbare Verwandtschaft von Eehinocactus gehört: ihre Blüthe stimmt z.B. mit der von E. longihamatus Gal. in allen wesentlichen Charak- teren überein. Die Form der schlanken, pyramidenförmigen Warzen, welche, wie bei der Untergattung Thelocactus, in Systemen von sinnfälligen Schräg- zeilen angereiht sind, ist ebenso wie die strohähnliche Beschaffenheit der Stacheln ein so vorzügliches Merkmal, dafs die Gattung zu den bestfundir- ten der Familie gehört. Die Pflanze wurde nach Taylor zuerst bei Real del Monte gefunden; ob das Vorkommen in diesem Gebiete wirklich be- glaubigt ist, wage ich nicht zu entscheiden; sichere Fundorte liegen süd- östlich von S. Luis Potosı und südöstlich von Parras bei Pata Galena; der erste wird durch Weber, der zweite durch F. Reichenbach verbürgt. J. Die Gattung Melocactus Lk. et O. Die Gattung Melocactus steht nur mit Zchinocactus in Verbindung, von der sie sich, wie bemerkt, durch die Entwickelung eines echten Cephaliums gerade so unterscheidet wie Cephalocereus von Cereus, nur ist dasselbe stets Die Verbreit, der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemat. Gliederung. 69 end-, niemals, es sei denn zufällig bei Verletzung des Pilanzenscheitels, seitenständig. Durch die Differenzirung desselben stellt Melocactus mit Cephalo- cereus die höchste Entwickelung der Zchinocacteae nach einer bestimmten Richtung dar. Wir müssen in dem Cephalium eine Schutzvorrichtung für die Entwiekelung der Früchte zur vollen Reife erkennen, denn diese voll- zieht sich innerhalb des Wollfilzes. Ist dieselbe geschehen, dann löst sich die Frucht an der Basis von der Areole ab und wird durch den Druck der umgebenden Wollmassen herausgequetscht. Man kann diesen Vorgang leicht beobachten und bemerkt deutlich, wie die glatte, nach unten prisma- tisch zugespitzte Beere den Wollschopf durchdringt. Der Procefs währt oft nur kurze Zeit, dann steht die karminrothe bis rosenfarbige Beere senkrecht auf dem Schopfe, kippt über und fällt herunter, wenn sie nicht zwischen den bisweilen wie ein Gehege den Schopf umstehenden, oberen Stacheln hängen bleibt und dort verwittert; die Samen kommen dann an dieser Stelle zum Keimen. Mir ist mehrfach die Mittheilung gemacht worden, dafs von solchen Exemplaren, die bei uns im Freien gezüchtet werden, die Vögel, namentlich die Sperlinge, begierig die auffallenden Beeren geholt haben; zweifellos werden in der Heimath die Samen auf diesem Wege verbreitet. In der Litteratur begegnet die Angabe, dafs die Beeren durch den Druck bisweilen weit fortgeschleudert würden. Diese Thatsache habe ich an unseren Pflanzen, obschon sich dieselben in sehr gutem Zustande be- fanden, nicht bestätigen können; sie rollen zwar bisweilen ein Stück weit von der Pflanze nach dem Herabgleiten fort, so dafs vielleicht auf diese Weise die Erscheinung vorgetäuscht wird, aber ein eigentliches Heraus- schnellen habe ich nicht wahrgenommen. Ebenso wenig konnte ich die ebenfalls behauptete Wahrnehmung machen, dafs Beeren, die einmal her- vorgetreten sind, wieder in den Schopf hineingesogen würden. Nach der ganzen Bildung des Schopfes ist auch ein solcher Vorgang ganz undenkbar, denn, wenn die Beeren durch eine tangential wirkende Kraft herausge- stofsen werden, so kann sie nur eine vertical wirkende Kraft wieder hin- eintreiben. Wo soll dieselbe aber herkommen? Wahrscheinlich ist die auch von mir beobachtete Thatsache, dafs fast aus jedem Schopfe eines Melocactus eingetrocknete Beeren herausgelesen werden können, der Grund zur An- nahme der Meinung gewesen, dafs sie sich wieder in den Schopf zurück- gezogen hätten. Ich habe aber die Beobachtung gemacht, dafs manche Beeren aus dem Schopfe überhaupt nicht heraustreten, trotzdem sie, wie 70 K. Schumann: ich mich später nach Herausnahme derselben überzeugte, ihre volle Reife erlangt hatten. Die Ursache der dauernden Einschliefsung liegt darin, dafs die Lösung der Beere von der Areole nicht statthatte; ich mufste immer einen ziemlich starken Zug ausüben, um sie unten abzulösen. Bleiben diese Beeren eingeschlossen, so trocknen sie zu dünnhäutigen, schmalen Schläuchen zusammen, welche dauernd im Schopfe eingeschlossen bleiben und später oft für den Händler zu der erwünschten Quelle gut erhaltener Samen werden. Diese Gattung ist vielleicht die erste der Kakteen, über deren Hei- math wir genauere Berichte erhalten haben. Die merkwürdige Bildung der Schöpfe, welche noch heute unter dem Volksnamen Englishman’s head ‚oder Bonnet turk auf den westindischen Inseln bekannt sind, veranlalsten die Seefahrer frühzeitig, sie als Curiositäten mit in die Heimath zu nehmen. Schon die Väter der Botanik, Lobelius, Besler, Clusius u. A., nennen uns mit deutlichen Bildern die Echinomelocacti als Erzeugnisse der Neuen Welt. Dieselbe Insel Divae Margaritae, von welcher jener erste Echinomelocactus stammte, welchen ein englischer Matrose dem Apotheker Morgan in Lon- don verkaufte, finden wir heute noch in dem Gebiete, welches eine ganz besondere Formenmannichfaltigkeit der Gattung erzeugt hat; denn nament- lich die »Inseln unter dem Winde« an der Nordküste des südamericani- schen Continents gaben Suringar das Material zur Aufstellung von nahezu hundert Arten der Gattung, Arten, von denen er allerdings selbst meint, dals sie etwa mit dem Mafsstabe des Rubuskenners gemessen werden müssen. Von den Inseln Aruba und Bonaire, sowie von Curacao wird erzählt, dafs diese gern in der Nähe des Strandes wachsenden Kakteen den felsigen Küstenrand förmlich pflasterten. Ich habe in meiner Gesammtbeschreibung nur 14 Arten der Gattung aufgenommen; die Arbeit Suringar’s hat ihren Abschlufs noch nicht ge- funden, die mit prachtvollen Tafeln ausgestattete Monographie der Gattung Melocactus hat vielmehr eben erst zu erscheinen begonnen. Ohne gute Ab- bildungen oder Originalexemplare kann ich über solche anerkannte »Klein- arten« ein Urtheil nicht gewinnen. S Die geographische Verbreitung der Gattung Melocactus liegt in zwei von einander weit gesonderten Distrieten: der eine umfafst die Inseln und. den Küstensaum des mexicanischen Golfes, der zweite befindet sich am Ostrand von Brasilien. Eine grofse Zahl der westindischen Inseln werden uns als Heimath dieser Kakteen genannt. In Sonderheit sind sie von St. Tho- Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemat. Gliederung. 71 mas zu wiederholten Malen eingeführt worden. Ich habe von verschiedenen Seiten die Nachricht erhalten, dafs Schiffsoffiziere diese auffälligen Gebilde nach Hamburg gebracht haben: sie wurden dann gelegentlich dort im Bo- tanischen Garten gepflegt. Auch in Berlin waren vor mehreren Jahren einige schöne Exemplare in Cultur, die überraschend lange gediehen; meist dauert die Erhaltung nur eine kurze Frist, dann werden sie, die nur sehr selten aus dem Rande der. grofsen basalen Wundfläche Wurzeln machen, dureh innere Fäulnifs hingerafft. Gegenwärtig werden ‘bei uns wieder 3 Exemplare seit mehr als 2 Jahren mit gutem Erfolge gezogen, die einer ebenfalls aus St. Thomas gekommenen Einführung entnommen sind. Von Jamaica wurde der vor mehr als 50 Jahren in Berlin eultivirte E. meonacanthus Lk. eingeführt, von Cuba kamen Formen des M. communis Lk. et O., die besondere Namen erhielten, wie M. rubens Pfeiff., M. havan- nensis (Pfeiff.) Miq., von S. Domingo wurde M. macracanthus S.-D. zu uns gebracht; auch Puerto Rico beherbergt eine Art, die Suringar zu einer besonderen Art erhob und M. portoricensis nannte. Ich habe einen erheb- lichen Theil dieser Arten von M.communis (L.) Lk. et ©. nicht für ver- schieden gehalten. Weber hat nicht blofs denselben Standpunkt vertreten, sondern ist noch über meine Ansicht hinausgegangen. Von der Küste des Staates Honduras hat Rüst in Hannover einen Melocactus erhalten, den ich als eine besondere Art angesehen habe (M. Rüstü K.Sch.). Auch Mexico wird in den Büchern über Kakteenkunde als Vater- land der Gattung genannt. Dieser Angabe gegenüber habe ich immer eine gewisse Zurückhaltung gezeigt; man hat nämlich früher geglaubt, dafs die mit grofsen W.ollkappen versehenen Kehinocactus- Arten, wie z. B. E. ingens Zuce. in diese Gattung gehörten, und ich meinte, dafs dieser Irrthum die Veranlassung gewesen wäre, das Vaterland der Melokakteen bis nach Mexico zu verlegen. Neuerdings hat mir zwar Luis Murillo die Richtigkeit der Angabe auf das Bestimmteste verbürgt; er hat mir geschrieben, dafs in der That eine Art, die er M. salvador nannte, in der Umgebung von Vera Cruz vorkommt; ich bin aber, durch gewisse andere Erfahrungen gewarnt, nicht durchaus von der Zuverlässigkeit dieser Angabe überzeugt. Von dem südlichen Gestade des Mexicanischen Golfs wurden schon durch Otto Arten der Gattung bei La Guaira genannt; die Einführung des Mel. caesius Wendl. nach Herrenhausen ist eine Bestätigung dieser Angabe. Eine ähnliche, vielleicht dieselbe Art erhielt ich jüngst aus Puerto Cabello in schönen Exem- 12 K. ScHhumann: plaren. Otto sah die Arten auch, entgegen der sonst allgemeinen Vorliebe für die Nähe des Meeres, auf der Silla de Caracas in die Höhe steigen, und mit dieser Wahrnehmung würde auch die Mittheilung stimmen, dafs der in der Gattung durch die Gröfse der Blüthen auffällige M. obtusipetahıs Lem. in dem Innern von Columbien gedeihen soll. Das brasilianische Gebiet erstreckt sich von der Gegend um Pernam- buco und Bahia bis Rio de Janeiro. Nur verhältnifsmäfsig kleinere Arten kommen hier vor: in der ersterwähnten Örtlichkeit wächst der M. depressus Hook., zu dem Weber auch den M. goniacanthuıs Lem. zieht. In den Restin- gas bei Rio de Janeiro gedeiht auf dem sterilen Sandstrande der wenig mehr als 10° im Durchmesser haltende M. violaceus Pfeiff. Aus diesen Angaben geht hervor, dafs die nach meiner Auffassung an Arten nicht sehr reiche, aber mit einer grofsen Variabilität in der einen Species begabten Gattung ein Gebiet besiedelt hat, welches in seinen äufser- sten Grenzen von den beiden Wendekreisen eingeschlossen wird: Havana berührt beinahe den Wendekreis des Krebses, während Rio de Janeiro unfern des Wendekreises des Steinbocks gelegen ist. K. Die Gattungen Phyllocactus und Epiphyllum. Beide Gattungen sind durch laubartige Flachsprosse ausgezeichnet. Sie unterscheiden sich dadurch von einander, dafs die Blüthen der letzterwähnten Gattung in auffallendem Mafse zygomorph, bei der ersten aber aktinomorph sind. Aufserdem stehen die Staubgefälse in der Gattung Zpiphyllum in 2 scharf gesonderten Gruppen: ein innerer Kreis ist unmittelbar auf dem Blüthenboden befestigt, seine Fäden sind am Grunde kurzröhrenförmig verbunden, und von der Röhre hängt eine Saftdecke in der Gestalt eines gezähnelten Ringes nach innen herab. Indem’ich die Gattung Zpiphyllum durch diese Merkmale emendirte, mulste ich die zwei Arten E. Gärtneri (Reg.) K.Sch. und E. Russellianum Gardn. in die Gattung Phyllocactus über- führen, trotzdem sie sich beide in Bezug auf ihre vegetativen Merkmale Epiphyllum nähern. Über die sehr verwickelte Nomenclatur der Gattung Epiphyllum habe ich mich schon früher ausführlich ausgesprochen. Wenn man streng die Regeln der Priorität befolgt, dann mufs die Gattung Phyllo- cactus Lk. den Namen Epiphyllum Haw. erhalten, und für Zpiphyllum Pfeiff. muls der Name Zygocactus K.Sch. eingesetzt werden. Ich habe mich aber hinlänglieh überzeugt, dafs durch diese Abänderung eine heillose Verwir- Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemat. Gliederung. 73 rung bei allen denen angerichtet würde, welche Kakteen kennen, und habe aus diesem Grunde den alten Gebrauch wiederhergestellt. "Ich bin einmal wegen dieser Überführung und wegen der Aufgabe der Tribus Phyllocacteae heftig angegriffen worden', habe aber, weil die vor- gebrachten Momente botanisch einer Widerlegung nicht bedürfen, keine Ver- anlassung, auf diese Laienkundgebungen näher einzugehen. Dass die Phyllo- kakteen sich eng an Cereus und somit an meine Echinocacteae anschlielsen, geht schon daraus hervor, dafs z.B. Goebel für eine Verbindung von Phyllocactus und Cereus in eine Gattung eingetreten ist. Die Gliederung der Gattung Phyllocactus habe ich eingehend aus ein- ander gesetzt, ich habe also nicht nöthig, auf sie hier näher zurückzu- kommen. Epiphyllum umfalst gegenwärtig nur eine Art, vielleicht sind die sonst noch erwähnten Arten Bastarde (namentlich E. Rückeri Paxt.), viel- leicht haben wir es mit eigenen Arten zu thun. Was die Verbreitung der beiden Gattungen anbetrifft, so will ich Zpi- phyllum vorweg nehmen; die einzige Art E. truncatum Pfeiff. wächst in den gebirgigen Gegenden um Rio de Janeiro; ich erhielt sie von Glaziou und Pecekolt von dort, Ule sammelte sie in der Sierra dos Orgäos, wo sie in den niederen Lagen eine häufige epiphytische Pflanze zu sein scheint. Ganz ähnlich im Vorkommen verhalten sich die Arten von Phyllocactus, welche früher bei der Gattung Zpiphyllum untergebracht waren und jetzt meine Section Pseudepiphyllum ausmachen. Sie sind wie alle übrigen Arten der Gattung Epiphyten; Ph. Russellianus (Hook.) S.-D. ist in den höheren Lagen der Sierra dos Orgäos verbreitet; Ph. Gärtneri (Reg.) K.Sch., der in wunder- licher Verkennung von Regel für eine Varietät von jenem betrachtet wurde, ist im Staate Sa. Catharina zu Hause. Aus Brasilien sind mir nur noch 2 Arten der Gattung Phyllocactus be- kannt, welche in die Seetion Euphyllocactus K.Sch. gehören, nämlich Ph. acu- minatus K. Sch., den ich durch Glaziou aus der Umgebung ‚von Rio de Janeiro erhielt, und Ph. Phyllanthus (L.) Lk., eine durch ihre lange, oft ge- wundene Blüthe mit kleiner gelblicher Krone ausgezeichnete Art, welche ich von Sellow, wahrscheinlich in Süd-Brasilien, gesammelt sah. Diese Kaktee zählt zu den wenigen, die sich einer weiteren Verbreitung erfreuen, denn sie wächst in einigen Varietäten in Paraguay, in Bolivien und Colum- ! Rüst und Capelle in Monatsschr. f. Kakteenk.VIl, 99; Heese und Genossen, Die Kakteenneubenennungen. Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. II. 10 74 K. Scaumann: bien, ja, sie wird sogar von den Antillen genannt, eine Angabe, die bei dem so völlig ungenügenden Wissen der Botaniker über Kakteen so lange mit zweifelhaften Augen angesehen werden mufs, bis Belagexemplare zu uns kommen. Aufser diesen wird Ph. Hookeri (Lk.) S.-D. gewohnheitsgemäfs als Bürger Brasiliens und Guianas betrachtet; bis zu welchem Malse die erstere Angabe zutreffend ist, wird schwer auszumachen sein, dort gesammelte Stücke sah ich nicht. Auf den Westindischen Inseln werden Vertreter der Gattung gefunden, wie sterile Zweige, die im Herbar Krug und Urban des Kö- niglichen Botanischen Museums aufbewahrt werden, beweisen; bei der weiten Verbreitung dieser Pflanzen als schönblühende Culturgewächse ist es aber immer mifslich, auf ein wirkliches Indigenat aus diesen Bruchstücken zu schliefsen. Lemaire sagte aber direct, dafs der von ihm zuerst beschrie- bene Ph.strictus aus Cuba importirt worden wäre; vielleicht stammt auch der aufserordentlich breitgliedrige Ph. Thomasianus K.Sch. mit seinen riesig grofsen, rothen Blüthen, die durch gelbe Staubfäden gekennzeichnet sind, von derselben Insel. . Ein vollkommen gesichertes Wohngebiet für die Gattung -Phyllocactus ist Honduras: hier gedeihen sicher Ph. crenatus (Lindl.) Lem. und Ph. biformis (Lindl.) Lab., der erstere zu Euphyllocactus K.Sch., der letztere als einziger Vertreter zur Untergattung Disisocactus K.Sch. gehörig. Auch Ph. grandis Lem. wird von dieser Localität genannt; wenn Brongniart von ihm glaubte, dafs er auch in Guiana, Lemaire, dafs er auch in Cuba gediehe, so sehe ich in diesen Mittheilungen nur ein Zeichen von den ungewissen Nachrichten über die Heimath dieser Gewächse; einen zweifellos zu dieser Art gehörenden Zweig mit Blüthe erhielt ich neuerdings von Puerto Cabello.. Weber giebt als Vaterland Orizaba in Mexico an. ' Nun bleibt noch das mexicanische Gebiet übrig, welches die meisten Arten gewährt hat; diese gehören entweder in die Untergattung Zuphylio- cactus mit langröhriger oder in die Untergattung Ackermannia K.Sch. mit kurzröhriger Blüthenhülle. In jene sind zu stellen: der auffallende PA. an- guliger Lem. mit seinen schrotsägezähnigen, dicken Gliedern, der am Vulcan von Colima im Staate Jalisco und bei Matanego ganz im Süden von Mexico gesammelt wurde, sowie der Ph. stenopetalus S.-D., der wahrscheinlich mit Ph. latifrons Zuce. übereinstimmt und vom Baron von Karwinski zwischen» Vera Cruz und Cordoba aufgenommen wurde. Ph. Ackermanniü (Otto) S.-D., sowie Ph. phyllanthoides (P. DC.) Lk. setzen die zweite Section zusammen, die Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemat. Gliederung. 75 beide bis jetzt nur in Wäldern des Staates Orizaba in wildem Zustande gesehen wurden." Sie waren früher sehr häufig in Cultur, jetzt haben aber den ersteren die feurigblühenden Bastarde von ihm und Cereus speciosus (Cav.) R. Sch., welche bei ähnlicher Bildung der Blüthen sogleich an dem bestachel- ten Fruchtknoten erkannt werden, verdrängt; der zweite ist wenigstens in Deutschland wegen seiner weniger ansehnlichen Blüthen mehr in den Hinter- grund gedrängt; in Frankreich sah ich ihn öfter in hübschen Exemplaren. Sämmtliche Arten der beiden Gattungen Phyllocactus und Epiphyllum sind Epiphyten; wenn auch die eine oder die andere Art gelegentlich auf Felsen wächst, so überschreitet sie doch niemals die Formation der Urwälder, wel- che als erste Bedingung für das Gedeihen der Gewächse erachtet werden muls. Durch sie ist das Gebiet in der Ausdehnung nach Norden beschränkt, denn sobald dieselben auf den Hochflächen von Mexico verschwinden, ist auch ihnen ein Ziel gesetzt. Das Vorkommen der Gattung Phyllocactus wird also bei etwa 20° n. Br. begrenzt sein. Von hier aus erstreckt sich die Ver- breitung, wenn auch durch die klimatischen und allgemeinen Verbreitungs- bedingungen vielerorts durchbrochen, über Mittel-America und Cuba, durch Guiana und Columbien bis Bolivien und auf der anderen Seite durch Bra- silien bis in. den Staat Sa. Catharina zwischen dem 26. und 27. Grad s. Br. L. Die Gattungen Pfeiffera S.-D., Hariota P. DC. und Rhipsalis Gaertn. lin epiphytische Gewächse schliefsen sich diese Gattungen in ihren biologischen Verhältnissen am engsten an die beiden vorigen an; aber auch verwandtschaftlich dürften sie mit ihnen in einer näheren Verbindung stehen. Diese Ansicht gilt allerdings in minderem Mafse von Pfeiffera, welche zwei- felsohne ein Verbindungsglied nach Cereus hin darstellt, wie denn die ein- zige Art der Gattung Pf. ianthothele (Monv.) Web. zuerst als zur Gattung Ce- reus gehörig beschrieben wurde. Ihre kantigen Zweige, welche mit Stacheln besetzt sind, machen auch durchaus den Eindruck, als ob man einen Ce- reus aus der Reihe der kletternden Formen vor sich hätte; erst die kleine Blüthe verweist sie in den näheren Verband mit en rue Zeit war ! Humboldt gab an, dals er Ph. päyllantkoides (L. ) Lk. beiTurbaco nahe der Stadt Car- thagena in Columbien gesehen habe. Ich habe in der Gesammtbeschreibung diesen Fundort registrirt, muls aber, da keine Exemplare vorliegen, dahingestellt sein lassen, ob die Bestim- mung richtig war. 10* 76 i K. ScHuumann: man im Unklaren darüber, wo das Vaterland der Pflanze zu suchen wäre; ich habe schon früher' meine Zweifel darüber ausgesprochen, dafs sie, wie allgemein geglaubt wurde, in Mexico heimisch sei, und nach Süd-America hingewiesen; aber erst ganz neulich hat Weber mitgetheilt, dafs sie in den Staaten Salta, Tucuman und Catamarca Argentiniens gedeiht. Die Gattung Rhipsalis Gaertn. ist, so ähnlich sich auch der Blüthen- bau in allen Arten erweist, in den Körperformen äufserst variabel. Ich habe dieselben einer Gliederung in Untergattungen zu Grunde gelegt, welche schon früher” veröffentlicht wurde. Als der Typ wurde früher allgemein jene Art betrachtet, die in bindfadendicken Strängen oft mächtige. Aggre- gate bildet, die Rh. cassytha Gaertn. Ich erkenne in ihr eine abgeleitete Form, da mir die Arten mit kantigen, dann mit blattartigen Gliedern die primären zu sein scheinen. Während der bei weitem gröfste Theil der Arten aller Untergattungen von Süd-Brasilien bis an die nördlichen argen- tinischen Cordilleren entwickelt ist, hat die Rh. cassytha ihr Gebiet weit über diese Grenzen ausgedehnt. Sie ist nicht blofs über das ganze atlantische Küstengebiet von Brasilien, West-Indien und das südliche Mexico verbreitet, sondern findet sich auch in West- und Central-Africa und auf den Masca- renen, ja tritt auf der Insel Ceylon durchaus als indigene Pflanze auf. Die neuere Zeit hat uns auch noch mit anderen Arten aus Africa bekannt gemacht, die, wenn sie auch alle zu Zurhipsalis gehören, nicht in Brasilien vorkommen, so dafs die frühere Meinung, die Kakteen seien eine ausschliefs- lich americanische Familie, bei weitem nicht mehr zu Recht besteht. Aufser der weit umherschwärmenden Rh. cassytha Gaertn. kommen aulserhalb Brasiliens in America keine Arten von Eurhipsalis vor, während dort noch 12 weitere bekannt sind. Dagegen gibt es auf den westindi- schen Inseln, sowie in Central-America noch mindestens 2, nach Weber aber noch mehr Arten von Rhipsalis mit hlattförmigen Zweigen; ich kenne nur Rh. alata (Sw.) K.Sch. und Rh. ramulosa Pfeifl. Die Meinung indelfs, dafs auch Rh. pachyptera Pfeiff. von den Antillen stamme, ist irrthümlich; sie wie 7 andere Arten der Untergattung Phyllorhipsalis sind Bürger des südlicheren Brasiliens. An Eurhipsalis lehnt sich die Untergattung Ophio- rhipsalis mit 2 Arten, die in Argentinien und Uruguay zu Hause sind; sie bildet ein Verbindungsglied mit den mehrkantigen Cereen, an welche die ' K. Schumann in »Natürl. Pflanzenfamilien« IIl (62). 196. ® K. Schumann a. a. 0. 197. Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemat. Gliederung. 77 Untergattung (roniorhipsalis noch näher herantritt. Zwei Arten derselben sind brasilianisch, eine (Rh. mierantha [H. B. K.] P. DC.)' wurde aus Eeuador beschrieben. Die Untergattung Acanthorhipsalis unterscheidet sich von Phyl- lorhipsalis habituell nur dadurch, dafs sie mit wirklichen, stechenden Wehr- stacheln versehen ist, die bei Kakteen mit blattartigen Gliedern sonst nie- mals vorkommen. Rh. monacantha Gris. wächst im Staate Oran des Argen- tinischen Staatenbundes. Alle bisher besprochenen Untergattungen sind durch »exserten« Frucht- knoten ausgezeichnet, ein Charakter, den ich systematisch für bedeutungs- voll ansehe, der aber die Tracht der Pflanzen nicht bestimmen kann. In den folgenden Gruppen mit eingeschlossenem Fruchtknoten wiederholen sich nun alle die schon erwähnten Gestalten. Der Untergattung Eurhipsalis ent- spricht Calamorhipsalis, welche Formen mit fadenförmigen, allerdings stets etwas stärkeren Gliedern umfafst. Sie sind sämmtlich brasilianisch, nur Rh. tucumanensis Web. stammt, wie der Name sagt, aus dem nordwestlichen Ar- gentinien. In der Untergattung Lepismium begegnen uns Gestalten mit kan- tigen und blattartigen Zweigen; sie sind sämmtlich aus dem Süden Bra- siliens zu uns gebracht worden. Eine sehr eigenartige Bildung weist RA. dissimihs (G. A. Lindb.) K. Sch. auf, indem sie zuerst bis kleinfingerdicke, auf- rechte Glieder erzeugt, die, mehrkantig und reichlich mit Borsten versehen, vollkommen einem schwächeren Cereus gleichen; später entwickeln sie nach einem Übergangsstadium von bleistiftstarken, stielrunden Zweigen dreikan- tige Glieder, an denen die Blüthen erscheinen. Diese Glieder sind zum Ver- wechseln denen der Rh. trigona Pfeiff. ähnlich; ich bin noch keineswegs sicher, ob nieht manche der unter diesem Namen cultivirten Pflanzen jene blühbaren Triebe von RA. dissimilis sind. »Cereiforme« Glieder finden sich bei allen Rhipsalis-Arten im Keimzustande und weisen auf die nahe Verwandtschaft mit Cereus ebenso hin wie die Jugendzustände der Phyllokakteen, die gleichfalls einer Keimpflanze von Cereus zum Verwechseln ähnlich sehen. Die Untergattung Epallagogonium enthält nur eine Art Rh. paradoxa (Pfeiff.) S.-D., welche, wie schon der Name andeutet, ganz aus dem Rah- ! Seit mehr als 50 Jahren wird in den botanischen Gärten eine mehrkantige Rhipsalis unter diesem Namen ceultivirt. Vor Kurzem hat Weber das Original des Cactus micranthus H.B.K. in Paris verglichen und gefunden, dafs dieser dreikantige Glieder hat und deshalb mit unserer Rh. mierantha nicht übereinstimmt. Die letztere hat er deswegen Rh. sulcata ge- nannt. Ihre Heimath ist uns nicht bekannt. 78 K. Scuumann: men der Gattung heraustritt. Kurze, dreikantige Glieder sind so angereiht, dafs die Kanten des vorhergehenden über die Rippen des folgenden fallen. Auf diese Weise werden Stränge gebildet, welche in gabel- oder wirbel- förmigen Verbindungen zusammentreten. Die Art wächst im Staate S. Paulo von Brasilien. Die Gattung Hariota stellt mit ihren flaschenförmigen Gliedern ein Extrem in der Entwickelung von Khipsalis dar, mit der sie zur Noth ver- einigt werden könnte. Die beiden hierhergehörigen Arten sind dem Haupt- entwickelungsgebiet von Rhipsalis, dem südlichen Brasilien, eigen. Erst vor wenigen Tagen wurde ich durch die Güte des Hrn. Ule mit einer Kaktee bekannt, welche durch ihre schwachen cylindrischen Glieder entschieden an die Gattung Rhipsalis erinnert; sie starrt aber von gelben, glasartigen Stacheln. Leider ist die ziemlich ansehnliche Blüthe bereits verblüht, so dafs ich vorläufig die Pflanze nicht recht zu beurtheilen ver- mag. Sie stammt von der an eigenartigen Pflanzen so reichen Sierra de Itatiaya im Staate Rio de Janeiro und wächst dort auf den hohen Fels- kegeln, welche das Gebirgsplateau krönen, auf Steinen. Nach diesen Daten liegt also das Gebiet der 3 Gattungen in America wiederum etwa zwischen den Wendekreisen, während es aber im Norden den des Krebses kaum erreicht, geht es im Süden ein wenig über den des Steinbocks hinaus. In Africa verhält sich die Verbreitung etwas anders: indem sie hier kaum den Aequator im Norden überschreitet, findet sie sich noch unter dem 30.Grad s.Br. im Pondolande, von wo ich eine zur Be- stimmung nicht ganz genügende, aber zweifellos zu Rhipsalis gehörige Pflanze, von Beyrich gesammelt, sah. Da die tropischen Urwälder an der Ost- küste von Süd-Africa weit nach Süden vordringen, so hat diese Thatsache niehts zu sehr Befremdliches. In ostwestlicher Richtung wird die Verbrei- tung von keiner spontan vorkommenden Kakteengattung erreicht, da sie sich von 100° w.Gr. bis 80° östl.Gr. erstreckt. M. Die Gattungen Mamillaria Haw., Pelecyphora Ehrenb. und Ariocarpus Scheidw. Die Gattung Mamillaria, bisher in 2 Untergattungen, Eumamillaria und Coryphantha, getheilt, habe ich in eine grölsere Anzahl zu zerlegen ver- sucht, die sich im grofsen und ganzen bereits vorhandenen Gruppen an- schliefsen ; nur Dolichothele, welche der früheren Reihe Longimammae entspricht, Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemat. Gliederung. 79 habe ich neu hinzugefügt für eine offenbar äufserlich recht eigenthümliche Reihe von Formen. Die Untergattung Cochemiea wurde erst neuerdings von Mrs. Kath. Brandegee auf eine in der That sehr merkwürdige Gruppe von Arten gegründet, die fast ausschliefslich die Halbinsel Californien be- wohnt. Öb nicht vielleicht die von Weber wieder ans Licht gezogene Gattung Mamillopsis Morren (nur unsere Mam. senilis Lodd. umfassend) mit der letzten Untergattung zusammenfällt, kann ich nicht entscheiden, weil ich Morren’s Diagnose nicht aufzufinden vermochte. Von mir rührt auch die Sonderung der Untergattung Kumamillaria in 2 Seetionen: Hydrochylus und Galactochylus, her, wobei allerdings die letzte Gruppe, wenn auch refor- mirt, die alte Reihe Lactescentes Zuec. umfalst. So scharf auch die Gattung Mamillaria (nebst Pelecyphora und Ario- carpus) im gröfsten Theile der Arten von allen übrigen Gattungen der Kak- teen durch die Duplieität des achselständigen Neubildungsherdes geschieden ist, stellt doch die Untergattung Coryphantha eine vollkommene Verbindung mit Eehinocactus dar. So ist z. B. Mam. Scheeri Muehlenpf. eine der gleiten- den Arten, wie schon aus der Thatsache klar hervorgeht, dafs sich die- selbe in der neueren Zeit nur unter dem Namen KEects. Poselgerianus Dietr. in den Sammlungen befand. Man kann sich auch in der That keine bessere Verbindung zwischen zwei Gattungen vorstellen, als sie gewisse Coryphan- then darbieten. Die Blüthen sind nicht mehr tiefseitenständig am Körper, sondern wie bei den meisten Echinokakteen an den Scheitel gerückt; sie sind erheblich gröfser als bei Mamillaria gewöhnlich und erscheinen auch nicht mehr direct aus der Axilla, sondern sitzen von ihr mehr oder weniger entfernt in einer Furche, welche von der Areola ausgeht. Trotz dieser Ver- hältnisse befürworte ich doch keineswegs eine Vereinigung mit Echinocactus; auch dem Beispiele Lemaire’s möchte ich nicht folgen und aus der Unter- gattung Coryphantha eine eigene Gattung machen, denn nach unseren jetzigen Kenntnissen mülste dann auch die Untergattung Thelocactus von Echinocactus abgesondert und mit Coryphantha vereinigt werden. Wie schwankend die Begrenzungen zwischen den beiden Gattungen . sind, erfährt man auch daraus, dafs Eehinocactus horripilus Lem., E. Be- guinü Web. und auch E. MacDowellii schon sehr in der Tracht an Mamil- larien erinnern. Zudem haben die beiden ersten auch den nackten Frucht- knoten der Gattung und sind überdiefs schon geradezu als Mamillarien be- nannt oder beschrieben worden. In unseren Tagen hat ferner Marcus E. 80 K. Scuumanns: Jones den Eects. Simpsonü Eng. direct nach Mamillaria herübergenommen. Um nun nicht eine zu weitgehende Veränderung in der Nomenelatur her- vorzurufen, die sich vielleicht durch neuere Funde in kurzem als einer Zu- rückrevision bedürftig erweist, habe ich mich soweit wie möglich an die jetzt vorliegenden Verhältnisse angeschlossen. Was die Verbreitung der etwa 100 genauer gekannte Arten umfassenden Gattung Mamillaria anbelangt, so ist sie fast ausschliefslich nordamericanisch ; sichere Kunde haben wir nur von 3-4 Arten, welche auf den westindischen Inseln gedeihen. Von ihnen kommt eine im unteren Flufsgebiet des Rio Grande del Norte (M. pusilla [Mill.] P. DC.) vor, eine ist nur aus Plumier’s Abbildungen bekannt. Die von dem Südgestade des mexicanischen Golfes aus der Gegend von Caräcas früher eingeführte M. caracasana S.