Abhandlungen und Bericht XXAAI des Vereins für Naturkunde zu Kassel über das 61. Vereinsjahr 1896 —97. Im Auftrage des Vorstands herausgegeben von Dr. Karl Ackermann. (Mit 1 Textabbildung und 1 Porträt.) Kassel 1897. Verlag des Vereins. Druck von Weber & Weidemeyer. ee un a 5 & DEE Yr e vr T . : TEN BIBLIOTHECA HASSIACA. Repertorium der landeskundlichen Litteratur für den Preussischen Regierungsbezirk Kassel, das ehemalige Kurfürstenthum Hessen. Herausgegeben von Dr. Karl Ackermann, Oberrealschuldirector i. P. zu Kassel. — Al Achter Nachtrag. ie exe a ruck von Weber & Weidemeyer Kassel. rar Vorwort. Der#Sinn für die Heimat kann nie genug gepflegt und geweckt werden. Jakob Grimm. Wenn ich heuer zum achten Male mit einem Nachtrag zu meiner vor 14 Jahren auf Anregung der Centralkommission für wissenschaftliche Landeskunde und im Auftrag unseres hiesigen Vereins für Naturkunde begonnenen Bibliotheca hassiaca auf den Plan trete, so hat mich dazu einerseits die überaus rege Be- nutzung meines Sammel- und Nachschlagewerkchens, die ich bei meinen häufigen Besuchen der Landesbibliothek hier zu konstatiren Gelegenheit hatte, andererseits die Fülle des weiterhin ausgegrabenen Materials veranlasst. Eine Menge mir bisher unbekannt gebliebener Schriften landeskundlichen Inhalts, die auf das Gebiet unserer engeren Heimat Bezug nehmen, fand ich theils unter den Manuscripten der hiesigen Landesbibliothek (sie sind in dem nachfolgenden Verzeichniss mit dem Hinweis M. H., d. h. Manuscripta hassiaca, unter Beifügung von Format und Nummer versehen), theils in den neu geordneten Manuscripten- und Bücherbeständen der Bibliothek unseres Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde (bezeichnet durch Bibl. Ver. hess. Gesch. nebst Nummer und Format). Einige Citate haben mir die Herren Major v. Loewenstein, ‚der verdienstvolle Bibliothekar des Geschichtsvereins, und Schul- rector Bach hierselbst, dann Herr Professor Dr. P. Wein- meister in Leipzig und Herr Oberlehrer a. D. J. H. Leimbach in Marburg, zur Verfügung gestellt. Die betreffenden Titel sind mit ‚den Anfangsbuchstaben ihrer Namen bezeichnet. Für das freundliche Interesse, das sie der Arbeit entgegengebracht haben, spreche ich ihnen besten Dank aus. Trotz alledem wird der eine und andere Abschnitt — ich denke insbesondere an den meinen Studien recht fern liegenden Theil B, 3. a. — noch manche Lücke aufweisen, indessen „veniet tempus quo ista, quae nunc latent, in lucem dies extrahat“ sagt der alte Seneca. Als Curiosum mag hier noch erwähnt werden, dass ich unter ‚den Manuscripten der Geschichtsvereins-Bibliothek ein umfangreiches, aus den ersten Jahren dieses Jahrhunderts stammendes Fascikel fand mit der Aufschrift: „Ideen zu einer Bibliotheca rerum hassia- carum“. Es enthält nach eingehender Darlegung der Nützlichkeit ‚eines solchen Werkes sehr verständige Vorschläge für eine sach- gemässe Einrichtung. Nun nach 100 Jahren haben jene Ideen ihre Verwirklichung gefunden. Kassel, Pfingsten 1897. Ackermann. > V on weiter erschienenen landeskundlichen Biblio- gsraphien sind mir bekannt geworden: Kloos, J. H., Repertorium der auf die Geologie, Mineralogie: und Paläontologie des Herzogthums Braunschweig und der an- srenzenden Landestheile bezüglichen Litteratur. (204 S. m. 1 Karte.) Braunschweig, Vieweg. 1896. H. u. M. Rauff, Sachregister zu dem von H. v. Dechen und. H. Rauff herausg. Chronolog. Verz. der geolog. u. mineral. Litteratur- der Rheinprovinz u. d. Prov. Westfalen. (274 S.) Bonn, Cohen. 1896. (Herabges. Preis für Hauptwerk u. Register 3,50 M.) Buchenau, F., Landesk.-Litteratur von Nordwestdeutschland.. Fortsetzung. — Schr. d. naturw. Ver. in Bremen 1896 u. 9. Zimmermann, E., undK.Keilhack, Liste der die Geologie- Deutschlands betreffenden Schriften- und Kartenverzeichnisse.. Berlin 1892. (Als Manuscript gedruckt.) Endlich ist auch die erwartete Bibliographie zur Landes- kunde des Deutschen Reiches im Ganzen erschienen. — Sie bringt unter Ausschluss von Zeitschriftenartikeln nur die Titel selbständig; erschienener Bücher und Karten; Sonderabdrücke, sowie Arbeiten aus Gesellschafts- und Vereinsschriften sind nur insoweit auf- genommen, als sie sich auf das ganze Deutschland, nicht jedoch: auf einzelne jetzt bestehende politische Gebiete beziehen. Der- Titel des voluminösen Werkes lautet: Richter, Paul Emil, Bibliotheca geographica Germaniae. Litteratur der Landes- und Volkskunde des Deutschen Reichs, bearb. im Auftrag der Centralkommission für wiss. Landeskunde in. Deutschland. Leipzig, Engelmann. (841 S.) Preis: 22 M. ID RTL gi EINER < IS DIAS TEE BANIANSRRNNDANDANDIDDANDARDIANDDNDDRNDER A. Natur. 1. und 2. Bodenkunde. Kurze Beschreibung des Bieberer Bergwerks. 1777. (M. ERAT. 212). Voigt , J. ©. W., Mineralogische Reise von Weimar bis Bieber und Hanau. Leipzig 1786. | Wagner, F., Nachricht von einer Torf - Entdeckung in Niederhessen. — Inteilig.- Blatt für Hessen, 52 Stück. Marburg 8. VIII 1787. 8. 1278. Moench, Konr., Chemische Untersuchung des Kobolds von Riechelsdorf in Hessen. — In Crell’s chemischem Journal 3. Thl. (um 1800.) Heuser, A., Bemerkungen über die geognostischen Ver- hältnisse der Grafschaft Schaumburg. (M. H. Fol. 212). Fulda, Geognostische Beschreibung des Kreises Rotenburg. Zar Te E0l.-211.) Denckmann, A., Zur Stratigraphie des Oberdevon im Kellerwalde und im benachbarten Devongebiete. (Mit 1 geol. Karte). — Jahrb. der kgl. preuss. geol. Landesanst. Band XV. Berlin 1895. Hoffmann, F. A., Petrographische Untersuchung der Basalte des Ebsdorfer Grundes bei Marburg. Inaug.- ' Diss. Marburg 1895. (Auch abgedruckt im „Neuen Jahrb.“ Beilageband X. Stuttg. 1395.) Beyschlag, F., Geognostische Übersichtskarte des Thüringer Waldes. Nach den Aufnahmen der kgl. preuss. geol. Landesanstalt zusammengestellt. Herausg. v. derselben. 1: 100000. 57 cm : 84 cm. Berlin, Schropp. 1896. 16,00 a 2 6 Dr. Ackermann, Repertorium. — A. Natur. 3. Hydrographie. (Flüsse, Quellen und Balneologie.) Brückenau. Handschriften das Bad betr. (Bibl. Ver. hess. Gesch. XV., ms 40. Fol.) Cuntz, Ph. O., Nachricht von Wirkung und Gebrauch des Dorf Geismarischen Mineralbrunnens. Kassel 1778. Moench, Konr., Beschreibungund chymische Untersuchungen desDorfgeismarischen Mineralbrunnens. Kassel 1778. Cuntz, Phil. Otto, Nachrichten von der Wirkung und dem Gebrauch des Dorf-Geismarischen Gesundbrunnens. (40 8.) Kassel 1731. C., Nachricht von dem Gesundbrunnen bei dem Dorfe G eismar in Hessen unweit dem Meisebug’schen Städtchen Züäschen. — Hess. Beitr. zur Gelehrs. II., S. 725— 130. Frankf. 1787. Schroeder, Theod. Wiüh., Geschichte und Beschreibung des Hofgeismarischen Gesundbrunnens. — Martin, top. stat. Nachrichten Bd. 1, 8. 290 ft. Dapper, Uber den Einfluss der Kochsalzquellen (Kissingen, Homburg) auf den Stoffwechsel des Menschen und über die sog. „kurgemässe* Diät. (29 8.) Berlin, Hirsch- wald. 1896. 0,80. Noorden, v., Über den Einfluss der schwachen Kochsalz- quellen (Homburg, Kissingen, Sooden etc.) auf den Stoff- wechsel des Menschen. (158.) Frankfurt a. M., Alt 1896. 0,80. Kaden, Wold., Bad Kissingen. 3. Aufl. (130 8. mit Abb., Panorama, Plan und Karte) Kissingen, Wein- berger 1896. 1,20. Bruck, Dr., Was leistet Bad Nauheim bei den Er- krankungen des peripheren und centralen Nervensystems spez. bei tabes dorsaliss. (53 8.) Friedberg, Binder- nagel 1896. 1,20. Morck, L., Sibirien in Kissingen. Dem Deutschen Volke kund und zu wissen, die grausame .... Behandlung der armen kranken Arbeiter... .. (165 8.). Nürnberg, Henning 1897. 1,00. | Müller, R., Bad Nauheim bei Frankfurt, seine Kurmittel und Wirkungen. 2. Aufl. (58. S.m. 1 Abb.). Friedberg, Bindernagel 1896. 1,00. x = A. Natur. — 3. Hydrographie. 5. u. 6. Thier- u. Pflanzenverbr. 2 Schaub, Etwas über Nenndorf, die dasigen bituminösen Schwefelquellen und Badeanstalten betr. — Reichs- anzeiger 1302, St. 205, p. 2537. Erbvertrag zwischen Landgraf Philippo Magnanimo zu Hessen und den Pfännern in den Sooden vor Allen- dest 1540. (M, H. 4". 92, 1 und 2.) Rhenanus, Joh., New Saltzbuch darinnen von dent Saltz- werk Sooden alles was zu wissen von nöten zusammen- getragen. (M. H. Fol. 156.) Scheuffler, J. Chr., Kurze doch gründliche Beschreibung des Salzwerks Sooden bei Allendorf a. d. Werra. 1731. Me EI. 4%. 111.) Schmincke, J. H., Unmassgebliche Gedanken über das Alterthum der Saltz-Sooden bei Allendorf. — Schminckes monum. hass. 1., S. 20—51. Kassel 1747. Lange, Ch., Bad Sooden im untern Werrathal. Kassel, Freyschmidt (1897.) Veröffentlichungen des Bureaus für die Hauptnivellements und Wasserstandsbeobachtungen im Ministerium der öffentl. Arbeiten Nr. 1. Präcissions - Nivellement der Fulda von Kassel bis Münden und der Weser von Münden bis Vekerhagen. (XIV. und 158.) Berlin 1892. Merz, E., Befundbericht und Gutachten über die Wasser- versorgungsanlagen der Res. - Stadt Kassel. (30 S8.). Kassel, Druck von Weber & Weidemeyer 1897. 5. und 6. Thier- und Pflanzenverbreitung. Pfeiffer, Carl, Naturgeschichte deutscher Land- und Süss- wasser-Mollusken. 4%. I]. Abtlg. Mit Abb. nach der Natur auf 8 color. Kupfertaf. (135 8.). Weimar 1821. II. Abtlg. Desgl. (40 S.) Ebenda 1825. III. Abtlg. Desgl. (84 S.). Ebenda 1828. Ä Berücksichtigt in hervorragendem Maasse die Vorkommnisse der Kasseler Gegend. Voigt, Walt., Die Einwanderung der Planariaden in unsere Gebirgsbäche (Mit einer Karte der Umgegend der Milseburg. — Verh. des naturhist. Vereins der preuss. Rheinlande 53,1 S. 103—148) Bonn 1896. (Beh. das Vorkommen der Strudelwürmer Planaria und Polycelis in Rhönbächen, in Gewässern des Meissners und des Habichtswaldes. 8 Dr. Ackermann, Repertorium. B. Bewohner. —- Pfeiffer, Ludw., Einige Worte über die subalpine Flora des Meissners. Dem Geh. Hofr. Dr. Harnier zum 50]. Dr.-Jub. (16 8.) Kassel, Hotop. 1844. Kohl, F. G., Exeursionsflora für Mitteldeutschland. Mit bes. Angabe der Standorte in Hessen-Nassau und den angrenzenden Gebieten Westfalens und Waldecks, sowie der Umgebung Marburgs.. 2 Bde. (140 S. 500 8) Lpz. 1896. 8,75. Feottenbach, H., Zur Flora des Inselsberges. — Deutsche botan. Monatsschrift, her. v. G. Leimbach. XIV, Nr. 12, 8. 164. Arnstadt 1896. B. Bewohner. 1. Gesundheitswesen. Hermann, J. L., Abhandlung und gegr. Wahrnehmungen von der Kriebelkrankheit, so in Niederhessen vom Jahre 1771 bis zu Ende des Heumonats 1772 epidemisch grassirt hat. Kassel 1774. Schröder, Th. W., Geschichte einer epidemischen Krankheit, welche Anno 1784 in verschiedenen Gegenden des Hessen- landes grassirt hat. — Hess. Beiträge zur Gelehrs. II, S. 249—269. Frankf. 1787. Schwarz, J., Übersicht der in der Stadt Fulda und ihrer Umgegend in den Jahren 1820—26 herrschenden Krank- heiten rücks. ihrer epidemischen Ausbreitung und der Ver- änderungen ihres allgemeineren Krankheitscharakters. — Harless, Neues Jahrb. der teutschen Med. und Chir. 1826... XM. | Verzeichniss, alphabetisches, der Ärzte und Wundärzte Kurhessens von 1821—54. Kassel 1834. vd Landau, Über Seuchen, vorzugsweise in Hessen. (M. H. 4°. 230). Schnackenberg, W., Über die Nothwendigkeit der Leichen- hallen. Kassel 1836. Landan, Einiges über die grossen pestartigen Seuchen, welche Hessen heimgesucht haben. — Hess. Volksblatt, Kassel 1843, S. 19T, 195, 199, 205 u 297: 2. Wirthschaftliche Cultur. 9 en Höfling, Eug., Physisch - medizinische Typographie dee Physikatsbezirkes Friedewald. (Gekrönte Preisschrift). (M. H. Fol. 194.) Weiss, A., Das öffentliche Gesundheitswesen im Reg.-Bez. Kassel während der Jahre 1892—94. 5. Verwaltungs- bericht. (196 S.) Kassel, Weber & Weidemeyer 18397. 6,00. 2. Wirthschaftliche Cultur. a. u. b. Land- und Forstwirthschaft, Jägerei und Fischerei. Fürstenau, Zweifel gegen die Verwandelung der Domänen in Bauergüter. — Hess. Beitr. f. Gelehrs. II, S. 503—525. Frankf. 1787. In wie weit ıst es rathsam, durch die Landpolizei der Veräusserung und Vertheilung der Bauergüter Schranken zu setzen. — Hess. Beitr. zur Gelehrs. II, S. 432—462. Frankf. 1787. Stein, J. L., Preisschrift über die Frage: Welches ist für Hessen der Mittelpreiss des Korns, bey welchem der Verkäufer bestehen kann. Kassel 179%. Hundt von Hartung, Auch ein Wort über die west- phälischen Domänenveräusserungen im Kurfürstenthum Hessen. Leipzig (Jahr?) eb. Geheben, Verzeichnriss aller gehegeten Forellen, Grundeln und Krebswassern ım ÖOber- und Nieder - Fürstenthum Hessen sambt Schmalkalden. 1699. (M.H. 4°. 38 u. 227.) Euller, A., (von Helsa). Verzeichniss Landgrafen Moritzen Forellen-, Grundel- und Krebs - Wasser. (Man. Hass. kol. 43b.) Klingelhoeffer, Jagdbares Wild im Reg.-Bez. Kassel. — In Mitthl. aus der Rechtspflege im Geb. des vormal. Kurf. Hessen. Bd. III. Kassel, Brunnemann 1895. — Jagdordnung und jagdpolizeiliche Vorschriften im Ge- biete des vormaligen Kurf. Hessen nebst einem Anhang _ enth. den vollständigen Text der wichtigsten Jagdgesetze. Kassel, Brunnemann 1896. (142 8.) 2,60. A., L., Der Hirsch in den hessischen Wäldern. — Hessen- ande XI, 1. Kassel 2. I. 97. % 10 Dr. Ackermann, Repertorium. — B. Bewohner. B. 2 e. Verkehrswesen. Relatio historica in Sachen Hessen contra Braunschweig, die Frage Schifffahrt auf der Fulda, Werra und Weser betr.. (1700). (MH. 49.255.) Postes imperiales. Etat general des routes de Poste de l’empire francais pour lan 1811. (Enth. die Post- verbindungen des Königreichs Westfalen.) Die Eisenbahnen in Kurhessen. — Hess. Volksblatt, Kassel 1843, S. 17, 21, 29, 32 und 40, ferner 131 und 135. Geschichtlicher Überblick der Bauten und Projecte zur Schiffbarmachung der hessischen Flüsse. — Hess. Volks- blatt, Kassel 1843, 8. 67 u. 71. Schwedes, Verhandlungen, Correspondenzen und Akten- stücke aus dem 4. Decennium des 19. Jahrh., die Er- richtung von Eisenbahnen im Kurf. Hessen betr. (M. I. Mol. 248.) Verkehrsstatistik für dıe Jahre 1893/94, 94/95 und 95/96 des Eisenbahn-Directionsbezirks Kassel. Gr. 8°. (178 8.) Kassel, Druck von Weber & Weidemeyer. 1896. (Er- scheint alljährlich.) B. 2 d. Industrie, Handel und Gewerbe. Mollwitz, N., Unvorgreifliche Gedanken über den ver- derbten Zustand der Hessisch - Almerodischen Schmeltz- Tiegel-Manufactur, nebst einem unmassgeblichen Vor- schlage wie derselben solide wieder aufzuhelfen seyn könnte. 1732. (M. H. Fol. 67.) Kurze historische Nachricht von dem Seidenbau bey Hanau. Hanauisches Magazin I., 26 Stück, 8. 225>—228. Hanau 1780. Herwig, Engelh., &enaueste Beschreibung des in der Herr- schaft Schmalkalden üblichen Eisenschmelzens. Bieden- kopf 1786. Über den Verfall des Fabrikwesens in der Herrschaft Schmalkalden. — Reichsanzeiger 1802, Nr. 184, 8.2281ft. Strieder, F.W., Kurzgefasste Grundlage zu einer Hessischen Buchdruckergeschichte. — Hess. Denkw. v. Justi III, 8. 109—135. Mbg. 1802 u. IV, 8. 141187, ebda18053 Die Bemühungen der Hessischen Landgrafen Wilhelm IV. ‘ und Moriz zur Belebung des Gewerbfleisses. — Hessisches Volksblatt, Kassel 1843, S. 11, 18, 25 u. 37. 2. Wirthschaftliche Cultur. 9 Bickell, L., Bucheinbände des 15. bis 18. Jahrh. aus hess. Bibliotheken. Lpz. 1892. Arnold, Prof. E., Gutachten über die Erweiterung des Elektricitätswerkes der Stadt Kassel. (11 8.) Kassel, Druck von Weber & Weidemeyer. 1895. Döpke, C., Betriebsbericht des städtischen Elektriecitäts- werkes der Stadt Kassel v. 1. IV. 94—-31. III. 95. 4°. (16 8.) Kassel, Druck v. F. Scheel. 1896. Brüggemann, Ing., Bericht betr. den Erweiterungsbau des Elektrieitätswerkes in Kassel. (18 S.) 1896. Grotefend, W., Die hessischen Landgrafen und die Berg- und Hüttenwerke. — Hessenland XI, 1—3. Kassel 1397. B. 2 e. Münzwesen. (Schwarz), Auszug aus den Rintelischen Anzeigen von den Jahren 1763, 65 und 69, Hessische Münzen betreffend. BIS Kol. 219.) Schwwedes, Aufzeichnungen und Aktenstücke zur hessischen und deutschen Münzgeschichte. (M. H. Fol. 243.) (Bögehold, J. B.), Nachricht einiger alten Münzen, so in und umb Hessen geschlagen worden nebst mehreren anderen Münznachrichten und einem Verzeichnisse seines Münzcabinets von Hessen. 2 Vol. (M. H. Fol. 42.) Stern, Wilh., Alsfeld eine althessische Münzstätte — Numism.-sphrg. Anzeiger v. Walte u. Bahrfeldt X. Jahrg, Nr. 11, S. 97--102. Hannover 1879. Weingärtner, Jos., Hofgeismarsche Denare. — Numismat.- sphrag. Anzeiger v. Waltz u. Bahrfeldt X. Jahrg., Nr. 1, S. 1—4. Hannover 1579. Joseph, Paul, Wetterauische Schüsselpfennige der Kipper- zeit. — Berliner Münzblätter 1882, S. 262 fi. Stern, W., Münzfunde in Hessen. — Berliner Münz- blätter 1883, S. 363,-376 u. 389. Suchier, R., Die Münzmeister in Hanau. — Berliner Münzblätter 1883, S. 3575 — Die Münzstätten und Münzmeister in Hanau-Lichtenberg. — Berliner Münzblätter 1884, S. 461. A(ckermann), K., Eine sehr seltene Kasseler Medaille. — Kasseler Tageblatt, Nr. 100, 11. April 1896. 12 Dr. Ackermann, Repertorium. — B. Bewohner. Weinmeister, P., Die ersten hessischen Kupfermünzen. — Hessenland X, 12. Kassel 16. Juni 1896. Matthias, R., Zwei seltene hessische Denkmünzen. — Hessenland X, 11. Kassel 1. Juni 1896. — P., Stempelfehler auf Münzen von Hessen-Kassel. — Hessenland X, 22. Kassel 16. Nov. 1896. | Buchenau, A., Die ältesten bisher unbekannten Münzen der Grafen von Katzenelenbogen. — Zeitschr. für Numis- matik XX, S. 300—307. Berlin 1897. Weinmeister, Der Schwan auf Münzen des Landgrafen Karl. — Hessenland Xi, 3. Kassel 1897. — Ein seltener Ortsthaler des Landgrafen Karl von Hessen- Kassel. — Num.-sphrag. Anzeiger XXVIII, 1. Hannover Jan. 1897. — Ein rätselhaftes Stück Ludwig III. von Hessen-Marburg. — Ebda. Nr2ö: Buchenau, H., Zum !/»G. Ludwigs III. (Dem vorher erw. Stück). — Ebenda Nr. 4. 3. Geistige Cultur. B. 3. a. Religions- und Kirchenwesen. Kirchenordnung des Grafen Ernst zu Holstein - Schaum- burg ete., wie es mit Lehr und Ceremonien hinführo mit göttlicher Hülfe gehalten werden soll. Stadthagen 1614. 4. Schmincke, J. H., De cultu religioso arboris jovis praesertim in Hassia. 4". Marburg 1714. Ä Kuchenbecker, J. Ph., Ulibata Hassorum religio in majoribus nostris celebranda .... sub Ser. Caroli I. (64 S.). Kassel, Druck von Harmes. 1720. | Ceremonial bey Fürstl. Leichenbestattungen in Hessen. — Lunig theatr. ceremon. S. 696 ff. Hn., Von der geistlichen Verfassung der Grafschaft Hanau vor der Reformation. — Hanauisches Magazin II, 17.-—20. Stück. Hanau 1780. Wille, W., Bemerkungen über die Sammlung der Fürstl. Hess. Landesordnungen in Rücksicht auf die gottes- dienstlichen und liturgischen Schicksale der hessischen Kirche. Hersfeld 1788. \ 8. Geistige Cultur. 13 Knyrim, D. Th., Über die Verbesserung der Liturgie und der Schulen auf dem Lande. Kassel 1798. Der Ramholzer Kirchenkrieg. — Hess. Volksblatt, Kassel 218. 123.’u.'127. v. En (Bayrhoffer), Das Verhältniss der Lichtfreunde zu der protestantischen Kirche. (6 S.) Offenbach 1846. v.L. Hochhuth, K. W. H., Mittheilungen aus der protestantischen Sectengeschichte in der Hessischen Kirche. — Zeitschrift für histor. Theologie. 1863. vl: Thamer, L. Fr., Weitere Vorgänge in der hessischen Renitenz. (99 S.). Gertrudenstift, Selbstverlag 1339. 1,00. Wolf, W., Die evang.-reformirte Gemeinde in Marburg. Ein Rückblick auf ihre Entstehung und Entwicklung seit 250 Jahren. (36 S.) Kassel, Röttger 1896. 0,75. Dithmar, Th. uw. C. Wagner, Die geschlechtlich-sittlichen Verhältnisse der evangelischen Landbewohner in der Provinz Hessen-Nassau. (68 8.). Lpz. Wertlier 1896. 1,20. Bildet des II. Bandes 2. Lfg. von „Die geschl.-sittl. Verh. der evang. Landbewohner im Deutschen Reich“. B. 3. b. Schulwesen. Barbatus, N. A., Oratio in privilegiorum ab imperatoria. majestate academiae Marpurgensi impetratorum promul-- gatione habita. Marpurgi 1541. vol Reifenberg, J., Oratio in Academiae Rinteliensis in- augurationem habita. — In Reifenberg’s orationes S. 97. 12°. Amstelod. 1629. Gisenius, J., Repurgatio collegii Rint. a Monachis turpiter commaculati et deformati. 4”. Rinteln 1654 u. 35. Buchholtz, Chr. Joach., Oratio de statu Academiae Erne- stinae. 4". Rinteln 1644. Kornmann, J. H., Hypotyposis paliliorum Academiae Marpurg. he. solemnia, quibus inauguratio Marp. acad. Guilielmi VI. H. L. auspiciis et u, noviter- rursum erectae etc. ete. 4°. (458 8). Cass. 1653. Hermathene Hanovica s. illustr. Lycei Hanovici restau- rationis et inaugurationis descriptio. 4°”. Hanau 1662.. Pistorius, J. J., Propyleum Athenaei Hassiaci, breviter et suceinete exhibens elenchum Professorum, qui... . professoriam exornarunt ..... cum corum aditu, abitu. et obitu concinnatum. 4°. Giessen 1669. 14 Dr. Ackermann, Repertorium. — B. Bewohner. m Kalckhof, J., Ch., Collectanea und Fragmente vom Collegio Adelph. Mauritiano zu Kassel. (Um 1700). (M. H. un 10RD) Collegium Mauritianum. 5 Bde. (M. H. Fol. 57). ‚Schmincke, J. H., De origine et fatisacademiae Marburgensis. A Nbp. La ‚Acta jubilaei Academiae Rinteliensis. Fol. Rinteln 1721. Schwendler, Nic., Zuverlässiger Bericht von der gegen- wärtigen Verfassung der Universität Marburg. 4°. Mbg. 1748. ‚Juncker, @. Ad., Vorläufiger Bericht von der evang.-luther. Schule zu Hanau, zu einiger Benachrichtigung derer, denen daran gelegen seyn könnte. 4”. Hanau 1750. Funck, J. N., Publica illustris Ernestinae Rinteliensium academiae bibliotheca. 4°. Rinteln 1733 u. Accessio ib. 1754. "Ayrmann, C. F., Von denen Öffentlichen Lehrern auf den hohen Schulen zu Marburg und Giessen, welche nicht gebohrene Hessen, sondern Fremde gewesen. 4°. Giessen INSL. Dolle, ©. A., Ausf. Lebensbeschreibung aller professorum Theologiae, die auf der Universität zu Rinteln gelebt und gelehrt haben. Hannover 1732. ‚Stegmann, J. G., Historische Abhandlung von den grossen Verdiensten Landgr. Wilhelms IV. um die mathematischen Wissenschaften. (Marburger Universitätsschrift). — 4". (288.). Kassel, Hüter’sche Hofbuchdruckerei. 1756. v.L. — Kurze historische Nachrichten von der grossen Einsicht des Fürsten Moritz in die philosophische und mathe- matische Wissenschaft. 4”. (228.) Kassel, wie vorher, 1757. V. Pestel, Fr. W., Commentatio ad tabulas immunitatum, academicarum, quas a Friederico V. Com. Pal. Rhen. S. J. R. vicario Ernestus Princeps et Comes Schaumb. 1619 obtiniut. Rint. 1758. Mogen, L. @., De tempore, quo academia Marburgensis privilegia Caesarea impetraverit. Giessen 4". 1764. Wetzel, Progr. historiam Paedagogii Casselani continens. 4%. Cass. 1767. eu 3. Geistige Cultur. 15 Schriften, Die ehemalige Academie militaire in Hanau betr. 1769—1771. (M. H. Fol. 69,1). Quelgues pieces appartenantes A la Societe des Antiquites et & l’Academie de Peinture et de sculpture de Cassel. (M. H. Fol. 69,2). Von der feierlichen Eröffnung der von Friedrich II. be- stätigten Maleracademie. Kassel 1775. ‚Schirmer, Georg Erich, Von der verbesserten Einrichtung, welche beym Gymnasium in Hersfeld ist gemacht wor- den. Hersfeld. 1773. 4. (Vergl. dazu Kasseler Staats- und Gel.-Zeitung 1773, Stück 77 u. 78 u. St. 161—184). — Von der neuen Einrichtung, welche auf höhere Ver- anlassung und Genehmigung in dem Gymnasium zu Hersfeld getroffen worden. 4°. Hersfeld 1776. Collegium mediecum zu Kassel Ordnung für dasselbe von Landgraf Friedrich Il. 1778. (Bibl. Ver. hess. Gesch. XVII, 23 Fol.) Einrichtungen und Gesetze ds LyceumFridericianum zu Kassel (31 S.). Kassel, Schmidt’sche Hofbuchdruckerei. 1779: .S., Nachricht von der Hanauischen Zeichenacademie. — Hanauisches Magazin III., 24. Stück S. 201ff. Hanau iTelrur V., 1598tück: S: 121. 1782. Casparson, W. J. C., Zur feyerlichen Einführung des von... . Durchlaucht Friedrich II. gnädigst ernannten Prorectors des Collegüi ili. Corolini. (26 S.). Kassel, Hofbuchdr. 1783. ven: Friedrich, Landgraf, Verordnung zum Besten der Hessischen Universitäten Marburg und Rinteln, (21. VI. 1782). — Hess. Beitr. zur Gelehrs. I, S. 69—75. Frankfurt 1785 "Nachricht von der Fürstl. Hessischen Akademie der Malerei-, Bildhauer- nnd Baukunst zu Kassel. — Hess. Beiträge... I, S. 401—412. Frankfurt 1785. ’Rullmann, Georg Wüh., Nachricht von der gegenwärtigen Einrichtung der Rintelschen Stadtschule. 4°. Rinteln 1786. Kurzgefasste Beschreibung des Hochfürstlich Hessischen Kadettenkorps zu Kassel. — Hess. Beitr. II, S. 373—389. 1787. Hassenkamp, @G. E., Plan des mit der Rathsschule zu Rinteln verbundenen Erziehungsinstituts. Rinteln 1791. 16 Dr. Ackermann, Repertorium. — B. Bewohner. Justi, Leonh. Karl Joh., Die Einrichtung des von Sr. Hochf. Durchl. L. Wilhelm IX. gnädigst gestifteten Prediger- seminariums auf der Univers. Marburg. Marburg 1792. — Plan zur Verbesserung der lutherischen Bürgerschule zu Marburg, nebst einem Vorschlag zur Errichtung von Leichenhäusern. Marburg 1797. Beschreibung des Lyceums zu Kassel. -—- Münscher’s Mag- f. d. Kirchen- u. Schulwesen, 1802, Stück 2, S. 72. Nachrichten von der Hohen Landesschule zu Hanau. — Münscher’s Magazin IV, S. 1—43. Marburg 1803. Schüler, Über die Verbesserung der niederen Schulen in Hessen. — Münscher’s Mag. IV, S. 88$—121. Marburg 1803. Curtius, Fragmente eines Planes zur Verbesserung der Erziehungsanstalten in Hessen. — Münscher’s Magazin I, S. 68— 104. Marburg 1803. Funk, Nachricht von der Einführung einiger Industrie- schulen im Kirchspiel Fischbeck. — Münscher’s Mag. I, S. 40—58. Marburg 1803. Martin, Nachrichten von den Schulanstalten der Stadt Homberg. — Münscher’s Magazin II, S. 19—33. Mar- burg 1803. Wittich, Ludwig Wilh., Nachricht von der Garnisonschule zu Kassel und der damit verbundenen Industrieschule. Eine Gelegenheitsschrift bey der am 20. III. 1804 an- zustellenden ersten öffentlichen Prüfung der Garnison- jugend. (21 S.) Kassel, Griesbach, 1804. Rehm, H. F., Von der Einrichtung der Schulen im Kirch- spiel Immichenhayn. — Zerrenners Schulfreund, Bd. 4, S. Das, Born, 82 102. Entwurf zu einer Dienstvorschrift der Stadtschul-Commission. Dienstanweisung für den Inspector der Bürgerschule. (Autographirt.) . (M. H. Fol. 215.) Weber, ©. F., Geschichte der städt. Gelehrtenschule zu Kassel. (4498., 1268) Mit 2 Plänen. Kassel, Fischer, 1846. (Dies selbständig ersch. Werk fasst die Progr.- Abh. des Kasseler Lyceums aus den Jahren 1843 —46 zusammen.) Spengler, Hrabanus Maurus. — Janus 1846, I, S. 15. Schneider, Ders. — Ebenda 1847, II, S. 125. u 3. Geistige Cultur. 7 Be dBiite Ei Iber, Lehrerstimmen aus Ben, Fritzlar, ss Hoppe. 184850. Schilbe "und 0. Vilmar, Der kirchliche Schulfreund. m Rengshausen, Beiserhaus. 1852—54. L. Sa Heppe, H., Kurhessische Kirchen- und Schulzeitung. Kassel, ge Kay, 1863 u. 1864. L. | Zeimbach, J. H., Der christliche Schulbote aus Hessen. - Marburg 1874. (Wurde fortgesetzt v. Lic. theol. K. L. 3 Beimbach. Von 1877-88 kam der Zusatz „aus Hessen“ Fr Sn SI Wegfall.) 1D% En. „Über die Rechtsgrundsätze der Schulbaulasten im ehemal. | Kur hessen. (Eine Entscheidung des Kgl. OÖberverwaltungs- sichts. vom 27. III. 96.) — Centralblatt f. d. ges. > = = - Unterrichts-Verwaltung in Preussen, 1896, $. 357—543. ah ‚Hertz, 1896. Homburg, K., Festschrift zur 50jähr. Jubiläumsfeier der x Realschule zu Schmalkalden. 4°”. (46 8.) Schmal- == kalden 1896. Rosenkranz, C., Läusesucht in den Volksschulen. — Zeitschrift für Schulgesundheitspflege, IX. Jahrgang, 8, 371—378. Hamburg, Voss, 1896. & (Betrifft die Läusesucht in einer Kasseler Volksschule.) Kretzschmar, J., Das älteste Stammbuch der Marburger Universität. — Ztschr. hess. Gesch. N. F. XXL, S. 184— 19. Kassel, Freyschmidt, 1896. Knabe, K., Über das alte Kasseler Schulwesen. — Kasseler Tageblatt u. Anzeiger, Nr. 37 u. 38, 6. u. 7. Febr. 1897. Krösch, Rückblick auf die letzten 25 Jahre der Anstalt seit ihrer Anerkennung als Höhere Bürgerschule. 4°. (37 S.) — Progr. des Progymn. zu Hofgeismar 1597. Druck v. L. Keseberg. B.3c. Wissenschaft und Kunst incl. Sammlungen und Vereine. Robert, C. W., Von der auge na zu Marburg. 4”. Marburg 2 U..171A. Memoires de la societe des ale Kassel. 4°. 1780. \ Causid, Verzeichnis der Hochfürstl. Hess. Gemälde-Samm- lung in Kassel. Kassel, Etienne, 1783. (Bespr. in Hess. Beitr. I, S. 164, F rankfurt 1783.) 2 | 18 Dr. Ackermann, Repertorium. — B. Bewohner. E., Beschreibung des Hochfürstl. Hessen -Hanauischen Medaillen-Kabinets. — Hanauisches Magazin VI, 17. bis 20. Stück, S. 141—202. Hanau 1783. | Casparson, Allgemeine Beschreibung des Museum Frideri- clanum zu Cassel. — Hess. Beitr. zur Gelehrs. I, S. 48 bis 55. Frankfurt 1785. Einrichtung und Gesetze der F. Hess. Gesellschaft der Altertliiimer zu Kassel. — Journ. von und für Deutsch- land.1786, Bd. 2, S. 462 und 1787, Bd. 1,8 23 Schenkungsbrief des Gebäudes zum Lyceo Fridericiano zu Kassel. — Hess. Beitr. zur Gelehrs. ll, S. 364—367. Frankfurt 1787. Nachricht von der Entstehung, dem Zunehmen und dem jetzigen Zustand der Bibliothek bei der Universität zu Marburg. — Hess. Beitr. zur Gelehrs. Il, S. 220—236. Frankfurt 1737. Schildbach, Karl, Beschreibung einer Holzbibliothek in Kassel (Natural.-Mus.). — Journal von und für Deutsch- land 1788, Bd a 000022 Sallmann, Nachricht von einer Lesegesellschaft in Ober- hessen. — Münscher’s Magazin f. d. Kirchen- ete. Wesen], S. 46—67. Marburg 1803. Völkel, Ludwig, Erzählung wie seit 1807 das Museum (zu Kassel) beraubt und durch den Bau des Ständesaales verdorben worden. — Aufzeichnungen des Geh. Justiz- raths Schotten, den Appel’schen Museumsdiebstahl betr. — (M. H. Fol. 244, I u. II.) Ruhl, Diebstahl aus dem Kassler Museum durch den In- spektor Appel. (Bibl. Ver. hess. @esch. XV, Mser. 2. 4°.) Nachricht über die gegenwärtige Landesbibliothek zu Fulda, gesammelt von ihrem ersten Bibliothekar Peter Böhm, OÖ. 8. B, von ihrer Gründung im J. 1771 bis zum”J. 1810.2:(M H740, 2583) Inventaire dela maison du Theätre a Napoleonshöhe, o. J. — Inventaire de la maison des Chevaliers et de Moulang a Napol&onshöhe, o. J. (M. H. Fol. 308.) Bernhardi, K., Vier Briefe die Gründung der Kurfürst. Landesbibliothek zu Kassel betr. Kassel 1853. Sammlungen von Manuscripten betr. die Geschichte der JLandesbibliothek zu Kassel. (M. H. Fol. 320.) 3. Geistige Cultur. — 4. Volksthümliches. 19 Hanau, Fürst Moritz von, Die Kunstsachen, Mobilien, Finrichtungsgegenstände und Gemälde aus dem Allodial- Nachlasse. — (Bibl. Ver. hess. Gesch. XVII, II, 64.) Schwarzkopf, K., Die hessischen Regenten und ihr Ver- hältniss zur Freimaurerei. — Mitthlgn. aus dem Verein deutscher Freimaurer 1890—91, S. 32—43. Leipzig, Zechel, 1891. Zedler, @., Geschichte der Universitätsbibliothek in Mar- burg 1527—1887. Mit 3 Tafeln (166 8.). Marburg, Elwert, 1896. Zum 10jährigen Stiftungsfeste des Vereins für neuere Sprachen zu Kassel am 31. Oktober 1896. (20 8.) Kassel 1896, Weber & Weidemeyer. v. Drach, A., Triangel und Quadrat in den Bauplänen verschiedener oberhessischer Kirchen. — Mitth. Ver. hess. Gesch. 1895, S. 30—32. Kassel 1896. ‚Scherer, Karl, Mittheilungen zur Vorgeschichte u. Geschichte der Wilhelmshöher Schlossbibliothek. — Kasseler Tage- blatt u. Anz. Nr. 27, 28, 29 u. 30 v. 27.—380. Jan. 1897. 4. Voiksthümliches. (Sagen etc., Mundart, Volkslied.) S..8, J. @., Etwas über die frühe Beerdigung der Juden. — Hess. Beitr. f. Gelehrs. Il, S. 358— 363. Frankf. 1787. Tiedemann, Auszug aus vollständigen Akten eines im Jahre 1655 zu Marburg vorgefallenen Hexenprozesses, der sich mit dem Scheiterhaufen endigte. — Hess. Beitr. zur Gelehrs. Il, S. 577--605. Frankfurt 1787. 'W., Vom Bilstein bei Besse. (Eine Sage.) — Beobachter (Red. S. Hahndorf) VII, Nr. 118, Kassel, 17. Oct. 1838. Bestrafung böser Weiber im Fuldaischen. — Hess. Volks- blatt, Kassel 1843, S. 92. Cornelius, Der Untergang des Dorfes Mittelvenne. Hessisches Märchen. — Hess. Volksblatt, Kassel 1843, S. 135-—-140. Hessische Sagen: 1. Die Neustädter und Junker Hans von Dörnberg. — Hess. Volksblatt, Kassel 1843, 8. 47. — 2. Die Gelsterburg. 3. Der Hesselbühl. Ebenda S. 51. — 4. Kassel. Ebenda 8. 124. Dkz 20 Dr. Ackermann, Repertorium. — B. Bewohner. Hansjakob, Unsere Volkstrachten. (Bibl. Ver. hess. Gesch. XVII, 44.) Bering, Sammlung der Idiotismen der Diemelgegend, hauptsächlich in und um Hofgeismar. (Bibl. Ver. hess. Gesch. XV, Mser. 16l, Fol.) Mumdarten in Kurhessen. (Bibl. Ver. hess. Gesch. XV Mscer. 165 Fol.) Der zufriedene Hersfelder in seiner Mundart. (M.H. 8°. 40.): Wucke, Ch. L., Sagen der mittleren Werra, des Thür. Waldes und der Rhön. 2. Aufl. von Dr. H. Ullrich. Schmalkalden, Willisch, 1895. 5,00. D2 Kretschmer, Alb., Deutsche Volkstrachten. 80 Bl. Leipzig, Hoffmann & Ohnstein. Einzelne Blätter (auch Hessen betr.) & 0,60. 189. K., Min Besuch uss Schwarzenborn. — Hess. Morgenztg. Kassel, 24. Nov. 1895. K. (Treller), Was ich gedreimed hon. -— Hess. Morgenztg. 8. Nov. 1896. (Des unverfälschten Kasseler Dialects wegen hier aufgenommen.): Regenhardt, C., Die deutschen Mundarten. Auserlesenes. aus den Werken der besten Dichter alter und neuer Zeit. Berlin. Regenhardt (W. Kurfürstenstr. 37), 1896. Geb.2M. (Proben aus Hessen-Nassau S. 42—101.) W. Riebeling, F., Ernst und Scherz in Inschriften und Ver- zierungen der Häuser im Schwalmgrunde. — Hessen- land X, 10... Kassel, :16.. Mai: 1396. Losch, Phil., Zur Beurtheilung von A. F. C. Vilmar’s Idiotikon von Kurhessen. — Hess. Blätter XX VI, Nr. 2349. Melsungen, 15. Mai 1897. | Lewalter, Joh., Deutsche Volksiieder. In Niederhessen aus dem Munde des Volkes gesammelt, mit einfacher Klavier- begleitung, geschichtl. u. vergl. Anm. 2. Aufl. 5 Hefte. (68, 12,74, 72, 117389) Kassel 1897. Hess. Ani Buchhandlung. 3,00. ! Mitzschke, P., Etymologisches vom Rennsteig. — Thür: Monatsblätter IV, Nr. 12. Eisenach, März 1897. 5. Allgemeingeschichtliches. >31 5. Allgemeingeschichtliches, 5. a. Herkunftslehre. Kraus, Beweis, dass die Chatten keine Sueven und keine Sueven jemals Chatten gewesen sind. Hanauisches Magazin VII, 51. Stück, S. 477—483. Hanau 1784. 5. b. Ortsnamen, Wüstungen. Diplomatische Nachrichten von dem vormaligen Ort Hadebrachtshausen (in der Gegend, wo der Mönchehof bei Kassel liegt). — Schmincke’s monimenta hassiaca IV, S. 657—652. Kassel 17069. ©. Goddaeus, Deutung hessischer Ortsnamen. (Bibl. Ver. hess. Gesch. XVIII. Fol. 14.) Schmincke, F. Ch., Collectanea von Wüstungen oder aus- gegangenen Orten in Hessen. (M. H. 4°. 150.) Armbrust, L., Entstehung und Ableitung hessischer Orts- namen. — Hessenland X, Nr. 16—21. Kassel 1890. Kn., Die Ortsnamen von Kassel und Umgegend. — Kasseler ep u. Anz. Nr. 7, 8, 9 vom 7., 8. u. 9..Jan. 1897. 5. c. Alterthümer. Schmincke, J. H., Dissertatio de urnis sepulchralibus et armis lapideis veterum Cattorum. 4°. Marburg 1714. Bernhard, Joh. Ad., Die Alterthümer des hochf. Hauses Hessen in ihrer Warscheinlichkeit und dann in ihrer Gewissheit untersucht. (M. H. Fol. 50 ) Schmincke, J. H., Disquisitio de situ Mattii. -— Schmincke’s monimenta hass. I, S. 1—19. Kassel 1747. @G., Beschreibung der am Wilhelmsbad bei Hanau aus- segrabenen Urnen und Münzen. — Hanauisches age - III, 25. Stück, 8. 212—214. Hanau 1780. Claudius, Fr. M., Mittheilungen über ein auf dem wer berg bei Kirchberg aufgefundenes Knochenlager. Univ.- - Progr. Marburg 1861. Knoke, F., Das Varuslager im Habichtswalde. (23 S.) Berlin, Gaertner, 1897. 0,60. Wolf, @., Römische Fundstücke bei Niederdorfelden. — Limesblatt 1896, Nr. 18, und Mitth. hess. Gesch., Jahr- gang 1895, 8. 27—28. Kassel 1896. A Pz WE Ar ee 3 = - ui A r’ „ 22 Dr. Ackermann, Repertorium. — C. Eigentl. Landes- u. Ortsk. C. Eigentliche Landes- und Ortskunde. 1. Landesbeschreibung und -Geschichte von Gesammt- hessen oder grösserer Theile. Hermann (Landgraf), Beschreibung der hessischen Städte, Schlösser und Amter. (Strieder S. 472.) Waldbuch von Hessen, von 1534; mit Verz. der Dorf- schaften, Städte, Bäche und Ströme Hessens. (M. H. 4°. 37, vergl. auch Fol. 231 b.) Dorfbuch, hessisches, de 1605. (Man. H. Fol. 136.) Vergl. auch M. H. Eol. 166 u. 231: | Goy, Chr. Fr., De hominibus propriis hassiacis. (V.d. hess. Leibeignen.) Marburg 1716. 4. Kunckell, Stadt- und Dorfbuch des Ober- und Nieder- Fürstenthums Hessen, Fürstenthums Hersfeldt ete. samtt einer geogr. Beschreibung der daran nicht nur befind- lichen contribuablen Häuser ........ 1742, (ME Fol. 116.) Reinhard, J. P., Entwurf einer Historie des Hochfürstl. Hauses Hessen. Erlangen 1753. Populations- und Vermögensliste aller Ämter der Graf- schaft Hanau-Münzenberg. 1:83 (M. H. 4°. 199.) Koppen, @. P. W., Dorfbuch vom ganzen Hessenlande nebst den dazu gehörigen Fürstenthümern und Graf- schaften. Aufgestellt 1785. (M. H. 8°. 25, vergl. auch a) Curtius, M. C., Geschichte und Statistik von Hessen. Marburg 1793. Hipeden, C. C. F., Zur Charakteristik von Niederhessen. — Schlözers St. A. Bd. X, Heft 38, S. 151. Verglichene Landesgrenze zwischen Hessen und Bückeburg. (Befand sich bis 1842 auf der Landesbibl. in Kassel unter M. H. Fol. 149, wurde 5. IX. 42 an das Kurf. Staatsarchiv abgegeben.) Ideen zu einer Bibliotheca rerum hassiacarum (Verf. unbek ). (Bibl. Ver. hess. Gesch. XV, ms 220, Fol.). (ca. 1800.) 2 De 7 se 1. Landesbeschr. u. -Gesch. von Gesammthessen od. gröss. Theile. 23 Hessen vor dem November 1806. Von einem ehemaligen hessischen Kapitain. Lpz. 1807. v.L Rosenmayer, Archiv für Geschichte, Topographie und Statistik des Königreichs Westfalen. Kassel 1808. Schmincke, J. H., und Schmincke, F. Ch., Historische Collectanea von Städten und Amtern in Hessen. (M.H. Bol PiTan.b;115a, bu. ce.) Schmincke, I’. Ch., Sammlung einiger Nachrichten zur alten Geographie von Hessen. (\M. H. 4°. 149.) Kessler’s, @. L., Collectaneen zur hessischen Geschichte, insbes. der Staatswirtschaft. (M. H. Fol. 366.) v. Humbert, K., Collectaneen zu einer Landeskunde v. Hessen. (M. H. Fol. 250 und 4°. 232.) v. Oesfeld, M., Auszug aus dem grossen von Oesfeld’schen Kartenkatalog, die sämmtlichen hessischen Lande ent- Maltend. (NM. H. 4°. 185.) Verzeichniss der Landkarten von Hessen. (M. IH. 4°. 218.) Schlereth, Historische Nachrichten von einigen Schlössern und Domänengütern in der Provinz Hanau 1840. (M. H. Fol. 180; siehe auch 181.) Petri, Übersicht hessischer, besonders hessenkasselscher, jetzt kurhessischer Geschichte. Fulda. (Bibl. Ver. hess. Gesch. XVII, 8°. 96.) (Bang, M.), Kurze Geschichte Kurhessens. (72 S.) (Hom- berg) o. J. (Bibl. Ver. hess, Gesch.) Schlereth, F. B., Landes- und Ortsbeschreibung der Provinz EHrnau.: 1852. (M. H. 4°. 179a) — Beiträge zur Geschichte von Hessen. (1851.) (M. H. 4°. 200.) Materialien zu dem Werke von L’Estocq, Hessische Städte- wappen. (Wappendarstellungen, die von den Stadt- behörden übersandt worden sind). (M.H. Fol. 366.) Grebe, E. R., Der hessische Voikscharakter im Lichte der Vergangenheit und Gegenwart. (46 S.) Melsungen, opt 1896. 0,30. Lohmeyer, E., Verzeichniss neuer Hessischer Literatur. Jahrgang 1895. — Mitth. Ver. hess. Gesch. 1895, S. I-LV1lI. Kassel 1396. | 94 Dr. Ackermann, Repertorium. — ©. Eigentl. Landes- u. Ortsk. Verzeichniss sämmtlicher Ortschaften der Provinz Hessen- Nassau, des Grossh. Hessen, Fürst. Waldeck und Kreises Wetzlar. (264 8.) Frankfurt a. M., Reitz u. Köhler. 1896. Geb. 2,00. 2. Einzelne Orte. Amoeneburg. Zofmann, H., Wiederherstellung der Stifts- kirche zu Amoeneburg in den Jahren 1650—1652. (Bibl. Ver. hess. Gesch. XV, ms. 153, Fol.) Amöneburg und Neustadt, Urkunden. (Bibl. Ver. hess. Gesch. Mser. XV, 1. Fol.) Falckenheiner, Handschriftliches über Amöneburg. (In d. Bibl. des Ver. f. hess. Gesch. zu Kassel, signirt XV, ms 4. Fol.) Belagerungen und Einnahmen (im 17. u. 18. Jahrh.) — Theatrum Europaeum I, 8. 548; II, 5.560. Frankfurt a.M. 0. J., ferner in Archenholz’ Gesch. d. 7jähr. Krieges S. 541, in Renouard’s Gesch. v. 1757—1763 ILL, S. 784. Bartenhausen. Mühle zwischen Rauschenberg und Kirch- hain. 1570. 1614. (Bibl. Ver. hess. Gesch. XV, ms 55, Fol) Beilstein. Schenk zu Schweinsberg, G., Die Burg Beil- stein bei Orb. — Hessenland XI, 1. Kassel 2. I. 97. Berninghausen. Siehe unten Merxhausen. Boineburg. Biskamp, Sig., Die Ruinen des Schlosses Boineburg. — Kurhess. Magazin 38. Stück, Hersfeld IT RE 1804, Breitenau. Series abbatum Monasteriiı Britenaviensis. — Schmincke mon. Tom IV., p. 653. Brotterode. v. S., Das neue Brotterode. — Kölnische Aeitun2 189g, Nr» 9197182 0er: Hasungen. Stiftungs- und Lehnbriefe i. J. 1074 u. 1219. — Ledderhose’s kl. Schriften 3. Bd., S. 185 u. 8. 191. Marburg 1789. Burghasungen. Geschichtliche Nachrichten. (Bibl. Ver. hess. Gesch. XV., ms 214. Fol) Englis. v. Wiederhold, B. W., Beschreibung des dem Herzoge Friedrich von Braunschweig zu Englis in Niederhessen auf dem Kampfplatz errichteten Denkmals. — Hess. Denkwürdiek. v. Justi III., S. 395 —404. Mbg. 1802. / 2. Einzelne Orte. 25 Eschwege mit Meissner. LZudolphi, Laur., Kurze _Be- schreibung des elenden Zustandes... in und um der Stadt Eschwege in den 30 jährigen Kriegszeiten. (M. H. 4°. 93, auch Fol. 193 a.) (Hoferock, H.2), Kurtze Beschreibung der Stadt Eschwege, aus alten und neuen Historien, Manuscriptis, Documentis, auch vieler Erfahrung. (M. H. 4°. 5.) Kurtze Beschreibung der Stadt Eschwege. 1736. (M. H. 40, 129.) Gutberlet, L., Der Meissner. — Hess. Magazin 1. Stück, S. 11—22. Hersfeld 4. IV. 1803 Das Höllenthal. — Hess. Volksblatt, Kassel 1843, 8. 115 @. 119. Amelung, Th., Meissner-Führer. Eschwege 1380. Bierwirth, H., Das Johannisfest in Eschwege. — Hessen- land X, 13. Kassel 1. Juli 1896. Frankenberg’s Chronik siehe M. H. 4°, Nr. 26—29, 114e, 128,125, 158 und Fol. 394. Streithof, Abr., Der Stadt Franckenberg Chronica. 1706. (Manusc. Hass. Fol. 4).) Joh. Emerich's Sammlung der alten Rechten und Gewohn- beiten der Stad Franckenberg. — Schmincke’s Monim. hass. II, S. 669— 756. Kassel 1748. Rörig, A., 340 Jahre Geschichte der Kirche zu Francken- berg. Mbg. 1886 Müller, L., Zur Chronik der Stadt Frankenberg. 1894. 2, Franckenbergs Vorzeiten. — Hessenland X, 19. Kassel 1. Oct. 1896. Fritzlar. Census supra domos civitatis Frizlariensis. — Reeistra fundationum eccles. S. Petri Frideslariensis. MEEERRol. 130, 131, 132, 133.) Ledderhose, Von der Schutzgerechtigkeit des Fürstlichen Hauses Aleskemenneoll über das Sankt Peters-Stift ın Fritzlar. — Hess. Beitr. II, S. 215—219. Frankf. 1787. Weber, Handschriftliche Sammlungen, Fritzlar, das dort. Stift ete. betr. (Bibl. Ver. hess. Gesch. XV, 170-212 Fol.) Fulda. Von des Stifts Fulda Anfang und von desselben regierenden Apten, auss der Chronographia Valentini Müntzers Bürgers zu Fulda. 1549. (M.K. Fol. 48, d.) 26 Dr. Ackermann, Repertorium. — C. Eigentl. Landes- u. Ortsk. 9 Urkunden der F. Äbte und andere Fuldische Urkunden. (M. H. Fol 272 u. 273) Schilderung actenmässige, des alten und wichtigen Rechts- streit in Sachen Fulda gegen von Schlitz. s. a. (Bibl. Ver. hess. Gesch. XVII, 1, Fol.) Kaiser, Fuld. Hofkanzler, Geschichte der Fuldischen Aebte v. 744—1176 (M. H. Fol. 159) Das Hospital sammt der Kapelle zur heil. Jungfrau und Märtyrin Katharina nächst Fulda. Die Kapelle zum heil. Vitus in der Hinterburg. (Beide Schriften in d. Bibl. Ver. hess. Geschichte. 166. 4.) (Salzmann, Ch. G.), Reisen der Salzmannischen Zöelinge. Bd. IV, 8. 43. Leipzig (Crusius) 1734—93. v. Egloffstein, H., Balthasar v. Dermbach, Fürstabt, und die katholische Restauration im Hochstift Fulda 1507 bis. 1606707 Kellermann, Beschreibung der an Kurhessen abgetretenen Fuldischen und Isenburgischen Amter. 4 Bde. (M. H. Kolmal79.) Ansfeld, J. W., Reisen der Zöglinge zu Schnepfenthal. Bd. 11, S. 43. Schnepfenthal 1803. Weber, A. J., Chronologisches Verzeichniss der Fürstl. Fuldischen Verordnungen, Generalrescripte und Ver- fügungen. 1804. (M. H. Fol 172.) Schlereth, Lehen im Grossherz. Fulda. 1832 u. 37. (M. H.>Eol. 282 n., 233.) Stiaatsverträge, das Fürstenthum Fulda im Anfange des 19. Jahrh. betr. Copien. (M. H. Fol. 252.) Schlereth, F. B., Landes- und Ortsbeschreibung des Gross- herzogthums Fulda. 1851. (M. H. 4°. 179.) Eberstein, L. F. v., Geschichte der Freih. v. Eberstein und ihrer Besitzungen. Sondershausen 1863. -— Die von den fränkischen Ebersteinen .... innegehabten Besitzungen inihrer Stammheimath. Berlin (Schenck) 1890. Hossfeld, C., Höhenschichten - Karte des Rhöngebirges.. 1: 100000. 2. Aufl. 74cm :55 cm. Mit Text. Eisenach, Kahle 1897. 1,00. Gelnhausen. Geschichtliches von H. B. Hundeshagen. (M. Er Rol.. 254 u. 255) 2. Einzelne Orte. 97 Hundeshagen, H. B., Auszüge des Gelnhäuser Privilegien- Buchs als Materialien zur Ortsgeschichte der Stadt Geln- hausen. (M. H. Fol. 253.) Ruhl, Gebäude des Mittelalters zu Gelnhausen. 24 An- sichten. (Bibl Ver. hess. Gesch. XVI, Fol. 9.) Die Pfarrkirche zu Gelnhausen. — Hess. Volksblatt, Kassel 1843, S. 107. Grebenstein. Urkunde de 1346. (Bibl. Ver. hess. Gesch. XV. Mser. 48. Fol.) Gudensberg. Repertorium über die Urkunden... der Stadt Gudensberg und Auszüge daraus. (M.H. Fol. 364 u. 365.) | Haina. Schenkungsurkunde von Kloster Aulesburg (!Taina) an den Cisterzienser-Orden (1215) und Anderes, Laina betr. (M. H. 4°. 246.) Hanau. Lotichius, J. P., Carmen heroicum in laudem clarissimae urbis Hanoviae. 4°. Han. 161». Bl., Materialien zu einer Topographie von der Stadt Hanau. — Hanauisches Magazin Ill., 26. u. 27. Stück, 8. 217 bis 232. Hanau 1780. Marquard, Grundliste von der Grafschaft Hanau 1791. (M. H. 4°, 198.) Mor, G.), Par ologiche; Notizen über die Stadt Hanau. (M. H. 8°. 29.) v. C(ornberg), Über die Fürstengruft in der Marienkirche zu Hanau. — Hessische Blätter IX, Nr. 348. Mel- sungen 18. August 1877. Plan der Fürstengruft in der Hanauer Marienkirche, (Bibl. Ver. hess. Geschichte. Ms.) Gies, L., Das Geburtshaus der Brüder Grimm. — Garten- laube 1896, Nr. 695. Lpz. Rullmann, Wilh., In der Heimat der Brüder Grimm. — Berliner Localanzeiger, Beilage. Berlin 17. VII. 96 Schmidt, F., Festschrift zur Feier der Enthüllung des Nationaldenkmals der Brüder Grimm in ihrer Vaterstadt Hanau am 18. X. 1896. (69 S. m. Abb.) Hanau, Alberti 1896. 3,00. 98 Dr. Ackermann, Repertorium. — 0. Eigentl. Landes- u. Ortsk. W., Das Nationaldenkmal der Brüder Grimm in Hanau. (Mit Bild). — Leipziger Illustr. Zeitung Nr. 2782 vom 24. October 18906. Dieterich, Die Gründung der Neustadt-Hanau. Ein Gedenk- blatt zum 300 jähr. Jubiläum. —- Kasseler Tagebl. und Anz. 44. Jahrg., Nr. 149 vom 30. V. 97, zweites Blatt. Ankel, O., Graf Philipp Ludwig II. und die Gründung von Neu-Hanau. (66 8.) Hanau, Waisenhaus-Druckerei ST. Hanstein. Fey, 4., Geschichte der Burg Hanstein. — Hessenland XI, 4—85. Kassel 16. IL.—17. IV. 97. — Dass. selbständig erschienen. Mit Abb. der Burgruine. (38 S.) Kassel, Fr. Scheel. 1897. 0,50. Hausen. v. Dörnberg, H. F. A., Zur Geschichte des Schlosses Hausen in Hessen. — Justus Denkwürdigk. IV, Ss. 269—305. Mbg. 1803. Helmarshausen. Zistoria Monasterii et Oppidi Helmers- hausen. ($1.UH.. 42.710872) Volland, J., E., Geschichtliches über die Stadt Helmars- hausen. ,(M. H. 4°.'36 u. 2180.) Helmarshausen. Urkunden. — (Bibl. Ver. hess. Gesch. Mser. XV, 1 Fol.) | Weber, Nachrichten über Elmarshausen und Burghasungen. (Bibl. Ver. hess. Gesch. 214 Fol.) Schwarzkopf, K., Die Burg Krukenberg bei Helmarshausen. (Ref. v. L. über einen Vortrag.) — Kass. Allg. Zeitg. Nr. 144 vom 26.V. 97, 2 Blatt: Hersfeld. Series Abbatum Hersfeldensium. (M.H. 4°. 98.) Hersfelder Schenkungsurkunde aus dem X. Jahrhundert. Original. Pergament. (M. H. Fol. 261.) Copie und Abschrift aller Begriffe, Contract, Instrument, Privilegien und Gerechtigkeyt desQlostersS.Johannes- berg bey Hirschfeld. (M. H. Fol. 52.) Bernhard, Joh. Ad., Beschreibung der vormaligen Fürst- lichen Abtey Hersfeld ete. (M. H. Fol. 51 u. 125.) Beschreibung des Stifts Herssfeld, oder Verz. derer zu Stadt und dem Stift Herssfeld gehörigen Aembter, ins- besondere deren Flecken, Dörfer und Höfe, wie auch Mühlen und Wasser. (Man. Hass. Fol. 43, c.) 2. Einzelne Orte. 99 Diplomata Hersfeldensia; mit einem vorliegenden Ver-. zeichnise (M. H. Fol. 75 und 4°. 106.) "Verzeichniss aller Lehnleute des Stifts Hersfeld (nach 1608). (M. H. Fol. 183.) ‚Schminckii, Fr. Ch.,Collectanea ad Historiam Hersfeldensem. al 20.159.) Kalckhof, J. Ch., Collectanea und Fragmente vom Gymnasio. zu Herssfeldl.e. (Um 1700.) (M. H. 4°. 104 ff.) Cantzler, J. F., Einige Urkunden, welche die hessische und herschfeldische Geschichte erläutern. — Schmincke’s monim. hass. III, S. 248—288. Kassel 1750. Ledderhose, Vom Titel der Landgrafen von Hessen als. Fürsten zu Hersfeld. — Hess. Beitr. zur Gelehrs. I, S. 873— 883. Frankfurt 1785. Münscher, Gutachten über einen von Professor Arnold: hinterlassenen Aufsatz das Kloster Hersfeld betr. (Bibl. Ver. hess. Gesch. XV, Mser. Fol. 121.) Figenbrodt, A., Lampert von Hersfeld und die neuere. Quellenforschung. Eine kritische Studie. (137 8.) Kassel, Hühn, 1896. — Lampert von Hersfeld und die Wortauslegung. Eine. Entgegnung. (33 8.) Leipzig, Fock, 1896. (Beide. Schriften ausführlich bespr. in Mitth. Ver. hess. Gesch. 1895, S. 49—54.) Hafner, Lingg und die Rettung von Hersfeld. — Hessen-. landeX7 253 u. 24. Kassel, 1. u. 8. Dec. 1896. Müller, A., Vier Schreckenstage der Stadt Hersfeld. —. Hersfeld, Schmidt, 1896. 0,50. Das Linggdenkmal zu Hersfeld. Verlag der Hersfelder: Zeitung. 1897. Homberg. Nachrichten von der Stadt. (M. H. Fol. 76.): Immenhausen. Materialien zur Geschichte der Stadt- Immenhausen bes. im 17. u. 18. Jahrh. (M. H. Fol. 525 und 4° 257.) Vergl. auch unten Merxhausen. Karlshafen. Francke, R,, Karte der ÖOberwesergegend, (1: 75000) nebst einer Spezialkarte von Karlshafen und Umgegend (1:40000). Karlshafen (Kassel, Wigand), 1896..7 1,50. 30 Dr. Ackermann, Repertorium. — ©. Eigentl. Landes- u. Ortsk. Kassel und Umgegend. Die Landstände machen dem Landgrafen Friedrich ll. ein Geschenk von 20600 Thlr. behufs Errichtung einer Bildsäule auf dem Friedrichs- platz. 177 KM ol 535 Casparson, W. Chr. G., Die glücklichen Epochen I Fürstl. hess. Haupt- u. Res. Stadt Kassel. Kassel 1783. 4°. Albers, J. J., Der Winterkasten beı Kassel oder der Karls- berg, in Versen beschrieben. Kassel, Hampe. 1784. Stiftungsbrief des Herz. Albrecht von Braunschweig betr. Schenkung des Kragenhofs an das Kloster Ahnaberg in Kassel i. J. 1213. — Ledderhose’'s kleine Schriften Bd. 2, S. 277. Marburg‘ 1787. Einige Briefe über Kassel. -— Deutscher Merkur 1786 St. 9. Berichtigung dieser Briefe. — Journal von und für Deutschland 1788, Bd. 1, S. 178. v. Apell, Dav., Kassel u. die umliegende Gegend. Kassel 1792. Kellner, Ansichten vom Weissenstein und Karlsberg bey Kassel. — Egger’s Deutsches Magazin 1799, St.3 Nr. 1. Tableau historique et topographique de , Napol&onshöhe pres de Cassel. Marburg, Krieger 1808. Historischer Bericht von dem Ursprung der Stadt Kassel und einiger daselbst vor Zeiten üblich gewesenen Rechte und Gewohnheiten. — Kuchenbecker’s anal. coll. IV, pag. 249. De la Situation, de l’Aır, du Terrain, des Eaux de la Ville de Cassel. (M. H. 4°. 259.) Wilhelmsthal. Die Instandsetzung des Kurf. Schlosses, o.J. AH. Fol: 3085 (Robert, C. W.), Bemerkungen über die Beschreibung, welche ©. G. Küttner in dem 1. u. 4. Theil seiner Reise durch Deutschland u. s. w. von Kassel entworfen hat. — Fortges. Genius der Zeit Bd. 3, 8. 7 ff. Topographisch-statistische Beschreibung vom Amte Wil- helmshöhe. (M. H. Fol. 226.) Seelig, F., Geschichtsbilder aus der Kasseler Vergangen- heit. 1891. Kassel, Wilhelmshöhe und Umgebung. Reisehandbuch.. 11. verm. u. verb. Aufl. (131 S. mit Karten u. Plänen.) Kassel, Brunnemann, 1896. 2. Einzelne Orte. 31 Fiihrer durch Kassel u. Wilhelmshöhe u. Bad Wildungen. (83 S. m. Abb.) Kassel, Weber & Weidemeyer, 1896. Haupt, @., Führer durch Niederhessen, unter besonderer Berücksichtigung der Umgegend von Kassel. Mit Karte 1:200000. (359 8.) Kassel, Vietor, 1896. 2,00. Fritsch, Zur Geschichte des sog. Forstes bei Kassel, ins- besondere auch als Uebungsplatz der Truppen. (Vortrag.) — Kasseler Tageblatt und Anzeiger Nr. 56-58, 25.27. Februar 1897. Plan der Residenzstadt Kassel und des Dorfes Wehlheiden. Angef. v. 13891—96 durch Verm.-Insp. Blumenauer. 9Bl. a 64:61 cm. Farbendruck. Kassel 1897, Hühn. 20,00. Ders. ın kleinerem Massstabe u. 1 Bl. (67:71). Kassel, alle Buchh. 1897. 0,75. Kaufungen. Stiftungs-, Schenkungs- ete. Briefe. — Ledder- hose’s kl. Schriften Bd. 2, 8. 277 u. ff., Bd.5, 8.188 etc. Marburg 1787, 1789. Bernhard, J. A., Untersuchung der Frage: Wie hat der sächsische Kaiser Heinrich Il. ein Stifter des Klosters Kaufungen in Hessen werden können? — Kasseler gelehrte Zeitung 1751 St. 36. Historia Monasterii Kauffungensis in Hassia (M. H. 4°, 108, 1.) Liehtenau. Schanz, Urkunden über die Kirche zu Lichtenau. (Bibl. Ver. hess. Gesch. XV, Mscr , 155, Fol.) Lippoldsberg a. d. Weser. ({Benedietiner Nonnenkloster.) Nachrichten v. Hess. Kirchen u. Klöstern. Von Ledder- hose. — Hanauisches Magazin VI, 35. Stück, S. 325— 3306. Hanau 1783. Ludwigstein. Kopp, U. F., Beitrag zur Geschichte des Schlosses und Amtes Ludwigstein. — Hess. Beitr. zur Gelehrs. II, S. 390—407. Frankfurt 1787. Schriftstücke aus dem 1837 aufgehobenen Amt Ludwig- stein. (Bibl. Ver. hess. Gesch. XV, Mser. 236. Fol.) Malsburg. Schlereth, F. B., Die Malsburg und deren Besitzer. (Bibl. Ver. hess. Gesch. XV, Mser. 34, Fol.) Marburg. Epitaphia Marburgensia quae extant in Basilica Lutheranorum et in coemiterio ejusdem. (M.H. 4°. 50.) 32 Dr. Ackermann, Repertorium. — C. Eigentl. Landes- u. Ortsk.. Abzeichnungen der Fürstl. Grabmäler in der St. Elisabeth- kirche zu Marburg. (M. H. 4°. 49.) Duysing, J. G., De praerogativis, quibus Marburgum prae- aliis urbibus gloriatur. Marburg 1742. v. Canngiesser, L. H. L. @., Historische und rechts- begründete Nachrichten von dem Ursprung, Wachsthum. u. Landstandschaft des deutschen Hauses u. der Land- commende Marburg. Aus berühmten seriptoribus und. vielen archivalischen Urkunden zusammengetragen.. Kassel 1751. Justi, K. W., Landgraf Wilhelms des Jüngeren Begräbniss- monument in der Elisabethkirche zu Marburg. — Intell.- Blatt für Hessen, 4. Stück. Marburg, 24. I. 1787. Nachricht einer marmornen Altarverzierung in der Lutherischen Pfarrkirche zu Marburg. — Intell.-Blatt. für Hessen, 35. und 37. Stück. Marburg, 29. VII. und 12a 1788. BRiess, F. B. u. List, K. W., Beiträge zur Geschichte und Erklärung des berühmten Begräbniss- Monuments Wil- helms III. oder Jüngern in der Elisabethen-Kirche zu Marburg. — Justi’s Denkw. IV, 2, 8. 126—176. Mar- burg 1805. Heldmann, .K., Geschichte der Deutschordensballei Hessen: nebst Beiträgen zur Geschichte der ländlichen Rechts- verhältnisse in den Commenden Marburg u. Schiffenberg.. 1. Theil bis 1360 (191S.) Kassel 1894. (Auch in Ztschr. hess. Gesch. u: L.;, N. FE. Ba. XX, 71892) Ehrhardt's Karte der Umgebung von Marburg. Entw. ‘vom Landmesser Krieger. 1:25000. 65cm:58cm. Farbendruck. Mit kurzem Führer. (2 8.) Marburg, Ehrhardt, 1896. 1,80; auf Leinw. 2,40. Melsungen. 7321, Nachrichten von der Kurhessischen Stadt. Milsungen. (M. H. Fol. 178.) Topographisch-statistische Beschreibung vom Amte Mel- sungen. (M. H. Fol. 227.) Zilch, Untersuchungen über die politische und innere Geschichte der Stadt Melsungen. Diss. Marburg 1866. Armbrust, L., Melsungen 1359-1394. Im Zusammenhang; mit der hess Landesgeschichte. — Hessenland XI, 4-6. Kassel 1897. Be 3. Einzelne Orte. 33 Merxhausen Weber, Urkunden über Kloster Merxhausen, Berninghausen, Immenhausen. (Bibl. Ver. hess. Gesch. 213 Fol.) ‚Stiftungsbrief des Klosters Merxhausen vom Jahre 1213. — Ledderhose’s kleine Schriften Bd 2, 8. 292. Marburg 1737. Naumburg. Das unglückliche Naumburg oder Be- schreibung des daselbst entstandenen grossen Brandes den 29. Jum 1714, (M. H. 4°. 11, 6.) Neustadt s. 0. bei Amoeneburg. Nordshausen. Fernere kurze Nachricht von den ehe- maligen Klöstern Nordshausen bey Kassel u. St. Georgen bey Homberg. — Estors Marburger Beyträge. St. 28.257 ff. Neuber, K., Geschichte der Kirche und des Nonnenklosters Nordshausen. — Ref. über diesen Vortrag im Kasseler Tageblatt vom 13. September 18906. Preungesheim. Junghans, W., Das Pfarrdorf Preunges- heim. — Hessenland XI, 1,.2, 3. Kassel, 2. Januar bis #7 Webruar 1897. Rinteln (s. a. oben unter B. 5. b.). Graebe, C©. O., Nach- richten über Alt- und Neurinteln. Rinteln 1821. Engel, A., Weserbuch. Ein erklärender Begleiter auf der Weserreise mit Berücksichtigung der Fulda von Kassel ab. Hameln 1845. va: Rotenburg. Diplomata Rotenburgensia, Sontrana, Witzen- musana. (M. H. 4°. 107.) Lucae, Fr., Das edle Kleinod von der hessischen Landes- krone oder Vorstellung der Fürstl. Residenz Roten- Bere a. d. Kulda: (M. H. Fol.) Epitaphia, so in der Stiftskirche zu Rotenburg befindlich ende (M. H. 4°. 105.) Vom Stifte Rotenburg a d. F. — Hanauisches Magazin VII, 29. Stück, S. 261—267. Hanau 1784. Haas, Über dasselbe. — Marburgische Anzeigen, 33. und 34. Stück. Marburg 1781. Ledderhose, ©. W., Nachrichten von der reformirten Schlosskapelle in Rotenburg a F. und den 1683 darüber entstandenen Streitigkeiten. — Hananisches Magazin VI, 2..u. 3. Stück S. 12—20. Hanau 1783. Über die Rotenburger Quart. (M. H. Fol. 208, 204.) 3 34 Dr. Ackermann, Repertorium. — €. Eigentl. Landes- u. Ortsk. Bericht des für die Angelegenheiten der Rotenburger Quart bestellten Ausschusses. — Der Beobachter (Red. S. Hahndorf) VI, Nr. 53—59, Kassel, 7.—24. Mai 1837. Rhön und Spessart. (Siehe auch oben unter Fulda) Ver- such einer Geschichte und Beschreibung des Freiherr]. Patrimonialgerichts Schackau in 3 Abschnitten. Fulda 1842. MEH: 1031) Schneider, Just., Die Rhöngegend in histor. Beziehung. Vier Verträge. (79 S.) Fulda 1878. ..1,00. Bottler, Reall.,. Naturwissenschaftl. Rundschau von Bad Kissingen. (50 8.) Kissingen, Weinberger. 1,00. Schneider, J., Führer durch die Rhön. Nebst 1 grossen Gebirgskarte, 1 Tourenverzeichniss u. 3 Spezialwegkarten. 5 Aufl. (249 8.) Würzburg, Stahel. 2,00. Woerl, Führer durch Rhön und Spessart und das mittlere Mainthal. 2. Aufl. Würzburg, Woerl. 1,00. F. L., Die Rlıön. — Kasseler Allg. Ztg. v. 25. Oet. 1896. Grotefend, W., Die Begründung der Stadt Gersfeld. — Hessenland X, 25. Kassel, 1. August 1390. | Schneider, J., Aus dem Rhöngebirge. Gersfeld und der Ebersberg. — Tourist. Mitth. V, 5. Kassel, Nov. 1896. Dietz, A., Touristenwegkarte für das Spessartgebiet, nebst Anschluss an den Odenwald. 1:12000U0. 2. Aufl. Würz- burg, Staudinger, 1896. 1,20. Schremmel, Realschulrect., Das Klima von Bad Kissingen. (35 8.) Ebenda 1896. 0,30. Der Spessart. — Beilage zur Sonntags-Ausgabe der Köln. Zeitung Nr. 741. Köln, 16. Oktober 1896. Schackau siehe Rhön. Schartenberg. Lange, Chr., Die ältere Geschichte des Schlosses Schartenberg. — Mitthlgn. Ver. hess. Gesch. Jahrg. 1895, S. 16—20. Kassel 1396. Schmalkalden siehe Thüringerwald. Schwarzenborn. N. C., Zur Geschichte der Stadt Schwarzen- born. — Hessenland X, 21. Kassel, 2. Nov. 1396. Sontra. (Siehe auch Rotenburg.) Gerland, Notizen über die Stadt Sontra. (Bibl. Ver. hess. Gesch. XV, Mser. 156 Fol.) 3. Einzelne Orte. 35 "Thüringerwald. Schmalkaldisches Verzeichniss. Von 1202 bis 1623. (Enth. Beschreibung der Flurmark, der Bürger- meister von 15001631, die Stadtverfassung um 1620 und eine Chronik von 1500—1623.) (M. H. Fol. 153.) Fragment von einer Schmalkaldischen Chronik (bis 1566). Hr 40744, 1 u. 2:und 8° 4.) Historische Nachricht von der Stadt und Herrschaft Schmalkalden. (M. H. 4°. 128.) Pforr, Dav., Schmalkaldensia memorabilia ex diversis auctoribus et manuscriptis congesta.. 4. (Manuscript auf der Kasseler Landesbibliothek.) Kleinschmalkalden. — Hess. Volksblatt, Kassel 1343, ei 18 ur 18T. Routenkarte der Haupttouristenwege, der wichtigsten Fahrstrassen etc. Herausgegeben vom Thüringerwald- verein. Routenverzeichniss zu vor. Arnstadt, Frotscher. 1896. B. Rossner, A., Der Rennsteig des Thüringer Waldes jetzt und früher. Naumburg a. S. Schirmer. 1,25. B. Bühring, J., u. L. Hertel, Der Rennsteig des Thüringer Waldes. Jena, Fischer, 1896. 2,50. Gerland, 0O., Die spätromanischen Wandmalereien im Hessenhof zu Schmalkalden. 4°. (31 8. mit 8 Fig. u. 14 Taf.) Leipzig, Seemann, 1896. Geb. S,00. Matthias, R., Die Stadtkirche in Schmalkalden. — Zeitschr. f. Henneberg. Geschichte Heft 13. (227 S. m. 2 Taf.) Schmalkalden, Lohberg. 1,25. bühring, J. und L. Hertel, Der Rennsteig. Führer zur Bergwanderung nebst geschichtlichen Untersuchungen. Mit 1 Wegkarte, Höhenplan, Sprachkarte und Abbild. v. Oberhof. (200 8.) Jena, Fischer 1896. 2,50. Scherer, C., Schloss Wilhelmsburg bei Schmalkalden. — Hessenland X, 9. Kassel 1. Mai 1896. (Matthias, R.), Die Stadtkirche in Schmalkalden. (227 S.) —— Zschr. Ver. Henneberg. Gesch. XIII. Lpz., Loh- berg 1896. Gerland, O., Die ehemalige Burg Wallrab über Schmal- kalden — Hessenland X], 9u.10. Kassel 1. u. 17. V. 97. Zr 36 Dr. Ackermann, Repertorium. — C. Eigentl. Landes- u. Ortsk. Bücker, Friedr., Schloss Wilhelmsburg (bei Schmal- kalden). Mit Abb. — Leipziger Illustr. Zeitung Nr. 2793. vom 9. Januar 1897. Treysa. Kulenkamp, Versuche einer ausführl. Besehreibung- des vormaligen und gegenwärtigen Cämmerey - Wesens der Stadt Treysa. (M. H. 4°. 249.) Wabern. Schloss, Beschreibung und Geschichte, sowie Verz. der Portraits, die ehemals darin vörhanden. (Bibl. Ver. hess. Gesch. XV, Mser. 46 Fol.) Waidkappel Rehm, A. F., Nachrichten von der Kirche Waldkappel in Niederhessen. — Journal für Prediger Bd250.. St. >. Wanfried. Ausführliche Beschreibung von Stadt und Amt Wanfried. (M. H. 4°. 127, vergl. auch 4°. 5b.) Wallenstein. Waldin, J. Gottl., Dissertatio de habitu piae fundationis ad civitatem. Marburg 1766. 4. Wetter. (Henkel, Leonh.), Die Stadt Wetter, ihre Kirche, Denkmäler und Schulen. (M. H. 4°. 223.) Geschichte der Kirche und des Stiftes zu Wetter. (Manuser. v. 30 Folioseiten in den Akten des Bosemuseums zu Kassel.) Die Mittel zur Restaurirung der Kirche, insbes. zur Aufführung, eines neuen Thurmes hat die Gräfin Luise Bose im Jahre 1810. | geschenkt. Fey, Ad., Geschichte der Stadt Wetter. — Tourist. Mitth. aus beiden Hessen V, Nr. 10 u. 11. Kassel 1897. Wilheimshöhe und Wilhelmsthal siehe Kassel. Windhausen. Drede, P. F., Kurze Beschreibung des Schlieffenschen Landgutes Windhausen. — Justi’s hess. Denkw. IV, 1. S. 441—449. Mbg. 1805. Witzenhausen. Ledderhose, ©. W., Nachricht von der Stadt Witzenhausen. — L.s kleine Schriften Bd. 4, S. 312—525. Marburg 8/95. > Siehe auch unter Rotenburg. Wolfhagen und Zierenberg. Weber, Nachrichten über Wolfhagen und Zierenberg. (Bibl. Verz. hess. Gesch. 219. 101. Müller, L., Chronik der Stadt Wolfhagen. Marburg 1894 ! @ N 3. Einzelne Orte. 37 Ysenburg. Höck, S. D., Historisch-statistische Topographie der Grafschaft. Frankfurt 1790. Ziegenhain. (Kirchhoff, Hans Wil.), Verzeichniss der Gemeltze (Gemälde) und deren Schriften, wie dieselbige in unseres Herrn Gemache zu Ziegenhain gemahlet stehen. (M. H. 4°. 48.) (Abgeschlossen 5. Juni 1897.) Corrigenda et addenda. Im Hauptwerk: 8. 9, 2.1 v. u. 1. 1787 statt 1785 u. füge hinzu pag. 38. = 307. 18 v..o.1. 1785 statt 1749. 8. 51, Mitte: Die Citate Moench und Cuntz, die sich auf Dorf- seismar beziehen, sind hier zu streichen. Dafür siehe Nachtrag VIIL unter A. 3. 2002. 23 20.1. 19 st. 179. 8. 104, Mitte, „Zur Sache....“ füge hinzu: „Beleuchtung einer vom Stadtrath zu Kassel wegen angeblich stiftungswidriger Behandlung dieser Anstalt angestellten Klage.“ (618.) Verl. v. Bohne. (Verf. ist A. F. Ch. Vilmar.) >107, 7. 20 v. u. 1. 1787 st. 1785. 8. 108, Z. 15 v. o. 1. Musik st. Museen. . 8. 160, Z. 21 v. o. 1. Sooden. S. 161 oben: Das Kulenkamp’sche Manuscr. hat die Signatur M. H. Fol. Nr. 138. | Nachtrag IV: S. 18 lies Merxhausen. Register: 8.5 lies Goldmayer S. 115 st. G. 116. S. 9 lies Kulenkamp. 213,7. 50 v. u. füge hinzu S. 92. 38 F. W. Seelig. Abhandlungen. Ueber künstliche Fischzucht. Vortrag gehalten in der Vereinssitzung vom 8. Februar 1897 von Amtsgerichtsrath F. W. Seelig. Im Zeitraume einer knappen Stunde und als Vor- bereitung für die Besichtigung der Fischbrutanstalt des Kasseler Fischereivereins im nahen Bettenhausen zu sprechen, erklärt es einestheils, dass nicht Alles gesagt werden kann, was über das Thema zu sagen wäre, und anderentheils, dass dasjenige vorab erwähnt werden muss, was zur Erläuterung des im gegenwärtigen Stadium der Erbrütung in der Fischbrutanstalt zu sehen ist, dass also beispielsweise die künstliche Fischzucht, soweit sie sich mit der Erzielung der sog. Frühjahrslaicher (Barsch, Hecht etc.) befasst, aus dem Kreise der Darstellung aus- zuschliessen ist, dass diese vielmehr sich vorzugsweise auf die Erzeugung der sog. Winterlaicher, vorzugsweise der Salmoniden, insbesondere des Lachses und der Forellen- arten zu beschränken hat, weil nur die Laichprodukte dieser Fischarten zur Zeit in der zu besichtigenden Fisch- brutanstalt vertreten sind. Wie bereits gelegentlich der Vorführung der Be- fruchtung von Forelleneiern in der Decembersitzung mit- getheilt wurde, ist die Bezeichnung „künstliche Fisch- zucht‘‘ nur insoweit eine richtige, als menschliche Hülfe hinzutritt, um die der Natur durch Erfahrung und Wissen- schaft abgesehenen Vorgänge bei der natürlichen Er- zeugung und Ausbildung der Fischehen zu sichern und vor schädigenden Einflüssen zu bewahren. Das führt nun zunächst zu der Frage, wie denn diese Vorgänge in der Natur bei den Salmonidenarten sich vollziehen ? um zeigen zu können, wann, wo und mit welchen Mitteln der natürlichen Entwickelung der Eier Ueber künstliche Fischzucht. 39 und der Ausbildung der ausgeschlüpften Fischchen zu Hülfe zu kommen ist, wobei auch die theilweise colossale Menge von Eiern, die man laichreif bei einzelnen Fisch- arten, insbesondere den Frühjahrslaichern, nicht unerwähnt bleiben mag. Nach Professor Benecke (Fische, Fischerei und Fischzucht in Ost- und Westpreussen, S. 36) kommen z. B. beim Stichling rur 60—80 Stück, bei der Forelle 500—1000 beim Lachs 10,000, beim Hecht 100,000 Stück — ein neunpfündiger Hecht führte 93,000 Stück —, beim Karpfen 5—7,000,000, beim Stör, Dorsch mehrere Millionen laichreifer Eier zu gleichzeitiger Entleerung. Professor Dr. Metzger schätzt auf das Pfund des Lachses S00 Stück Eier; der Leiter der Starenberger Fischbrutanstalt Am- stetten, Schillinger (München), zählte (A. F. Z. S. 28/97) am 6. December 1896 bei Blaufelchen von 39cm Länge, 490 gr Gewicht: 20,700 Stück Eier; ein Schweizer Züchter (Schw. F. Z. S. 16/97) nimmt an, eine grössere Forelle, 5—6 Pfund, habe S000 Eier. Die Grösse und das Alter der Mutterfische spricht da mit. Auch die Grösse der Bier ist verschieden, das Ei der Häringe misst 1 mm, der Forelle 5, des Lachses 6 mm. Hervorzuheben wäre sonst noch, dass bei den Fischen die Befruchtung des Eies ausserhalb des Körpers der Mutter stattfindet. Dies vorausgeschickt, vollzieht sich in der Natur bei den Salmoniden das Laichgeschäft in der Weise, dass das Weibchen, meist gefolgt von mehreren sich hitzig bekämpfenden Männchen, durch Schwanzbewegungen an einer flachen, kiesigen Stelle des Baches im rasch strömenden Wasser eine Grube bildet, ın welche es einen Theil der leicht abgehenden laichreifen Eier ablegt, welche das in der Nähe befindliche Männchen durch Abgabe von etwas Milch sofort zu befruchten versucht. Durch die Strömung des Wassers und die kräftigen Bewegungen der Fische werden nicht wenige Eier weggeschwemmt, andere mit Kies und Schlamm bedeckt. Um die abgelesten Eier kümmern sich die Eltern nicht weiter, nur zehren sie viele derselben auf Es ist nın leicht ersichtlich, dass bei diesem Vor- gange der grösste Theil der Eier zu Grunde gehen muss, ehe junge Fischehen entschlüpfen können. Die Befruchtung selbst ist mangelhaft, die männlichen Samentheilchen werden vom Wasser fortgerissen. Die beim Austritt aus dem Mutterleibe welken und schlaffen Eier werden durch Aufnahme von Wasser, welches die Eihaut ausdehnt und 40 F. W. Seelig. vom Dotter abhebt, prall und die Befruchtung ist dann wenn nicht gerade unmöglich, doch nur selten vorkommend, wenn auch der Durchgang durch die Micropyle — die trichterförmige Oeffnung (Einbuchtung) des Fischeies — nicht der einzige Weg für den befruchtenden Samen ist. — Ein amerikanischer Fischzüchter (Livingston Stone) stellte durch Versuche fest, dass von den im Freien abgelegten Eiern der Salmoniden nur 3°/, befruchtet und ent- wicklungsfähig waren. Daneben wird eine grosse Menge der im Wasser be- findlichen Eier ausser von den Eltern selbst, von anderen Fischarten, insbesondere dem Aal, Stichling, Karpfen u. A., gefressen, wie nicht minder Spitzmäuse, Eisvögel, Enten, Frösche, Krebse, Würmer und Insekten die Fischeier als Lieblingsspeise aufsuchen und vertilgen. Dazu bringen Hochwasser oder Wassermangel, Kälte und andere widrige Naturereignisse den wenigen befruchteten und übrig ge- bliebenen Eiern Untergang und Vernichtung. Sind den- selben endlich auch Fischehen entschlüpft, so sind auch diese noch vielen Gefahren, namentlich im Anfang, wo sie in Folge des anhängenden Dottersackes sehr unbehülflich sind, ausgesetzt, sodass im Freien oft nur wenige Exemplare ihren zahlreichen Feinden entkommen und zu speisbaren Fischen heranwachsen. Der bereits erwähnte Schweizer Fischzüchter schätzt, dass von 1000 Stück natürlich ab- gelegten Eiern einer grossen Forelle nur 2 pro Mille als speisbare Fische wieder gefangen werden. Professor Benecke nimmt auf Grund der Behauptung erfahrener Fischzüchter an, dass aus 1000 natürlich abgelegten Lachs- oder Forelleneiern durchschnittlich nur 2—3 Fischehen ausschlüpfen (a. a. O.s. 450.454.) Demgegenüber sei gleich vorweg bemerkt, dass bei der künstlichen, ursprünglich üblichen, sog. nassen Befruchtung (mit Zuhülfenahme von Wasser) nach des Fischzüchters Green’s Versuchen mindestens 20 °/ ,, bei der jetzt angewandten sog. trockenen Befruchtung aber 98 °/, der laichreifen Eier befruchtet werden. Von den dann nach Verlust des Dottersackes ausgesetzten künstlich erzielten Fischehen kommen nach dem letzten Vortrag des Geheimraths Prof. Dr. Metzger in der letzten Generalversammlung des Kasseler Fischereivereins von 1000 Stück Junglachs auch nur etwas über +4 Fische im Durchschnittsgewichte von 12 Pfund in die Weser zurück. Dies ungünstige Ergebniss, dessen Richtigkeit hier nicht bestritten werden soll, hängt mit hier ebenwohl nicht zu erörternden Ursachen der Aussetzung an unrichtigen Ueber künstliche Fischzucht. 