KDRBLEN NR ECTTEN BER 8 a Den s . ABHANDLUNGEN DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 1908. PHYSIKALISCH-MATHEMATISCHE CLASSE. Ahan dl gen Kmız chen 79 Ak R 2 = SEI 4 P33 > Te, ö ; 908 34 Borkn ale N % N} A>eL ) ‚ vr DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. , JAHRGANG 1908. PHYSIKALISCH-MATHEMATISCHE CLASSE. MIT 9 TAFELN. BERLIN 1908. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. f nsoman li Wrrage > II TCAR [ JUL 14 150 ) Offies Libri y = . > u + u : es i vn wur “ MA FAR anna nr Aa tg FR ef, KÖTROR. Benin, gedruckt in ee Belehadruckere MAMA ATBRTDLM-HIAR A HZ EN vu { a REF Hi TEN EL STE A Inhalt. Öffentliche Sitzungen ; : Verzeichnils der im Jahre 1908 uelesenen Arhandlüngen Bericht über den Erfolg der Preisausschreibungen für 1908 . Statut der Herinann Vogel-Stiftung . . c Sr > Verzeichnils der im Jahre 1908 erfolgten Besonderen Eeldbemilieanzen aus akademischen Mitteln zur Ausführung wissenschaftlicher Un- ternehmungen . 5 ee Baron bit Verzeichnils der im Tahre 1908 erschienenen im Auftrage oder mit Unterstützung der Akademie bearbeiteten oder herausgegebenen Werke ; E © An: Veränderungen im Pe onalstande de Akademien im Laufe des Jahres 1908 Verzeichnils der Mitglieder der Aladenie am 1 Sehlasse ne Talees 1908 nebst den Verzeichnissen der Inhaber der Helmholtz- und der Leibniz-Medaille und der Beamten der Akademie. Abhandlungen. Branca: Fossile Flugthiere und Erwerb des Flugvermögens Anhang. « VIIL— VIII. PinIdp) « VIII—XVI. [ « XVI—XVII. nn « XIX— XXI an »« XXIV—XXVI. S. XXVIH—XXXI. . XXXI—XXXIII. un S. XXXIV—XULI. Abh. I. S.1-49. Abhandlungen nicht zur Akademie gehöriger Gelehrter. L. JAcossoan: Über die Kerne des menschlichen Rückenmarks. (Mit 9 Tafeln) Abh.I. S..1-72. stand L. j a Be 2 12) a ur IRRE wogt ne a der rm Dar® h Cage ‚90 » ARE a Meere eh a are th row ine rn ee a Eu BR wer n un a wonach be ER? 2 pV nm veliy® ‚ ra ar. re Var Pr 3 ' Be Bra MT en \ at. lee ke. wi FT 2 FF Jar 07 \ ı j 1 0 Bi = w: iR u u 1 Fran R Fra re Fe TE Ki im nung äh fr 7 ww! N yanaot mih: a 5 = 0» rl Jahr 1908. Öffentliche Sitzungen. Sitzung am 23. Januar zur Feier des Geburtsfestes Seiner Majestät des Kaisers und Königs und des Jahrestages König Friedrich’s 1. Der an diesem Tage vorsitzende Secretar Hr. Waldeyer er- öffnete die Sitzung mit einer auf die Festfeier bezüglichen An- sprache. Darauf hielt Hr. Koser den wissenschaftlichen Festvortrag: Über eine ungedruckte Ode Friedrichs des Grofsen von 1742 »Sur les jugements que le public porte sur ceux qui sont charges dans la societe ceivile du malheureux emploi de politiques«. Alsdann wurden im Auszuge die Jahresberichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie und über die ihr angegliederten Stiftungen und Institute erstattet, welche im Sitzungsbericht im Wortlaut abgedruckt sind. Zum Schlufs folgte der Bericht über die seit dem letzten Friedrichs-Tage (24. Januar 1907) in dem Personal- stande der Akademie eingetretenen Veränderungen. Sitzung am 2. Juli zur Feier des Leibnizischen Jahrestages. Hr. Diels, als vorsitzender Secretar, eröffnete die Sitzung mit einer Ansprache über alte und neue Kämpfe um die Freiheit der Wissenschaft. VIII Darauf hielten die seit dem letzten Leibniz-Tage (4. Juli 1907) neu eingetretenen Mitglieder, Hr. Heusler von der philosophisch- historischen und Hr. Rubens von der physikalisch-mathematischen Classe ihre Antrittsreden. Es antworteten die beständigen Secretare, und zwar Hrn. Heusler Hr. Vahlen, Hrn. Rubens Hr. Auwers. Das bereits im Jahre 1904 neu eingetretene Mitglied der phy- sikalisch-mathematischen Classe Hr. Koch war auch in diesem Jahre auf einer Reise im Ausland begriffen und konnte der Sitzung nicht beiwohnen. Weiter hielten die HH. von Wilamowitz-Moellendorff und Diels Gedächtnilsreden auf Adolf Kirchhoff und Eduard Zeller. Schliefslich erfolgten Mittheilungen betreffend die Akademische Preis- aufgabe für 1908 aus dem Gebiete der Philosophie, das Preisaus- schreiben aus dem Cothenius’schen Legat, den Preis aus der Diez- Stiftung und das Stipendium der Eduard Gerhard-Stiftung. Verzeichnils der im Jahre 1908 gelesenen Abhandlungen. Physik und Chemie. Nernst, zur Theorie der galvanischen Polarisation; Anwendung zur Berechnung der Reizwirkungen elektrischer Ströme. (G. 8. 9-Jan., SB) Fischer und Dr. F. Wrede, über die Bestimmung der Verbrennungs- wärme organischer Verbindungen mit Benutzung des Platin- widerstandsthermometers. (G.S. 9. Jan.; S. B. 30. Jan.) Rosenthal, Prof. I, Zerlegung hochcomplicirter chemischer Ver- bindungen im schwankenden magnetischen Kraftfeld. Vor- gelegt von Fischer. (G.S. 9. Jan.; S. B.) IX Warburg und Dr. G. Leithäuser, über die Analyse der Stick- oxyde durch ihre Absorptionsspectra im Ultraroth. (Cl. 67'Febr3)8.12)) Rubens und Dr. E. Ladenburg, das Reflexionsvermögen des Wassers. (Cl. 20. Febr.; S. B. 5. März.) Landolt, Untersuchungen über die fraglichen Änderungen des Gesammtgewichtes chemisch sich umsetzender Körper. Dritte Mittheilung. (Cl. 19. März; S. B.) van’t Hoff, Untersuchungen über die Bildung der ocea- nischen Salzablagerungen (Schluls.) LII. Der Verband für die wissenschaftliche Erforschung der deutschen Kalisalz- lagerstätten. (Cl. 23. April; S. B.) Eucken, Dr. A., über den Verlauf der galvanischen Polarisation durch Condensatorentladung; Anwendung auf die Nerven- reizung. Vorgelegt von Nernst. (G.S. 30. April; S. 5. 14. Mai.) Fischer, Synthese von Polypeptiden. (Cl. 21. Mai; S. B.) Stark, Prof. J., über die Spectra des Sauerstoffs (Doppler-Effeet bei Kanalstrahlen). Vorgelegt von Planck. (Cl. 21. Mai; S. B.) Stark, Prof. J., und W.Steubing, über die spectrale Intensitäts- vertheilung der Kanalstrahlen in Wasserstoff. Vorgelegt von Planck. (Cl. 21. Mai; S. B.) Planck, über die kanonische Zustandsgleichung einatomiger Gase. Erste Mittheilung. (@.S. 25. Juni; S. B.) Warburg, über Ozonröhren. (Cl. 9. Juli.) Rubens und Dr. E. Ladenburg, das Reflexionsvermögen des Aethylalkohols. (Cl. 17. Dec.; S. B.) Mineralogie, Geologie und Palaeontologie. Potonie, Prof. H., über recente allochthone Humusbildungen. Vor- gelegt von Branca. (Cl. 16. Jan.; S. B.) x Branca, fossile Flugthiere und Erwerb des Flugvermögens. (Cl. 16. Jan; Abh.) Potonie, Prof. H., eine Classification der Kaustobiolithe. Vorgelegt von Branca. (Cl. 6. Febr.; S.B.) Gothan, Dr. W., zur Entstehung des Gagats. Vorgelegt von Branca. (Cl. 20. Febr.; S. B.) Branca, Nachtrag zur Embryonenfrage bei Ichthyosaurus. (Cl. 2. April; S. B.) Eberhard, Prof. G., über die weite Verbreitung des Scandium auf der Erde. Vorgelegt von Nernst. (Cl. 23. Juli; S. B.) Branca, über die Hypothesen zur Erklärung der Mondkratere. (Cl. 22. Oct.) Ktenas, Dr. K. A., die Überschiebungen in der Pelopönnisos. 1. Der Ithomiberg. Vorgelegt von Branca. (Cl. 22. Oct.; S.B. 5. Nov.) Tannhäuser, Dr. F., Analysen des Neuroder Gabbrozuges. Vor- gelegt von Branca. (Cl. 5. Nov.; S. B.) Botanik und Zoologie. Engler, pflanzengeographische Gliederung von Africa. (Cl. 23. Juli; S. B.) Anatomie und Physiologie, Bacteriologie, Pathologie. Rubner, das Wachsthumsproblem und die Lebensdauer des Menschen und einiger Säugethiere vom energetischen Stand- punkte aus betrachtet. (Cl. 16. Jan.; S. B.) Schultze, Prof. O., zur Histogenese des Nervensystems. Vorgelegt von Waldeyer. (Cl. 6. Febr.; S.B.) Munk, über die Functionen des Kleinhirns. Dritte Mittheilung (Schlufs). (G.S. 12. März; S. B.) xl Jacobsohn, Dr. L., über dıe Kerne des menschlichen Rückenmarks. Vorgelegt von Waldeyer. (Cl. 19. März; Abh.) Waldeyer, die Magenstralse. (Cl. 2. April; S. B. 4. Juni.) F. E. Schulze, die Lungen des africanischen Straufses. (G. 8. 9Apıl; SD.) OÖ. Hertwig, über die Entstehung überzähliger Extremitäten bei den Wirbelthieren. (Cl. 18. Juni.) Orth, über Resorption körperlicher Elemente ım Darm, mit beson- derer Berücksichtigung der Tuberkelbacillen. (G. S. 30. Juli; S. B.) Koch, Entwicklungszustände der Trypanosomen. (Cl. 3. Dec.) Bickel, Prof. A., Theorie der Magensaftsecretion. Vorgelegt von Orsbanı(cl 17. Dee.; S. 2.) Astronomie, Geographie und Geophysik. Penck, der Drakensberg und der Quathlambabruch. (G.S. 13. Febr.; S. B.. 27. Febr.) Auwers, über den weitern Fortgang seiner Bearbeitung der älteren Bradley’schen Beobachtungen. (Cl. 5. März.) Helmert, trigonometrische Höhenmessung und Refractionscoeffi- cienten in der Nähe des Meeresspiegels. (G.S. 14. Mai; S. D.) Helmert, Unvollkommenheiten im Gleichgewichtszustande der Erd- kzuste. u (©. 5. Noy.; ‚Ss. .D.) Struve, über eine nicht veröffentlichte Abhandlung Bessel’s über die Bewegung des Uranus. (G.S. 10. Dec.) Mathematik, Mechanik und Technik. Schottky, über Beziehungen zwischen veränderlichen Grölsen, die auf gegebene Gebiete beschränkt sind. Zweite Mittheilung. (&S730:Jan.; S.-D.) xX1l Rasch, E., Bestimmung der kritischen Spannungen in festen Körpern. Vorgelegt von Martens. (Cl. 20. Febr.; S. B.) Schwarz, über specielle Tetraeder mit rationalen Kantenlängen und rationalem Körperinhalt. (Cl. 7. Mai.) Frobenius, über Matrizen aus positiven Elementen. (G.S. 14. Mai; Se) Schur, Dr. I., über die Darstellung der symmetrischen Gruppe durch lineare homogene Substitutionen. Vorgelegt von Fro- benius. (G.S. 4. Juni; S. B. 25. Juni.) Landau, Prof. E., zwei neue Herleitungen für die asymptotische Anzahl der Primzahlen unter eimer gegebenen Grenze. Vor- gelegt von Frobenius. (G.S. 25. Juni; S. B. 16. Juli.) Landau, Prof. E., neuer Beweis der Riemann’schen Primzahlformel. Vorgelegt von Frobenius. (G.S. 16. Juli; S. B.) Kötter, Prof. F., über die Torsion des Winkeleisens. Vorgelegt von Müller-Breslau. (G.S. 16. Juli; S. B. 30. Juli.) Schottky, zur Theorie der Symmetralfunetionen. (Cl. 23. Juli; S. B.) Müller-Breslau, über den Einflufs der steifen Verbindung der Fahrbahntafel mit den Hauptträgern eiserner Brücken für den Fall der statischen Unbestimmtheit der Hauptträger. (G. S. 12. Nov.) Schottky, zur Theorie der Symmetralfunctionen. Zweite Mitthei- lung. (Cl. 19. Nov.; S. B.) Korn, Prof. A., über Minimalflächen, deren Randeurven wenig von ebenen Curven abweichen. Vorgelegt von Schwarz. (Cl. 19. Nov.; Abk. 1909.) Zimmermann, über die Gleichgewichtsverhältnisse dünnwandiger Hohlkörper, die unter einem innern Überdruck stehen. (Cl. 17. Dec.) XIII Philosophie. Stumpf, zur Theorie des inductiven Schlusses. (Cl. 16. Jan.) Geschichte. Meyer, das erste Auftreten der Arier in der Geschichte. (G.S. 9JanssS..b:) Lenz, über einen Reformversuch des Ministers von Massow in Bezug auf die medieinischen Unterriehtsanstalten des preulsi- schen Staates (1502). (G. S. 30. Jan.) Koser, zur Charakteristik der Politik Ludwig’s XIV. (Cl. 20. Febr.) Koser, aus der Vorgeschichte der ersten Theilung Polens. (Cl. 5 Marz:.S. BD.) Zimmer, über den Wemhandel Westgalliens nach Irland im 1. bis 7. Jahrhundert. (G. S. 26. März.) Dressel, über aegyptische Funde altgriechischer Silbermünzen. (Cl. 2. April.) Harnack, die angebliche Synode von Antiochia im Jahre 324/5. (28. 14, Mai; S,B.) Schäfer, der Zug König Lothar’s gegen Böhmen im Jahre 1126. (Cl. 21. Mai.) Meyer, die Bedeutung der Erschliefsung des alten Orients für die geschichtliche Methode und für die Anfänge der mensch- lichen Geschichte überhaupt. (G.S. 4. Juni; S. B. 25. Juni.) Loofs, die chronologischen Angaben des sog. » Vorberichts« zu den Festbriefen des Athanasıus. (Cl. 22. Oct.; S. B.) Schmidt, Prof. K., eme Epistola apostolorum in koptischer und lateinischer Überlieferung. Vorgelegt von Harnack. (Cl. 5.Nov.; SB.) Hirschfeld, Vermuthungen zur altrömischen Geschichte. (G. S. 26. Nov.) XIV Rechts- und Staatswissenschaft. Brunner, über das Alter des Pactus pro tenore pacis Childeberti et Chlotharii. (Cl. 19. Nov.) von Schmoller, Kritik der Untersuchungen der letzten 30 Jahre über das ältere Gildewesen in Skandinavien, England, Nord- frankreich, den Niederlanden und Deutschland. (Cl. 17. Dee.) Allgemeine, deutsche und andere neuere Philologie. Roethe, über eine Handschrift des Reinaert I auf der Fürst]. Salm- Reifferscheidt’schen Schlofsbibliothek zu Dyck. (Cl. 6. Febr.) Schmidt, drei ungedruckte Dietathefte aus Wieland’s Züricher Haus- lehrerzeit. (G. S. 27. Febr.) Burdach, Schrift und Sprachbewulstsein im Althochdeutschen. (Cl. 23. April.) Pischel, ins Gras beilsen. (G. $. 30. April; S. B.) Roethe, die Betonung der einsilbigen Worte im älteren deutschen Versbau. (Cl. 7. Mai.) W. Schulze, Wortbrechung in den gotischen Handschriften. (Cl. 1:8. Jun: 8...) Brandl, Anfänge der Autobiographie in England. (Cl. 9. Juli; S. B.) Heusler, die gelehrte Urgeschichte im altisländischen Schriftthum. (Cl. 23. Juli; Abh.) Seuffert, Prof. B., Prolegomena zu einer Wieland-Ausgabe. V. Vorgelegt von Schmidt. (Cl. 22. Oet.; Abh.) Tobler, mon cheri, Anrede an weibliche Person. (G.S. 29. Oct.; S. B.) Tobler, malgre qu’il en ait. (G.S. 29. Oct.; S. B.) Zimmer, Beiträge zur Erklärung altirischer Texte der kirchlichen und Profanliteratur. I. II. (Cl. 3. Dec.; S. B.) XV Classische Philologie. von Wilamowitz-Moellendorff, Pindar’s siebentes nemeisches Gedicht. (Cl. 19. März; S. B.) Wellmann, Prof. M., Pseudodemocritea Vaticana. Vorgelegt von Diels. (Cl. 18. Juni; S. B.) Wellmann, Prof. M., Aelius Promotus 'larpıra dvoıka kat avrıradnrıra. Vorgelegt von Diels. (Cl. 23. Juli; S. B.) Vahlen, über zwei Briefe des Alciphron. (Cl. 22. Oct.; S. B.) Diels, Beiträge zur Zuckungsliteratur des Occidents und Orients. I. (Cl. 5. Nov.; Abh.) Diels, die Stele des Mnesitheos. (Cl. 5. Nov.; S. B.) Nachtrag. (elrlT-Dee:;u8:B.) Archaeologie. Wiegand, Dr. Th., sechster vorläufiger Bericht über die von den Königlichen Museen in Milet und Didyma unternommenen o Ausgrabungen. Vorgelegt von Kekule von Stradonitz. (Cl. 20. Febr.; Abh.) Kekule von Stradonitz, die Geburt der Helena aus dem Eı. (Cl. 5. März; S. DB. 25. Juni.) Örientalische Philologie. Sieg, Dr. E., neue Bruchstücke der Sanskrit-Grammatik aus Chi- nesisch-Turkistan. Vorgelegt von Pischel. (G.S. 30. Jan.:; S. B. 13. Febr.) Erman, über eine Sammlung von Hymnen an das Diadem der Pharaonen. (Cl. 6. Febr.) Beckh, Dr. H., Beiträge zur tibetischen Grammatik, Lexikographie, Stilistik und Metrik. Vorgelegt von Pischel. (G.S. 27. Febr.; Abh.) XVI von Le Cogq, A., ein manichäisch-uigurisches Fragment aus Idiqut- Schahri. Vorgelegt von Müller. (Cl. 19. März; S. B. 2. April.) Möller, Dr. G., Bericht über die Aufnahme der hieroglyphischen und hieratischen Felseninschriften im Alabasterbruch von Hatnub in Mittelaegypten. Vorgelegt von Erman. (G. S. 4. Juni; S. B. 25. Juni.) Erman und Prof. H. Schäfer, der angebliche aegyptische Bericht über die Umschiffung Africas. (Cl. 9. Juli; S. B. 30. Juli.) Müller, Uigurica. (G.S. 16. Juli; Abh.) Sieg, Dr. E., und Dr. W. Siegling, Tocharisch, die Sprache der Indoskythen. Vorgelegt von Pischel. (G. S. 16. Juli; S. B. 30. Juli.) Pischel, die Turfan-Recensionen des Dhammapada. (Cl. 23. Juli; S. B. 30. Juli.) Yahuda, Dr. A. S., über die Unechtheit des samaritanischen Josua- buches. Vorgelegt von Nöldeke und Meyer. (G.S. 30. Juli; S.D.) Sachau, über einen Papyrus aus Elephantine. (Cl. 3. Dee.) Bericht über den Erfolg der Preisausschreibungen für 1908. Akademische Preisaufgabe für 1908 aus dem Gebiete der Philosophie. Im Jahre 1598 hatte die Akademie für das Jahr 1901 eine Preisaufgabe gestellt, in welcher eine Darstellung des Systems von Leibniz gewünscht wurde, und diese Aufgabe, da sie nur eine theil- weise Lösung gefunden hatte, dann für 1905 erneuert. In diesem Jahre fand sie keine Bewerbung, und die Akademie schrieb folgende veränderte Preisaufgabe aus: XVII »Es soll untersucht werden, was über die Abhängigkeit der Metaphysik Leibnizens von seiner Logik mit Sicherheit aus den vorhandenen gedruckten Quellen sich ergiebt; auf Ungedrucktes zurückzugehen, wird nicht gefordert.« Bewerbungsschriften, die bis zum 31. Dezember 1907 erwartet wurden, sind jedoch nicht eingegangen, und die Akademie hat nun- mehr von ihrer Befugnils Gebrauch gemacht, dem Verfasser einer in das Gebiet der gestellten Preisaufgabe einschlagenden, innerhalb des Zeitraums 1905—1908 veröffentlichten Schrift oder dem Ur- heber einer in der gleichen Zeit ausgeführten wissenschaftlich her- vorragenden Arbeit die Preissumme als Ehrengabe zu überweisen. Sie erkennt den ausgesetzten Betrag von Fünftausend Mark zu gleichen Teilen den HH. Dr. Willy Kabitz in Breslau und Dr. Paul Ritter in Berlin für ihre Arbeit an dem kritischen Catalog der Leibniz-Handschriften zu, der für die in Angriff genommene interakademische Leibniz- Ausgabe hergestellt worden ist. Preisausschreiben aus dem Cothenius’schen Legat. Die Akademie schreibt folgende Preisaufgabe aus dem Co- thenius’schen Legat aus: »Der Entwickelungsgang einer oder einiger Ustilagineen soll möglichst lückenlos verfolgt und dargestellt werden, wobei be- sonders auf die Überwinterung der Sporen und Mycelien Rücksicht zu nehmen ist. Wenn irgend möglich, sind der Abhandlung Prae- parate, welche die Frage entscheiden, beizulegen.« Der ausgesetzte Preis beträgt zweitausend Mark. Die Bewerbungsschriften können in deutscher, lateinischer, franzö- sischer, englischer oder italienischer Sprache abgefalst sein. Schriften, c XVIn die in störender Weise unleserlich geschrieben sind, können durch Beschlufs der zuständigen Classe von der Bewerbung ausgeschlossen werden. Jede Bewerbungsschrift ist mit einem Spruchwort zu bezeichnen, und dieses auf einem beizufügenden versiegelten, innerlich den Namen und die Adresse des Verfassers angebenden Zettel äulser- lich zu wiederholen. Schriften, welche den Namen des Verfassers nennen oder deutlich ergeben, werden von der Bewerbung aus- geschlossen. Zurückziehung einer eingelieferten Preisschrift ist nicht gestattet. Die Bewerbungsschriften sind bis zum 31. December 1910 im Bureau der Akademie, Berlin W 35, Potsdamer Stralse 120 einzu- liefern. Die Verkündigung des Urtheils erfolgt in der Leibniz- Sitzung des Jahres 1911. Sämmtliche bei der Akademie zum Behuf der Preisbewerbung eingegangene Arbeiten nebst den dazu gehörigen Zetteln werden ein Jahr lang von dem Tage der Urtheilsverkündigung ab von der Akademie für die Verfasser aufbewahrt. Nach Ablauf der be- zeichneten Frist steht es der Akademie frei, die nicht abgeforderten Schriften und Zettel zu vernichten. Preis aus der Diez-Stiftung. Der Vorstand der Diez-Stiftung hat beschlossen, den aus der Stiftung im Jahre 1908 zu vergebenden Preis im Betrage von 1900 Mark Hrn. Jules Gillieron, directeur adjoint an der Ecole des hautes &tudes in Paris, als Verfasser des Atlas linguistique de la France zuzuerkennen. XIX Statut der Hermann Vogel-Stiftung. Der am 13. August 1907 verstorbene Director des Königlichen Astrophysikalischen Observatoriums bei Potsdam Hermann Karl Vogel hat durch sein am 10. August 1907 errichtetes Testament bestimmt, dals der nach Abzug der ausgesetzten Erbtheile und be- sonderen Vermächtnisse übrig bleibende Theil seines Nachlasses in zwei gleiche Beträge getheilt zur Errichtung zweier Stiftungen ver- wendet werden solle: einer Stiftung für das Astrophysikalische Observatorium hauptsächlich mit der Bestimmung zur Unterstützung wissenschaftlicher Reisen der Angestellten und weiter zu Gewährung von Erziehungsbeihülfen für begabte Söhne von Unterbeamten des Observatoriums, und einer Stiftung für die Königliche Akademie der Wissenschaften zur Verleihung von Erinnerungsmedaillen behufs Auszeichnung hervorragender Leistungen im Gebiete der Astrophysik. Nachdem die Akademie in ihrer Gesammtsitzung am 31. Oc- tober 1907 beschlossen hat, die ihr angetragene Stiftung anzu- nehmen, und nachdem die landesherrliche Genehmigung zur An- nahme des Vogel’schen Vermächtnisses unter dem 10. Mai 1908 ihr ertheilt worden ist, hat sie das Stiftungscapital in dem nach Vorschrift des Testaments für den Todestag des Erblassers be- rechneten Betrage von 16977.69 Mark übernommen und für die Stiftung das folgende, unter dem 21. Mai 1905 von dem vor- geordneten Königlichen Ministerium genehmigte Statut aufgestellt, dessen $$ 1, 2, 3, 6, 7, 11 Abs. 1 und 13 auf die ausdrücklichen Bestimmungen des Testaments gegründet sind. Name und Zweck der Stiftung. sl. Die Stiftung führt den Namen: »Hermann Vogel-Stiftung der Königlich Preulsischen Akademie der Wissenschaften.« Sie wird durch die Akademie nach allen Richtungen vertreten. 82. Der Zweck der Stiftung besteht in der Verleihung von Me- daillen für Arbeiten im Gebiete der Astrophysik und Spectral- analyse und für sonstige astronomische Untersuchungen, die mit den Forschungsmethoden der Astrophysik ausgeführt sind. Eine Medaille in Gold wird alljährlich einem durch hervor- ragende Leistungen solcher Art ausgezeichneten Forscher zuerkannt, und zwar sollen hierbei Untersuchungen über die Bewegungen der Sterne in der Gesichtslinie in erster Linie Berücksichtigung finden. Eine Medaille m Silber kann, so oft sich Anlafs dazu findet, eımem Mechaniker zuerkannt werden für hervorragende Leistungen in der Herstellung astrophysikalischer Instrumente. Stiftungscapital. $4. Das Stiftungscapital besteht aus den Werthpapieren, die aus dem Nachlals des Stifters an die Akademie gelangt sind, und dem zur Erfüllung der Hälfte des Nachlalsrestes hinzugefügten Baar- betrage, in Gesammthöhe, für den 13. August 1907 berechnet, von 16977.69 Mark abzüglich der von der Stiftung zu zahlenden Reichserbschaftssteuer von 645 Mark, also von 16332.69 Mark, sowie den nach $ 11 und $ 12 etwa erfolgenden Anfällen und sonstigen zufolge ausdrücklicher Willenserklärungen hinzukommen- den Zuwendungen. Die Substanz dieses Capitals ist unangreifbar. Nicht ausge- schlossen ist ein Umtausch der an die Akademie gelangten Werth- papiere gegen andere, mündelsichere Werthe. XXI S5. Mit der Beschränkung der Unangreifbarkeit bildet das Stiftungs- capital einen Bestandtheil des Vermögens der Akademie und wird mit diesem verwaltet, nach den hierfür in den Statuten der Aka- demie getroffenen Bestimmungen. Vorschriften für die Herstellung der Medaille. S 6. Auf der Vorderseite der Medaille erschemt eine aus Wolken herabschwebende weibliche Figur mit emem Lorbeerkranz in der Hand. Dieses Bild erhält die Umschrift: Medaille für Astrophysik gestiftet 1907 von H. C. Vogel. Den Rand der Rückseite bildet ein breiter Lorbeerkranz: m die Mitte kommt die Aufschrift: (Name) überreicht von der Königlich Preufsischen Akademie der Wissenschaften (Jahreszahl). 7. Die goldene Medaille wird in Ducatengold ausgeprägt mit einem Feingehalt von 175 Gramm. Die silberne Medaille wird mit gleichen Abmessungen wie die goldene in Feinsilber hergestellt. Verleihung der Medaille. 88. Die Zuerkennung der Medaille erfolgt durch die physikalisch- mathematische Classe. In der ersten Classensitzung des Monats Mai und gleichzeitig durch Rundschreiben an alle Mitglieder der Classe giebt der vor- sitzende Secretar Nachricht von dem verfügbaren Bestande und fordert zur Einreichung von Vorschlägen für die Verleihung der XXI Medaille auf. Solche Vorschläge müssen bis zur nächsten ordent- lichen Classensitzung dem Vorsitzenden eingereicht werden und werden in dieser Sitzung, zu welcher unter Angabe des. Zwecks besonders einzuladen ist, zur Verhandlung gestellt und, wenn nicht Vertagung aus besonderm Anlals beschlossen wird, sogleich durch verdeckte Abstimmung entschieden. Zur Annahme eines Antrages ist die Mehrheit der anwesenden ordentlichen und der etwa an der Sitzung theilnehmenden aus- wärtigen Classenmitglieder erforderlich. An ordentliche Mitglieder der Akademie kann die Medaille nicht verliehen werden. 89. Mit dem erfolgten Classenbeschlufs über die Verleihung wird die verliehene Medaille Eigenthum des Empfängers. Die Verkündung des Beschlusses erfolgt in der nächsten Leibniz-Sitzung und hier- auf die Aushändigung. Der Stiftung obliegende Verpflichtungen. S 10. Aus den Erträgnissen des Stiftungscapitals werden bestritten: die Ausgaben für seine Verwaltung, die Kosten der Herstellung der Medaillenstempel, und die jedesmal bei Verleihung einer Medaille entstehenden Kosten. Verwendung von Überschüssen. $ 11. Die nach Leistung der in $ 10 bezeichneten Ausgaben ver- bleibenden Überschüsse der veremnahmten Zinsen werden ange- sammelt, bis sie den Betrag der Kosten einer Goldmedaille erreicht XXIII haben, und alsdann der Classe zur Verleihung einer zweiten Gold- medaille an dem nächsten vorgeschriebenen Termin zur Verfügung gestellt. Wird eine solche zu diesem Termin nicht beschlossen, so fällt der angesammelte Betrag in Höhe von 488 Mark als dem Gold- werth einer Medaille ohne Weiteres an das Stiftungscapital. $ 12. Wenn an einem der vorgeschriebenen Termine eine Verleihung der Goldmedaille nicht zu Stande kommt, können ebenfalls ım nächstfolgenden Jahre zwei Medaillen verliehen werden. Geschieht dieses nicht, so fliefst der zum zweiten Mal un- verwendet gebliebene Betrag des Goldwerths einer Medaille mit 488 Mark dem Stiftungscapital zu. Übergangs- und allgemeine Bestimmungen. $ 13. Die vorstehenden Bestimmungen treten in ganzem Umfange in Kraft erst mit dem Ableben der Schwester des Stifters Frau Julie verw. Professor Dohmke geb. Vogel in Leipzig. Diese bezieht die von dem Stiftungscapital aufkommenden Zinsen abzüglich der Verwaltungskosten bis zum Ende des Vierteljahrs, in welchem ihr Tod erfolgt. S 14. Änderungen dieses Statuts werden gültig, wenn sie überein- stimmend von der physikalisch-mathematischen Classe und von der Gesammtakademie in Sitzungen, zu denen unter Angabe des Zwecks besonders eingeladen ist, beschlossen und vom vorgeordneten Mi- nisterrum bestätigt worden sind. XXIV Verzeichnifs der im Jahre 1908 erfolgten besonderen Geldbe- willigungen aus akademischen Mitteln zur Ausführung wissen- schaftlieher Unternehmungen. Es wurden im Laufe des Jahres 1908 bewilligt: 2300 Mark dem Mitglied der Akademie Hm. Engler zur Fort- 6000 >000 3000 1000 1000 1000 »00 » führung der Herausgabe des »Pflanzenreich«. dem Mitglied der Akademie Hrn. Koser zur Fort- führung der Herausgabe der Politischen Correspondenz Friedrich’s des Grolsen. dem Mitglied der Akademie Hrn. von Wilamowitz- Moellendorff zur Fortführung der Sammlung der griechischen Inschriften. der Deutschen Commission der Akademie zur Fort- führung ihrer Unternehmungen. als Beitrag zu den Kosten einer von dem Cartell der deutschen Akademien zu veranstaltenden Ausgabe der gesammelten Schriften Ludwig Boltzmann’s. zur Förderung des Unternehmens des Thesaurus linguae Latinae über den etatsmälsigen Beitrag von 5000 Mark hinaus. zur Bearbeitung der hieroglyphischen Inschriften der griechisch-römischen Epoche für das Wörterbuch der aegyptischen Sprache. zu der von den cartellirten deutschen Akademien unter- nommenen Herausgabe der mittelalterlichen Bibliotheks- kataloge. für das Unternehmen einer Neuausgabe der Septua- ginta, welche das Cartell der deutschen Akademien in die Hand genommen hat. XXV 2500 Mark aus allgemeinen Mitteln der Akademie für die mter- 1000 1000 Fres. » akademische Leibniz- Ausgabe‘. der Interakademischen Centraleommission für Hirn- forschung zur Bearbeitung einer internationalen Nomen- clatur des ÜCentralnervensystems. dem Institut Marey in Boulogne s. S. gegen Einräumung eines von der Akademie zu vergebenden Arbeitsplatzes - für die Dauer eines Jahres. 10000 Mark dem Mitglied der Akademie Hın. Branca als Zuschuls 750 1000 1400 2500 4000 » zu den Kosten einer nach Deutsch-Ostafrica zu ent- sendenden Expedition zur Sammlung fossiler Dino- saurier. dem Mitglied der Akademie Hrn. Schmidt zur Heraus- gabe einer von Dr. Adalbert Schroeter im Manuseript hinterlassenen Geschichte der lateinischen Lyrik der wenaissance. dem von dem zweiten Deutschen Kalitage eingesetzten Comite zur wissenschaftlichen Erforschung der nord- deutschen Kalisalzlager. zum Ankauf der im Nachlals des verstorbenen Prof. Dr. ©. Lassar befindlichen Radiumpraeparate. Hrn. Prof. Dr. Richard Abegg in Breslau zur Be- schaffung von Gallium und zur physikalisch-chemischen Untersuchung dieses Elements. Hrn. Prof. Dr. Julius Bauschinger in Berlin zur Be- rechnung einer achtstelligen Logarithmentafel. _ Hrn. Prof. Dr. Erich von Drygalski in München zur Vollendung des Chmawerkes von Ferdinand von Richt- hofen. ' Die Kosten dieser Ausgabe werden zum Theil aus dem für die Zwecke der Internationalen Association der Akademien bestimmten Fonds bestritten. d XXVI S00 Mark Hrn. Prof. Dr. Wilhelm Foerster in Berlin zur ab- 2000 800 1500 2800 1500 500 500 1500 1000 1000 >00 schliefsenden Bearbeitung und Veröffentlichung einiger astronomischen Beobachtungsreihen. Hrn. Prof. Dr. Gustav Fritsch in Berlin zur Heraus- gabe eines Werkes über die Area centralis der mensch- lichen Netzhaut. Hrn. Dr. Walter Gothan in Berlin zu Untersuchungen über das Fünfkirchener Steinkohlenlager. Hrn. Prof. Dr. O. Hecker in Potsdam zu Versuchen über Schweremessungen auf hoher See. Hrn. Prof. Dr. Ludwig Holborn in Charlottenburg zur Bestimmung der specifischen Wärme von Gasen bei hohem Druck. Hrn. Privatdocenten Dr. Arrıien Johnsen in Königs- berg zu mineralogischen und geologischen Unter- suchungen auf der Insel Pantelleria. Hın. Dr. Otto Kalischer in Berlin zur Fortsetzung seimer Untersuchungen über das Hörorgan. Hrn. Dr. Ludwig Keilhack in Berlin zu einer zoologi- schen Erforschung der Gebirgsseen der Dauphine-Alpen. Hrn. Prof. Dr. Ludolf Krehl in Heidelberg zu einem Stoffwechselversuch bei Diabetes (an Stelle einer vor- jährigen Bewilligung). Hrn. Privatdocenten Dr. Alfred Lohmann in Marburg zur Fortsetzung seiner Untersuchungen über die Neben- niere. Hrn. Prof. Dr. Wilibald A. Nagel ın Berlin zu einer akustisch-phonetischen Untersuchung. Hrn. Dr. Oskar Prochnow in Wendisch-Buchholz zu Temperaturexperimenten mit poikilothermen Thieren und Pflanzen. XXVI 500 Mark Hrn. Privatdocenten Dr. Max Rothmann ın Berlin für 1500 142 600 650 1500 300 1000 1000 1000 Versuche zur Erforschung der Function ganzer Grols- hirnhemisphären. Hrn. Prof. Dr. Adolf Schmidt in Potsdam zu Ver- suchen über magnetische Messungen auf hoher See. 50 Pf. Hrn. Prof. Dr. Johannes Stark in Greifswald zu Untersuchungen über die Lichtemission der Kanal- strahlen zu den ihm im Vorjahr bewilligten 2000 Mark. Hın. Privatdocenten Dr. Felix Tannhäuser in Berlin zur chemischen Untersuchung der bei Erforschung des Neuroder Gabbrozuges gefundenen Gesteine. für Vol.II seet. 1 fasc. 1 des Corpus inscriptionum Etrus- carum. 3 der Musikgeschichtlichen Commission zur Herausgabe der Denkmäler Deutscher Tonkunst behufs biblio- graphischer Aufnahme der in deutschen Bibliotheken und Archiven befindlichen Handschriften mittelalter- licher Musikschriftsteller. Hrn. Oberlehrer Dr. Fahz in Frankfurt a. M. zu einem Aufenthalt in Paris behufs Collationirung des Papyrus Mimaut Nr. 2391 des Louvre. Hrn. Oberlehrer Dr. Ernst Gerland in Homburg v.d. H. zur Bearbeitung und Herausgabe eines Corpus notitiarum episcopatuum ecclesiae orientalis Graecae. Hrn. Privatdocenten Lic. theol. Paul Glaue in Gielsen zu einer Studienreise nach Rom zur Fortführung seiner Arbeiten über die griechischen Evangelien -Vorlese- bücher. Hrn. Prof. Heinrich Günter in Tübingen zur Druck- legung eines Werkes »Die Habsburger-Liga 1625 bis 1635«. d* XXVII 1800 Mark Hrn. Prof. Dr. Oskar Mann m Berlin zur Fortsetzung seiner Forschungen über Kurdistan und seine Bewohner. 2000 » Demselben zur Drucklegung des Bandes IV, 3, 2 seiner »Kurdisch-persischen Forschungen «. 500 » Hrm. Dr. Georg Möller in Berlin zur Vollendung seiner Aufnahme der Inschriften von Hatnub. 1000 » Hrn. Prof. Dr. Theodor Schiemann in Berlin zur Fort- setzung semmer Studien über die Geschichte Rulslands unter Kaiser Nicolaus 1. 600 » Hrn. Prof. Dr. Karl Schmidt in Berlin zur Bearbeitung und Veröffentlichung der nubischen Urkunden im kop- tischer Sprache. 900 » Hrn. Prof. Dr. Siegfried Sudhaus in Kiel zu einem Aufenthalt in Neapel .behufs Vergleichung der dortigen das Werk flepi bvoews des Epikuros enthaltenden Pa- pyr. Verzeichnils der im Jahre 1908 erschienenen im Auftrage oder mit Unterstützung der Akademie bearbeiteten oder herausgegebenen Werke. Das Pflanzenreich. Regni vegetabilis conspectus. Im Auftrage der Königl. preuls. Akademie der Wissenschaften hrsg. von A. Engler. Heft 33-37. Leipzig 1908. Acta Borussica. Denkmäler der Preußischen Staatsverwaltung im 18. Jahrhundert. Hrsg. von der Königlichen Akademie der Wissenschaften. Behördenorganisation und allgemeine Staats- verwaltung. Bd. 4. Hälfte 1.2. — Die einzelnen Gebiete der Verwaltung. Münzwesen. Münzgeschichtlicher Teil. Bd. 2. 3erlin 1908. XXIX Politische Correspondenz Friedrich’s des Grolsen. Bd. 32. Berlin 1908. Wilhelm von Humboldts Gesammelte Schriften. Hrsg. von der Königlich Preufsischen Akademie der Wissenschaften. Bd. 7. Hälfte 2. Berlin 1908. Ibn Saad. Biographien Muhammeds, seiner Gefährten und der späteren Träger des Islams bis zum Jahre 230 der Flucht. Im Auftrage der Königlich Preufsischen Akademie der Wissenschaften hrsg. von Eduard Sachau. Bd.4. Tl. 2. Leiden 1908. Inseriptiones Graecae consilio et auctoritate Academiae Litterarum Regiae Borussicae editae. Vol. 9. Inscriptiones Graeciae septentrionalis voluminibus 7 et 8 non comprehensae. Pars 2. Inseriptiones Thessaliae ed. Otto Kern. Vol.12. Inscriptiones insularum maris Aegaeı praeter Delum. Fasc. 7. Inscriptiones Amorgi et imsularum vieinarum ed. Iulius Delamarre. Berolini 1908. Kant’s gesammelte Schriften. Hrsg. von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften. Bd.5. Berlin 1908. Deutsche Texte des Mittelalters hrsg. von der Königlich Preußi- schen Akademie der Wissenschaften. Bd. 10. Der sog. St. Georgener Prediger. Bd. 12. Die Meisterlieder des Hans Folz. Bd.13. DerGroße Alexander. Bd.14. Die sogenannte Wolfen- büttler Priamelhandschrift. Berlin 1908. Thesaurus linguae Latinae editus auctoritate et consilio Academia- rum quinque Germanicarum Berolinensis Gottingensis Lip- siensis Monacensis Vindobonensis. Vol. 3. Fasc. 3. Vol. 4. Fasc. 4. 5. Lipsiae 1908. Corpus medicorum Graecorum auspicis Academiarum associatarum ed. Academiae Berolinensis Havniensis Lipsiensis. X 1,1. Philumeni de venenatis animalıbus eorumque remedus ca- pita XXXVI ed. M. Wellmann. Lipsiae et Berolini 1908. XXX Ergebnisse der Plankton-Expedition der Humboldt-Stiftung. Bd. 3. Lh 5: Borgert, A. Die Tripyleen Radiolarien. Concharidae. Lh 6: Schmidt, Wilhelm J. Die Tripyleen Radiolarien. Castanellidae. Kiel und Leipzig 1907. 08. Schultze, Leonhard. Zoologische und anthropologische Ergeb- nisse einer Forschungsreise im westlichen und zentralen Süd- afrika ausgeführt m den Jahren 1903 1905. Bd.1. Jena1908. (Denkschriften der Medieinisch-Naturwissenschaftlichen Ge- sellschaft zu Jena. Bd. 13.) Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten drei Jahr- hunderte. Hrsg. von der Kirchenväter-Commission der Königl. Preufsischen Akademie der Wissenschaften. Bd. 9, Tl. 2 — Eusebius. Bd. 2, TI. 2. Leipzig 1908. M. Tulli Ciceronis Paradoxa Stoicorum, Academicorum reliquiae cum Lucullo, Timaeus, de natura deorum, de divinatione, de fato ed. Otto Plasberg. Fasc. 1. Lipsiae 1908. Dahl, Friedrich. Die Lycosiden oder Wolfspinnen Deutschlands. Halle 1908. (Abh. der Kaiserl. Leop.-Carol. Deutschen Aka- demie der Naturforscher. Bd. 88. N. 3.) Finke, Heinrich. Acta Aragonensia. (Juellen zur deutschen, italienischen, französischen, spanischen, zur Kirchen- und Kulturgeschichte aus der diplomatischen Korrespondenz Jaymes ll. (1291—-1327). Bd.1.2. Berlin und Leipzig 1908. Fischer, Albert. Das deutsche evangelische Kirchenlied des 17. Jahrhunderts. Vollendet und hrsg. von W. Tümpel. Bd. 4. Gütersloh 1908. Fritsch, Gustav. Über Bau und Bedeutung der Area centralis des Menschen. Berlin 1908. Glagau, Hans. Reformversuche und Sturz des Absolutismus ın Frankreich (1774-1788). München und Berlin 1908. XXXI Günter, Heinrich. Die Habsburger-Liga 1625 1635. Berlin 1908. Keibel, Franz, und Elze, Curt. Normentafel zur Entwicklungs- geschichte des Menschen. Jena 1908. (Normentafeln zur Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere. Heft 8.) Libanii opera rec. Richardus Foerster. Vol. 4. Lipsiae 1908. (Bi- bliotheca script. Graec. et Roman. Teubneriana.) Loesener, Th. Monographia Aquifoliacearum. Pars 2. Halle 1908. (Abh. der Kaiserl. Leop.-Carol. Deutschen Akademie der Natur- forscher;, ,/Bd.89- N. 1.) Lycophronis Alexandra rec. Eduardus Scheer. Vol. 2. Berolini 1908. Reiche, Karl. Grundzüge der Pflanzenverbreitung in Chile. Leipzig 1907. (Die Vegetation der Erde. VII.) Sachau, Eduard. Syrische Rechtsbücher. Bd. 2. Berlin 1908. Salomon, Wilhelm. Die Adamellogruppe. Tl.1. Wien 1908. (Ab- handlungen der k. k.Geologischen Reichsanstalt. Bd.21. Heft 1.) Scheiner, J. Untersuchungen über die Solarkonstante und die Temperatur der Sonnenphotosphäre. Potsdam 1908. (Publi- kationen des Astrophysikalischen Observatoriums zu Potsdam. Bd. 18. Stück 3.) Schiemann, Theodor. Geschichte Rulslands unter Kaiser Niko- laus I. Bd. 2. Berlin 1908. Veränderungen im Personalstande der Akademie im Laufe des Jahres 1908. Es wurden gewählt: zum ordentlichen Mitglied der physikalisch -mathematischen Olasse: Hr. Theodor Liebisch, bestätigt durch K. Cabinetsordre vom 3. August 1908; XXNXII zum ordentlichen Mitglied der philosophisch-historischen Classe: Hr. Eduard Seler, bestätigt durch K. Cabinetsordre vom 24. August 1908; zu auswärtigen Mitgliedern der philosophisch-historischen Ulasse: Hr. Vatroslav von Jagic in |.. ee S bisher correspondirende Mitglie- Wien | \ Fig . „der, bestätigt durch K. Cabi- » Panagiotis Kabbadias ın ) : netsordre vom 25. September Athen, er 1908; » Henri Weil in Paris, ; zum correspondirenden Mitglied der physikalisch-mathemati- schen Ulasse: Sir George Howard Darwin in Cambridge am 25. Juni 1908; zu correspondirenden Mitgliedern der philosophisch-historischen Classe: Hr. Emile Boutroux in Paris am 27. Februar 1908, » Percy Gardner in Oxford, | » Barclay Vincent un Au London, a one » Edmond Pottier in Paris, » Robert von Schneider in Wien, Das auswärtige Mitglied der philosophisch-historischen Classe tochus Frhr. von Lilieneron verlegte am 1. September 1908 seinen Wohnsitz von Schleswig nach Berlin und trat gemäls $ 20 der Statuten in die Reihe der Ehrenmitglieder über, da er mit Rücksicht auf sein hohes Alter nicht gewünscht hatte, unter die ordentlichen Mitglieder aufgenommen zu werden. Gestorben sind: das ordentliche Mitglied der physikalisch-mathematischen Qlasse: Hr. Karl Möbius am 26. April 1905; Hr. XNXXIII die ordentlichen Mitglieder der philosophisch-historischen Classe: Adolf Kirchhoff am 27. Februar 1908, Eberhard Schrader am 3. Juli 1908, Richard Pischel am 26. December 1908; die auswärtigen Mitglieder der philosophisch-historischen Classe: . Eduard Zeller in Stuttgart am 19. März 1908, Theodor von Sickel in Meran am 21. April 1908, Franz Bücheler ın Bonn am 3. Mai 1908; das Ehrenmitglied der Akademie: Friedrich Althoff in Steglitz am 20. October 1908; die correspondirenden Mitglieder der physikalisch-mathemati- schen Ülasse: . Karl von Voit m München am 31. Januar 1908, Franz von Leydig im Rothenburg o.d. T. am 13. April 1908, Henri Becquerel in Paris am 25. August 1908, Eleuthere Mascart in Paris am 26. August 1908, Adolf Wüllner in Aachen am 6. October 1908, Friedrich Schmidt m St. Petersburg am 21. November 1908, Albert Gaudry in Paris am 27. November 1908, Woleott Gibbs in Newport, R.I. am 9. December 1908; die correspondirenden Mitglieder der philosophisch -historischen Classe: “ Vietor Baron Rosen in St. Petersburg am 23. Januar 1908, Franz Kielhorn in Göttingen am 19. März 1908, Karl Theodor von Inama-Sternegg in Innsbruck am 28. No- vember 1908. XXXIV Verzeichnis der Mitglieder der Akademie am Schlusse des Jahres 1908 nebst den Verzeichnissen der Inhaber der Helmholtz- und der Leibniz-Medaille und der Beamten der Akademie. I. Beständige Secretare. . Auwers Vahlen Diels . Waldeyer . Il, Physikalisch -mathematische Classe . Arthur Auwers . Simon Schwendener Hermann Munk Hans Landolt Wilhelm Waldeyer Franz Eilhard Schulze Adolf Engler Gewählt von der phys.-math. Classe phil.-hist. - phil.-hist. - phys.-math., - Ordentliche Mitglieder. Ho: Hermann Amandus Schwarz Georg Frobenius Emil Fischer Oskar Hertwig . Philosophisch -historische Classe Johannes Vahlen . Alexander Conze Adolf Tobler . Hermann Diels . Heinrich Brunner Otto Hirschfeld . Eduard Sachau . Gustav von Schmoller . Wilhelm Dilthey . Adolf Harnack . Datum der Königlielien Bestätigung 1878 April 10. 1893 April 5. 1895 Nov. 27. 1896 Jan. 20. Datum der Königlichen estätigung 1866 Aug. 18. 1874 Dee. 16. 1877 April 23. 1579 Juli 13. 1880 März 10. 1881 Aug. 15. 1881 Aug. 15. 1881 Aug. 15. 1884 Febr. 18. 15884 April 9. 1884 Juni 21. 1885 März 9. 1887 Jan. 24. 1887 Jan. 24. 1887 Jan. 24. 1890 Jan. 29. 1890 Febr. 10. 1892 Dec. 19. 1893 Jan. 14. 1893 Febr. 6. 