-D. habe ich nicht kennen gelernt; sie soll aber der von St. Thomas und den benach- barten Inseln stammenden M. nivosa Lk. nahestehen. Die Untergattung Coryphantha Eng. ist von allen Gruppen diejenige, wel- che am weitesten nach Norden vordringt. Diese Thatsache ist deswegen bemerkenswerth, weil in Coryphantha die Verbindung zwischen Mamillaria und Echinocactus vorliegt, so dafs also der älteste Zweig der Gattung die be- trächtlichste Polhöhe erreicht hat. Nach Macoun’s Verzeichnils der cana- dischen Pflanzen überschreitet Mam. vivipara Haw. die Grenzen der Vereinig- ten Staaten und tritt in den Prairien der südwestlichen Theile des Domi- nion of Canada auf. Notestein beobachtete eine zweite Art, die M. mis- souriensis Sw. im Staate Montana, sie geht mit jener südlich über Nebraska und Süd-Dakota bis Oklahoma im Indianer- Territorium , wo sie zugleich für Nord- America die Ostgrenze der Mamillarien in denselben Gegenden erreicht, die wir auch als die Ostgrenze der Cereoideae kennen gelernt haben. Bis zu diesen Örtlichkeiten dringen noch zwei andere Arten vor, nämlich M. Wissmannü Hildm. (M. similis Eng. var. robustior Eng.), eine durch die langen Warzen auffällige Art und die sehr weit verbreitete M. radians Eng. Mit diesen vier Arten sind die nördlicheren der Untergattung Coryphantha er- . schöpft; die übrigen Arten der Vereinigten Staaten zeigen entschieden ein südlicheres Verbreitungsgebiet, welches sich von den Staaten Texas und Neu-Mexico nach den Mexicanischen Freistaaten hinein erstreckt; diese Ver- breitung haben: M. sirobiliformis Scheer, M.dasyacantha Eng., M.'macromeris Eng., die durch die grofsen, fingerförmigen Warzen gekennzeichnete M. Scheeri Muehlenpf. und die ihr sehr nahestehende M. robustispina Eng. (die Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemat. Gliederung. 81 neuerdings wieder als M. Golziana Ferd. Hge. jun. eingeführt wurde), die sehr eigenthümliche, durch anliegende Stacheln ausgezeichnete M. recur- vata Eng. (gegenwärtig unter dem Namen M. nogalensis Runge bekannt). Einige wenige sind ausschliefslich mexicanisch, z. B. M. durangensis Rge., M. radians P. DC. Alle diese Arten zählen zu meiner I. Reihe Aulacothelae;, die II. Reihe der Untergattung Coryphantha, die Glanduliferae S.-D., welche durch die Ent- wiekelung von extranuptialen Nectarien in den Axillen und vor den Areolen in der Furche eine höhere Entwickelungsstufe darstellen, sind ausschliefs- lich mexicanisch. Von ihnen gedeihen M. Ottonis Pfeiff., M.elava Pfeiff., M. macrothele Mart., M.erecta Lem. auf dem Plateau von Anahuac im Staate Hidalgo; nur M. raphidacantha Lem. tritt nördlicher im Staate S. Luis Po- tosı auf. Die II. Untergattung Dolichothele K.Sch., durch aufserordentlich lange Warzen ausgezeichnet, welche einer kurzen Axe ansitzen, ist in der einen Art (M. longimamma P.DC.) ausschliefslich eentralmexicanisch. Die zweite Art aber, M. sphaerica Dietr., wächst in Texas; sie wurde von Corpus Christi an der Küste des Mexicanischen Golfes eingeführt und soll auch bei Eagle Pass am Rio Grande in Texas gefunden worden sein. Die III. Untergattung Cochemiea ist gekennzeichnet dadurch, dafs zwar die Warzen noch vergröfsert sind, dafs aber jene Furche auf der Oberseite, wie bei Dolichothele, fehlt; die grofsen, rothen Blüthen zeigen stets exserte Staubgefäfse, eine Eigenthümlichkeit, die sonst in der Gattung nicht mehr auftritt. Die Halbinsel Californien beherbergt fast allein diese Untergattung; nur eine Art, welche ich hierher zählen zu dürfen glaube, M. senilis Lodd., findet sich auf dem Festlande, und zwar auf den höheren Bergen der Staaten Chihuahua und Durango. In der eigenthümlichen Entwickelung der Unter- gattung erweist sich die Halbinsel Californien wieder als ein abgesondertes Vegetationsgebiet mit besonderen Kakteenformen; zweifellos befindet sich die langgestreckte, im Norden durch äufserst vegetationsarme Distriete ab- geschlossene Halbinsel fast in der Lage einer isolirten Insel, die speeifische Besonderheiten zu entwickeln im Stande war. Die IV. und letzte Untergattung Eumamillaria Eng. habe ich in zwei Seetionen, Hydrochylus und Galactochylus, zerlegt, je nachdem nämlich in den Körpern Milchsaftschläuche fehlen oder vorhanden sind. Indem ich in der Differentiation der Gewebe zu diesen Gebilden einen Fortschritt zu erkennen Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. II. 11 82 K. Scaunmann: geneigt bin, stellt die letzte Gruppe die höchste Entfaltung der Gattung Ma- millarıa dar. t Die eingehendere Untersuchung über die Verbreitung derselben ver- danken wir Lauterbach, der, wie er mir selbst mittheilte, endlich dahin kam, dafs er ohne mikroskopische Prüfung nach dem Äufseren der Pflanze sagen konnte, ob eine Art Milchsaftschläuche enthält oder nicht. Der ana- tomische Charakter verbindet sich also mit einer Besonderheit der Tracht, - welche sich dahin analysiren läfst, dafs die meist kräftigen Formen mit derben, oft kantigen Warzen allgemein durch eine eigenartige, bläulich-grau-grüne Färbung ausgezeichnet sind. Jedem, der einmal darauf aufmerksam gemacht wurde, werden die Verwandten der »Centrieirrhen«, der in der Cultur am weitesten verbreiteten Mamillarien, durch diese Merkmale allgemein auffallen. Werden die Warzen durch einen Nadelstich verletzt, so quillt ein Tropfen Milch, wie bei den Euphorbien, hervor, so dafs man ein bequemes Mittel hat, irgend eine Mamillaria auf ihre Zugehörigkeit zur Gruppe Galactochylus zu prüfen. Bei meiner Reihe Elegantes versagt dieses Experiment; hier dringen nämlich die im Körper vorhandenen Milchsaftschläuche nicht bis in die War- zen vor, sondern verbleiben im Körper. Zum Glück ist diese Reihe von Eumamillaria aber an den zahllosen hyalinen, den Körper dicht umspinnenden, glasartigen, später weifsen Randstacheln zu erkennen, gegen die sich anders gefärbte, kräftigere Mittelstacheln wirksam abheben. Die Section Hydrochylus ist hauptsächlich auf dem Plateau von Ana- huae entwickelt, von wo aus aber eine keineswegs geringe Zahl nach Nor- den ausstrahlt und noch die Staaten Californien und Colorado erreicht. Die V.Reihe, Leptocladodae Lem., besser gekannt unter dem jüngeren Namen Stelligerae S.-D., umfafst in meinem Sinne nur eine einzige Art, die formenreiche M. elongata P.DC., welche ausschliefslich auf den Staat Hidalgo beschränkt ist. Sie ist in eine Unzahl von Arten zerklüftet worden, von denen nicht einmal alle einen Anspruch auf die Anerkennung als Varietäten er- heben können. Die VI. Reihe der ganzen Gattung, Candidae K.Sch., ausgezeichnet durch die anliegende, dichte, weifse Bestachelung und die rothen Blüthen, um- schliefst dagegen Arten, welche in nördlicheren Gegenden vorkommen. Die kleine, oft nur haselnufsgrofse und dann schon blühfähige O. lasiacantha Eng. findet sich mit der ähnlichen M. micromeris Eng. hauptsächlich in Texas; beide gehen aber in die angrenzenden Staaten Mexicos, Chihuahua, Coahuila und Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemat. Gliederung. 83 Nuevo Leon, über. In dem letzteren und in San Luis Potosi sind M. Leona Pos. und die sehr zierliche M. candida Scheidw. gefunden worden. Da ich in der M. Humboldti Ehrenb. aus dem Staate Hidalgo nur eine Varietät der M. candida erblicke, so kommt die Reihe auch auf‘ dem Plateau von Anahuae vor. Die VII. Reihe Stylothelae Lem. (Crinitae S.-D.) zeigt sehr häufig rauhe Stacheln, zwischen denen sich auf schlanken Warzen nicht selten längere Haare einfinden. Fast keine einzige Art der Reihe überschreitet die Grenzen der Mexicanischen Freistaaten, der gröfsere Theil hält sich auf dem Plateau von Anahuac: nur M. plumosa Web., eine aufserordentlich schöne, weils be- stachelte Art, ist bei Monterey und Saltillo, auf der Grenze zwischen Coa- huila und Nuevo Leon, gefunden worden. Die wenig ansehnliche M. vetula Mart. gehört zu den Arten, welche im Staate Hidalgo die höheren Gebirge besteigen: bei S. Jose del Oro findet sie sich noch bei über 3000”; mit M. elegans P.DC. hat sie an diesen Örtlichkeiten einen strengen, schneereichen Winter zu ertragen. Die einzige Art, welche weiter über die Grenzen Mexicos hinaus- schweift, ist die in allen Kakteensammlungen häufig begegnende, in meh- reren Formen auftretende M. pusilla P. DC., die unter den Namen M. multi- ceps S.-D. und M. caespititia Hort. non P. DC. bekannter ist. Von dem Staate Nuevo Leon steigt sie in das breite Flufsthal des Rio Grande herab und verfolgt diesen bis zum Unterlaufe, wahrscheinlich bis zur Seeküste; sie überschreitet dann den Golf von Mexico und erscheint wieder auf der Insel Cuba, von wo ich siein der Wright’schen Colleetion sah, so dafs die uralte Angabe, dafs sie in West-Indien vorkäme, durch Exemplare wohl belegt ist. Die kleine, unansehnliche Art gehört zu denjenigen Mamillarien und Kakteen überhaupt, welche die gröfste geographische Area besitzen. Die VIII. Reihe Polyacanthae S.-D. begreift nur eine einzige Art in sich, die M. spinosissima Lem. Diese Meinung, die auch von dem vorzüglichsten Kenner der Familie, von Generalarzt Dr. Weber, getheilt wird, wurde früher nicht allgemein anerkannt. Die Art ist bezüglich der Farbe der Bestache- lung äufserst veränderlich, bald sind die Stacheln vom reinsten Weifs (M. spinosissima im engeren Sinne, M.pretiosa Ehrenb.), bald sind sie gelblich, gelb, roth, braun, fast schwarz; es wechseln sogar hakenförmig gekrümmte Stacheln mit geraden. Diese Merkmale wurden zur Abscheidung von Arten benutzt, so dafs die Synonymie der M.spinosissima über 60 specifische Be- L1? 84 K. Schumann: nennungen umfafst. Hauptsächlich war es Karl Ehrenberg, welcher die Zahl der Arten unendlich multiplieirte, und doch ist es eine allgemeine Er- fahrung, dafs die Farbe der Stacheln an den Sämlingen aus einer Beere variabel ist. Die Art findet sich nur auf dem Plateau von Anahuac, die weils und roth bestachelten Formen im Staate Hidalgo; die gelb bestachelten bedecken oft in ungeheuren Mengen steile Felswände bei den Dörfern Toto- lapam und Tleyacapa im Staate Morelos. Die IX. Reihe Ancistracanthae K. Sch. begreift Arten mit Hakenstacheln; diese kommen zwar auch manchen Arten aus der Reihe Stylothelae zu, aber sie verbinden sich hier mit derben und glatten Randstacheln. Die M. zephyr- anthoides Scheidw. ist, da ich das Vaterland der M. Carretü Reb. nicht kenne, die einzige Art, deren Vorkommen auf dem Plateau von Anahuac sicher verbürgt ist; sie findet sich bei Oajaca. Vier andere Arten gehören dem Staate Texas an und gehen zum Theil weiter nördlich, selbst bis Colorado hinein. Die echte M. Goodridgei Scheer aber, sowie die neuerdings mit Recht von Mrs. Katherine Brandegee abgesonderte M. dioica sind Bürger der Halbinsel Californien; die letzterwähnte dringt auch noch ein wenig in den Staat Californien ein. Diese Reihe läfst sich auffallend in Parallele stellen mit denjenigen Arten der Untergattung Ancistrocactus, welche ich als Hamati wegen ihrer drehrunden Angelhakenstacheln zusammengefalst habe. Die Verbreitung beider Gruppen zeigt viel Gemeinsames, beide sind dem texanischen Gebiet viel mehr eigen als dem mexicanischen. Die X. Reihe Heterochlorae S.-D. ist wieder zum allergröfsten Theile auf dem Plateau von Anahuac entwickelt. Auch sie umschliefst eine unend- lich formenreiche Art, die M. rhodantha Lk. et O., die nach leisen Farben- abwandlungen und der etwas veränderlichen Stärke der Stacheln in mehr als 30 Arten zerklüftet wurde. Dabei möchte ich noch nicht mit Sicher- heit behaupten, dafs bei einer genaueren Untersuchung Übergänge nach M. amoena Hopff. und M. polythele Mart. vermiflst werden würden; nicht minder sind die Grenzen zwischen M. dolichothele Lem. und M. polythele Mart. bis- weilen recht schwer festzusetzen. Eine andere sehr veränderliche Art ist M. coronaria Haw., in der nach den Farbennuancen der Stacheln bei den Händlern viele Arten unterschieden werden. Alle die genannten Formen sind durchaus charakteristisch für das Plateau von Anahuae. Die höhere Temperaturen aushaltende M.eriacantha Lk. et Otto, welche durch ihre stark behaarten Stacheln bemerkenswerth ist, wächst in dem Mal- Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemat. Gliederung. 85 pais von Naulingo bei Jalapa, und M. discolor Haw. ist in dem ebenfalls wärmeren Staate Puebla zu Hause. Ist auch die Zahl der Arten aus der Section Hydrochylus, welche aulser- halb Mexieos vorkommen, nicht sehr grols, so ist sie doch besonders bei den Ancistracanthae immer noch die Überzahl. In der zweiten Section der Untergattung Zumamillaria, in Galactochylus, treten sie aber noch mehr zurück. Die XI. Reihe Elegantes K.Sch., die XI. Leucocephalae Lem., die XIV. Reihe Tetragonae S.-D. und die XV. und letzte Reihe Polyedrae Pfeiff. gehören durchaus den Mexicanischen Freistaaten, zum allergröfsten Theile dem Staate Hidalgo an. Die letzte enthält sogar nur Arten, die entweder allein in den wärmeren Gebieten von Oajaca und Jalapa gefunden werden (M. Karwinskiana Mart., M. Praölii Muehlenpf., M. pyrrhocephala Scheidw.) oder von Hidalgo bis dorthin vordringen (M. polyedra Mart., M. mutabilis Scheidw.). Nur in der XII. Reihe Maecrothelae S.-D. gibt es einige Arten, die über die Grenzen von Mexico hinausgehen, wie M. Heyderi Muehlenpf. Sie ge- deiht in einer südlicheren Form, var. ß. hemisphaerica Eng., in den Staaten Tamaulipas und Nuevo Leon, während die nördlichere in Texas vorkommt und im Süden von Neu-Mexico gemein ist. Wenn M.Gabbiü Coult. wirk- lich, wie mir scheint, mit ihr übereinstimmt, so dringt sie auch in die Halbinsel Californien ein. Zwei andere Arten, M. simplex Haw. und M.ni- vosa Lk., gehören zu den vier Arten, welche aufserhalb des nordamerica- nischen Continentes gedeihen. Jene findet sich auf Cuba, diese auf der Insel St. Thomas und auf Tortola. Die auf dem Festlande von Süd-America bei Caracas vorkommende Art M.caracasana Otto habe ich nicht gesehen, sie soll aber, wie oben bemerkt, mit M. nivosa Lk. übereinstimmen. Aufser den genannten mufs auf Haiti noch eine vierte westindische Art gedeihen, die wir nur nach Plumier’s Abbildungen kennen, die aber offenbar sehr charakteristisch ist; sie wurde nach jener Tafel von P. de Candolle dia- gnostieirt und M. glomerata genannt. Die Hauptmasse jener XIII. Reihe ist aber wiederum ausschliefslich mexicanisch und von diesen gehört die Überzahl dem Staate Hidalgo an. Zu ihnen gehört die Crux der Cactophilen, die schreckenerregend verän- derliche M.centrieirrha Lem., die mehr als 60 mal benannt wurde und die ihr verwandte M.angularis Lk. et Otto, welche unter dem Namen M. cirrhi- fera Mart. in den Sammlungen geführt wird. Ich habe in der Gesammt- 36 K. Scuumann: 0 beschreibung ausführlich dargethan, dafs sie diesen letzten Namen mit Un- recht trägt und dafs er mit Fug und Recht nur der M. mutabilis Scheidw. zukommen kann. In der Reihe finden sich einige Formen, welche die kräftigsten Körper erzeugen. Ich habe selbst Stücke der M. centricirrha eultivirt, welche 25°” im Durchmesser besalsen. Noch umfangreicher wird Weber zufolge die M.valida Web. von Nuevo Leon, und der Name der M. gigantea Hildm. aus Guanaxuato besagt, dafs man es in dieser Reihe mit den stärksten Gestalten der ganzen Gattung zu thun hat. Wenn wir nun versuchen, ein Gesammtresultat aus diesen Einzelheiten der Verbreitung der Gattung Mamillaria zu ziehen, so ist zunächst darauf hinzuweisen, dafs offenbar das Hauptgebiet des Vorkommens auf dem Pla- teau von Anahuac liegt, ein Distriet, welcher die Gröfse der Schweiz nicht sehr erheblich überschreitet. Als Kern derselben ist wieder der Staat Hidalgo anzusehen, in welchem die Dichtigkeit der Arten das Höchstmafs erreicht. Hier liegen die Orte, welche jedem Kakteenkenner durch die Fülle der Formen bekannt sind: Real oder Mineral del Monte, das von Ehren- berg so ausgiebig erforscht wurde, Pachuca, welches von dem Baron von Karwinski, von Mathsson, von dem älteren Coulter, dem P. de Can- dolle so viele Arten verdankte, besucht wurde, Ixmiquilpan, Meztitlan, Zuacualtepan, die von all den genannten und von Dr. Weber so oft er- wähnt werden. Auch die benachbarten Staaten Mexico, Queretaro und Guanaxuato gehören zu demselben Gebiete, das sich im Süden bis Puebla erstreckt. Eine geringe Zahl von diesen Formen gleitet an den Abhängen des Plateaus herab, um sich in den wärmeren Gebieten von Jalapa, Oajaca, Michoacan und Tehuacan mit einigen dort eigenthümlichen Arten zu mischen. Es ist kein Zweifel, dafs in Central-America noch Mamillaria-Arten gedeihen: ich sah von Tehuantepec eine eigenthümliche neue Form, zu der Reihe Polyedrae gehörig, die fast nur für wärmere Gegenden charakteristische Arten umschliefst; in den Chaparales von Guatemala gedeihen nach Sapper und nach Seler’s mündlicher Mittheilung ebenfalls noch Vertreter der Gat- tung; offenbar nehmen sie aber mehr und mehr ab, so dafs der Mamillaria schon weit vor der Landenge von Panama ein Ziel gesetzt ist. Wenn wir nun sehen, dafs das Plateau von Anahuae mit Ausnahme der Reihe IV Exsertae (Untergattung Cochemiea) in einem so. eng umschrie- - benen Gebiete alle anderen Reihen beherbergt und dafs sich die Zahl der Arten in rapidem Abfall von hier aus nach allen Seiten vermindert, so Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemat. Gliederung. 87 kann wohl die Meinung, dafs an dieser Örtlichkeit das Hauptentwiekelungs- centrum liegt, nicht gut angefochten werden. Die grofse Zahl der Arten von Thelocactus macht es mir auch in hohem Malse wahrscheinlich, dafs in diesem Gebiete die Wurzeln der ganzen Gattung Mamillaria gesucht wer- den dürfen. Die Abzweigung der Untergattung Cochemiea muls dagegen entweder nach der Halbinsel Californien verlegt werden oder sie ist in den heute noch so unbekannten Gebieten auf dem Festlande gegenüber dieser Halbinsel geschehen. Vielleicht geben uns die weiteren Untersuchun- gen der Staaten Jalisco und Sinaloa später einmal eine Aufklärung über diesen Punkt. Jedenfalls ist sehr beachtenswerth, dafs eine Art der Unter- gattung M. senilis Lodd. sich in derjenigen Gegend findet, wo die tiefste Einsenkung der Sierra Madre gelegen ist, dem Scheidegebirge zwischen Sinaloa und Sonora einerseits und Durango und Chihuahua andererseits. Der Strom der Arten von Mamillaria ergiefst sich von Central-Mexico bis in die nördlichsten der Vereinigten Staaten und überschreitet noch die Grenze von Canada; hier gelangt er mit 3 Arten, M. missouriensis P. DC., M. vivipara Haw. und M. radiosa Eng., zum Stillstande; bezeichnender Weise gehören alle drei zu der Untergattung Coryphanta, welche ich, als Echino- cactus am nächsten stehend, für den ältesten Zweig der Gattung ansehe. Die hochmexicanischen Arten dringen nur in zweien bis zum Rio Grande del Norte vor (M. radians P.DC. und M. conoidea P.DC.'), sonst schalten sich durchgehends nach Norden hin neue Arten ein. Die Untergattung Euma- millaria bleibt mit M. phellosperma Eng. und M. Grahamii Eng. schon in Utah und Nevada zurück. Beide gehören in die ältere Section Hydrochylus, wäh- rend die höher differenzirte Section Galactochylus mit M. Heyderi Muehlenpf. und M. meiacantha Eng. nur Arizona und Neu-Mexico erreicht. Die Ver- breitungsausdehnung nach Norden hin fällt also mit dem aus morpholo- gischen Verhältnissen erschlossenen relativen Alter der Gattungsgruppen zusammen, indem die ältesten am weitesten, die jüngsten am wenigsten nach Norden vorgedrungen sind. Die Gattung Pelecyphora Ehrenb. steht offenbar Mamillaria so nahe, dafs man sie mit ihr nöthigenfalls vereinigen könnte, namentlich ist die zweite Art derselben, P. pectinata K. Sch., eine .gleitende Form. Sie geht wegen der in ihr enthaltenen Milchsaftschläuche nahe an Eumamillaria Seet. ! Diese habe ich übrigens von hier nicht gesehen; die Angabe stammt von Mathsson. 58 K. Schumann: Galactochylus heran. Da indefs bei allen beiden Arten, bei der erwähnten und dem Typ P. aselliformis Ehrenb., die eigenthümlichen, mehr hammer- als eigentlich beilförmigen Warzen mit den eigenartigen, kurzen, parallel stehenden, am Grunde verschmelzenden Stachelehen wiederkehren, die in Mamillaria nie auch nur in annähernder Form auftreten, so habe ich die Gattung aufrecht erhalten. Diese Warzen werden an der Stirnseite von einer seichten Furche durchlaufen, welche, da sie nicht nach der Axille hinstrebt, auch nicht mit der Furche der Coryphanten homolog gesetzt werden darf; sie ist viel- mehr eine in der Verwandtschaft im Höchstmafs auftretende Verlängerung der Areole. Diese Auffassung wird schon durch die an den Rändern fest- sitzenden Stacheln gewährleistet. Beide Arten der Gattung sind ausschliefslich mexicanisch. P. asellifor- mis findet sich im Staate Nuevo Leon, in der Nähe der Hauptstadt S. Luis Potosi; Weber fand sie im Valle del Maiz; sie wird auch jetzt noch häufig eingeführt. P. pectinata K.Sch., die von den Händlern bis in die neuere Zeit als Varietät von jener angesehen wird, ist eine durchaus verschiedene selbständige Art. Weber hat sie zuerst aus dem Staate Oajaca eingeführt. In der Gattung Ariocarpus sehe ich die höchste Entwickelung der Mamillarieae, welehe sich im Mafse der Differentiation etwa mit Zeuchten- bergia bei den Echinocacteae vergleichen läfst. Die Warzen sind entweder für sich dick, blattartig, wie bei A. retusus Scheidw. und A. trigonus (Web.) K. Sch., oder die Scheitel derselben gleichen dreiseitigen Blättern, die auf einem dieken Fufse sitzen. Der Name für die ersterwähnte Art ist. des- wegen gewählt worden, weil die Warzen in der That eine gewisse Ähnlich- keit mit den Blättern von Aloe retusa Haw. bieten. Diese Art und A. tri- gonus haben eine äufserst winzige, später leicht zu übersehende Areole. Auch Lemaire wurde in dieser Hinsicht getäuscht; er meinte, die Areole fehle vollkommen, und belegte deshalb die Gattung mit dem Namen Anhalonium, womit er sagen wollte, es fehle das Halonion, die kleine Tenne oder die Areole. Diese ist im jugendlichen Zustande nicht blofs vorhanden, son- dern trägt auch ein wenig Wollfilz und kleine Stachelchen, die aber an der jungen Pflanze bald verschwinden. Wenn Pelecyphora auf der einen Seite das Höchstmafs in der Areolenbildung bei den Mamillarieae besitzt, weist die verwandtschaftlich benachbarte Gattung Ariocarpus ein Mindest- mals darin auf. Bei den Arten, welche die Untergattungen Aegopodothele SEN Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemat. Gliederung. 8% und Chasmatothele ausmachen, bei A. Kotschubeyanus (Lem.) K.Sch. und A. ‚fissuratus (Eng.) K. Sch. ist eine Furche vorhanden, welche den dreiseiti- gen Warzenscheitel gewissermafsen durch eine Höhenlinie halbirt. Da diese Furche von der Areole nach der Axille zustrebt, so mufs sie mit derjeni- gen von Coryphantha homolog gesetzt werden. Ich halte unbedingt an dieser Umgrenzung der Gattung fest, weil nur diese 4 Arten die Eigenheit der blattförmigen Warzen zeigen. Werden an- dere Formen hineingezogen, wie Echinocaetus Williamsii Lem. oder Eets. tur- biniformis Pfeiff. oder Pelecyphora aselliformis Ehrenb., so wird der Inhalt der so klaren Gattung unrein; ich bin übrigens dann bei der Heterogeni- tät der Zusammensetzungsstücke überhaupt nieht im Stande, eine Diagnose der Gattung zu entwerfen. Bezüglich ihrer Verbreitung, so sind 3 Arten nur in Mexico gefunden worden, während die vierte, A. fissuratus Eng., nur in Texas gedeiht. Die ersteren finden sich sämmtlich in den Staaten Coahuila und Nuevo Leon, weiter nach Süden dringt keine Art vor. Dagegen ist wohl möglich, dafs die Gattung in noch nördlicheren Gegenden gedeiht. II. Die geographische Area der Kakteenarten. Im allgemeinen kann man sagen, dals die specifische Area der Kakteen eine recht beschränkte ist. Es gibt nur wenige Arten, welche ursprüng- lich, d.h. ohne Beihülfe des Menschen, ein gröfseres Feld ihrer Verbreitung erlangt haben. Obenan steht zweifellos, und diese Erscheinung ist höchst eigenthümlich und befremdlich, ein Epiphyt, Rhipsalis Cassytha Gaertn., wel- cher nicht allein in America zweifellos die gröfste Expansionsfähigkeit ge- zeigt hat, sondern auch in der Alten Welt, von der Westküste Africas bis nach Ceylon, gefunden wird. Als Zwischenstationen müssen die Mascare- nischen Inseln und die Seychellen erwähnt werden, wobei allerdings darauf hinzuweisen ist, dafs Weber in allerneuester Zeit die auf Bourbon gedeihende Art mit seiner Rh. madagascariensis gleich gesetzt hat, in der er übrigens den alten Cactus fasciculatus Willd., also die Rh. fasciculata Haw., wieder zu erkennen glaubt. Von RA. sansibarica Web. meint der Autor selbst, dafs sie eine africanische, kräftigere Forn der Rh. cassytha Gaertn. zu sein scheine. Rh. comorensis Web. vermisse ich in der letzten Aufzählung der Arten, die Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. II. 12 90 K. Scaumann: Weber gegeben hat; auch sie ist vielleicht nicht allzu sehr von dieser Art verschieden. Keine andere Art der Kakteen hat auch nur annähernd die gleiche Ver- breitung aufzuweisen. Nach allgemeiner Anschauung sind nur noch folgende Arten in Betracht zu ziehen, welche beiden Hälften des americanischen Con- tinentes eigenthümlich sein sollen. Cereus eburneus S.-D. (em. Web.) ist in Venezuela heimisch und findet sich auch in Mexico, hier allerdings unter Verhältnissen, welche die Einwirkung des Menschen nicht ausschliefsen, da das Gewächs Früchte liefert, welche als Obst sehr geschätzt sind. Eine ausgedehntere Area, welche sich von Süd-Brasilien über Paraguay bis Bo- livien, Columbien, andererseits nach Guiana- und vielleicht bis auf die West- indischen Inseln erstreckt, weist Phyllocactus phyllanthus (L.) Lk. auf. Auch er ist ein vollkommener Epiphyt; in Guatemala wird er durch P. PittieriWeb., von demselben Typ, aber mit kurzer Blüthenhüllröhre, vertreten. Noch ist Cereus peruvianus Mill. zu erwähnen, welcher von Süd-Brasilien über Guiana und die Westindischen Inseln bis nach Mexico verbreitet sein soll; die An- gabe über das letzterwähnte Vorkommen ist mir aber aus nicht durchaus zuverlässiger Quelle zugeflossen und deshalb einer genaueren Controlle immer- hin noch bedürftig. Wenn ich Cereus triangularis (Linn.) Haw. unter ande- rem aus Rio de Janeiro in blühenden und fruchtenden Exemplaren erhalten ‚habe, so ist darauf hinzuweisen, dafs diese Art innerhalb der Tropen wegen ihrer geschätzten wohlschmeekenden Beeren und vor allem wegen ihrer prachtvollen Blüthen, gerade wie Cereus grandiflorus (L.) Haw. und Cereus nycti- calus Lk. et Otto, so vielfach eultivirt wird, dafs ich diesen Stücken keine Beweiskraft für die Indigenität am genannten Orte beimessen kann. Sie können ebenso gut von cultivirten wie von Pflanzen herstammen, wel: der Cultur entschlüpft sind. Nach meinen jüngsten Erfahrungen mufs ich noch auf eine Opuntia hin- weisen, welche nach den vorliegenden Herbarmaterialien ebenfalls in die Reihe der Arten gehören könnte, die sowohl in Nord- wie in Süd- America gedeihen. Ich habe auf die Verbreitung der O. tunicata (Lehm.) Lk. et©. schon oben aufmerksam gemacht, sie ist im nördlicheren Mexico gemein und liegt nun in Zweigstücken von Cuba und Eeuador vor. Die Möglichkeit einer Verbreitung durch die Mithülfe des Menschen ist aber nicht durchaus von der Hand zu weisen, da sie in Mexico bestimmt zur Bepflanzung von Mauern eultivirt wird. Manche andere Art der Gattung ist vielerorts, nicht zum Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemat. Gliederung. 