41 Stellen ete. zusammen; unsern Erfahrungen nach erwachsen insbesondere an Forellen wenigstens 20--25 °/,, also 200—250 speispare Fische aus 1000 Stück künstlich erbrüteten Jungfischen. Aber selbst jenes anscheinend geringe End- resultat der künstlichen Fischzucht lässt gleichwohl dieselbe als nöthig und wirthschaftlich richtig erscheinen, wie im Vortrag selbst des Näheren ausgeführt ist. Nach dem Gesagten liegt es nun auf der Hand, dass Beseitigung der Hindernisse der Befruchtung der Eier und Schutz gegen die Feinde der wirklich befruchteten Eier und der ausgeschlüpften Fischchen gegen alle Witterungs- und sonstigen schädlichen Einflüsse, das Fernhalten aller weiteren Feinde an einem der Entwicklung günstigen, namentlich die gefährliche Schimmelpilzbildung hindernden Platze die Vermehrung der Fischbrut erheblich fördern muss. Die hierauf gerichteten Bestrebungen nennt man im gewissen Sinne mit Unrecht „künstliche Fischzucht“; im allgemeinen sind diese Bestrebungen von vorzüglichen Resultaten begleitet, da durchschnittlich von 1000 richtig befruchteten Eiern Y00 Fischehen, welche die Dottersack- periode bereits hinter sich haben, erzielt werden, und rechnen grosse Fischzüchter, dass davon 50 °/, als Setz- linge (Jährlinge) abgebbar sind. In der Decembersitzung dieses Vereins wurden etwa 3000 befruchtete Eier von 6 Mutterfischen durch die Milch von 4 Forellenmännchen gewonnen, und wie die damals anwesenden Herren sich überzeugt haben werden, ist, während in der Natur von 1000 Eiern nur 8—10 richtig befruchtet werden, von den 3000 künstlich abgestreiften Eiern kaum eines unbefruchtet geblieben. Was aus denselben geworden ist, wird bei dem Besuche der Fischbrutanstalt, wohin sie noch selbigen Abends gebracht sind, Ihnen vorgeführt werden. Die einzelnen Thäieketen welche bei der künstlichen Fischzucht der Salmoniden erfordert werden, sind ausser dem Sammeln der Laichfische und der Befruchtung der Eier, welche bier als erledigt angesehen werden: die Aus- brütung der befruchteten Eier, die Aufzucht der aus- geschlüpften Fischehen bis zum Verluste der Dotterblase und das Aussetzen derselben. Auch das Letztere interessirt jetzt nicht, weil es bei dem Besuch der Fischbrutanstalt nicht vorgeführt werden kann. Für die Ausbrütung der befruchteten Eier ist zweierlei vorzugsweise zu beachten, nämlich einestheils das Verbringen derselben in eine geschützte Umgebung und 42 F. W. Seelig. die fortwährende Behandlung derselben mit zweck- entsprechendem Wasser. In der Decembersitzung ist bereits erwähnt, um nochmals darauf zurückzukommen, dass der 1709 zu Hohenhausen im Lippe-Detmold’schen geborene, daselbst 1784 verstorbene Landwirth Stephan Ludwig Jacobi seit 1725 an der Kalle, einem Nebenflusse der Weser, bei Hohenhausen, wo im Juli 1896 die deutschen Fischerei- vereine ihm ein einfaches Steindenkmal errichtet haben, zuerst die künstliche Befruchtung von Forellen- und Lachs- eiern vornahm. Da derselbe von 1720—1724 inMarburg studirte und hier den bezüglichen Studien oblag, deren Resultate später 1763 von einem Dritten, dann 1765 von ihm selbst im Hannnoverschen Magazin veröffentlicht wurden; so darf diese Erfindung in gewissem Sinne als auf hessischem Boden gemacht angesprochen werden. Da indessen eine ausführliche Arbeit über Jacobi und seine Erfindung in Vorbereitung begriffen ist, wird es sich em- pfehlen, hierüber später ausführlichere Mittheilungen zu machen. Der, wie erwähnt, nöthige Schutz für die be- fruchteten, einige Stunden nach der Befruchtung noch transportablen Eier ist nun in mancherlei Formen den- selben zu gewähren angestrebt und wird ihnen auf die verschiedenste Weise zu Theil: Jacobi bediente sich einer länglichen niedrigen Brutkiste, deren Seitenwände durch- löchert waren; der Boden war mit Kies bestrent, auf diesen die Eier gelegt und die Kiste selbst wurde in den Bach gestellt und solchergestalt eine seitliche Durch- strömung erzielt, während man jetzt eine aufsteigende Durchströmung für erspriesslicher hält. Die jetzt am meisten zur Anwendung kommende Form ist der (tiefe) kali- fornische Brutkasten, wie ihn der hochverdiente, 1894 ver- storbene Fischzüchter Max v. d. Borne (Berneuchen) in Deutschland eingeführt hat und an dem dann verschiedene Fischzüchter nach ihren Ansichten mancherlei kleine Aenderungen vorgenommen haben. Das Wesentliche ist ein äusserer Blechkasten mit breitem Ausfluss am oberen Rande der vorderen schmalen Seite, in den ein innerer kleinerer Blechkasten mit ebensolchem Ausflusse passt und der mit seiner Vorderwand an die Vorderwand des äusseren Kastens gebracht, mit den umgeschlagenen oberen Rändern auf den Rändern des grösseren Kastens ruht und dessen Ausguss genau in den des letzteren passt. Der Boden des kleineren Kastens ist von Drahtsieb oder durchlochtem RE | Ueber künstliche Fischzucht. 43 —— Blech hergestellt und befindet sich ebenso wie die Rück- wand etwa 9—10 cm vom Boden und der Rückwand des grösseren Kastens entfernt, sodass Wasser, welches zwischen die Rückwände beider Kasten eingelassen wird, durch den Boden in den kleineren Kasten dringt und dann nach Füllung beider Kästen durch die nöthigenfalls noch mit Filzlappen oder dergl. gedichteten Ausflüsse abfliesst in einen darunter stehenden Kasten, von diesem, namentlich nach dem Ausschlüpfen der Fischehen, durch ein Siebgitter abgeschlossen. Auf den Siebboden des inneren Kastens werden die Eier gelegt und solchergestalt mit einem ständigen aufsteigenden Durchflusse in Berührung gebracht. Meist werden mehrere solcher Brutkasten untereinander gesetzt una benutzt. Diese Brutkästen müssen in einem frostfreien, nicht zu dunklen Raume aufgestellt und ihnen ein ständig laufender Strahl von hbrauchbarem Bach-, Fluss- oder Quellwasser — mindesten 2 Liter per Minute für jede Kastenreihe — zugeführt werden. Das Wasser ist der erbrütende Factor. Um allen Ansprüchen zu genügen, muss es nicht nur chemisch rein, d. h. frei von giftigen Stoffen, Fabrikabgängen, Spül- oder Waschwassern, sondern auch mechanisch rein, d. h. nicht durch Schlamm oder sonstige Abgänge verunreinigt, ferner lufthaltig, d. h. mit möglichst grosser Menge atmosphärischer Luft durchsetzt und nicht zu warm sein (+0,5° bis —+-8’R). Die Eier selbst dürfen nur im Nothfalle dicht auf- und übereinander gelegt werden und müssen fortwährend genau beobachtet und untersucht, auch stets frei von Schmutz gehalten und in der ersten Woche nach der Befruchtung müssen sie sehr ruhig behandelt werden, vor Allem ist zu allen Zeiten nach der leicht um sich greifenden Schimmelpilzbildung fleissig zu sehen, die äusserlich durch weisse Farbe leicht erkennbaren ab- gestorbenen Eier müssen entfernt werden und die pein- lichste Sauberkeit herrschen. Allzuviel Licht schadet ihnen, weshalb die Apparate mit dicht schliessenden, auch sonst thierische Feinde, namentlich Spitzmäuse, ab- haltenden Deckeln versehen sind. Die Entwicklung der Fischcehen erfolgt in der Weise, dass sich im Ei zunächst die sog. Keimscheibe ausbreitet und auf derselben der Rücken des Fischchens sich zu bilden beginnt, worauf die Keimscheibe den im Ei befindlichen gelb oder röthlich schimmernden Dotter 44 F. W. Seelig. m — umwächst und dann die Körperform des Fischehens mehr und mehr sich bildet, bis durch Ausbildung des Farb- stoffes im Auge die Augenpunkte durch die Eihut deutlich durchschimmernd erkennbar werden und endlich die fertige junge Fischlarve die Eihaut sprengt und mit dem am Hals und Leib anhängenden Dottersack ins Freie tritt, zunächst recht unbehülflich und das Dunkle suchend und vom Dotter zunächst lebend, mehr und mehr beweglich wird und nach anderer Nahrung sucht. Die mehr oder weniger rasche Entwicklung der Brut hängt, wie bereits erwähnt, von der Temperatur des Brut- wassers ab, das kältere Bachwasser wird deshalb dem wärmeren Quellwasser vorgezogen, man kann die Zeit des Erscheinens der Augenpunkte und des Ausschlüpfens ver- langsamen und beschleunigen und hat namentlich Geheim- rath Professor Dr. Metzger hierüber genaue Feststellungen gemacht. Bei einer Wassertemperatur von 4° R. dauert die Erbrütungsperiode 106 Tage, am 91. Tage erscheinen die Augenpunkte; bei 8° R. dauert die Brutperiode nur 53 Tage, die Augenpunkte erscheinen am 29. Tage, die Dottersackperiode dauert hier nur 30 Tage, d.h. 30 Tage nach dem Ausschlüpfen ist der Dottersack aufgezehrt, während er im ersteren Falle etwa 77 Tage vorhält; ist er beinahe aufgezehrt, so muss der Brut künstliche Nahrung gegeben werden, sie muss — was jetzt vielfach angestrebt wird — in Aufzuchtgräben gebracht und dort zu Jähr- lingen herangezogen werden. Naht die nach Vorstehendem zu berechnende oder sonst erkennbare Zeit des Ausschlüpfens der Fischchen, so muss die Beaufsichtigung der Brutkasten umso sorg- fältiger mehrmals am Tage vorgenommen werden, die Eihüllen müssen entfernt und dafür gesorgt werden, dass die Thierchen nicht entschlüpfen oder doch wenigstens nur in den mit dem Brutkasten in Verbindung stehenden Fangkasten gelangen können, das Wasser muss möglichst lufthaltig gemacht werden, jede Verunreinigung desselben ist zu vermeiden, weil leicht todtbringend. Das wäre etwa, was über die hier zu erörternden Abschnitte beim Betriebe der künstlichen Fischzucht ein Laie mitzutheilen hätte; Anspruch auf eine wissenschaft- liche Darstellung macht es nicht, wenn es aber Einen oder den Andern der Mitglieder dieses Vereins zu wissenschaft- licher Bearbeitung verschiedener noch nicht genügend auf- geklärter Vorgänge veranlasste, wenn überhaupt dem Fischereiverein Unterstützung durch wissenschaftliche Ueber künstliche Fischzucht. 45 Untersuchung würde, so wäre der Zweck des Vertragenden erreicht. Bei dem Besuche des Fischhofes werden nun die zu rationeller Erbrütung der Jungfische dienlichen Ein- richtungen: die Beschaffung des richtigen Brutwassers durch Mischung von Bach- und Quellwasser (dem Eich- wasserbrunnen), die Zuleitung, Reinigung, insbesondere desselben in das frostfreie Bruthaus, die verschiedenen Arten von Bruttrögen, deren Wasserversorgung, und die erzielten Fischcehen bezw. die in der Ausbrütung begriffenen Eier vorgeführt werden. Daneben aber wird es wohl interessiren, über die Entstehung der Fischbrutanstalten des Kasseler Fischereivereins, insbesondere die zu be- suchende auf dem Fischhof bei Bettenhausen, noch etwas. zu hören: Bereits in der zweiten Generalversammlung des nun. seit zwanzig Jahren wirkenden Vereins, des wie er ursprüng-. lich hiess „Vereines zur Hebung der Fischzucht im Re-. gierungsbezirke Kassel“ am 19. November 1879 wurde die Anlage einer Vereinsbrutanstalt beschlossen. Ursprünglich in gemietheten Räumen in Kassel selbst untergebracht, wurde sie dann mit Beihülfe des Communalverbandes, der- nicht nur eine einmalige Summe zum Bau, sondern auch. für mehrere Jahre Unterstützung zur Unterhaltung ge- währte, nach dem inzwischen vom Staate angepachteten. Fischhofetablissement verlegt, wo sie aber bald bei ver- grössertem und geändertem Betriebe der oberhalb liegen- den Papierfabrik zu leiden hatte, die ursprünglichen be- nutzten Räume im Erdgeschosse des Wohnhauses erwiesen sich als ungenügend und namentlich zu dunkel und man wurde sich darüber klar, dass nur ein allen Ansprüchen entsprechender Neubau gründliche Abhülfe bringen werde. Nun galt es, einen passenden Platz zum Neubau zu finden, hin und her wurde gesucht, vorübergehend zu Beginn der- Brutperiode 1833/84 war die Anstalt bei Wolfsanger unter- gebracht, musste aber von da während der Campagne selbst nach Kassel zurückverlegt werden und schliesslich kam man auf den Fischhof als Bauplatz zurück. Im Sommer: 1855 wurde mit staatlicher Unterstützung der Bau voll- endet: zwei grosse Parterreräume (je Sm lang, 6 m breit und 5m hoch) sind lediglich für die Aufstellung der Brut- apparate bestimmt, in 24 Stunden werden mit Hülfe einer- Turbinenanlage 250000 Liter gemischten Wassers von 21/e—5° R. beschafft, welche 6 Filteranlagen zur Reinigung- passiren müssen. 46 F. W. Seelig. Ausser dieser Anstalt hat der Fischerei-Verein auf Veranlassung des Deutschen Fischerei - Vereins noch eine zweite Fisch-Brutanstalt auf einem vom Forstfiseus an- gepachteten Grundstücke in einem Seitenthal der Wett- schaft (Thalhausen, unmittelbar unterhalb des berühmten ‚Christenberges, der ersten Niederlassung von Bonifatius in Hessen) in der Nähe von Münchhausen im Winter 1885/86, ‚bestehend in einem Bruthause mit zwei Räumen, angelegt, um von hieraus besser als vorher möglich, die Eder mit 'Lachsbrut versehen zu können. Dort ist Raum zur Er- -brütung von einer halben Million Fischehen. Die Resultate beider Brutanstalten sind die folgenden ‚nach den gedruckten Mittheilungen des Vereins: Seit der Campagne 1880/81 bis 1895/96, d. h. in 16 Campagnen, sind in beiden Vereinsbrutanstalten erzielt ‚und in den Gewässern des Regierungsbezirkes zur Aus- ‚setzung gekommen: a. 6459 14) Stück Junglachs (für das Wesergebiet), b. 1795350 „ Forellen, davon erbrütet auf Fischhof 1098225 Stück, zu Münchhausen 697 125 Stück, ‚c. 110700 „ AÄelchen, d. 57550 „ NRegenbogenforellen, e. 54650 „ Bachsaibling (darunter 16500 Stück Bastard mit Forellen), f. 19000 „ Meerforellen, g. 5 060 Maduämaräne (Steinhudermeer) ‚Da. 8401 395 Stück Jungfische im Werthe von ca. 7 Mk. per 1000 Stück = 49512 Mark oder etwa 3100 Mk. per Jahr. Etwas vom Aal. 47 Etwas vom Aal. Mittheilung von Amtsgerichtsrath F. W. Seelig. Gelegentlich des 50 jährigen Jubiläums des Vereines wurde festgestellt, dass derselbe mit den Fischen im ganzen sehr wenig sich beschäftigt hatte; enthielten doch bis dahin die Vereinsschriften in dieser Beziehung nur die einzige Mittheilung, dass im Jahre 1544 auf dem Kasseler Fischmarkte lebende Schollen (Pleuronectes platessa, ein Seefisch) die in der Fulda gefangen waren, verkauft seien. Sie waren vermuthlich als Begleiter eines sog. Weserbockes, eines von Bremen kommenden Frachtschiffes, die damals an der sog. Schlagd in Kassel dann und wann anlegten, soweit in dasSüsswasser hinaufgekommen und hier gefangen. Auch in den seitdem weiter verflossenen 10 Jahren ist in den Versammlungen des Vereines, abgesehen von dem Vortrage des Geheimen Regierungsrathes Professor Dr. A. Metzger, Münden, über Irrthümer etc. auf dem “ebiete des Fischereiwesens der Fische wenig gedacht. Dies gibt (mir ete.) dem Vorsitzenden des bereits 1377 gegründeten Kasseler Fischereivereins, der seit länger als 10 Jahren dem Verein für Naturkunde als corporatives Mit- glied angehört, die Veranlassung, auch einmal einen wie anzunehmen steht, allgemeiner interessirenden Gegenstand aus dem Gebiete der Fischerei und Fischkunde zur Sprache zu bringen, um auch andere Sachverständigere zu gleichem Thun anzureizen. Von vornherein muss dabei bemerkt werden, dass keinerlei eigene Forschungen dem Vorzubringenden zu Grunde liegen, dass viel mehr zumeist eine Zusammen- stellung verschiedener in den Fachzeitungen und Fach- schriften enthaltenen Notizen dem Folgenden zu Grunde gelegt ist: Beschäftigt werden soll sich mit dem Aal (Anguilla vulgaris Fl.), der wohl Allen bekannt ist und kaum Ver- anlassung zu Namensverwechslungen gegeben hat. Gegenüber der bislang als feststehend geltenden An- nahme, dass der Aal sich nur im salzigen Meere fort- pflanze, hat nach Nr. 8 der Schweizerischen Fischerei- 48 F. W. Seelig. zeitung Dr. P. Lorenz in Chur im 39. (dahier noch nicht eingegangenen) Jahresbericht der naturforschenden Gesell- schaft Graubünden — Chur bei Casanova 1896 — mitgetheilt, dass in dem bei Flins gelegenen, vollständig isolirten, ohne offenen Abfluss bestehenden Caumasee, der vorher mit kleinen Aalen (moulee beiderlei Geschlechts) künstlich besetzt war, die in demselben vorzüglich gediehen, heute neben völlig erwachsenen Aalweibehen auch meist kleinere und ganz kleine Weibchen und Männchen vorhanden sind, die unmöglich noch von frühern Aussetzungen herrühren, sodass anzunehmen ist, dass sie im See, im Süsswasser geboren wurden. Dr. Lorenz nimmt daher mit Sicherheit an, dass die Aale sich hier im Süsswasser fortpflanzen, er zweifelt nicht mehr an der möglichen Fortpflanzung des Aales auch im Süsswasser, wenn Männchen daselbst vor- handen sind und — wie dies beim Caumasee der Fall ist — den Weibchen der Rückgang ins Meer bei eintretender Geschlechtsreife verschlossen ist. Als Analogon wird darauf verwiesen, dass man in der Schweiz auch annımmt, dass die nur nordwärts der Alpen vorkommenden — vergl. Die Fische der Schweiz, von Dr. Asper 8. 491 — Felchen (Congonus Arb.) ursprünglich auch Meerfische gewesen sind, die in der Schweiz in den sich isolirenden Wasserbecken zurückblieben und hierauf sich im Süsswasser acclimatisirten und ver- mehrten. Der gewissenhafteste Forscher der Neuzeit auf dem Gebiete der Ichthyologie, der bereits erwähnte Geheimrath Metzger (Münden) sagt über den Aal in dem Aufsatze über „Fischerei und Fischzucht in den Binnengewässern in Lorenz’s Handbuch der Forstwissenschaft Bd. I. 2. Abth.*: „Derselbe laicht während der Wintermonateim Meere. Wo? und wie? ist noch (1887) gänzlich unbekannt. Die junge Brut erscheint im Frühjahr in den Flussmündungen und strebt im Unterlaufe der Flüsse in dicht gedrängten Schaaren — als Aalbrut, in Frankreich moulee genannt — stromaufwärts.“ Im Ebbe- und Fluthgebiet der — uns hier zunächst interessirenden — Nordseeflüsse finden wir im April, Mai und Juni Aalbrut von 6—8 cm Länge in grosser Häufigkeit, weiter stromaufwärts dagegen auch grössere Aale — 10—12 cm lang — was auch durch eine im Jahr 1884 vom Kasseler Fischerei- Verein umfassend vorgenommene Enquete festgestellt wurde — und nie in compacten Massen. Bei Hameln in den Weserwehren Etwas vom Aal. 49 wiegt der ursprünglich !/s gr. schwere Aal schon 3 gr., bei Münden 20—30 gr. — Am Rheinfall bei Schaffhausen sind die jungen Aale bereits 23—50 cm lang. „Alle diese soweit in die Binnenwasser vordringenden Aale sind weiblichen Geschlechts. die Männchen bleiben im Fluth- und Ebbegebiet bezw. an den Flussmündungen zurück. Die weiblichen Aale verbleiben nur solange in den Binnengewässern, bis in ihnen der Fortpfianzungstrieb erwacht, sie wandern dann flussabwärts nach dem Meere, um zu laichen. Während dieser Wanderung nehmen die — mit blossem Auge nicht sichtbaren — Eier im Ovarıum an Grösse zu.‘ (Im November meist 0,25 mm gross.) Die Eierstöcke des Weibchen haben vor etwa 100 Jahren zwei Naturforscher: Martini und O. F. Müller un- abhängig von einander entdeckt, 1573 entdeckte Syrski männliche Aale ım Meer- und Brachwasser; alle Aale in Süsswasser wurden seither als weibliche angesprochen, die aufsteigenden jungen Aale sollen sich nur zu solchen entwickeln. — Vergl. u. a. Allgemeine Fischereizeitung 1894 8. 265, 267 und 313. — Die Weibchen gehen nach Abgabe der Eier (mehrere AMillionen) zu Grunde. Das Närchen, dass der Aal lebendige Junge gebäre, ist neuerlich — Allgem. Fischerei-Zeitung 1894 S. 192 — wieder widerlegt: Die bei Bitterfeld mit lebendigen Jungen gefangenen Aale hatten Schmarotzer — den Spulwurm (Ascaris labiata) -—- bei sich, als solche entpuppten sich die jungen Aale. Der Berather der dänischen Regierung in Fischerei- sachen Dr. Arthur Feddersen in Kopenhagen — vergl. Allgemeine Fischerei- Zeitung 1894 S 324, Mittheilungen des deutschen Seefischerei- Vereins 1895 Nr. 9 S. 247 ete. — behauptet, festgestellt zu haben, dass nur der „spitzköpfige“ Aal als Wanderaal im Meere laiche, dagegen habe die „breitstirnige“ Varietät in bestimmt namhaft gemachten dänischen Süsswassern sich acclimatisirt und laiche im Süsswasser. Nach den Mittbeilungen der Section für Küsten- und Hochseefischerei 1894. Heft 8 durch den Generalsekretär derselben Dr. Henking — vergl. Allgem. Fischerei-Zeitung 1894 S 315 — sprechen die in Neapel thätigen Gelehrten: Professor B. Grassi und Dr. S. Calandruccio — Boletino mensile dell’ Academia Gioenia de Sc. nat. in Catania, rei sitzung vom 26. XI. 1893-— die im Meere 4 50 F. W. Seelig. schwimmenden leptocephali als die Jugendform des Aals an; aus im Meere schwimmenden Eiern entwickelten sich „Leptocephalus brevirostris“, aus diessen Helmichthys, welche nach ausgebildeter Musculatur zum Süsswasser wanderten und dort die definitive Gestalt der jungen Aale angenommen haben sollen. Die nähere Feststellung muss den bezüglichen Ge- lehrten und Forschern überlassen werden, da die Binnen- länder kaum in der Lage sein werden, beweistüchtiges Material aus den Flüssen zu erbringen. Ueber die Basalttuffe vom Habichtswald etc. 51 Ueber die Basalttuffe vom Habichtswald und von Homberg, Reg.-Bez. Kassel. Von E. Loewer. In seiner Arbeit über die tertiären Ablagerungen bei Kassel und ihre durch Basaltdurchbrüche veredelten Braun- kohlenflötze erwähnt Rosenthal auch kurz die Basalt- tuffe. (Abhandlungen des Vereins für Naturkunde in Kassel, Bericht XLI, 1, 1346, 8. 108). Er unterscheidet nach der petrographischen Beschaffenheit zwei Varietäten, die Trockentuffe, die als ein Regen von vulcanischer Asche, Rapilli und Lapilli aus den Kratern in deren Nachbar- schaft niederfielen und die sedimentären Tuffe, die dadurch entstanden, dass die Aschenregen und sonstigen Auswürf- linge in’s Wasser fielen, bezw. von diesem fortgeführt und anderwärts wieder in deutlichen Schichten und Bänken abgesetzt wurden. Diese allgemeinen Angaben möchte ich im Folgenden näher ausführen und begründen, nachdem ich mich längere Zeit mit den Basalttuffen beschäftigt gehabt habe. | Bei der Thätigkeit eines Vulcans finden immer zwei Vorgänge statt, die eng miteinander zusammenhängen und entweder Hand in Hand gehen, oder von denen auch der eine dem andern vorgehen oder nachfolgen kann. Es sind dies 1. der Ausfluss des gluthflüssigen Magmas aus einer Spalte oder Kluft oder aus mehreren Spalten und Klüften der Erdoberfläche und 2. das durch den Druck der dabei entweichenden Dämpfe und Gase stattfindende Empor- schleudern von vulcanischer Asche und vulcanischem Magma in die Lüfte, aus denen diese Massen dann auf die Erde niederfallen, das Magma zerspritzt und als grosse Schlacken (Rapilli), oder durch das Rotiren in der Luft in Kugel- form (Lapilli und Bomben) verwandelt, sich in die Aschen einbettend. Wenn die ausgeflossene Lava durch allmählige Abkühlung erstarrt, so geschieht dies entweder in Form eines gleichmässigen, zusammenhängenden, deckenartig ausgebreiteten Feldes oder in Form von Säulen und Platten. 4* 52 E. Loewer. Dies Letztere ist bei unsern Vulcanen der Fall gewesen und so ist unser Basalt entstanden, der meist in fünf- kantigen Säulen oder in Platten sich abgesondert hat, von denen wir die ersteren in dem grössten T heile des Habichtswaldes, die andern besonders im nördlichen Theil, im Baumgarten und in den Steinbrüchen an der Dörnberger Landstrasse, oberhalb des sog. Erlenloches, aufgedeckt finden. Auch der Tuff, der ein rein mechanisches Appregat von vulcanischen Aschen, Schlacken, Lapillen, Bomben u. dergl. darstellt. nimmt, auf die Erde aus den Lüften niedergefallen, bei der Erkaltung verschiedene Formen an, die sich durch die Art der Ablagerung unterscheiden. Lagert er sich so ab, dass er um den Ausbruchskanal einen Kegel aufbaut, dass also der Krater mit einem Kraterkegel umgeben wird, so nennt man diese Form heute Schichtvulcane, im andern Falle, wenn die Eruptionsmassen unter Zurücktreten der Aschen sich glockenförmig aus- breiten, spricht man von massigen Vulcanen. Welcher Art in dieser Beziehung die Vulcane ge- wesen sind, welche die Basalt- und Tuffberge des Habichts- waldes geliefert haben, lässt sich jetzt nicht mehr sagen. Möhl (M., das Ahnethal und der Bühl im Habichtswalde, Touristische Mittheilungen für beide Hessen etc. 1895, Nr. 10) nimmt zwar an, dass „im Habichtswald noch die Ruinen eines Kraters vorhanden sind, in dessen Mitte der Bilsteinborn entspringt, umgeben von dem Kraterrand der Bilsteinfelsen, dem Brasselsberg, Hohenbaum und Kuhberg, dessen Bomben weit über Kassel weggeschleudert wurden und sich besonders zahlreich unter dem diluvialem Lehm bei Wolfsanger und dem \iöncheberg finden“. Ein Beweis für diese Ansicht ist aus den jetzigen Verhältnissen im Habichtswald nicht zu erbringen, nachdem viele und un- gezählte Jahrtausende lang die Wasser an seinen Bergen genagt, durch Erosion viel Gesteinsmaterial von ihnen ge- lockert und durch Denudation hinweggeführt haben. Um- fang, Höhe, Ausdehnung und Zusammenhang der Berge ist dadurch langsam, aber stetix verändert worden und ob dabei vielleicht auch die Kraterwände zerstört und seine Bestandtheile weggeführt wurden — wer kann’s wissen? Die Bilsteinfelsen, für gewöhnlich Klippen genannt, be- weisen die frühere Existenz eines Kraters zur Zeit der vulcanischen Ausbrüche im Habichtswalde jedenfalls nicht. Der Bilstein stellt sich gegenwärtig dar als ein Basaltgang durch einen Tuffberg, der Tuff ist zum grossen Theil durch. Erosion abgetragen und sein Material hat sich an anderer Ueber die Basalttuffe vom Habichtswald etc. 53 Stelle und in anderer Weise abgelagert, der Basalt ist dadurch zum Theil freigelegt und in einzelne Klippen durch die drängenden und nagenden Wasser zerrissen worden, die Klippen ragen zum ‘Theil noch stolz aus dem ‘Tui? hervor, ein Theil von ihnen ist umgestürzt, ein anderer steht noch fest und grade auf alter Stelle. Der Bilstein gibt danach ein besonderes Bild von dem gross- artigen und wüsten Durcheinander, das Zeit und Wasser im Habichtswalde angerichtet haben. Wir können für die Ausbrüche der vulcanischen Massen zudem nicht einmal nachweisen, ob sie aus einem oder aus mehreren Erd- spalten stattgefunden haben, wenn letzeres auch wahr- scheinlich ist, da ausser der Hauptspalte in der Regel noch Nebenspalten bestanden haben, denen jedenfalls die vielen basaltischen Vorberge des Habichtswaldes ihre Entstehung verdanken. Wie zerstörend und abtragend in ihm Zeit und Wasser gewirkt haben, davon zeugen die massenhaften Basalttrümmer, die alle Hänge der einzelnen Berge unter dem Waldboden, oft in einer Mächtigkeit von mehreren Metern übereinander gehäuft, bedecken und auch noch über dem Boden mit Moos bewachsen zahlreich dem Wan- derer im Gebirge an den sogenannten Zahn der Zeit er- innern. Lehrreich in dieser Beziehung ist auch, dass,man bei der Abteufung eines Schachtes am Auslauf des Ost- abhanges des Habichtswaldes auf Wehlheidener Gebiet auf ein 12 Meter mächtiges diluviales Gerölle gestossen ist, das aus Basalttrümmern besteht, die theils noch eckig, theils abgerundet über einander abgelagert sind. Man ist hier wahrscheinlich auf einen alten Schuttkegel der Drusel gestossen, den diese beiihrem allmähligen Einnagen an der Ausmündung der engen Thalschlucht ablagerte. Einen zu Tage liegenden Beweis der Zers törung sieht man heute noch am Hirzstein, von dem der ganze südliche Hang des 474 Meter (NO.) hohen Berges durch die Gewalt des Wassers abgesprengt ist, von dem die Trümmer verwittert und mit Moos bedeckt am Fusse des Berges liegen, so dass eine steile Wand ihn vom Gipfel bis zum Fusse abschliesst. Die ın den Tuffen vorkommenden Lapillen und Bomben liegen in der aus feineren vuleanischen Aschen und Sanden bestehenden Grundmasse des Tuffs, haben eine glasige Ober- fläche und nur im Innern krystallinische Berchnhen Sie kommen übrigens in unseren Tuffen keineswegs häufig vor, öfter findet man die grossen, ebenfalls mit glasiger Oberfläche versehenen Schlacken (Rapillen). Mit diesen Lapillen und Bomben darf man die kugeligen, schaligen 54 E. Loewer. Basaltstücke nicht verwechseln, die in dem Tuff liegen und von denen sich leicht eine, zwei, selten auch drei Schalen ablösen lassen. Sie sind nicht vulcanische Aus- würflinge, sondern sind in der Verwitterung begriffene Basaltgerölle. Diese Kugeln, die keine glasige Oberfläche haben, ganz aus krystallinischem Basalt bestehen und nur der Form nach den Auswürflingen ähneln, habe ich früher in einem Vortrage über die Kugelbasalte des Habichtswaldes näher besprochen. (Abhandlungen und Bericht des Vereins für Naturkunde in Kassel, XXXX, 13895 8. XXX u. ff.). Zu den dort angeführten Fundstellen von Kugelbasalten kann ich jetzt noch neue hinzufügen. Zwischen dem .Platze vor den Cascaden in Wilhelmshöhe und den Fuchslöchern sind Abtragungen am Berge vor- genommen zur Herstellung von Wegen und Anlagen von Bankplätzen. Das Basaltgestein, welches dabei angehauen ist, besteht lediglich aus kugeliren Massen grösserer und kleinerer Art, wie ich sie von den anderen Stellen be- schrieben habe und zwar liegen sie meist frei zu Tage, da nicht entsprechend den Sänlenflächen abgetragen ist und nur an einer Stelle ist Wackenthon als Verwitterungs- product der äusseren Fläche der Basaltsäulen bemerkbar. Die Thätigkeit der Vulcane, die den Habichtswald gesetzt haben, fällt in die Tertiärzeit der Erde, was auch von dem benachbarten Langenberg und den Bergen des Hessischen Hügellandes gilt. Nach einer mir gütigst von Prof. Beyschlag gemachten (mündlichen) Mittheilung baut sich das Tertiär in der Umgebung von Kassel, allgemein tabellarisch dargestellt, folgendermassen auf: Dar lau wem "Ober-Miocän. | Gleichzeitig Basalt und Tuft. ol 4. Unter-Miocän. Süsswasserbildung. Sande, Thone, Braunkohlen. Obere Braunkohlenformation im Ha- bichtswalde. ei | Has) [) [®) .—i — rÄ 3. Ober-Oligocän. "Meeresbildung. Es bilden sich die. sogenannten Kasseler Meeressande mit nur marinen Resten (Apolloberg in Wilhelmshöhe, Niederkaufungen). Bes. Leitmuscheln: Pecten und Pectunculus. | 2. Mittel-Oligocän. Meeresbildung. Senkung des Fest- landes, Ausbreitung des Meeres bis in unsere Gegend. Es bilden sich die Septarienthone mit mariner Fauna: Leitmuschel besonders Leda Deshayesiana. A En a Oligocän. 1. Unter-Oligocän. Süsswasserbildung. Es bilden sich die Braunkohlen, Thone und Sande von Kaufungen, Möncheberg etc. Terrestrische Fauna und Flora. > se, Ueber die Basalttuffe vom Habichtswald ete. 55 Es fehlen also in unserer Umgegend die älteste Ab- theilung des Tertiärs, das Eocän und die jüngste, das Pliocän, statt dessen wird das Ober-Miocän gleich vom Diluvium bedeckt. Hinsichtlich des Habichtswaldes selbst modifieirt sich die Uebersicht aber insofern, als im nörd- lichen Theile desselben, im obern Ahnathal, das Ober- Oligocän unmittelbar auf dem Grundgebirge und zwar auf dem Muschelkalk der Trias aufliegt, so dass die untern Abtheilungen des Tertiärs hier ganz fehlen. Die Leit- muscheln Pecten und Pectunculus findet man ziemlich häufig auf dem Boden des in Muschelkalk eingeschnittenen Ahnathals. Ferner ist nach dem Profile eines von Rosen- thal am Ostabhange des Kuhberges, also im südlichen Theil des Habichtswaldes, nahe der Kohlenstrasse ein- getriebenen Bohrloches auch hier das Ober - Oligocän gut entwickelt, während der mitteloligocäne Septarienthon hier gänzlich fehlt. In der Miocänzeit, in welche der Ausbruch unserer Vulcane fällt, bestand schon das Festland; es war umgeben von Seeen, wasserreichen Flüssen und sumpfigen Nieder- ungen. Der Stand des Wassers im Gebiete des Habichts- waldes war ein hoher und das Gebiet desselben sehr ausgedehnt. Ueber den Stand des Wassers belehrt uns am sichersten der Fund von Diatomeenschiefer, der, im Tuff eingelagert, am Hüttenberge noch etwa 15 Meter über dem Druselgraben in Schichten von mehreren Centimetern früher ziemlich reichlich ausgegraben worden ist, jetzt allerdings nach Ausbeutung der ergiebigsten Fundstellen meist nur noch in dünnen Lagen, z. B. an einem Wege- einschnitte oberhalb des Druselgrabens, gefunden wird. In unserm Naturalien -Museum sind schöne, starke Stücke von diesem Diatomeenschicfer aufbewahrt, eine Anzahl mit Abdrücken von Leuciscus, einem echten Süss- wasserfisch,”*) wodurch unzweifelhaft die Beschaffenheit des damals unsere Gegend bedeckenden Wassers als Süss- wasser nachgewiesen ist. Der Hüttenberg ist 548 Meter, der Druselgraben liegt 408 Meter hoch, das Wasser hat danach am Hüttenberg, der früher jedenfalls beträchtlich höher war, als heute, etwa in einer Höhe von 423 Meter NO. gestanden. Beim Ausbruch unserer Vulcane wurden sowohl mit dem basaltischen Magma, als auch mit den in die Lüfte *) Auch ein Käfer ist in diesem Polirschiefer gefunden worden. (cf. Jahrb. Miner. 1843, S. 137.) D. Red. 56 E. Loewer. . Hiegenden Aschen und Schlacken Stücke von den Gesteinen emporgerissen, die der vulcanische Erguss bei seinem Auf- steigen zur Erdoberfläche durchbrechen musste. Haupt- sächlich sind dies Gesteinsstücke der Trias- Formation ge- wesen, auf die bei uns das Tertiär unmittelbar aufliegt, insbesondere wieder Buntsandstein und Muschelkalk, da der Keuper in unserer näheren Umgebung fehlt. Dann ist gar nicht selten Granit mit ausgeworfen. Rosenthal (w. 0. 8. 108) schliesst hieraus, dsas die Trias und Dyas Hessens den Granit zur Basis hat. Es ist dies auch nicht unwahrscheinlich, da die Streichungsrichtung dieser im nordwestlichen Thüringen sich erhebenden krystallinischen Gebirgsart unsere Gegend trifft. Auch Gesteinsmaterial aus dem Tertiär ist mitgerissen worden, namentlich Thone und Sande. Sie alle finden wir dann im Basalte und im Tuff als Einschlüsse wieder, nachdem sie bei letzterm mit den vulcanischen Aschen, Fetzen von Magma und Schlacken wieder zur Erde niedergefallen waren, wo sich diese Auswürflinge durch die in ihnen enthaltene Kieselsäure und durch ihren Wassergehalt eng zu dem verkitteten, was wir Tuff nennen. Als die Auswürflinge aus der Luft auf die Erd- oberfläche herabfielen, mussten sie 1. entweder auf trocknes Land oder 2. in das Wasser gelangen. In ersterm Falle wurde der Tuff der Lagerungsform nach ungeschichtet, im andern Falle geschichtet. Die Massen mussten sich dann in den durch Strömungen, Wellen etc. in Bewegung gesetzten Wassern vertheilen und die in Folge dessen suspendirten Stoffe setzten sich später bei Ruhe des Wasserstandes in Schichten ab, wie es bei jedem Sedimentgestein vor sich gegangen ist. Man muss aber 3. noch eine dritte Art des Vorgangs bei der Tuff- bildung annehmen, dass nämlich bereits abgelagert ge- wesener, noch nicht ganz fest gewordener oder erodirter Tuff von seiner ursprünglichen Lagerungsstelle durch Wasser weggefürt und an einer andern Stelle wieder ab- gelagert wurde. Charakteristisch für diese Art Tuff, der gewöhnlich grob geschichtet ist, ist das Vorkommen von (seröllen, fossilen Pflanzen- und Baumresten, sowie von. Sanden aus dem Tertiär, die nur durch Einschwemmung in die noch nicht gefestigte Tuffmasse gelangt sein konnten. Ueber die Basalttuffe vom Habichtswald etec. 57 * Unter den Geröllen sind besonders kleine blaue Kiesel- schiefer mit und ohne weisse Quarzzüge zu nennen, wie wir sie im Eder-Gerölle finden. Die Tuffe unter 1 und 3 sind diejenigen, die Rosen- thal als Trockentuff bezeichnet hat. Sie werden von den Geologen auch Brockentuffe genannt wegen der grössern und kleinern Brocken von Basalt, die sie enthalten. In den geologischen Handbüchern findet man meist die Be- zeichnung Conglomerattuff und im praktischen Leben werden sie, namentlich von den Bergleuten, kurzweg Conglomerat genannt. Diese letztere Bezeichnung ist am wenigsten eine richtige, da man unter Conglomerat nach allgemeiner geologischer Annahme Rollstücke und ab- gerundete Geschiebe versteht, die untereinander verbunden sind, die in den Tuffen enthaltenen Basaltstücke aber im Wesentlichen eine ganz unregelmässige, eckige und zer- rissene Form haben. Im Habichtswalde habe ich ein echtes Conglomerat überhaupt nicht zu Tage liegend ge- funden, ich habe es nur an dem nordöstlich von Homberg gelegenen Werrberge, dessen Masse aus Säulenbasalt be- steht, am südwestlichen Fusse desselben gesehen. Dort steht ein echtes Conglomerat in einer Mächtigkeit von 1—2 Meter in Wegeeinschnitten und Abbaustellen zu Tage, das den Eindruck loser Aceumulate macht. Es besteht aus abgerundeten basaltischen Stücken von ver- schiedener Grösse und festem Gefüge, unter denen sich auch abgerundete poröse Schlacken (Rapillen) finden. Als Producte der Verwitterung sieht man darin auch zahlreiche basaltische Kugeln in den Rollstücken von der Grösse eines Manvpskopfes bis zu der einer Erbse. Zwischen ihnen, die Kugeln locker umgebend, liegt Wackenthon, theils grau- weiss, theils durch Eisenhydroxyd braun gefärbt, der seine Entstehung der Verwitterung der Oberfläche der Con- glomeratstücke verdankt. Ein Bindemittel fehlt zwischen ihnen wenigstens da, wo die Verwitterung vorgeschritten ist, an frischeren Stellen sind schmale, weissgrau aussehende, thonig-sandige Züge zwischen den Stücken bemerkbar, die dieselben einigermassen zusammenhalten. Auch die Bezeichnung „Conglomerattuff“ scheint mir keine zutreffende zu sein, weil eben die im Tuff ent- haltenen basaltischen Stücke von unregelmässiger und nicht von abgerundeter Form sind. Am bezeichnendsten scheint mir zu sein, wenn man die Tuffe unter 1 „un- geschichtete“, die unter 2 „geschichtete* und die unterö „nchwemmtuffe“ nennt, die übrigens genetisch alle gleich sind. 58 E. Loewer. Zu 1. Ungeschichteter Tuff kommt im Habichts- walde vor am Ahrensberg, wo er etwa 160 m nordöstlich vom Förderschacht des fiscalischen Braunkohlen-Bergwerks in Form von Klippen zu Tage steht; ferner ist er zu sehen in dem kleinen Tuffbruch an der Nordseite der Firnskuppe, wo er einen geringfügigen, untergeordneten Basaltgang umgiebt. Ein Nachbar dieses Vorberges vom Habichtswald, der Stahlberg, besteht fast ganz aus diesem Tuff. Ein todter Bruch dieses Tuffs befindet sich am Essigberg, nahe der Strasse nach Ehlen, der für uns insofern eine geschichtliche Bedeutung hat, als aus ihm die Bausteine für das Octogon und die Löwenburg s. 2. entnommen sein sollen. Das Gefüge dieses Tuffs ist ein grobes, poröses, seine Farbe ist dunkelgrau, an den zu Tage liegenden Stellen, wo die Atmosphaerilien eingewirkt haben, gelbgrau, immer schwarz gelleckt durch sehr zahl- reiche Brocken von Basalt von der Grösse etwa einer Linse bis zu Stücken von 10 cm und mehr und von un- regelmässiger Form. An vulcanischen Gemengtheilen enthält der Tuff sehr viel Hornblende, deren Krystalle oft zu grössern Knollen zusammenliegen, Olivinknollen und Stückchen von Magneteisen. In der Tuffmasse sieht man horizontale und verticale, unregelmässig verlaufende, bald mehr, bald weniger breite Spalten wodurch Bänke oder Blöcke im Tuff gebildet werden. Diese können aber nicht als dicke Schichten angesprochen werden, sondern sie sind das Product einer Zusammenziehung der 'Tuffmasse beim Festwerden. Es geht dies besonders daraus hervor, dass ein Tuffkegel im Hunrodsberg, der durch ein nach- trägliches Ausströmen von vulkanischen Aschen und Schlacken nach dem Ausfluss des basaltischen Magmas in dem Basalt entstanden ist und der nach Abbau des Basalts jetzt frei liegt, dieselbe Bildung von Spalten und Blöcken zeigt, ohne dass nach Lage des Kegels mitten im Basalt irgendwie Wasser mit ihm in Berührung gekommen sein kann. Die Blöcke als dicke Schichten anzusehen, ist also danach ausgeschlossen Von fremden Gesteinen habe ich in dem ungeschichteten Tuff nur Stücke von Buntsandstein und von Granit gefunden. Zu 2. Der geschichtete Tuff kommt in ver- schiedenen Färbungen vor. Im Habichtswalde ist er hellgrau bis bläulich grau, wo die Oberfläche ver- wittert ist, gelblich grau. Das Gefüge ist bei ihm fein- körnig, er ist ein Asgregat von meist sehr fein verriebenem vulcanischen Material, das nur kleine Basaltbrocken, meist nur von der Grösse einiger Millimeter enthält, daneben kleine Gemengtheile von Hornblende, Olivin und Magnet- eisen. Die Einschlüsse bestehen bei ihm aus Granit, auch aus einigen Quarzkörnern (Sand) und Thon. Die Schichten sind bei ihm durchweg gut ausgebildet, sie haben durch- schnittlich die Stärke von einigen Centimetern und liegen fest verkittet ohne Zwischenmasse meist horizontal über- einander. Nur an den Gesteinseinschlüssen, wenn diese sich der Schichtung nicht genau angepasst haben, findet man zuweilen eine zeolithische Masse als Ausfüllung ent- standener Zwischenräume. Dieser hellgraue geschichtete Tuff liegt im Habichts- walde auf dem südlichen Hange des Hüttenbergs auf, wo er am Einschnitte des Druselgrabens zu Tage liegt. Hier zeigt er eine Muldenbildung, indem — etwa 300 m vom Asch entfernt — auf der einen Seite die Schichten etwa 25° nach SW., der Gegenflügel ebenso nach NO. einfallen, offenbar die Folge einer tektonischen Faltenbildung. Der Tuff geht von da an der Lehne des Berges herab bis in das Druselthal, er trat an ihr vor Jahren zu Tage, als dort die bedeckenden Sandschichten abgerutscht waren, was jetzt durch Wegeanlagen vielfach wieder verwischt worden ist. Er zieht sich dann um die südöstliche Spitze des Berges herum zum nordöstlichen Hange, an dem er sich noch beträchtlich nach dem Herkules zu erstreckt. Von diesem Hange ist er weiter zur Löwenburg zu ver- folgen, an der er nordöstlich namentlich in der sog. Wolts- schlucht zu Tage liest und nördlich bis zum Leichenweg hinunterzieht. Im Druselthal bildet er eine gute Strecke bergaufwärts die natürliche Decke des Fahrwegs und zieht sich noch am nordöstlichen Hange des Habichtspiels in die Höhe, wo in dem neuen fiscalischen Schachte der Tuff durchteuft ist. Ferner finden wir den geschichteten Tuff am Hirtzstein in zwei Brüchen, von denen der eine, am südlichen Hange befindliche, noch im Betriebe, der andere, mehr südöstlich gelegene, verlassen ist, weil die Sicker- wasser dort den Tuff zu sehr durchsetzt und ihn zur technischen Verwendung dadurch unbrauchbar gemacht haben. In ersterem Bruch, der etwa 50 m lang und nahezu ebenso breit ist, zieht sich in fast diagonaler Richtung ein Basaltgang, die sog. Wand, hindurch, um üie herum der Tuff abgebaut ist. Auch in diesem Bruche ist das Sickerwasser störend und behindert einen tiefen Abbau. Da der Tuff hier in grossem Umfange auf- geschlossen ist, lässt er sich in diesem Bruche am besten Ueber die Basalttuffe vom Habichtswald etc. 59 60 E. Loewer. erforschen. Die Einschlüsse bestehen besonders aus Granit, den man entweder, wo die Sickerwasser eingewirkt haben, krümelich und grusartig zerfallen sieht, in welchem Falle er auch wohl mit einem durch "eine Eisenverbindung bläulich gefärbten Ueberzug umgeben ist, oder in natür- licher Festigkeit und Härte findet. Er kommt auch in der Modification des Pegmatits und Schriftgranits vor. Stückchen von Thon, die zuweilen auch Schichtung zeigen, und Sandkörner kommen ebenfalls vor. Auch kleine Stückchen von blauem Kieselschiefer habe ich gefunden. Einen dunkler, etwa graublau aussehenden ge- geschichteten Tuff finden wir im Steinbruch am westlichen Hange des Eichelskopfes unweit Homberg, von dem später näher die Rede sein wird. Der Tuff stimmt hinsichtlich des Gefüges und der Gemengtheile mit dem hellern Tuff vom Hirzstein überein. Ueber ılım, sich durch die Farbe grell abhebend, liegt ein gelber geschichteter Tuff. Volckmer (Geologische Schilderung der Gegend von Homberg, 1876) bezeichnet ihn richtig als Palagonittuff. Sieht man ihn im verwitterten Zustande, wie an der Wand des Steinbruchs und an den herumliegenden Bruch- stücken, so erscheint er allerdings gelb, geht man tiefer in den Tuff hinein, so wird die Farbe immer brauner durch die in die lockere Grundmasse eingelagerten eckigen Körner von dunkelgelbem bis braunem Palagonit, wobei die Grösse der Körner in den verschiedenen Schichten öfters wechselt. Ausserdem sind darin enthalten Brocken von Basalt, von Hornblende und Glimmer und namentlich häufig kleinern und grössern Körnern von rosa und gelblich gefärbten Quarzkrystallen. Vereinzelt kommen auch bräunliche, sehr poröse Schlacken mit Brocken von Palagonit vor. Je mehr der Palagonittuff der Verwitterung ausgesetzt gewesen ist, desto lockerer und bröckeliger wird er und desto leichter zerfällt er unter den Fingern. Frisch gebrochen soll er zu grösseren Werkstücken leicht zu bearbeiten und namentlich zur Auskleidung von Back- öfen und anderen Feueranlagen sonst viel benutzt worden sein, bis er durch den Chamottestein hierin verdrängt wurde. Man hat sogar aus seinem Gestein in dem bei Holzhausen gelegenen Eisenhüttenwerk vor etwa 40 Jahren ein Wohnhaus gebaut, das jetzt noch steht und sich be- währt haben soll. Eine eigenartige Modification des Palagonittuffs in Folge seines grossen Reichthums an Kieselsäure kommt am Westhange des Werrberges bei Homberg vor an einem Du At TRETEN Ueber nie Basalttuffe vom Habichtswald ete. 61 von der Hauptmasse des Berges nur durch ein breites Rinnsal mit spärlichem Wasser getrennten, mässigen, von alluvialem Lehm bedeckten Hügel vor. Volckmer (w. S. 41) erwälnt ihn als graues Conglomerat. Der am Hange sichtbare geschichtete Tuff, der durch seine freie Lage der Verwitterung voll ausgesetzt ist, sieht grau- weiss aus durch seine Bedeckung mit freier amorpher Kieselsäure. An der Oberfläche zerfällt dieser Tuff bei der Betastung in einen feinkörnigen Grus, gräbt man aber: bis auf unverwittertes Gestein, so sieht man, dass die Masse aus den eckigen Körnern von Palagonit besteht, die durch grauweisse Züge von äamorpher Kieselsäure zusammengehalten werden, wobei die Zusammensetzung des Tuffs im Uebrigen dieselbe ist, wie beim Palagonit- tuff des Eichelskoptes. Auffallend sind dabei zwischen einzelnen Schichten des 'Tuffs centimeterdicke Züge eines krystallinischen Quarzsandsteines, dessen fast gleichmässig grosse, krystallinische, farblose Quarzkörner durch ein sehr geringes kieseliges Bindemittel zusammengehalten werden. Es wird sich hierbei um Sand handeln, der aus den Wassern bei der Ablagerung des Tuffs zwischen seine Schichten eingeschwemmt ist und dessen Körner durch die Kieselsäure des Tuffs zu Sandstein zusammengekittet wurden. Ein solcher Sandstein bildet nach Ludwig auch das Liegende des Tuffs im Tufflager des Eichelskopfes („tertiärer quarziger Sandstein und Sand“). u 3. Der Tuff, den ich der Kürze halber Schwemm- tuff nennen will, ist in seinem Gefüge dadurch beeinflusst worden, dass die Tuffe aus grösserer Entfernung oder mehr aus der Nähe der Stelle zugeführt sind, an der sie sich ablagerten. Im ersteren Falle ist der Schwemmtuff sehr feinkörnig und dabei sehr dicht, da die zuführenden Wasser ihn zu zerkleinern Zeit und Macht hatten; im andern Falle ist er grobstückig und lockerer. Auch seine Farbe ist dabei verschieden, er kommt vor dunkelgrau, graurvth und braunroth. Ein grobkörniger dunkelgrauer, bei der Verwitterung gelbgrauer Schwemmtuff liest im Habichts- walde auf dem ganzen nördlichen Theil des Kuhber gs auf, er ist am Druselthal durch einen Steinbruch aufgeschlossen, wo er ausgiebig zu erforschen ist, zeigt sich auch am Südabhange des Kuhbergs an der Fahrstrasss an ab- getragenen Stellen des Berges und zieht sich in das Marienthal hinunter, wobei er das Hangende des dortigen Braunkohlenlagers bildet. Am Brasselsberg bedeckt er 62 E. Loewer. namentlich den südöstlichen Abhang, wo er an der Land- strasse in der Nähe des Gasthauses zum Brasselsberg an der Oberfläche stark verwittert zu Tage steht. Am Bilstein liegt er um die Klippen herum, zeigt sich vielfach an Wegen nordöstlich derselben und erstreckt sich dann bis in das Thal hinab. Diese Art des Tuffes wird es auch sein, die die Klüfte und Spalten, sog. Rücken, der Tertiär- schichten ausfüllt, durch welche die Braunkohlenflötze zu- weilen in ihrer regelmässigen Lagerung unterbrochen werden und die den Bergmann viel Arbeit und Mühe verursachen, um die Fortsetzung des unterbrochenen Kohlenflötzes wieder aufzufinden. Solche Rücken kommen sowohl im fiscalischen Braunkohlenbergwerk im Habichts- walde vor, als auch in der Mariengrube, wo sie öfters die Arbeit stören sollen. Dieser grobkörnige dunkelgraue Tuff ist dem un- geschichteten Tuff sehr ähnlich, er hat dieselbe Farbe, dieselben vuleanischen Gemengtheile, zeigt auch, wie jener, die horizontalen und verticalen Spalten als Folge der Zusammenziehung des Tuffs beim Festwerden und stellt sich dem Beobachter daher auch in Blöcken oder Bänken dar. Aber er enthält als Einschlüsse auch fossile Baum- reste, die ich im Steinbruch am Kuhberg im Laufe der Jahre nicht selten gefunden habe, während ich fossile Pflanzen darin nicht entdecken konnte. An dort ge- sammelten fossilen Baumresten werden vorgelegt: a) zwei Stücke (ursprünglich eins, von mir zur Untersuchung gespalten) einer Eiche, zu Opal (Halbopal) versteinert, an der Oberfläche zu einem weichen, weissen Pulver durch Verwitterung zerfallen, b) ein knorriges Stück, ebenfalls von einer Eiche, in Opal, wie das vorige, verwandelt, in feinkörnigen, thonigen Sand eingehüllt, c) ein ebensolches grösseres und ein kleineres glattes Stück von einer Buche, Opal wie vorher, d) ein theils verkieseltes, meist in Halbopal ver- wandeltes Stück von einer Conifere, 18 cm lang, S cm breit, sehr ähnlich einem Stück des gleichen Holzes, welches aus den liegenden Sanden des fiscalischen Braun- kohlenbergwerks herrührt, und welches zum Vergleich mit vorgelegt wird, e) ein Stück einer Cupressinee, Halbopal, stark an ‚der Oberfläche verwittert, 8 cm lang, 6 cm breit, Ueber die Basalttuffe vom Habichtswald etc. 63 f) ein 13 cm langes, an seiner breitesten Stelle 9, an einer schmalen Verlängerung 4 cm breites Stück, Halbopal, das bei seiner starken Verwitterung an der Oberfläche Structur nicht genau erkennen lässt, der Form nach aber der Astknorren eines Baumes gewesen ist. An Einschlüssen fremder Gesteine findet man haupt- sächlich Thon und Sand, in denen die oben aufgeführten fossilen Baumstücke liegen. Das Holz derselben ist s. Z. mit den Thonen und Sanden in natürlichem Zustande ein- geschwemmt worden und ‚hat sich in diesen Lagern secundär durch die Kieselsäure derselben und durch die in ihnen eirculirenden kohlensäurehaltigen Wässer all- mählig in Halbopal verwandelt. Die Thone und Sande haben nicht allein die Spalten zwischen und die Zwischen- räume in den Tuffblöcken ausgefüllt, sondern kommen auch nesterartig in der Tuffmasse selbst vor. An frei- liegenden Stellen im Bruch, wo die Atmosphärilien ein- gewirkt haben, ist der Thon durch Verwitterung erweicht und bröckelig geworden, vielfach sieht man grosse Löcher, nachdem der Thon ausgeschwemmt ist. Wo Ersteres nicht der Fall ist, zeigt der Thon Festigkeit und Glanz wie durch schwache Brennung, man findet ihn auch stellenweise verglast, in welchem Zustande er eingeschwemmt gewesen sein muss. Beim Sande liegt es ähnlich, er ist meist fest zusammengebacken und zeigt manchmal ge- frittete Stellen. Dann kommen beim Kuhberger Tuff häufig Gesteine der Trias vor, auf der bei uns die Gebilde der Tertiärformation aufliegen, theils bräunlicher, dünn geschichteter, theils entfärbter grauweisser Sandstein und kohlensaurer Kalk in körnigem Zustande. Auch der Granit fehlt hier nicht, er findet sich in frischem Zustande und verwittert, zuweilen mit porphyrisch ausgeschiedenem Quarz. Dann habe ich noch mehrere Stücke eines schweren, mit einer Schlackenhaut umgebenen Gesteins gefunden, das nach einer Bestimmung des Prof. Beyschlag eine bronzitreiche Varietät des Olivins ist Ihm ähnlich ist ein grauliches, feinfaseriges Gesteinsstück mit metall- artig schimmernden Perlmutterglanz, das mir Schillerspath zu sein scheint. Von vulcanischen Massen kommen in diesem Tuff ein sehr leichtes, hellblaues, mit grauen Stellen untermischtes, sehr poröses, bimsteinartiges, aber auf Wasser nicht schwimmendes Gestein vor, ferner basaltische poröse Schlacken (Rapillen), bei denen die Porenwandungen ebenfalls hellblau gefärbt sind. Diese Farbe wird durch eine Eisenverbindung bedingt sein; 64 E. Loewer. welcher Art sie ist, habe ich durch chemische Unter- suchung nicht feststellen können, sie hat nur das negative Resultat ergeben, dass die Färbung nicht durch Ferro- phosphat bedingt ist. Ein sehr feinkörniger, diehter, grauröthlicher Tuff bildet die unterste Abtheilung im Tuffbruck am Eichelskopfe und ist unter dem vorhin unter 2 angeführten graublauen Schichttuff abgelagert. An Gemengtheilen enthält der grauröthliche Schwemmtuff Brocken von Basalt, Magmeteisen, Hornblende, Quarzkörnchen und Stückchen von Glimmer in seiner Grundmasse. Eingeschwemmt zeigt. er sehr schöne Pflanzenreste, die von R. Ludwig näher beschrieben und abgebildet sind und die von ihm und Andern „im Conglomerat von Holzhausen bei Homberg und in einer bolusartigen Schicht im Conglomerat“ ge- fundensind. (R. Ludwig, Palaeontographica, Bd.5, 1855—58, S. 152 u. fl.) Es sind dies eine Anzahl fossiler Pflanzen, Blätter von Farren, Eichen, Weiden, Hainbuche u a. Die Bezeichnung „Conglomerat“ halte ich für diesen Tuff aus den vorhin angeführten Gründen nicht für zutreffend. Die gefundenen fossilen Pflanzenreste, die übrigens nur in dieser Abtheilung des Tuffs vorkommen, beweisen, dass er zusammengeschwemmt sein muss, und die bolusartigen Schichten sind nur lockere, weniger dichte, etwas hellere Ablagerungen, welche etwaige Zwischenräume in der übrigen Masse ausgefüllt haben und daher weniger zusammengepresst sind. Im Uebrigen stellt sich auch dieser Schwemmtuff in Blöcken oder Bänken dar, die durch Absonderurg und Zusammenziehung der Tuffmasse bei ihrem Festwerden entstanden sind. Ich selbst habe Funde von fossilen Pflanzenresten in ihm nicht mehr machen können, da im Steinbruch der Tuff schon seit langen Jahren nicht mehr gebrochen wird, ich habe aber solche von unserm correspondirenden Mitgliede, Herrn Berg- inspector Schwenken, zum Geschenk erhalten. Es sind dies Blätter von verschiedenen Weiden, von Eichen und Pappeln, von Blatttheilen der Fiedern von Pteris, von Pinusnadeln und ausserdem unbestimmbare Blatttheile und Blattstengel, wie sie auch von Ludwig abgebildet sind. Die Pflanzen sind in die Tuffmasse selbst eingelagert, die sehr spröde ist und zu muscheligem Bruch neigt, am meisten und oft eng zusammenliegend sieht man die Pflanzenreste in der sog. bolusartigen Zwischenmasse. Die Petrificirung ist bei allen durch Opalmasse erfolgt, die theils die ganzen Blätter, theils nur die Rippen und das Netzwerk der Ueber die Basalttuffe vom Habichtswald etc. 65 Blätter erfüllt und erhalten hat und es gewährt einen überaus zierlichen Anblick, z. B. ein volles Weidenblatt, oder das feine Netzwerk eines Pappelblattes, durch das wie durch einen Schleier die graurothe Farbe des Tuffs hindurchschimmert, in Opalmasse verwandelt, vor sich zu sehen. Die Farbe derselben ist entweder weiss oder grünlich gelb, in der bolusartigen Zwischenmasse roth- bräunlich. Es scheint mir hierbei des Hinweises werth, dass auch die Baumreste im Kuhberger Tuff durch Opal- masse versteinert sind. Wo die bolusartige Zwischenmasse die etwaigen Zwischenräume nicht ausgefüllt hat, findet man auch eine aus weissen Quarzkörnern (Sand) bestehende Ablagerung, um die herum sich zuweilen Hornblende an- gelegt hat. Ein braunrother Schwemmtuff kommt im Habichts- walde, und zwar am oberen Ende des Bilsteinthales vor, wo er in der Länge von etwa 300 Schritt an der Fahr- strasse zu Tage liegt. Es scheint, dass er hier in eine Senke zwischen südlichem Ausläufer des Habichtspiels und Kuhberg eingeschwemmt worden ist. Bei nicht genauer Untersuchung könnte man verführt werden, ihn für Sand- stein zu halten, da er ausserordentlich reich an Quarz- (Sand-) körnern ist, aber auf dem Bruch des Gesteins sieht man unzweideutig das Gefüge des Tuffs und Brocken von Olivin und an manchen Stellen sehr dicht gelagerte Horn- blende vervollständigen den Beweis, dass man Tuff vor sich hat, der an seiner Lagerstelle zusammengeschwemmt ist und beim Absetzen aus dem Wasser viel Sand aus demselben eingeschlossen hat. An dem Wegeabschnitte, wo er zu Tage liegt, zeigt er sich durchweg als braun- rother, körniger, stark abfärbender Grus, gräbt man in diesen hinein, so stösst man auf Platten von unregel- mässiger Dicke und Lagerung, die Absonderung des Tuffs beim Festwerden scheint unter Bildung von verschieden starken Schichten oder Platten stattgefunden zu haben, zwischen denen eine lockere Verbindungsmasse gelagert war. Die braunrothe Farbe, die durch das ganze Gestein hindurchgeht, ist durch Eisenhydroxyd bedingt, das wahr- scheinlich sich durch Verwitterung aus Lösungen von kohlensaurem Eisenoxydul gebildet hat, das aus Eisen- silikaten des Basalts und Tuffs durch chemische Vorgänge entstanden war. Stückchen von Brauneisenstein im Tuff sind ziemlich häufig. Die verschiedenen Ablagerungen der Tuffe in ihrem Verhältniss zum Basalt lehren nun aber auch, dass der 5 66 E. Loewer. vulcanische Vorgang nicht immer mit dem einmaligen Ausbruch von Lava und Aschen zu Ende war. Es sind bei uns Formerscheinungen vorhanden, die beweisen, dass mehrere Ausbrüche unsere Berge zusammengesetzt haben, die sogar zeitlich weit auseinander gelegen haben müssen. So beweist der vorhin erwähnte Tuffkegel im Basalt des Hunrodberges, der etwa 5 m hoch ist und nach der Basis zu sich rasch und stark verbreitet, dass nach Beendigung ° des Lavaausflusses noch ein Ausströmen von Aschen, Magmafetzen und sonstigen den Tuff zusammensetzenden Materialien stattgefunden haben muss. Der Basaltgang im Schichttuff des Hirzsteines, die sog. Wand, liefert den Beweis, dass nach dem ersten Ausbruche, der den Basalt und den Tuff des Hirzsteines gesetzt hatte, ein zweiter Ausbruch gefolgt ist, der in den bereits abgelagerten Tuff basaltisches Magma ergossen hat. Am lehrreichsten ist in dieser Beziehung der schon vorhin mehrfach erwähnte Eichelskopf unweit Homberg. An der Westseite des auf seinem Gipfel spärlich mit Tannen bestandenen Berges sieht man in einem guten Aufschluss gewährenden Stein- bruch folgendes Profil: An der abgebauten Wand bildet die unterste Abtheilung der grauröthliche Tuff mit Pflanzenresten in einer Mächtigkeit von etwas über 2 Meter, darauf liegt in fast derselben Mächtigkeit der dunkele blaugraue Schichttuff, dann folgt nach oben der geschichtete Palagonittuff in einer Mächtigkeit von etwa 5 Meter, der wiederum das Liegende bildet für eine Abtheilung Säulen- basalt in einer Mächtigkeit von etwas mehr als 6 Meter. Die Säulen zeigen häufige Quergliederung, die Oberflächen sind durch Verwitterung meist in Wackenthon verwandelt und zerfallen, sodass die Säulen wie aus ın Breite und Höhe unregelmässigen Blöcken zusanımengesetzt erscheinen, dazwischen liegen kleinere und grössere basaltische Kugeln. Manche der Säulen erinnern lebhaft an die Ellipsoide der Käsegrotte bei Bertrich. Die Farbe des Basalts ist schwarzblau, sein Gefüge fein krystallinisch, nach oben hin oft sehr porös in Folge der Ausströmung von Gasen. (Abbildung am Schluss.) Am Eichelskopfe sieht man demnach die Producte von drei verschiedenen vulcanischen Vorgängen, die sich auf der untersten Abtheilung des feinkörnigen Schwemm- tuffs abgelagert haben. Bei diesem ist es dabei nicht unwahrscheinlich, dass er sich an ursprünglich un- geschichteten Tuff eines ersten vulcanischen Ausbruchs angelegt hat, wie dies überhaupt bei dem angeschwemmten - 2 + Ueber die Basalttuffe vom Habichtswald etc. 67° Tuff vielfach der Fall sein mag. Zwischen den einzelnen Ausbrüchen muss eine lange Zeit dazwischen gelegen haben, da der Schichttuff jeder der beiden mittleren Ab- theilungen Zeit gehabt hat, sich aus dem Wasser ab- zusetzen, und zwar in horizontal liegenden Schichten, also bei ganz ruhigem Wasserstande. Ich möchte noch zum Schluss einige Richtigstellungen vornehmen. Ludwig schreibt, dass er die fossilen Pllanzen- reste im Conglomerat von Holzhausen bei Homberg ge- funden habe. Der Eichelskopf, wo sie in der untersten Abtheilung des Tuffbruchs vorkommen, liegt, geographisch genauer ausgedrückt, weiter südöstlich oberhalb Relbe- hausen. Sodann heisst es in geologischen Handbüchern, dass Palagonittuff — von Ludwig in seiner Abhandlung gelber Tuff genannt — auch im Habichtswalde vorkomme. So sagt auch Uredner, dass er am Habichtswalde zu finden sei. Er kommt aber weder im, noch am Habichtswalde an irgend einer Stelle vor. Fundstelle ist lediglich das hessische Hügelland nordöstlich der Efze. Aufgeschlossen ist er dort jetzt nur, wie beschrieben, am westlichen Hange des Eichelskopfes zu finden, und nur nördlich von ihm an einem Abhange, der sich vom „Steiger“ in nörd- lieher Richtung nach Mörshausen fortsetzt, zeigt sich noch in der Nähe des Dorfes das Ausgehende aus Polagonittuff bestehend, ist aber durch Steinbruch nicht aufgedeckt. Nach den mir an Ort und Stelle gewordenen Auskünften wurde derselbe in der Umgegend des Eichelskopfes in früheren Jahren auch noch an andern Stellen gefunden, so wurde er noch vor etwa 30 Jahren am südlichen Ab- hange der Hute, einer nicht bedeutenden Anhöhe zwischen Welferode und Berndshausen an der Strasse nach Ober- beisheim gebrochen, doch ist der Bruch nach Einebnung ‚der Halden jetzt kaum noch bemerkbar. Ferner sind nördlich vom Eichelskopfe an dem als „Steiger“ bezeich- neten Abhange anstehend gewesene, aus Palagonittuff ge- bildete, unter dem Namen „Wichtelskirche“ bekannt ge- wesene Felsparthieen durch Steinbruchsarbeiten zerstört und völlig verschwunden und am Altefeld, unmittelbar westlich vom Eichelskopfe, an der Strasse von Homberg nach Remsfeld, bildete dieser Tuff das Ausgehende, das ‚aber seit Jahren durch den Ackerpflug verwischt ist. Es war meine Absicht, mich bei der Bearbeitung der "Tuffe unserer Gegend nur an das Thatsächliche zu halten. Von dem Versuche zur Lösung irgend welcher Probleme äst deshalb dabei Abstand genommen. 5* 68 E. Loewer. Die beim Vortrage vorgelegten zahlreichen Beleg- stücke sind dem hiesigen Naturalien- Museum einverleibt worden und werden in der Abtheilung für Basalte und. Tuffe in einem besondern Fache für sich aufbewahrt. | Die Trift- und Felsformationen des Ringgaus. 69 Die Trift- und Felsformationen des Ringgaus. Von M. Zeiske in Ziegenhain. Der „Ringgau“ ist ein geognostisch und landschaft- lich in sich abgeschlossener Theil des thüringisch-hessischen Berglandes. Im Norden, Osten und Süden von der mittleren Werra, im Westen von einem Nebenflusse derselben um- flossen, schiebt sich der Ringgau als die westlichste Halb- insel der thüringischen Trias in das kurhessische Gebiet hinein, mit seinen Erhebungen den östlichen und südöst- lichen Theil des preuss. Kreises Eschwege erfüllend. Den Kern des Ringgaus bildet ein nach allen Seiten steil abfallendes Muschelkalkplateau, welchem mehrere zur Buntsandsteinformation gehörige Bergzüge an- bezw. vorgelagert sind. Quer durch das Kalkplateau verläuft die tiefe Verwerfungsspalte des Netra-Iftathales, dessen Sohle aus Keupersedimenten besteht. Ueber die reichhaltige und interessante Flora des Ring- gaus ist bisher sehr wenig, über seine Vegetation nichts veröffentlicht worden. Da hier die Pflanzenformationen des trocknen Bodens ganz bedeutende Flächen einnehmen und für alle mitteldeutschen Triasgegenden typisch sein dürften, so soll im Nachstehenden eine Schilderung der Vegetation auf den trockenen Triften, Felsen und Geröllen des Ringgaus versucht werden. „Triften“ sind offene, baumlose Flächen, deren Vegetation der Hauptsache nach aus Stauden und Kräutern besteht. Unter den Stauden befinden sich auch Gräser; diese werden jedoch ebensowenig gesellig, wie die dem Bestande beigemengten wenigen Strauch- und Halbstrauch- arten (vergl. Drude „Handbuch der Pflanzengeographie“ Seite 303). Der typische Triftboden ist sehr trocken, stets ohne Grundwasser, flachgründig, humusarm, steinig bis felsig. Dieser Boden nimmt besonders auf dem Muschelkalk des Ringgaus grosse Flächen ein. Er fehlt auch den benach- barten Buntsandstein- und Keuperbezirken nicht, wohl aber dem Alluvium der Werraniederung. 70 M. Zeiske. Die Triften werden in einem grossen Theile Nieder- hessens „Triescher“ genannt. Ihnen verdankt der Ring- gau seinen üblen Leumund als steinige und unfruchtbare Gegend. Und in der That geben die von den Trieschern eingenommenen Theile des landschaftlich so schönen Ring- gaus den Calluna-Heiden und Flugsandstrecken der nord- deutschen Ebene an Trockenheit und Sterilität des Bodens nichts nach, obwohl die Flora Beider grundverschieden ist. Dieser karge Boden hat der Triftvegetation sein Gepräge aufgedrückt: manche Pflanzen nehmen Zwerg- wuchs an, andere reduziren die Zahl gewisser Organe; grossblättrige Sträucher sind selten; an ihre Stelle treten Dorngesträuche, welche ja durch Unterdrückung ihrer Blattorgane der Trockenheit des Standortes besser an- gepasst sind. Hier fühlt sich auch der genügsame Wach- holder heimisch ; aber stellenweise ist sogar er genöthigt, zu igelartig auf dem Boden hockenden Gestrüppen zu ver- kümmern. Von den Stauden behalten zwar viele ihren hohen Wuchs bei, aber es schwindet ıhr Reichthum an Arten. Die vorhandenen Gräser haben magere, harte Halme und eignen sich nur als Weidegras für Schafe. An Stellen mit etwas besserem Boden erscheinen kleine Gebüschoasen als Vorposten der Vor-, Rand- und Unter- gehölze des Waldes, besonders aus der Haselnuss und aus Strauchbuchen bestehend. Man hat viele Triescher in Ackerland umgewandelt, aber natürlich schlechte Geschäfte dabei gemacht; denn solche Aecker geben nur in günstigen, d. h. nassen Jahren mehr wieder, als der Landmann auf sie verwendet hat. Früher oder später giebt er den aus- sichtslosen Kampf auf und setzt den Schäfer in seine Rechte wieder ein. Auch die Formation der Felsen und Gerölle ist auf dem Ringgau vertreten. Sie unterscheidet sich von der Triftformation dadurch, dass ihre Vegetation den Boden nicht zusammenhängend überzieht und nicht von einer einzigen Wachsthumsform beherrscht wird. Bezeichnend für die Fels- und Geröllformation ist die vermehrte Bei- mischung von Sträuchern und Strauchbäumen, auf dem Ringgau z. B. von OCotoneaster integerrima, Prunus avium, Sorbus Aria, Ribes Grossularia, Tilia ulmifolia, Taxus baccata. Felsen giebt es im Buntsandsteinbezirk des Ringgaus nur an wenigen Orten, dagegen sind sie an allen Rändern des Muschelkalkplateaus und in den meisten Wasserrissen desselben eine häufige Erscheinung mit oft grossartigen Ausmassen in Höhe und Erstreckung. Be- Die Trift- und Felsformationen des Ringgaus. 71 sonders mächtig sind die Felsenmassen des „Heldrasteins“ im Norden und des „Kielforsts* im Süden des Ringgaus. Die Denudation des Ringgaumassivs vollzieht sich entweder durch allmähliche Abbröcklung und Verwitterung oder durch plötzlichen Absturz gewaltiger Massen. Auf erstere Weise entstehen die gerölligen Abhänge, welche meist von Buschwerk okkupirt sind, auf letztere Weise die senkrechten Felswände, welche meist gar keine Vegetation besitzen. Wo aber die glatten Felsenabstürze von vor- springenden Kanten, von Schlüften, flachen Spalten und von gerölligen Stellen unterbrochen sind, da bieten sich zusagende Standorte für die Genossenschaft der Felsen- gewächse, vorausgesetzt, dass diese Standorte den Strahlen der Sonne zugänglich sind. Die Formation der Fels- und Geröllpflanzen ist im Ringgau zwar scharf ausgeprägt, jedoch nur an wenigen Stellen -(z. B. ‚„Kielforst‘‘, „Schäfersburg“‘) und auf sehr kleinen Arealen. Sodann sind die Uebergänge zu den Triften zahlreich und verlaufen stets allmählich. Ich halte deshalb die voll- ständige Trennung beider Formationen -—- wenigstens für das kleine Gebiet des Ringgaus — nicht für geboten und habe in den nachfolgenden Artverzeichnissen die Felsen- pflanzen nicht von den Triftpflanzen gesondert. Die mit ! versehenen Arten bewohnen (im Ringgau) ausschliesslich oder mit Vorliebe Kalkboden. Die Gesammtzahl der zu den Trift- und Fels- formationen auf Kalkboden gehörigen Arten beträgt 154 Davon entfallen auf Sträucher, Strauchbäume und Halb- sträucher 22, auf die Stauden 82 und auf die ein- oder zweijährigen Kräuter 50. Charakteristisch für die Trift- und Felsformationen sind folgende 36 Arten des Ringgaus: Stenophragma Thalianum Celk. — Alyssum caly- cinum L.! — Lepidium Draba L.! — Helianthemum Chamaecistus Mill. — Reseda lutea L.! — Ononis spinosa L.! — Fragaria viridis Duch. — Sanguisorba minor Scop.! — Rosa rubiginosa L. — Cotoneaster integerrimus Medik.! — Libanotis montana Contr.! — Asperula cynanchica L.! — Filago germanica L. — Anthemis tinctoria L. — Carduus defloratus L.! — Tragopogon major Jacgq.! — Crepis foedita L.! — Crepis tectorum L.! — Gentiana Amarella L.! — Gentiana ciliata L.! — Cuscuta Epithymum L. — Physalis Alkekengi L. — Verbascum thapsiforme Schrad. — 2 M. Zeiske. Salvia verticillata L.! -— Stachys germanica L.! — Stachys recta L. — FPrunella grandiflora Jacgq.! — Ajuga Chamaepytis Schreb.! — Tithymalus Cyparissias Scop. — Anthericum Liliago L.! — Anthericum ramosum L.!— Allium fallax Schult.! — Carex humilis Leyss.! — Sesleria coerulea Ard.! — Avena pratensis L. — Brachypodium pinnatum P. B.! Die übrigen 118 Arten kommen auch in anderen Formationen vor; jedoch haben die Trift- und Fels- formationen, ihrer xerophilen Natur entsprechend, fast keine einzige Art mit den Formationen des nassen Bodens gemeinsam. Auch vermögen nur wenige Trift- und Fels- arten im tiefen Schatten des geschlossenen Waldes oder im Bereiche des rasch zirkulirenden Grundwassers der Mähwiesen zu gedeihen. Gross ist jedoch die Zahl der Arten, welche auch im schwachen Schatten der Vorgehölze, Waldränder und sonstigen lichten Holzungen angetroffen werden. Dies sind folgende 44 Arten: Anemone silvestris L.! — Turritis glabra L. — Arabis hirsuta Scop.! — Thlaspi perfoliatum L.! — Malva Alcea L. — Tilia ulmifolia Scop. — Anthyllis Vulneraria L.! — Trifolium procumbens L. — Astra- galus glycyphylilos L.! — Coronilla vaginalis Lmk.! — Hippocrepis comosa L.! — Prunus spinosa L.— Prunus avium L. — Rubus nemorosus Heyne. — Rubus caesius L. — Fragaria vesca L. — FPotentilla verna L. — Rosa canina L. 2. Thl. — Mespilus Oxyacantha Gaertn. — Pirus Aria Ehrh.! — Epilobium montanum L. — Sedum acre L. — LRibes Grossularia L. — Pimpinella Sazi- fraga L. — Bupleurum falcatum L.! — Laserpitium latifolium L.! — Asperula glauca Bess. — Jmula Conyza D. ©. — Carlina vulgaris L. — Hieracium murorum L. — Campanula glomerata L.! — Vince- toxicum officinale Mnch.! — Digitalis ambigua Murr. — Origanum vulgare L. — Calamintha Acinos Clairv. — Teucrium Chamaedrys L.! — Fagus silvatica L. — Quercus Robur L. — Quercus sessiliflora Sm. — Corylus Avellana L. — Carpinus Betulus L. — Taxus baccata L.! — Juniperus communis L. — Pinus silvestris L. Numerisch weniger gross, aber doch deutlich aus- gesprochen, ist die floristische Verwandtschaft der Trift- und Felsformationen mit der Association der Acker- und Wegepflanzen. Die Anzahl der gemeinsamen Arten be- trägt 27. Es sind: Die Trift- und Felsformationen des Ringgaus. 