1893 April 17. Physikalisch -mathematische Classe Hr. Max Planck . Hr. - Emil Warburg . - Jakob Heinrich van’t Hof . - Theodor Wilhelm Engelmann - Wilhelm Branca - Robert Ilelmert . i - Heinrich Müller-Breslau . - Friedrich Schottky . - Robert Koch - Hermann Struve - Hermann Zimmermann - Adolf Martens . - Walther Nernst . - Max Rubner . - Johannes Orth . - Albrecht Penck . - Heimrich Rubens - Theodor Liebisch Philosophisch-historische Ulasse Karl Stumpf. Erich Schmidt Adolf Erman Reinhold Koser . Max Lenz Reinhard Kekule von Stradonitz Ulrich von Wilamowitz- Moellendorff . Heinrich Zimmer Heinrich Dressel Konrad Burdach Gustav Roethe Dietrich Schäfer . Eduard Meyer . Wilhelm Schulze Alois Brandl Friedrich Miller Andreas Heusler Eduard Seler XXXV Datum der Königlichen estätigung 1594 Juni 11. 1895 Febr. 18. 1895 Febr. 18. 1895 Febr. 18. 1895 Aug. 19. 1896 Febr. 26. 1896 Juli 12: 1896 Dee. 14. 1898 Febr. 14. 1898 Juni 9. 1899 Aug. 2. 1899 Dee. 18. 1900 Jan. 31. 1901 Jan. 14. 1902 Jan. 13. 1902 Mai 9. 1902 Maı 9. 1903 Jan. 5 19032 Jans 5: 1903 Aug. 4. 1903 Aug. 4. 1903 Nov. 16. 1904 April 3. 1904 Juni 1. 1904 Aug. 29. 1904 Aug. 29. 1904 Aug. 29. 1905 Nov. 24. 1906 Dee. 2 1906 Dec. 2. 1906 Dec. 2. 1906 Dec. 24. 1907 Aug. 8. 1907 Aug. 8. 1908 Aug. 3. 1908 Aug. 24. XXXVI II. Auswärtige Mitglieder. Physikalisch-mathematische Classe Philosophisch -historische Classe - Friedrich Imhoof-Blumer in Winterthur . > - EN Vilları in Florenz . Hr. Wilhelm Hittorf in Münster i. W. - Eduard Suess n Wien . - Eduard Pflüger in Bonn ee ee - Leopold Delisle in Paris. Sir Joseph Dalton Hooker in Sun- ningdale . - Hr. Giovanni Virginio Siaparelen in Mailand . - Adolf von Baeyer in München ae ee en ee - Vatroslav von Jagie ın Wien - Panagiotis Kabbadiasin Athen - Henri Weil in Paris . IV. Ehrenmitglieder. Earl of Crawford and Balcarres in Haigh Hall, Wigan Hr. Max Lehmann in Göttingen . Re - Friedrich Kohlrausch in Marburg ; Hugo Graf von und zu Lerchenfeld in Bea . Hr. Richard Schöne in Berlin : Frau Elise Wentzel geb. Heckmann in Ben 5 Hr. Konrad von Studt ın Berlin E - Andrew Dickson White in Ithaeca, N. Y. Rochus Frhr. von Lilieneron in Berlin . Theodor Nöldekein Stralsburg Datum der Königlichen Bestätigung — nn 1900 März 5. 1900 März 5. 1900 März 5. 1900 März 5. 1900 März 5. 1900 März 5. 1902 Nov. 16. 1904 Mai 29. 1904 Oct. 17. 1905 Aug. 12. 1908 Sept. 25. 1908 Sept. 25. 1908 Sept. 25. Datum der Königlichen estätigung | 1883 Juli 30. 1887 Jan. 24. 1895 Aug. 13. 1900 März 5. 1900 März 5. 1900 März 5 1900 März 17. 1900 Dee. 12. 1901 Jan. 14 V. Correspondirende Mitglieder. Physikalisch-mathematische Qlasse. '. Alexander Agassiz in Cambridge, Mass. Ernst Wilhelm Benecke in Strafsburg Eduard van Beneden in Lüttich . Oskar Brefeld in Charlottenburg Heinrich Bruns in Leipzig . Otto Bütschli in Heidelberg Stanislao Cannizzaro ın Rom Karl Chun in Leipzig Gaston Darboux in Paris George Howard Darwin in Cambridge . . Richard Dedekind in Braunschweig . Nils Christofer Dumer in Uppsala Ernst Ehlers in Göttingen . Rudolf Fittig in Stralsburg Max Fürbringer in Heidelberg » Archibald Geikie in Haslemere, Surrey . David Gill in London . Paul Gordan in Erlangen . Karl Graebe in Frankfurt a.M. . Ludwig von Graf in Graz. Gottlieb Haberlandt in Graz Julius Hann in Wien Victor Hensen in Kiel : Richard Hertwig in München . William Huggins in London '. Adolf von Koenen in Göttingen Leo Koenigsberger in Heidelberg . Henri Le Chatelier in Paris Michel Levy in Paris Gabriel Lippmann in Paris. XXXVII Datum der Wahl 1895 1900 1887 1899 1906 1897 1858 1900 1897 1908 1880 1900 1897 1896 1900 1589 1890 1900 1907 1900 1899 1889 1898 1898 1895 1904 1893 1905 1898 1900 Juli Febr. Nov. Jan. Jan. März Dee. Jan. Febr. Juni ! März Febr. Jan. Oct. Febr. Febr. Juni Febr. Juni Febr. Juni Febr. Febr. April Dee. Mai Mai Dee. Juli Febr. 18. 8. SC CE ERS) warm on— —- WW XXXVII Hr. Hendrik Antoon Lorentz ın Leiden . Sir Hubert Ludwig in Bonn Franz Mertens in Wien . Henrik Mohn in Christiania : Alfred Gabriel Nathorst in Stockhohn 2 Karl Neumann in Leipzig . 5 Georg von Neumayer in Neustadt a. en Hendı. Simon Newcomb in Washington . Max Noether in Erlangen . Wilhelm Ostwald in ro Beihenl Kiga: Sachen ; Wilhelm Pfeffer in Leipzig . Emile Picard in Paris : Edward Charles Pickering in oe Mana Henri Poincare ın Paris. Georg Quincke in Heidelberg . Ludwig Radlkofer in München William Ramsay in London Lord Rayleigh in Witham, Essex . Hr. Friedrich von Recklinghausen ın SLEaSBurR Gustaf Retzius in Stockholm . Wilhelm Konrad Röntgen in München Heinrich Rosenbusch in Heidelberg Georg Ossian Sars in Christiania Hugo von Seeliger in München Hermann Graf zu Solms-Laubach in Stralsburg Hr. ‚Johann Wilhelm Spengel in Gielsen . Eduard Strasburger in Bonn Johannes Strüver in Rom Julius Thomsen in Kopenhagen August Toepler in Dresden . Melchior Treub in Buitenzorg . Gustav von TVschermak in Wien William Turner in Edinburg ". Woldemar Voigt in Folaaı ; ‚Johannes Diderik van der Waals ın Austerdem ö Otto Wallach in Göttingen . ‚ Eugenius Warming in Kopenhagen . Heinrich Weber in Stralsburg . August Weismann in Freiburg i.B. . Julius Wiesner in Wien . Ferdinand Zirkel in Leipzig Datum der Wahl 1905 1898 1900 1900 1900 1893 1896 1883 1896 1905 1559 1898 1906 1896 1879 1900 1896 1896 1885 1893 1896 1887 1898 1906 1899 1900 1889 1900 1900 1879 1900 1881 1898 1900 1900 1907 1899 1896 1897 1899 1887 Maı 4. Juli 14. Febr. 22. Febr. 22. Febr. 8. Mai 2: Febr. 27. Ana Zr Jan. 30. Jana: Dec. 19. Febr. 24. Jane Jan:-30: März 13. Febr. 8. Oct. 29. Oct. 29. Febr. 26. Jun: IE März 12. Oct. 20. Febr. 24. Tanssnlıle Juni 8. dan. 18. Dee. 19. Febr. 8. Febr. 8. März 13. Febr. 8. März 2. März 10. März 8. Febr. 22. Juni 13. Jan. 19: Jan 30! März 11. Juni 8. Oet. 20. Philosophisch-historische Classe. , Wilhelm Ahlwardt in Greifswald . Karl von Amira in München . : Ernst Immanuel Bekker ın Heidelberg . Friedrich von Bezold in Bonn . Eugen Bormann in Wien Emile Boutroue in Paris S ‚James Henry Breasted in ern 5 Ingram Bywater in London Rene Cagnat ın Paris : : Arthur Chuguet in Villemomble Se) Louis Duchesne in Rom. Benno Erdmann in Bonn Julius Euting in Stralsburg Paul Foucart ın Paris Ludwig Friedländer in Se Percy Gardner in Oxford Theodor Gomperz in Wien . ; Franeis Llewellm Griffith in A Gustav Gröber in Stralsburg . i Ignazio Guidi in Rom s Georgios N. Hatzidakis in Adler Albert Hauck in Leipzig Bernard Haussoullier in Paris . Barclay Vincent Head in London Johan Ludvig Heiberg in Kopenhagen . Karl Theodor von Heigel in München . Max Heinze in Leipzig . Antoine Heron de Villefosse in Pak Leon Heuzey in Paris B Edvard Holm in Kopenhagen Theophile Homolle in Paris . Christian Hülsen in Rom : William James in Cambridge, Mass. Adolf Jülicher in Marburg . Karl Just in Bonn Ä Frederic George Kenyon in Derdın Georg Friedrich Knapp in Stralsburg Basil Latyschew in St. Petersburg Friedrich Leo in Göttingen August Leskien in Leipzig . XXXIX Datum der Wahl 1888 Febr. 2. 1900 Jan. 18. 1897 Juli 29. 1907 Febr. 14. 1902 Juli 24. 1908 Febr. 27. 1907 Juni 13. 1887 Nov. 17. 1904 Nov. 3. 1907 Febr. 14. 1893 Juli 20. 1903= Jan. 15. 1907 Juni 13. 1884 Juli 17. 1900 Jan. 18. 1908 Oet. 29. 1893 Oet. 19. 1900 Jan. 18. 1900 Jan. 18. 1904 Dee. 15. 1900 Jan. 18. 1900 Jan. 18. 1907 Mai 2. 1908 Oct. 29. 1896 März 12. 1904 Nov. 3. 1900 Jan. 18. 1893 Febr. 2. 1900 Jan. 18. 1904 Nov. 3. 1887 Nov. 17. 1907 Mai 2. 1900 Jan. 18. 1906 Nov. 1. 1893 Nov. 30. 1900 Jan. 18. 1893 Dee. 14. 1891 Juni 4. 1906 Nov. 1. 1900 Jan. 18. XL *, Emile Levasseur ın Paris Friedrich Loofs in Halle a. S. Giacomo Lumbroso in Viareggio . Arnold Luschin von hengrul in John Pentland Mahaf'y in Dublin Gaston Maspero in Paris ve Wilhelm Meyer- Lübke in Wien Adolf Michaelis in Stralsburg . Ludwig Mitteis in Leipzig . (rabriel Monod in Versailles Benedictus Nie in Halle a. S. Heinrich Nissen in Bonn (Georges Perrot in Paris . Edmond Pottier in Paris Wilhelm Radloff in St. Belebung Moriz Ritter in Bonn on Karl Robert in Halle a.S. . Robert von Schneider in Wien . Anton E. Schönbach in Graz e Richard Schroeder in Heidelberg . Emil Schürer in Göttingen Eduard Schwartz ın Garunen Emile Senart in Paris Eduard Sievers in Leipzig . Henry Sweet in Oxford . : Edward Maunde Thompson in ee ". Vilhelm Thomsen in Kopenhagen 2 Girolamo Vitelli in Florenz . Julius Wellhausen in Göttingen Wilhelm Wilmanns in Bonn . Ludvig Wimmer in Kopenhagen . Wilhelm Windelband in Heidelberg Wilhelm Wundt in Leipzig . Datum der Wahl 1900 1904 1874 1904 1900 1897 1905 1588 1905 1907 1905 1900 1854 1908 1895 1907 1907 1908 1906 1900 1893 1907 1900 1900 1901 1895 1900 1897 1900 1906 1891 1903 1900 Jan. Nov. Nov. Juli Jan. Juli Juli Juni Febr. Febr. Febr. Jan. Juli Oct. Jan. Febr. Mai Oct. Juli Jan. Juli Mai Jan. Jan. Juni Mai Jan. Juli Jan. Juli Juni Febr. Jan. 18. 3. 12. 21. 18. 15. 6. 21. 16. 14. 16. 18. Nr 29. 10. 14. XLI Inhaber der Helmholtz- Medaille. Hr. Santiago Ramon y Cayal in Madrid (1904). - Emil Fischer in Berlin (1908). Verstorbene Inhaber. Hr. Emil du Bois-Reymond in Berlin (1892—96). - Karl Weierstra/s in Berlin (1892 —97). - Robert Bunsen in Heidelberg (1892—99). Lord Kelvin in Netherhall, Largs (1892—1907). Hr. Rudolf Virchow in Berlin (1898 — 1902). Sir George Gabriel Stokes in Cambridge (1900 —03). Hr. Henri Becquerel in Paris (1906 —08). Inhaber der Leibniz- Medaille. a. Der Medaille in Gold. Hr. James Simon in Berlin (1907). b. Der Medaille in Silber. Hr. Karl Alexander von Martius in Berlin (1907). - A. F. Lindemann in Sidmouth, England (1907). Beamte der Akademie. Bibliothekar und Archivar: Dr. Kölnke. Wissenschaftliche Beamte: Dr. Dessau, Prof. — Dr. Ristenpart, Prof. (beurlaubt). — Dr. Harms, Prof. — Dr. Ozeschka Edler von Maehrenthal, Prof. — Dr. von Fritze. — Dr. Karl Schmidt, Prof. — Dr. Frhr. Hiller von Gaertringen, Prof. Archivar und Bibliothekar der Deutschen Commission: Dr. Behrend. ollip Ir lie ar edel WEL In. re, Bad) DR j Bus: ö PRrEL ET EI 01707 nei, Mr ur kr at a IP Kt $ "0 - VRR RR hr Sn 2, . Built edle) bi er Er LORTY a dns un wi Por] Hay) A 2) Me N 3 Natinet ra eh a: I in ri ae » a8 a > THUN: RW nd ah aa NEE BEN A ar A RUHT) Are PAR! Dr 5 a >. "\ 22 ö u | on Ye iu vr N 4 en a 2} uch % HOLTEN el Br A Ar zillweA Ian as A ‚ac IH ern vlunoh ct Mianhd, ve mi we art im > nn A De a 2 unkeäll ve vr, ion ver f real rind Fossile Flugtiere und Erwerb des Flugvermögens. Von H” W. BRANCA. Phys.-math. Classe. 1908. Abh. 1. 1 Gelesen in der Gesamtsitzung am 7. Juli 1904. e ne Bi _ Zum Druck eingereicht am 16. Januar 1908, ausgegeben am 9. März 1908. ee Wer für die Tierwelt ein Wort prägen wollte, gleichwertig dem alten für Menschen gemünzten: Navigare necesse est, vivere non necesse, der brauchte nur das navigare zu verwandeln in ein volare; denn wenn Zahlen überhaupt Beweiskraft innewohnt, dann beweist die gewaltige Anzahl fliegender Tierarten die sehr große Wichtigkeit, welche das Flugvermögen für die Tierwelt besitzt. In seiner Abhandlung über die Erwerbung des Flugvermögens bei Wirbeltieren hat Döderlein gezeigt', daß nicht weniger als 62 Prozent aller Tierarten das Flugvermögen erworben haben. Eine über- raschend große Zahl. Aber so überzeugend die Sprache auch ist, die diese Zahl zu uns spricht, sie verrät doch noch nicht alles; denn man müßte eigentlich hierbei von den im Wasser lebenden Tieren, da ja von ihnen kein einziges zu fliegen vermag, gänzlich absehen’. Wenn man daher nur die Landtiere in Betracht zieht, so steigt für letztere der Pro- zentsatz derer, die das Flugvermögen besitzen, nach Döderlein sogar auf 75 Prozent. Diese Zahl möchte nun vollends übertrieben erscheinen, da unser Auge doch so zahlreichen Lebewesen begegnet, die kein Flugvermögen ! Zoologische Jahrbücher Bd. 14, 1900, S. 49—61. ® Auch die sogenannten »fliegenden« Fische besitzen ja kein Flugvermögen; denn sie können, wie Möbius zeigte, ihre großen Flossen nicht als Flügel, sondern nur als Fall- schirm benutzen. Ganz neuerdings hat OÖ. Abel (Fossile Flugfische, Jahrbuch der k. k. Geolog. Reichsanstalt, Wien 1906. Bd. 56, S. ı—88. 3 Tafeln, ı3 Textfiguren) in seiner schönen Arbeit über die fossilen Flugfische, die verschiedenen darüber gemachten Beob- achtungen kritisch besprechend, den Vorschlag gemacht, den Namen Flugfische in Fallschirm- fische umzuwandeln. Das würde sich dann selır schön mit den Fallschirmtieren des Landes decken. Außerdem aber besitzen diese Fallschirmfische, ebenso wie die anderen Fische, im Wasser doch auch noch ein Flugvermögen ebenso wie die auf dem Lande lebenden Flug- tiere; nur daß es sich in einem anderen Medium betätigt. Siehe S. 2—4. E* 4 BrANcA: besitzen, und sie erklärt sich nur dadurch, daß von den ungefähr 420 000 Tierarten, welche Döderlein als zur Zeit bekannt nach Möbius an- nimmt, nicht weniger als 280000 den Insekten angehören, die ja zum größten Teil zu fliegen vermögen. Dazu gesellen sich dann etwa ı3 000 Vögel, 600 Fledermäuse und eine uns unbekannte Zahl ausgestor- bener Flugsaurier, von denen vielleicht 60 Arten bisher namhaft gemacht worden sind. üs ergibt sich somit auch hier ein Beleg für die bekannte Tatsache, daß statistische Zahlen leicht irrige Vorstellungen erwecken können. Wohl kommen auf je vier Landtierformen nieht weniger als drei, die fliegen können. Aber dieser fast ungeheuerlich hoch klingende Prozent- satz fliegender Tiere wird wesentlich nur durch das große Übergewicht der Zahl der Insektenarten über die der anderen Tiere bedingt. Müssen wir daraus folgern, daß die Insekten ihre so auffallende Überzahl wesent- lich dem Umstande verdanken, daß sie durch den Erwerb des Flugver- mögens so sehr viel günstiger im Kampfe ums Dasein gestellt waren? Oder sind es wesentlich doch andere Gründe gewesen, die dieses so außer- ordentliche, jedes Maß übersteigende Anschwellen der Zahl der Insekten bedingten? Denn man kann sich doch nicht verhehlen, daß der gewaltige Vorteil, den ein einzelnes Tier vor allen anderen erlangt, wenn es des Flugvermögens teilhaftig wird, in demselben Maße wieder sich verringert, in welchem zahllose andere Tiere ebenfalls das Flugvermögen erringen. Die Möglichkeit, sich den Feinden durch die Flucht in die Luft hinein zu entziehen und die Vorteile, die für Ernährung und Fortpflanzung sich ergeben — sie verringern sich ja in demselben Maße, in dem auch die Feinde und die Mitbewerber um Ernährung und Fortpflanzung sich in die Luft zu erheben vermögen. Ich sagte oben, den im Wasser lebenden Tieren fehle ausnahmslos das Flugvermögen. Das klingt eigentlich selbstverständlich; denn wie sollte ein Tier, das nur durch Kiemen zu atmen vermag, und in dieser Lage sind doch fast ausnahmslos die Wassertiere, längere Zeit in der Luft zubringen und dabei noch heftig mit den Muskeln arbeiten können, ohne zu ersticken. Selbst im Besitze von Flügeln würde es also von diesen doch keinen Gebrauch machen können; auch dann wohl nicht, wenn seine Kiemen dem Zwecke, längere Zeit außerhalb des Wassers aushalten zu können, sich angepaßt haben. Derartiges findet sich be- Fossile Flugtiere und Erwerb des Flugvermögens. 5) kanntlich bei Wassertieren; so unter den dekapoden Krebsen bei den Anomuren, bei denen der hintere Teil der Kiemenhöhle Luft aufnimmt und als Lunge funktioniert, wenn der Krebs an das Land geht; Birgus soll auf solche Weise sogar Palmenbäume erklettern können. Indes ist eine derartige Kieme doch nur zu langsamer Bewegung, also Atmung in der Luft angepaßt, kaum aber zu so stürmischer Bewegung bezüglich Atmung in der Luft, wie das zum Fliegen nötig wäre. Indessen jene so selbstverständlich klingende Aussage, daß die im Wasser lebenden Tiere des Flugvermögens ausnahmslos entbehren, ist doch nur bedingt richtig: denn sie ist nur selbstverständlich, gilt nur so lange, als wir das Fliegen definieren als die Fähigkeit eines Tieres, sich in die Luft zu erheben. Bei dieser Definition wird aber, wie mir scheint ungerechtfertigterweise, alleiniges Gewicht gelegt auf die eine Seite der Sache: auf das, was die Natur hierbei leistete, indem sie, die Schwere überwindend, dem Körper die Fähigkeit verlieh, sich in die Luft erheben zu können: Eine Leistung, so staunenswert, so großartig, daß sie nur noch durch eines übertroffen wird, die Ausbildung des mensch- lichen Denkvermögens. Die andere Seite der Sache dagegen und wie mir scheint die Haupt- seite, weil sie das enthält, was für das Tier das hierbei Wichtige ist, findet in jener Definition gar keine Berücksichtigung. Ich meine die Befreiung des Tieres von den Fesseln, mit denen es an die Erdrinde gefesselt ist: Fesseln, die für seine Ernährung, seine Abwehr der Feinde und seine Fortpflanzung schwerwiegende Hindernisse darbieten können. Setzen wir daher dieses für das Tier Wichtigere in die Definition ein, erklären wir also das Fliegen für die Fähigkeit eines Tieres, sich von diesen Banden freimachen und sich erheben zu können in dasjenige Medium, in welchem es atmet — so zeigt sich sofort, daß wir für die im Wasser lebenden Tiere genau denselben Gegensatz haben, zwischen denen, welche an den Boden gekettet sind und denen, welche zu fliegen vermögen. Nur daß wir hier das Fliegen heute als Schwimmen be- zeichnen. Und ganz wie bei den landlebenden Tieren die verschiedensten Grade der Flugfähigkeit bestehen, so besitzen auch die wasserlebenden Tiere die verschiedensten Grade der Flugfähigkeit in solchem Sinne. 6 Branca: Es verlohnte sich wohl der Mühe, nun auch für die im Wasser lebenden Tiere' den Prozentsatz derer zu bestimmen, welche in solchem Sinne die Flugfähigkeit erworben haben. So sind Fliegen und Schwimmen mit Bezug auf die Höhe der Leistung der Natur zwei sehr verschieden- wertige Dinge. Mit Bezug auf das aber, was sie dem Tiere geben, sind sie ganz dasselbe; und nur dadurch, daß wir heute zwei verschiedene Worte dafür besitzen, wird es bedingt, daß man das unwillkürlich vergißt. Früher war dem nicht so, denn früher machte unsere Sprache gar keinen Unterschied zwischen beiden Tätigkeiten. Der Liebenswürdigkeit meines verehrten Herrn Kollegen Wilhelm Schulze verdanke ich hier- über die folgenden Angaben: »Noch heute sagt man im Slowenischen riba pluje, der Fisch schwimmt, und pti@ pluje, der Vogel fliegt; für beide Tätigkeiten hat also die slowenische Sprache noch heute nur einen einzigen Ausdruck, und die demselben zugrunde liegende Wurzel pleu heißt sonst schwimmen. In einer erweiterten Form erscheint sie als litauisch plaukiü, ich schwimme; dazu stimmt fast ganz genau unser Fliegen (in ältester Form flingan), das also ursprünglich auch schwimmen bedeutet, aber diese seine ursprüngliche Bedeutung seit alters eingebüßt hat und im Germanischen nur noch von der Bewegung durch die Luft gebraucht wird«. Zwei diametral entgegengesetzte Wege” sind es, auf welchen die Land- tiere ihre Flugfähigkeit erworben haben; den einen gingen die Wirbel- tiere, den anderen die Insekten. Bei den Wirbeltieren wurde die vordere Extremität zum Flügel um- gewandelt. Schon ohne weiteres geht aus diesen Worten hervor, daß ‘ Die Zahl der bisher bekannten Fische, 12 000 Arten, erreicht nicht ganz die Zahl der Vögel, die sich auf 13 000 beläuft. Diejenige der Reptilien beträgt etwa 8 300, die der Amphibien 1300, und von diesen ist ja nur ein kleinerer Teil mehr oder weniger wasser- lebend. Die etwa 3000 Echinodermen rechnen ganz, die 8000 Würmer wieder nur zum Teil zu den Bewohnern des Wassers. Den größten Prozentsatz aber liefern die Mollusken, deren 50000 Arten zum größten Teil im Wasser leben. Dazu kommen dann noch die niedersten Tiere, deren Artenzahl um so schwerer festzustellen ist, in je tiefere Stufen man hinabsteigt. ® Wenn hier und später von »demselben Wege« (bzw. von »verschiedenen Wegen«), auf deın die Flugfähigkeit erreicht wurde, die Rede ist, so soll damit selbstverständlich keinerlei Verwandtschaft der Tiergruppen angedeutet werden, sondern nur die von der Natur befolgte Art und Weise des Vorgehens, gewissermaßen die Methode. Fossile Flugtiere und Erwerb des Flugvermögens. 7 hier dem Gewinne des Flugvermögens ein Verlust zweier Füße, d. h. der vollen Hälfte aller, gegenüberstand. Welch ein überaus harter Verlust! War zunächst doch mit ihm sogar noch viel mehr als die Hälfte des Geh- vermögens verloren. Das geht am besten aus den folgenden schematischen Zeiehnungen hervor, in welchen Fig. ı ein vierfüßiges Tier vor Erwerb Fig. 1. Fig. 2. | Sn N des Flugvermögens, Fig. 2 nach Erwerb desselben und mit seitlich an- gelegten Flügelknochen darstellt. Wenn wir einmal eine plötzliche Umwandlung aus dem einen in den anderen Zustand uns vorstellen wollen, so ergibt sich, daß das Tier nun seiner bisherigen Fähigkeit zu gehen, laufen oder springen zunächst nicht bloß halb, sondern sogar fast vollständig beraubt werden würde, indem es entweder gänzlich auf ein Gehen verzichten müßte oder doch nur höchst unbehilflich, seine Flügelextremität als Gehwerkzeug benutzend, auf allen Vieren sich fortbewegen könnte; wie letzteres auch heute noch, wenn auch zum Teil recht geschickt, die Fledermäuse tun. Indessen die der Schonung bedürftigen Flügel, deren Flughaut be- züglich Federn durch das Gestrüpp des Waldes, die Härte der Felsen, den Sand und Schlamm des Bodens leicht Schaden nehmen können, durften in ausgedehntem Maße nicht dauernd als Gehwerkzeuge benutzt werden; sie mußten daher soweit wie möglich gänzlich befreit werden von solehem Dienste, das Tier mußte auf zwei Beine gestellt werden. Das konnte zunächst bei horizontal bleibender Körperachse, also unter Beibehaltung der bisherigen Körperstellung des Vierfüßlers, nur ermöglicht werden dadurch, daß die Hinterextremität vom hinteren Ende des Tieres mehr nach der Mitte desselben zugeschoben wurde: Entweder indem nur die Gelenkungsstelle des Oberschenkels im Becken weiter nach vorn rückte; Oder indem außerdem noch der Oberschenkel selbst, anstatt seiner ursprünglich mehr vertikalen eine mehr oder weniger horizontale Stellung 8 Branca: annahm, so daß auf solche Weise der Unterschenkel es war, der den Körper weiter zur Mitte hin unterstützte, wie das Fig. 3 andeutet. Fig. 3. Oder endlich, indem umgekehrt der Rumpf es war, der seine ur- sprünglich horizontale, dem früheren Vierfüßler eigne Lage aufgab und eine mehr aufrechte Richtung annahm, wie Fig. 4 schematisch anzeigt und z.B. beim Pinguin, Kranich, Marabu usw. der Fall ist. So steht also bei den Wirbeltieren dem Gewinne des Flug- vermögens ein überaus harter Verlust gegenüber. Von entgegengesetzter Richtung her, mit verlustloser Methode, haben die Insekten das Flugvermögen erlangt. Aus bedeutungslosen, wenigstens für das Gehen bedeutungslosen Rückenplatten wurden hier die Flügel ge- schaffen. Aber nicht nur das, es bildeten sich auf solche Weise auch meistens nicht nur 2, sondern sogar 4 Flügel. Eine Zahl, die bei den Wirbeltieren fast unmöglich sein würde, da letztere, wenn außer der Vor- der- auch noch die Hinterextremität sich in Flügel verwandeln würde, fast jeder Gehfähigkeit beraubt werden müßten. Es ist also, gerade umgekehrt wie bei Wirbeltieren, bei In- sekten der Erwerb der Flugfähigkeit ein vollkommen reiner Ge- Fossile Flugtiere und Erwerb des Flugvermögens. h) winn gewesen, dem keinerlei Verlust der Gehfähigkeit gegen- überstand. Wir müssen somit den Weg, welchen die Insekten bei Er- werb ihrer Flugfähigkeit gingen, d.h. also die Methode, welche die Natur hier befolgte, als die im Prinzip vollkommenste an- erkennen, da sie dem Tiere nieht nur den vollen Gebrauch aller seiner bisherigen Bewegungs- Fig. 4. organe beließ, sondern auch diesen noch außerdem 4 neue hinzufügte. Völlig fremd stehen sich diese beiden Wege, auf denen einerseits die Insekten, anderseits die Wirbel- tiere das Flugvermögen erwarben, gegenüber; und nirgends hat die Natur eine Brücke geschlagen, die von dem einem Wege hinüberführte zu dem anderen. Weder hat sie bei Insekten Formen geschaffen, bei denen 2 bezüglich 4 Beine in Flügel umgewandelt worden wären, noch hat sie unter Wirbeltieren solche geschaffen, bei denen, unter gänz- licher Schonung der Extremitäten, Flügel auf dem Rücken entstanden wären. Warum nicht? Offenbar weil sie das erstere, obwohl gekonnt hätte — man gestatte einmal den Ausdruck —, {o) sie es nicht gewollt hat; und weil sie das zweite, auch wenn sie ge- wollt, wohl nicht gekonnt hätte. Gewiß hätte sie bei Insekten ohne weiteres Formen werden lassen können, bei denen ein Teil der Extremitäten zu Flügeln spezialisiert wäre. Ja, es muß sogar in hohem Maße auffallen, daß die Natur das nicht getan hat; denn gerade bei Arthropoden sind die Beine in so verschiedenartig- ster Weise ausgebildet, zu Geh-, Lauf-, Springbeinen, zu Grab-, Schwimm-, Phys.-math. Classe. 1908. Abh. I. 2 10 BraAncA: Raubbeinen, zu Freßwerkzeugen usw. spezialisiert, daß man erstaunt sich fragen muß, warum denn die Natur nicht auch, wie bei den Wirbeltieren, die Extremitäten zu Flugbeinen spezialisierte. An einem Unvermögen der Natur hat das also sicher nicht gelegen. Man wird nicht etwa einwerfen können, ontogenetische Gründe sprächen dafür, daß die Insekten von fußlosen Arten abstammten, es sei dalier eine Umwandlung der früher noch gar nicht vorhanden gewesenen Beine in Flügel überhaupt unmöglich gewesen. Abgesehen davon, daß die Palä- ontologie bisher keinerlei Beweise für jene ontogenetische Auffassung bringt — was freilich bei der Lückenhaftigkeit paläontologischer Überlieferung durchaus nicht als Gegenbeweis gelten darf —, so entstehen ja die Flügel bei den Insekten nicht, wie bei den Wirbeltieren, schon im embryonalen Zustande, sondern erst sehr viel später. Erst nachdem die Metamorphose vollendet ist, beim geschlechtsreifen, fertigen, mit seinen Beinen versehenen Insekte, bilden sich die Flügel. Man darf daher gewiß annehmen, daß dem auch in früheren Zeiten so gewesen sein wird, daß also bei Insekten die Beine zur eventuellen Umwandlung in Flügel auch damals der Natur zur Verfügung gestanden haben, aber von ihr eben nieht benutzt worden sind. Doch wie verhält sich das bei den Wirbeltieren? Warum ist bei diesen keinem einzigen die Wohltat zuteil geworden, unter völliger Scho- nung der Extremitäten in den Besitz von Flügeln zu gelangen? Die ent- sprechende Antwort dürfte lauten: Weil die Natur hier (fast) nicht konnte, selbst wenn sie gewollt hätte. Der Mensch freilich, in seiner künstlerischen Phantasie, hat das getan, indem er Idealgestalten wie Pegasus, den geflügelten Löwen von St. Mareus, die Engel, Psyche, Amor, als halbe Insekten darstellte, d. h. mit Flügeln auf dem Rücken, aber mit Säugetierleib. Unbewußt hat so der Künstler das, was oben als das im Prinzip Vollkommenste bei dem Streben nach Flugfähigkeit bezeichnet wurde, auch für Säuger in Anwendung gebracht; doch verfuhr er hierbei nicht konsequent. Um die Rückenflügel in rasche Bewegung setzen und den schweren Leib damit heben zu können, würde es auch gewaltiger Muskelmassen bedürfen, welehe zwischen den Flügeln, also auf dem Rücken, sich be- finden müßten. Diese Muskeln wiederum müßten ihren Ansatz finden an einem entsprechend hohen, durch die Dornfortsätze fest verwachsener Fossile Flugtiere und Erwerb des Flugvermögens. 11 Rückenwirbel gebildeten Kamme, welcher der Crista Sterni der Vögel entspräche. Derartiges zu schaffen, würde auch durchaus innerhalb des Bereiches der Möglichkeit für die Natur gelegen haben. Das zeigt sich einmal in dem Sakralabschnitte der Wirbelsäule, wo doch die Verwachsung zweier oder mehrerer Wirbel die gewöhnlichste Erscheinung ist. Das zeigt sich, noch weiter gehend, bei Panzertieren, wo bei Panochthus sogar fast alle Wirbel verwachsen sind; denn wenn hier auch die Wirbel- körper verschwanden, so bilden doch ihre oberen Bögen eine das Rücken- mark schließende feste Röhre, auf welcher die Dornfortsätze zu einer entsprechend langen Crista verschmolzen sind. Das zeigt sich endlich und vor allem einmal bei Vögeln, bei denen die Dornfortsätze der Rückenwirbel oft zu einem Kamm verwachsen sind; und zweitens zeigt es sich bei geologisch jüngsten Vertretern der Flugsaurier in der Kreidezeit. Hier, bei Ornithocheiridae, finden sich eben- falls mehrere Wirbel in der Gegend des Schultergürtels fest verwachsen und ihre Dornfortsätze zu einer Crista verschmolzen, an welcher übrigens auffallenderweise die Scapula gelenkte. Hier haben wir also auf dem Rücken fliegender Wirbeltiere eine Skelettbildung, deren Wirkung derjenigen des Sternum und seiner Crista bei Flugvögeln gleiehkommen konnte. Es ist mithin ersichtlich, daß die Natur durchaus imstande gewesen wäre, diese eine der beiden Bedingungen zu erfüllen, welche die eonditio für den Gebrauch derartiger Rückenflügel bei Wirbeltieren, wie die künstlerische Phantasie sie schuf, bilden mußten. Ganz anders, sehr viel schwieriger steht es dagegen mit der Er- füllung der zweiten Bedingung zur Entstehung von Rückentflügeln bei Wirbeltieren unter Schonung der vorderen Extremität; denn auf dem Rücken von Wirbeltieren fehlt ja anscheinend jedes den Rückenplatten der Insekten entsprechende Gebilde, das sich zu Flügeln hätte entwickeln können, fehlen alle Knochen, die zu Stützen der Rückentlügelhaut hätten werden können. Allerdings sehen wir bei Proboseidiern, daß es der Natur doch möglich gewesen ist, bei Säugetieren eine Extremität zu schaffen, ohne jeden dieselbe stützenden, inneren Knochen. Aber diese fünfte, unpaare Extremität, der Rüssel, vermag doch nur als Greiforgan zu dienen und 9x 2 BrAnNcA: würde jeder Beanspruchung als Bewegungsorgan gegenüber versagen. Vollends aber würde es der Natur unmöglich sein, eine als Flugorgan dienende Extremität zu schaffen, ohne innere Stützen derselben. Die Möglichkeit erscheint aber doch nicht völlig ausgeschlossen, daß die Natur stützende Knochen für Rückenflügel bei Wirbeltieren hätte be- schaffen können. Unter den Eidechsen nämlich besitzt die Gattung Draco eine Hautduplikatur an den Seiten des Rumpfes zwischen Vorder- und Hinterextremität, welche das Tier beim Abspringen von erkletterten Punkten als Fallschirm benutzt. Sie wird durch fünf bis sechs abnorm verlängerte Rippen gestützt, wie das Fig. 5 zeigt. Fig. 5. Diese Rippen sind beweglich, denn sie können mit der Haut wie ein Fächer zusammengelegt werden. Es leuchtet ein, daß hier ein Weg, und zwar, wie mir scheint, der einzig denkbare, ersicht- lieh wird, auf welehem die Natur bei Wirbeltieren vielleicht zur Entwicklung von Rückenflügeln unter Schonung der Vorder- extremität hätte gelangen können. Aber auch das nur unter so erschwerenden Umständen, daß es verständlich wird. wenn wir sehen, Fossile Flugtiere und Erwerb des Flugvermögens. 13 daß die Natur diesen Weg zwar betrat, aber nicht bis zum Ziele ver- folgte. Unter diesen »erschwerenden Umständen« verstehe ich weniger die Notwendigkeit, daß die Rippen noch hätten verlängert werden müssen, um eine genügende Größe der Flughaut zu ermöglichen; denn eine solche Verlängerung der Rippen würde sich bei dem Gebrauch der Flügel gewiß leicht herausgebildet haben; das beweisen uns die Flugsaurier und die Fledermäuse, bei denen die Länge des bzw. der Flugfingerknochen be- deutend variiert. Viel mehr gilt das »Erschwerende« von der Notwendigkeit, bei einem Gebrauch als Flugorgan diese Flughaut, und damit die sieh stützenden Rippen, ganz von dem Rumpfe loszulösen. Die Flughaut läuft jetzt nur als ein Saum an den Seiten des Rumpfes dahin, ist daher auch nur durch die distalen Hälften der Rippen gestützt, während die proximale Hälfte der letzteren im Rumpf steckt und diesen stützt. Wenn sich nun hieraus ein brauchbarer, großer Flügel hätte entwickeln sollen, so würde die Hautduplikatur sich schließlich bereits an und längs der Wirbelsäule von dem Rumpf getrennt haben müssen, so daß sie jederseits der Wirbel- säule in Form eines breiten Hautlappens über dem Rumpf und diesen weit überragend gelegen hätte. Auch das wäre indessen noch ganz im Bereich der Möglichkeit gewesen, wie uns die Bildung wenn auch kleinerer Haut- lappen an anderen Stellen des Körpers, z.B. am Kopfe des Chamäleons, beweist. Von Interrsse ist übrigens die Anschauung — aber nicht der Be- weis — Willistons, daß bei Nyetosaurus, also einem pteranodonten Flugsaurier, die hinteren Rippen, welche dünn und fast gerade sind, nicht die Bauchhöhle umschlossen, sondern wie bei Draco seitwärts gerichtet waren, um das Patagium zu stützen'. Das Scehwierigste aber würde für die Natur darin gelegen haben, daß eine so vergrößerte Flughaut nun auch die Rippen schon von der Wirbel- säule an zu ihrer Stütze notwendig gebraucht hätte. Die Rippen müßten daher bereits nahe ihrer Gelenkungsstelle an den Wirbeln den Rumpf ver- lassen haben und in die Hautduplikatur eingetreten sein. Damit aber würde der schwere Rumpf des Wirbeltieres der Stütze und Festigkeit, welehe die Rippen ihm verleihen, und welcher ganz besonders der Rumpf eines Wirbeltieres beim Fliegen bedarf, beraubt worden sein. ! Geological Magazine 1904, S. 59. 14 N Branca: In diesen Verhältnissen und Schwierigkeiten mag es begründet sein, daß die Natur diesen einzig möglichen Weg, auf welchem für Wirbeltiere das Ideal der Flugfähigkeit: Bildung von Rückenflügeln unter völliger Scho- nung aller Extremitäten, erreichbar sein könnte, zwar betreten konnte, in- dem sie Draco entstehen ließ; daß sie aber gezwungen war, auf halbem Wege, ohne das Endziel zu erreichen, stehenzubleiben. So scheint die im Prinzip höchste Methode der Erwerbung von Flugfähigkeit nur bei den Insekten möglich, bei den durch ein inneres Skelett beschwerten Wirbeltieren aber unmöglich zu sein. Auch innerhalb der Wirbeltiere ist der Weg', auf welchem sie das Flugvermögen erwarben, anscheinend ein zweifacher gewesen. Den einen gingen die Hautflieger, d. h. Fledermäuse und Flugsaurier, den anderen die Federtflieger, die Vögel. Bei Fledermäusen und ausgestorbenen Flugsauriern hat die Natur die Flugfähigkeit mit genau demselben Mittel erreicht, auf dem gewisse Wir- beltiere wie Krokodile, Frösche, Schwimmvögel usw. ihre Schwimmfähig- keit erlangten bezüglich dieselbe doch verstärkten. Wie bei diesen schwim- menden Tieren zwischen den Zehen eine Hautduplikatur, bestehend aus der dorsalen und ventralen Haut, sich entwickelte, genau ebenso bildete sich bei jenen fliegenden die Flughaut zwischen den Zehen bezüglich Fin- gern. Die Sache, die Methode, ist also ganz dieselbe und der Unterschied liegt lediglich in dem Medium, in dem sie sich bewegen. Mit Hilfe dieser Hautduplikatur schwimmen die einen in der Luft, die anderen in bzw. auf dem Wasser. (Siehe S. 6.) Aus der Verschiedenheit des Mediums mußte sich aber auch eine Verschiedenheit der Schnelligkeit ergeben, mit welcher das Ziel von beiden Gruppen mittels der gleichen Methode erreicht wurde. Das Schwimmvermögen mußte ein viel früher leichter Erreich- bares sein, weil in dem dichten Medium des Wassers bereits eine kleine Flächenentwicklung der Hautduplikatur genügte, um das Tier kräftig vor- wärts zu rudern. In dem so dünnen Medium der Luft dagegen mußte erst eine fast ungeheuerliche Flächenentwicklung dieser Hautduplikatur erreicht werden, bevor das Tier mit ihrer Hilfe durch die Luft rudern und sich ! Vgl. Anmerkung 2 auf S. 6. Fossile Flugtiere und Erwerb des Flugvermögens. 15 gleichzeitig in dieser schwebend erhalten konnte. Entsprechend dieser ge- waltigen Flächenentwicklung der Haut mußten natürlich auch die diese stützenden Fingerglieder bis zur Monstrosität verlängert werden. Am stärksten springt diese Übereinstimmung des Mittels bei Haut- schwimmern und Hautfliegern in die Augen, wenn wir von letzteren die Fig. 6. Fledermäuse betrachten. Abgesehen von dem kurzbleibenden bekrallten Daumen', verlängerten sich hier alle vier übrigen Finger bis zum Exzeß, aber in der Weise, daß nicht so sehr ihre Phalangen, als vielmehr ihre Metacarpalia gewaltig lang wurden. Zudem spreizten auch die Finger bis zur Handwurzel auseinander, so daß die Flughaut, das Chiropatagium, bis an die Handwurzel hin sich zwischen ihnen ausdehnte. ı Eine Kralle findet sich übrigens bei frugivoren Fledermäusen auch noch am zweiten Finger, obgleich dieser in den Dienst der Flughaut mit hineingezogen ist. 16 BranNcA: Hier, bei Fledermäusen, haben wir also den Schwimmfuß ins Große übersetzt, auf die Hand übertragen und als Flugorgan benutzt, wobei freilich die Bewegungen, die mit diesem Organe ausgeführt wurden, andere sein mußten als die des Schwimmfußes bei den genannten Tieren. Zugleich mit den Metacarpalien wurde dann aber auch noch der Unterarm verschieden stark verlängert, und das Brustbein erwarb eine Crista zum Ansatze der erforderlichen starken Muskeln; die Flughaut wuchs ins Ungeheuerliche. Eine noch so gewaltige Entwicklung der Handflughaut allein konnte ja bei weitem noch nicht genügen, um das Tier durch das dünne Medium der Luft zu rudern und zu tragen. Es bedurfte dazu einer Verbreiterung des Chiropatagiums durch das, zwischen kleinem Finger und Rumpf sich ausdehnende Plagiopatagium. Dazu trat, zwischen Hals und Handwurzel und über Ober- und Unterarm sich erstreckend, das Propatagium; und zwischen Beinen und Schwanz bildete sich das in seiner Größenaus- dehnung sehr wechselnde Uropatagium. Anders bei den Flugsauriern. Hier war die Ähnlichkeit mit einem vergrößerten Schwimmfuße, die bei Fledermäusen so deutlich in die Augen springt, stark verzerrt. Fig.7 zeigt einen Rhamphorhynchus und einen Ptero- dactylus, bei denen die Länge der Flugknochen im richtigen Verhältnisse gezeichnet ist. Pro- und Uropatagium sind nur vermutet, nieht erwiesen. Im Gegensatze zu den Fledermäusen blieb der größte Teil der Hand unvergrößert. Der Daumen ging ganz verloren, nur sein Metacarpale blieb anscheinend erhalten und ward zum Spannknochen des Propatagiums. Der 2., 3. und 4. Finger aber, mit starken Krallen versehen, blieben unver- ändert, unvergrößert. Lediglich der 5. Finger! mit seinen 4 Phalangen vergrößerte sich ins Ungemessene hinein und bildete, indem die 4 Phalangen ! Ob der Flugfinger der Pterosaurier wirklich, wie Williston jetzt wieder will (Geological Magazine. 1904. S. 59), nicht den 5., sondern den 4. Finger darstellt, wird sich auf Grund der Phalangenzahl desselben und der anderen Finger nicht endgültig entscheiden lassen. Sollte es der.Fall sein, so würde es für obige Betrachtung ohne Belang sein; es hieße dann 4. anstatt 5. Finger. Ebenso ist es hierfür auch belanglos, ob der »Spannknochen« dem Daumen angehört oder eine selbständige Verknöcherung bildet; die Frage des Vorhandenseins eines Propatagiums wird dadurch weder im bejahenden noch im verneinenden Sinne definitiv gelöst. Aber sehr wahrscheinlich ist es doch wohl, daß der Knochen einen Zweck hatte und dieser deutet dann auf ein Propatagium hin. Fossile Fhugtiere und Erwerb des Flugvermögens. 7 ziemlich fest miteinander verbunden wurden, gleichsam eine riesige Schiffs- rahe, an welcher, gleich einem dreieckigen, sogenannten lateinischen Segel, die Flughaut befestigt war. Die Hauptgelenkungsstelle dieser Flughand lag auch nicht, wie bei den Fledermäusen, in der Handwurzel, sondern zwischen ı. Phalange und dem Metacarpale des Flugfingers. Zu dem Zwecke besaß das Metacarpale distal eine tief ausgefurchte Rolle, an welcher die ı. Phalange gelenkte; und diese Phalange trug umgekehrt an ihrem proximalen Ende einen Fortsatz, der in eine entsprechende Vertiefung des distalen Metacarpale hineinpaßte, ähnlich wie das Oleeranon der Ulna in, die Fossa ‚Oleerani des distalen Humerus faßt, um so ein Umkippen des Flugfingers nach oben zu verhindern. Auch die Haltung der Hand während des Fliegens war bei Flug- sauriern eine völlig andere als bei Fledermäusen. Zwar die Schlagbewegung aus dem Schultergelenk mit dem ganzen, ziemlich steifen Arme aus- geführt, mußte notwendigerweise bei allen Hautfliegern dieselbe wie bei Phys.-math. Olasse. 1908. Abh. 1. 3 18 BrANcA: den Federfliegern sein, nämlich eine unter der Brust zusammenschlagende. Wenn wir (des besseren Vergleiches halber von der in drei Akte geteilten menschlichen Schwimmbewegung ausgehen, bei der unter ı das Gleiten der horizontal gestellten Hand über das Wasser, bezüglich in demselben, verstanden wird, unter 2 das senkrechte Hinabdrücken und schließliche Zusammenschlagen der Hände unter der Brust, unter 3 das Vorstoßen der Hände bzw. Arme — so entspricht die oben erwähnte Schlagbewegung beim Fliegen ganz der hier unter 2 bezeichneten, mit der wir unseren Körper im Wasser heben. Aber die Handstellung ist bei allen drei Gruppen eine verschiedene. Wir halten beim Schwimmen die Hand mit gestreckten Fingern gerade- aus gerichtet, so daß ihre Längsachse mit der des Armes zusammenfällt. Die Flugsaurier hielten beim Fliegen die Hand ähnlich wie wir beim Schwimmen. Aber da der 2., 3. und 4. Finger mit dem Fluggeschäfte hier nichts zu tun hatten, so waren sie vermutlich leicht gekrümmt; die Über- einstimmung in der Haltung der Hand bezieht sich daher nur auf den Kleinen, den Flugfinger, der in seiner riesigen Länge ungefähr die Ver- längerung des Unterarmes bildete; nur ungefähr, da er vermutlich etwas nach aufwärts gerichtet war. Ganz anders ist dagegen die Handstellung bei den Fledermäusen. Hier ist die Hand nicht in der Verlängerung des Unterarmes gestreckt, sondern nach unten gebogen dergestalt, daß der kleine Finger ungefähr einen Rechten mit der Längsachse des Unterarms bildet: eine Stellung, welche wir nur mit einigem Zwange anzunehmen vermögen und welche die Flugsaurier wohl gar nicht annehmen konnten. Der kleine Finger hat also bei Fledermäusen gegenüber den Flugsaurieren eine um mehr als 90 Grad voneinander geschiedene Stellung. Auch darin zeigt sich ein Unterschied, daß bei den Fledermäusen die Metacarpalia es ganz besonders sind, welche sich an der Verlängerung der Flughand beteiligen, wogegen bei den Flugsaurieren das Metacarpale des 5. Fingers bei dem größten Teile derselben kurz bleibt und nur bei einem kleinen Teile sich gleich- falls verlängert. Ein schließlicher sehr wichtiger Unterschied zwischen beiden Gruppen von Hautfliegern besteht darin, daß die Fledermäuse keine hohlen Knochen besitzen, so daß die Last des zu hebenden Körpers hier also eine etwas größere bleibt. Bei den Flugsauriern dagegen sind, ganz wie bei den Fossile Flugtiere und Erwerb des Flugvermögens. 