91 wenigsten auch in den wärmeren Gegenden der Alten Welt, angebaut worden und hat auf diesem Wege eine viel umfangreichere geographische Area er- halten, als ihr ursprünglich eigen war. ÖOpuntien finden sich jetzt häufig unter solchen Umständen verwildert, dafs selbst so kenntnifsreiche und kri- tische Botaniker wie Kerner zu der Meinung verführt werden konnten, dafs ihnen ein altweltliches Heimathsrecht zustände. In den jetzt gebräuchlichen Handbüchern über die Kakteen werden noch einige Arten genannt, denen ein gemeinschaftliches Vorkommen in Nord- und Süd- America zugeschrieben wird. Bezüglich des Echinocactus Ottonis Lk. und des Cephalocereus senilis (Haw.) K. Sch. steht mir zweifellos fest, dafs hier ein Irrthum vorliegt, der von Lehmann in Hamburg herrührt, indem er zuerst das Vaterland jener Art in Mexico, dasjenige der letzteren aber in Brasilien suchte. Durch ein Versehen hat er die Heimath beider verwechselt. Y Indem dann in späterer Zeit #.Ottonis sicher aus Brasilien, €. senilis bestimmt aus Mexico nach Europa gebracht wurde, hat man beiden das gemeinsame Vorkommen zugeschrieben. Ein weiteres Areal wird dem Oephalocereus senilis auch noch durch Rümpler zugesagt, indem er ihn von Guatemala nennt und nach Meyen (Rümpler schrieb Mayer) auf den Cordilleren des südlichen Peru wachsen läfst. Dafs hier die ungenügende Kenntnifs der Kakteen eine falsche Bestimmung der peruvianischen Pilänze bedingte', ist mir ganz gewils. Nicht minder unrichtig ist Rümpler’s Mittheilung, die ebenfalls früheren Autoren entnommen ist, dafs Echinocactus gibbosus (Haw.) P.DC. in Mexico, Guatemala und auf der Insel Jamaica vorkommen soll. Diese Art ist ausschliefslich patagonischen Ursprunges, und alle gegenthei- ligen Meinungen sind die Ausflüsse einer reinen Phantasie. Innerhalb ihres engeren Verbreitungsgebietes in Nord-America haben aber einzelne Arten ein ziemlich umfangreiches Areal inne, eine Erschei- nung, die von den südamericanischen Formen nicht in dem Mafse bekannt ist. Dabei ist allerdings der Umstand in Erwägung zu ziehen, dafs unsere Kenntnisse über das Vorkommen der Kakteen in Nord-America, nament- lich in den Vereinigten Staaten um vielfach ausgedehntere und mehr ge- sicherte sind. Zunächst gehören alle an den extremsten Punkten im Norden gedeihenden Arten zu den weit verbreiteten. (0). missouriensis P. DC. gedeiht von Neu-Mexico unter 35° n. Br. bis zum Peace River unter 56° n. Br. ! Vielleicht lag eine Verwechselung mit dem auf den Anden von Bolivien verbreiteten Pilocereus Celsianus Lein. vor. 12* 92 K. Schumann: O. vulgaris Mill. findet sich auf der atlantischen Seite der Vereinigten Staaten von Georgia und angeblich von Florida, also südlich vom 30. Grad n. Br. bis Massachusetts unter 42° n. Br. Auch Eehinocereus viridiflorus Eng. be- herrscht eine ziemlich ausgedehnte nordsüdliche Zone, da er von Texas bis nach den Laramie-Bergen in Wyoming angetroffen worden ist. In ostwestlicher Richtung kann O. Rafinesgwü Eng. als die Art mit der wei- testen Verbreitung betrachtet werden, da sie von 112° w. Greenw. in Ari- zona bis Point Pelee im Erie-See bei 87° w. Greenw. bekannt ist. Eine ge- ringere, aber immerhin bemerkenswerthe Ausdehnung besitzt M. pusilla P.DC., denn ihr östliches Vorkommen liegt auf Cuba bei etwa 80° w. Greenw., ihr westlichstes unter nahezu derselben Breite in dem weiteren Flulsgebiete des Rio Grande in der Nähe von Monterey bei 100° w. Greenw. Die meisten Kakteenarten haben aber,keine sehr umfangreichen Areale; sehr viele sind vielmehr auf engbegrenzte Localitäten beschränkt, nicht wenige sind bisher von einem einzigen Standorte bekannt und werden nur nach längeren Zeiträumen, wenn die Sammler wieder einmal jene Orte be- rühren, bei uns eingeführt. Diefs gilt namentlich von gewissen chilenischen Arten, die zum Theil überhaupt nur ein einziges Mal nach Europa ge- kommen sind; aber auch gewisse Mexicaner und Bewohner der Vereinigten Staaten können zuweilen für den Handel Jahre lang nicht beschafft werden, bis sie plötzlich wieder erscheinen. Diefs gilt, soweit meine Erfahrung reicht, von Echinocactus unguispinus Eng. (E. Trollietüi Reb.), E. Johnsonü Eng., E. papyracanthuıs Eng., E. durangensis Rge., E. Sileri Eng., E. Krausei Hildm., von den Pilocereus-Arten von Tehuacan, Opuntia cereiformis (F. Reichb.) Web. u.a. Die M. zephyranthoides Scheidw. habe ich niemals, trotz aller Anstrengungen, zu sehen bekommen. M. Haageana Pfeiff. ist ebenfalls eine grofse Seltenheit, da sie notorisch nur an den Cofre de Perote gefunden wurde. In noch höherem Malse gilt diese Wahrnehmung, wenn man geneigt ist, die petites especes der Gärtner zu berücksichtigen, welche von dem Plateau von Anahuae zu uns gekommen sind. An dieser Stelle sind mehr oder minder von einander abweichende Formen der Mam. centricirrha Lem., M.rhodantha L. etO. und M. spinosissima Lem. so zahlreich, dafs uns aus diesen drei zusammen über 200 Arten beschrieben oder we- nigstens benannt wurden. Diese Wandelharkeit ist ein Beweis dafür, dafs die Arten noch im Flusse sind und dafs sich feste Kerne noch nicht her- ausgebildet haben. Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemat. Gliederung. 93 Ganz die gleiche Erfahrung haben wir für die Gattung Echinocereus in den Staaten Texas, Arizona, Neu-Mexico gemacht. Über den Umfang der Arten aus der Verwandtschaft von Eeer. paucispinus Eng. im weiteren Sinne sind die Autoren heute noch sehr verschiedener Ansicht, und selbst der Autor, welcher dieselbe aufstellte, Engelmann, ist immer schwankend geblieben, durch welche Linien sie zu umschreiben sind. Auch in dieser Gattung ist die scharfe Ausgliederung der Arten noch nicht vollendet. Wenn nun der Umstand, dafs ein solcher Flufs der Formen als ein Zeichen für eine relativ junge Familie angesehen werden soll, nicht auf allgemeine Zustimmung rechnen darf — denn wir kennen auch notorisch ältere Familien, die in irgend einem Formenkreise wieder neu aufleben und einen Anlauf zu erneuter Artenbildung nehmen: ich erinnere nur an die Compositen und Rosaceae —, so spricht doch hier die Thatsache, dafs diese Gattungen in einem Gebiet sich entfaltet haben, welches erst nach der Glazialzeit für die Kak- teen bewohnbar wurde, dafür, dafs sich diese Kakteenformen in Nord- America erst während einer relativ sehr jungen Periode ausgegliedert haben. IV. Die Kakteengebiete. In der Verbeitung der Kakteen können wir folgende Gebiete unter- scheiden. I. Das boreale Gebiet. Es beginnt an der Nordgrenze der Kakteen, am Peace River in Canada, und reicht bis an die Südgrenze der Staaten Oregon, Idaho, Wyoming, Nebraska, Iowa, Wisconsin, bis zum Erie-See. Es ist ausgezeichnet durch die geringe Zahl der Arten, nur 2-3 aus den Gattungen Opuntia, Mamillaria, sowie .Echinocactus Simpsoni werden vom Norden angegeben. II. Das Gebiet der westlichen Vereinigten Staaten. Es wird im Süden ungefähr begrenzt durch die politische Scheidung zwischen den Vereinigten Staaten und Mexico und durch den Mexicanischen Golf, östlich vom Rio Grande del Norte. Die Grenze nach Osten hin ist durch die Ver- breitung der Kakteen von selbst gegeben: sie verläuft dureh das Indianer- Territorium, greift nur an wenigen Stellen über den Mississippi hinweg und erreicht am Erie-See und an den Südgrenzen der obengenannten nörd- lichen Staaten die Südgrenze des borealen Gebietes. Ich habe dasselbe in zwei Untergebiete zerlegt, nämlich in einen südlichen Theil, die texanisch- JA K. Scnuumann: 4 ealifornische Zone, welche aufser den genannten beiden Staaten noch Neu- Mexico und Arizona begreift, und in einen ‚nördlicheren Theil, der Nevada, Utah und Colorado umfafst. Während dieses Untergebiet nur 35 Arten mit 6 endemischen bietet, finden sich in jenem mehr als doppelt so viel, nämlich 94, von den 28 Arten endemisch sind. Wie in anderen Familien, greift die südlichere Zone tief nach Mexico hinein, d.h. eine gröfsere Zahl der Arten, namentlich von denen, welche um el Paso wohnen, geht nach den Staaten Chihuahua und Coahuila über. Charakteristisch für das Gebiet ist die reiche Entfaltung von Arten in den Gattungen Echinocereus und Opuntia;, von der ersten kommen 13 Arten mit 6 endemischen hier vor; von Opuntia sind fast 50 Arten, darunter beinahe die Hälfte endemische, vorhanden. Echinocactus und Mamillaria sind auch — letztere in der Untergattung Coryphantha — noch reichlich und in eigenthüm- lichen Arten entwickelt: aber bei weitem nicht in der Fülle wie im folgenden Gebiete. Von der Gattung Cereus gehört zunächst in dieses Gebiet der verhält- nilsmäfsig kleine, aufrechte C. Greggü Eng., der ebenfalls nach Mexico hinüber- greift; der schwächliche, niedergestreckte Cereus Emoryi Eng. berührt von der Halbinsel Californien her den südlicheren Theil des Gebietes bei S. Diego in Californien. Auf die merkwürdige Erscheinung, dafs gerade eine der Riesengestalten, (©. giganteus Eng., zu dem nördlichsten Vertreter der ganzen Gattung wird, habe ich schon oben hingewiesen. In Arizona tritt auch der nördlichste Vertreter der Gattung Pilocereus auf (P. Schottii [Eng.]) Lem.) Im ganzen finden sich in diesem zweiten Gebiete über 100 Arten mit 34 endemischen. III. Das mexieanische Gebiet. Es liegt südlich und westlich von der soeben festgesetzten Westgrenze des vorigen Gebietes, reicht bis nach Central- America hinein und umfafst auch die Halbinsel Californien; aus- geschlossen jedoch ist der Rand am Golf von Mexico. Es ist ausgezeich- net durch die aufserordentlich reiche Entfaltung der Gattung Mamillaria in. fast allen Reihen, durch zahlreiche grofse Arten der Gattungen Cereus, Pilo- cereus, durch viele Echinocactus- und Opuntia- Arten, sowie durch die Mono- typen Leuchtenbergia, Pelecyphora, Ariocarpus. Auch die Gattungen Phyllo- cactus, Rhipsalis und Peireskia weisen noch einige Vertreter auf. Von Opuntia gehören die Arten der Section Peireskiopuntia Web. alle hierher. Ein eigenthümliches Untergebiet stellt die Halbinsel Californien dar. Wie sich auch in anderen Familien nachweisen läfst, geschah die Besiede- Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. 2. ihrer systemat. Gliederung. 95 lung dieses Landes, wenigstens im südlichen Ende, vom Süden her. Das Vorkommen der Mangroveformation ist ein klarer Beweis dafür; auch an- dere tropische Formen fehlen nicht. Die Arten des Plateaus von Anahuae, die sich in ihrer Ausbreitung nach Norden bis nach Texas hin und weiter verfolgen lassen, haben aber nach Californien keinen Eingang gefunden. Die Ursache dieses Ausschlusses liegt offenbar in dem Umstande, dafs sich das Scheidegebirge zwischen Coahuila, Chihuahua, Durango einerseits und Sonora und Sinaloa andererseits lückenlos bis zu dem Plateau fortsetzt und für jene eine unüberschreitbare Grenze bildet. Leider kennen wir die Kak- teen des pacifischen Theiles der Staaten Jaliseco und Sinaloa noch zu wenig, um das Urtheil genügend begründen zu können, dafs die Kakteen des süd- licheren Theils der Halbinsel von dort herstammen. Dieser Ursprung der- selben ist mir aber nicht unwahrscheinlich und wird wenigstens durch die Anwesenheit einer Peireskiopuntia (0. Brandegeei K. Sch.) im Süden der Halb- insel bestätigt. Auch die riesigen Cereus- Arten, welche die Cardonales der Halbinsel, ausgedehnte Wälder ohne Unterholz, zusammensetzen (Cer. Pringlei Eng., Cer. pecten aboriginum Eng., €. Thurberi Eng.), gehören fast alle der Halbinsel Californien und dem Staate Sonora westlich der Sierra Madre an; (. pecten aboriginum Eng. allein ist noch einmal auf der Ost- seite jenes Scheidegebirges beobachtet worden. Auf einen Zusammenhang mit diesen Gestalten weist das Vorkommen von €. giganteus Eng. in Arizona hin; somit ist dieses Auftreten dieser grofsen Säulencereen ganz unvermittelt, da die Organos, d. h. die hohen Säulenkakteen, nach allen Reiseberichten östlich von der Sierra Madre, erst viel weiter südlich, erscheinen. Mon- terey, in dessen Nähe sie erwähnt werden, liegt mindestens 10 Breiten- grade näher am Aequator. Die Section Cochemiea aus, der Gattung Mamillaria ist für die Halb- insel Californien fast endemisch zu nennen, denn nur eine Art, M.senilis Lodd., findet sich aufserhalb dieses Untergebietes; sehr bezeichnender Weise liegen ihre Fundorte auf Bergspitzen der Sierra Madre in Chihuahua und Durango, und in diesen Vorkommen möchte ich einen Fingerzeig dafür erkennen, dafs wir vielleicht noch Vertreter der Untergattung im südlicheren Sonora und Sinaloa erwarten dürfen, welche als Bindeglieder beider extremer Ört- lichkeiten dienen könnten. Wenn nun auf der einen Seite eine Beeinflussung des texanisch - cali- fornischen Untergebietes durch die Kakteentlora der Halbinsel Californien 96 K. ScHumaAnn: nicht von der Hand zu weisen ist, so sind umgekehrt die Einflüsse jenes Gebietes auf die Halbinsel ebenfalls nachweisbar. Dieselben documentiren sieh durch das reichlichere Vorkommen von Hchinocereus- Arten, die aller Wahrscheinlichkeit nach ihren Ursprung von dort herleiten; auch einige Opuntien steigen vom Norden her in die Halbinsel herab. Ich zähle auf ihr 37 Arten, von denen 20 endemisch sind; diese Relation ist sehr hoch und erreicht beinahe den Quotienten, welchen Mexico aufweist (37:22). IV. Das Golfgebiet stellt ein Zwischengebiet dar, das zwischen den nordamericanischen und den folgenden südamericanischen Gebieten einge- schaltet ist. Es schneidet aus dem mexicanischen den Küstenstrich von Tamaulipas bis Vera Cruz und Honduras heraus, das sich durch das massen- hafte Vorkommen von kletternden Cereen (C. rostratus Scheidw., C. bawa- niensis Karw.; auch ©. nycticalus Lk. et O. und ©. grandiflorus (L.) Haw. sollen hier noch wachsen) auszeichnet. Noch viel reicher an diesen ist aber der Westindische Archipel und das südliche Ufer des Gebietes. Von aufreehten Formen ist (©. eburneus S.-D. (em. Weber) überall verbreitet. Eine beson- dere Leitgattung erkenne ich aber in Melocactus, welche dem ganzen Ge- biet, und ihm fast ausschliefslich eigen ist. Neuerdings wurde sogar von Murillo in Jalapa das Vorkommen einer Art aus der Gegend von Vera Cruz behauptet, nachdem die Gattung schon früher von hier erwähnt worden war; mir ist indefs diese Angabe doch nicht vertrauenswerth genug; in Honduras dagegen hat man die Gattung mit M. Rüstü K. Sch. beobachtet. Rhipsalis ist in mehreren Arten bekannt; auch Phyllocactus hat aus Cuba und dem Küstengebiet von Honduras mehrere Arten geliefert. Opuntia weist zahlreiche eigene Arten auf. Nopalea ist hier fast ausschliefslich hei- misch. Ein ausgezeichnetes negatives Merkmal ist die völlige Abwesenheit der Gattung Zchinocactus und die aufserordentlich geringe Zahl der Arten von Mamillaria. Die letzteren sind höchst wahrscheinlich aus dem mexi- canischen Gebiete eingedrungen; für die M. pusilla P. DC. ist diese Annahme zweifellos richtig. Zu dem Golfgebiet gehört auch ein zweiter Distriet in den Vereinigten Staaten, nämlich die Halbinsel Florida, welche ja auch nach anderen Pflanzen- familien einen Anhang der westindischen Flora darstellt. Die dort vorkom- menden tropischen Gewächse sind sämmtlich über Cuba eingedrungen, von den wenigen Kakteen läfst sich dieser Ursprung zweifellos nachweisen. Nur eine Art ist für die Halbinsel endemisch, nämlich O. pes corvi Lee. Von Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemat. Gliederung. 97 dieser hat aber neuerdings Weber nachgewiesen, dafs sie mit O. foliosa (Willd.) S.-D. sehr, vielleicht zu nahe verwandt ist. Die Heimatlı der letzt- erwähnten Art ist uns bis jetzt unbekannt geblieben; durch die Beziehung mit 0. pes corvi Lee. wird uns ein Fingerzeig gegeben, dafs wir wahrschein- lich auch sie für einen Bewohner des Golfgebietes halten dürfen. Nördlich von Florida tritt noch eine Opuntia hinzu, welche nur den atlantischen Staaten eigenthümlich ist, nämlich ©. vulgaris Mill. Sie führt das Gebiet der Kakteen auf der Seite östlich von dem Alleghany-Gebirge weit nach Norden, bis nach Massachusetts unter 42° n.Br., so dafs im Osten wie im Westen der Vereinigten Staaten dieselbe Gattung die Fähigkeit zeigt, sich mit einem geringeren Wärmequantum abzufinden und weit über-den Haupt- stock der Familie hinaus einen Vorposten in relativ kalte Gegenden zu entsenden. V.. Das brasilianische Gebiet. Dieses umfalst nicht blofs den Brasilianischen Staatenbund, sondern auch Guiana und das Innere von Vene- zuela. Hier muls ich allerdings bemerken, dafs eine erweiterte Kenntnifs der Kakteen der Venezolanischen Freistaaten' möglicher Weise eine Abän- derung in der Begrenzung bringen kann. Im Süden greift das Gebiet eben- falls über die staatlichen Grenzen Brasiliens hinaus und umfafst noch die Länder zwischen den Flüssen Parana und Uruguay, sowie die Republik Uru- guay. Als Leitgattung scheint mir für dieses Gebiet die Gattung Rhipsalis von Bedeutung zu sein. Zu ihr gesellen sich die Monotypen Zpiphyllum truncatum Pfeiff, und die zwei Arten umfassende Gattung Hariota. In den wärmeren Theilen erlangt die Gattung Cereus eine umfangreiche speeifische Gliederung mit fast ausschliefslich endemischen Species; auch Pilocereus und Oephalocereus treten — die erste mit wenigen Arten, die zweite mit einer Art — auf. Von dem Golfgebiet läfst sich die Gattung Melocactus in einer Art bis Bahia, in einer anderen bis Rio de Janeiro verfolgen. Die Zahl der Opuntien ist nicht grofs, sie gehören fast‘alle zu Platyopuntia, nur O. Sal- miana Pfeiff. hat stielrunde Zweige; unter jenen nimmt ©. brasiliensis (Willd.) Haw. wegen der sehr dünnen, blattartigen Glieder, die an stielrunden Lang- trieben befestigt sind, eine eigenartige Stellung ein. Im Süden und auf dem Centralplateau Brasiliens erlangen die kugelförmigen oder kurzsäulen- ! Um klarer hervortreten zu lassen, wie aulserordentlich unvollständig die Kakteen aus Guiana, Venezuela und Columbien bekannt sind, habe ich diese Länder in der Tabelle für sich behandelt. Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. Il. 13 98 K. ScHuumann: förmigen Gestalten eine erhöhte Bedeutung. Die Gattung Eehinocactus lie- fert in den Untergattungen Notocactus, Malacocarpus und Hybocactus zahlreiche Arten. Die Untergattung Discocactus ist für Brasilien endemisch. Auch die typischen Arten der Gattung Zchinopsis aus der Verwandtschaft von Eps. Eyriesüi (Turp.) Zuee. sind recht eigentlich charakteristisch für das Gebiet. Die Peireskien, welche im brasilianischen Gebiete vorkommen, sind ihm nicht eigenthümlich, sondern haben eine weitere Verbreitung. Wie in Mexico, liegt offenbar in diesem Theile des südamericanischen Festlandes ein besonderes Entwickelungscentrum. Die Zahl der Gattungen ist für beide fast gleich (II und 12), von diesen sind dort 3 (Ariocarpus, Pele- cyphora, Leuchtenbergia) endemisch, hier finden sich 2 (Epiphyllum, Hariota); an Zahl der Arten ist allerdings, so viel wir heute wissen, Mexico Brasilien um mehrals das Doppelte überlegen (267:108). Allerdings mufs dabei be- rücksichtigt werden, «als uns das Hochland von Brasilien bezüglich seiner Kakteenflora fast noch unbekannt ist; so viel steht aber fest, dafs dieses ungeheuere Gebiet weit ausgedehnte Cactusbestände besitzt, deren genaue Kenntnifs einst das Verhältnifs sehr zu Gunsten der Artenzahl von Brasilien verschieben wird. Als eine Enclave des brasilianischen Gebietes ist auch das Areal zu betrachten, welches die Kakteen mit der Gattung Rhipsalis in Africa be- siedelt haben und das sich über Madagascar, die Mascarenen und Seychellen bis Ceylon erstreckt. Ich kann es nur als einen Anhang betrachten, weil die Gemeinsamkeit des Vorkommens von Rhipsalis cassytha den Zusammen- hang verbürgt. Dieser selbe Umstand garantirt auch die Überführung der Gattung von Brasilien nach Africa, welche sich wohl ohne Zweifel durch die Vermittelung wandernder Vögel vollzogen hat. Nachdem neuere Unter- suchungen über die aufserordentliche Geschwindigkeit des Vogelfluges Auf- klärung gebracht haben, dürfte die Übertragung der klebrigen, mistel- beerenähnlichen Rhipsalis-Früchte nichts Befremdliches mehr haben. Ähn- liche Beziehungen in der Verbreitung lassen sich bei einer gröfseren Zahl Pflanzengattungen feststellen." Aber auch in der Zoologie fehlen Beispiele für entsprechende Verhältnisse keineswegs. Von vorzüglicher Bedeutung sind zunächst die Verbreitungen einiger Vögelgeschlechter, da ich die Flieger für die Verbreitung von Rhipsalis cassytha angesprochen habe. Ich verdanke " Engler, Entwickelungsgeschichte der Pflanzenwelt II, 178. Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemat. Gliederung. 99 die folgenden Angaben den liebenswürdigen Mittheilungen der HH. Mat- sehie und Reichenow, besonders aber des Hrn. von Martens, die meine Fragen in freundlichster und bereitwilligster Weise beantworteten. Zunächst ist die Verbreitung zweier Baumenten (Dendroeygna viduata |L.] und D. fulva [Gm.]) hervorzuheben, welche in Peru, Brasilien und Cuba vorkommen und durch das gesammte geographische Feld der Rhipsalis in Afriea verbreitet sind. Auch die Papageiengattung Poeocephalus von gleicher Verbreitung steht dem americanischen Geschlechte Pionias sehr nahe. Nicht minder theilt die Gat- tung Rhynchops (Scheerenschnabel) dieselbe Verbreitung, geht aber über die- jenige von Rhipsalis in Ceylon hinaus und tritt noch in Hinter-Indien auf. Von solehen Thieren, welche wie Ahipsalis durch die Früchte, so von Vögeln durch die Eier verbreitet werden können, nenne ich 2 Arten der Auriculiden aus der Gruppe der luftatlımenden Schnecken: Melampus pusillus und M.cofea sind an den Gestaden der Westindischen Inseln und der Ost- küste von Süd-America gemein. Beide treten wieder auf an der Küste von West-Africa, namentlich auf der Isla do Prineipe. Ferner sind die südost- afrieanische Landschnecke Cyclophorus Wahlbergi und die Süfswasserschnecke Neritina natalensis den in Venezuela und Guiana vorkommenden €. translu- cidus und Ner. zebra so ähnlich, dafs sie noch Kraufs für identisch hielt. Auch Insecten können auf die gleiche Weise verbreitet werden; unter den Pseudophylliden, zu den Heuschrecken gehörig, sind folgende 3 Gattun- gen beachtenswerth. Von Pleminia gibt es 6 Arten, die in Bolivien und in Brasilien von dem Staate Alto Amazonas bis Sa. Catharina verbreitet sind; eine aber findet sich in Sierra Leone. Das Geschlecht Dasyscelus weist in Columbien, Brasilien und Argentinien 5 Arten auf; eine derselben D. demigratus Brunn. lebt in Brasilien und in Gabun. VI. Das argentinische Gebiet ist nicht sehr scharf umgrenzt, weil es allmählich in die Nachbarschaft, auf der einen Seite nach Brasilien, auf der anderen nach dem folgenden andinen Gebiet übergreift; im Norden sind die Staaten Oran, Jujuy, Salta, Tucuman und Catamarca reich an Kakteen, wie uns neben älteren Arten namentlich die von Weber aus dieser Gegend beschriebenen Formen bewiesen haben; auch ich konnte noch einige der- selben aus der kostbaren Sammlung von Otto Kuntze hinzufügen. _Der Gran Chaco mit seinen Fortsetzungen nach Paraguay und Bolivien hat uns bis jetzt so gut wie gar keine Kakteen gewährt, obgleich sie hier, den Sammlungen um das benachbarte Asuncion und privaten Mittheilungen zu- 13* 100 K. Scaumans: folge, keineswegs fehlen." In dem Gebiete der Salinas finden sich, wie mir Hieronymus freundlichst mittheilte, riesige Cereen, aber auch sie sind noch nicht. bekannt; nicht minder treten um Cordoba einige Arten auf. Weiter nach Süden vorschreitend, treten wir dann in die altbekannten Kakteen- gebiete der Umgebung von Mendoza ein, welche schon Gillies und nach ihm Philippi so reiche Ausbeute gewährten, die aber besser zu dem an- dinen Gebiete gerechnet werden. In der Serra de la Ventana, nördlich von der Bahia Blanca, hat Spegazzini einige Arten gesammelt; noch weiter ‘nach Süden sind die Kakteen bekannt bis zum Flusse Sa. Cruz unter dem 50.Grad s.Br. und noch um ı-2° südlicher, wo sich die Südgrenze der Kakteen mit einer Art von Opuntia findet. Die Zahl der Arten dürfte hier, wie aus den Sammlungen von Spegazzini und Dusen hervorgeht, keines- wegs geringfügig sein. Von den in diesem Gebiete vorkommenden Gattungen tritt Rhipsalis, aus Brasilien herüberstrahlend, noch mit einigen wenigen, zum Theil aller- dings sehr auffälligen Arten, in dem nördlicheren, mehr tropischen Theile auf, wie die mit Stacheln versehene, in den Beeren äufserst wenigsamige Rh. monacantha Gris., die stielrunde, sehr kräftige Rh. tucumanensis Web. u.a. Sehr formenreich ist Echinocactus mit den südamericanischen Sectionen Noto- cactus und Hybocactus; die letztere läfst sich bis zum 45.Grad s.Br. ver- folgen. Noch weiter nach Süden schreitet die Gattung Opuntia Sect. Cylin- dropuntia vor, indem sie die Arten der äufsersten Grenzen der Kakteen liefert. Die Arten der Sect. Platyopuntia sind minder zahlreich; im Norden geht Sect. Tephrocactus aus Bolivien in das Gebiet hinein. Auch Cereus . ist in zahlreichen, theils aufrechten, theils niederliegenden und durch An- lehnen aufsteigenden, in der Erde wurzelnden Arten vertreten, während die echten Epiphyten nicht mehr vorkommen. Von der Gattung Echinopsis ge- deihen 3 endemische Arten in dem Gebiete; die eine Peireskia (P. sacha rosa Gris.) ist zwar P.bleo (H.B.K.) P.DC. verwandt; aber von ihr verschieden. Endemisch ist nur eine Gattung, nämlich Pfeiffera mit P. ianthothele (Monv.) Web., über deren genaueres Heimathland uns erst Weber die längst er- wünschte Aufklärung gebracht hat. .VU. Das andine Gebiet nimmt alle diejenigen Örtlichkeiten ein, welche von dem Kakteenareal noch übrig bleiben; es umfafst also die öst- " Ich habe erst vor Kurzem eine Sammlung durch die Güte des Hrn. Prof. Anisits erhalten, welche 63 Nummern enthält und noch der Bearbeitung harrt, Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemat. Gliederung. 101 lichen und westlichen Abhänge der Anden bis in die Breite des südlichen chilenischen Waldgebietes, aus dem wir bis jetzt keine Kakteen kennen ge- lernt haben. In diesem weitgestreckten Raume ist die Zahl der Arten recht beträchtlich (99); zweifellos wird sie aber noch aufserordentlich zunehmen, wenn erst die höheren Gebirge namentlich genauer erforscht sein werden. Die trockeneren Abhänge der Cordilleren nach Brasilien hin scheinen sehr reich an besonderen Arten, zum Theil von riesigen Dimensionen, zu sein. Die Gattungen Opuntia, und zwar aus den Untergattungen Cylindropuntia und Tephrocactus, ferner Cereus und Echinocactus haben die meisten Arten geliefert, die alle endemisch sind (24, 21, 34); von Echinopsis gedeihen dort 8 Arten, Pilocereus lieferte 3 Arten, von denen die eine auf argentinischer Seite, am Paso Cruz, wächst und der Tracht nach an EZehinopsis herangeht. Von den ganzen 99 Arten überhaupt sind 97 endemisch; aufserhalb dieses Gebietes finden sich nur 2 Arten; die eine ist Phyllocactus phyllanthus (L.) Lk., ein weit. über Süd-America herumschweifender Epiphyt, und die andere, Rh. alata (Sw.) K.Sch., aus Peru, von der noch nicht einmal sicher ist, ob die peruvianische Pflanze nicht eine eigene Art darstellt. Bei diesem weitgehendsten Endemismus der Arten ist es auffallend, dafs nur eine endemische Gattung auf dem andinen Gebiete vorkommt, die noch dazu auf dem Ostabhange derCordilleren, am Paso Cruz gedeihende Gat- tung Pterocactus. Dieser Endemismus wird wahrscheinlich sogar in Weg- fall kommen, weil eine von Fr. Kurtz in Tucuman gesammelte Pilanze aller Muthmafsung nach zu Pferocactus gehört. V. Über die verwandtschaftlichen Beziehungen der Kakteen. Den ersten Versuch, die Kakteen nach ihrer natürlichen Verwandtschaft in ein System der Pflanzen einzugliedern, finden wir bei Adanson.' Durch die Bestrebungen von O. Kuntze ist dieser Gelehrte im ganzen unverdienter Weise zu einer erhöhten Bedeutung gekommen; einen gewissen natürlichen Takt in der sicheren Auffassung der natürlichen Verwandtschaft mufs man ihm indefs zuerkennen. Eben dieser Takt ist auch darin zu erkennen, wenn er die Kakteen in der XXXII. Familie seines Systems, Portulacae oder Pourpiers, unterbringt. Sie stehen hier in folgender Reihe: Mesembrianthe- -! Adanson, Familles des plantes II, 243. 102 K. Scuumann: mum, Gasoul, Vossia, Hariota, Opuntia, Cereus, Moscatellina. Die Gattungen Gasoul und Vossia sind heutzutage keinem Botaniker mehr geläufig; sie sind in ganz ungenügender Weise auf einige Mesembrianthemum-Arten nach Ab- bildungen aus Dillenius, Hortus Elthamensis, gegründet. Somit werden die Kakteen, repraesentirt durch 3 Gattungen, Hariota, Opuntia und Cereus, unmittelbar an Mesembrianthemum angereiht, eine Vornahme, die für mich, wie ich unten zeigen werde, sehr beachtenswerth ist. Wenn freilich dann Moscatellina, unsere Adoxa, in diese Gesellschaft hineingeräth-, so stehen wir wieder vor einer von den vielen Unbegreiflichkeiten und Überraschungen, an denen das Werk von Adanson nicht eben arm ist. Jussieu' hat eine Ordnung? Cacti in der XIV.Classe, Polypetalie-Peri- gynie. Sie nimmt die II. Ordnung ein und enthält 2 Gattungen, neben Cactus im Sinne Linne’s vom Jahre 1753 die Gattung Ribes. In dem Werke Jussieu’s liegt die Wurzel der lange in Geltung gewesenen Vorstellung einer Verknüpfung der Kakteen mit den Stachelbeeren. Jussieu unternahm es auch, diese Copulation zu begründen, indem er auf das Vorkommen von Stacheln in beiden Gattungen aufmerksam machte und indem er darauf hin- wies, dals die Beeren der Peireskia aculeata Mill. in Westindien Groseilles ge- nannt würden!? Wenn auch nicht in derselben Familie, so brachte doch Pyr. De Gan- dolle” die Stachelbeeren und Kakteen unmittelbar hintereinander in 2 ge- sonderten Gruppen. Er wählte für die erste Familie den Namen Cacteae, indem er die älteren, schon vorliegenden Cactoideae Vent., Nopaleae P. DC. (olim), Opuntiaceae Juss. übergieng. Diese Bezeichnung hat sich mit ent- schiedener Zähigkeit bis in unsere Tage erhalten. Bartling” stellte in seinem so wichtigen Werke die Nopaleae hinter den Rübesioideae in die Ordnung der Peponiferae, eine Ansicht, die später nicht ohne Beachtung blieb. Lindley° gründete dagegen eine eigene Ord- nung Cactales, welche aufser den Cactaceae, wie er zuerst die Familie nannte, merkwürdiger Weise die Homaliaceae und Loasaceae umschlofs. Baillon® Jussieu, Genres (übers. von Usteri). Jussieu nannte bekanntlich die Familien Ordnungen. ® P. De Candolle, Prodr. III. * Bartling, Ordines 276. ° Lindley, Veget. Kingd. III, ed. 741. ° Baillon, Hist. pl. IX, 37. a - Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemat. Gliederung. 