3 Diplotaxis tenuifolia D. C. — Lepidium cam- pestre R. Br.! — Alsine tenuifolia Whlnb. — Erodium cicutarium UHerit' — Malva moschata L. — Melilotus officinalis Desc.! — Melilotus albus Murr.! — Ono- brychis viciaefolia Scop.! — Bupleurum rotundifolium L.! — Orlaya grandiflora Hoffm.! — Caucalis daucoides L. — Galium tricorne With. !-— Valerianella olitoria Mnch. — Erigeron acer L. — Cirsium arvense Scop. — Carduus nutans L. — Centaurea Scabiosa L.! — Sonchus ar- vensis L. — Cynoglossum officinale L. — Echium vul- gare L. — Linaria minor Desf. — Melampyrum ar- vense L.! — Stachys annua L.!— Teucrium Botrys L. — Plantago major L. — Tithymalus platyphyllos Scop. -— Muscari racemosum Mil. Am losesten hängt die Trift- und Felsformation floristisch mit der geselligen (Grasflur zusammen, am meisten noch mit ihrer auf trockener Unterlage vor- herrschenden Ausgestaltung, der „Grastrift‘“ oder ‚„Trift- 'wiese‘. Hierher gehören die nachstehenden 13 Arten: Ranunculus bulbosus L. — Lotus corniculatus L. — Alchemilla vulgaris L. — Galium verum L. — Centaurea Jacea L. — Hieracium Pilosella L. — Campanula rotundifolia L. — Alopecurus pratensis L. — Phleum ‚pratense L. — Agrostis vulgaris With. — Agrostis alba L. — Festuca ovina L. — Lolium perenne L. Von dem Rest der 118 nicht charakteristischen Arten entfallen 4 auf die Grasfluren und zugleich auf die Acker- und Wegeflora, 3 auf Grasflur, Acker- und Wegeflora und die lichten Gehölze, 6 auf letztere und zugleich auf die Acker- und Wegeflora, endlich 21 auf die Grasfluren und die lichten Gehölze. Danach haben die Trift- und Felsformationen über- haupt gemeinsam: mit der Acker- und Wegeflora 40, mit den Grasfluren 41 und mit der Formation der lichten Gehölze 74. Den Rest der 118 nicht charakteristischen Arten bilden folgende 34: Erophila verna E. Mey. — Viola hürta L. — Poly- gala vulgaris LA. -— Silene vulgaris Gche. — Cerastium triviale Sh. — Geranium columbinum L. — Hypericum perforatum L. — Genista tinctoria L. — Ononis repens L. — Trifolium agrarium L. — Sedum masimum Sut. — Pastinaca sativa L. — Daucus Carota L. — Galium mollugo L. — Galium silvestre Poll. — Scabiosa Colum- baria L. — Gnaphalium dioicum L. — Senecio Jacobaea Z. ze M. Zeiske. — Cirsium lanceolatum Scop.— Lappa minor D. C. — Lampsana communis L. — FPicris hieracioides L. — Crepis biennis L. — Linaria vulgaris Mill— Veronica Chamaedrys L. — Veronica officinalis L. — Thymus Serpyllum L. — Glechoma hederacea L. — Prunella vulgaris L. — Ajuga genevensis L. — Allium oleraceum L. — Anthoxanthum coloratum L. — Briza media L. — Poa annua L. Obwohl die Baumform vom typischen Trift- oder Felsboden ausgeschlossen ist, indem die vorhandenen Baumarten den Wuchs von Sträuchern annehmen oder behalten, so bringt es doch ein Baum (Pinus silvestris) auf einer gewissen Abänderung des Trift- und Felsbodens sogar zu Beständen, welche als Wäldchen auf einzelnen Kuppen oder als schmale Streifen an den Rändern des Muschelkalkplateaus im Ringgau auftreten. Hierzu ge- eignete Oertlichkeiten sind im Ringgau einmal Muschel- kalkhügel, welche sich durch Verwitterung in ein Hauf- werk von Kalksand und Blöcken aufgelöst haben, wie der „Köhlerskopf“, das „Dörrliethenköpfehen‘“‘, die Kuppe am „Renderothsgraben“. Ferner sind geeignet Kalktafeln, deren Schichten mehr oder weniger vertikal einfallen, so die Südplatte des „Schiefersteins“. Endlich finden sich Kiefernstreifen auf den verstürzten Muschelkalkpartien, welche am Fusse der äusseren Steilränder des Kalkplateaus. eine sehr gewöhnliche Erscheinung sind. Alle diese Kiefernbestände wären aus pflanzen- physiognomischsn Rücksichten eigentlich bei den Wald- formationen zu besprechen. Aber mit diesen haben sie weiter nichts gemeinsam, als die Baumform und deren (reselligkeit; denn Bodenbeschaffenheit, Biologie und Flora besitzen keine Aehnlichkeit. Dagegen stimmen die Kiefernbestände mit den Trift- und Felsformationen in der Trockenheit und Unfruchtbarkeit des Bodens überein; auch sind sie, wie die Uebergangszustände beweisen, aus Triften oder Felsbeständen hervorgegangen. Endlich be- steht ihr Bodenwuchs und Unterwuchs keineswegs in der Hauptsache aus Wald- oder Gebüschpflanzen, sondern aus einer ziemlich reinen, allerdings verarmten Trift- oder (reröllflorra. Aus diesen Gründen betrachte ich jene Kieferngehölze als zu den Trift- und Felsformationen gehörig. Auch der ringgauische Bauer nennt sie be- zeichnend „Tannentriesch“. Die bisherigen Ausführungen betreffen ausschliesslich die Trift- und Felsformationen auf Kalkboden. Solche | \ Die Trift- und Felsformationen des Ringgaus. 75 auf Buntsandstein- und Keuperboden sind, wie im Ein- gange bemerkt ist, ebenfalls vorhanden; sie verhalten sich durchweg wie diejenigen auf Kaikboden. Ich kann mich daher auf eine Darlegung der floristischen Unterschiede beschränken. Zunächst fehlen den Buntsandstein- oder Keuper- böden die durch ein ! als Kalkgewächse gekennzeichneten Arten. Dagegen sind nachstehende Trift- und Felsen- pflanzen, wenigstens im Ringgau, an den Silikatboden mehr oder weniger gebunden: Nasturtium silvestre R. Br. — *Viola arenaria D. C. — *Tunica prolifera Scop. —- *Dianthus Armeria L. — Sagina procumbens L. — "Spergularia rubra Presl. — Herniaria glabra L. — Scleranthus annuus L. — *Scle- ranthus perrennis L. — *Hypericum humifusum L. — Sarothamnus scoparius Koch. — Vicia angustifolia AU. — Ervum telraspermum L. — *Potentilla argentea L. — Epilobium angustifolium L. — Saxifraga tridactylites L. — *]Jnula germanica L. — *Filago arvensis Fr. — Filago minima Fr. — *Helichrysum arenarium D. C. — Artemisia vulgaris L. — Senecio viscosus L. — Car- duus crispus L. — *Jasione montana L. — Calluna vulgaris Salisb. — Myosotis arenaria Schrad. — Myosotis versicolor Sm. —- ”Myosotis hispida Schl. — Verbascum Thapsus L. — *Verbascum phlomoides L. — Veronica verna L. — Carex verna Mill. — *Phleum asperum Vell. — Melica ciliata L. — Festuca rubra L. Die mit einem * vor dem Namen gekennzeichneten 14 Arten sind charakteristisch für die Triftformationen auf kalkarmem Boden. Unter Hinzurechnung der sowohl auf Kalk- als auch auf Kieselboden wachsenden 105 Arten zu obigen 35 Silikatarten beträgt die Gesammtzahl der zu den Triftformationen auf kalkarmem Boden gehörigen Arten 140, wovon auf die Holzgewächse 21, auf die Stauden 71 und auf die Kräuter 48 entfallen. Ohne Unterscheidung von Kalkboden und Kieselboden zählen die Trift- und Felsformationen im Ringgau über- haupt 189 Arten, wovon 50 charakteristisch sind, während die übrigen 139 Arten zugleich einer anderen Formation oder mehreren angehören. Von den 189 Arten sind 24 (= 13°) Holzgewächse, 96 (= 51’) Stauden und 69 (= 36°) Kräuter. Ein Kenner der norddeutschen Heiden wird bald bemerkt haben, dass unsere Trift- und Felsvegetation sich ebenso gliedert wie jene. Letztere zerfallen in drei Einzel- 76 M. Zeiske. formationen: 1. Offene (Calluna-)Heiden mit eingestreuten Gebüschen, 2. Flugsand- und Dünenstrecken, 3. Heidewälder von Pinus silvestris. Den offenen Heiden entsprechen unsere Triften, den Heidegebüschen die Triftgebüsche, den Flugsandheiden und Dünen unsere Fels- und Geröllformationen und den Kiefern- heiden ‘die oben besprochenen Kiefernbestände. Die Heide- formationen nahmen weite, zusammenhängende Strecken der westbaltischen Waldregion ein, während die Trift- und Felsformationen in der mitteleuropäischen Hügel- und Bergwaldregion nur kleine und zersplitterte Areale be- sitzen. Dennoch sind sie hier nicht als Ausläufer oder Vertreter der Heideformationen -anzusprechen, weil ihre Noristische Selbstständigkeit sehr gross ist. Vegetations- geschichtlich dürften sie als eine Reliktenvegetation der mitteleuropäischen Diluvialsteppen aufzufassen sein. Professor Dr. Hermann Friedrich Kessler. ZT: Professor Dr. Hermann Friedrich Kessler. Lebensbild eines Naturforschers und Lehrers. (Mit Porträt.) Begonnen von H. F. Kessler, vollendet von Konrad Kessler. Die nachfolgenden Zeilen sind bis S. 86 Selbstbiographie und von unserem verstorbenen Freunde auf unsere Veranlassung zu- nächst für die in Aussicht genommene Fortsetzung des Strieder- Justi-Gerland’schen Hess. Gelehrten-Lexikons niedergeschrieben worden. Der unerbittliche Tod hat dem Verfasser die Feder aus der Hand genommen. Herr Univ.-Prof. Dr. Konrad Kessler in Greifswald hat auf unsere Bitte die Arbeit zu Ende geführt und uns ermächtigt, das Lebensbild als litterarisches Denkmal für das treueste und .eifrigste Mitglied des Vereins für Naturkunde in dem vorliegenden Jahresbericht zum Abdruck zu bringen. DroA, Zu Treis an der Lumbde, damals einem grossen kur- hessischen Dorfe mit dem Stammsitze der Herrn v. Milch- ling, genannt Schutzbar, wurde ich am 17. Juni 1816 ge- boren. In den zwanziger Jahren zählte dasselbe über 1200 Einwohner, hatte eine Pfarrei, ein Justizamt, eine Försterei, einen Arzt, eine Apotheke, eine Anzahl Kauf- leute, eine Färberei u. s. w. und gehörte bis zum Jahre 1866 zu Kurhessen; gegenwärtig gehört es zu Hessen-Darmstadt. Seitdem sind die genannten Anstalten meistens weg- gekommen und in Folge dessen ist die Einwohnerzahl auch eine geringere geworden.*) An der dortigen Schule, *), Das regste Interesse für seinen Geburtsort Treis a. d. L. hat sich mein Vater bis zuletzt bewahrt. Im Jahre 1865 hat er Treis, begleitet von mir, der damals 14 Jahre alt war, in den 0er Jahren — das letzte Mal —, begleitet von seinem älteren Bruder Gustav, persönlich wieder besucht. Noch zum Zwecke dieser Selbst- biographie erkundigte er sich im Januar 1897, also drei Monate vor seinem Tode, brieflich bei dem Bürgermeister von Treis nach manchen Einzelheiten, namentlich nach einer Merkwürdigkeit aus seiner Jugend, dem sogenannten „guten Born“, einer periodisch, angeblich alle 7 Jahre fliessenden und für heilkräftig geltenden Quelle am Fusse des benachbarten „Todtenbergs“. Auf die freund- liche Antwort des Bürgermeisters, dass der sog. „gute Born“ noch vorhanden sei und als Heilquelle gelte, regte mein Vater in einem zweiten Schreiben an den Bürgermeister bei diesem den Gedanken an, das Wasser des Brunnens durch einen Sachverständigen, etwa 78 Professor Dr. Hermann Friedrich Kessler. welche der Seelenzahl entsprechend auch gross sein musste, war mein Vater (früher Lehrer in Rosenthal) von 1814 bis 1831 der alleinige Lehrer. Dieselbe hatte gegen Ende der zwanziger Jahre über 150 Schüler, Knaben und Mädchen, eine Anzahl, welche für eine Lehrkraft viel zu gross war, und deshalb wurde auch bei meinem Vater, dem Ernährer einer starken Familie (d Knaben und 4 Mädchen) im Laufe der Jahre der Gedanke rege, nach jahrelanger (16jähriger) übergrosser Arbeit seinen bis- herigen Wirkungskreis mit einem andern zu vertauschen, an welchem er Aussicht hätte, seiner Familie länger er- halten zu bleiben, als so zu erwarten war. Als daher die Lehrer- und Organistenstelle zu Oberweimar bei Marburg, einem kleinen Pfarrdorfe in einem Kirchspiele mit 7 Filialdörfern, vakant wurde, bewarb er sich um dieselbe, weil sie ein fast gleich grosses Jahreseinkommen hatte, aber weit weniger Arbeit machte, und erhielt die Stelle auch. Der neue Wohnort wurde im Herbst 1831 bezogen. | Meine Eltern hatten von Haus aus kein Vermögen, und die Stelle meines Vaters gehörte zwar dem Einkommen nach zu den besseren Schulstellen in der Provinz Ober- hessen, brachte jedoch jährlich nur soviel ein, als zu einer anständigen Erhaltung der ganzen Familie und Erziehung der Kinder nöthig war. Für die Zukunft der Kinder konnte kein baares Geld zurückgelegt werden, wohl aber lernten wir Kinder den Werth der Arbeitsamkeit, der Anspruchslosigkeit, der Sparsamkeit, der Zufriedenheit im elterlichen Hause kennen. Und mein Geschick hat sich so gestaltet, dass ich mich bis in mein hohes Alter hinein oft glücklich geschätzt habe, im Besitze dieser werthvollen Mitgift aus dem elterlichen Hause zu sein. Den ersten Unterricht habe ich bis zu meiner Kon- firmation bei meinem Vater gehabt. Mit der Uebersiedelung desselben nach Oberweimar trat auch in meiner Thätigkeit eine Aenderung ein. Bis dahin war ich, sozusagen, auch schon Gehilfe meines Vaters in seiner grossen Schule ge- wesen, indem ich nämlich nach seiner Unterweisung bei b jeder neuen Aufnahme von Schülern diesen die Buch- einen Chemiker von einer der benachbarten Universitäten Marburg oder Giessen, auf seine Bestandtheile untersuchen zu lassen, ob es wirklich Mineralwasser sei. „Sollte dies,“ schrieb er, „wirklich der Fall sein, dann könnte die Gemeinde Treis a. d.L. von ihrem „guten Born“ noch Vortheile haben, was ich von Herzen wünsche.“ Konrad Kessler. Lebensbild eines Naturforschers und Lehrers. 9 stabenkenntniss, das Buchstabiren und das Lesen im ABC-Buche lehrte. Diese Hilfeleistung war von da an nicht mehr nöthig, weil die Schule zu Oberweimar viel kleiner war, als die zu Treis. Auch waren meine Eltern über die Wahl meines künftigen Berufes als des Lehrer- berufes schlüssig geworden. Auf ihren Wunsch ertheilte mir daher der Pfarrgebilfe Sangmeister zu Oberweimar den weiteren Vorbereitungsunterricht zur Aufnahme ins Lehrerseminar zu Marburg, in das ich denn auch im Herbst 1333 aufgenommen wurde. Nach dreijährigem, durch Lungenentzündung zweimal auf kurze Zeit unterbrochenem Studium in dieser Anstait bestand ich vom 13. bis 17. September 1856 die Abgangs- prüfung und wurde am 19. September 1856 mit dem Prüfungs-Prädikat „rühmlich bestanden“ entlassen. Das Zeugniss, unterzeichnet von den Mitgliedern der Kur- fürstlichen Prüfungskommission Dr. Justi, Noeding, Bang, führte 12 Prüfungsgegenstände auf und erklärte den Geprüften am Schlusse „für fähig, einer Volksschule mit glücklichem Erfolge als Lehrer vorzustehen, auch den Kirchengesang zu führen und denselben mit der Orgel zweckmässig zu begleiten“. Vierzehn Tage nach meiner Entlassung aus dem Seminar, unter dem 6. Oktober 1836, beauftragte mich ohne meine vorherige Bewerbung (wie ich später erfuhr, auf Wunsch des Pfarrers Clemen in Oberweimar) Kur- fürstliche Regierung zu Marburg mit der Versehung der Lehrerstelle in Allna, einem kleinen Filialorte im Kirch- spiel Oberweimar, welcher aus fünf grossen Bauernhöfen und einigen einzelnen Wohnhäusern bestand. Selbstredend wäre ich lieber an einen grösseren Ort mit mehr Ein- wohnern und mehr Verkehr gegangen. Obgleich ich nun mit den dortigen Einwohnern im besten Einvernehmen stand und soviel als möglich mit denselben zu verkehren suchte, so fühlte ich mich doch dort nicht zu Haus. Ab- gesehen von einer höchst primitiven Wohnung hatte ich ja dort gar keinen Verkehr mit meinesgleichen, war ausser den Schulstunden tagtäglich auf mich allein angewiesen, die einzige Zerstreuung in etwas Guitarrespielen suchend. Eine mir zusagende Zukunft, davon überzeugte ich mich immer mehr, konnte ich in Allna nicht vorbereiten. Da wurde in Marburg eine Lehrerstelle in einer Mädchenschule vakant, um die ich mich bewarb, und welche mir auch von Kurfürstlicher Regierung dortselbst vom 1. Januar 1838 an übertragen wurde. Damit war 80 Professor Dr. Hermann Friedrich Kessler. zwar meine Besorgniss, dass ich an meiner Fortbildung künftig nicht genügend weiter fortarbeiten könnte, vor- läufig beseitigt; aber die Bestreitung der Ausgaben für die weitere Fortbildung machte mir jetzt bei der geringen Höhe des mit der neuen Stelle verbundenen Gehaltes Sorge. Indess dachte ich: „kommt Zeit, kommt Rath,“ und trat die Stelle mit dem neuen Jahre guten Muthes an. Bald bot sich mir Gelegenheit, Privatstunden zu geben, und so hatte ich zunächst, was ich wünschte. Ich war bald rascher bekannt geworden, als ich dachte und bekam besonders aus den Kreisen der höheren Beamten deren Kinder für den ersten Unterricht anvertraut. Auch be- reitete ich junge Leute zur Aufnahme in das Lehrer- seminar vor. Staatliche Präparandenanstalten gab es damals in Kurhessen noch nicht. Uebrigens war ich zu- gleich Gehilfe des damals in musikalischen Kreisen Mar- burgs sehr bekannten Kantors Beck an der lutherischen Pfarrkirche. Auf diese Weise schon hinreichend beschäftigt, gab ich doch im zweiten Jahre dem wiederholten Drängen nach, die Funktion des Dirigenten eines aus jungen Bürgern Marburgs neu gegründeten Gesangvereins zu übernehmen.*) Aber erst Abends von 9 Uhr an konnte ich die erforderliche wöchentliche Uebung halten, weil alle sonstigen Tages- und Abendstunden schon besetzt waren: durch die Schule, durch eine Anzahl Privat- stunden, die ich gab, und durch einige andere, die ich in einzelnen Fächern, wie in der Mathematik, für mich selbst nahm. Hierdurch hatte ich mir eine zu grosse Arbeitslast aufgebürdet, und meine Kräfte mussten schliesslich ver- sagen. Ich bekam das Nervenfieber in hohem Grade; die Krisis war sehr gefährlich. Gepflegt von meiner ältesten Schwester Elisabeth genas ich freilich ganz allmählich, wurde aber dadurch für ein halbes Jahr arbeitsunfähig. Erst nach und nach konnte ich meine Schulstunden in der früheren Anzahl wieder vollständig übernehmen; aber bei der Annahme von Privatstunden musste ich fortan die grösste Vorsicht gebrauchen. Am 26. Juli 1841 übertrug mir Kurfürstliche Regierung eine Stelle an der Knabenschule zu Marburg, *) Das 5Ojährige Jubiläum dieses Gesangvereins („Lieder- verein“ genannt) erlebte mein Vater, der zeitlich erste Leiter des- selben, im Jahre 1892, konnte aber der Einladung zu persönlicher Betheiligung in Marburg seines hohen Alters wegen nicht folgen. K.K. Lebensbild eines Naturforschers und Lehrers. 81 mit welcher der gegen meine bisherige Einnahme aller- dings etwas höhere Jahresgehalt von 140 Thalern ver- bunden war. Indessen, da ich das Privatstundengeben aus Gesundheitsrücksichten nicht in dem früheren Umfange fortsetzen konnte, erwies sich meine Einnahme als un- zulänglich, namentlich um davon auch die Ausgaben für Vorlesungen bei einzelnen Universitäts- Professoren und was damit zusammenhing, zu bestreiten. Ich hörte z. B. bei Prof. Gerling mathematische Geographie, bei Prof. Rehm Geschichte des Mittelalters, bei Rubino alte Ge- schichte, bei Koch Pädagogik. Mittlerweile hatte ich mich nämlich entschlossen, mich zum Rektorexamen (für Rektoren an städtischen Schulen) vorzubereiten. Der Ausführung dieses Planes stellten sich jedoch Schwierigkeiten entgegen, welche ich eines Tages mit dem Pfarrer Kleinschmidt an der lutherischen Kirche, der meine Verhältnisse und Be- strebungen genau kannte, besprach. Derselbe theilte mir bei dieser Gelegenheit mit, dass in Kassel eine neue Real- schule mit Elementarklassen errichtet würde, die Elementar- lehrer erhielten einen Jahresgehalt von 300 Thalern und könnten es an dieser Anstalt mit der Zeit auch noch weiter bringen: so werde jetzt an der neuen Anstalt als dritter ordentlicher Reallehrer ein früherer Elementarlehrer mit Namen Schwaab”) angestellt, der später das Reallehrer- examen noch gemacht habe. Auf Kl’s Rath, mich zur geeigneten Zeit um eine solche Stelle in Kassel zu be- werben, that ich dies, als im Winter 1842/43 die Stellen ausgeschrieben worden waren, und hatte auch das Glück, berücksichtigt zu werden. Im März 1843 legte ich nach vorausgegangener Auf- forderung in Gegenwart der Stadtschulkommissions - Mit- glieder und eines Regierungsschulraths an der Bürger- knabenschule zu Kassel eine Probelektiion ab und am 22. April wurde ich durch Reskript Kurfürstlicher Re- gierung der Provinz Niederhessen mit „der interimistischen Versehung einer Lehrerstelle an der Realschule zu Kassel vom 1. Mai an“ mit der Weisung beauftragt, dass ich mich „zur Uebernahme dieses Auftrages an diesem Tage — an welchem die Eröffnung jener Lehranstalt stattfinden würde — bei der Kurfürstlichen Stadtschulkommission einzufinden und weitere Instruktion zu gewärtigen“ habe. *) Es ist dies der nachmalige Lehrer der Naturgeschichte an der Königl. höheren Gewerbeschule hier, Dr. Wilhelm Schwaab, gest. 1809. Der Herausgeber. 6 82 Professor Dr. Hermann Friedrich Kessler. — Beim Abschiedsbesuche in Marburg eröffnete mir der Regierungspräsident von Dörnberg, ungnädig über meinen Abgang, dass ich eine Wiederanstellung durch ihn in Oberhessen nicht zu erwarten hätte. Nun, ich brauchte ihn um eine solche nicht zu bitten! Ich stellte mich zur rechten Zeit in Kassel ein und wurde durch das Stadtschulkommissions-Mitglied, den Rektor der Realschule Dr. Graefe, in mein neues Amt als Hauptlehrer der achten Klasse der Realschule ein- geführt. Meine definitive Anstellung mit einem Jahresgehalte von 300 Thalern erfolgte laut Bestallungsurkunde Kur- fürstlicher Regierung der Provinz Niederhessen vom 4. Mai 1844. Mit den Kasseler Verhältnissen und insbesondere mit denen in der Realschule bekannt geworden, zweifelte ich nicht mehr an der Möglichkeit, noch die Anstellung als Reallehrer, wenn auch erst nach mehreren Jahren, zu erringen. Ich setzte deshalb meine in Marburg begonnenen Studien in meiner freien Zeit fort. Mit Dr. Schwaab, der mir zum Muster hingestellt war, wirkte ich nun an einer Anstalt. Ich konnte oft in seinen Unterrichtsstunden hospitiren und ihn auf seinen botanischen Exkursionen, die er mit dem allbekannten Botaniker Dr. Louis Pfeiffer unternahm, begleiten und dabei das Pflanzenbestimmen praktisch ausüben lernen. Ausserdem aber nahm ich während mehrerer - Semester an den Studien der damals sehr blühenden polytechnischen Schule (später höhere Gewerbeschule genannt) in Kassel Theil und besuchte an ihr Vorlesungen. Ich hörte vor Allem beschreibende Naturwissenschaften (Botanik und Zoologie) bei dem weltberühmten Dr. R. A. Philippi, der noch gegenwärtig (d. i. 1897), hoch in den achtziger Lebensjahren stehend, in Santiago in Chile lebt und wirkt, Mineralogie bei Dr. Dunker, Chemie bei Dr. Winkelblech (Bunsen’s Nachfolger), Physik bei Dr. Hehl und Dr. Kuehne, Mathematik bei Dr. Burhenne. Auch liess ich mich schon im Februar 1844, noch im ersten Jahre meines Hierseins, ın den „Verein für Naturkunde“ als Mitglied aufnehmen, der neben seinen belehrenden Monatssitzungen auch in- struktive botanische und mineralogische Exkursionen nicht nur in die nächste Umgebung Kassels, sondern auch an ferner gelegene naturwissenschaftlich merkwürdige Punkte unternahm, z. B. auf den Meisner mit seiner damals noch ziemlich reichen Flora an seltenen Pflanzen. Lebensbild eines Naturforschers und Lehrers. 83 — Nachdem ich auf die angegebene Weise neben meiner täglich vier- bis sechsstündigen amtlichen Beschäftigung für meine wissensclhaftliche Weiterbildung thätig gewesen war, unterzog ich mich im Dezember 1849 in Kassel bei der Kurfürstlichen Prüfungskommission für Reallehrer dem Reallehrerexamen und bestand dasselbe, und zwar in der Naturgeschichte (Botanik, Zoologie, Mineralogie) und der Physik als Hauptfächern, in der Chemie und der Mathematik als Nebenfächern. Das Prüfungszeugniss (welches für die Hauptfächer „sehr gut“ bezw. „gut“ bezeugt) ist unterzeichnet von Dr. R. A. Philippi, Dr. Hehl, Dr. Winkelbleh, Dr. Burhenne, Dr. Hölting, Dr. Riess. Als ich die Reallehrerprüfung bestanden hatte und dem ersten Lehrer unserer Anstalt Dr. Clemen davon Mittheilung machte, äusserte dieser nach seiner Gratulation die mir unglaublich klingende Prognose, ich würde so etwa in 11 bis 12 Jahren vom Kurfürsten als Reallehrer angestellt werden. Diese Vorhersagung sollte buchstäblich erfüllt werden; es dauerte bis zum Jahre 1861! Die nächste Folge des von mir abgelegten Examens war lediglich die dass ich von jetzt an in zunehmender Weise auch zum Unterricht in den Realfächern (neben dem Elementarunterricht) verwendet wurde. Die richtige Kreirung einer weiteren Reallehrerstelle an unserer Anstalt, zu der das Bedürfniss schon jahrelang vorlag und eben durch meine Heranziehung befriedigt wurde, erfolgte wegen Ausbleibens der erforderlichen Geldbewilligung erst im Jahre 1861, unter dem 17. April dieses Jahres, wo „die siebente Lehrerstelle an der Realschule zu Kassel dem Elementarlehrer an derselben und Realschulamts- kandidaten Hermann Friedrich Kessler mit einem Jahres- gehalt von fünfhundert Thalern vom Kurfürsten aller- ‚gnädigst übertragen“ wurde. Bis dahin war mein Anfangs- gehalt nur wenig verändert worden; am 1. April 1850 hatte ich von der Stadt Kassel, nach 6 Jahren, eine per- sönliche Zulage von 50 Thalern, und am 1. April 1856, nach weiteren 6 Jahren, wiederum eine solche von 50 Thalern erhalten, sodass mein Jahresgehalt seitdem 500 Thaler betrug. Auch wurde mir vom 1. Oktober 1860 an eine theilweise Versehung des Gesangunterrichts an unserer Anstalt gegen eine monatliche Vergütung von 8 Thalern übertragen, sodass sich nun meine Jahreseinnahme auf 896 Thaler belief, ein Einkommen, bei welchem die standes- 6*F 84 Professor Dr. Hermann Friedrich Kessler. -_— gemässe Erhaltung einer Familie von 5 Personen (Frau und drei Kindern) mit einer den Zeitverhältnissen ent- sprechenden Erziehung der Kinder nicht leicht war. Auf den Geschäftsgang der Realschule hatte meine: Ernennung zum Reallehrer nicht den geringsten ver- ändernden Einfluss, denn meine Lehrthätigkeit in den Real- fächern hatte ja schon vor 10 Jahren begonnen. Während der ersten Jahre von 1843 an hatte ich ausser dem: Schreibunterricht in meiner achten Klasse alle übrigen Unterrichtsgegenstände zu lehren. Dann, am Anfang des. Schuljahres 1850, bekam ich in Klasse IVb die Geometrie dazu. Ostern 1851 wurde ich Hauptlehrer in Klasse V und erhielt hier den Unterricht im Deutschen und in der- Naturbeschreibung, wurde überhaupt seitdem von der Leitung der Anstalt nur in den Realklassen verwendet;, 1856 erhielt ich Rechnen in V und IV, 1858 Geographie: in V, Geometrie in III, 1859 Arithmetik in III, Geographie in IV u. s. w. Im Wintersemester 1863/64 während der: Erkrankung meines Kollegen Roemer hatte ich in der II. Klasse Geometrie und Handelsgeographie zu über- nehmen. Nachdem seit 1861 meine Beschäftigung in allen den Fächern, in denen ich das Staatsexamen gemacht hatte, bis hinauf in die erste Klasse vom Vorstande der- Anstalt in den Stundenplan aufgenommen werden konnte,. ist dies auch in den letzten Jahrzehnten meiner Lehr-- allseitig geschehen. Jedoch vom Schuljahre 1881/82 ab. bis zu meiner Pensionirung am 1. April 1889 wurde ich auf den Unterricht in der Naturgeschichte in allen Klassen. bis hinauf zu I beschränkt. Zu meiner Verwendung auf dem Gebiete der Real- fächer schon vor meinem Einrücken in eine wirkliche: Reallehrerstelle gehörte es auch, dass mich der Rektor der Realschule mit der Festrede bei der Schulfeier des. Geburtstages des Kurfürsten am 20. August 1858 beauf- tragte. Ich sprach über „Wilhelmshöhe in botanisch-- historischer Beziehung“. Ausser meiner amtlichen Wirksamkeit habe ich auch anderen Kreisen nützlich zu werden gesucht. Ich zähle- dahin eine Anzahl Vereine und zwar in erster Linie den Verein für Naturkunde, in welchem ich einst in den. vierziger Jahren, wie erwähnt, auf der Schulbank gesessen: habe und von Naturforschern erster Grösse viel zu lernen das Glück hatte. Ferner den Verein zur Beförderung des. Gartenbaues in Kurhessen, später den Landwirthschaft- lichen Centralverein der Provinz Hessen - Nassau, den. Lebensbild eines Naturforschers und Lehrers. 85 Landwirthschaftlichen Kreisverein Kassel, den Gärtner- verein, den Verein für Vogelkunde und -Zucht zu Kassel, dem ich lange Zeit präsidirte. Meine 'Thätigkeit in diesen Vereinen bestand vornehmlich darin, dass ich in den Sitzungen derselben Vorträge über Themata hielt, die dem Zwecke dieser Vereine entsprach. Am thätigsten bin ich im Verein für Naturkunde gewesen, dessen Jahresberichte auch vom zwölften bis zum vierzigsten Mittheilungen über den Gang meiner selbstständigen Untersuchungen und über deren Resultate enthielten. Im Verein zur Beförderung des Gartenbaues sprach ich u. A. über folgende Gegenstände: Ueber den Gartenbau in Hessen vor 300 Jahren. — Die Herbarien im Königl. Museum zu Kassel. — Ueber die Einführung von Zier- pflanzen in Hessen. — 5 Vorträge über Organographie und Physiologie der Pflanzen (während der Wintermonate 1859/60). — Die Feinde der Gärten und deren Bekämpfung (27. 10. 1858). — Geschichte der Kartoffel (26. 3. 1862). — Der Blattfarbenwechsel und das Fallen der Blätter (6. 11. 1861). — Ein Fliegenfänger aus dem Pflanzenreich. — Die Kartoffelkrankheit u. s. w. (Berichte über diese Vorträge zum Theil in Kasseler Lokalblättern, wie der „Kasseler Tagespost*). Im Kunstgärtnerverein: Die Palmen. — Die Häutung der Insekten im Larven- und Puppenzustand. — Die Er- nährung der Pflanzen. — Die Elementarorgane der Pflanzen etc. Im Verein für Vogelkunde und -Zucht: Ueber die Zucht der Hühner. — Krankheiten der Hühner. — Einige bei uns wildwachsende Futterarten für körnerfressende Vögel. — Zug- und Wandertaube. — Das Flugvermögen und die Wanderungen der Vögel. — Versuche mit der Kasper’schen Insektentinktur, zugleich als Belege für die Lebenszähigkeit der niederen Thiere namentlich am Haus- geflügel und den Stubenvögeln. Im Arbeiter-Fortbildungs-Verein: Ueber die Er- nährung der Pflanzen (28. 11. 1860). Im Verein für Naturkunde: Die Einführung der ver- schiedenen Zierpflanzen in Hessen im 16. und 17. Jahr- hundert (2. 2. 59. — Die in der Winkelmann’schen Hessischen Chronik aufgeführten, früher am Meissner wild- wachsenden Pflanzen, welche jetzt daselbst nicht mehr gefunden werden. — Das Wachsthum des Holzes und die Bildung der Jahresringe. ni wen 3 86 Professor Dr. Hermann Friedrich Kessler. — Ausserdem vorläufige oder zusammenfassende Mit- theilungen über meine später in den Berichten ausführlich gedruckten Untersuchungen; so über Nematus ventricosus (1864) u. s. w. | [Soweit geht, von wenigen Aenderungen und Zusätzen ab- gesehen, die eigenhändige Darstellung meines verstorbenen Vaters von seinem Leben und Wirken, eine Arbeit, die seine letzte war, die ihn gerade in den letzten Monaten vor seiner Erkrankung, ganz erfüllte. Das Folgende beruht nun, abgesehen von einigen zer- streuten Aufzeichnungen meines Vaters selbst, auf meinen eigenen Erinnerungen. Konrad Kessler.] Was die litterarische Thätigkeit meines Vaters betrifft, so beginnt sie mit dem Jahre 1859, bewegt sich fast allein auf streng wissenschaftlichem Boden und betrifft in den ersten Jahren Studien auf dem Gebiete der Botanik, um sich später fast ausschliesslich der Zoologie und hierin, als seinem Spezialgebiete, ‘der Entomologie zuzuwenden. Er ist jedoch, im Zusammenhange mit seiner Lehrer- thätigkeit, auch mit einer pädagogischen Arbeit hervor- getreten. Im Jahre 1861 liess er, durch das Bedürfniss des Rechenunterrichts an seiner Anstalt veranlasst, er- scheinen: „Rechenschule für die Vorbereitungs- und unteren Klassen der Gymnasien und Realschulen, mit besonderer Rücksicht auf Kurhessen“. Kassel, August Freyschmidt, 2. Auflage, nach den neuen Mass- und Gewichtsbestimmungen bearbeitet, ebenda 1875. | Sein naturwissenschaftliches Interesse richtete sich zuerst, in den vierziger und fünfziger Jahren, mehr auf die Botanik als auf die Zoologie. Fleissige Sammlungen, die er sich anlegte, von Pflanzen zu einem Herbarium, von Mineralien. weiter von In- sekten (Käfern und Schmetterlingen), rühren aus dieser ersten Kasseler Studienzeit her. Auf botanischem Gebiete zog ihn frühzeitig die Geschichte der Botanik an, be- sonders die frühere Betreibung dieser Wissenschaft im Kurfürstenthum Hessen. Eine Frucht seiner Studien war schon jener Vortrag am 20. August 1858 über Wilhelms- höher botanische Schätze. In dieselbe Richtung gehört seine erste botanische Abhandlung, die als Programm der Realschule zu Kassel 1859 erschienen ist, betitelt: „Land- graf Wilhelm IV. als Botaniker. Ein Beitrag zur Ge- schichte der Botanik.“ Bei Gelegenheit der Vorstudien zu dieser Arbeit kam er der Thatsache auf die Spur, dass Landgraf Wilhelm IV. Ende des 16. Jahrhunderts von dem Dr. Caspar Ratzenberger in Naumburg ein mehr- Lebensbild eines Naturforschers und Lehrers. 87 mn bändiges Herbarium zum Geschenk erhalten hatte Er forschte dem Verbleib dieses Werkes nach und entdeckte das gänzlich verschollene Kleinod an abgelegener Stelle im Kurfürstlichen Museum Fridericianum, vermochte aber bei den eigenthümlichen Schwierigkeiten, welche in der Kurfürstlichen Zeit von oben her zuweilen wissenschaft- lichen Unternehmungen bereitet wurden, bis zum Jahre 1866 nicht, die Erlaubniss des Landesherrn zur näheren Unter- suchung des Herbariums und spätern Veröffentlichung zu erlangn. Sie wurde ihm vom Kurfürsten rundweg abgeschlagen. Erst die preussische Ver- waltung ermöglichte die Arbeit, und so erschien Anfang 1870 das Werk unter dem Titel: „Das älteste und erste Herbarium Deutschlands, im Jahre 1592 von Dr. Caspar Ratzenberger angelegt, gegenwärtig im Königlichen Museum zu Kassel befindlich, beschrieben und commentirt von Dr. H. F. Kessler, Kassel, August Frey- schmidt, 1370.“ Da sich im Kasseler Museum noch einige andere, "aber weit jüngere Herbarien befinden, auf die sich inzwischen die Aufmerksamkeit von andern Seiten gerichtet hatte, so kam mein Vater zwei Jahre später auf denselben (regenstand zurück mit der Abhandlung im Programm der Realschule von 1872: „Die Herbarien im Königl. Museum zu Kassel. Ein Beitrag zur Geschichte der Herbarien.“ (16 S. mit 1 Tafel.) Im Bericht 15 des Vereins für Natur- kunde, Kassel 1867, S. 109 ff., erschien von ihm eine Arbeit über ‚in der Flora Niederhessens neu entdeckte Pflanzen‘. Bereits mehrere Jahre vorher hatte er aber seine reiche schriftstellerische Thätigkeit auf zoologisch- entomologischem Gebiete eröffnet, und zwar mit der Abhandlung; „Die Lebensgeschichte von Ceuthorhynchus sulcicollis Gyllenhall u. Nematus ventricosus Klug. Kassel, Th. Kay, 1866.“ Die Lebensart dieses Käfers und dieser Blattwespe waren bis dahin unbekannt; es ist ihm hier gelungen, die sogen. Parthenogenesis in einem bis dahin unbekannten Falle nachzuweisen. Die philosophische Facultät der Universität Marburg verlieh ihm im Februar 1866 auf diese Arbeit und propter praesertim ad botanicen pertinentia alia scripta, wie es im Diplom heisst, die philosophische Doktorwürde. Es folgen nun: ‚Die Schlupfwespen Campoplex argentatus Gravenhorst und Diospilus oleraceus Haliday und deren Wohnungsthiere in ihrer Entwicklungsgeschichte.‘‘ Programm der Realschule zu Kassel, 1867. — Später er- 3 Professor Dr. Hermann Friedrich Kessler. regte das besondere Interesse meines Vaters die noch ziemlich wenig erforschte Klasse der Aphiden. Die Reihe seiner Aphiden- Untersuchungen beginnt mit der Arbeit: „Die Lebensgeschichte der auf Ulmus campestris L. vorkommenden Aphiden-Arten und die Entstehung der durch dieselben bewirkten Missbildungen auf den Blättern.“ Kassel, Th. Kay, 1878. (25 S. 8° mit 1 Tafel. Separat- abdruck aus dem XXIV. und XXV. Berichte des Vereins für Naturkunde zu Kassel, zugleich als Festschrift des V.£N. für die 1878 in Kassel tagende Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte verfasst.) — Es folgte: „Die Lebensgeschichte von Tetraneura ulmi, T. alba, Schizoneura ulmi und Sch. lanuginosa. Mit 1 Tafel, im Jahresbericht des Vereins für Naturkunde zu Kassel, 1878.“ — „Ueber die Entwicklung von Coccinella septem- punctata“, 1880 (ebenda). — „Neue Beobachtungen und Entdeckungen an den auf Ulmus campestris L. vor- kommenden Aphidenarten‘“, 1880. (Progr. d. Realsch.) — „Die auf Populus nigra und P. dilatata vorkommenden Aphidenarten Pemphigus Dbursarius, FP. spirothecae, P. affinis und P. ovatooblongus.“ Mit 4 Tafeln. 1881. (Ber. des V. f£. N) — „Ueber Chaitophorus leucomelas.“ 1881. — ‚Ueber die Entwicklungsweise der Lärchenlaus, Chermes laricis“, 1881. — „Die auf Populus nigra UL. vorkommengen Aphidenarten‘“, 1882. — „Die Entwicklung der Käsefliege‘‘, 1883. — „Die Entwicklungsgeschichte von - Schizoneura corni“, 1383. — „Ueber Aphidius varius als Schmarotzer an Aphis aceris“, 1884. — „Beobachtungen an Chermes fagi“, 1884. — „Entwicklungs- und Lebens- weise von Niptus hololeucus“, 1886. Inzwischen war er (Dezember 1879) Mitglied der Kaiserl. Leop.-Carol.- Akademie geworden. Daher erschien 1854 in den Novis Actis dieser Akademie (Halle a. S. 1884, Bd. 97, Nr. 3) die umfangreiche Arbeit: „Beitrag zur Entwicklungs- und Lebensweise der Apbiden“. Ferner ebenda Bd 51, Nr. 2, 1886: „Die Entwicklungs- und Lebensgeschichte von Chaitophorus aceris Koch, Chait. testudinatus und Ch. lyropictus Kessler, drei gesonderte Arten, bisher nur als eine Art, Aphis aceris, bekannt.“ (Mit 1 color. Tafel.) Nun beginnen seine Untersuchungen über Blutlaus und Reblaus, die die letzten 10 Jahre seines Lebens beherrschten: „Die Entwicklungs- und Lebensgeschichte der Blutlaus und deren Vertilgung. Nebst einem Anhang: Aehnlichkeiten in der Entwicklung und Lebensweise der Lebensbild eines Naturforschers und Lehrers. 89 Blutlaus und der Reblaus betreffend.‘ — „Weiterer Beitrag zur Kenntniss der Blutlaus‘, 1886. — „Beobachtungen an der Reblaus‘‘, 1886. — ‚Notizen zur Lebensgeschichte der Rosenblattlaus“, 1886. — „Weitere Beobachtungen und Untersuchungen über die Reblaus‘‘, 1888. — „Erörterungen über die Reblaus‘“, 1889. -— „Die Verwandlung der un- geflügelten Rebläuse in geflügelte‘, 1389. (Abhandlung in der Zeitschrift für Bakteriologie und Parasiten- kunde.) — „Richtigstellungen und Entgegnungen betr. Beobachtungen und Untersuchungen über die Reblaus und die Blutlaus“, 1890. — Endlich die zusammenfassende Denkschrift: „Die Ausbreitung der Reblauskrankheit in Deutschland und deren Bekämpfung.“ Berlin, R. Fried- länder & Sohn, 1891. Das Material zu seinen Untersuchungen über die Reblaus sammelte mein Vater auf mehreren Reisen am Rhein selbst, besonders in der Nähe von Linz und von Geisenheim, wozu er vom Köniel. Preussischen Ministerium der Landwirthschaft veranlasst und unterstützt wurde. Später fungirte er im Auftrage des Oberpräsidenten der Provinz Hessen-Nassau als Sachverständiger für Reblaus- angelegenheiten im Regierungsbezirk Kassel. Aus seinen Reblausforschungen hatte sich ihm, im Gegensatze zu andern Spezialforschern, die Erkenntniss ergeben, dass die bisher offiziell angewandte radikale Ver- tilgungsart der inficirten Weinstöcke durch Petroleum u.s. w. durchaus unnöthig und zugleich auch unwirksam sei, dass eine viel gelindere, lokale, Vertilgung des Ungeziefers, an den Stöcken selbst, genüge, weil eben die Reblaus als solche überhaupt nicht wandere, die Aus- breitung der Reblauskrankheit eben nur durch Ver- pflanzung infizirter Weinstöcke an andere Orte erfolge. Aus der so entstandenen Kontroverse mit andern Forschern Busen seine letzten Schriften in der Reblausangelegenheit ervor. In die Jahre 1892 und 1893 fallen — abgedruckt im 39. Berichte des Vereins für Naturkunde zu Kassel — vier kleinere Arbeiten: Beobachtungen an dem Blattfloh Trioza alacris Flor und den von demselben an den Blüthen von Laurus mobilis L. hervorgerufenen Missbildungen. — Drei kleinere entomologische Abhandlungen über: Psylla frasini L, den Eschenfloh; über Trypeta cardui L., die Distel-Bohrfliege; über Pemphigus lonicerae und Aphis scylostei de G., die Geisblatt-W olllaus. Professor Dr. Hermann Friedrich Kessler. Seine letzte Druckarbeit war: „Die Entwicklungs- und Lebensweise der Gallwespe Cynips calicis“, erschienen im 40. Jahresbericht des V. f N. zu Kasssl 1894. Im Nachlasse fand sich als letzte Arbeit ein an- gefangenes Manuskript über die sogen. „Hessenfliege‘“. the Hessian fly der Engländer, Cecidomyia destructor. Die Schriften meines Vaters brachten ihn allmählich in einen regen wissenschaftlichen Verkehr mit andern Naturforschern desselben oder benachbarten Faches des Inlandes wie des Auslandes. Abgesehen von den freund- schaftlichen persönlichen Beziehungen zu den andern Kasseler Naturforschern (Ackermann, Bartels, Hornstein, Knatz, Kutter, Weber u. s. f.), unterhielt er einen ausgedehnten brieflichen Verkehr und Schriftenaustausch nach auswärts. Dies geschah in den früheren Jahren z. B. mit Wenderoth, Wigand, Claus, zuletzt Greeff, sämmtlich in Marburg, später mit Thomas in Ohrdruf, P. Magnus und Dr. Karsch in Berlin, Leuckart in Leipzig u. A. Eine ganz besonders rege Korrespondenz aber unterhielt er mit seinem fran- zösischen Spezialkollegen auf dem Gebiete der Aphiden- forschung, mit Jules Lichtenstein in Montpellier, bis zu dessen Tode. Ausserdem hatte er Beziehungen zu den Ausländern: Charles Riley in Washington, dem Staats- entomologen der Vereinigten Staaten; Monell, Mordwilkow in Warschau, Balbiani in Paris, Massalongo in Ferrara u. A. Persönlich betheiligte er sich an den Naturforscher- versammlungen zu Kassel 1878, zu Eisenach 1882 und zu Magdeburg 1884. Wir kehren zu seinen äussern Lebensdaten zurück. Unter dem 23. Dezember 1879 wählte ihn die Kaiserl. Leopoldinisch-Karolinische Deutsche Akademie der Naturforscher zu Halle a. d. S. zu ihrem Mitgliede. Im Jahre 1880 wurde er zum Öberlehrer an seiner Anstalt befördert. 1886 bei Gelegenheit seines 50jährigen Lehrer- jubiläums erhielt er von Sr. Majestät dem Könige den Rothen Adlerorden 4. Kl. mit der Zahl 50. Im Januar 1839 wurde ihm auf Antrag seines Direktors Dr. A. der Professortitel verliehen. Mit dem 1. April 1889 trat er, im 74. Jahre seines Lebens stehend, von seinem Lehramte zurück in den Ruhestand. Aber noch fast volle acht Jahre durfte er sich völliger körperlicher wie geistiger Gesundheit und Frische erfreuen und sich seinen Lieblingsstudien, sowie der Bibliothek des Vereins für Naturkunde widmen, bis am 2. April 1897 der Tod seinem Leben das Ziel setzte. Lebensbild eines Naturforschers und Lehrers. 1 Da ihm eine gute Gesundheit und eine lange Lebens- dauer beschieden war, so konnte er im Laufe der letzten Jahre seines Lebens manches Jubiläum früherer Wirksam- keit erleben und feiern. Im August 1884 betheiligte er sich an der Feier des 50jährigen Bestehens des ihm durch seine Bestrebungen so nahe stehenden Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde zu Kassel. Im Jahre 1886, am 17. Juni, erlebte er seinen 70. Geburtstag und in dem- selben Janre, am 6. Oktober, feierte er das seltene Fest seiner 50jährigen Lehrerwirksamkeit. Einige Tage später, am 11. Oktober, wurde dieses Jubiläum mit einer grössern Feierlichkeit von seiner Anstalt festlich begangen. Der damalige Direktor der Anstalt, Prof. Dr. Buderus, be- grüsste den Jubilar, der mit seinen Angehörigen erschienen war, mit einer warm empfundenen, ergreifenden Rede; es betheiligten sich durch Beglückwünschungen die staatlichen und städtischen Behörden, die Lehrerkollegien von allen Kasseler Lehranstalten, sowie zahlreiche frühere Schüler. Am Abend vereinigte sich eine stattliche Zahl von Freunden des ‚Jubilars, unter ihnen der grössere Theil früherer Schüler, zu einem Festmahle ım Stadtbausaale. Mancherlei Ehrengeschenke, die ihm dargebracht wurden, hielten für später die Erinnerung an diesen Tag wach. Unter diesen Widmungen erfreuten ihn nicht zum wenigsten die mehrfachen Ernennungen zum Ehrenmitgliede seitens der Kasseler Vereine, denen er angehörte. Die Ernennung zum Ehrenmitglied seitens des Vereins für Naturkunde erfolgte unter Ueberreichung einer kalligraphisch aus- geführten Votivtafel.*) Nachdem er im Sommer 1892 das 50jährige Jubiläum des Marburger Gesangvereins, den er einst zuerst geleitet, erlebt hatte, war es ihm vergönnt, im Mai 1893 auch das Semisäcularfest seiner alten Lehranstalt, zu deren zeitlich ersten Lehrern er gehörte, der Oberrealschule zu Kassel, zu erleben und mitzubegehen. Von den alten Kollegen der Anfangszeit waren ausser ihm nur noch einzelne am Leben. Aber alte Schüler von ihm aus allen Decennien, aus Knaben zum Theil schon zu ergrauten Männern ge- worden, stellten sich ihrem alten Lehrer vor und erneuten die Erinnerung an vergangene Zeiten. *, Ausführlichen Bericht über diese Feier siehe Hoffmann’s Zeitschr. f. math.-nat. Unterr. X VIII, 1886, S. 64—67 und Karsch’s Enntom. Nachr. XIII, 1887, S. 76— 18. Me ; ö Ma in 92 Professor Dr. Hermann Friedrich Kessler. en Im Februar 1504 beging er die Jubelfeier seiner ößjährigen Mitgliedschaft im Verein für Naturkunde; der Verein ehrte ihn durch einen warm empfundenen Festgruss. Endlich, am 17. Juni 1896, hatte er das seltene Glück seines 80. Geburtstages. Der Verein für Natur- kunde ernannte ihn zu diesem Tage zu seinem Ehren- präsidenten. Mit andern Freunden erschienen auch die Mitglieder des Lehrerkollegiums der Oberrealschule bei ihm in seiner Wohnung, um ilm zu gratuliren. Einige Tage darauf veranstaltete der inzwischen seit einigen Jahren bestehende „Verein alter Realschüler“ zu Kassel, dessen Ehrenmitglied er war, ihm zu Ehren einen zahlreich be- suchten Kommers, dem der Jubilar im besten Wohlsein bis zu später Stunde beiwohnte. — So war es ihm ver- gönnt, noch mit der Jugend jung zu bleiben, und auch hochbetagt sich nicht vereinsamt zu fühlen, obwohl er einen alten Bekannten nach dem andern ins Grab sinken sah, zuletzt, 1893 und 1894, auch noch bald hinter einander zwei seiner alten Geschwister, älter noch als er, die mit ihm zugleich in Kassel wohnten. Noch zu Beginn des Jahres 1897 befand sich der im 81. Jahre Steliende völlig wohl. Er hatte sich sogar noch an dem Festmahle zur Feier des Geburtstages Sr. Majestät des Kaisers am 27. Januar betheiligt, und konnte seine Liebe zur Musik noch im März durch Besuch des Hof- theaters in Kassel bethätigen. Er widmete sich eifrig der Niederschrift seiner Selbstbiographie für Strieder - Justi’s hessisches Gelehrtenlexikon, einer Arbeit, deren noch aus seiner Feder hevorgegangenes Bruchstück diesen Aufsatz eröffnet. Die Beschwerden des Alters hatte er bis dahin nur wenig empfunden. Da, gegen Mitte des Monats März, traten beunruhigende Erscheinungen der Altersschwäche zu Tage, hemmten seine, sonst nach der Uhr regelmässige tägliche Beweglichkeit und warfen ihn endlich auf's Krankenlager. Ohbne dass er zu leiden hatte, ohne Schmerzen, unter langsamer Abnahme der Kräfte, ist er denn nach fast dreiwöchigem Darniederliegen, umgeben von seinen nächsten Angehörigen, in der Frühe des 2. April sanft entschlafen. Am Sonntage Judica, am 4. April, haben wir ihn mit einer grossen Schaar hochansehnlicher Leidtragender zur letzten Ruhestätte auf dem Kasseler Friedhofe geleitet. Der Geistliche, Pfarrer Opper, hielt die Trauerrede in der Kapelle des Friedhofs, anknüpfend an die Worte der Bibel (1. Mos. 24, 56): „Haltet mich nicht auf, der Herr hat Gnade zu meiner Reise gegeben“. Lebensbild eines Naturforschers und Lehrers. 93. Am Grabe standen von nächsten Angehörigen ein Sohn, ein Schwiegersohn mit zwei Enkeln, ein alter Vetter des Entschlafenen, sowie mehrere Neffen als Söhne seiner Geschwister. Neben seiner, von jungen Jahren her datirenden Begeisterung für die Naturforschung hatte mein Vater, wie alle seine Brüder, eine grosse Neigung und Begabung zur Musik, für die er im väterlichen Hause und im Lehrerseminar eine gute Ausbildung genossen hatte. Selbst in jüngeren Jahren in Marburg und dann in Kassel (hier als Sangwart der Aeltern Kasseler Turngemeinde noch in den Jahren 1848 und 1849), Dirigent von Gesang- vereinen, einst selbst vom Altmeister Spohr nach einer öffentlichen musikalischen Aufführung in Kassel durch sein Lob geehrt, dann auch noch als ordentlicher Real- lehrer mehrere Jahre mit dem Gesangunterricht an seiner Anstalt betraut, bethätigte er seine musikalische Be- gabung gelegentlich auch durch eigene kleine Kompositionen. Da er, wie er in seiner öffentlichen Dankrede beim Festmahle zu seinem 50jährigen Lehrerjubiläum selbst erklärte, „sich stets als Glied eines Ganzen fühlte, nach oben wie unten, rechts und links schaute“, so hat er sich auch ausserhalb des Kreises der Gelehrsamkeit mehrfach gemeinnütziger Arbeit gewidmet. So war er lange Jahre, bis an sein Ende, Direktionsmitglied der Privat-Witwen- und Waisen-Pensions-Anstalt zu Kassel. Dem eigentlichen politischen Leben, wie von den Bewegungen des Jahres 1848 und folgende, hielt er sich zwar, abgesehen von seiner regelmässigen Betheiligung an der Abstimmung bei den Wahlen zu Reichstag und Landtag, fern, gehörte aber mit Entschiedenheit der national- liberalen Partei an und war Mitglied des Kasseler Wahlvereins dieser seiner Partei. Es bleibe nicht un- erwähnt, dass er seit den vierziger Jahren in Kassel näher bekannt war mit dem bekannten hessischen Patrioten Dr. Friedrich Oetker. Nach ernster Arbeit erholte er sich gern im Kreise seiner Freunde und war bei einem glücklichen Tempera- mente ein Freund heiterer Geselligkeit. Zum Lehrer war mein Väter nach seiner Begabung ohne Zweifel geboren. Im Unterricht bei seinen Schülern streng und gerecht in seinen Anforderungen, handhabte er eine straffe Disciplin. Er scheute, wo er zu tadeln hatte, auch den rechten Ausdruck nicht, jedoch ohne dass es dabei nicht an versöhnendem Humor fehlte. Ueberhaupt 94 Professor Dr. Hermann Friedrich Kessler. hatte er ein warmes Herz für alle seine Schüler und war daher auch von ihnen geliebt, wie sein Verhältniss zu dem gegen Ende seines Lebens gegründeten „Verein alter Realschüler“ so deutlich zeigte. Ebenso war er seinen Kollegen ein treuer Freund und Mitarbeiter. Aber allem Heuchler-, Streber- und Scheinwesen, allem hohlen Forma- lismus war er abhold. Dies war auch bekannt; Niemand aber kannte ihn so gut, wie sein alter Rektor an der Realschule, Dr. E. W. Grebe, der den ehrlich und rastlos weiter arbeitenden selfmade man hochschätzte und nach Kräften förderte, und das Gleiche war der Fall bei seinem letzten Direktor. Obwohl nicht von starkem Körperbau, hatte mein Vater doch von Natur eine sehr gute Konstitution; aber er that auch durch grösste Regelmässigkeit in einer mässigen Lebensweise und unausgesetzte Thätigkeit das Seine dazu, sich seine Gesundheit zu erhalten. In seiner Marburger Zeit hat er zweimal eine Lungenentzündung und einmal ein schweres Nervenfieber überwunden. In dieser letzten Krankheit hatte ihn der Tod schon gestreift; schon wurden, wie er selbst oft zu erzählen pflegte, von den Mitgliedern seines (esangvereins die Grabgesänge für ihn auf dem Rathhause zu Marburg eingeübt, als er doch noch in letzter Stunde mit Hülfe eines tüchtigen Arztes dem Tode entrissen wurde. Seinen Schulunterricht hat er, obwohl in manchen Semestern sehr stark, bis zu sechs Stunden täglich, belastet, nur ganz selten aussetzen müssen. Namentlich erfreute er sich eines guten, scharfen Auges, was ihm bei seinen mikroskopischen Untersuchungen bis ins hohe Alter hinein sehr zu statten kam und ihm jene peinliche Akribie der Wahrnehmung entwickeln half, die‘ nach dem Urtheile von Fachkennern alle seine Beob- achtungen auszeichnet. Dazu besass er eine grosse körperliche Gewandtheit und Geschicklichkeit; er war, wie man sagt, höchst „praktisch“ und verstand es schon als junger Mann, sich viele Apparate und Dinge des praktischen Lebens, statt sie von Spezialisten anfertigen zu lassen, selbst zu konstruiren. Und dabei war ihm immer thätig zu sein ein Bedürfniss.. Noch in seiner letzten Krankheit äusserte er, es sei schon seines seligen Vaters, des alten Lehrers, Satz gewesen, „dass das Leben keinen Werth hat ohne Arbeit“. Als Naturforscher, dazu auf dem Lande aufgewachsen, war er ein Freund der Natur und besonders der land-. schaftlichen Schönheit seines hessischen Heimathlandes. Lebensbild eines Naturforschers uud Lehrers. 95 Bis an die Schwelle des Greisenalters übte er gern die Gewohnheit, bei freier Zeit, in Ferien oder des Sonntags den ganzen Tag, frühmorgens aufbrechend, einer botanisch- zoologischen Exkursion in den Habichtswald und sonst in die Nähe Kassels zu widmen; das war ihm die liebste Erholung, zu der er auch einzelne Freunde, auch wohl geeignete Schüler, mitnahm, darunter auch mich, dem diese Touren, die auch meinen Sinn für die Natur- beobachtung weckten, unvergesslich sind. Auch noch im höchsten Greisenalter, als schon das Alter ihm längst weitere Ausflüge verbot, weilte er gern zum Sammeln von Material für seine Insektenbeobachtungen im Tannen- wäldchen, in der Karlsaue und in sonstigen nächstgelegenen Waldrevieren. Uebrigens war er eine tief religiöse Natur. Im einfachen Elternhause war er streng lutherisch - recht- gläubig erzogen, wie alle seine Geschwister, und wenn er auch, ein denkender Mann geworden, gar bald die @laubens- formeln nicht mehr festhalten konnte, hegte er einen tief religiösen Sinn sein ganzes Leben hindurch, aber ohne sich an religiösen äussern Ceremonien viel zu be- tbeiligen. Ergreifend waren seine Dankgebetsworte beim Jubiläum am 11. Oktober 1886, dass ıhn Gott diesen Tag erleben liess. Verheirathet war mein Vater seit dem 19. Oktober 1851 mit Elise Viehmann, meiner theuren Mutter, mit der er am 19. Oktober 1875, kurz nachdem ich in Marburg Privatdozent geworden war, die silberne Hochzeit feierte und mit der er 47 Jahre in glücklichster Ehe lebte, von der goldenen Hochzeit war er also bei seinem Tode nur noch drei Jahre entfernt. Meine Eltern hatten ausser mir, dem ältesten, noch drei Kinder gehabt, von denen ein Mädchen in seinem frühesten Kindesalter starb. Die beiden andern sind meine Schwester Karoline, geboren 7. Dezember 1854, verheirathet seit April 1876 mit dem Regierungs-Sekretär Karl Auffarth zu Kassel, und meine Schwester Viktorine, geboren 29. April 1858, unverheirathet. 96 K. Junghans. Veränderungen in der Vogelfauna der Umgegend von Kassel. Von K. Junghans. Die folgenden Bemerkungen über unsere Avifauna wurden im Wesentlichen schon in 1895 in den „Mit- theilungen des ornithologischen Vereins in Wien‘ ver- öffentlicht. Wenn ich trotzdem mich dazu entschliesse, sie noch einmal an dieser Stelle zum Abdruck gelangen zu lassen, so thue ich es nur auf freundliche Aufforderung des Herausgebers dieses Berichtes. Herrn Oberrealschul- direktors Dr. Ackermann, und in der Erwägung, dass sie in dem Organe eines Wiener Vereins wohl nur wenigen zu Gesicht gekommen sind, die Kassel und seine Umgegend genauer kennen, während sie doch am Ende gerade für solche am ersten einiges Interesse haben könnten. Es ist in den letzten Jahrzehnten vielfach und nach- drücklich darauf aufmerksam gemacht worden, dass eine Anzahl Vogelarten unzweifelhaft noch gegenwärtig in Deutschland ihr Wohngebiet mehr und mehr nach einer gewissen Richtung hin ausdehnen; ich nenne nur Serinus hortulanus, Galerita cristata, Emberiza calandra, Erithacus titis, Turdus pilaris als die bekanntesten. Meist scheint es ein langsames Vorrücken von Südost nach Nordwest oder von Süd nach Nord zu sein (Turdus pilaris, Turdus iliacus u. a. rücken von Nordosten herein), doch so, dass gewisse Einzugsstrassen und Einzugspforten be- nutzt werden, und von da aus oft die Hauptrichtung ver- lassen und eine scheinbar ganz abweichende angenommen wird. Auch werden oft einzelne Gegenden ganz über- sprungen und erst nach Jahren, wenn vielleicht die lokalen Verhältnisse besonders günstig geworden sind, besiedelt, während schon viel weiter entfernt in der Zugrichtung liegende längst im Besitze der betreffenden Vogelart sind, sodass sogar zuweilen eine rückläufige Bewegung ein- getreten zu sein scheint. Wie weit eine solche Ein- wanderung einer Spezies etwa eine Wiederinbesitznahme Veränderungen in der Vogelfauna der Umgegend von Kassel. 97 in früheren Zeiten schon bewohnter Gegenden ist, wie weit die veränderten Kulturverhältnisse dieselbe bedingen —, viele, namentlich kleinere Vogelarten folgen ja dem Menschen und seinen Kulturbestrebungen, während andere, besonders grössere und an Wasser gebundene, ebenso ent- schiedene Kulturflüchter sind — das sind höchst interessante Fragen, deren Lösung schon verschiedentlich versucht ist (vergl. z. B. darüber W. Marshall’s Vortrag in v. Holtzen- dorff’s „Sammlung“, Hamburg 1887). Um für eine bestimmte Gegend festzustellen, ob und wann eine der in Frage kommenden Vogelarten ein- gewandert ist, dazu haben wir in den jetzt so zahlreichen Lokalfaunen vıel Material, das aber meist nicht über die letzten Jahrzehnte hinausreicht. Für weiter zurück- liegende Zeiten dürfte sich in alten Jagdverordnungen etc. manches Interessante finden, während ältere grössere naturgeschichtliche Werke gewöhnlich nur im Allgemeinen über das Verbreitungsgebiet eines Vogels Auskunft geben. Für unsere hiesige Avifauna nun steht mir nur eine Quelle zur Verfügung, das im 14. Jahresberichte des Ver- eins für Naturkunde zu Kassel 1864 abgedruckte „Ver- zeichniss der in der Provinz Niederhessen vorkommenden Vögel“ des weil. Geh. Regierungsraths Sezekorn, das freilich ein etwas grösseres Gebiet behandelt, als die nähere Umgegend von Kassel, die ich allein im Auge habe. Von den als neu eingewandert in Betracht kommenden Vögeln ist Muscicapa atricapilla (schwarzrückiger Fliegen- fänger) von Sezekorn einfach als „nicht selten‘ be- zeichnet. Nach einer mir von Seiten eines sehr zuver- lässigen Beobachters, eines Forstbeamten, zugegangenen Notiz brütet er bei Schmalkalden erst seit 1884. Von Galerita cristata (Haubenlerche), einem Vogel, der nach Borggreve’s „Vogelfauna von Norddeutschland‘ erst seit den Öler Jahren mit den Kunsstrassen in Nord- deutschland einzieht, sagt Sezekorn: „Seit dem Bau der Eisenbahnen an diesen sehr verbreitet; doch kam sie schon vorher an mehreren Orten, wie z. B. bei Kassel, Roten- burg ete. nicht ganz selten brütend vor‘. Selbstverständlich ist Zrithacus titis”) (Hausrotbischwänzchen) als ein Vogel, der sein Wohngebiet seit 11/, Jahrhunderten schon ganz allmählich über die Alpen immer weiter nordwärts aus- *), Zu Erith. titis möchte ich bemerken, dass hier die graue Form cairii, die wohl zweifellos das Jugendkleid von Z£is repräsentirt, neben der typischen Zifis brütet. 7 98 | K. Junghans. dehnt, „gar nicht selten‘. Turdus pilaris (Krammets- _ vogel) ist „häufig, aber nur auf dem Zuge“. Zimberiza hortulana (Gartenammer), auch ein Vogel, der erst seit dem vorigen Jahrhundert in Deutschland eindringt, wird von S. nicht erwähnt und fehlt auch jetzt noch bei uns gänzlich. Acrocephalus palustris {Sumpfrohrsänger) ist _ 1864 nach S. bei uns schon „häufig, namentlich in den Weidenhegern an der Fulda bei Kassel“, aber, wie ich schon im Journ. für Ornithol. 1893 p. 150 mitgetheilt habe, „ein durchaus kundiger und sicherer Beobachter weiss sich noch der Zeit zu erinnern, da Acroceph. pal. noch nicht hier vorkam, und des Erstaunens, das die ersten Einwanderer bei den Vogelkennern damals erregten‘. Es ist Anfangs der ÖVer Jahre gewesen. Als ein besonderes Glück aber möchte ich es be- zeichnen, dass es mir vergönnt war, die erste Einwanderung zweier Vogelarten als Brutvögel hier selbst zu erleben. Es sind dies Serinus hortulanus (Girlitz) und Zmberiza - calandra L. (= miliaria, (Gersten- oder Grauammer). Den Girlitz bemerkte ich hier zuerst 1882, urd zwar zweifellos als Brutvogel. Er hat sich seitdem so stark vermehrt, dass er jetzt als recht häufig zu bezeichnen ist. Ember. cal. ist wenige Jahre früher hier erschienen. Ich fand die Spezies hier vor, als ich 1879 nach fast zwei- jähriger Abwesenheit im Auslande in die Heimath zurück- kehrte. Vorher war sie noch nicht hier gewesen. Seze- korn erwähnt beide letztgenannten Vögel gar nicht. Auch die Zunahme mancher Vogelarten in Gegenden, wo sie früher selten waren, erklärt sich wohl zum Theil aus dem Heraufrücken derselben aus dem Süden oder Osten, obwohl gerade hier lokale Verhältnisse sehr mit- sprechen. So wüsste ich keine andere Erklärung für das jedem aufmerksamen Beobachter hier auffallende Häufig- werden der von Sezekorn noch als „nicht häufig‘ be- zeichneten Z/Z/ypolais philomela (Gartenspötter, gelber Spötter), das übrigens auch für andere Gebiete bemerkt worden ist, so von Schalow für die Mark Brandenburg. Dagegen ist Acrocephalus streperus Vieill. (= arundina- ceus Naum., Teichrohrsänger), der von Sezekorn als gemein bezeichnet ist, eher seltener geworden, während doch auch Rohrsänger zu dem ihr Gebiet nach und nach erweiternden Vogelarten gehören (vergl. auch das oben von Acroc. pal. Berichtete). — Eine bemerkenswerthe Thatsache ist es, dass seit einer Reihe von Jahren ein Acrocephalus hier in unserer Karlsaue in einer ganzen Veränderungen in der Vogelfauna der Umgegend von Kassel. 99 Anzahl von Paaren im Gebüsche nistet, und zwar nicht nur in der Nähe des Wassers, sondern auch in den dichten Bosketts zu beiden Seiten der Auetreppe, ja selbst un- mittelbar an der Bellevue, also an Oertlichkeiten, an denen ‚man nie einen „Rohrsänger‘ vermuthen sollte. Seinem Aeussern, d. h. seiner Gestalt, Grösse, Färbung nach kann er sowohl zu sireperus als zu palustris gehören, die ja einander so ähnlich sehen, dass sie im Balge nur sehr schwer zu unterscheiden sind, während ihre biologischen Eigenthümlichkeiten sie sofort als zwei ganz verschiedene Vögel erscheinen lassen. Da der in Frage stehende Vogel aber in Gesang und Lockton, ja auch in Grösse, Farbe und Zeichnung der Eier durchaus s/reperus nahe steht, so war ich gleich von Anfang an davon überzeugt, dass es eine vielleicht unter dem Zwange der zunehmenden Wohnungs- noth entstandene, den Verhältnissen angepasste Buschform von sitreperus sei — der echte sireperus nistet nur im Schilfe —, glaubte in ihm aber Acrocephalus horticulus Naum. erblicken zu müssen, welche unsichere Naumann’sche Spezies von Andern für eine von palustris gebildete Gartenform gehalten wird. Neuerdings indessen möchte ich mich der Ansicht Flöricke’s anschliessen, welcher im Journ. f. Ornith. 1897 pag. 178 ausgeführt hat, dass wohl beide Spezies, sowohl palustris, als auch streperus, je eine Garten- bezw. Buschform abgezweigt haben, von denen die erstere mit Naumann’s horticulus, die andere höchst wahrscheinlich mit Heuglin’s Acroceph. obsoletus identisch sei, und möchte nunmehr vorläufig den qu. Vogel mit Flöricke als Acroceph. streperus obsoletus bezeichnen. Jedenfalls ist es eine höchst interessante Erscheinung: wir haben in ihm wohl eine werdende Art vor uns. — Acroceph. arundinaceus L. (= turdoides Meyer), Rohr- drossel, der von Sezekorn als seltener Zugvogel be- zeichnet ist, hat seitdem einmal in einem vereinzelten Paare auf dem Kirchditmolder Teiche genistet. Später konnte ich ihn mehrere Jahre hintereinander an den Kelzer Teichen (zwischen Grebenstein und Hofgeismar) als Brut- vogel konstatiren, wenn auch nur in wenigen Paaren, die vielleicht als Pioniere oder Kundschafter zu betrachten waren. Von den den Rohrsängern nahestehenden Zocus- Zellae habe ich ZLocustella naevia (Heuschreckensänger), die von Sezekorn gar nicht erwähnt wird, auf dem Zuge bemerkt, konnte also das S.’sche Verzeichniss um noch eine Art vermehren. Ti 100 K. Junghans. Höchst erfreulich ist das Sesshaftwerden des statt- lichen Dryocopus Martius (Schwarzspecht) bei uns. Sezekorn bezeichnet ihn noch nicht als Brutvogel und gibt an, er sei sehr selten, einmal in der Söhre, beobachtet. Seit einigen Jahren hat er sich im Kaufungerwalde fest. angesiedelt; er scheint gut zu gedeihen, und öfter kann man jetzt seine weithin schallende und den Wald wunderbar belebende Stimme hören. Nicht minder erfreut konnte der- Naturfreund darüber sein, dass Zalco peregrinus (Wander- falk), der herrliche, kühne Flieger, von dem 8. schreibt: „Soll einmal bei Ippinghausen auf der Weidelsburg nistend beobachtet sein“, seitdem nicht nur da, sondern auch auf der Schartenburg, am Hohlestein und am Bilstein bei Besse bis vor wenigen Jahren regelmässig gehorstet hat. War dies doch um so bemerkenswerther, als gerade die grösseren edlen Raubvögel von der fortschreitenden Kultur besonders in ihrem Bestande bedroht sind, wie denn auch seit den allerletzten Jahren die genannten Horstplätze zum Theil wieder unbesetzt geblieben sind. Dass Olrysomitris spinus: (Zeisig), von dem S. sagt, er sei mit Sicherheit noch nicht. brütend im Bezirke beobachtet worden, seitdem als Brut- vogel in einem Pärchen nachgewiesen ist, dass Anas acuta (Spiessente) einmal hier auf dem Fackelteiche nistend auf- gefunden wurde, das möchte ich als nicht besonders wichtig bezeichnen, da nach der Natur der Fälle Schlüsse von allgemeiner Bedeutung hieraus nicht zu ziehen sind. Nachdem ich so in der glücklichen Lage war, das 1864 aufgestellte Verzeichniss in einer Anzahl von Fällen bereichern zu können, muss ich auch noch mit einigen W orten der seitdem etwa verschwundenen oder doch seltener gewordenen Arten gedenken. Im Allgemeinen ist glück- licherweise da nicht allzu viel zu berichten, wie mir denn. überhaupt scheint, als würde, besonders von älteren Vogel- freunden, die nach der Erinnerung die Gegenwart mit der- Vergangenheit vergleichen, leicht zu pessimistisch von einer allgemeinen starken Abnahme aller Vögel bei uns gesprochen. Man täuscht sich dabei zu leicht; man bringt in der Erinnerung Thatsachen, die zeitlich weit aus- einander liegen, nahe zusammen, man sieht auch oft die Vergangenheit im verschönernden Lichte der Jugend, so dass die Gegenwart zu kurz kommt und mit Unrecht für ärmer gehalten wird, als die Vergangenheit. Ganz zw streichen ist eigentlich keine Art. Allerdings habe ich ja auch für mein Beobachtungsgebiet eine Abnahme einer: Veränderung in der Vogelfauna der Umgegend von Kassel. 101 Anzahl von Arten zu verzeichnen. Die Gründe dafür liegen meist auf der Hand: es kommen eben in erster Linie die Kulturflüchter in Betracht. In anderen Fällen freilich muss ich auf eine Erklärung verzichten. Als Beispiel hierfür erwähne ich das fast vollständige Ver- schwinden, als Brutvogel wenigstens, des von S. als nicht sehr häufig bezeichneten Zanius senator L. (= rufus, ruficeps, rothköpfiger Würger). Auch Galerita aborea (Heidelerche) scheint mir in beklagenswerther Abnahme begriffen zu sein, ohne dass eine Ursache ersichtlich wäre, und ebensowenig vermag ich stichhaltige Gründe für das auffallende Seltenerwerden der Nachtigall bei uns an- zugeben. Wenn Alcedo ispida (Eisvogel) und Cinclus merula (= aquaticus, Wasseramsel, Wasserstaar) wie überall in Deutschland, so auch bei uns in ihrem Bestande im Rückgange sind, so ist daran die Verunreinigung der Flüsse und Bäche durch Fabrikwässer und sonstige schmutzige Zuflüsse und nicht zum mindesten die eine Zeit lang wenigstens so eifrig betriebene Verfolgung seitens der Fischereivereine schuld. Ob diese jetzt erfreulicher- weise etwas nachlassende Verfolgung zu Recht oder Un- recht ins Werk gesetzt war, mag hier unerörtert bleiben, mitverursacht ist sie durch die Schreibseligkeit so manches Ornithologen selbst, der jeden einzelnen Fall, in dem er Cinclus ein Fischehen fangen sah, sogleich gewissenhaft veröffentlichte, wenn er auch freilich hinzufügte: „Ich möchte übrigens trotzdem den interessanten Vogel der Schonung empfohlen haben“. Dass Upupa epops (Wiede- hopf) und Columba oenas (Hohltaube), von denen der erstere schon von S. als nicht häufig bezeichnet wird, während Col. oenas 1864 ‚nicht selten‘‘ war, mehr und mehr verschwinden, das hat darin seine natürliche Er- klärung, dass unsere rationelle Forstkultur alte, hohle Bäume ja nicht mehr duldet. Crex pratensis (Wiesen- knarrer, Wachtelkönig) ist hier seit Jahren fast ganz ver- schwunden. Es ıst bekannt, dass sein Bestand sehr wechselt. S. bezeichnet ihn als nicht selten, als ausserordentlich häufig aber für das Jahr 1841 und fügt als Beweis hinzu, dass in genanntem Jahre im Umfange einiger Jagdgebiete, in denen seit einer Reihe von Jahren durchschnittlich 7—8 Stück jährlich geschossen waren, 230 Stück erlegt wurden. Ich habe hier in den letzten 10 Jahren sein Schnarren kaum 2—3 Mal gehört. Vielleicht erscheint er demnächst einmal wieder. 102 K. Junghans. In Vorstehendem habe ich wohl die hauptsächlichsten Veränderungen der Ornis meines freilich etwas eng be- grenzten Beobachtungsgebietes angeführt seit der Fixirung ihres Bestandes durch das S.’sche Verzeichniss von 1864. Von seltneren Durchzüglern, die vielleicht in einer längeren Reihe von Jahren nur einmal beobachtet werden, von Gästen-und Irrlingen, die womöglich nie wieder hier an- getroffen werden, habe ich abgesehen. Dr. Karl Ackermann. 103 Thierbastarde. Zusammenstellung der bisherigen Beobachtungen über Bastardirung im Thierreich nebst Litteratur- nachweisen. Von Dr Karl Ackermann. Vorwort. Mitte der siebziger Jahre stellte ich ausgedehnte Versuche mit hybriden Vogelzüchtungen an; kleine Papageien, Zierfinken, einheimische Finken waren die Versuchsobjecte. Nur von letzteren erhielt ich zahlreiche, z. Thl. durch hohe Schönheit ausgezeichnete Hybriden, sonst war das Resultat ein gänzlich negatives. Seit dieser Zeit hat mich die Frage, von welchen Vögeln und dann allgemein von welchen Thieren überhaupt Bastarde erzielt und bekannt gemacht worden, längere Jahre hindurch lebhaft be- schäftigt. Die darauf bezüglichen Studien wurden durch Berufs- Arbeiten lange Zeit unterbrochen, bis es mir in den letzten Jahren, glücklich erlöst von schwerer amtlicher Bürde, möglich war, den abgebrochenen Untersuchungen mich wieder zuzuwenden. Eine auch nur halbwegs vollständige Zusammenstellung der bisher beobachteten Bastardirungsfälle existirt nicht. Die Litteratur hat nur ein einziges kleines Schriftchen, das sich über alle Thier- kreise verbreitet, aufzuweisen: Morton,*) Hybridity in animals and plants considered in reference to the question ot the unity of the human species. New Haven, B. L. Hamlen, 1847. 8. (23 8.) Es ist dies der Abdruck einer Abhandlung aus dem American Journal of science and arts, Vol. III, Ser. II. Philadelphia 1847, und führt 25 Säugethier-, 20 Vogel-, 5 Reptilien- und Fischbastarde auf, von wirbellosen Thieren kaum ein halbes Dutzend, also nicht den zehnten Theil der nach und nach veröffentlichten Hybridi- sationsfälle. Die vorliegende Arbeit, welche, wie das ja in der Natur der- artiger Zusammenstellungen liegt, keinen Anspruch auf absolute Vollständigkeit erheben kann, dürfte darnach trotz manchen Lücken nicht unberechtigt sein und manchem in der ausgedehnten Litteratur, in den so zerstreut und z. gr. Thl. recht versteckt liegenden Einzel- abhandlungen einen brauchbaren Wegweiser abgeben. *, Dr. Samuel Georg Morton ist einer der bedeutendstan Namen unter den Forschern über die Naturgeschichte des Menschen. Auf Grund seiner langjährigen Forschungen kam er zu der Ueber- zeugung, dass das Menschengeschlecht aus verschiedenen Stamm- arten entstanden sei und unmöglich von einem einzigen Adam ab- stammen könne. Morton war am 26. Jan. 1799 geboren, lebte als hochangesehener Arzt, zuletzt als Professor der Anatomie, in Phila- delphia und ist dort am 15. Mai 1851 gestorben. 