19 Vögeln, die Knochen meistenteils hohl; ja bei den gewaltigsten Formen, denen der Kreidezeit, war ihre Wandung zum Teil bis fast zur Papier- dünne reduziert. Da nur ein einziger Flugfinger vorhanden war, so ging bei den Flug- sauriern das Chiropatagium ohne Grenze in das Plagiopatagium über. Be- kanntlich ist dasselbe nur in seltenen Fällen im Abdruck erhalten; das Berliner Museum hat neuerdings eins dieser seltenen Exemplare aus dem lithographischen Schiefer erworben. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit werden wir aber auch, wie bei Fledermäusen, das Vorhandensein eines Propatagiums annehmen dürfen, wenngleich ein Abdruck desselben auf- fallenderweise bisher noch unbekannt ist; denn das Pteroideum, der Spann- knochen, welcher bei einer großen Zahl von Flugsauriern gefunden wurde, kann wohl nur die eine Bedeutung gehabt haben, ein vorhandenes Pro- patagium zu stützen. Vorsicht ist indessen hierin immer noch geboten. Ob dagegen auch ein Uropatagium bei den Flugsauriern vorhanden war, entzieht sich bisher ganz einem sicheren Urteil. Bei den lang- schwänzigen Rhamphorhynchiden müßte das Uropatagium entweder nur den oberen Teil des Schwanzes umfaßt haben, oder aber sich in Form eines immer schmaler und schmaler werdenden Hautsaumes bis an die Schwanzspitze erstreckt haben. Nie aber hat man bisher auch nur eine Spur eines Abdrucks des Uropatagiums bemerkt; obgleich doch der, durch die verkalkte Scheide steife, überaus lange Schwanz so vollkommen bei vielen Exemplaren erhalten ist, daß man auch hier erwarten müßte, den Abdruck eines Hautsaumes am Schwanze einmal zu finden, wenn er überhaupt vorhanden gewesen wäre. Das, was Marsh als Schwanzsegel bei Rhamphorhynchus phyllurus (Fig. 7) uns kennen gelehrt hat, kann man jedenfalls nicht als Uropatagium bezeichnen. denn seine Fläche steht senkrecht zur Fläche des Patagiums, nicht aber parallel mit letzterer, wie das bei einem echten Uropatagium der Fall sein müßte. Mit Sicherheit geht diese senkrechte Stellung des Schwanzsegels bei Rh. phyllurus aus seinen, wenn auch nur knorpligen Stützen hervor, welche oberen und unteren Dornfortsätzen, mindestens ihrer Lage nach, entsprechen. Nur um es überhaupt sichtbar zu machen, muß man, fälschlich, dieses »Schwanz- segel« so zeichnen, als ob es mit dem Uropatagium in einer Ebene liege. Es könnte ohne weiteres recht zweifelhaft erscheinen, daß ein einziger, so bis zum Exzeß verlängerter Flugfinger, zumal da seine Knochen hohl 3* 20 BraAncA: waren, fest genug, also praktisch gewesen wäre, um hohen Anforderungen an Flugfähigkeit zu entsprechen. Wir stehen indessen vor der Tatsache, daß die Flugsaurier mindestens von der oberen Trias an durch Jura und Kreidezeit hindurch bestanden und sich sogar in der letzteren zu Riesen- gestalten entwickelt haben, deren Flügelspannweite bis auf 26 Fuß ange- geben wird. Mithin muß doch wohl diese Art des Flugmechanismus, mindestens ziemlich praktisch gewesen sein. Für hohe Flugfähigkeit sogar scheint sodann der weitere Umstand zu sprechen, daß ihre Flughaut lang, schmal, spitz zulaufend war, also eine Form hatte, wie sie die guten Flieger heute unter Vögeln wie unter Fledermäusen, selbst Schmetterlingen, besitzen. Endlich könnte auch die hohle Beschaffenheit ihrer Knochen eher dafür als dagegen sprechen, daß die Flugsaurier, zum Teil wenigstens, ein bedeutenderes Flugvermögen besessen haben. Trotz alledem aber will ein solcher Schluß doch nicht als ganz ge- sichert erscheinen. Die Fledermäuse, obgleich wenigstens zum Teil ziemlich gute Flieger, haben dennoch keine hohlen Knochen; und umgekehrt, unter den Vögeln geht das Erscheinen der Pneumatizität der Knochen nicht unbedingt mit guter Flugfähigkeit Hand in Hand, da diese auch mit durch die Körpergröße bedingt wird. Die Dinosaurier endlich, die gar nicht fliegen können, besitzen trotzdem hohle Knochen. Dieses Merkmal ist also wohl nicht entscheidend. Maßgebend jedenfalls dürfte für die Beurteilung dieser Frage aber auch der Umstand sein, daß das Sternum der Flugsaurier zwar einen langen, nach oben gerichteten Fortsatz besaß, an welchen sich zweifels- ohne die Flugmuskeln anhefteten; daß aber selbst bei den größten Formen eine eigentliche Crista Sterni, wie sie die Flugvögel und selbst die Fleder- mäuse, wenn auch in geringerem Maße, besitzen, durchaus fehlte. Daraus geht doch mit zwingender Notwendigkeit zunächst soviel hervor, daß die Muskelmasse, welche sich an diesen Fortsatz des Sternums bei Flugsauriern heftete, unmöglich eine relativ ebenso riesige gewesen sein kann, wie die, welche sich an die Crista Sterni bei gleichgroßen guten Fliegern unter den Vögeln ansetzt. Wenn man mit Recht den Flugvogel einen fliegenden Muskel nennen konnte, den Flugsauriern würde sicher eine solche Bezeichnung nicht zuteil werden dürfen. Mit der geringen Masse der Flugmuskeln aber muß, ceteris paribus, ganz not- wendig auch das Flugvermögen ein geringeres gewesen sein. Fossile Flugtiere und Erwerb des Flugvermögens. 21 Davon ganz unabhängig wird selbstverständlich bei den Flugsauriern das Flugvermögen auch mit der Körpergröße ein verschiedengradiges ge- wesen sein, da diese zwischen den winzigen Dimensionen eines Sperlings und den riesigen der Kreideformen schwankte, welche unsere gewaltigsten heutigen Vögel an Größe noch übertreffen. Ganz verschwunden erscheint die Ähnlichkeit zwischen Flug- und Sehwimmhand, bezüglich Schwimmfuß, bei den Vögeln. Bei diesen fehlen der 4. und 5. Finger überhaupt gänzlich, und der Daumen ist zu einem Stummel reduziert; die Flughand wird mithin wesentlich nur dureh die distal verwachsenen 2. und 3. Finger gebildet. Aber auch an diesen sind, wie bei Fledermäusen, die Phalangen klein, die Metacarpalia dagegen ver- größert. Auch ist, wie bei Fledermäusen und Flugsauriern, der Unterarm gegenüber dem Oberarme beträchtlich verlängert: eine Übereinstimmung, die immerhin hervorzuheben ist, weil sie offenbar für das Flugvermögen einen Vorteil darbietet. Während so schon das Knochengerüst gewisse Unter- schiede der Federflieger gegenüber den Hauttliegern zeigt, besteht ein noch augenfälligerer Unterschied darin, daß die Funktion der Flughaut hier ausgeübt wird durch Federn. Das scheint laut dafür zu sprechen, daß der Weg, den die Federflieger beim Erwerbe ihres Flugvermögens gingen, ein ganz anderer gewesen ist als derjenige, den die Hautflieger zurücklegten. Und doch könnte das vielleicht nur scheinbar sein; denn wenn wir das Federkleid entfernen, so zeigt sich, wie jedes gerupfte Huhn erkennen läßt, bei den Vögeln eine dem Propatagium gleichende Hautduplikatur, sogar in ähnlich starker Entwicklung wie bei den Hautfliegern, und unterhalb des Oberarmes ist gleichfalls, wenigstens die Andeutung einer dem Pla- giopatagium gleichenden Hautduplikatur deutlich erkennbar. Es fragt sich daher, ob bei den Vögeln diese Hautfalten bedeutungslos, oder ob sie nur die letzten Reste eines, bei den Vorfahren der Vögel vor- handen gewesenen wirklichen, aber weit ausgedehnteren Patagiums sind. Sollte dem so sein, dann würde der Unterschied zwischen dem Wege oder Mittel, welehe bei Hautfliegern und den, welche bei Federfliegern zum Er- werbe des Flugvermögens führten, nur ein scheinbarer sein. Die auffallende Befiederung, welche für die Federflieger ein so völlig anderes Aussehen bedingt als für die Hauttlieger, sänke dann zu einem in Wirklichkeit neben- sächlichen, erst später entstandenen Unterscheidungsmerkmale herab. Die Federflieger hätten dann ebenfalls begonnen als Hauttlieger; anstatt der DD, BrANcA: Haare aber hätten sich auf ihrer Haut allmählich Federn ausgebildet, und damit wäre die nun unnütz gewordene Hautduplikatur bis auf kleine Reste allmählich reduziert worden. Eine solche Entstehung von Federn wird vielleicht einleuchtender durch die Betrachtung der absonderlichen Gestalten, welche die Haare der Fledermäuse besitzen (Fig. 8)'. Wesentlich ist zwar nur der eigentliche Körper derselben behaart, aber auch ihre Flughaut trägt, besonders in der Nähe des Körpers, am Uropatagium auch bisweilen bis zur Mitte hin, Haare. Diese Haare nun sind bei Fledermäusen ganz eigenartig gestaltet: schuppig, wie mit Widerhaken besetzt, wie aus ineinandersteckenden Tüten gebildet, deren Ränder jedoch ebenfalls weit abstehen; am auf- fallendsten bei Phyllorhina, wo sie Schacht- halmen mit quirlförmigen, abstehenden Ästen gleichen. Zwar sind das nur mikroskopisch sicht- bare Verhältnisse; aber Größe ist etwas Relatives und wenn schon Haare solche an Federn er- innernde Gestalten annehmen können, so leuchtet es um so leichter ein, daß anstatt der Haare bzw. Schuppen überhaupt Federn sich bilden konnten. Die Ursache einer solchen Bildung ist freilich damit nicht erklärt; aber angesichts jener an Federn erinnernden Gestaltung von Haaren bei Fledermäusen entsteht die Frage, ob es nicht bedeutungsvoll ist, daß gerade bei fliegenden Tieren sich eine so eigen- artige Gestaltung der Haare herausgebildet hat; ob also eine solche Ge- staltung der Haare etwa mit dem Fliegen in irgendeinem Zusammenhange stehen könnte, so daß dann auch die Entstehung von Federn durch das Fliegen sich erklären könnte. Umgekehrt wieder wird diese Vorstellung vervollständigt durch die Betrachtung der langen, ganz dünnen, völlig wie Haare mit aufgespaltener Spitze aussehenden Fadenfedern, die man ebenfalls leicht an jedem ge- rupften Huhn beobachten kann. ı Fig. 8 ist entnommen aus C. Koch, Das Wesentliche der Chiropteren. Jahrb. d. Ver- eins f. Naturk. im Herzogt. Nassau, 1865, Taf. I]. Fossile Flugtiere und Erwerb des Flugvermögens. 23 Wären nun in solcher Weise die Vögel wirklich ursprüngliche Haut- tlieger, so würde es nur zwei prinzipiell verschiedene Mittel oder Wege geben, dureh die oder auf denen die Natur Flugvermögen erworben hätte: die der Insekten und die der Wirbeltiere. Irgendwelche sicheren An- haltspunkte dafür, daß dieVögelals Hautflieger begonnen haben könnten, liefern indessen weder die Paläontologie noch die On- tologie der heutigen Vögel. Wenn aber die allgemeine Annahme richtig sein sollte, daß die fliegenden Tiere aus Fallschirmtieren sich entwickelt haben, dann müßten ja notwendig auch die Federflieger als Hautflieger begonnen haben. Wer alle Flieger auf Fallschirmtiere zurückführt, der sagt damit, daß auch die Federflieger sol- cher Entstehung sind. Eine Beweiskraft wohnt indessen einem solchen auf die allgemeine Annahme sich gründenden Schlusse keineswegs bei: und wenn oben ge- sagt wurde, daß selbst jedes Huhn die Spuren von patagiumähnlichen Hautfalten deutlich erkennen lasse, so muß man ebenso geltend machen, daß auch der Mensch Spuren einer solehen Hautduplikatur zwischen den Fingern und unter den Armen besitzt, ohne daß man diese doch mit einer ehemaligen Flughaut in Beziehung bringen würde. Trotz der Versehiedenartigkeit dieser beiden von der Natur befolgten Methoden zeigen übrigens die Flügel dieser Hautflieger und die der In- sekten doch auch Übereinstimmendes: ganz nämlich wie bei den Haut- fliegern die Flughaut aus einer dorsalen und einer ventralen Hautfläche gebildet ward — denn zweifellos mußte bei den ausgestorbenen Flug- sauriern doch ebenfalls eine Hautduplikatur vorhanden gewesen sein — und noch wird, so besteht auch der Flügel der Insekten aus einer oberen und einer unteren Hautfläche, die am Rande ringsum verwachsen; wenn auch mit dem Unterschiede, daß diese Häute bei Insekten zum Teil mehr oder weniger verhärten, indem sie chitinisieren. Auch eines Stützgerüstes bedürfen diese Flügel der Insekten natürlich ebenso wie die der Hautflieger; nur daß dieses hier und dort aus sehr verschiedenartigem Materiale besteht. Bei den Wirbeltieren konnte die Natur die bereits vorhandenen Hand- und Armknochen, nur verlängert, dazu verwenden. Bei den Insekten war sie gezwungen, ein Stützgerüst aus starken, hohlen Chitinrippen erst zu bilden, indem sie, ähnlich den Rippen der Blätter, auf langgestreckten, sich oft verzweigenden Linien eine 24 Brasca: stärkere Öhitinisierung der Flughaut bewirkte; wobei dann diese Rippen gleichzeitig noch anderen Zwecken, zur Aufnahme von Blutflüssigkeit, Nerven und Tracheen dienstbar wurden. Die Insekten gehören also eigentlich gleichfalls zu den Hautfliegern; und so ergibt sich, daß wir zwei Gruppen der letzteren unterscheiden müssen: Hautflieger der Wirbeltiere, deren Stützgerüst ausKnochen, aus der bereits vorhanden gewesenen, nur umgewandelten Vor- derextremität besteht. Das sind Flugsaurier und Fledermäuse; Hautflieger der Wirbellosen, deren Stützgerüst aus zu die- sem Zwecke erst sieh bildenden Chitinadern besteht; hier ent- steht aber die Flughaut in Form von seitlichen Fortsätzen der Rückenplatten. Das sind die Insekten. Sollten nun gar — was freilich ganz in der Luft schwebt — auch die Federflieger ursprünglich Hautflieger gewesen sein, bei denen die Flughaut durch die in ihr wachsenden Federn nur mehr und mehr verdrängt wurde, dann würde sich er- geben, daß die Natur bei Landtieren ein Flugvermögen über- haupt nur, wenigstens ursprünglich, dureh Bildung einer Flug- haut hätte hervorrufen können. Mit anderen Worten: es gäbe dann eigentlich überhaupt nur Hautflieger. Und nur darin sei die Natur verschiedene Wege gewandelt, daß erstens der Ursprung der Flughaut, zweitens und vor allem aber derjenige ihres Stützgerüstes und damit der so überaus folgenschwere Eingriff in die Gehorgane, bei Landwirbeltieren und Insekten diametral verschiedenartig gewesen wären; und daß endlich bei Vögeln die Funktion der Haut durch Hautgebilde übernommen wurde. Andernfalls hätte die Natur gleich von Anfang an zwei verschiedene Methoden, wenn ich einmal so sagen darf, befolgt: die eine bei Haut-, die andere bei Federfliegern. Viel mannigfacher jedenfalls sind die Mittel, mit denen bei Wasser- tieren das »Fliegen« in bzw. auf dem Wasser erlangt wurde. Zunächst ebenfalls durch Bildung einer Haut zwischen den Zehen, wie z. B. bei Schwimmvögeln, Krokodilen usw. Auch die Flossen der Fische bestehen ja aus einer Haut, deren Stützorgane durch gegliederte Strahlen oder feste Stacheln gebildet werden; indessen die Fortbewegung der Fische wird doch wesentlich nicht durch die paarigen Flossen, sondern durch ein ganz Fossile Flugtiere und Erwerb, des Flugvermögens. 25 anderes Mittel, schlängelnde Bewegungen des hinteren Teiles der Wirbel- säule und damit auch der Schwanzflosse, bewirkt. Ganz anderer Art ist das Mittel, welches unter den Muscheln die Gattung Peeten anwendet, indem sie durch Auf- und Zuklappen der Schalen, und zwar mit dem Schloßrande bzw. den Ohren nach hinten, dem Unter- rande nach vorn' schwimmt. Andere Mollusken, Cephalopoden, schwimmen durch ein absolut anderes Mittel, indem sie stoßweise Wasser aus ihrem Mantelraume durch ihren Trichterfuß hindurchdrücken. Wieder andere Mollusken, Pteropoden, schwimmen, indem sie mittels zweier am Kopfe stehender muskulöser, flügelförmiger Flossen schlagende Bewegungen aus- führen. Da diese Flossen als ein paariger Fuß aufzufassen sind, so schwimmen sie also eigentlich mit Hilfe ihres Fußes. Ganz ebenso schwimmen andere Schneeken, wie Ancillaria und Oliva, mit Hilfe ihres einteiligen Fußes, der aber hier nicht am Kopfe steht; abermals andre Mollusken, die Heteropoden,. schwimmen zwar ebenfalls mit Hilfe ihres Fußes, mehr aber doch mit der ihres ganzen Körpers, indem sie, den Rücken nach unten, den Bauch nach oben, den ganzen Körper hin und her schlagen. Zahlreiche im Wasser lebende Wirbellose schwimmen, oft freilich nur im Larvenzustande, indem sie mit ihren Flimmerhaaren rasche, flimmernde Bewegungen ausführen. Unter «len Aseidien vermögen einige zu schwimmen, indem sie (Appendikularien) mit ihrem peitschenförmigen Ruderschwanze schlängelnde Bewegungen ausführen. So zeigt bereits eine obertlächliche Betrachtung, daß die Art und Weise des »Fliegens im Wasser« (S. 6) eine viel verschiedenartigere ist als die des Fliegens in der Luft. Demgemäß gibt es auch die verschiedensten Vollkommenheitsgrade dieser Fortbewegungsfähigkeit im Wasser. Diese kann schließlich herab- sinken bis zu dem denkbar tiefsten Grade dieser Fähigkeit; denn gegen- über jenen aktiven Schwimmern gibt es bei den wirbellosen Wassertieren auch zahlreiche solche, die nur passiv schwimmen. Diese sind zwar nicht an den Boden gefesselt, treiben aber nur mehr oder weniger willenlos auf oder in dem Meere schwimmend dahin. Das ist ein so niedriges Stadium der »Flugfähigkeit im Wasser«, wie es bei der Flugfähigkeit in der Luft ! Compt. rend. T. 143 1906 S. 611. Phys.-math. Olasse. 1908. Abh. I. 4 26 Branca: überhaupt nicht möglich ist, weil das spezifische Gewicht der Luft dazu ein zu geringes ist; denn das Schweben der Vögel, welches diesem (dau- ernden) Stadium im Wasser vergleichbar wäre, ist doch nur ein vorüber- gehendes Moment. Wenn wir nun die Frage aufwerfen, welcher der geschilderten Wege zur Erlangung des Flugvermögens von der Natur zuerst beschritten wurde, so ist diese Frage an der Hand der paläontologischen Erfunde scheinbar leicht zu beantworten. Sie stößt indessen auf die große Schwierigkeit, daß wir nicht sicher wissen, ob die wirkliche Reihenfolge, in welcher die Flugfähigkeit der verschiedenen Tiergruppen nacheinander entstanden ist, ohne weiteres übereinstimmt mit der uns bis jetzt be- kannten geologischen Altersfolge der fliegenden Tiere; denn jeder neue Fund kann ja diese Altersfolge umstoßen. Es läßt sich daher alles darüber zu Sagende nur als »anscheinend« sagen. Stützen wir uns also, wie ja nicht anders möglich, auf das, was bis- herige Funde uns lehren, so zeigt sich, daß von der Natur an- scheinend zuerst der Weg beschritten wurde, welchen ich als den im Prinzip vollkommensten bezeichnet habe, weil hier das Flugvermögen erworben wurde, ohne daß die Geh- bzw. Greifwerkzeuge in Zahl und damit in Bewegungsfähigkeit eine Einbuße erlitten (S. 9). Das ist der Fall bei den Insekten. Schon im Devon', besonders aber im Karbon finden wir eine große Mannigfaltigkeit getlügelter Insekten, welche bereits in ganz derselben Weise, wie die heute lebenden, ihre Flügel entwickelt zeigen. Anscheinend erst sehr viel später, zur Zeit der oberen Trias, sehen wir die Natur jenen anderen Weg zur Erlangung des Flug- vermögens beschreiten, auf welchem die Tiere diese neue Gabe so teuer erkaufen mußten, durch den Verlust der Hälfte ihrer Geh- bzw. Greifwerkzeuge und damit viel mehr als der Hälfte ihrer Gehfähig- keit. In der genannten Zeit treten uns bekanntlich zuerst die Hautilieger, und zwar zunächst in Gestalt der Flugsaurier, entgegen: erst sehr viel später dann, mit Beginn des Tertiär, in Gestalt der Fledermäuse. Sollte freilich Matschie Recht haben’, wenn er den als Mikrolestes bezeichneten ! Die vermeintliche Palaeoblattina aus dem Silur ist kein Insekt, sondern die Wange eines asaphiden Trilobiten. Agnus in Compt. rend. 1904, S. 398. ? Sitzungsberichte der Gesellschaft naturforschender Freunde. Berlin 1899, S. 30. ‘ Fossile Flugtiere und Erwerb des Flugvermögens. 27 Zahn aus dem Rät nicht als den eines Beuteltieres, sondern als den einer Fledermaus bestimmt wissen will, dann würden allerdings die Fledermäuse zu genau der gleichen Zeit mit den anderen Haut- fliegern, den Flugsauriern, vor unserem Auge erschienen sein. Es scheint indessen gewagt, diesen Zahn, trotz seiner allerdings un- leugbaren Ähnlichkeit mit dem einer Megachiroptere, als einen Fledermaus- zahn zu erklären. Einmal deswegen, weil wir Zähne desselben allgemeinen multituberkulaten Typus bei Tritylodon Südafrikas noch in ihrem Schädel sitzend finden, welcher jedenfalls nicht derjenige einer Fledermaus ge- wesen ist; von Seeley wird er sogar als einem Reptil zugehörig be- trachtet. (Freilich läßt sich gegen einen solchen Einwurf geltend machen, daß bei Tritylodon drei Höckerreihen vorhanden sind, bei Mikrolestes nur zwei, und daß auch die Höcker bei ersterem gleichmäßiger und regel- mäßiger sind als bei letzterem, wo das eigentlich Höcker- oder Zitzenför- mige keineswegs so stark ausgebildet ist.) Zweitens deswegen, weil die bisher bekannten fossilen Fledermäuse sämtlich nur zu den Mikrochiro- pteren gehören. Somit würde Mikrolestes überhaupt der einzige Vertreter der fossilen Makrochiropteren sein (was zwar nicht unmöglich, aber immer- hin auffällig wäre). Drittens endlich (was zwar auch nicht unmöglich, aber noch verdächtiger erschiene), weil dann diese älteste Chiroptere in der Trias- zeit ganz vereinzelt gegenüber allen anderen, so viel später erst auftretenden, tertiären stehen würde. Es liegt indessen auf der Hand, daß bei der durch die geringe Größe der Fledermäuse mindestens mitbedingten Seltenheit ihrer fossilen Reste alle Schlüsse bezüglich ihres ersten Auftretens mit besonders großer Vorsicht zu betrachten sind. Die Federflieger tauchen vor unserem Auge zuerst bekanntlich am Ende der Jurazeit auf. Sollten sie also wirklich aus Hautfliegern her- vorgegangen sein, dann würde ihr gegenüber den Hautfliegern späteres Auftreten ohne weiteres verständlich, weil notwendig erscheinen. Von höchster Bedeutung wäre die weitere .Frage nach dem Vor- handensein fossiler Formen, die man als Übergangsformen aus nichttliegen- den Tieren in fliegende deuten könnte. Soweit unsere bisherige Kenntnis reicht, wird man diese Frage kaum bejahen können. In devoner und karboner Zeit erscheinen, soviel wir bis jetzt wissen, die Insekten sofort als vollkommen fertige, geflügelte Wesen. Zwar treten, ganz wie es heute unter ihnen noch Apterogenea gibt, so auch schon in gr 28 Branca: karboner Zeit solche noch von Uranfang her flügellose Insekten neben den geflügelten uns entgegen. Anstatt daß jedoch, wie man fordern müßte, die Apterogenea in jenen alten Zeiten gegenüber den geflügelten Formen noch stark in der Mehrzahl gewesen sein müßten, erscheinen sie, soviel wir zu sehen vermögen, gerade umgekehrt, gegenüber den ge- tlügelten in relativ noch geringerer Zahl als heute, als vollständiges Unikum. Bisher also ist bei den fossilen paläozoischen Insekten weder ein Übergang von beflügelten zu unbeflügelten noch eine früher stärkere Verbreitung der Apterogenea zu erkennen. Leicht könnte man freilich von den Apterogenea geltend machen, daß sie wegen zu großer Weichheit ihrer Körper nicht hätten versteinern bezüglich sich im Abdruck erhalten können. Es handelt sich indessen hier nur um das, was tatsächlich heute bekannt ist, nicht um das, was sein könnte. (anz ebenso wie die Insekten, so erscheinen, soweit bisherige Kenntnis reicht, auch die Flugsaurier sofort in vollkommen typischer Ausbildung. Hier würde man jenen Einwurf, daß ihr Körper anfangs zu weich gewesen sei. um zu versteinern, sicher nieht machen können: und trotzdem kennen wir keinen Übergang. Genaues über die Gestalt der ältesten Flugsaurier, die in der oberen Triaszeit lebten, wissen wir nicht. Es sind uns nur einige Bruchstücke von Knochen des Flugfingers bisher bekannt geworden. Immerhin aber bieten diese Reste, so geringfügig sie sind, doch den Beweis dafür, daß diese triassischen Formen bereits echte Hauttlieger, völlig gleich oder doch sehr ähnlich denen des Lias gewesen sind; denn gerade der für diese Formen wichtigste aller Knochen, der Flugfinger, ist es ja. der hier erhalten ist. In der Liaszeit haben wir bereits ganze Skelette, und diese zeigen bereits durchaus den fertigen Typus des Flugsauriers. Es fehlt also auch hier bisher jede Kenntnis von Übergangsformen. Wie verhalten sich nun die Vögel in dieser Hinsicht? Archaeopteryx wird von Dames als echter Vogel erklärt, der zwar noch mit gewissen Merkmalen der Reptilien versehen sei, wie wir sie aber im Jugendzu- stande heutiger Vögel noch haben. Derartige Dinge werden indessen stets verschiedener Deutung fähig sein. Von einem Vogel, der im er- wachsenen Zustand noch gewisse Merkmale der Reptilien zeigt, welche heutigen Vögeln im erwachsenen Zustande durchaus fehlen, wird man auf der anderen Seite auch sagen dürfen, daß er eine Übergangsform sei. Fossile Flugtiere und Erwerb des Flugvermögens. 29 Ich möchte also definieren: Archaeopteryx ist zwar schon voll und ganz ein Federflieger, aber durchaus nicht voll und ganz ein echter Vogel. Als absoluten Federflieger wird man alles ansehen müssen, was, im Gegensatz zu den Hautfliegern, mittels seiner Federn fliegt; gleichviel, ob es schon ein richtiger Vogel oder noch ein mit Federn versehenes reptilähnliches Wesen ist. Als absoluten Vogel aber möchte ich Archaeoptery& nicht erklären, weil sie den Typus des heutigen Vogels doch noch nicht erreicht hat. Archaeopteryx ist, wenn man einmal heutige Flugvögel als Vollblut bezeichnen will, doch sicher kein ganzes Vollblut, sondern etwa ein — ich will sagen — Neunzehntelblut. Der Vergleich mit aus Kreuzung hervorgegangenen Produkten hinkt natürlich, aber er ist dennoch bezeichnend, um den Grad des beiderseitigen Anteiles auszudrücken, der bei dem Worte »Bindeglied« nicht mit ausgedrückt wird. Archaeopteryx ist ganz unverkennbar eine der bisher äußerst spärlich gesäten Übergangsformen zwischen zwei großen Abteilungen des Tierreiches. So sehr es aber auch notwendig erscheint, auf diesem Gebiete alles aus- zumärzen, was nicht absolut sieher und beweisend ist, sondern nur in der Phantasie und dem Wunsche des betreffenden Forschers begründet liegt, ebensosehr ist es doch auf der andern Seite berechtigt, das als Binde- glied gelten zu lassen, was auf den Namen eines solchen vollen Anspruch hat. Nur muß man sich hierbei das oben Gesagte vergegenwärtigen, daß man bei dem Worte »Bindeglied« stets geneigt ist, sich ein »Halbblut« vorzustellen, also eine gerade in der Mitte zwischen zwei Gruppen stehende Tierform. Davon kann hier keine Rede sein; Archaeoptery® ist ungefähr schon ein Neunzehntelblut-Vogel. Es handelt sich indessen im vorliegenden Falle gar nicht um die Frage, ob Archaeopteryx als Übergangsform aus Reptilie in Vogel oder als absoluter Vogel zu betrachten sei, sondern um die ganz andere, ob Archaeo- pteryx eine Übergangsform aus einem unbeflügelten oder aus einem haut- fliegenden Wesen in einen Federflieger darstelle. - Beides ist, glaube ich, zu verneinen. Ganz sicher zu verneinen das letztere; denn die fossile Form ist ein absoluter Federflieger, ohne jede erkennbare größere Spur von Flughaut, als die heute lebenden Vögel sie haben. Aber auch das erstere scheint mir zu verneinen. Die Flügel sind zwar nicht groß, namentlich nicht spitz auslaufend wie heute bei guten Fliegern, also noch nicht so hochgradig spezialisiert. Wir haben jedoch auch bei heutigen 30 BraAnNca: Vögeln noch ähnlich stumpfe kurze Flügel: und niemand wird sie deshalb für solehe Übergangsformen ansehen wollen. Also Archaeopteryx ist zwar ein Bindeglied aus Reptil in Vogel, aber keineswegs auch ein Bindeglied aus einem unbeflügelten oder aus einem hautfliegenden Wesen in ein beflügeltes. Wir kennen also bei Vögeln bisher eine solehe Übergangsform nicht. Über die fossilen Fledermäuse wissen wir am wenigsten. Zwar kennen wir sie seit ältester Tertiärzeit; indessen sind ihre Reste wegen der Zartheit der Knochen so unvollständig erhalten, daß ein Urteil in dieser Beziehung sehr schwierig ist. Immerhin aber kann man auch hier nur sagen, daß wir bisher keine Anhaltspunkte für das Vorhandensein von Übergängen aus ungeflügelten in beflügelte Fledermäuse besitzen. Es sind uns also weder bei Insekten noch bei Flug- sauriern, Vögeln und Fledermäusen bisher keinerlei An- deutungen eines Vorhandenseins von fossilen Übergangsformen aus noch ungeflügelt gewesenen in schon geflügelt gewordene Tierformen bekannt. Trotzdem wird man sich immerhin fragen dürfen, wie wir uns überhaupt solche Übergangsformen vorzustellen haben und an welchen Merkmalen wir eventuell das Vorhandensein solcher fossilen Übergangsformen erkennen könnten. Bei den Insekten dürften wir sie wohl zu suchen haben in Formen mit 4 noch ganz kleinen und noch gleichen Flügeln in ausgewachsenem Zustande. Für die Wirbeltiere dürfte die allgemeine Annahme, wie Döderlein sie auch zum Ausdruck bringt, dahin gehen, daß wir diese Übergangs- formen zu suchen hätten in der Form von Fallschirmtieren. Also in jener, heute zwar kleinen, aber vielgestaltigen Gruppe von "Tieren, die wie die Hautflieger eine aus dorsaler und ventraler Haut gebildete, nur sehr viel weniger ausgedehnte Hautduplikatur besitzen, welche sie nicht zum Fliegen, sondern nur als Fallschirm beim Abspringen, also zum Abwärtsschweben, benutzen können. Ein Aufwärtsschweben ist ihnen dagegen unmöglich; in die Höhe müssen sie zuvor mit Hilfe ihrer Füße bzw. Krallen klettern. Noch heute haben wir einen Vogel, Opisthocomus hoazie, welcher, wenn auch nur im jugendlichen Zustande, seine an der Flughand befind- lichen Krallen zum Klettern benutzt — wie Döderlein in seiner eingangs erwähnten Arbeit hervorhebt, ein Zeugnis dafür, daß die Vorfahren der Fossile Flugtiere und Erwerb des Flugvermögens. 31 Vögel ursprünglich solcher Krallen zum Emporklettern allgemein bedurften, als sie noch nicht emporfliegen konnten. Der älteste Vogel, Archaeopterys, mit seiner bekrallten Flughand, bestätigt solche Auffassung. Aber auch recht viele andere der heute lebenden Vögel, namentlich Raubvögel und Strauße, tragen noch heute am Daumen der Flügelhand eine Kralle, wenn- gleich sie, wie ich freundlicher Mitteilung des Hrn. Kollegen Reichenow entnehmen darf, den Gebrauch derselben zum Klettern auch in der Jugend nie mehr üben. Trotzdem liegt auch darin mindestens doch ein Zeugnis dafür, daß auch bei den Vorfahren unserer heutigen Federtlieger die Hand bekrallt gewesen ist. Wenn nun alle Flieger von Fallschirmtieren ihren Ursprung nahmen, so würde es von höchstem Interesse sein, das Vorhandensein von Fall- schirmen an fossilen Tieren erkennen zu können. Das einfachste Mittel, Erkennen des Fallschirmes selbst, versagt ja leider, da Hautduplikaturen nieht erhaltungsfähig sind. Selbst nur im Abdruck kennt man die große Flughaut bei Flug- sauriern nur ganz ausnahmsweise aus dem Solnhofener Schiefer. Wir werden daher kaum erwarten können, den Abdruck einer solehen, zumal doch kleineren Fallschirmhaut im Gesteine finden zu können. Trotzdem aber würde sich an fossilen Tieren das ehemalige Vorhandensein irgend- welcher Hautduplikaturen verraten können, wenn letztere durch Knochen gestützt oder etwa mit knöchernen Schuppen bedeckt gewesen wäre. Wir wollen daher zunächst die heute mit Hautduplikaturen ver- sehenen Tiere, gleichviel zu welchem Zwecke sie diese Haut verwenden, daraufhin betrachten, inwieweit hier knöcherne Stützen oder ein Schuppen- besatz der Hautduplikatur überhaupt vorhanden sind. Für mannigfache Unterstützung, auch an Material wie bezüglich der Literatur, bin ich hierin Hrn. Prof. Dr. Tornier zu lebhaftem Danke verpflichtet. Unter den Amphibien treffen wir Schwimmhäute bei Fröschen; Rana hat bekanntlich nur zwischen den Zehen, also nur an der Hinterextremität, eine Schwimmhaut, die freilich bei Xenopus, der infolgedessen pfeilschnell schwimmen kann, eine relativ gewaltige Größe erlangt. Für die vor- liegende Betrachtung wichtiger ist indessen eine andere Froschgattung, Rhacophorus, von welcher etwa 40 Arten unterschieden sind', die alle ! The Cambridge Natural History. Amphibia and Reptiles. London b. Macmillan 1901. 2 Branca: durch Haftscheiben an der Spitze der Zehen und Finger sowie durch eine nicht nur zwischen den Zehen, sondern auch zwischen den Fingern ausgebreitete Schwimmhaut gekennzeichnet sind. Sie dehnt sich zwischen den Phalangen und Metapodien aus. Bei den meisten Arten von Zhaco- phorus reicht sie nur bis zur Hälfte des Fußes bezüglich der Hand; nur bei wenigen erstreckt sie sich ganz bis vorn an die Haftscheibe heran. Diese wenigen Arten sind nun auch noch dadurch ausgezeichnet, daß das Hand- und Fußskelett relativ stark verlängert ist und daß die auf solche Weise sondern als Fallschirm benutzt werden soll. da die noch mehr vergrößerte Hautduplikatur nicht als Schwimmhaut, Tiere auf Bäumen leben. Außerdem treten aber bei einer Anzahl von Zthacophorus-Arten auch noch an anderen Stellen des Körpers Hautlappen auf: an der Ferse, an der Hinterseite des Unterarmes, am Ellbogengelenk, über dem After usw. Diese sind freilich von so geringer Ausdehnung, daß man sich von irgend- einer Bedeutung derselben keine Vorstellung machen kann. Sie beweisen nur, wie bei Fledermäusen, daß, wenn einmal eine auffallende Neigung zur Bildung von Hautduplikaturen vorhanden ist, diese keineswegs immer auf die Hände bzw. Füße beschränkt bleibt. Größe und Wirkung dieser Fallschirmhaut bei Rrhacophorus sind übrigens, wie Gadow zeigte, außerordentlich übertrieben worden. Die Angabe von Wallace und danach von Brehm, daß ZRhacophorus pardalis bei einer Länge des Tieres von 6,5 em eine Flächenausdehnung der Fallschirmhaut 3 von 78 gem besitze, ist um 7 zu groß; denn sie beträgt nur 18,8 gem. Die auf die Aussage eines Chinesen gestützten Angaben bei Wallace, der Chinese habe den Frosch von einem hohen Baume hinabschwebend gesehen, ist nach Gadow daher wohl sehr zu modifizieren; denn die Fläche der Haut erscheint dazu als eine zu kleine. An einem Skelette von Rhacophorus Reinwardti und an zwei Spiritus- exemplaren erhielt ich für die längste Zehe des Hinter- und Vorderfußes einschließlich des Metatarsale und Metacarpale die folgenden Maße: Länge Hinterfuß Vorderfuß des Rumpfes Rh. Reinwardti.. 19,0 mn (Phal. rı mm, Mt. 8,o mın) ı10,o mm (Phal. 6,0o mm, Mt. 4,0 mm) 33,0 mm Rh. Reinwardüi.. 25,5 » (14 », » Du) ol OH KR) u) 42,0 » Rh. matimus..... 40,0 » (.».123 mn...» 170) 25,01 (ORWETB:oR >, 212,002) 71,0 Bei Rana hexadactyla 31,5 (oe 3 7255) 7EOV Rn RED 2) 22 Rana temporaria 35,0 « (» 22 u, a 130) az CH Dun oe ) 23,0 » Fossile Flugtiere und Erwerb des Flugvermögens. 33 Verhältnis vom Fuß zur Rumpflänge ı. Hinterfuß 0,58:1 Vorderfuß 0,30: 1 2 » 0,60: 1 » 0,43: 1 3 0,56:1 0,34: 1 4- » 1,40: 1 » 0,60: 1 5 u 1,52:1 » 0,62:1 Man sieht, daß Rana relativ längere Zehen besitzt als Rhacophorus, zwar nicht am Hinter- aber am Vorderfuß. Das ist gerade umgekehrt wie man erwarten sollte. Indessen ist das für die vorliegende Frage ganz neben- sächlich. Für diese ist nur dies Ergebnis von Wichtigkeit, daß man bei Auffinden einer fossilen Froschform nicht etwa aus einer relativ großen Länge der Hand- und Fußknochen auf das ehemalige Vorhandensein eines Fall- schirmes mit Sicherheit schließen dürfte. Die Ausdehnung der Haut, nicht aber der Knochen, ist eben maligebend; denn erstere kann entweder die ganzen Hand- bzw. Fußknochen umspannen, bis an deren Spitze sich erstrecken, oder sie kann viel weniger ausgedehnt sein. Aber selbst das ist nicht allein maßgebend: denn eine andere Froschform, Xenopus, besitzt vielleicht eine relativ noch größere Haut zwischen den Zehen als Ahaco- phorus und benutzt sie doch nur als Schwimmhaut. Das Wesentliche also für Rhacophorus liegt darin, daß er zwischen den Zehen und Fingern eine Haut hat und diese nie zum Schwimmen, sondern nur als Fall- schirm benutzt. Während wir von lebenden Amphibien nur diesen einen Vertreter eines Fallschirmtieres kennen, gibt es unter den lebenden Reptilien mehrere, die mit einer als Fallschirm versehenen Haut ausgerüstet sind. Es ist aber bemerkenswert, daß sie bei den Reptilien fast nirgends in solcher Weise wie bei Rhacophorus zwischen den Zehen auftreten; und wo das, wie bei PAtychozoon, dennoch der Fall ist, da geschieht es in sehr viel geringerem Grade. Unter den Eidechsen gibt es mehrere mit Hautduplikaturen versehene Formen. Doch nur eine Gattung benutzt sie als Fallschirm, die zu den Baumagamen (Iguanidae) gehörige Gattung Draco. Die anderen verwenden sie teils als Schreekmittel für ihre Feinde, teils als Haftorgan beim Klettern. Draco taeniopterus besitzt, abgesehen von einem kleinen, als Fallschirm bedeutungslosen dreieckigen Hautlappen zu beiden Seiten des Halses, der hinter dem Kopfe beginnt und zum Oberarm sich hinzieht, eine flügel- artige große Hautfalte, die sich an beiden Seiten des Rumpfes zwischen Phys.-math. Classe. 1908. Abh. 1. 5 34 Branca: Vorder- und Hinterextremität ausdehnt; in der Weise jedoch, daß der Arın gar nicht, das Bein nur mit dem obersten Teil des Oberschenkels in die Falte eingezogen wird. Beide Extremitäten ragen also frei aus dem Rumpfe hervor. Dieser großen Hautfalte wird bekanntlich eine besondere Eigenart da- durch verliehen, daß sie durch 5 bis 6 abnorm verlängerte Rippen getragen wird, welche aus dem Rumpfe in die Hautduplikatur hineingehen (vgl. Fig. 5). Bei einem ziemlich kleinen der mir vorliegenden Exemplare, als Draco taenioplerus bezeichnet, beträgt die Länge der mittleren dieser 6 Rippen 34 mm, während der Rumpf, vom Halse bis hinter das Saerum, die Länge von 49 mm besitzt. Bei einem anderen, etwas größeren Skelette von Draco volans beträgt diese Rippenlänge 43,5 mm, bei einer Rumpflänge von 52 mm; sie ist somit absolut wie relativ größer als bei dem ersteren, da sie in demselben Verhältnisse wie bei diesem nur 37 mm messen dürfte. Vergleichen wir diese Maße mit denen von Rhacophorus, so ergibt sich ein Längenverhältnis der den Fallschirm tragenden längsten Knochen (Rippe bzw. Hand- oder Fußknochen) zu der des Rumpfes bei: Draco taeniopterus 0,69 : I Draco volans 0,83 : I Rhacophorus Vorderfuß 0,30— 43:1 » Hinterfuß 0,56 —60 : I Notgedrungenerweise mußten hier ungleichwertige Knochen miteinander ver- glichen werden, bei Draco die Rippen, bei den anderen die Fingerknochen. Immerhin läßt sich doch wenigstens erkennen, um wieviel relativ größer der die Fallsehirmhaut tragende Knochen, somit auch die Haut selbst, bei Draco als bei Rhacophorus sind und wie gewaltig viel größer der Apparat aber noch werden müßte, um zum Fluge dienen zu können. Diese 5—6 langen Rippen von Draco, deren vorderste hinter der Scapula beginnt, setzen sich in derselben Weise und ebenso einköpfig an die Diapophysen der Wirbel an, wie die hinter ihnen folgenden, kürzer und immer kürzer werdenden Rippen, welche nun nicht mehr aus dem Rumpfe in die Hautduplikatur hineinreichen. Man wird daher die großen Rippen nicht wohl als falsche bezeichnen dürfen, wie wohl geschehen. Bei Draco fimbriatus Kuhl zähle ich nur 5 solcher langen Rippen, und diese tragen auch nur den vorderen größeren Teil der Fallschirmhaut, wo- Fossile Flugtiere und Erwerb des Flugvermögens. 