103 wies zuerst die Verwandtschaft der Cactaceae mit den Ribesioideae ausdrück- lich ab, stellte diese zu den Saxifragaceae und wollte Beziehungen der erste- ren mit den Cucurbitaceae, Aristolochiaceae , Mesembrianthemaceae und Portula- caceae erkennen. In den Natürlichen Pflanzenfamilien' und dem darauf gegründeten Syl- labus von A. Engler finden die Opuntiales mit der einzigen Familie Cacta- ceae einen Platz zwischen den Parietales und Thymelaeaies. Beziehungen zu den letzteren kann ich nicht erkennen. In der ersteren Ordnung könnten allein die Loasaceae zum Vergleich herangezogen werden; auf diese Weise würde eine gewisse Annäherung an den Standpunkt Lindley’s gewonnen werden. Ich habe in den Natürlichen Pflanzenfamilien die Familie bearbeitet. Über die natürliche Verwandtschaft habe ich ein Urtheil nicht abgegeben, weil ich die Frage in der damaligen Zeit noch nicht für spruchreif ansah. Jetzt, nachdem ich die ganze Familie monographisch durchgearbeitet habe, glaube ich eher meine Meinung aussprechen zu dürfen, weil ich sie tiefer zu begründen im Stande bin. Ich stimme zunächst unbedingt Baillon zu, dafs die Ribesioideae mit den Cactaceae gar keine Beziehungen haben. Ebenso wenig halte ich die Einschliefsung der Familie in die Ordnung Peponiferae für richtig. Namentlich der Blüthenbau ist in beiden Gruppen so völlig verschieden, dafs eine weitere Begründung völlig erübrigt. Wenn Lindley die Kakteen zwischen die Homaliaceae und Loasaceae stellt, so fehlt mir für diese Anordnung ebenso jedes Verständnils wie für Baillon’s Ansicht, dafs die Aristolochiaceae und Cucurbitaceae zum verwandtschaftlichen Vergleich herangezogen werden sollen. Dagegen erscheint mir Adanson’s Meinung, dafs die Kakteen mit Mesembrianthemum und Portulaca bez. mit den Gruppen, deren Typen beide sind, in engerer blutsverwandtschaftlicher Beziehung stehen, äufserst be- herzigenswerth. Verweilen wir zunächst bei den vegetativen Merkmalen, so ist eine Neigung zur Succulenz in allen 3 Familien nicht zu verkennen. Allerdings äulsert sich dieselbe bei den Kakteen zumeist in der Form der Stammsuceulenz mit hochgradiger Reduction der Blätter, während die beiden anderen Familien zumeist Blattsuceulenten aufweisen. Wir dürfen aber nicht vergessen, dafs in der Gattung Peireskia und auch bei Opuntia ausgezeich- nete Blattsuceulenten gefunden werden. ! Engler, Natürl. Pflanzenfamilien III (6). 104 K. Scuumann: Ein recht wichtiges Moment für die verwandtschaftlich genäherte Stel- lung der 3 Gruppen erscheint mir, dafs der so vorzügliche Charakter der Kakteen, die Areolenbildung, in den beiden anderen Familien wiederkehrt, sonst aber in dem ganzen Gewächsreiche nicht mehr auftritt. Die eigenthümliche Erzeugung von Haarbüscheln — oder Polstern — in der Achsel der Blätter ist ein auffallendes Merkmal vieler oder sämmtlicher Arten von Talinopsis, @rahamia, Portulaca und Anacampseros. Man hat diese Gebilde in beiden Familien mit Nebenblattgebilden homolog. gesetzt, weil die den Mesembrianthemeen und Portulacaceen eigenthümlichen Nebenblätter fehlen, sobald die Achselwolle auftritt. Ich kann dieser Auffassung nicht beipflichten. Die Haarbüschel treten, wie die Entwickelungsgeschichte lehrt, ganz deutlich als Trichome aus dem Blattachselgrunde hervor; sie können also durchaus nicht als aufserordentlich zerschlitzte Nebenblätter, die hier stets laterale Stellung neben dem Blattstiele haben, angesehen wer- den. Wenn nun die Haarbüschel die Function, welche sonst den Neben- blättern zukommt, nämlich als Schutz der Neubildungsherde und ihrer Pro- ducte zu dienen, viel besser übernehmen als die Stipeln, so wird uns ein- leuchten, dafs die letzteren als überflüssige Organe in Wegfall kommen dür- fen, wenn die Haarbüschel vorhanden sind. Mit den Areolen zu vergleichen sind ferner die eigenthümlichen Stachel- felder, welche sich an den Blattspitzen ‘gewisser Mesembrianthemum-Arten finden. Als Vergleichsobject mit den Kakteen eignen sich vorzüglich jene Kelehblätter von M. barbatıum L., M. densum Haw. und anderen Arten, welche unterhalb der Spitze eine kreisförmig umschriebene Area, mit strahlenden Stacheln besetzt, aufweisen; die letzteren mit ihren zwiebelig verdickten Basen erinnern recht auffällig an die gleichen Organe bei den dünnstache- ligen Mamillarien. Denselben Ort der Anheftung kenne ich von den äufseren Hüllblättern einiger Arten von Echinocachus (E. Ottonis) und Echinocereus (Ecer. pectinatus), an denen ich die normal achselständigen Borsten oder Stachel- bündel bisweilen ebenfalls bis zur Spitze heraufgehoben fand. Bei der ersten Betrachtung scheinen die Verhältnisse der Mesembrianthemum- und Mamillaria-Arten grundverschieden; erwägt man aber die von mir zuerst bekannt gemachten Funde an Zchinocactus und Echinocereus, so wird man vielleicht einen Fingerzeig dafür finden, wie jene sonst so räthselhaften Gebilde bei Mesembrianthemum schliefslich auf die Spitze der ellipsoidischen Blätter gekommen sind. Die Mittel, durch welche suceulente Mesembrian- \ Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemat. Gliederung. 105 themeae und Portulacaceae vor der zu hohen Wasserabgabe durch Transpi- ration geschützt sind, erweisen sich als identisch mit den Vorrichtungen, welche sich bei den Kakteen finden. -Das wichtigste von allen ist der reiche Gehalt an Schleim, der wahrscheinlich allein schon genügt, um einer zu starken Verdunstung zu begegnen. Was die florale Region anbetrifft, so ist vor allen Dingen hervorzu- heben, dafs sich bezüglich der Samenanlagen und der Samen die Kakteen vollkommen an die Gentrospermen und in Sonderheit an die beiden Gruppen der Mesembrianthemeae und Portulacaceae anschliefsen. Die Kakteen zeigen ganz allgemein wegen der Krümmung des Knospenkerns eine starke Nei- gung zur Campylotropie, welche für die ganze Ordnung so charakteristisch ist. Die lockere Auflage des äufseren Integumentes, welches von Portulaca her bekannt ist, habe ich an der Samenanlage von Peireskia bleo (H.B.K.) P.DC. nachweisen können. Höchst merkwürdig ist bekanntlich die That- sache, dafs bei Opuntia die Samenanlage noch von einem Sack, der seinen Ursprung vom Samenstrang her nimmt, umhüllt wird. Der erste Anfang dieser Bildung ist in der ganzen Familie der Kakteen keineswegs selten. Sehr viele Arten zeigen am Samenstrang, dort wo er der Samenanlage ansitzt, eine Falte, in welche sich die Mikropyle mit der Spitze einschiebt. Jener merkwürdigen Hülle der Samenanlagen von Opuntia begegnet man, soweit meine Kenntnisse reichen, in dem ganzen Pilanzenreiche nur noch in einer‘ Gattung der Aizoaceae, bei Trianthema; sie entsteht hei Tr. mo- nogyna L. als eine doppelseitige Wucherung, die vom Samenstrang aus- geht, zu beiden Seiten an der Samenanlage heraufwächst und schliefslich an dem Scheitel und der Stirnseite zum lückenlosen Verschlufs kommt. Eine solche morphologische Besonderheit an einem tief in der Höhlung des Fruchtknotens eingeschlossenen Organe scheint mir für die Festsetzung der verwandtschaftlichen Beziehungen von nicht geringem Werthe zu sein. Die Samen der Kakteen sind bei allen denjenigen Formen, welche gröfsere Keimblätter besitzen, durchaus von der Natur der Öentrospermen. Der Keimling ist nämlich dann stets hakenförmig gebogen oder vollkommen _ kreisförmig zusammengekrümmt. In dieser Hinsicht bieten wieder Opuntia und Peireskia, welche in ihrer Entwickelung die geringste Abweichung von den normalen Dicotyledoneae zeigen, die klarsten Bilder. Die Keimlinge vieler Arten würden frei praeparirt von denen der Aizoaceae und Portu- lacaceae nieht zu unterscheiden sein. Bei den Opuntien zeigt sogar das Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. Il. 14 106 K. Scaumann: Endosperm, welches vom Keimling eingeschlossen wird, die gleiche mehlige Beschaffenheit wie bei den Centrospermen, ein Charakter, dem ich eine hohe Bedeutung beimessen möchte. Allerdings verändert sich die Beschaften- heit des Keimlings mit der weiter vorschreitenden Differentiation des Kör- pers, so dafs die Cereoideae oft blofs einen mehr oder weniger kurzhakigen Keimling darbieten, bis derselbe bei den Mamillarioideae völlig gerade ist und nach dem ersten Anblick ungegliedert zu sein schein. Wenn man den- selben aber von der Scheitelseite bei stärkerer Vergrösserung betrachtet, wird die feine Grenzlinie, die zwischen den beiden viertelellipsoidischen . Keimblättern liegt, bald sichtbar; diese können dann mit der Nadel aus einander gelegt werden. Die äufsere Beschaffenheit der Samenschale ist bei den Kakteen sehr mannichfaltig. Wenn ich von der knochenharten Schale der Opuntien ab- sehe, so zeigen die Samen entweder eine umgekehrt eiförmige, von der Seite zusammengedrückte Gestalt (Mamillaria), oder sie sind scheiben- oder linsenförmig (Peireskia) oder ‘sie haben die Form der sogenannten Ballon- mützen (Melocactus und Echinocactus sp.), die durch Verkürzung in das Botförmige übergeht. Eine Sculptur in der Form von grubigen, stich- förmigen Punkten oder feinen Wärzchen ist weit verbreitet; bisweilen aber fehlt sie vollkommen, die Peireskia-Samen sehen aus wie auf Hochglanz polirte, schwarze, linsenförmige Scheibehen. Alle diese Verhältnisse treten bei den Portulacaceae und Mesembrianthemeae wieder auf. Die Samen von Tetragonia haben eine grofse Übereinstimmung mit denen der Mamillarien; die von Olaytonia zeigen die wesentlichsten Charaktere der Peireskia-Samen. Die gekörnte Structur tritt bei Mesembrianthemum auf und wiederholt sich bei Talinum und Montia. Doch nicht blofs hinsichtlich der Samenanlagen und Samen kann man zwischen den Kakteen und den Portulacaceae und Mesembrianthemeae gemein- schaftliche Merkmale nachweisen, die auf eine nahe Verwandtschaft schliefsen lassen, sondern auch die Blüthen zeigen noch manche interessante Beziehun- gen zwischen den drei Gruppen. In der allgemeinen Plastik ist zwar ein durchgreifender Unterschied insofern vorhanden, als bei den Mesembrian- themeae und Portulacaceae stets eine reine Scheidung von Kelch und Krone vorhanden ist, während die Kakteen ausnahmslos spiral angereihte Blüthen- hüllblätter besitzen, an denen jene Sonderung nicht vollzogen ist. Allein der Umstand, dafs die Gattung Mesembrianthemum in den Phyllomen der Blu- Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. 2. ihrer systemat. Gliederung. 107 menkrone keine constanten Zahlenverhältnisse aufweist, bedingt schon eine Annäherung an die bei den Kakteen obwaltenden Verhältnisse. Sehr beherzigenswerth ist wieder eine bei den Aizoaceae und Cactaceae auftretende Besonderheit. Der unterständige Fruchtknoten der letzteren ist in vielen Gattungen mit Blättern bedeckt; in ihren Achseln befinden sich Neubildungsherde, aus denen Wollfilz, Haare und Stacheln hervorgehen können. Nicht wenige Arten von Opuntia und auch Peireskia bleo sind da- durch ausgezeichnet, dafs jene Neubildungsherde Blüthen hervorbringen können, eine Erscheinung, die bei manchen Opuntien völlig normal wird, so dafs an Stelle einzelner Blüthen an den Gliedern ganze Klumpen sitzen, die dureh ihr Eigengewicht wie Troddeln herabhängen (0. Whipplei Eng., O. prolifera Eng. u. s.w.). Auch bei den brasilianisehen und argentinischen Arten (O. monacantha [|W.] Haw., ©. Salmiana Parm., O. Schickendantzii Web.) und anderen Formen kommt dieselbe Erscheinung normal vor; die Früchte sind dann sehr häufig steril, sie fallen ab und dienen zur vegetativen Pro- pagation. Ich kenne ähnliche Verhältnisse von Sprossungen aus dem Fruchtknoten nur noch bei drei Gattungen: bei der Umbellifere Petagnia sanieulifolia P. DC., der Valerianaceengattung Phyllactis und endlich der mit Mesembrianthemum allein näher verwandten Gattung Tetragonia. Jede der merkwürdigen, sel- ten vorkommenden Besonderheiten, die ich für die Kakteen und die bei- den anderen Gruppen der Centrospermae als gemeinsam erwähnt habe, mag vielleicht für sich betrachtet als recht belanglos beurtheilt werden; wenn sie sich aber in vielfacher Weise häufen, so wächst ihre Bedeutung offen- bar in sehr hohem Mafse, und ich möchte in ihnen wichtige Indicatoren für die verwandtschaftlichen Beziehungen unter einander erkennen. Von vorn herein will ich bemerken, dafs ich keineswegs gesonnen bin, die Kakteen mit einer der Gruppen, mit den Mesembrianthemeae oder mit den Portulaceae zu vereinigen; ich meine aber, dafs sie in der Nähe dieser Grup- pen untergebracht werden müssen. Ich würde selbst keinen Anstand neh- men, sie als eigene Familie der Ordnung Centrospermae einzuverleiben; An- dere würden vielleicht als besser erachten, dafs auf Grund der spiralig an- gereihten Blüthenhüllblätter die eigene Ordnung Cactales erhalten bliebe. Unbedingt geboten erscheint mir auch diese Rücksicht nicht, da eyklische und spirale Blüthen ja nicht so selten in einer Ordnung, ja in einer Fa- milie vorkommen. Aufser. jenem Charakter ist mir kein wesentliches Kenn- h 14* 108 K. ScHuumaAnn: zeichen der Kakteen bekannt, das nicht auch in der Ordnung der Oentro- spermae nachweisbar wäre. Zum Schlufs sei es mir noch gestattet, einige Gedanken über die phylo- genetische Ableitung der Kakteengattungen und über die Wege zu äufsern, welche sie wohl bei ihrer Ausbreitung über einen so ungeheuren Raum, der 109 Breitengrade umfafst, eingeschlagen haben mögen. Wenn ich versucht habe, die engen blutsverwandtschaftlichen Beziehungen zwischen den Cacta- ceae und den Mesembrianthemeae und Portulacaceae darzuthun, so meine ich auch, gemäfs unseren heutigen Anschauungen über den phylogenetischen Zusammenhang der Gewächse, dafs die genannten Gruppen einer gemein- samen Wurzel entsprungen sind. Ich will mich in dieser Hinsicht mit aller Zurückhaltung und Vorsicht ausdrücken und nieht etwa versuchen, eine ge- naue Ableitung der Gruppen aus einander in irgend einer Riehtüng zu geben. Wenn wir nun die geographische Verbreitung der Mesembrianthemeae und Portulacaceae nach ihren Gattungen betrachten, so ergibt sich für die ersteren mit aller nur wünschenswerthen Sicherheit, dafs sie zu denjenigen Gewäch- sen gehört, welche wir altoceanisch nennen. Der grölste Theil der Arten von Mesembrianthemum gehört dem Cap und zwar vornehmlich jenem süd- westlichen Theile an, der durch die höchst eigenartige Flora ausgezeichnet ist. Alle Arten, welche aufserhalb des Caplandes vorkommen, sind mit Ausnahme von M. dimorphum Welw. und M. dactylinum Welw., die Angola angehören, und einigen schwachen südeuropäischen Formen als Arten an- zusehen, , die sicher, vielleicht meist mit Hülfe des Menschen, vom Cap aus- geschwärmt sind. Diese Arten sind M.nodiflorum L. und M. erystallinum L., welche bis zu den Canarischen Inseln und dem Mittelmeergebiete, auf der anderen Seite bis Australien und Californien gehen; das erstere erscheint auch noch im arabischen Wüstengebiete. Wer je die dichten Behänge von M.eduleL. an den Felsen der Riviera gesehen hat, wird keinen Zweifel über die ungewöhnliche Verbreitungsfähigkeit dieser Arten hegen. Die in Australien endemische Art M. australe Sol. ist von M. crassifolium L. des Cap- landes sicher nicht verschieden. | Ganz analog ist die Verbreitung der Gattung Tetragonia, nur dafs die vagirenden Formen nicht so weit umherschweifen. Der Grundstock ist süd- afrieanisch; wieder treten dann 2 Arten in Angola auf (T. reduplicata W elw. und T. macroptera Pax); T. implexicoma Hook. ist ein Bürger Australiens; T. expansa Murr, aber findet sich im extratropischen Süd-America, in Austra- Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. 2. ihrer systemal. Gliederung. 109 lien, auf Neu-Seeland und geht bis Polynesien und Japan. Diese Verbrei- tung ist ganz diejenige eines altoceanischen Geschlechtes. Weniger in die Augen springend, aber doch immerhin noch klar genug, erweist sich die Verbreitung der Portulacaceae, als derjenigen einer altoceani- schen Gruppe entsprechend. Namentlich sind endemische Arten von Portu- laca, Calandrinia und Claytonia in den Ländern des südlichen Indischen Oceans verstreut. Hectorella ist eine endemische neuseeländische Gattung, Talinella gehört Madagascar an, Anacampseros und Portulacaria gedeihen am Cap. Grahamia, Monocosmia und Silraea gehören dem südlichen Anden- gebiete und dem extratropischen Süd-America an. Alle diese Vorkommen lehnen sich an solehe von Gewächsen altoceanischen Ursprungs an. Nur Spraguea, Calyptridium, Talinopsis und Lewisia sind Producte eines beson- deren Entwickelungscentrums, das sich von dem Staate Californien bis zur Halbinsel Californien erstreckt. Für die Kakteen ist nun die Frage über den Ort ihrer Herkunft keines- wegs einfach zu beantworten. Sie sind so gut wie ausschliefslich ameri- eanisch, denn die Vorkommnisse in Africa lassen sich meines Ermessens befriedigend als Anhängsel der americanischen Verbreitung erklären. Die Diehtigkeit der Arten nimmt von Canada her zuerst sehr allmählich zu, steigt dann in den südlichen und westlichen Vereinigten Staaten und Nord - Mexico etwas schneller an und erreicht auf dem Plateau von Anahuae mit rapider Zunahme ein erstes Höchstmafs. Nach den Mittelamericanischen Freistaaten zu fällt die Zahl der Arten dann schnell ab, auch in Westindien vermindert sie sich erheblich, um im mittleren Andengebiet und in Brasilien ein zweites niedrigeres Maximum zu gewinnen; von Bolivien aus fällt die Zahl nach Chile zu viel schneller als auf der Ostseite, wo die Dichtigkeit all- mählich, und zwar erst nördlich der Magelhaensstrafse, auf o sinkt. Das ungemein grofse geographische Feld, welches gegenwärtig die Kakteen besetzt halten, können sie auf keinem anderen Wege als den der Wanderung errungen haben. Von einem gewissen Theile können wir diese Wanderung leicht beweisen. Bei der Besprechung der geographischen Verbreitung der Gattung Echi- nocereus, Echinocactus, Mamillaria und Opuntia konnte ich zeigen, dafs Arten derselben bis weit nach Norden vorgedrungen sind und Gegenden bewohnen, ‘die während der Glacialzeit entweder vollkommen von einer Eiskappe be- deekt waren oder sich unter Bedingungen befanden, welche wegen der Nähe 110 K. Sc#humaAnn: der Eisfelder keinesfalls zu ihrer Existenz geeignet waren. Ich will zur genaueren Beleuchtung dieser Thatsache eine kurze Darstellung von der Be- grenzung des Inlandeises in Nord- America geben. Die Südgrenze verläuft, von dem Atlantischen Ocean beginnend, durch den Staat New York bei etwa 41° n.Br., durchkreuzt, nördlich aufsteigend, Pensylvania und erreicht bei- nahe den Erie-See. Dann wendet sie sich in Krümmungen südwestlich und überschreitet nördlich von der Gabel des Ohio und Mississippi diesen Flufs und dann den Missouri. In dieser Gabel liegt der südlichste Punkt der Eisbedeckungen bei etwa 38° n.Br. Die Grenze durchläuft nun den Staat Kansas in einiger Entfernung vom Missouri und geht ziemlich parallel mit diesem Flufs und westlich von ihm durch Nebraska, Süd- und Nord-Da- kota. Sie steigt jetzt in nordwestlicher Richtung auf, um sich dann west- lich zu wenden und sich auf eine weite Strecke etwa dem 47. Breitengrade parallel hinzuziehen. Den Hochgebirgen entsprechend, welchen sie in Idaho und Oregon begegnet, macht sie zahlreiche, zum Theil tief nach Süden (in Oregon bis zum 43.Grad n.Br.) eindringende Krümmungen und Schleifen. Die Anzeichen der Eisbedeckungen sind in den Vereinigten Staaten die gleichen, welche wir in der Alten Welt kennen: Blocklehm mit mächtigen, eingebetteten Geschieben nördlicher Herkunft, geritzte Felsen und Rund- höcker kennzeichnen mit Gletschermühlen die Böden, über welchen sich die Eiskappe ausbreitete. Nur sind alle Erscheinungen bei weitem grofs- artiger und gewaltiger als bei uns. Die äufsere Endmoräne ist fast auf der ganzen Länge durch die Vereinigten Staaten im Zusammenhange nachge- wiesen worden. Eine Vorstellung von der Mächtigkeit der Bedeckung kann man erhalten, wenn man die Angaben von Hitchcock liest, welcher die Höhe der Eiskappe bis 6500 Fufs berechnete und welcher die Mächtigkeit des Eises auf der canadischen Wasserscheide zu 4-5000 Fuls schätzte. Dem- entsprechend ist die Breite der Endmoräne von 15-18" kein überraschen- des Mafs. Sehr eigenthümlich und höchst beachtenswerth ist die von Dawson festgestellte Thatsache, dafs eine westliche Grenze der Eisbedeckung existirt, so dafs der Südwesten von Britisch-Columbien eisfrei war. Die neuesten Untersuchungen dieses Gelehrten, welche dem Golddistriet von Klondyke gewidmet waren, haben aber ergeben, dafs seine Meinung über eine noch weiter nach Norden gehende, eisfreie Zone nicht richtig war; denn die Eis- ströme der Gebirge am Yukon, welche sich nach allen Richtungen in die Die Verbreit. der Caclaceae im Verhältn. z. ihrer systemat. Gliederung. 111 tieferen Örtlichkeiten ergossen, haben in dem Scheerengürtel von Britisch- Columbien das Meer erreicht und vielleicht zur Bildung desselben beigetragen. Im Zusammenhange mit dieser Vereisung des nördlichen Nord- America standen ausgedehnte Vergletscherungen der Rocky Mountains, des Cascaden- Gebirges und der Sierra Nevada. Die Gegend um den heutigen National Park war ein nahezu quadratisches Gletscherfeld von etwa 500 geographi- sehen Quadratmeilen Oberfläche. Von mindestens derselben Gröfse waren die Eisflächen auf der Sierra Nevada und den Gebirgen Colorados. Die letzteren erstreckten sich bis in den Staat Neu-Mexico; ihnen gesellten sich noch klei- nere Felder in Nord-Californien, Utah, Wyoming und Süd-Colorado hinzu. In Canada wächst heute Opuntia missouriensis P.DCG. am Peace River, wo die Eisbedeckung über 1000” Mächtigkeit gehabt haben mufs; auch Ma- millaria missouriensis Sw. und M.vivipara (Fraz.) Haw. gedeihen an Orten, die nördlich von der südlichen Grenzlinie des Eises liegen. Auf den Moränen des Mesas von Colorado wurde Echinocactus Simpsonä Eng., nach des Autors eigener Angabe auf altem Moränenschutt, gefunden, und Opuntia missou- riensis Sw., O. wanthostemma K.Sch. und O.rhodantha K.Sch., Mamillaria mis- souriensis (Nutt.)Sw., Eehinocactus glaueus K. Sch., Echinocereus phoeniceus Eng. gedeihen nach den Beobachtungen von Purpus in über 2000” ü.M. Höhe, an Orten, die von den Gletschern bedeckt gewesen sind. Wenn nun auch die ebeneren Gebiete der südwestlichen Vereinigten Staaten und die Gebirge von Neu-Mexico und Arizona keine Gletscherspuren zeigen, so muls doch die Einwirkung der niederen Temperaturen Bedingun- gen geschaffen haben, dafs, wenn dort Kakteen überhaupt, so doch be- stimmt nicht die heute vorkommenden, empfindlicheren Arten wachsen konn- ten. Zudem ist zu erwägen, dafs noch in der auf die Glaecialepoche fol- genden Champlainperiode durch. das Abschmelzen des Gletschereises aus- gedehnte Seen in den Kakteengebieten von Utah und Nevada gebildet wur- den, von denen der grofse Salzsee und die zerstreuten Wasserbecken in Ne- vada noch als die übrig gebliebenen Reste zu betrachten sind. Diese post- glacialen Seen haben von den americanischen Gelehrten die Namen Lake Bonneville und Lake Lahonton erhalten. In diesen für die Kakteen früher unwirthlichen oder durch Wasser und Eisbedeekung unzugänglichen Gebieten wachsen jetzt diese Pflanzen in grofser Zahl. Auf einem anderen Wege als auf dem der Wanderung können sie nicht in diese Distriete gekommen sein. Der Umstand aber, dafs ein 1112 K. Schumann: grofser Theil dieser Kakteen eigenthümliche, nur auf sehr enge Wohn- orte beschränkte Arten sind, gibt einen Beweis dafür, dafs dieses durch klimatische Veränderungen geschaffene neue Siedelland ein günstiger Boden für eine eigenartige specifische Differenzirung gewesen ist. Die Halbinsel Californien ist zum Theil im späteren Tertiär, zum Theil erst im Postpliocän gehoben worden. Auch dieses Gebiet ist heute mit Kakteen reichlich bestanden, die ebenfalls nur durch Wanderung in das- selbe eingedrungen sein können, so dafs also die Thatsache der Wanderung an sich vollkommen genügend begründet ist. Über diese Erfahrung dürfen wir aber vorläufig nicht hinausgehen, wenn wir den sicheren Boden unter den Füfsen behalten wollen. Die recht gute Kenntnils über die geologischen Verhältnisse der Vereinigten Staaten erlaubt vielleicht, wie ich mich durch ein genaueres Studium der einschlä- gigen Litteratur überzeugt habe, wolrl noch einige fernere Schlüsse; dafür herrscht aber unter den Geologen, welche die Teetonik von Süd-America untersuchten, noch eine so vollkommene Verschiedenheit der Auffassung, dals ich gegenwärtig auf eine eingehende Darstellung Verzicht leisten mufs. Somit kann zur Zeit eine auch nur in bescheidenem Mafse gefestigte Mei- nung darüber nicht gegeben werden, in welcher Riehtung sich der Strom der Kakteen ergossen hat, ob er sich von Süden nach Norden oder in umgekehrter Richtung bewegt hat. Als beachtenswerthe Momente für die erstere lassen sich zwei in Erwägung ziehen: erstens die Verwandt- schaft mit den Mesembrianthemeae und Portulacaceae altoceanischen Ursprungs und jener Umstand, auf den ich bei der Besprechung über die Verbreitung . von Opuntia hingewiesen habe. Diese bildet in Nord-America eine nach oben hin offene Gabel, deren einer Arm. östlich von den Alleghanies liegt, der andere aber über Mexico nach Norden geht. Wenn die beiden Zinken im Süden zusammenlaufen, so ist eine Besiedelung von hier aus wahrscheinlich. Als Ausgangsglied der Entwickelung der ganzen Familie betrachte ich Peireskia; in ihren breitspreitigen Blättern steht sie wahrscheinlich den Ur- formen der Kakteen am nächsten; sie hat die Tracht normal entwickelter Dicotyledoneae wahrscheinlich deswegen am längsten bewahrt, weil sie nieht in xerophytische Gebiete eindrang und stets Bodenpflanze blieb. Für ihr hohes Alter spricht auch die sehr zersprengte Verbreitung. Maihuenia leitet von ihr zu Opuntia über; mit jener hat sie die dünnschaligen Samen und den Mangel an Glochiden gemein; in der Tracht lehnt sie sich an Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemat. Gliederung. 113 die letzterwähnte Gattung an. In Op. ovata Pfeiff. fand ich insofern ein vortreffliches Bindeglied zwischen dieser Gattung und Maihuenia, als sich hartschalige weifse und dünnschalige braune Samen in einer und derselben Frucht fanden. Pferocactus ist wohl so gut wie sicher von Cylindropuntia ausgegangen. Glochiden und Hartschaligkeit der Samen sind zweifellos secundär erworbene Charaktere der Opuntien. Da sie sich nirgends mehr bei den Kakteen finden, so halte ich diesen Zweig der Familie für einen, der nahe der Basis den Stamm verläfst und blind endet.' Zwischen Peireskia und den Cereoideae thut sich für mich ein nicht zu überbrückender Spalt auf. Nehmen wir aber irgend eine der gerippten Kakteenformen als erneuten Ausgangspunkt der Entwickelung, so steht das ganze System der Kakteen in einem so lückenlosen Zusammenhang, dafs die Abtrennung der meisten Gattungen econventionell wird. Cereus, Echino- cactus, Echinopsis hängen in mehrfachen Linien mit einander eng zusammen. Von Cereus führt über Pilocereus nach Cephalocereus eine Reihe, welche mit einer anderen von Echinocactus zu Melocactus parallel läuft” und mit einer ganz eigenartigen, in beiden Endgliedern aber identischen, morphologischen Dif- ferentiation (dem Cephalium) schliefst. Von Cereus gelangen wir dann nach Phyllocactus und Epiphyllum, über Pfeiffera aber nach Rhipsalis. Die Glie- derung der zuerst gleichförmig verlaufenden Rippen von Echinocactus bringt die Buchtung derselben hervor, die endlich den Zerfall in Höcker bedingt. Bei lückenlosem Contact derselben erfolgt dann die spiralige Anreihung nach den Fibonacci’schen Zahlen. Den ganzen Procefs können wir in allmählichem Werdegange bei Echinocactus verfolgen. In Süd-America haben sich die Gattungen Nothocactus und Hybocactus ausgegliedert, in Nord- America aber Thelocactus. Aus diesen Gruppen ist zweifelsohne die Unter- gattung Coryphanta- Mamillaria hervorgegangen, welche durch Verschlufs der scheitelständigen Furche an den Warzen Eumamillaria erzeugt hat. Die ex- tremsten Differentiationen der Kakteen, Pelecyphora und Ariocarpus, lehnen sich ohne Umstände an Mamillaria, die Gattung Leuchtenbergia an Echinocactus an. ! Grusonia cereiformis F. Reichb. ist unter allen Umständen eine echte Opuntia und kann keinesfalls als Zwischenform angesehen werden, die Opuntia und Cereus verbindet. 2 In jüngster Zeit erhielt ich aus Paraguay eine niedrige Form der Kakteen, welche hochkegelförmige, sehr kräftige Warzen aufweist und am Scheitel das Cephalium typisch ausgebildet trägt; diese zu Zchinocactus, Untergattung Discocactus gehörigen Körper geben eine neue, bisher vergeblich erwartete Combination der Charaktere. Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1 899. IT, 15 114 K. Scuumann: Die Verbreitung der Cactaceae u. s. w. Tafel zur Übersicht der Verbreitung der Kakteen nach der Zahl der Arten. (Die in Klammern eingeschlossenen Zahlen bezeichnen die endemischen Arten.) Zahl Venez. Texas. | Andere |Beson Nr. Gattung der Bu Augen Ayıden- u. Nord-| Guiana West Caurel- Mexico |Californ.'westl.Ver.