104 Dr. Karl Ackermann. Es möge noch bemerkt sein, dass die Nomenclatur der Autoren beibehalten, nicht modernisirt worden ist, und dass da, wo eine Geschlechtsangabe fehlt, dies auch in der Originalabhandlung der Fall ist. Als erster Theil sind hier die Bastarde der wirbellosen Thiere behandelt, die Wirbelthierbastarde folgen über’s Jahr. Aussee, Juli 18%. A. Litteratur über Thierbastarde im Allgemeinen. Spalanzani, Vorschläge zu Bastardzüchtungen. — In: Physikal. u. mathemat. Abhandl. Leipzig 1769. p. 219. Bose, E.G., Progr. de generatione hybrida. Lpz. 1777. 4°, Masch, Abhandlung von den Bastarden, die von wilden und zahmen Thieren gezeugt werden. In: Der Natur- forscher, Stück 15. 1781. p. 21—36. Treviranus, Biologie. Göttingen 1802—1805. Gravenhorst, J. L. K., Über Bastarderzeugung. — In: Voigt’s Magazin für den neuesten Zustand der Natur- kunde Bd. XI. Stück 3. S. 193—217. Weimar 1806. Dicetionnaire d’histoire naturelle. Article: Metis. Burdach, Die Physiologie als Erfahrungswissenschaft. Leipzig 1826. Hofacker, J. D., Uber die Eigenschaften, welche sich bei Menschen und Thieren von den Eltern auf die Nach- kommen vererben, mit bes. Rücks. auf die Pferdezucht. (168 8.) Tübingen 1828. (Emnth. viel Hybridologisches.) Walker, Al. Intermariage, or the mode in which and the causes why beauty, healt, intelleet result from certain unions etc. London 1838. (Einige Auszüge hieraus in Froriep’s Notizen 1839. X. p. 289—293 und 305— 311, aber diese sind einem engi. Journal ent- nommen.) Morton, S. @., Hybridity in animals and plants etc. (23 8.) 8°. New Haven 1847. — Ist auch enthalten in: Sillimann’s Americ. Journ. Ser.2. Vol.3. 1847. p. 39—50, 203—214, ferner in Edinb. New Philosoph. Journ., Vol. 43. 1847. p. 262—288, und in Froriep’s Neue Notizen aus dem Geb. d. Naturk., Reihe 3, Bd. 3. Weimar 1847. Nr. 50, p. 81—88 u. Nr. 51, p. 97—101. Thierbastarde. 105 Morton, S. G., Additional observations on hybridity in Animals ete. Charleston 1850. Bachmann, J., Two letters on Hybridity. Charleston 1850. Gloger, Uber Neigung zum Verbastardiren, Unfruchtbar- keit der Bastarde und Merkmale derselben. — Im: Cabanis’ Journ. für Ornithologie, Bd. II. 1854. S. 404—409. Kneeland, S.,, On hybrid races. — In: Proceedings Boston Society nat., Vol. V. 1855. p. 220 -225. Broca, P., Memoire sur l’hybridite en general, sur la distinction des especes animals et sur le metis du lievre et du lapin. — In: Sequard, Journal de la Physiol., Tom I. Paris 1858. p. 433 —471. Verschiedenes über Bastarde. — In: Natur und Offenbarung, IV. S. 68, V. S. 53, 297, VII 323, 377, XI. 40, 332, 513, XIV. 469, XV. 565, XX. 134. Münster 1858—1874. Hoffmann, H., Uber Pflanzenbastarde und -Arten. — In: Westermann’s illustr. Monatsh., Bd. 13. Braun- schweig 1862. November-Nr. 74, S. 17s—186. (Enthält S. 179 ff. einen Excurs über Thierbastarde.) Kehrein, Onomatisches Wörterbuch. Artikel: Bastard und Blendling. Wiesbaden 1862. Darwin, Ch, Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl...... 3. Aufl. von J. V. Carus. Stuttgart 1867. p. 298— 342. Nathusius, H. v., Vorträge über Viehzucht und Rassen- kenntniss. Berlin 1872. Darwin, Ch., Das Varıiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication Aus dem Engl. übers. von J. Vietor Carus. II. Bd Stuttgart 1873. 8. 199—220. Schmarda, Lehrbuch der Zoologie, I. S. 220. Wien 1877. Werner, Eug. (Leipzig), Befruchtung. — In: Thiel’s landwirthschaftl. Convers.-Lexicon. Strassburg 1877. (Artikel: Befruchtung.) Jäger, Zoologie. Bd. ll, Physiologie, S. 204 ff. und S. 263 u. Bd. III, Biologie. Leipzig 1578 u. 1879. Werner, Eugen, Uber Bastardzucht. — In: Fleischer’s Deutscher Revue, Jahrg. 3. Heft 5. Berlin, Febr. 1879. Krause, Die Bastardtheorie. — In: „Kosmos“, Jahrg. IV. Heft 3. Stuttgart 1880. Hehn, V., Kulturpflanzen und Hausthiere, S. 378. (Das mosaische Gesetz verbot, natürlich Geschiedenes zu paaren, Bastarde zu erzielen.) 4. Aufl. Berlin 1883. 106 Dr. Karl Ackermann. Settegast-Proskau, H, Die Thierzucht. Bd. I. Breslau 1878, 5. Aufl. ebenda 1888. Caspari, W., Über Hybridation u. s. w. — In: Jahrb. Nass. Ver. f. Naturk 48. Wiesbaden 1895. p. 147—167. A. Wirbellose Thiere. I. Der niederste Thierkreis, in welchem wir in der Litte- ratur etwas über Bastardirung finden, ist der der Coelen- teraten, und zwar die Klasse der Spongien. Im Journ. Mieroskop. Society London, Vol. II, part 4, p. 515—516 berichtet E. Potts über Hybridization of Sponges. Es ist mir nicht gelungen, dieser Schrift habhaft zu werden. | I: Echinodermen (Stachelhäuter), Klasse: Seeigel. Prof. Oscar Hertwig und sein Bruder Richard experimentirten im Jahre 1874 in Spezzia und Sorrent mit folgenden vier Seeigelarten: Strongylocentrotus lividus, Arbacia pustulosa, Echinus microtuberculatus und Sphaerechius granularis. Die Bastardbefruchtung gelang bei den verschiedensten Combinationen der vorstehend genannten Thiere.. Es ergaben sich bei den Versuchen folgende allgemeine Resultate: 1. Das Gelingen oder Nichtgelingen der Kreuzbefruch- tung hängt nicht ausschliesslich von dem Grad der syste- matischen Verwandtschaft der gekreuzten Arten ab. Pflüger und Born haben Ahnliches bei Bastardirung verschiedener Amphibienarten beobachtet. 2. In der Kreuzbefruchtung besteht nicht durchweg Reeciprocität. Eier von Zch. lassen sich durch Samen von Strong. fast stets befruchten, dagegen ruft die Kreuzung in entgegengesetzter Richtung nur in wenigen Fällen eine Entwicklung heı vor. Ebenso ist es mit Strong. ? und Arb. & und in anderen Fällen. 3. Von Wichtigkeit ist die jeweilige Beschaffenheit _ der verwendeten Geschlechtsproducte. Die Bastardbefruch- tung gelingt am besten, wenn das Eimaterial nicht frisch ist, sondern durch äussere störende Verhältnisse eine Schädigung in seiner Lebensenergie erlitten hat. Es ist dies das wichtigste und interessanteste Ergebniss der aus- geführten Experimente. Thierbastarde. 107 Um die Eier der Versuchsthiere in der angedeuteten Richtung zu schädigen, wurden sie nicht gleich nach der Entleerung aus dem Ovarium benutzt, sondern erst 1—3 Tage in Meerwasser unbefruchtet aufbewahrt. Während frische Eier das fremde Spermatozoon zurückwiesen, nahmen in dieser Weise geschwächte Eier den frisch aus dem Hoden genommenen Samen mit Erfolg auf. Diese Thatsachen dürften die bekannten Erfahrungen erklären, dass domesti- eirte Thiere und Pflanzen sich leichter kreuzen lassen, als dieselben Arten im Naturzustand. Durch die Domestication wird im Ganzen die Constitution geschwächt, und dies macht sich an den Geschlechtsprodukten besonders geltend, da der Generationsapparat bei allen Veränderungen im Körper in Mitleidenschaft gezogen wird. Noch für eine andere Frage sind die Versuche an den Echiniden von Bedeutung, für die Frage nach den Ursachen, von denen es abhängt, dass zwischen manchen Thierarten die Bastardirung leichter als zwischen andern gelingt. Pflüger und Born machen hierfür äussere Momente ver- antwortlich und legen (bei den Amphibien weniestens) namentlich auf die Form der Spermatozoenköpfe ein be- sonderes Gewicht; Samenfäden mit spitzen Köpfen könnten die Eihüllen leichter durchdringen als solche mit stumpfen Köpfen. Nun sind bei den Echiniden derartige Unter- schiede nicht vorhanden, es kann daher nur die innere Organisation der Geschlechtsproducte selbst sein, die das Gelingen der Bastardirung bestimmt. Volle Fruchtbarkeit (volle geschlechtliche Affinität) findet nur statt zwischen den Geschlechtsproducten ein und derselben Art. Sie er- lischt allmählich in demselben Masse als diese Producte einander unähnlich werden. In der Eizelle müssen regula- torische Kräfte vorhanden sein, die den normalen Verlauf der Befruchtung garantiren und Bastar dbefruchtung gerade- sogut wie UÜberbefruchtung zu verhindern streben. Diese regulatorischen Kräfte können mehr oder weniger ausser Thätigkeit gesetzt werden, wenn die Lebensenergie der Eizelle eine Verminderung erfährt. Welcher Art diese Kräfte sind, wo sie ihren Sitz haben, im Kern oder im Protoplasma, das ist freilich noch eine offene Frage. (Sitzgsber. Jenaisch. Ges. f. Medi. u. Naturw. 1885. Suppl. zur Zeitschr. f. Nat. XIX, 1, S. 72—76. Jena 1885.) Wiederholt wurden solche Kreuzungs-Versuche von Boveri, und zwar mit den beiden letzgenannten Arten (Eier von Spk. gr. X Sperma von Zch. microt.) Es be- 108 Dr. Karl Ackermann. richtete hierüber Dr. Seeliger (Berlin) auf der 66. Vers. Deutscher Naturforscher und Arzte in Wien (1894). Boveri hatte durch Schütteln von Seeigeleiern kernlose Eistücke hergestellt und diese mit Sperma einer andern Art be- fruchtet. Die sich entwickelnden Larven (aus kernlosen Eistücken) sollen die reine Vaterform besessen haben, also der Fall von männlicher Parthenogenesis vorliegen. (Mitthlg. Section f. Naturk. des österr. Tourist.-Clubs. VI. Nr. 8 u. 9. 8. 66-67. Wien 1894; ebda VIII. Nr. 4 83, 736 Archiv für Entwicklungsmechanik II. S. 394. 1895.) Anfangs der 70er Jahre hat ein französischer Zoologe, M. A. F. Marion, Bastardirung von Echinodermen (Sphaerechinus brevispinosus 2 X Toxopneustes livi- dus cs), die im Golf von Marseille vorkommen, versucht. Die Versuche waren erfolgreich. Die Eier zeigten Furchung, es entwickelten sich die Larven, doch nachdem sie eine gewisse Entwicklungsstufe erreicht hatten, gingen sie ein. (Marion, Reproductions hybrides d’ Echinodermes in „Comptes rendus seances de l’acaddmie des sciences, 14. Avril 1873.) Da auch die oben genannten Forscher Kreuzungs- producte nicht am Leben erhalten und zur vollkommenen Ausbildung gebracht haben, so resultirt daraus für das Vor- kommen natürlicher Bastarde nur die Möglichkeit. Ill. Mollusken. Morton führt in seiner Schrift „Hybridity in ani- mals“, New Haven 1847, nur zwei hierher gehörende Fälle an, nämlich Unio radiatus X Unio siliquoideus, Paludina decisa X ponderosa. Er bemerkt dazu, dass sein Freund Haldermann einzelne Individuen, die mit den vermeintlichen Stammeltern an demselben Orte sich fanden und in ihren Formen genau zwischen diesen standen, als Bastarde angesprochen habe, doch handle es sich hier nur um Vermuthung. Lecogq, M. (Note sur les accouplements adulterins chez quelques Mollusques terrestres in: Journ de Conchyl. T. II. Paris 1851. p. 245—248) erwähnt Kreuzungen von Helix variabilis X Pisana, Helix variabilis X Bulimus truncatus (decollatus), Pupa cinerea X Clausilia papillaris, Helix nemoralis X H. aspersa, Helix nemoralis X H. hortensis, Helix nemoralis X H. vermiculata. Thierbastarde. 109 Gassies bringt in demselben Journal, T. 111. Paris 1852. p. 107—109 ergänzende Bemerkungen hierzu. Begattung verschiedener Molluskenarten hat auch Rossmässler, und zwar zwischen Helix nemoralis X hortensis, beobachtet (s. dessen Iconographie der Land- und Süss- wassermollusken Europas, Heft 1. 1834. S. 60), und Dupuy (Histoire naturelle des mollusques terrestres et d’eau douce en France, 1847—52, S. 137) erwähnt Helix cornea Drap. X H. lapicida L., Helix cornea Drap. X obvoluta Müll. Ob aber aus diesen Vermischungen Nachkommenschaft ent- standen, darüber ist nichts gesagt, fehlt auch u. W. jede weitere Beobachtung. Eine Formvarietät von Helix hortensis hat Poiret in seinen „Coquill. Auv. et terr. de la Dep. de l’Aisne‘‘, p. 71 einfach HZelix hybrida genannt und sie für einen Bastard von hort. und nem. erklärt. Clessin führt sie in seiner „Deutschen Excursions- Molluskenfauna‘“ 2. Aufl., S. 204 als Tachea fuscolabiata Kregl. — Helix Sauveuwri Colbeau auf. Die oben erwähnten Paarungen von Helix nemoralis X adspersa, sowie zwischen Pupa cinerea X Clausilia papillaris finden sich auch in Moquin Tandon, Histoire naturelle des mollusques terr. et Huviat. de France, Paris 1555. 1. pag. 232, jedoch auch hier „aucun fait bien positif n’a prouv6, jusguw & present que ces unions illicites aient ete suivies de quelque resultat‘“. „Wahrscheinlich sind die Bastardbildungen auch bei den Pomatien, wenigstens finden sich local in Italien, wo die Gebiete von Zigata, lucorum und pomatia zusammen- stossen, verdächtige Formen, die man bei keiner der anderen Arten unterbringen kann.“ (Briefl. Mitth. von Herrn Dr. W. Kobelt-Schwanheim vom 6. 1. 1879.) Herr S. Clessin (Ochsenfurt) schrieb mir unter dem 24. 1. 79: „Ich habe weder in meiner Sammlung ein mit Sicher- heit auf Kreuzung verschiedener Arten deutendes Gehäuse, noch ist mir der Fall einer solchen bekannt geworden. — Ich habe nie beobachtet, dass verschiedene Zimnaea- Spezies oder solche von Planorbis, die sehr häufig in demselben Gewässer zusammenleben, sich begattet haben obwohl ich gerade darauf besonders ausgegangen bin 110 Dr. Karl Ackermann. Ich habe stets nur dieselbe Art bei Limnaeen, in ganzen Ketten zusammenhängend (6 bis 8 Individuen) sich gegen- seitig begattend, gefunden. Es ist jedenfalls eine auf- fallende Erscheinung. dass sich für eine Bastardirung unter den Binnenconchylien keine Anhaltungspunkte ergeben.“ Betreffs der Meeresconchylien hatte Herr Professor E. v. Martens (Berlin) die Güte, mir unter dem 8.1. 79 mitzutheilen, dass v. Middendorf in seinen „Beiträgen zu einer Malacozoologia Rossica, Theil II (M&m. Acad. de St. Petersbourg VI, 1849), pag. 137 ein Intenium (Nep- Zunea) despectum var. hybrida decemcostataea, welche genau zwischen J. despectum und decemcostatum in der Mitte stehen soll, nenne, und pag. 169 Trit. [Buccinum] glaciale var. angulosaea genau die Mitte haltend zwischen T. glaciale und angulosum. Nach briefl. Mitth. von Herrn H. C. Weinkauff, Creuznach, 27 12. 78, liegen weitere Beobachtungen über Begattung von Seemollusken vor zwischen Litorina oblusata X L. rudis, „aber bis jetzt ist noch keine sichere Beobachtung bekannt geworden, dass diese Begattungen ein Resultat geliefert. Man kann die Möglichkeit der Bastardirung Angesichts zahlreicher Mischformen, die jede dieser beiden Arten be- gleiten, annehmen, denn man ist oft im Zweifel, welcher ‚ derselben man diese oder jene Varietät zurechnen soll. Indessen, wie gesagt, eine directe Beobachtung liegt bis jetzt nicht vor. Dies wäre eine Aufgabe für die zoologischen Stationen‘. 7% Arthropoden. Fritz Müller in Desterro (Brasilien) beobachtete im J. 1865 mehrere der Klasse der Crustaceen, der Ordnung der Cirripedien, angehörende Balanus-Individuen, die er auf Carijoa rupicola (einem achtstrahligen Polypen) auf- sitzend fand. Die überraschende Mischung der Merkmale von Balanus armaltus X DB. improvisus var. assimilis liess ihn die Thiere als Bastarde dieser beiden ansprechen. Ausführliche Beschreibung mit zahlreichen Abbildungen giebt er in Troschel’s Archiv für Naturgeschichte. 33. Jahrg., 1. Bd. Berlin 1867. 8. 347—355 (m. Taf.). Thierbastarde. 1 V. Aus der Klasse der Spinnen wird eine Kreuzung von Phalangium Jurtina X Ph. opilio erwähnt (Treviranus, Vermischte Schr. Il, 8. 22. Bremen 1817; Bronn, Geschichte der Natur. Stutt- gart 1849. 1I. S. 164), doch ist dies mit Misstrauen auf- zunehmen. „Während der vielen Jahre meiner Beobachtung der Araneen und unter dem ausgedehnten Material, welches mir zur Verfügung steht, sind mir Bastarde nicht vor- gekommen, auch ist mir nicht bekannt, dass derartige Erscheinungen in der Litteratur sich aufgezeichnet fänden.“ (Koch-Nürnberg, briefl. Mitth. 1878.) Und eine andere Autorität für Spinnen, Herr A.Menge- Danzig, schrieb mir 1879: „Obgleich stets aufmerksam, ob eine Bastardbildung stattfinde, so habe ich doch niemals eine Verschmelzung von männlichen und weiblichen Zeugungs- theilen oder sonstigen Leibestheilen wie Kiefern oder Tastern wahrgenommen. Da man zur Bastardirung Ver- einigung zweier Thiere von verschiedenen Arten annehmen muss, so scheint mir diese bei den Spinnen, bei der ver- schiedenen Gestaltung der Übertragungstheile, die keine genaue Anfügung gestatten würden, unmöglich. Wenn man eine Paarung von verschiedenen Spezies hin und wieder gesehen zu haben glaubt, wie es mir selbst bei Micrommalta smaragdula und M. ornata, Linyphia macro — und smicrognathe (Webspinnenarten) begegnet ist, so ist es höchst wahrscheinlich, dass beide Thiere nur Varie- täten einer Art gewesen sind. Endlich führe ich aus einem Briefe von Herrn Prof. E. v. Martens-Berlin (8. Jan. 1879) eine Stelle an: „Herr Dr. Karsch, welcher die Litteratur der Spinnen genau kennt, sagte, es sei ihm kein einziger Fall weder aus der Litteratur, noch aus der Natur bekannt.“ Für Spinnen scheint also ein vacat am Platzezusein. VI. inseeten. An allgemeinen Litteraturnachweisen, die Insecten im Ganzen betreffend, seien zunächst hier folgende gegeben. Le Peletier, Observations sur l’accouplement d’Insectes d’especes difförentes. (Acad. royale des scienses pour 1827. Physique: pag. 56.) 112 Dr. Karl Ackermann. Bohemann, Om parning emelan olika insect arter. (Öfvers. kon. vetensk. Acad. Forhandlingar. Stockholm 1856. XT..p. 229.) Bouillon, Observations sur le accouplements d’especes differentes. (Ann. Soc. Entomol. Belg. Brüssel 18585. T. 2. p. 249-—252.) Me&ne&trieds, Einige Worte über die Hypothese der Kreuzung der Arten bei den Inseeten. (Wiener entomo- logische Monatsschrift. Wien 1858. Bd. 2. S. 193—200.) Siebold, v., Wahre Parthenogenesis. (Bei Schmett. u. Bienen. Leipzig 1856) — Nach O.M. Reuter (Stockholm) (Sur ’hybridisation chez les Insectes in: Entomologisk Tidskr., Stockholm 1880, Vol. I, Heft 3/4, p. 174— 177) sind hybride Begattungs- fälle in der Klasse der Insecten im Ganzen 82 bekannt, und zwar 28 zwischen Thieren aus verschiedenen Gattungen, 54 zwischen verschiedenen Arten derselben Gattung. Von den 23 kommen 2 Fälle auf die Hyme- nopteren, 17 auf die Coleopteren (je 1 auf Lamellicornia, Serricornia und Aphidiphagen, 3 auf Serricornia mit Malacodermata, 2 auf Rhynchophoren, 2 auf Rhynchoph. mit Phbytophagen, 2 auf Rhynchoph. mit Aphidiphagen, 5 auf Phytophagen), 1 auf ÖOrthopteren, 1 auf Pseudo- neuropteren und 7 Fälle auf Lepidopteren. Von den 54 Begattungsfällen verschiedener Arten derselben Gattung entfallen 16 auf Käfer, 5 auf Pseudoneuropteren, 33 auf Schmetterlinge (Tagfalter 4, Schwärmer und Spinner je 14, Schaben 1), 1 auf Wanzen. Reuter giebt in dem citirten Aufsatz nur diese Zahlen an, ohne die Namen der Insecten zu nennen. Eine neuere Abhandlung „über die Hybridation bei den Insecten“ von Dr. M. Standfuss (Zürich) in „Mit- theilungen der Schweizer entomologischen Gesellschaft, Schaffhausen, 1893, Bd. 8, Heft 10, Seite 386-396“ be- hauptet (S. 396), dass hybride Paarungen bei fast allen Insectenordnungen mehr oder weniger häufig beobachtet worden seien. Die in dieser Arbeit gemachten Ausführungen werden am Schluss in folgende Worte zusammengefasst: 1. Nachkommen hybrider Paarungen” sind mit Sicher- heit nur bei den Schmetter lingen in der freien Natur, wie auch durch Zucht in der Gefangenschaft nachgewiesen. 2. Es sind gegenwärtig nur Bastarde von zwei der- selben Gattung angehörenden Arten bekannt. Thierbastarde. L13 3. Hybriden von X Z und Y 9 stellen nicht das gleiche Resultat dar wie X © und Y d. 4. J und $ derselben Art sind bei der Zeugung also nicht gleichwerthige Grössen, und es liegt hier eine weit tiefer gehende Individualisirung der beiden Ge- schlechter vor als in der Pflanzenwelt. 5. Das väterliche Element bestimmt die äussere Prägung des Bastards weit wesentlicher als das mütterliche. 6. Sexuell entwickelte Bastarde finden sich nur selten, in sehr artenreichen Genera, weitaus die meisten sind steril. 1. Die Fortpflanzungsfähigkeit dieser wenigen sexuell entwickelten Bastarde in sich ist noch nicht genügend festgestellt, um daraus einen definitiven Schluss darüber ziehen zu können, ob der Hybridation eine wesentliche Bedeutung für die Bildung neuer, beständiger Formen in der Natur beizumessen ist. KeRarter. Käferbastarde, als solche durch Zucht oder in der Natur zweifellos festgestellt, habe ich in der von mir durchgesehenen Litteratur nicht gefunden. VonC.E.A.Gerstäcker wird zwar Linnaea, 1857, T. XI. p. 211--243 in des Verf. Abhandlung über die chilenischen Arten der Gattung Carabus ein Carabus- bastard erwähnt, und von Andern ein Käfer als Bastard- form zwischen | Dytiscus latissimus X dimidiatus angesprochen, den G. Kraatz in der Berliner entomol. Zeitschrift Bd. XVII, 1874 abbildet und beschreibt, der bei Hanau gefangen und von Dr. &. Haag in Frankfurt a. M. an Kraatz übersandt worden ist, doch beide Fälle sind nicht über Zweifel erhaben, wenn auch die beiden Dytiscus- arten schon in Copula beobachtet worden sind, von Altum (Stettiner entom. Ztg. 1865. S. 350) und von Meyer (ebenda 1867. 8. 155). Auch Dorcadion-Bastarde soll v. Heyden in seiner „Entomol. Reise nach Andalusien“ erwähnen. (Briefliche Mittheilung an mich von Dr. @. Kraatz (Berlin) aus 1879.) Sehr gross ist die Zahl der in Art, ja im Genus ver- schiedenen Käfer, die in Copula im Freien wie in der (Gefangenschaft beobachtet. worden sind. Die danach vom C,, abgelegten Eier zeigten sich meist unbefruchtet, theil- 5 114 Dr. Karl Ackermann. weise auch befruchtet, ein Käfer ist meines Wissens jedoch nie daraus erzogen worden. Die Paarung allein beweist nichts. Die Reihe der zahlreichen beglaubigten hybriden Paarungen mag der geschichtlich berühmte Fall . Cantharis melanura L. X Elater niger eröffnen. Der Fall ist vor ca. 100 Jahren, am 5. 6. 1798 Nachmittags 6 Uhr, im botanischen Garten der Universität Pisa von Professor Rossi beobachtet worden. Dieser fand die Erscheinnng so wichtig, dass er ein eigenes Protokoll darüber aufnahm, sechs seiner Collegen als Zeugen heranholte und es von diesen mitunterschreiben liess. Es findet sich abgedruckt in Memoria dell. Soc. Italiana 1799, T. 8. p. 119 und in Germar’s Magazin der Zoologie IV, Halle 1821, S. 104 und in Silbermann’s Revue entomol. I, 1833, S. 116—120. Eine grosse Zahl hierher gehörender Copulationen hat der bekannte Entomologe Dr. H. Hagen (f Arzt ın Königsberg) unter Angabe der Quellenlitteratur in Stettiner entomol. Zeitung Bd. XIX, 1853, S. 41, 230, 316 und 407 mitgetheilt. Wir können uns hier auf die Aufführung der dort erwähnten Fälle beschränken. Blaps fatidiza X Akis reflexa. — Buprestis X Bla- ter. — Chrysomela X Coccinella. — Chrysomela aenea X Galeruca (Ademonia alni). — Chr. polita d X men- thae 2. -— Chr. polita S Xgraminis (menthastri) 2 — Cassida obsoleta S X C. lucida. — Copris (Scarabaeus) vacca X ovata X nigricornis. — Donacia X Crioceris. — Donacia simplex 5 X Apoderus Coryli 2. — Elater X Telephorus. — Melolontha agricola d X Cetonia hirta. — Otiorhynchus unicolor X Oreina senecionis. — Strophosomus coryli X Sciaphilus muricatus. — Timarcha coriaria X laevigata. Auch eine widernatürliche Copulation zweier Z wird a. a. O. S. 232 erwähnt: Melolontha vul- garis X hippocastani (hierzu s. auch Sitzungsber. Gesellsch. naturf. Freunde. Berlin. Sitzung v. 17. 7. 1860.) Ausser den vorstehenden von Hagen erwähnten Fällen führen wir noch folgende an: Chrysomela Goettingensis X tenebricosa. (Fabricius, | Entomologia systematica T. 1. Kopenhagen 1792. p. 309). Coccinella dispar X bipunctata. (Audoin, Obser- | vations sur l’accouplement entre des individus des esp&ces differentes du genre Coce. — Jn: Ann. soce. ent. France. 1832. 2:71#9223159 Thierbastarde. 115 Coccinella tripunctata X quadripustulata und Cocc. annulata X fasciata. (Morton, Hybridity. 1847. p. 20.) Silpha unicostata X rugosa. (Ann. soc. ent. Fr. Ser. II. 1851. Bulletin p. 30.) Tachyporus chrysomelinus X analis (in Begattung gefunden von Paykull — siehe dessen Monographia Sta- phylinorum Sueciae p. 79, Upsala 1791 —. Gravenhorst glaubt an einen Bastard von beiden Arten.) Lina populi X aenea (Bach in Verh. nat. Ver. preuss. Rheinlande Bonn 1849. VI. p 161—167.) Telephorus rusticus X lividus (Scott, J., Zoologist 233. 1. X]. p. 3919). Toxotus humeralis S X dispar 2 (beobachtet von Kriechbaumer in der Nähe von Grünwald bei München, s. Stettiner entom. Zeitung 1858 8. 437). Larinus maculatus X mellificus (Hanbury, Dan., a0 Journ. Proc. Linn. Söc. London 1859. T. II. p. 178— 185). Leptura cincta 2 X L. scutellata (beobachtet am "27.7.58 von Fr. Micklitz, s. Stettiner entom. Ztg. XXI. 1861.85. 295). Dytiscus marginalis X dimidiatus und D. latis- simus X dimid. |letztere schon oben erwähnt] (beobachtet von Meyer, s. ebenda XXVIII. 1867. S. 155). Agelastica Halensis LS X Chrysomela Bruns- wicensis Grav. @. Durch Zufall war das Ag. d in ein mit vielen Chr. PD angefülltes Glas gerathen. Es kam zur Copula, doch musste es die Mesalliance mit dem Tode büssen. (G. de Rossi-Neviges in: Entomol. Nachrichten 1880. Heft. 6. S. 57.) Es mag hier noch auf eine Abhandlung hingewiesen werden, die ich nichtin Händen gehabt habe: Malinowski über Käferhybriden, die sich finden soll in „Neue Schriften der naturforsch. Gesellschaft‘, Halle 1811. T. 1. Heft 6. mL 24, 2. Schmetterlinge. Es seien hier zuerst die Kreuzungen aufgezählt, die Hagen in drei Artikeln der Stettiner entomologischen Zeitung (1858) unter Beifügung von Litteraturnachweisen anführt, und die entweder voll entwickelte Schmetterlinge oder wenigstens Raupen lieferten. Smerinthus ocellatus X populi (S. 41). |Vergl. auch K. Eckstein im 26. Ber. d. Oberhess. Ges. f. Nat. u. Heilk. Giessen 1889, 8. 54.] g*+ 116 Dr. Karl Ackermann. Lycaena Adonis X Alexis (S. 232). Hipparchia Hero X Arcania (S. 232 u. 409). Sphinz vespertilio X euphorbiae (8. 408). Sphinx vespertilio X Hippophaes (8. 409). Colias Edusa X Hwyale (ebenda). Die Producte dieser drei letzten Kreuzungen haben folgeweise die Namen Sphinx epilobii, Sph. vespertilioides- und Colias Neriene erhalten. S. 409 wird dann ohne Angabe der Stammeltern ein Bastard Sphinx phileu- phorbiae, Deilephila phileuphorbiae angeführt und dabei auf Wiegmann’s Archiv 1840. VI. 8. 171—174 hin- gewiesen. Salturnia spini X carpini (S. 409 u. 412). Saturnia spini X pyri. Maniola Pamphilus X Iphis (S. 316 u. 409). Lithosia aurita X ramosa (8. 409). Vanessa urticae X Atalanta (S. 409). Volucella bombylans X plumata (8. 409). Platypt. falcula X curvatula (8. 411). Dicranura vinula X erminea (8. 411 u. 412). Zygaena trifolü X filipendulae (8. 42, 409, 414). Zygaena trifolii X hippocrepidis (8. 414). Zygaena filipendulae X lonicerae (S. 414). Zygaena filipendulae X Minos (S. 414). Zygaena filipendulae X Ephialtes (S. 414). Zygaena filipendulae X peucedani (8. 414): Zygaena peucedani X Ephialtes (8. 414). Zygaena peucedani X Minos (8. 414). Betreffs der zahlreichen Zygaenakreuzungen sei noch besonders auf Ochsenheimer, die Schmetterlinge von Europa, Leipzig 1808. II. 8 und 1809. III. 9 hingewiesen. Nach Gerstäcker’s Bericht über die Leistungen im Gebiete der Entomologie während des Jahres 1862 (8. 18) erhielt Mitford fruchtbare Eier aus einer Copulation zwischen Phigalia pilosaria 5 X Nyssia hispidaria 2 und erzog aus ihnen mehrere Bastarde beiderlei Geschlechts. Die Bomb. franconica g X BR > Bomb. quercus Q X Lrifolü 2 Saturnia pyri Sg X pavonia 2 Saturnia pyri 2 X pavonia Drepana curvatula S X falcataria 2 Deil. porcellus S X Elpenor 2 Deil. euphorbiae S X vespertilio 2 Deil. hippophaes S X vespertilio 2 Smer. ocellata X populi 2 Serm. ocellata 2 X populi Saturnia spini g X pavomia 2 Saturnia spini S_X pyri 2 Harpyia vinula g X erminea D Notodonta dromedarius Z X torva Zygaena trif. S X füipendulae 2 Bist. hirtarius d X pomonarius © Ocnogyna hemigena g X zoraida 2 A. Rogenhofer erwähnt von in neuerer Zeit ge- fangenen Bastarden Parnassius Delius d X Apollo 2 (Frey, Mitth. Schweiz. entom. Ges. VI, Schaffhausen 1882, 3.849). Von erfolglosen Paarungen berichten Constant (Autun): Zibernia progemmaria X Ce- | rastis vaccinii (Ann. Soc. Ent. Fr. Ser. III. Paris 1857. T. V. Bull. p. 41.) ee /, Thierbastarde. 119 ——— Frey (Zürich) Bucculatrix cristalella X gracilell« (Entom. weckly Intellig. 1857. Tom. II. p. 71 et 84.) Wailly (London): Attacus Pernyi 8 X Telea Polyphemus 2 Attacus Pernyi S X Samia Gloveri Attacus mylitta S X Telea Polyphemus Samia cecropia 8 X 9. ceanothi 2 Samia cecropia g X 8. gloveri 2 Samia ceanothi SQ X ©. cecropia Die Eier aller dieser blieben unfruchtbar (Psyche, Cam- bridge Mass. 1836. ILI. Nr. 77. S. 112.) Gerstäcker (Berlin): Satyrus Iphis X S. Janira. Hagen (Königsberg): Sphinxz ligustri X ocellatus Spilosoma erminea X lubricipeda Bombyx dispar X Pieris brassicae Argynnis paphia g X Satyrus Janira 2 Vanessa urticae 2 X Satyrus Janira (Stettiner entom. Zeitung XIX. 1858. S. 414 und 415.) Rogenhofer nach N. Mann: Argynnis Dia d X Euphrosyne 2 Anthrocera carniolica S X füipendulae 2 Anthrocera ferulae S X carniolica $ Anthrocera filipendulae S X ferulae Syntomis phegea S X Anthroc. filipend. (Verh. k. k. zool. bot. Ges. Wien 1888. XXX VII, 3. Sitzgsber. SE) Reuter (Stockholm): Antheraea Mylitta var. Pernyi d X A yamamai D Attacus Cynthia Daub. X Attacus Cynthia Drury (Entomol. "Tidskr. Stockholm 1580. I. p. 176.) Knatz (Kassel) Beobachtung von Pils: Biston hirtarius S X pomonarius 2 Resultat: 50 Eier. (Ber. 38 Verein f. Naturkunde Kassel 1892, Sitzungsber. S. 31.) Caspari (Wiesbaden) über die von Standfuss beobachteten bezw. vorgenommenen CGopulirungen: Bombyx neustria L. S X B. franconica Esp. Endromis versicolor SG X Aglia tau 2 Saturnia pavonia g x Aglia tau 2 Sphinx ligustri S X Smerinthus ocellata 2 Syntomis phegea S X Zygaena carniolica 2 Syntomis phegea Sg X Zygaena filipendulae 2 120 Dr. Karl Ackermann. und über von ihm selbst in Copula beobachteten Schmetter- linge: r Agrotis umbrosa X 4. rubi Agrotis collina X 4. rubi Taeniocampa stabilis X gothica Taeniocampa gothica X incerta. Den Seidenschmetterlingen (Bombyx-Arten und -Racen und ihren Mischlingen) widmet Darwin (Variiren der Thiere und Pflanzen Bd. I. 1873. 8. 333—338) ein be- sonderes Kapitel. Speziell in Betreff Bombyx Cynthia X Arrindia sei noch auf folgende Quellenlitteratur verwiesen: Gu&@rin- Meneyille, Nm Pertle hybrids of two species of Insects in: Ann. of nat. hist. Ser. 3. Vol. 3. London 1859. p- 512. — Ann. soc entomol. de Franck Ser. 3. Tom: 7. Paris 1859. Bulletin p. 46—-48. — Revue et magazin zool. T. 10. p. 399—403, 488—49%0. 1858. — Compt. rend. Acad. des scienc. Tom. 48. Paris 1859. p. 742— 744. 3. Hymenoptera. Vollkommen fruchtbare Nachkommenschaft erzeugt die gemeine Biene (Apis melifica) mit der italienischen B. (A. ligustica), die von den meisten Naturforschern für zwei distinete Arten, nicht blos für Varietäten gehalten werden (Siebold, Parthenogenesis S. 93 ff. — Darwin, Varüren der Thiere ete. I. Bd. Stuttgart 1873, S. 330. — Gordon, De l’espece. 1859. p. 459.) Auch mit der ägyptischen Apis fasciala erzeugt die A. mellifica Bastarde. (Schmarda, Zoologie S. 165.) Beobachtungen von hybriden Hymenopteren - Be- gattungen finden sich noch von Osmia X Chelostoma, der Mauerbiene und Scheerenbiene (Hagen in Stettiner entom. Zeit. 1858, S. 415), ferner die Begattung zweier Blattwespen, Lophyrus pini Q_ X Hylotoma dorsata 2 (Schlüter in Abh. naturf. Ges. Görlitz 1840. Bd. 3. Heft 1. S. 13—17.) 4. Diptera. ‚Regelwidrige Fliegencopulationen erwähnt Hofacker in seiner oben gedachten Schrift über die Vererbung von Eigenschaften (Tübingen 1828) Stettiner entom. Zeitschr. 1858. S. 44. Z. 13 v. o.) Thierbastarde. 121 5. Neuroptera. In Copula hat man verschiedene Libellen gefangen: Agrion puella X pupa (Pastor Hansemann in Wiedemann’s zool. Magaz. Bd. 2. S. 154), Libellula depressiuscula g X striolata 2 Libellula pectoralis S X caudalis 2 Lestes sponsa Q X Agrion najas (Hagen a. a. O. S. 44.) Mit Phryganiden (Köcherfliegen) hat Meyer Copulationsversuche angestellt, nämlich mit Limnophilus striola g X lunatus 2 Limnophilus striola g X Anabolia nervosa 2 Limnophilus politus 8 X lumatus 2 Limnophilus politus G X flavicornis 2 und im letzten Falle Eier und (am 17. Tage) ausgekrochene Larven erzielt, die aber durch unberufene Hände zu Grunde gerichtet wurden. (Meyer, Beitr. zu einer Monographie der Phryg. Westfalens, in Stettiner entom. Zeitg. XXVII. i=u72 3. 105.) Auch von fabelhaften Paarungen wird berichtet. Scales will (Trans. Ent. soc. I. proceed. p. 83) die Paarung von einer Libelle X Vanessa urlicae beobachtet haben. Da Libellen Schmetterlinge auffressen, wird er wohl das Verspeisen der Vanessa für eine Copula angesehen haben. (Stett. ent. Zeit. 1858. S. 413.) ©. Hemiıptere. Morton erwähnt a. a. OÖ. S. 20 nur ganz oberfläch- lich, dass bei den Cycaden Vereinigungen, die eine Bastard- Nachkommenschaft begründen, vorkämen. Beispiele oder Litteraturnotizen werden nicht gegeben. Jahresbericht. TI Bericht über Stand und Gang des Vereinslebens im 61. Vereinsjahre, 1896—97. T. Es liegt uns hier an erster Stelle ob, unter dem Ausdruck’ des verbindlichsten Dankes an die nachgenannten hohen Behörden, mitzutheilen, dass wir uns abermals jener Unterstützungen zu erfreuen hatten, welche wesentlich dazu beitrugen, unsere Leistungen auf der erreichten Höhe zu erhalten, dass wir uns auch im abgelaufenen Jahre erfreuen konnten 1. der seitherigen munificenten Spende des hohen Landesausschusses für den Regierungsbezirk Kassel und ?. der sehr dankens- werthen Subvention, welche wieim Vorjahre die städtischen Behörden der Residenz unserm Vereine bewilligt haben. Die Vereinssitzungen fanden statutengemäss am zweiten Montag eines jeden Monats, und zwar bis auf zwei (Merkelbach und von Donat), die in der Oberrealschule abgehalten wurden, im Vereinslokale (Steinweg 2) statt. Ueber die Themata der Vorträge, wie über die zahlreichen kleineren Mittheilungen und Demonstrationen giebt die unter IV folgende Uebersicht Auskunft. Der Besuch der Sitzungen war ein sehr erfreulicher, wie die nachfolgende Zusammenstellung zeigt, in der die erste Zahl sich auf die Mitglieder bezieht, die zweite die Anzahl der Gäste angiebt: 18-4, 134-4, 11-1, 20--7, 25-15, 234-6, 15-6, 18-14, 19-+47 oder in Summa 182-109, durchschnittlich also 18 Mitglieder und 10 Gäste. Ausser den regelmässigen Sitzungen fanden 6 Ex- Kursıonen statt, und zwar am 29. IV. 96 nach der Vogt’schen Mühle vor dem Weserthore, am 6. V. nach Siebenberg und den Gewächshäusern der Karlsaue, am II Jahresbericht. 20. V. nach Niederkaufungen in die dortige Papierstoff- und Papierfabrik, am 6. VI. nach dem Erlenloch hinter Harleshausen, am 20. VI. nach Wolfsanger in die Bienen- züchterei des Herrn Oberstlieutenant von Engelhard, endlich am 13. III. 97 nach den Fischhof (Fischzucht- und Brutantalt) in Bettenhausen. Die Frequenz bei diesen Ausflügen war im Durchschnitt 12 Mitglieder und 7 Gäste. Glückwunschschreiben hat der Verein an folgende Gesellschaften, die mit ihm in näherem Verkehr . stehen, erlassen: 1. Verein für Freunde der Natur- geschichte in Mecklenburg zum 50jährigen Jubi- läum, gefeiert am 8. VI. 96 zu Rostock; 2. am 26. VIII. 96 zum SVjährigen Jubiläum der Smithsonian Institution zu Washington; 3. dem Verein für schlesische Insektenkunde zu Breslau am 27. 1I. 97 aus gleichem Anlass. Weiterhin verzeichnen wir 4. die Be- glückwünschung unseres nunmehr verstorbenen Ehren- mitglieds Prof. Dr. Kessler hier zum 80. Geburtstage (17. VI. 96) unter Ernennung zum Ehrenvorsitzenden. Endlich hatten wir 5. die Freude, dem langjährigen Mit- gliede und mehrjährigen Direktor unseres Vereins. dem Herrn Oberstaatsanwalt Geheimen ÖOberjustizrath Dr. jur. hon. c. Karl Bartels anlässlich seines 50 jährigen Dienst- jubiläums und zugleich 2öjährigen Jubiläums als Ober- staatsanwalt im diesseitigen Oberlandesgerichtsbezirk am 25. September 1897 die Glückwünsche des Vereins dar- zubringen. Wir fügen hier den Wortlaut der Adresse an, die dem Jubilar von dem zeitigen Vereinsdirektor, Herrn Öberstlieutenant v. Both, im Namen des Vereins über- reicht wurde: Hochverehrter Herr Jubilar! Sie feiern heute die Erinnerung an den Tag, an welchem Sie vor einem halben Jahrhundert in den Staatsdienst eingetreten sind und vor fünfundzwanzig Jahren als Oberstaatsanwalt Ihren Einzug in die Hauptstadt unseres Hessenlandes gehalten haben. In der Reihe der Amtsgenossen, der Vertreter der ver- schiedensten Behörden und Institute, Ihrer zahlreichen Freunde und Verehrer, die bei dieser seltenen Jubelfeier sich Ihnen glück- wünschend nahen, will und darf auch der Verein für Naturkunde nicht fehlen. Hat er doch die Ehre, Sie seit zwanzig Jahren zu den Seinigen zu zählen, haben Sie doch viele Jahre lang dem Vor- stande angehört, hat er doch insbesondere nahezu ein Jahrzehnt sich Ihrer sicheren und vornehmen Leitung zu erfreuen gehabt und durch Sie seine Interessen warm und kräftig gefördert gesehen. Und dann welch’ reiche Wirksamkeit haben Sie durch Ihre hoch- interessanten und formvollendeten, unsere Sitzungen in unvergleich- licher Weise belebenden Vorträge entfaltet, mochten diese die Resultate Ihrer naturwissenschaftlichen Studien in den Hoch- ° Jahresbericht. III thälern der Schweiz, auf den Bergriesen Tirols und Norditaliens, in. dem Hügellande unserer engern Heimat zum Gegenstande haben oder die erfolgreiche coleopterologische Erforschung unserer nächsten Umgebung darlegen, deren Ergebnisse Sie dann in unseren Schriften veröffentlichten, oder mochten Sie uns einführen in die natur- wissenschaftlichen Verhältnisse der deutschen Besitzungen in Poly- nesien oder in die Geschichte der Erforschung der Hochgebirge der Erde oder uns mit den Schmucksteinen der antiken Welt bekannt machen, alles dies illustrirt durch Theile Ihrer reichen Sammlungen. So ist denn das heutige Fest, welches Sie feiern und zu dem Ihnen aus weiten Kreisen herzliche Glückwünsche zuströmen, auch für uns eine freudige Veranlassung, Sie als Zierde unseres Vereins in aufrichtigster Verehrung und Dankbarkeit zu begrüssen, Ihnen aus warmem Herzen unsere Glückwünsche darzubringen und Sie zu bitten, die vom Vereine als Ausdruck seiner Gesinnung Ihnen dar- gebrachte Ehrenmitgliedschaft freundlich annehmen zu wollen. (Unterschriften.) 6. Kurz vor Abschluss dieses Berichtes (Ende Sep- tember) erfuhr der Vorstand, dass unser Ehrenmitglied Herr Geh. Hofrath Prof. Dr. Geinitz, Direktor des mineralog. Museums zu Dresden, im Sommer sein 60jähriges Doktorjubilläum gefeiert habe. Dem S4jährigen Herrn nachträglich zu diesem seltenen Feste die herzlichsten Glück- wünsche zu übermitteln, konnte sich der Verein nicht ver- sagen. Sie fanden die freundlichste Aufnahme. Den Vorstand bildeten vom April 1396 bis dahin 1897 die Herren Loewer (Direktor), Schelenz (Ge- schäftsführer), Ackermann (Rechnungsführer), Kessler und Fisher (Bibliotbekare), L. Weber und Zuschlag. Bei Abfassung des vorliegenden Berichtes (Sommer 1897) ist der Vorstand folgendermassen zusammengesetzt: von Both (Direktor), Fennel (Geschäftsführer i V.), W.Scheel (Rechnungsführer,, Ackermann und Fennel (Bibliotbekare), L. Weber und Zuschlag. Personalbestand des Vereins. Nimmermüde reisst der Tod stets neue Lücken in unsere Gemeinschaft. Ganz. besonders hart wurde der Verein betroffen durch das Hin- scheiden seines ältesten hiesigen Mitglieds, Ehrenvorsitzenden und langjährigen Bibliothekars, Prof. Dr. Kessler, der am 2. April d. J. nach kurzer Krankheit im 81. Jahre aus dem Leben geschieden ist. Weiterhin verstarben die wirkl. Mitglieder Dr. med Koopmann, Viktor Rinald, die correspondirenden Mitglieder Apotheker ErnstDannen- berg (Fulda) und Freih. v. Danckelmann (12. IX. 97 zu Koburg). Durch Wegzug von Kassel, bezw. freiwillig schieden aus: Lauffer, Döpke, Petersen; Schaumlöffel, Teske, Treskow, Lohmann. IV Jahresbericht. Neu eingetreten sind die Herren Apotheker Thomas {14. IX. 96), Markscheider Schultz zu Wehlheiden (14. XI. 96). — Wieder in die Reihe der wirklichen Mitglieder ist nach seiner Versetzung von Korbach nach Kassel ein- getreten: Herr Gymnasialoberlehrer Hebel. Zu correspondirenden Mitgliedern wurden gewählt die Herren Salter, Realitätenbesitzer in Wien (12. X. 96), Dr. Paul Leverkühn, Direktor des fürstlichen Museums zu Sofia und Prof. Dr. Beyschlag, Landesgeologe zu Berlin-Wilmersdorf (9. XI. 96). Nekrologe. H. F. Kessler, s. unter den Abhandlungen S. 77—9. Fritz Seelig, Königlicher Amtsgerichtsrath.*) Drei Wochen vor Vollendung des 70. Lebensjahres ist er ge- storben am 17. März 1897 zu Kassel und mit ihm ein Mann von althessischem Schrot und Korn, dessen Seele neben treuester Liebe zur Heimaterde und altererbtem Stolze auf die kurhessische Rechtspflege und seinen Richterberuf ganz in der Freude an Mutter Natur im Grossen und im Kleinsten aufging. Von seinem Vater ererbte er den Hang zum edlen Waidwerk und zur Gartenbaupflege, besonders auf dem Gebiete der Rosen- und Obstzucht, bis er sich in den letzten 25 Jahren seines Lebens fast ausschliesslich der Fischkunde und Fischzucht zuwandte, über die auch seine in diesem Heft veröffentlichten zwei letzten Aufsätze handeln. Mehreren an ihn ergangenen Aufforderungen folgend, begann er in dem letzten Jahre die Belege für sein gesegnetes und bewegtes Leben zu sammeln als Vor- arbeit für seine Selbstbiographie, die den Söhnen wohl- geordnet vorliegen, aber bei der Frische des herben Ver- lustes zur Zeit noch für eine eingehendere Bearbeitung untauglich erscheinen. Der Pietät des Sohnes sei es verziehen, dass im Folgenden ein kurzer Entwurf seiner leider unvollendeten Selbstbiographie zum Abdruck gebracht, mit Zusätzen vermehrt und ab 1872 zu Ende geführt wird. Den noch wenigen überlebenden Kasselanern, die noch am Ende der 20er Jahre geboren wurden, kann manches von heimath- lichem Interesse davon sein. Ferner wolle man bedenken, dass von Mitte der 40er bis in die 60er Jahre Vergnügungs- und Studienreisen nach *) Dies Lebensbild verdanken wir dem Sohne, Herrn Landesbibliothekar Dr. F. Seelig zu Fulda. Dr. A RR Jahresbericht. V ——._. Wien, Zürich, London und Kopenhagen noch ungewöhnlich waren, jedenfalls mehr zu sagen hatten, als heutzutage, wo man diese Städte durch die gesteigerten Verkehrs- erleichterungen fast in einem Sommerurlaub bequem mit einem Rückfahrtscheine besichtigen kann. Dann aber reiste der Verewigte nicht mit der Hast des Rundreisebillets, nein, er griff meist längere Zeit zum Wanderstabe, um in freier Natur Land und Leute intimer, als unserer hastigen Gegenwart es beliebt, kennen zu lernen. Doch hören wir ihn selbst. It Friedrich Wilhelm Seelig wurde zu Kassel am 6. Mai 1827 als vierter Sohn dem Ende März 1857 ver- storbenen Kunst- und Schönfärber W. Seelig, langjährigem Mitgliede des Bürgerausschusses der Residenz und Kirchen- ältesten der Brüdergemeinde, geboren. Seinen Schul- unterricht empfing er zunächst nach Besuch der Paul’schen und Sallmann’schen Privatschule auf dem Gymnasium zu Kassel, indem er Ostern 1836 in die Sexta desselben auf- genommen wurde und Ostern 1846 mit dem Zeugniss der Reife dasselbe verliess. Um Jura zu studiren, bezog derselbe zunächst die Universität Heidelberg und verblieb daselbst bis Michaelis 1847, indem er folgende Vorlesungen besuchte: 1. bei v. Vangerow: Institutionen des römischen Rechts, römische Rechtsgeschichte und Pandekten mit Erbrecht. — 2. Bei Mittermaier: Kriminalrecht und gemeinen deutschen Zivilprozess. — 3. Bei Dr. Friedländer: juristische Ency- klopädie. — Daneben hospitirte er: 4. Bei Prof. Dr. Gervinus: über Shakespeare und Politik. — 5. Bei Prof. Dr. Schlosser : in Geschichte. — 6. Bei Prof. Dr. Heuser: über Deutsche Geschichte und 7. bei Prof Dr. Rau: Polizeiwissenschaft. Michaelis 1847 bis Ostern 1848 hörte er zu Göt- tingen folgende Vorlesungen: 8. Bei Prof. Dr. Hermann: Kirchenrecht. — 9. Bei Prof. Dr. Wolf: Deutsches Privat- recht. — 10. Bei Prof. Dr. Siebold: Gerichtliche Medizin. — 11. Bei Prof. Dr. C. Oetker: Handelsrecht. — 12. Bei Prof. Dr. W. Seelig: Ueber Eisenbahnen; resp. als Hospitant bei Prof. Roscher: Nationalökonomie. Seit Ostern 1848 bis Michaelis 1849 hörte er zu Marburg folgende Vorlesungen: 13. bei Prof. Dr. Löbell: Kriminalprozess.. — 14. Bei Prof. Dr. Fick: Bahnrecht. — 15. Bei Prof. Dr. Vollgraff: Staatsrecht. — 16. Bei dem VI Jahresbericht. _—_ selben: Völker- und Bundesrecht. — 17. Bei Prof. Dr. Platner: Geschichte des römischen Staatsrechts, und be- suchte die Repititorien: 18. bei Prof. Dr. Büchel über Pandekten. — 19. Bei Prof. Dr. Wetzel über Zivilprozess mit Praktikum. — 20. bei Prof. Dr. Röstel über Deutsches Privatrecht. Am 30. August 1849 legte er zu Marburg das Universitätsexamen ab, in dem er den Grad ad longe plerasque erhielt, und drei Monate später das Staats- examen mit den Prädikaten „sehr gut* und „gut am 28. November 1849 zu Kassel. Unterm 24. Januar 1850 als Referendar beim Ober- gericht zu Kassel bestellt, arbeitete er in den ver- schiedensten Branchen der juristischen Thätigkeit und erhielt frühzeitig selbstständige und mit Remunerationen ausgestattete Aufträge, als: | 1850. 13.15. Aushülfe im Aktuariat des Stadtgerichts Kassel; 14.110. Aushüffe im Aktuariat des Justizamts II daselbst; 14.112. Versehung des Sekretariats beim Stadt- gericht. — 1851. 10./2. Protokollführer des Instruktions- richters Kessler; 20./6. öffentlicher Ankläger zu Greben- stein; 1./11. Arbeit im Zivilsenat des Obergerichts Kassel. — 1852. 1./9. Aushülfe im Aktuariat des Justizamts II Kassel; 1.112. Zutheilung dem Kriminalsenat zu Kassel. — 1853. 31/8. Aushülfe in der Staatsprokuratur zu Fritzlar. — 1854. 26./1. Rücktritt in das Obergericht Kassel; 24./6. Ver- sehung der Stelle eines Unterstaatsprokurators zu Roten- burg; 4./11. Versehung des Sekretariats beim Zivilsenat des Obergerichts zu Kassel. — 1855. 1./10. Beschäftigung beim Staatsanwalt Kraus zu Kassel. — 1856. 21./2. Reskri- birung als Amtsassessor zu Frankenberg. — 1857. 17 /12. Reskribirung als Unterstaatsprokurator beim Kriminal- gericht Rotenburg (Chef: Geh. Justizrath Günste), wohin er sich auch am 15./9. 1859 verheirathete und wo ihm 1860 und 1863 die Söhne Fritz und Wilhelm geboren wurden. — 1862. 19./10. beauftragt mit Versehung der teschäfte als Staatsprokurator zu Kassel. — 1863. 4./4. Reskribirung als ordentlicher Kriminalgerichtsassessor zu Kassel (Chef: Geh. J.-Rath Eggena). — 1864. 20./1. desgl. als Justizbeamter in Felsberg (wo er fast ein Jahrzent segensreich wirken sollte). — 1867. 31./10. desgl. als Amtsrichter daselbst mit einem Jahresgehalte von 800 Thlrn., „dessen Erhöhung auf 900 Thlr. als dem ältesten Richter dieser Klasse in Kürze zu erwarten ist“. Sonstiges Einkommen Ri; Jahresbericht. VII an Diäten, als Oberzunftmeister und erster Depositar durchschnittlich 150 Thlr. jährlich; Miethsentschädigung 60 Thlr. Derselbe ist u. A. Mitglied des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde, dessen Jahres-Versammlung 1869 in Gensungen bei Felsberg stattfand, sowie des land- wirthschaftlichen Vereins für den Kreis Melsungen und ein treuer Freund des Kasseler Vereins für Naturkunde gewesen. Schriftstellerisch hat er sich bethätigt durch Heraus- gabe des Schriftchens: „Die Staatsbehörde bei den Straf- gerichten. Nach Gesetzgebung und Praxis in Kurhessen. 8°. Kassel 1864. Verlag von Th. Kay“, welches u. A. von Herrn Hofrath Professor Dr. Zachariae in den Göttinger gelehrten Anzeigen Stück 15, 8. 597, sehr günstig begut- achtet ist, sowie durch Bearbeitung des Schriftchens: „Der Gerichtsschöffe ın Kurhessen. Kassel 1864, in der J. C. Krieger’schen Buchhandlung (Th. Kay), in Gremein- schaft mit einem Bekannten.“ Auch dieses Schriftchen bezeichnet Zachariae in seinem Handbuch des deutschen Strafprozesses, Band 2, Seite 469, Anmerkung $ 5l, als empfehlenswerth. | Ausser in seinem Fach hat F. Seelig auch sonst in der Welt sich umgesehen und namentlich folgende Reisen ge- macht: 1846 (Pfingsten) in die Schweiz mit längerem Aufenthalt in den Städten Winterthur und Zürich; 1847 (Pfingsten) an den Rhein bis Bonn und Köln; 1850 (Juni) nach Bayern und Tyrol mit längerem Aufenthalt in München und Innsbruck; 1854 (Juni) durch Bayern nach Wien, resp. Prag und Dresden; 1855 (Juni) über Braun- schweig, Hamburg nach Holstein, insbesondere Kiel; 1857 (Juni) in die Schweiz: Zürich, Bern, Luzern; 1858 (Sept.) durch Belgien mit Aufenthalt in Brüssel und Antwerpen zu mehrwöchentlichem Aufenthaltin London; 1559 (Sept.) nach der unterm 15./9. 59 erfolgten Verehelichung mit Marie, geb. Breithaupt, zu Kassel, über Frankfurt a. M., Darmstadt, Freiburg, Basel, Zürich, München, Stuttgart; 1863 (Mai) über Kiel nach Kopenhagen; 1863 (August) Besuch des Juristentages in Mainz; 1866 (August) desgl. zu München |kurz vor dem Zusammenbruch des Kurstaates Hessen, den Seelig als Amtmann in Felsberg miterlebte]; 1367/70 Mitglied der ausserordentlichen Synode zu Kassel [Schriftführer]; |1870 war Seelig eifriger Organisator des freiwilligen Lazarethwesens im südlichen Niederhessen |; 1870 (Oktober) Reise nach Sedan via Köln-Koblenz, um die Leiche seines dort gefallenen Schwagers aufzufinden I VII Jahresbericht. [seine Eindrücke von dem welthistorischen Schlachtfelde veröffentlichte er in Kasseler und in Itzehoer Zeitungen]; 1872 (August, September) Besuch des Juristentages in Frankfurt a. M.“ | Hier bricht leider dieser kurze aber datenreiche, erste Entwurf von F. W. Seelig’s Selbstbiographie gerade in - einem Augenblicke ab, wo ihm durch seine Versetzung von Felsberg nach Kassel ein reicheres, geistiges Ausleben er- möglicht wurde, erst als Grundbuchrichter und Schrift- steller und dann ab Ende der 70er Jahre als Vorsitzender des hessischen und später westdeutschen Fischerei-Vereins. Doch muss vorher über sein Leben bis 1872 noch zur Er- gänzung Einiges hinzugefügt werden. IE Das Jahr 1872 bedeutet deshalb für den Königl. Amtsrichter F. W. Seelig einen grossen Abschnitt in seinem Dasein, weil seine erste Manneszeit, die er 1864 als Kurhessischer „Dorf‘-Amtmann in Felsberg begann, ihr Ende erreichte. Hier war er so beliebt, dass, wie der um fast ein Jahrzehnt ältere Bürgermeister F. beim Be- gräbniss dem Sonne mittheilte, damals bei seinem Scheiden es allgemein hiess: „Unser Amtmann hätte gar nicht hierher kommen sollen, oder er müsste jetzt hier bleiben.‘ — Dagegen bedingte die Zukunft der zwei Söhne, von denen der ältere schon über zwei Jahre zu Kassel in Pension war, den Wegzug von dem liebgewordenen Wirkungskreise in der romantischsten Gegend des eigentlichsten Hessen- landes, zwischen Heiligenberg, Fritzlar und Gudensberg. In Kassel, seiner Vaterstadt, hat er dann noch 25 Jahre gelebt, bis ihn der Tod abrief, und er nun bei seinen Eltern und Geschwistern ausruht. Die althessische Familie Seelig stammt aus Hers- feld, wo sie bis in das 15. Jahrhundert ununterbrochen als Färber und Ackerbürger nachweisbar ist, und wo der Name (von saelde (?) oder saal abzuleiten!), z. T. auch Selig ge- schrieben. noch heute vorkommt: war doch z. B. am 24./12. 1806 jener Hersfelder, der einen plündernden Soldaten Napoleons niederschoss und dadurch am 20./2. 1807 v. Lingg’s Rettungswerk ermöglichte, ein Seelig. — (Vergl. über das Folgende auch die 1882 erschienenen „Hessischen Erinnerungen“ auf Seite 74 u. ff.) Von Hersfeld aus erwarb unsere Linie am Anfang des 18. Jahrhunderts durch Heirath mit einer Erbtochter das Parweyn’sche Haus, jetzt untere Fuldagasse Nr. 1, Jahresbericht. EX ‘welches bis zum Ende des Kurstaates, für den es das gefärbte Militärtuch lieferte, als Seelig’sche „Farbe“ in ganz Niederhessen und weiter bekannt war. Nicht nur die auf der „Schlagd‘“ vor dem Seelig’schen Hause wöchentlich anlegenden Marktschiffe hielten stets den Ver- kehr Kassels mit dem Stammorte Hersfeld aufrecht, sondern auch holten sich die Seelig’s meist, wie noch 1820 Wilhelm (* 1795) seine Elise Wepler (f 1873), ihre Frauen von dort und hielten mit Hersfeld, namentlich mit den dort zahlreich vorkommenden Familien Braun und Rehn, gute Vetter- und Freundschaft. Andererseits brachten Fritz Seelig und seine fünf Brüder (neben nur einer Schwester Luise, ledig im November 1395 gestorben) die Ferien sonst meistens bei den Schwestern des Vaters zu, die an drei Brüder Blomeyer verheirathet waren, im sächsischen Hessengau, wo jene als Domänenpächter oder Gutsbesitzer in Wormeln, Trendelburg oder Frankenhausen sassen. Fritzens Jugendzeit fällt in die Mit-Regierungszeit des Kurprinzen Friedrich Wilhelm von 1831 —47, die ja in Kassel namentlich recht gespannte Verhältnisse hinter- lassen sollte, aber in der Bürgerschaft selbst und namentlich der „Kasseler Bürgergarde‘‘ und dem „Schützen - Korps“ einen stolzen Freiheitssinn grosszog. In letzterer 'Truppe bekleidete der Vater, Wilhelm Seelig einen Offizierposten. Aus den mit den ber—ühmten „Fullegässern“ und Kindern der „Schlagd- Hasen“ verübten Knabenstreichen soll nur einer, der regelmässig an dem bei den Eltern - zu Sylvester eingeladenen Polizei- Kommissar St. durch wohl vorbereitetes Anzünden von Kanonenschlägen unter der nahen Brücke verübt wurde, während die Attentäter heuchlerisch am Tische sassen, erwähnt sein. Von den Lehrern des Gymnasiums (gen. Lyceum Friedericianum) bewahrte F. W. Seelig in erster Linie dem hochbetagt erst gestorbenen Prof. Dr. Flügel stets das beste Andenken und rettete sich seine Freude am klassischen Alterthum, besonders an den Dichtungen des Horaz, ungetrübt auch in das spätere Leben. | Seinem ältesten Bruder Wilhelm (der noch in Kiel als Prof. der Nationaloekonomie und Gel. Regierungsrath lebt) folgend, bezog er Ostern 1846, wie erwähnt, die Universität Heidelberg, um Jura zu studiren, wurde bei dem 1842 von seinem Bruder mitgegründeten Corps „Van- dalia“ aktiv, das damals unter dem trefflichen v. Kling- 9* ”? DR x Jahresbericht. gräff blühte, und vollendete bis 1849 nach drei schönen Semestern in „Alt Heidelberg, der feinen“ seine Studien zu Göttingen und auf der Landes-Universität Marburg. Die politischen Stürme des Jahres 1848 waren fast spurlos an ihm vorübergesaust, da er sich gerade damals ganz in seine Arbeiten versenkt hatte; doch erzählte er immer noch mit Begeisterung, wie ihm sein streng loyaler Vater selbst in der sog. „Garde du Corps-Nacht“ trotzdem für alle Fälle die Flinte in die Hand gedrückt habe. Längere Zeit war er in Frankenberg als Amtsassessor und mehrfach als Untersuchungsrichter in Rotenburg bezw. Bebra thätig, wo Aufsehen erregenden Bahnhofsdiebstählen durch aussergewöhnliche Strenge gesteuert werden musste. Ueberall erwarben ihm seine Kenntnisse und sein Charakter ehrende Anerkennung und liebte man ihn ob seines offenen, geraden Wesens und seiner lebhaften, fröh- lichen Art, die in Kassel namentlich in den Carnevals- Aufführungen und sonstigen Veranstaltungen der Gesell- schaft zur Geltung kommen sollte. In Felsberg aber kamen alle diese Keime zur reichsten, achtjährigen Blüthe, welche die für jedes Hessenherz schmerzensreiche Annexion Kurhessens wohl stören, doch nicht knicken konnte. Die gegen Kassel vorrückenden Preussen nahmen den Amtmann kurze Zeit gefangen, indem sie einen Dachdecker auf der Felsburg für einen Signalgeber trotz dessen eidlicher Aus- sage hielten. — Wohl in erster Linie eine Folge der neuen Verhältnisse war der kurhessische Kirchenkampf, der zum Ausscheiden der orthodoxen, in Hessen unbeliebten Vil- marianer führte, ohne dass Jemand ahnen konnte, dass nach 1890 aus dieser „Renitenz“ eine „Hessische Rechtspartei“ entspriessen werde. Wie später man von einem „Grundbuch-“ oder „Fischerei“-Seelig sprach, so kann man bis 1870 wohl auch von einem „Synodal-Seelig“ reden, der sich seiner Haut gegen einen renitenten Metropolitan H. zu Felsberg energisch mit Wort und Feder zu wehren gehabt hat. Doch dachte er später ganz sine ira et studio darüber, zumal das Siegesjahr 1870/71 alle deutschen Blicke von dem heimischen, meist kleinstaatlichen Elend auf das grosse Vaterland ablenken sollte. In Felsberg errichtete in ehr- lichster Begeisterung F. W. Seelig ein Reservelazareth und zentralisirte die freiwilligen Liebesgaben der Umgegend;. sah auch die Schreeken des Krieges in nächster Nähe, wie wir berichtet, auf dem Schlachtfeld von Sedan und kehrte voll grosser Eindrücke mit der Kriegs-Denkmünze in die Heimath zurück, als Begleiter eines Zuges Verwundeter. A Jahresbericht. xTr In Kassel wurde nach 1872 ihm die Abtheilung des in Kurhessen neu eingeführten Grundbuches überwiesen . und veranlasste ihn so zu eingehendem Studium dieser Materie. Als Frucht dieser Beschäftigung veröffentlichte er in 1873 und 1874 in zwei Bänden „Das Gesetz über das Grundbuchwesen im Regierungsbezirk Kassel“, dem sich 1881 noch ein drittes Heft als Nachtrag anschloss. Schon vorher hatte er zu Kassel, 1876, erscheinen lassen: ‚Die seit 1867 für den Regierungsbezirk Kassel erlassenen Polizeiverordnungen. Sachlich geordnet‘ und in mehreren Fortsetzungen brachte er zur Ausgabe ein „aeneral-Register über die für Hessen geltenden preussischen Gesetze und Verordnungen bis 1874“. Ausserdem veröffentlichte er noch viele kleinere juristische und allgemeinere Abhandlungen und Aufsätze in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften, ehe er sich. seit 1350 etwa ausschliesslich der ichthyologisch-fischzücht- lichen Litteratur zuwandte, aus der wir von ihm hier Folgendes anführen: 1) Die vielen Zirkulare des Hessischen, heute Westdeutschen Fischerei-Verbandes, für dessen blühendes Gedeihen und Wachsen er überhaupt viel Zeit und Arbeit einsetzte. 2) Fischerei- und ein- schlagendes Wasserrecht betreffende Entscheidungen. Leipzig (Hoffmann) 1889. 3) Ueber Anwendung und Nutzen der Fischwege. (S.-A.) Wien 1890. 4) „Fischereirechtliches‘“ im Anhang zu Borgmann’s Handbuch der Fischerei. Berlin (Parey & Co.) 1893. — U. v. a. m. In seinem handschriftlichen Nachlass befinden sich u. A. grosse Kollektaneen und Gutachten für ein All- gemeines Preussisches bezw. Deutsches Fischerei-Gesetz, dann eine mit der goldenen Medaille in Bern prämiirte Arbeit über Schweizerische Fischerei und Fischerei-Recht und endlich eine genaue Statistik über sämmtliche, offene und geschlossene Gewässer des Regierungsbezirks Kassel. Hoffentlich gelingt es, die Mittel zu beschaffen, damit auch diese Früchte seines fleissigen Strebens der Fischzuchtsache nicht verloren gehen. — Aus seinem äusseren Leben in den letztverflossenen 25 Jahren zu Kassel, von wo er kleinere, durch ganz Hessen und Deutschland, und grössere Erholungsreisen, bis London und Pontresina z. B., alljährlich unternahm, ist hier nur weniges noch zu erwähnen. Etwa die im Herbst 1878 er- folgte Geburt eines dritten Sohnes, mit dem er nach längerer Pause noch einmal Schule und Gymnasium von vorn anfangen konnte, während (die älteren Kinder schon ,@91 Jahresbericht. einige Zeit oder eben erst die Universität besuchten. Auch sonst haben ja Freud und Leid, wie es so geht, bei ihm abgewechselt: manche Freude, wie noch zuletzt die Geburt des Enkels, ist ihm seit 1872 beschieden gewesen, aber auch manches schwere Leid, wie der Verlust seines - ganzen Privatvermögens durch Gutsagen für einen nahen Verwandten und der plötzliche Tod eines als Schiffsarzt wirkenden Sohnes im blühenden Alter, fern der Heimath. Er aber hat seine Arbeitskraft und seinen Lebensmuth bis zuletzt nicht sinken lassen, trotz oftmals schwerer Athemnoth, bis der Tod ihn schnell auf dem S8.-C.- Kommers zur Zentennar-Feier dahinraffte. Sein Leben ist köstlich gewesen, nach des Psalmisten Worten, denn es ist Mühe und Arbeit gewesen. Mit ihm ist wieder ein tüchtiger Vertreter der ältern Generation in Hessen dahin, um den nicht nur seine Wittwe, seine Kinder und Enkel, sowie Brüder und Verwandte trauern, sondern auch gar viele Freunde, Mitstrebende und Bekannte, wie dies die überreich und hundertfach von Nah und Fern eintreffenden Beileids- bezeugungen, sowie sein sehr zahlreiches Leichengefolge am 20. März in Kassel bewiesen. ee Ach, sie haben Einen braven Mann begraben Und mir war er mehr.“ Fulda, 24. Oktober 18%. Dr. phil. Fritz Seelrs Ernst Dannenberg wurde am 1. April 1826 in Boden- teich (Hannover) als Sohn des dortigen Arztes geboren. Er besuchte das Gymnasium zu Braunschweig, trat dann in die Lehre des Apothekers Busch in Blekede und kon- ditionirte später in Bremen, Alfeld und Hannover. Seine Universitätstudien machte er in Göttingen. Im November 1856 kaufte er die Engelapotheke in Fulda, die er im Jahre 1892 verkaufte, um sich zur Ruhe zu setzen. Am 4. Dezember 1896 ist er nach kurzer Krankheit verstorben. Dannenberg war ein sehr tüchtiger Florist. Die reiche Flora von Fuldas näherer und fernerer Umgebung, nament- lich die der Rhön, hat er gründlich durchforscht. Die Resultate seiner Forschungen legte er nieder in den „Be- richten des Vereins für Naturkunde zu Fulda“, und zwar in den Abhandlungen: „Verzeichniss der Phanerogamen und Gefässkryptogamen der Umgegend von Fulda, soweit sie bis Frühjahr 1869 nachgewiesen sind“, I (Fulda 1370), 8. 531—89; „Verzeichniss der Laubmoose der Umgegend von Fulda‘ ebenda 8. 60—69; Nachtrag zu vorigenll(Fulda1875), Verzeichniss der Mitglieder. XII S 12—16 und S. 17— 21; „Verzeichniss der Lichenen der Um- gegend von Fulda“ II, 5. 22—42. Ende 1889 hatte er die Genugthuung, eine bis dahin noch nie beschriebene Flechte (an Linden bei der Kapelle auf dem Poppenhäuser Stein in der Rhön) aufzufinden, die der bekannte Lichenologe Stein- Breslau nach ihm Tichothecium Dannenbergii benannte. Die erste Autorität in Flechten, Appellationsrath Arnold- München, erkannte sie als neu an. Der Herausgeber des Berichtes wird seinem alten Freunde stets ein dankbares Andenken bewahren und nie vergessen, mit welchem Eifer und Geschick dieser ihn als jungen Gymnasiallehrer Mitte der 60er Jahre in das hochinterressante Reich der Moose und Flechten eingeführt hat. Auch als Chemiker hat sich Dannenberg vielfach hervorgethan und wurde öfters von den (Gerichten als Sachverständiger zugezogen. In der „Pharmazeutischen Zeitung‘ findet sich von ihm eine Arbeit über «die Umter- suchung von Blutflecken in Gegenwart von Eisen und ein Aufsatz über das bis dahin noch unbekannte „Colchiein“, das er bei Gelegenheit der Begutachtung einer Vergiftung durch Herbstzeitlosen entdeckt hat. Von seinen Mitbürgern war er in den letzten Jahren seines Lebens zum Stadtverordneten gewählt worden. Unserem Verein gehörte Dannenberg seit dem 30. April 1881 an. IDE Verzeichniss der Mitglieder. In den folgenden Listen beziehen sich die Jahreszahlen auf die Zeit der Ernennung, bezw. des Eintritts. a) Ehrenmitglieder. 1. Dr. Ackermann, Karl, Oberrealschuldirektor i. P. und Mitglied des Stadtraths zu Kassel. 1876. 1891. 2. Herr Bartels, Karl, Dr. jur. h. c., Geh. Oberjustizrath, Ober- staatsanwalt zu Kassel. 1876. 1897. 8. „ Dr. v. Bunsen, Wilhelm Robert, Professor, Wirkl. Ge- heimrath, Excellenz, in Heidelberg. 1837. 1875. 4. „. zu Eulenburg, Graf Botho, Staatsminister a. D., Excellenz in Berlin. 1886. 5. „ Dr. Geinitz, Hans Bruno, Direktor des königl. mineral. Museums und Geh. Hofrath, in Dresden. 1875. XIV Jahresbericht. 6. Herr Dr. Gerland, Ermst, Professor an der Bergakademie in 7. 8. 10. ” Klausthal. 1873. 1888. v. Hundelshausen, Eduard, Landesdirektor der Provinz Hessen-Nassau a. DB in Kassel. 1886. Dr. Philippi, Rud. Amandus, Professor und Direktor des chilenischen Landesmuseums, (Stifter des Vereins), zu Santiago. 1836. 1886. Weise, Emil, Geh. Regierungsrath, Oberbürgermeister a. D., “Dresden 1876. Dr. Zirkel, Ferd., Professor und Geh. Bergrath, in Leipzig. 1875. b) Wirkliche Mitglieder. . Se. Durchlaucht Prinz Karl von Hanau, Graf von Schaumburg, ” in Kassel. 1891. > Prinz Philipp von Hanau, Graf von Schaumburg, in Oberurff. 1862. 1886. Herr Alsderg, A. Bankier. 1880. Baur, Privatmann. 189. Berlepsch, Graf Hans v., Schloss Berlepsch bei Witzen- hausen. 1871. Berlepsch, Freiherr Hans v., Rittmeister und Escadron- Chef im Husarenregiment Nr. 8, Paderborn. 1894. Blanckenhorn, Karl, königl. Baurath a. D. 1887. Dr. Bliesener, Karl, Oberstabsarzt im Hwusarenregiment Hessen- -Hombures. 1894. Bode, Adolf, Dr., Geh. Medicinalrath und Mitglied des Medicinal- -Collegiums. 1880. Boderheim, Gustav, Fabrikant. 189. ve. Both, Alexander, ÖOberstlieutenant z. D. und Bezirks- Kommandeur. 1892. Buhse, Fritz. Bergwerksdir. in Torrelavega in Spanien. 1875. Christ Heinrich, Dr. phil., Oberlehrer an der Oberrealschule. 189 Des Coudres, Julius, Oberbergrath. 1863. Ebert, H., Dr., prakt. Arzt. 189. Eisenmann, Ö.F. ‚ Dr., Museums- und Galleriedirektor. 189. Eysell, Adolf, Dr., Arzt. 1878. i Ben v. Eschstr uth, "Mathilde. 189. Herr Fabarius, Waldemar, Stadtbauinspector. 189. Fennel, Ludw., Br;, Oberlehrer a. d. Oberrealschule. 1887. Fischer, Helix, 'Premier-Lieutenant a. D. ‚ Rittergutsbesitzer zu Freienhagen. 1822. Fisher, Theodor Gideon, Verlagsbuchhändler und Buch- druckereibesitzer. 1895. Fliedner, OÖberregierungsrath an der kgl. Regierung. 189. . Fräulein För ster, Auguste, Inspicientin des ”Handarbeitsunter- richts an den städtischen Mädchenschulen. 189. . Herr Gerland, Konrad, Dr. phil., Chemiker, Lehrer zu Accering- ton, Lancashire, England. 1837. Hebel, O., Gymnasialoberlehrer. 1880. 1882. 1897. Hecht, Jacob, Kaufmann. 1880. Hellwig, Rittmeister und Escadronchef im Husaren- Regiment Hessen-Homburg. 1895. Hermann, August, Kaufmann. 1891. Verzeichniss der Mitglieder. XV 30. Herr Heydenreich, Heinrich, Oberlehreram Realgymnasium. 1888. ” ” Hintz, Robert, Oberforstmeister. 1896. Hoebel, Ernst, Dr., Prof., Oberlehrer a. d. Realschule. 1888. Hornstein, Fr., Dr, Prof., Oberl. am Realgymnasium. 1869. Hornthal, Jacob. Kaufmann. 18X6. Hunrath, Wilhelm, Besitzer der Löwenapotheke. 1892. ; Frau Consul Ichon, Mälbelmshöhe. 1895. . Herr Ickon, Wilhelm, Consul a. D., ebenda. 1890. Junghans, Karl, Oberlehrer an der Oberrealschule. 1889. Kaiserling, Gustav Adolf, Rentner. 1891. . Kasseler Fischerei-Verein, hier. 1883. . Herr Knetsch, Karl, Grosshändler. 1886. Kochendörffer, John N. C., Privatmann. 189. Krisch, Emil, Dr. med., OberstabsarztI. Cl. 1891. Kunze, Hermann, Oberlehrer in Arolsen. 1888. 1896. Laubinger, Karl, Dr. phil., Privatier. 189. Lenz, August, Prof., Custos des Naturalienmuseums. 1858. Lindner, Gustav Adolt, Dr., Generalarzt a. D. 1883. Löwenbaum, L., Bankier. 1881. von und zu Löwenstein, Louis, Major z. D. 18%. Loewer, Emil, Dr., Generalarzt I. Cl. a. D. 1889. Luckhardt, Ludwig, Apotheker. 189. Mende, Oberst z. D., Wilhelmshöhe. 1896. Mergard, Joh. Gg. Konr., Apotheker in Wehlheiden. 1895. Merkelbach, Wilh., Dr., Oberl. an der Oberrealschule. 1880. v. Morsey- Picard, Freiherr, Kgl. Bergrath a. D., Berg- werksbesitzer. 1894. Nagell, Wilhelm, Hofapotheker. 1880. Ochs, Heinrich, Privatmann, Mitglied des Gemeinderaths, Wehlheiden. 1894. Paack, Otto, Fabrikant. 189. Paulmann, Wilh., Dr. phil., Nahrungsmittelchemiker. 189. v. Pentz, Friedrich, Generalmajor z. D., Marburg. 189. Pfankuch, Bergwerksdirektor. 15%. kRittershaussen, Aug. Julius, Privatmann. 1880. Röhling, Joh. Ludwig, Regiments-Thierarzt a. D. 1880. Rosenthal, Berg-Ingenieur. 189. Rost, Adalbert, Dr., Professor, Oberlehrer am Wilhelms- Gymnasium. 1877. Scheck, Hubert, Dr. phil., Rentner. 1884. Scheel, Willy, Kaufmann und Juwelier. 1894. Schelenz, Hermann, Apotheker. 189. Scherff, Ludwig, Apotheker. 1889. Schläfke, W., Dr. med., Arzt. 1880. Schmuch, Karl, Rechtsanwalt. 1891. Schreiber, Rudolf, Dr. phil., Oberlehrer an der Real- schule. 1892. | Schultz, Markscheider in Wehlheiden, 18%. Sebold, Dr. med., Arzt. 1896. Siebert, Karl, Dr. phil., Besitzer der Engelapotheke. 1891. Thomas, Wilhelm, Apothekenbesitzer. 1896. Uffelmann, Karl, Dr. phil., Chemiker. 189. Uhlworm, Oskar, Dr. phil., Stadt-Bibliothekar. 1881. Wachs, Gustav, Kaufmann. 1896. Waitz von Eschen, Roderich, Dr., Freiherr. 1866. Wallach, Martin, Rentier. 1880. XVl Jahresbericht. 26. Herr Wallach, Moritz, Dr. phil., Grosshändler. 1883. Weber, Joh., Buchhändler. 189. Weber, Ludwig, Dr. med., Arzt. 1887. Wenzel, Fr. Aug., OCorps-Rossarzt. 1880. Wilke, Richard, Rentner. 189. Wolf, Wilhelm, Besitzer der Sonnenapotheke. 1891. Zuschlag, Karl, Dr., Prof., Gymnasial-Oberlehrer a.D. 18. - Zwenger, Julius, Kaufmann. 1890. c) Correspondirende Mitglieder. Alfermann, Franz, Dr., Generalarzt, Posen. 18X0. Angersbach, Adam, Gymnasiallehrer, Weilburg. 1890. 1893. Beyschlag, Dr., Professor und Landesgeologe, Berlin— Wilmersdorf. 1896. Blanckenhorn, Max, Dr., Privatdocent der Geologie, Er- langen. 1890. 1893. | Buchenau, Franz, Dr., Prof. Realschuldirektor, Bremen. 1861. | | Claus, Karl, Dr., Hofrath, Prof. a. D., Wien. 1861. Coester, Fr. Wilh., Oberverwaltungsgerichtsrath, Berlin. 1879. Ebert, Theodor, Dr. Prof., Landesgeologe, Berlin. 1884. Egeling, Gustav, Dr., Apotheker, Chihuahua (Mex.) 1880. Fick, Adolf, Dr., Prof., Hofrath, Würzburg. 1861. Focke, W. O., Dr. med., Bremen. 1864. Fulda, Rud., Bergwerksbesitzer, Schmalkalden. 1881. Geheeb, Adalbert, Apothekenbesitzer, Freiburg i. B. 1881. Gerland, Georg, Dr., Prof. der Geographie, Strassburg. 1881. Gerland, Wilhelm, Dr., Fabrikant, Church (Lancash. Eng- land.) 1881. Grimm, Julius, Hofphotograph, Offenburg i. B. 1881. Guckelberger, G., Dr., Rentner, Giessenhagen bei Gross- almerode. 1857. v. Hauer, Franz, Dr., Hofrath und Intendant des k. k. naturh. Hofmuseums, Wien. 1862. v. Heyden, Lucas Friedr. Dom., Dr., Major z. D., Bocken- heim. 1881. Kathariner, Geheimer expedirender Sekretär im Land- wirthschafts-Ministerium, Berlin. 1890. Kornhuber, Andreas, Dr., Hofrath u. Prof. a. D., Wien. 1887. | Krauss, Thesdor, Dr., Red. d. deutschen landw. Presse, Berlin. 1880. Kretschmer, Fr., Bergverwalter, Zöptau. 1881. Kümmell, G., Dr., Assistent am physikal. Institut, Leipzig. 1889. 1895. Lange, ©. Fr. Rud., Bergfaktor, Reden. 1884. Lanzi, Matteo, Dr. math., Rom. 1861. Leverkühn, Paul, Dr., Museumsdirektor, Sofia. 1896. Metzger, Dr., Geh. Reg.-Rath, Prof. der Zoologie, Münden. 1895. RS. Milani, Dr., Privatdocent u. Forstassessor, Münden. 18%6. Ochsenius, Karl, Dr., Consul a. D., Marburg. 1861. Perino, Joseph, Chemiker, Iserlohn. 1891. 1894. Litterarischer Verkehr. XV . Herr Rathke, Bernh., Dr., Prof. der Chemie, Marburg. 1873. „ Salter, Realitätenbesitzer, Wien. 1896. „ Sandberger, Fridolin, Dr, Hofrath und Professor der Mineralogie a. D., München. 1862. - 35. „ ‚Schmiedicke, Otto, Dr., Oberstabsarzt, Berlin. 1889. 1891. 36. „ ‚Schüssler, Seminarlehrer, Dillenburg. 1872. 37. ,„ Schwenken, Berginspektor a. D., Homberg. 1865. 38. „ Seligmann, G., Rentner, Coblenz. 1882. 39. „ Siegert, Ferd., Dr., Stabsarzt, Kehl. 1888. 1890. 40. „ ‚Stierlein-Hauser, Dr., Apotheker, Rigi-Scheideck. 1892. 41. „. Stilling, Jakob, Dr., Professor, Strassburg i. E. 1874. . „Struck, Karl, Oberlehrer u. Museumscustos, Waren. 1872. 