35 gegen der hintere, kleinere, rippenfrei, also stützenlos ist. Auch noch in anderer Beziehung unterscheiden sich diese langen Rippen bei beiden Arten. Bei Draco taeniopterus ziehen sie in gerader Richtung bis zum Außenrande der Hautduplikatur hin und endigen dort, so daß der Außenrand der Haut zwischen ihnen ohne Stütze (s. Fig. 5) bleibt. Bei Draco fimbriatus da- gegen biegen die vorderste Rippe, am Außenrande angelangt, die 4 hinteren Rippen aber schon in einiger Entfernung von dem Außenrande knieförmig nach hinten um und bilden dadurch eine fortlaufende Stütze, welche den ganzen Außenrand trägt. Draco hat zwar die Fähigkeit und Gewohn- heit, diese flügelähnlichen Organe fächerartig zu entfalten und wieder zusammenzufalten; aber er vermag sie nicht zum Fluge auf und ab zu bewegen!. An diesen langen Rippen würde nun das ehemalige Vorhandensein einer Fallschirmhaut bei fossilen Formen sicher zu erweisen sein. Es sind indessen zwar von anderen Baumagamen, speziell von Iguana oder doch von verwandten Vorläufern derselben, Fossilreste gefunden; von Draco je- doch scheint bisher noch nichts bekannt geworden zu sein. Auch andere Eidechsen besitzen Hautduplikaturen, benutzen dieselben jedoch zu ganz anderen Zwecken. Eigentlich kommen diese Formen daher hier, wo es sich um Fliegen und Schweben handelt, nicht in Betracht. Trotzdem haben sie ein Interesse für diese Frage, weil es Tiere mit dieser eigentümlichen Neigung zur Bildung von Hautduplikaturen sind und weil, unter Umständen, eine Hautduplikatur auch einmal verschiedenen Zwecken gleichzeitig dienen könnte. So findet sich eine solche bei Chlamydosaurus, wo sie in Gestalt einer riesigen Halskrause, die, wie bei Draco der Fall- schirm, entfaltet und wieder zusammengefaltet werden kann, den Kopf umgibt’. Es fehlt aber bei Chlamydosaurus jede knöcherne oder knorp- lige, oder nur auch bindegewebige Stütze derselben. Ihre Entfaltung und Aufrichtung erfolgt, wie Tornier feststellte, nur durch Aufblasen®. Ganz dasselbe gilt von der Aufrichtung der am Kopfe- befindlichen Hautdupli- katur bei Chamaeleon. Beiden Tieren gilt dieselbe als Abschreckungsmittel den Feinden gegenüber. ! Gadow, Amphibia and Reptiles. The Cambridge Natural History. London 1901, S. 516. ® Gadow, Amphibia and Reptiles 1901, S. 523. ® G. Tornier, Bau und Betätigung der Kopflappen und Halsluftsäcke bei Chamäleon. Zoologische Jahrbücher Bd. 21, 1904, Heft ı. De 36 Branca: Wenn nun auch hier eine Anwendung der Hautduplikatur als Fallschirm nicht vorliegt, so wäre es doch immerhin von Interesse, zu wissen, ob auch in früheren Zeiten schon solche Abschreckfalten gebildet worden sind. Das könnte in der Tat der Fall gewesen sein, da Reste der Gattung Chlamydosaurus in Australien, wo sie heute lebt, auch fossil gefunden worden sind. Indessen handelt es sich hier nur um pleistozäne Schichten. Sehr viel älter, dem Eozän von Wyoming entstammend, sind Reste eines Chamäleoniden, die jedoch nur in einem Unterkieferfragmente bestehen. Angesichts aber des hohen Alters dieses Restes dürfte es doch wohl un- zulässig sein, bei dieser Form bereits das Vorhandensein einer solchen Abschreckfalte als gesichert annehmen zu wollen; derartiges könnte sehr wohl erst späterer Erwerb sein. Bei anderen Eidechsen wieder dient die Hautfalte als Haftmittel. Das ist der Fall bei Piychozoon homalocephalum, einer Gattung der Geekonen. Hier verläuft längs beider Seiten des Körpers eine Hautduplikatur, die wie der Rumpf mit Schuppen bedeckt ist. Am Kopf, wo sie nur klein ist, und am Schwanze, an dessen ganzer Längserstreckung sie in zahlreiche Lappen zerschnitten ist, muß sie als Fallschirm gegenstandslos sein. Nur am Rumpfe zwischen Vorder- und Hinterextremität, die jedoch völlig freibleiben, gewinnt sie, ähnlich wie bei Draco, als bogenförmiger Haut- lappen eine größere Ausdehnung. Selbst an der breitesten Stelle aber beträgt ihre Breite nur 64 Prozent von der ihres Rumpfes, nämlich 9 mm gegenüber der Rumpfbreite von ı4 mm an dem von mir gemessenen Spiritusexemplare. Eine ebenfalls mit Schuppen bedeckte Hautduplikatur findet sich an den Beinen. Ober- und Unterarm sind an der Vorder- wie Hinterseite von derselben begleitet. Ober- und Unterschenkel da- gegen tragen sie nur an ihrer Hinterseite: an der Vorderseite ist nur der Unterschenkel vom Knie abwärts mit ihr besetzt. Auch zwischen den Zehen der Vorder- und Hinterextremitäten breitet sich hier eine Haut aus. Zum Teil sind diese Hautfalten von Piychozoon überhaupt so klein, daß sie als Fallschirm bedeutungslos sein würden; zum Teil aber lassen sie sich, auch wenn sie, wie die Rumpffalte, größer sind, infolge ihres bogenförmigen Umrisses und des Fehlens von Stützknochen nicht straff anspannen. Als Fallschirm könnten diese Hautduplikaturen hier also doch wohl keine nennenswerte Verwendung finden, wenngleich das vermutet worden ist. Auch Gadow sagt sehr vorsichtig von Ptychozoon: »Es heißt, Fossile Flugtiere und Erwerb des Flugvermögens. 37 daß diese Hautlappen als Fallschirm dienen.« Tornier ist indessen durch Beobachtung der Tiere zu der Überzeugung geführt worden, daß diese Haut mittels seitlicher Bewegungen des Tieres als Saugapparat dient, mit welchem dieses sich festheftet. Dasselbe gilt nach Tornier von der am Schwanze von Uroplates auftretenden Hautduplikatur. Auch Döderlein sagt (S. ı, Anm. ı), daß keinerlei Beobachtungen vorliegen, die hier einen Gebrauch als Fallschirm, den man vielleicht vermuten könnte, bestätigt. Sogar von einigen Schlangen, die in Borneo auf Bäumen leben (zwei Arten von Chrysopelaea, eine Art von Dendrophis), sollen die Eingeborenen behaupten, daß sie »fliegen« könnten; und Shelford berichtete auch in einem Vortrage vor der zoologischen Gesellschaft in London über Versuche, die er mit einer Chrysopelaea darüber angestellt habe. Diese Schlangen sollen die Fähigkeit haben, die auf dem Bauch gelegenen großen Schuppen vermittels ihrer Muskeln nach einwärts zu ziehen, so dal auf dem ganzen Verlaufe des Bauchs eine Längsrinne entsteht. Wenn sich die Schlange von einem Baum herabfallen lasse, mache sie sich steif wie ein Stab, bilde so einen Hohlraum, und dieser wirke nun als Fallschirm verlang- samend auf den Fall; ganz wie ein der Länge nach aufgeschnittener Bambusstab langsamer falle als ein gleicher, der unaufgeschnitten sei'. Es scheint, daß von allen oben aufgeführten Formen bisher keine fossilen Vertreter gefunden sind. Bei Absehen von Draco nämlich be- sitzen alle diese Eidechsen keine knöchernen Stützen ihrer Hautfalten, die sich fossil erhalten und damit das ehemalige Vorhandensein solcher Haut- falten anzeigen könnten. Trotzdem aber würde dasselbe bei fossilen Formen sich noch durch ein andres Merkmal verraten können: wenn nämlich diese Falten mit gegenügend harten Schuppen besetzt gewesen wären. Derartiges scheint indessen gleichfalls bisher nicht bekannt ge- worden zu sein. Auch bei Säugern finden sich bekanntlich solche Hautduplikaturen, die als Fallschirme benutzt werden. Unter diesen besitzen die Flug- beutler, Petaurus und Acrobates, keinerlei Stützbildungen in der Haut- duplikatur. Ihr etwaiges Vorhandensein in früheren Zeiten kann sich daher durch nichts verraten, wenngleich in pleistozänen Schichten ! Ich kann nähere Angaben nicht machen, da ich das Obige einem Zeitungsberichte ohne nähere Angaben entnehme. 38 BrAnNcAa: Australiens Flugbeutler in mehreren Gattungen gefunden worden sind. Bei dem Flugmaki, Galeopithecus, findet sich unter allen Säugern die größte Fallschirmhaut, die sich sogar zwischen den Fingern bis zu den Krallen ausdehnt. Trotz dieser gewaltigen Ausdehnung des Fallschirms wird dieser aber weder durch einen Knochen noch dureh einen Knorpel gestützt, sondern nur durch eine dickere, quer verlaufende Hautfalte. Also auch hier keine Möglichkeit der Erkennung im fossilen Zustand. Wohl aber sind, ähnlich wie bei den Rhacophorus, hier die Zehen etwas verlängert, so daß sich an diesem Merkmal das Vorhandensein einer Fallschirmhaut bei fossilen Vertretern dieser Familie vielleicht erweisen lassen könnte. Man kennt indessen bisher wohl keine fossilen hierher gehörigen Formen. Eine andere Gruppe mit Fallschirmhaut versehener Säuger steht in dieser Beziehung günstiger da, weil sie zur Stütze der Haut sogenannte Spannknochen besitzt; ganz ähnlich, wie zu diesem Zwecke die Flugsaurier einen von der Hand ausgehenden Knochen und die Fledermäuse einen vom Fuße am Hacken ausgehenden Sporn haben. Es sind das zu den Nagern gehörige Formen, Flugbilche und Flughörnehen. Die beiden Gattungen der Flugbilche, Anomalurus und Idiwrus, sind mit einer solchen vom Unterarm ausgehenden, aber nur knorpligen Stütze versehen. In- folge ihrer knorpligen Beschaffenheit ist sie leider nicht versteinerungsfähig. Auch kennt man mit Sicherheit noch keine fossilen Reste dieser Gattungen. Nur die Flughörnchen, Pteromys und Sciuropterus, haben, wie die Flugsaurier, eine von der Handwurzel abgehende, knöcherne Stütze ihres Fallschirmes, welche das ehemalige Vorhandensein eines solchen bei fossilen Formen verraten könnte!. Fossile Sciuriden sind auch wohl- bekannt seit dem Obereozän; auch die Gattung Sciurus selbst hat bereits in dieser Zeit bestanden. Aber bisher dürfte ein solcher Spannknochen fossil noch nicht gefunden oder, falls gefunden, doch noch nicht als solcher erkannt worden sein. Aus alledem geht nun das Folgende hervor: Die mit einer als Fallschirm benutzten Hautduplikatur ver- sehenen Tiere sind heute, gegenüber der riesigen Zahl der eirie) anderen Tiere, verschwindend selten; aus früheren Zeiten aber ! Auch unser Eichhörnchen hat, namentlich in seiner Jugend gut erkennbar, eine Hautduplikatur zwischen Ellenbogen und Knie, die jedoch durch keinen Knochen ge- stützt wird. Fossile Flugtiere und Erwerb des Flugvermögens. 39 hat sich das Vorhandensein von Fallschirmen noch durch keine einzige paläontologische Tatsache beweisen lassen, weder durch Auffindung eines Abdruckes der Haut, noch einer Knochenstütze, noch eines Schuppen- besatzes derselben: also weder durch Auffindung irgendeiner nachweislich mit Fallschirmhaut versehen gewesenen fossilen Tierform, noch durch Auf- finden einer mit einer erst sehr kleinen Flughaut versehen gewesenen, fossilen Übergangsform aus dem Fallschirm in das Flughautstadium. Das kann natür- lich in der Lückenhaftigkeit der paläontologischen Überlieferung seinen Grund haben; indessen soll hier ja nur festgestellt werden, was wir zur Zeit kennen. Bemerkenswert erscheint immerhin die Tatsache, daß heute bei den mit einer Fallsehirm-, Abschreck- oder Hafthaut ver- sehenen Tieren diese Haut zwar am Rumpfe oder am Halse oder an den Armen und Beinen sich ausdehnt; daß sie aber an den Zehen und vor allem an den Fingern, also da, wo die Flug- haut vor allem vorhanden sein muß, entweder, und fast immer, überhaupt ganz fehlt, oder doch eine ganz geringe Ausdehnung besitzt. Wesentlich nur Rhacophorus verhält sich abweichend, indem er an den Zehen und auch Fingern eine größere solche Haut trägt. Ebenso finden sich bei Propithecus, einer kleinen Lemurenform, neben einer kleinen Hautfalte an den Armen, alle Finger mit Ausnahme des Daumens bis zur zweiten Phalanx hin durch eine Hautduplikatur verbunden. Auch Galeopithecus, der bald zu Prosimiern, bald zu Chiropteren gestellt wird, hat zwischen den Fingern bis zu den Krallen hin eine Flughaut. Aber obgleich er unter den Säugern das größte Patagium besitzt, seine Finger, und da- mit das Chiropotagium, sind doch so klein geblieben, daß ein derartiger Typus unmöglich als Vorfahr irgendeines Flugsauriers oder irgendeines anderen Flughautfliegers angesehen werden könnte. Überhaupt läßt sich ganz allgemein aussagen: Formen, die nicht verlängerte Finger- bzw. Hand- oder auch Unterarmknochen besessen haben, können nicht in der Ahnenreihe von Flughautfliegern stehen. Folglich kann aus Formen, wie sie die heute lebenden Fallschirmtiere darstellen, kein Flughautflieger sich entwickelt haben. Höchstens am Vor- anfange der letzteren könnten solche kurzgefingerten Formen gestanden haben; aber das entzieht sich völlig unserer Erkenntnis: und das, worauf es uns hier ankommt, sind Übergangs-, keine Voranfangsformen. 40 Branca: Dagegen würde ein fossiles Tier mit stark verlängerten Handknochen und ebenso mit verlängertem Arm, besonders Unterarmknochen, gleich- viel, ob man den Abdruck einer Flughaut fände oder nicht, der Ahnen- schaft von Flughautfliegern verdächtig sein können. Etwas anders liegt in dieser Beziehung die Frage hinsichtlich der Ahnen der Vögel. Hier ist wesentlich nur der Arm verlängert; wogegen zwei Finger, wenn auch relativ lang, doch keineswegs eine so abnorme Verlängerung aufweisen, wie das bei Flughautfliegern der Fall ist. Wenn auf solche Weise die bisher bekannten fossilen Formen keinerlei Anhaltspunkte zur Entscheidung der Frage geben, welches die Ahnen der fliegenden Tiere waren, so gewährt leider auch die Ontogenie uns darüber keinen Aufschluß. Unter solehen Umständen wird man die Frage aufwerfen dürfen, ob der erste Anstoß zur Bildung einer Flughaut vielleicht auch (ich sage »auch«, nicht »allein«) durch eine Schwimmhaut gegeben sein könnte; mit anderen Worten, ob nicht, wenn auch nicht alle, so doch ein Teil der Flieger, in letzter Linie aus Tieren hervorgegangen sein könnte, die ursprünglich, dauernd oder zeitweise, wasserlebend waren. So befremdend das klingen mag, die folgende Betrachtung läßt erkennen, warum man eine solche Frage wenigstens aufwerfen dürfte. Man stelle sich Rhacophorus (S. 32) vor, einen Frosch, der seine zwischen den Zehen des Fußes und der Hand befindliche Hautduplikatur nur als Fallschirm benutzt, weil er auf Bäumen lebt. Wenn man nun einen Rhacophorus in das Wasser werfen würde, was würde er tun? Ich meine, er würde seine Fallschirmhaut als Schwimmhaut benutzen; vor- ausgesetzt natürlich, daß die Gelenke solcher Art wären, daß sie eine Schwimmbewegung gestatten würden; und warum sollte das nicht sein. Wenn man aber weiter fragt, wodurch Rhacophorus wohl diese seine Hautduplikatur erstmals erworben haben mag, so will es doch gar nicht unwahrscheinlich dünken, daß er, wie andere Frösche, sie ursprünglich wenigstens in ihren Anfängen, als Schwimmhaut erworben habe; und daß er dann, im Gegensatze zu anderen Fröschen, sie später als Fallschirm benutzt und weiter vergrößert habe, als er selbst einem vorübergehenden Wasserleben gänzlich entsagte. Wenn nämlich überhaupt Schwimmhäute und Flughäute dadurch entstanden sind, daß die betreffenden Tiere ent- Fossile Flugtiere und Erwerb des Flugvermögens. 41 sprechende schlagende und stoßende Bewegungen gegen Wasser oder Luft gemacht und damit einen Reiz auf ihre zur Bildung von Duplikaturen überhaupt neigende Haut ausgeübt haben, dann ist aus einer Anzahl von Gründen einzusehen, daß sich auf solchem Wege viel leichter und schneller eine Schwimm- haut als eine Flughaut bilden konnte. ı. Einmal nämlich besteht ein schwerwiegender Unterschied zwischen der Ausübung der Schwimmfähigkeit und derjenigen der Flugfähigkeit darin, daß die Tiere beim Schwimmen von dem vorherigen Besitze einer Hautfalte bis zu gewissem Grade unabhängig sind, beim Fliegen jedoch in absolutester Abhängigkeit von einer solchen stehen: Zahlreiche Tiere schwimmen auch bereits ohne Schwimmhaut. Sie machen dabei die entsprechenden Bewegungen: es wird ein Reiz auf ihre Haut an den betreffenden Stellen ausgeübt; und wenn nun ihre Haut zur Bildung von Falten überhaupt neigt, so entstehen diese und vergrößern sich. Das ist ein Vorgang, der ungemein einleuchtend ist. Demgegenüber kann aber kein einziges Tier fliegen, ohne schon vor- her eine Flughaut (bzw. Federn) besessen zu haben. Es wird daher niemals auch nur den Gedanken fassen können, entsprechende Flugbewegungen zu machen, bevor es eine solche Haut überhaupt auf irgendeine andere Weise erworben hat. Nur also wenn es bereits eine größere Hautfalte an ge- eigneter Stelle besitzt, wird es Flugbewegungen machen und sie damit ver- größern können. 2. Das Wasser ist ein ungemein viel dichteres Medium als die Luft. Das Wasser wird folglich einen viel stärkeren Reiz auf eine zur Bildung von Hautfalten überhaupt neigende Haut ausüben müssen als die Luft. Es wird daher auch eine Schwimmhaut viel leichter entstehen können als eine Fallschirmhaut. 3. Dieses Moment wird noch verstärkt durch ein weiteres. Eine Fall- schirmhaut wird von einem auf Bäumen lebenden Tiere in der Zeiteinheit, sagen wir an jedem Tage, offenbar ganz unvergleichlich viel seltener be- nutzt als eine Schwimmhaut von einem im Wasser lebenden Tiere. Letzteres kann keine einzige Vorwärtsbewegung im Wasser machen, ohne diese Haut zu reizen und damit an deren Vergrößerung zu arbeiten. Ersteres aber kann zahllose Bewegungen auf Bäumen machen, ohne die Haut zu reizen: und nur dann, wenn es einmal abspringt, wird eine Reizung erfolgen Phys.-math. Classe. 1908. Abh. 1. 6 42 BrANnNcA: bzw. an der Vergrößerung der Haut gewirkt werden. Es muß also auch aus diesem Grunde eine Schwimmhaut viel schneller, leichter entstehen können als eine Fallschirmhaut. Vielleicht erklärt es sich aus diesen drei Gründen, warum wir heute so viel mehr Tiere mit Schwimmhaut als mit Fallschirmhaut haben. Ob das früher anders, umgekehrt sich verhalten haben soll? 4. Ein viertes Moment liegt darin, daß, um als Flughaut benutzbar zu sein, eine Hautfalte vor allem an den Fingern (und Armen) ausgebildet sein muß. Wenn wir nun alle heutigen mit Fallschirm versehenen Tiere daraufhin mustern, so ergibt sich (S. 33, 39), daß sie gerade an den Fingern fast ausnahmslos keine Hautfalte besitzen. Fast die einzige Ausnahme bildet aber Rhacophorus, d.i. gerade jener Frosch, von dem man doch glauben könnte, daß er, wie andere Frösche, seine Hautfalte ursprünglich als Schwimmhaut erworben hätte. So könnte man auf den Gedanken kommen, daß Tiere, die nieht an den Fingern oder die nicht auch an den Fingern eine Hautfalte schon vorher erworben hatten, von der Umwandlung in Hautflieger, wenn auch nicht geradezu ausgeschlossen waren, daß aber doch für sie eine solche Umwandlung viel umständlicher, viel schwerer war als für solche, die schon an den Fingern eine Hautfalte erworben hatten. Es ergibt sich also aus Obigem, daß die Bedingungen zur Erwerbung einer Schwimmhaut wesentlich günstiger liegen als zur Erwerbung einer Fallschirmhaut. Dazu gesellt sich der weitere Umstand, daß die mit Schwimmhaut versehenen Tiere ja keineswegs notwendig an das Wasser gekettet sein müssen, sondern vielfach auch auf dem Lande leben können, auf dem nun ihre Schwimmhaut sofort als Fallschirm Dienste leisten kann und muß, sobald die Tiere von irgendeiner Erhöhung einmal abspringen. Ich will aber damit nicht gesagt haben, aus einer Schwimmhaut' könne sich sofort eine Flughaut entwickelt haben; sondern, aus der Schwimm- haut könne, unter Umständen, erst eine Fallsehirmhaut entstanden sein ! Pseudoschwimmhäute können, wie G. Tornier den experimentellen Nachweis führte (Sitzungsber. der Ges. naturf. Freunde, Berlin, Jahrgang 1904, S. 168), als ontogenetische Hemmuugsbildungen zwischen den Fingern oder Zehen, oder auch zwischen Ober- und Unter- schenkel dann entstehen, wenn diese Körperteile während der Ontogenese am normalen In- dielänge- oder Auseinanderwachsen gehindert werden. Für die erstmalige Entstehung echter Schwimmhäute aber wird man eine solche abnorme Bildungsweise schwerlich annehmen können. Fossile Flugtiere und Erwerb des Flugvermögens. 43 und aus dieser dann eine Flughaut. Mit anderen Worten: Flughaut mag zwar, wie allgemein angenommen wird, aus Fallschirmhaut entstanden sein. Aber nicht etwa jedes Fallschirmtier war an sich berufen, Flughauttier zu werden, sondern wesentlich nur solche Fallschirmtiere. welche gerade an den Fingern eine Hautfalte besaßen. Fine solche aber erwirbt sich aus verschiedenen oben dargelegten Gründen viel leichter durch Schwimmen als durch Abspringen. Folglich dürfte die Frage nicht ganz unberechtigt sein, ob nieht auch (nieht allein) aus Schwimmhäuten Flughäute hervor- gegangen sein könnten. Das Vorhandensein von Krallen an der Flughand noch heutiger Flieger könnte nicht als gegenteiliger Grund geltend gemacht werden, da Tiere mit Schwimmhaut ebensowohl Krallen besitzen konnten wie Tiere mit Fall- schirmhaut. Wenn wir die fliegenden Wirbeltiere in ihrer zeitlichen Entwieklung betrachten, so tritt uns der auffallende Umstand entgegen, daß bei den beiden (soviel uns bekannt ist) ältesten Gruppen derselben, Vögeln und Flugsauriern, schließlich Zahnlosigkeit eingetreten ist. Von den Vögeln gilt das durehaus; von den Flugsauriern allerdings nur zum Teil insofern, als Pteranodon und Nyetodactylus in der Kreidezeit das Gebiß verloren hatten. Aber man wird doch vielleicht nicht mit Unrecht vermutend folgern dürfen: die Vögel, weil sie sehr viel länger, bis auf heutige Zeit, gelebt haben, konnten es deswegen allmählich bis zur allgemeinen Zahnlosigkeit bringen. Die Flugsaurier dagegen, weil sie schon in der jünge- ren Kreidezeit ausstarben, haben die Zahnlosigkeit nur erst in der Pteranodontengruppe erreicht. Wenn sie aber so lange wie die Vögel gelebt hätten, so würden sie gleich diesen wohl eben- falls allgemeine Zahnlosigkeit erlangt haben. Die (soviel uns bekannt ist) jüngst entstandene Gruppe der fliegenden Wirbeltiere, die Fledermäuse, haben dagegen das zahnlose Stadium nicht erlangt. Im Hinblick auf das Verhalten jener beiden älteren Gruppen wird man aber vielleicht die Vermutung äußern können: Die Fledermäuse haben das zahnlose Stadium bisher noch nicht er- langt, würden es aber in späterer Zeit ebenfalls erreichen. Allerdings zeigt sich gegenwärtig noch nicht der geringste Anlauf dazu, so daß es hier, in viel höherem Maße als bei den Flugsauriern, lediglich Spekulation sein wird, sich in einem solehen Zukunftsbilde ergehen zu wollen. 6* 44 Branca: Jedenfalls aber muß man es auffallend finden, daß die beiden anderen von vierfüßigen bezahnten Reptilien abstammenden Gruppen der Flugtiere, Vögel und Flugsaurier, in übereinstimmender Weise, wenn auch mit mehr oder weniger Erfolg, der Zahnlosigkeit verfielen, und man wird die Frage aufwerfen dürfen, ob diese Erscheinung etwa eine gemeinsame Ursache gehabt, eine Folge des Fliegens gewesen sein könnte. Vergleichen wir Flieger und Nichtflieger miteinander, so zeigen sich in ihren äußeren Lebensbedingungen wie in anderer Beziehung vier Unter- schiede: Die Flugtiere leben. mindestens solange sie fliegen, unter einem geringeren Luftdruck als die an die Erdoberfläche gefesselten Tiere; das gilt in höherem Grade von denen, die sich zu bedeutenden Höhen er- heben und auch in diesen horsten: in geringerem von denen, die sich zu keiner nennenswerten Höhe beim Fliegen erheben. Ein zweiter, wenigstens für viele Flieger geltender Unterschied ist der, daß die Flugtiere sich schneller als andere Tiere fortbewegen. Die Flugtiere müssen ferner ein relativ weit größeres Maß von Arbeit leisten, um sich fortzubewegen, als die nichtiliegenden Tiere; denn sie müssen, die Schwere überwindend, ihren Körper durch die Lüfte tragen. Als viertes ergibt sich, daß bei Vögeln und Flugsauriern das Skelett relativ leichter ist als bei Nichtfliegern, daß also die Tendenz zur Erleichte- rung des Skeletts bei ihnen vorhanden ist bzw. war. Es erscheint indessen vergeblich, eins oder mehrere dieser Momente. in ursächliche Beziehung zur Entstehung von Zahnlosigkeit im allgemeinen zu bringen. Das Vorhandensein noch anderer zahnlos gewordener Tier- gruppen, Schildkröten, gewisser Ichthyosauren (Baptanodon), zahnloser Eden- tata, zahnloser Wale, widerspricht dem. Durch Einwirkung geringeren Luftdrucks kann Zahnlosigkeit nicht bedingt werden; denn jene anderen zahnlosen Tiere sind einem solchen nicht ausgesetzt. Jä, die Wale sind sogar, solange sie tauchen, umge- kehrt einem verstärkten Luftdruck unterworfen. Die große Schnelligkeit der Bewegung kann ebenfalls nicht auf Zahnlosigkeit hinwirken; denn die Zdentata bewegen sich. gerade umge- kehrt. durchaus langsam und die Schildkröten sogar extrem langsam. Eher ließe sich scheinbar ein Zusammenhang zwischen der gewaltigen Arbeit, welche ein Flieger zu leisten hat, und der Zahnlosigkeit, oder Fossile Flugtiere und Erwerb des Flugvermögens. 45 weitergehend, und dem geringen Gewichte des Skeletts bei Vögeln und Flugsauriern denken; denn wenn die Nahrung ganz wesentlich für die gewaltige Arbeitsleistung und für Aufbau und Unterhaltung der relativ ungeheuerlich großen Flugmuskeln verwendet werden muß, dann wird für den Aufbau und die Erhaltung des Skeletts nur ein weniger großer Teil der Nahrung, so könnte man folgern wollen, zur Verfügung bleiben. Indessen, das Skelett bedarf vorwiegend der Kalksalze, also ganz anderer Teile der Nahrung, als wesentlich für Muskeln und Arbeitsleistung gebraucht werden. Diese beiden Dinge schließen sich folglich nicht aus, sondern ergänzen sich vielmehr; jene Folgerung könnte daher gleichfalls nicht als stichhaltig anerkannt werden. Aber es läßt sich doch nicht verkennen, daß für das fliegende Tier, im Gegensatze zu den nichttiliegenden, die Notwendigkeit vorliegt, das Ge- wicht des Skelettes möglichst zu erleichtern. Das ist bekanntlich bei Vögeln wie bei Flugsauriern durch Herausbildung dünner, markloser Knochen erfolgt; und namentlich bei den zahnlosen Flugsauriern, den Pferanodonta, ist das bis zum Exzeß gesteigert gewesen. Völlig im Rahmen dieser Tendenz einer Gewichtserleichterung läge es nun, wenn dabei auch die schweren Zähne der Flugtiere verloren gehen würden. So sehr einleuchtend eine solche Folgerung aber auch ist, bzw. zu sein scheint, man könnte sie doeh unmöglich als allgemeine Ursache der Entstehung von Zahnlosigkeit ansehen; denn bei Schildkröten ist das Gebiß verschwunden, obgleich gerade umge- kehrt die Tendenz auf eine immer stärker werdende Schwere und Ver- diekung des ganzen Skelettes hinauslief; bei den zahnlosen unter den Ichthyosauren und Edentaten und Walen ist das Gebiß geschwunden, während das Skelett gegenüber demjenigen anderer Formen ihrer Verwandtschaft weder eine Tendenz zur Verdiekung noch eine solche zur Verdünnung erkennen läßt. Aus alledem geht für den Verlust des Gebisses hervor: Der Verlust des Gebisses kann Hand in Hand gehen, hier mit Leben unter geringerem Luftdrucke, aber bei sehr schneller Bewegung oder bei gewaltiger Arbeitsleistung, dort mit Leben unter gewöhnlichem oder gar stärkerem (Wale) Luftdrucke, aber bei sehr langsamer Bewegung oder ge- ringster Arbeitsleistung (Schildkröten). Er kann Hand in Hand gehen, hier mit einem Leichterwerden, dort mit einem Schwererwerden, «da mit 46 Branca: einem Unverändertbleiben des Gewichtes des übrigen Skelettes. Er kann mithin weder die ausschließliche notwendige Folge des einen oder des anderen aller dieser Momente sein, sondern muß durch andere Ursachen bedingt worden sein, die vielleicht und anscheinend bei den verschiedenen zahnlos gewordenen Gruppen ganz verschiedenartige waren. Es steht ferner die Tatsache fest, daß der Verlust des Gebisses von einem gewissen Vorteile doch nur für die fliegenden Tiere sein konnte, insofern, als dadurch ihr Gewicht etwas erleichtert wurde. Für die anderen Tiere war dagegen der Verlust des Gebisses, solange die Nahrung dieselbe blieb, nur ein Nachteil. Hier wie dort aber mußte der Verlust der Zähne erst wieder gutge- macht werden, entweder dadurch, daß die Verdauungskräfte um denselben Betrag zunahmen, um welchen die Tiere durch den Verlust des Gebisses geschädigt worden waren, oder dadurch, daß die Tiere sich zu einer ganz anderen, leichter zu bewältigenden und zu verdauenden Nahrung veran- laßt sahen. Fossile Flugtiere und Erwerb des Flugvermögens. 47 Inhalt. Großer Prozentsatz fliegender Tiere S. 3; wesentlich durch die große Zahl der In- sekten bedingt S. 4. Den im Wasser lebenden Tieren fehlt das Flugvermögen nur so lange, als wir bei der Definition des Begriffes »Fliegen« nur Rücksicht nehmen auf das, was die Natur hierbei leistete S. 5; sobald wir aber auf das, was für das Tier hierbei das Wichtige ist, Rücksicht nehmen, haben auch sehr viele Wassertiere das Flugvermögen S. 5; Fliegen und Schwimmen sind also für das, was sie dem Tiere geben, ganz dasselbe; früherer Sprach- gebrauch kannte auch für beides nur das eine Wort Schwimmen S. 6. Zwei entgegengesetzte Wege, auf denen die Landtiere das Flugvermögen erwarben S. 6; bei Wirbeltieren ward die Vorderextremität zum Flugorgan. Es stand diesem Ge- winne also ein schwerer Verlust an Gehverinögen gegenüber S.7; bei Insekten wurden Rückenplatten zum Flugorgan; hier war es also ein verlustloser, reiner Gewinn; folglich ist der Weg, den die Insekten bei Erwerb des Flugvermögens beschritten, der im Prinzip vollkommenste S. 9. Keine verbindende Brücke führt von einem dieser Wege zum anderen hinüber S. 9. Es ist sehr auffallend, daß bei Insekten nicht auclı Beine zu Flugorganen wurden, da hier die Beine doch so vielgestaltige Spezialisierung zeigen; möglich wäre das der Natur sicher gewesen S. 9. Bei Wirbeltieren aber wäre es der Natur fast unmöglich gewesen, Rücken- flügel unter Schonung der Vorderextremität zu erzeugen, wie der Mensch in seiner künst- lerischen Phantasie das getan hat S. 10; die notwendige Ausbildung einer starken Crista für den Muskelansatz auf dem Rücken wäre zwar leicht möglich gewesen S. ır; dagegen fehlen auf dem Rücken die notwendigen Stützorgane der Flügel; nur Draco unter den Eidechsen zeigt den einzig möglichen Weg zur Erlangung solcher Stützorgane, mittels der Rippen S.ı2; damit wäre jedoch die Brust dieser ihr notwendigen Stützorgane beraubt und zum Fluge unfähig geworden S. 13. Auch innerhalb der Wirbeltiere war der Weg zur Erlangung des Flugvermögens an- scheinend ein zweifacher: Hautflieger und Federtflieger S. 14. Bei Hautfliegern war das Mittel ganz dasselbe wie bei gewissen auf oder im Wasser schwimmenden Tieren, Bildung einer Hautduplikatur S. 14; die viel größere Dichte des Wassers gegenüber der der Luft brachte es aber mit sich, daß das Schwimmvermögen hierbei viel schneller erreichbar werden mußte als das Flugvermögen S. 14. Bei Fledermäusen ist die Ähnlichkeit des Flug- organs mit einem Schwimmfuße größer, bei Flugsauriern verschwindet sie S. 15; andere Haltung der Hand bei beiden S. 17; weitere Unterschiede S. ı8. Der Grad des Flug- vermögens bei Flugsauriern S. 20; das Fehlen einer Crista Sterni sprielit notwendig für das 48 Branca: Fehlen so starker Brustmuskeln, wie sie die Flugvögel haben S. 20. Flugorgan der Vögel S. 21; waren sie ursprünglich im Besitze eines größeren Patagiums als heute? S. 21. Ent- stehung von Federn wird angesichts der auffallenden Gestalt der Fledermaushaare leicht verständlich S. 22. Sollten nun die Federflieger aus Hautfliegern ursprünglich hervor- gegangen sein, so würde es nur zwei prinzipiell verschiedene Wege geben, auf denen Flug- vermögen erlangt wurde, den der Insekten und den der Wirbeltiere S. 23. Wer aber der allgemeinen Annahme beipflichtet, daß die Flieger aus Fallschirmschwebern hervorgegangen sind, sagt damit, daß auch die Federtlieger aus Hautfliegern entstanden sind. Ganz wie bei Hautfliegern besteht auch bei Insekten der Flügel aus einer oberen und einer unteren Hautfläche; nur das Stützgerüst ist ein anderes S. 23; die Insekten sind also ebenfalls Hautflieger S. 24. Mannigfacher jedenfalls sind die Mittel, durch die bei Wassertieren das Fliegen im Wasser erlangt wurde S. 24. Es gibt aber auch hier die verschiedensten Grade der Voll- kommenheit desselben. Die Frage, welcher der erwähnten Wege zur Erlangung des Flugvermögens zuerst beschritten worden ist, stößt auf große Schwierigkeiten S. 26. Stützen wir uns indessen auf das, was bisherige Erfunde lehren, so zeigt sich, daß zuerst der Weg beschritten wurde, welcher der im Prinzip vollkommenste war: Flugvermögen ohne Schädigung der Gehwerk- zeuge, schon im Devon, Insekten S. 26. Erst zur Zeit der oberen Trias wird der im Prinzip unvollkommenere Weg beschritten: Flugvermögen unter Vernichtung der halben Gehwerk- zeuge, Wirbeltiere S. 26; zuerst bei Flugsauriern, erst später bei Fledermäusen, falls Mikrolestes nicht etwa eine Megachiroptere war, was indessen nicht wahrscheinlich S. 27. Federtflieger S. 27. Die Frage, ob Übergangsformen aus nichtfliegenden Tieren in fliegende bisher bekannt sind, ist zu verneinen S. 27. Apterogenea der Insekten schon im Karbon anscheinend ebenso selten wie heute S. 28; Flugfinger der Flugsaurier in der oberen Trias und im Lias schon völlig wie in späterer Zeit vorhanden; Archaeopteryx ebenfalls schon völliger Federflieger, aber nicht völliger Vogel S. 29; Fledermäuse zu mangelhaft erhalten S. 30. Die Frage, wie wir uns solche Übergangsformen vorzustellen hätten S. 30; Fallschirm- schweber; die Möglichkeit, fossile Fallschirme erkennen zu können, hängt davon ab, ob diese knöcherne Stützorgane hatten oder nicht. Rhacophorus, relative Länge von Hand und Fuß S. 32. Draco, velative Länge der Rippen S. 32. Chlamydosaurus S. 35. Pfychozoon und Uro- plates nach Tornier keine Fallschirmschweber. COhrysopelaea. Petaurus und Acrobates ohne Stützbildungen S. 37, Galeopithecus ebenfalls S. 38. Anomalurus und Idiurus haben nur eine knorpelige Stütze S. 38. Lediglich Pieromys und Sciuropterus besitzen knöcherne Stützen, an denen man im fossilen Zustande das Vorhandensein einer Fallschirmhaut erkennen könnte S. 38. Es ergibt sich: Heute ist die Zahl der mit Fallschirm versehenen Tierarten eine kleine, und aus früherer Zeit kennt man bisher gar keine solehen Formen S. 38. Auch die Ontologie der heutigen Flieger ergibt bisher keine Beweise dafür, daß die Flieger aus Fall- schirmtieren sich entwickelt haben. Bei den mit Fallschirm versehenen Tieren fehlt diese Haut fast stets da, wo die Flugtiere sie vor allem haben müssen, an den Fingern S. 39. Es entsteht die Frage, ob nicht der erste Anstoß zur Bildung einer Flughaut auch (nicht allein) durch eine Schwimmhaut gegeben sein könnte S. 40. Kein Tier kann auf den Gedanken kommen, Flugbewegungen zu machen, ohne bereits eine Flughaut zu haben; wohl aber kann ein Tier Schwimmbewegungen machen, ohne eine Schwimmhaut zu haben S. 41. Wasser ist auch ein viel diehteres Medium als Luft, übt daher viel stärkeren Reiz Fossile Flugtiere und Erwerb des Flugvermögens. 49 aus auf die Haut S.41. Solche Bewegungen werden auch im Wasser viel häufiger gemacht als in der Luft. Fallschirmhäute fehlen auch meist gerade da, wo Flughäute am allerersten vorhanden sein müssen, an den Fingern bzw. Zehen, fast nur Rhacophorus hat solche S. 42. Bemerkenswert ist die Erscheinung, daß von den fliegenden Tieren die Vögel ganz, die Flugsaurier in jüngsten Formen zahnlos geworden sind. Man könnte daher an- nehmen, daß alle Flugsaurier schließlich zahnlos geworden sein würden, wenn sie lange genug gelebt hätten, und daß die Fledermäuse in Zukunft zahnlos werden würden S. 43. Die Ergründung der Ursache dieser Zahnlosigkeit bei Fliegern ist sehr erschwert, weil andere Tiere, obgleich unter entgegengesetzten Bedingungen lebend, dennoch ebenfalls zahn- los wurden S. 44. -1 Phys.-math. Classe. 1908. Abh. 1. j R F L won Y u ERLRE N AEmI Un DON GE SE TTITER ON Re 4 » rl ; % ii + nid A ea at rn ERSTEN mamma el ou Ufer s darf, E37 Ar e 2 seat wear ee ee ee N Br "ls er. 2 ER ae ae ae ae Urn As Fi ME u re Be, WE tea u DE ee kann re iR Are ne FER, Rear 4wa2 108 ru 4 et a ü . - . f ne ar ee ala ee BERGEN) ER ie A RT when Pan ee ee Ri rain a HOHER ae FR Ag ut elle Baer Il arena een ae BL 2777 & P BN KT TEN =» oh A te ANHANG. ABHANDLUNGEN NICHT ZUR AKADEMIE GEHÖRIGER GELEHRTER. DUMEHMA au My ie: r 1 IHA K nn [1 Uber die Kerne des menschlichen Rückenmarks. Von L. JACOBSOHN. Phys.-math. Classe. 1908. Anhang. Abh. 1. 1 Vorgelegt von Hrn. Waldeyer in der Sitzung der phys.-math. Classe am 19. März 1908. Zum Druck verordnet am 26. März 1908, ausgegeben am 21. Mai 1908. Dr Kerne des menschlichen Rückenmarks, d.h. die Gruppenbildungen der in der grauen Substanz gelegenen Nervenzellen, sind schon vielfach Gegen- stand eingehendster Untersuchung gewesen. Von Stilling, der zuerst (1842, 1843 und 1859) eine genaue Beschreibung der Rückenmarkskerne gegeben hat, bis auf die allerneuste Zeit, sind sie entweder im ganzen oder in ihren einzelnen Abteilungen durehforscht worden. Allgemeine Übersichten über die gesamten Kerngruppen verdanken wir besonders B. Stilling, Lockart Clarke und W. Waldever. Während die ersten beiden Forscher nach den zur Zeit möglichen Untersuchungsmethoden uns vornehmlich eine exakte Darstellung der durch ihre Größe oder durch ihre geschlossene An- ordnung auffallenden Nervenzellen geben konnten, uns besonders mit den Gruppenbildungen der multipolaren Vorderhornzellen, ferner der Dorsalkerne und der Zellen des Seitenhorns bekannt machten, hat W. Waldeyer mit Hilfe verbesserter Technik uns auch die Anordnung der mittleren und kleineren Nervenzellen im Zwischenteil der grauen Substanz und im Hinter- horn erschlossen. Die Arbeit dieses Autors über »Das Gorillarückenmark «, Abhandlungen der K. Preuß. Akad. d. Wissensch. 1888, ist in ihrer um- fassenden Art grundlegend gewesen für alle späteren Forschungen auf diesem Gebiete und hat ungemein befruchtend auf die Physiologie und Pathologie des Rückenmarks gewirkt. Nach der Arbeit von Waldeyer ist bis heute keine weitere so genereller Art erschienen. Die folgenden Autoren haben sich dann bemüht. mit Hilfe noch besserer Methoden ein- zelne Kerngruppen des Hals-, Brust- und Lendenmarks noch genauer, sei es in ihren Konfigurationen oder in ihren Grenzen oder schließlich in bezug auf ihren Zelleharakter zu bestimmen. Dabei wandte sich das Interesse vor- nehmlich den großzelligen Gruppen. vor allem den motorische Funktion ausübenden großen Vorderhornzellen zu, deren Bestimmung auch für die 1 4 L. JAcogsonn: Lokalisation pathologischer Prozesse im Rückenmark immer größere Be- deutung gewann. Es seien hier die Forscher (Koelliker, Schroeder, van der Kolk, Gerlach, Henle, Schwalbe, Beisso, Laura von älteren Autoren, und van Gehuchten und seine Schüler, Marinesco, Sano, Müller, Ziehen, Onuf, Bruce u.a. von jüngeren Autoren) genannt. Die letzte ausgezeichnete Arbeit von Bruce über den Intermediolateraltrakt stammt erst aus ganz jüngster Zeit; sie ging mir zu, als meine Unter- suchungsergebnisse schon festgestellt waren. Bei der Wichtigkeit, welche in neuster Zeit die Ausdehnung und An- ordnung der Kerngruppen für ihre funktionelle Bewertung und für die Lo- kalisation pathologischer Prozesse im Rückenmark gewonnen hat, erschien es mir angebracht, in ähnlicher Weise, wie es vor 60—70 Jahren Stilling und Glarke und vor 20 Jahren Waldeyer getan hatten, nochmals eine all- gemeine Durchsicht der Nervenzellen des Rückenmarks auf Grund einer vollkommenen, mit dem Nißlschen Verfahren gefärbten Schnittserie durch dasselbe vorzunehmen. Für die Herstellung dieser Serie bin ich einem 1 meiner Schüler, Hrn. Dr. Kalinowski, zu Re sehr großem Danke verpflichtet. Ein frisches Rückenmark eines erwachse- 4 nen Mannes wurde zuerst in einem großen Zy- linderglase ı2 Stunden lang in 96 prozentigem Alkohol gehärtet. Darauf wurde dies vorge- 3 härtete Rückenmark in seine einzelnen Seg- mente zerteilt. Die Segmente wurden so be- stimmt, daß die Länge jedes einzelnen dem Ausbreitungsbezirk der jedem Segment zuge- 3 3 hörigen Wurzel entsprach, soweit diese Aus- breitung an der Oberfläche des Rückenmarks mit bloßem Auge festgestellt werden konnte (Fig. ı). Die einzelnen Segmente wurden dann u weiter in kleinere Stücke geteilt und nach 24stündiger Härtung in 96 prozentigem Alkohol in Paraffin eingebettet. Von sämtlichen Paraffin- blöeken wurden fortlaufend Schnitte von 10 bis 20 u Dicke angefertigt, so daß also das ganze Rückenmark in eine kontinuierliche Sehnittserie zerlegt wurde. Diese Schnitte wurden mit Toluidinblau gefärbt und nach Über die Kerne des menschlichen Rückenmarks. 5 Einlegung in Kanadabalsam einer genauen mikroskopischen Untersuchung unterzogen. Die vorläufigen Resultate dieser Untersuchung sind folgende': 1. Nuelei motorii cornu ventralis. Unter diesem Namen sind die großen multipolaren Zellen des Vorder- horns zusammengefaßt. Ihre Beziehung zur quergestreiften Muskulatur steht außer jedem Zweifel. C. 1. Man kann zwei Hauptabteilungen der großen Zellen des Vorder- horns unterscheiden. Die eine erfüllt in größerer oder geringerer Zahl die vordere dreieckig zugespitzte Kuppe des Vorderhorns. Sie erstreckt sich zu- weilen am medialen Rande des Hornes bis zur Pyramidenkreuzungsstelle. Sie zeigt ein recht wechselndes Aussehen in der Zahl und Lagerung der Zellen. Die zweite Hauptabteilung nimmt in einer Anzahl von Schnitten die laterale Ecke des durch den kreuzenden Pyramidenfaserzug abgetrennten Vorder- horns ein, in der Mehrzahl der Schnitte aber ist sie auf die seitlich zer- klüftete graue Substanz des Horns verteilt, und einzelne Zellen dieser Ab- teilung können sehr weit in die ventrale und dorsale Partie des Seiten- stranges hinaus verlagert sein. Diese großen Zellen des Processus reticularis nehmen im distalen Bereich von ©. ı beträchtlich an Zahl ab. C. 2. Die Gruppierung der großen Zellen wechselt ungemein oft. In der Mehrzahl der Schnitte sind sie unregelmäßig in der ventralen Kuppe des Vorderhorns verteilt. In einer immerhin nieht unbeträchtlichen Zahl von Schnitten sind sie in zwei Gruppen, je eine in der medialen und in der lateralen Zone der Vorderhornkuppe, angesammelt, wobei die An- sammlung in der medialen noch häufiger ist, als in der lateralen. Man kann also in vielen Schnitten von einer medio-ventralen und einer latero-ventralen Gruppe sprechen. Vereinzelte große Zellen findet man hier und da teils in der Mitte des Vorderhorns, teils am medio-dorsalen Winkel desselben eventuell inmitten der Fasern der vorderen weißen Kom- missur. Ebenso trifit man einzelne Zellen in der dorso-lateralen Auszackung des Vorderhorns und in dem angrenzenden Processus retieularis (Reste der großen lateralen Kerngruppe von C. 1). ! Man vergleiche hierzu die Figuren auf den Tafeln I-IX. Die Bezeichnungen (©. 1, D.1, L.1, S.1, Coce. bedürfen wohl keiner weiteren Erklärung. 6 L. JACcoBsoun: C. 3. Die motorischen Zellen sind in einer großen Anzahl von Schnitten in zwei Gruppen, eine medio-ventrale und eine latero-ven- trale, geordnet; bald ist die mediale, bald die laterale deutlicher ausge- prägt. Namentlich im distalen Abschnitt von Ü. 3 überwiegt die mediale. In den übrigen Schnitten wechselt die Lagerung der Zellen recht oft. Neben einer regellosen Verteilung findet man folgende Variationen: die Hauptmasse der Zellen liegt in der sagittalen Mittellinie des Hornes, während an den Randpartien nur einzelne gelagert sind, so daß man an solchen Schnitten von einer zentralen Gruppe sprechen könnte. Die zentrale Gruppe erstreckt sich entweder durch das ganze Vorderhorn, oder sie liegt mehr im ven- tralen oder mehr im dorsalen Teil des Horns. Mitunter lagern sich die übrigen großen Zellen kranzförmig um diese zentrale Gruppe herum. Immer aber kann man auf folgenden Schnitten konstatieren, daß von dieser zen- tralen Gruppe Zellen bald zur lateralen, bald zur medialen Gruppe herüber- führen. Bemerkenswert ist ferner, daß man viele Schnitte findet, in denen sich die Zellen beider Gruppen weiter nach dorsal zu verschoben haben, als es in Ö. 2 der Fall war. Mitunter sammeln sich diese dorsal geschobenen Zellen auch schon zu Gruppen zusammen; alsdann hat man die ersten Anfänge einer medio-dorsalen und einer latero-dorsalen Gruppe vor sich. Wie in ©. 