| Vom ö ; Arten || Silien | tinien | Gebirge Ch, Indien | America Gebirge | Staaten | kommeh 1 | L 1. |Cereus ...... 106 | 23 (19) | 16 (16) |2ı (21) | 9 (3) I 13 (9) 2(2) | 27 (20) 4 () Be : unbe 2. | Pilocereus.... 25 3 (3) {6) 1 (1) 2 (2) [6) 4 (4) (6) 9 (9) (6) os; ee: 3. | Cephalocereus 5 ı (1) (6) (6) (6) (6) (6) o 4 (4) [6) (6) 4. | Phyllocaetus . 15 5.(3) o I 2 I 2(1) | 4(4) 5 (4) o o unbekannt ı 5. | Epiphyllum .. I 1 (1) o o o o o o o o o _ 6. | Echinopsis ... 18 6(6) | 3(3) | 8(8) 0 o (6) 0) o () o unbeka, unbek: 7. | Echinocereus . 38 o o © o o o () 30 (19) | 18 (6) 5. Halbiı Calif. 8. | Echinocactus „| 140 | 23 (23) | 8 (8) | 34 (34) o o o 2 61 (57) | 16 (2) 5 (2) BR 9. | Melocactus .. 14 || 3.(3) () o 2 (2) (0) 8 (8) o o o (©) . 10. | Zeuchtenbergia I (6) o o o () © o (1) () o Br. 11. |Mamillaria ..|| 100 o o o I 6) o o 83 (74) | 18 (3) 5 a 12. | Pelecyphora... 2 (6) o 0) 6) o 0 o 2 (2) (0) ©) — 13. | Ariocarpus .. 4 () o o o o o o 4 (4) o o a 14. | Pfeiffera .... I o 1 (1) o o o o o (6) o (6) —g 15. |Hariota ..... 2 2 (2) () (6) 0 o 0 () o o 0) B. 16. | Rhipsalis ....| 47 ||35 (34) | 4 (3) 2 (1) I 2 (1) 2 3 I 0 o — 20 EN 17. |Opuntia.....\ io | so om ven ? | ? |ım| ? | 350 |soan N) ai 18. | Nopalea..... 5 o 0 o o o 3 (3) o 2 (2) o o = 19. | Pterocactus .. I (0) (6) 1 (1) (©) (0) 0 0) "a o 0 — 20. | Maihuenia ... 3 o o 3 (3) (6) o o o o o o — 21. | Peireskia .... | 3 (1) 1 (1) 3 (3) 1 (1) o 2 (1) 1 (1) 3 (3) o 0 — 35 (6) | Haıbin 669 110 (99) 42 (39) |99 (97) | 18 (8) | 4(1) 41 (33)| 12 (7) |267 (210) 95 (28) Florida 2 (1) Calif. 36 Östl. Staat. ı |unbekani K. Preuss. Akad. d. Wissensch. Verbreitung der Gactaceae. Anhang 2.d. Ab. 1838 (bei Ausschluss der Grenzlinie in der alten Welt auch die von Opuntia‘) & 3 ce Be FEchinocereus (Ecer). und Echinopsis (Eps). 7. Ariocarpus, Pelecyphora, Leuchtenbergia 2.Epiphylıan, Hariote 3. Pterocaetus ®, er za Lithogeu. Druck der geoSraphischen Verlaßshandhuns DietrichReimer (ErnstVohsen) Berlin. (. Preuss. Akad. d. Wissensch. Anhang 2.d. Abh. 1899 Gebiete der Cactaceae. Echinocactus. | a2 Se Be 8. Zu Gebiet V- gehört auch die altweltliche Enclave in Asien und Africa. Melocactus und Cephalocereus (C.) Lithogeu.Druck der geographischen Verlagshandlung Dietrich Reimer (ErnstVohsen) Berlin. Untersuchungen über den Bau des Oentralnerven- systems der Affen. Von _ Dr. RUDOLF KRAUSE, Privatdocent und Proseetor am anatomisch -biologischen Institut der Universität Berlin, Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. III. 1 a in der Gesammtsitzung am 7. December 1899 er ‚St.L. S. a Außer der Monographie von Waldeyer' über das Rückenmark vom Go- rilla besitzen wir kaum eine eingehende Untersuchung, welche sich mit dem feinern Bau des Centralnervensystems der Affen beschäftigt. Nur hier und da finden sich gelegentliche kurze Notizen oder kleine Mittheilungen über diesen Gegenstand zerstreut. Und doch braucht nicht weiter aus- geführt zu werden, welche grofse Bedeutung ihm zukommt. Es schien mir deshalb, der ich mich schon seit Jahren mit der Unter- suchung des centralen Nervensystems und besonders eingehend mit der Technik der vitalen Methylenblaufärbung beschäftigt hatte, ein lohnendes Beginnen, mich dem Studium des Öentralnervensystems der Affen zuzu- wenden. Ermöglicht wurde mir das hauptsächlich durch eine Unterstützung, welche mir die Königliche Akademie der Wissenschaften im verflossenen Jahre bewilligte und für welche ich an dieser Stelle meinen ergebensten Dank abstatte. Auch verschiedenen Herren, welche mir bei der Erlangung des theilweise sehr kostbaren Materials behülflich waren, möchte ich hier meinen verbindlichsten Dank aussprechen. Hr. Direetor Heck stellte mir bereitwilligst das grofsartige Material des hiesigen Zoologischen Gartens zur Verfügung. Vor allem aber schulde ich Hrn. Collegen Dr. Heinroth vie- len Dank, dessen nimmer rastender Fürsorge ich die schönsten Stücke mei- ner Sammlung verdanke. Aus äufseren Gründen soll die Reihe meiner Untersuchungen eröffnen eine Darstellung der Neuroglia des Affenrückenmarks; ihr soll dann in näch- ster Zeit folgen die Beschreibung des Uentralnervensystems des Orang Utan, ı W.Waldeyer, Das Gorillarückenmark. Abhandlungen der Königlich Preulsischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin vom Jahre 1888. Berlin 1839. j 1 4 R. Krause: und schliefslich sollen dann die Resultate mitgetheilt werden, welche mit- tels der vitalen Methylenblaufärbung am Centralnervensystem von Inuus cy- nomolgus erzielt wurden. Die Neuroglia des Affenrückenmarks. Material und Methode. Es stand mir für meine Untersuchungen eine gröfsere Anzahl von Affen zur Verfügung, welche sich über alle drei Unterordnungen der Pi- theci erstreckten. Von den Catarrhini erhielt ich Pithecus satyrus, Simia tro- glodytes in zwei Exemplaren, Cercopithecus albigularis, collaris, Campbelli und ludio, Inuus eynomolgus, sinicus und nemestrinus, Cynocephalus hamadryas und olivaceus; von den Platyrhini gelang es mir nur Pithecia monachus, von den Arctopitheci Hapale sciurea zu erlangen. Von allen diesen verschiedenen Thieren möchte ich für die Beschrei- bung des Neurogliagerüsts drei, gewissermalsen als typische Vertreter, aus- wählen, nämlich Pithecus. satyrus, Inuus eynomolgus und Ateles niger. Über die beiden letzten Thiere ist nichts Besonderes zu bemerken; nur das erste! erheischt einige einleitende Worte, da es wohl das erste Mal ist, dafs das Nervensystem des Orang in Bezug auf seine Neuroglia genauer mikrosko- pisch untersucht wird. Das betreffende Thier, allen Besuchern des hiesigen Zoologischen Gar- tens wohl in Erinnerung, starb am 7. April 1899 an einer Lungenaffecetion, und zwar. an einer Pneumonie, wie die durch Hrn. Prof. Hansemann aus- geführte Section ergab. Das Thier war seit dem Jahre 1895 im Zoologi- schen Garten und dürfte nach Schätzung von sachkundiger Seite ungefähr ein Alter von 8-ıo Jahren erreicht haben. Die ganze Länge betrug vom Scheitel bis zur Sohle bei mäfsig gestreckten Unterextremitäten 105°”, die Länge des Rückenmarks, vom Filum terminale bis zur Pyramidenkreuzung 45°”. Die beiden von Fick” kürzlich beschriebenen Orangs waren be- " Auf die Arbeit von Cunningham werde ich in dem nächsten Theil eingehen. Cun- ningham, Sections through the spinal cord and the entire extent of brain of the Orang and Chimpanzee. Journal of Anatomy and Physiology. Vol. XXXI. 1896. * Fick, K., Vergleichendanatomische Studien an einem erwachsenen Orang-Utang. Archiv für Anatomie und Entwieklungsgeschichte. Jahrgang 1895. Untersuchungen über den Bau des Centralnervensystems der Affen. 5 deutend älter. Leider ist dort über die Länge des Rückenmarks nichts gesagt. Das Rückenmark wurde, um möglichst allseitig durchgearbeitet zu werden, in kleinere Stücke zerlegt; dieselben wurden in verschiedener Weise eonservirt: in Alkohol, Sublimat, Müller’scher Flüssigkeit und Formalin. Was nun die von mir befolgte Technik der W eigert’schen Neuroglia- methode anbetrifft, so habe ich mich im allgemeinen eng an die Vor- schriften von Weigert' gehalten. Die einzelnen Phasen des Processes mufsten nur geringfügig modifieirt werden, was wohl durch die Ver- schiedenheit des Materials bedingt war. Zunächst kamen die nieht über 1°” dieken Stücke aus den verschiedenen Höhen des Rückenmarks in das Fixations-Beizungsgemisch, welches bekanntlich besteht aus einer Lösung von 2°5 Chromalaun, 5° essigsaurem Kupfer und 5° Essigsäure in 100°" Wasser mit Zusatz von 10°” Formalin. In dieser Lösung verweilten die Stücke ı4 Tage im Brutschrank, wurden dann kurz gewässert und durch die Alkoholreihe hindurch in bekannter Weise in Celloidin eingebettet. Als Schnittdieke habe ich ein für alle Mal 25 x gewählt. Wurden die Schnitte dünner angefertigt, so kam es nicht selten vor, dafs sie bei den folgenden doch ziemlich eingreifenden Manipulationen verdorben wur- den. Andererseits ermöglichen es auch Schnitte von solcher Dicke, die Gliafasern auf längere Strecken hin zu verfolgen, ohne die Übersichtlich- keit oder Durchsichtigkeit der Praeparate irgendwie zu beeinträchtigen. Die Schnitte werden zunächst aus dem Schneidealkohol in Wasser und dann für ı5 Minuten in eine 0.3 procentige Lösung von Kaliumper- manganat gebracht. Nachdem sie mit Wasser abgespült sind, gelangen sie dann in die aus 2.5 Procent Chromogen, 2.5 Procent Ameisensäure und ı Procent Natriumsulfit bestehende Reductionstflüssigkeit, welche nach 2-4 Stunden durch eine 5 procentige Chromogenlösung ersetzt wird. Dabei scheint es mir sehr wichtig zu sein, dafs man sich die Chromogenlösung immer frisch bereitet. Dieselbe ist anfangs ganz hell und klar, nach mehrtägigem Stehen wird sie dunkler und trübe. Mit solcher alten Lösung erhielt ich nie gute Resultate. In dieser 5procentigen Chromogenlösung verweilen die Schnitte 24 Stunden. ! €. Weigert, Beiträge zur Kenntnils der normalen menschlichen Neuroglia. Fest- schrift zum zojährigen Jubiläum des ärztlichen Vereins zu Frankfurt a.M. 6 R. Krause: Was die eigentliche Färbung anlangt, so liefs ich nach längerm Probiren die Schnitte immer über Nacht in der Methylviolettlösung; es erwies sich das für mein Material viel vortheilhafter, als die nur kurz- dauernde Färbung; dafs dieselbe dann nicht auf dem Objeetträger, sondern in der Schale vorgenommen wurde, brauche ich wohl kaum zu bemerken. Die mit physiologischer Kochsalzlösung kurz abgespülten Schnitte kommen nun in die Jodjodkaliumlösung, und zwar für nur ganz kurze Zeit, höchstens eine Minute. Anfangs, als ich die Schnitte nach Weigert’s Vorschrift zehn Minuten in dem Jodjodkalium verweilen liefs, bekam ich nie ein gutes Praeparat; später, als ich diesen Fehler erkannte und vermied, ist mir nie mehr ein Praeparat mifslungen. Das Abtrocknen des Schnittes nehme ich entweder auf dem Objectträger oder, noch besser, zwischen zwei Lagen Fliefspapier vor. Bei letzterm Verfahren wird der Schnitt beiderseits völlig getrocknet, und man vermeidet das leichteintretende Trübwerden. Die Ent- färbung im Anilin-Xylolgemisch wird so lange fortgesetzt, als noch Farbe abgegeben wird. Dann wird in Xylol ausgewaschen und in Xylolbalsam montirt. Über die Haltbarkeit der Praeparate besitze ich wenig Erfahrung. Schnitte vom Cercopithecus-Rückenmark haben sich jetzt annähernd zwei Jahre ganz unverändert gehalten. Was die Frische des Materials anlangt, so braucht man damit nicht allzu ängstlich zu sein. Ich habe noch bei Material, welches 24 Stunden post mortem fixirt wurde, ausgezeichnete Resultate erhalten. Von einem Zerfall der Gliafasern war dabei nicht das Mindeste zu bemerken. Hinsichtlich des Erfolges möchte ich noch Folgendes bemerken. Wei- gert bemerkt zum Schlusse seiner Abhandlung, dafs die Methode für Thiermaterial noch nicht zu empfehlen sei, und es scheint diese Bemer- kung auch auf viele Untersucher abschreckend gewirkt zu haben. Mir ist die Methode bis jetzt noch in keinem Falle ganz mifslungen. Man mufs allerdings erst durch einige Übung die Methode beherrschen lernen, dann wird man wohl bei jeder Thiergattung mit kleinen Änderungen zum Ziel kommen. Leider habe ich bis jetzt noch kein geeignetes menschliches Material zum Vergleich zur Verfügung; wenn ich aber die W eigert’schen Abbildungen mit meinen Praeparaten vergleiche, so will mir scheinen, als ob in den letzteren der Reichthum an Glia-Elementen eher noch gröfser wäre als in den ersteren. j Untersuchungen über den Bau des Centralnervensystems der Affen. 7 Was schliefslich das Resultat der Färbung im einzelnen anlangt, so habe ich einige Abweichungen von Weigert zu verzeichnen. In meinen Prae- paraten färbten sich gar nicht selten bei Inuus und Ateles die Protoplasma- leiber der Neurogliazellen und zwar schwach blau, so dafs man das Ver- hältnifs zwischen Zelle und Faser recht gut beurtheilen konnte. Die in- tensiv gelbe Farbe der weilsen Substanz in meinen Praeparaten rührt davon her, dafs die Markscheiden gelb gefärbt sind, die Axencylinder dagegen sind leicht blau gefärbt, wie man das besonders schön in den peripheren Theilen des Schnittes sehen kann. Hier liegt im Rückenmarksquerschnitt in jedem gelben Ring ein blauer Kreis. Geht man weiter nach dem In- nern vor, so werden die Axeneylinder immer weniger gefärbt und sind nur noch bei starkem Abblenden zu erkennen. Auch die gelben Streifen innerhalb der grauen Substanz rühren nicht von Axeneylinder-, sondern von Markscheidenfärbung her. Blau, und zwar im Tone des Preufsisch- Blau, sind aufser den Gliafasern nur noch überall das Chromatin der Kerne und vor allem die Nucleolen sowohl in den Ganglienzellkernen, als in den Neurogliakernen gefärbt. Aufserdem findet man in den Leib der grofsen Nervenzellen eingelagert zahlreiche feinste Körnchen, von denen weiter un- ten gehandelt werden soll. Blau, viel schwächer und mehr im Cobaltton sind das Bindegewebe und die Muskeln der Gefäfswand gefärbt. Die rothen Blutkörperchen erscheinen bei dem einen Thier tief blau gefärbt, bei dem andern sind sie ungefärbt oder nur leicht gelblich. Gelb praesentirten sich die Markscheiden, der Körper der Ependymzellen und der grofsen Nervenzellen. Wird die Entfärbung zu früh abgebrochen, so erscheinen in den letzteren sehr schön die blaugefärbten Nisslkörper auf gelbem Grund. Dauert die Anilin-Xylolbehandlung länger, so entfärben sich die Schollen und es bleiben als Residuen nur noch in deren Innerm jene erwähnten blauen Körnchen. Intensiv blau gefärbt praesentiren sich dann noch an vielen Stellen, das sei hier schon vorweg genommen, die Ausläufer der Ependymzellen. Allgemeine Beschreibung der Gliazellen und -fasern. Über die verschiedenen Auffassungen in Bezug auf den Bau der Glia- zellen und das Verhalten der Fasern zu den Zellen kann ich hier still- schweigend hinweggehen, denn das ist in geradezu mustergültiger Weise von Weigert in seiner classischen Arbeit abgehandelt. Er formulirt seine 8 R. Krause: Anschauungen am Schlusse des diese Fragen behandelnden Capitels in fol- genden drei Hauptsätzen: »1. Die Neurogliafasern, die man bisher als Fortsätze der Deiters’schen Zellen aufgefafst hat, sind nicht mit dem Protoplasma chemisch identische Gebilde, sondern sind von diesem stofflich durchaus verschieden. 2. Die chemische Verschiedenheit tritt nicht etwa allmählich in mehr oder weniger weiter Entfernung vom Zellleib an den »Fortsätzen« auf, son- dern die Differenzirung besteht von Anfang an schon in unmittelbarer Nähe des Zellkerns. 3. Die meisten der sogenannten Fortsätze der Zellen sind überhaupt schon aus dem Grund keine Fortsätze, weil bei ihnen je zwei anschei- nende Ausläufer einen an der Zelle vorbeilaufenden gemeinschaftlichen Faden bilden. Dieser wird durch den Zellleib in keiner Weise unterbro- chen, wie das doch bei »Ausläufern« der Fall sein mülste, die ja jeder ein- zeln vom Zelleib ihren Ursprung nehmen würden. Mit einem Worte: es handelt sich hier gar nicht um Fortsätze oder Ausläufer von Zellen, son- dern um Fasern, die vom Protoplasma vollkommen differenzirt sind. « Jeder, der nach der Weigert’schen Methode erfolgreich selbst gear- beitet oder gute Weigert’sche Praeparate sorgfältig studirt hat, wird diese Sätze unterschreiben können, und ich kann deshalb in Bezug auf diese Cardinalfrage ganz auf Weigert verweisen. Meine Aufgabe soll es sein, in diesem Capitel näher darzuthun, wie sich die Gliafasern und -zellen in meinen Praeparaten darbieten. Das, was man für gewöhnlich in einem Weigert-Praeparat von der Glia sieht, sind bekanntlich nur Kerne und Fasern. Ich will deshalb zu- nächst die ersteren, dann die letzteren besprechen und schliefslich das Ver- hältnifs der letzteren zu den ersteren. Von den Kernen der Gliazellen gilt zunächst ganz allgemein die 'That- sache, dafs sich ganz allgemein, in allen Praeparaten, in allen Höhen des Rückenmarks und in allen Theilen des Quersehnitts, die überhaupt Neu- roglia enthalten, zwei Arten von Kernen finden: kleine, sehr chromatin- reiche und grofse, chromatinärmere Kerne. Die kleinen Kerne sind meistens ganz oder annähernd rund, sie finden sich ziemlich gleichmäfsig in allen Theilen des Querschnittes vertheilt, vielleicht in der weifsen Substanz etwas zahlreicher als in der grauen, und erscheinen tiefblau gefärbt. Der Durchmesser beträgt im Mittel 2-4 u. Untersuchungen über den Bau des Centralnervensystems der Affen. ) Nur bei ganz intensiver Beleuchtung und Anwendung stärkster Systeme kann man noch Spuren von achromatischer Substanz erkennen. Sie ma- chen bei oberflächlicher Betrachtung den Eindruck von Leukocyten; doch zeigt das Verhalten zu den Fasern und die Art ihrer Lagerung, dafs es sich hier um echte Gliakerne handelt. Die grofsen, chromatinärmeren Kerne schwanken in ihrer Grölse ziem- lich stark, sind aber jedenfalls immer doppelt so grofs als die vorher erwähnten. Sie sind im ganzen Querschnittsbild zahlreicher vertreten als die kleinen Kerne, und in der grauen Substanz etwas zahlreicher zu finden als in der weilsen Substanz. Ausgezeichnet sind diese Kerne einmal durch ihre relative Armuth an Chromatin und zweitens durch die grofse Vielge- gestaltigkeit. Der geringe Gehalt an Chromatin ist, wie schon angedeutet, nur ein relativer. Es macht wenigstens den Eindruck, ziffernmäfsig wird sich das wohl kaum nachweisen lassen, dafs die beiden Kernarten die gleiche Menge Chromatin enthalten. Das eine Mal ist dieselbe auf einen kleinen Raum zusammengedrängt, das andere Mal auf einen drei oder vier Mal gröfsern Raum aus einander gezogen. Es erinnern diese Verhältnisse an die der Leber- zellen bei Säugethieren, besonders bei Hund und Kaninchen. Auch hier finden sich, und es ist das fast typisch für die Leberzelle, in jeder Zelle zwei, seltener drei Kerne. Dieselben können entweder gleichen Reichthum an Chromatin aufweisen und sind dann annähernd gleich grofs, oder der eine der beiden Kerne ist kleiner als der andere, und erscheint dann viel dunkler gefärbt. Es handelt sich hier bei der durch den Seeretionsprocess fortwährend in Thätigkeit befindlichen Leberzelle sicherlich um Degene- rationsprocesse, und zwar stellen die kleineren, dunkleren Kerne Degene- rationsstadien der gröfseren, helleren Kerne dar. Hier kann man dann auch den definitiven Zerfall der Kerne beobachten, die Auflösung in ein- zelne Chromatinbrocken. Ob es sich hier bei den Gliakernen um ähnliche Verhältnisse han- delt, erscheint mir höchst wahrscheinlich, läfst sich aber mit Sicherheit nicht beweisen, da ich das Endstadium des Processes, den definitiven Zerfall der Kerne, nicht beobachten konnte. Der zweite und wichtigere Punkt betrifft den Polymorphismus der grofsen, hellen Kerne (Fig. ı—6). Man findet nur selten ganz runde Kerne vor, schr häufig sind sie länglich und oft ganz unregelmäfsig. Sie zeigen Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. III. 2 10 R. Krause: dabei eine Mannigfaltigkeit der Formen, welche au jene Kerne erinnert, die man in der lymphatischen Randzone der Amphibienleber findet; nur eigentliche Lochkerne scheinen zu fehlen. Der Kern besitzt Fortsätze, die vom Körper ausgehen, und es kommt auch zur Trennung solcher Stücke vom Mutterkern, zur Kernfragmentirung. Damit aber komme ich zum letzten und wichtigsten Punkt in dem Verhalten der Kerne zu sprechen. Es ist nämlich geradezu typisch für Gliakerne in der grauen Substanz des Orangrückenmarks, dafs sie nie allein liegen, sondern immer zu mehreren. In dieser Beziehung scheinen sich die Gliazellen des Orangs wesentlich von denen des Menschen zu unter- scheiden, denn hier kommt ein solches Verhalten, wie aus der Beschrei- bung Weigert’s hervorgeht, nicht vor. Die Kerne liegen meist zu drei oder vier oder noch mehr zusammen, und zwar mit den Langseiten an einander. Sie formiren so nicht selten ein kurzes Rohr, durch welches die Gliafasern durchziehen (Fig.6). Häufig findet man auch zwei Kerne, ähnlich wie zwei Semmeln dicht an einander gelagert; die Fasern ziehen auch hier zwischen den beiden Kernen durch (Fig. 4). Damit soll nun nicht gesagt sein, dafs man nicht auch einzelne Kerne findet; doch könnte es sich immer hier noch fragen, ob nicht durch den Schnitt die übrigen weg- gefallen sind. Jedenfalls ist das erstere Verhalten immer das typische und macht die grofse Mehrzahl der Fälle aus. Es ist dabei nicht immer mit Sicherheit zu entscheiden, ob es sich wirklich um mehrere Kerne handelt oder ob es nur Theile eines einzigen Kernes sind, deren gemeinsame Ver- bindungsbrücken durch den Schnitt abgetrennt sind. Was die Zusammensetzung dieser Kernconglomerate anlangt, so ist sie eine sehr variable. Entweder finden sich in einem solchen nur grofse, helle Kerne; das ist meist dann der Fall, wenn nur wenige, zwei oder drei, beisammen liegen. Oder sie bestehen nur aus kleinen, dunklen Ker- nen, nämlich dann, wenn viele, acht bis zehn oder gar noch mehr, sich zusammenschliefsen. Endlich kann ein solcher Kernhaufen aus hellen und dunklen Kernen bestehen. Am häufigsten dürfte wohl das erste Verhalten zu finden sein, am seltensten das zweite. Es tritt nun die gewifs nicht unwichtige Frage an uns heran: ge- hört jeder dieser zusammenliegenden Kerne zu einer Gliazelle, bildet das Ganze also einen Zellhaufen oder handelt es sich um eine einzige viel- kernige Gliazelle? Die Weigert’schen Praeparate geben auf diese Frage Untersuchungen über den Bau des Centralnervensystems der Affen. 11 keine striete Antwort, da sie ja den Protoplasmaleib der Gliazellen nicht färberisch darstellen, wenigstens nicht beim Orang. Auch Controlprae- parate, welche mit karminsaurem Natron, mit Eisenhaematoxylin nach Heidenhain und nach anderen Methoden gefärbt waren, liefsen mich ebenfalls im Stich, so dafs mit absoluter Sicherheit die Frage sich nicht entscheiden läfst. Mit grofser Wahrscheinlichkeit aber kann man sagen, es handelt sich um vielkernige Zellen. Dafür spricht einmal das ganze Verhalten der Kerne, deren Form man es häufig ansieht, dafs sie sich zu mehreren dem Raum in einer Zelle anpassen müssen. Auch das Ver- halten der Gliafasern, die immer mitten zwischen den Kernen durch und viel seltener aufsen an ihnen vorbei laufen, dürfte mehr für die Anwesen- heit einer vielkernigen als vieler einkernigen Zellen sprechen. Wahrscheinlich entstehen diese mehrkernigen Zellen dureh mehrfache amitotische Theilung des Kerns. Man sieht gar nicht selten Bilder, welehe diese Annahme stützen, Kerne, bei welchen die einzelnen Stücke nur noch durch ganz dünne Brücken mit einander in Verbindung stehen. Wie schon angedeutet, finden sich diese vielkernigen Gliazellen nicht gleichmäfsig über den ganzen Rückenmarksquerschnitt verbreitet. Die Haupt- stelle ihres Vorkommens ist die graue Substanz. Sie liegen einmal überall zerstreut in ihr, dann sind es aber vor allem die Gliakörbe um die grofsen motorischen Vorderhornzellen, welche aus solchen vielkernigen Zellen be- stehen. Auch jene grofsen Astrocyten, welche sich an der Grenze zwi- schen grauer und weilser Substanz, besonders im Hinterhorn ausbreiten, gehören hierher. Dagegen dürfte die centrale Gliamasse ziemlich frei von ihnen sein. Hier finden sich fast ausschliefslich grofse helle ovale Kerne, welche mit Rücksicht auf die starke Anhäufung der gliösen Elemente manchmal ziemlich dicht zusammenliegen. Aber niemals zeigen sie ein solches Verhalten, dafs man zu der Vorstellung kommen könnte, es han- dele sich hier um mehrkernige Zellen. In der weilsen Substanz finden sich mehrkernige Zellen selır viel seltener als in der grauen, und ganz zu feh- len scheinen sie in der peripheren Gliahülle. Die bis jetzt mitgetheilten Daten galten ausschliefslich für den Orang. Bei den niederen Affen treffen wir auf einige, wenn auch unwesentliche Unterschiede. Auch bei /nuus finden sich zwei Arten von Kernen; nur ist die Form etwas verändert. Die grofsen, hellen Kerne sind wo möglich noch gröfser als beim Orang. Sie liegen in der grauen Substanz eben- 2 12 R. Krause: falls fast immer zu mehreren zusammen und enthalten, ähnlich wie die Kerne der Ganglienzellen, nur relativ wenig Chromatin. Sie unterschei- den sich von den Kernen der kleinen Nervenzellen, mit denen sie even- tuell verwechselt werden könnten, dadurch, dafs sie immer mehrere kleine Nucleolen besitzen, während jene nur einen gröfsern Nucleolus enthalten. Die kleinen dunklen Kerne sind nieht so typisch wie beim Orang. Sel- tener sind sie rund, meist länglich, hantelförmig oder gar im rechten Winkel abgebogen. Bei sehr oberflächlichem Zusehen kann man, beson- ders dann, wenn die Praeparate sehr stark differenzirt sind, die grofsen Nucleolen der Vorderhornzellen für kleine runde dunkle Kerne halten. Dieselben erreichen nämlich eine Gröfse von 3-74. Die kleinen Kerne finden sich in der grauen Substanz nur recht spärlich, zahlreicher sind sie in der weilsen Substanz zu treffen; doch sind die Unterschiede zwi- sehen den beiden Kernarten stark verwischt, da hier die Kerne im all- gemeinen mehr Chromatin enthalten. Bei Ateles endlich hat die Zahl der dunklen Kerne sehr stark abge- nommen; nur wenige kleine verkümmerte, eckige Kerne trifft man über das ganze Querschnittsbild zerstreut. Hier sieht man fast ausschliefslich grölsere, chromatinarme, meist polymorphe Kerne, die sehr häufig zu mehreren zusammengelagert sind. Ich wende mich nun zur Besprechung des zweiten und wichtigsten Bestandtheils der Neuroglia der Gliafasern. Diese Gliafasern sind beim Orang im allgemeinen ziemlich dünn und erreichen in der Mehrzahl kaum die Dieke von 0.1-0.2u, häufig bleiben sie sogar noch beträchtlich dahinter zurück. Daneben finden sich jedoch auch diekere Fasern, aber, wie ge- sagt, wesentlich spärlicher. Einmal setzt sich das Septum posterius zum guten Theil aus solchen stärkeren Fasern zusammen, die einen Durchmes- ser von 0.3-0.54 aufweisen. Auch in.der Umgebung des Centralkanals trifft man solche dickere Fasern, darunter solehe von ıu (Fig. 10). Charak- teristisch für diese letzteren Fasern ist es, dals sie fast immer direct auf den Centralkanal zustreben, manchmal allerdings in vielen und starken Windungen. Die weilse Substanz des Rückenmarks ist an solchen starken Fasern reicher als die graue, und hier sind es wieder die sogenannten Stamm- fortsätze da, wo sie sich aus der Gliahülle erheben, welche die stärksten Fa- sern führen. Wahre Monstra von Fasern, über 1.54 dick, sah ich auch in der Eintrittsstelle der hinteren Wurzel, besonders im Bereiche des Halsmarks. Untersuchungen über den Bau des Centralnervensystems der Affen. 13 Auch Weigert erwähnt, dafs er solche »Monstrefasern« beim Men- schen ganz an derselben Stelle gesehen hat, und es findet sich also in dieser Beziehung eine gute Übereinstimmung. Nur kommen solche dieke Fasern beim Orang aufserordentlich viel häufiger vor als beim Menschen, wenig- stens nach den Weigert’schen Abbildungen zu schliefsen, ohne dafs man deshalb hier an pathologische Verhältnisse zu denken braucht. Am weit- aus schönsten praesentieren sich diese Gebilde auf Längsschnitten (Fig. 21). Da sieht man sie senkrecht aus der Gliahülle herauskommend in die weilse Substanz einstrahlen. Dabei weichen sie in ihrem Verhalten von den fei- neren Fasern auch darin ab, dafs sie nicht wie jene in mehr oder weni- ger gleichmäfsigen Schlangenwindungen hinziehen, sondern eine Strecke weit ganz gerade verlaufen, um dann plötzlich unter stumpfem oder rech- tem Winkel abzubiegen. Sie bieten so in ihrem ganzen Verhalten etwas Bizarres dar. Weigert beschreibt, dafs solche Fasern von Öentren ausstrahlen, die er als »Monstrezellen« bezeichnet. In dieser Beziehung weicht mein Ob- jJeet von dem seinigen ab. Ich konnte solche Fasern in meinen relativ dieken Schnitten sehr oft auf weite Strecken, von der Peripherie bis in die Nähe der grauen Substanz verfolgen, ohne dafs es mir gelungen wäre, einen Kern zu beobachten, von dem ich mit Bestimmtheit hätte sagen können, dieser Kern gehört zu dieser Faser. Bei den feineren Fasern wird man, wenn man sie nur genügend weit verfolgen kann, in dieser Bezie- hung nie in Verlegenheit kommen. Solche Monstrefasern dringen nicht selten durch die ganze weilse Substanz durch und treten noch in die graue ein. Dabei nehmen sie jedoch fortwährend an Dicke ab. Bis in die Nähe des Centralkanals konnte ich sie nie verfolgen, sie scheinen in den peripheren Theilen der grauen Substanz zu enden. Man mufs sich übrigens bei der Beschreibung dieser Monstrefasern hüten vor der Verwechselung mit Faserbündeln, wie sie sich beim Orang sehr häufig finden, und zwar sowohl in der grauen als auch in der weilsen Substanz (Fig.10). Da sieht man dann, wie von einem Kern aus eine ganze Anzahl feiner Fasern ausgehen, den Kern zwischen sich schliefsen, um sich nach ganz kurzem Verlauf so eng zusammenzuschliefsen, dafs sie eine Monstrefaser sehr wohl vortäuschen können. Das Bündel kann sich entweder nach längerm Verlauf wieder in seine Componenten auflösen 14 R. Krause: oder sich geschlossen verlieren. Auch die echte Monstrefaser kann hier und da eine ganz feine Längsstreifung aufweisen, so dafs der Verdacht nicht ganz von der Hand zu weisen ist, dafs auch sie nur ein Faserbündel darstellt. Aber dieses Faserbündel, wenn es sich wirklich um ein solches handelt, löst sich niemals auf, seine Elemente weichen niemals aus einander, um einen Kern zwischen sich zu schliefsen. Für alle Gliafasern, die dünnsten wie die dicksten, gilt als allge- meine Regel, dafs sie niemals Varicositäten aufweisen, sondern entweder ganz gleichmäfsig dick sind oder sich an einem‘oder beiden Enden ver- jüngen. Niemals konnte ich, ebenso wenig wie Weigert, Knöpfchen am Ende der Gliafasern beobachten, da, wo sie an die Gefäfse herantreten, so wie sie uns die Golgi-Methode so häufig zeigt. (Über das Verhalten der Gliafasern zu den Gefäfsen wird ein besonderes Capitel handeln.) Nie- mals konnte ich auch jene fulsförmigen Anschwellungen am peripheren Ende der Fasern finden, wie sie uns die Golgi-Praeparate an der äulseren Circumferenz des Rückenmarks zeigen. Durch das Aneinanderreihen und Zusammenschliefsen jener fulsförmigen Anschwellungen soll bekanntlich die Grenzmembran, die Membrana limitans meningea zu Stande kommen. Auf dem Querschnitt erscheinen die Gliafasern meist rund, punkt- förmig; nur die Monstrefasern machen hiervon eine Ausnahme, sie sind nämlich meist strichförmig auf dem Querschnitt, stellen also keine Balken, sondern breite Bänder dar. Die Frage, ob die Neurogliafasern hohl oder solid sind, ist schon von Weigert in letzterm Sinne entschieden worden, und auch ich habe in meinen Praeparaten niemals eine Beobachtung gemacht, welche im andern Sinne zu deuten wäre. Ähnlich verhält es sich auch in Bezug auf die Frage nach der Ver- ästelung der Neurogliafasern. Man kann sich sehr wohl vorstellen, dafs jede stärkere Gliafaser sich aus Primitivfasern aufbaut, und eine solche Annahme läfst sich, wie wir früher gesehen haben, durchaus nicht so olıne weiteres von der Hand weisen. Es könnten dann aus jeder stärkeren Faser Primitivfasern abbiegen. Wenn wir diese Annahme von der Zu- sammensetzung der Fasern machen, dann müssen wir nur dabei bemerken, dals ein sehr grofser Theil der freien Fasern anscheinend Primitivfasern sind und dafs es andererseits zahlreiche zusammengesetzte Fasern gibt, deren Elemente sich während des ganzen Verlaufs nicht von einander trennen. Untersuchungen über den Bau des Centralnervensystems der Affen. 