43. „ Struckmann, Dr., Amtsrath, Hannover. 189%. 44. „ Suth, Vereidigter Chemiker, Wiesbaden. 1890. 189. 45-46... Taube von der Issen und Gemahlin, Baron, Weimar. | 1892. 1895. 47. „ Temple, Rud., Assecuranzinsp., Budapest. 186. 48. „ Teschucke, Hugo, Betriebsführer der chemischen Fabrik. Tostadt bei Hamburg. 1891. 1893. 49. „ ÜUckermann, Karl, Dr, Gymnasialoberlehrer in Mühl- hausen i. Th. 1890. 1891. 50. „ Vahl, Karl, Oberpostdirektor, Geh. Postrath, Potsdam. 1880. “ „. Wagner, Dr., Realschul-Professor a. D., Fulda. 1849, 52. „. ®v. Wedell, Hasso, Major z. D., Weimar. 1891. „ Weise, Oberforstmeister, Direktor der Forstakademie, Münden. 1896. 1098 Bericht über. den litterarischen Verkehr des Vereins. Der Schriftenaustausch mit andern gelehrten Gesellschaften wurde in der gewohnten Weise fortgesetzt. Zu den bereits bestehenden 360) Tauschverbindungen (vergl. Ber. 40, S. XVIIL, und 41, S. XII) kamen acht neue hinzu, nämlich: 1. Budapest: Redaction des Rovartanı Lapok. 2. Buenos Aires: Museo national. 3. Freiburg (Schweiz): Societe des sciences naturelles. 4. Kansas: University Quaterly. 5. 8. Paulo (Brasilien): Museu Paulista. 6. Rochechouart (Haute Vienne): Soc. des amis des sciences et arts. 7. Sarzana (Italien): Obser- vatorio meteor. nel seminario vescovile. 8. Vevey: Journal de Zermatt. XVII Jahresbericht. In Gemässheit eines Vorstandsbeschlusses vom Mai d. J. sollen bei einer Reihe von Vereinen die bisherigen Sendungen wegen mangelnder Gegenseitigkeit bis auf Weiteres eingestellt werden. An Büchergeschenken flossen der Vereinsbibliothek zu: Vom Verf. Herrn Prof. Dr. R. A. Philippi in Santiago: Plantas neuevas Chilenas (2 Fortsetzungen) Santiago 1896. Vom Verf., unserm Mitgliede Herrn Hofrath Prof. Dr. Karl Claus in Wien: Die Platysceliden. 49 (77 S. mit 26 Taf.). Wien 1887. — Die Halocypriden des Atlantischen Oceans u. Mittelmeeres. 4%. (81 S. mit 26 Taf.) Ebda 1891. — Charles Darwin. (88) 1852. — Die Gattungen und Arten der Platysceliden in systemat. Übersicht. (52 8.) 1879. — Agalmopsis Utricularia. Eine neue Syphonophore des Mittelmeeres. (4 S. mit 1 Taf.) 1879. — Über die Classification der Medusen (14 S) 1886. — Beiträge zur Kennt- niss der Geryonopsiden- und Hucopiden-Entwicklung (32 S. mit 4 Taf.) 1881. — Uber das Verhältniss von Monophyes zu den Diphyiden (14 S.) 1883. — Die Ephyren von Cotylorkiza und Rhizostoma (10 S. mit 2 Taf.) 1883. — Die Kreislaufsorgane u. Blutbewegung der Szomatopoden (14 S. mit 3 Taf) 1883. — Über Deiopea Kaloktenota als Ctenophore der Adria. (14 S. mit 1 Taf.) 1886. — Organisation u. Entwicklung von Dranchipus _ u. Artemia. (104 S. mit 12 Taf.) 1886. — Ueber den Organismus der Nebaliden u. die systemat. Stellung der Zeptostraken (148 8. mit 15 Taf.) 1888. — Ueber marine Ostracoden .... (6 8.) 1888. — Ueber neue halbparasitische Copepoden .. (44 S. mit 7 Taf,): 1889. — Zur Beurtheilung des Organismus der Siphonophoren. (16 S.) 1889. — Über die Entwicklung des Scyphostoma von Cotylorhiza, Aurelia u Chrysaora. (44 8. u. 70 S. mit je 3 Taf.) 1890 u. 92. — Zur morphol. u. phylogen. Beurtheilung des Band- wurmkörpers (16, 8.) 1889. — Die Antennen der Pontelliden .. . (19 8.) 1892. — Über die Gattungen Temora u. Temorella ..... (12 8.) 1881. — Beiträge zur Kenntniss der Süsswasser-Oszracoden. (0 S. mit 12 Taf.) 1892. — Neue Beobachtungen über Oyelops. (4 S. mit 7 Taf.) 1893. — Ueber die sog. Bauchwirbel am inte- gumentalen Skelet der Copepoden (16 S. mit 3 Taf.) 189. — Ueber die Entwicklung u. das System der Pontelliden (50 8. mit 5 Taf.) 1893. — Zur Kenntniss der Süsswasser-Ostracoden (32 8. mit 5 Taf.) 1895. — Ueber die Maxillarfüsse der Copepoden ... (16 S. mit 1 Taf.) 18%. Von demselben: Lehrbuch der Zoologie. 6. Aufl. (965 S. mit 839 Holzschnitten. Marburg 189. Vom Verf. Herrn Dir. Dr. Fr. Buchenau in Bremen: Flora der ostfriesischen Inseln (incl. Wangeroog) 3. Aufl. (205 S.) Lpz., Engelmann. 1896. Vom Verf. Herrn Consul a. D. Ochsenius zu Marburg: Kochsalz. (Sep. Abdr. aus der 4. Aufl. von Muspratts Chemie) 4°. (42 8.) Braunschweig 1896. — Zahlreiche Abhandlungen über die Bildung des Petroleums. Vom Verf. Herrn Prof. Geh... R. Dr. Metzger zu Münden: Ueber die Nothwendigkeit, den Umfang und den Nutzen der Lachsbrut- aussetzung im Wesergebiet. Vortrag. (Sep.-Abdr. aus Nr. 25 der "Allg. Fischereizeitung 1896). Litterarischer Verkehr. XIX — Vom Verf. Herrn Doc. Dr. Milani in Münden: Beiträge zur Kennt- niss der Reptilienlunge. 1I. Theil. Jena, Fischer 1897. — Wie lässt sich ein Einfrieren der in ungeheizten Räumen aufbewahrten Formolpräparate verhindern? Sep.-Abdr. aus „Zool. Anz.“ Nr. 533. 18%. Von Herrn Gerichtsrath F. W. Seelig hier: 4 Druckschriften enth. Ichthyologisches. Vom Verf., d. corr. Mitgl. Herrn Dr. Blanckenhorn in Erlangen: Theorie der Bewegung des Erdbodens. (Sep.-Abdr. aus Zeitschr. geol. Ges. 1896.) Von dem corr. Mitglied Herrn Dr. B. F.G. Egeling in Chihuahua eh Sieben naturwissenschaftliche Abhandlungen in engl. Sprache. ‘Vom Verf. Herrn Anton Balawelder: Abstammung des Allseins. (35 S. mit 2 Taf.) Wien 189%. Vom Verf.: Hauser, J. Fr., Theoretische Studien über Wasser und seine Verwandlungen. (20 8.) Nürnberg 189. Von Herrn Buchdruckereibesitzer Th. &. Fisher hier: Weinberg, R., das Gehirn der Letten. (208 S.) Mit Atlas v. 20 Taf. Kassel 1896. Vom Verf. Herrn Amtsrath, corr. Mitgl. Dr. C. Struckmann in Hannover: Ueber die im Schlamme des Dümmersees auf- gefundenen subfossilen Reste von Säugethieren (20 S. mit 4 Taf.) Hannover 18%. Von der Köhler’schen Buchhandlung in Gera: Deutsche Vögel. Mit color. Abbildungen. Von Herrn @. Kaiserling hier: C. Kaiserling, über die Conservirung von Sammlungspräparaten mit Erhaltung der natürlichen Farben. (7 8.) Sep.-Abdr. aus Berlin. klin. Wochenschrift 189%. Vom Verf.: May, Martin, sind die fremdartigen Ortnamen in der Prov. Brandenburg u. in Ostdeutschland slavisch oder germanisch ? (32 8.) Frankfurt a. M. 18%. Von der Deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ost- asiensin Tokyo: Ehmann, Sprichwörter und bildliche Ausdrücke der Japanischen Sprache. (48 S.;, Tokyo 1897. Von der kgl. niederl. naturkundl., Vereinigung in Niederl.-Indien zu Batavia: Oatalogus der Bibliotheek (393 S.). — Alphabetisches Register zu Deel I-L (82 8., 125 S., 288 S.) ’S.Gravenhage 1871—84. Von der Universität zu Christiania: Fauna Norvegiae. Bd. I. Phyllocarida og Phyllopoda. Fol. (140 S. mit 20 Taf.) 1896. — Barth, Pros. an., Norroskaller. Crania antiqua in parte orientali Norvegiae meridionalis inventa 4°. (199 S. m. 10 Taf.) 1896. Von der „Pollichia“ inDürkheim: Der Drachenfels bei D. a. d.H. v. Dr. U. Mehlis (42 S.) Neustadt a. d. H. 9%. Von der Niederl. geol. Gesellschaft zu Leyden: Hoek, Compte- rendu des seances du troisieme congres international de Zoologie, 16.—21. IX. 95. Leyden 1896. (535 8.) Vom Nordböhm. Excursionsklub zu Leipa: Die Markersdorfer Mundart. Ein Beitrag zur Dialectkunde Nordböhmens. VonF.Knothe. (128 S.). Leipa 18%. Vom Museo Nacional in San Jose: A. Alfaro, Mamiferos de Costa kaca. (51 8.) 189. XX Jahresbericht. Vom &ewerbeverein zuBamberg: Bamberg auf der 2. Bayerischen Landesindustrieausstellung (25 S. mit 9 Taf. Abb.) Bamberg; 1896. Vom Kgl. Instituut voor de Taal- etc. Kunde in ’S. Gravenhage: H. Hendriks, Het Burusch von Mäsarete. . (176 S.) 1897. Vom Verein für Erdkunde zu Leipzig: OÖ. Baumann, die Insel Mafia (38 S. m. 1 Orig.-Karte). Lpzg. 1896. - Von der Naturforschenden Gesellschaft Graubündens in Chur: Eblin, Ueber die Waldreste des Averser Oberthales. (54 S. m. 4 Tat.) Chur 189. Vom Siebenbürg. Ver. f. Naturw. zu Hermannstadt: Der S. V. f. Nat. nach seinem Entstehen, seiner Entwicklung und seinem Bestand. (68 S.) 18%. Vom Museum Franeisco-Carolinum in Linz a. D. dessen Bibliotheks- katalog (670 8.) Linz 189%. Vom naturw. Verein des Treneziner Comitats zu Trenczin: Emle- klapok. A magyar orvosok 6s termeszetvizsgälök etc. 4°. (61 S.) mit Textabb.) Trenezin 1897. Vom Verein böhmischer Mathematiker in Prag: Renea Descartesa. (36 S. m. Porträt.) Prag 189. Für alle diese, z. Thl. sehr werthvollen Spenden wird hierdurch der gebührende Dank ausgesprochen. Ferner gingen dem Vereine folgende Einladungen bezw. Mittheilungen zu, die sämmtlich in den Sitzungen zur Kenntniss der Mitglieder gebracht wurden und, soweit es nöthig war, seitens des Vorstands eine Antwort er- fuhren. | 1. Aufforderung zu Beiträgen für den Unterstützungsverein der Leopoldinisch-Oarolinischen Akademie deutscher Naturforscher, unterschrieben Kiel, 14. März 1896, Dr. G. Karsten, Adjunkt des 10. Kreises. 2. Einladung des Rhönklubs zu Fulda zu der 1896er Generalver- sammlung in Gersfeld. 3. Einladung seitens des Tridentiner Alpenvereins in Rovereto zu dem 24. Sommerfest, das den 15. VIII. 96 zu Roncegno nella Valsugana abgehalten werden soll. 4. Aufruf des naturw. Ver. des Harzes in Wernigerode zur Errichtung eines Lossen-Denkmals im Harz. 5. Benachrichtigung des Vorstands der Geographischen Gesell- schaft in Greifswald (Prof. Dr. Credner) vom Ableben ihres stellvertr. Vors., Prof. Dr. Minnigerode (15. VILl. 96). 6. Der Entomological-Club in Cambridge, Mass., theilt unterm 1. Sept. 1896 mit, dass die von ihm herausgegebene Zeitschrift „Psyche“ vom 1.1.97 ab nicht mehr im Tauschverkehr, sondern aus ökonomischen Gründen nur noch gegen Bezahlung von 5 Dollars pr. Jahr, und zwar bei Friedländer u. Sohn in Berlin, erhältlich sei. British Association Committee on Zoological Bibliography (Ms. F. A. Bather, London, W, Burlington House) bittet um regel- mässige Mittheilung der Titel der zoologischen Abhandlungen in unseren Vereinsberichten. 8. Die Geographische Gesellschaft zu Budapest ladet zu ihrem 25jähr. Stiftungsfeste auf den 18. X. 96 nach Pest ein. 9. Der Verwaltungsrath des Museums zu Linz a. D. theilt unterm 27. Oktober das Ableben seines Vicepräsidenten und Ehren- mitgliedes Dr. Adolf Dürrnberger mit. Si Litterarischer Verkehr. NEXT 10. Die philosophische Gesellschaft in Prag ladet zur 300jährigen Geburtstagsfeier v. Rene Descartes auf den 6. December 1896 ein. 11. Die National - Sternwarte in San Salvador theilt unterm 10. November das Ableben ihres Direktors Dr. Don Alberto Sanchez mit. . 12. Der Ausschuss des Vereins für &eschichte des Bodensees macht Mittheilung über die neben den gewöhnlichen Jahresberichten hergehenden „Bodenseeforschungen‘ (VILI—XII). 13. Herr Gerichtsrath F. W. Seelig ladet als Vorsitzender des hiesigen Fischereivereins zum Besuch dessen 19. General- versammlung für den 20. Nov. 1896 ein. 14. Der hessische Bezirksverein deutscher Ingenieure hier zu seinem 20jähr. Stiftungsfest auf den 28. XI. 96. 15. Der Verein für schlesische Insektenkunde in Breslau theilt mit, dass er am 27. Febr. 1897 die Feier seines 50jährigen Be- stehens begehen wird und ladet dazu freundlichst ein. 16. Derselbe spricht für die übersandte Gratulation seinen Dank aus. 17. Die 14. Section der internatienalen Ausstellung zu Brüssel ladet zu einem v. 16.—19. Aug. 1897 stattfindenden internationalen Colonialkongresse ein. 18. Die belgische Gesellschaft für Mikroskopie in Brüssel ladet zur Theilnahme an einer ausserordentlichen Generalversammlung auf den 4. Juli ein. 19. Der Tridentinische Alpinistenverein zu Rovereto ladet zu seinem am 29. VIII. 97 zu Riva stattfindenden 25. Sommerfeste ein. 20. Einladung zur 69. Vers. deutscher Naturforscher u. Aerzte in Braunschweig, 20. bis 25. Sept. 1897. 21. Das Hötel Gotha auf dem Inselsberg theilte unterm 11. Septbr. mit, dass es Vereinen Preisermässigung gäbe. 22. E. M. Köhler’s Verlag in Gera hat die Ornithologischen Schriften Prof. Dr. Liebe’s auf 5 Mk. (eleg. geb.) herabgesetzt. je IV. Uebersicht über Einnahmen und Ausgaben. Einnahmen. us vorigem Vereinsjahr . . .........:..34 M, 29 Pf. Behedlerberträge.. ..2....0.%0: 2%....849: „:-05.., Bellen: Sal) 2 22004. 20.0.2000 25480 Baentemerlös.. .„ Seen. una. 4202 1038 M. 26 Pf. Ausgaben. Be mn des; Berichts 41. . . . . .2.......62£M: 37 Pf. Andere Druckkosten (Sitzungsanzeigen etc) 42 „ 77 „ Bel san. Diener. =... 2. 2.22... 70 2 Fwenduuoe für Bibliothek... . . .:.' 106 „75, Diverses (Feuerversicherung, Porti ete) . 126 „ 36 „ 210. M 227 XxXAl Jahresbericht. V. Uebersicht : der 0 in den Monatssitzungen April 96 bis dahin 97 gehaltenen Vorträge und Demonstrationen. In alphabetischer Ordnung der Herren Vortragenden und auf Grund der Sitzungsprotokolle zusammengestellt. 1. Herr Rittmeister von Berlepsch zeigte am 8. Febr. vor und besprach seine von Oetzel hier verfertigten Nist- kästen. 2. Herr Böhme, kgl. Gartengehülfe zu Wilhelmshöhe, sprach am 8. Juni über die ägyptische Papierstaude (Cyperus papyrus L., Papyrus antiquorum W.. Er verbreitete sich über Herkommen nnd Geschichte, ihre Verwendung im Alterthum bis ins Mittelalter, ihre gärt- nerische Benutzung und ihre Kultur. In Bezug auf letztere theilte er ein von ihm zuerst angewendetes Verfahren mit, um die Pflanzen, die im Herbst ins Warmhaus übergeführt werden müssen, gut durch den Winter zu bringen. Er pflanzte sie aus dem Erdboden nicht in Töpfe, sondern in alte Weidenkörbe, die es erlauben, dass die Stauden reichlich neue Wurzeln bilden und ungestört weiter wachsen können. Die auf Wilhelmshöhe gezogenen Exemplare zeichnen sich in Folge dessen durch sehr stattliche Grösse aus. Einige besonders schöne Halme gelangten zur Vorlage. 3. Herr Oberstlieutenant von Both hielt am 11. Jan. 1896 einen Vortrag über die Schmetterlinge im Haushalte der Natur. In der Einleitung sprach er sich über die früher herrschende und auch jetzt noch, besonders in gewissen Kreisen, geltende teleologische Zweck- frage aus und führte aus, dass jeder Organismus für sich Selbstzweck sei und nur der Egoismus des Menschen die Zweckfrage stelle. Dann ging er zu den Insekten im All- gemeinen über, schilderte kurz ihre gewaltige Verbreitung, Vermehrung, sowie ihre erfolgreichen Waffen im Kampfe ums Dasein. (Beispiele) Auf die Schmetterlinge über- gehend, erwähnte er, dass das ausgebildete Insekt nun Schutzwaffen habe, ihre ganze Lebenszeit sich in die be- Uebersicht der Vorträge u. Demonstrationen. XXTIMF kannten 3 resp. 4 Stadien theile, deren hauptsächliches das Raupenstadium sei. Er führte dann die Lebensweise, Nahrung, Aufenthalt, Schutzfarben etc. etc. der einzelnen Stadien des Näheren aus, ihre nach Klima, Witterung etc. modifizirte Entwicklung, Mimicry etc. et. Dann ging er zur Stellung des Menschen zu den Lepidopteren über, den Nutzen und Schaden, Vorbeugungsmittel (Natur hilft sich selbst), essbare Raupen, giftige Raupen etc. etc. Endlich sprach er kurz über den Werth der Schmetter- linge als Leitorganismen für die längere oder kürzere Zu- sammengehörigkeit resp. Trennung von Ländern, Inseln ete. Erwähnte auch noch den ästhetischen Genuss, den in vielen Gegenden die zahlreichen bunten Schmetterlinge gewähren und wie sie oft den Charakter einer Gegend bestimmen. Zum Schluss zog er gegen die Schmetterlings- mörder los, die unsinnig, ohne den geringsten wissen- schaftlichen ete. Nutzen fangen und vernichten. Zahlreich vorgezeiste Objekte, Raupen, Schmetterlinge, Citate aus Dichtungen und gelehrten Abhandlungen illustrirten den Vortrag. 4. Derselbe zeigte am 8. Februar einige seltene Arten von Colias und Antarcta vor mit merkwürdigen Abweichungen in Grösse und Färbung je nach dem mehr oder weniger südlichen Vorkommen der Thiere. 5. Am 8. März 1897 hielt Herr Major von Donat einen Vortrag über die pontinischen Sümpfe und seinen Vorschlag zu ihrer Trockenlegung und Kultivirung: 6. Herr Prof. Dr. E. Gerland s. bei Loewer unter dem 14. September 1896. 7. Herr Prof. Hornstein berichtet am 10. August nach den Dölter’schen Mittheilungen*) über den Grad der Durchlässigkeit verschiedener Mineralien gegenüber den Röntgenstrahlen. Dölter hat durch Versuch® festgestellt, dass die verschiedenen Mineralien und deren Varietäten in sehr verschiedenem Grade für die Röntgenstrahlen durchlässig sind. Eine bestimmte Be- ziehung zwischen diesem Grad der Durchlässigkeit und dem spezifischem Gewicht lässt sich nicht nachweisen; Stoffe von gleichem spezifischen Gewicht können in sehr verschiedenem Grade durchlässig sein, und Stoffe, welche spezifisch schwerer sind, können grössere und kleinere *) Neues Jahrbuch für Mineralogie etc. 1896, II. 10 XXIV Jahresbericht. Durchlässigkeit besitzen als die leichteren. Nur die über 5 schweren Stoffe scheinen mehr oder weniger undurchlässig zu sein, was wohl auf deren Gehalt an schweren Metallen beruht. — Der chemische Charakter eines Stoffes scheint ohne Einfluss auf die Durchlässigkeit zu sein. Jedoch der Gehalt an gewissen Elementen veranlasst geringere oder grössere Durchlässigkeit. Ersteres gilt z. B. von Eisen und mehr noch von Arsen, letzteres von Aluminium und Bor. Dölter hat eine Skala für die Durchlässigkeit der Mineralien aufgestellt, in der acht Mineralien genannt sind, von denen Diamant die grösste Durchlässigkeit zeigt; die übrigen sind: 2. Korund, 3. Talk, 4. Quarz, 5. Stein- salz, 6. Kalkspat, 7. Cerussit, 8. Realgar. Nach Dölter kann diese Verschiedenheit benutzt werden, um Edelsteine untereinander und von Glasflüssen zu unterscheiden, so namentlich Diamant und die Korund- varietäten. 8. Herr Loewer hielt am 11. Mai 1896 einen Vortrag über die Mistel. Die M. ist die einzige Loranthacee, die bei uns im Freien gedeiht. Sie liefert mit ihren Beeren einzelnen Vögeln in der kalten Jahreszeit das Futter. In erster Linie sind hier einzelne Drosselarten, ins- besondere Turdus viscivorus, zu nennen, die durch ihren Koth und ihr Gewölle für Fortpflanzung und Ausbreitung der M. sorgen, dann auch der Seidenschwanz. Er nährt sich von den einsamigen Beeren, wenn ihn seine Streifzüge aus dem Norden zu uns führen und ihn längere Zeit bei uns weilen lassen. So war dies z. B. (nach Mit- theilung unseres Mitglieds des Herrn Ochs) im Winter 1876 der Fall, wo eine Anzahl dieser Vögel sich längere Zeit auf den beiden alten, mit M. dicht besetzten Linden am Wilhelmsplatz aufhielten. Vortragender betrachtet dann die verschiedenen Baumarten, die von der M. bei uns heim- gesucht werden. Nicht die Vorliebe der Drossel für ge- wisse Bäume hält er für den Grund, dass die M. mehr oder weniger darauf wächst, sondern den Saftreichthum und die Weichheit der Rinde bestimmter Bäume. Hierfür ist vielfach der Standort der Bäume an Gewässern mass- gebend, und dadurch erklärt sich auch das massenhafte Auftreten der M. in unserer nächsten wasserreichen Um- gebung. In erster Linie gedeiht die M. bei uns auf Linden (Aue, Wilhelmshöhe), wie dies auch in der Um- gegend von Dresden der Fall ist, in zweiter Linie, wie bei Berlin, auf Weiss- und Schwarz-Pappeln (Domäne Wilhelmshöhe, Neuer Aueteich, Revier zwischen Aue und \ — Uebersicht der Vorträge u. Demonstrationen. XXV und Fuldafluss). Auch die Populus canadensis (unweit des neuen Wasserfalls auf Wilhelmshöhe) trägt starke Mistel- Ansiedelungen. Auch die verschiedenen Ahornarten, sowie einige Robinien (ebenda, auch am südlichen Ende der Rasen- allee, sowie am Auebassin, Schlangenweg ete.); dann folgen die Obst-, insbesondere Apfelbäume, bei denen die Mispel tragenden Aeste nicht mehr blühen (Fürstengarten, Leipziger Landstrasse, Harleshausen etc.). Vereinzelt zeigt sich die M. auch auf Weissdorn (Ausfluss des Küchen- grabens), auf Eberesche (Wiese westlich vom Bassin). Neben dem schon erwähnten ausserordentlichen Wasser- reichthum der Kasseler Umgegend erklärt sich das massen- hafte Auftreten der M. auch aus der Neigung der Drosseln, selbst in der kalten Jahreszeit sich zu baden, sich also ihren Aufenthalt in der Nähe des Wassers zu wählen. Im Gegensatz zu andern Gegenden (z. B. Schleusingen) ist die Rosskastanie bei uns mistelfrei. Dagegen findet sich hier und da, vielleicht in Folge der weicheren und dünneren Rinde, die M. auf der Pavia flava (Wiesen- graben westlich vom Auebassin, Garten der obern Akazienallee). Zum Schluss geht der Vortragende dann näher auf die Entwicklung und die Art des Wachsthums der M. ein (vergl. R. Hartig, Baumkrankheiten, pag. 17 ff.), er- örtert die Bedeutung der Rinden- und Senkwurzeln, be- spricht die Verunstaltungen und den schädlichen Einfluss, den der Parasit auf die Nähräste der befallenen Bäume ausübt und legt zum Schluss eine grössere Anzahl von Wülstendurchschnitten, verbogenen Aesten u. dergl. aus der Aue und dem Wilhelmshöher Parke vor, sowie mehrere von Herrn R. Wilke angefertigte und sehr gelungene Photographien von Baumwipfeln mit Misteln, von inter- essanten Wülsten und verzerrten Zweigen. 9. In derselben Sitzung legte er eine Anzahl kleinerer und grösserer Holzkugeln (Sphäroblasten) von der Roth- buche und deren Varietät der Blutbuche (Fagus sylv. var. atropurpurea) vor. Die über die Rinde hinausragenden und von dieser überzogenen, erbsen- bis wallnussgrossen ‘runden Erhabenheiten entstehen aus einem schlafenden Auge, das sich nicht durch Längenwachsthum weiter ent- wickelt hat, sondern in der Entwicklung zurückgeblieben ist. Das Holz dieser Kugeln steht ausser Zusammenhang mit dem des Stammes. Sie können leicht aus der Rinde des letzteren ausgelöst werden, in der dann eine Ver- 10+ XXVl Jahresbericht. tiefung zurückbleibt. Ihr Holz ist ein sehr festes Maser- holz mit konzentrischen Dickenwachsthum. Bei der Blut- buche zeigt es bei der Abnahme der Kugeln oft eine blut- rothe Farbe, die aber allmählich ins Violette übergeht. So häufig sich diese Kugeln an der Buche finden, so selten trifft man sie an der Hainbuche und Linde, weniger selten an Ahorn und Eiche. Auch an Pavia flava kommen sie vor, dagegen nicht an der Rothtanne, da hier schlafende Augen fehlen. Derselbe zeigt in eben dieser Sitzung einen Ast von einer Weisstanne vor, der den Weisstannenkrebs mit Hexenbesen aufwies. Die Krebsbeule, 10 cm lang und 9 cm im Umfang haltend, umfasst die ganze Rundung des Astes. An ihren beiden Enden, 6 cm von einander entfernt, ist je ein Hexenbesen senkrecht in die Höhe ge- wachsen, 28 bezw. 48 cm lang. Die Nadeln der Triebe sind sehr klein, mehr rund als breit, weich, gelbgrün ge- färbt. An den gesunden Aesten sind die diesjährigen Triebe erst 1—2 Wochen später gekommen. Der die Krank- heit verursachende Pilz (Aecidium elatinum) hat den Anreiz zum Treiben ausgeübt, ebenso die krankhafte Ver- dickung der Rinde und das rasche Wachsthum der Besen- zweige. Aus einem Durchschnitt der Beule war zu er- sehen, dass das Pilzmycel die ganze Rinde desselben durch- setzt hatte und selbst etwas in den maserigen Holzkörper eingedrungen war. Die betr. Weisstanne steht in der Aue unweit der Restauration und gehört zu einer Weisstannen- Einfriedigung um einen aus Ahornen, Eschen, Eichen, Ulmen und Kastanien bestehenden Gehölzbeschlag und zählt ca. 20 Jahre. Alle anderen Nachbartannen waren durchaus gesund, ebenso die eingefriedigten Stämme. Doch fand sich ca. 150 m östlich von dem Stande der Weiss- tanne in Rede eine alte, schon im Absterben begriffene Rothtanne (Ad. excelsa) mit einem grossen, struppigen, krankhaften Astgebildee Ob hiervon Aecidiensporen auf die oben gedachte Weisstanne gelangt sind und diese infizirt haben, bleibt dahingestellt, umsomehr als dieses Gebilde sehr hoch oben auf dem Baume sass und desshalb nicht näher untersucht werden konnte. Zum Schluss ver- wies der Vortragende für näheres Studium des Weiss- tannenkrebses auf die bezügliche Abhandlung von Weise in den „Mündener Forstlichen Heften, 1892, Nr. 1.“ 10. Derselbe machte in der Junisitzung darauf aufmerksam, dass in der Karlsaue auf Quercus pedunculata die Terminalisgalle ausserordentlich häufig vor- Uebersicht der Vorträge u. Demonstrationen. XxXNVAI komme. Am häufigsten zeigt sie sich an den Bäumen des Östrandes des Bassıns, wo die Baumkronen wie besäet damit sind, namentlich an den der Sonne ausgesetzten Theilen. Eichen an dunkeln Stellen (Westrand des Bassins, Thiergarten) zeigen die Gallen nicht. Ziemlich häufig kommen die Gallen auch an den Stieleichen im Habichts- wald an der Südseite der Wolfhager Strasse, die sich nach dem Hühnerberg hinaufzieht, vor. Auch in der Aue sind die verschiedenen Varietäten der Stieleiche davon infizirt, wie auch die Quercus sessiliflora, pyrenaica und die aus Südrussland stammende Qu. ajudaghiensis. Der Vor- tragende referirte dann noch an der Hand der Arbeit von W. Beyerink „Beobachtungen über die ersten Ent- wicklungsphasen einiger ÖCynipsiden-Gallen“ über die Lebensgeschichte der Terminaliswespe, über Zellen- und Nährstoffbildung für die Larven in der Galle, über den Bau der Larvenkammern und Aehnliches und erläuterte das Mitgetheilte an Gallendurchschnitten. 11. Derselbe hielt am 14. September einen Vortrag über die Basalttuffe am Habichtswalde und von Hom- berg. Er ist nach einigen vom Verfasser bewirkten Ab- änderungen vorn unter den Abhandlungen, pag. 53 u. ff., zum Abdruck gekommen. 12. Derselbe theilte in der Sitzung vom 14. Sept. ein Schreiben des Herrn Prof. Dr. Gerland- Clausthal mit, worin dieser in Bezug auf die Bemerkung auf S. XLV des Berichts von 1895/96 seine Ansicht dahin ausspricht, dass die in Wilhelmshöhe und in der Aue vorhandenen Taxodien nicht die Reste grösserer Gruppen sein möchten, dass vielmehr das, was als Stümpfe eingegangener Exem- plare angesprochen wurde, die „kegelförmigen, innen hohlen, bis meterhohen Auswüchse“ seien, welche Tazxodium distichum bei feuchterem Stande reichlich treibt, deren Wesen, ob normale oder pathologische Bildungen, noch nicht bekannt ist, nach Engler u. Prantl, natürliche Pflanzenfamilien, II, 1, S. 25 u. 91, keinen Nutzen zu haben scheinen, nach Andern der Athmung der Wurzeln dienen sollen. L. bestätigt diese Vermuthung als richtig. Die irrthümliche Auffassung ist dadurch herbeigeführt worden, dass die über dem Boden hervorstehenden Er- habenheiten mit Gras und Moos bedeckt sind, sodass sie das Aussehen von Stümpfen haben. Entfernt man diese Decke, was s. Zt. nicht geschehen war, so sieht man, dass jene thatsächlich glatte, gewölbte Wurzelauswüchse sind, die eine Höhe bis etwa 15 cm haben. RXRXVII Jahresbericht. —— I. 13. Derselbe legte am 14. Dezember 1396 zwei Braunkohlenstücke vor, die dem Ellyschachte bei Eisenberg in Böhmen entstammen und auf einem hiesigen Kohlen- lager gefunden wurden. Sie sind stark mit Schwefelkies durchwachsen, dessen grössere wie kleinere Krystalle, welche die Zwischenräume ausfüllen, bunt angelaufen waren, wobei die blaue Farbe vorherrschte. 14. Herr Ochs zeigte am 10. 1. 97 eine Nebel- krähe undeinFeldhuhn, beide mit seltenen Schnabel- missbildungen. 15. Am 12. 9. 96 legte Herr Rosenthal Stufen von Fasergyps vor, die er in dem im Bau befindlichen Tunnel bei Zierenberg (Neue Eisenbahn Kassel- Wolfhagen) ge- funden hatte. Derselbe berichtete am 10. 1. 97 über die Neu- erbohrung eines Schachtes an der Dönche unter einer von vielen Gypskrystallen durchsetzten Lehmschicht. Es wurde ein Lager von sehr alter Braunkohle gefunden, das ca. 250 m tiefer als der Habichtswald liegt. 16. Herr Dr. Merkelbach hielt am 9. Nov. im Physik- zimmer der Oberrealschule einen Vortrag über Looser’s Doppelthermoskop, ein Luftthermometer, mit dem sich eine grosse Zahl von Versuchen aus der Wärmelehre anstellen lässt. Er zeigte die Vielseitigkeit der Verwend- barkeit des Apparates an Versuchen über Wärmeleitung, Wärmestrahlung und über die beim Erstarren von Flüssig- keiten und bei der Verdichtung von Gasen abgegebenen Wärmemengen. 17. Am 11. 5. 96 legte Herr Schelenz ein Stück Lava und einen Brustflossenstrahl des südamerika- nischen Fisches Ancheripterus brachycorysies vor, die fern von dem ursprünglichen Orte an der Küste, resp. im Innern Schleswig-Holsteins gefunden worden. Derselbe referirte am 12. 10. 96 über das auf der 68. Naturforscherversammlung zu Frankfurt a. M. aus- gestellt gewesene Uranylfluorid-Fluorammonium als Ersatz für das theure Baryumplatineyanür zur Herstellung leuch- tender Schirme etc. 18. Herr Gerichtsrath F. W. Seelig hielt am 11. Mai einen Vortrag über den Aal. Er findet sich vorn unter den Abhandlungen, S. 47—52. 19. Derselbe sprach am 14. Dezember über die künstliche Befruchtung der Forelleneier. Im rs Uebersicht der Vorträge u. Demonstrationen. DOUBLE Anschluss hieran knüpfte Herr Privatdoc. Dr. Milani von Münden Betrachtungen über den Gegenstand in Rede vom reintheoretischen Standpunkt aus. 20. Derselbe hielt am 8. Februar zum Zwecke vor- heriger Orientirung für einen später auszuführenden Be- such des Fischhofes bei Bettenhausen unweit Kassels einen Vortrag über künstliche Fischzucht. Auch dieser ist unter Abhandl., pag 38—46, zum Abdruck gebracht. 21. Am 12. Oktober sprach Herr Dr. Wallach über das Phonendoskop und seine Anwendungen. Bis zum Anfang dieses Jahrhunderts wurde den im Körper auf- tretenden natürlichen Geräuschen wenig Beachtung ge- schenkt und wenn es der Fall war, benutzte man zu ihrer Beobachtung das unbewaffnete Ohr, eine Methode, die heute noch von vielen Aerzten als die beste betrachtet wird. Laennee war der erste, der sich zur Auskultation eines Instrumentes des Stethoscops bediente. Sein Verdienst liegt weniger in der Erfindung dieses Instrumentes, als darin, dass er die natürlich im Körper auftretenden Ge- räusche eingehen ler beobachtete und eine diagnostische Methode hierauf aufbaute. Die Percussion, d. h. die Methode aus dem durch Beklopfen der Körperoberfläche erzeugten Ton über die Beschaffenheit, Lage, Ausdehnung etc. der Organe Auf- schluss zu erhalten, stammt von Auenbrugger, der die „unmittelbare“ Percussion, d. h. das Percutiren ohne In- strumente ausführte. Das Plessimeter wurde 1826 zuerst von Piorry, der Percussionshammer zuerst von Wintrich 1841 angewendet. Bei dieser Untersuchungsart ging ein beträchtlicher Theil des erzeugten Tones in der Atmosphäre verloren, und um ihn dem unbewaffneten Ohre hörbar zu machen, wird ein für den Arzt wie für die Patienten zuweilen lästiges starkes Beklopfen nöthig. Camman und Clark führten zur Hörbarmachung der Percussion das Doppelstethoskop an und erzielten damit vollkommnere Resultate. Prof. Bianchi in Florenz nahm Anfangs der 80er Jahre die Untersuchungen Camman und Ülarks wieder auf und zwar sowohl mittelst des mit zwei Hörschläuchen ver- sehenen, gewöhnlichen, hohlen Stethoskops, als auch mittelst der von Bonde konstruirten speziellen mikrophonischen Apparate. Durch diese Untersuchungen wurde in ihm der Wunsch rege, ein Instrument zu finden, welches ohne Verlust von XXX Jahresbericht. Schwingungen und ohne Uebertreibung derselben zur Aus- kultation der natürlichen und künstlich hervorgerufenen Töne im menschlichen Körper dienen sollte. Unter der Mitwirkung des Professors der Physik, Bazzi, entstand dann schliesslich das Phonendoskop in der Gestalt; in der das Instrument durch den Vortragenden vorgeführt wurde. Das Phonendoskop besteht im Wesentlichen aus einer metallischen Scheibe, in welcher sich eine kleine Luft- kammer befindet, von welcher nach einer Seite zwei Bohrungen zur Aufnahme der Hörschläuche ausgehen, während dieselbe nach der andern Seite durch eine dünne Hartgummischeibe luftdicht abgedeckt ist. Auf diese dünne Scheibe kann eine stärkere Scheibe von Hartgummi gesetzt werden, in deren Zentrum sich eine kleine geknöpfte Stange einschrauben lässt. Zur Auskultation der natürlichen Geräusche im Körperinnern legt man das Phonendoskop mit der dünnen Hartgummischeibe auf. Will man jedoch eine Stelle aus- kultiren, wo das etwa 6 cm im Durchmesser haltende Instrument sich nicht auflegen lässt, oder die Untersuchung auf ein eng begrenztes (sebiet beschränken, so setzt man die dickere Platte mit dem Stäbchen auf und auskultirt vermittelst der letzteren. Zur Auskultation der künstlich im Körper hervor- gerufenen Schwingungen bedient man sich immer des Stäbchens. Da bei der Empfindlichkeit des Instrumentes die Schwingungen durch Beklopfen der Körperoberfläche viel zu stark ausfallen würden, so führte Bianchi für diese Untersuchung eine besondere Methode durch Streichen mit dem Finger ein. Die Auskultation der natürlichen Geräusche gelingt in Folge der Empfindlichkeit des Instrumentes viel voll- kommener, als mit den bisherigen Apparaten. Durch gegabelte Ansätze können mehrere Personen an der Untersuchung theilnehmen, was für den klinischen. Unterricht besonders wichtig ist. Bei Verwendung von zwei Phonendoskopen ist eine vergleichende Auskultation möglich, indem man zwei Stellen an ein und demselben Individuum oder die jemalige Stelle an zwei verschiedenen Individuen (Gesunder und Kranker) auskultiren kann. E* FG ia U A e Bi‘ 5 k Uebersicht der Vorträge u. Demonstrationen. KIXFXT Die Auskultation der künstlich hervorgerufenen Schwingungen gelingt unter Beachtung der von Bianchi angegebenen Massregeln in schnellerer und genauerer Weise, als bisher und ermöglicht, Form, Lage und gegen- seitige Beziehungen der Organe rasch zu erkennen, sowie einen Schluss auf deren Dichte zu ziehen. Ausser der Verwendung für ärztliche Zwecke scheint das Phonendoskop in Folge seiner Empfindlichkeit auch noch für andere Untersuchungen dienstbar gemacht werden zu können. Prof. Bazzi hat eine Methode ausgearbeitet, durch rasche Fesstellung der Knotenpunkte an schwingenden prismatischen und zylindrischen Stäben und Barren deren Homogenität festzustellen. Etwaige Defekte kennzeichnen sich ausser durch eine gesetzwidrige Lage der Schwingungs- knoten durch Auftreten von Schwebungen statt des ruhig verklingenden Tones. Aufgabe der Technik wird es sein, diese Methode für anders geformte Körper, wie Scheiben, Räder etec., auszuarbeiten. Eine weitere interessante Verwendung fand das Phonendoskop bei dem vor zwei Jahren in Florenz statt- gehabten Erdbeben, indem der Seismologe Padre Bertelli sich desselben bediente, um die Vibrationen des Unter- grundes zu beobachten. Die Erfahrungen, welche Herr Dr. med. Weber mit dem Apparate gemacht, siehe unter Weber. 22. Herr Dr. &. Weber sprach am 10. 8. 96 über das Verhalten der Insekten dem Röntgen’schen Lichte gegenüber. Nach Versuchen, welche Dr. Axen- fell in Perugia anstellte, sollen die Röntgenstrahlen dem Insektenauge sichtbar sein. Er brachte verschiedene In- sekten aus den Ordnungen der Käfer, Zweiflügler, Haut- flügler, auch Krebsthiere (Kellerasseln) in eine Schachtel, die zur Hälfte aus Holz, zur Hälfte aus Blei gefertigt war. Setzte er diese Schachtel der Einwirkung der Röntgen- strahlen auch nur für kurze Zeit aus. so wanderten die darin eingeschlossenen Thiere in den Theil der Schachtel, der für die Strahlen undurchlässig war. Der Sinn, der ihnen irgend eine Wahrnehmung vermitteln könnte, sei sicherlich nur der Gesichtssinn, denn künstlich geblendete - Thiere verhielten sich nicht so und gingen den Röntgen- strahlen nicht aus dem Wege. Vortragender hält das Ex- periment für die eben vorgetragene Anschauung nicht für beweiskräftig, dass von Haus aus blinde Insekten, augen- XXX Jahresbericht. lose Höhleninsekten oder blinde Larven von Insekten ebenwohl dem KEinflusse des Röntgenlichtes ausgesetzt werden müssten und nachgeprüft werden, ob diese gleich- falls reagirten. Inzwischen ist vom Vortragenden ein Versuch zur Aufklärung dieser Frage mit den der Ocellen entbehrenden Larven von Oryctes nasicornis vorgenommen worden. Sechszehn Stück ausgewachsene Larven wurden in eine Cigarrenkiste gesetzt, in welche eine Metallkiste gestellt war, deren eine Wand ausgebrochen war, so dass es den an und für sich trägen Larven möglich war, sich in diesen Behälter zurückzuziehen. Die Kiste wurde nun der Bestrahlung durch eine Röntgenröhre von 250 em Funkenlänge ausgesetzt. Die Larven wurden nach kurzer Zeit unruhig und nach Verlauf einer Stunde hatten sich sieben Stück in den nicht belichteten Raum, davon eine in den hintersten Winkel zurückgezogen. Auch dieses Experiment ist für den Nachweis einer optischen Ein- wirkung nicht zu verwerthen. Es beweist eben wohl nur, dass eine Einwirkung auf die Nervenendigungen der Haut stattgefunden haben mag, wie ja auch beim Menschen eine beachtenswerthe Reihe von Fällen, wo nach ianger Ex- positionszeit Hautentzündung mit Haarausfall eintrat, be- kannt ist. Die vielleicht Schmerz erzeugende Einwirkung der chemisch wirksamen Strahlen hat die Flucht der Thiere vor denselben erzeugt. 23. Derselbe sprach dann noch über die Dona- ciinen der Kasseler Fauna. Von den 27 Donacia- Arten der europäischen Fauna kommen hier 12, von 6 Plateumaris-Arten 3 vor. Donacia tomentosa Ahr. wurde zuerst 1895 am Fackelteiche aufgefunden. Eben- daselbst kommt auch Zaemonia appendiculata an Pota- mogeton-Stengeln vor. 24. Derselbe zeigte am 14. September 1896 ein am Baunsberg geschossenes Albinoexemplar einer Schwarz- amsel vor. 25. Im Anschluss an den Vortrag (Sitzung vom 12. Oktober) von Herrn Wallach theilt Herr Dr. Weber seine Erfahrungen im Gebrauch des Phonendoskops mit. Dasselbe leistet vortreffliche Dienste bei der Diagnose der Herzkrankheiten, weniger gut ist dasselbe bei den ver- schiedenen Athemgeräuschen zu gebrauchen. Dagegen ist dasselbe besonders bei der frühzeitigen Feststellung kind- licher Herztöne in der Gravidität zu verwerthen. Auch ist es möglich, mittelst desselben Simulanten von einseitiger Taubheit zu entlarven. Man steckt dem zu Untersuchenden U ebersicht der Vorträge u. Demonstrationen XXXII die Höroliven in die Ohren und berührt mit einem Stäbchen die schwingende Hartgummiplatte. Klemmt man nun unbemerkt die zu dem gesunden Ohre gehende Gummi- röhre ab, und gibt der zu Untersuchende, welcher Anfangs das Klopfen deutlich gehört haben muss, an, etwas zu hören, so kann ihm der Gehörseindruck nur durch das angeblich taube Ohr zugegangen sein. | Zu Lehrzwecken dürfte das von Wallach fabrizirte Phonendoskop unentbehrlich sein, da gleichzeitig mehreren Beobachtern dasselbe Geräusch deutlich gemacht wird. 26. Herr Wilke: siehe oben bei Loewer unter dem il Mai. Alphabetisches Inhaltsverzeichniss, Aal (Abhandlung) . . 47 | Mitgliederverzeichniss . XII Basalttuffe (Abhandl.) . 51 | Nistkästen von v. Ber- Bibliotheca hassiaca. IX (Abh.) 1 lepsch nn 30 RR Braunkohlenschacht, Papierstaude , 2. 22. Zxocl neuer, a. d. Dönche . XX VIII | Pontinische Sümpfe Dannenberg, Ernst T x (Drockenleguns) . . "XXxım Donacium- Arten bei Phonendoskop .. 7.22.22. XXX „naäßell. RE. 0.0, Pe ne i RT Fasergyps aus d. Zieren- Ringgauflora (Abh.). . 69 berger Tunnel . . . XXVIII | Röntgenstrahlen und Fischzucht, künstl.(Abh.) 38 Inseeten ur u... BER REXEI Forelleneier, künstl. Be- Röntgenstrahllen und nuehtung. .. . .-. 42 Mineralien . . .. XXI Galle auf Quercus ped. XXVILI | Schmetterlinge im Na- Geschenke . ... . XV turhaushalte. . . . XXU Holzkuseln . . . . .. XXV | Schmetterlinge, einige Kessler, Prf.Dr.H.F.+ “ Seltemer er U ER REN Lava an Schleswigs Schnabelmissbildungen Küste . . ......XXVII | (Nebelkrähe, Feldhuhn) XXVIL Deuchtende Schirme Schwarzamsel-Albino . XXXIL (Anstrich). . . . . XXVIL | Seelig, Friedr. Wilh. aM Looser’s Doppelther- Taxodium distichum . XXVU moskop. . . . . . XXVII | Thierbastarde (Abh.) . 103 Mistel. . . . 2... XXIV | Vogelfauna Kassels (Abh.) 96 Dr. Karl Ackermann. FEN Pe>. x , h Pi ! 1 “ n ws + Iıe 8 u x v / 4 x N Pe D A = in IRRE TE 2 ö N a n% 2 ug? d $ ER F 5 Y 7 a i . \ - handlungen und Bericht ‚vs NAAR | des zu Kassel über iu Bi, Re) & Z Kassel 1898. ne Verlag des Vereins. > 2 NEonyn } Druck von Weber & Weidemeyer. TE ER Bd RE = u \PATFONAN HL SE UM) A Er ur unarl — ES hl azum Alb) = IM CE > IT Re Res FRE ac zE Re x- A Bi. >E BE = N: = = RITBINBIINEINID 5 | Abhandlungen. Die Pontinischen Sümpfe. Ein Vorschlag zu ihrer Trockenlegung. Fedor Maria von Donat, ne: Major im Infanterie-Regiment Nr. 83 in Kassel. Mit 1 Karte. Das Problem, die Pontinischen Sümpfe trocken zu legen, ist 2400 Jahre alt. Seit der Blüthezeit des üppigen grünen, mit hundert Silberfäden und Silberspiegeln durchwirkten, von grell- weissem Fels und tiefblauen Wogen umrahmten Wiesen- teppichs unter den fleissigen, tapferen Volskern, — und seit dem Verfall ihrer kunstvollen Wasserwerke durch die gewaltsame Entvölkerung seitens des siegreichen Rom: hat eine stattliche Reihe von Consuln, Kaisern und Päpsten ‚jenes Problem zu lösen versucht. | Aber von allen ihren Plänen hätte bisher allein Cäsars riesiger Gedanke, den schlammführenden Tiber zur * Auflandung der ganzen Ebene hindurchzuleiten, einen | vollständigen Erfolg gehabt. Der Dolch des Brutus hat 1 das Heil des Landes zerstört: denn für ein solches Pro- jekt konnten auch nur eines Caesar Machtmittel genügen. Wir müssen bescheidener sein. Jedenfalls vermag aber nur eine radikale Kur zu helfen. Denn stets haben die giftigen Exhalationen der bei jedem Versuch übrig ge- bliebenen Sumpfstrecken die Kolonisten von den etwa trocken gelegten Theilen vertrieben. So ist denn auch jedes Mal das unglückliche Land bald wieder in das alte = Elend zurückgesunken. FR Selbst die grossartigen Kanalbauten Pius VI. vor Br ca. 100 Jahren hatten, trotz der aufgewendeten 9 Millionen Frances, einen durchaus ungenügenden Erfolg. Ihnen lag 2 | F. M. von Do ein falsches Princip zu Grunde (ef. $ 1 Seite 7 unten). Immerhin verdient dieser Papst den allerwärmsten Dank, weil seine noch vorhandenen 450 km breiter und tiefer, 160 km schiffbarer Gräben die zukünftige Trocken- legung so ausserordentlich erleichtern, dass sie, da fast durchweg Ueberhöhung des nahen Meeres vorhanden, für den heutigen Stand der Technik eine Kleinigkeit und ganz unverhältnissmässig billig ist. Dank sind wir auch schuldig dem französischen Ge- lehrten Prony (Mitglied der Pariser Akademie), der von Napoleon I. entsendet, die Sümpfe 10 Jahre lang mit un- endlichem Fleiss studirt hat. Denn wenn auch seine eigenen Vorschläge, auf dem alten falschen Princip be- ruhend, wenig glücklich waren und nicht zum Ziele ge- führt hätten”): so ist doch sein Werk**) in allen Details derartig genau und eingehend, dass man aus ihm die Sümpfe fast ebenso gut und viel schneller wie an Ort und Stelle kennen lernen kann. Ausser dem Canale Diversivo, der, wie ich 1885 öffent- lich voraussagte, seinen Zweck durchaus nicht erreicht hat, ist nichts Erwähnenswerthes für die Sanirung des Pontinischen Landes seit Pius VI. geschehen. Seit Prony wurde nur Romanhaftes geschrieben. Das unglückliche Gebiet war, bis ich die öffentliche Aufmerksamkeit darauf lenkte, von der Welt vergessen, namentlich seitdem die Eisenbahn Rom-Neapel die Via Appia, auf der auch Goethe und Frau von Sta&l durch die Sümpfe gezogen waren, entvölkerte. — Inzwischen hat die strategischen ***) Motiven ihr Dasein verdankende Zweigbahn Rom - Terra- cina den Zugang erleichtert. | Weite, weite Strecken, viele tausend Hektare liegen jährlich 1—11 Monate unter Wasser. Auch die trockenen Partieen in und weit um den Sumpf, bis nach Velletri, ja bis Porto d’Anzio und Rom hin, können wegen der aria cattiva nicht ausgenutzt werden. Ihre Verwerthung als Weideland oder die strecken- weise wilde Bebauung ist ein Hohn auf den gegenwärtigen Standpunkt der Landwirthschaft, die zehnfach grössere Er- träge liefern könnte. Wie glücklich wären die Ackerbauer steriler kalter Länder, welche Früchte würden sie erzielen, wenn sie annähernd ähnlichen Boden und Wärme besässen! *) In Folge von Napoleons Sturz nicht zur Ausführung gelangt. **) Prony, des marais Pontins. Paris 1822, *##) Der Besorgniss von einer Landung der Franzosen bei Lerracina und ihrer ungehinderten Festsetzung in den Volsker- (Tepiner)-Bergen. Die Pontinischen Sümpfte. B Dieser Gedanke ergriff mich, als ich im Januar 1383 dem Pontinischen Lande, dem ich seit meinen Neisser Gymnasialzeiten ein intensives Interesse zugewendet, meinen ersten Besuch abstattete und die trostlose er- ‚drückende Oede, die Krankheit und elende Armuth seiner Nachbarn und vereinzelter Bewohner, andererseits die ‚strotzende Ueppigkeit des Bodens, die Herrlichkeit der Lage und des Klimas sah! Die durch jahrelange Vorstudien, namentlich aus Prony gewonnenen Vorstellungen fand ich durch das eigene Auge voll bestätigt — die wenigen dunkel ge- bliebenen Punkte konnte ich aufklären. Meine den bisherigen, namentlich seit Rapini (Pius’VI. Baumeister) und Prony massgebenden Ansichten direkt ‚widersprechenden Vorschläge”) werden ihr grossartiges Ziel mit sehr bescheidenen Mitteln erreichen. Denn sie be- nutzen die früheren Arbeiten, so dass ausser kleinen Korrekturen nur drei mässige Erdbewegungen nöthig sind. Sie verlangen nur Arbeiten flach an der Oberfläche des Bodens, am Meere und in Bergen, vermeiden das Graben in den tieferen Moorschichten, denen die giftigen Gase entströmen. (cf. den Bericht des Ingenieurs Scaccia über den Bau der Schiazza-Brücke. Prony memoire XXV). ‚Sie schonen also die Gesundheit der Arbeiter. Mit 3000000 Lire werden in einem Jahre 30000 Hektare mehr oder weniger sumpfigen Bodens, dessen Fruchtbarkeit in ganz Europa ihres Gleichen nicht findet, und 80—120000 Hektar bisher verpesteten Nachbar- :terrains bebauungsfähig. Durch intelligente Landwirthe könnten davon jährlich 15—25 Millionen Lire mehr ge- wonnen, d. h. ein Kapitalwerth von 300—500 Millionen aus der jetzigen Oede hervorgezaubert werden **). Dazu kommt wahrscheinlich noch eine unschätzbare ‚archäologische Ausbeute. Plinius III, 59 berichtet von .24 Volskischen „Städten“, die auf dem jetzigen Sumpfe gestanden und nach der Entvölkerung und Verwahr- losung in dem schnell weich werdenden Boden versunken ‚seien. Wie aber bereits die Baumstämme, die 400 v. Ch. an der Via Appia geschlagen wurden, so dürften auch *) Geschützt durch königlich italienisches Patent Nr. 17120. **) Da man eine unbeschränkte Zahl von Arbeitern anstellen "kann, ist es möglich, die ganze Trockenlegung in einem einzigen Winterhalbjahr zu beenden. 4 F. M. von Donat. die Reste der Volskischen Cultur ihrem luftdichten zwei einhalb Jahrtausend alten Grabe, im Moorboden vorzüg- lieh conservirt, entsteigen ! Aber abgesehen von dieser Freude der Gelehrten und von dem fabelhaften Gewinn, welcher den Besitzern oder unternehmerden Kapitalisten sich darbietet: — der jammernswerthe Zustand der vom Fieber zerrütteten Um- wohner verlangt es gebieterisch, dass die bisherige resultat- lose Flickarbeit aufhöre, der Sumpf einheitlich, von allen Seiten und im grossen Stile angegriffen, und in. möglichst. kurzer Zeit auch der letzte Tümpel vernichtet werde. Alle Pläne und Arbeiten, welche nur Theil-Erfolge, nicht den ganzen radikalen Zweck im Auge haben, sind. hinausgeworfenes Geld, ein nutzloser Mord an den Ar- beitern und etwa dorthin gelockten Kolonisten. Nur, wenn auch der letzte Hektar nasser Wiese verschwunden, und das ganze Gebiet möglichst schnell mit. vorwiegend maschineller Kraft 6 bis 10 Jahre bebaut ist: wird Luft und Wasser soweit gesund sein, dass Koloni- sation und vollrationelle Bewirthschaftung als Gartenland möglich werden. Dann aber wird diese Quelle der Pest und des Todes zu einer Stätte der Wohlhabenheit und des Glückes für Hunderttausende von Bewohnern und Nachbarn umge- schaffen sein. Ueberblick. Die vollständige Trockenlegung der Pontinischen Sümpfe ist zu erreichen: 1. Die bisher aus dem Nachbarterrain zufliessenden Ge- wässer dürfen das Sumpfgebiet gar nicht mehr berühren. Sie müssen durch äussere Randkanäle, welche gegen das. Sumpfgebiet und seine Innengräben allenthalben wasser- dicht abzuschliessen sind, aufgefangen und direkt ins. Meer geleitet. werden. 2. Der Absturz der Hochwässer aus den Volsker- (Lepiner-)Bergen ist zu verlangsamen. 3. Die Gräben des Sumpfgebietes sind zu glätten, das. Wuchern der Wasserpflanzen in ihnen ist zu bekämpfen. 4. An Stelle der hier unwirksamen Kolmaten (Auf- landungen) sind die tiefsten Terraintheile durch in sich Die Pontinischen Sümpfe. 5 geschlossene Dämme zu isoliren und entweder durch Siele oder, wo nur selten Abfluss, mittelst maschineller Kraft (Pumpwerke) zu entwässern. 5. Die Kultur ist mit äusserster Energie und Ein- heitlichkeit in Angriff zu nehmen und durchzuführen. S 1. Ablenkung der äusseren Zuflüsse. Wenn von den Bergen Hochwässer herabfluthen, werden jedesmal bedeutende Terrainstrecken inundirt. Das ausgetretene Wasser kann gar nicht oder nur sehr lang- sam, erst nach Monaten, abfliessen. Inzwischen verpestet seine Verdunstung die Luft. Die zwar geringe, aber an sich meist nicht unzu- längliche Erhebung des ganzen Terrains über den Meeres- spiegel kann nicht zur Wirksamkeit gelangen. Denn selbst während der trockenen Zeiten werden die zahlreich vor- handenen Gräben von den permanent durchfliessenden Aussengewässern angefüllt, - namentlich danoch unglaublich wasserreiche Quellen (Fiume coperto, Ninfa, Feronia etec., zum Theil über 2 cbm in der Sekunde) mitwirken, welche aus fremden Stromgebieten (Sacco) stammen und allein ein und einhalb mal so viel Wasser liefern, als die Regenmenge für das ganze Pontinische Becken beträgt. Dazu kommt die gegenseitige Anstauung der Gräben, welche ıhr allgemeiner Zusammenfluss im Portatore di Badino hervorbringt. Alle bisherigen Projekte und Versuche bezweckten die möglichst glatte Hindurchführung der von Aussen zuströmenden Gewässer durch das Sumpfgebiet. Dagegen wird, wenn letztere nach meinem Vorschlag absolut fern gehalten werden und die geglätteten (S 3) Gräben in un- gestörtem stetigen Abfluss lediglich das Regen- und Quell- wasser des Meliorations-Gebietes selbst durch den Porta- tore di Badino dem Meere übergeben: jede neue Ueber- schwemmung ausgeschlossen, und das Niveau des Meeres im Verhältniss von 1:15000 (ev. 1:10000) in die breiten und zahlreichen Gräben hinein fortgepflanzt sein”). Das heisst, es wird der bei Weitem grösste Theil des jetzt in- undirten Terrains binnen wenigen Wochen für immer trocken liegen. *) Das Niveau, das im Portatore di Badino bei ruhiger See —- 0,20, wird also auf 1 km Entfernung 0,27 (0,30); auf 5 km 0,55 (0,70); auf 10 km 0,90 (1,20), auf 20 km 1,60 (2,20) stehen. Ö F. M. von Donat. Beispielsweise wird alsdann die Wasserhöhe in der 0,7 Sommer Nähe des Ponte Maggiore (bisher 5,8 — etwa —- 0,6 betragen und auch bei den schlimmsten Regen- zeiten keine wesentliche Erhöhung erfahren. Namentlich folgende jetzt sumpfige Terrains werden mit Hilfe von Sielen entwässert sein: 1. am mittleren Portatore — 0,68 und — 0,57 m 0,409 Sommer | Be hoch. Das Wasser jetzt — 1 908 Hochwazr wird bei stillem Meer dauernd auf — 0,2 sinken. 2. am Canal della Botte ca. — 1,5 hoch. ‚3. grosse Strecken zwischen Selcella und Schiazza, sowie 4. zwischen Fossa Migliare 43 und 49, + 3,7 bis 5,3 hoch, welche bisher durch die Anfüllung der Linea Pio ohne guten Abfluss, auf grosse Strecken sogar unter deren Niveau sind. Jene erwähnten wasserreichen Quellen, welche gleich bei ihrer Geburt Mühlen treiben, liegen günstiger Weise am Rande der Sümpfe dicht an den Bergen, so dass sie von den Rand-Kanälen aufgenommen werden. Im Innern der Sümpfe scheinen keine Quellen vornanden zu sein, weil unter der Moorschicht ein 9 em dickes, ganz hartes und undurchlässiges Stratum liegt, dessen Durchbrechung bei Anlage der Linea Pio viel Zeit und Arbeit kostete. Unter diesem Stratum finden sich auch mächtige, noch nie durchbohrte Thonschichten. Der Gedanke, die äusseren von den Innenwässern zu trennen, schwebte (aber unklar) bereits Prony vor. Er hat seine Durchführung dem unglücklichen Wunsche geopfert, am Portatore di Badino ein grosses „corps d’eau“ zu sammeln. Hinter dieser Mündung wollte er einen kleinen Hafen für Seebote haben. Aber die Versandung, die er fürchtete, droht eher von den wilden Gebirgs- bächen, welche den Boden der Sümpfe durchwühlen und mitführen, während die langsam heranfliessenden inneren Gewässer ihre Senkstoffe schon früher abgelagert haben und ganz klar in den Portatore eintreten werden. Die Versandung vom Meere her könnte durch geringe maschi- nelle Kraft abgewehrt werden; es dürften übrigens die vorhandenen, ins Meer ziemlich weit hinaus geführten Mündungsmolen genügen. Die Pontinischen Sümpfe. 7; Dem grossen Zwecke der Urbarmachung des ganzen Gebietes dürfen übrigens unter keinen Umständen die an diesem einsamen Punkte*) sehr unbedeutenden Handels- interessen ein Hinderniss bereiten. Eine ähnliche, dem grossen Zwecke unterzuordnende, von Prony überschätzte Rücksicht ist die Schiffbarkeit der inneren Kanäle, welche übrigens auf sehr grossen Strecken erhalten bleibt. (cf. S 5.) Glücklicher Weise sind schon Kanäle vorhanden, welche sich als Rand-Kanäle vorzüglich eignen und ver- hältnissmässig nur geringer Nachhilfe bedürfen. Für das rechte Ufer der Sümpfe ist also nöthig: Ableitung der Cavata-Cavatello in den Francesco-Sisto und dessen direkte Mün- dung ins Meer. Für ersteren Zweck kann die Fossa Migliare 40 er- weitert werden, an der entlang das Terrain von der Cavata (+ 10,27 m) allmählich zum Francesco hinabsinkt (+ 9,2 m). (Bei den anderen Fs. Migliaren ist das Um- gekehrte der Fall.) Vermöge des von mir projektirten Schleusenwerkes an der Kreuzung der F. M. 40 mit der Linea morta hat man die Vertheilung des Cavata-Wassers in der Hand. Man wird dem Sisto soviel zuführen, als er mit Hilfe kleiner Kor- rekturen nur irgend aufzunehmen vermag — und der Linea, deren Niveau herabgedrückt werden muss, mög- lichst nur soviel belassen, als zu ihrer Auffrischung, ev. in einer kleinen Cunette, unbedingt erforderlich ist. Die Ausschachtung eines Kubikmeters oberflächlicher Erde von mittlerer Konsistenz kostet jetzt in den Sümpfen L. 0,35 — sein Transport auf 10 m Entfernung L. 0,20, auf 100 m L. 1,20. Bei Annahme von 0,65 per cbm kostet die Ableitung der Cavata (cf. Detailberechnung) 100000 L. Für die direkte Mündung des Sisto ins Meer ist die 600 m breite Düne gradwegs zu durchstechen **). Dieselbe erhebt sich an der betreffenden Stelle zu 4-6 m, in einem schmalen Kamm bis zu + 9 m. Die überaus starke Strömung, welche entstehen wird (0,7 m Niveau-Differenz *) Weit mehr als diese öde Gegend hat Terracina Anspruch auf einen guten Hafen, der sich durch Verlängerung der jetzigen Mole unschwer herstellen lassen wird ($ 5). *#) Nicht empfehlenswerth wegen des Umwegs wäre die Wiedereröffnung des bis 1777 funktionirenden stark verschlammten Fiume di Olevola mit der Mündung bei Torre di Olevola. e) | F. M. von Donat. auf 600 m, also 1:900) kann sich selbst weiteren Platz schaffen, den Kanal in dem losen Dünenboden schnell er- . weitern und vertiefen. _ Diese starke Strömung wird auch den oberen Sisto, wo nöthig, ‚erweitern (da der Boden gleichfalls weich) und sein Niveau erniedrigen, so dass er (namentlich da er rechts keinen Damm, also einen nach oben sich ausser- ordentlich erweiternden Querschnitt hat) ohne besondere Arbeiten zur Aufnahme der Cavata befähigt ist. Die Düne bietet ein ganz nahes und in Verbindung mit dem Moorboden vorzügliches Material, die kurze Ver- bindung an die vorhandenen Sisto - Dämme herzustellen und das bisherige Flussbett nach dem Canale Volte zu coupiren. Die in dem Detail-Projekt angenommene, um 600 m längere. den Sisto geradeaus verlängernde Trace bedingt eine Erdbewegung von 100000 cbm und 200000 Lire Kosten. Selbstverständlich sind am Francesco-Sisto auch alle anderen Abflüsse nach dem Sumpfterrain hin abzuschneiden. Auf dem linken Ufer der Sümpfe verlange ich die Ableitung des Amazeno am Gebirgsfusse ent- lang ims Meer bei Terracma: Nach Prony führt er 7 bis 90 cbm in der Sekunde. Nach einer neueren von mir angezweifelten Messung soll er einmal 260 cbm herangewälzt haben. Die Pedieata und der fast auf der ganzen Strecke 40 Quadratmeter nutzbaren Querprofils darbietende Canale di Navigazione (cfr. die 14 Querprofile bei Prony), allen- falls auch die Seguita vecchia, erleichtern die Arbeit. Will man das neue Bett für jene (angebliche) höchste Wasser- menge von 260 cbm einrichten, wie im ersten Detail- Projekt geschehen, so kostet diese Hauptarbeit meines Projektes 1,200000 Lire. Begnügt man sich in der Er- wägung, dass das jetzige Amazeno-Bett als Flutgraben immer noch bestehen bleibt, mit einer Neu-Anlage für 140 cbm (Variante), so kostet dieselbe nur 700000 Lire. Ich denke: Wenn wirklich einmal eine solche säkulare Hochwasser - Erscheinung einträte, — aber 140 cbm nach Terracina, 90 cbm im alten Bett nach dem Portatore abflössen, und inzwischen durch die Regenfänge ete. das Gebirge sich mit Vegetation bedeckt hätte: könnte der anzurichtende Schaden kein ungeheurer mehr sein. Dass gegenwärtig der Canale di Navigazione von der Feronia aus nach zwei Seiten hin abfliesst, — was auf dem ganzen Erdenrund sonst nur noch zweimal vorkommt Terracina. U des jetzigen Wassers Die Pontinischen Sümpfe. 9 (Bifurcation — nämlich sowohl gegen die Linea Pio als auch gegen Terracina) bringt keine Schwierigkeit. Denn nicht die Canalsohle, welche von Anfang bis zu Ende unter dem Meeresniveau liegt, ist die Ursache, sondern lediglich der Wasserreichthum der Feronia und ihrer Nachbarquellen, deren Niveau höher als das Sommerwasser des Amazeno. Denn wenn dieser anschwillt, fliesst nichts mehr dem Portatore zu, und es besteht in der ganze Länge des Canale Navigazione nur die eine Stromrichtung nach Die Feronia wird man vielleicht in der Seguita vecchia (nördlich der Strasse) nach Terracina führen können, wo das herrliche klare Quellwasser bei dem bevorstehenden Aufschwung der Stadt sehr willkommen sein wird. Der einzige Fluss, den man in der. Pontinischen Niederung belassen darf,-ist die Uffente. Einerseits wäre ihre Vereinigung mit dem Amazeno zur Führung nach Terracina wegen des Rückstaues seiner Hochwässer sehr ‚schwierig, kostspielig und selbst gefährlich, und andererseits kann ihr (abgesehen vom kleinen Brivolko) lediglich aus grossen Randquellen stammendes, desshalb wenig an- schwellendes, stets klares, mineralhaltiges, dem Wuchern der Wasserpflanzen ungünstiges Wasser von 6 bis höchstens 15 cbm vortrefflich zur Auffrischung ihres jetzigen Laufs sowie der Selcella (längs F. M. 47) und Schiazza (längs F. M. 46), — endlich zusammen mit dem in der Linea be- lassenen Cavata-Theil zur Auffrischung des Portatore und Diversivo benutzt werden. Die Uffente wird diese, zu- sammen über 30, bezw. über 60 m breiten Wasserspiegel nicht soweit erhöhen, dass der Abfluss vom Sumpfterrain dadurch wesentlich beeinträchtigt wäre. Denn z. B. der Portatore hätte alsdann immer erst nur !/,, bei Hochwasser 32 Sommer ) q M 180 Hochwasser ee Br zu übergeben, — und für die oberen Läufe fallen ja die jetzt allein gefährlichen Amazeno-Rückstaue ganz fort. Damit ist auch ein besonderes Schmerzenskind der Bonification abgethan: nämlich der sinkende bezw. bei Hochwasser mitunter ‚umkippende‘ Damm an der Mezzaluna, den man bisher fehlerhafter Weise durch Faschinen-Packungen, statt durch breite Aufschüttung mineralischen Bodens, zu befestigen suchte. Hochwasser tritt aber in Zukunft weder von unten her (Amazeno), noch von oben her (Brivolco längs F. Migl. 46 u. 47 nach 10 F. M. von Donat. Schiazza und Selcella) mehr ein, und der Damm wird durch allgemeine (künstliche) Trockenlegung seines Hinterlandes (beiderseits F. M. 48) Rückhalt und beste Befestigung erhalten. Dass alsdann etwa noch mineralischer Boden (Steine) für Beschwerung seines Fusses nöthig sein sollte, ist unwahrscheinlich, aber immerhin möglich. (1000 m Länge.) Der Scolo Pio entwässert die Tanuta und den Pantano, hat mit dem Oanale di 'Terracina keine Verbindung, wird vielmehr unter ihm mittelst einer Botte hindurchgeführt. Er entwässert die beiden Theile der Tenuta Pio, die ihrer- seits wieder durch eine Botte unterhalb der Scaravazza mit einander verbunden sind. Die Heranfahrung der grossen Masse frischen Gebirgs-- wassers wird der Stadt Terracina sowohl im Allgemeinen sehr förderlich sein, als auch speciell dadurch, dass die jetzige Anhäufung von Seepflanzen, welche im Kanal dicht an der Stadt faulend die Luft verpesten, nicht mehr stattfinden kann. S 2. Das Quellgebiet des Amazeno, der Tepia ete. Charakteristisch für jene Gegenden sind kurze, aber intensive Regengüsse. Unglaublich wilde Wassermassen stürzen von den ganz öden steilen Volsker-Bergen herab, schleppen Steine von !/,n ebm mit sich fort und über- schwemmen die Pontinische Niederung. Damit die zukünftigen peripherischen Gräben ihre Aufgaben leichter erfüllen, diese Hochfluthen vom Sumpf- boden besser fern halten können, sind letztere vortheilhaft schon in ihrem Ursprunge zu bekämpfen, gewissermassen in die Länge auseinander zu ziehen. Bisher dauert der Abfluss der wilden Gewässer 21/, Tag; man wird viel ge- wonnen haben, wenn man ihn auf etwa 4 Tage verlang- samt. Das schlimmste aller Bergwässer ist der Amazeno. Er allein lieferte bisher bei Hochwasser die Hälfte der totalen Wassermasse des Portatore dı Badino, nämlich 89 von 180 cbm per Secunde. Zu gewöhnlichen Zeiten be- theiligt er sich an den 32 cbm des Portatore mit nur X cbm. Um die Bergwässer zu bekämpfen ist nöthig: 1. Vegetation. Es wird nicht unmöglich sein, von Sachverständigen einige, wenn auch sonst geringwerthige Pflanzen ausfindig machen zu lassen, welche in den x y h Re Er 2r nu ls 04 2 Dan. au u Die Pontinischen Sümpfe. Hr Volskergebirgen, speciell im Amazeno-Gebiet fortkommen; z. B. Opuntien-Cactus, dessen Früchte für Menschen, Blätter für das Vieh nutzbar sind; 2. in den oberen Gebirgstheilen, namentlich in den Giessbächen, einige tausend kleiner Regenfänge, Löcher von einem cbm Inhalt durch eine Roburit-Patrone ge- sprengt, mit der Bestimmung, das Wasser oben festzu- halten und zur Einsickerung in den risse- und höhlen- reichen Kalkfelsen zu bringen. Diese Einrichtung wird nicht nur die Hochfluten direkt verringern, sondern auch für die Vegetation sowohl in der unmittelbaren Nachbar- schaft als auch in den tieferen Theilen, wo das in den Höhlen aufgespeicherte Wasser voraussichtlich als ruhig fliessende permanente Quellen wieder zu Tage treten wird, sehr vortheilhaft sein und endlich durch die entstehenden Terrassen die Geschwindigkeit des Wassers mässigen, den Schutt oben festhalten, die unteren Thäler davor bewahren; 3. eventuell grössere Anstauungen für besonders heftige Regengüsse. Sie sind in den untereu Theilen einzelner (nicht aller) Amazeno-Zuflüsse vorzubereiten: aber nur bei besonders günstigen Bedingungen, nämlich wenn am unteren Finde möglichst horizontaler weiter Thalkessel sich enge Stellen vorfinden, welche sich mittelst starker gepflasterter Dämme von etwa 3 m Höhe, grössere Höhen sind sehr theuer und sehr gefährlich, wirkungs- voll und leicht coupiren lassen. Diese Dämme haben eine bis auf den Grund reichende Schleusenthüre oder ganz unten ein Durchlassrohr (mit Klappe), durch welches das Wasser zu gewöhnlichen Zeiten abfliesst. Gewöhn- lich liegt also der Bassinraum trocken. Bei starken Regengüssen wird die Schleusenthüre (Durchlassklappe) geschlossen, entweder durch einen Wärter oder selbst- thätig, indem das breiter, also auch von den Seiten heranströmende Wasser die Thüre erfasst und zudrückt. Während nun von den andern nicht coupirten Zu- Hüssen des Amazeno das Wasser in der bisherigen Weise glatt abfliesst, wird es hier in jenen Thalkesseln zu kleinen Bergseen in beträchtlicher Quantität vorläufig festgehalten. Erreicht die Anstauung die Krone des Dammes, so gleitet der weitere Zufluss ungefährlich über die Pflasterung hinweg und kann eventuell in einem tieferen Bassin ge- sammelt werden. Die angestauten Wassermassen kann man beliebig, ‚sobald die ungesperrten Zuflüsse wieder schwächer werden, folgen lassen. Es ist darauf zu halten, dass die Benutzung dieser Reservoirs eine sparsame sei und dass das ange- m F. M. von Donat. staute Wasser möglichst bald abfliesse, damit die Becken schnell und vollzählig für etwa folgende noch stärkere Regengüsse wieder zur Verfügung stehen. Auf diese Weise wird man das Hochwasser des Amazeno auf längere Zeit vertheilen, leichter bemeistern, in den peripherischen Kanal einzwängen können. Aehnliche Einrichtungen werden sich auch in anderen Gebirgstheilen empfehlen, welche ihre Gewässer übermässig wild in die Pontinische Niederung senden: Tepia, Fosso di Sermonetta, di Basciano, Venereo etc. Dadurch werden die Ueberschwemmungen und Kies- Ablagerungen auf dem campo di Sermonetta und dem Piscinara-Terrain in Zukunft verhindert, — die Einmündung der Cavata in den Sisto ganz ungefährlich gemacht werden. Ss 5.. Glättung der Gräben. Die vorhandenen, glücklicher Weise so zahlreichen Gräben im Sumpfterrain sind für den Abfluss des Regen- und Quellwassers, sowie etwaiger Ueberfluthungen aus den peripherischen Gräben zu conserviren und zu glätten. Eine allgemeine Vertiefung wäre zwecklos. Die unteren Gräben reichen mit ihrer Sohle bereits bis unter das Meeres-Niveau. Ebenso dürften die oberen Gräben im Allgemeinen tief genug sein, um sobald sie leer oder doch minder voll sein werden, das stagnirende Wasser ihres-Nachbarterrains an sich zu ziehen und abzuleiten. Ueberdies muss des Gefälles wegen die Sohle der oberen Gräben ihre Ueberhöhung der unteren möglichst conser- viren. Nur in sehr beschränktem Masse dürfte eine lokale Vertiefung der Gräben wünschenswerth sein, z. B. die Linea Pio bei Fs. Migliare 57, wo ihr Grund, nachdem er sich weiter oberhalb bereits bis — 0,8 m gesenkt hatte, wieder auf--0,7 sich erhebt (cf. Prony. Atlas, Plan II und lII 8. und 9. Folge.) Die betreffenden Buckel werden sich am besten erst nach Ablenkung der äusseren Gewässer markiren und sehr. leicht zu entfernen sein. Ein grösseres Hinderniss für den Abfluss sind die Wasserpflanzen, welche unglaublich wuchernd die Gräben gradezu verfilzen. Prony sah mit eigenen Augen, wie das Schneiden der Wasserpflanzen in einem Kanal dessen Wasser um 0,5 m fallen liess. Bald darauf war aber alles wieder zugewachsen, und das Wasser stand in der früheren Höhe. Die Pontinischen Sümpfe. \ 13 Zur Bekämpfung der Wasserpflanzen wird jetzt noch das unendlich komische, antidiluvianische Mittel ange- wandt, Büffelheerden in den Kanälen entlang zu treiben. Rationellere, wirksamere Massregeln müssen dafür ein- treten. Nach Ableitung der äusseren Zuflüsse ‘werden grosse Strecken der höher gelegenen Innen-Gräben für ge- wöhnlich von selbst trocken liegen, oder durch eine kleine, durch den Graben-Plug (Fowler) herzustellende Cünette, welche für die geringen Sammelwasser genügt, trocken gemacht werden. Hier werden also die Wasserpflanzen von selbst verschwinden. Das dadurch gewonnene nicht unerhebliche Areal kann ausgenutzt werden und zwar durch Gras oder niedrig wachsende Früchte, damit die Gräben für den Ab- fluss etwaiger Ueberschwemmungswasser glatt bleiben. Aus dem unteren Theil der Gräben, namentlich wo, wie gesagt, die Sohle unter das Meeres-Niveau hinabreicht, wird das Wasser selbstverständlich nicht zu entfernen sein. Und der Wuchs der Wasserpflanzen wird wegen Verminderung der Strömung vielleicht noch sich steigern. Aber man kann ihnen wegen der verringerten Tiefe auch leichter beikommen. Es dürften sich dazu empfehlen: Pflüge oder schwere Eggen, durch welche die Sohlen der Gräben bei Beginn der hauptsächlichen Wachs-Periode zeitweise umgeackert, die Pflanzen in ihren ersten Schösslingen zerstört werden. Gezogen wird die Egge entweder durch Büffel, welche beiderseits auf den Ufern marschiren, oder durch Loko- mobilen. (Deren Verankerung und Verwendung wird erleichtert, wenn gleichzeitig zwei Eggen aus entgegen- gesetzter Richtung an die Lokomobile herangezogen werden. — Bei gehöriger Ueberlegung wird jede Auf- stellung der Lokomobilen für mehrere. Strecken und auch bald für die vielseitigen anderweitigen Zwecke des land- wirthschaftlichen Betriebes auszunutzen sein. 8 5.) Mit grossen Pflügen (eventuell mit Dampf gezogener Moorpflug) wird man auch sonst in dem lockeren Boden ‚kleinere Gräben und die Cünetten in grösseren halb- trockenen herstellen, — die nassen Gräben wo nöthig ver- tiefen, erweitern, reguliren, — selbst das Aufwerfen von Dämmen vorbereiten "können. Namentlich da, wo die Gräben zu tief sind, um durch Pilüge die Wasserpflanzen zu vernichten, aber auch da, wo man aus anderen Gründen ihrer nicht Herr werden kann: sind die Wasserpflanzen durch Versenkung von 14 F. M. von Donat. Sand, Gestein, grossen flachen Ziegeln (Lehm- und Thon- lager sind reichlich vorhanden) zu ersticken. Sollten die Kanäle und Gräben bei lang andauernder Dürre einer Auffrischung (noch ausser der Uffente und des Cavata-Theils) bedürfen, so ist sie durch Heber leicht und ungefährlich den peripherischen Gräben zu entnehmen. Namentlich das harte, gasreiche Wasser der Uffente und anderer starker Quellen am Rande wird auch dem Öy Pflanzenwuchs schädlich sein. Prony versichert ja sogar, x dass es in der Vorzeit das harte Stratum unter dem ;- Pontinischen Moor gebildet habe. S 4. Ausschluss der Kolmaten (Auflandungen), Ent- wässerung der tiefsten Terraintheile. Sobald die Aussenwässer durch die Anlagen der $$ 1 und 2 unschädlich gemacht, sobald das Niederschlags- = und etwaige Quellwasser durch Glättung der Gräben gleichmässigen und ungestörten Abfluss findet, wird fast das ganze Gebiet des Pontinischen Landes trocken liegen. Dies trifft zu bei allem Terrain, welches 1 m, und ausserdem noch für jeden Kilometer Entfernung vom Meere etwa 7 em hoch ist. Nur einzelne, verhältnissmässig kleine Theile bedürfen künstlicher Nachhilfe Ihre Grenzen müssen in voraus etwas reichlich bemessen, können genau erst nach Aus- führung jener Arbeiten bestimmt werden. Denn durch die Trockenlesung wird eine weitere Erniedrigung ein- treten. Der Pontinische Torf schrumpft nämlich bei absoluter Wasserentziehung auf die Hälfte seines Volumens zusammen. Die oberste Schicht von 1 m Dicke wird also bei der Kultivirung auf ca. 0,7 m eintrocknen. (Die tieferen Schichten bewahren — $ 5 günstiger Weise! — ihr Wasser, da bei der Verdunstung im Terrain die Kapillar-Kraft nicht tiefer als 1 m wirkt). = Es ist entschieden zu verwerfen, an den tiefen Stellen 3 fernerhin Kolmaten anzuwenden. Denn sie verhindern die = völlige Gesundung der Luft, verringern die Totalwärme des ganzen Landstrichs und sind deshalb, ebenso wie wegen der Durchsickerung des moorigen Grundes, der Trocken- legung des Gesammtterrains hinderlich. — Anderweitig, z. B. bei Grossetto, wo die Kolmaten einen schnellen Erfolg haben, kann man diese Uebelstände ertragen. Aberin den Pontinischen Landen ist ihr Effekt viel zu langsam, weil die Gewässer grösstentheils von den öden, nakten volskischen ; ar u er a % ’ # Wr EN FR 2 7 ge” A EN EEE Di, = Die Pontinischen Sümpfe. 