2 laufen einzelne Zellen der medio-dorsalen Abteilung bis in die weiße Kommissur. C. 4. Die medio-ventrale Gruppe der großen Vorderhornzellen er- hält einen derartigen Umfang, daß alle anderen Gruppen ihr gegenüber bei weitem zurücktreten. In einzelnen Präparaten ist auch eine kleine medio-dorsale Gruppe ausgeprägt, deren Zellen sich mitunter reihenartig bis in die weiße Kommissur hinschieben. Die laterale Zellgruppe tritt in den proximalen zwei Dritteln des vierten Halssegments an Umfang zurück. Oft finden sich nur einzelne am lateralen Vorderhornrande liegende Zellen. Das Gruppenbild ändert sich erst im distalen Abschnitt von C. 4. Hier nimmt die laterale Gruppe an Umfang zu und hat häufig die ganze late- rale Zone des Vorderhorns besetzt. Öfters ist sie in zwei Abteilungen, eine ventrale und eine dorsale, gespalten, von denen nach und nach die dorsale das Übergewicht erhält. Daß die Zahl der großen Vorderhornzellen, wie in allen Halssegmenten, so auch in ©. 4 mannigfachen Schwankungen unterliegt, daß Zerspaltungen in noch kleinere Gruppen vorkommen, daß die Zellen in einzelnen Schnitten auch wie regellos zerstreut liegen, daß Uber die Kerne des menschlichen Rückenmarks. l in wenigen Schnitten kaum eine einzelne große Zelle zu sehen ist, bedarf keiner besonderen Erwähnung. Perikornuale große Zellen des Vorderhorns waren in C.4 nicht zu sehen. C.5. Die großen Zellen sind zunächst in zwei Hauptgruppen ge- ordnet, eine mediale und eine laterale. Die mediale Gruppe ist in auf- fallendem Gegensatz zu ÜÖ. 4 sehr klein. Die Zellen dieser Gruppe liegen gewöhnlich vereinzelt am ganzen medialen Rande des Vorderhorns. Die laterale Gruppe ist dagegen in 0. 5 stark angewachsen. Sie nimmt den ganzen in den Seitenstrang stark vorspringenden Teil des Vorderhorns ein. In einzelnen Schnitten bildet sie eine ziemlich geschlossene Gruppe, in der Mehrzahl ist sie in verschiedene Abteilungen getrennt. Und zwar kann man hier durchweg drei Abteilungen unterscheiden, eine ventrale, eine mittlere (intermediäre) und eine dorsale. Die ventrale ist die kleinste; sie teilt sich nicht weiter und liegt in dem stumpfen Winkel, mit welchem der ventrale Rand des Vorderhorns zur seitlichen Ausbuchtung desselben umbiegt. Die mittlere (intermediäre) Abteilung zerfällt in zwei kleinere Gruppen, eine am lateralen Rande gelegene und eine mehr im Innern des Horns befindliche (zentrale). Die dorsale Abteilung, die längste von den drei lateralen, zieht von der seitlichen Spitze des Horns ziemlich quer ins Innere desselben; sie zerfällt in zwei, mitunter sogar in drei kleinere Gruppen, eine äußere (mittlere) und innere. Indem nun die mittlere der drei großen Abteilungen des lateralen Zellkomplexes (also die intermediäre) bald sich mehr der ventralen, bald mehr der dorsalen nähert, indem auch die einzelnen Abteilungen bald mehr verschmelzen, oder sich mehr spalten, bald eine ganze oder eine Unterabteilung fehlt bzw. größer oder kleiner aus- geprägt ist, entstehen natürlich die allerverschiedensten Kombinationen in der Gruppierung. Immer aber wiederholt sich doch nach einigen Schwan- kungen das Bild der drei Abteilungen der lateralen Gruppe, und in vielen Schnitten treten auch deutlich die erwähnten Unterabteilungen hervor. C. 6. Diese gegebene Grundeinteilung des lateralen Zellkomplexes tritt hier noch deutlicher hervor. Die intermediäre Abteilung ist auch äußerlich durch eine leichte Vorwölbung des Vorderhornrandes markiert. Diese Ab- teilung hat hier eine mehr quere Verlaufsrichtung, so daß sie der dorsalen fast parallel ins Innere des Horns sich hinein erstreckt. Wie in ©. 5 zer- fallen die intermediäre wie die dorsale Abteilung in zwei Unterabteilungen, von denen die innere der intermediären im distalen Abschnitt von 0. 6 sehr 8 L. JAcossonn: groß wird und ziemlich im Mittelpunkt des ganzen Vorderhorns gelegen ist. Sie darf deshalb mit Recht als zentrale bezeichnet werden. Wäh- rend der laterale Zellkomplex sich in C. 6 vergrößert hat, ist die mediale Gruppe ganz auffällig klein, mitunter nur durch ı—2 Zellen repräsentiert, oder durch wenige Zellen vertreten, die am medialen Rand entlang laufen. Zuweilen sind vereinzelte Zellen am ventralen Rand des Vorderhorns ent- lang gelagert. C.7. Hier tritt von den drei Abteilungen des lateralen Zellkomplexes die intermediäre noch deutlicher hervor, weil sich hier die kleine Vorwölbung des in C. 6 abschüssigen seitlichen Vorderhornrandes, die ihre Lage äußerlich markierte, zu einem starken Wulste ausgewölbt hat. In diesem Wulste, welcher nunmehr in 6. 7 die ventro-laterale Ecke des Vorderhorns ausmacht, liegt die äußere Unterabteilung dieser intermediären Zellgruppe, während die innere, zentrale Unterabteilung wieder ihre Lage ziemlich im Zentrum des ganzen lateralen Zellkomplexes bzw. des ganzen Vorderhorns hat. Diese zentrale Unterabteilung ist in ©. 7 so konstant und so mächtig, daß sie der ganzen Zellkonfiguration das typische Gepräge verleiht. Die Lage der ven- tralen der drei Hauptabteilungen des lateralen Zellkomplexes ist nur schein- bar durch die seitliche Auswölbung des Vorderhorns nach vorn verändert. Sie liegt allerdings infolge der seitlichen Auswölbung nicht mehr am ventro- lateralen Winkel des Vorderhorns, in Wirklichkeit ist sie aber an der gleichen Stelle geblieben. Dieser Umstand ist für die Deutung der drei Abteilungen von großer Wichtigkeit. Die latero-dorsale Abteilung ist an Umfang in Ü. 7 etwas zurückgegangen, ihre beiden Unterabteilungen, äußere und innere, sind aber meistens gut erkennbar. Die mediale Gruppe ist auch in C.7 ungewöhnlich klein. C.8. Die Form des Vorderhorns im proximalen Teil von C. 8 gleicht auffallend derjenigen von Ü. 5. Ebenso gleichen auch die Zellgruppen des lateralen Komplexes denen von €. 5, nur daß sie in C. 8 einfacher gestaltet sind. Sowohl die intermediäre wie die dorsale Abteilung zeigen hier kaum mehr Unterabteilungen. Die mediale Zellgruppe ist auch in C. S sehr schwach vertreten. Im distalen Teil von C. S rücken nun durch die rundliche Abstumpfung des seitlichen Vorderhornwinkels die drei Abteilungen immer näher aneinander und sind oft zu zwei, mitunter sogar zu einer lateralen Gesamtgruppe verschmolzen. In vielen Schnitten jedoch kann man auch hier noch ganz gut die drei Abteilungen des lateralen Zellkomplexes erkennen. Uber die Kerne des menschlichen Rückenmarks. N) D.1. Das letztere gilt auch noch von einzelnen Schnitten von D. 1, obwohl natürlich die Reduzierung und Verschmelzung immer stärker wird. In D. ı wird die mediale Gruppe wieder stärker, sie nimmt hier den sich zu einer Kuppe verbreiternden vorderen medialen Winkel ein. In D.2 sieht man noch innen vom Seitenhorn die letzten Reste des lateralen Zellkomplexes in Form von zerstreut liegenden ganz kleinen Zellgruppen. Die mediale Zellgruppe ist in D.ı und D. 2 wieder stärker geworden. Die Gruppierung der motorischen großen multipolaren Zellen des Hals- markes und des angrenzenden obersten Dorsalmarks gestaltet sich also folgendermaßen: In der Halsanschwellung von C.5 bis 0.7 kann man deutlich folgende Gruppen unterscheiden (Taf. IX Fig. C.7). 1. Eine mediale Gruppe, Nucleus motorius medialis. Sie liegt am medialen Rande des Vorderhorns und erstreckt sich nicht selten von der medio-ventralen Spitze des Horns bis zur vorderen Kom- missur. Im allgemeinen ist die Gruppe klein. In der Mehrzahl der Schnitte ist sie nur durch wenige Zellen, die in der vorderen Spitze liegen, ver- treten; vereinzelte Zellen finden sich oftmals am ganzen medialen Rande und können bis in die weiße Kommissur hineingelagert sein; diese Zellen sind dann gewöhnlich etwas langgestreckt und spitzen sich mit einem langen Fortsatz aus, der in die Kommissur verschieden weit hineinläuft. In wenigen Schnitten sind einige dieser Zellen im Vorderhornanteil der weißen Kommissur zu einer kleinen Gruppe vereinigt. In solchen Präpa- raten kann man an der medialen Gruppe zwei Abteilungen unterscheiden: a) eine medio-ventrale Gruppe, Nucleus motorius medio- ventralis; b) eine medio-dorsale Gruppe, Nueleus motorius medio- dorsalis. 2. Eine laterale Gruppe, Nucleus motorius lateralis. Dieser laterale Zellkomplex ist sehr groß; er nimmt die ganze laterale Zone des Vorderhorns ein. Er wird nach innen zu ungefähr durch eine sagittale Linie begrenzt, welche die Fortsetzung des äußeren Hinterhorn- Phys.-math. Classe. 1908. Anhang. Abh. 1. 2 10 L. JaAcosBsoun: randes bildet, während nach außen der gewölbte laterale Rand des Vorder- horns ihn umschließt. Der laterale Zellkomplex sondert sich zunächst in drei Abteilungen: a) Eine kleine latero-ventrale Abteilung, Nucleus motorius latero-ventralis. Sie liegt in der stumpfen ventralen seitlichen Eeke des Vorderhorns bzw. in denjenigen Segmenten, in welchen sich das Vorderhorn latero- ventral noch weiter auswölbt, in einem zackigen Vorsprunge, der zwischen der ebengenannten Auswölbung und der medio-ventralen Vorderhornspitze gelegen ist. Sie ist nicht selten mit der unter e aufgeführten Abteilung zum Teil oder ganz verschmolzen. b) Eine größere latero-dorsale Abteilung, Nucleus motorius latero-dorsalis. Sie erstreckt sich vom latero-dorsalen Winkel des Vorderhorns in ziemlich querer Richtung ins Innere desselben, nicht ganz bis zu dem Winkel, mit welchem der hintere Vorderhornrand in den äußeren Rand des Hinterhorns umbiegt. c) Eine größere intermediäre Abteilung, Nucleus motorius latero-intermedius. Sie liegt zwischen a und b und erstreckt sich in etwas schräger Riehtung ins Innere des Vorderhorns, so daß sie hier öfters mit der inneren Partie von b zusammenstößt. Während nun die Abteilung a wegen der Kleinheit an sich keine weiteren Unterabteilungen mehr erkennen läßt, sind an b und e je zwei soleher (mitunter sogar drei) zu erkennen, und zwar je eine äußere und eine innere. Demnach sondert sich der Nucleus motorius latero-intermedius in einen a) Nucleus motorius latero-intermedius externus, ß) Nueleus motorius latero-intermedius internus, seu Nu- cleus motorius centralis. Und der Nucleus motorius latero-dorsalis spaltet sich zumeist in einen &) Nucleus motorius latero-dorsalis externus, ®) Nueleus motorius latero-dorsalis internus. Über die Kerne des menschlichen Rückenmarks. al Während nun die großen motorischen Zellen in der Halsanschwellung sich in diesen eben angeführten Gruppen lagern, verändert bzw. vereinfacht sich die Gruppierung der Zellen sowohl nach aufwärts im oberen Zervikal- mark als auch nach abwärts im unteren Zervikal- und im oberen Dorsalmark. Nach oben zu Taf. I schwindet zunächst die intermediäre Gruppe des lateralen Zellkomplexes, so daß man dann entweder nur zwei laterale Gruppen, eine latero-ventrale und eine latero-dorsale, unterscheiden kann; oder aber auch diese beiden Gruppen verschmelzen zu einer einzigen, die alsdann die ganze laterale Zone des Vorderhorns einnimmt. In C.ı ist diese Gruppe zum großen Teil auf den Processus retieularis versprengt. Die mediale Abteilung ist in der Zervikalanschwellung spärlich, in Ü.4 und im distalen Teil von ©. 3 aber gut entwickelt. Zuweilen zieht sie sich am ganzen medialen Rande bis zur Kommissur entlang bzw. auch noch in letztere hinein. In seltenen Fällen ist sie gleichfalls in eine ventrale und eine dorsale Unterabteilung gespalten. Nach unten zu von der Halsanschwellung, also im distalen Gebiet von 0.8, in D.ı und in D.2 Taf. III rücken die drei Abteilungen des lateralen Zellkomplexes einander näher und verschmelzen oftmals miteinander. Die letzten Reste des lateralen Zellkomplexes sind bis ziemlich zum Ende von D. 2 zu erfolgen, wo allerdings nur einzelne Zellen etwas medial vom Seiten- hornkern angetroffen werden. Die mediale Gruppe, welche in der Hals- anschwellung sehr klein war, nimmt in D.ı und in D. 2 an Umfang zu. Besonders soll hervorgehoben werden, daß sich weiter ins Dorsalmark nur die mediale Gruppe fortsetzt. Eine Gruppierung der motorischen, großen, multipolaren Zellen des Dorsalmarks von D. 3 bis D.ı2 ist kaum durchführbar. In der Mehr- zahl der Schnitte findet man überhaupt so wenige Zellen, daß schon deshalb eine Gruppenbildung unmöglich ist. In denjenigen Schnitten, in welchen die Zellen reichlicher sind, und das sind die oberen Segmente bis D. 4 und die unteren Segmente von D. ıo bis D. ı 1, findet man in dauerndem Wechsel folgende Variationen: entweder die Zellen sind regellos zerstreut, oder sie liegen alle bzw. zum überwiegenden Teil in der Kuppe des Vorder- hornes. Diese Variation ist wohl die häufigste. Oder die Zellen liegen am medialen Rande entlang bis zur vorderen Kommissur, oder sowohl am medialen wie lateralen Rande des Vorderhorns. In seltenen Fällen kann es vorkommen, daß sie hier am medialen und lateralen Rande sich je in 9 12 L. JAcogBsonn: zwei Abteilungen spalten; dann könnte man also von einer medio-ventralen, medio-dorsalen, latero-ventralen und latero-dorsalen Gruppe sprechen, doch müßte man sich bewußt bleiben, daß die beiden lateralen im Dor- salmark nur zufällige Abspaltungen der medialen sind. Schließlich ist zu erwähnen, daß sie in zwei Gruppen geteilt sein können, von denen eine ganz in der Kuppe des Vorderhorns, die andere mehr im Grunde desselben gelegen ist. Mitunter findet sich, besonders in den tieferen Dor- salsegmenten, daß von der medialen Gruppe die eine oder andere Zelle aus dem Vorderhorn in den Vorderstrang heraustritt und ventral von der weißen Kommissur gelagert ist. In D. ıı und D. ı2 ist die mediale Gruppe stark und konstant; sie zieht sich oft am ganzen medialen Rande herunter. Die laterale Gruppe liegt zwischen der ventralen Spitze des Vorderhorns und dem im Seitenhorn befindlichen Nucleus sympathieus thoracalis. Sie zieht sich, öfters an dem abschüssigen lateralen Vorderhornrande hin und verschmilzt vielfach mit der medialen zu einer ziemlich großen Gruppe, die in der etwas krummschnabelartig geformten ventralen Kuppe gelegen ist. L. I bildet das Übergangssegment zwischen der Gruppenlosigkeit des Dorsalmarks und der wiederum deutlichen Gruppierung der motorischen Zellen des Lumbosakralmarks. Die großen multipolaren Zellen füllen ent- weder die ganze nach latero-dorsal abfallende Randzone aus und sind im Verlauf dieser Zone in mehrere recht kleine Gruppen gespalten, oder sie liegen mehr in der Kuppe des Vorderhorns, oder lagern am medialen Rande desselben, oder schließlich sie sind im ganzen Vorderhorn zerstreut. Im unteren Absehnitt von L.ı, in welchem das Vorderhorn wieder zwei ven- trale Winkel zeigt, treten zunächst wieder zwei Gruppen auf, eine mediale und eine laterale. Beide liegen am medio-ventralen bzw. latero-ventralen Winkel und ziehen sich von dort mehr oder weniger am medialen bzw. lateralen Rande entlang. Außerdem sind zwischen ihnen, gewöhnlich auch mehr am ventralen Rande, einzelne Zellen gelegen, die sich zuweilen zu einer kleinen in der Mitte des ventralen Randes liegenden Gruppe zu- sammenschließen können. Die am medialen Rande des Vorderhorns gele- gene Gruppe ist in L.ı noch die stärkere; sie teilt sich oft in eine medio- ventrale und medio-dorsale Unterabteilung. Letztere zeigt in L.ı die Be- sonderheit, daß sie entweder ganz oder mit einzelnen Zellen in den an- liegenden Vorderstrang ausgetreten ist. Von diesen Zellen zeigen viele eine Art Bipolarität, indem ein oder zwei lange Fortsätze in der Riehtung zur Uber die Kerne des menschlichen Riückenmarks. 13 vorderen Kommissur verlaufen, während ein oder zwei gegenständige dem Vorderhorn zugewendet sind. Liegt diese medio-dorsale Gruppe sehr tief am Grunde des medialen Randes, so kommen die Fortsätze direkt in den Verlauf der Fasern der Commissura alba zu liegen. L.2. Die mediale Gruppe vermindert sich besonders im distalen Abschnitt. Die laterale Gruppe tritt deutlich hervor; sie liegt in der nach ventral und lateral ausgewölbten lateralen Zone des Vorderhorns; sie wechselt in ihrer Ausdehnung und Gestalt und auch im Gehalt ihrer Zellen recht oft. Mitunter hat sie Ei- oder Bohnenform, mit der Kon- kavität nach innen gerichtet. Im distalen Abschnitt von L. 2 ist sie oft in eine ventrale und eine dorsale Untergruppe geteilt; sie kann aber auch mehrfach in kleinere Kerngruppen gespalten sein. Die Zellen dieser lateralen Gruppe fallen durch ihre Größe auf. Im Zwischenraum zwischen der medialen und lateralen Gruppe liegen eine Anzahl lockerer Zellen, die sich auch auf einer kleineren Zahl von Schnitten zu einer Gruppe vereinigen können. Diese Gruppe liegt dann entweder am ventralen Rande oder etwas mehr im Innern des Vorderhorns. Die Zellen dieser Gruppe sind oft von kleinerer Gestalt. Im ganzen aber ist die letztgenannte Gruppe recht un- beständig. L.3. Die großen multipolaren Zellen des Vorderhorns bilden zwei Abteilungen, eine mediale und eine laterale. Die mediale ist sehr klein geworden und wird zuweilen nur durch 1ı— 2 Zellen in der medio-ventralen Ecke repräsentiert; ist sie stärker, so verhält sie sich sehr ähnlich wie in L. 2. Auch hier überschreiten nicht selten Zellen den medialen Rand und treten in den Vorderstrang aus. Die laterale Abteilung ist sehr stark an- gewachsen und enthält zumeist sehr große Zellen. Sie nimmt die ganze laterale Auswölbung des Vorderhorns ein. Dieser laterale Zellkomplex teilt sich nach und nach in verschiedene Untergruppen. Zunächst erkennt man oft, daß sich eine ventrale, kuppelartige Abteilung von einer dorsalen, breiteren Abteilung trennt. Diese dorsale Abteilung spaltet sich wiederum in eine äußere und eine innere Untergruppe. Letztere liegt in der Mittel- linie des Vorderhorns, ist aber, weil der ganze laterale Zellkomplex eine mondsichelartige Krümmung zeigt, dem ventralen Vorderhornrande stark genähert. Trotzdem kann sie wohl mit Recht als die zentrale Gruppe bezeichnet werden. Diese drei eben genannten Gruppen, die latero-ven- trale, die äußere latero-dorsale und die innere latero-dorsale, bilden 14 L. JAcossonn: von jetzt ab gleichsam den Grundstock des ganzen lateralen Zellkomplexes. Diese Gruppen, besonders die latero-ventrale mit der äußeren latero-dor- salen, verschmelzen oftmals miteinander zu einer mächtigen Gruppe, die fast am ganzen lateralen ausgewölbten Rande des Vorderhorns entlang reicht. Ebenso sind oft die äußere latero-dorsale und die innere latero-dorsale zu einer Gruppe verschmolzen. Die Stärke der einzelnen drei Abteilungen kann auf‘ den Schnitten sehr wechseln, je nachdem sich das eine Mal Zellen, die der einen Abteilung zugehören, mehr einer andern nähern und dann mit dieser eine Gruppe bilden, das andere Mal das Umgekehrte eintritt. Die drei Abteilungen können sich auch noch weiter spalten. Außer diesen größeren, ziemlich beständigen Abteilungen des lateralen Zellkomplexes kann man in L. 3 noch gelegentlich zwei kleinere Zellgruppen wahrnehmen. Von diesen liegt die eine hinter der äußeren latero-dorsalen Abteilung nahe an der Stelle, wo der Seitenrand des Vorderhorns zum Hinter- hornwinkel einbiegt. Diese Gruppe ist klein und unbeständig, sie enthält kaum mehr als drei Zellen, und in einzelnen Sehnitten kann man erkennen, daß sie mit der dorsalen Abteilung in Verbindung steht. Will man sie besonders bezeichnen, so ist es vielleicht zweckmäßig, sie als die retro- dorsale Gruppe des lateralen Zellkomplexes anzuführen. Die andere Gruppe liegt am ventralen Rande des Vorderhorns in einer kleinen Auszackung, ungefähr an der Grenze zwischen dem inneren und mittleren Drittel dieses Randes, mitunter ein bißchen mehr lateral. Auch diese Gruppe ist sehr klein, besteht auch nur aus ı—4 Zellen und ist unbeständig. Sie enthält außerdem gewöhnlich kleinere Zellen als der laterale Zellkomplex. Da sich am ventralen Rande noch weiter einzelne zerstreute Zellen finden, und die eben genannte Gruppe zu unbeständig ist, so sehe ich von einer Benennung derselben ab. L.4. Die mediale Gruppe verhält sich wie in L. 3. Im ganzen ist sie schwach entwickelt. Die laterale Gruppe ist sehr stark. Mit der buckel- förmigen Ausbuchtung des dorso-lateralen Abschnittes des Vorderhorns in den Seitenstrang ist zunächst eine etwas kleinere ventrale Zellenabteilung von einer größeren dorsalen schärfer getrennt als vorher. Die dorsale Ab- teilung zieht sich von dieser Ausbuchtung weit ins Innere des Horns hinein, wobei das innere Ende dieser Abteilung dem ventralen Rande näher liegt als das äußere. Dieses äußere füllt die buckelförmige seitliche Auswölbung des Vorderhorns aus, das innere liegt im Zentrum des Vorderhorns. Schlagen ber die Kerne des menschlichen Riückenmarks. 15 sich nun viele Zellen der dorsalen Abteilung mehr zur ventralen, so schwillt diese mehr an, die andere mehr ab, und umgekehrt. Die dorsale Abteilung kann sich einmal in zwei oder drei Untergruppen teilen, die nebeneinander in ziemlich querer Richtung liegen und verschieden stark sind; sie kann sich aber außerdem noch in querer Richtung spalten, so daß sie dann aus vier kleineren Gruppen besteht. Es kann ferner die retrodorsale Gruppe sich mit der dorsalen vereinigen, und umgekehrt kann von der dorsalen Ab- teilung (besonders der äußeren Gruppe) ein Teil der Zellen zur retrodor- salen hinwandern, so daß letztere dann stärker ist als gewöhnlich. Es findet eine fortdauernde Veränderung der Gruppenbildung statt, die aufgestellten Grundabteilungen kehren aber konstant wieder. Auch die in L. 3 angeführte kleine Gruppe in einer kleinen Auszackung des ventralen Randes sieht man in L. 4 in einzelnen Schnitten ziemlich deutlich. 1.5. Im proximalen Abschnitt ist die latero-ventrale Gruppe gut ausgeprägt; sie liegt im latero-ventralen Vorsprung des Vorderhorns und ist von der dorsalen mehr entfernt. Die äußere latero-dorsale Gruppe ist stark; sie ist hier mit der retro-dorsalen verschmolzen, und beide füllen den seitlichen Buckel des Vorderhorns aus; dieser Buckel ist jetzt von dem latero-ventralen Vorsprung durch einen größeren Zwischenraum getrennt. Die innere oder zentrale Gruppe liegt ungefähr an gleicher Stelle wie in L. 4, nur erscheint sie kleiner. Die äußere latero-dorsale Gruppe ist viel- fach wieder in zwei kleinere Gruppen gespalten. Ist letzteres der Fall, so besteht der ganze laterale Zellkomplex aus vier Gruppen, die einen nach dem Seitenstrang zu offenen, ziemlich rechten Winkel bilden. Die zentrale Gruppe verändert sich vielfach, bald ist sie von der latero-ventralen, bald von der latero-dorsalen absorbiert, so daß nur zwei große laterale Gruppen bestehen; bald ist sie umgekehrt in zwei isoliert liegende kleinere Gruppen gespalten, so daß dann ein Komplex von fünf Gruppen vorliegt. Im distalen Abschnitt ist die mediale Zellgruppe so gut wie nicht vor- handen; nur ganz vereinzelt trifft man hier und da wenige große Zellen am medialen Rande, die bis in die vordere Kommissur laufen. Der laterale Zellkomplex ist noch in ziemlich voller Stärke vorhanden, zeigt aber nicht so viel Zerspaltungen wie in L.4 und L. 3. Entweder sämtliche Zellen sind in zwei große Gruppen geordnet, von denen die eine im latero-ventralen, die andere im latero-dorsalen Buckel des Vorderhorns liegt, oder es sind drei Gruppen, eine latero-ventrale, eine latero-dorsale und eine zentrale, 16 L. JaAcogsonn: vorhanden. In wenigen Präparaten kommt auch eine Spaltung in vier Gruppen, in zwei peripherische und zwei innere, vor. S.1. Eine mediale Gruppe ist ebensowenig vertreten wie in L. 5. Die laterale Gesamtgruppe ist schon etwas kleiner. Sie besteht in recht vielen Sehnitten aus drei, oft ziemlich gleich großen Abteilungen. Diese Abteilungen aber bilden keinen so starken Winkel mehr, sondern lagern sich allmählich in einer etwas schrägen Linie, indem die zentrale Gruppe etwas mehr an die Peripherie gerückt ist. Vielfach liegen die drei Abtei- lungen so dicht zusammen, daß sie einen großen gemeinsamen Zellzug bilden. Mitunter sind nur eine große halbkreisförmige ventrale und eine eiförmige dorsale Abteilung zu sehen. Letztere kann wiederum nach dorsal zu eine kleine Gruppe abspalten, die Ähnlichkeit mit der in L. 3 genannten retrodorsalen hat. S.2. Der laterale Zellkomplex ist in S. 2 bedeutend kleiner geworden. In den proximalen Schnitten besteht er noch aus drei Abteilungen; die Zellen gruppieren sich oft so, daß die mittlere zentrale die größte von den dreien ist. Weiter nach abwärts verschwindet die latero-ventrale Gruppe und es setzen sich an ihre Stelle Zellgruppen des sympathischen Systems (s. weiter unten). Es sind dann nur zwei motorische Abteilungen zu sehen, die in ihrem Zellengehalt wechseln. In den letzten Schnitten von S.2 ist der laterale Zellkomplex besonders verkleinert und in einzelne ganz kleine Gruppen zersplittert. Die mediale Gruppe fehlt fast vollkommen im proxi- malen Gebiet von S.2, im distalen Bezirk aber ist sie stark ausgebildet. Sie liegt gewöhnlich in der medialen vorderen Eeke des Vorderhorns. Auf einer kleinen Anzahl von Schnitten ist außerdem eine neue Gruppe zwischen der lateralen und medialen ziemlich am ventralen Rande zu sehen. Diese Gruppe würde der Zwischengruppe entsprechen, die sehr klein und sehr unbeständig in den oberen Lumbalsegmenten vorhanden war; hier ist sie viel stärker, aber nur auf wenigen Schnitten vorhanden. Sehr auffallend aber sind im distalen Gebiet viele Gruppen von etwas kleinerer Gestalt als die multipolaren großen Zellen, die in kleinen Haufen am ganzen medialen und ventralen Rande des Vorderhorns entlang liegen, bis in den Bezirk der latero-ventralen Gruppe der motorischen Zellen hineinreichen und letztere verdrängen. Sie liegen dicht zusammengedrängt und haben große Ähnlichkeit mit den Zellen des Nucleus sympathieus sacralis (s. weiter unten). Über die Kerne des menschlichen Rückenmarks. 17 S.3. Im proximalen und im kaudalen Teil ist eine mediale Gruppe gut ausgebildet. Sie liegt direkt in der medio-ventralen Ecke des Vorder- horns. Der laterale Zellkomplex hat sich wiederum vermindert. Er bietet sich entweder in zwei Gruppen dar, einer kleineren ventralen und einer größeren dorsalen, oder er ist in kleinere Gruppen zerspalten, die in regel- mäßigen Abständen am konvexen lateralen Rande entlang lagern. Im distalsten Teil von S.3 sind nur noch so wenige große Zellen im latero- dorsalen Gebiet, daß man von einer Gruppe schlecht sprechen kann, es folgen schon recht viele Schnitte, wo in der ganzen lateralen Zone nicht eine einzige große motorische Zelle zu sehen ist. Die in S.3 vor- handenen motorischen Zellen sind außerordentlich groß; es sind wahre Riesenzellen. S.4. Man trifft nur noch sehr selten eine große multipolare Zelle im lateralen Gebiet des Vorderhorns. Der laterale Zellkomplex hat an der Grenze zwischen S. 3 und S.4 sein Ende erreicht. Dagegen ist in S.4 eine mediale Gruppe, die der vorderen Kommissur dicht anliegt, sehr präg- nant ausgeprägt und erscheint ziemlich konstant auf den Schnitten. Sie besteht aus 3—6 großen nahe beieinander liegenden multipolaren Zellen. Sie ist die kaudalste Gruppe der motorischen Zellsäulen des Rücken- marks. S.5. Man trifft hin und wieder im Vorderhorn eine große multi- polare Zelle, ebenso war auch noch im Coceygealmark hin und wieder eine große Zelle zu sehen. Die Gruppierung der motorischen großen multipolaren Zellen des Lumbosakralmarks gestaltet sich also folgendermaßen (vgl. Taf. IX). In der Lumbalanschwellung von L. 3 bis S.ı kann man folgende Gruppen unterscheiden: 1. Eine mediale Gruppe, Nucleus motorius medialis. Sie ist in L.3 und L.4 schwach entwickelt, sie ist in L.5 und S. ı so gut wie nicht vorhanden. Wo sie auftritt, besteht sie aus wenigen Zellen, die entweder in der medio-ventralen Ecke des Vorderhorns oder am medialen Rande desselben liegen. In L.5 und S. ı und noch weiter abwärts liegen Gruppen von Nervenzellen in ihrem Bereich, die leicht für Zellen der me- dialen Gruppe gehalten werden können, aber nicht zu letzterer gehören (s. weiter unten). Phys.-math. Classe. 1908. Anhang. Abh. TI. 3 18 L. JAcosBsoun: 2. Eine laterale Gruppe, Nucleus motorius lateralis. Dieser laterale Zellkomplex ist außerordentlich groß. Er nimmt fast die äußeren zwei Drittel des gesamten Vorderhorns ein und bildet in seiner Gesamtheit einen nach lateral offenen Winkel. Man kann an ihm drei größere konstante und zwei kleinere unbeständige Gruppen unterscheiden. a) Eine latero-ventrale Gruppe, Nucleus motorius latero-ventralis. Sie ist hügelförmig oder mehr kreisförmig und nimmt (die latero- ventrale Vorwölbung des Vorderhorns ein. b) Eine latero-dorsale Gruppe, Nucleus motorius latero-dorsalis. Sie ist von ovaler oder auch kreisförmiger Gestalt und liegt in der lateralen Vorwölbung des Vorderhorns, sie ist im Mittel die größte von allen. ec) Eine innere oder zentrale Gruppe, Nucleus motorius (latero) internus s. centralis. Sie liegt zwischen a und b ungefähr im Zentrum des Vorderhorns, bald etwas mehr ventralwärts, bald (besonders in den unteren Segmenten) etwas mehr dorsalwärts. Diejenigen Zellen dieser drei Gruppen, welche der nächstgelegenen benaehbart liegen, können nun sich vielfach der Nachbargruppe nähern oder sich mehr von ihr entfernen: nähern sie sich der Nachbargruppe, so wird letztere größer, erstere kleiner. Dadurch entstehen sehr häufige Va- riationen im Größenverhältnis der einzelnen aufgeführten Hauptgruppen. Die einzelnen Hauptgruppen können aber auch ferner sich mehrfach spalten: dadureh entstehen eine Anzahl von kleineren Gruppen. In der Sagittal- richtung spaltet sich gewöhnlich nur immer die eine oder die andere; so kommt z.B. das Gruppenbild zustande, daß zwei äußere, peripherische Abteilungen und zwei innere, zentrale Abteilungen entstehen'. Spalten sie sich aber in querer, transversaler Richtung, so entsteht ein außerordent- lich vielgestaltiges Gruppenbild, welches fünf und noch mehr Unterabteilun- ı Will man sie besonders benennen, so kann man die eine als äußere zentrale oder Nucleus motorius dorso-centralis und die andere als innere zentrale oder Nucleus motorius ventro-centralis benennen. Uber die Kerne des menschlichen Rückenmarks. 19 gen enthält. Das Bild wechselt beinahe auf jedem Schnitt. Es kommt sehr oft vor, daß die eine oder die andere Abteilung ganz zu verschwinden scheint, um dann nach wenigen folgenden Schnitten wieder zu erscheinen. Die beiden recht unbeständigen Gruppen sind: d) Eine ventrale Gruppe, Nucleus motorius ventralis. Diese Gruppe ist in L.3 und L.4 in einem kleinen Vorsprunge am ventralen Rande des Vorderhorns gelegen. Sie besteht aus höchstens vier Zellen, die gewöhnlich etwas kleiner sind als die Zellen der großen seit- lichen Nachbargruppen. Sie ist, wie gesagt, nur in vereinzelten Schnitten vorhanden und enthält vielfach nur ı— 2 Zellen. Im unteren Lenden- und oberen Sakralmark ist sie nicht zu sehen. Nur in S. 2 war auf wenigen Schnitten ein Homologon dieser Gruppe zu beobachten Da aber auch sonst am ventralen Vorderhornrande vereinzelte große Zellen vorkommen, so ist es überhaupt zweifelhaft, ob man diese ganz kleine und unbestän- dige Ansammlung in L.3 und L.4 als besondere Gruppe betrachten soll. e) Eine retrodorsale Gruppe, Nucleus motorius retrodorsalis. Diese Gruppe liegt dorsal von der großen latero-dorsalen Abteilung fast dieht am Rande, mit welchem das Vorderhorn in das Hinterhorn übergeht. Sie ist auch ziemlich klein und bildet wahrscheinlich nur eine kleine Abspaltung von der großen latero-dorsalen Abteilung, mit der sie im unteren Lendenmark und im Sakralmark oft verschmolzen ist. Die Veränderungen, welche nun nach aufwärts und nach abwärts mit diesen Gruppen der motorischen Zellen vor sich gehen, sind folgende: Nach aufwärts nimmt die mediale Gruppe an Umfang zu, sie ist im proximalen Teil von L. 2 und in L. ı von ansehnlicher Größe. Sie ist dann zuweilen auch wieder in eine ventrale und eine dorsale Untergruppe ge- teilt, so daß man alsdann von einem Nucleus motorius medio-ven- tralis und einem Nucleus motorius medio-dorsalis sprechen kann. In den oberen Lumbalsegmenten hat die mediale Gruppe die Eigentüm- lichkeit, daß sie mit einzelnen oder mit einem größeren Teil ihrer Zellen bis weit in den Vorderstrang heraustritt. Der laterale Zellkomplex bildet im proximalen Teil von L. 3 einen nach vorm und innen offenen Winkel und hat in L. 2 eine mondsichel- y%* o 20 L. JAcogBsonns: förmige oder bohnenartige Gestalt, wobei die konvexe Fläche dem konvexen Seitenrande des Vorderhorns und die konkave Fläche nach medio-ventral gerichtet ist. Es lassen sich hier in L. 2 nur eine latero-ventrale und eine latero-dorsale Abteilung erkennen. Oftmals sind auch diese beiden zu einem einzigen großen Kern verschmolzen. L.ı bildet das Übergangsgebiet vom Dorsal- zum Lumbalmark; hier ist nur eine verhältnismäßig kleine laterale Gruppe zu sehen, die sich am ganzen abschüssigen Seitenrande des Vorder- horns gewöhnlich in Form von kleineren Gruppen bis zum Nucleus sym- pathieus cornu lateralis hinzieht. Nach abwärts ist die mediale Gruppe bis S. 2 dist. auch so gut wie nieht vorhanden. Im distalen Gebiet von S. 2 und in S. 3 ist sie wieder gut ausgeprägt und liegt in der medio-ventralen Eeke des Vorderhorns. In S. 4 ist diese medio-ventrale Gruppe dann wieder verschwunden, und es tritt hier eine neue, ungemein prägnante medio-dorsale Gruppe dicht an der vorderen Kommissur auf, die in S.4 recht beständig sich hält. Sie besteht aus 5—6 großen multipolaren Zellen. Sie ist die kaudalst gelegene Gruppe der motorischen Kerne des Rückenmarks. Der laterale Zellkomplex verändert sich abwärts in der Weise, daß die drei (bzw. vier) Zellgruppen nach und nach aus der Winkelstellung mehr in eine schräge ventro-dorsale Linie rücken gemäß der Veränderung, welche der seitliche Rand des Vorderhorns eingeht. Die Gruppen nehmen ferner an Zahl der Zellen ab. In S. 3 ist die latero-ventrale Gruppe ge- geschwunden und es bestehen entweder eine größere oder zwei kleinere Zellgruppen, oder der restierende laterale Zellkomplex ist in noch kleinere Gruppen gespalten, die am lateralen Rande des Vorderhorns entlang liegen. Am längsten erhält sich die latero-dorsale Gruppe; sie schwindet am Über- gang von S. 3 zuS.4. InS.4 und S. 5 trifft man noch hier und da einmal eine vereinzelte Zelle vom Typus der großen motorischen. Nach dieser im vorstehenden gegebenen Gruppeneinteilung der großen, polygonalen motorischen Zellen des Vorderhorns sollen hier noch folgende Fragen einer kurzen Besprechung unterzogen werden: ı. Ist das ganze Rückenmark durchgehends von einer medialen und einer lateralen Zellsäule durchzogen? 2. Wie verhalten sich die Gruppen des Zervikalmarks bzw. der oberen Anschwellung des Rückenmarks zu denjenigen des Lumbo- sakralmarks bzw. der unteren Anschwellung? Über die Kerne des menschlichen Rückenmarks. 21 3. Wie verhalten sich die Zellen dieser Zellsäulen hinsichtlich ihrer Größe in den drei Hauptabschnitten des Rückenmarks? Was die erste Frage anbetrifft, so kann man sie bezüglich der medialen Zellsäule mit ja beantworten. Wenn sowohl einzelne Schnitte wie ganze Ab- schnitte getroffen werden, wo man kaum eine oder nur recht wenige Zellen der medialen Gruppe wahrnehmen kann, so sind die Zwischenräume ver- hältnismäßig kurz, und sie werden schließlich doch immer durch vereinzelt gelagerte Zellen überbrückt. Das Bild der Anordnung der Zellen nach Art eines Rosenkranzes hat eine gewisse Berechtigung, wenngleich man hinzu- fügen muß, daß die einzelnen Abschnitte des Rosenkranzes sowohl bezüglich ihrer Ausdehnung im Längen- wie im Breitendurchmesser außerordentlich verschieden sind, und daß die Verschmälerung durchaus nicht immer mit dem Anfang bzw. Ende eines Segmentes zusammenfällt, sondern außer- ordentlich viel öfter wechselt. Stark ist die mediale Gruppe im oberen Halsmark, vornehmlich im distalen Gebiet von C. 3 und im proximalen von 6.4. Dann ist die Gruppe bis D. ı recht schwach. In D.ı und D. 2 ist sie wieder voluminös, in den übrigen Dorsalsegmenten von recht schwankendem Umfange, in D.ı2, L.ı und L.2 ist die Gruppe recht er- heblich, wieder dann in L. 3 und L.4 schwach und in L. 5 und S. ı ist sie so gut wie nicht vorhanden; in S. 2 und S. 3 wird sie wieder stärker; nach unten zu schließt sie mit der medio-dorsalen prägnanten Abteilung in S. 4 ab. Bezüglich der lateralen Zellsäule ist die erste Frage meiner Ansicht nach zu verneinen. Diese Zellsäule besteht aus zwei Abschnitten, die dureh einen langen Zwischenraum getrennt sind. Der erste, obere Abschnitt ist der laterale Zellkomplex des Zervikal- und oberen Brustmarks, der zweite, untere Abschnitt ist der laterale Zellkomplex des Lumbosakralmarks. Zwischen beiden liegt der lange Dorsalteil des Rückenmarks, der keine laterale Zellgruppe im gleichen Sinne hat. Der laterale Zellkomplex des Zervikalmarks erstreckt sich von C. ı bis D. 2. Hier hört er vollkommen auf, und es setzt sich weiter nach unten zu nur die mediale Zellsäule fort. Wenn diese letztere in einzelnen Segmenten auch in eine mediale und eine laterale Abteilung getrennt erscheint, so ist letztere nur eine kleine weitere Abspaltung der ganzen medialen Säule, wie sie in Regionen, wo ein großer lateraler Zellkomplex existiert, auch öfters vorkommt; sie ist aber keines- wegs identisch mit diesem lateralen Zellkomplexe. Gegen diese Auffassung spricht auch keineswegs der Umstand, daß sich an der Grenze zwischen 22 L. JAcogBsoun: Dorsal- und Lumbalmark gleichsam kleine Übergangsgruppen zwischen diesen beiden großen Zellsäulen finden. Wie im oberen Teil an der Grenze zwischen Hals- und Dorsalmark die laterale Säule weit von der medialen abrückt und dann im oberen Brustmark aufhört, während die mediale sich fortsetzt, so ist es auch am unteren Ende (vgl. C.8 dist. und D.ı, ferner S.3 und S.4). Auch hier schiebt sich die laterale immer mehr seitlich von der medialen ab und hört früher auf, während die mediale sieh noch weiter fortsetzt. Ebenso wie die Extremitäten besondere Anhängsel des Rumpfes darstellen, so bilden auch die beiden lateralen Zellsäulen beson- dere Anhängsel an der medialen Stammsäule, die sich durch das ganze Rückenmark fortsetzt. Was die zweite Frage anbetrifft, so ist eine Ähnlichkeit beider me- dialen Gruppen im Zervikal- und Lumbosakralmark insofern vorhanden, als beide Male in der Höhe der Hauptanschwellung des Rückenmarks die me- diale Gruppe recht schwach ausgebildet ist, während sie darüber und dar- unter an Größe recht erheblich zunimmt. Eine Homologie der einzelnen Abteilungen der lateralen Zellkomplexe Jieße sich nur dann aufstellen, wenn man annähme, daß die kleine unbeständige ventrale Gruppe des Lenden- marks ein Homologon der kleinen, aber ziemlich beständigen latero-ven- tralen Gruppe des Zervikalmarks wäre. Dann würden diese beiden Zell- komplexe sich entsprechen. Es würde alsdann die latero-intermediäre des Zervikalmarks homolog der latero-ventralen des Lumbosakralmarks sein. Beide stülpen die laterale Vorderhornecke mächtig aus, und die latero-dor- sale Abteilung des Zervikalmarks entspräche der latero-dorsalen und zen- tralen des Lumbosakralmarks, da ja diese zentrale eine Abspaltung der großen latero-dorsalen darstellt. Indessen so verführerisch es ist, diese Homologie aufzustellen, so sind die Gruppenbildungen des Lumbosakral- marks doch nicht so durchsichtig wie diejenigen des Zervikalmarks, weil die Gruppen im ersteren zu stark zusammengeschoben sind. Außerdem, wie erwähnt, ist die von mir als ventrale bezeichnete Zellgruppe zu winzig. Aber vielleicht dürfte eine Untersuchung einmal von Affen und zweitens von niederen Tieren darüber Aufschluß geben. Was die dritte Frage anbetrifft, so findet man im allgemeinen in der medialen Gruppe im Durchschnitt etwas kleinere Elemente als in der late- ralen. Dies tritt im Lumbosakralmark besonders deutlich hervor. In den drei Hauptabschnitten des Rückenmarks verhalten sich die Zellen so, daß Uber die Kerne des menschlichen Rückenmarks. 