15 Mit der vorigen Frage ist dann eine andere nahe verwandt. Gibt es Anastomosen zwischen den Gliafasern? Wie Weigert schr treffend be- merkt, ist die Bedeutung dieser Frage aulserordentlich überschätzt worden. An manchen Orten, vor allem in den Gliasepten der weifsen Substanz, ist die Durchfleehtung der Gliafasern eine aufserordentlich enge und dichte, aber wirkliche Anastomosen habe ich nie finden können. Ebenso ver- geblich wird man nach solchen in der centralen Gliamasse suchen. Es dürfte allerdings sehr schwer sein, bei dem ungeheuern Fasergewirr in dieser Beziehung eine absolut sichere Behauptung aufzustellen. Wenn wir uns nun zur Betrachtung der Gliafasern bei Inwus wenden, so finden wir hier nicht unwesentliche Unterschiede. Wenn uns beim Orang eine gewisse Mannigfaltigkeit in Bezug auf Dieke, Krümmung und Verlaufrichtung der Fasern auffiel, so ist das hier gerade umgekehrt. Das Bild, welches die Neurogliafasern in der grauen Substanz des Inuus- Rückenmarks liefern, ist ein sehr einförmiges (Fig. 19). Eine Faser sieht fast genau aus wie die andere. Alle Fasern sind mit den gleich zu er- wähnenden Ausnahmen gleich dick, ungefähr 0.3 u. Was aber noch mehr auffällt, ist der Umstand, dafs alle Fasern fast dieselben Wellenlinien zeigen bei sonst ganz gerader Verlaufsrichtung. Es macht den Eindruck, als ob das ganze Fasermeer, in Bewegung befindlich, plötzlich erstarrt wäre, so dafs jeder Theil noch dieselbe Phase der Bewegung zeigt. Nur in der Gegend des Centralkanals wird das Bild etwas mannigfaltiger. Hier fällt einmal ein starker Zug dickerer, wenig geschlängelter Fasern auf, die in das Septum posterius eintreten und ohne Zweifel Ependymfasern darstellen. Ferner sieht man, aber ungleich seltener, auch in den seitlichen Partien hier und da noch eine diekere, auf den Centralkanal lossteuernde Faser. Etwas beträchtlicher als in der grauen Substanz sind die Diekenun- terschiede in der weilsen Substanz, aber bei weitem nicht so wie beim Orang. Monstrefasern findet man jedenfalls nie. Man kann im allgemei- nen sagen, dafs die der Peripherie näher gelegenen Fasern etwas dicker sind als die mehr central gelegenen. Bei Ateles differiren die Fasern etwas mehr als bei Inuus. Auf- fallend war hier der Umstand, dafs die stärksten Fasern, abgesehen von den mächtigen Ependymfasern, immer in der Nähe der gröberen Gefälse verliefen und hier oft recht bizarre Formen annahmen. Überhaupt war das ganze Bild lebhafter, abwechselungsreicher als bei Inuus. 16 R. Krause: Nachdem so die beiden unter gewöhnlichen Verhältnissen sichtbaren Bestandtheile der Neuroglia in den Weigert-Praeparaten, Kerne und Fa- sern, abgehandelt worden sind, wäre noch Einiges über die Beziehungen beider zu einander anzuführen. Die Gliazellen der untersuchten Affen sind, wie früher ausführlich auseinandergesetzt, aller Wahrscheinlichkeit nach zum grolsen Theil mehrkernig, und die Fasern verlaufen dann zwischen den einzelnen Kernen hindurch. Sehr häufig ist der Fall, dafs zwei Kerne mit den Breitseiten eng an einander liegen, wie das Fig. 4 und 7, Taf. I zeigen. Es wird so das Faserbüschel zwischen den beiden Kernen stark zusammengeprefst, um dann jenseits der Umschnürungsstelle wieder aus einander zu strahlen. Es erinnern diese Bilder dann aulserordentlich an diejenigen, welche Golgi-Praeparate zeigen. Man braucht sich nur die Kern- stelle durch einen Silberniederschlag verdeckt zu denken, und man hat eine der bekannten Gliazellen mit polarer Anordnung der Ausläufer. In den Weigert’schen Abbildungen der Taf. I von einzelnen Glia- zellen sieht man aufserordentlich zahlreiche bogenförmige Fasern, welche nicht den Zellkörper der ganzen Länge nach durchsetzen. . Solche Bilder sah ich beim Orang ziemlich selten; hier verlaufen die Fasern immer zwi- sehen den Kernen oder, wenn nur einer vorhanden ist, gerade an ihm vorbei. Dagegen trifft man gerade solche Fasern sehr zahlreich in der grauen Substanz von Ateles. Wie ich schon eingangs der Arbeit erwähnte, gelingt es bei diesem Thier sehr leicht, neben Kern und Fasern auch das Protoplasma der Glia- zellen zu färben, und zwar hauptsächlich an denjenigen Gliazellen, welche in der Nachbarschaft der Gefäfse liegen. Es ist dieses Verhalten natürlich sehr interessant, da es uns gestattet, das Verhältniss der Gliafasern zu dem Zellkörper näher zu studiren (Fig. S). Die Kerne, meistens handelt es sich nur um einen einzigen, erscheinen in solchen Zellen tief dunkelblau gefärbt. Der Kern liegt in einer lichter blau gefärbten Masse, die ohne Zweifel den Protoplasmaleib der Gliazelle darstellt. Derselbe umgibt den Kern als ein mehr oder weniger schmaler Saum. Die Gliafasern selbst sind, wie immer, tief blau gefärbt und heben sich sehr scharf und praegnant von dem hellen Zellkörper ab. Man sieht nun, dafs die Fasern in der äulsersten Schicht des Protoplasmas verlaufen. Sehr häufig biegen sie in der Nähe des Kerns spitz oder stumpfwinkelig um, ebenso häufig aber zie- hen sie auch gerade durch den Zellkörper hindurch. Die Fasern sind meist Untersuchungen über den Bau des Centralnervensystems der Affen. 17 ziemlich stark und lassen sich oft auf sehr weite Strecken hin verfolgen. Immer reicht der Protoplasmasaum noch ein kleines Stückchen vom Zell- leib an der Faser entlang, ihr dicht anliegend und spitz auslaufend. Es ist also hier der eigentliche Zellkörper selbst auch sternförmig. Dafs die Golgi-Methode hier nur Zellen mit langen Ausläufern hervorbringen kann, ist selbstverständlich. Ja, die Täuschung kann selbst bei der Weigert- Methode eintreten. Ist die Differenzirung, d.h. die Behandlung mit Anilin- Xylol, nieht lange genug fortgesetzt, so können Bilder entstehen ganz so, wie sie uns Golgi-Praeparate bieten. Man kann dann aus der total blau gefärbten Zellmasse nur noch den Kern heraus erkennen, aber eine Unter- scheidung von Zellkörper und Faser ist nicht mehr möglich. Bevor ich diesen allgemeinen Theil verlasse, möchte ich noch auf einen Punkt eingehen, welcher die Ependymfasern betrifft. Bekanntlich färben sich diese Fasern, wie Weigert berichtet, beim Menschen mit seiner Me- thode nicht. In meinen Praeparaten verhielt sich die Sache anders. Ich habe sie beim Orang wahrscheinlich in vielen, bei /nuus und Ateles sicher in fast allen Praeparaten gesehen. Doch ist ihr Verhalten bei den einzel- nen untersuchten Thieren etwas verschieden. Beim Orang findet man in zahlreichen Praeparaten auffallend starke Fasern, die in starken Biegungen entweder die centrale Gliamasse durch- setzen und bis an die Ependymzellen herantreten oder sich schon in er- sterer verlieren (Fig. 10). Immer aber streben sie gerade auf den Central- kanal los. Sehr häufig ziehen die Fasern von der dorsalen Ecke des Kanalquerschnitts durch die hintere Commissur durch, um in das Septum posterius einzutreten. Es liefs sich aber niemals genau eruiren, wie das Verhältnifs dieser Fasern zu den Ependymzellen war. Aber der Befund bei den beiden anderen Thieren ‚machte es sehr wahrscheinlich, dafs es sich hier um Ependymfasern handelte. Hier finden sich nämlich solche Fasern in grofser Anzahl in jedem Praeparat und sind meist gerade so stark oder noch stärker als beim Orang (Fig. 15 und 16). Hier erkennt man nun ihren Verlauf auf das schönste und deutlichste, und man kann in vielen mit absoluter Sicherheit und Schärfe eonstatiren, dafs die Fasern zwischen die Kerne der Ependym- zellen hineindringen und mit ihrem etwas zugespitzten Ende in der Höhe des Kanallumens endigen. Es verhalten sich also diese Fasern ganz ähn- lieb wie die übrigen Gliafasern. Auch ihre Substanz ist chemisch und Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. III. 3 18 R. Krause: morphologisch von dem Körper der Ependymzellen differenzirt. Fig. 8, Taf. I stellt Praeparate vom Ateles-Rückenmark dar, welche eine ganz ähn- liche Anordnung der Ependymfasern des Septum posterius zeigen, wie sie von Leuhossek und Anderen beim menschlichen Embryo beschrieben wor- den sind. Beim Menschen sollen diese Fasern sehr bald zu Grunde gehen, beim Affen bleiben sie jedenfalls sehr lange erhalten. Der junge Orang war ja allerdings noch ein verhältnifsmäfsig junges 'Thier, bei /nuus und Ateles aber handelte es sich um vollkommen erwachsene Thiere. Ein gewichtiger Unterschied scheint allerdings zwischen höheren und niederen Affen zu bestehen. Beim Orang ist es mir, trotzdem ich speeiell zu diesem Zwecke sehr zahlreiche Praeparate durchsucht habe, niemals gelungen, eine der verdächtigen Ependymfasern bis zwischen die Kerne der Ependymzellen zu verfolgen. Bei Inuus gelang mir das recht oft, und bei Ateles fanden sich solche Stellen fast in jedem Praeparat (Fig. ı5 und 16). Danach könnte es so scheinen, als ob die Ependymfasern mit höherer Or- ganisation des 'Thieres eine grölsere Selbständigkeit erlangen und sich von ihrer zugehörigen Zelle mehr und mehr emaneipiren. Auf.jeden Fall er- scheint mir die Beobachtung interessant, dafs die Ependymfasern da, wo sie noch in ihrer ursprünglichen Ausdehnung erhalten sind, dasselbe Ver- halten zeigen, wie die ihnen gleichwerthigen Gliafasern. Damit schliefse ich den allgemeinen Theil meiner Arbeit und wende mich zur speciellen Besprechung der Gliaverhältnisse in den einzelnen Theilen des Rückenmarks. Ich werde dabei so vorgehen, dafs ich zu- nächst die graue Substanz des Rückenmarks in den verschiedenen Höhen und bei den verschiedenen Thieren und dann die weifse Substanz in gleicher Weise bespreche. Den Schlufs soll dann bilden eine Schilderung des Ver- haltens der Neuroglia zu den Gefäfsen und eine Betrachtung über den phy- siologischen Werth der Neuroglia. Die Neuroglia der grauen Substanz. Wie schon Weigert in seiner classischen Arbeit Kölliker gegen- über betont hat, sind die Neurogliaverhältnisse der grauen Substanz durch- aus nicht so einfach, wie gewöhnlich angenommen wird; vor allem aber breitet sich die Neuroglia keineswegs gleichmäfsig über die graue Sub- stanz aus oder ist gar in ihr spärlicher vorhanden als in der weifsen Sub- stanz. Es ist deshalb, wie Weigert sehr treffend bemerkt, nicht mög- Untersuchungen über den Bau des Centralnervensystems der Affen. 19 lieh, die Gliaverhältnisse der grauen Substanz so über Bausch und Bogen abzumachen, sondern die einzelnen Theile verlangen eine gesonderte Be- sprechung. Dazu kommt noch ein weiterer Umstand, der mir aber von Weigert nicht stark genug hervorgehoben scheint: es sind die Gliaver- hältnisse beim Affen, und beim Menschen wird es wohl ähnlich sein, der grauen Substanz auch in den einzelnen Höhen des Rückenmarks recht ver- schieden; so sieht z. B. die hintere Commissur im Halsmark total anders aus als im Lendenmark. Diefs gilt allerdings hauptsächlich für die um den Centralkanal herum gelegenen Theile mit ihrer so enorm entwickelten Neuroglia. In den übrigen Theilen der grauen Substanz sind die Unter- schiede keine so frappanten. Ich will mich zunächst zur Besprechung der centralen Gliamasse wenden, der für uns weitaus interessanteste Theil der grauen Substanz. Den Namen Substantia gelatinosa centralis möchte ich vermeiden, da er ungefähr das Gegentheil von dem besagt, was in der Substanz wirklich vorhanden ist. Die centrale Gliamasse. Schon makroskopisch kann man an einem gut gelungenen Weigert- Praeparat diese centrale Gliamasse als deutlichen blauen Fleck erkennen, und ebenso leicht kann man dann constatiren, dafs dieser blaue Fleck in den verschiedenen Höhen des Rückenmarks eine verschiedene Form hat. Fer- ner ist leicht wahrzunehmen, dafs die Gröfse dieser blauen Masse nicht ab- hängig ist von der Gröfse des Rückenmarksquerschnitts, d. h. nicht mit demselben grölser oder kleiner wird. Im Bereiche des Halsmarks umgibt die centrale Gliamasse den Üen- tralkanal, der hier auf dem Querschnitt einen dorso-ventral gerichteten Spalt darstellt in Form eines unregelmäfsigen dreieckigen Ringes, der eine gröfste Breite von 350 u, eine grölste Länge von 520 u aufweist. Ventral läuft er ziemlich spitz zu und verliert sich in der vorderen Commissur, dorsal sitzt er mit breiter Basis der hinteren Commissur auf. Die beiden dorsalen Ecken des Dreiecks sind in zwei lange Spitzen ausgezogen, welche die hintere Commissur durchsetzen und in ihrem weitern Verlauf die Grenze zwischen Hinterhorn und Hinterstrang bilden. Es resultirt daraus die um- stehende Figur (Fig.ı). Innerhalb derselben, die an manchen Stellen mit einem kopflosen menschlichen Rumpf eine flüchtige Ähnlichkeit besitzt, liegt immer eine gröfsere Arterie und Vene dicht neben einander am dorsalen 3s 20 R. Krause: Ende des Centralkanals. Aufserdem ist ihr auf der einen Seite in der Höhe des ventralen Endes des Centralkanals eine mächtige Vene dicht angela- gert.-. Auf jeder Seite finden sich in der Nähe noch eine oder zwei klei- nere Arterien. In der Längsachse der Figur verläuft, wie schon gesagt, der Centralkanal, und um ilın herum, nach aufsen von den Ependymker- nen, findet sich eine schmale helle Zone mit nur spärlichem Fasergehalt. Sonst wird die bei schwacher Vergröfserung gleichmäfsig blaue Masse nur durch kleine Gefäfslumina unterbrochen. Fig. 1. Fig. 2. Vorderstränge, Vorderstränge. Clarke- Clarke- sche sche Säule. Säule. Hinterstränge. Hinterstränge. Schema der Ausdehnung der centralen Glia- Schema der Ausdehnung der centralen Gliamasse im masse (punktirt) im Halsmark des Orang. Ge- Dorsalmark. Entworfen mit Zeifs C.Oe.2. Projeetion fälse schraffirt. Entworfen mit Zeils C. Oe.2 auf den Arbeitstisch. Projection auf den Arbeitstisch. Je tiefer wir im Halsmark heruntergehen, um so mehr verkürzt sich die Längsachse und wächst der quere Durchmesser der Figur, so dafs wir, in der Höhe des ersten Dorsalnerven angekommen, nun die centrale Gliamasse in Form eines etwas unregelmäfsigen Vierecks erblicken (Fig.2). Diese Än- derung rührt wohl einmal und hauptsächlich her von einer Änderung des Querschnittsbildes des Centralkanals, welcher viel breiter geworden ist und ebenfalls eine unregelmäfsig viereckige Form angenommen hat. Dann hat sich aber auch das Querschnittsbild der grauen Substanz wesentlich ver- ändert, hauptsächlich durch das Auftreten der Seitenhörner, die, nach den Untersuchungen über den Bau des Centralnervensystems der Affen. 21 Waldeyer’schen Abbildungen zu schliefsen, beim Orang noch stärker ent- wickelt sind als beim Gorilla und lange, weit in die weilse Substanz vor- springende und dieht mit Nervenzellen durchsetzte Zipfel darstellen. Ein weiterer Grund für das Breitenwachsthum der eentralen Gliamasse bildet dann das Verhalten der Clarke’schen Säulen, die, wie später aus einander gesetzt werden soll, gleichsam in die centrale Gliamasse hineinrücken. Längs- und Querdurehmesser des Vierecks sind ungefähr gleich grols, etwa 450 u. Die vordere Spitze verliert sich in der ventralen Commissur, die hintere steht weit von dem Septum posterius ab, so dafs eine sehr breite hintere Commissur resultirt. Die seitlichen Spitzen ragen ziemlich weit in die graue Substanz hinein und umfassen dorsalwärts die Clarke’schen Säulen. Grössere Gefälfse finden sich innerhalb der centralen Gliamasse hier fast gar nicht; nur an die seitlichen Zipfel grenzt eine starke Arterie. Die Form der centralen Gliamasse ist im ganzen Dorsalmark einigen Schwan- kungen unterworfen, die sich wesentlich auf die Ausbildung der seitlichen Zipfel beziehen und abhängig sind von der Ausdehnung des Seitenhorns. Je weiter man nämlich im Dorsalmark heruntersteigt, um so kleiner wird das Seitenhorn, bis es im untern Dorsalmark völlig eingezogen erscheint. So bildet nun im Lumbalmark die centrale Gliamasse ein langes Vier- eck (Fig.3 S.22). Der Centralkanal ist wieder ein langer, dorso-ventral ver- laufender Spalt geworden und ist umsäumt von der jetzt ziemlich schmalen Gliamasse. Das Viereck mifst in der Breite etwa 280 u, in der Länge etwa 700 u. Während sich im Hals- und Brustmark die centrale Glia- masse ziemlich scharf gegen die graue Substanz absetzt, geht sie hier allmählich in dieselbe über, und es sind deshalb genaue Breitenmafse nicht zu geben. Dorsal läfst sie sich auch nicht gegen die hintere Commissur abgrenzen, da dieselbe von mächtigen Bündeln von Gliafasern durchsetzt wird, welche in das Septum posterius einstrahlen. Ventral reichen die diehten Fasermassen fast bis auf den Boden der vorderen Fissur. Die ganze centrale Gliamasse ist umsäumt von starken Arterien und Venen, von denen eine besonders mächtige etwas seitlich von dem ventralen Ende des Gentralkanals liegt. Über das Sacralmark des Orang kann ich leider hier nichts berichten, da es anderweitig verwendet wurde. Ganz anders als beim Orang liegen die Verhältnisse bei Iruus und Ateles (Fig. 14, 15, 16). Eine so scharf abgesetzte, makroskopisch schon 22 R. Krause: leicht wahrnehmbare centrale Gliamasse ist hier überhaupt nicht vorhan- den. Bei Inuus ist ja die Gegend um den Centralkanal auch schon bei schwacher Vergrölserung deutlich stärker blau gefärbt als die übrige graue Substanz, aber sie ist so wenig scharf abgesetzt, dafs eine makroskopische Beschreibung nicht lohnt. Bei Adeles endlich dürfte die Kölliker’sche Behauptung zutreffen, dafs die Vertheilung der Gliazellen in der grauen FR Substanz eine annähernd gleichmäfsige ist und dafs 79. 8. Vorderstränge. die etwas stärkere Färbung um den Centralkanal nur von mitgefärbten Ependymfasern herrührt. Ich wende mich nun der Schilderung der centralen Glia- masse beim Orang zu, wie sie sich uns bei Anwen- dung von homogener Immersion darbietet. Im Halsmark (Fig. ı0, ı1) sind die Fasern der centralen Gliamasse fast alle von gleicher Dicke; nur hier und da gewahrt man später noch besonders zu erwähnende, erheblich diekere Fasern. Auf dem Rückenmarksquerschnitt erscheint die grofse Masse der Fasern quer geschnitten und bildet einen dichten Ring um den Centralkanal. Auf die Ependymkerne folgt zunächst nach aufsen eine schmale helle Zone, in welcher die Gliafasern schräg oder der Länge nach getroffen sind. Entweder verlaufen die Fasern ring- förmig um den Kanal oder sie strahlen direet radiär nach ihm zu. Das erstere ist besonders in den seit- Kt MN a N lichen Partien, das letztere an dem ventralen und {ralen Gliunasse im Lumbalmark. dorsalen Ende des Kanals der Fall. Doch behalten Gefäfse schraffirt, Gliamasse punk- Hirt. Entworfen mit Zeifs C.0c.2. diese Fasern nie für grölsere Strecken dieselbe Ver- Projection auf den Arbeitstisch. oO laufsriehtung bei, sondern biegen bald in die Längs- richtung um. Nur am ventralen und dorsalen Ende kann man Fasern auf längere Strecken verfolgen, wie sie der vorderen Fissur bez. dem Septum posterius zustreben. Hinterstränge. Es folgt nun nach aufsen eine den ganzen Centralkanal in verschie- dener Dicke umgebende Schicht quer getroffener, also im Rückenmark längs verlaufender Fasern. Diese Schieht ist in den seitlichen Partien aufser- ordentlich mächtig und dicht. Hier liegt Faserquerschnitt dieht neben Faserquerschnitt, und es erscheint das Einerlei dieser mächtigen Faser- A Untersuchungen über den Bau des Centralnervensystems der Affen. 23 masse nur unterbrochen durch zahlreiche Querschnitte kleiner Gefälse und Capillaren. Die sich hier findenden Kerne sind wenig zahlreich, klein und chromatinreich; dabei mufs man allerdings bedenken, dafs ja mancher Kern in dieser diehten Fasermasse der Beobachtung entgehen kann. Dorsalwärts lichtet sich nach der hinteren Commissur zu die Faser- masse etwas auf. Wie schon früher erwähnt, ist die Basis der Dreiecks- figur, welche die centrale Gliamasse im Halsmark darstellt, an ihren beiden Enden in je einen langen Zipfel ausgezogen, der ungefähr entlang der Grenze zwischen Hinterhorn und Hinterstrang läuft. In diesem Zipfel ist nun zunächst die Fasermasse noch recht dicht, lichtet sich jedoch da, wo er von den Nervenfasern der hinteren Commissur durchsetzt ist, mehr und mehr auf. Während in der Nähe des Centralkanals alle Fasern quer getroffen sind, ändert sich das, je mehr wir in dem Zipfel uns dem Hinterhorn nähern. Zunächst erscheinen die Fasern schräg, später längs geschnitten und laufen in einen Faserzug aus, welcher an der Grenze zwischen Hinterhorn und Hinterstrang entlang läuft, um sich dann zwi- schen den Fasern des Burdach'schen Stranges zu verlieren. Diejenigen Fasermassen, welche zwischen den beiden Zipfeln liegen, also die Basis des Dreiecks bilden, bieten eine sehr interessante Configu- ration. Auch hier erscheint die grofse Masse der Fasern quer getroffen; aber sie werden durch dünne, längs verlaufende Bündel, welche vom Centralkanal kommen und der hinteren Commissur zustreben, in zahlreiche schwächere und stärkere Bündel gesondert. Wir haben also in der zwi- schen hinterer Commissur und Centralkanal gelegenen Partie der centralen Gliamasse im Halsmark stark längs verlaufende Bündel von Gliafasern, welche durch schwächere Horizontalbündel gesondert und durchflochten werden. L Je mehr wir uns der hinteren Commissur nähern, um so mehr findet ‘eine Auflockerung der dichten Gliamasse statt; es muls ja selbstverständ- lich Raum geschaffen werden für die durchtretenden nervösen Elemente, Nervenfasern und Dendriten. Auch in der Commissur selbst trifft man noch zahlreiche quer getroffene Gliafasern zu kleineren Bündeln zusammen- geschlossen. Man kann dabei an diekeren Schnitten sehr schön beob- achten, wie diese Fasermassen aus dem Septum posterius stammen und, in der Commissur angelangt, rechtwinkelig umbiegen. Das heifst, rich- tiger gesagt wird sich die Sache wohl so verhalten, dafs die ganze hintere 24 R. Krause: Commissur im Halsmark von Längsbündeln von Gliafasern durchzogen ist, welche von Strecke zu Strecke rechtwinkelig umbiegen, um in das Septum posterius einzubiegen. Aufserdem aber finden sich in der hinteren Commissur auch noch Fasern, welche quer verlaufen, Horizontalfasern, und aus jenem oben be- schriebenen Strang stammen, welcher Hinterhorn und Hinterstrang trennt. Auch in der hinteren Commissur finden sich relativ wenig Kerne, aber verhältnifsmäfsig doch mehr als in der eigentlichen centralen Gliamasse, die uns aufs deutlichste die Richtigkeit des Weigert’'schen Satzes de- monstrirt, dafs die Zahl der Gliakerne, d.h. Gliazellen, in durchaus keinem constanten Verhältnifs zur Zahl der vorhandenen Gliafasern steht. Die centrale Gliamasse ist beim Orang so reich an Fasern, besonders in den seitlichen Partien, dafs das Auge sich schwer darin zurechtfindet. Und trotzdem die wenigen Kerne. Ja, wenn selbst eine ganze Anzahl über- sehen würde, so wären es immer noch verschwindend wenig im Ver- gleich zu der enormen Fasermasse. Am ventralen Ende des Centralkanals findet ebenfalls eine Auflocke- rung der centralen Gliamasse statt, doch in ganz anderer Weise als am dorsalen Ende. Die quer getroffenen Fasern liegen hier einzeln und wer- den durch zahlreiche längs verlaufende, stark geschlängelte Fasern von einander getrennt. Die Richtung der letzteren ist zum gröfsten Theil die dorso-ventrale, sie streben der vorderen Fissur zu; daneben kommen auch quer verlaufende Fasern, doch bei weitem nicht so viele, dafs man von einer besonderen Ringeommissur sprechen könnte. Je mehr wir uns nun der weifsen Commissur nähern, um so mehr lichtet sich die Gliamasse. Die erstere wird durchsetzt von zwei ziem- lich starken Faserbündeln, welche, vom Boden der vorderen Fissur herun- terkommend, in spitzem Winkel aus einander weichen und in die graue Substanz einstrahlen. Die vordere Commissur ist, obwohl an Gliafasern ärmer als die hin- tere, an Kernen doch reicher als sie. Es finden sich sehr zahlreiche grofse helle Kerne. Die Bilder, welche uns Längsschnitte des Halsmarks geben, sind in mancher Beziehung noch instructiver als die Querschnittsbilder, indem sie uns nämlich noch eindringlicher den enormen Reichthum der centralen Gliamasse an Fasern vor Augen führen. Der Centralkanal wird rechts Untersuchungen über den Bau des Centralnervensystems der Affen. 25 und links von einer mächtigen Säule längs verlaufender Fasern flankirt, deren diehter Filz nur von den mehr oder weniger längs getroffenen Ge- fäfsen unterbrochen wird. Auch hier setzt sich die centrale Gliamasse ziemlich gut und scharf gegen die graue Substanz ab. Sowohl in den Querschnitten, als in den Längsschnitten fallen auch schon bei flüchtiger Durchmusterung starke Fasern auf, welche in den Querscehnitten immer radiär auf dem Centralkanal hinziehen, in den Längs- schnitten aber auch manchmal schräg getroffen erscheinen. Entweder ver- lieren sie sich in den dichten Fasermassen der Umgebung des Üentral- kanals oder sie lassen sich bis dicht an das Ependym heran verfolgen. Sie reichen meist weit in die graue Substanz herein und verlaufen bald mehr geradlinig, bald stark geschlängelt. Dafs es sich hier um Ependym- fasern handelt, läfst sich nicht direet nachweisen, da ein Eindringen zwi- schen die Ependymzellenkerne niemals constatirt werden konnte. Etwas andere Verhältnisse bietet uns das mikroskopische Bild der centralen Gliamasse im Brustmark dar. Wenn sich hier auch noch starke Längsfaserzüge zu beiden Seiten des Centralkanals finden, so treten doch auch schon die Querfaserzüge stark in den Vordergrund. Im Querschnitt erscheint neben den zahlreichen Faserquerschnitten eine grofse Anzahl schräg geschnittener Faserbündel. Die Erklärung für dieses Verhalten bietet uns der Längsschnitt des Dorsalmarks. Hier sieht man zu beiden Seiten des Centralkanals einmal ganz gerade verlaufende Längsbündel; da- neben und dazwischen aber finden sich Bündel, welche stark wellig ver- laufen, oft geradezu abgeknickt sind. Solche Fasern müssen auf dem Rückenmarksquerschnitt natürlich schräg oder gar längs getroffen er- scheinen. Auch im Dorsalmark sind ‚ie Fasermassen seitlich vom Öentralkanal aufserordentlich dicht, so dafs im Längsschnitt Faser dicht bei Faser liegt. Dazwischen treten nun aber auch zahlreiche Querfasern auf, oder, richtiger gesagt, ein grofser Theil der seitlich vom Centralkanal gelegenen Längs- fasern biegt rechtwinkelig nach aufsen um und tritt in den Fortsatz ein, welehen die centrale Gliamasse nach dem in dieser Gegend ja mächtig entwickelten Seitenhorn hinschickt, so dafs dieser Fortsatz fast ausschliefs- lich aus Querfasern besteht. Dieser Seitenzipfel setzt sich gegen die graue Substanz weniger scharf ab, weil die ihn constituirenden Fasern sich all- mählich in jener verlieren. Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. III. 4 26 R. Kravse: Noch stärker verändert hat sich das Bild, welches uns die dorsale Partie der centralen Gliamasse darbietet. Die exquisite Sonderung in com- pacte Faserbündel, die so charakteristisch für das Halsmark ist, vermissen wir hier vollständig. Die grofse Masse der Fasern sind hier sehr dicht gelegene Längsfasern, von zahlreichen Gefäfsen durchsetzt. Nur ein ein- ziges starkes Bündel grenzt sich noch einigermafsen deutlich ab. Von diesen Längsfasern biegen nun wieder stark Querfaserzüge rechtwinkelig dorsalwärts ab, um in das Septum posterius einzustrahlen. Hauptsächlich sind es drei Bündel, welche sich hier sehr gut markiren. Ein mächtiger Faserzug kommt am weitesten ventralwärts her, fast vom hintern Ende des Centralkanals, verläuft ziemlich genau in der Mittellinie, durchsetzt die hintere Commissur und strahlt in das Septum posterius ein. Rechts und links von diesem Hauptbündel liegt noch je ein kleineres Bündel, welches ebenfalls dorso-ventral, ungefähr parallel mit dem vorigen und zuletzt convergirend in das Septum eindringt. Diese kleineren Bündel reichen aber nicht so weit ventralwärts, als das Hauptbündel. Die hintere Commissur wird dann ferner noch von zahlreichen längs und quer verlaufenden Fasern durchsetzt, welche aber keine charakteri- stische Anordnung aufweisen. Längsfasern finden sich in gröfserer Menge an der Grenze zwischen hinterer Commissur und Hinterstrang, und vor allem in jenem spitzen Winkel, welchen die ventralen Enden der beiden Hinterstränge mit einander bilden. Der ventrale Abschnitt der centralen Gliamasse ist hier ziemlich breit und reich an Fasern. Er setzt sich auch schärfer als im Halsmark von der vorderen Commissur ab. Im Rückenmarksquerschnitt erscheinen die Fasern zum gröfsern Theil schräg, zum kleinern quer getroffen. Von einer Ringeommissur kann hier noch weniger als im Halsmark die Rede sein. In der vorderen Commissur fallen kleine und sehr zerstreut liegende Bündelchen von Längsfasern auf. Sie wird ferner durchsetzt von den ziem- lich beträchtlichen Fasermassen, welche vom Grunde der vorderen Fissur kommen und schräg nach aufsen und dorsal verlaufend in die graue Sub- stanz einstrahlen. Ganz anders das Bild im Lendenmark (Fig. ı2). Es wird charakterisirt durch das allmähliche Verschwinden jener Längsfaserzüge, welche im Hals- und Brustmark vor allem zu beiden Seiten des Centralkanals so mächtige Fasermassen bildeten. Die Folge davon ist die schon früher erörterte Untersuchungen über den Bau des Üentralnervensystems der Affen. 27 Breitenabnahme der centralen Gliamasse im Lendenmark. Es macht den Eindruck, als ob sie, vom Halsmark zum Lendenmark herabsteigend, sich allmählich an Längsfasern ausgibt. Dadurch aber, dafs diese mächtigen Fasermassen, welche vorher das Bild völlig beherrschten, nach und nach verschwinden, lichtet sich die eentrale Gliamasse immer mehr und mehr auf. Wie sich das erklärt und in welchem Zusammenhang es mit der Bildung des Septum posterius steht, soll in dem nächsten Capitel erörtert werden. Je tiefer wir im Lumbalmark herabsteigen, um so schmaler wird jene ‚früher so mächtige Schicht von Längsfasern, welche den Centralkanal zu beiden Seiten begleitet. Schon im Beginn der Lendenanschwellung ist sie höchstens noch 704 breit. Man sieht auf. das deutlichste, wie die Längs- fasern umbiegen und sieh in schrägem Verlauf hauptsächlich dorsalwärts wenden. Deshalb trifft man auf dem Rückenmarksquerschnitt zwischen den Faserquerschnitten auch sehr zahlreiche Schrägschnitte. Aufserdem strahlen auch die Fasern seitlich in die graue Substanz, und es erscheint deshalb die centrale Gliamasse nicht mehr gegen jene abgesetzt, sondern geht all- mählich in jene über. Das dorsale Ende des Centralkanals ist von einem schleifenförmigen Faserbündel umzogen, so dafs man hier von einer Ringcommissur sprechen könnte. Auf dieses Schleifenbündel folgt in einiger Entfernung nach der hinteren Commissur zu fortschreitend ein zweites und in der hinteren Com- missur selbst noch ein drittes und manchmal auch noch ein viertes dicht vor dem Hinterstrang. Es wird so der ganze Raum zwischen Centralkanal und Beginn des Septum posterius der Breite nach von drei bis vier Fa- serbündeln durchzogen, welche in den einzelnen Schnitten mehr oder we- niger scharf von einander getrennt sind. Sie füllen die hintere Commissur vollständig aus, die im Lendenmark so reich an Gliafasern ist, wie in keiner anderen Höhe des Rückenmarks, aufserordentlich viel reicher, als die übrige graue Substanz. Diese Commissurenbündel, wie ich sie einmal kurz bezeichnen will, ziehen von einer Rückenmarkshälfte zur anderen. Sie sammeln sich einmal aus Fasern des Hinterhorns, und zwar hauptsäch- lieh aus denjenigen Fasern, welche an der Grenze zwischen Hinterhorn und Hinterstrang entlang ziehen. Ferner treten hinzu Fasern, welche aus den mittleren Partien der grauen Substanz stammen; den Löwenantheil aber liefern wiederum die aus der Längs- in die Querrichtung umbiegen- den Fasern der centralen Gliamasse. 4 28 R. Kravse: Diese Commissurenbündel nun werden gekreuzt von zwei, drei, auch vier Bündeln von Gliafasern, die aus den Seitentheilen der centralen Glia- masse herabkommen und sammt und sonders in. das Septum posterius einstrahlen. Diese transversalen Bündel haben einen eigenartigen Verlauf; sie steigen nämlich treppenförmig, terrassenförmig vom Centralkanal zum Septum posterius herab, wie das nebenstehende Schema das andeuten soll. Man erhält so auf einem dünnen Rückenmarksquerschnitt zwischen Central- kanal und Septum posterius hinter einan- Fig.4. der liegend zwei bis drei getrennte Bündel- abschnitte, die aber nieht zu einem Bün- del, sondern zu ebensoviel verschiedenen Längsbündeln gehören. Zwischen diesen beiden sich gegen- seitig durchflechtenden Bündelsystemen verlaufen dann, aufser ganz regellos an- geordneten Fasern, auch noch kleinere und gröfsere, aber im allgemeinen doch spärliche, reine Längsbündel, so z.B. eins gerade am Anfang des Septum posterius, da, wo die Kuppen der Hinterstränge gerade aus einander weichen. Es lälst sich jedoch nicht sehr weit verfolgen und scheint schliefslich auch in das Septum posterius einzubiegen. Es bietet so die hintere Commissur des N RER ET: Lendenmarks mit ihren verschiedenen sich vom Gentralkanal Ireppentöruig herabsteigende Fa Aurchflechtenden Faserzügen' ein. aulser- ordentlich interessantes Bild. Man ist beim Anblick dieser zierlichen, ja sogar oft wirklich schönen Bilder er- staunt über den Reichthum an gliösen Elementen in dieser Commissur, den man gar nicht geahnt hat. Weigert hat auch schon diesen Glia- reichthum betont; eine meinen Praeparaten etwa entsprechende Abbil- dung habe ich aber in seiner Arbeit nicht gefunden. Es läfst sich auch schwer ein, doch wohl interessanter Vergleich ziehen zwischen Menschen- und Affen-Rückenmark in dieser Hinsicht, da Weigert leider gar nicht angegeben hat, aus welcher Höhe des Rückenmarks seine Praeparate Untersuchungen über den Bau des Centralnervensystems der Affen. 29 stammen und es doch wohl anzunehmen ist, dals sich auch beim Menschen Unterschiede hier finden. Bevor ich die hintere Commissur verlasse, mufs noch eine Frage kurz erörtert werden, nämlich ob es sich bei vielen dieser transversalen Fasern nicht um echte Ependymfasern handelt. Wie schon früher angedeutet wurde, läfst sich diese Frage auch hier nicht mit Sicherheit entscheiden. Manche Fasern machen allerdings mit ihrem eigenthümlich bogenförmigen Verlauf den Eindruck von Ependymfasern, doch lassen sich irgend welche Beziehungen zu den Ependymzellen selbst nicht nachweisen. Jedenfalls aber stellt die grofse Mehrzahl dieser transversalen Fasern keine Ependym- fasern dar. Während sich so starke Veränderungen in den dorsalen Partien der eentralen Gliamasse abspielen, haben die ventralen Partien ihr Aussehen nur ganz wenig geändert. Es tritt zwar auch hier ein Faserzug auf, welcher die rechte und linke Hälfte mit einander verbindet, doch ist er nur wenig ausgeprägt. Die vordere Commissur ist ganz im Gegensatz zu der hinteren scharf von der Gliamasse abgesetzt und wird durchzogen von Fasern, die, schon mehrfach erwähnt, vom Grunde der vorderen Fissur zum ventralen Ende des Centralkanals und den mittleren Partien der grauen Substanz fächerförmig ausstrahlen. Ich hätte mich nun zu der Besprechung der centralen Gliamasse bei den niederen Affen zu wenden. Dabei kann ich mich kurz fassen, da die Verhältnisse hier sehr einfach liegen. Eine gut ausgebildete und einiger- malsen gegen die umgebende graue Substanz abgesetzte centrale Gliamasse kommt bei /nuus nur im Halsmark vor (Fig. 14). Vom Epithel des Central- kanals wird dieselbe getrennt durch eine ziemlich breite faserfreie Zone. In den Seitenpartien der Gliamasse verlaufen die Fasern schräg und biegen in die graue Substanz ab. Das dorsale Ende des Centralkanals, der hier ein im dorso-ventralen Durchmesser stark in die Länge gezogenes Vier- eck darstellt, ist umzogen von zahlreichen bogenförmigen Commissuren- fasern, die in grofsen Zügen aus der einen Rückenmarkshälfte in die andere einstrahlen. Ein grofser Theil dieser Fasern, vor allem Grenzfaserbündel des Hinterhorns, umzieht das letztere bogenförmig und strahlt in das Septum posterius ein. Die Commissurenfasern werden an vielen Stellen innerhalb der Gom- missur gekreuzt von Fasern, die vom Epithel des Centralkanals herab- 30 R. Krause: kommen und in das Septum posterius einstrahlen. Dafs es sich hier um echte Ependymfasern handelt, ist aufser Zweifel, denn man kann sie in in vielen Fällen bis zwischen die Kerne der Ependymzellen verfolgen. Solche echte Ependymfasern finden sich auch in den Seitenpartien der centralen Gliamasse, in den ventralen Partien und der vorderen Commissur, welche im übrigen keine bemerkenswerthen Eigenthümlichkeiten aufweist. Im Dorsalmark erscheint die centrale Gliamasse schon bedeutend re- dueirt, ohne in der Anordnung ihrer Elemente wesentliche Änderung er- fahren zu haben, und im Lumbalmark kann man von einer solchen cen- tralen Gliamasse gar nicht mehr reden. Man könnte ja dagegen einwenden, dafs hier die angewandte Methode versagt habe, doch kann man leicht nachweisen, dafs das nicht der Fall ist. Man sieht nämlich die Stelle der früheren Gliamasse eingenommen von nervösen Elementen, Nervenzellen und -fasern, die dicht am Centralkanal vorbeilaufen. Spärliche Faserquer- schnitte zwischen beiden stellen die Reste der ehemaligen Gliamasse dar. Ähnlieh liegen die Verhältnisse bei Ateles, doch ist hier die centrale Gliamasse etwas stärker ausgebildet als bei Inuus und auch noch im Len- denmark deutlich zu erkennen, aber sie setzt nirgends schärfer gegen ihre Umgebung ab. Vor allem stark entwickelt ist hier die Partie zwischen Centralkanal und vorderer Commissur, und hier treten auch zwischen den sonst fast ausschliefslich herrschenden Horizontalfasern wenige Bündel von Längsfasern auf. Die Anordnung der Horizontalfasern ist dabei so, dals sie sowohl vom Boden der vorderen Fissur als auch aus dem Septum poste- rius nach dem Centralkanal hinstrahlen, hier aus einander weichen und ihn so einhüllen. Zwischen dem Ependym und der centralen Gliamasse findet sich nur ein sehr schmaler Zwischenraum. Das Septum posterius. Ich möchte an die Besprechung der centralen Gliamasse gleich die des Septum posterius anreihen, weil die Elemente, welche dasselbe zu- sammensetzen, zum grolsen Theil aus jener stammen und der Schwund der centralen Gliamasse mit der stärkeren Ausbildung des Septum Hand in Hand geht. Was zunächst die mehr makroskopischen Verhältnisse des Septum posterius beim Orang anlangt, so stellt dasselbe im Halsmark einen aufser- ordentlich feinen Streifen dar. Die Entfernung der hinteren Commissur Untersuchungen über den Bau des Centralnervensystems der Affen. 31 von der hinteren Peripherie des Rückenmarks beträgt in der Cervical- mm anschwellung durchschnittlich 3 Die Grenze zwischen den beiden Hinter- strängen, das sogenannte Septum posterius, wird hier durch einen sehr feinen Streifen gebildet, der an seiner stärksten Stelle, d.h. kurz hinter der hinteren Commissur, ungefähr 6-9 u breit ist. Dieses Mafs sinkt sehr bald auf 1-3 a, ja an vielen Stellen ist ein Septum überhaupt nicht mehr nach weisbar. In das Septum strahlen Fasern ein, welche an der Grenze zwischen Hinterhorn und Hinterstrang verlaufen und das ventrale Ende des letz- tern bogenförmig umziehen (Fig. ı1). Aufserdem wird das Septum ver- sorgt von Fasern, welehe aus der centralen Gliamasse und den Längs- faserbündeln der hinteren Commissur rechtwinkelig umbiegen. Im dem Septum finden sieh nicht gerade zahlreiche Gliakerne (Fig. 17). Aufserdem enthält es zahlreiche Gefäfse und wenigstens in der Nähe der Peripherie Spuren von Bindegewebe, die wohl mit den Gefälsen einge- drungen sein dürften. Innerhalb des Dorsalmarks erscheint das Septum beträchtlich stärker als im Halsmark, und diese Verstärkung kommt im wesentlichen auf Rechnung der Fasern, welche aus der centralen Gliamasse in das Sep- tum einbiegen. Die Zahl der Gliakerne, also der Gliazellen, welche sich im Septum finden, ist durchaus nicht grölser, eher kleiner als im Halsmark. Die Entfernung der hinteren Commissur vom hintern Pol des Rücken- mm marks beträgt im Brustmark durchschnittlich ı"”3 bis 1""5. Das Septum posterius ist nun nicht etwa auf dieser ganzen Strecke geschlossen, son- dern es tritt auch schon im obern Dorsalmark eine Spaltbildung auf. Der Spalt ist schmal, gewinnt aber, je tiefer wir im Brustmark herunter- steigen, immer mehr an Tiefe bis zu 0””6, nimmt also über ein Drittel der ganzen Septumlänge ein. In diesen Spalt dringt immer ein sehr deutliches Blatt der Pia mater ein, das sich von dem der vorderen Fissur durch nichts unterscheidet (Fig. 13). Man kann somit beim Orang im gröfsten Theil des Rückenmarks sehr wohl von einer Fissura posterior reden. Dieser Pialfortsatz spaltet das Septum posterius, dessen Fasern nun theils den linken, theils den rechten Goll’schen Strang auf seiner medialen Fläche bekleiden. 32 R. Krause: Den höchsten Grad seiner Ausbildung erreicht das Septum posterius im Lendenmark, wo es an vielen Stellen über ıo u dick ist. Auch die hintere Fissur gewinnt an Tiefe im Lumbalmark, so dafs sie die Hälfte der Hinterstrangslänge überragt und auch in Bezug auf Weite der vorderen Fissur kaum nachsteht. Was die das Septum zusammensetzenden Fasern betrifft, so stammen sie aus den schon so oft erwähnten Zügen der cen- tralen Gliamasse und der hinteren Commissur. Wir haben also gesehen, dafs zwischen dem Septum posterius und der centralen Gliamasse eine sehr innige Wechselbeziehung besteht. Die letztere setzt sich im ganzen Rückenmark, wenigstens der Hauptsache nach, zusammen aus längs verlaufenden Gliafaserzügen und ist im Hals- mark am stärksten entwickelt. Aus ihnen gehen nun fortwährend Faser- züge unter rechtem Winkel ab und treten in das Septum ein. Dadurch verarmt die centrale Gliamasse an Fasern, während das Septum, je weiter wir im Rückenmark herabsteigen, immer mehr an Stärke zunimmt. Neben diesen eingedrungenen Fasern enthält nun das Septum noch ihm eigen- thümliche, autochthone Zellen, deren Zahl aber in den einzelnen Höhen des Rückenmarks keinen gröfseren Schwankungen unterliegt. Ob die Epen- dymfasern bei der Zusammensetzung des Septum posterius im Orangrücken- mark eine gröfsere Rolle spielen, ist mit Sicherheit nicht zu eruiren, aber unwahrscheinlich. Ganz anders die Verhältnisse bei /nuus und Ateles. Hier ist ja, wie früher aus einander gesetzt wurde, die centrale Gliamasse nur recht spär- lich entwickelt, und die Ependymfasern spielen bei der Zusammensetzung des Septum posterius eine nicht unwesentliche Rolle. Man sieht sie, vom Ependym herabkommend, meist in starkem, nach aufsen convexem Bogen, die hintere Commissur durchsetzen und in das Septum eintreten. Die Hauptfasern aber, welche die Ependymfasern an Menge weit übertreffen, stammen aus jenen Faserbündeln, welche ich an einer früheren Stelle ein- mal als Grenzfasern bezeichnet, weil sie an der Grenze zwischen Hinter- horn und Hinterstrang verlaufen. Sie biegen in grofsen Zügen um den Kopf des Hinterstrangs herum und treten in das Septum ein. Autoch- thone Fasern scheint das Septum hei Inuus und Ateles noch weniger zu besitzen als beim Orang. Eine Spaltbildung im Septum posterius ist bei Inuus und Ateles in den unteren Theilen des Rückenmarks nur sehr wenig ausgeprägt. Untersuchungen über den Bau des Centralnervensystems der Affen. 33 Vorderhorn und vordere Wurzeln. In Bezug auf Anordnung, Zahl und Beschaffenheit der Fasern finden sich im Vorderhorn in den verschiedenen Höhen des Rückenmarks nur so geringe Unterschiede, dafs sie keiner speciellen Besprechung bedürfen. Das Vorderhorn ist reich an Gliafasern, aber keineswegs, wie beim Menschen, reicher als die weilse Substanz. Nur an seinem medialen Rande ist das Vorderhorn einigermafsen gegen die weilse Substanz abgesetzt. Hier finden sich nämlich, oft in einer Reihe an der Grenze entlang liegend, Gliazellen, deren Fasern hauptsächlich mehr oder weniger dorso-ventral oder kranio-caudal verlaufen. Es entsteht so eine Platte von Gliafasern, welche auf der Grenze zwischen Vorderhorn und Vorderstrang liegt: vor- dere Grenzfasern. Geht man weiter ventralwärts um den Kopf des Vorderhorns herum, so fehlt hier eine solehe Abgrenzung gänzlich. Die Faserbündel, welche die austretenden vorderen Wurzeln begleiten, strahlen fächerförmig in die graue Substanz ein. In den dazwischen gelegenen Partien gehen die Glia- fasern überall aus der weilsen Substanz in die graue über, und die Grenze zwischen beiden markirt sich durch nichts in der Anordnung der Glia- elemente. In der grauen Substanz des Vorderhorns kann man von einer gesetz- mälsigen Anordnung nicht reden. Die fast sämmtlich vielkernigen Glia- zellen liegen nicht gerade sehr dicht. Es finden sich hier viele Zellen, deren Fasern verhältnifsmäfsig kurz sind, Kurzstrahler, aber auch sehr viele Zellen mit sehr langen Fasern, Langstrahler. Von einem deutlichen Überwiegen oder gar ausschliefslichen Vorkommen der ersteren kann nicht die Rede sein. Man kann in diekeren Schnitten zahlreiche Fasern durch die ganze Breite des Horns verfolgen. Die Fasern kreuzen sich nach allen Richtungen, so dafs, wie das auch Weigert für den Menschen angibt, Querschnitte des Rückenmarks fast dieselben Bilder geben wie Längsschnitte. Was nun die um die grofsen motorischen Nervenzellen herumliegen- den Faserkörbe anbetrifft, so sind sie nicht allzu dicht (Fig. ı8). Die zu- gehörigen Zellkörper liegen ebenfalls in nächster Nähe der Nervenzellen, also umgekehrt, wie bei den Gefälsen, wo die Fasern oft von weither kommen, um das Gefäfs umscheiden zu helfen. Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. III. a 34 R. Kravse: Ganz ähnlich liegen die Verhältnisse bei /nuus und Ateles (Fig. 19); für ersteren dürfte vielleicht die Behauptung zutreffen, dafs die graue Substanz reicher an Gliafasern ist, als die weifse. Die Fasern stellen hier besonders im Vorderhorn von /nuus lange, starre Fäden dar, welche, einer genau wie der andere, in kurzen Schlangenwindungen verlaufen. Das Seitenhorn. Da, wo das Seitenhorn gut entwickelt ist, also hauptsächlich im Dorsalmark des Orang, stellt es einen langen, weit in die weilse Substanz hineinragenden Fortsatz dar, der zahlreiche längliche, mittelgrofse Nerven- zellen enthält. Die Glianetze, welche diese Zellen umgeben, sind ent- schieden viel dichter, als die der motorischen Vorderhornzellen. Die Fasern verlaufen in der Basis des Seitenhorns hauptsächlich in der Längsrich- tung und biegen dann in die quere Richtung ein, um durch die Spitze des Seitenhorns hindurch in die weilse Substanz einzutreten. Das Hinterhorn. Das Hinterhorn ist im grofsen und ganzen an Gliafasern ärmer als das Vorderhorn, dagegen ist es schärfer von der weilsen Substanz durch Horizontalfasern abgesetzt. Wie früher aus einander gesetzt wurde, strahlt aus der centralen Gliamasse nach hinten und aufsen ein Faserzug aus, welcher an der Grenze zwischen Hinterhorn und Hinterstrang verläuft und eine recht scharfe Ab- grenzung des einen gegen den andern bewirkt. Dieser Grenzfaserstrang ist in allen Höhen des Rückenmarks zu finden. Die ihn constituirenden Fasern sind fast ausschliefslich Horizontalfasern, die in leichter Schlänge- _ lung an der medialen Grenze des Hinterhorns entlang laufen. Sehr zahl- reich treffen wir in diesem Strang Zellen mit zwei oder drei Kernen. Die Fasern laufen zwischen den Kernen hindurch, und das Ganze ähnelt so einem in der Mitte durch einen Ring zusammengehaltenen Ruthenbündel. Noch markanter ist die äufsere Grenze des Hinterhorns, also da, wo dasselbe an den Seitenstrang angrenzt. Hier wird die Grenze gebildet durch mächtige Fasermassen, ebenfalls Horizontalfasern, welche zahlreiche Bündel in die weilse Substanz schicken. Am stärksten sind diese lateralen hinteren Grenzfasern im Dorsalmark entwickelt. Sie strahlen ventral in das Seiten- horn ein, dorsal in die die hinteren Wurzelfasern umgebenden Bündel. Untersuchungen über den Bau des Centralnervensystems der Affen. 35 Was nun die einzelnen Theile des Hinterhorns anlangt, so sind Basis und Cervix verhältnifsmäfsig am reichsten mit Gliafasern ausgestattet. Die- selben verlaufen zum gröfsten Theil wie im Vorderhorn regellos; daneben treten aber, besonders im Halsmark, kleine, aber recht zahlreiche Längs- bündel auf. Sie setzen sich, wie man besonders schön an Längsschnitten durch das Halsmark erkennen kann, aus zahlreichen hinter oder, besser gesagt, über einander gelegenen mehrkernigen Gliazellen zusammen, die in ihrem Aussehen jenen Zellen gleichen, welche die medialen Grenzfaser- bündel bilden. Die Clarke’sche Säule hat beim Orang eine ganz ähnliche Lage wie beim Gorilla. Ihre Zellen finden sich im Halsmark dicht an der medialen Grenze des Cervix cornu posterioris. Nach innen von ihnen liegen die medialen Grenzbündel, welche in starken Zügen aus der centralen Glia- masse kommen. Nach aufsen zu ist die Glarke’sche Säule hier dureh Gliafasern nicht gegen das übrige Hinterhorn abgesetzt. Je mehr wir uns dem Dorsalmark nähern, um so melır dringt die Clarke’sche Säule ventral vor und bildet schliefslieh im Dorsalmark selbst einen runden Strang, welcher jederseits zwischen hinterer Commissur und Centralkanal etwas nach aufsen von der Mittellinie gelegen ist. Er drängt sich gleichsam in die centrale Gliamasse hinein und wird auch ventral und medial. von ihr umfafst. Mehr dorsal und lateral wird er durch die medialen Grenzfasern von der hinteren Commissur getrennt; aus jenen treten zahlreiche Faser- bündel aus, welche den Strang umkreisen und vollständig gegen die Basis des Hinterhorns abgrenzen. Es hebt sich so die Clarke’sche Säule im Dorsalmark aufserordentlich scharf und praeeis auch an Neuroglia-Praepa- raten aus dem Querschnittsbilde hervor. Im untern Brustmark wird die Clarke’sche Säule immer kleiner und läfst sich an unseren Praeparaten im Lumbalmark nicht mehr nachweisen. Die Substanz der Clarke’schen Säule ist mit Gliafasern nieht sehr reichlich versehen; sie enthält jedenfalls weniger als die ventralen Partien des Hinterhorns. Die Fasern liegen regellos und zeigen keine typische Anordnung. In den übrigen Theilen des Hinterhorns bieten die Gliaverhältnisse wenig Bemerkenswerthes. Das Caput cornu posterioris enthält nicht ge- rade spärliche, aber auch keineswegs zahlreiche Fasern. In der Substantia Rolandi dagegen sind die Gliafasern nur aufserordentlieh spärlich, die in 5* 36 R. Krause: dieser Beziehung an allerletzter Stelle steht. Die Fasern sind radiär ver- laufende Horizontalfasern, zeigen also ein ganz ähnliches Verhalten, wie es von Weigert für das menschliche Rückenmark beschrieben worden ist. Die Substantia Rolandi hebt sich an den Gliapraeparaten sehr gut hervor, da sie fast ganz ungefärbt ist, abgesehen natürlich von den zahl- reichen Kernen. Sehr reich an Gliafasern ist dann wieder das Stratum zonale; hier finden sich neben radiär verlaufenden Horizontalfasern auch zahlreiche Längsfasern, die aber nicht zu Bündeln angeordnet sind. Mächtige Horizontalfaserbündel grenzen diesen ganzen hintern Theil des Hinterhorns gegen die weilse Substanz ab. Dazu kommen auch noch ansehnliche Mengen von Längsfasern. Besonders da, wo der Hinterhorn- winkel gut ausgeprägt ist, finden sich solche Längsfasern in grofser Menge. So ist z. B. im Lendenmark der ganze Hinterhornwinkel von solchen Längs- fasern ausgefüllt. Durch die aus dem Hinterstrang in die graue Substanz des Hinterhorns einstrahlenden Nervenfasern wird diese starke mediale Grenzschicht an vielen Stellen durchbrochen. Mit den Nervenfasern drin- gen die sie umgebenden Gliafasern auch durch die Grenzschicht hindurch, enden aber sehr bald, nachdem sie im Hinterhorn angelangt sind. Der Apex des Hinterhorns, der ganz ebenso, wie das Waldeyer vom Gorilla beschrieben hat, niemals bis zur Peripherie des Rückenmarks reicht, zeigt in Bezug auf seinen Gliagehalt das gleiche Verhalten wie das Stratum zonale. Solche Bilder, wie sie Weigert vom Menschen beschrieben hat, habe ich beim Orang niemals erhalten. Ich möchte an die Besprechung des Hinterhorns gleich die der Hinter- wurzeln anschliefsen. : Dieselben sind aufserordentlich reich an Gliafasern und können in dieser Beziehung beinahe mit der centralen Gliamasse wett- eifern. Die Nervenfasern werden hier so allseitig und vollständig von Gliafasern umhüllt, dafs in. den Praeparaten die hintere Wurzel fast ganz blau erscheint und schon makroskopisch zu erkennen ist. Man kann die Gliafasern ziemlich weit peripher in der hinteren Wurzel aufserhalb des Rückenmarks verfolgen. Sie bilden in diesem extramedullären Theil der Wurzel ein sehr dichtes Geflecht von groben und derben Fasern, welches dem der Gliahülle ähnelt. Auch hier sind die Fasern häufig rechtwinkelig abgeknickt. Beim Eintritt der Wurzel in das Rückenmark ändert sich das, die Fasern ordnen sich zu Längsreihen an, welche die Nervenfasern eng umscheiden und in das Rückenmark hinein begleiten. Rundum ist Untersuchungen über den Bau des Centralnervensystems der Affen. 37 im Halsmark die weifse Substanz ein Stück weit gegen die hintere Wurzel durch einen Fortsatz der Gliahülle abgesetzt. Die Gliaverhältnisse im Hinterhorn von Inuus bieten wenig Bemer- kenswerthes dar. Die Substantia Rolandi ist gut entwickelt und durch ihre Armuth an Gliafasern deutlich von dem Caput cornu posterioris zu unterscheiden. Das Hinterhorn ist sowohl durch die medialen als die late- ralen Grenzfasern sehr gut von der umgebenden weifsen Substanz abgesetzt. Im allgemeinen bieten sich uns ähnliche Verhältnisse wie beim Orang. Ganz anders bei Afeles, wo man eine Substantia Rolandi in den Neu- roglia-Praeparaten nieht mehr erkennen kann. Im Hals- und Brustmark ist das Hinterhorn an Fasern nicht eben reich. Die hintere Wurzel tritt hier in einen sehr tiefen Suleus lateralis posterior ein. In denselben er- streekt sich ein Fortsatz der Pia hinein, und seine Wandungen sind aus- gekleidet von einer auffallend starken Gliahülle. Natürlich kommt es sehr häufig vor, dafs die hintere Wurzel gerade nicht in den Schnitt fällt; dann bietet sich ein auf den ersten Blick höchst fremdartiges Bild. Man erhält dann auf jeder Seite des Septum posterius, das hier nur ganz geringe Spalt- bildung aufweist, einen recht weiten, tief klaffenden Spalt, der bis zum Kopf des Hinterhorns hinaufreicht (Fig. 22). Es erreicht dieser Suleus la- teralis posterior fast die Tiefe der vorderen Fissur, seine Glia-Auskleidung ist aber wesentlich stärker als dort. Das Hinterhorn zeichnet sich bei Ateles im Lumbalmark durch seinen Gehalt an grofsen Nervenzellen aus, die oft ganz den Typus der Vorderhornzellen in Bezug auf Gröfse, Multi- polarität und Anordnung der Nissikörper besitzen. Diese Zellen liegen zerstreut durch das ganze Hinterhorn; sie reichen sehr weit dorsal bis in die Nähe der hinteren Peripherie des Rückenmarks. Zwischen Hinterhorn und Peripherie schiebt sich noch eine Markbrücke ein, welche aufserordent- lieh reich an Gliafasern ist, viel reicher als jede andere Stelle des Ateles- Rückenmarks. Medial geht sie über in die recht stark entwickelte Gliahülle, lateral grenzen an sie die einstrahlenden hinteren Wurzeln, welche ebenfalls sehr reich an Gliafasern sind. Die Fasern der Markbrücke sind theils radiär verlaufende Horizontalfasern,, theils Längsfasern; sie vereinigen sich mit den Fasern der hinteren Wurzeln und bilden um den Kopf des Hinterhorns und um die zahlreichen, hier gelegenen Nervenzellen ein sehr dichtes Geflecht, welches einigermalsen an das von Weigert beim Menschen beobachtete erinnert. Nur sind die Fasern alle viel dieker und starrer als dort. 38 R. Krause: Die wei[lse Substanz. Die weilse Substanz des menschlichen Rückenmarks wird bekanntlich von einer an den verschiedenen Stellen verschieden dicken Schicht über- zogen, die aus Neuroglia besteht und welche als Rindenschicht oder Glia- hülle oder Peridym bezeichnet worden ist. Auch beim Orang findet sich eine solehe Gliahülle an den verschiedenen Stellen verschieden stark ent- wickelt. Zunächst soll die Ausdehnung dieser Schicht in den verschie- denen Höhen des Orangrückenmarks geschildert werden. Im Halsmark wird die vordere Fissur ausgekleidet von einer Glia- schicht, welche in dem gröfsten Theil der Fissur keine zusammenhängende ist. Im Grunde der Fissur erreicht sie jedoch eine Dicke von 2-4.u; die Fasern schliefsen sich dann am Boden der Fissur zu einem 9-12 u starken Bündel zusammen, das sehr bald in der vorderen Commissur sich in drei bis vier Strähnen spaltet und der centralen Gliamasse zustrebt. Im obersten Theil der Fissur bilden die Gliafasern wiederum eine zu- sammenhängende, aber sehr dünne, minimale Schicht, welche sich dann auch auf den ventralen Rand des Vorderstranges überschlägt. Im Bereiche des Vorderseitenstranges weist die Gliahülle immer nur eine sehr geringe Dicke auf; häufig ist sie unterbrochen und streckenweise gar nicht vor- handen. Erst in der Nähe der hinteren Wurzel zeigen sich constantere Verhältnisse. Hier besitzt die Gliahülle eine Dicke von höchstens 2 u, tritt dann mit der hinteren Wurzel in die weilse Substanz hinein, um auf eine lange Strecke den Seitenstrang gegen die Hinterwurzel scharf abzu- grenzen. Nachdem sie so ungefähr 0””6 weit vorgedrungen ist, strahlen ihre Fasern in die weilse Substanz ein. Im Gebiet der Hinterstränge ist die Gliahülle immer deutlich zu erkennen, erreicht aber nie eine stärkere Entwickelung, abgesehen von den Stellen, wo sie sich in den Suleus me- dianus posterior und den Sulcus intermedius posterior einsenkt. Der letz- tere ist im Halsmark immer gut entwickelt und enthält auch stets ein kurzes Piaseptum. Im Dorsalmark ist die Gliahülle nur ausserordentlich schwach ent- wickelt (Fig. 20). Von einer zusammenhängenden Schicht kann man hier nur an wenigen Stellen reden, das sind der Suleus medianus posterior und die mediale Fläche des Seitenstrangs als Abgrenzung gegen die hin- tere Wurzel. In der vorderen Fissur sieht man die Gliahülle fast gar Untersuchumgen über den Bau des Üentralnervensystems der Affen. 