15 ei _ Felsgebirgen herab stürzen und so gut wie keinen Schlamm mitbringen.*) Der Amazeno ist zwar oft intensiv braun gefärbt, sein Aussehen täuscht aber. Dieses stammt nämlich nicht von reichlichen erdigen Bestandtheilen, sondern von einer aufgelösten Ockerfarbe. Die Sedimente ”*) sind verschwindend geringe. Allerbesten Falls erreicht man, wenn man das Wasser gut heranführt, jährlich 0,02 m Erhöhung, so dass z. B. die Canete, welche stellenweise noch unter den Meeresspiegel hinabreicht, 60 Jahre Kolmaten brauchen würde, um eine genügende Höhe zu erlangen. Und während dieser 60 Jahre könnte auch das übrige Pontinische Land nicht ordentlich kolonisirt und rationell bebaut werden, sodass eine ganze Menge Millionen an Renten verloren gingen, — während dieser 60 Jahre müsste das unglückliche ganz nahe Terracina die Giftluft athmen! Es ist sehr schön, für die Zukunft zu sorgen, — aber man darf nicht unnöthig die ganze lebende Generation am Fieber dahinsiechen lassen, Hunderttausenden ihr reichliches tägliches Brod vorenthalten! Durch vernünftigere Massregeln kann dem Lande und seinen Nachbarn innerhalb zweier Jahre geholfen werden. Die Kultur des Pon- tinischen Landes verlangt wegen der Luft unbedingt, dass die Trockenlegungsarbeiten mit grösster Beschleunigung ausgeführt, überall gleichzeitig in Angriff genommen werden, — dass auch der letzte Tümpel, der letzter Fleck nasser Wiese verschwinde. Da darf man offenbar nicht von Neuem grosse Wassermassen ausbreiten, einsickern lassen und zur Verdunstung bringen! Statt der Kolmaten schlage ich vor: Isolirung jener tiefen Terrains durch kleine geschlossene Dämme. Diese werden nach Ausführung der in den SS 1, 2 und 3 vor- geschlagenen Massregeln nur sehr geringer Dimensionen bedürfen, überaus billig hergestellt werden können. ‘Die isolirten Terrains werden nach kleinen Höhen- Differenzen verschieden behandelt. *) Anders die von den Albanerbergen herstammenden, die _ Piscinera (wo allein Kolmation angebracht) durchfliessenden, durch den Sisto mündenden Flüsschen Tepia und Fosso di Cisterna. **) cir. das memoire Rapinis, Prony, XXIX: la matiere colorante qui faisait paraitre l’eau si trouble, s’etait reduite & un voile si mince qu ’on ne pouvait pas m&me la comparer a l’epaisseur d’une feuille de papier. 16 En M. von Donat. Diejenigen, welche ausser 0,07 m pro Kilometer fernung vom Meere, wenigstens noch 0,6 m hoch werden unter normalen Verhältnissen noch Abfluss he Dieser aber wird sich bei stark bewegter See*) (die bis auf 8000 m aufwärts bemerkbar macht) oder heftigen Regengüssen sogar in Rückströmung verwandel Für solche Terrains genügt es, ein Siel, eine Schleusen- thür oder eine communicirende Röhre (event. auch ei 3 Heber) mit Ventil im Isolirdamm anzubringen, welches sic 125 nur nach Aussen Öffnet, also den Abfluss gestatten abe: von jeder Rückströmung zugedrückt wird. > a Diese Anordnung wird z. B. für die Ufer des. mittleren Portatore, für das Dreieck zwischen Seleella; 1 Schiazza und Fs. Migliare 50 genügen. (Es wäre zu überlegen, ob statt vieler Hier einzige grosse Schleuse bei Badino, oder drei Schle im Canale delle Volte, im Portatore und im Mortieino zurichten seien. Bei stürmischer See geschlossen, wür: sie Rückströmungen verhüten. Der nach eingetretener Ruhe, oder nach andern periodischen Sperrungen, 'erfo gende plötzliche schnellere Abfluss des angesammelten Wassers wäre der Reinigung der Kanäle, der Entfernung. der durch die Pflüge zerstörten Wasserpflanzen vielleicht recht vortheilhaft. Ausserdem würde er jede Auffrischung der Gräben bei grosser Hitze durch Wasserzufuhr von aussen entbehrlich machen. Denn bekanntlich schützt « die” blosse. Bewegung des Wassers vor der u von Miasmen). & Es giebt aber auch so niedrige Stellen im Po nischen Lande, dass sie selten oder gar nicht Abfluss haben; z. B. ein grosser Theil der Canete, ein. Streifen von 1 00 m Breite nördlich längs des Canale delle Volte, das Terrain**) zwischen Selcella und Schiazza re Fossen Migliaren 48 und 50. | FR In das Innere derselben kommt ein eigenes System Be . von genügend tiefen Rinnen mit einem Sammelgraben LE. Pe ) Nach offiziellem statistischen Material ist die See = jährlich im Durchschnitt 15 Tage „stürmisch“ (Rückstau u - und 30 Tage „bewegt“ (Rückstau 30 bis 40 cm).“. k R **) Bezüglich dieses Terrains bestehen unsere Di: renzen zwischen der Karte des Istituto geografico militare, w Höhenzahlen wie 0,5 und 0,7 giebt und‘ den" Nivellements Bonificazione —+ 1,78 bis 230. Tedenfalls* ist im Winter‘ Sumpf. Die Bonification hält auf Grund erneuter‘ . 11 Angaben: aufrecht. { ür Naturkunde e nr a Fe egnber Er ER See des Vorstands herausgegeben = = von Dr. Karl Ackermann, a 5 . Oberrealschuldirector 8 D., Ehrenvorsitzendem des Vereins. p = £ Kassel 1899. Verlag des Vereins. z u % Druck von L Deu. Prof. der Zoologie Dr. Carl Claus. "Abhandlungen und Bericht ALIII des Vereins für Naturkunde zu Kassel über das 65. Vereinsjahr 1898 —99. Im Namen des Vorstands herausgegeben von Dr. Karl Ackermann, Oberrealschuldirector a. D., Ehrenvorsitzendem des Vereins (Mit 2 Textabbildungen und 1 Porträt.) Ze Kassel 1899. Verlag des Vereins. Druck von L. Döll. Imhmarlt: Abhandlungen. Seite . Bibliotheca hassiaca. Hessische landeskundliche Litteratur. 9. Nachtrag (Schluss). Von Dr. K. Ackermann . RR 1 . Die Fauna der europäischen Höhlen. Von Dr. Ludwigs Weber. (Mit 1 Abb.) 17 3. Pflanzenwanderungen im Tertiär urn Quartär Kind are Ur- sachen. Von Fr. Döhle. (Mit 1 Bilde). 33 . Ueber die in der Umgebung von Kassel Vorkommendeh Gräser u. Gyperaceen (Fortsetzung). Von Dr. C. Laubinger. 51 . Die Laubmoose der Umgegend von Kassel. Von demselben. 55 . Ueber die Gliederung der Flora von Hessen u. Nassau. Von M. Zeiske in Ziegenhain . RE a re Ar 62 . Hofrath Prof. Dr. Carl Claus. Selbstbiographie, vollendet von Prof. Dr. Alth in Wien. (Mit dem Porträt Claus’ und Anhang: Verzeichniss seiner Publikationen 1—35 Bericht über Stand und Gang des Vereinslebens, die Mit- glieder, den litterarischen Verkehr; Nekrologe und Uebersicht über die 1898—99 in den Sitzungen gehaltenen Vorträge. Vom Herausgeber Dir. a. D. Dr. Ackermann ... -XXWV 2 DE at ıry 1% ß N EM : = BR Dar, j Y BIBLIOTHEGA HASSIACA, IUNIANANNMNNNNTITINANNNNNNANNNNNNNNNNNNNNNANANNNININMNNNNNN unnnnn Repertorium der landeskundliehen Litteratur für den Preuss. Regierungsbezirk Kassel, das ehemalige Kurfürstenthum Hessen. Herausgegeben von Dr. Karl Ackermann, Oberrealschuldirector i. P. zu Kassel. — ie — Neunter und letzter Nachtrag. nn Kassel, 1899. Selbstverlag des Herausgebers (Ständeplatz 15). Morwort Als ich s. Z. dem Auftrag des Centralausschusses für wissenschaftliche Landeskunde, eine Zusammenstellung der landeskundlichen Bibliographie für unser Hessenland zu be- sorgen, nachkam, hielt ich mich an die Goethe’sche Mahnung: „Das Mögliche soll der Entschluss Beherzt sogleich am Schopfe fassen ; Er will es dann nicht fahren lassen Und wirket weiter, weil er muss“. Wenn ich die Arbeit jetzt nun als beendigt ansehe und mit dem vorliegenden neunten Nachtrag abschliesse, so mag ebenfalls ein Goethe’sches Wort diesem Schlusstheil das Geleit geben: „Solch eine Arbeit wird niemals fertig; man muss sie für fertig erklären, wenn man nach Zeit und Umständen das Möglichste gethan hat“. Für freundliche Unterstützung bei diesem Nachtrag habe ich zu danken den Herren Schulrektor Bach hier, Major z. D. von und zu Loewenstein hier, Oberlehrer a.D. G. Th. Dithmar in Marburg, Prof. Dr. E. Gerland in Klausthal und Prof. Dr. P. Weinmeister in Leipzig. Die betr. Citate sind mit den Anfangsbuchstaben dieser Namen unterzeichnet. Es bleibt mir noch übrig, hier einige in früheren Nachträgen übersehene Druckfehler zu verbessern: Nachtrag I, S. 41 Z. 9 v. o. lies 1000 statt 100. VII, „12 „ 3 u.&v.o.sind vorZ.1u. 2 zu setzen. VII, „20 „15 v. u. hinter Zeit schalte ein: Bd. 2, Mitteldeutschland. e VII, „26 „20 v.o. lies Ausfeld statt Ansfeld. Kassel, Mitte Februar 1899. A. DR) Von weiter erschienenen landeskundlichen Biblio- graphien sind mir bekannt geworden: Sachsen. Richler, Dr. P. E.,, Litteratur der Landes- und Volkskunde des Königreichs Sachsen. Nachtrag II. 1894. — Nachtrag III. Dresden, A. Huhle 1898. Baden. Eck, Verzeichniss der mineralogischen, geognostischen, vorgeschichtlichen und balneographischen Litteratur von Baden, Württemberg, Hohenzollern und einigen angrenzen- den Gegenden (geschlossen 15. V. 98). (452 S.) Heidel- berg, Winter. 9 M. Schlesien. Parisch, Prof. Dr. J., Litteratur der Landes- und Volkskunde der Provinz Schlesien. Heft 3 ff. Breslau, Aderholz 1893—1898. Nordböhmen. Hanitschel, Dr. F., Repertorium der landes- kundlichen Litteratur für das Gebiet des Nordböhmischen Excursionsclubs. Schlusstheil. Mittheilungen dieses Clubs XVI. Jahrg. (35 S.) Böhmisch-Leipa. Oberösterreich. Conmenda, Prof. H., Materialien zur landes- kundlichen Bibliographie Oberösterreichs. (231 S.) Linz, Museum Francisco-Carolinum. 1891. 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Deschauer, J., Beiträge zur Klimatologie Fulda’s u. seiner Nachbarstationen. — Bericht VIII des Vereins für Natur- kunde in Fulda. S. 1—102. Fulda 1898. 5. Pflanzenverbreitung. Sadebeck, Rich., Rothes Wasser aus einem Teiche bei Nenters- hausen bei Bebra. — 53. Jahresbericht der schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur S. 107—108. Breslau 1875. Reiner, A., Die Heimat der Hochalpenflora.. — Prometheus, Jahrg. VII, Nr. 50, S. 786 ff. (Erwähnt S. 789 Gentiana verna als im hügeligen Kurhessen vorkommend.) Berlin 1897. 8 Dr. Ackermann, Repertorium. — B. Bewohner. Goldschmidt, M., Zur Flora des Rhöngebirges. — Deutsche Botan. Monatsschrift, her. v. Leimbach, XV. Jahrg., Heft 7 u. 10, S. 208 und '273. Berlin 1897. Zeiske, M., Die Trift- u. Felsformationen des N, — Abh. u. Bericht 42 des Vereins f. Naturkunde zu Kassel, herausg. v. Dr. Ackermann 8. 69—76 und 43, S. 23 —42. Kassel 1897, bezw. 1898. Koch, Beiträge zur Kenntniss der deutschen Pflanzenwelt. — Mittheilungen des Thüringischen bot. 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Kassel) für die Jahre 1893 bis 1897. (206 S.) Kassel 1897, Druck von Weber & Weidemeyer. 8°. (206 S.) Canthal, F., Vortrag über die industrielle Entwicklung Hanaus u. die Thätigkeit der Handelskammer das. in den 25 Jahren ihres Bestehens. Hanau, Druck v. Kittsteiner 1896. B. Bewohner. — 1. Statistik etc. 2. Wirthschaftliche Cultur. 9 Denkschrift zum Jubiläum d. Hanauer Handelskammer. (132 8.) Ebenda. Beck, L., Die Geschichte des Eisens in technischer und kultur- geschichtlicher Beziehung. 3 Bde. Braunschweig 1884—97. (Enth. viel Hessisches.) B. 2. e, Münzwesen. Weinmeister, P., Zwei seltene Münzen von Hessen-Marburg. (Mit Abb.) Hessenland XI, Nr. 14. Kassel 1897. Weinmeister, P., Die Kupfermarken Wilhelms IV. von Hessen- Kassel. — Tewes, num.-sphr. Anzeiger S. 87. Hannover. 1897. Buchenau, H., Hohlpfennige der Grafen von Ziegenhain. (Mit Abb.) — Blätter für Münzfreunde. 33. Jahrg. Nr. 222. Dresden 1897. Buchenau, H., Ein unbekannter Dickpfennig des ersten Land- grafen von Hessen aus der Münze zu Wolfhagen. — Tewes, 'numism.-sphragist. Anz. S. 83—87. Hannover 1897. Suchier, It., Die Münzen der Grafen von Hanau. (116 S. mit 20 Lichtdrucktaf) Hanau, Geschichtsverein. 1897. 6,00. v. Höfken, Münzsammlung (hessische) der Residenzstadt Kassel. — Monatsblatt der numism. Gesellschaft in Wien Nr. 178, Mai 1898, S. 221. Weinmeister, P., Schicksale von (hessischen) Münzen. — Hessenland XII, Nr. 3 u. 4. Kassel 1898. B. 3. a. Religions- und Kirchenwesen. Denhard, B., Geschichte der Entwicklung des Christenthums in den hessischen Ländern bis zu deren Theilung mit be- sonderer Berücksichtigung der hessischen Kirchenverfassung. Frankfurt a. M. 1847. DL Fübsam, Hessen. — Im 5. Bd. der .zweiten Auflage des Kirchenlexikons von Wetzer u. Welde. Freiburg i. B, Herder. Ordnung für die Feier der Einweihung der neuen lutherischen Kirche zu Kassel am Sonntag den 28. XI. 97. (15 S.) (Mit Bild der Kirche.) Kassel 1897. 10 Dr. Ackermann, Repertorium. — B. Bewohner. B. 3. b. Schulwesen. Wiltich, Rede bei der Einweihung eines neuen Garnison- Schulgebäudes und einer zugleich erweiterten Schulanstalt, gehalten am 16. Nov. 1803. Kassel, Griesbach 1803. Colombel, H.,, Vitam M. Rhabani Mauri primi Germaniae praeceptoris etc. et. — Progr. Gymn. Hadamar 1856. BE: Hartwig, Th., Die Hofschule zu Kassel unter Landgraf Moritz (88 S.) — Progr. Gymn. Hersfeld 1865. (Schon im Nach- trag 1, S. 25 als Inaug.-Diss. aufgeführt.) Caesar, ©. J., Statuta facultatum Marburgensium specialia anno 1653 promulgata 4° Marburg (Festschrift) 1868. v. L. Suchier, H., Statuta, leges et privilegia Universitatis Rin- telensis. — Progr. Gymnas. Rinteln 1880. v. 1. Klingender, A., Das Prediger-Seminar zu Hofgeismar 1891 bis 1896. Eine Darstellung seiner Geschichte und der in ihm gepflegten Studien. (50 S.) Kassel, Hof- u. Waisen- haus-Druckerei 1897. 2 Lotz, H., Die Hochschule zu Fulda. — Hessenland XI, Nr. 5-7. Kassel 1898. v. Dümmler, E., Prof. Dr. Geh. Reg.-R., Hrabanstudien. — Sitzungsber. Kgl. preuss. Akad. d. Wissenschaften Berlin 1898, Heft I—III, S. 24—42. B. 3. c. Wissenschaft u. Kunst incl. Sammlungen u. Vereine. Scherer, K., Die Wilhelmshöher Schlossbibliothek. . Ein Blick auf ihre Geschichte und ihre Schätze. — Zeitschr. f. Bücher- freunde. Jahrg. 1, Heft 5 (August), S. 255-263. Leipzig, Velhagen & Kl. 1897. 4. Volksthümliches. (Sagen, Sitten etc.) Grebe, E. R., Der hessische Volkscharakter im Lichte der Vergangenheit und Gegenwart. Vortrag. (46 S.) Melsungen, Hopf. 1896. 0,30. ‚Schleucher, F., Hohenstaufen. Ein Kranz der schönsten Hohenstaufen-Sagen aus dem Kinzigthale.e Gelnhausen, Wettig. 1897. C. Eigentl. Landes- u. Ortskunde. 1. Gesammthessen etc. 11 Büff, L., Hessisches Leben in Sage u. Sitte. — Mitthl. Ver. hess. Gesch. u. L. 1897, 8. 31—41. Kassel 1898. Jonas, Fimf Geschichderchen vun Kasselänern. (128 8.) Kassel, L. Döll. 1899. Geb. 1,80. 5. Allgemeingeschichtliches. Böhlau, J., u. F. v. @rilsa, Neolithische Denkmäler aus Hessen. Mit 7 Taf. u. 31 Textabb. Kassel 189. Vonderau, Pfahlbaufunde bei Fulda. — Bericht VIII des Ver- eins für Naturkunde in Fulda S. XXIV—XXVI. Fulda 1898. C. Eigentliche Landes- und Ortskunde. 1. Gesammthessen oder grössere Theile. Denhard, B., Darstellung eines naturgemässen Lehrgang im erdkundlichen Unterricht unter Beifügung eines erläuternden Beispiels in der Beschreibung des hessisch- rheinischen Berg- u. Hügellands. (21 S.) — Progr. der höh. Mädchen- schule in Hanau 1861. | Val: Verzeichniss sämmtlicher Ortschaften der Prov. Hessen-Nassau, des Grossh. Hessen, des Fürstenthums Waldeck und des Kreises Wetzlar. Zum Dienstgebrauche für die Postanstalten bearb. (264 S.) Berlin, gedr. in der Reichsdruckerei. 1896. Städteordnung für die Provinz Hessen-Nassau. Vom 4. Aug. 1897, nebst Einführungsanweisung vom 4. Oct. 97. Amtl. Ausg. Berlin, Heymann. (53 8.) 1,00. dies. Textausgabe. 16° (62 S.) Wiesbaden. Limbarth. 0,40. — Mit ausf. Anm. (147 S:) Ebda 1,50, dies. Mit Erläuterungen von Antoni. (185 S.) Marburg, Elwert 1897. 2,50. Landgemeindeordnung für die Provinz Hessen-Nassau. Vom 4. Aug. 1897, nebst Ausführungsanweisung etc. etc. Amt- liche Ausgabe. (73 S.) Berlin, Heymann 1897. 1,00. dieselbe. Textausgabe. 16°. (85 S.) Wiesbaden, Limbarth. 0,50. — Textausgabe mit Anmerkungen etc. etc. (205 S.) Ebenda 1,60. dieselbe. Mit Erläuterungen. Von G. Antoni. (218 S.) Marburg, Elwert 1897. 2,50. | 12 Dr. Ackermann, Repertorium. — C. Eigentl. Landes- u. Ortskunde. Lohmeyer, E., Verzeichniss neuer Hessischer Literatur. Jahr- gang 1896 und Jahrg. 1897. — Mitth. Ver. hess. Gesch. 1896, S. I—LXI und 1897, S. I-LXIX. Kassel 1897 u. 1898. Lange, W. Chr., Alte Geschichten aus dem Lande zu Hessen. (154 S.) Kassel, Weber u. Weidemeyer 1898. 1,00. 2. Einzelne Orte. Allendorf. Kegel, G., Katholische Kapelle in Allendorf an der Werra. Mit 2 Abb. — Centralblatt der Bauverwaltung, Nr. 40, 8. 448. Berlin 1897. L. Altenburg. (. N., Altenburg (bei Gensungen). — Hessen- land XI. Nr. 2. Kassel 1897. Eschwege. Bierwirth, H. u. Schindewolf, Heimatskunde des Kreises Eschwege. Eschwege, Rossbach. 1897. 0,60. ‚BD. Frankenberg. Heldmann, A. Das Kloster S. Georgen- berg bei Frankenberg u. das dasige Augustinerinnenhanus. — Zeitschr. Ver. hess. Gesch. u. L. N. F. XXI, S. 409 bis 450. Kassel 1898. Fritzlar. Neuber, O., Die ältere Geschichte von Fritzlar. — Hessenland XI, Nr. 19—23. Kassel 1897. Fulda. Lemmens, Priester, Das Kloster der Benedictine- rinnen ad sanctam Mariam zu Fulda, in seiner geschicht- lichen Entwicklung dargestellt. (71 S. m. 1 Taf.) Fulda, Aktiendruckerei. 1899. 1,20. Georgenberg bei Frankenberg. Heldmann, Das Kloster Georgenberg und das dasige Augustinerinnenhaus. — Zeitschr. des Ver. für hess. Gesch. u. L. N. F. XXI, S. 409—450. Kassel, Freyschmidt 189. Gersield siehe Rhön. Gudensberg. Brunner, H., Geschichte der Stadt Gudens- berg und des Landgerichtes Maden. -— Mitthlgn. Ver. hess. Gesch. u. L. 1897, S. 89-131. (Mit Ans. nach Merian). Kassel 1898. Hanau. Winkler, A., Die Bau- u. Kunstdenkmäler der Stadt Hanau. Festschrift zum 300. Jubiläum. Mit Abb. Hanau, Alberti, 1896. 6,00. C. Eigentliche Landes- u. Ortskunde. — 2. Einzelne Orte 13 k. Die Feier zur Enthüllung des Brüder Grimm-Denkmals in Hanau am 18. X. 1896. — Frankfurter Zeitung vom 19. Oktober 1896. Schröder, E., Festvortrag des Prof. Dr. E. Schröder aus Marburg, gehalten zur Feier der Enthüllung des National- Denkmals der Brüder Grimm zu Hanau am 18. X. 96. — Beilage der Hanauer Zeitung Nr. 250. 1896. _ Anleel, O., Festzeitung zur 300j. Jubelfeier der Gründung der Neustadt Hanau. Hanau, König. 1897. Wiese, M. u. W. Schultz, Historischer Festzug zur 300]. Jubelfeier etc. etc. w. v. Hanau, Alberti 1897. 1,00. Ankel, O., Graf Philipp Ludwig II. u. die Gründung von Neuhanau. Programm der Öberrealschule Hanau. 1897. Büngner, Dir. Dr. O. v.,, Das Landkrankenhaus zu Hanau. Rede zur Eröffnung der Neubauten desselben. Mit Plänen eterete. (16 S. m. 4 Taf.) Lpz., Vogel. 1898. 1,00, Kassel u. Wilhelmshöhe. Historische Nachrichten von der Umschaffung des Weissensteins unter Anordnung des D. Landgrafen Wilhelms IX., seit Höchstdessen Regierungs- antritte den 31. Oct. 1785. (In der seit 1896 in der hiesigen Landesbibliothek untergebrachten Wilhelmshöher Schlossbibliothek.) Fesischrift zur 38. Hauptversammlung des Vereins Deutscher Ingenieure, Kassel 1897. Gewidmet vom hessischen Be- zirksverein. (176 S. mit zahlr. Lichtdrucken.) Druck von Weber & Weidemeyer. Enth. Topographie u. Geologie, hervor- ragende Bauten, Verkehrsverhältnisse, technische Anlagen, gewerb- liche Betriebe der Stadt Kassel u. Bergbau in Hessen. v. Stamford, K., Wie unsere Aue geworden ist. Vortrag. — Wörtlich abgedruckt im „Hessenland“ XI, Nr. 20—24. Aus- zug in Mittheilungen Ver. hess. Gesch. u. L. Jahrg. 1897, 8. 24—27. Kassel 1898. | ders, Plan der Moritzaue von 1686 mit Einzeichnung des Umrisses der späteren Anlage von 1786. (Zu vorigem geh.) Kassel, Freyschmidt 1897. 0,25. Frischh A., Zur Geschichte des sog. Forstes bei Kassel, insbes. auch als Ubungsplatzes der Truppen. Vortrag. — Kass. Tageblatt Nr. 56—58. Kassel 1897. v. Schmidt, J., Stadt und Festung Kassel im 16. Jahrhundert. Vortrag. — Hessenland XU, Nr. 1—5. Kassel 1898. Kissingen siehe Rhön. 14 Dr. Ackermann, Repertorium. — (C. Eigentl. Landes- u. Ortskunde. Krukenburg. Schwarzkopf, K., Anlage und Geschichte der Burg Krukenburg bei Karlshafen. — Mitthl. Ver. hess, Gesch. u. L. 1897, S. 27—30. Kassel 1898. Lichtenau. Das Amtsgericht in Hessisch-Lichtenau. — Centralblatt der Bauverwaltung 1896, Nr. 42 (Mit Abb.) Berlin, Ernst & Sohn. 1896. Siegel, C., Geschichte der Stadt Lichtenau in Hessen u. ihrer Umgebung nebst Nachrichten über die einzelnen Amtsorte u. einem Urkundenbuche Mit 3 K., 1 Plan, 2 Siegel- u. Wappentafeln, 3 Abb. (444 S.) — In Bd. XXU. N. F. der Zeitschr. f. hess. Gesch. u. Landeskunde. Kassel, Freyschmidt. 1897. Auch separat erschienen. (Ausf. Bespr. “ in „Hess. Bl.“ Nr. 2430. Melsungen 2. 3. 98). Marburg. Koch, J. A., Marburg in der Westentasche. Ein Führer. (32 S.) Marburg, Koch. 1896. Karte der Umgebung von Marburg 1 : 25000. Entw. von Krieger. Marburg, Ehrhardt 1896. 1,80. Schoof, W., Marburg, die Perle des Hessenlandes Mit Mit 1 Lichtdruck u. 22 Abb. im Text. Marburg, Elwert. 1898. 2,00. Mariendorf (bei Immenhausen). Friesland, K., Mariendorf, eine hessische Waldenserkolonie. — Mitthlgn. des Ver. f. hess. Gesch. u. L. 1896, S. 59—66. Kassel 1897. Möllenbeck siehe Wesergegend. Rheinfels. Dithmar, G. Th., Die Geschichte des Rheinfels. — Hessische Blätter Nr. 2479 u. 2480 (27. u. 31. August). Melsungen 1898. Rhön. Spiess, B., Die Rhön. Praktisches Reisehandbuch. 6. Aufl. Mit K. (100 S.) Meiningen 1897. 1,80. Schneider, J., Zur Geschichte der Stadt und Herrschaft Gers- feld. — Mitthlgn. Ver. hess. Gesch. u. L. 1897, 5. 73—88. Kassel 1898. Schumm, A., Die Ortsnamen von Kissingen und Umgebung. (16 S.) Kissingen, Weinberger 1898. 0,50. Sababurg. Das Jagdschloss S. in Kurhessen. — In: Sylvan, ein Jahrbuch für Forstmänner u. s. w. Herausg. v. Laurop u. Fischer. Marburg u. Kassel 1816, S. 102—115. Sooden. Lange, W. Ch., Zu den Sooden. Bad Sooden im unteren Werrathal u. seine nächste Umgebung. Mit 2 An- C. Eigentliche Landes- u. Ortskunde. — 2. Einzelne Orte. 15 sichten nach Photographieen. (81 S.) Kassel, Freyschmidt v. J. (1897). Thüringerwald. Regel, F., Thüringen. Ein geographisches Handbuch. 3 Theile. Jena, Fischer 1894—96. Bücker, Fr., Schloss Wilhelmsburg. Mit Abb. — Illustr. Zeitung Nr. 2793. Leipzig 9. 1. 1897. Triniu, A., Das grüne Herz Deutschlands (Thüringen). 15987 1,50. (Umfasst auch die Rhön, Fuldagegend, Kassel mit der Wilhelms- höhe und die Schwalm.) Regel, F., Thüringen. Ein landeskundlicher Grundriss. Mit Profiltafel u. 60 Abbild. Jena, Fischer 1898. 4,50. Matthias, R., Schmalkalden. — Thüringer Monatsblätter. Bd. V, S. 36—41. 1898. Wesergegend. AHeldmann, A., Das Kloster Möllenbeck in der Grafschaft Schaumburg, ein Gedenkblatt zur Tausend- jahrfeier seiner Stiftung. (70 S. m. Bild.) Rinteln, Bösen- dahl 1896. W. G., Eine Wanderung durch die Oberweserberge. — Tourist XIV, Nr. 13, S. 217—219. Berlin 1897. Wilhelmsburg siehe Thüringerwald. Wilhelmsthal. König, @., Wilhelmsthal. — In: Sylvan, ein Jahrbuch für Forstmänner etc., herausg. von CO. P. Laurop und V. F. Fischer. Marburg u. Kassel 1814, S. 119—127. Witzenhausen. Schröder, E., Die Stadt Witzenhausen im Mittelalter. — Hessenland XII, Nr. 17. Kassel 1898. Zierenberg. Lange, W. Ch, Die Stadt Zierenberg im 14. Jahrh. — Kasseler Allg. Zeitung 1896, Nr. 299-308. u > _ > Br7 > Dr. Ackermann, Repertorium. — Nachtrag, 16a v. V. v®. Zu A. 1 und 2 ist hinzuzufügen : , Sandberger, On a section of a Well at Kissingen. — Quarterly Journal of the geological society of London. XXV, p. 4-7. 1869. Sandberger, Dolerite bei Brückenau. — Neues Jahrb. f. Min. 1872, S. 73—76. Sandberger, Die prähistorische Zeit im Maingebiete. — Vortrag im Museum zu Frankfurt a. M. — Würzburger Gemeinnützige Wochenschrift 1875, No. 9—12. Sandberger, Gutachten über die geognostischen Verhält- nisse der Rhön, an die kgl. Regierung für Unterfranken u. Aschaffenburg erstattet im J. 1876. (23 S.) (Nicht im Buchhandel erschienen.) Sandberger, Mittheilung über die Steinheimer Planorbiden. Vortrag auf der 50. Naturf. Vers. zu München am 19. Septb. 1877. Amtl. Bericht S. 157 etc. Sandberger. Ueber die Braunkohlenformation der Rhön. — Berg- und Hüttemänn.-Zeitung XXXVIH, No. 21 bis 26. 1879. Sandberger, Der Kreuzberg in der Rhön. Vortrag im Rhönclub am 13. II. 1885. — Bericht darüber in der No 40 der „Würzburger Presse“ vom 16. II. 85. . Sandberger, Die Mineralquellen der Rhön. — „Würzburger Presse‘ No. 26 vom 26. I. 87. Sandberger, Cordierit in einem Einschluss des Basaltes von Fulda. — N. Jahrb. f. Min. 1890, I. Ss. 99—101. Zu A. 5 füge hinzu: Sandberger, Notizen zur Flora des Hanauer Oberlandes. — Ber. der Wetterauischen Gesellsch. f. ges. Nat. zu Hanau 1887 — 89. (5. S.) Kohl, F. G., Excursionsflora für Mitteldeutschland mit be- sonderer Angabe der Standorte in Hessen-Nassau, Ober- hessen und den angrenzenden Gebieten, sowie in der Um- gebung Marburgs. I. Bd. Kryptogamen (140 S.) — II. Bd. Phanerogamen (463 S.) Herabgesetzter Preis statt 8,75 bezw. 8,00 jetzt 4,75 bezw. 4,00. Gera, Zezschwitz (1899). 4 ya Abhandlungen. — Die Fauna der europäischen Höhlen. Vortrag gehalten am 14. November 1898 von Dr. med. Ludwig Weber. (Mit 1 Abbildung.) Gare finden wir nicht nur an den Orten, welche den NW) von unseren Sehnervenendigungen als Licht, von den Gefühlsnerven als Wärme empfundenen Strahlen der Sonne zugänglich sind, vor, auch finstere Lokalitäten beherbergen ihre Fauna. Welch eine ungeahnte Fülle neuer Gesichtspunkte schuf nicht die berühmte Challengerexpedition, deren unter Führung John Murray’s 1872—76 unternommene Unter- suchungen das Leben in der Tiefsee, wo kein Lichtstrahl mehr hindringt, enthüllten, wieviel Neues wird uns noch die jetzige unter der bewährten Leitung Chun’s stehende deutsche Tiefseeexpedition bringen ! In Stengeln, Stämmen, Samen- körnern findet die Entwickelung einer grossen Anzahl Tiere statt, deren ausgebildete Formen ebenfalls mitunter eine vom Licht abgeschlossene Existenz führen. Die lichtlosen Eingeweide der Tiere bevölkern parasitisch lebende Tiere, die zahlreichen Entozoen. Zahlreiche Fische, Amphibien, Reptilien, Krebse, Tausendfüsser, Spinnen, Insekten und noch sehr viele andere Tierformen niederer Organisation leben teils im Wasser, teils in der Erde im Dunkeln. Höhere Tiere suchen zur Ruhe dunkle Schlupfwinkel auf oder graben sich Höhlungen in der Erde aus, die wühlenden Nagetiere, der Eulenpapagei und viele andere. Andere höhere Tiere zeigen schon Veränderungen am Sehapparat, wie der Maulwurf oder der kürzlich hier von mir demonstrirte Blindmull (Spalax iyphlus), Veränderungen, die sich durch Anpassung an das grösstenteils unterirdische Leben ausgebildet haben. Und Hand in Hand mit dem fortschreitenden Verwitterungs- 2 18 Dr. med. Ludwig Weber. process der Erdrinde, mit der zunehmenden Erweiterung schon vorhandener Spalten und Hohlräume der Gesteine durch Eindringen von Wasser sind auch weiter zahlreiche zum Teil bereits subterrane tierische Organismen teils durch active Einwanderung, teils durch mechanische Einschwemmung in die Tiefen der Erde gelangt und haben dort in Brunnen, kellerartigen Räumen, Grotten und Schlünden in ewiger Nacht lebend eine eigenartige von der verwandten oberirdi- schen Fauna getrennt lebende Fauna gebildet, welche die Höhlenfauna im engeren Sinne vorstellt und Gegenstand der folgenden Skizzirung sein soll. Mit der Erforschung dieser Fauna, d. h. der jetzt noch lebenden — eine Betrachtung der Fauna der Vorzeit soll ausgeschlossen bleiben — hat sich der Mensch noch nicht sehr lange befasst. Die wissenschaftliche Kenntniss reicht kaum über 50 Jahre zurück. Der Naturmensch wich und weicht noch heute scheu den Geschöpfen in und unter der Erde aus. Sie haben für ihn etwas unheimliches, abschrecken- des. Die Sagen der Völker reden von Drachen in den Höhlen und noch heute ist in den von wallachischer Bevölkerung be- wohnten Höhlendistrikten Ungarns der draku oder der Teufel das gefürchtete Wesen, welches das Eindringen in die unterirdi- schen Räume als etwas gefährliches erscheinen lässt. Dass in- dess von den unterirdischen Höhlenformationen die Alten eine gewisse, wenn auch verschwommene Vorstellung haben mussten, geht aus mancherlei Darstellungen in Sage und Mythologie hervor, ich erinnere an die Sage von Minotaurus im Laby- rinth, an die Vorstellung, dass die Seelen der Verstorbenen über unterirdische Gewässer hinweg zur Unterwelt ziehen. Wer nur einmal eine leicht zugängliche grosse Höhle, etwa die Adelsberger oder die durch die Bemühungen unseres engeren Landsmanns Friedrich Müller in Triest aufge- schlossene Grottenwelt von St. Canzian bei Divacca besucht hat, wird es leicht begreiflich finden, dass eine solche Vorstellung Platz greifen konnte. Zeigten sich nun gar lebende, eigenartige Wesen, welche aus den unterirdischen Räumen hervorkamen, so war die vorgefasste, sagenhafte Meinung gekräftigt. So erzählt uns Valvasor*), dass eine Sage bestehe, wonach zwischen Loytsch und Oberlaybach, woselbst eine intermittirende Quelle vorkommt, ein Lindwurm im Berge sässe, welcher das Wasser, wenn es ihm zu reich- lich werde, austreibe. Hören wir, wie er die Unterredung *) Valvasor, Die Ehre des Hertzogthum Crain. Laybach 1689. l. Bd. 4tes Buch. Von den Naturraritäten dieses Landes. Die Landes- bibliothek hier besitzt ein Exemplar dieses geschätzten Werkes. Die Fauna der europäischen Höhlen. 19 mit dem Bauer schildert. „Auf die Frage, warum das Wasser alle Tage und Nacht nur ein Vierteil Stunde liefe, liess der eine Bauer seine Weisheit in dieser Antwort hören. Ich sehe wohl, sprach er, dass Ihr noch nicht gelehrt genug seid, weil Ihr dieses nicht wisset. Da Ihr doch gleichwohl so viel nun wisset, dass ein Lindwurm darinnen sey. Die Ursach ist diese: Es hat an einem Ort, wo der Lindwurm liegt, eine Brunnquelle. Wenn sich nun das Wasser sammelt und so gross wird, dass es dem Lindwurm zu viel wird, so treibt er das Wasser aus. Also geschieht und geht es fort und fort. Ich verbiss das Lachen, musste mich doch gleichwohl wundern, dass ein solcher grober Bauersmann, der weder lesen, noch schreiben könnte, auch selten zu Leuten kam, so viel Witzes hatte, mir eine solche, zwar ganz falsche und nichtige, doch für einen solchen Klotz und Runkus noch genug subtile und vernünftige Ursach zu geben. Derohalben liess ich mich mit diesem ehrbaren Dorf Physico und Paradoxisten weiter ein“ u. so fort. Thatsächlich waren, wie sich herausstellte, mit dem Wasser die damals noch gänzlich unbekannten Grottenolme, welche die Leute für junge Lindwürmer gehalten hatten, aus- geworfen worden. Der junge Lindwurm war eine Spanne lang gewesen und „einer Eydechsen gleich geformirt gewest“. Ich erwähne diese kleine Episode ausführlicher, weil mit der Entdeckung des Olms, den, wie gesagt, Valvasor zuerst erwähnt, die Geschichte der Höhlenforschung beginnt. Wissen- schaftlich wurde der Olm zuerst 1768 von Laurenti als Pro- teus anguineus beschrieben, dann gewissermassen zum zweiten Male in die Wissenschaft neu eingeführt von dem um die Höhlenforschung hochverdienten Grafen von Hohenwart, dem wir auch die Entdeckung des ersten Höhlenkäfers des Lepioderus Hohenwartı im Jahre 1831 verdanken. Seit dieser Zeit wurde zuerst die Österreichisch-ungarische Fauna der Höhlen von den Oesterreichern Fürst Khevenhüller, H. Schmidt, F. Schmidt, Bilimeki, Hampe, Kollas u. A., von den Ungarn Imre und Jänos Frivaldszky, ferner von noch lebenden Naturforschern, wie Ganglbauer, Reitter, Apfelbeck, Merkl, Latzel, Tömösvary u. A. durchforscht. Von deutschen Autoren sind weniger zu nennen, unter ihnen der berühmte Spinnenkenner L. Koch, sowie Fries, welcher die schwäbischen Höhlen untersuchte, Frln. von Chauvin, welche die Begattung und Entwickelungs- geschichte der Olme*) zuerst klarlegte und der vielfach als *, Marie von Chauvin, Die Art der Fortpflanzung des Pro- teus anguineus. Zeitschr. f. wiss. Zoologie 1883. Bd. 38. 2% 20 Dr. med. Ludwig Weber. Märchenerzähler angegriffene, aber doch sicher verdienstvolle Breslauer Arzt Dr. Joseph. Leydig gab die ersten ana- tomischen Daten über die Morphologie der Sinnesorgane. In neuerer Zeit sind von französischen und italienischen For- schern recht zahlreiche Beiträge zur Erforschung der Höhlen- fauna geliefert worden. Aus Amerika waren es besonders Pakard und Anderer Untersuchungen über die Fauna der Mammuthshöhle in Kentuky, einer Höhle, welche an Grösse nur von der Agsgteleker Höhle in den ungarischen Kar- pathen übertroffen werden soll. Eine zusammenfassende Darstellung mit fast vollständigen Literaturangaben und wertvollen eignen Untersuchungen lieferte Professor Hamann in seiner Europäischen Höhlenfauna*), welcher ich auch bei meinem heutigen Vortrage mehrfach gefolgt bin. Gehen wir nun zu den in den Höhlen vorkommenden Geschöpfen über, so finden wir unter ihnen Protozoen, Coe- lenteraten, Würmer, Gliedertiere, Weichtiere und Wirbeltiere, so dass von den grossen Tiertypen nur der rein marine Typus der Stachelhäuter fehlt. Die Höhlenfauna hat denn auch mit der Meeresfauna absolut nichts zu schaffen. Ihr Ausgangspunkt ist in solchen Tieren zu suchen, welche, besonders Felsen- tiere, Schutz vor Trockenheit in den Gesteinsspalten suchten**), und erst später mögen die anderen in die bequemen, zugäng- licher gewordenen Räume eingedrungen sein. Da die Höhlen- bildungen erst jüngeren geologischen Epochen ihre Ent- stehung verdanken, so ist die Höhlenfauna auch keine von den jetzt lebenden Tierformen abweichende***). Fast alle Höhlentiere haben in der heutigen Tierwelt nähere oder ent- ferntere Verwandte, teils sehende, teils blinde. Wäre dem sonst in der Entomologie gut bewanderten Verfasser der Ent- stehung der Arten durch räumliche Sonderung, Moritz Wagner, seiner Zeit die Kenntniss der Höhlenfauna geläufig gewesen, so hätte er zweifellos äusserst wertvolle Belege für seine Anschauungen aus ihr entnehmen können. Viele Höhlen enthalten von den in ihnen lebenden Tiergruppen nur eine Art, so dass es häufig schon nach dem Fundort möglich ist, die Art zu bestimmen, beispielsweise bei der Käfergattung Anophlhalmus (Trechus), ja bei den wenig scharf charakteri- sirten Arten der Gattung Bathyscia ist die Fundortsangabe zur Bestimmung fast unerlässlich. Bei diesen Höhlen- käfern kann man sich eine räumliche Sonderung, die zur *, Hamann, Europäische Höhlenfauna. Jena 1896. **) Simroth, Die Entstehung der Landtiere. Leipzig 1891. p. 221. ***) Simroth findet bei den Höhlenbewohnern durchweg einen biologisch altertümlichen Zug. Die Fauna der europäischen Höhlen. 21 Ausbildung einer besonderen eingewanderten Art führt, gar nicht typischer denken. Was die eingewanderten Arten an- langt, so mögen diejenigen Arten, welche oberirdisch schon unter Steinen, Laub u. s. w. eine Art von verborgenem Da- sein geführt haben, bei denen vielleicht schon eine Reduktion des Sehapparats in Folge der Anpassung an ihre Lebensweise vorhanden war, am leichtesten sich dem Höhlenleben ange- passt haben. Andere hahen wohl erst im Laufe ihres Höhlen- lebens das Auge verloren. Auf diese Verhältnisse komme ich noch einmal zurück. Die Lebensweise in den lichtlosen Räumen der Höhlen, die keinen Unterschied von Tag und Nacht, von Jahreszeiten zulässt, musste natürlich auf die Inwohner von grosser Bedeutung sein. Der Winterschlaf fällt aus, die Periodieität der Entwickelung, welche wir bei den oberirdisch lebenden Tieren sehen, fehlt z. T. den Höhlentieren. Fast zu allen Zeiten findet man die ausgebildeten Tiere und doch macht sich wiederum der Einfluss der Oberwelt — vielleicht durch stärkeres oder minderes Eindringen von Feuchtigkeit so fühl- bar, dass bei manchen Tieren eine gewisse Regelmässigkeit der Eiablage constatirt werden kann. Mai und September zeigen manche Insekten, wie ihre oberirdischen Verwandten Entwickelungsanfänge. Ebenso die Assel (Tiianethes) und der Olm, welcher im Mai Eier ablegt. Die wichtigste Ver- änderung in Folge des Höhlenlebens zeigt die Körperform, speciell die Veränderung des Auges und die Färbung. Die meisten Höhlenbewohner zeigen gegenüber der dunkelen Färbung ihrer oberirdischen Verwandten eine lichtgelbe, weiss- liche Färbung. Am besten beobachtet man dies an solchen Tieren, welche noch nicht lange sich in dunkelen Räumen fortgepflanzt haben. In Würzburger Casematten vorkommende, sonst auch freilebende Schnecken (Zeimax variegatus) hatten eine völlig pigmentlose Haut bei wohl ausgebildeten Augen. Ein Krebs (Gammarus pulex) aus den Klausthaler Gruben- schächten zeigte Mangel des Körperpigments gegenüber den freilebenden Exemplaren. Hier handelte es sich um Ver- änderungen, welche sich in einer oder mehreren Generationen, jedenfalls in historischen Zeiträumen abspielten. Um wie viel eher kann der Einfluss des Lichtmangels in den Vordergrund treten bei den Arten, welche als echte Höhlenbewohner in grossen (geologischen) Zeiträumen im Innersten der Grotten gelebt haben, wie z. B. die Aphaenopsarten, welche wohl die _ ältesten unter den Grottenkäfern sind. Andererseits finden wir aber auch, dass Höhlenarten dem Lichteinflusse ausge- setzt, wieder Pigment bilden können, besonders die leicht 22 | Dr. med. Ludwig Weber. zu beeinflussenden Schnecken. Auch der Olm entwickelt dem Tageslicht ausgesetzt wieder Pigment in der Haut und be- kommt lila Flecken, das Weibchen conservativer sich: ver- haltend, bleibt heller. Bei den Höhlenspinnen ist es nur eine, allerdings echte Höhlenart, die Stalita taenaria, welche eine weissliche Färbung dauernd angenommen hat, im Gegen- satz zu ihren anderen in Höhlen vorkommenden Verwandten, welche dunkel gefärbt sind, indess wohl auch nicht ganz vom Licht sich entwöhnt haben. Wie der Mensch, welcher im Dunkeln tappt, seine Extremitäten durch Benutzung seines tastenden Stockes ge- wissermassen verlängert, so zeigt sich bei den mit Glied- massen versehenen Arten eine Verlängernng derselben in auf- fallender Weise. So zeichnet sich der neuentdeckte Höhlen- molch (Typhlomolge Rathbunvi Steineger) aus den unterirdi- schen Gewässern in Texas ausser den verkümmerten Augen durch ungewöhnlich lange, schlanke Beine aus, die weniger zur Fortbewegung, als hauptsächlich als Tastorgane funktioniren dürften. Auch bei den Käfern ist der Körper meist in die Länge gezogen, flach, der Kopf langestreckt schmal, um das Eindringen in Gesteinsspalten oder unter Steine, vielleicht auch in Schneckengehäuse zu erleichtern, eine Einrichtung, die wir bei oberirdisch lebenden Arten, welche in Gesteins- spalten etc. eindringen, um Nahrung zu suchen, auch finden. Ich erinnere an die alpinen, schneckenfressenden Oychrus- formen, wie cylindricollis u. s. w. Die Beine sind auffallend lang und zart bei den Coleopteren u. s. w. Zahlreiche Tast- borsten, welche mit Nervenendigungen in Verbindung stehen, finden sich am Körper und den Extremitäten, sie sind vielleicht durch ihre Empfindlichkeit gegen Luftströmung die Organe, welche die Annäherung eines Feindes dem Tiere zum Bewausst- sein bringen. Sie lassen, wie Piochard de la Brülerie vermutet, nicht bloss die Anwesenheit, sondern auch durch die relative Intensität der hervorgebrachten Schwingung die Stellung und Entfernung des Feindes abschätzen. Hamann ist der Ansicht, dass vielleicht sogar noch neue Sinnes- organe, welche vikarirend für die fehlenden Augen eintreten, sich auffinden lassen werden. Man fand bereits bei einer Krebsart (Gammarus puieanus) besondere Sinnesorgane an den 4 Antennen, welche die übrigen Gammarus nicht haben, Keulen und Riechzapfen. Der blinde Krebs der Mammuths- höhle (Cambarus pellucidus) besitzt ebenfalls sehr zahlreiche und gut entwickelte Riechzapfen an den Antennen (Ley- dig). Hamann beschrieb bei 7%tanethes albus besondere glockenförmige Sinnesorgane. Die farblose, blinde Höhlen- Die Fauna der europäischen Höhlen. 23 wasserassel (Asellus cavaticus) hat stärkere Riechzapfen, als der freilebende Asellus aquaticus. Auch der Olm hat ein sehr feines Gefühlsvermögen in Folge der Entwickelung von Hautsinnesorganen, welche über den ganzen Körper verteilt sind, Organe, die auch bei Amphibienlarven vorhanden sind, nach der Metamorphose aber verschwinden. Sind also durch diese Einrichtungen die Sinneswerk- zeuge für das Höhlenleben besonders geschärft, so dass allen Höhlentieren ein ausgezeichnetes Orientirungsvermögen zukommt, so tritt das eigentliche Sehwerkzeug in Folge Nichtgebrauchs in den Hintergrund. Die in den Grottenein- gängen lebenden Arten besitzen grösstenteils Augen und zum Teil recht gut ausgebildete, grosse (man möchte vergleichs- weise sagen, in dem Masse, wie sich unsere Pupille beim Eintritt in die Dunkelheit erweitert), die ganz im Innern der Höhlen sesshaften haben jedoch die Sehwerkzeuge fast durchgängig eingebüsst. Ausnahmen sind gewiss vorhanden, aber die Bedingungen, unter denen die mit Augen versehenen Arten leben, sind noch nicht genauer bekannt. Besonders ist es den Biologen eine rätselhafte Thatsache geblieben, dass die Männchen einer kleinen Käfergruppe, die im tiefsten Dunkel gefunden wird, die Machaerites - Arten wohl ausgebildete Facettenaugen haben, während die Weibchen augenlos sind. Man wird hierfür nur die Erklärung haben, dass das Männchen doch wohl noch Orte aufsuchen wird zwecks Nahrungsauf- nahme, wohin Lichtstrahlen dringen, und dass ihm die Augen dabei nützlich sind, während das Weibchen eine mehr sess- hafte Lebensweise führt. Ueberhaupt kommen in Bezug auf den Verlust des Auges die complicirtesten Verhältnisse vor, und es erscheint noch keine volle Klarheit über die Art und Weise bezw. die Bedingungen, welche den Verlust der ein- zelnen Augenteile nach sich zogen. Einmal haben wir Arten, welche weder das Centralorgan, das Ganglion opticum, noch den tractus opticus, den Sehnerv und das äussere Sinnes- organ, das Auge, haben. Dahin gehören die offenbar am längsten dem Höhlenleben angepassten Formen, wie Stalita laenaria, Leptoderus, einzelne Trechus (subgen. Aphaenops), sowie etliche Tausenfüsser. Bei andern ist Auge und Seh- nerv verschwunden und nur das Ganglion opticum erhalten (Gammarus puleanus*). Oder es sind Lobus opticus und Sehnerv vorhanden und das Auge fehlt (eine amerikanische Krebsart und einige Käferarten.) Von den Höhlenmollusken kennt man näher nur die Gehäuse, ist also über die Augen- Ser Hamm ann eloe. p. 19 u. pr 238 ff. 24 Dr. med. Ludwig Weber. verhältnisse noch nicht unterrichtet. Von den Krebsen gibt es auch freilebende Arten, z. B. in Brunnen, welche augen- los sind, ebenso bei den Tausendfüssern. Da überhaupt eine grosse Anzahl freilebender, aber in Verstecken unter Laub, Steinen vorkommender Verwandten von Höhlentieren eben- sowohl blind, wie sehend sind, so ist immerhin zu erwägen, ob der Lichtmangel allein die Augenverkümmerung verursacht hat oder ob nicht noch nebenbei andere Momente, wie mechanische Insulte — allerdings bei den chitinisirten Arthro- poden schwer einzusehen — zur Rückbildung der Augen führten. Jedenfalls konnten die vorher schon blinden Tiere sich leichter dem Höhlenleben anpassen, wenn die übrigen Existenzbedingungen stimmten. So hat man den blinden in Spitzmaus- und Hummelnestern ein verhorgenes Dasein führenden (bei uns hier in der Nähe der Löwenburg vor- kommenden) Käfer Lepiinus testaceus in Frankreich auch schon im Innern einer Höhle gefunden (Caverne de Bethar- ram, Basses Pyrendes*), ebenso in Krainer Höhlen nach Joseph. | Wir müssen uns erinnern, dass alles tierische Leben Luft, Feuchtigkeit, eine gewisse Wärme und Nahrung zum Stoffwechsel nötig hat, dagegen ist das Licht, wie wir sehen, keine Vorbedingung zum Leben. Zu keinem ihrer Ent- wickelungstadien haben die echten Höhlentiere Licht nötig, obwohl ihnen das Empfindungsvermögen für solches nicht völlig verloren gegangen ist. Der Olm, die Höhlenspinne Stalita taenaria, die echten Höhlenkäfer, alle reagiren zweifel- los auf Lichtstrahlen (auch wenn die Wärmestrahlung aus- geschlossen erscheint), wohl ein Beweis für die Abstammung von lichtempfindlichen Arten. Im Gegensatz zum Licht ist dagegen die Temperatur von Einfluss auf die Höhlenbewohner. Das Innere grösserer Höhlen zeigt während des ganzen Jahres eine Durchschnitts- temperatur von 7—8 Grad, die höchstens durch die im Frühjahr zur Zeit der Schneeschmelze einstürzenden Wasser- massen eine Herabsetzung erfahren dürfte So kommt es, dass die Olme gegen Temperaturerhöhung ungemein empfind- lich sind. | Dass die Luft in den Höhlen, da wo sie nicht etwa durch den scharfen, ammoniakalischen Geruch des Fledermaus- koths, in dem man bisweilen metertief waten kann, verpestet ist, besonders in den grösseren Höhlen (Domen) rein und frei von Zug ist, hat für das Leben der Tiere Bedeutung inso- *) Lucante et Mestre, Une Chasse dans les Cavernes. Bordeaux 1880. p. 14. Die Fauna der europäischen Höhlen. 25 fern, als Luft, aber kein Luftzug Vorbedingung für die unge- störte Entwickelung ist. Feuchtigkeit ist selbstverständlich in Folge der zahl- reichen Verbindungen durch Felsspalten mit der Oberfläche in reichem Masse vorhanden. Ueberall finden sich, wenn nicht fliessendes Wasser, Flüsse oder Bäche vorhanden sind, kleinere und grössere Lachen und Tümpel oder feuchter Boden. Die Nahrungsverhältnisse der Höhlentiere sind die denk- bar einfachsten. Bei der Abwesenheit von Chlorophylipflanzen sind die Tiere auf chlorophylifreie Pilze und faulende, ein- geschwemmte Pflanzenteile und schliesslich auf sich selbst gegenseitig angewiesen, so dass sich bei der beschränkten Zahl der vorkommenden Arten der Kampf um’s Dasein viel einfacher, als bei den freilebenden Arten gestaltet. Die Fische leben von Krebsen und Insektenlarven, der Olm, in fliessen- dem Wasser lebend, desgleichen, die Spinnen von den Käfern und Fliegen, die Käfer*) von den Resten gestorbener Tiere und Thysanuren und Tausendfüssern. Fledermauskoth und Moderstoffe dienen anderen Arten zur Nahrung. Schnecken nähren sich von Diatomeen und sonstigen Pflanzenresten, kommen aber bei der kärglichen Nahrung zu keiner bedeuten- den Grösse. Milben schmarotzen an Käfern, Zecken an Fledermäusen. Manche Spinnen und Krebse, letztere in Tümpeln, haben so gut wie keinen Feind und finden sich da- her zahlreich und in gut ausgebildeten Exemplaren. In Bezug auf die geographische Verbreitung finden wir abgesehen von den nordamerikanischen Höhlen, welche eine der europäischen höchst ähnliche Fauna enthalten, die Mehr- zahl der Höhlentiere im Süden Europas. Norddeutschlands Höhlen ‚sind sozusagen steril, sie weisen kein eigenartiges Geschöpf auf, auch aus den belgischen Höhlen ist mir nichts bekannt. Kommen Tiere vor, so sind es die an dunkelen Orten sonst auch überall vorkommenden. Was man aus den Klausthaler Grubenschächten z. B. kennt, so Fliegen, Krebse, Infusorien, wie Siylonychia mytilus, ein Sonnentierchen (Actinophrys), Krebse ist auch sonst überall in Gruben, Kellern zu finden. Die würtembergischen Höhlen dagegen enthalten u. a. einige Thysanuren, eine Wasserassel (Asellus cavaticus), einen Flohkrebs, zwei Muscheltierchen, eine kleine Schnecke (Vürella), eine Planaria und eine Hydra. Reichlicher bevölkert sind die Grotten des Karstgebiets in Krain, Cro- atien, Dalmatien, Herzegowina, ferner das Alpengebiet Un- *) Beim Fange von Höhlenkäfern erweist sich ausgelegter Schweizerkäse als guter Köder. 26 Dr. med. Ludwig Weber. garns und des Balkans, die Pyrenäengrotten und südspani- schen Höhlen, sowie italienische Höhlen. Neben Grotten mit reichlicher Fauna findet man in der nächsten Nachbarschaft vollkommen sterile und häufig weist eine Grotte nur eine ihr zukommende, nirgends anderswo aufzufindende Art einer Gruppe auf. Hier ist, wie gesagt, die Entstehung eigner Arten durch räumliche Sonderung sehr schön zu bemerken. Eine Anzahl Arten ist durch den in den letzten Jahren her- vorgetretenen Sammeleifer der Entomologen im Aussterben begriffen, so einige Arten von ungarischen Höhlensilphiden, welche sich von Jahr zu Jahr verringern, wie mein Freund Merk! noch im vergangenen Jahre in den Rovartani Lapok beklagte. Auch Walachische Schatzgräber durch- wühlen die Höhlen in der Hoffnung dort Goldfunde zu machen und tragen so zur Vernichtung der Höhleninsassen bei. Dagegen werden aber durch Erschliessen neuer Höhlen immer noch neue Species entdeckt, und fast jedes Jahr bringt der Systematik neuen Zuwachs *). Man hat verschiedentlich versucht, die Höhlenbewohner nach ihren Vorkommen in die Höhlen einzuteilen. Schon der gelehrte alte Jesuitenpater Athanasius Kircher zu Würzburg, welcher sein Wissen in 20 Foliobänden nieder- legte, und zwei davon als Mundus subterraneus be- titelte **), teilte die unterirdisch lebenden Tiere — eigentliche Höhlentiere waren ihm unbekannt — in solche, welche ihr ganzes lıeben in der Erde verbringen, solche, welche nur unterirdische Schlupfwinkel haben, drittens in solche, welche im Boden versteckt überwintern und endlich in solche, welche nur in gewissen Lebensstadien in der Erde ruhen, diese dann aber verlassen, um nicht wieder dahin zurückzukehren. Diese Einteilung, welche man auf die Höhlentiere ja ganz gut über- tragen könnte, ist doch ebenso wenig nach unserer heutigen *), Im Hamann’schen Verzeichniss wären soweit mir bekannt nachzutragen: Anophthalmus (Trechus) Dietli Ganglb.; Fundort Vurfu mare, (Szeben megye). Verh. d. zool.-bot. Ges. Wien XLXI. 1896. p. 459. Anophthalmus Severv Ganglb. vom Nanos, Verh. zool.-bot. Ge- sellsch. Wien 1897. Drimeotus Ohyzeri Birö ,; Rablö-barlang bei Värsonkolyos. Entzii Birö ; Bihar-Comitat. Horvalhi Birö; Grotte bei Remecz, letztere drei neu beschrieben aus Höhlen des Biharer Comitats in den Termeöszetraizi füzetek XX, 1897. Oytodromus Bucheti N. sp. aus Frankreich. (autor?) Ich erhielt den Käfer von Herrn Desbroches des Loges. **) Citat nach Schenkling, Höhleninsekten in „Ill. Zeitsch. f. Entomol“. 1897. ” Die Fauna der europäischen Höhlen. 27 Kenntniss zu gebrauchen, wie die Einteilung von Schiödte in Schattentiere, Dämmerungstiere, Höhlentiere und Tropf- steinhöhlentiere. Besser ist die Einteilung von Schiner in die Gruppe der Tiere, die nicht nur in Höhlen gefunden wer- den, sondern überall da, wo die zu ihrer Existenz notwen- digen Bedingungen herrschen. Die zweite Gruppe sind die -Troglophilen, d. h. Tiere, welche die Teile der Höhle, welche noch von Licht getroffen werden, bewohnen, aber auch aus- nahmsweise ausserhalb der Höhlen vorkommen. Streng zu trennen ist von diesen die dritte Klasse, Tiere, welche nur in den Höhlen leben und zwar an den verschiedensten Stellen derselben am Eingang oder am Ende, wie Drachydesmus, Lethobiusarten von den Myriapoden, Trthanetes und Nephar- gus von den Krebsen, Sialitaarten von den Spinnen und viele Insekten, die eigentlichen Troglobien. Diese letztern geben die Ilöhlenfauna im engeren Sinne ab. Besuchen wir eine Höhle, so finden wir schon am Eingang und vor dem- selben an Wurzelstöcken, unter Steinen und in Spalten, unter Laub, Mulm, eine Reihe der zur ersten Abteilung gehörigen Tiere, beispielsweise von Schnecken, Pupa avena Drap., Helix rotundata Müll., Clausika parvula Stud., Zontles nitidulus Drap., incertus Drap. u. A., von Käfern z. B. die Homalota spelaea, einen. blinden Rüsselkäfer, Troglorhynchus anopththal- mus, die Höhlenschrecke 7roglophilus cavicola von den Grad- füglern und viele Andere, wie sie überhaupt an dunkelen Orten gefunden werden, so die Käfer Quedius fulgidus, Sphod- rus leucophthalmus, weiter im Eingangsteile der Höhlen Schaaren von Fledermäusen (Memiopterus) mit ihren Parasiten, den Nycteribien und Zecken, die Felsentaube ferner, in solchen Mengen nistend, dass einem beim Abgeben eines Schusses durch das Getöse, welches die vorher ruhig sitzenden Tauben durch Flattern abgeben, das Gehör vergehen kann, ein Höllenlärm! Doch sind alle diese Mengen von Tieren keine Troglobien, sondern nur solche, welche, wie esja auch der Bär von Siebenbürgen thut, die Höhleneingänge als Schlupf- winkel aufsuchen. Dasselbe gilt wohl auch für die Schmetter- linge, einige Spanner, T7’rephosa sabaudiata, dubilata, Orrhodia lebatrix, welche vor Kurzem von Heine in den Arlesheimer Höhlen gefunden, von Pokorny auch in Krainer Höhlen mit denı Grubenlicht aufgescheucht wurden. Die eigentlichen europäischen Grottenbewohner, die Troglobien, setzen sich zusammen aus: 1. Fischen. Apfelbeck fand in den unterirdischen Gewässern Bos- niens eine Anzahl Fische, welche angeblich rückgebildete 28 Dr. med. Ludwig Weber. Augen besitzen sollten. Die betr. von mir eingesehenen Arten, in der Münchener Sammlung befindlich, zeigten sämmtlich kleine, aber gut ausgebildete Augen. Ueber nähere Unter- suchungen ist mir nichts bekannt. Dagegen soll in den unter- irdischen Gewässern Cubas ein blinder Fisch, Zucifuga den- iata, hausen, sowie aus der Mammuthhöhle mehrere Arten von Fischen (Amblyopsis spelaeus u. A. bekannt sind. 2. Amphibien. Hierher der Schwanzlurch Proteus anguineus und die Amerikaner Seredon pisciformis, ebenfalls zu den Urodelen gehörig, sowie Typhlomolge Ralhbunt. 3. Mollusken, durch 6 Gattungen vertreten. Sämmtlich winzige Formen, welche an Stellen, die mit feuchtem Schlamm überzogen sind, vorkommen. 4. Arthropoden. Insekten. a. Käfer; 29 Gattungen mit ca. 180 Arten. — b. Fliegen; 1 Gattung mit einer Art. — c. Netz- flügler; 1 Gatt. mit 1 Art. — d. Gradflügler; 2 Gatt., 5 Arten. — e. Thysanuren; 7 Gatt., 8 Arten. Myriapoden. 6 Gattungen, 17 Arten. Spinnentiere *) 27 Gattungen, ca. 66 Arten. Krebstiere. 6 Gattungen. . Würmer. Ringelwürmer 2 Gatt.”*) — Plattwürmer 1 Gatt. — Rundwürmer 1 Gatt. 6. Rädertiere; noch zweifelhaft. 7. Coelenteraten 2 Gatt. 8. Protozoen; (Rhizopoden, Vorticellen etc.) OD *) Bei Hamann finde ich nicht erwähnt: Roncus lubrieus Koch, Höhle von Pestere und var. cavenicola, Mehädia; Cbistum bloihroides Tömösvary, Mehädia und Blothrus minutus Tömösvary, Mehädia. _ Obistum brevipes kommt in den Höhlen von Oncsäsza, Fericse, Pestere, Mehädia vor; Beschreibung und Abbildung beiFrivaldszky in den Jellemzö adatok a magyar orszäg faunäjahoz. Pest 1866. p. 223. **) Der von Frivaldszky aus der Aggteleker Höhle noch auf- geführte angeblich blinde Egel, 7yphlobdella Kovdest Diesing ist nach Blanchard (Bulletin de la societe zoolog. de France 1892 Bd. 17) nicht blind, sondern identisch mit dem Pferdeegel (Aulostomum gulo.) Auch Apäthy (zoolog. Jahrb. B. III. 1888) äusserle sich in ähn- lichem Sinne. Die Fauna der europäischen Höhlen. 29 In Folge des Sammlerinteresses sind von allen Höhlen- tieren am besten gekannt die Käferarten, welche auch in sehr zahlreichen Formen auftreten. Wenn auch die Imagines derselben gut beschrieben sind, so fehlt uns sehr die Kenntniss der Entwickelungszustände derselben. Hie und da wird das Vor- kommen von Larven in Sammelberichten erwähnt, doch findet sich nirgends eine genauere Beschreibung oder Beobachtung der Entwickelungsverhältnisse, abgesehen von einer kurzen Notiz von Mayet über die Larve und Puppe von Dathyscia Delarouzei. Ich möchte deshalb hier die Beschreibung einer Larve geben, welche mir mit anderen Larven von Käfern, welche in Krainer Höhlen gefunden wurden, zugesandt wurde *). Der Bau der vorliegenden Larve, welcher mit anderen Silphidenlarven Aehnlichkeit hat, besonders in vielen Stücken an die von Schiödte abgebildeten Larven von ' Choleva und Anısoloma erinnert, lässt mich annehmen, dass ich es hier mit einer echten Bathyscialarve zu thun habe. Ob nun die Larve zu der in der betreffenden Höhle vor- kommenden Dathyscia Freyeri oder zu D. Khevenhülleri, die sich ebenda findet, gehört, muss ich offen lassen. Die Larve ist wenig über 5 Millim. lang, gestreckt, von walzenförmiger Ge- stalt, weissgelblich mit gelbbräunlichem Kopf, die letzten Abdominalsegmente er- scheinen etwas dunkler. Der Kopf ıst breiter als lang (0,77 :0,55 mm) mit ge- rundeten Seiten, am Vorderrande und den Seiten mit einigen Wimperhaaren besetzt. Die Mittellinie des Kopfes spaltet sich wenig von dem Hinterrande in zwei S-förmig gebogene, divergirende Aeste. Ocellen fehlen. Die kurzen, kräftigen, von der Insertionsstelle etwa bis zum Hinterrande des Kopfes reichenden Fühler sind dem Seitenrand genähert vorn am Kopfe eingefügt. Das erste Glied ziemlich kurz, das zweite 2!/2mal so lang als das erste, an der Spitze des zweiten das sehr kurze, vorn etwas schräg abgeschnitiene dritte Gied, das medialwärts ein kleines Afterglied neben sich hat, eingefügt. An der Spitze des dritten Gliedes noch ein kleines End- *) Veröffentlicht inzwischen in der Illustr. Zeitschrift für Ento- mologie 1899, Januarheft, der auch die obige Abbildung entnommen ist. 30 Dr. med. Ludwig Weber. glied. Die Mandibeln dreieckig, aussen mässig gerundet, an der Spitze zweizähnig mit einem äusseren grösseren und kleinerem inneren Zahn, an der Innenseite bauchig erweitert. Das Angelglied der Maxillen anscheinend schmal, der Stipes desgleichen, in eine leicht nach innen gekrümmte Spitze aus- laufend, an der Innenseite mit mehreren kammartigen Borsten versehen, aussen einen dreigliedrigen Taster tragend. Die Unterlippe etwas länger als breit, vorn gerundet, beiderseits mit 2 gliedrigen Tastern versehen. Zunge anscheinend klein, kegelförmig, an der Spitze eine Borste tragend. Pronotum so lang, aber etwas breiter als der Kopf, mit gerundeten Ecken, behaart, in den Vorderecken, Seitenrand und Hinterrand mit Borsten besetzt. Mesonotum breiter, aber kürzer als das Pronotum mit langen Seitenborsten und am Hinterrand des Dorsalschildes mit kürzeren, aber auch kräftigern Wimperborsten besetzt. Metanotum so breit, aber etwas länger, als das Meso- notum, immer aber noch kürzer. als das Pronotum. 9 Abdominalsegmente, von denen das erste etwas ein- geschnürt erscheint, das sechste etwa am breitesten, nach der Spitze der Leib wieder etwas verengt. Sämmtliche Abdomi- nalsegmente sind an den Seiten lang und kräftig bewimpert, ebenso am Hinterende der Dorsalschilder mit kurzen, kräftigen Borsten versehen. Die seitlichen Borsten sind bei stärkerer Vergrösserung an der Spitze etwas trichterförmig erweitert und ringsum mit winzigen Endbörstchen besetzt. Das Hinter- leibsende zeigt unter dem Dorsalschilde des 9ten Segments. zwei lange, zweigliedrige „cercoide“ Anhänge (nicht Cerci). Das zweite Glied derselben ist doppelt so lang, aber schmaler zugespitzt, als das erste, welches ungefähr in der Mitte eine erhöhte Querlinie zeigt und oberhalb derselben eine stärkere Borste. Das zweite Glied, welches an der Spitze eine feine, kleine Borste hat, zeigt Spur von Querstrichelung (Andeutung von Segmentirung?) wie sie sich bei den echten, als After- fühler bezeichneten Anhängen des Afterstücks bei niederen Hexapoden findet). Beine verhältnissmässig kurz. Die Hüften kürzer wie die Schenkel, die Trochanteren ziemlich lang, die Schenkel und Schienen an Länge fast gleich, letztere in 2 Längsreihen kräftig beborstet. Klauen ziemlich gross, einfach. Dies meine Kenntniss von der Larve, soweit die Unter- suchung bei dem spärlich vorliegenden, nicht besonders gut conservirten Materiale möglich war, ohne dasselbe in grösseren Umfange zu zerstören. Von der Schiödteschen Oholeva- Die Fauna der europäischen Höhlen. 31 larve *), mit der sie am meisten Verwandtschaft hat, unter- scheidet sie sich durch den grösseren Kopf und Einzelheiten bei der Bildung der Mundteile, die aber generell überein- stimmend gebaut sind. Ebenso ist auch die Bildung der Hinterleibsanhänge ähnlich. Von Troglobien wurden bei dem Vortrag folgende Arten ‘meiner Sammlungen demonstrirt: Proteus anguineus Laur., Grottenolm, lebend und in Spiritus. Adelsberger Höhle. Molluskengehäuse: Carychium spelaeum Rossm. Adelsberger Höhle. — ©. Frauen- feldi Freyer. Gottschee. — CO. alpestre Frever. Höhle von Jhansica. — 0. obesum Schmidt. Pasica jama bei Sonneg. — C. Schmidti Frauenfeld. desgl. — ©. lantum Frauenfeld. desgl. — ©. amoenum Frauenfeld. desgl. — Valvata erythropomatia Hauffen, Girzaher Höhle (fliessendes Wasser.) — V. spelaea H. Höhle am Glaven. Goleopteren: Laemostenus Schreibersi Küst. u. Varietäten; verschied. Krainer Höhlen. — L. cavicola Schaum. Croatien, Likaer Grotten. — L. Erberi Schaufuss, Croatien. — L. Aeacus Mill. Herzegowina, Drieno. — Spho- dropsis Ghiliani Schaum. Seealpen. — Trechus (Anophthalmus) paroecus Friv. Höhle Fonäcza, Ungarn. **) — T. Melleri Friv. Szokolovaczer Höhle, Südungarn. — T. Budae Keuderesy. Hätszeger Comit. Siebenbürgen. — T. Krüpert Schaum. Parnass — T. Eurydice Schauf. Groatien. — T. dalmatinus Mill. Herzegowina, Drieno. — T. Bilimekr Sturm. Krainer Höhlen. — 7. Hacqueti Sturm. Grotten von Oberkrain. — T. Kiesen- wetteri Schaum. Croatien, Likaer Grotten. — T. Schmidti St. Pasica- höhle. — T. Reiter‘ Mill. Croatien. — T. Schaumti Schmidt. Krain. — T. hirtus St. Dolga jama etc., Krain. — T. pubens Bedel. Planinahöhle, Innerkrain. — T. Targtonii della Torre, Grotte d’ Oliero, Venetien. — T. Doriae Fairm. Höhle bei Spezzia. — 7. Brucki Piccioli. Piemont Alp. — T. Doderoti Gestro. Monte Fasce bei Genua. — T. Ramorinii Gestr. Italien — T. Oanevae Gestro. Sardinien u. Grotte de Pollera, Ligur. — T. Gentlei Gestro. Italien. — T. Spagnoli Gestro. Grotte de Badaluno, Ligur. occ. — T. delphinensis Abeille. Südfrankreich. — T. Auberti Grenier. Toulon. — T. gallicus Delarouzee. Basses Pyrönees. — T. Orpheus Diek. Departement Ariege. — T. Ganglbaueri Padewieth. Cro- atien, Likaer Grotten. — T. Severi Ganglb. Volcja-jama, Krain. — T. (Alphaenops) Pluto Diek. Pyrenaeen. — T. crypticola Lind. Höhle d’Isault, Hautes Pyrenees. — T. cerberus Diek. Ariege. — Lathrobium cavıcola Müll. u. Larve. Krain, Podresca jama. — Bythimus (Machaeriites) subterraneus Motsch. Pasica jama. — B. Mariae Duval. Südfrankreich. — Leptoderus Hohenwarti Schm. verschied. Krainer Höhlen — L. H. var. Schmidt Mot. desgl. — Astagobius augustatus Schm. Volcja jama, Krain. — Antroherpon cylindrocolle Apfelb. Bosnien. — Propus sericeus Schm. Jod jama, Krain. — P. xavaljensis Schauf. Croatien. — Apho- leuonus nudus Apfelb. Bosnien. Spelaeodromus Pluto Reitt. Croatien. — Apropeus leptoderus Friv. Ungarn. — A. Hazayv Friv. Erzherzog Josefhöhle, Ungarn. — Pholeuon angustecolle Hampe, Ungarn, Höhle von *) Dieselbe gehört übrigens nach Meinert wahrscheinlich zu der Scrodrepa fumalta Spence. **) Der in der Igriezer Höhle vorkommende Tr. Redtenbacherv wurde 1894 bei meiner mit Freund Merki in das Bihargebiet vor- genommenen Exkursion nicht gefunden. 2) Dr. med. Ludwig Weber. m 7 Oncsäsza. — Ph. gracıle Friv. Ungarn, Höhle von Kugles. — Troglo- phyes Gavoyi Ab. Gr. de Laguzou, Aude. — Trocharanıs Mestrei Ab. Frankreich. — Antrocharis Ovierilhne Lespes. Südfrankreich. — A, var. dispar. Ab. desgl. — Isereus Xambeui Argod. Argod, Isere — Cytodro- mus dapsoides Ab. Südfrankreich. — ©. Bucheti n. sp. Südfrankreich. — Hexaurus Merkli Friv. Balkan. — Deaprysius caudatus Ab. Ost- pyrenäen. — D. caudatissimus Ab. Ostpyrenäen. — Oryotus Schmidti Mill. Höhle bei Nussdorf. — OÖ. Meklitzi Reitt. Castila jama. — Dri-. meotus Kovdäest Mill. Igriczer Höhle, Ungarn. — D. Kraatxi Friv. Höhle von Fericse, Ungarn. — D. Ohyzerı Birö. Räuberhöhle bei Värson- kolyos. — Aphaobius Mellere Schm. Nussdorffer Höhle ete. — 4. Hey- deni Reitt. Pasica jama. — Bathyseia insignis Friv. Marmaros Comitat. Ungarn. — B. eroatieca Mill. Croatien. — B. Freyerv Mill. u. Larve. Dolga jama. — B. Khevenhülleri Mill. Dolga jama.'— B. globosa Mill. Höhle bei Gr. Liplein, Krain. — B. byssina Schiödte Adelsberg. — B. acuminata Mill. Jod jama. — DB. dorotkana Reitt. Herzegowina, Drieno. — B. narentina Mill. Dalmatien. — 5. Tarıssanı Bed. Frank- reich. — BD. Gestrot Fairm. Sardinien. — B. Spagnoki Fairm. Grotte de Pigna. — BD. Doderot Fairm. Genua. — B. Mayori Reitt. Sardinien. — B. pyrenaea Lespes. Ariege. — B. longicornis Saulc. Südfrankreich. — B. Bonvowloirt Dero. desgl. (Amboiulla). — BD. elavata Saulc. desgl. — B. Abevller Saule. desgl. — B. stygia Dieck. Algier. — B. Chardonis Ab. Höhle bei Narbonne, Aude. — B. cophosina Saulc. Ariege. — B. Delarouzei Fairm. Ostpyrenäen. — 5. inferna Dieck. Ariege. — B. Schioedtei Kiesw. Pyrenäen. — DB. Linderi Ab. Frankreich. — B. flavio- brigensis Uhag. Bilbao. — (Leptinus testaceus Müll. Kassel; troglo- philes Tier.) OÖrthoptera. Troglophilus cavicola Koll. Krain. Myriapoda. Lithobius stygius Latzel. Jagdloch. Arachnida. Obisium spelaeum Schiödte. Pasica jama. — 0. brevimanum Friv. Kronprinz Rudolfhöhle. — Stalita taenarıa Schiödte. Kacna jama (281 Meter tief gefunden). — St. var. stygia Joseph ? desgl. — Ischyropsalis Müllnerie ?I Castila jama. — KEschatocephalus graeilipes Frauenfeld. Adelsberger und Nussdorfer Höhle. CGrustacea. Gammarus puleanus Koch. Adelsberg. ae en Su Apotheker Fr. Döhle. 33 Pflanzenwanderungen im Tertiär und Quartär und ihre Ursachen. Ein Vortrag von Fr. Döhle, Apotheker in Kassel. (Mit einer Abbildung.) Kjergesenwärtigen wir uns die Thatsache, dass während der ältesten geologischen Perioden vom Devon bis zur Trias und dem Jura jener monotone Charakter der aus Pteri- dophyten und Gymnospermen bestehenden Vegetation sich völlig gleich geblieben ist und sich zugleich ganz gleich- mässig über die Festländer von Sibirien bis Afrika, von Grönland bis Australien verbreitete ohne irgend eine schärfere Abtrennung irgend eines Theils der damaligen Flora, in dem das Auftreten neuer und das Erlöschen alter Charaktere eben so gleichmässig an allen Orten vor sich ging, so drängt sich unwillkürlich die Frage nach der Ursache auf für den floristischen Umschwung, der sich seit der Mitte der Kreide vollzieht. Im Oumenak-Golf in Grönland und im Pläner Sachsens wurden in Kreideschichten zum ersten Mal unter den üblichen Cycadeen einige Tannen, sowie Dicotylen, nämlich Credneria und Ficus, aufgefunden. Dies Auftreten von Dicotylen ist sehr wichtig und bezeichnend für die Kreide, da sie seitdem immer häufiger werden und den Beginn des Umschwungs angeben, der sich seitdem vollzogen hat. Mit der Kreide beginnt nämlich das Klima einen Einfluss auf die Vegetation auszuüben und führt Zustände herbei, die sich von der alten Tropenflora mehr und mehr unterscheiden. Weit deutlicher tritt dieser Unterschied im Tertiär auf, so dass man jetzt volle Berechtigung hat, von Klimazonen zu sprechen, und die Entwicklung dieser Klimazonen im Tertiär ist für den Botaniker, besonders aber für den Pflanzen- geographen von grösstem Interesse, sowohl weil die Flora viele verwandte Beziehungen zur heutigen aufweist, als auch weil die Erdoberfläche unseres Planeten mehr und mehr ihre 3 34 Apotheker Fr. Döhle. heutige Gestalt annimmt, und weil sich die klimatischen Ver- hältnisse mehr und mehr den heutigen nähern. Für diejenigen Herren, welche sich nicht besonders mit Geologie beschäftigen, muss ich das Tertiär in kurzen Zügen charakterisieren. Es kommen in botanischer Hinsicht neben den bestehenden Pteridophyten und Gymnospermen die Palmen und Laubhölzer zur Vollentwicklung unter besonderer Be- tonung, dass die grössere Masse der sich entwickelnden Angiospermen die Windblütigkeit aufgiebt und unter Ent- wicklung grosser gefärbter Blumenkronen und mit den nötigen Vorrichtungen zur Insektenbefruchtung übergegangen ist, während die Gymnospermen Windblütler geblieben sind, nach dem Gesetz, dass sich höher entwickelte Formen schneller verändern als niedere. Das Tertiär zeichnet sich aber in geologischer Hinsicht besonders durch folgendes aus: 1. fortwährende Verschiebungen von Meer und Fest- land in Folge säcularer Hebungen und Senkungen und 2. durch ungeheuere, massenhafte vulkanische Aus- brüche auf dem tertiären Festland. Ich möchte deshalb das Tertiär ein recht eigentlich „dynamisches“ nennen, im Gegensatz zu Kreide und Jura, wo vulkanische Erscheinungen wenig verbreitet waren, also ein vorherrschend „dynamisches“, weil diese grossartigen Ausbrüche einen grossen Verlust an der Eigenwärme der Erde zur Folge hatten, und damit wesentlich jene Schrumpfungen und Stauungserscheinungen ihrer Rinde verursachten, welche man geologisch als Gebirgsbildung durch seitlichen Zusammen- schub bezeichnet. Die Sache ist zu wichtig, um sie nicht eingehender zu behandeln. Für das Alpengebirge ist nachgewiesen, dass der Anfang seiner Gebirgsbildung erst nach der concordant über ein- ander erfolgten Ablagerung von Trias, Jura und mau: statt- fand, also im Anfang des Tertiärs. Jedoch auch ganz junge tertiäre Bildungen, wie Flysch, Molasse, Nagelfluh, Nummuliten und Algenkalke sind an den Faltungen und Knickungen beteiligt und über 3000 Meter hoch empor gehoben. Ich erlaube mir hier einige Stücke herum zu geben, die ich von den um Bex belegenen Gipfeln, der Dent du Midi, der Dent de Morcles, des Grand Mouveran und der Diablerets seiner Zeit mitgebracht habe. Diese Gebirge bilden einen vielfach zerrissenen, geologisch zusammenhängen- den, über 3000 Meter hohen tertiären Complex. Pflanzenwanderungen im Tertiär und Quartär und ihre Ursachen. 