23 die Zellen des Halsmarks diejenigen des Dorsalmarks an Größe übertreffen, und daß diejenigen des Zervikalmarks wiederum bei weitem von den Zellen des Lumbosakralmarks an Größe übertroffen werden. Im letzteren finden sieh wahre Riesenzellen. Jede motorische Zelle innerviert wahrscheinlich eine ganze Anzahl von Muskelfasern, was ja aus dem Vergleich der Anzahl beider mit Sicherheit hervorgeht. Je größer nun eine Nervenzelle, um so mehr Muskelfasern wird sie innervieren. Daraus folgt, daß die motorische Zelle des Lumbosakralmarks ein größeres Innervationsgebiet darstellt als die motorische Zelle des Zervikalmarks und diese letztere wieder ein größeres als die Zelle des Dorsalmarks. Literatur!. Die motorischen großen multipolaren Zellen der Vorder- hörner sind von den Autoren am eingehendsten untersucht worden. Dies erklärt sich aus dem Umstande, daß ihre Funktion am frühesten erkannt und einheitlich gedeutet wurde, und daß diese Zellen wegen ihrer Größe selbst den früheren einfachen Untersuchungsmethoden recht gut zugänglich waren. Der erste, welcher diese Zellengruppen des motorischen Gebiets genau beschrieben und geradezu mustergültig abgebildet hat, war B. Stilling”. Er unterscheidet im oberen Halsmark (C. 3) ı. die vordere oder innere Gruppe, 2. die hintere oder äußere Gruppe. Die erstere entspricht nach seinen beigegebenen Abbildungen der medio-ventralen, die letztere der lateralen Gruppe. In den folgenden Halssegmenten bezeichnet er bald die medio-ventrale, bald die latero-ventrale (letztere ganz oder zum Teil) als vordere, innere Gruppe, in anderen Halssegmenten nimmt er auch die latero-ventrale und latero-intermediäre Gruppe als vordere, während er die mediale (wahrscheinlich, weil sie zu klein und nicht recht siehtbar war) gar nicht beachtet. Im ganzen aber ist es geradezu staunenswert, wie genau er bei der einfachen, ihm damals zu Gebote stehenden Methode die Nervenzellengruppen in den Zeichnungen dargestellt hat, so daß man die von mir aufgestellten Abteilungen, fast ebenso, wie sie vorher beschrieben sind, wiedererkennt. In der unteren Hälfte der Lendenanschwellung unter- scheidet er ı. die vordere Gruppe; sie liegt in der am meisten nach vorn ! Es sind hier wie in den übrigen Abschnitten nur die wichtigen Arbeiten berück- siehtigt worden; die Literatur über die Zellgruppen des Rückenmarks habe ich erst durch- gesehen, nachdem die eigenen Untersuchungen abgeschlossen waren. Es geschah dies, um bei den Untersuchungen ganz unbeeinflußt zu sein. ® B. Stilling, Neue Untersuchungen über den Bau des Rückenmarks. Kassel 1859. 24 L. JaAcossonun: und außen vorspringenden Masse, 2. die hintere oder hintere äußere Gruppe; sie liegt an dem hinteren Teil der seitlichen Grenze des grauen Vorderhorns, 3. die innere oder mittlere Gruppe; sie liegt im Zentrum des grauen Vorder- horns, 4. hintere innere Gruppe; sie liegt am hinteren Teil der inneren Grenze des grauen Vorderhorns, unfern der Commissura anterior. Stilling beschreibt ferner fast vollkommen richtig die Veränderungen, welche diese einzelnen Gruppen im Lumbosakralmark eingehen und erwähnt im dritten Sakralsegment eine kleine Gruppe großer Nervenzellen am vorderen Ende des Innenrandes des Vorderhorns. Es ist wohl möglich, daß Stilling die mediale Gruppe hier gesehen hat, welche in S. 4 und auch schon etwas im distalen Gebiet von S. 3 hervortritt und welche, wie aus meinen Unter- suchungen hervorgeht, die kaudalst gelegene des ganzen Rückenmarks ist. Außer diesen Gruppen erwähnt der Autor, daß zerstreute große Zellen am medialen Rande des Vorderhorns sämtlicher Segmente vorausgesetzt wer- den müssen, wenn solche auch nicht in den Zeichnungen wiedergegeben worden sind. Schließlich führt er an, daß zerstreute große Zellen überall im Vorderhorn zu finden sind, und daß die Gruppen großer Nervenzellen am Ende von S.4 vollkommen aufhören, was mit meinen Befunden voll- kommen übereinstimmt. Beisso' nimmt im Vorderhorn des Halsmarks vier Gruppen an, 1. innere Gruppe, 2. äußere Gruppe; diese zerfällt wieder in a) eine vordere, b) eine hintere; und 3. eine besondere Gruppe, die zwischen der inneren und der vorderen äußern liegt. Diese Einteilung würde mit der von mir gegebenen vollkommen übereinstimmen. Die zweite, genauere Beschreibung der Vorderhornzellen, wie der Zellen des Rückenmarks überhaupt, befindet sich in der bedeutsamen Arbeit von W. Waldeyer’. Waldeyer unterscheidet von großen multipolaren Zellen im Vorder- horn ı. eine mediale vordere Gruppe, 2. eine mediale hintere Gruppe, 3. eine laterale vordere Gruppe und 4. eine laterale hintere Gruppe. Die medialen Gruppen sind gering bevölkert; die hintere mediale ist noch spär- licher als die vordere, sie besteht aus kleineren Zellen. Die laterale vor- dere Gruppe geht nach Ansicht dieses Autors durch die ganze Länge des ! Beisso, Del midollo spinale. Genova 1873. (Zitiert nach Waldeyer). ?2 W.Waldeyer, Über dasGorillarückenmark. Sitzungsber. der Berl.Akad.d.Wiss. 1838. Uber die Kerne des menschlichen Riückenmarks. 25 Rückenmarks. Im unteren Halsmark nimmt sie genau die laterale obere Ecke des Vorderhorns ein und bleibt hier auch im oberen Dorsalmark. Die laterale hintere Gruppe ist die stärkste, im mittleren Dorsalmark ist sie von der vorigen nicht zu trennen. Im unteren Halsmark zeigte sich an vielen Schnitten eine besondere kleine Gruppe (in den Figuren mit a be- zeichnet), welche an dem sehr breiten vorderen Rande des Vorderhorns die Mitte einnimmt und hier einen kleinen Vorsprung bedingt. (Diese Gruppe entspricht meiner latero-ventralen.) Waldeyer erwähnt ferner, daß die laterale vordere Gruppe häufig in zwei Untergruppen zerfällt, von denen die eine mehr medial und hinten, die andere mehr lateral und vorn ge- legen ist. (Diese Untergruppen entsprechen genau dem von mir angege- benen Nucleus latero-intermedius externus und internus.) Die mediale Unter- gruppe ist nach Waldeyer gewöhnlich die größere. Die laterale hintere Gruppe erscheint dem Autor am seltensten abgeteilt; hin und wieder traf er auch wieder eine weitere Zerlegung mit verschiedener Anordnung. Für die tieferen Halssegmente wäre dann das Zunehmen der lateralen vorderen und lateralen hinteren Gruppe charakteristisch; beide Gruppen seien oft nicht scharf getrennt, die hintere laterale Gruppe hätte zuweilen 3 —4 Unter- gruppen. Im ganzen also stimmt die Einteilung der Zervikalgruppen nach Waldeyer vollkommen mit der von mir gegebenen überein. Der Haupt- unterschied ist der, daß Waldeyer die kleine Gruppe im Vorsprung des ventralen Vorderhornrandes als eine besondere für sich betrachtet, während sie nach meinen Untersuchungen die Fortsetzung der latero-ventralen Gruppe der oberen Zervikalsegmente ist. Für das untere Lumbalmark führt Waldeyer an, daß die lateralen Zellen drei Gruppen zeigen, eine vordere periphere, eine vordere zentrale und eine hintere. Die ersten beiden entsprechen der vorderen lateralen Gruppe. Im Sakralmark unterscheidet der Autor noch eine mediale vor- dere und eine mediale hintere Gruppe; die lateralen Gruppen lägen auch hier in 3 Gruppen, eine vordere, mittlere und hintere. Die größte sei die vordere, die hintere wäre klein und sei nur von der mittleren ab- getrennt. In S.4 sah Waldeyer eine mediale vordere Gruppe und die laterale Gruppe und in S.5 und im Coceygealmark unterschied er Medial- und Lateralzellen des Vorderhorms. Waldeyer schließt sich der An- schauung Schwalbes (Neurologie 1831) an, daß die Gruppen im Rücken- mark segmentale Anordnung aufweisen. Phys.-math. Classe. 1908. Anhang. Abh. TI. 4 26 L. Jacogsoun: Von neueren Autoren gibt Ziehen in seiner » Anatomie des Rücken- marks und Gehirns, Jena 1899« eine allgemeine, etwas ausführliche Be- schreibung der Vorderhornzellen. Er sagt: Die Verteilung und Anord- nung der Ganglienzellen im Querschnitte scheint auf vielen Schnitten keiner- lei Regelmäßigkeit zu zeigen, auf anderen lassen sich hingegen sehr gut vier Hauptgruppen, eine ventro-mediale, ventro-laterale, dorso-mediale und dorso-laterale erkennen, welche den vier Ecken des Vorderhorns entsprechen. Von den aufgeführten Gruppen ist die dorso-laterale gewöhnlich die mäch- tigste oder wenigstens ebenso mächtig wie die ventro-laterale. Die ein- zelnen Gruppen werden dann in ihrem Verlaufe durch das ganze Rücken- mark etwas näher beschrieben. Aus der Beschreibung geht hervor, daß auch dieser Autor (wie wohl überhaupt die Mehrzahl der Autoren, Bruce ausgenommen) der Ansicht ist, daß die laterale Zellgruppe durch das ganze Rückenmark durchgeht, während ich eine gegenteilige Ansicht vertrete, die ich vorher (S. 21) begründet habe. Hervorzuheben ist ferner, daß auch Ziehen im unteren Halsmark zwischen der ventro-medialen und der ventro- lateralen Gruppe am ventralen Rande des Vorderhorns eine kleine, besonders scharf abgegrenzte intermediäre Zellgruppe gefunden hat. Das ist dieselbe Gruppe, die schon Stilling abgebildet, die von Beisso vielleicht zuerst direkt beschrieben wurde, und die auch Waldeyer besonders hervorhebt. Während aber Waldeyer den Vorsprung, in welchem diese kleine Gruppe liegt, mit dem von Obersteiner in seiner »Anleitung beim Studium des Baues der nervösen Zentralorgane 4. Autl. 1901« S. 258 abgebildeten richtig identifiziert, meint Ziehen, daß dieser Vorsprung und die darin liegende Zellgruppe mit dem von Obersteiner angegebenen Vorsprunge nichts zu tun hätte. Dieser letztere Vorsprung sei die vordere laterale Ecke des Vorderhorns. Meine Untersuchungen haben erwiesen, daß der in Frage kommende kleine Vorsprung am ventralen Vorderhornrande die Fortsetzung der lateralen Vorderhornecke bildet. Der in C.4, 0.5 und C.6 nach hinten abschüssige Teil des lateralen Vorderhornrandes wölbt sich in C.7 nach ventro-lateral buckelförmig aus. Dieser Buckel nimmt alsdann die laterale Ecke des Vorderhorns ein, während die frühere seitliche Ecke des Vorder- horns dadurch in die Mitte des Vorderrandes zu liegen kommt und sich in dieser vorspringenden Zacke erhält. Die Gruppe von Zellen, die in dieser Zacke liegt, entspricht demgemäß vollkommen der latero-ventralen Gruppe der oberen Zervikalsegmente, woraus sich dann die von mir ge- m Über die Kerne des menschlichen Rückenmarks. 27 gebene Einteilung des lateralen Zellkomplexes als die rationellste ergibt. Diese Einteilung ist vor mir vielleicht schon von Beisso angedeutet worden. Will man die zerstreuten großen Zellen des Vorderhorns als besondere Klasse anführen, wofür Ziehen besonders eintritt, so ist dagegen nichts einzuwenden, man müßte dann aber ebenso besondere abgesprengte Gruppen nach der weißen Substanz anführen. Ich halte dies aber nicht für ratsam, weil dies eine zu große Zersplitterung ergeben würde. In der Mehrzahl der Fälle liegen die zerstreuten Zellen in der Nachbarschaft oder im Be- reich der einen oder anderen Gruppe, und auch die in die weiße Substanz abgesprengten Zellen oder Zellgruppen lassen sich ohne Schwierigkeit den bekannten Gruppen vollkommen einordnen. Für letztere will ich noch- mals gegenüber anderen Ansichten hervorheben, daß man sie stets auf ausgezogenen kleinen Strichen oder kleinen Inseln von grauer Substanz liegen sieht. Aus neuerer Zeit sind dann noch drei bedeutsame Arbeiten von Van Gehuchten und de Neef', von B. Onuf”’ und von Alexander Bruce‘ anzuführen. Van Gehuchten und de Neef haben die Zellgruppen des Lumbo- sakralmarks bei einem dreijährigen Kinde auf einer Schnittserie sehr ein- gehend untersucht und erhielten folgende Resultate: Im ganzen ersten und im zweiten Lumbalsegment fanden sie zwei kleine Gruppen, eine antero-interne und eine antero-externe. Letztere sei die Fortsetzung ana- loger Gruppen des Dorsalmarks. (Meine gegenteilige Ansicht habe ich vorher näher begründet.) Vom dritten Lumbalsegment an vermehrt sich die Zahl der Zellen ziemlich schnell, und diese Vermehrung reicht bis zum ersten Sakralsegment, um dann wieder abzunehmen und fast voll- kommen im oberen Teil des vierten Sakralsegmentes zu verschwinden. Der Abschnitt des Rückenmarks zwischen dem dritten Lumbalsegment und dem vierten Sakralsegment enthält alle Zellen für die Muskeln der unteren Extremität. Im dritten Lumbalsegment erscheinen zwei neue Gruppen, ' Van Gehuchten und de Neef, Les noyaux moteurs de la moelle lombo-sacrce. Le Nevraxe Vol. 1. 1900. ® B.Onuf, Notes on the arrangement and function of the cell groups in the sacral region of the spinal cord Journ. of nerv. and ment. dis. Vol. XXVI, p. 498. Vgl. Jahres- bericht f. Neurol. und Psych., Bd. III, S. 138. ® Alexander Bruce, A topographical atlas of the spinal cord. Kdinburg, Williams & Nurgate 1901. 4* 28 L. Jacogsonn: eine antero-laterale und eine zentrale. Die Gruppen nehmen an Volumen in L.4 zu, um am oberen Rande von L.5 zu verschwinden. In diesem Niveau erscheinen drei neue Zellkolonnen, eine antero-externe, eine postero- laterale und eine dritte, welehe mit dem kaudalen Teil der früheren zen- tralen wieder eine zentrale Gruppe bildet. Im ganzen fünften Lumbal- segment findet man nur die drei eben genannten Gruppen: die gleichen Gruppen sind in S. ı vorhanden. Am Anfang des zweiten Sakralsegmentes tritt eine neue Zellsäule, hinter und nach außen von der postero-lateralen Säule auf, das ist der post-postero-laterale Kern von Onuf (s. weiter unten), welehen die Autoren als sekundäre postero-laterale Gruppe bezeichnen. Im unteren Teil von S. 2 verschwinden die antero-laterale und zentrale Abteilung und zu gleicher Zeit entfalten sich stärker die postero-laterale und post- postero-laterale Gruppe. In S.3 trifft man nur die beiden letztgenannten Gruppen. Die postero-laterale Gruppe verschwindet in der Mitte von S. 3, während die post-postero-laterale bis Anfang von S.4 zu verfolgen ist. Die Autoren haben auch versucht, die Länge, Dieke und Lagerung dieser Zell- gruppen in einem Schema darzustellen. Die antero-externe, die postero- laterale und die post-postero-laterale sind gut abgegrenzte Gruppen, die anderen nicht. Eine ähnliche Zellgruppierung soll sich nach Ansicht von Van Gehuchten (Anatomie du syst@me nerveux, Louvain, 1906) in der Halsanschwellung von 0. 4—D.ı finden. Die konstanten Gruppen, latero-ventrale, latero-dorsale und zentrale, konnten Van Gehuchten und de Neef auch feststellen; die übrigen sind nach Ansicht der Autoren nicht konstant, genau so, wie ich es vor- her gesagt habe. Bei dieser Sachlage ist es mir eigentlich unverständlich, wie es den Autoren möglich gewesen ist, das Verschwinden der einen bzw. anderen Zellsäule festzustellen. Verfolgt man nämlich die Kerne auf hintereinander folgenden Schnitten, so hört bald hier und bald dort ein- mal eine Gruppe auf, um aber bald wieder zu erscheinen; man könnte also mindestens 20 Zellsäulen aufstellen, wenn man sich nach diesem Phä- nomen richtete. Ich halte es deshalb für unmöglich, einzelne bestimmte Zellsäulen der Längsrichtung nach abzugrenzen. Dieser Zellkomplex ist viel- mehr vergleichbar einem Wabenbau mit recht ungleiehen Zwischenräumen; aber so groß oder klein der Zwischenraum ist, immer besteht ein kontinuier- licher Übergang der einen Zellgruppe zur anderen, und wenn er auch an dieser oder jener Stelle gelockert oder aufgehoben erscheint, so ist das nur eine Uber die Kerne des menschlichen Rückenmarks. 29 Täuschung durch den Schnitt, der eben gerade einen Zwischenraum getroffen hat; nach mehreren Schnitten weiter ist der Zusammenhang zwischen zwei benachbarten Kernen wieder vorhanden. Die Arbeit von Onuf ist mir leider im Original nieht zugänglich ge- wesen. Der Autor gibt (nach dem Referat im Jahresbericht für Neurologie und Psychiatrie) eine Anschauung von dem Wandel in der Ausbildung der Zellgruppen der Vorderhörner von L.1ı—S.5 beim Menschen. Vordere und hintere mediale Gruppe treten von L.2 (hintere Gruppe) bzw. L.4 sehr schwach auf, um im Bereich von S.3 (bzw. S.2 und S.3) mittel- stark vertreten zu sein und dann zu verschwinden. Die antero-laterale Gruppe nimmt von L.2 S.ı stark zu, um dann schnell abzunehmen; von S.2 an ist sie verschwunden; die post-laterale Gruppe, welche in L.ı noch deutlich ist, zeigt sich‘ dann bis L.4 kaum angedeutet(?), um in L.5, S.ı und im proximalen Teil von S.2 sehr stark, im distalen Teil von S.2 sehr schwach und von da ab gar nicht mehr aufzutreten. An die Stelle der letzteren Gruppe erhebt sich eine solche, welche (zuerst hinter ihr gelegen, also post-postlateral) in S. ı auftritt und sich bis zum di- stalen Teil von S. 3 erstreckt. Die lateralen Zellgruppen des Vorderhorns (antero-post- und post-postlaterale) nimmt der Autor mit van Gehuchten und de Buck (Contribution a l’&tude des localisations des noyaux dans la moelle lombo-saeree, Revue neurol. 1898) sowie Sano (Les localisations motrices dans la moelle lombo-sacree, Journ. de Neurol. et d’Hypnol. 1897, Nr. 13) für die Beherrschung der Beinmuskeln in Anspruch, die antero- mediale Gruppe im Anschluß an Kaiser (Die Funktionen der Ganglien- zellen des Halsmarkes, Haag 1891) für die Rumpfmuskeln, die postero- mediale für die Perinealmuskeln und die Sphinkteren. A. Bruce sagt über die Vorderhornzellengruppen des menschlichen Rückenmarks, die er auch in seinem schönen Atlas naturgetreu abbildet, folgendes: Die mediale Gruppe ist durch das ganze Rückenmark ver- treten, mit Ausnahme von L.5, S.ı und oberer Hälfte von S.2. Die Zellen versorgen die Muskeln des Rumpfes. Die antero-mediale Gruppe erreicht ihr Maximum in C.4 und C.5. Bruce unterscheidet hier noch eine etwas äußere und nach hinten gelegene kleine Gruppe, welche das spinale Zentrum des Phrenikus darstellen soll. (Nach Untersuchungen von Kohnstamm, Zur Anatomie und Physiologie des Phrenikuskerns, Fort- schritte der Medizin 1898, Nr. 7, und von Sano, Nucleus diaphragmae, 30 L. JAcoBsonn: A Etude sur l’origine r&elle du nerf diaphragmatique, Journ. med. de Bru- xelles 1898, Nr. 42 scheint die Kerngruppe doch mehr dem von mir be- nannten Nucleus latero-intermedius internus zu entsprechen). Am distalen önde von C.8S schwillt die mediale Gruppe wieder an, um durch das ganze Dorsalmark zu gehen. In L.ı—L.3 liegen wenige Zellen in einem kleinen antero-lateralen Winkel, welche der Autor zur medialen Gruppe rechnet, oder die er als eine spezielle Gruppe rechnet, welche keine Be- ziehung zur antero-lateralen Gruppe hat. Die mediale Gruppe erscheint dann wieder im distalen Teil von S.2 und setzt sich bis S.4 fort, wo sie auf dem Schnitt durch etwa ı0 Zellen von beträchtlicher Größe re- präsentiert wird. Die laterale Gruppe teilt Bruce im Halsmark in eine antero-laterale und eine postero-laterale.. In C.7 und C.8 soll noch dazu eine post-postero-laterale kommen. Diese letztere soll besonders stark in D.ı sein. Die laterale Zellsäule ist nicht vertreten im Dorsalmark, eine Anschauung, die auch ich vorher, S. 2ı, begründet habe. Im Lumbo- sakralmark findet man eine antero-laterale und eine postero-laterale Gruppe bis zum unteren Ende von S.2 bzw. S.3. Von L.2 bis zu S.2 (prox.) ist außerdem eine zentrale Gruppe vorhanden, welche nach innen von den beiden vorigen liegt. In S.ı, S.2 und S.3 fand der Autor noch eine schmale Gruppe hinter der postero-lateralen, welche der post-postero-late- 'alen von Onuf entsprechen soll. Bezüglich der Veränderung, welche mit der lateralen Ecke des Vorderhorns im Halsmark vor sich geht, sagt der Autor folgendes: »Within the sixth segment a remarkable change, at first sight diffieult to interpret, takes place in the position and size of the antero-lateral group. The antero-lateral angle and with it, its correspond- ing group of cells, become displaced in an inward direction. The number of cells within the group diminishes rapidly and at the same time, between it and the postero-lateral group a new collection of cells appears. This group is the cause of the projeetion seen between the antero-lateral and postero-lateral angles.« Aus dem Gesagten entnehme ich, daß Bruce über das Entstehen des vorderen seitlichen Vorsprungs des Vorderhorns in ©.7 derselben Ansicht ist wie ich, und daß auch er meint, daß die vorher (proximal) im lateralen vorderen Winkel gelegene Zellgruppe nach einwärts geschoben wird und dabei gleichzeitig an Vo- lumen abnimmt. Nur irrt der Autor, wenn er sagt, daß dann erst die neue (intermediäre) Gruppe auftritt. Diese war auch schon vorher da, Uber die Kerne des menschlichen Rückenmarks. 31 nur tritt sie jetzt stärker hervor. Bruce meint, daß Hals- und Lumbo- sakralmark in der Zellgruppierung des lateralen Zellkomplexes eine große Ähnlichkeit zeigen; auch Bruce ist der Ansicht, daß die Zellen der Lumbo- sakralregion größer sind als diejenigen des Dorsalmarkes, und die des letz- teren kleiner als die Zellen des Zervikalmarkes. Die Bestimmung und Ab- grenzung der motorischen Gruppen bei Bruce hat viel Übereinstimmendes mit der meinigen. Nur über das Aufhören von einzelnen Gruppen und das Auftreten von neuen bin ich etwas anderer Ansicht als er und die vorher genannten Autoren. Die verschiedene Ansicht kann darin ihren Grund haben, daß die Autoren keine vollständige Serie zur Verfügung hatten, was bei Bruce ja sicher zutrifft, da er nur jeden zehnten Schnitt untersucht hat. Indessen es ist auch möglich, daß Varietäten vorkommen. Das untere Ende der motorischen Kernsäulen geben die Autoren ver- schieden an. Einzelne konnten die Kerne bis zur unteren Grenze von L. 4, andere nur bis L. 3 verfolgen. Wahrscheinlich hängt die Differenz von der mangelhaften Bestimmung der Segmente ab. Daß die motorischen Zellen des Lumbosakralmarks diejenigen des Zer- vikalmarks an Größe übertreffen, ist bei Tieren schon von einer Anzahl von Autoren beobachtet worden, so in neuster Zeit wieder von Warnke. (Über Beziehungen zwischen Extremitätenentwicklung und anatomischen Formverhältnissen im Rückenmark. Vgl. Anatomische Untersuchungen über das Rückenmark. Journ. f. Psychol. u. Neurol. Bd. II, S.257) und von Schmidt (ebenda Bd. IX, Heft 1/2). 2. Nuclei sympathiei medullae spinalis. Mit diesem Namen werden eigenartige Zellformationen bezeichnet, welche nach den bisherigen Untersuchungen im Seitenhorn bzw. in der inter- mediären Zone zwischen Vorder- und Hinterhorn gelegen sind. Diese Zell- formationen sind von B. Stilling als »Seitenhorngruppe«, von L.Glarke als» Intermediolateraltrakt«, von Waldeyer als» Seitenhornzellen« benannt worden. Ebenso wie die großen multipolaren Vorderhornzellen zweckmäßig als Nuclei motorii bezeichnet werden, um mit dem Namen gleich auf ihre Funktion hinzuweisen, so ist es auch wohl angebracht, obige Zellformationen als Nuelei sympathici zu benennen, da ihre Beziehungen zum pe- 32 L. JAcossonn: ripherischen sympathischen System durch die Arbeiten von Gaskel, Sher- rington, Langley, Onuf und Collins, Herring, mir, Bruce und Pirie u. a. wohl zweifellos feststehen. Es gibt im menschlichen Rücken- mark nach meinen Untersuchungen drei solcher Zellformationen: a) Nucleus sympathicus lateralis superior s. thoracalis, s. cornu lateralis, b) Nucleus sympathicus lateralis inferior s. sacralis, c) Nucleus sympathicus medialis inferior s. lumbo-saecralis. Die obere laterale Kernsäule des sympathischen Systems (a) erstreckt sich von C.8 bis zum oberen Abschnitt von L. 3, die untere, laterale Kern- säule (b) von S. 2 bis ins Coceygealmark und die dritte mediale untere Kernsäule (c) von L. 4 bis gleichfalls ins Coceygealmark; b und e ver- schmelzen im untersten Rückenmarksabschnitt zu einem gemeinsamen Areal. Obwohl sich sehon aus der Aufstellung dieser Abteilungen ergibt, daß ich solche Zellformationen im übrigen Rückenmark nicht gesehen habe, so sei doch noch einmal hervorgehoben, daß im ganzen Halsmark mit Aus- nahme von 6. 8 deutliche Gruppen solcher Zellen sympathischer Art nicht zu konstatieren waren. Ob vereinzelte derartige Zellen im übrigen Rücken- mark vorkommen, dies zu entscheiden, ist auf Grund des angewandten Färbungsverfahrens nicht möglich, obwohl der Beschauer von einzelnen Zellen hier und da den Eindruck gewinnt, sie könnten den sympathischen homolog sein. Erwähnt muß aber werden, daß auch noch in tieferen Lumbalsegmenten an der seitlichen Grenze zwischen Vorder- und Hinter- horn in vereinzelten Schnitten kleine Gruppen von Zellen zu beobachten sind, die den sympathischen mindestens sehr ähnlich sehen. a) Nucleus sympathieus lateralis superior s. cornu lateralis. Der Nucleus sympathieus lateralis superior medullae spinalis beginnt im distalen Abschnitt von C.8. Er ist in diesem Segment nur auf einzelnen Schnitten in seiner hervorstechenden Art ausgeprägt; sehr viel besser tritt er in D. ı hervor, wo er auch ziemlich konstant auf den Schnitten erscheint. Schon im distalen Abschnitt von ©. 8 und noch mehr in D. ı ist die laterale Peripherie des Vorderhorns verschmälert und nach außen stark konvex abgerundet. In dieser Abrundung liegt der laterale Komplex der großen motorischen Nervenzellen. In den proximalen Schnitten von D.ı ebenso wie in C.8 liegt der Nucleus sympathicus am dorsalen Über die Kerne des menschlichen Rückenmarks. 308 Rande der abgerundeten seitlichen Vorderhornecke: von hier aus wandert der Kern, wenn man ihn weiter distalwärts in D. ı verfolgt, an Größe zu- nehmend, direkt nach der stumpfen seitlichen Vorderhornecke zu und hält diese Ecke besetzt. Er liegt hier stets dieht naclı außen von den moto- rischen Zellen der lateralen Gruppe, wobei er auch mitunter diese stumpfe seitliche Vorderhornecke bogenartig umfaßt. In den kaudalen Schnitten von D. ı spitzt sich die laterale Ecke des Vorderhorns scharf zu, und als- dann liegt der Kern direkt in dieser Spitze. Der Kern ist so charakteristisch, daß er sofort aus allen anderen Zellen und Zellkernen heraus zu erkennen ist. Charakteristisch sind seine Lage, die Art und Größe seiner Zellen und vor allem auch der Umstand, daß diese Zellen dieht gedrängt in einem oder in mehreren Haufen zusammen- liegen. D.1. Die Zellen des Nucleus sympathieus sind ungefähr halb so groß wie die daneben liegenden des lateralen Zellkomplexes des Vorder- horns. Sie sind polygonal, aber mit ganz abgestutzt aussehenden Fortsätzen, so daß sie bei schwächerer Vergrößerung rundlich oder ovoid erscheinen; bei soleher Vergrößerung sehen sie auch fast vollkommen homogen, ja vielfach glasig aus. Der Nueleus sympathieus als ganze Zellformation hat große Ähn- lichkeit mit dem dorsalen Vaguskern der Medulla oblongata. Im allge- meinen ist die Gruppe in den proximalen Schnitten von D.ı verhältnis- mäßig klein (5 bis 15 Zellen), in der Mitte von D.ı und in den kaudalen Schnitten dieses Segmentes kann sie bis auf 30 Zellen anwachsen. Die Zellen erscheinen rundlich, eckig, oval und polygonal, sie besitzen einen großen, hellen Kern und ein deutliches Kernkörperchen. Der Zelleib ent- hält um den: Kern am Rande einen Saum von kleinen Nißlschen Schollen. Hier und da scheinen auch einzelne Zellen etwas gelbes Pigment zu besitzen. D.2. Der Nucleus sympathicus ist ziemlich konstant, in den auf- einanderfolgenden Schnitten ziemlich regelmäßig an- und abschwellend. Er liegt überwiegend in der Spitze des Seitenhorns. Vergleicht man letzteres mit dem Ursprung des Achsenzylinders aus einer Nervenzelle, so trifft man im breiten basalen Teil des Ursprungskegels hin und wieder eine dichte An- sammlung ganz kleiner Zellen von rundlicher, eventuell kleinkeulenförmiger Gestalt. Es ist sehr verlockend, auch diese Zellen zur Seitenhorngruppe zu zählen. Indessen ist dies mehr als zweifelhaft. Einmal haben diese kleinen Elemente nicht das charakteristische Aussehen wie die Zellen der Seitenhorn- Phys.-math. Classe. 1908. Anhang. Abh. 1. 5 34 L. JAcoBsonn: spitze, zweitens sammeln sie sich selten zu diehten Haufen an, was die Formation des Sympathicus meistens tut, und schließlich, wenn man den auf solehe Ansammlung folgenden Schnitt untersucht, findet man sie nicht mehr. Ich bin deshalb nicht geneigt, diese kleinen Elemente zur gleichen Formation des Nucleus sympathieus zu rechnen. Charakteristisch sind nur die etwas größeren Elemente, die in D2 fast ausschließlich in der ausge- zogenen Spitze des Seitenhorns liegen. Allerdings kann es vorkommen, daß diese ausgezogene Spitze auf einzelnen Schnitten wie abgetrennt vom Seitenhorn liegt und man dann zwei Abteilungen des Kerns, die eine auf der abgetrennten Spitze und die andre auf dem Festlande des Seitenhorns, beobachtet. Diese größeren Elemente des Kerns, welche für ihn charak- teristisch sind, erscheinen nun auf den Schnitten noch verschieden groß. Das liegt aber wohl mehr in der verschiedenen Art, wie sie vom Schnitt getroffen sind, ob mehr in der Längsachse, dann erscheinen sie spindel- oder keulenförmig, oder in Kaulquappenform, oder mitten in der Quer- achse, dann sind sie mehr rundlich bzw. abgestutzt u. dgl. mehr. Die Zellen liegen oft kettenförmig nebeneinander. In einzelnen Schnitten machen sie einen ziemlich umfangreichen Zellkomplex aus. D.3. Der Nucleus sympathicus ist im ganzen wie vorher; in einer nicht geringen Anzahl von Schnitten ist er recht groß (30-40 Zellen enthaltend). Durch strahlige Aufsplitterung der Spitze des Seitenhorns ist er gleichfalls oft in seinen äußeren Teil strahlenartig aufgesplittert. Er nimmt hier in D. 2 auch mehrfach einen Teil der Basis des kegelförmigen Seitenhorns ein und zieht sich etwas zum Winkel nach dem Hinterhorn hin. Die Zellen liegen wie Mosaiksteine sehr dicht zusammen, oder ziehen sich in einer Reihe am dorsalen Rande des Seitenhorns hin. An einer Anzahl von Präparaten macht es den Eindruck, als ob der Nueleus sym- pathieus auch noch ziemlich weit nach innen in den sogenannten Confluens substantiae griseae (Zwischenteil der grauen Substanz) aussprüht. D.4. Der Nucleussympathicus teilt sich zuweilen in drei Gruppen; die eine derselben liegt an der Spitze des Seitenhorns; sie ist die konstanteste. Die zweite liegt am dorsalen Rande des Seitenhorns nahe am Winkel zwischen Vorder- und Hinterhorn; diese Gruppe wird recht oft getroffen und hat die Eigenschaft, daß sie sich nach innen etwas zuspitzt, wie wenn sie auf die vordere Kommissur zulaufen wollte. Beide Gruppen sind vielfach durch einen am dorsalen Rande des Seitenhorns laufenden Zellzug gleicher Uber die Kerne des menschlichen Rückenmarks. 533) Art verbunden; die dritte Gruppe, die sehr selten isoliert wahrgenommen wird, ist eine Abspaltung von Zellen des (resamtkerns am ventralen Rande des Seitenhorns. In der Gruppe der Seitenhornspitze selbst liegen einzelne Zellen, die besonders groß erscheinen, und die den Zellen des Kerns der oberen Trigeminuswurzel sehr ähnlich sehen. Zu erwähnen wäre noch, daß einzelne Zellen des Nucleus sympathicus auch dorsal in den Processus reticularis ausstrahlen. Verbinden sich alle Abteilungen zu einem Komplex, so ist die Zellgruppe von recht ansehnlichem Umfange. Recht zahlreich sind hier in D.4 auch Zellen gleicher Art, die in den Uonfluens substantiae griseae ausstrahlen. D.5 und D.6. Der Nucleus sympathicus ist in vielen Schnitten gut ausgeprägt. Am konstantesten sind immer die Zellen in der Spitze des Seitenhorns selbst. Viele aussprühende im Gonfluens cornuum. D.7 und D.8. Der Nucleus sympathicus ist im ganzen etwas reichlicher als in D.6. Er zeigt auch einen ziemlich regelmäßigen Turnus in der Art, daß die Gruppe an- und abschwillt. Ist die Gruppe gut aus- geprägt, so zieht sie sich bis zum Winkel nach dem Hinterhorn hin, ent- weder kontinuierlich oder auf (diesem Wege in zwei, mitunter sogar in drei kleinere Untergruppen zerfallend. Auch in diesen kleineren Gruppen liegen die Zellen dicht gedrängt zusammen, aber man begegnet auch Schnitten, wo sie ein wenig lockerer gelagert sind. Besonders zu betonen ist, daß in solehen Schnitten, in welchen die charakteristischen Zellen dieser Gruppe fehlen, das Seitenhorn und die angrenzende Partie des Hinterhorns von vielen kleinen Elementen angefüllt ist, die nicht die Charaktere der Zellen des sympathischen Kerns an sich tragen. In anderen Schnitten können diese kleineren Elemente, die recht vielgestaltig sind, sich unter die typischen sympathischen Zellen einmischen, so daß dann die Abgrenzung der letzteren gewisse Schwierigkeiten bietet. D.9 und D. 10. Der Nucleus sympathieus ist oft gut abgegrenzt. Die größeren Elemente des Kerns findet man mehr in der Spitze des Kerns, sie fehlen freilich auch nicht in den übrigen Teilen desselben. Die kleineren Elemente andersartiger Natur ergießen sich oft mückenschwarmartig vom Winkel des Seiten- und Hinterhorns in den Confluens eornuum, in den Processus retieularis und in das Seitenhorn hinein und sind besonders dann zahlreich, wenn der Nucleus sympathicus stellenweise unterbrochen ist und nur wenige Zellen enthält. 36 l. JACoBsonn: D.10. Nucleus sympathicus mitunter in 2—3 kleinere Gruppen geteilt, die sich bis zum Seitenhinterhornwinkel entlang ziehen. D.11. Der Nucleus sympathicus nimmt an Umfang zu; besonders der zu dem vielfach genannten Winkel gehende Zug ist breiter als in den früheren Segmenten. D.12. Der Nucleus sympathieus erreicht in diesem Segment seine Hauptstärke. Er hat auch hier seinen Hauptstützpunkt in der Spitze des Seitenhorns. Von hier aus erstreckt er sich einmal etwas ventral am lateralen Rande zum Vorderhorn zu, hauptsächlich aber breitet er sich in der Richtung nach dem Seitenhinterhornwinkel zu aus. Die Zellen erscheinen an der Spitze des Hornes etwas größer. Während diese Zellen an der Spitze vielfach wie rundliche oder längliche Bläschen aussehen, bieten die anderen meist eine lang hingestreckte Form dar, wobei sie bald keulenförmig, spitz dreieckig, aber dabei fast fortsatzlos, oder lanzettförmig, oder spermatozoen- förmig, getrennte Abteilungen des Kerns, eine an der Spitze des Seitenhorns und oder kaulquappenartig gestaltet sind. Man sieht oft zwei scheinbar eine nahe am Seitenhinterhornwinkel; indessen kann man sieh meist auf folgenden Schnitten überzeugen, daß beide Abteilungen miteinander zu- sammenhängen. Ich halte diesen Umstand zur Deutung gegenüber anderen Zellansammlungen in der Nähe der genannten Winkel für sehr wichtig. Während sonst die am dorsalen Rande des Seitenhorns sich hinziehende Zellschicht des Nucleus sympathicus recht schmal ist, wird sie hier in D. ı2 oftmals recht breit. Die Zellen derjenigen Abteilung des Kerns, welche nahe dem Seitenhinterhornwinkel liegt, sind oft mit ihrer Längs- achse senkrecht zum Seitenhornrande gerichtet, und indem sie sich nach dem Innern der grauen Substanz zusammenballen, sieht es oft so aus, als wollten sie auf die weiße Kommissur lossteuern. L.1. Im proximalen Gebiet von L. ı ist der Nucleus sympathieus ungefähr so gestaltet und ziemlich so stark entwickelt wie in D. ı2. Mit- unter hat er im ganzen eine mondsichelartige Gestalt, indem er sich ins Innere des Hornes vorwölbt; im distalen Teil von L. ı nimmt er an Um- fang erheblich ab. L.2. Der Nucleus sympathicus zeigt nur noch spärliche Reste. Diese Reste liegen an dem eingebuchteten Rande zwischen Vorder- und Hinterhorn etwas ventro-lateral von dem verkleinerten Nucleus magno- cellularis basalis (Glarkeschen Säule). Uber die Kerne des menschlichen Rückenmarks. 37 L.3. Auf wenigen Schnitten hat es den Anschein, als ob noch eine ganz kleine Gruppe an der gleichen Stelle wie in L. 2 zu sehen ist. Fasse ich das Gesagte über den Nucleus superior zusammen, so ergibt sich folgendes: Der Nucleus sympathiecus lateralis superior s. cornu lateralis erstreckt sich vom distalen Teil von ©. S bis zum proximalen Teil von L. 3. Er ist einer der prägnantesten Zellkerne des Rückenmarks. Trotz seiner her- vorstechenden Eigenart ist seine Abgrenzung gegen die ihn umgebenden Zell- formationen oftmals keine ganze leichte. Sie läßt sich nur ermöglichen, wenn man Markfaserpräparate des Rückenmarks, die nach Weigert-Pal gefärbt sind, mit Zellpräparaten nach der Nißlschen Färbung mitein- ander vergleicht‘. Die Formation des Nucleus sympathieus hebt sich auf solchen Markfaserpräparaten, allerdings nur auf solchen, die von etwas dunkler Färbung sind, durch einen besonders hellen Farbenton heraus. Sie gleicht dadureh ungemein dem Aussehen der Substantia ge- latinosa Rolando. Diese gelatinös hellaussehende Substanz des Nucleus sympathicus beginnt sich in ©. 8 am dorsalen Rande der hinteren Vorder- hornecke als ein schmaler Streifen herumzulegen und splittert sich nach der weißen Substanz leicht netzförmig auf. Verfolgt man nun die Segmente nach abwärts, so bildet diese gelatinöse Substanz nach Verschwinden des lateralen Zellkomplexes der großen multipolaren Vorderhornzellen die Seiten- hornspitze. Sie ist dabei vollkommen netzartig aufgesplittert; bald besteht sie aus zwei kleinen Inseln, von denen die eine der hinteren Vorderhorn- ecke anliegt, während die andere von letzterer durch retikulierte graue Balken ein wenig getrennt als abgesprengte Seitenhornspitze im Seiten- strang liegt und sich oft fadenartig nach lateral auszieht. Im weiteren Verlauf nimmt die helle gelatinöse Substanz nicht nur die Spitze des Seiten- horns ein, sondern sie zieht sich von der Spitze als ein schmaler heller Saum bis zum Winkel nach dem Hinterhorn hin, wobei sie auch retikulär in den angrenzenden Seitenstrang sich auszackt. Ebenso, wie nun die Zellgruppe des Nucleus sympathicus an- und ab- schwillt und regelmäßige vollständige Unterbrechungen erfährt, so ist es auch vollkommen mit dieser gelatinösen Substanz. Diese Substanz mul ! Auch für diesen Vergleich stand mir eine vollkommene Serie von nach Weigert- Pal gefärbten Querschnitten dureh das menschliche Rückenmark zur Verfügung. s [e} T 38 L. Jacogsons: als die Trägerin der Zellen des Nucleus sympathieus angesehen werden. Sie ist bald gering, bald in ausgiebigem Maße vertreten, bald schließlich ist nichts von ihr zu sehen. Es ergibt sich daraus, daß derjenige Teil der grauen Substanz, welcher schlechtweg als Seitenhorn bezeichnet wird, von verschiedenem Bau und verschiedener Herkunft sein muß. Die Au- toren sind über diesen Punkt geteilter Meinung. Die einen vertreten die Ansicht, daß das Seitenhorn die Fortsetzung der hinteren seitlichen Eeke des Vorderhorns ist; die anderen glauben, daß das Seitenhorn damit nichts zu tun hat, sondern nur eine Bildung des Processus reticularis darstellt. Die Wahrheit liegt meiner Auffassung nach in der Mitte, insofern beide in Frage kommenden Bestandteile das Seitenhorn bilden. Die vorhin er- wähnte gelatinös aussehende Substanz als Trägerin des Nucleus sym- pathieus legt sich stukkaturartig an die hintere laterale Ecke des Vorder- horns an und bildet mit letzterer zusammen das Seitenhorn. Diese beiden Bildungen ergänzen sich immer gegenseitig, d.h. dort, wo die Formation des Nucleus sympathieus und damit auch die gelatinöse Substanz stark ausgebildet ist, tritt der Anteil des Vorderhorns sehr zurück und das Seitenhorn erscheint allein von dieser Substanz gebildet zu sein; im um- gekehrten Falle, dort, wo diese Substanz nicht vorhanden ist, schiebt sich die ursprüngliche hintere laterale Vorderhorneeke so stark in den Seiten- strang vor und zackt sich aus, daß dann das Seitenhorn ziemlich allein von dieser Ecke gebildet wird. Zwischen diesen beiden Extremen finden sich nun die verschiedensten Zwischenstufen. Da nun die eine Substanz der andern nahe anliegt bzw. sogar in sie eingreift, so tun es natürlich auch die in jeder von beiden liegenden verschiedenartigen Zellformationen. An der gleichen Stelle, wo vielleicht vorher typische Zellen des Nucleus sympathieus gelegen haben, liegen auf anderen Schnitten Zellen der late- ralen Vorderhornecke. Diese letzteren sind in D.2, wie wir gesehen haben, noch ganz vereinzelt große Zellen des lateralen Zellkomplexes, dann aber sind es kleinere Elemente der sogenannten Zwischenschicht. Dies hielt ich für notwendig zum Verständnis der ganzen Formation des Nucleus sympathicus cornu lateralis vorauszuschicken. Die Zellen des Nucleus sympathieus cornu lateralis trifft man am konstantesten und in ihrer am meisten charakteristischen Gestalt in der Spitze des Seitenhorns. Hier sieht man in der Mehrzahl der Schnitte einige oder eine ganze Anzahl von dicht zusammengedrängt liegenden Über die Kerne des menschlichen Rückenmarks. 