39 nieht entwickelt, und der Boden der Fissur enthält nie so viel Fasern als im Halsmark. Unstreitig die stärkste Entwickelung erreicht die Gliahülle im Lenden- mark; man kann sagen, dafs hier die ganze Oberfläche von Gliafasern ziemlich eontinuirlich und dieht überzogen ist (Fig. 13). Nur im Bereich des Vorderseitenstrangs findet man hier und da Stellen, denen dieser Über- zug fehlt. Am stärksten wird die Gliahülle in den hinteren Partien des Seitenstrangs, im Hinterstrang und dem Sulcus medianus posterior; hier sind Dicken von 6-8 u nichts Seltenes. Was den feinern Bau der Gliahülle anlangt, so läfst sich derselbe am besten an guten Längsschnitten des Rückenmarks erkennen. Wählen wir zunächst eine Stelle, wo die Hülle sehr stark entwickelt ist, also z. B. einen frontalen Längsschnitt, welcher die hintere Commissur oder das erste Drittel des Septum posterius getroffen hat (Fig. 13). Nach aufsen liegt an den meisten Stellen die Pia mater mit ihren langen spindligen Kernen dem Rückenmark glatt an, ohne dafs der geringste Spaltraum zwischen beiden existirt. An anderen Stellen, wo man einen solchen mit Celloidin gefüllten Spaltraum erblickt, da handelt es sich ohne Zweifel um eine arti- ficielle Ablösung. Aus der Gliahülle strahlen überall diekere oder dünnere Bündel von Gliafasern in die Pia ein, von welchen bald die Rede sein soll. Die äufserste Schicht der Gliahülle, welche gewöhnlich ganz frei von Ker- nen ist, besteht aus mehr oder weniger schräg getroffenen Fasern; dann folgt eine Schicht längsverlaufender Fasern, wenigstens hat man zunächst diesen Eindruck. Verfolgt man jedoch die Fasern genau, so gewahrt man, dafs jede Faser nach kürzerm oder längerm Verlauf recht- oder stumpf- winkelig in die quere Richtung umbiegt und in die weilse Substanz eintritt. Man kann von diesen queren Fasern der Gliahülle, und es sind schliefs- lich alle Fasern Querfasern, drei Arten unterscheiden, nämlich Fasern, welche reehtwinkelig umbiegen, um eirculär um das Rückenmark herumzulaufen, Cireulärfasern; dann solche, die ebenfalls rechtwinkelig umbiegen, aber in kranio-caudaler Richtung weiterziehen, Längsfasern, und endlich solche, die überhaupt nicht umbiegen, sondern durch die Gliahülle durch und in die Pia eintreten, perforirende Fasern. Meistens dringen die eireulären Fasern weiter nach aufsen vor als die Längsfasern, doch trifft man an anderen Stellen wieder das umge- kehrte Verhalten, so dafs sich eine Norm nicht aufstellen läfst. An vielen 40 R. Krause: Stellen kommen ausschliefslich Längs-, an anderen ausschliefslich Cireulär- fasern vor. Es können auch die Circulärfasern aufsen und innen begrenzt werden von Längsfasern. Was die perforirenden Fasern anlangt, so treten sie bündelweise zwischen die Bindegewebsbündel der Pia mater ein und enden hier frei, häufig mit einer kleinen, hackenförmigen Umbiegung. Es kommen solche perforirenden Fasern überall an der Circumferenz des Rückenmarks vor, wo auch eine Gliahülle entwickelt ist, und es scheint sich hier um Haft- organe zu handeln, welche die Pia mater an dem Rückenmark befestigen. Das Vorkommen der einzelnen Faserarten an der Circumferenz des Rückenmarks anlangend, so trifft man z.B. in der hinteren Fissur aus- schliefslich Cireulärfasern, d. h. also Fasern, die im Rückenmarksquerschnitt in der Fissur längs verlaufen. Erst in der Nähe des dorsalen Endes der Fissur treten mehr und melır Längsfasern auf, deren Zahl an der medialen Ecke des Hinterstrangs eine recht beträchtliche wird. Überall da, wo ein Gliaseptum in die weilse Substanz einstrahlt, zeigt sich auch die Zahl der Längsfasern bedeutend vermehrt. Sie sind hier überall zwischen die Cir- culärfasern eingestreut. In der vorderen Fissur finden sich neben den Cir- culärfasern, welche die grofse Masse bilden, auch noch Längsfasern. An Kernen ist die Gliahülle nieht eben reich. Nur da, wo die Glia- septen abgehen, trifft man zahlreiche grofse helle Kerne, während sich an den übrigen Stellen mehr kleine, dunkle, spärliche Kerne finden. Nach der Ansicht vieler Autoren soll das Rückenmark aufsen von einer besonders feinen Membran umgeben sein, welche es vollständig gegen die Pia mater hin abschliefst. Man findet dieses Gebilde unter dem Namen der Grenzsehieht Endothelmembran oder als Membrana limitans meningea beschrieben. Entweder wird die Grenzschicht als endothel- oder euticula- artige Bildung aufgefafst. Die Golgi-Bilder zeigen die Ausläufer der die Gliahülle zusammensetzenden Zellen an ihrem Ende mit je einem Knötchen besetzt, und nach Leuhossek soll die Grenzschicht so zu Stande kommen, dafs sich Knötehen dicht an Knötchen lagert und so eine die Gliahülle nach aufsen ganz dicht abschliefsende Cutieularmembran entsteht. Die Weigert-Bilder zeigen nun von solehen Knötchenbildungen am Ende der Gliafasern nicht die Spur; ja, es läfst sich sogar mit dieser Methode auf das allerbestimmteste nachweisen, dafs sehr zahlreiche Gliafasern ein ganzes Stück weit sich in die Pia mater hinein erstrecken. In tadellosen Untersuchungen über den Bau des Centralmervensystems der Affen. 41 Weigert-Praeparaten liegt die Pia mater der Gliahülle dieht an. Die Fasern der letzteren zeigen absolut keinen Abschlufs gegen die erstere. Weder ein Endothel noch eine Cuticularmembran ist zu finden. Da, wo eirculäre Fasern zu äulserst liegen, ist ein wenigstens scheinbarer diehter Abschlufs vorhanden; liegen aber, wie an vielen Stellen, Längsfasern am weitesten nach aufsen, so kann von einem solchen gar nicht die Rede sein. Es finden sich dann die Faserquerscehnitte mehr oder weniger dicht bei einander liegend, hier locker in die Pia vorgeschoben, dort dichter zusammengeschlossen. Wenn wir uns fragen, wie sich diese Unterschiede zwischen Golgi- und Weigert-Bildern erklären lassen, so müssen wir zunächst bedenken, dafs die letzteren uns einen ganz anderen Verlauf der Gliafasern darbieten als erstere. Wie schon erwähnt biegen die Fasern in den Weigert-Prae- paraten alle um, mit Ausnahme der perforirenden Fasern. Alle Fasern der Gliahülle sind von Hause aus mehr oder weniger radiär verlaufend. Das letztere Verhalten zeigt ja auch die Golgi-Methode, aber sie läfst die Faser dann, wenn sie die Peripherie erreicht hat, mit einem Knopf enden; über die Umbiegungsstelle kommt sie nicht hinaus. Aufserdem zeigt sie ja auch nur einen ganz geringen Procentsatz der wirklich vorhandenen Fasern. Es scheint also, wie das ja auch Weigert andeutet, dafs an der Umbiegungs- stelle ein Niederschlag im Golgi-Praeparat in Form eines Knötchens ent- steht. Für die Artefaetnatur dieses Knötchens spricht wohl auch die aufser- ordentlich variable Form und Gröfse des Gebildes. Etwas ganz Ähnliches findet sich an den Gefäfsen, wo die Gliafasern ein ganz ähnliches Verhalten zeigen, d.h. winkelig umbiegen, wie in der Gliahülle. Auffallend ist der Reichthum der Gliahülle an sehr starken Fasern und Faserbündeln. Man kann dieselben oft auf weite Strecken verfolgen; bei ihrer Endigung in der Gliahülle spitzen sich die Fasern zu. Die Faser- bündel zerfallen meist, nachdem sie in der Gliahülle umgebogen sind. Über den Bau der Gliahülle bei Inuus und Ateles ist dem oben Gesagten wenig zuzufügen (Fig. 22). Bei beiden ist eine Gliahülle deutlich nach- weisbar und im Lendenmark wieder stärker entwickelt als im Hals- und Brustmark. Hier im Lendenmark ist sie sogar bei beiden verhältnifsmäfsig noch stärker entwickelt als beim Orang. Perforirende Fasern bez. Bündel finden sich bei Macacus noch recht häufig, bei Ateles dagegen sind sie kaum mehr zu erkennen. Hier sind die Fasern alle sehr fein, sehr dicht gelagert und geben sehr zierliche Bilder. Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. III. 6 42 R. Kravse: Aus der Gliahülle treten nun die bekannten Gliasepten in radiärer Richtung in die weilse Substanz ein, hauptsächlich im Anschlufs an die gröberen Gefäße. Sie sind gewöhnlich am schwächsten im Dorsalmark, stärker im Halsmark und am mächtigsten im Lendenmark. Hier finden sich Septen, welche dem Septum posterius an Stärke wenig nachgeben. Sie entspringen mit breiter, kegelförmiger Basis von der Peripherie, laufen dann, allmählich dünner werdend, mehr oder weniger geradlinig auf die graue Substanz zu, um sich, noch bevor sie dieselbe erreicht haben, in ihre Elemente aufzulösen. Auf Querschnitten durch das Rückenmark erkennt man, dafs (diese Gliasepten hauptsächlich bestehen aus Horizontalfasern mittlern und stär- kern Kalibers. Zwischen ihnen sieht man auch eingestreut die Quer- schnitte von Längsfasern, «och in nicht allzu grofser Anzahl. Nur in der Basis der Septen, vor allem im Lendenmark, kommen starke Bündel von Längsfasern vor. Sehr häufig begegnet man natürlich in den Septen quer, schräg oder längs geschnittenen Blutgefäfsen. Aus der Gliahülle biegen in die Septen zahlreiche Fasern ein, bez. umgekehrt, und: zwar sowohl Circulär- als auch Längsfasern. Nachdem sich das Septum endlich stark verdünnt hat, stieben seine Fasern wie die Haare eines Pinsels aus einander, um zwischen den einzelnen Nervenfasern weiter zu laufen. Wenn wir dann noch erwähnen, dafs im Septum zahlreiche, sowohl helle grofse, als auch dunkle kleine Kerne zu sehen sind, so ist damit so ziemlich Alles gesagt, was das Querschnittsbild uns darbietet. Viel instructivere Bilder liefern uns auch hier wieder Längsschnitte durch das Rückenmark, welche gerade ein Septum der Länge nach getroffen ha- ben (Fig. 20). Hier bietet sich unserm Auge dann ein ganz überraschender Reichthum an Gliafasern dar. Zu äufserst folgt auf die Pia je nach der Stelle, aus der der Schnitt stammt, eine verschieden stark entwickelte Glia- hülle. Aus ihr erheben sich starke Bündel, welche dem Innern des Mar- kes zustreben, und zwar derart, dafs immer mehrere Bündel nach einem gemeinsamen Treffpunkt eonvergiren, in dem ein grolser Kern liegt. Die einzelnen Treffeentren sind wieder durch Längsfasern mit einander ver- bunden. Dazwischen finden sich nun zahlreiche Bündel, welche einen mehr oder weniger diagonalen Verlauf nehmen. Wenn wir das ganze Fasersystem von der Gliahülle bis zu den Treffpunkten als eine Etage bezeichnen, so können dann entweder von ihr aus die Fasern regellos Untersuchungen über den Bau des Centralnervensystems der Affen. 43 aus einander fahren, oder aber es folgen zunäclıst erst noch auf diese erste Etage eine oder mehrere weitere Etagen. Es erinnnern diese aus der Gliahülle als Fundament gleichsam auf- strebenden und von Strecke zu Strecke durch Längsbündel zusammenge- haltenen Fasersysteme an manche Eisenconstructionen unserer Ingenieure im Brücken- oder Viaduetbau. Auffallend sind in diesen Längsschnittbildern die sehr grofsen präch- tigen Kerne, welche die Treffpunkte der Faserzüge bilden. Offenbar han- delt es sich hier um Gliazellen mit besonders grofsen Kernen, welche Fasern von grofser Zahl und auch beträchtlicher Länge besitzen, die in charakteristischer Weise zu Bündeln zusammengeschlossen sind. Aus den Gliasepten oder Stammfortsätzen treten zahlreiche dünne Faserbündel heraus, welche Gruppen von Nervenfasern gegen einander abgrenzen, und aus ihnen dann wieder Fasern, welche die einzelnen Ner- venfasern von einander trennen. Wenn auch zwischen allen Nervenfasern der weilsen Substanz Gliafasern, und zwar sowohl Längs- als Horizontal- fasern verlaufen, so ist diese trennende Schieht doch durchaus nicht überall so vollständig entwickelt, dafs nicht die einzelnen Markscheiden noch sehr häufig sich gegenseitig berührten. Während die Längsfasern mehr gerad- linig verlaufen, müssen sich die Horizontalfasern in starken Schlangenwin- dungen zwischen den Nervenfasern durchwinden. Was nun im speeciellen den Verlauf der Gliafasern in der weifsen Substanz anlangt, so ergeben sich für die einzelnen Stränge einige Unter- schiede. Beim Orang sind dieselben im Halsmark am deutlichsten aus- geprägt. Der Vorderseitenstrang ist an Gliafasern entschieden reicher als der Hinterstrang. Vom Rande der vorderen Fissur sieht man kräftige, stark geschlängelte Fasern schräg dorsal und nach aufsen hervorstrahlen. Auch von der ganzen Peripherie des Vortder-Seitenstrangs ziehen solche Fasermassen radiär nach innen. Sie zeichnen sich einmal dureh die Stärke ihrer Fasern aus und dann dadurch, dafs sie meist isolirt verlaufen oder doch nur zu wenig zusammengelagert sind. Ihre stärkste Entwickelung erreichen diese Fasern im Seitenstrang in der Nähe des Eintritts der hin- teren Wurzel und in dieser selbst. Wo die Fasern ihr Centrum, d.h. den zugehörigen Kern und Zellkörper, haben, ist mit Sicherheit gar nicht zu eruiren. Es ist ein Leichtes, eine solehe Faser im Seitenstrang von der Peripherie aus bis in die Nähe der grauen Substanz zu verfolgen, woraus 6* 44 R. Krause: hervorgeht, dafs sie fast in einer und derselben Horizontalebene verlaufen. Man findet dabei der Faser hier und da einen Kern anliegen, ohne dafs man entscheiden kann, ob er zur Faser gehört oder nicht. Neben diesen Radiärfasern kommen auch zahlreiche Längsfasern vor; sie sind im allge- meinen in der Peripherie spärlicher und nehmen nach der grauen Substanz hin an Zahl zu. Sie treten dann mehr in den Vordergrund, beherrschen das Bild, weil hier auch die Radiärfasern mehr verschwinden. In den Hintersträngen treten im Halsmark die Horizontalfasern stark in den Hintergrund gegenüber den Längsfasern, und der Burdach’sche Strang ist an letzteren wieder durchschnittlich reicher als der Goll’sche. Einen gröfseren Reichthum an Horizontalfasern zeigt der Burdach’sche Strang in den Partien, welche direct an das Hinterhorn stofsen. Im Lendenmark herrschen im allgemeinen dieselben Verhältnisse wie im Halsmark, im Dorsalmark dagegen sind die Unterschiede stark verwischt. Vor allem fehlen oder sind doch stark redueirt jene kräftigen Horizontal- fasern, welche vom Rande der vorderen Fissur und von der ganzen Peri- pherie des Vorderseitenstranges ausstrahlen. Horizontalfasern in gröfseren Massen finden sich hier nur in der Nähe der hinteren Wurzeln. Ganz ähnliche Verhältnisse finden wir bei /nuus und Ateles in Bezug auf Verlauf und Vertheilung der Gliafasern in der weilsen Substanz. Die gro(se Masse der Fasern in den Vorderseitensträngen sind stark wellig ver- laufende Horizontalfasern. Dazu gesellen sich noch Längsfasern, welche hauptsächlich in den Hintersträngen und den der grauen Substanz benach- harten Partien des Vorderseitenstrangs vorherrschen. Das Verhalten der Gliafasern zu den Gefälsen. Wenn man auch von dem Affenrückenmark schlechthin sagen kann, dals jedes Gefäfs von einer aus Gliafasern zusammengesetzten Hülle um- geben ist, so scheint mir doch, wenn ich meine Praeparate mit den Ab- bildungen vergleiche, welche andere Autoren vom menschlichen Rückenmark gegeben haben, dafs diese Gefäfshüllen bei den Affen recht spärlich ent- wickelt sind. Der gröfsere oder geringere Gliareichthum um ein Gefäls hängt hier ganz ab von dem Ort, an welchem es liegt. Wenn wir z.B. ein kleines Gefäfs in der centralen Gliamasse ins Auge fassen, so finden wir um dasselbe herum eine enorme Masse von Gliafasern, von denen ein Theil sich nieht selten von der übrigen Masse etwas absetzt, so dafs man Untersuchungen über den bau des Centralnervensystems der Affen. 45 von einer selbständigen Gliascheide sprechen kann. Aber schon in ge- ringer Entfernung davon praesentirt sich uns in der grauen Substanz ein vielleieht doppelt so grolses Gefäfs mit ganz minimaler Gliabekleidung, so geringfügig, dafs die Hülle an vielen Stellen ganz unvollständig ist. Und wenden wir uns schliefslich in die Substantia Rolandi, so sehen wir hier die Gefälse völlig einer Hülle entbehren. Es erleidet also der Satz, dass die Gefäfse innerhalb des Centralnervensystems immer von einer Gliahülle umgeben sind, hier eine gewisse Einschränkung. In der weilsen Substanz pflegen die Gliascheiden um. die Gefälse ganz allgemein constanter und auch im Durchschnitt stärker zu sein als in der grauen Substanz. Das liegt aber in der Natur der Sache, denn hier ver- laufen die gröberen Gefälse ja in den Gliasepten, die von Hause aus sehr reich an Gliafasern sind, auch da, wo keine Gefäfse in ihnen liegen. Es ordnen sich dabei die den Gefälsen zunächst liegenden Fasern zu einer Scheide an. Diese entsteht aber jedenfalls erst durch das Einwachsen des Gefälses, wofür auch der Faserverlauf spricht. Die Fasern verlaufen »nämlich wesentlich in der Längsrichtung des Ge- fälses und beschreiben dabei Spiraltouren um dasselbe. Sind diese Spiralen sehr hoch oder lang gestreckt, so werden auf dem Gefälsquerschnitt die Fasern als Pünktchen erscheinen; sind die Spiralen eng gewunden, niedrig, so wird man die Fasern schräg geschnitten erhalten. Beide Verlaufsarten finden sich neben einander. In der weifsen Substanz sind die Gefäfse ausschliefslich von solchen Spiralfasern umgeben, in der grauen Substanz gesellen sich zu ihnen aber noch Fasern, welche oft aus weiter Entfernung herkommen, Horizontal- fasern, welche direct auf die Gefäfswand zulaufen und, an ihr angelangt, umbiegen, um sich den Spiralfasern zuzugesellen. Diese extrinsie fibres, wie sie Lloyd Andriezen genannt hat, sind vor allem bei Inuus und Ateles sehr zahlreich vertreten. Sie unterscheiden sich hier auch durch ihr Ca- liber von den meist sehr spärlich entwickelten Spiralfasern. Sie sind näm- lich immer stärker als jene und stammen von den eigenartigen und auf- fallenden Zellen ab, die schon früher erwähnt wurden, weil sich bei ihnen meist der Protoplasmaleib mitfärbt. Was den feinern Bau der Gliascheiden anlangt, so verdient vor allem hervorgehoben zu werden, dafs die Fasern niemals mit solchem Knötehen enden, wie sie uns die Golgi-Praeparate zeigen. In guten nicht geschrumpften 46 R. Krause: Praeparaten liegen die Gliafasern der Gefäfswand an, niemals ist ein Spaltraum zwischen beiden vorhanden. Ein solcher ist auch gar nicht von Nöthen, denn er wird ja gerade erst durch die Anwesenheit der Glia- fasern geschaffen. Damit kommen wir aber schon auf die Function der Neuroglia zu sprechen, die im folgenden Capitel im Zusammenhang be- sprochen werden soll. Die physiologische Rolle der Neuroglia. Diejenigen Forscher, welche sich mit diesem Thema beschäftigt haben, gehen in ihren Anschauungen in drei Richtungen aus einander. Ich will dieselben hier nur kurz anführen, da sich Weigert schon ausführlich lamit befafst hat. Nach Golgi kommen der Neuroglia nutritive Functionen zu, es sollen die Ausläufer der Gliazellen mit den Dendriten der Nerven- zellen in Verbindung treten und dadurch ihnen Nährmaterial zuführen. Die Weigert’sche Methode zeigt uns, dafs die Voraussetzungen, auf wel- chen diese Theorie basirt, keineswegs zutreffen. Erstens handelt es sich nicht um eigentliche Zellausläufer, sondern um von dem Körper der Glia- zellen differente Fasern, und zweitens treten diese Fasern nirgends in Ver- bindung mit den Dendriten der Nervenzellen. In anderer Richtung be- wegt sich die Theorie von Ramön y Cajal; nach ihr kommt der Neu- roglia die Aufgabe zu, ein Isolationsmaterial zu bilden. Wäre das der Fall, so würde die Neuroglia ihre Aufgabe doch nur höchst unvollkommen erfüllen, denn an vielen Stellen fehlen zwischen den Nervenfasern Glia- fasern vollständig, und aufserdem bilden die Gliafasern da, wo sie über- haupt isolirend wirken ‚könnten, meist nur so lockere Geflechte, dafs von ihnen eine isolirende Wirkung gar nicht zu erwarten ist. Am einfachsten und natürlichsten ist die Auffassung von Weigert, nämlich dafs die Haupt- bedeutung der Neuroglia in der Raumausfüllung liegt. Überall da, wo die nervösen Bestandtheile Raum lassen, da schiebt sich die Neuroglia als Füllmaterial ein. So plausibel nun diese Anschauung ist, so erklärt sie, wie Weigert sich selbst sagt, doch verschiedene Thatsachen nicht, und das ist vor allem die starke Anhäufung von Gliafaseın an der Oberfläche des Rückenmarks und um den Centralkanal herum. Ich glaube kaum, dals, wie Weigert meint, bei der Anordnung der Gliafasern irgend welche statische oder mechanische Ursachen eine Rolle spielen, denn diese setzen entweder Druck oder Zug voraus, und vor solehen mechanischen Momenten Untersuchungen über den Bau des Centralnervensystems der Affen. 47 mufs das Rückenmark, wenn es ungestört functioniren soll, geschützt sein und ist auch durch seine Lage im Wirbelkanal innerhalb seiner mit Flüs- sigkeit gefüllten Hüllen auf das beste geschützt. Ich glaube, man mufs die Bedeutung der Neuroglia in einer anderen Richtung suchen. Das Rückenmark ermangelt, das scheint aus allen Untersuchungen mit Sicherheit hervorzugehen, der Lymphgefäfse. Würden sich die ner- vösen Elemente, Zellen und Fasern, ohne Zwischensubstanz an einander lagern, so würde eine Cireulation der Lymphe sehr erschwert oder gar unmöglich sein. Hier springen nun die Gliafasern ein. Indem sich diese mehr oder weniger doch starren Fasern zwischen die nervösen Elemente einlagern, werden zwischen ihnen Spalträume geschaffen, in welchen die Lymphe eireuliren kann. Wir wollen nun sehen, wie mit diesen theo- retischen Anschauungen die Thatsachen in Einklang zu bringen sind. Wir sehen einmal, dafs da, wo grölserer Stoffverbrauch ist, auch für ausgiebige Spalträume durch stärkere Glia-Anhäufung gesorgt ist, so z.B. um die grofsen Nervenzellen herum. Hier werden die Gliakörbe eine ausgiebige Umspülung mit Lymphe ermöglichen. Im Gegentheil braucht dann auch da, wo kein Stoffverbrauch ist, keine oder doch nur wenige Glia zu sein. So erklärt sich z.B. der geringe Gehalt der Substantia Ro- landi an Gliafasern. Hier ist der Stoffverbrauch auf ein Minimum ge- sunken, denn ein grofser Theil der sie früher zusammensetzenden Zellen ist einer regressiven Metamorphose anheimgefallen, wie mir das nach den Ausführungen Leuhossek’s sehr wahrscheinlich ist. Die Gliahüllen der Gefäfse erklären sich leicht; hier ersetzen dieselben die Lymphscheiden. Die wichtigste Frage ist aber nun, ob sich mit dieser Annahme auch die Existenz der äufseren Gliahülle und vor allem der centralen Gliamasse erklären läfst. Hier müssen wir uns zunächst nach den Abfuhrwegen der Lymphe umsehen. Dieselben werden hauptsächlich gebildet durch die subarachnoidealen Räume, die ihrerseits wieder mit dem Ventrikelsystem des Gehirns bez. dem Centralkanal des Rückenmarks in offener Verbin- dung stehen. Wir können also den Centralkanal ebenfalls als einen Ab- fuhrweg für die Lymphe ansehen. Von diesem Standpunkt ausgehend, erklärt sich aber die Anwesenheit der centralen Gliamasse mit Leichtigkeit. Es stellt dieselbe mit ihrem aufserordentlich engen Maschenwerk von Glia- fasern einen Schwamm gleichsam dar, welcher sich in dem Mafse von 48 | R. Krause: der grauen Substanz her mit Flüssigkeit vollsaugt, als er durch das Epithel des Centralkanals von ihr entleert wird. Man kann sich dabei sehr wohl vorstellen, und es spricht nichts dagegen, dals die Ependymzellen bei diesem Procefs eine Art Secretionsarbeit leisten, ähnlich wie es für die Endothelzellen der Lymphgefälse und serösen Höhlen nachgewiesen wor- den ist. | Ganz ähnlich wie die centrale Gliamasse ist dann die Gliahülle auf- zufassen; auch sie repraesentirt, wo sie gut entwickelt ist, ein Reservoir für die Lymphe, dem vermöge seines engmaschigen Baues gleichzeitig eine Es stellt die Gliahülle so in ihrer Ge- sammtheit einen das Rückenmark an seiner Aufsenfläche in wechselnder aufsaugende Wirkung zukommt. Dieke umgebenden Lymphraum dar, der von einem dichten Maschenwerk von Gliafasern durchzogen ist. Die zahlreichen in die Pia hineinragenden Gliabündel wären dann als Haftbänder aufzufassen. Erklärung der Figuren auf Tafel I-II. Sämmtliche Figuren wurden von mir bei Zeils, homog. Immers. !/,, Oc.2 mit dem Abbe- schen Zeichenapparat entworfen. Tubuslänge ızomm, Projection auf den Arbeitstisch. Die Figuren von Tafel II und III sind vom Lithographen auf die Hälfte verkleinert. Tafel Il. Fig. ı. Gliazelle aus der grauen Substanz Fig. 5. Gliazelle (Langstrahler) von der Grenze zwischen Hinterhorn und Hinterstrang des Lendenmarks. Orang. Zwei grolse helle und ein kleinerer dunkler Kern. Fig. 2. Gliazelle aus der grauen Substanz des Lendenmarks. Orang. Drei grolse helle Kerne. Fig. 3. Gliazelle aus der grauen Substanz des Halsmarks. Orang. Ein grolssr hufeisen- förmiger heller Kern, durch dessen freien Raum die Gliafasern ziehen. Fig. 4. Gliazelle (Langstrahler) aus der grauen Substanz des Halsmarks. Orang. Die beiden Kerne legen sich semmelartig an ein- ander, und zwischen ihnen durch ziehen die Fasern. aus dem Halsmark. Orang. Fig. 6. Gliazelle aus der grauen Substanz des Vorderhorns. Halsmark. Orang. Drei polymorphe Kerne bilden eine Art Ring oder Rohr, durch welches die Fasern durchtreten. Fig.7. Gliazelle aus der grauen Substanz des Lendenmarks. Orang. Fig. 8. Gliazellen (Kurzstrahler) aus‘ der grauen Substanz des Halsmarks. Ateles. Das Protoplasma hat sich schwach mitgefärbt. Die Fasern verlaufen in der Aulsenschicht des Protoplasmas. Fig. 9. Partie aus einem Längsschnitt durch das Halsmark. Orang. Grenze zwischen grauer Untersuchungen über den Bau des Centralnervensystems der Affen. und weilser Substanz (g und wo). a Zelle, deren Fasern in ein dichtes Bündel auslaufen. Tafel 1. Fig. 10. Querschnitt durch das Halsmark. Orang. Partie seitlich vom Centralkanal. | e Epithel desCentralkanals. c.g. Centrale Glia- masse mit quer getroffenen Fasern. / Colossal- faser, welche sich in der centralen Gliamasse verliert. g Gefälse. Fig.ır. Querschnitt durch das Halsmark. Orang. Partie dorsal vom Centralkanal, hin- tere Commissur. w Weilse Substanz. s.p. Sep- tum posterius. ce Centralkanal. g Gefälse. Die Längsfasermassen werden durch Horizontal- fasern in Bündel gesondert, welche in der hinteren Commissur umbiegen und in das Septum posterius einstrahlen. Fig. ız. Querschnitt durch das Lenden- mark. Orang. Partie dorsal vom Centralkanal | _ und hintere Commissur. w Weilse Substanz. s. p. Septum posterius. c Centralkanal. Fig. 13. Septum posterius aus einem Quer- schnitt durch das Lendenmark. Orang. f. m. p. Fissura mediana posterior mit dem in ihr ge- legenen Fortsatz der Pia mater. Fig. 14. Querschnitt durch das Halsımark. Inwus. ce Centralkanal. e.g. Centrale Gliamasse. w Weilse Substanz. s.p. Septum posterius. 49 Fig.15. Querschnitt durch das Lumbal- mark. Ateles. c Centralkanal. e Ependymfasern zwischen die Kerne der Ependymzellen drin- gend. Tafel 11. Fig. 16. Querschnitt durch das Halsmark. Ateles. c Centralkanal. e Ependymfasern, durch die hintere Commissur in das Septum poste- rius (s.p.) eindringend. Fig. 17. Querschnitt durch die Hinter- stränge im oberen Halsmark. Orang. s.p. Septum posterius. Fig. ı8. Längsschnitt durch das Halsmark. Orang. Motorische Vorderhornzelle mit ihrer Glia- Umhüllung. Fig.1ı9. Querschnitt durch das Lenden- mark. Inuus. Zwei Vorderhornzellen mit ihrer Glia-Umhüllung. Daneben kleinere Nerven- zellen (2). Fig.20. Längsschnitt durch das Dorsal- .mark. Orang. Es ist ein Gliaseptum getroffen. p. m. Pia mater. Fig. 21. Längsschnitt durch das Lenden- mark. Orang. Gliahülle (g. %.) nit in die Pia mater (p. m.) eindringenden Faserbündeln. w Weilse Substanz. g. Gefäls. Fig. 22. Querschnitt durch das Dorsalmark. Ateles. Suleus lateralis posterior mit Glia- Auskleidung und Fortsatz der Pia mater. Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. III. Zi h" ’ BEER FE N INaas Ara en Urs Fa Et ist, EN ET HET er Bere) u Terun ES ESTER: LP LENTE T 7 IR ol: par FIN .$ er Prah Ara 3% 1, NO a ce F i 2 EN Ban . Preufs. Akad. d. Wissensch. Anhang z. d. Abh. 1899. Phys.-math. Cl. Fig. 8. Fig.1. Fig. 3. Krause: Untersuchungen über den Bau des Centralnervensystems der Affen. Tafel I. ve fs. Akad. d. Wissensch. Anhang z. d. Abh. 1899. Phys.-math. Cl. FED WEZFFE CHEF GE Ga rı FAZ IS in» d DR IS, N el) Krause: Untersuchungen über den Bau des Centralnervensystems der Affen. Tafel IH. K. Breufs. Binad. d. Wissensch. Anhang z. d. Abh. 1899. Phys.-math. Ol. 117 7 Im zw; ' Krause: Untersuehungen über den Bau des Centralnervensystems der Affen. h Tafel III. . TH, ARE ri Fa RAR ar k 2 e2 2; NL 3 9088 01298 8887