35 Der Mont Perdu in den Pyrenäen ist ebenfalls tertiären Ursprungs. Im Himalaya wurde die Siwalikformation, eine tertiäre, durch Geröll und Schlammabsätze der Bergströme gebildete Süsswasserablagerung, sogar fast 5000 Meter hoch gehoben, alles Beweise, dass diese gewaltigen Stauungs- erscheinungen noch in der Mitte und am Ende des Tertiärs stattfanden. Ein gleiches bezieht sich auf die Cordillerenkette. Durch das Studium der vulkanischen Ablagerungen, durch deren Vergesellschaftung mit tertiäre Süsswasserconchylien führenden Tuffen und mit Löss, jenem typischen, diluvialen Aufschüttungsprodukt ist sogar bewiesen, dass die vulkani- schen Erscheinungen noch bis zum Anfang des Diluviums gedauert haben. Solche tertiäre Eruptionsgebiete sind in Deutschland die Eifel, der Laacher See und seine Umgebung, das Sieben- gebirge, der Westerwald, das Vogelsgebirge, die Rhön, der Habichtswald, der Meissner und die Basaltkegel am Süd- hange des Thüringer Waldes. Ferner gehören hierher die Basaltkuppen und Dome in Nordböhmen, Ungarn und in den Karpathen, sowie die er- loschenen Vulkane Cataloniens und Frankreichs, und die noch andauernden vulkanischen Erscheinungen Italiens und Siciliens nehmen in Tertiär ihren Anfang. Auch die nordische, vulkanische Zone, die sich von Grönland :über Island, Far-Oer, die Shetlandsinseln nach Schottland, den Hebriden und Irland hinzieht, ist tertiären Ursprungs, ebenso der rings den Stillen Ocean umspannende Vulkangürtel, der nirgends seines Gleichen hat, reicht in die Tertiärzeit zurück; denn seine älteren vulkanischen Produkte sind trachytischer, andesitischer und basaltischer Natur. Es ist also ersichtlich, dass diese vulkanischen Er- scheinungen wohl geeignet waren, einen derartigen Wärme- verlust herbeizuführen, dass ein anderes Relief unseres Planeten geschaffen, dass zugleich aber mit Aenderung der senk- rechten und wagrechten Umrisse eine Aenderung in Fluss- läufen, Meeresströmungen, in Windrichtungen, Regenmengen und Wärmesumme, Wärme-Maximum und Minimum, mithin auch eine Aenderung in Fauna und Flora hervorge- bracht wurde. Ich komme nun zu den Klimazonen zurück. Da die Erde aus obengenannten Gründen an ihrer Eigenwärme ver- lor, musste die Sonne als Wärmespenderin mehr in den Vordergrund treten. Die Isothermen näherten sich dem Aequator. Die Flora wanderte aus ihren früheren, höheren 3* 36 Apotheker Fr. Döhle. Verbreitungsgebieten näher zum Gleicher. Es trat nun zu- erst in den Nordpolarländern eine neue Vegetationszone auf — ihr Beginn fällt schon in die Kreidezeit — die sich von der alten tropischen Vegetation, welche bis zum Jura aus Pteridophyten und Gymnospermen bestand, und die Fest- länder gleichmässig bedeckte, wesentlich unterschied. War es durch die allmähliche Abkühlung der Erde er- möglicht, dass in der Kreide die geographische Breite an- fangen musste, einen Einfluss auf die Flora auszuüben, so war es im Tertiär der riesige Wärmeverlust in Folge der vulkanischen Ausbrüche, welcher die geographische Breite zu einem umwälzenden Motiv ersten Ranges machte. Dem entsprechend unterscheidet man für das Tertiär 5 Vegetationszonen: 1. äquatoriale oder alt-tropische, 2. ark- tischgemässigte, 1 arktotertiäre im Norden und australe im Süden und zwischen diesen liegend 2 subtropischtertiäre. Indem man alles Systematische dem Florenreich über- weist, versteht man unter Vegetationszonen jene typischen Pflanzengenossenschaften, die biologisch dieselben Existenz- bedingungen erheischen und sich in ihren Lebensbedingungen und vVegetationsphasen durch eine gewisse Periodizität charakterisieren, die abhängig ist vom Klima, das ist Licht, Wärme und Feuchtigkeit. In Mitteleuropa folgte mit der Verlegung der Isothermen nach Süden auf eine tropische Vegetation eine subtropische und auf diese eine gemässigte, etwa der heutigen Mittelmeer- flora entsprechende Vegetation, bewiesen durch tertiäre Ab- lagerungen, deren älteste Schichten Florenrepräsentanten echt tropischen Charakters, deren jüngste Schichten Typen eines gemässigten Klimas überliefert haben. Der Nordrand des alten Tropengürtels lag im Anfang des Tertiärs in Nordengland und Norddeutschland mit einer durch über- wiegenden Reichtum an Palmen, Musen etc. gewährleisteten mittleren Temperatur von 25° Im weiteren Verlauf des Tertiärs finden wir im Miocän die Nordgrenze in Südeuropa, im Pliocän etwa am 64° nördl. Br. in Südeuropa. In Folge der schon erwähnten Hebungen und Senkungen tritt nun auch jener für das Tertiär so typische Wechsel von Meeresablagerungen mit Brack- und Süsswassergebilden hervor, in dem die Pflanzen fortwährend gezwungen waren, hin und herzuwandern nach Wohnstätten, wo sie die ihnen zusagenden Existenzbedingungen vorfanden, von den rein klimatischen Bedingungen in diesem Falle ganz abgesehen. Durch die Gebirgsbildung wird die Sache noch ver- wickelter, indem durch die in die Höhe gestauchten Gesteins- Pflanzenwanderungen im Tertiär und Quartär und ihre Ursachen. 37 wälle der tertiären Kettengebirge Vegetationsgebiete zer- schnitten werden und lokale Entwicklungen durch Abänderung von Arten vor sich gehen. Andererseits dienen die Gebirgsrücken selbst wieder als Entwicklungscentren der Flora und als Pflanzenwan- derungslinien. In der That entsprechen die Züge der tertiären Kettengebirge auf Neumayr’s Karte einem grossen Teile der Ausstrahlungscentren und Verbreitungslinien der Floren auf Blatt I. K. 44 der Berghaus’schen botanischen Abteilung. Nord- und Südamerika stellt in seiner Cordilleren-Kette eine Verbindungslinie her über Aleuten, Kamschatka, die Kurilen, Japan, die Liukiu Inseln, Formosa, die Philippinen, Neuguinea, die neuen Hebriden, Neucaledonien mit Neu- seeland. In Neuguinea zweigt sich ein Ast ab über die Sunda- inseln, Barma, den Himalaya bis zum Pamir, dem „Dach der Welt.“ Hier zweigen sich die Nebenäste des Küön-Lün und des Tianschan ab, dessen Verlauf und Anschluss im Osten noch zweifelhaft ist. Der Hauptast setzt sich nach Westen fort über die Ge- birge Afghanistans, Persiens und Kleinasiens, den Kaukasus, die südliche Krim, den Balkan, die Apenninen, Karpathen, Alpen und Pyrenäen; eine südliche Abweichung macht der- selbe als Sierra Nevada, tritt als Atlas nach Afrika hinüber, und dieser hat jedenfalls mit den Apenninen in Verbindung gestanden. Spanien hing mit Afrika, Italien mit Sicilien und Afrika, Griechenland mit Kleinasien zusammen. Diese früheren Verbindungen lassen sich in ihren Bruchzonen noch durch einige Reihen von Vulkanen verfolgen, die an den inneren Bögen der Senkungsfelder liegen, so die spanisch-afrikanische Reihe von Agde an der französischen Küste über Olot am Südhang der Pyrenäen, der Insel Columbret, Cap de Gate nach der Insel Alboran; die italisch-afrikanische vom Vesuv über die liparischen Inseln, Stromboli, Aetna zur Insel Linosa ; die griechisch-asiatische von Morea über Aegina, Poros, Milos, Santorin nach Nysikos. Die norddeutsche Tiefebene, die Donauebene, Südwest- russland und Nordwestsibirien waren vom Meer bedeckt. Ueber England, das mit Frankreich zusammenhing, führte die alte Landverbindungs- und vermuthete Pflanzenaus- tauschslinie über die Far-Oer, Island und Grönland nach Amerika. Diese Verbindung wird heute durch einen Flach- seestreifen von sehr geringer Tiefe bezeichnet. 38 Apotheker Fr. Döhle. Man darf aus der gleichmässigen Verbreitung der archäi- schen Formation in Skandinavien, Grönland und den Hudson- ländern, sowie wegen des gleichmässig angrenzenden Palaeo- zoicums in den genannten Erdstrichen annehmen, dass ein uraltes .Nordostamerika, Grönland und Skandinavien um- spannendes Festland existirt habe, zu dem geologisch Irland, England, Normandie und Bretagne, sowie das alte Massen- gebirge der Meseta in Spanien hinzugehörten, welche aber durch Senkung inselartig abgerissen waren. Aus diesen letztgenannten, einst bestehenden Verbindungen stammen jene Gruppen iberischer Pflanzen, deren Verbreitungs- gebiet sich von den Azoren, der iberischen Küste, Gascogne, Bretagne, Cornwall bis nach Südwest-Irland erstreckt, wie der Erdbeerbaum und FEricaarten, Arbutus Unedo, Erica mediterranea und Er. vagans, Menziesia polifolia, später folgte dann erst die Einwanderung von Norden und von Nordwestdeutschland her. Die Trennung obengenannten Continents ist dann unter Bildung der nordischen vulkanischen Zone durch das atlan- tische Senkungsfeld erfolgt. Zu derselben Zeit scheint auch die Trennung der brasilianisch-afrikanischen Festlandsmasse, der nyellını: der alten tropischen Flora, erfolgt zu sein. Es gab also zwischen der östlichen und westlichen Halb- kugel im Norden zwei Verbindungswege, ich möchte sagen „Florenbrücken“. Hiervon mussten in erster Linie die nordische, gemässigte Zone wesentlichen Vorteil ziehen. Die der nordischen Tundrenregion angehörenden Erica-, Rubus-, Vaccinium- und Empetrumarten, sowie Cochlearia und Archan- gelica sind von Kamschatka bis Alaska über den ganzen Norden verbreitet. Dasselbe ist von Juncus- und Luzula-, sowie von Par- nassia-, Saxifraga- und Chrysospleniumarten und von Dryas octopetala als typischen Vertretern der arktisch-alpinen Vege- tation zu sagen. Besonders die Saxifragaarten haben sich von Norden her über die Cordilleren und Rocky- Mountains verbreitet, setzen in den tropischen Anden aus und er- scheinen wieder in der südamerikanischen Andenkette ; auf der östlichen Halbkugel haben sie, von Kamschatka und Baikalien den Höhenzügen folgend, ein langgestrecktes Ge- birgsareal inne, das sich bis ans kantabrische Randgebirge erstreckt. Es bliebe noch zu beweisen, dass sich früher vielleicht das tertiäre Kettengebirge von Neu Seeland aus über die Pflanzenwanderungen im Tertiär und Quartär und ihre Ursachen. 39 vulkanischen Balenyinseln und Südvictorialand nach der Süd- spitze des amerikanischen Continents fortgesetzt hat. Da der grosse Ocean ein fast allseitig geschlossenes Senkungsfeld darstellt, an dessen Bruchrändern Vulkanreihen liegen, und auch an den Südpolarküsten vulkanische Gebiete existieren (Erebus und Terror), so könnte man die dortigen Inseln und Küsten als Reste eines Continents auffassen, wo- durch das grosse oceanische Senkungsfeld auch im Süden einen Abschluss gefunden hätte, und eine Landverbindungs- und Pflanzenwanderungslinie auch im Süden existiert hätte. Hierfür den Beweis zu erbringen, ist ja bekanntlich eine der Aufgaben der Deutschen Südpolarexpedition. Und in der That weist die mikrotherme Flora Pata- goniens und die nördlich gelegenere mesotherme chilenische Küstenflora viele Parallelformen von Gattungen derselben Ordnung auf, die von Neuseeland oder indirekt von Australien eingewandert sein müssen, so die Restiaceen und Proteaceen. Von letzteren wurden nach Lürsen 18 Gattungen, mit 136 Arten, in tertiären Ablagerungen Europas gefunden, und es weisen sich daher diese als typische Vertreter des Tertiärs aus, die nach Ettinghausen zusammen mit Casuarineen und Myrtaceen nach Australien gewandert zu sein und hier sich erhalten zu haben scheinen. Nun liesse sich erwidern, dass auch diese Pflanzen- familien in Südafrika vorkommen. Mit Recht, denn Afrika besitzt eine grosse Menge australischer Pflanzenformen, besonders Proteaceen, deren Gattungen aber sämmtlich in Australien, Neuseeland und Südamerika fehlen. Dies unabhängige Vorkommen von Proteaceen in der Kalahari, am Cap und in Abessynien kann jedoch nur durch Einwanderung über die indomadagassische Halbinsel erklärt werden und durch deren zeitweisen Zusammenhang mit dem europäisch-asiatischen Continent, über die auch die Be- siedelung Australiens mit Proteaceen erfolgte. Als nördlicher Rest dieser Landverbindung ist Vorderindien und Ceylon an Asien gekommen, während im Süden Madagascar und die Inselgruppen der Seychellen und Almiranten übrig geblieben sind und vom afrikanischen Festland losgerissen wurden. Tertiäre Grabenversenkungen, die mit der Senkung der indo- madagassischen Halbinsel im Zusammenhang stehen dürften, sind in Afrika in einer langen Meridionalspalte nachgewiesen, die vom Nyassasee über den Tanganika, Sum burru, das Rote Meer, Tote Meer und die Jordanebene läuft und bis zum Klein- asiatischen Taurus nachgewiesen wurde. Da der afrikanische Proteaceenstamm eine grössere Verwandtschaft zum australisch- 40 Apotheker Fr. Döhle. amerikanischen nicht hat, so ist seine Einwanderung über Jndo- Madagascar schon in sehr alter Zeit, vielleicht gleichzeitig mit der Besiedelung Australiens und Seelands erfolgt, und musste naturgemäss unter anderen klimatischen Bedingungen eine andere Weiterentwickelung vom Stamme nehmen als in Australien, in dem seine Vertreter entweder ausstarben oder mit Anpassung an die klimatischen Verhältnisse sich morphologisch veränderten. Auch besitzt Madagascar ebenfalls Proteaceen. Es sind aber auch auf den Gebirgen Australiens, Neuseelands ünd Südamerikas eine ganze Anzahl Pflanzenformen von be- stimmtem borealen Charakter ausgebreitet, wie Ranunculus, Saxifraga, Gentiana, Primula, die sich hier in den australi- schen Gebieten wieder begegneten, nachdem sie sowohl die Andenkette als auch die tertiären Kettengebirge Ostasiens als Wanderlienie genommen. Fagusarten, entschieden borealen Ursprungs, aber in ihren einzelnen Gebieten verschieden ausgebildet, bewohnen Chile, Feuerland, Neuseeland, Neu- Südwales und Tasmanien. Ich glaube daher an einer süd- polaren Pflanzenwanderungslinie festhalten zu müssen. Um schnell die Vegetation zu charakterisieren — und dies geschieht wol am besten durch die Baumwelt — und um zu zeigen, dass die Flora üppiger und mannigfaltiger war, als heute erwähne ich für Europa das Vorkommen von Palmen, Bambusarten, Lorbeer-, Camphor- und Zimmtbäumen, Magno- lien, Myrten, Mimosen, Storaxbäumen, sämmtlich Vertreter einer tropischen und subtropischen Vegetation, vergesell- schaftet mit Platanen, Feigen, Kastanien, Nussbäumen, Pappeln, Erlen, sowie Sequoien, Sumpfeypressen und Fichtenarten. Diese Vegetation war eine derart üppige, dass sie ausge- dehnte Braunkohlenfelder bilden konnte. Die Kohlenflötze des Harzes, Sachsens und Schlesiens bestehen vorwiegend aus Sequoien, Eiben und Sumpfcypressen, die Kohlenfelder des Samlandes aus Sumpfcypressen, Eiben, Zimmt- und Feigenbäumen, Erlen und Sequoien. Die Kohlen vom Meissner, Kaufungen und Habichtswald sind tertiären Ursprungs. Vom Meissner kann ich Ihnen aus dem Schacht Braunsrode solches Holz versteinert zeigen. Jedoch auch in höheren Breiten, in Grönland und Spitz- bergen wurden tertiäre Kohlenflötze gebildet, deren Material gewaltigen Sequoien, Magnolien, Platanen, Pappeln, Wallnuss- bäumen, Sumpfeypressen, Eichen, Birken, Eschen entstammt. Auch am Bärenfluss unter 65° nördlicher Breite, auf Vancouver, auf den Felsengebirgen, auf Kamschatka, und den Kurilen wurde eine ähnliche Vegetation nachgewiesen, sogar in Grinnelland unter dem 81° nördlicher Breite wurde Pflanzenwanderungen im Tertiär und Quartär und ihre Ursachen. 41 eine nordischere Vegetation von Eiben, Erlen, Kiefern und Sumpfeypressen aufgefunden, eine Vegetation, die aber min- destens noch eine Jahrestemperatur von 8° C, erfordert, während jetzt das Land unter ewiger Eisdecke starrt. Dies war also die Vegetation der nördlichen Festlands- masse der öst- und westlichen Halbkugel, die von einem Meer von der südlichen getrennt wurde. Hier auf der süd- lichen Festlandsmasse herrschen Palmen vor, während Abietineen und Cupuliferen fehlen, und um den Südpol Restiaceen und Proteaceen überwiegen. ' Da in Japan und auf Sachalin ganz nordische, tertiäre Vegetationstypen nachgewiesen sind, die sich von der Vege- tation von heute wesentlich unterscheiden, so ist mit ziem- licher Sicherheit anzunehmen, dass im Tertiär die Lage der Erdaxe eine andere gewesen und der Nordpol in Ostasien gelegen hat, was durch die üppige, tertiäre Vegetation in Grinnelland vollständig gerechtfertigt wird. Die allmähliche Verlegung des Nordpols von Ostasien in nordwestlicher Richtung an seine heutige Stelle scheint sich im Tertiär und Diluvium vollzogen zu haben. Nach einem der ersten Pflanzenkenner der Schweizer Molasse, Heer, ist die tertiäre Vegetation fast übereinstimmend mit der heute in den Tropen und Subtropen Asiens und Amerikas heimischen Pflanzentypen. Es reicht jedoch nach seinen Untersuchungen die Uebereinstimmung derselben nur bis auf die Gattungen, nicht auf die Arten, obwohl er sagt, dass die Unterschiede so gering sind, dass es zweifelhaft sein könnte, ob sie zur Artentrennung genügen. Ihm schliessen sich Forscher wie Eichler, Engler, Ettinghausen und Göppert an, während ein so vorsichtiger Forscher, wie Schenk, vielen fossilen Resten jede Bedeutung abspricht, theils wegen mangelhafter Erhaltung, theils weil dieselben in so unge- nügender Menge vorliegen, dass sie keine genaue Be- stimmung zulassen, welchen Pflanzengruppen dieselben zu- zuteilen seien. Wegen dieses zweifelhaften Charakters mancher Fossi- lien ist das vorhandene Material sehr eingeschrumpft, jedoch existiert immer noch ein grosser Teil gut charakteristierter Gruppen, welche trotz geringer Unterschiede bestimmt auf die heutige Vegetation bezogen werden können, und im All- gemeinen wird wol von niemand ausser Frage gestellt werden, dass die tertiäre Vegetation die Vorläuferin der heutigen ist. Es gingen diese Unterschiede hervor aus der viele Jahrtausende währenden Umgestaltung und Umprägung durch das sich allmählich ändernde Klima, zugleich unter 42 Apotheker Fr. Döhle. Auswanderung nach Wohnstätten, wo passende Verhältnisse sich vorfanden. Sicher charakterisiert erscheinen folgende Formen. So entspricht Glyptostrobus Oeningensis dem Glypto- strobus heterophyllus von Japan, Taxodium dubium, die im Tertiär so weit verbreitete Sumpfcypresse, dem Taxod. distichum von Mexico; Libocedrus salicornoides dem Libocedrus decur- rens von Californien; Pinus taedaeformis von Lausanne der Pinus taeda Mexicos; Platanus aceroides von Oeningen dem Platanus occidentalis, Cinnamomum polymorpha dem Cinna- momum camphora von ÖOstindien; Laurus princeps von Öeningen dem Laurus Canariensis von Teneriffa, Castanea atavia von Leoben der Castanea vesca von heute. Pinus Palaeo- Strobus von Häring hat sich nach Ettinghausen in zwei Arten, eine mit2 Nadeln führenden Büscheln und eine mit 3—5 Nadeln führenden Büscheln abgeändert und ist der Vorfahre von Pinus Larix, Pinus silvestris, Pinus montana und Pinus ÜCembra. Auch die Gattungen Alnus, Betula, Corylus, Carpinus, Fagus und Quercus sind als gesichert anzusehen, besonders Quercus entspricht jetzt nicht europäischen Arten. Fast überein- stimmend mit manchen tertiären Gattungen ist auch Juglans, Populus und Salix, letztere mit den nicht glacialen Arten. Und die Sequoien sind nichts als die Vorfahren jener cali- fornischen Mammuthbäume. Das Klima, das am Ende der Tertiärzeit auf der nörd- lichen Halbkugel noch ein gemässigtes war, geht allmählich in ein kühles über, und es entsteht schliesslich unter extremer Steigerung der Verhältnisse eine Eiszeitperiode. Wenn von Eiszeit die Rede ist, so meint man im All-. gemeinen die ans Ende des Tertiärs und an den Beginn des Quartärs fallende. Ich möchte jedoch nicht unerwähnt lassen, dass wahrscheinlich auch schon in früheren geologi- schen Zeitaltern Kälteperioden existierten, für welche bisher nur astronomische, keine geologischen Beweise erbracht worden sind. | Der Engländer James Croll folgert zur Erklärung des Eiszeitphänomens auf Grund der periodischen Aenderungen in der Excentricität der Erdbahn und aus der Praecession der Aequinoctien gemäss astronomischer Berechnung eine sich wiederholende klimatische Bevorzugung und Benachteiligung der Nord- und der Südhemisphäre, welche an sich zwar keine Eiszeit bedingen kann. Jedoch hat diese ungleiche Erwärmung der beiden Erdhälften einen physikalischen Vor- gang zur Folge, der wesentlich den Ausschlag gibt, nämlich die Ablenkung der Passatwinde. Pflanzenwanderungen im Tertiär und Quartär und ihre Ursachen. 43 Diese regelmässigen Winde beeinflussen die Meeres- strömungen, und letztere führen den Gegenden, die sie be- rühren, Wärme zu. Die Passatwinde wehen zur Jetztzeit vom Aequator nach Norden und veranlassen unter anderem den Golfstrom, der die Isotherme von O° in Folge des wärmeren Wassers auf Island nach dem 66° und in Nordskandinavien sogar bis zum 70° n. Br. verlegt, wodurch ein grosser Teil Nord- europas, der anderenfalls unter Eis begraben wäre, bewohn- bar wird, während dieselbe Isotherme von 0° durch das kalte Landklima Nordamerikas bis 50° in den mittelasiati- schen Steppen sogar bis zu 45° n. Br, also um rund 20—25 °, herabgerückt wird, Lagrange und Leverrier haben nun aus der Bahnexcen- tricität im Vergleich mit dem Vorrücken der Aequinoctien von 1800 nach Christo an für 3 Millionen Jahre rückwärts und 1 Million Jahre vorwärts die Kälteperioden berechnet. Danach hatte die letzte Eiszeit mit ihren beiden Oscillationen vor ca. 100000 und 80000 Jahren statt, während im Tertiär selbst, und zwar im Miocän, vor 850000 Jahren und im Eocän vor 2500000 Jahren je eine Kälteperiode statt hatte. Englische Geologen, wie Ramsay, suchen dies zu be- stätigen und behaupten unter Hinweis auf gewisse aus Moränenblöcken zusammengesetzte Conglomerate, dass Eis- zeiten schon in allen geologischen Perioden stattgefunden hätten, von Cambrium aufwärts bis zum Tertiär. Kerner von Marilaun behauptet deshalb auch, dass schon im Tertiär alle Gebirge über 3000 Meter zwischen dem 46 und 48° n. Br. vergletschert gewesen seien, und dass auch im Terxtiär eine alpine Flora, die Vorläuferin der heutigen, existiert habe, aus welcher durch Kreuzung, Hinzuwandern arktischer Arten und Aussterben einer Reihe von Charakteren die heutige arktisch-alpine Flora hervorgegangen ist. | Durch das Vorhandensein von Conglomeraten an sich, ist zwar noch nichts bewiesen, ebensowenig wie geologische Nachweise für frühere Eiszeiten, als die letzte, bis jetzt ge- führt werden können. Jedoch sollte man das Diluvium nicht speciell die Eiszeit, sondern eine Eiszeitperiode nennen oder als besondere Modification oder Unterbrechung derjenigen geologischen Periode bezeichnen, in welche sie einge- schaltet ist. Die Entwicklung so riesiger Eismassen, wie sie nament- lich die Nordhemisphäre aufweist, bedingt niedrige Tempera- tur und feuchte Atmosphäre mit reichlichen Niederschlägen, wobei naturgemäss auf der südlichen Hemisphäre höhere 44 Apotheker Fr. Döhle. Temperatur mit grosser Wasserverdunstung herrschen muss, und damit wird verständlich, dass Eiszeiten nie gleichzeitig auf beiden Erdhälften sein können. Die uns hier interessierende Eiszeit besteht aus zwei durch eine wärmere Interglacialzeit getrennten Kälteperioden. Durch die tertiären Vegetationszonen macht die Eis- zeit einen grossen Strich, indem sie weite Gebiete mit Eis bedeckt. Von den brittischen Hochlanden war England bis zur Themse vergletschert. Von Skandinavien strahlen nach Süden ungeheuere Massen Inlandeis, deren Grenze etwa eine Linie entspricht, welche von den Rheinmündungen nörd- lich des rheinisch-westphälischen Schiefergebirges und des Harzes hinzieht, dann südöstlich eine weite Ausbuchtung nach Thüringen macht, den Südfuss des Erz- und Riesen- gebirges in bedeutender Höhe umgürtet, am Nordrand der Karpathen hinzieht und noch das Tiefland des Dnieper und der Wolga bedeckt, um dann nach Norden abzulenken. Mächtige Eisströme entfalteten auch die Pyrenäen; die Gebirge Mittelfrankreichs waren vergletschert, jedoch fehlt ein französisches Inlandeis. Die Alpen, die etwa noch mit ihren höchsten Firsten aus dem Eispanzer heraussahen, bildeten ein grossartiges Austrahlungscentrum. Der Aar-, Reuss- und Limmatgletscher reichten bis in die niedere Schweiz, der Rheingletscher bis nach Schwaben und an die Donau, der Lech-, Ammer-, Loisach-, und Inngletscher bis in die Nähe von München. Die grösste Eismasse führte der Rhönegletscher. Er bedeckte den Genfer See, die ganze niedere Schweiz und die Jurahänge bis zu 1040 Meter Höhe. Bei Genf nahm er noch den Arvegletscher auf und ging mit diesem vereint bis Lyon. Auf der Südseite traten die Gletscherströme der Dora baltea, des Lago Maggiore, des Lago di Como, des Iseo und der Sarcagletscher in die Ebene und warfen hier ungeheuere Moränenwälle, von sogar ca. 650 Meter Höhe, wie bei Como, auf, entsprechend ihrem kürzeren und schnellerem Marsch, in Folge grösserer Be- strahlung und Abschmelzung. Ausgedehnte Moränen deuten auf das Vorhandensein von Gletschern im Kaukasus, Demavend, Arrarat, Liba- non und Sinai, während im Kuön-Liien, Tian-Schan und Himalaya die Gletscher kaum ihre heutige Grösse wenig überschritten. Nordamerika war sogar bis 40° Parallelkreis ver- gletschert. Pflanzenwanderungen im Tertiär und Quartär und ihre Ursachen. 45 Dieser ganze Vorgang war kein plötzlicher, sondern ein ganz allmählicher. In Deutschland blieb zwischen den Alpen und der skandinavischen Vereisung nur ein schmaler Saum unver- eisten Landes. Das Klıma war in Mitteleuropa etwa 3—4° kühler und auf den Landflächen feuchter als heute. Die post- tertiäre Flora, die der Schweiz und Süddeutschland ein ällen ca. 650 m H. ranenw omo mit seinen diluvialen Mo 4 A C 46 Apotheker Fr. Döhle. immergrünes, mesothermes Gepräge gegeben hatte, wanderte südlich und mit kühlerem Klima trat hier eine mikrotherme Flora auf. Ein Kohlenlager an der Küste von Norfolk giebt uns ein Bild derselben. Es finden sich hier Bergföhren, Fichten, Eichen, Haseln, Eiben, Weissbirken, Lärchen, mehrere Arten Binsen, Schilf und Fieberklee. In der Nähe der Gletscher und in den Moränen finden sich arktisch-alpine Pflanzen, wie Saxifraga oppositifolia, Primula glacialis, Ranunculus glacialis, Dryas octopetala, Silene acaulis, Polygonum viviparum, Edelweiss und Alpenrosenarten, an den Bächen steht Salix polaris und Betula nana, alles Pflanzen, die zum grössten Teil in den Schwarzenbacher Glacial- thonen nachgewiesen sind. Diese arktisch-alpine Flora ging mit der Entfernung vom Rande der Gletscher allmählich in die mikrotherme Wald- vegetation über. In der nun folgenden wärmeren Interglacialzeit, in welcher sich die Gletscher annähernd auf ihr heutiges Gebiet zurück- zogen, wandert die arktisch-alpine Flora, dem Eise folgend, in grössere Meereshöhe hinauf und in höhere geographische Breiten zurück, indem sie ihr Feld abtraten an die bei wärmerem Klima teilweise wieder einwandernden Arten. Während einige Forscher annehmen, dass die vom Eis befreiten Gebiete eine Steppenflora entwickelten, und darauf erst von Waldvegetation in Besitz genommen wurden, wird von den meisten Forschern angenommen, dass die Steppe und der Gletscher weder vertikal im Gebirge, noch horizontal in der Ebene nebeneinander vorkommen, und dass erst eine arktisch-alpine Flora und eine mikrotherme Waldvegetation dem Gletscher nachwandern müsse, ehe die Steppe das Ge- biet in Besitz nehmen kann, und dass umgekehrt die Wald- vegetation und die arktisch-alpine Flora über die Steppe zu- rückwandern muss, ehe bei Rückwanderung die Gletscher ihre früheren Gebiete in Besitz nehmen können. Wie aus einigen von der grossen Hauptsteppe abgetrennten Gebieten hervorgeht, scheint die Steppe in der Interglacialperiode weiter verbreitet gewesen zu sein, als heute. Das Klima während der Interglacialzeit war ein wärmeres, und dass die Vegetation wieder einen üppigen Charakter an- nimmt, beweisen die Schieferkohlen von Utznach und Dürnten zwischen zwei Grundmoränen. Die diese Schieferkohlen zu- sammensetzenden Pflanzen weisen auf ein dem unseren ähn- liches Klima hin. In einem besonderen Interglacialgebilde, der Höttinger Breccie, einem durch Kalksinter verfestigten Ge- Pflanzenwanderungen im Tertiär und Quartär und ihre Ursachen. 47 hängeschutt, sind sogar Blätter von Palmen nachgewiesen, was auf ein noch wärmeres Klima deuten würde, nämlich Chamaerops humilis, sowie ausserdem Rhododendr. ponticum, welche beide in den Alpen ausgestorben, im südlichen Spanien sich aber erhalten haben. Es ist dies jedoch jeden- falls nur ein durch Exposition begünstigter Standort, da die Eiszeit mit der tertiären Flora ein fast vollständiges Ende gemacht hat. Die bei Weimar, Tonna und Mühlhausen in Thüringen auf altem Glacialschotter auflagernden, interglacialen Kalk- tuffe zeigen uns in ihren Blattabdrücken eine Laubholzvege- tation aus Eichen, Buchen, Pappeln, Weiden, Linden, Schilf und Hirschzunge. Bei der nun wiederum eintretenden zweiten Verglet- scherung erreichen die Gletscher ihre frühere grosse Aus- dehnung zwar nicht wieder, jedoch trat annähernd dasselbe Klima ein. Die arktisch-alpine Flora rückte mit dem nor- dischen Inlandeis und den Gletschern der Gebirge wieder in ihre frühere geographische Breite und in dieselbe Meeres- höhe herab. Ein dieser zweiten Vergletscherung angehörender Fund wurde bei Schussenried in Schwaben gemacht, in der Jung- moräne am Rande des diluvialen Rheingletschers, wo in einer Abfallgrube des Diluvialmenschen unter Torf und Tuff der Schussenquelle vorzüglich erhaltene Moose aufgefunden wurden, die damals und heute nur an der Grenze des ewigen Schnees und Eises wuchsen, und heute nur unter dem 70° nördlicher Breite und auf den höchsten Alpenkämmen vor- kommen und in den Tümpeln wuchern, in denen das Gletscher- wasser mit seinem feinen Sande verläuft. Schimper be- stimmte darunter Hypnum sarmentosum Whlbg, welches heute nur auf den höchsten Alpenkämmen sowie in Labrador, Grönland und auf der Alpe Dovrefield in Norwegen vor- kommt; Hypnum aduncum, var. groenland. und Hypnum fluitans var. tenuissimum, welche heute ebenfalls nach Norden und in die Hochgebirge ausgewandert sind. Bei dem nun mit wärmerem Klima allmählich eintreten- den Rückzug des Eises finden wir wieder dieselbe Anordnung, jedoch besitzen wir für diese zweite Rückwanderung schon festere Anhaltspunkte, sowohl durch positive Forschung als auch durch Beurteilung der Gruppirung der heutigen Vege- tation, als dem endlichen Resultat des Rückzuges. Der Däne Japetus Steenstrupp war es, der sich ob- wohl Anthropologe, um die Pflanzengeographie grosse Ver- dienste erworben hat, durch Erforschung der dänischen Wald- 48 Apotheker Fr. Döhle. moore. Diese Moorfunde lehren, dass die Vegetation in Dänemark einen grossen Wechsel erfahren hat. Die Moore liegen in altem Moränengebiet und sind Aus- tiefungen von ca. 30 Meter, wie derartige Löcher in Glacial- gebieten von mit erratischen Blöcken durchsetztem Lehm und Sand häufig vorkommen. In diesen Waldmooren die eine sehr deutliche Schichtung zeigen, finden sich zu unterst die Abdrücke und Reste hoch- nordischer Pflanzen, wie sie nur in der Nähe der Gletscher vorkommen, die Zwergbirke Betula nana, die Gruppe der Glacialweiden Salix polaris, S. herbacea, S. reticulata, sowie die Silberwurz Dryas octopetala und der rote Steinbrech Saxi- fraga oppositifolia. Diese unterste Schicht bildete die Vegetation am Rande der Gletscher, die mit dem Rückzug gleichen Schritt hielt und sich in die Norwegischen Hochgebirge, sowie nach Grön- land und Spitzbergen gerettet hat. Auf diese Schicht der Waldmoore folgt eine sehr starke Schicht Torf mit Tannästen und Nadeln, Zapfen von Pinus silvestris. Es finden sich sogar ganze Stämme darin, die mit den Wurzeln nach oben, also von aussen hinein gestürzt sein müssen. In dieser Schicht finden sich auch Reste des Auer- hahns, der bekanntlich von jungen Fichtentrieben lebt und jetzt aus Dänemark vollständig verschwunden ist, eben so wie der Fichtenwald, denn die herrlichen Wälder Seelands bestehen aus Buchen. Es folgte also der arktisch-alpinen Flora eine mikro- therme Waldvegetation aus Kiefern. Die höheren Lagen der Waldmoore enthalten Espen, Eichen, noch höher hinauf in den centralen Schichten Birken, Erlen, Weiden, und hierauf in den höchsten Lagen der Moore vom Rande her Buchen, welche heute die Waldbestände bilden. Es hat also bei milder werdendem Klima eine Ein- wanderung von Laubbäumen stattgefunden, die die Nadel- hölzer allmählich nach Norden gedrängt haben. Die Buche hat ihrerseits die Eiche, welche ihr bei der Einwanderung nach Norden voranging, wieder weiter nördlich gedrängt. In Grossbritanien hat derselbe Vorgang stattgefunden. Am nördlichsten geht die Kiefer, weniger nördlich die Eiche und weiter nach Süden erst tritt die Buche auf. Die Trennung Englands vom europäischen Festland ist deshalb erst nach der Einwanderung der Waldvegetation in sehr junger Zeit erfolgt. In Irland, wo die Buche allerdings nur Oulturbaum Pflanzenwanderungen im Tertiär und Quartär und ihre Ursachen. 49 ist, findet man in Mooren riesige Stämme von Nadelhölzern und Eichen. Ich komme nun auf die heutige Gruppirung der Vege- tation zu sprechen. Die nach den Polen zu abnehmende Wärme verursacht horizontal in der Ebene dieselben Er- scheinungen als die mit steigender Meereshöhe abnehmende Temperatur vertikal im Gebirge. Man siehe hierzu vorstehende Tabelle. Hinter diesen Gebieten der Buche und Eiche liegt süd- ‚lich das Gebiet der mitteleuropäischen gemischten Wälder, in welchen noch Pinus laarix und Abies alba grössere Häufig- keit erreichen. Südlich und östlich aller dieser Gebiete liegt die Steppe, und zwar Vorsteppe und Uebergangssteppe, in der noch an den Flussläufen die Eiche, Esche, Hainbuche, Ulme und der tartarısche Ahorn Bestände bilden. Im Süden dehnt sich dann bis an’s schwarze Meer, Kaukasus und ÜCaspische Meer, die Wiesensteppe aus. Ebenso wie sich die mikrotherme Waldvegetation an den Flussläufen zu erhalten strebt, drangen eine ganze Reihe Kräuter und Stauden aus der Steppe vor, so z. B. Clematis recta, Glaucium corniculatum, Oxytropis pilosa, Jurinea mollis, Astragalus exscapus, Astragalus onobrychys, Iris variegata, Stipa capillata und Stipa pennata. Ich muss zum Verständnis dieses letzteren Phänomens die orographischen Verhältnisse der norddeutschen Tiefebene am Schluss des Diluviums kurz beleuchten. Die mit dem Rückzuge der Gletscher entstehenden stärkeren Schmelzwässer bildeten, indem sie Erdreich ab- schwemmten, an dem jeweiligen Gletscherrande tiefe Rinnen, die sich zu Strombetten verbreiterten und in westöstlicher Richtung verliefen. Sie bildeten während des Rückzuges des Eises das stetig wechselnde Stromsystem. Vie älteste dieser Stromrinnen ist die südlichste, von Östrowo am Bartsch hinauf in südöstlicher Richtung nach Glogau; sie nimmt hier die Oder auf, führt durch den Spree- wald und das Baruther-Luckenwalder Thal längs des Fläm- ming in die Elbe. Diese Stromrinne habe ich miterwähnen zu müssen geglaubt; sie kommt jedoch für unseren Gegen- stand weniger in Betracht, da sie im Gebiet der ersten, grössten Vereisung liegt. Bei Alıschmelzung des Eisrandes der zweiten Ver- gletscherung bildete sich weiter nördlich eine sehr grosse und wichtige Stromrinne. Der Weichsellauf ergoss sich durch + 50 Apotheker Fr. Döhle. Netze und Warte und Oderbruch in die untere Oder, um sich von hier über die Havelseeen zur unteren Elbe zu wenden. Diese Stromrinne verlegte in einer letzten Periode der Abschmelzung ihren Lauf durch Netze und Warte in die Oder und dann durch den jetzigen Finnow-Ruppiner Kanal in die Elbe. ' Beide Stromrinnen konnten von den genannten Pflanzen, die in dem südwestlichen Russland heimisch sind und die weichselabwärts teilweise bis in die Mark drangen, als be- queme Wanderungslinie benutzt werden. Nach dem Abschmelzen des Eises brachen die Stromläufe diese Verbindungen ab und nahmen als Weichsel und Oder nördliche Richtung zur Ostsee. Der Nachschub der Steppen- flora hörte nach Westen auf und wurde nach Norden ge- leitet, so dass sie auch Standorte in Pommern, Posen und Preussen erobern konnte. In die von den Steppenpflanzen eingenommenen west- lichen Gebiete folgten andere Steppenpflanzen aus Böhmen und der Donau und Elbe erobernd nach und hartnäckig halten sie, bes. im Oderbruch und im Thale der Warte und Netze an den einmal eingenommenen Standorten fest. Ihre Standorte in Süddeutschland legen aber auch die Vermuthung nahe, dass sie die Donau aufwärts bis zur Rhein- moräne und dann Rhein abwärts gewandert sind, eben so lehren die Vorkommnisse einzelner solcher Steppenpflanzen im Wallıs und Tessin, so wie ın Südfrankreich, dass sie die langgezogenen Alpenthäler, wahrscheinlich durch die Ostwinde begünstigt, als Wanderungsweg genommen haben. Andernfalls sind die einzelnen Vorkommnisse von Steppenpflanzen an der oberen Donau, am Bodensee, im Nahe- und Saarthale, und im Maingebiet, so wie in Südfrankreich als Reste der interglacialen Steppenflora, die ja, wie schon erwähnt, weiter ausgebreitet war als heute, also als verlorene Posten einer Vegetation, anzusehen, die ihr Terrain an die mikrotherme Waldvegetation verloren hat. Die in Folge linguistischer Erklärungsversuche auf eine südliche oder südöstliche Heimath deutenden uralten Oultur- gewächse müssen hier fortgelassen werden. Bleu a. ; } 1. Hocharktische Region. 2. Niederarktische die Glacial-Zone. !Fjeldregion. 3. Niederarktische Tundrenresion, jede mit einer entsprechenden Flora. : Grönland, Spitzbergen, Franz-Josephsland, Nowaja-Semmlja. olaris, Dryas octopetala, Saxifraga oppositifolia, Parnassia und Chryso- s-, Carex- u. Luzulaarten. gebirgs od. Fjeldregion: Hierzu gehören die Skandinavischen sowie die Far-Oer, u. Shetlands-Inseln. polaris, Betula odorata, Galluna vulg., Erica tetralix, Loisleria, Pinguicula, ‚ Pedicularis, Chrysosplenium, Dryas octopetala. egion od. Tundra: Küstenränder von Ostskandinavien, Nordrussland olzgrenze. la fruticosa, Bet. odorata, Alnus glutinosa, welche buschartig nicht über grenze vorgeschoben sind; daneben, Vaccinium, Empetrum, Rubus, Saxi- m, Parnassia etc. eichen abgesehen von der Norwegischen Fjeldregion und vom Ural, die reichen, bis zum 75° nördiicher Breite. )) a. en die Nordeuropäische Nadelholzregion. I. ÄArktiseh-alpine Vegetation in Europa. Dieser Formation im Gebirge: der Nivalen Region: entspricht im Norden: die Glacial-Zone. Die Nivale Region reicht von der Schneegrenze in den Alpen 2750, ev. 3000 Meter bis zur Baum- grenze von 2268, ev. 3000 Meter, inbegriffen die durch Exponierung innerhalb der Schneefelder und der Gletscherregion der höchsten Gebirgskämme vorkommenden Pflanzenindividuen. Flora, hauptsächlich Moose. helvet. u. glacialis. Ranunculus glac., Chrysanthemum alpinum., Parnassia palustr., Saxifraga alpina., Salix alpina, Rhododendron ferrugin, Azalea procumb., Pinguicula, Pedieularis, Dryas octopetala. Phanerogamen von besonderem Cha- rakter, oft bis zu 3800 Meter steigend: ni alpina, Silene acaulis, Polyg. vivip., Androsace 1. 2. Br 1. Hocharktische Region. 2. Niederarktische Fjeldregion. 3. Niederarktische Tundrenregion, jede mit einer entsprechenden Flora. Hocharktische Region: Grönland, Spitzbergen, Franz-Josephsland, Nowaja-Semmlja. Charakterflora: Salix polaris, Dryas octopetala, Saxifraga oppositifolia, Parnassia und Chryso- spleniumarten, Juncus-, Carex- u. Luzulaarten. Niederarktische Hochgebirgs od. Fjeldregion: Hierzu gehören die Skandinavischen Gebirge, Island, Ural, sowie die Far-Oer, u. Shetlands-Inseln. j j . FE Charakterpflanzen.: Salix polaris, Betula odorata, Calluna vulg., Erica tetralix, Loisleria, Pinguicula, Saxifraga, Parnassia, Pedicularis, Chrysosplenium, Dryas octopetala. Niederarktische Moosregion od. Tundra: Küstenränder von Ostskandinavien, Nordrussland u. Sibirien bis zur Holzgrenze. : BR Charakterpflanzen: Betula fruticosa, Bet. odorata, Alnus glutinosa, welche buschartig nicht über 1 Mtr. über die Holzgrenze vorgeschoben sind; daneben, Vaccinium, Empetrum, Rubus, Saxi- fraga, Chrysosplenium, Parnassia etc. Diese 3 Abteilungen reichen abgesehen von der Norwegischen Fjeldregion und vom Ural, die vermöge ihrer Höhe südlicher reichen, bis zum 75° nördlicher Breite. II. Mikrotherme Woaldvegetation ebenda. Dieser Formation im Gebirge und zwar der Abteilung a: der Alpinen Region entspricht im Norden die Nordeuropäische Nadelholzregion. Die alpine Region reicht von der Baumgrenze 2268 Meter bis zur Montanen Region 1815 Meter; zwischen den Geröllfeldern und den Bergwiesen grössere Holzbestände von Larix europaea u. Pinus f Höhengrenze cembra, Lärche u. Arve \ 2268 mtr. u. Alnaster alnopetala, der Bergerle od. Druse Als Strauch steigt die Varietät von Pinus montana bis und zwar die Legföhre Pin. mont. v. Mughus 2024 Mtr. u. das Knieholz Pin. mont. v. pumilio. Höhe Das Unterholz wird gebildet von Juniper. nana, den Glacialweiden Salix ha- stata, lapponum, reticulata, Daphne alpina, Rho- dodendron ferrug., hirsut(auf Kalk) u. intermedium, steife Seggen wie Carerlirma, während Betula nana, Junc. arcticus, Sax. cernua sehr selten sind. Ural 60—76° nördlicher Breite. und zwar, das Gebiet Nordrussland bis zum Dies Gebiet hat als Charakterbäume: Larix sibirica u. europaea, Pinus cembra, Pinus silvestris, daneben Picea excelsa u. obovata, Abies sibirica, Betula glutinosa, Bet. fruticosa. Ferner Moore mit Betula nana, Alnus incana, Calluna vulgaris, Erica tetralix, Vaceinium uliginosum und oxycocos, sowie ferner eine arktisch - boreale Flora von Salix lapponum, Empetrum nigr., Cornus suecica, Linnaea borealis, Saxifraga hirculus, Es steigt also die Birke und Erle, mit den Nadelhölzern gleichen Schritt haltend, in höhere geographische Breiten, während sie im Gebirge nicht gleichen Schritt zu halten vermag, und hinter den Nadelhölzern mit stei- gender Meereshöhe zurückbleibt. welche noch in den nördl. gel. Gebieten der Buche und Eiche vorkommen, südlicher in der Ebene aber fehlen, und erst in den Hochmooren der Hoch- gebirge wieder auftreten. Der Abteilung b. der Montanen Region und zwar ihrer ersten Unterabteilung entspricht die Nordeuropäische Nadelholzregion. 1815 m. Picea excelsa. Die Montane Region hat 3 Unter-Abteilungen. 1728 „ Abies alba. ausserdem 1708 „ Pinus silvestr. kommen vor: Pinus 1. Reine Nadelholzregion !1801 , Sorb. aucuparia cembraLarix europ: 1600—1815 mtr. die Fichte über- sowie Alnast. steig. als Strauch. alnopetala. De „ Salix capreaSohl- weide. Höhengrenze der Charakterbäume. 2. Nadelholz-Laubholz- region 1300—1600 Meter, mit Buche, Picea excelsa, Pinus silvestrisund mont. (ohne Eiche) Höhengrenzen der Hauptcharakterbäume. 1560 Fagus silv. 1531 Prun. Padus, 1520 Betula pubese, 1502 Acer platan. 1490 Bet. alba, 1360 Frax. excels, 1393 Aln. ıncana, 1346 Taxus baccata, ausserdem Picea exc. u. Pin. montana. 3. Laubholzregion mit Eiche 800-1300 Mir. sowie mit Buche, Birke, Esche der höh. Region. 1290 Ulm campestr., 1215 Pop. tremula., 920 Quere. ped., 911 Pir. Malus. 877 Carp. bet., 874 Alnus glut., 842 Pir. com.. u. zw. das Gebiet Schottland, Scandinavien u. Finnland v. 57.—75.° n. Br. Charakterbäume: Picea excelsa, Pinus silvestris, Betula glutinosa, Betula odorata. Moore von demselben Vegetationstypus, wie oben. Der Montanen Region Abteilung 2 entspricht im Norden: die Nordeuropäische Nadelholz- u. Laubholzregion oder Eichenregionu.zwar Nordirland, Nord- england, spricht die Laubholzregion od. Buchenregion: Südirland, Südengland,. Nordfrankreich bis zur Loire, Jütland, Dänemark, Norddeutschland bis zum Main und Schlesien, ungefähr zw. 48 u. 55° nördlicher Breite. Moore von Erica, Calluna, Empetrum und niedrigen Südskandinavienu.mitl. Russland etw. zw. d. 50. u. 60.° nördlicher Breite, Charakterbäume : ausser Pin. silvestr. und Picea excelsa, Quercus pedunculata dominirend; daneben Garpinus Betulus, Alnus incana, Betula alba, Fraxinus excelsior, Acer tartaricus. Der Montanen Region Unterabteilung 3 ent- Es tritt also hier bei den zwei Cha- rakter bestimmenden Bäumen Eiche und Buche der Fall ein, dass sie sich in d. Ebene gerade umgekehrt verhalten wie im Geb. Die Buche steigt m. d. Nadelholz z. bed. Höhe, die Eiche bleibt zurück, während die Eiche zu bedeud. höher. nördl. Breite vordringt, als die Buche. Charakterbaum ist die Fagus silvatica, neben ihr sind andere Laubhölzer, sowie Pinus silv., Picea excelsa, Taxus baccata im Gebiet verbreitet. Birken. AR $ \ - Aalee: 4 RN! n Nenn neh nn a eng “ .orlafken Ar 1 ; Dr. C. Laubinger. 51 Ueber die in der Umgegend von Kassel vorkommenden Gräser und Cyperaceen. Von Dr. C. Laubinger. (Fortsetzung.) '% XLI. Bericht unseres Vereins, 1896 S. 55—58, hatte ich eine Aufzählung von Gramineen vorgenommen, die in der Umgebung Kassels von mir in den Jahren 1895/96 gesammelt waren und deren Zahl 89 betrug. Ich fügte dann hinzu, dass nach dem Fundortsverzeichnis der in Hessen und Nassau beobachteten Samenpflanzen etc. von A. Wigand, herausgegeben von Dr. F. Meigen, Marburg 1891, II. Teil, noch einige weitere, jedoch recht selten vorkommende, meiner Liste anzureihen sein würden. In der Sitzung des 12. Dez. 1898 legte ich dann die noch nachträglich bis 1898 in der Umgebung von Kassel gefundenen Gräser vor, wonach die gesammte Zahl der hier wachsenden Gramineen sich auf 103 bezifferte. Es betrifft dies folgende: 90. Calamagrostis lanceolata Roth., an der Nieste bei Nieste. 91. ©. epigeros Roth., im Kaufunger Wald. 92. C. arundinacea Roth., \ unterhalb des Brasselberges bei s. silvatıca DC., Kassel in feuchten Gebüschen. 93. C. Halleriana DC., am Meissner und Knüll. 94. C. varia Linn., im Ahnathale. 95. Poa alpina Nar. # vivipara Il, im Werrathal, zwischen Eschwege und Allendorf, bei denen die Aehrchen in blattige Knospen ausgewachsen sind. 96. Molinia caerulea Var. fol. varzegatis pectis Much., von der Insel Siebenbergen in der Aue bei Kassel ver- wildert aufgefunden. 97. Festuca myuros Ehrhart, auf trockenen unfruchtbaren Weidestrecken, oberhalb der Sandershäuser Stein- brüche bei Kassel. nz a, nt desgl. bei Sandershausen. 4*F 52 Dr. €. Laubinger. 99 101 . F. hirsula Nar. duriuscula v. Meissner. 100. Bromus erectus Huds., an ziemlich unfruchtbaren kalkig- sonnigen Stellen des Kratzenbergs und Weinbergs bei Kassel. Tritieum glaucum Dest., bei Allendorf an der Werra, Eschwege. 102. Elymus arenarius L., von der Insel Siebenbergen, wahr- 103 . scheinlich daselbst angepflanzt. Oryza clandestina A. Br., bei Guntershausen, zwischen Fulda und Eder. (104.) Eine Festuca gigantea mit dem Pilze: Olaviceps micro- cephala, im Habichtswald gefunden. Cyperaceen der Umgebung Kassels. Im Anschluss an die vorgenannten Gräser der Kasseler Flora mögen hier noch die von demselben Autor beobachteten Oyperaceen folgen: 1. Oyperus fuscus L., Kirchditmolder Wiesen und Betten- So oe He 4.00, Ro hausen. Juli-August. . Rhynchospora alba \ahl., vom Hühnerfeld am grossen Steinberge. . Heleocharis palustris R. Br., in Gräben, Sümpfen überall häufig. Juli. H. uniglumis Lk., Kirchditmolder Wiesen und bei Heckers- hausen. . H. acicularis R. Br., in Teichen bei Mönchehof und in feuchten Wiesen der Aue bei Kassel. Juli-August. . Scirpus caespitosus L., auf dem Gahrenberg im moorigen Boden, sowie auf dem Hühnerfelde am grossen Steinberge. Juni-Juli. . pauciflorus Lightfoot., Kirchditmolder Wiesen und am Meissner. Juli-August. . selaceus L., Kirchditmolder Wiesen und auf feuchten Waldstellen im Habichtswalde vereinzelt. Juli-August. . lacustris L., im Fackelteich bei Kassel, Wolfsanger, Bettenhausen etc. Juli-August. . Tabernaemontanus Gmel., bei Kirchditmold in sumpfigen Gräben und Teichen. Juli-August. . maritimus L., bei Wolfsanger in sumpfigen Gräben. Juli-August. . silvatieus L., überall häufig auf feuchten Waldstellen. Juli-August. . compressus Pers., in der Aue an feuchten Stellen, Kirchditmold etc. sehr verbreitet. ER AIREIRZERRAE RR Ueber die in der Umgegend von Kassel vorkommenden Cyperaceen. 53 14. 19, 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. Ü C. 0 Ü C . ©. brizoides L., feuchte Waldstellen des Gahrenbergs Ö Ü Ö C 6 Eriophorum vaginalum L., im Reinhardswalde, Hühner- feld, Meissner, überall auf moorigen Boden. Mai-Juni. E. angustifolium L., auf sumpfig-moorigen Wiesen, häufig. Mai-Juni. E. latifolium Hopp., wie vorher. E. gracıle Koch., an feuchten Stellen hinter dem Hercules, Ahnaquelle. Mai-Juni. Carex dioica L., auf moorigen Wiesen zwischen Helsa und Bilstein bei Grossalmerode. Mai. ©. Davalliana Sm., Kirchditmolder Wiesen. April-Mai. C. pulicarıs L., desgl. Mai-Juni. ©. inlermedia Good., \ s. disticha Huds., / . vulpina L., desgl. Mai-Juni. . muricata L., in lichten Wäldern häufig. Mai-Julıi. . tereliuscula Good., auf sumpfigen Wiesen zwischen Ihringshausen und Simmershausen. . paniculala L., Wiesen bei Kirchditmold. . paradoxa Willd., auf moorigen Wiesen zwischen Ihringshausen und Simmershausen. in Gräben, an Ufern überall häufig. im Reinhardswald. Mai-Juni. . remota L., in lichten sumpfigen Wäldern, häufig Habichtswald, Kaufunger Wald etc. Mai-Juli. . echinata Murr., Habichtswald, Lindenberg etc., in s. stellulata Good., / schattigen Wäldern. Juni-Juli. . leporina L., überall häufig auf Wiesen, Triften, Wald- ränden. Juni-Juli. . elongata L., Habichtswald, Brasselsberg. Mai-Juni. . canescens L., auf sumpfigen Wiesen des Reinhards- waldes, Kaufunger-Stiftswaldes (oberhalb Nieste). Mai-Juni. . ©. vulgaris Fr., s. Goodenoughüi Gay., überall auf Wiesen. April-Mai. . ©. acuta L., in Sümpfen, an Ufern etc. häufig, Woltfs- anger. Mai-Juni. . C. limosa L., bei Allendorf auf moorigen Wiesen, bei Wickerode. Mai-Julı. . O. pülulifera L., bei Heckershausen am Stahlberg, am Lohberg, Habichtswald. April-Juni. . ©. tomentosa L., an Gräben in der Aue, Hirschgraben, Küchengraben etc. . ©. montana L., Firnskuppe, Staufenberg, Gahrenberg, Plesse bei Wanfried, Heldrastein, Goburg. April-Maı. . ©. ericetorum Poll., hinter Wolfsanger auf unfruchtbarem steinigem Boden. Mai. 54 40. 41. 42. 43. 44. 45. 46. 4. 48. 49. 50. 51. 52. 53. 54. 55. 56. Dr. C. Laubinger. ©. praecox Jacg., trockene Grasplätze, Weiden etc., C. DEI Q = SER) St eye Sorte . ampullacea Good., . paludosa Good., s. verna \Vill., häufig. März-April. in lichten Waldungen auf leichtem lehmigem Boden, Lohberg, Linden- berg, Habichtswald ete. Mai-Juni. polyrrhiza Wollr., s. umbrosa Hosb,., \ . digitata L., wie vorher. . ornithopoda Willd., an der Hörnekuppe, Heldrastein, Badenstein, auf feuchtem sandigem Boden. April-Mai. . panvcea L., auf feuchten Wiesen häufig. Mai-Juni. . glauca Scop , feuchte Grasplätze, Waldrände s. flacca Schreb., / überall häufig. April-Juni. . pallescens L., wie vorher. | flava L., auf sumpfig-moorigen Berg- und Waldwiesen häufig. Mai. . flava Var. Oederi Ehrh., im Kaufunger Stiftswald auf sumpfig-moorigen Waldstellen, oberhalb Nieste. Maı. . distans L., Kirchditmolder Wiesen, häufig. Mai-Juni. . sylvatica Huds., an feuchten Waldstellen des Habichts- waldes etc. vielfach. . Pseudo-Cyperus L., in der Aue und Auewiesen bei Kassel, Wilhelmsthal in Gräben und Sümpfen zer- streut. Juni. | zwischen Ihringshausen und Simmershausen auf Wiesen, am Fackelteich etc. Mai-Juni. s. rosirata Wilh., . vesicarta L., an Gräben und in Sümpfen häufig. Mai-Juni. : wie vorher. s. aculiformis L., . ripariva Curt., am Fackelteich, an sumpfigen Stellen des Habichtswaldes, Sababurg. Mai-Juni. . hirta L., an quellig-sandigen Stellen und Ufern häufig. Mai-Juni. Alle diese vorgenannten Arten, die vom Verfasser in der näheren und weiteren Umgebung Kassels gesammelt worden, gelangten in der Dezember-Sitzung 1898 zur Vorlage. Nach dem Fundortsverzeichniss von A. Wigand sind für den Reg.-Bez. Kassel 58 Cyperaceen als einheimisch an- gegeben. Die beiden mir noch fehlenden an dieser Zahl sind: Carex humilis und C. tereliuscula. Vielleicht gelingt es mir, sie an den in obigem Werke angegebenen Standorten auf- zutreiben. ee Laubmoose der Umgegend von Kassel. 55 Laubmoose der Umgegend von Kassel. Von Dr. ©. Laubinger. I. Hauptgruppe: Sphagnaceen (Torfmoose). 1. Sphagnum cymbifolium Ehrh, am Ziegenkopf in Tümpeln, im Walde nach der Firnskuppe ete. . Sph. squarrosum Pers., desg]. . Sph. teres Schimp.. desgl. . Sph. rigidum Schimp., am Meissner auf torfigen Wiesen und Gräben. . Sph. molluscum Bruch., von feuchten, torfigen Stellen des Alheimers bei Rotenburg. . Sph. acutifolium Ehrh., von torfigen, sumpfigen Stellen auf dem Meissner. ep) OT > Ill. Hauptgruppe: Phascaceen (Schliessmoose). 7. Pleuridium nitidum Hedw., auf feuchtem Thonboden bei Rothenditmold und Obervellmar. IV. Hauptgruppe: Bryaceae (Deckelmoose). A. Acrocarpi (Gipfelfrnehtler). 1. Untergruppe: Weisiaceen (Perlmoose). 8. Weisin viridula Brid., auf Gestein der Firnskuppe bei Kassel. 9. W. cirrala Hedw., gelochtes Perlmoos. Entwicklung: März-April und früher. Fundort: an Baumwurzeln und Gestein des Lindenbergs bei Kassel, in der Nähe des Obstgartens (seltene Pflanze). 10./2. 1899. 10. Dieranella heteromalla Hedw., vielfach in den Wäldern bei Kassel. 11. Dieranum scoparium L., desgl. 2. Untergruppe: Leucobryaceen (Weissmoose). 12. Leucobryum glaucum L., im Walde beim Frau-Holle- Teich am Meissner, Habichtswald. 56 Dr. C. Laubinger. 13 14. 15. 16. I. 18. 19. 20. Dir 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28 3. Untergruppe: Fissideutaceen. Fissidens taxifolius (L.) Hedw., Eibenblättriges Farn- moos. Entwicklung: Herbst-Winter, jedoch selten fruchtend. Fundort: auf lettigem Waldboden im Stadtwäldchen bei Kassel. 8./3. 1899. 5. Untergruppe: Pottiaceen (Pottmoose). Öeratodon purpureus L., auf unfruchtbaren Aeckern, Triften, Hohlwegen etec. Pottia iruncata L., auf fettem Boden des Gemüsegartens Wilhelmshöhe. Distichium capillaceum Br. & Sch., auf Kalkfelsen des Saurasens, oberhalb Kirchditmold. Trichostomum s. Didymodon rigidulum Smith, an Felsen im Ahnathal und in Steinbrüchen hinter Wolfsanger. Trichosiomum s. Didymodon rubellum Roth., am Gestein des neuen Wasserfalls in oberster Abtheilung Wil- helmshöhe. Barbula ruralis Web. & Mohr., am Kratzenberge, Habichts- wald, Meissner, Bilsteiu, überall häufig, jedoch selten fruchtend. B. unguiculala, genageltes Bartmoos. Entwicklung: October-April. Fundort: an Wegen und Böschungen des Kratzenbergs, am ehemal. Aschrott’schen Paık, Tannenkuppe bei Kassel. 24./1. 1899. B. subulata L., im Habichtswald, Stadtwäldchen aın Kratzenberg. . muralis L., auf Dächern, Mauern, Felsen. . lortuosa Web. & Mohr, Burghasungen, Ahnathal, jedoch selten fruchtend. jexBen 6. Untergruppe: Grimmiaceen (Zwergmoose). Grimmia pulvinata Smith, an Mauern und Felsen, Kratzenberg, Wilhelmshöhe, Firnskuppe ete. @. leucophaea Grev., auf einer Mauer des Obstgartens Wilhelmshöhe. G. (s. Schistidium) apocarpa Br. & Sch. versteckt- fruchtiges Zwergmoos. Entwicklung: Frühjahr. Fund- ort: am Gestein des oberen Habichtswaldes, zwischen Herkules und den Ahnaquellen. Racomitrium helerostichum Hedw., an Steinen, in Stein- brüchen des Habichtswaldes, Dörnbergs etc. R. canescens Brid., in Steinbrüchen hinter Wolfsanger, am Sandershäuser Berge, Kratzenberg. 29. 30. 31. 32. 33, 34, 35, 36. a1. (38. (39. 40. 41. 42. 43. 44. (45. Laubmoose der Umgegend von Kassel. 57 Ulota Bruchüi Hornsch., sen., Orthotrichum coarctatum, an jungen Buchen im Walde zwischen Wengen- hasungen und Burghasungen. U. crispula Bruch., an jungen Buchen des Habichts- waldes. Orthotrichum cupulatum Hoffm., Burghasungen an Felsen. OÖ. anomalum Hedw., auf der Mauer des Obstgartens zu Wilhelmshöhe. OÖ. tenellum Bruch., an alten Weidenstämmen des nach Waldau führenden Wiesenwegs. Encalypta strepiocarpa Hedw., am feuchten Gestein im Ahnathale, Linderberg etc. E. vulgaris Hedw., vielfach auf unfruchtbarem Boden, Dämmen, Geröll etc. 7.. Untergruppe: Tetraphideen (Vierzahnmoose). Tetraphis s. Georgia pellucida Hedw., am Fackelteich, Kaufunger Wald etc. Tetrodonlium Brownianum Dicks. Var. ß rigidum Funke, an Sandsteinblöcken zu Reinhausen. 8 Untergruppe: Schistostegaceen (Leuchtmoose). Schistostega osmundacea W. & M., in Höhlen des Toten- steins oberhalb Limbach und Ober-Rabenstein bei Chemnitz. 9, Untergruppe: Splachnaceen (Schirmmoose). Splachnum sphaericum L. fil., in Gebirgen Süddeutsch- lands auf fettem Boden. 10. Untergruppe: Funariaceen (Drehmoose). Physcomütrium pyriforme L., auf Letteboden zu Mulang- Wilhelmshöhe. | Funaria hygromeltrica L., auf lehmig-thonigem Boden an Wegen, Abhängen etc. verbreitet. F. hygrometrica Nar. y calvescens Schwaeger, von lehmig- kalkigen Aeckern Südtirols. 11. Untergruppe: Mniaceen (Sternmoose). Webera elongata Dicks., an Böschungen des Meissners, am Lohberge. W. nutans Schreb., am Wegesrande vom Schwalbenthal zum Frau-Holle-Teiche am Meissner. Bryum pendulum Hornsch., an nassem Gestein des Stierenbachfalls bei Engelberg in der Schweiz, circa 1900 m hoch. 69. 64. 65. 66. 67. 68. Dr. C. Laubinger. . pallescens Schleich., desgl. . pallens Sw., bleiches Knotenmoos. Entwicklung : Juli- August. Fundort: am Gestein neben dem Oktogon- Herkules zu Wilhelmshöhe-Karlsberg. 12.2. 1899. nee) . D. argenteum L., auf Felsen der Firnskuppe, am Kratzen- berge, am Weinberge bei Kassel verbreitet. . D. caespüticium L., am Meissner. b. capillare L., Ahnathal, Stahlberg, Meissner etec., (Engelberg in der Schweiz. . Mnium stellare Hedw., Firnsbachthal bei Kassel. . M. punctatum L., an der Teufelsbrücke in Wilhelmshöhe, Meissner, Alheimer etc. . M. rostratum Schrad., Ahnathal und (Engelberg in der Schweiz. . cuspidatum Hedw., am Habichtswald, Brasselsberg etc. M. . M. undulatum Dill., an der Teufelsbrücke zu Wilhelms- höhe und ım Habichtswalde. . M. hornum Dill., an feuchten Stellen des Habichtswaldes. . M. serratum Schrad., gesägtes Sternmoos. Entwicklung: April-Mai und früher. Fundort: an nassem Gestein der unteren Abtheilung des Aquaducts-Wilhelmshöhe. ua Ko), . Bartramıa vithyphylla Brid., zwischen Möllers Ruhe und dem Asch-Wilhelmshöhe. . BD. pomiformis L., Möllers Ruhe, Habichtswald, Meissner etc. . Philonotis fontana L., am Dörnberg in Quellen, am Meissner in sumpfigen Gräben. . P. calcarea Br. & Sch., an nassem Gestein des Arnito- bels bei Engelberg in der Schweiz. 12. Untergruppe: Polytrichaceen (Haarmoose). . Catharinea undulata L., in Gebüschen und Wäldern auf der Erde, häufig. Polytrichum nanum Dill., Zwerg-Haarmoos. Entwicklung: Winter-Frühling. Fundort: zwischen Herkules und Ahnathal-Bergwerk, sowie zwischen letzterem und Elfbuchen bei Kassel. 10./2. 1899. P. aloides Dill, im Baunathale bei Guntershausen an Böschungen, am Meissner etc. P. urnigerum L., auf der Firnskuppe, Kaufunger Wald, Habichtswald etc. P. alpinum Dill, an Gräben und Böschungen des Meissners. P. gracile Menz., am Meissner. P. commaune L., in Wäldern, torfigen Wiesen häufig. Laubmoose der Umgegend von Kassel. 59 69. P. commune \ar. minus Weis., am Meissner an trockenen Böschungen. 70. P. piliferum Schreb., am Brasselsberg, Möllers Ruhe etc. 71. P. juniperinum Willdenow, Möllers Ruhe, Habichtswald, Meissner etc. 13. Untergruppe: Buxbaumiaceen (Schorfmoose). 72. Diphyscvum folvosum Mohr., an einer Böschung eines Weges im Firnsbachthale. 73. Buxbaumia aphylla Hall., in einer Schlucht an der Dörnhagener Strasse, ferner am Brasselsberger Basalt- gestein. B. Pleurocarpi (seitenständige Deckelmoose). 14. Untergruppe: Fontinalaceen (Brunnenmoose). 74. Fontinalis antipyretica L., im Ahnathale. 16. Untergruppe: Leskeaceen. 75. Anomodon viticulosus L., ım Ahnathale, am Linden- berge etc. 76. Thuidium lamariscinum Hedw., an waldigen lichten Stellen häufig, jedoch selten fruchtend. 77. T. abielinum L., desgl., hier nicht fruchtend. 18. Untergruppe: Neckeraceen (Ringmoose). 78. Neckera crispa L., an Buchen, Eichen und Kalkgestein des Ahnathales, Brasselsberg etc. 79. N, complanata L., Habichtswald, Lindenberg, Brassels- berg etc. 19. Untergruppe: Hypnaceen (Schlafmoose). 80. Leucodon sciuroides Br., an alten Weidenstämmen in der Aue, Ahnathal, Wilhelmshöhe etc., stets ohne Früchte. 81. Lescuraea striata Schwaegr., an Reinhäuser Sandstein- felsen und bei Karlshafen-Juliushöhe. 82. Olömacium dendroides Dill,, in der Aue fruchtend, auf sumpfigen Wiesen häufig 83. Homalothecium sericeum L., echtes Seidenmoos. Ent- wicklung: November-März. Fundort: an dicken Bäumen des unteren neuen Wasserfalls zu Wilhelms- hohes 18.,1..1899. 84. Isothecium myurum Pollich., an Baumwurzeln, am Basalt und Sandgestein der Gebirge, Brasselsberg etc. 60 8. 86. 87. 88. 89. 9. 91. 9. 92. 94. 95. 96. SL. 98. 33 100. 101. 102. 103. 104. 105. 106. 107. Dr. C. Laubinger. Isoth. myosuroides Dill., desgl. Thamnvum alopecurum Schimp., an nasssem Gestein des Baches bei Mulang-Wilhelmshöhe. Ichynechoslegium murale Br. & Sch. und Hedw., an Gemäuer verbreitet. R. rusciforme Weis., in Quellen des Habichtswaldes. RR. strigosum Hoffm., auf dem Erdboden in höher ge- legenen Wäldern, Plesse, Reinhauser Sandsteinfelsen. R. strialum Schreb., gestreiftes Schnabelmoos. Ent- wicklung: Herbst-Frühjahr. Fundort: an erdigem Gestein unterhalb der Restauration am Herkules- Kassel. 24.12. 1899. Plagiothecium denticulatum Dill., am Fusse' von Bäumen in Wäldern, Habichtswald, Brasselsberg etc. P. sylvaticum L., desgl. Amblystegium subtlile Hoffm., feines Pfeifenkopfmoos. Entwicklung: Winter-Frühling. Fundort: an Baum- wurzeln in der Nähe der Gärtnerei am Lindenberge bei Kassel (seltene Pflanze). 20./2. 1899. A. serpens L., am Grunde alter Baumstämme, Kratzen- berg, Aue, Schönfeld etc. A. radicale P. de Beauvois, am Grunde von feuchten Wurzelstöcken etc., Stahlberg, Brasselsberg ete. Brachythecium salebrosum Hoffm., am Rande alter Bäume, Habichtswald etc. B. velulinum Dill, an alten Baumwurzeln etc., Neue Mühle etc. | B. rutabulum L., in Wäldern auf Baumstämmen und auf der Erde. B. reflecum Starke, desgl. B. populeum Hedw., desgl. Camplothecium lutescens Br. & Sch., in Wäldern auf dem Erdboden ete., zwischen Wengenhasungen und Burg- hasungen. Hypnum cuspidatum L., in feuchten Gräben und Wiesen - oberhalb Heckershausen, Kirchditmolder Wiesen etc. H. Schreberi Willd., am Ziegenkopf bei Kassel. H. s. Limnmobium palusire Huds., an feuchten Stellen im Kaufunger Walde, nach Nieste zu. H. molluscum Hedw., bei Allendorf auf feuchtem kalkigem Boden, (Engelberg in der Schweiz. H. crista-castrensis L., an Gesteingeröll von der Kalbe zum Frau-Holle-Teich des Meissners. H. uncinatum Hedw., hier sehr selten fruchtend, (aus dem Arnitobel-Engelberg in der Schweiz), circa 1000 m hoch, sowie Frau-Holle-Teich und Meissner. Laubmoose der Umgegend von Kassel. 61 108. H. incurvatum Schrad., auf feuchtem kalkigem Gebirgs- gestein, Ahnathal und (Engelberg in der Schweiz. 109. H. incurvatum Schrad., eingekrümmtes Schlafmoos. Entwicklung: Mai-Juni (jedoch hier selten fruchtend). Fundort: am Habichtsspiel und Ziegenkopf bei Kassel mit Früchten (eine nicht häufige Pflanze). 24./2. 1899. 110. H. cupressiforme L., an Baumwurzeln der Wälder gemein. 111. Hylocomium splendens Schimp., in Wäldern auf dem Erdboden, Brasselsberg, Bilsteinklippen. 112. HM. brevirostrum Schimp., an Sandsteinfelsen und Bäumen bei Reinhausen, Ahnathal, Meissner. 113. A. loreum Schimp., in Wäldern auf der Erde und an Felsen, Brasselsberg-Bilsteinklippen. 114. A. trıquetrum Schimp., auf dem Erdboden in schattigen Wäldern und Waldwiesen, selten fruchtend. 115. I. squarrosum Schimp., unterhalb der Kalbe am Meissner, Reinhausen. (116. A. Halleri L. fil., in Gebirgen Süddeutschlands, in den Alpen etc., am Gestein des Arnitobels und Stieren- bachfalls bei Engelberg in der Schweiz. (117. H. Sommerfeldtii Myrin. (sehr seltenes Moos), aus den Gebirgswaldungen Engelbergs in der Schweiz, auf steinig-feuchtem, schattigem Boden. Diese Liste macht keinen Anspruch auf Vollständigkeit der in Nieder-Hessen wachsenden Moose; ich hoffe jedoch, ihr in künftiger Zeit noch eine grössere Zahl zufügen zu können. | — Für die Abhandlungen sind allein die Autoren verantwortlich. 62 M. Zeiske. Ueber die Gliederung der Flora von Hessen und Nassau. Von M. Zeiske in Ziegenhain. 1% Vorwort der 3. Auflage der „Flora von Kurhessen und Nassau“ des Professors Albert Wigand hat der Ver- fasser die Herausgabe eines topographischen Theils seiner Flora in Aussicht gestellt. Nach Wigands Tode ist dieses Versprechen durch Dr. F. Meigen eingelöst worden. Dieser Theil II der Wigand’schen Flora (erschienen Marburg 1891) stellt sich aber lediglich als ein ‚„Fundortsverzeichniss‘“ dar; dagegen fehlt die, nach den Anforderungen, welche heut an eine „Flora“ gestellt werden, unerlässliche Zusammenfassung der Einzelheiten. Die nachstehende Arbeit hat den Zweck, diese Lücke auszufüllen. — | Die Grenzen des behandelten Gebiets fallen mit den in Wigand’s Flora gewählten zusammen. Das Gebiet ge- hört in seinem ganzen Umfange zu der von Drude in seinem Werke „Deutschlands Pflanzengeographie‘‘ (Stuttgart 1896) aufgestellten „mittel- und süddeutschen Vegetations- region“, mit Ausnahme jedoch seiner höchsten Erhebungen, die unter Drudes „Region der subalpinen Bergwälder“ fallen. Wir acceptiren diese Eintheilung des Gesammtgebiets durch- aus, nehmen aber noch eine weitere Gliederung vor; indem wir auf Grund klimatischer Merkmale und floristischer Unter- schiede die „mittel- und süddeutsche Vegetationsregion“ Drudes für den Umfang unseres Gebiets in einen nördlichen Theil (das Stromgebiet der Werra und der Fulda) und in einen südlichen (Stromgebiet des Rheins und des Mains) zerlegen. Wir erhalten auf diese Weise folgende Gliederung des Ge- sammtgebiets: I. Rhein-Main-Bezirk, II. Fulda-Werra-Bezirk und IlI. die höhere Bergregion. 1. Der Rhein-Main-Bezirk. Er wird umgrenzt durch die Thäler der Kinzig, des Rheins und der Lahn, ferner ungefähr durch eine die Städte Die Gliederung der Flora von Hessen und Nassau. 63 Giessen und Hanau verbindende Linie. Dieses Gelände ist klimatisch wie folgt charakterisirt: Mittlere Jahrestemperatur 10 bis 11° C., Januartemperatur + 1 bis 2°, durchschnitt- liche Sommertemperatur 17 bis mehr als 19°, Niederschlags- höhe 40 bis 85 cm (vergl. „Physikalisch-Statistischer Atlas des deutschen Reichs“, Bielefeld und Leipzig 1878). Es um- fasst den wärmsten, fruchtbarsten, wohlhabendsten und am meisten bevölkerten Theil des Gebiets und schliesst sich auch durch seinen ausgedehnten Weinbau den gesegneten Gefilden Süddeutschlands an. ‚Der Wald ist ganz auf die höheren Berge, an die schattigen Hänge, in die feuchten Schluchten zurückgedrängt; an seine Stelle sind Felder, Gärten und Weinberge getreten. Damit Hand in Hand geht die dichtere Besiedlung dieses Bezirks, durch welche eine grössere Menge von Wohnplätzen und jener gewaltige Verkehr bedingt wird, welcher dort herrscht und seit uralten Zeiten dort bestanden hat. Der Ausdehnung und Mannigfaltigkeit des Bodenanbaus entspricht die grosse Anzahl der Unkräuter, die entweder eingeschleppt, oder aus dem Anbau verwildert, oder, ehemals im Gebiete wildwachsend, sich den durch den Menschen veränderten Bedingungen angepasst haben. Ebenso harmonirt mit der dichten Bevölkerung die Menge der Schutt- und Wegepflanzen. Ganz bedeutend ist die Zahl der Ruderalpflanzen, sowie der Acker-, Garten- und Weinbergs-Unkräuter, welche der süd- liche Bezirk vor dem nördlichen ganz oder fast ganz voraus hat, was allerdings zum Theil auch dem rauheren Klima des letzteren zuzuschreiben ist. Die Zahl dieser Arten beträgt 41, von denen hier nur diejenigen aufgeführt werden sollen, welche im Fulda-Werra-Bezirke ganz fehlen: Vieia villosa, V. lutea, Lathyrus hirsulus, Stlene gallica, Chenopodium fieifokum, Sisymbrium Loeselii, Verbascum Blatlaria, Andro- sace masima, A. elongala, Kanthium strumarium, Calendula arvensis, Cirsium eriophorum, Centaurea Caleitrapa, Lactuca saligna, L. perennis, Valerianella eriocarpa, Allium rotundıum, Muscarvi bolryoides, Eragrostis major. — Ausserhalb der Grenzen des ehemaligen nordischen Inlandeises belegen, fehlen dem ganzen Gebiet die ungeheuren Sand- und Kiesflächen des norddeutschen Diluviums. Sand- anhäufungen dürfen wir daher nur im Ueberschwemmungs- bereiche unserer grösseren Ströme erwarten. Nun sind Werra und Fulda nichts weniger als grosse Ströme; sie durchfliessen schmale, oft durch Felsmassen eingeengte Thäler, und ihre Hochfluthen kommen direkt aus den Gebirgen, ver- frachten mithin nur gröberes Material, dagegen Sande und 64 M. Zeiske. Kiese nur in geringer Menge. Anders der Rhein und in kleinerem Maasstabe auch der Main! Die gewaltige Wasser- masse des Rheins durchfliesst, ehe sie bei Mainz unser Ge- biet erreicht, die langgestreckte Tiefebene zwischen Schwarz- wald und Vogesen, die der Hauptsache nach mit feinerem Steinschutt ausgefüllt ist. Der Rhein war daher — unter- stützt vom Mainflusse — in der Lage, auf dem geräumigen und flachen Gelände, das den Haupttheil des Rheingaus und den Maingau bildet, ausgedehnte Sand- und Kiesmassen ab- zulagern. Hier finden sich folgende 30 sandliebende Arten, die dem Fulda-Werra-Bezirke ganz oder fast ganz fehlen: Genista pilosa, Cytisus sagittalıs, Medicago minima,. Veeia lathyroides, Gypsophila fastigrata, Silene Otites, S. conica, Spergula Morisonit, Alsine Jacquint, Herniaria hirsula, Salsola Kalı, Kochta arenarta , Vrola arenaria, Onosma arenaria, Arabts arenosa, Adonis vernalis, Trinta glauca, Androsace septenirvonalıs, Jurinea cyanoides, Ohondrilla juncea, Scabiosa suaveolens, Armeria vulgarıs, Plantago arenaria, Carex praecox, Selaria verlicillata, Phleum arenarium, Chamagrostis minima, Oynodon Dactylon, Koeleria glauca, Eqwisefum ramosissimum. — Es ist eine bekannte Thatsache, dass in Europa die Artenzahl der Wasserpflanzen desto mehr abnimmt, jemehr man sich dem Norden nähert bezw. je höher man in die Gebirge aufsteigt. Der Grund liegt in der zunehmenden Kälte des Wassers. Zwar ist der Nordwesten Deutschlands vergleichsweise überreich an aquatischen Arten; aber dort herrschen die milderen Winter, welche das Küstenklima aus- zeichnen. So fehlen dem rauheren Fulda-Werra-Bezirke folgende 20 Arten, welche im Rhein-Main-Bezirke noch aus- halten können: Isnardia palustris, Ceratophyllum submersum, Helosciadium nodiflorum, H. repens, Stum latifolium, Mentha rolundifolia, Scrofularia aquatica, Utricularia Bremü, U. intermedia, Hottonia palusiris, Potamogeton polygonvfolius, P. fluitans, P. gramineus, P. aculifolius, P. densus, Slratiotes aloides, Alisma parnassifolius, Scirpus triqueter, (Carex Gau- diniana, Glyceria plicata. — Ausser den bisher erwähnten Arten haben Folgende im Rhein-Bezirk ihren ausschliesslichen Wohnsitz oder doch ihr Hauptareal: Achilles nobilis, Senecio paludosus !, Cirsium bulbosum !, Centaurea rhenanma!, Scorzo- nera purpurea !, Armeria plantaginea !, Globularia vulgarıs!, Plantago maritima !, Thymelaea passerina, Daphne Uneorum!, Orchis ustulala, Ophrys aranifera!, O. apifera!, Himanto- glossum hircinum !, Iris spuria !, Gagea saxatılis !, Antherieum ramosum!, Seilla bifolia, Allium acutangulum, A. Scorodo- prasum !, Melilotus deniatus!, Trifolium ochroleueum!, T. * Die Gliederung der Flora von Hessen und Nassau. 65 rubens, Tetragonolobus siliquosus !, Astragalus Cicer, Coronilla varia, Viecia tenuifolia, Ervum Orobus, Aruncus silvester, Polentilla supina, P. rupestris, P. recla, P. canescens, P. arenaria, ‘P. alba, Amelanchter vulgaris, Dictamnus albus, Dex Aquifolium, Tühymalus strieus!, T. duleis, T. paluster!, Linum tenuifolium, Eptobium lanceolatum, Cucubalus baccifer!, Cerastvum brachypelalum, Illecebrum vertteillatum!, Salicornia herbacea, Hypericum elodes, Drosera intermedia, Arabis Turrita!, Sisymbrium strichssimum!, Erysimum odoratum !. Draba muralıs, Biscutella laevigata !, Olematlırs recta !, Thalictrum minus, Th. galioides !, Helleborus foelidus !, Eryngium campestre, Bupleurum tenwissimum!, Seseli annuum !, Peucedanum officinale!, P. Uervaria, P. Oreo- selinum!, P. alsaticum !, Galium rolundifolium !