3) Zellen. Diese Zellen sind ungefähr halb so groß wie die motorischen Zellen des Vorderhorns; in einzelnen Exemplaren kommen sie aber auch letzteren an Größe ziemlich nahe, andererseits begegnet man vielen Zellen, die eine kleinere Gestalt haben. In ihrer äußeren Form ist die Mehrzahl der in der Seitenhornspitze gelegenen Zellen abgerundet oder oval, viel- fach auch von bazillenartiger Gestalt. Ist letzteres der Fall, so liegen sie nicht regellos in diehten Haufen zusammen, sondern reihen sich oftmals streptokokkenartig aneinander. In den oberen Dorsalsegmenten besonders, aber auch gelegentlich in den unteren, sprühen sie von der Seitenhorn- spitze radienartig in die benachbarte weiße Substanz aus, wobei dann auch immer die Substantia gelatinosa des Seitenhorns so strahlen- oder netzartig aufgesplittert ist. Wenige Zellen dieser Art können dadurch eine ziemliche Strecke nach auswärts von der Seitenhornspitze hinlagern. Nach innen zu drängen sie sich gewöhnlich an beiden Rändern des Seiten- horns hin, und zwar am ventralen Rand nicht so weit wie am dorsalen. Bei stärkerer Ansammlung der Zellen fließen die Zellen der beiden Rand- zonen zusammen und bilden dann eine dreieckige Gruppe von ziemlich beträchtlichem Umfang, welche auch den ganzen etwas weiteren Ursprungs- kegel des Seitenhorns einnehmen kann. Am dorsalen Rande des Seiten- horns ziehen sie sich bis nahe zum Winkel des Hinterhorns hin; in einigen Schnitten erreichen sie diesen Winkel selbst und können ihn vielleicht auch noch ein wenig überschreiten. Doch muß man in diesem Gebiet besonders vorsichtig in der Beurteilung der Zellformationen sein, weil gerade dieser Winkel eine Stelle ist, an der die verschiedensten Zellarten aufeinanderstoßen. Auf dem Wege zum genannten Winkel hin haben die Zellen des Nucleus sympathieus häufig eine mehr langgestreckte Form. Diese langgestreckte und dabei natürlich verschmälerte Form läßt sie hier vielfach kleiner erscheinen. Ob diese kleinere Form allein durch die veränderte Verlaufs- und Schnittrichtung bedingt ist, oder ob es Zellen vom gleichen Typus in kleinerer Form gibt, will ich mit Sicherheit nicht entscheiden. Indessen ist das letztere nicht unwahrscheinlich, da es ja unter allen Zellformen größere und kleinere Typen gibt. Ob sie aber wie in der Spitze rundlich oder oval sind oder, wie in der Randzone, langgestreckt, und hier dann schmal oval, lanzettförmig, keulenförmig, spitzdreieckig, spermatozoen- oder kaulquappenartig, oder bipolar, wie eine Note auf der Linie usw., immer haben sie das Charakteristische, daß 40 L. JaAcoBsonns: sie bei schwacher Vergrößerung wie fortsatzlos erscheinen. Daran und an der weiteren Struktur erkennt man auch die wenigen dieser Zellen, die sich vereinzelt oder in kleinen Haufen auf den angrenzenden Zacken des Processus retieularis oder in entgegengesetzter Richtung mehr nach innen in der grauen Substanz von dem geschlossenen Zuge der Randzone absondern. Die Zellen haben ferner das CUharakteristische, daß sie bei schwächerer Vergrößerung wie homogen und glasig erscheinen. Viele von ihnen in der Spitze des Seitenhorns sehen geradezu wie Schollen aus, als ob sie ihren Inhalt verloren hätten. Diese Zellen zeigen dann große Ähnlichkeit mit den Zellen der oberen Trigeminuswurzel. Aber auch die anderen Zellen zeigen einen mehr gleichmäßigen Farbenton. Bei stärkerer Vergrößerung sieht man in ihnen einen großen hellen Kern, der den Hauptteil der Zelle ausfüllt, und rings um diesen Kern einen ganz schmalen Saum von Chromatinsubstanz. Bei dieser starken Ver- größerung erkennt man auch, daß die Mehrzahl der Zellen multipolar ist. Der am dorsalen Rande hinziehende Zellzug des Nucleus sympathieus spaltet sich recht häufig in einen Teil, der an der Spitze des Seitenhorns gelagert ist, und in einen anderen Teil, der dieht vor dem Winkel zum Hinterhorn liegt. Die erste Abteilung in der Spitze nenne ich die Pars apiealis Nuclei sympathici superioris und die andere Abteilung die Pars praeangularis Nuclei sympathiei superioris. Diese beiden Abteilungen hängen aber durch Zellbrücken zusammen. In einer Anzahl von Schnitten können sich auch mehrere kleinere Gruppen bilden, die am dorsalen Rande des Seitenhorns entlang lagern. Die Zellen der präangularen Abteilung machen oft den Eindruck, als ob sie sich vor dem Winkel zum Hinterhorn gleichsam anstauen und nun durch das An- einandergedrängtsein sich quer mit der Längsachse stellen, sich dabei mehr ins Innere der grauen Substanz vorschieben, als ob sie langsam in der Richtung zur vorderen Kommissur lossteuern wollten. In einzelnen Präparaten hatte ich den Eindruck, als ob vereinzelte Zellen dieser Gruppe noch etwas am äußeren Rande des Hinterhorns laufen. Die ganze Zell- säule des Nucleus sympathieus zeigt nun ein fast regelmäßiges An- und Abschwellen; nach manchem Abschwellen (nicht immer) kommt auch eine vollständige Unterbrechung der Zellsäule, aber letztere nur auf eine ver- hältnismäßig ganz kurze Strecke. Diese An- und Abschwellungen wieder- holen sich mehrfach in jedem der in Betracht kommenden Rückenmarks- Uber die Kerne des menschlichen Rückenmarks. 41 segmente. Die stärksten Ansammlungen des Kerns fand ich im oberen Dorsalmark (etwa dritten bis fünften Dorsalsegment) und am Übergang zwischen Dorsalmark und Lendenmark (D. 1ı—L.ı). Besonders in D. ı2 ist die Ansammlung der Zellen des Kerns eine außerordentlich große. Von einer Zählung der Zellen wurde Abstand genommen, weil meiner Ansicht nach dabei zu große Fehler unterlaufen. In einem Schnitt, in welchem die Zellen sehr reichlich vertreten sind, dürften sie die Zahl 50 bis 60 nicht überschreiten. b) Nucleus sympathicus lateralis inferior s. saeralis. Der Nueleus sympathicus lateralis inferior s. sacralis beginnt im distalen Abschnitte des zweiten Sakralsegmentes. Hier hat sich der ge- samte laterale Zellkomplex der großen multipolaren motorischen Vorderhorn- zellen schon erheblich vermindert. Indessen ist die latero-dorsale Gruppe noch leidlich gut ausgebildet und wölbt die hintere laterale Ecke des Vorder- horns noch sichtlich in den Seitenstrang heraus. Ebenso nun, wie im distalen Abschnitt von C.8 sich die Gruppe des Nucleus sympathicus superior direkt dem Nucleus motorius latero-dorsalis hinten anlegt, so ge- schieht es auch hier mit den Zellen des Nucleus sympathicus inferior, nur mit dem Unterschiede, daß hier die Zellen dem motorischen großzelligen Kern von hinten und innen anliegen. Während sie im oberen Abschnitt erst in D.ı und noch mehr in D.2 nach dem Winkel zum Hinterhorn wandern, liegen sie hier also gleich demselben ziemlich nahe an. Die Zellen dieses unteren Kerns bilden im distalen Teil von S. 2 zunächst eine kleine Gruppe. Sie haben wieder das Öharakteristische, daß sie dicht ge- drängt aneinander liegen. Die Zellen sind auch hier, ebenso wie am oberen Kern, an ihrer Lage am Winkel zum Hinterhorn, an ihrem Dichtzusammen- gelagertsein, und drittens an ihrem Aussehen deutlich zu erkennen. Die Zellen sollen deshalb ihrem Aussehen nach nicht weiter beschrieben werden. Es sei nur hervorgehoben, daß die Zellsäule im proximalen Abschnitt, also in S.2 etwas kleiner erscheinende Zellen, im ganzen übrigen Abschnitt, S.3— 8.5, etwas größer erscheinende Zellen enthält. Vielleicht darf auch hervorgehoben werden, daß unter den größeren Zellen die polygonale Form mit kurzen Fortsätzen und die Keulenform vorherrscht. Der Nucleus sympathicus inferior nimmt nun in S.3 allmählich an Größe zu, erreicht sein Maximum im unteren Abschnitt von S.3 und im Phys.-math. Classe. 1908. Anhang. Abh. 1. 6 42 L. JACcossonun: oberen Absehnitt von S.4, um dann im distalen Teil von S.4 wieder sehr klein zu werden. In S.5 wurde nur in vereinzelten Sehnitten noch eine kleine Gruppe von etwa drei bis vier Zellen an der charakteristischen Stelle beobachtet. Wie der Nucleus sympathieus superior keine kontinuierliche Zellsäule bildet, sondern einmal an- und absehwillt und auch kurze Unterbrechungen erfährt, so ist es auch mit dem Nucleus sympathieus inferior, nur daß bei letzterem die An- und Abschwellungen schneller aufeinander folgen. Auch der Nucleus sympathieus inferior scheint, wie der superior, sofort in die Augen zu springen, da man in den vorhin bezeichneten Sakral- segmenten eine stattliche Ansammlung von Zellen im Winkel zwischen Vorderhorn und Hinterhorn gewahrt. Indessen, man würde einen großen Fehler machen, wenn man alle die dort liegenden Zellen für solehe des Nucleus sympathieus hielte. Ist schon in den übrigen Rückenmarksseg- menten der laterale Winkel zwischen Vorder- und Hinterhorn gleichsam der Sammelpunkt sehr verschiedenartig gestalteter Nervenzellen, so ist dies hier im Sakralmark noch besonders der Fall. Es liegen hier kleinere, mittelgroße, größere und ganz große Zellen. Die beiden letzten Arten nehmen besonders den Blick des Beobachters gefangen. Ein Teil der etwas größeren Zellen liegt dicht gedrängt in einem einzelnen oder in mehreren Haufen zusammen, andere Zellen von ungefähr gleicher Größe und die ganz großen liegen locker geordnet. Die lockern Zellen kommen gleich- sam in einem Zuge vom Processus reticularis des Hinterhorns her, strömen am Winkel zwischen Vorder- und Hinterhorn in die intermediäre Zone ein, wobei sie vielfach die Haufen der dicht gedrängt liegenden Zellen überfluten. Diese Haufen dieht gedrängt liegender Zellen sind es, welche den Nucleus sympathicus inferior zusammensetzen, während die lockeren vom Processus reticularis herströmenden Zellen meistens anderer Herkunft sind. Da beide Zellarten sich aber überlagern, so ist es oft notwendig, in dieser Gegend die Zellhaufen des Nucleus sympathieus aus dem Ge- wirr der anderen gleichsam herauszuschälen. Wenn man nun den Nucleus sympathiecus inferior von S.2 ab- wärts verfolgt, so findet man auch bei ihm, ähnlich wie bei dem oberen Kern, zwei Abteilungen. Die eine Abteilung liegt mehr außen am Rande der grauen Substanz, die andere mehr im Innern der grauen Substanz. Man kann sie deshalb als Nucleus sympathicus sacralis externus und Uber die Kerne des menschlichen Rückenmarks. 43 internus bezeichnen. Beide Abteilungen gehen natürlich wiederholt in- einander über. Die äußere Abteilung liegt direkt am Winkel zwischen Vorder- und Hinterhorn und zieht sich auch hier mit einem kurzen Schenkel am dorsalen Vorderhornrande und, wenigstens im Sakralgebiet, am äußeren Hinterhornrande hin. Hier ragt sie auch teilweise in den Processus reti- eularis hinein. Die innere Abteilung liegt ungefähr in der Mitte zwischen dem vielfach genannten Winkel und der vorderen Kommissur. Diese innere Abteilung ist in ihrer Stärke sehr wechselnd, bald sehr klein, bald wiederum recht ansehnlich und dann von ziemlich kreisförmiger Konfiguration. In einzelnen Schnitten kann man auch Spaltungen des Kerns in noch meh- rere kleinere Abteilungen sehen. Sind alle Abteilungen verschmolzen und der Kern gut ausgeprägt, wie es auf Schnitten am unteren Ende von S. 3 und im oberen Teil von S.4 zu sehen ist, so bildet der Nucleus sym- pathicus sacralis entweder ein großes Dreieck, dessen Basis auf den beiden Schenkeln des Winkels zwischen Vorder- und Hinterhorn ruht, und dessen Spitze weit im Innern der grauen Substanz der weißen Kommissur zu- gerichtet ist, oder aber der Kern zieht sich etwas schmäler, bandartig vom genannten Winkel in das Innere der grauen Substanz hinein. Im proxi- malen Teil von S.4, wo die laterale Zone des Vorderhorns von den großen motorischen Zellen frei geworden ist, bereitet sich die Verschmelzung dieses Nucleus sympathieus lateralis inferior mit dem Nucleus sympathieus medialis inferior zu einer Gesamtformation vor. Darüber s. weiter unten. ce) Nucleus sympathieus medialis inferior seu lumbo-saeralis. Dieser mächtige Kern als solcher fiel mir gleich bei der ersten Durch- sicht meiner Serie auf, aber seine Identität mit dem sympathischen Kern- gebiet wurde erst bei der zweiten Durchsicht erkannt. Dieser Kern bzw. diese Zellsäule beginnt in L.4 deutlich hervorzu- treten und reicht von hier abwärts bis ins Steißmark. Im unteren Sakral- mark und im Steißmark ist er mit dem Nucleus sympathieus lateralis in- ferior zu einem mächtigen gemeinsamen Gebiet verschmolzen. In L.4 treten am medialen Rande von der Kommissurgegend bis zum medio-ventralen Winkel kleinere Gruppen oder einzelne Zellen auf, die denjenigen der übrigen sympathischen Kerne außerordentlich ähnlich sehen. Es kann wohl von einer näheren Beschreibung der Zellformen abgesehen werden, da ich schon vorher Gesagtes nur wiederholen könnte. 6* 44 L. JAcoBsonn: In L.5 setzt sich diese Zellformation fort, ist aber noch weit stärker als in L.4. Auch hier wieder die gleichen Zellformen und Haufenbildungen wie in den anderen sympathischen Kerngebieten des Rückenmarks. In S.1 erscheint der Kern etwas kleiner; meistens bietet er sich in Ansammlungen von kleinen Haufen der charakteristischen Zellen dar. Hier wie in den früheren Segmenten wechselt seine Größe in den auf- einanderfolgenden Schnitten recht oft; es kommen auch vollkommene Unterbrechungen vor. In 8.2 ist der Nucleus sympathieus medialis inferior wieder etwas stärker. Es finden sich hier einzelne Gruppen am medialen wie ventralen Rande des Vorderhorns und ebenso auch etwas lockere Haufen. Am di- stalen Ende von S. 2 treten reichlich kleine Haufen auf, die wie ein Kranz am ganzen medialen und ventralen Vorderhornrande gelagert sind. Sie schließen sich am ventralen Rande dem latero-ventralen motorischen Kern dieht an, eventuell, da er hier im Verschwinden ist, setzen sie sich an dessen Stelle. Außer den in kleinen Haufen gelagerten Zellen sind hier auch viele etwas lockerer liegende vorhanden. In 8.3 ist der Nucleus sympathicus medialis inferior in vielen einzelnen Gruppen am medialen und ventralen Rande vorhanden. Diese Gruppen dehnen sich mit dem Verschwinden der motorischen Kerngruppen am ventralen Rande immer weiter nach lateral aus, und in wenigen Sehnitten hatte es schon hier den Anschein, als ob schließlich der mediale sympathische Kernzug mit dem lateralen vorher beschriebenen zusammen- fließt. Die Zellen des Kerns sind vielleieht ein wenig größer als die- jenigen der analogen Formation im Dorsalmark; sie sind rundlieh oder ab- gestutzt polygonal oder keulenförmig. Sie liegen in vielen kleinen Gruppen zusammen. Von diesen ist besonders eine am ventralen Vorderhornrande zwischen dem medialen und lateralen motorischen Zellkomplex wegen ihrer Größe recht bemerkenswert. Auch viele etwas lockere Zellen vom Typus der sympathischen liegen im ganzen Bereich. In 8.4 sind kleinere und stärkere Gruppen des Nucleus sympathieus medialis inferior am ganzen peripherischen Saum des Vorderhorns gelagert und gehen ohne Unterbrechung am Winkel zwischen Vorder- und Hinter- horn in den Nucleus sympathieus lateralis inferior über. Die Zellen liegen in Haufen oder lockerer. In dieser lockeren Lagerung sind sie nunmehr über das ganze Vorderhornareal ausgebreitet. Nur die direkte Gegend der Uber die Kerne des menschlichen Rückenmarks. 45 vordern Kommissur ist frei von ihnen. In S.4 ist meiner Ansicht nach das ganze Gebiet des Vorderhorns und der Zwischenzone der grauen Sub- stanz, mit Ausnahme von vorderer und hinterer Kommissur, und ferner die Grenzzone des Hinterhorns zum Seitenstrang ein zentrales Gebiet des Sympathicus. In S.5 vermindern sich die Gruppen und auch die einzelnen zum sympathischen System gehörenden Zellen ganz erheblich. Am lateralen Rande des Vorderhorns und am Winkel zum Hinterhorn trifft man kleinere Gruppen noch am konstantesten. Diejenige am bezeichneten Winkel geht noch bis ins Coceygealmark, vielleicht auch noch einzelne lockere Zellen der ursprünglich medialen Abteilung. Ich habe dieser Beschreibung nichts weiter hinzuzufügen, als daß diese Gruppen bzw. lockeren Zellen des Nucleus sympathicus medialis inferior sieh in den höheren Segmenten gleichsam zwischen andere in der gleichen Zone liegende motorische Kerne und kleinere Zellen zwischendrängen, so daß ein etwas buntes Bild entsteht, dessen Entzifferung zunächst nicht ganz leicht ist. Hat man sich aber erst einmal von der Identität dieser hier gelegenen sympathischen Zellen und Gruppen überzeugt, dann fällt die weitere Verfolgung derselben nicht schwer. Ebenso wie die Grundsubstanz des Nucleus sympathieus cornu lateralis auf Pal-Weigert-Präparaten ein der Substantia gelatinosa Rolando ähnliches Aussehen zeigt, so tut es auch die Grundsubstanz der untern Kerne; besonders an dem unteren lateralen Kern tritt dies sehr deutlich hervor, während es bei dem medialen nur an denjenigen Stellen am medio-ventralen Rande zu sehen ist, wo sich viele Zellen zu einem größeren dichten Haufen zusammengelagert haben. Literatur. Auch die Nuclei sympathiei sind schon Gegenstand viel- facher Untersuchung gewesen; allerdings hauptsächlich wurde die ent- sprechende Zellformation des Seitenhorns erforscht; der Nucleus sympathieus lateralis inferior wird nur von wenigen Autoren mit dem Sympathicus in Beziehung gebracht, den Nucleus medialis inferior scheint vor mir noch keiner als solchen erkannt zu haben. Zuerst finden sich die Zellgruppen des Seitenhorns als besondere Gruppen bei Stilling (a.a. 0.) und bei Lockhart Glarke' hervorgehoben. Stilling sagt: Vom achten Zervikal- ı J.Lockhart Clarke, Further Researches on the Grey Substance of the Spinal cord. Philosoph. Transactions of the Royal Societv of London. Vol. 149. 1859. 46 L. JaAcogBsonn: segment bestehe hier eine neue Gruppe von Nervenzellen an der hinteren seitlichen Grenze des Vorderhorns. Diese Gruppe vergrößere sich in D. ı und vermindere sich von D. 5 abwärts. In D. ı2 seien kaum noch Spuren vom Seitenhorn zu sehen. L. Clarke hatte schon 1851 diese Zellsäule in der Mitte zwischen Vorder- und Hinterhorn beobachtet. Diese Zellsäule wurde von ihm 1859 als »Intermedio-Lateral tract« bezeichnet. Clarke erwähnt das trans- parente Aussehen dieser Zellsäule und ihre Ähnlicheit mit der Substantia gelatinosa des Hinterhorns. Er fand die Gruppe vom oberen Lendenmark bis zum untern Zervikalmark und ferner auch im oberen Zervikalmark, wo wieder ein Seitenhorn auftrete, und von hier aufwärts bis zur Medulla oblongata. Die Zellen des Kerns beschreibt er als spindelförmig, birn- förmig oder dreieckig. Im oberen Dorsalmark sei der Intermedial traet stärker als im unteren. Eine sehr eingehende Beschreibung dieser Zellsäule hat dann Wal- deyer (a.a. 0.) gegeben. Er sagt: Das Eigentümliche dieser Zellen liegt sowohl in ihrer Gestalt wie auch in ihrer Anordnung. Dieselben erscheinen nämlich vielfach nicht so körperlich wie die übrigen Ganglienzellen, son- dern wie bandartig abgeplattet und nach zwei entgegengesetzten Rich- tungen vorzugsweise entwickelt, welches ihnen eine annähernd spindel- förmige Gestalt verleiht. Bezüglich ihrer Anordnung sagt Waldeyer, daß sie gewöhnlich dieht zusammengedrängt liegen. Selbst wenn keine größere Zahl dieser Zellen vorhanden ist, liegen sie häufig zu zweien, dreien oder vieren nahe beisammen; zwischen diesen einzelnen kleinen Gruppen können dann allerdings größere Zwischenräume vorhanden sein. Jedenfalls bilden diese Zellen stets eine besondere Formation im Rückenmark. Waldeyer ist der Ansicht, daß diese Zellen im ganzen Rückenmark vertreten sind, am zahlreichsten allerdings im Brustmark. Im Halsmark und im Lenden- mark fänden sie sich in demjenigen Abschnitt der grauen Substanz, welcher dem Proeessus retieularis als Basis dient, und im Processus retieularis selbst. Sherrington (Journ. of Physiol. 1892) hält es für sehr unsicher, ob (lie Zellen des Processus retieularis mit den Zellen des Traetus intermedio- lateralis identisch sind. Er fand diesen Trakt vom achten Zervikalsegment bis zum dritten Lumbalsegment. Ainsle Hollis hatte sehon 1883 (Journ. of Anat. and Physiol.) die Anordnung der Zellen des Intermedio-Lateral tract in kleinen Haufen be- Uber die Kerne des menschlichen Riickenmarks. 47 obachtet und hatte im mittleren Dorsalmark zwei nebeneinander liegende Gruppen festgestellt. Die Arbeit von A. Bruce', die mir zuging, als meine Untersuchungen schon beendet waren, stellt wohl die ausführliehste Arbeit dar, die bisher über den Intermedio-Lateral traet von Clarke erschienen ist. Bruce meint, daß der Intermedio-Lateral traet in drei Abschnitten des Rückenmarks vor- kommt, ı. in der oberen Zervikalregion, oberhalb von Ü. 4, 2. im unteren Halsmark, im Dorsalmark und im oberen Lendenmark und 3. in der unteren Sakralregion. Der Autor gibt in seiner Arbeit nur eine Beschreibung des unter 2 genannten Abschnitts. Die Zellen dieser Abteilung liegen beson- ders an zwei Stellen: a) im eigentlichen Seitenhorn oder, wo ein Seiten- horn nieht ausgebildet ist, an analogen Stellen, und b) am Rande der grauen Substanz, welche unmittelbar an die Formatio retieularis angrenzt, und in den Balken dieser Formation selbst. Diese beiden Abteilungen be- zeichnet er als »apikale und retikuläre Zellen«. Die retikulären Zellen beginnen etwas weiter kaudalwärts als die apikalen. Beide Abteilungen sind aber nicht ständig getrennt, sondern gehen wiederholentlich ineinander über. Bruce ist der Ansicht, daß das Seitenhorn nieht aus dem seitlichen Teil des Vorderhorns entsteht, sondern daß es eine neue, selbständige For- mation bildet. Die Zellen des Intermedio-Lateral traet sollen bezüglich ihrer Größe zwischen ı2 u und 60 u schwanken. Die Zahl der Zellen einer Seite beträgt nach Zählungen des Autors über 88500. Die Zellen liegen in Gruppen und Haufen, die beiderseits nicht symmetrisch angeordnet sind. Die Zellen sollen vielfach hinsichtlich ihrer Zahl und Form variieren. Bruce glaubt, daß die Gruppenbildungen für jedes Segment charakteristisch wären. Die Gruppen hätten eine segmentale Anordnung, sie schwellen langsam an und ab; diese Anordnung entspreche wahrscheinlich ihrer Funktion. Erwähnt darf vielleicht noch werden, daß Langley (The Autonomie Nervous System. Brain 1903) außer dem Mittelhirn- und Bulbäranteil noch einen thorakalen und einen sakralen Ursprungsbezirk der sympathischen Nervenfasern annimmt. Der erstere umfaßt das erste Thorakal- bis dritte Lumbalsegment, der letztere das zweite bis vierte Sakralsegment. ! Alexander Bruce, Distribution of the cells in the Intermedio-Lateral tract of the Spinal cord. Transactions of the Royal Society of Edinburgh. 1906. 48 L. JACoBsonn: Was den Sakralteil des sympathischen Systems anbetrifft, so ist wohl Waldeyer (a.a. 0.) der erste gewesen, welcher in dem großen Zellkomplex, der hier an der Grenze zwischen Vorder- und Hinterhorn gelegen ist, eine ziemlich zahlreich bevölkerte Gruppe sah, die er, aller- dings mit Vorbehalt, als homolog den Seitenhornzellen bezeichnet. Von neueren Autoren scheint nur Onuf (a. a.0.) den Zelleharakter der Sakral- region differenziert zu haben. In dem Referat über seine Arbeit heißt es: Vom zweiten Sakralsegment abwärts treten zwischen Vorder- und Hinter- horn viele Zellen auf, welche nicht den Charakter der Vorderhornzellen zeigen, teils zerstreut, teils in drei Gruppen, und zwar einer zentralen sowie je einer dorsalen und ventralen lateralen, welche als Repräsentanten der Zellen des (hier nicht als Seitenhorn auftretenden) Traetus intermedio- lateralis betrachtet werden. Auch von anderen Autoren, z.B. R. S. Müller, ist dieser Zellkomplex im Sakralmark eingehend beschrieben worden, aber eine Deutung desselben nach ihrem Zellcharakter finde ich sonst nicht. Über den Nucleus sympathieus meclialis inferior s. lumbo-sacralis finde ich in der Literatur nichts Bestimmtes ausgesagt: nur Onuf erwähnt in S.2 und S.3 eine Zellgruppe X am ventralen Vorderhornrande, deren Zellen zwar auch multipolar sind, aber von kleinerer Gestalt und dichterer Lagerung (vgl. hierzu S. 55 —57). 3. Nuclei magnocellulares cornu posterioris. Unter diesem Namen fasse ich diejenigen Zellgruppen oder vereinzelten Zellen des Hinterhorns zusammen, die sich dureh eine ansehnliche Größe und dunklere Färbung gegenüber der Mehrzahl der Hinterhornzellen herausheben. Die Zellen der Nuclei magnocellulares haben nicht alle die gleiche Größe; es kommen sogar recht erhebliche Unterschiede darin vor, aber sie haben das Gemeinsame, daß sie sich durch ihre Größe aus der Umgebung scharf abheben und dadurch auffallen. Diese Nuclei magnocellulares teile ich nach der Region des Hinter- horns, in welcher sie liegen, ein in: a) Nucleus magnocellularis basalis s. spino-cerebellaris, b) Nucleus magnocellularis centralis, a) apicalis. c) Nucleus magnocellularis pericornualis y ß b) reticularis. Über die Kerne des menschlichen Rückenmarks. 49 a) Nucleus magnocellularis basalis s. spino-cerebellaris. Dieser Kern umfaßt diejenige Zellgruppe an der Basis des Hinter- horns, welche von Stilling als Dorsalkern und nach Clarke als Zell- gruppe der Glarkeschen Säule bekannt ist. Der Name Nucleus (magno- cellularis) spino-cerebellaris entspricht der Bezeichnung des Fasersystems, welches von diesen Zellen zum Kleinhirn führt, welche Fasern zuerst Laura beim Kalbe gesehen hat (zit. nach Waldeyer). Dieser Kern beginnt in 6.8 konstant zu werden. Er bildet dann im ganzen Dorsalmark und im oberen Lendenmark, man kann sagen, die bestbegrenzte und konstanteste großzellige Zellgruppe; er ist am Übergang zwischen Hals- und Brustmark sehr klein, nimmt dann in den folgenden Segmenten allmählich etwas an Umfang zu, erreicht in D. 12 seinen größten Umfang, ist auch noch in L. ı recht stattlich, nimmt dann aber in L. 2 beträchtlich an Zahl der Zellen ab, so daß er in diesem Segment oftmals ein Nest von 2 bis 3 Zellen darstellt. Er zeigt auch in L. 3, wenn auch häufig nur aus ı—2 Zellen bestehend, eine gewisse Konstanz, um sich dann nach kaudal zu allmählich zu ver- lieren. Da er sich in den ebengenannten Rückenmarkssegmenten so scharf hervorhebt, und zwar durch die Art und Größe seiner Zellen, durch seine scharfe Umgrenzung und durch seine ständige Lage im medialen Gebiet der Hinterhornbasis bzw. angrenzenden Gebiet des Confluens cornuum, so sei hier von einer eingehenden Schilderung abgesehen und auf die Figuren 0.5 —-L. 3 verwiesen. Nur einzelne Besonderheiten möchte ich herausheben. Die Zellen des Kerns, welche auf dem Querschnitt in der Mehrzahl eine traubenförmige Gestalt haben, zeigen eine etwas homogenere Struktur, verglichen mit den großen multipolaren Zellen des Vorderhorns, denen sie an Größe recht oft, besonders in den kaudaleren Abschnitten des Rücken- marks, ziemlich nahe kommen. Die Zellen sind sehr pigmentreich; sie liegen gewöhnlich in einer gut umgrenzten kreisförmigen oder ovoiden Gruppe zusammen, doch kommen Abspaltungen kleinerer Abteilungen nach vorn und besonders nach hinten zu vor. Diese Abspaltungen sind im unteren Dorsal- und oberen Lendenmark häufiger. Dort, wo der Kern klein ist, liegt er fast in der Mitte der Hinterhornbasis, bald ein wenig mehr ventral, bald etwas weiter dorsal zu. In denjenigen Segmenten, in welchen der Kern beträchtlich groß ist, liegt er dem seitlichen Teil der Phys.-math. Classe. 1908. Anhang. Abh. 1. 7 50 L. JAcosBsonns: Hinterstrangskuppe direkt an und wölbt den medialen Rand des Hinter- horns in diese Kuppe aus. In einer Anzahl von Schnitten von D. ı2 und L.ı war ein Teil der Zellen dieses Kerns aus der grauen Substanz in den Hinterstrang ausgetreten. Dieser ausgetretene Teil lag entweder als ein kleiner Kern dem Stammteil dicht an (D. ı2), oder aber es waren vereinzelte Zellen eine beträchtliche Strecke in den Hinterstrang ausgelaufen (L. 1). Immer aber lagen diese Zellen nicht einfach frei in der weißßen Substanz, sondern, wie es in L. ı angedeutet ist, auf, wenn auch noch so schmalen, Streifen grauer Substanz. Die Zellen des Kerns liegen wie in einem Neste. Dies rührt daher, daß die Gliakerne in seinem Bezirk außerordentlich zahlreich sind, während rings um ihn eine schmale, an Gliakernen arme Zone herum- liegt. Oftmals wird er an seiner dorsalen Hälfte von ganz kleinen strich- artigen Zellen wie eingekreist. Der Umfang (des Kerns kann auf den ein- zelnen Sehnitten, besonders in den oberen Dorsalsegmenten, recht schwankend sein; mitunter ist er im oberen Teil eines Segmentes klein, während er im unteren anschwillt. In den Regionen von 0.8 bis L. ı kommen nie größere Unterbrechungen vor. Während er im ersten Dorsalsegment eine kleine Gruppe von 3 bis 4 Zellen bildet, ist er in der Mitte des Brustmarks schon zu einer solchen von 10 bis 15 angewachsen, und inD. ı2, wo er am stärksten ist, enthält er 20 Zellen und mehr. Er ist häufig von kleinen Zellen um- geben, die ihn oft wie Satelliten umkreisen. Die Größe der Zellen des Kerns nimmt nach kaudal an Umfang erheblich zu. Ich möchte dann noch ein paar Worte über das Vorkommen des Kerns im Zervikal- und Lumbosakralmark hinzufügen. In der Mehrzahl der Zer- vikalsegmente findet man gelegentlich auf einzelnen Sehnitten in der Basis des Hinterhorns oder ein wenig weiter ventral eine oder zwei Zellen, welche in ihrer Größe und Form den Zellen des genannten Kerns gleichen. In C.3 scheint er etwas konstanter zu sein. Ich sage mit Absicht »scheint«; denn die Zellgruppe, welche hier ungefähr in der genannten Gegend liegt, tritt durch zwei Zelltypen hervor. Der eine Typus wird von Zellen mittlerer Größe gebildet, und diese Zellen haben eine rundliche ballonartige Gestalt; sie waren auch schon zeitweilig in dieser Gegend von ©. ı und Ü. 2 zu sehen und gleichen den Zellen der Hinterstrangskerne, nur daß sie vielleicht ein wenig größer sind. Sie finden sich hier in C.3 öfters in der Zahl von 2 bis 4. Außer diesen Zellen enthält die genannte Gruppe in (. 3 recht oft einzelne Zellen, welche an Größe und Form den multipolaren Zellen des Über die Kerne des menschlichen Rückenmarks. 51 Vorderhorns nahekommen. Es ist nun recht schwer, zu entscheiden, ob der eine oder andere Typus demjenigen des Kerns in den unteren Rücken- markssegmenten entspricht; ich möchte mich eher für die zuletzt genannten Zellen entscheiden. Von L.4 ab verliert der Kern seine Konstanz. Schon in der obern Lumbalregion hatten sich öfters einzelne Zellen bis in den Hals des Hinterhorns abgesplittert. Jetzt trifft man die vereinzelten Zellen mehrfach in dieser Gegend. Sie vermengen sich hier mit anderen großen Zellen, die in den unteren Rückenmarkssegmenten recht zahlreich im Zentrum des Hinterhorns liegen. Aus diesem Grunde ist es unmöglich, die untere Grenze der Kernsäule genau anzugeben. Der eben beschriebene Nucleus magnocellularis basalis cornu posterioris, s. Nucleus spino-cerebellaris ist zuerst von B. Stilling (a.a.0.) eingehend beschrieben worden. Er bezeichnete ihn seiner Lage wegen als Dorsalkern. Er konnte ihn vom oberen Halsmark (C. 3, Zervikalkern) bis zum dritten Lumbalsegment (Lumbalkern) verfolgen. Stilling erwähnt auch seine fortschreitende Vergrößerung nach unten bis zum elften Dorsal- segment, wo er ihn auffallend entwickelt fand. Er läßt ihn in L. 3 enden. L. Clarke sagt in seiner ausführlichen Mitteilung (1859), dal die innere oder mediane Hälfte des Cervix cornu posterioris von einer deut- lichen Längssäule von Zellen besetzt sei» welche in der Dorsalregion nahezu zylindrisch oder oval ist. Diese Säule hatte er schon früher als » Posterior vesieular columns« hezeichnet. Die Zellen dieser Kerngruppe beschreibt er als oval oder birnförmig, spindel- oder sternförmig; sie differieren sehr in ihrer Größe. Im Längsschnitt erscheinen sie fast alle spindelförmig. Oben soll diese Säule in der Mitte der Halsanschwellung verschwinden, in 6.3 aber eine ähnliche Formation erscheinen, die bis C. ı zu verfolgen ist. Im Lendenmark sei die Säule nicht mehr so scharf umschrieben. Schroeder van der Kolk' erwähnt diese Zellgruppe auch, er glaubt, daß sie in Verbindung mit der hinteren Kommissur steht. Auch Fr. Mott” hat die Clarkeschen Säulen genau beschrieben und die des Menschen mit denen beim Hunde und bei Cebus verglichen. ! Schroeder van der Kolk, Bau und Funktionen der Medulla spinalis und oblon- gata und nächste Ursache und rationelle Behandlung der Epilepsie. Aus dem Holländischen übersetzt von Fr. W. Theile, Braunschweig 1359. ® Frederich Mott, Microscopical examination of Clarke's column in man, the monkey and the dog. The Journ. of Anat. and Physiology. Vol. 22, 1888. 52 L. Jacossonn: Waldeyer (a. a. 0.) bemerkt, daß die Stillingschen Zellen nur im- Dorsal- und oberen Lendenmark eine größere Gruppe bilden, daß sie aber in der ganzen Länge des Rückenmarks vertreten wären. Im oberen Halsmark sähe man fast auf jedem Querschnitt 1—3 dieser Zellen, im untersten Lenden- mark und im oberen Sakralmark wären sie wieder vereinzelt. Im mittleren und unteren Sakralmark bilden sie wieder einen größeren, gut abgegrenzten Kern, der sich bis zum Steißnervengebiete erhält. Unter den Zellen des Kerns wären viele multipolare. Die weitere Forschung hat sich weniger mit der Gruppenbildung dieser Zellen als mit dem Verlauf der mit diesen Zellen in Verbindung stehen- den Fasern (Hinterwurzelfasern, Kleinhirnseitenstrangbahn) beschäftigt, wobei natürlich auch die Kerngruppe selbst noch eingehende Beschreibung fand. b) Nucleus magnocellularis eentralis cornu posterioris. Die Zellen, welehe ich in dieser Abteilung zusammenfasse, sind in allen Rückenmarkssegmenten zu sehen. Sie liegen in demjenigen Teil des Hinterhorns, welcher sich zwischen Basis und Substantia gelatinosa be- findet, also im sogenannten Öervix und Caput eornu posterioris. Die Zellen sind entweder von etwas mehr als mittlerer Größe und dann sehr oft spindelförmig und mit der Längsachse sagittal gestellt, oder sie erreichen die Größe der multipolaren Vorderhornzellen und zeigen dann auch eine breitere Form mit vielen Fortsätzen. Beide Arten sind in Nißlschen Präparaten tiefblau gefärbt und heben sich scharf aus der Umgebung ab. Während sie im Halsmark wechselnd in der Zahl sind, ohne gerade zahl- reich zu sein, und im Dorsalmark recht spärlich sind, nehmen sie im Lumbosakralmark erheblich an Zahl zu, so daß sie hier einen wirklichen Kern bilden. Im Zervikalmark liegen sie entweder reihenförmig in sagittaler Riehtung im Zentralgebiet des Hinterhorns, oder aber sie bilden mitunter eine Art Perlenkette nahe am inneren Rande der Substantia gelatinosa. Im Dorsalmark zeigen sie ein ähnliches Verhalten. Dabei sind sie bald mehr dem lateralen, bald mehr dem medialen Rande des Hinterhorns genähert. Im unteren Dorsalmark und im oberen Lendenmark spalten sich, wie vorher erwähnt wurde, zuweilen einzelne Zellen vom Nucleus magno- cellularis basalis ab und verlieren sich etwas im Üervix. Dasselbe trifft zu in noch weiter kaudalen Segmenten, wo ein geschlossener Nucleus spino- Über die Kerne des menschlichen Rückenmarks. 53 cerbellaris nicht mehr vorhanden ist. Gewöhnlich gelingt es doch, beide Zellarten voneinander zu trennen, indem diejenigen der basalen Abteilungen mehr traubenförmige Gestalt haben, auch etwas homogener im Innern aus- sehen, während die Zellen der zentralen Abteilung spindelförmig von lang- gestreckter schmaler Form oder stark polygonal sind. Ich glaube deshalb auch nicht, daß die zentrale Abteilung nur eine Fortsetzung der basalen ist, sondern daß sie eine selbständige Gruppe darstellt. Diese zentrale Abteilung nimmt nun vom oberen Lendenmark an Zahl der Zellen beträchtlich zu und bildet hier einen wirklichen Kern. Natürlich wechselt die Zahl der Zellen auf den einzelnen Schnitten fortdauernd. Man trifft Schnitte, wo man eventuell gar keine solche Zelle wahrnehmen kann, und anderseits solche, wo 5—6 große Zellen in dieser Gegend liegen. Im oberen und mittleren Sakralmark wird diese Gruppe noch größer und umfaßt mit der Verbreiterung und Vergrößerung des Caput cornu posterioris auch ein größeres Gebiet. Im unteren Sakralmark ist die Zahl der Zellen wieder geringer, um weiter abwärts nur durch einzelne Zellen repräsentiert zu werden. Zu welchem Fasersystem diese Zellen Beziehungen haben, ist zur Zeit noch unbekannt. Diese großen Zellen des Zentralteils des Hinterhorns sind von ver- schiedenen Autoren, Stilling, Schroeder van der Kolk, Clarke, Koelliker (Handbuch der Gewebelehre), Waldeyer, Ziehen u.a. gesehen und erwähnt worden. Speziell erwähnt Waldeyer im Sakralmark eine hinter den Stillingschen Kernen gelegene Gruppe von großen und blassen Zellen. Ziehen sagt bezüglich dieser Zellen: »Die größten Zellen des Hinterhornkopfes schließen sich unmittelbar an die laterale Zellgruppe des Zwischenteils an und lassen sich, spärlicher werdend, bis an den hinter- sten Rand des Hinterhornkopfes verfolgen. « e) Nucleus magnocellularis pericornualis. Um diese Zellschicht zu verstehen, ist es vielleicht angebracht, ebenso wie es bei Beschreibung des Nucleus sympathieus cornu lateralis geschah, zuerst Präparate, die nach Weigert-Pal gefärbt sind, zu betrachten. Auf solehen Sehnitten sieht man, daß der dorsale Teil des Hinterhorns, welcher zwischen Öervix und der Lissauer-Waldeyerschen Randzone gelegen ist, aus drei Abschnitten besteht, von denen der immer weiter dorsal be- 54 L. Jacogsonn: findliche den ventral vor ihm liegenden bogenförmig umgibt. Bedarf es bei der Substantia gelatinosa Rolando nur eines Blickes, um zu sehen, daß sie den Kern des Hinterhorns schalenartig einfaßt, so kann man dies Verhalten bei der sogenannten Hinterhornspitze gegenüber der Substantia gelatinosa erst bei schärferem Zusehen erkennen. Noch verhältnismäßig leicht ist dies im unteren Teil des Rückenmarks zu sehen. Hier existiert keine eigentliche Hinterhornspitze, sondern die dorsalste Zone des kolbig verdiekten Hinterhorns legt sich als schmaler Saum halbkreisförmig um die Substantia gelatinosa herum. Im Hals- und oberen Lendenmark und noch mehr im Dorsalmark ziehen sich die drei eben genannten Abteilungen des Hinterhorns nach dorsal stark aus, wobei natürlich die äußerste Schicht die stärkste Zuspitzung erfahren muß. Indessen erkennt man eben bei genauerer Betrachtung dieser Spitze, daß sie beim Ansatz an die Substantia gelatinosa sich gabelartig teilt und mit diesen beiden, wenn auch recht schmalen Gabeln die Rolandosche Substanz einfaßt. Diese beiden Schenkel der Gabel sind im Zervikalmark und im Lendenmark etwas breiter als im Dorsalmark und gewinnen im Sakralmark ihre Hauptstärke, insofern dort die Spitze durch die Abrundung des Hinterhorns sich nivelliert und die sonst in der Spitze gelegene Substanz gleichsam in die beiden Schenkel der Gabel überfließt. Zu erwähnen ist dann noch, daß der äußere Schenkel der Gabel sich im Processus reticularis des Hinterhorns verliert. Diese äußerste Schicht nun, welehe um die Substantia gelatinosa Ro- lando herum liegt und lateral in den Processus reticularis übergeht, ist der Träger von einzelnen verschieden großen Nervenzellen. Es sind also nicht diejenigen Zellen dieser Schicht gemeint, die sich als Absprengungen der Substantia gelatinosa finden, sondern es liegen Elemente in dieser Schicht, die durch ihre Form und Größe und auch durch ihre Besonderheit, daß sie vielfach vereinzelt reihenartig liegen, hervortreten. Waldeyer nannte sie sehr zutreffend »Marginalzellen«. Die hier liegenden Zellen sind von zwei- facher Größe, entweder sie haben die Größe der sogenannten Mittelzellen, oder es sind recht bedeutende Elemente, die in einzelnen Fällen den großen multipolaren Zellen recht nahe kommen können. Zwischen diesen beiden For- men existieren natürlich Übergänge. Vielfach sind sie bipolar langgestreckt, wobei sie sich oft besonders im unteren Teil des Rückenmarks der Peripherie der Substantia gelatinosa anschmiegen. Während sich nun diese Zellen in den beiden Schenkeln der Gabel, besonders dem inneren, vereinzelt finden Uber die Kerne des menschlichen Rückenmarks. 55 (mit Ausnahme des unteren Sakralgebiets), sind sie oftmals in der Spitze oder in dem der Spitze analogen Teil des peripherischen Hinterhornsaums zu einer kleinen Gruppe vereinigt. Diese letztere Gruppe kann man daher als Spitzengruppe Nucleus magnocellularis apicalis cornu poste- rioris bezeichnen. Sie tritt, je weiter man die Segmente des Rücken- marks abwärts verfolgt, um so deutlicher hervor. Sie ist im Lumbalmark recht markant, es finden sich hier Ansammlungen von größeren Zellen in der Zahl von 4 bis 8, die außerdem durch ihre dunkle Farbe auf dem hellen Untergrunde sich plastisch herausheben und oft dieht zusammen- liegen. Aber auch in solchen Präparaten sind die Zellen nicht ganz auf die Hinterhornspitze beschränkt, sondern verlieren sich einzeln in den beiden Schenkeln der Außenschicht, vornehmlich in dem äußeren Schenkel, wo sie dann von analogen Zellen der Substantia reticularis des Hinter- horns nicht zu trennen sind. Mehrfach findet man auch, daß die Spitze des Hinterhorns von solchen Zellen vollkommen frei ist, und daß sie nur im Außenschenkel bzw. in der Substantia retieularis des Hinterhorns liegen. In solchen Fällen kann man von einem Nucleus magnocellularis retieularis cornu posterioris sprechen. In der Mehrzahl der Fälle kommen sie aber in beiden Schenkeln oder bald in einem, bald in dem ande- ren vor, weshalb die Bezeichnung »pericornualis« wohl mehr angebracht ist. Besonders im Sakralteil ist dies der Fall, wo wie erwähnt, keine eigentliche Hinterhornspitze existiert, sondern eine gleichmäßig schmale Außenschicht. Hatten diese Zellen schon im Lumbalteil zugenommen, so ist das noch in stärkerem Maße im Sakralmark der Fall, wo man sie nicht selten in der Zahl von 6—ıo antreffen kann. Zunächst in S.ı über- wiegen noch die Zellen des ursprünglichen Spitzenteils gegenüber den- jJenigen der äußeren retikulären Randzone des Hinterhorns, dann aber von S.2—S.4 ist das Verhältnis umgekehrt. Hier in S.2—S.4 liegen in dieser Randzone ungemein viele Zellen von stattlicher Größe, die polygonale, aber meist etwas in sagittaler Rich- tung gestreekte Form haben, die außerordentlich dunkel gefärbt sind und die sich von dieser Außenschicht des Hinterhorns nach dem Winkel zum Vorderhorn ergießen. Diese ganze Zellformation bildet hier einen spitzen Keil, dessen schmale Basis dem genannten Winkel aufliegt. An diesem Winkel stößt nun die genannte Zellformation mit dem vorher geschilderten Nucleus sympathieus lateralis inferior s. sacralis zusammen und überflutet 6 L. JAcogBsonn: ihn in der Weise, daß sich ihre Zellen auch ins Innere der grauen Sub- stanz hinein ergielien. Beide Zellarten imponieren zunächst als ein ge- meinsamer Kern. Indessen die Zellen der retikulären Schicht des Hinter- horns zeichnen sich vielfach durch besondere Größe, durch ihre oft langen Fortsätze vor den Zellen des sympathischen Kerns aus, so daß ich sie beide nicht für gleich halte, wenn ich auch glaube, daß sie wahrscheinlich in naher Beziehung zueinander stehen. Schließlich sei noch erwähnt, daß der vorher beschriebene großzellige Zentralkern des Hinterhorns mit seinen Zellen oftmals so nahe an die laterale Außenschicht des Horns herankommt, daß ein fließender Übergang zwischen ihm und den Zellen der retikulären Substanz eintreten kann. Diese eben geschilderten Zellen der Außenschicht des Hinterhorns sind wohl zuerst von Waldeyer (a. a. O.) eingehend beschrieben worden, der ihnen, wie erwähnt, den Namen »Marginalzellen« beilegte. Wenn ich einen anderen Namen gewählt habe, so geschah es nur, weil mir die Zusammenfassung sämtlicher großen Zellen des Hinterhorns unter einem ge- meinsamen Namen und die Einteilung derselben nach bestimmten Regionen zweckmäßiger erschien. Daß zwischen den Zellen dieser Regionen auch ge- legentlich durch einzelne Zellen gleichsam Übergänge vermittelt werden, bedarf keiner besonderen Erwähnung. Auch die früheren Autoren haben schon große Zellen in den ein- zelnen Teilen des Hinterhorns gesehen, besonders im Sakralteil, wo sie vielleicht am auffälligsten sind. Der erste, der den »Sakralkern«, d. h. die am Winkel zwischen Vorder- und Hinterhorn gelegene große Zellansammlung gesehen und seine Stelle in den Abbildungen deutlich markiert hat, war wohl wiederum Stilling (a.a.0.). Die Stelle, welche dieser ausgezeichnete Forscher in S. 3 angibt, ferner die Beschreibung, daß sie nach hinten und innen von den großen multipolaren Zellen des Vorderhorns gelegen ist, läßt wohl keine andere Deutung zu. Clarke (a. a. 0.) erwähnt in S.2 einen Kern, den er zunächst als das unterste Ende seiner Posterior vesicular columns gehalten hat, den er aber dann mit Stilling als einen besonderen Kern hält. Unterhalb von S.2 soll er verschwinden; er glaubt, daß dieser Kern in Verbindung mit den vorderen Wurzeln stehe. Clarke erwähnt auch noch das Vorkommen von großen Zellen in der Außenschicht des Hinterhorns. Uber die Kerne des menschlichen Rückenmarks. 57 Waldeyer hat dann (a. a. 0.) in dem großen seitlichen Zellkomplex des Sakralmarks einzelne Abteilungen unterschieden. Er beschreibt fol- gende Abteilungen dieser Zellmasse am Winkel zwischen Vorder- und Hinterhorn: ı. Eine ziemlich zahlreich bevölkerte Gruppe in der Gegend der Einbiegung zwischen Vorder- und Hinterhorn, welche W. mit Vorbe- halt für homolog den Seitenhornzellen hält (vgl.S.48). 2. Eine dem Stilling- schen Dorsalkern entsprechende starke Zellengruppe, welche schon in S. 3 auftritt. Die Ganglienkörper hier gleichen nach Ansicht von W. in ihrer umgrenzten Gruppierung und in ihrer mehr rundlichen Form durchaus den Stillingschen Zellen, sind aber durchschnittlich etwas kleiner. 3. Eine neue nicht ohne weiteres an früher beschriebene anschließende Zellengruppe unmittelbar nach hinten und lateralwärts von dem Stilling- schen Herde. Die Zellen dieser Gruppe sind größer als die des Stilling- schen Herdes, jedoch blaß mit sehr fein granuliertem Protoplasma und führen auffallend große runde Kerne. Vor und hinter dieser Gruppe liegen einzelne größere Zellen von gewöhnlicher polykloner Form. Aus dieser Beschreibung geht hervor, daß der Autor einzelne Kerne am Winkel zwischen Vorder- und Hinterhorn und in nächster Umgebung der grauen Substanz gesehen hat, die er für selbständig hielt, die aber, wie man auf einer Schnittserie erkennt, zusammenfließen zu der großen hier am Winkel befindlichen Zellenansammlung. Als letzter, der eine ausführliche Beschreibung des seitlichen Zell- komplexes des Sakralmarks gegeben hat, sei R. L. Müller' angeführt. Er erwähnt, daß an der Übergangsstelle zwischen Vorderhorn und Hinter- horn neue Gruppen von Ganglienzellen auftreten. Diese Zellen sind multi- polar und relativ groß, erreichen aber doch nicht den Umfang der moto- rischen Zellen. Im oberen Teil des Conus medullaris stehen die Zellen nicht so dieht wie im unteren; besonders zahlreich sind die Zellen dort, wo diese intermediäre Zone an die Seitenstränge angrenzt, aber auch entlang dem lateralen Rande des Hinterhorns sind noch Ganglienzellen angeordnet, ebenso auch am medialen. In diesem das Vorder- vom Hinterhorn trennenden Kranz von Zellen stehen die Ganglienzellen hier und dort zu dichteren Gruppen zusammengedrängt. Diese Zellen reichen bis zum untersten® Teil des Konus herab. ! R.L. Müller, Untersuchungen über die Anatomie und Pathologie des untersten Rückenmarksabschnittes. Deutsche Zeitschrift für Nervenheilkunde. Bd. XIV. 1899. Phys.-math. Classe. 1908. Anhang. Abh. 1. s 58 L. JACOBSOouNn: 4. Nucleus sensibilis proprius. Unter den hervorstechenden Zellformationen des Hinterhorns ist endlich noch diejenige der Substantia gelatinosa des Ilinterhorns zu er- wähnen. Dieselbe ist die konstanteste Zellsäule des ganzen Rückenmarks; sie geht in vollkommen kontinuierlichem Laufe durch das ganze Rücken- mark hindurch, setzt sich aufwärts in den Kern der absteigenden Trigeminuswurzel fort und endigt in dem sensiblen Kern des genannten Hirnnerven selbst. Ihre wechselnde Form und Größe ist auf den Zeich- nungen der einzelnen Rückenmarkssegmente dargestellt. Sie ist im Dorsal- mark schlank, scehwillt im Hals- und Lumbalmark an und erreicht im ersten Halssegment und im Sakralmark ihre größte Ausdehnung. Er- wähnenswert ist, daß sich im Sakralmark ein kleiner Bezirk ihres äußeren Schenkels an seinem ventralen Ende etwas abspaltet und dadurch häufig den Eindruck eines besonderen Kernes macht. Von den Zellen dieser Zellsäule sind kleine polygonale, zart gefärbte, ferner vereinzelte größere polygonale und kleine rundliche, tiefdunkel gefärbte zu erwähnen. Letztere sind für diese Substanz charakteristisch. Sie sind von Waldeyer als Gierkesche Zellen bezeichnet worden nach dem Autor, der sie zu- erst beschrieben hat!. Da diese Zellsäule auf jedem Schnitt plastisch hervortritt und gut abgrenzbar ist, so erübrigt sich eine weitere Be- schreibung und es sollen nur ein paar Worte zur Begründung der gewähl- ten Bezeichnung » Nucleus sensibilis proprius« hinzugefügt werden. Von den Fasern der hinteren Wurzeln tragen nur ein Teil den sensiblen Reiz zu solehen Elementen des Rückenmarks, von denen er weiter durch höhergelegene Stationen bis zur Hirnrinde gelangt. Diese ganze Bahn ist die eigentliche sensible, und diejenigen Kerne, welche in diese Bahn bis zur Rinde eingeschaltet sind, können als eigentliche sensible Kerne be- zeichnet werden. Diesen Kern bildet meiner Ansicht nach im Rückenmark allein die Substantia gelatinosa. Die anderen Fasern der hinteren Wurzeln führen den sensiblen Reiz auf Zellelemente des Rückenmarks der ver- schiedensten Form, Größe, Lagerung usw., die dann mit sensibler Leitung im eigentlichen Sinne nichts mehr zu tun haben, sondern nur der Aus- . ı H.Gierke, Die Stützsubstanz des Zentralnervensystems Teil II. Arch. f. mikro- skop. Anatomie Bd. 26, S. 144. Li Uber die Kerne des menschlichen Rückenmarks. 59 lösung der verschiedenartigsten Reflexerscheinungen dienen. Daß die Sub- stantia gelatinosa diejenigen Zellelemente trägt, die den sensiblen Reiz zur Rinde weiterleiten, scheint mir einmal daraus hervorzugehen, daß die analoge Substanz, welche die absteigende Quintuswurzel begleitet, fast nur aus diesen Elementen besteht, ebenso der sensible Kern der in den Pons ein- strahlenden sensiblen Trigeminuswurzel selbst, und daß schließlich auch die Kerne der Gollschen und Burdachschen Stränge, von denen die Schleifenbahn zur Hirnrinde läuft, sehr ähnliche Elemente, wie es die Gierkeschen Zellen sind, enthält. Aus diesen Gründen habe ich diese Zellformation als Nucleus sensibilis proprius medullae spinalis bezeichnet. 5. Traetus eellularum. Während nun bei Durehsicht einer solchen vollständigen Schnittserie dureh das menschliche Rückenmark die Feststellung der im vorstehenden geschilderten Zellgruppen keine allzu großen Schwierigkeiten darbietet, so ist bei den übrigen Zellen von mittlerer und kleiner Gestalt, und das ist bei weitem die Mehrzahl, eine einigermaßen befriedigende Einteilung auf Grund der uns zur Zeit zur Verfügung stehenden Methoden nicht möglich. Auch die Nißlsche Methode bringt hier noch nicht die wünschens- werte Klarheit. Es liegt das daran, daß diese Zellen von wechselnder Gestalt und Form keine Gruppen bilden, sondern regellos über die ganze graue Substanz zerstreut erscheinen. Und wenn auch auf diesem oder jenem Schnitt ein Gruppenbild dieser Zellen zu entstehen scheint, so ist es auf dem nächsten schon wieder anders, so dal das Bild der Lagerung dieser Zellen dauernd wechselt. Trotzdem läßt sich meiner Meinung nach eine gewisse, wenn auch, wie ich gern zugestehen will, unvollkommene Ein- teilung dieser Zellen geben. Diese Zellen machen nämlich auf vielen, ziemlich regelmäßig wiederkehrenden Schnitten den Eindruck, als ob sie sich wie in einer leidlich umgrenzten Marschkolonne in einer bestimmten Richtung und auf einer gegebenen Landstraße fortbewegten. In solcher Kolonne haben dann auch gewöhnlich die Zellen eine ähnliche Gestalt und Größe. Durch solche regelmäßig wiederkehrende Bilder veranlaßt, möchte ich die übrigen Zellen von mittlerer und kleinerer Gestalt, soweit sie nicht schon im vorhergehenden gruppiert sind, in Zellzüge, Traetus cellularum, einteilen. Obwohl ich gern zugebe, daß es besser ist, den Namen »tractus« S+ 60 L. JAcogsonx: für Faserzüge zu reservieren, so empfehle ich doch, bis auf weiteres diesen Namen zu gebrauchen, da er den auf den Schnitten dem Beschauer ent- gegentretenden Bildern am ehesten gerecht zu werden scheint. Von solehen Zellzügen kann man im Rückenmark des Menschen drei unterscheiden (vgl. Taf. IX): a) Traetus cellularum medio-ventralis, b) Traetus cellularum medio-dorsalis, ec) Traetus cellularum intercornualis lateralis. Diese drei Züge treffen an der Übergangsstelle des Vorder- und Hinter- horns zusammen und vermischen sich hier mehr oder weniger. Diesen Zusammenfluß der Zellelemente in diesem Teil möchte ich als den Gon- fluens substantiae griseae bezeichnen. a) Traetus eellularum medio-ventralis. Dieser Zug von Zellen liegt in der medialen Randzone des Vorderhorns. Er läuft dem medialen Vorderhornrande parallel und erstreckt sich von der medio-ventralen Ecke des Horns bis zur vorderen Kommissur. Er bildet oft ein spitzdreieckiges Areal, das mit der Basis dem ventralen Rande des Vorderhorns und mit der Spitze der vorderen Kommissur zu- gewandt ist. Dort, wo die medialen Gruppen des Vorderhorns gut aus- gebildet sind, tritt er an Umfang zurück, ebenso ist er spärlich im ganzen Dorsalmark. Sonst kann er zeitweilig recht beträchtlich sein. Er erreicht seine Hauptstärke im Lumbosakralmark, hier kann er sich auch noch weit am ventralen Rande des Vorderhorns entlang ziehen; an die vordere Kom- missur angelangt, verschmälert er sich oft und biegt in die Kommissur ein, in welcher er sich mit einzelnen stäbchenförmigen, oft recht lang- gestreekten Zellen verliert. Die Mehrzahl der Zellen, die im ventralen Gebiet der Kommissurgegend (also der weißen und dem angrenzenden Teil der grauen) liegen, gehören entweder diesem Zuge an, oder es sind weit in die weiße Kommissur vorgeschobene große multipolare Zellen der media- len motorischen Zellgruppen. Nach lateral zu sprüht dieser Zellzug oft etwas ins Zentrum des Vorderhorns oder in den Confluens substantiae griseae aus. Er setzt sich von den drei genannten Zellzügen am wenigsten scharf ab, am besten noch im unteren Gebiet des Rückenmarks. Vom fünften Lendensegment abwärts wird er vielfach von Zellen des sym- pathischen Systems gebildet (s. weiter oben). Die Zellen des Traetus medio- Über die Kerne des menschlichen Rückenmarks. 61 ventralis sind verschiedenartig gestaltet. In der Mehrzahl sind sie von mittlerer Größe, vielfach von schlanker, gestreckter Form mit der Längsachse der Kommissur zugerichtet. Wahrscheinlich schicken die Zellen dieses Zuges zum über wiegenden Teil Fortsätze in die vordere Kommissur. An manchen Stellen sind den Zellen von etwas hellerem Farbenton locker liegende, dunkel aussehende Elemente beigemischt: Am stärksten tritt das im Gebiet des Nucleus sympathieus medialis inferior hervor. b) Traetus eellularum medio-dorsalis. Dieser Zellzug ist wohl räumlich der kleinste von den dreien; in- dessen, da er vorwiegend kleine Elemente enthält, muß man in der Schätzung vorsichtig sein. Er wird nur im Lumbosakralmark beträchtlich. Er zieht sich vom medialen Schenkel der Substantia gelatinosa am medialen Rande des Hinterhorns entlang und endet hinter dem Zentralkanal. Er wird im unteren Rückenmarksabschnitt besonders breit. In allen Gegenden, wo ein deutlicher Nucleus spino-cerebellaris ausgebildet ist, wird er durch letzteren in zwei Teile gespalten, in einen dorsalen, der im medialen Ab- schnitt des Hinterhornhalses liegt, und in einen ventralen, der etwas ventral bzw. medial vom genannten Kern sich befindet. Im Hinterhorn bildet er oft nur einen ganz schmalen, am medialen Rande befindlichen Saum, nur im Lumbosakralmark wird er, wie schon gesagt, erheblich breiter und ist von Zellen reich bevölkert. Er besteht zum überwiegenden Teil aus kleinen polygonalen oder rundlichen Zellen. Dort, wo diese Zellen den Nucleus spino-cerebellaris treffen, platten sie sich häufig stäbehenartig ab und um- kreisen den genannten Kern. Ausdrücklich sei erwähnt, daß sich in diesen Zug auch zeitweilig Zellen von mittlerer Größe mischen, aber das, was dem Zellzuge den Charakter gibt, besonders gegenüber dem gleich zu be- schreibenden lateralen Zellzuge, das ist die Vielheit der in ihm gelegenen kleineren Zellelemente. Von diesem Zellzuge geht am Confluens substantiae griseae auch ein Teil in der Richtung zur vorderen Kommissur bzw. ver- mischt sich mit dem vorher beschriebenen medio-ventralen Zellzuge. ce) Traetus eellularum intereornualis lateralis. Dieser Zellzug ist der mächtigste von den dreien und der prägnan- teste. Er entspringt gleichsam vom ventralen Endpunkt des äußeren Schenkels der Substantia gelatinosa, hält alsdann gewöhnlich die äußeren 62 L. JACcoBsoun: zwei Drittel des Hinterhorns und die ganze Formatio reticularis besetzt und strahlt am Winkel zwischen Hinter- und Vorderhorn in letzteres hin- ein. Hierbei gabelt er sich oft in dreifacher Art. Der eine Schenkel der Gabel zieht am lateralen Rande des Vorderhorns entlang, der andere er- gießt sich direkt ins Zentrum des Vorderhorns, und der dritte strebt in der Richtung zur vorderen Kommissur. Was diesem Zellzuge gegenüber dem vorigen das Charakteristische gibt, das sind die Mittelzellen von etwas größerer Form, die vielfach recht dunkel gefärbt sind und in der Mehrzahl spindelförmige oder spitz drei- eckige Gestalt haben. Am Winkel zwischen Vorder- und Hinterhorn bil- det dieser Zug oftmals einen Sammelpunkt, wo die Zellen sich mehr an- häufen. Diese Anhäufung hat gewöhnlich die Gestalt eines Dreiecks mit nach innen (zur Kommissur) gerichteter Spitze. Man trifft, wie gesagt, diese Ansammlung hier recht oft und ist eventuell geneigt, sie als einen be- sonderen dreieckigen Kern anzusprechen; indessen, da sich doch zu viele Variationen finden und das Bild dieser Ansammlung zu schnell wechselt, so habe ich davon abgesehen. Erwähnenswert ist, daß dieht vor dem genannten Winkel bzw. noch in seinem Bereich im Dorsalmark die prä- angulare Gruppe des Nucleus sympathieus cornu lateralis liegt, und daß leieht Verwechselungen dieser beiden Zellansammlungen vorkommen können. Indessen die Zellen des interkornualen Zellzuges sind lockerer gelagert und auch von vielgestaltiger Form und Struktur, verglichen mit den Zellan- sammlungen des Nucleus sympathieus. In diesen Zellzug sind auch diejenigen Zellen mit eingerechnet, die sich am ganzen Processus reticularis des lateralen Vorderhornrandes und besonders auch des Hinterhornrandes entlang lagern (die des sympathischen Systems natürlich ausgenommen). Ausdrücklich sei auch hier erwähnt, daß dieser Zug nicht ausschließlich größere Mittelzellen enthält, sondern auch zahlreiche kleinere Elemente, ja daß mitunter ein regel- mäßiger Turnus sich vollzieht, indem auf einer Reihe von folgenden Schnitten der Zug vorwiegend aus kleineren Zellelementen besteht, und dann auf den weiterfolgenden aus vorwiegend etwas größeren Elementen. In €. 1 tritt außerordentlich deutlich der interkornuale Zug heraus. Er teilt sich hier durch die Abspaltung der grauen retikulären Substanz in zwei Züge. Der eine geht in ganz lockerer Art durch den peripherischen Teil der Formatio retieularis vom Hinterhorn zur seitlichen Ecke des Vorder- horns, der andere zieht sich am äußeren Rande der den Zentralkanal bergen- Uber die Kerne des menschlichen Rickenmarks. 63 den grauen Substanz entlang. Beide Züge vereinigen sich im Vorderhorn, wodurch letzteres stark mit Mittelzellen angefüllt ist. Der medio-dorsale Zellzug ist hier gering, er liegt hauptsächlich zwischen Zentralkanal und den hier beginnenden Hinterstrangskernen. Der medio-ventrale Zug ist nur auf einer Anzahl von Schnitten ausgeprägt, er spitzt sich keilförmig nach der vorderen Kommissur zu. In €.2 sind die Verhältnisse bezüglich dieser Zellzüge ähnlich den- Jenigen von ©. ı. Am hervorstechendsten ist der interkornuale Zug. Medial von ihm tritt oftmals zur Seite des Zentralkanals eine Ansammlung von runden und birnförmigen homogenen Zellen auf, die an die sympathischen Elemente erinnern, aber nicht sicher mit diesen identifiziert werden können. Der medio-ventrale Zug enthält stellenweise größere und dunkle Elemente. Der medio-dorsale Zug ist sehr schmal. In €. 3 ist der interkornuale Zug sehr mächtig, er erfüllt den Haupt- teil des Vorderhorns und der Zwischenzone. In dieser Zone lagern oft- mals reichliche Zellen von rundlicher Form und homogenem Aussehen. Auch der medio-dorsale Zug tritt in einzelnen Präparaten in Keilform her- vor. Der medio-ventrale Zug ist nicht gut abgegrenzt. In €. 4 bestehen ähnliche Verhältnisse wie in ©. 3; der interkornuale Zug wölbt sich am Winkel zwischen Vorder- und Hinterhorn so stark ins Innere des Confluens substantiae griseae hinein, daß er der vorderen Kom- missur sehr nahe kommt. Der medio-ventrale Zug ist wegen der guten Entwickelung der medialen motorischen Zellgruppe etwas spärlich. In €.5 ist der interkornuale Zug aus dem Vorderhorn wegen des Anschwellens des lateralen motorischen Zellkomplexes stark herausgedrängt. Er zieht sich jetzt am lateralen Hinterhornrande und am dorsalen Vorder- hornrande entlang und schiebt sich am Winkel zwischen beiden Rändern kegelartig ins Innere der grauen Substanz hinein. Dadurch daß dieser Zug nicht so tief ins Vorderhorn hineingeht, tritt auch etwas besser der medio-ventrale Zug heraus. Der medio-dorsale Zug ist schmal wie vorher. In €C.6 und C.7 sind die Züge einigermaßen deutlich; der inter- kornuale ist nieht so stark wie vorher, er greift aber stärker auf den Pro- cessus retieularis über. In €.8 ist besonders im distalen Gebiet der interkornuale Zug merk- lich verringert, dagegen der medio-ventrale verstärkt, letzterer zieht oft- mals noch etwas an der ventralen Zone des Vorderhorns entlang. 64 L. JaAcogsoun: In D.1 sind die Züge stellenweise recht gut ausgeprägt, andererseits aber begegnet man vielen Schnitten, wo namentlich der interkornuale Zug recht schwach ist. Dieser teilt sich am Winkel zwischen Vorder- und Hinterhorn oft gabelförmig. Ein Schenkel der Gabel umkreist den Rest des lateralen motorischen Zellkomplexes, während der andere nach der vorderen Kommissur strebt. In D.2 und D.3 hat der Traetus intercornualis lateralis seine ge- wöhnliche Gestalt; die Zellen des Zuges liegen recht locker. Es beginnt hier die Schwierigkeit, Zellen dieses Zuges vom Kern des Nucleus sym- pathieus cornu lateralis immer scharf zu trennen. Der medio-dorsale Zug ist sehr schmal, er liegt medial vom Nucleus spino-cerebellaris. Eine deut- liche Abgrenzung des medio-ventralen Zuges ist nicht möglich. In D.4 und D.5 ist der interkornuale Zug gewöhnlich klein, in man- chen Schnitten erscheint er stärker. Häufig sammeln sich Elemente dieses Zuges etwas dorso-lateral vom Nucleus spino-cerebellaris im Cervix cornu posterioris etwas an, ebenso im Confluens substantiae griseae nach innen vom Seitenhorn. Viele der hier locker liegenden Elemente sind sehr stark gefärbt, oft abgerundet und von homogenem Aussehen, so daß es wahr- scheinlicher ist, daß es weiter im Innern der grauen Substanz liegende Elemente des Nucleus sympathieus cornu lateralis sind. Dieselbe Erschei- nung war auch schon in D.3 zu beobachten. In D.6 und D.7 ist der interkornuale Zug schwach ausgeprägt und wie auch in den höheren Segmenten vom medio-ventralen nicht scharf ge- trennt. Beide bilden der Hauptsache nach einen lockeren Zellkomplex im Zwischenteil der grauen Substanz oder im Vorderhorn. Der medio-dorsale Zug besteht der Hauptsache nach in einer Ansammlung kleiner Zellen im medialen Gervixgebiet dicht dorsal vom Nucleus spino-cerebellaris. Hin und wieder liegen auch kleine Zellen zwischen dem genannten Kern und dem Zentralkanal. Von D.7 bis D.12 ist der interkornuale Zellzug stellenweise gut zu sehen, im allgemeinen aber, besonders bei starker Ausbildung des Nucleus sympathicus cornu lateralis, schwach ausgeprägt. Sind Nucleus sympathi- eus und Nucleus spino-cerebellaris sehr groß, so schnüren sie den Zug am Übergang zwischen Vorder- und Hinterhorn ein, und man kann alsdann eine größere Ansammlung dieses Zellzuges im Vorderhorn und eine kleinere dorsal vom Winkel zwischen Vorder- und Hinterhorn finden. Letztere ist Uber die Kerne des menschlichen Rückenmarks. 65 oft nieht leicht vom Nucleus sympathieus zu trennen. Der medio-ventrale Zug tritt wenig heraus und grenzt sich selten vom lateralen Zuge scharf ab. Der medio-dorsale ist schmal und gering wie zuvor. Von L.1 beginnen die drei Züge schärfer herauszutreten und sich besser abzugrenzen. In L.2 ist der Traetus intercornualis lateralis ausgezeichnet deutlich; gewöhnlich besteht er aus Mittelzellen mittlerer Größe, zuweilen auch aus etwas größeren. Sehr oft teilt er sich am vielgenannten Winkel zum Vorderhorn in drei Schenkel. Der eine derselben zieht am äußeren Rande des Vorderhorns entlang und umkreist die dort liegenden großen moto- rischen Zellen; der andere Schenkel des Zellzuges strahlt in die Mitte des Vorderhornes hinein und mischt sich hier vielfach zwischen die großen Zellen, und der dritte Schenkel geht zur vorderen Kommissur hinüber. Die Zellen sehen wie schmale Pfeile aus. Auch der medio-dorsale Zug ist sehr typisch, er liegt dem Kuppenteil der Hinterstränge dicht an. Der interkornuale und der medio-dorsale Zug sind mitunter durch wenige Zellen des Nucleus spino-cerebellaris getrennt. Der Traetus medio-ventralis ist nur zeitweilig gut abgegrenzt. In L. 3 sind der interkornuale und medio-dorsale Zug ausgezeich- net zu sehen, auch der medio-ventrale ist stärker und setzt sich schär- fer ab. In L. 4, wo die Züge ebenfalls vorzüglich ausgebildet sind, zieht sich der medio-ventrale Zug auch noch am ventralen Vorderhornrande entlang bis in die Nähe des lateralen motorischen Zellkomplexes. Hier sind in diesem Zuge Zellen in Haufen eingelagert, die dem Nucleus sympathieus medialis angehören. Von L.5 bis S.4 sind alle drei Züge gut ausgeprägt und von an- sehnlicher Breite. In den medio-ventralen ist schon von L.4, in den in- terkornualen von S.2 der entsprechende Nucleus sympathieus eingelagert (s. das Nähere darüber vorher). Der medio-dorsale Zug besteht zum über- wiegenden Teil aus Zellen der hinteren Kommissur. Von S.4 an werden die Züge kleiner und verschmelzen miteinander. In diesen eben beschriebenen Zügen sind alle Zellen zusammengefaßt, die von den Autoren als Mittelzellen, kleine Zellen, Strangzellen, Zellen der Formatio reticularis, Zellen der vorderen und hinteren Kommissur be- schrieben worden sind. Phys.-math. Classe. 1908. Anhang. Abh. 1. 9 66 L. Jacossoun: Am Sehluß möchte ich noch erwähnen, daß es auf mich den Ein- druck machte, als ob ziemlich alle Zellarten, bis auf die kleinen polygo- nalen Zellen und diejenigen des Nucleus sensibilis proprius im Lumbo- sakralmark eine etwas größere Gestalt haben als im übrigen Rückenmark. Fasse ich die Resultate dieser Arbeit zusammen, so ergibt sich folgendes: ı. Die in der grauen Substanz des Rückenmarks liegenden Nerven- zellen lassen sich zum Teil in Gruppen ordnen, zum anderen Teil ist dies nicht möglich. 2. Die Gruppierung wird bestimmt einmal durch die Lagerung an einer bestimmten, ziemlich begrenzten Stelle der grauen Substanz und zwei- tens durch den Zelleharakter (Größe, äußere Gestalt und innere Struktur der Nervenzellen). 3. Bestimmt abgrenzbare Gruppen der grauen Substanz kann man folgende unterscheiden: a) Nuclei motorii, b) Nuclei sympathici, e) Nuclei magnocellulares cornu posterioris, d) Nucleus sensibilis proprius. 4. Die nicht in Gruppen zu ordnenden Nervenzellen gehören dem mittleren und kleinen Zelltypus an und liegen fast über die ganze graue Substanz ausgestreut, sie ordnen sich nur unvollkommen in Zellzüge Traetus cellularum. 5. Die Nuclei motorii bestehen aus einer medialen und einer la- teralen Zellsäule. Die erstere geht durch das ganze Rückenmark, die letztere hat im Dorsalmark eine Unterbrechung. Die mediale Zellsäule ist in C.3 und C.4, n 0.8—D.3, in D.1ı—L.2 und in S.3—S.4 von ansehnlicher Breite, in den anderen Segmenten wechselt sie fortdauernd in ihrem Zellgehalt, in der Mitte der Halsanschwellung ist sie spärlich, in L.5 und S.ı so gut wie fehlend. Sie endigt tiefer als die laterale Zellsäule in S.4. Zellen dieser Säule verlieren sich vielfach in der vorderen Kommissur. Die laterale Zellsäule besteht aus zwei Abschnitten, einem oberen, zerviko-dorsalen, und einem unteren, lumbosakralen. Beide bestehen aus drei Hauptabteilungen, die sich noch in weitere Unterabteilungen sondern, Uber die Kerne des menschlichen Rückenmarks. 67 die aber andrerseits auch fließend ineinander übergehen (s. S.9 und S. ı8). Die zervikodorsale reicht von C.ı bis D.2, die lumbosakrale von Bar bis#S.3: In manchen Segmenten überschreiten Zellen «dieser Säulen die graue Substanz und lagern sich weit in die weiße Substanz ein; so besonders im (sr, m 105,02, er ingl 169, Die Zellen liegen, trotzdem sie sich in Gruppen ordnen, doch immer etwas locker. Sie unterscheiden sich in ihrer Größe ungemein nach der Region des Rückenmarks, in welcher sie liegen. Diejenigen des Dorsal- marks sind in der Mehrzahl die kleinsten, diejenigen des Halsmarks sind im ganzen etwas größer, und diejenigen des Lumbosakralmarks sind über- wiegend sehr große; fast kann man sie Riesenzellen nennen. 6. Von Nuclei sympathiei kann man eine laterale und eine me- diale Zellsäule unterscheiden. Die laterale besteht aus zwei Abteilungen, einer oberen, im Seiten- horn des Dorsalmarks oder im analogen Gebiet des oberen Lendenmarks gelegenen, Nucleus sympathieus lateralis superior s. cornu late- ralis, und einer unteren, im Sakralmark an der seitlichen Grenze zwischen Vorder- und Hinterhorn lagernden, Nucleus sympathicus lateralis inferior s. sacralis. Die mediale, Nucleus sympathieus medialis lumbo-sacralis, liegt an der medialen und ventralen Randzone des Vorderhorns des Lumbo- sakralmarks. Die obere laterale Zellsäule der Nuclei sympathiei erstreckt sich von 6.8 bis L. 3 (vielleicht lagern kleinere, ganz vereinzelte Gruppen noch weiter kaudal). Sie zeigt oft zwei Zellhaufen, eine pars apicalis (an der Spitze des Seitenhorns) und eine pars praeangularis (am Winkel zum Hinterhorn). Beide Abteilungen gehen aber am dorsalen Rand des Seitenhorns ineinander über. In einzelnen Rückenmarkssegmenten ist die Säule besonders stark, so in den oberen Brustsegmenten. Am volumi- nösesten erscheint sie in D.ı2. Sie zeigt fortdauernde An- und Abschwel- lungen und auch regelmäßige Unterbrechungen. Die untere laterale Zellsäule der Nuclei sympathiei erstreckt sich von S.2 (distal) bis ins Coceygealmark. Sie liegt am seitlichen Winkel g* 68 L. JaAcossoun: zwischen Vorder- und Hinterhorn und ragt tief in die graue Substanz hinein. Oft zeigt sie auch mehrere Gruppen, oft ist sie geschlossen. In S.3 (distal) und in S.4 hat sie ihren größten Umfang. Die mediale Zellsäule der Nuclei sympathiei erstreckt sich von L.4 bis ins Coceygealmark, sie liegt zunächst am medialen Rande des Vorderhorns, geht dann von S.2 an weiter auf den ventralen Rand über und überzieht in zahlreichen kleineren und größeren Haufen den me- dialen und ventralen Rand dann immer weiter, bis sie sich in S.3 voll- kommen mit der unteren lateralen Zellsäule vereinigt. Beide bilden in S.4 dann ein gemeinsames Areal, welches fast das ganze Vorderhorn und die Zwischenzone einnimmt. Die Zellen in den drei Formationen des sympathischen Systems haben drei charakteristische Zeichen; sie liegen fast stets in kleineren und stär- keren Haufen dicht gedrängt beisammen, sie erscheinen als rundliche oder keulenförmige Zellen, oder als polygonale mit abgestutzten Fortsätzen; sie haben vielfach ein homogenes Aussehen und sind ziemlich dunkel gefärbt. 7. Die Nuclei magnocellulares cornu posterioris bestehen aus Zellen, die sich durch ihre Größe von den übrigen Zellen des Hinterhorns herausheben; sie lagern sich in ‘drei Gruppen: a) Nucleus magnocellularis basalis s. spino-cerebellaris, b) Nucleus magnocellularis centralis, ec) Nucleus magnocellularis pericornualis. a) Der Nucleus magnocellularis basalis ist Stillings Dorsal- kern bzw. Glarke’s vesicular columns. Er ist von C.8 bis L.2 gut ausgeprägt, nimmt von C.8 an nach unten an Umfang zu und erreicht seine größte Ausdehnung in D.12. Kaudal von L.2 verliert er sich in einzelnen Zellen, die oft etwas weiter dorsal gelagert sind. Im Halsmark sind abwechselnd einzelne homologe Zellen in den Schnitten anzutreffen. Der Kern hat kaum Unterbrechungen, sondern bildet von C.8 bis Anfang L.3 eine kontinuierliche Zellsäule. In einzelnen Segmenten, D.1ı2—L.2, treten Zellen des. Kerns in kleinen Gruppen aus seinem Bereich in den Hinterstrang aus. Vielfach kommen die Zellen des Kerns den motorischen an Größe ziemlich nahe. Sie ent- halten viel Pigment. b) Der Nucleus magnocellularis centralis liegt hauptsächlich im Kern des Hinterhorns. Er ist in einzelnen Zellen im ganzen Rücken- Uber die Kerne des menschlichen: Riückenmarks. 69 mark durchgehend vertreten, hierbei im Halsmark deutlicher als im Dorsal- mark. Als eigentlicher Kern aber entwickelt er sich erst im Lumbalmark und erreicht seine Höhe im Sakralmark. Er besteht aus ganz großen (den motorischen an Größe gleichkommenden) Zellen und aus etwas klei- neren Zellen. Letztere haben mehr spindelförmige Gestalt und sind gewöhn- lich mit der Längsachse sagittal gestellt. c) Nueleus magnocellularis pericornualis. Diese Kerngruppe ist identisch mit den Marginalzellen des Hinterhorns von Waldeyer. Sie liegen gewöhnlich vereinzelt in der Außenschicht des Hinterhorns. Im Halsmark sammeln sie sich mitunter an der Hinterhornspitze an (pars apicalis), noch mehr geschieht das im Lumbosakralmark, wo sie eine stattliche Zahl von Zellen bilden können, die auch reichlich in der retikulierten äußeren Grenzschicht des Hinterhorns liegen (pars reticularis); letztere Zellschicht ist im Sakralmark besonders stark ausgebildet. 8. Nueleus sensibilis proprius. Darunter ist die Zellsäule der Substantia gelatinosa verstanden, die nach meiner Ansicht eine Station der eigentlichen, bis zur Hirnrinde führenden sensiblen Bahn darstellt. 9. Die Zellen von mittlerer und kleiner Gestalt, die nicht in Gruppen zu ordnen sind, trenne ich in Zellzüge, tractus cellularum, weil sie oft auf den Schnitten wie in einem Zuge nach einer bestimmten Richtung sich zu bewegen scheinen. Ich unterscheide drei solcher Zellzüge: a) Traetus cellularum medio-ventralis, b) Traetus cellularum medio-dorsalis, e) Traetus cellularum intercornualis lateralis. Diese drei Züge sind am besten im Lumbosakralmark ausgeprägt und grenzen sich hier ziemlich beständig recht scharf voneinander ab. Der dritte Zug (ce) ist fast überall, besonders auch im Zervikalmark, gut herauszuer- kennen; die anderen sind im Zervikal- und Dorsalmark nur zeitweilig zu erkennen. Der Tractus cellularum medio-ventralis liegt am medialen Rande des Vorderhorns und reicht von der medio-ventralen Ecke bis in die vor- dere Kommissur. Im unteren Lenden- und im Sakralmark liegt in seinem Bereich der Nucleus sympathieus medialis, s. lumbo-sacralis. Er besteht aus kleineren, aber auch recht vielen mittleren Zellen, zeitweilig von an- sehnlieher Größe und dunkler Färbung. Einzelne Zellen dieses Traetus 10 L. Jacossonn: liegen direkt im Faserareal der vorderen Kommissur; er ist häufig nach dem Innern des Vorderhorns schlecht abgegrenzt. Der Tractus cellularum medio-dorsalis zeigt sich dadurch aus, daß er überwiegend kleine Zellen enthält, die etwas dichter gelagert sind. Er zieht sich ventral vom Nucleus sensibilis proprius (Substantia gelatinosa) am medialen Rande des Hinterhorns hin bis in die graue Kommissur hinein; er liegt also der Kuppe der Hinterstränge dieht an. Er ist meistens recht schmal, nur im Lenden- und noch mehr im Sakralmark von an- sehnlicher Breite. Der Traetus eellularum intercornualis lateralis ist ein Zellzug, der sich vom Nucleus sensibilis proprius (Substantia gelatinosa) am Außen- rande des Hinterhorns und am Processus reticularis bis zum Winkel am Vorderhorn hinzieht und sich hier in das Vorderhorn ergießt. Dies tut er von hier aus mit drei Schenkeln; der eine geht am latero-dorsalen Rande nach außen weiter und umspült die hier gelegenen motorischen Zellen, der andere ergießt sich mitten ins Vorderhorn hinein und mengt sich hier vielfach zwischen die großen Zellen, und der dritte strebt in schräger Riehtung nach der vorderen Kommissur. Dieser Zellzug zeichnet sieh namentlich gegenüber dem vorigen dadurch aus, daß er vorwiegend aus locker liegenden, etwas größeren und langgestreckten Zellen besteht. ı0. Sämtliche Zellarten, mit Ausnahme der ganz kleinen Zellen und der Zellen des Nucleus sensibilis proprius (Substantia gelatinosa), nehmen im Lumbosakralmark etwas größere Gestalt an als im Zervikodorsalmark. | Uber die Kerne des menschlichen Rückenmarks. Nachtrag zur Literatur. Nach Drucklegung vorstehender Untersuchungsresultate gelangte ich noch in den Be- sitz einer Arbeit von S. Irimesco und C. Parhon: Recherches sur la localisation spinale des museles du perinee et du reetum. Journ. de Neurol. et d’Hypnol. 1905, Nr. 4. Da in dieser Arbeit noch wichtige Angaben über die sympathischen Kerne des Sakralgebietes und entsprechende Literaturangaben enthalten sind, so seien diese hier nachträglich noch kurz referiert. Irimesco und Parhon erwähnen, daß der sakrale Teil des Traetus intermedio- lateralis beim Menschen im unteren Abschnitt von S. 3 beginnt und sich bis S. 5 fortsetzt. Er liegt am lateralen Rande der grauen Substanz zwischen Vorder- und Hinterhorn und hat eine größere äußere und eine kleine innere Abteilung, die- miteinander konfluieren. Die innere Abteilung hat etwas größere Zellen. Die äußere Gruppe sei identisch der Zellsäule des Seitenhorns. Außerdem fanden die Autoren noch in S. 2 hinter und etwas nach innen von der Gruppe X von Onuf eine ähnlich gestaltete Gruppe, die aber etwas größere Zellen besitzt als die Onufsche. Die Zellen dieser hinteren Gruppe halten sie für motorische, ob- wohl sie kleiner sind als diejenigen der eigentlichen motorischen Gruppen. Nach den Lite- raturangaben der eben zitierten Arbeit ist der sakrale Teil des Tractus intermedio-lateralis auch schon von de Buck: Localisation medullaire de l’innervation motrice du perinee et du reetum. Annales de la Soe. seient. de Bruxelles T. XXIII und von Sano: Les localisa- tions des fonetions motrices de la moelle epiniere. Bruxelles 1898 und XIV. Congres des Neurologistes, &e. 1904, beschrieben worden. De Buck konstatierte außerdem in S. 3 bis S.5 noch unregelmäßig gelagerte Gruppen, welche kleine Zellen enthalten. Marinesco gibt in seiner bedeutsamen Arbeit: Recherches sur les localisations motrices spinales. La Semaine medicale 1904, S. 229, einen Längsschnitt vom ersten und zweiten Sakralsegment des Hundes (entsprechend S. 3 und S.4 beim Menschen) wieder. Auf diesem Schnitte ist die Zellsäule X von Onuf dargestellt, die ihrem Zellcharakter und ihrem dichten Gefüge nach vollkommen den Zellgruppen des sympathischen Systems des Rückenmarks entspricht. Nach außen von dieser Zellsäule fand der Autor noch zahlreiche Nester von kleineren Zellen. Schließlich sei hier noch die Arbeit von L. Blumenau und E.Nielson, Neurol. Zentralbl. 1905, Nr. ı2, angeführt, in welcher Abbildungen der Abteilungen des lateralen mo- torischen Zellkomplexes des Halsmarkes enthalten sind, die mit den von mir gegebenen fast vollkommen übereinstimmen. 72 L. Jacossonn: Über die Kerne des menschlichen Rückenmarks. Erklärung der Figuren auf den Tafeln. Die Figuren €. ı — Coce. auf den Tafeln I—IX stellen je ein Prototyp für den Zellcharakter jedes Rückenmarksegments dar. Von der ganzen Schnitt- reihe jedes Segments wurden zunächst die hervorstechendsten Typen ausgewählt und genau abgezeichnet. Aus diesen letzteren wurde alsdann leicht schematisch eine Figur zusammengestellt, die nun den Grundcharakter der Zellformationen des betreffenden Segments wiedergibt. Die vier Figuren auf Tafel IX sind Wiederholungen von CI De Real; und S.4. Auf diesen vier Figuren sind die einzelnen Zellgruppen bezeichnet worden, die man im menschlichen Rückenmark unterscheiden kann. Die Figuren geben den Umfang der grauen Substanz in den einzelnen Rücken- markssegmenten nur ungefähr wieder, da die Umrisse der grauen Substanz je nach dem mikroskopischen Bilde frei aus der Hand gezeichnet sind. K. Preuß. Akad. d. Wissensch. Anhang z. d. Phys.-math. Abh. 1908. L. Jacobsohn: Über die Kerne des menschlichen Rückenmarks. Taf.I. av: K. Preuß. Akad. d. Wissensch. Anhang z. d. Phys.-math. Abh. 1908. L. Jacobsohn: Über die Kerne des menschlichen Rückenmarks. Taf. II. ” $ 4 Le, =» l; 4 ee DENE | | de er . - ’ { ’ $ j u wu, k 5 E . . u j - pr Er Br nr ! Fr ® - 5 u “ 1 ER ! es ] D “ur \ . : E & .ı | E > F } u D Br . = ce es w 1 fi > rn: % 5 & i ge . & u En % - 5 2 . i e< es & = P% a F7 = E } u “ Klar - .. 5 nie - & n v % “2 ; & Eu | Pr B 0 . PM a & ni “% Euae» 2 u Me » ul <-_ # & er a u “ F DI ” ö s 2 = 3a * . ‚ . ü Mi 2 Ir } & ’E an en eh Wi s . ee" * * uf u Aau. } . { - en zz R E EEE a SE | ’ - PT I 2 » ä z - m E Bit ” ’ A u ers R . is » 4 u E er Ps 5 “ 2 \\ ir en a wi uw onS, ee ER er) Pas oe K. Preuß. Akad. d. Wissensch. Anhang z. d. Phys.-math. Abh. 1908. GC. 8 distal L. Jacobsohn: Über die Kerne des menschlichen Rückenmarks. Taf. III. u u f r 5 . ni > Eva > = 2 & . vaRT m u & -r j o u f - 3 2‘ I 23 i u . . u B W u & E x p j \ . > * R D # N - ® * Pr ” j & > - . N £ »—awA ® [' vol 5 % Ay Bu - ‘ .L f Dig Mi * r “ _. Fa RA 3 Eu? r e & ;” D . . = % 5 . \ — A » n » g u " . > j SraRe n . - r B 5 A s w . =, * ’ N | r K. Preuß. Akad, d. Wissensch. Anhang z. d. Phys.-math. Abh. 1908. L. Jaeobsohn: Über die Kerne des menschlichen Rückenmarks. Taf. IV. K. Preuß. Akad. d. Wissensch. Anhang 2. d. Phys.-math. Abh. 1908. L. Jacobsohn: Über die Kerne des menschlichen Rückenmarks. Taf. V. K. Preuß. Akad. d. Wissensch. Anhang z. d. Phys.-math. Abh. 1908. L. Jaeobsohn: Über die Kerne des menschlichen Rückenmarks. Taf. VI. K. Preuß. Akad. d. Wissensch. Anhang z. d. Phys.-math. Abh. 1908. RT wu L. Jacobsohn: Über die Kerne des menschlichen Rückenmarks. Taf. VII. K. Preuß. Akad. d. Wissensch. Anhang z. d. Phys.-math. Abh. 1908. L. Jaeobsohn: Über die Kerne des menschlichen Rückenmarks. Taf. VII. K. Preuß. Akad. d. Wissensch. Nucleus magnocellularis pericornualis Nucleus sensibilis proprius Nucleus magnocellularis eentralis Traetus cellularum medio-dorsalis Nucleus magnocellularis - basalis Nucleus motorius I, Ser : (7) ) medio-dorsalis Traetus cellularum medio-ventralis Nucleus motorius medio-ventralis Nueleus motorius latero-ventralis C27 Nucleus magnocellularis pericornualis Nucleus sensibilis proprius Nucleus magnocellularis ecentralis Traetus cellularum intercornualis — dorsalis internus Nucleus magnocellularis Anhang z. d. Phys.-math. Abh. 1908. Nucleus magnocellularis centralis / aa Traetus cellularum Traetus cellularum / intercornualis medio-dorsalis /, T . x lateralis Nucleus magnocellularis FR basalis- 4 auert SE Pd .* UP N N AN NEID a: ER > Nucleus SE = «,2 7 sympathieus Nucleus motorius latero- ——ıS + 2 »/lateralis superior SS s. cornu lateralis 1} ’ » #°) Nucleus motorius latero- 7 dorsalis externus . Traetus cellularum medio-ventralis ı ’ ” Nucleus motorius latero-intermedius externus D = Se, Nucleus motorius latero-interinedius ınternus S. centralis Nucleus magnocellularis pericornualis Traetus cellularum medio-dorsalis x 8 lateralis E centralis Nucleus magnocellularis Tractus cellularum Nucleus basalis medio-dorsalis K——sympathicus - I « > ateralis inferior = motorius retro- Nas N 2 cralis = $ P Sale Nucleus_ ur A RENT TE — Sr E < magnocellularis a RE en: Eu a \ basalis n N . \ = ı + nn / N .. P} e er Traetus v K ! x ® .» P} el uy cellularum x j ° Fe ) Br medio-ventralis es u. ® .. ; 1) oo... » Yr C Nucleus ) .. ‘ P% } motorius medialis 3 Nucleus sympathicus + ° ° ® medialis iy1o s. lumbo-sacralis , « Nucleus motorius ® latero-dorsalis + 4 » > Sudeus aan „. ———— Nuclei sympathiei medio-ventralis .» x sacro-coceygeales ,»‚ » S.4 1.95 Nucleus motorius latero-internus s. centralis Nucleus motorius latero-ventralis L. Jaeobsohn: Über die Kerne des menschlichen Rückenmarks. Taf. IX. TITUTIO!I un 01298 8960