_ Chlora perfoliata!, Gentiana utriculosa !, Pulmonaria tuberosa !, Mentha Pulegium, Lycopus exaltatus !, Calamintha offieinalis !, Sceulellario hastifolia, Teuerium Scordium, Lindernia Pyxt- daria!, Veronica longtifolia, Euphrasia lutea!, Pinguicula vulgaris !, Samolus Valerandı!, Aster Linosyris, A. Tripolium!, Inula hirta!, Pulicaria dysenterica, Artemisia campestris!, Juncus Tenageia!, J. Gerardı, J. sphaerocarpus !, Luzula Forsieri!, Schoenus nigricans !, "Rhynchospora fusca, Scirpus supinus! Carex dioica!,. ©. Uyperordes !, C. pllosa!, C. hor- deistichos !, U. Hornschuchtana!, Andropogon Ischaemon!, Stipa pennata !, St. capilata!, Ceterach offieinarum, Asplenium Adiantum nigrum, Scolopendrium vulgare. (Die mit ! be- zeichneten Arten fehlen dem Fulda-Werra-Bezirk gänzlich.) Zählen wir die auf den Rhein-Main-Bezirk ganz oder fast ganz beschränkten Arten zusammen, so erhalten wir die sehr beträchtliche Zahl 196. Dazu kommt, dass die Mehrzahl dieser 196 Arten auf dem nicht allzu grossen Raume des Rheinthals und der unteren Maingegend zusammen- gedrängt ist, sodass sich der Südwesten des Bezirks durch eine ungemein reichhaltige Flora auszeichnet. II. Der Fulda-Werra-Bezirk. Während sich im Rhein - Main - Bezirk insgesammt 196 Pflanzenarten finden, welche dem Fulda-Werrabezirke fehlen oder dort nur sporadisch auftreten, hat letzterer nur 50 Arten vor dem ersteren voraus. Er weist mithin diesem gegenüber eine grosse Artenarmuth auf, ebenso wie Süd- deutschland bedeutend artenreicher ist als Norddeutschland. Wie Vergleiche mit Süddeutschland lehren, erfolgt jedoch diese nach Norden zu fortschreitende Verarmung der Flora 5 66 M. Zeiske. nicht gleichmässig, sondern ist viel geringer im Rhein-Main- Bezirk, als im Fulda-Werra-Bezirke. Es erscheint desshalb gerechtfertigt, wenn man den Rhein-Main-Bezirk als noch zu Süddeutschland gehörig betrachtet, dagegen den Fulda- Werra-Bezirk zu Mitteldeutschland zieht. Zwischen dem Fulda-Werra-Bezirke und dem centralen Theile Mitteldeutschlands bestehen ebenso enge Beziehungen, wie zwischen dem Rhein-Main-Bezirk und Süddeutschland ; denn von obigen 50 Arten sind 19 ohne Weiteres als Aus- strahlungen der thüringisch-sächsischen Flora aufzufassen, weil sie im ganzen westlichen Theile von Hessen und Nassau fehlen. Diese 19 Arten sind fast ohne Ausnahme kalkstete oder doch den Kalkboden bevorzugende Pflanzen und drängen sich ım Nordosten des Bezirks zusammen, wo sie besonders die ausgedehnten Muschelkalkvorkommnisse im Kreise Eschwege bewohnen (vergl. Zeiske, „Flora des Ringgaus“ in Abhandlungen und Bericht 43 des Vereins für Naturkunde zu Kassel S. 23—42). Diese Arten des kalkreichen Bodens sind: Ononis repens, Astragalus gliycyphyllus, Corondla montana, C. vaginalıs, Onobrychts vicraefolia, Fragaria viridıs, Erysimum repandum, Thlaspi monlanum, Laserpilium lali- folvum, Turgenia latifolia, Asperula arvensis, Galium tricorne, Teuerium montanum, Carduus defloralus, Epipactis rubiginosa, Garex humilıs, Sesleria coerulea. Die übrigen, dem Rhein-Main-Bezirk ganz oder fast ganz fehlenden Arten des Fulda-Werra-Bezirks heissen : Ulex europaeus, Vorydalıs intermedia, Helosciadium inundatum, Bupleurum longifolium, Libanolis montana, Galium parisiense, Salvia Aethiopis, Melampyrum nemorosum, Arctostaphylos Uva ursi, Scorzonera hispanica, Hieracium ceymosum, AH. sabaudum, Rumex maximus, BR. pratensis, Fayopyrum lataricum, Salix daphnoides, Liparis Loeselüi, Gagea spalhacea, Allium fallax, A. striclum, A. carinalum, Potamogelon praelongus, P. obtusifolius, Ruppia rostellata, Juncus alpinus, J. tenuis, Heleocharis multicaulis, Carex chordorrhiza, U. canescens, Calamagrostis varia, Poa serolina, Taxus baccata, Eqwiselum pratense. III. Die höhere Bergregion. Wo in den deutschen Mittelgebirgen das Gelände sich bis zu 500—800 m Meereshöhe erhebt, nimmt die Gegend wirklichen Gebirgscharakter an. Die Sommer sind kürzer als in den tieferen Regionen, die Winterkälte steigt, die Regenfälle sind reichlicher und häufiger, die Schneebedeckung ist stärker und anhaltender, die Zahl der sonnigen Tage Die Gliederung der Flora von Hessen und Nassau. 67 nimmt ab; der Ackerbau hört auf, weil er schwierig und im Ertrage unsicher ist, und die verkürzte Vegetationszeit ver- scheucht die grosse Mehrzahl der Niederungspflanzen. Von den Pflanzenformationen bleiben fast nur noch Wälder, Wiesen, Felsbestände und Moore übrig. Diese Verhältnisse treten im Gebiet bei einer Höhe von 600—700 m ein; wir rechnen deshalb alles Gelände oberhalb dieser Höhengrenze zur ‚höheren Bergregion“. Dieselbe wird klimatisch wie folgt charakterisirt: Mittlere Jahres- temperatur 6—8° C., Januartemperatur — 3°, durchschnitt- liche Sommertemperatur 13 bis 15°, mittlere Niederschlags- höhe über 85 cm. Es kommen folgende, nach der Höhe ihrer Gipfelpunkte geordnete Gebirge und Berglandschaften in Betracht: 1. die Rhön (950 m), 2. der Taunus (831 m), 3. das west- phälisch-nordhessische Gebirgsland (830 m), umfassend Rothaargebirge, Waldecker Bergland, Kaufunger Wald u. s. w., 4. der Vogelsberg (772 m), 5. der Meissner mit dem Hirschberg (750 m) und 6. der Westerwald (657 m). Ueber diese Gebirge sind folgende 18 Arten vertheilt, welche auch in den übrigen deutschen Mittelgebirgen ihrer vertikalen Hauptverbreitung nach als montan, oder subalpin, oder alpin-montan sich erhalten: 1. Empetrum nigrum. Vogelsberg, Rhön. 2. Ranunculus aconitifolius. Westphälisch -nordhessisches Gebirgsland, Westerwald, Taunus, Vogelsberg, Rhön. 3. Aconttum Napellus. Westphälisch-nordhessisches Gebirgs- land, Westerwald, Vogelsberg, Rhön, Meissner. 4. Aconitum variegatum. Vogelsberg. 5. Meum athamanticum. Rhön, Meissner. 6. Anthriscus nitida. Rhön. 7. Pleurospermum austriacum. Rhön. 8. Stachys alpına. Westphälisch-nordhessisches Gebirgsland, Westerwald. 9. Oirsium heterophyllum. Vogelsberg. 10. Carduus Personata. Rhön. 11. Mulgedium alpinum. Vogelsberg, Rhön. 12. Hieracium alpinum. Meissner. 13. Thestum alpinum. Vogelsberg, Rhön, Meissner. I 14. Thesium pratense. Westphälisch-nordhessisches Gebirgs- land, Westerwald, Taunus, Vogelsberg, Rhön, Meissner. 15. Gymnadenia albida. Westphälisch-nordhessisches Gebirgs- land, Westerwald, Taunus, Vogelsberg, Meissner. 5*r 68 M. Zeiske. 16. Lycopodium alpinum. Bhön. 17. Asplenium viride. Rhön. 18. Woodsta tivensis. Rhön. Nach dem Reichthum an vorstehenden Arten geordnet, - bilden die 6 Gebirge folgende Reihe: 1. Rhön 13 Arten, 2. Vogelsberg 9, 3. Meissner mit Hirschberg 6, 4. West- phälisch-nordhessisches Gebirgsland 6, 5. Westerwald 5, 6. Taunus 3 Arten. Dieser ganz veränderten Reihenfolge wird ein noch schärferes Licht aufgesetzt, wenn man den 3 Basaltgebirgen (Rhön, Vogelsberg und Meissner) mit zu- sammen 17 Arten die 3 nicht basaltischen Gebirge mit zu- sammen nur 6 Arten gegenüberstellt. Die kleine Basaltgruppe Meissner-Hirschberg besitzt allein soviel Gebirgsarten, wie Taunus, westphälisch-nordhessisches Gebirgsland und Wester- wald zusammengenommen. Unsere 18 Gebirgspflanzen be- vorzugen also ganz entschieden die Basaltgebirge. Was das Ursprungsland bezw. die Einwanderungs- richtung obiger Gebirgsarten anbetrifft, so ergiebt sich aus Nyman: „Conspectus Florae Europaeae‘“ (1878—1882) und anderen Werken, dass 10 von ihnen in den centraleuropäischen Hochgebirgen (Alpen, Pyrenäen, Curpathen) ihre Massen- verbreitung besitzen, während folgende 8: Empetrum nigrum, Mulgedum alpinum, Cirsium helerophyllum, Hieracium alpinum, Gymnadenia albıda, Lycopodium alpinum, Asplenium viride und Woodsia vlvensis zuglech auch im arktischen Bezirk und den nordasiatischen Hochgebirgen vorkommen, also ihre Herkunft nicht ohne Weiteres verrathen. Es fellt aber keine obiger 18 Arten in der Alpenkette, dem uns nächstgelegenen der in Betracht kommenden Hochgebirge ; andererseits sind Ausstrahlungen der Pyrenäenflora nicht weiter als bis in die Vogesen (vergl. Christ: „Ueber die Verbreitung der Pflanzen der alpinen Region der europäischen Alpenkette‘‘), ferner Carpathenpflanzen westwärts nur auf den Sudeten (vergl. Fiek: „Flora von Schlesien“) nachgewiesen. Wir dürfen daher annehmen, dass unsere Gebirgspflanzen, wenn nicht sämmtlich, so doch in der grossen Mehrzahl von den Alpen her bei uns eingewandert sind. Die Einwanderung selbst kann nur während der Eiszeit oder gegen Ende der- ‚selben erfolgt sein, wo das westliche Mitteldeutschland zwar keine zusammenhängende Eisdecke, aber doch Gletscher besass (die Geröllhalde unter der „Kalbe“ auf dem Meissner ist sicher eine Gletschermoräne aus jener Zeit). — Fassen wir die vorstehenden Ergebnisse zum Schlusse kurz zusammen, so erhalten wir folgende natürliche Gliederung der hessen-nassauischen Flora: Die Gliederung der Flora von Hessen und Nassau. 69 A. Thalregion sowie niederes Berg- und Hügel- land. I. Rhein-Main-Bezirk. Den südlichen Theil des Gebiets umfassend, mit milderem Klima, artenreich, im Süd- westen durch Acker-, Ruderal-, Sand- und Wasser- pflanzen charakterisirt, floristisch zu Süddeutschland gehörig. Il. Fulda-Werra-Bezirk. Den nördlichen Theil des Ge- biets umfassend, mit rauherem Klima, artenärmer, im Nordosten durch zahlreiche Kalkpflanzen charakterisirt, floristisch zu Mitteldeutschland gehörig. B. Höhere Bergregion. 1II. Mit wenigen, zerstreuten, meist die basaltischen Ge- birge bewohnenden Gebirgspflanzen; den Alpen tributär. a — Botrath Dr. Garl Llaus, vormals Professor der Zoologie u. vergl. Anatomie an der Universität zu Wien. * 9, ]. 35 zu Kassel, T 18. I. 99 in Wien. Bis 1873 Autobiographie, vollendet von Prof. v. Alth in Wien. Herausgegeben vom Verein für Naturkunde zu Kassel. Mit dem Bildniss Claus’ und einem chronologischen Verzeichniss seiner Publikationen. _— IN GIK OD On Kassel 1899. Vorbemerkung. Vor ungefähr zwei Jahren bat ich unsern berühmten Landsmann, mir zu einer geplanten Fortsetzung der Strieder’- schen hessischen Gelehrtengeschichte eine Autobiographie zu liefern. Bereitwilligst sagte er zu, doch vor ihrer Vollendung ist Professor Carl Claus im Januar |. J. aus diesem Leben abberufen worden. Von seinem Schwiegersohn, Herrn Professor v. Alth in Wien, erfuhr ich, dass das gedachte Lebensbild nur bis zur Berufung nach Wien, bis zum Herbst 1873, gediehen sei. Er hat dasselbe, meinem Ersuchen entsprechend, vollendet, durch eine Zusammenstellung der Olaus’schen Publikationen in erwünschter Weise ergänzt und mir das Ganze für die Zwecke unseres Vereins, dem Claus nahezu 38 Jahre als Mitglied angehört und treue Anhänglichkeit bewahrt hat, in dankenswerther Weise zur Verfügung gestellt. Haben auch die meisten unserer jetzigen Mitglieder den verstorbenen Gelehrten nicht persönlich gekannt, das Lebensbild dieses durch geniale Veranlagung, scharfe Be- obachtungsgabe ausgezeichneten, durch eine riesige Arbeits- kraft und rastlose Thätigkeit hervorragenden Forschers wird aber doch allen von höchstem Interesse sein. Kassel, Ende April 1899. Dir. Dr. Ackermann, Ehrenvorsitzender des Vereins für Naturkunde. zen) A fü w-- Motto: „Ich bin der Meinung, dass jeder Mensch, wenn er ein gewisses Alter erreicht hat, nach welchem ihm voraus- sichtlich nicht mehr lange zu leben bleibt, sein Er- und Durch- lebtes schriftlich zu binterlassen, gleichsam eine Rechenschaft über sein Leben der Gesellschaft abzugeben hat. Das Leben eines jeden Menschen in noch so unbedeutender Stellung enthält Interessantes in psychologischer, kultureller und anderer Be- ziehung, geschweige denn das eines Menschen in bedeutender, verantwortungsvoller Stellung.“ Anton Rubinstein. 'S bin geboren zu Kassel am 2. Januar 1835. Mein Vater, Heinrich Claus, bekleidete daselbst als Münz- wardein ein kleines, aber verantwortungsvolles und dabei kärglich dotiertes Amt und war wegen seiner strengen Recht- lichkeit allgemein hochgeachtet. Schon der Grossvater hatte seit den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts das gleiche Amt an der Münze verwaltet. Meine Mutter Charlotte geb. Richter war die Tochter des Legationsrathes Joh. Con- rad Richter!) dessen Onkel CarlLudwig Richter?) seiner Zeit als Professor und Rector am Lyceum Frideri- cianum wirkte und wie die zu seinem Andenken gestiftete, noch jetzt alljährlich an den besten Abiturienten des Kasseler Gymnasiums vertheilte Richter-Denkmünze bezeugt, als Lehrer und Gelehrter in hohem Ansehen stand. Meine Jugenderinnerungen reichen fast bis zum vierten Lebensjahre zurück, bis zu der Zeit, in welcher meine hoch- betagte Grossmutter plötzlich starb. Dieselbe hatte sich in ihrem letzten Lebensjahr täglich mit mir, ihrem Liebling, be- schäftigt. Ich erinnere mich noch genau der beiden Zimmer, welche sie in der Wohnung meiner Eltern inne hatte, und die nun in anderer Weise eingerichtet wurden. Den ersten Unterricht empfing ich in Privatschulen zuerst bei Pfarrer !) Vergl. Strieders hessische Gelehrten-Geschichte Bd. XVII, pag. 302. 2) Dieselbe Bd. XII, pag. 5—11, Bd. XII, 371, Bd. XIV, pag. 352. Ueber die Genealogie der Familie ist mir ferner bekannt geworden, dass der Vater des Legationsrathes der 1775 verstorbene Hofgerichtsrath Johann Adolf Richter in Kassel wie auch der genannte Pro- fessor Carl Ludwig Richter Söhne des Aktuarius Johann Adolf Richter in Giebichenstein bei Halle waren. Die Mutter des Lega- tionsrathes Richter, also eine Urgrossmutter mütterlicher Seite, war eine Tochter des Geheimrathes Johann Wilhelm Ihringk in Kassel (nach dem Tode ihres Mannes mit dem Hofgerichtsrath Ferd. Philipp Heppe verheiratet, dessen Stammbaum in Strieders hessischer Gelehrtengeschichte Bd. VI. pag. 347 bis in das 15. Jahrhundert zu- rückverfolgt, des Näheren mitgetheilt wird). 6 Hofrath Dr. Carl Claus. Fenner, dann in der Knabenschule des Herrn Pfarrer Jatho. Als 9jähriger Knabe trat ich in die Quinta des Gymnasiums ein, dessen Direktor der bekannte, 1852 als Professor der klassischen Philologie nach Marburg versetzte Dr. Carl Friedrich Weber war. Unter der Leitung dieses trefflichen Lehrers hatte sich die aus dem oben ge- nannten Lyceum Fridericianum (1835) hervorgegangene An- stalt eines weiteren Aufschwunges und besten Rufes zu er- freuen. Derselbe erhielt sich auch unter den Nachfolgern Webers und war wohl neben anderen Vorzügen Kassels in Betracht gezogen worden, als sich Kronprinz Friedrich ver- anlasst fand, das Kasseler Gymnasium auszuwählen, um seinen Sohn, den jetzigen deutschen Kaiser Wilhelm II. die Prima desselben besuchen zu lassen. Ein volles Decen- nium gehörte ich dieser Anstalt an und verliess dieselbe erst Ostern 1854 nach gut bestandener Maturitätsprüfung, nach- dem ich allerdings, den auf 9 Jahre berechneten Cursus um 1 Jahr hatte verlängern müssen. Obwohl ich mir das Zeug- nis geben kann ein fleissiger und in jeder Hinsicht gut ge- arteter Schüler gewesen zu sein, waren doch mehrere Um- stände einer glatten, ungestört verlaufenden Absolvierung der Gymnasialstudien hinderlich. Vor allem war es meine schwäch- liche Körperkonstitution und katarrhalisch leicht afficirbare Gesundheit, die häufige Unterbrechungen des Schulbesuches und Störungen der häuslichen Arbeiten zur Folge hatte. Hierzu kam meine geringe Neigung, oder was dasselbe sein dürfte, die geringe Befähigung für das Studium der alten Sprachen, insbesondere deren abstrakt grammatikalische Be- handlung, welche damals allzu sehr in den Vordergrund ge- stellt wurde. Es waren zu viel mechanisch dem Gedächtnis einzuprägende Einzelheiten rein abstrakten Wissens, deren Aufnahme meiner geistigen Veranlagung nicht zusagten. Um so mehr wurde ich von dem naturwissenschaftlichen und mathematischen Unterricht angezogen. Schon in den unteren Klassen wurde die Naturgeschichte in einer durchaus ange- messenen, die Beobachtungsgabe und Phantasie des Schülers anregenden Weise behandelt, der Anschauungsunterricht durch an die vorgezeigten und kurz beschriebenen Objekte an- knüpfende Erzählungen unterstützt. In den oberen Klassen waren die Grundlehren der Chemie und Physik Gegenstand des Unterrichts, welcher der Fassungskraft des mit zahllosen und mannigfachen meist unverbundenen Details belasteten Geistes angepasst war. In gleicher Weise wurde die Mathematik von den elementaren Anfangsstufen an durch alle Klassen bis zur analytischen Geometrie und Trigonometrie, den algebraischen Hofrath Dr. Carl Claus. 7 Gleichungen mit mehreren Unbekannten und dem binomi- schen Lehrsatz fortgeführt und von tüchtigen Lehrern in fasslicher Darstellung Schritt für Schritt aufsteigend vor- getragen. Dass ich in Naturgeschichte, Physik und Mathematik bei weitem bessere Fortschritte machte, als in den alten Sprachen und in jenen Fächern ohne häusliche Nachhilfe stets zu den besten Schülern zählte, verdankte ich ausser meiner Veranlagung vornehmlich dem verständigen, anregenden Unterricht meiner Lehrer (Dr. Grebe, Schorre, Auth). Der Anschauungsunterricht in der Naturgeschichte gab bald den Anstoss zum Sammeln aller möglichen Naturalien. Zuerst wurde es mit einem Herbarium versucht ; wohl deshalb, weil Pflanzen sich leicht in grosser Zahl und Mannigfaltigkeit der Formen beschaffen liessen. Indessen vermochten die ge- trockneten Objekte den in erster Linie für Schönheit und Mannigfaltigkeit der Formen interessirten Sinn nicht auf die Dauer zu fesseln. Grosses Vergnügen gewährte mir die An- lage einer Mineraliensammlung, zu welcher die in der Kasseler Umgebung vorkommenden Gesteine, sowie die, welche Bergleute aus Ilmenau und Clausthal alljährlich feilboten, den Grund legten. Diese Sammlung wurde viele Jahre hindurch fortgeführt und zu einem gewissen für einen Schüler bemerkenswerthen Um- fang gebracht. Daneben aber erwachte das Interesse für Biologie der Insekten und insbesondere der ZLepidoptera, deren Metamorphose mir durch die Bekanntschaft mit Roesel v. Rosenhof’s Insekten Belustigungen eine Quelle reinsten und zugleich nützlichen Vergnügens wurde. Es ist wohl kein Zweifel, dass solche frühzeitig, in den Jahren der Gymnasial- zeit mit Eifer und Lust betriebenen Beschäftigungen den Sinn für Beobachtung und feinere Unterscheidung in hohem Grade schärften und eine vortreffliche Vorbereitung zum Studium der Naturwissenschaften für die Zeit des reiferen Alters bildeten. Wohl scheint die Lust zum Sammeln und die Freude am Besitze jedem Menschen angeboren, indessen dürfte vom Sinne für die Natur nicht das gleiche gelten. Mir ward derselbe zu Theil und wurde durch die besonderen Bedingungen des Unterrichts von Jahr zu Jahr gesteigert. Da gab es im Sommer keinen freien Nachmittag oder eine sonst zur Erholung bestimmte Stunde, die nicht von mir zu einer Exkursion in die herrliche Kasseler Umgebung be- nutzt wurde, auf Wiesen und Feld, ım Thal und auf bewal- deten Höhen Raupen zu suchen und Schmetterlinge zu fangen. Diese Beschäftigung auf einsamem Spaziergange brachte mir aber noch einen andern, höher zu veranschlagen- den Nutzen, den der inneren Sammlung und psychischen Be- 8 Hofrath Dr. Carl Claus. friedigung. Sagt doch Wilhelm Grimm in seiner Bio- graphie so schön und wahr, dass er nichts wisse, was so sehr die friedliche Stimmung der Seele hervorrufe, als ein einsamer Spaziergang, wo wir die Natur frei auf unsere Ge- danken wirken lassen. So war denn auch lange vor dem Abgange zur Universität mein Beruf gewählt, obwohl mir von vielen Seiten zu einem sicheren Brotstudium gerathen wurde, und insbesondere meine auf das Praktische gerichtete Mutter mich im Hinblick auf die zahlreichen Rechtsgelehrten in ihrer Familie zur Jurisprudenz zu bestimmen suchte. Seitens der Eltern wurde auf die Erziehung und Gesundheitspflege ihrer Kinder (ausser mir waren es eine um ein Jahr jüngere Schwester Mathilde, später verheiratet an den Rechtsanwalt Burhenne in Kassel, derzeit verwitwet in Marburg lebend, und ein jüngerer Bruder Adolf, zur Zeit Professor der Chemie an der Universität Freiburg ı. B.) die grösste Sorgfalt verwendet. Im Gegensatz zumeinem Vater, der strengen Sinnes und von in sich gekehrter Gemütsart, ein zurückgezogenes, auf den Ver- kehr mit wenigen Freunden beschränktesLeben führte, war meine geistig überaus geweckte und stets heitere und lebensfrohe Mutter darauf bedacht, uns wo nur immer möglich zu er- freuen, im Umgang mit wohlerzogenen Kindern befreundeter Familien gesellige Vergnügungen zu bereiten und uns die ohnehin so rasch dahinschwindende Zeit der Kindheit und Jugend im besten Sinne geniessen zu lassen. Da gab es keinen Geburtstag, der nicht in vergnügter Weise mit Spielen, Musik und Tanz gefeiert wurde. Auch verdanke ich es ihr, den Sinn für Musik in mir erweckt und mich frühzeitig be- sonders für die klassische Musik empfänglich gemacht zu haben. Da mir die Zeit und nicht minder die Geduld fehlte, die für den Anfänger notwendigen Fingerübungen durch- zuführen und somit technische Fertigkeit im Klavier- spielen zu erlangen, gab ich dieses bald auf, erfreute mich aber umsomehr an dem Vierhändigspielen meiner Mutter und Schwester, welche die Ouvertüren klassischer Opern, Sonaten und Symphonien von Haydn, Mozart und Beethoven mit technischer Fertigkeit und gefühlvollem Ver- ständnis vortrugen. Die mir so eingepflanzte Liebe zur Musik wurde unterstützt durch feines musikalisches Gehör und Gedächtnis und hat sich durch alle späteren Jahre erhalten, wo sie mir oft durch Anhören der grossen Schöpfungen unsrer ersten Tondichter zu einer Quelle reinsten und edelsten Genusses wurde. Ostern 1854 bezog ich die Landes-Universität Marburg und wurde unter dem damaligen Prorektor Prof. Röstell Hofrath Dr. Carl Claus. 9 als Student der Medicin und Naturwissenschaft immatrikuliert !). Schon damals schwebte mir als höchstes Ziel die akademische Laufbahn vor, doch wollte ich dem Ungewissen gegenüber einen gedeckten Rückhalt entweder als Gymnasiallehrer oder, wenn sich zu diesem Berufe im Laufe der Studien Lust und Befähigung herausstellen sollte, als praktischer Arzt sichern. Die Vorlesungen, welche ich während eines zweijährigen Auf- enthaltes in Marburg hörte, waren Proprädeutik und Relı- gionsphilosophie (OÖ. Zeller), Mineralogie und Geologie (Dunker), Zoologie (Herold), Differenzial- und Integral- rechnung (Stegmann), Analytische Geometrie der Ebene (Schell), Anorganische Chemie und Organische ÜOhemie (Kolbe), Experimentalphysik (Kohlrausch), Osteologie und Anatomie (Fick). Das grösste Interesse brachte ich den mineralogi- schen und zoologischen Vorträgen entgegen, und ich darf wohl sagen, dass ich bei niemals ausgesetztem Besuch die Vor- lesungen nicht nur schwarz auf weiss nach Hause trug, sondern den Inhalt derselben möglichst vollständig meinem Gedächtnis einzuprägen suchte. Leider fehltedamals in den meisten Fächern die Gelegenheit einer Anleitung zu eigenen Beobachtungen und selbstthätiger Arbeit, im Gegensatz zum chemischen Laboratorium, welches ıch bei Professor Kolbe mit Fleiss und Eifer besuchte. Auch an den Secirübungen, welche L. Fick mit technischer Meisterschaft leitete, betheiligte ich mich in der für die Medicin Studierenden üblichen Weise, ob- wohl ich mit einer gewissen nie überwundenen Scheu vor der menschlichen Leiche zu kämpfen hatte. Als grosses Glück und von höchster Bedeutung für meinen weiteren Bildungsgang muss ich es betrachten, dass ich mit Professor R. Leuckart bekannt wurde, der damals den Lehrstuhl in Giessen innehatte und im Beginne der Blüthezeit seiner Schaffens- und Arbeitskraft stand, und dass ich von ihm in liebenswürdigster Weise angeregt wurde, die zoologischen Studien unter seiner Leitung fortzusetzen. Ich bezog daher Ostern 1856 die Universität Giessen und hatte hier nicht nur Gelegenheit eine Reihe wissenschaftlicher und theoretisch medizinischer Vorlesungen wie Botanik und Pflanzenphysiologie bei Rossmann und Hofmann, Phy- siologie bei Eckhardt, Pathologie bei Seitz zu hören, sondern auch in der Biologie eine feste Grundlage zu einer tiefer gehenden Ausbildung zu geniessen. 1) Cl. gehörte als Marburger Student dem Corps der Hasso- Nassoven an. Der Herausg. 10 Hofrath Dr. Carl Claus. Bei Leuckart fand ich meine Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern weitaus übertroffen. Aus seinen Vorlesungen über Zoologie, vergleichende Anatomie und Entwickelungsge- schichte, an welchen ich mehrere Semester theilnahm, schöpfte ich reiche Belehrung und Anregung zu theils häuslichen Studien, theils zu den ım Institute Leuckarts unter dessen Anleitung ausgeführten Beobachtungen. Zunächst handelte es sich um eine allgemeine Orientierung, daneben aber begann ich einem mich besonders - interessierenden Gegenstand meine Aufmerksamkeit zuzuwenden. Insbeson- dere waren es die kleinen, aus den Tümpeln und Bächen der Umgebung Giessens leicht zu beschaffenden Enlomostraken, mit denen ich mich zu beschäftigen begann und unter diesen speziell die Oyclopiden, deren Körperbau und Entwicklung bislang unzureichend bekannt war. Zunächst suchte ich nach genauer Feststellung des äusseren Baues sichere An- haltspunkte zur Entscheidung der Arten zu gewinnen, welche in dem von Jurine als Cyclops quadricornis bezeichneten Collectivform enthalten sind. So kam es, dass ich noch in demselben Jahr eine kleine Abhandlung „das Genus Üyclops und seine einheimischen Arten“ alsInaugural-Dissertation der philosophischen Fakultät in Marburg vorlegen konnte, um auf Grund derselben nach bestandener Prüfung im Februar 1857 zum Doktor der Philosophie promoviert zu werden. Das Spezialgebiet meiner Erstlingsarbeit, deren mannigfache Mängel ich rückhaltlos anerkenne und in späteren Jahren mehrfach zu berichtigen Anlass hatte, regte mich zur Beanwortung einer Reihe von Fragen an. Ins- besondere war es die Anatomie und postembryonale Ent- wickelung zunächst der Süsswassercopepoden, die ich noch in demselben Jahr in Angriff nahm. Die in dem Aufsatze „Zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte der Copepoden“ (Archiv für Naturgeschichte 1858) veröffentlichten Ergebnisse meiner Beobachtungen gestatteten den Nachweis einer be- stimmten Zahl aufeinander folgender Entwickelungsstadien sowohl für den jüngeren Nauplius, als für die aus dieser hervorgehenden älteren sog. Cyclops- oder Cyclopidreihe mit allmählichem Auftreten der Sexualcharaktere und führten mich zur Untersuchung der so überaus verschiedenen parasitischen Formen, deren Körperbau und Gliederung sich bislang der Zurückführung auf die freilebenden Oopepoden entzogen hatte. Um diese mir vorschwebende Aufgabe lösen zu können, war ein längerer Aufenthalt an der Meeresküste wünschenswert, den ich um so sehnsüchtiger anstrebte, als mir derselbe gleichzeitig Gelegenheit gab, die merkwürdige pelagische Fauna, Hofrath Dr. Carl Claus. 11 welche nach dem Vorgange Joh. Müllers jüngere Zoo- logen, wie C. Vogt, Gegenbaur, R. Leuckart u. a., so mächtig angezogen und zu wichtigen Forschungen ge- führt hatte, durch eigene Anschauung kennen zu lernen. Die Wahl fiel nach dem Vorschlage meines verehrten Lehrers auf Nizza. Bevor ich die Reise antrat, hatte ich das Glück der Versammlung deutscher Naturforscher in Bonn als Mitglied beizuwohnen und hier die persönliche Bekanntschaft einer Reihe junger Gelehrten, wie A. de Bary, F. Cohn, ©. Semper, zu machen, deren Beispiel nicht wenig zur Aufmunterung und Aneiferung beitrug. Noch im Oktober desselben Jahres (1857) trat ich die Reise an, fuhr per Bahn über Paris nach Marseille und von da per diligence nach dem herrlichen Küstenpunkt der Riviera. Wenn auch die, im jugendlichen Uebereifer, von mir gehegten Erwartungen be- züglich der wissenschaftlichen Ergebnisse dieses Aufenthaltes, getäuscht wurden, so konnten doch bescheidene Erfolge selbst bei den relativ ungünstigen Witterungsverhältnissen des damaligen Winters und der schwierigen Beschaffung des Untersuchungsmateriales nicht ganz ausbleiben. Auf mich selbst angewiesen lernte ich selbständig arbeiten und gewann auf zahlreichen Gebieten niederer Seethiere eine allgemeine auf eigener Anschauung basierte Orientierung, die mir in Zu- kunft überaus förderlich werden sollte. Ausser den an Kiemen verschiedener Fische parasitisch lebenden Copepoden waren die damals gerade im Vordergrunde des Interesses stehenden Siphonophoren Lieblingsgegenstand meiner Be- schäftigung. Die auf jenem Gebiete für die Gattungen Chondracanihus und Lernanthropus gewonnenen Befunde wurden im nachfolgenden Jahre in einer Abhandlung aufgenommen, die ich als Habilitationsschrift der phi- losophischen Fakultät in Marburg vorlegte, und waren in so fern nicht ohne Belang, als sie das morphologische Ver- ständnis der so abweichend gestalteten Schmarotzerkrebse und deren Zurückführung auf den Bau der freilebenden Copepoden förderten und den in einer späteren Arbeit ver- suchten Nachweis vorbereiteten, dass die durch den Parası- tismus bedingte Rückbildung einer auf einem früheren oder späteren Stadium der Metamorphose zurückgebliebenen Ent- wicklungshemmung entspricht, welche in Verbindung mit be- sonderen Wachsthumsvorgängen die grossen Differenzen der Familien und nicht minder des Sexualdimorphismus ver- ständlich machen. Mit den Beobachtungen über Siphono- phoren, deren von R. Leuckart entwickelte Auffassung als polymorphe Thierstöcke ich durch neue Anhaltspunkte zu 12 Hofrath Dr. Carl Claus. unterstützen suchte, wurde ich auf das formenreiche Gebiet der Hydromedusen geführt, welches für die Zukunft, wie das schon früher betriebene der Orustaceen, das Hauptfeld meiner Spezialarbeiten werden sollte. ;£ Mein Verbleiben in Marburg war jedoch nur von kurzer Dauer, da bei dem Mangel jeglichen Materiales zum Vortrage, sowie eines mit den erforderlichen Hilfsmitteln zur Unter- suchung ausgestatteten Arbeitslokales die Aussicht auf eine erspriessliche Lehrthätigkeit und Weiterentwicklung hinweg- fiel. Ich entschloss mich daher schon im nächsten Jahre Marburg mit einer anderen Universität zu vertauschen und wählte auf den Rath wolwollender Freunde die Universität Würzburg. Schon im Wintersemester 1859/60 konnte ich meine Vorlesungen, wenn auch vor einer geringen Zahl von Hörern beginnen und überdies unterstützt durch die För- derung hervorragender Professoren, wie Wegele, Schenk und Kölliker, eine erfolgreiche wissenschaftliche Thätigkeit beginnen. Dazu kam als ausserordentlicher und ganz uner- warteter Glücksfall die auf Empfehlung Leuckarts erfolgte Berufung als Professor der Zoologie nach Dorpat. Vielleicht zu frühe, nach kaum begonnener Dozententhätigkeit, wurde ich im Frühjahr 1860 durch das Berufungsschreiben überrascht und hatte die Freude nach Ablehnung des ehrenvollen Rufes zum ausserordentlichen Professor in Würzburg. mit einem Jahresgehalte von 800 fl. ernannt zu werden. Es war dies wol eines der freudigsten Ereignisse in meinem Leben, war ich doch nunmehr von der täglichen Sorge befreit, zur Be- streitung meiner Existenzbedürfnisse die knappen Mittel meiner Eltern in Anspruch zu nehmen und hatte ich mich zugleich durch die aussergewöhnlich rasche Beförderung einer Anerkennung zu erfreuen, die meinen Ehrgeiz mächtig anspornen und zur unausgesetzten Fortsetzung wissenschaftlicher Arbeiten anregen musste. Eine Reihe von Vorträgen in der Würzburger physikalisch-medicinischen Gesellschaft, sowie Publikationen in den von derselben her- ausgegebenen Schriften war die Frucht dieser Bestrebungen. Vornehmlich beschäftigte ich mich neben Untersuchungen über Würmer und Insekten mit dem Baue und der Organi- sation der Schmarotzerkrebse, von denen mir der Fischmarkt lebendiges Material lieferte. Eine Reise nach Helgoland, in den Sommerferien 1860 unternommen, und ein längerer Aufenthalt in Messina und Neapel während des Winter- semesters 1861/62 machten mir auf dem Gebiete der Cru- staceen und Coelenteraten umfassendere Studien möglich, deren Resultat ich in den erwähnten Gesellschaftsschriften Hofrath Dr. Carl Claus. 13 MT —— und in der Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie Bd. X— XII sowie in der grösseren Monographie „die freileben- den Copepoden‘“, Leipzig 1863, veröffentlichte. Auch meine Lehrthätigkeit wäre eine weit erfolgreichere gewesen, wenn nicht die Schwierigkeit der freien Benutzung des zoologischen Museums bei den Lehrvorträgen hindernd im Wege gestanden hätte. Da die zoologische Sammlung unter der Direktion des Ordinarius für Zoologie Professor Dr. Leiblein nur in Anwesenheit und unter Intervention des Dieners zu benutzen war, und die Studierenden die Objekte der Beschreibung nicht im Hörsaale beim Vortrag, sondern nach Beendigung desselben im Museum zu sehen bekamen, ergaben sich Com- plikationen, welche das Interesse der Hörer für den Gegen- stand des Unterrichtes nur abzuschwächen geeignet waren. Es waren aber noch andere Gründe, welche auf meine Stimmung in Würzburg, dessen Bewohner mir überaus sym- pathisch waren, ungünstig einwirkten und mit dazu bei- trugen, mir den Aufenthalt daselbst auf die Dauer nicht an- genehm machten. Wie bekannt, war damals Würzburg der vornehmliche Sitz der Gross- Deutschlandbewegung, welche sich gegen die Führerschaft Preussens richtete und Oester- reich an die Spitze Deutschlands stellen wollte. Als Kur- hesse schloss ich mich der sogen. kleindeutschen Auffassung an, glaubte aus den Verfassungskämpfen, die ich in Kassel erlebt hatte, sowie aus der Geschichte früherer Zeiten die Lehre nehmen zu können, dass Oesterreich die deutschen Lande den Zwecken seiner Monarchie stets unterordnen werde, und dass daher Preussen berufen sei, an die Spitze eines selbständigen deutschen Reiches zu treten. Es ist begreiflich, dass ich bei solcher Gesinnung mich in einer Stadt, in welcher die Herren Beust, Pforten, Dal- wigh als die Helden der Zukunft gefeiert, dagegen Bismarck mit allem Nachdruck bekämpft wurde, nicht heimisch fühlte, zumal ich, leicht erregbaren Temperaments, meine Meinung nicht zurückhielt, sondern bei jeder Gelegenheit zum Aus- druck brachte. Materiell war meine Lage eine durchaus zu- friedenstellende. An ein einfaches Leben und Sparsamkeit gewöhnt, fand ich mit dem Jahresgehalt und den geringen Nebeneinnahmen nicht nur mein volles Auskommen, sondern konnte auch noch kleinere und grössere Ausflüge unter- nehmen, sowie die Kosten der bereits erwähnten Reisen aus eigenen Mitteln bestreiten. Schon Anfang des Jahres 1863 trat für mich ein be- deutungsvolles Ereignis ein, das für meine Zukunft mit- entscheidend sein sollte. Mit dem Tode meines alten Lehrers 14 Hofrath Dr. Carl Claus. Herold war die Professur für Zoologie an der Universität Marburg frei geworden und der akademische Senat hatte mich für dieselbe in Vorschlag gebracht. Die Berufung er- folgte schon am Schlusse des Wintersemesters, und ich war _ zu einer raschen Entscheidung gedrängt, da ich im Falle der Annahme die neue Stellung schon mit Beginn des Sommer- semesters anzutreten hatte. Trotz mancher Bedenken, und obwohl man mich für Würzburg als Ordinarius erhalten wollte, entschloss ich mich für Marburg. Den Ausschlag gab die Aussicht an der Universität meines engeren Heimatlandes die Vereinigung der vergleichend anatomischen Sammlung, die seither der Professur für menschliche Anatomie zuge- theilt worden war, mit dem zoologischen Institut und damit zugleich die Vertretung der vergleichenden Anatomie zu er- reichen. Leider brachte mir der neue Wirkungskreis mancher- lei Enttäuschungen. Nicht nur die minimale Zahl der Hörer, vor denen ich die Vorlesungen über Zoologie halten musste, auch die höchst primitive Ausstattung des Institutes, von dem ich vorher niemals Gelegenheit hatte, nähere Einsicht zu nehmen, blieb weit hinter meinen Erwartungen zurück. Erst 4 Jahre später gelang es, eine wesentliche Verbesserung der Einrichtungen des Instituts, sowie eine Bereicherung seines Inhalts durch die vergleichend anatomische Sammlung, deren Besitz ıch für den Vertreter der wissenschaftlichen Zoologie für unumgänglich erachtete, durchzuführen. Uebrigens sollte es mir nicht so leicht werden, mich an die neuen Verhältnisse und an das viel kleinere, die mannigfachen Unterhaltungsmittel Würzburgs entbehrende Marburg zu gewöhnen. Was ich besonders vermisste, war der Mangel musikalischer Unterhaltung, insbesondere der mit vollzähligem Orchester, wenn auch nicht in künstlicher Vol- lendung vorgetragenen klassischen Symphonien, die ich in Würzburg allwöchentlich zu hören Gelegenheit hatte. Um so mehr sehnte ich mich nach einem gemütlichen Hauswesen, das ich schon im folgenden Jahre durch Verehelichung mit Fräulein Camilla von Napolska, Tochter des verstorbenen Majors v. Napolska in Berlin, gründete. Freilich stellten sich jetzt wieder Sorgen anderer Art ein. Der Jahresgehalt von 700 Thalern, zu welchem die geringen Nebeneinnahmen einen kaum nennenswerten Zuschuss brachten, legte mir bei dem Mangel an Privatvermögen mancherlei Einschränkungen auf. Erst vier Jahre später gestaltete sich meine finanzielle Lage in Folge einer Berufung als Direktor des Thiergartens inHamburg (als Nachfolger Brehm ’s) wesentlich besser. Auch flossen die Nebeneinnahmen reichlicher, da die in- Hofrath Dr. Carl Claus. 15 zwischen erfolgte Vereinigung Kurhessens mit Preussen einen überaus günstigen Einfluss auf die Hebung der Universität zur Folge hatte. Meine wissenschaftlichen Beschäftigungen dieser Zeit bezogen sich, wie ein Blick auf die im Anhang aufgezählten Publikationen zeigt, auf die Organisation und Entwicklung von Arthropoden und Würmern, die ich in der Umgebung Marburgs sammeln oder mir auf anderm Wege verschaffen konnte. Insbesondere interessierte mich die Entstehung und Entwicklung des Insekteneies im Ovarium, über die ich schon in Würzburg zahlreiche Beobachtungen gemacht hatte, von denen jedoch nur die auf Aphiden be- züglichen, unter Bezugnahme auf die von mir schon früher (1856) versuchte Zurückführung der sog. Blattlausammen auf modificierte parthenogenetisch sich fortpflanzende Weibchen, zur Veröffentlichung gelangte (1869). Anschliessend an diese, als Heterogenie zu betrachtende Fortpflanzung gelang es mir, die in der rothen Wegeschnecke lebende Septodera appen- diculata, sowie deren freilebende zweite Generation zu ver- folgen und die Fortpflanzung derselben als eine Form der Heterogenie darzuthun. Auch war ich so glücklich aus Raupen der Psyche helix (aus der Umgebung Bozens) die bisher unbekannten und vergeblich gesuchten Männchen zu züchten und damit den Beweis zu erbringen, dass bei Genera- tionen hindurch ausschliesslich parthenogenetisch sich fort- pflanzenden Formen, das männliche Geschlecht keineswegs ganz hinweggefallen ist, sondern unter unbekannten Beding- ungen gelegentlich an gewissen Ortlichkeiten auftritt. Die Beschäftigung mit Süsswasser-Ostracoden führten zum Studium der bislang ganz unbekannt gebliebenen postembryonalen Entwicklung von Cypris, deren Jugendformen von der schalen- tragenden Naupliuslarve an, durch sämmtliche Stadien bis zur Geschlechtsform verfolgt werden konnten. Auch marine Östracoden (Cypridina Halocypris) wurden vornehmlich mit Rücksicht auf deren Körperbau, Organisation und Geschlechts- unterschiede untersucht und die bezüglichen Befunde in mehreren Abhandlungen veröffentlicht. Das Bestreben, die noch immer vielfach dunkle Morphologie der so überaus vielgestaltigen Schmarotzerkrebse, zu deren Kenntnis ich schon in ver- schiedenen früheren Arbeiten manche Beiträge gebracht hatte, aufzuhellen, führte mich zu Untersuchungen über die Organi- sation, Metamorphose und Begattungsstadien der Lernaceen, und in gleicher Weise wie die Ergebnisse dieser Studien fanden die zur Aufklärung des COirrepedienbaues an deren Larven angestellten Beobachtungen in den Schriften der Gesellschaft - 16 Hofrath Dr. Carl Claus. gr zur Beförderung der Naturwissenschaften Aufnahme. Für die Lepaden gelang es mir nachzuweisen, dass der mit den Heftantennen versehene sog. Fuss morphologisch der aus der zweikappigen Puppenschale hervorgewachsene Kopf ist. In die Zeit meiner Marburger Professur fällt auch die Bearbeitung der überall so günstig aufgenommenen „Grund- züge der Zoologie“ !). Schon im Jahre 1879 fasste ich den Entschluss, ein dem modernen Stande der Zoologie ent- sprechendes Lehrbuch zu verfassen, welches der üblichen veralteten Behandlung gegenüber der genetischen Auffassung Rechnung tragen sollte und im Falle einer glücklichen Durch- führung meiner damals kärglich bemessenen Einnahme er- wünschten Zuschuss bringen konnte. Zwei Jahre später er- schien der erste Theil und mit Beginn des Jahres 1868 auch die zweite Hälfte desselben. Leider sollten sich bald Sorgen anderer Art einstellen. Schon im Jahre 1865 war der Gesundheitszustand meiner Frau erschüttert und drei Jahre später hatte sich derselbe derart verschlimmert, dass er zu ernsten Befürchtungen An- lass gab. Im Frühjahr 1869 machte ein sanfter Tod dem schweren Leiden ein Ende. Zu diesem betrübenden Familien- schicksal kamen verschiedene Umstände hinzu, um in mir den Wunsch zu erwecken, die im nächsten Jahr durch den Tod Kefersteins erledigte Professur für Zoologie und ver- gleichende Anatomie an der Universität in Göttingen zu er- langen. In der That erhielt ich noch im Laufe desselben Jahres die Berufung und folgte derselben umso freudiger, als das mit derselben verbundene Institut, mit viel reicheren Hülfs- mitteln ausgestattet, zu einer ausgedehnteren Wirksamkeit als Lehrer und Forscher Aussicht gab. Nach Abschluss des Sommersemesters siedelte ich an den neuen Bestimmungs- ort über. Meine Lage war jedoch in mehrfacher Hinsicht keineswegs beneidenswerth. Alleinstehend, mit drei hilfs- bedürftigen Töchterchen im zartesten Kindesalter, gestalteten sich auch die Lebensverhältnisse für mich schwieriger als ich mir vorgestellt hatte. Meine materielle Stellung hatte sich keineswegs verbessert, da mancherlei Nebeneinnahmen, die mir in Marburg eine Unterstützung gewährten, in Weg- fall kamen und der Jahresgehalt der frühere geblieben war. Auch begegnete man mir von mancher Seite mit einem gewissen !) Diese „Grundzüge“ erlebten 4 Auflagen, dann erhielten sie den Titel „Lehrbuch“, und dies erlebte 6 Auflagen, innerhalb 30 Jahren also im Ganzen 10 Auflagen. Es ist in die meisten Kultursprachen übersetzt worden und hat auch hier je mehrere Auflagen erfahren. Anm. des Herausg. Hofrath Dr. Carl Claus. 17 Misstrauen, da ich ohne vorauseingeholten Vorschlag der Facultät durch das Ministerium von Mühler berufen worden war, und überdies zahlreiche Professoren als Anhänger des früheren Regimes ausgesprochene Gegner der preussischen Massnahmen waren. Doch scheint diese mir abträgliche Stimmung nur von kurzer Dauer gewesen zu sein, da man sich aus meinen Vorlesungen und insbesondere aus den Vor- trägen über Descendenzlehre von der Unhaltbarkeit der das Misstrauen bedingenden Voraussetzung überzeugt hatte. In dieser Auffassung wurde ich durch die schon im folgenden Jahre erfolgte Wahl zum ordentlichen Mitglied der kön. Societät der Wissenschaften bestärkt. Das mir unterstellte zoogl. vergl. anatomische Institut war allerdings viel besser dotiert und mit einem weit reichhaltigeren Lehrapparat ver- bunden als das Marburger, litt aber an dem Uebelstand un- zureichender Lokalitäten, die sich in dem höchst baufälligen Nebentrakt des Bibliotheksgebäudes in unmittelbarer Nähe des physiologischen Institutes befanden. Es war auch bereits längst ein Neubau projectiert, und noch bevor ich meine Uebersiedlung nach Göttingen ausgeführt, wurde ich zur Theilnahme an einer den Neubau eines naturhistorischen Institutes berathenden Oonferenz eingeladen. Leider verzögerte sich die Feststellung des Planes und nachher blieb die Zu- stimmung der Regierung aus, so dass bei meiner 3!/e Jahr später erfolgten Berufung nach Wien noch alles so ziemlich beim alten lag. — Wissenschaftlich war ich in Göttingen ab- gesehen von der Ausarbeitung einer neuen Ausgabe der Grundzüge der Zoologie vornehmlich mit Arbeiten über den Bau und die Verwandtschaft der Urustaceen beschäftigt. Es fallen in diese Zeit kleinere Publicationen über Zemnadia Phronima und Nebalia, deren männliche Form zuerst beschrieben und deren Zugehörigkeit zu den Malacostraceen nachgewiesen wurde. Ferner wurden umfangreichere Untersuchungen über die Metamorphose der Squilliden und über den Bau und Ent- wicklung von Apus und Branchipus angestellt, beide veröffent- licht in den Abhandlungen der kön. Societät der Wissen- schaften (1872 und 1873). Im Laufe des Jahres 1871 war ich so glücklich, mein gestörtes Familienleben wieder einzurichten. Ich vermählte mich mit Frl. Rose Warder aus London, deren aufopferndes und liebevolles Wesen ich schon früher im Hause meines Bruders, des Professors der Chemie Adolf Claus in Freiburg i. B., der ihre Schwester zur Frau hatte, schätzen lernte. Ein meine Vermählung betreffender Aufenthalt in London gab mir Anlass mit hervorragenden Fachgenossen, denen ich 2 18 Hofrath Dr. Carl Claus. schon früher brieflich näher getreten war, persönlich bekannt zu werden. Von 8. John Lubbock erhielt ich eine freundliche Einladung zu einem Besuch in seiner Villa in High Elms in der Nähe von Down, wo der berühmte Begründer - der Selectionslehre Ch. Darwin auf seinem Landgute wohnte. Es ist mir unvergesslich, wie zuvorkommend Lub- bocks liebenswürdige Gattin meinen Besuch im Hause Darwin’s vermittelte, welcher damals wegen körperlichen Leidens für fremde Gelehrte schwer zugänglich war, dennoch jüngeren deutschen Forschern, die seine Lehre vorurtheilsfrei geprüft und zum Teil enthusiastisch aufgenommen hatten, besonders achtungsvoll und wohlwollend entgegenkam. Leider sollte das wieder hergestellte Glück des Familien- lebens nur von kurzer Dauer sein. Im Juni 1872 starb meine Gattin, welche mit aufopfernder Selbstentäusserung die Pflege und Erziehung der drei Kinder übernommen und in liebe- voller Pflichtreue den Haushalt geleitet, eines plötzlichen Todes. Von dem neuen Schicksalsschlage schwer getroffen, bedurfte ich körperlicher Stärkung und insbesondere psychischer Auffrischung, die ich voraussichtlich nur in grossartiger Natur und anregender Arbeit finden konnte. Einen mir gewährten Urlaub benutzte ich daher zu einer Reise nach Neapel, wo ich zugleich Gelegenheit hatte, meine Studien an lebenden Seethieren wieder aufzunehmen. Es war vornehmlich der Organismus der Halocypriden u. Diplophyysa, der zu eingehenden Beobachtungen Material gab und die später publicierten kleinen Schriften veranlasste. Nach Göttingen zurückgekehrt, versuchte ich meine Stellung, die angesichts der erhöhten Lebensbedürfnisse Marburg gegenüber keineswegs besser war, zu heben und suchte um Aufnahme in die Honorar- facultät nach, was jedoch abweislich beschieden wurde. Ebenso suchte ich einen erhöhten Einfluss auf die Vorstudien der Mediciner zu gewinnen. Da ich als Schüler R. Leuckart’s der anatomisch- physiologischen Richtung angehörte, die im Gegensatze zu der bislang vorherrschenden descriptiven Systematik als wissenschaftliche Zoologie immer grössere Bedeutung ge- wann, musste ich Werth darauf legen, die Beziehungen der- selben zur Medizin, aus deren Vorstudien Vertreter der praktischen Fächer die Zoologie zu entfernen suchten, auch ferner erhalten und nach der neueren die Descendenzlehre in sich fassenden Richtung gepflegt zu sehen. Nun war es schon am Anfang der 60er Jahre nach dem Tode des grossen Anatomen und Physiologen Joh. Müller dem Ein- flusse der Praktiker geglückt an den preussischen Univer- Hofrath Dr. Carl Claus. 19 sitäten wesentliche Abänderungen des sogen. tentamen physi- cum der Medicinstudierenden einzuführen, für welche durch jene die naturhistorische Vorbildung so gut als ausge- schlossen war. Nach dem deutsch-österreichischen Kriege hatte man die gleichen Abänderungen auch an den Universi- täten der einverleibten Provinzen aufgenommen, und es machte sich alsbald auch hier die nachteilige Rückwirkung dieser Neuerung auf das Studium der Zoologie und die natur- historischen Kenntnisse der Medicinstudierenden bemerkbar. Begreiflich, dass ich schon in Marburg bemüht war, wenigstens eine Milderung der neuen Bestimmungen zu erreichen und einen wenn auch beschränkten Einfluss des Zoologen auf die Vor- bildung des Arztes wiederzugewinnen. In der That traf die Unterrichtsverwaltung, auf die arge Vernachlässigung der naturhistorischen Fächer seitens der Mediziner aufmerksam gemacht, Massnahmen, um dem Uebelstand einigermassen zu steuern. Infolge derselben konnte dem Zoologen, insofern er die anatomisch-physiologische Richtung vertrat, eine gewisse beschränkte Theilnahme an dem tentamen physicum von Jahr zu Jahr eingeräumt, indessen auch der Vertreter der menschlichen Anatomie und eventuell der Botaniker zu dieser Funktion nominiert werden. In Göttingen sollte ich später das Drückende einer solchen Bestimmung erfahren, welche eventuell das Wohlverhalten des Professors unter die Kon- trolle der Regierung stellte. Inzwischen hatte man sich in Oesterreich entschlossen, für die durch den Tod Kner’s schon im Jahre 1869 erledigte zoologische Professur in Wien neben Schmarda und Brühl einen Vertreter der modernen, an Darwins Lehre sich anschliessenden Richtung zu berufen. Man hatte sich an E. Haeckel gewandt, dieser aber hatte vielleicht in richtiger Würdigung mancher, einer erfolgreichen Wirksamkeit des zu berufenden Zoologen vorausichtlich entgegentretenden Schwierigkeiten abgelehnt. Nun trat die Aufforderung an mich heran und es war das unglückliche Zusammentreffen verschiedener zum Theil bereits erwähnter Umstände, welches mich veranlasste, meiner Verstimmung nachzugeben und trotz entschiedener Abmahnungen auf die überdies unter glänzenden Bedingungen erfolgte Berufung einzugehen. Neben der Aussicht auf eine umfassendere Lehrthätigkeit vor einem ungleich grösseren Hörerkreis war mir die obere Leitung der zu errichtenden zoologischen Station in Triest zugesichert und damit die Möglichkeit eines reichen Materiales lebender Seethiere zur Fortsetzung meiner Untersuchungen nahe gelegt. Gleichwohl nahmen die Ver- handlungen keinen glatten und leichten Verlauf. Ich war 2% 20 Hofrath Dr. Carl Claus. von befreundeter Seite auf den Fall Karsten aufmerksam gemacht worden, hatte dieauf denselben bezügliche Broschüre !) gelesen und das von Karsten geschilderte Verhalten der Studierenden und der Professoren kennen gelernt. Man wird es begreiflich finden, dass ich jetzt mit Misstrauen erfüllt, nach Garantien suchte, um mich vor einem ähnlichen Schick- sal zu sichern, und dass ich vornehmlich — das Verhältnis zu den Studierenden machte mir keine Sorge, wohl aber der andere gegen Karsten so unrühmlich vorgegangene Factor — eine vorzeitige Pensionierung fürchtete und der Möglichkeit einer solchen durch ein bestimmtes Zugeständnis vorzubeugen suchte. Ich konnte in diesem Punkte jedoch nur die Mit- theilung des Herrn Ministers erreichen, dass die Befürchtung einer vorzeitigen Pensionierung ganz grundlos sei, da es dem Unterrichtsministerium nie einfallen würde, einen Professor vor Ablauf seiner Dienstzeit in den Ruhestand zu versetzen. Mit dieser Erklärung gab ich mich zufrieden, ohne leider zu bedenken, dass man durch die abnormen Verhältnisse in die Zwangslage versetzt werden könnte, selbst um die Pen- sionierung einzukommen. Um so wertvoller erschien mir die Zusicherung einer Dienstwohnung und eines provisorischen, allen Anforderungen entsprechenden Institutslokales, an dessen Stelle nach Vollendung des in Aussicht genommenen Univer- sitätsbaues, ausreichende Lokalitäten im Hochparterre des- selben für das mir zu unterstellende zoologisch vergleichend anatomische Institut treten sollten. Indes erfüllte mich ein derartiges Misstrauen, dass ich in den Pfingstferien die Reise nach Wien unternahm und zur grössten Ueberraschung mich überzeugen musste, dass weder für die Dienstwohnung, noch für das Institut Vorsorge getroffen war. Rasch entschlossen lenkte ich meine Rückreise über Berlin, erklärte an mass- gebender Stelle vorläufig mich nicht entschliessen zu können, nach Wien zu gehen und lehnte, mit Rücksicht auf die in Wien angetroffene Situation, die Berufung zur Zeit ab. In Wien war man jedoch nicht geneigt meine Berufung aufzugeben, schien vielmehr „wahrhaft in Erstaunen gesetzt über meinen Kleinmuth‘ und erklärte eifrigst bemüht zu sein, bis zum Semesterbeginn ein entsprechendes Lokal sicher zu- stellen. Ich befand mich in einer recht unbehaglichen Stim- mung und hätte gewiss die Ablehnung aufrecht erhalten, wenn man mir nicht für die dauernde Vertretung der Zoologie im tentamen der Mediciner eine bindende Zusage hätte geben ') Karsten, Darstellung meiner Erlebnisse an der Wiener Universität. Schaffhausen 1872. Hofrath Dr. Carl Claus. 21 können, denn das war der einzige Punkt der meinen Wünschen in Göttingen versagt blieb. Dagegen glaubte ich in Wien des dauernden und grösseren Einflusses auf die Vorbildung der Medicin-Studierenden sicher zu sein, zumal dort das Studium der Medicin so überaus in den Vordergrund trat, und man anderseits einen so grossen Werth darauf legte, mich für Wien zu gewinnen und die durch mich vertretene ana- tomisch physiologische Richtung der Zoologie zur Geltung zu bringen. Leider hatte ich es unterlassen, den eigenthümlichen Verhältnissen des österreichischen Kaiserstaates Rechnung zu- tragen und vor allen mich über die von den deutschen so abweichende Organisation der Universität näher zu informieren, eine Unterlassung, die ich in späteren Jahren schwer zu be- klagen hatte und für die ich schliesslich durch meinen vorzeitigen Rücktritt vom Lehramte büssen musste. Ganz abgesehen von der aus der Zeit der Kurhessischen Verfassungskämpfe stammenden Antipathie gegen Oesterreich, die jetzt umsoweniger mehr in die Wagschale fallen konnte, als die zu Gunsten Preussens entschiedene Hegemonie im deutschen Reich für die Zukunft ein engeres Zusammengehen dieses mit Oesterreich erwarten liess, konnte ich nicht die hier bevorstehenden Nationalitätenkämpfe voraussehen, welche unter allmählich fort- schreitender Schmälerung und Zurückdrängung des deutschen Elementes einen so häufigen Wechsel der Ministerien mit sich brachten und eine Stabilität in der Leitung der Unterrichts- verwaltung unmöglich machen würden — Verhältnisse, unter welchen bei den an der Universität bestehenden Einrichtungen (die Extraordinarien mit Sitz- und Stimmberechtigung in den Facultäten) Intriguen und verwandtschaftliche Connexionen Erfolge aufweisen konnten. Im Spätherbst 1873 siedelte ich dann beklommenen Herzens nach Wien über, wo inzwischen für provisorische Institutslocalitäten nebst Dienstwohnung Vorsorge getroffen war, so dass ich meine Vorlesungen mit Beginn des Winter- semesters beginnen konnte. Es war zunächst ein bescheidener Anfang. Da sich die Universitätssammlung in der Hand des Prof. Schmarda befand, musste sogleich eine kleine Schul- sammlung eingerichtet werden. Indessen waren mir nicht unbeträchtliche Geldmittel zur Verfügung gestellt, um die noth- wendig erscheinenden Behelfe zur Einrichtung eines Labora- toriums zu beschaffen. (Schluss der Selbstbiographie.) 92 Hofrath Dr. Carl Claus. Fortsetzung von Qlaus’ Schwiegersohne k. k. Professor Guido v. Alth in Wien. Bedauerlicherweise stand dem früh gealterten Gelehrten in seinen letzten Lebensjahren weder die innere Seelenruhe noch die körperliche Ausdauer zu Gebote, gerade den wich- tigsten Abschnitt seiner Thätigkeit rückschauend darzu- stellen. Um dennoch seinen Mittheilungen den wünschens- werten Abschluss zu geben, möge es mir als seinem Schwieger- sohne gestattet sein, über die 25 Jahre seines Wiener Aufent- halts kurz zu berichten und das interessante Lebensbild, wenn auch in dürftiger Weise, zu ergänzen. Claus’ Wirksamkeit in Wien bedeutet ein Vierteljahr- hundert unermüdlicher, zielbewusster und erfolgreicher Gelehr- tenthätigkeit, wie dies aus den zahlreichen am Schlusse an- geführten Publicationen, aus dem intensiven wissenschaftlichen Einflusse, den er auf seine Schüler ausübte (sind doch nun fast alle zoologischen Lehrkanzeln an den österreichischen Uni- versitäten von solchen besetzt), sowie aus dem hohen Ansehen hervorgeht, das er als Zoologe nicht nur in weiteren Kreisen Deutschlands und Österreichs, sondern auch an den wissen- schaftlichen Arbeitsstätten des Auslandes genoss. Das von ihm geschaffene vergleichend zoologisch-anatomische Institut der Wiener Universität ist unter seiner Leitung aus bescheidenen Anfängen zu einer grossen Sammlung herangewachsen und dürfte nun wohl zu einem der best ausgestatteten zu zählen sein. Besonders werthvollen Zuwachs erhielt dasselbe nach kurzem Bestande durch die Einverleibung der vergleichend anatomischen Sammlung des anatomischen Institutes in Wien, welche nach dem Rücktritt Hyrtl’s von seiner Professur auf dessen Betreiben hin Claus übergeben wurde. Stets war. Claus mannigfachen Gegenströmungen mit Energie und Erfolg entgegentretend, bedacht, die Ausgestaltung des Institutes zu einem einheitlichen für alle zoologischen Wissenszweige zu befördern. Er hoffte, wie er selbst schreibt, ‚in späterer Zeit nach dem gesetzlichen Rücktritte der Vorstände der vor- handenen Institute für Zoologie und Zootomie den gesammten Lehrapparat derselben zu eineın einheitlichen, grossen zoolo- gischen Institute zu vereinigen und es so zu einem den deutschen Instituten gleichwertigen, allen Anforderungen der zoologischen Wissenschaft entsprechenden Lehrapparate zu gestalten und mit Hilfe desselben eine umfassende und er- folgreiche Wirksamkeit im Dienste der Naturwissenschaften auszuüben“. Seine Anschauungen fanden jedoch in den seitherigen 'Iraditionen der Facultät Hindernisse, die ihn ver- Hofrath Dr. Carl Claus. 233 anlassten gelegentlich der Wiederbesetzung der durch den Rücktritt des Professor Schmarda im Jahre 1883 erledigten Lehrkanzel für Zoologie ein Separatvotum einzugeben, welches bezweckte, das unter Schmarda’s Leitung gestandene zoologische Museum seinem Institut einzuverleiben. Thatsächlich wurde im Jahre 1884 auch diese Sammlung mit dem Institute ver- einigt, das nun auch nach im Jahre 1883 erfolgter Ueber- siedelung in das neue Universitätsgebäude genügend Raum zu seiner Entfaltung hatte. Mit Anerkennung muss hervor- gehoben werden, dass Claus zu jener Zeit in seinen Be- strebungen von der Unterrichtsverwaltung durch Gewährung entsprechender Hilfsmittel ermunternde Unterstützung fand. Es herrschte damals reges Leben im Institute, das sich in den zahlreichen, aus demselben hervorgehenden Arbeiten be- merkbar machte. Sie wurden in der von Claus im Jahre 1878 gegründeten Zeitschrift „Arbeiten aus dem zoologischen Institute der Universität Wien und der zoologischen Station in Triest“ veröffentlicht. Nebenbei machte ihm die Leitung der zoologischen Station in Triest, von deren Stand er sich durch häufige Inspectionsreisen überzeugte, sowie die Heraus- gabe seines „Lehrbuches der Zoologie‘‘ viel zu schaffen. Der Erfolg des Lehrbuches, sein reichlicher Absatz sowie der Umstand, dass es in mehrere fremde Sprache übersetzt wurde, bereitete ihm grosse Genugthuung und mit Eifer arbeitete er an den oft wiederkehrenden Neuauflagen. In Anerkennung seines wissenschaftlichen Ansehens sowie seiner Thätigkeit im Lehramte wurde Olaus v. Sr. Majestät mit Entschliessung 17. Juni 1885 mit dem Titel und Charakter eines Hofrathes ausgezeichnet. Im Jahre 1885 wählte ihn die Akademie der Wissenschaften in Wien zu ihrem wirklichen Mitgliede, nachdem er neun Jahre lang correspondierendes Mit- glied derselben gewesen war. So war er mit der Zeit infolge seiner geistigen Rührig- keit und Ueberlegenheit, seines lebhaften Naturells, getrieben von nie rastendem Schaffensdrange zu einem der ange- sehensten und in weiten Kreisen bekannten Gelehrten der Wiener Universität geworden. Nicht wenig zu seiner Popu- larität trug auch der Umstand bei, dass er im Semester un- gefähr 400 Mediciner zu seinen Hörern zählte, die dann bei ihm die zoologische Prüfung ablegten. Auch seine Vor- lesungen über Darwinismus, die gerade in eine Zeit fielen, in welcher weitere Kreise der neuen Lehre ein lebhaftes In- teresse entgegenbrachten, fanden zahlreichen Zuspruch. Er hatte somit allen Grund sich mit den Erfolgen seiner wissenschaftlichen Thätigkeit an der österreichischen Univer- 24 Hofrath Dr. Carl Claus. sität zufriedengestellt zu sehen. Auch war er nunmehr durch seine ansehnlichen Einkünfte in die Lage versetzt, sich ein bequemes, sorgenfreies Familienleben einzurichten. Leider verfolgte ihn aber auch hier wieder das Unglück in seinem Hausstande. Kurz, nachdem er sich ein trauliches Familien- heim in den Wiener Cottagenanlagen gegründet hatte, nahm auch seine dritte Ehe, die er mit Fräulein Anna Waetge im Jahre 1873 in Erfurt geschlossen hatte, nach 10 jährigem Bestande ein unglückliches Ende durch gerichtliche Schei- dung. Es war dies zu einer Zeit, wo seine halberwachsenen Töchter am meisten mütterlicher Fürsorge bedurften. Tief bedrückt verkaufte er nach kurzem Besitz das ıhm unleidlich gewordene Haus und baute sich nicht weit davon ein neues, das er längere Zeit bewohnte. Erst, als seine Töchter verheiratet waren und auch dieses Haus für ihn, der nun allein stand, nicht brauchbar war, baute er sich ein Familienhaus, das geeignet war, sowohl seinen, als auch den Hausstand zweier seiner Töchter aufzunehmen. Hier von seinen ältesten Töchtern betraut (die jüngste ist an den Generalstabshauptmann Ritter v. Rziha in Sarajewo verhei- ratet), von einer munteren Enkelschaar umgeben, im Zenith seines Ruhmes stehend, fand er Zerstreuung und Zuspruch, wenn ihn seine sich allmählich steigernden körperlichen Leiden oder Unannehmlichkeiten in seiner Berufsstellung ver- stimmten. Doch auch da sollte er sich nicht lange eines un- gestörten und, soweit es bei seinem leidenden Zustande möglich war, zufriedenen Daseins erfreuen. Zwei Ereignisse, welche rasch nach einander über ihn hereinbrachen, brachten dem ohnedies von Natur aus schwächlichen und zu pessimi- stischer Lebensanschauung hinneigenden Mann um seinen letzten Lebensmuth. Zunächst war es die trotz seiner leb- haften Gegenvorstellungen auf Beschluss der Facultät hin er- folgte Gründung eines zweiten zoologischen Parallelinstitutes an der Wiener Universität, mit dessen Leitung sein lang- jähriger Mitarbeiter und ehemaliger Schüler Professor Carl Grobben betraut wurde. Besonders verletzte ihn dabei die Massregel, dass er gezwungen wurde, zwei seiner besten Ar- beitsräume dem neuen Institute abzutreten. Dieser Vorgang kränkte ihn so, dess er den vorher angekündigten Rücktritt, trotz lebhafter Bemühungen von Seiten der Unterrichtsver- waltung, ihn der Lehrkanzel zu erhalten, im Jahre 1896 wirklich bewerkstelligte. Bei dieser Gelegenheit wurde ihm von S. Majestät in neuerlicher Anerkennung seines Wirkens das Ritterkreuz des Leopoldordens verliehen. Hofrath Dr. Carl Claus. 25 Dennoch schmerzte ihn die Thatsache, dass er jetzt an seinem Lebensabende das Institut, für dessen Einheitlichkeit und Gedeihen er stets seine besten Kräfte eingesetzt hatte, an dessen Spitze er sich als Nachfolger einen Gelehrten von hervorragendster Bedeutung dachte, in zwei der Theilung halber selbstverständlich minder bedeutende Lehrkanzeln zer- fallen sah, so ungemein, dass es schwer fiel, ihn zu beruhigen, wenn er darauf zu sprechen kam. Leider verschlimmerte die anhaltende seelische Aufregung seinen ohne dies schlecht be- stellten Gesundheitzustand derart, dass er nicht mehr fähig war, seine wissenschaftlichen Forschungen fortzusetzen. Er widmete sich daher mehr dem Familienleben. Um so härter traf den nun zum Greise gewordenen Mann das neuerlich hereinbrechende Familienunglück. Kurz nach seiner Pen- sionierung erfolgte die Erkrankung seiner geliebten ältesten Tochter Charlotte, verehelichte v. Lössl an Leukämie und blieb es ihm, der selbst an einem Aneurysma der Aorta un- heilbar erkrankt war, in seinen letzten Lebensjahren nicht erspart, Zeuge des jahrlangen Siechthums dieser so überaus herzensguten und liebreichen Tochter zu sein. Im August 1897 wurde auch dieses seinem Herzen so nahestehende Wesen zu Grabe getragen. Seine beiden letzten Lebensjahre verbrachte er nun in stiller Zürückgezogenheit. Dabei verfolgte er mit Interesse die Fortschritte inseinem Fache, sowieer auch warmen Antheilan den äusseren Ereignissen nahm. Neben der Abfassung seiner Biographie bereitete ihm die Lectüre von Nansen’s Nordpolfahrt und Bismarck’s Gedanken und Erinnerungen Vergnügen. Auch liess er sich fast all- abendlich von seiner Tochter Beethovensonaten vorspielen, an denen er stets grossen Gefallen fand. Den letzten Sommer verbrachte er noch zu seiner Freude in seiner Villa in Aussee im Salzkammergut. Der Aufenthalt in der guten Gebirgsluft erfrischte ihn wieder, so dass er den Winter ziemlich gut verbrachte, als plötzlich in der Nacht vom 14. auf den 15. Jänner ein Uebelbefinden und linksseitige Lähmungserscheinungen eintraten. Der herbeigerufene Arzt constatierte eine eingetretene Embolie der Hirngefässe, welcher er nach kurzem, anscheinend wenig schmerzhaftem Leiden im Zustande voller Bewusstlosigkeit am 18. Jänner 1899 er- lag. Sein Begräbnis war dem eigenen Wunsch gemäss ein- fach, ohne besonderen äusseren Prunk. An seinem Sarge ver- sammelten sich seine Kollegen von der Akademie der Wissen- schaften, die Vertreter des Senates und der philosophischen Facultät der Universität unter Vorantritt des Rectors, die Professoren und Assistenten des zoologischen Institutes, eine 26 Hofrath Dr. Carl Claus. Vertretung der Wiener Studentenschaft und viele persönliche Verehrer des Gelehrten. Von einer Grabrede wurde auf seinen testamentarischen Wunsch hin Abstand genommen. Er wurde am 20. Jänner in der von ihm erworbenen Familiengruft neben seiner im Tode vorangegangenen Tochter am Friedhofe in Döbling bestattet. . Am 10. Februar d. J. hielt ihm Professor Carl Grobben einen ehrenden Nachruf in der zoologisch-botanischen Ge- sellschaft in Wien. Seine Broschürensammlung (ca. 6000 Stück umfassend) vermachte er testamentarisch dem zoologischen Institute der Universität in Marburg mit dem Wunsche, dieselbe als ein- heitliche Sammlung zu erhalten und den dort Studierenden zugänglich zu machen. Claus war Mitglied der Akademieen in Wien und Göt- tingen, der Senckenbergischen naturforschenden Gesellschaft in Frankfurt, des Vereins für Naturkunde in Kassel, der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur, der ober- rheinischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde in Bonn, der wetterauischen Gesellschaft für die gesammte Natur- kunde in Hanau, der physikalisch-medizinischen Gesellschaft in Würzburg, der Gesellschaft zur Beförderung der gesammten Naturwissenschaften in Marburg, des naturwissenschaftlichen Vereines in Hamburg, der zoologisch-botanischen Gesellschaft, des ornithologischen Vereines, des Vereines für Flugtechnik und des Vereins der Bienenzüchter in Wien, der ungarischen ornithologischen Oentrale in Budapest, der Societä Romana per gli Studi Zoologie in Rom, der Academy of Natural Sciences in Philadelphia, des University College in Liverpool, der Societas Linneana Londinensis u. a. Verzeichnis der Schriften Prof. Claus. 1857 Das Genus Cyclops und seine einheimischen Arten. Inauguraldissertation mit 3 Tafeln. Marburg 1857. Auch im Archiv für Naturgeschichte, Bd. XXIII 1857. Weitere Mitteilungen über die einheimischen Cyclopiden, mit 1 Tafel. Ebend. Die einheimischen Copepoden. Eine kurze Notiz zur Localfauna Giessens im VI. Bericht der oberhess. Gesellschaft für Natur- und Heilkunde. 1858 1859 1860 Hofrath Dr. Carl Claus. Bar) Beiträge zur Anatomie und Entwicklung der Cyclo- piden. Archiv für Naturgeschichte. Bd. XXIV 1858. Ueber den Bau und die Entwicklung parasitischer Crustaceen, mit 2 Tafeln. Cassel Th. Fischer. Generationswechsel und Parthenogenesis im Thierreich Marburg Elwert. Ueber die Hektocotylenbildung der Cephalopoden, mit 1 Tafel. Archiv für Naturgeschichte. Ueber das Auge der Saphirinen und Pontellen, mit 1 Tafel. Müller’s Archiv. Ueber die von Lespis als Gehörorgane beschriebenen Bildungen der Insecten, mit 1 Tafel. Ebend. Beiträge zur Kenntniss der Entomostraken, mit 4 Tafeln. Marburg-Elwert. . Zur Morphologie der Copepoden, mit 1 Tafel. Würzb. 1861 1862 naturw. Zeitschr. Bd. 1. Ueber die ungeschlechtliche Fortpflanzung von Chaeto- gaster. Ebend. Zur Kenntniss von Coccus cacti. Ebend. Fütterungsversuche mit Trichina spiralis. Ebend. Ueber den Bau von Notodelphys ascidicola, mit 1 Tafel. Ebend. Ueber die blassen Kolben und Uylinder an den Antennen der Copepoden und Ostracoden, mit 1 Tafel. Ebend. Ueber Physophora hydrostatica nebst Bemerkungen über andere Siphonophoren, mit 3 Tafeln. Zeitschr. für wiss. Zoologie Bd. X. Ueber die Familie der Lernaeen, mit 1 Tafel. Würzb. naturw. Zeitschr. Bd. I. Zur Kenntniss der Malocostrakenlarven, mit 2 Tafeln. Ebend. Ueber den Bau und die Entwicklung von Achtheres percarum, mit 3 Tafeln. Zeitschr. für wiss. Zool. Bd. XI. Ueber die Seitendrüsen der Larve von Chrysomela populi, mit 1 Tafel. Ebend. Bd. XI. Untersuchungen über die Organisation und Verwandt- schaft der Copepoden. Würzb. naturw. Zeitschr. Bd. II. Ueber die morphologischen Beziehungen der Copepoden zu den verwandten Entomostrakengruppen etc. Ebend. Ueber Evadne mediterranea n. sp. und polyphemoides, mit 1 Tafel. Ebend. Ueber Phronima elongata, mit 1 Tafel. Ebend. Ein neues an Cladoneme parasitisch lebendes Infusorium.. Ebend. 28 1863 1864 1865 1866 1867 Hofrath Dr. Carl Claus. Ueber einige im Humus lebende Anguilluliden, mit 2 Tafeln. Zeitschr. für wiss. Zoologie Bd. XIL Neue Beobachtungen über Structur und Entwicklung der Siphorophoren, mit 3 Tafeln. Ebend. Ueber einige Larven von Schizopoden und niederen Malakostraken, mit 5 Tafeln. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XI. Die freilebenden Copepoden, mit 37 Tafeln. Leipzig, W. Engelmann. Ueber die Grenze des thierischen und pflanzlichen Lebens Leipzig, W. Engelmann. Beobachtungen über die Bildung des Insekteneies, mit 1 Tafel. Zeitschr. für wiss. Zool. Bd. XI. Beiträge zur Kenntniss der Schmarotzerkrebse, mit 4 Tafeln. Ebend. Bd. XIV. Bemerkungen über ÜOtenophoren und Medusen, mit 2 Tafeln. Ebend. Bd. XIV. Ueber die Organisation der Cypridinen, mit 1 Tafel, Zeitschr. für wiss. Zool. Bd. XV. Zur näheren Kenntniss der Jugendformen von Cypris ovum, mit 2 Tafeln. Ebend. Bd. XV. Ueber die Geschlechtsdifferenzen von Halocypris, mit 1 Tafel. Ebend. Bd. XV. Die Copepodenfauna von Nizza. Ein Beitrag zur Characteristik der Arten und deren Abänderungen im Sinne Darwins, mit 5 Tafeln. Marburg-Elwert. Ueber das bisher unbekannte Männchen von Psyche helix. Sitzungsb. der Ges. z. Bef. d. ges. Naturw. Marburg No. 2. Ueber das Vorkommen von Alytes obstetricans in der Umgegend Marburgs und über die Eigentümlichkeit der Metamorphose dieser Tiere. Ebend. Grundzüge der Zoologie. Marburg, Elwert. Wurde von der fünften Auflage an als „Lehrbuch der Zoologie“ ausgegeben und erschien in dem gleichen Verlag October 1896 in zehnter Auflage. Das Buch ist in die vornehmlichsten Cultursprachen übersetzt worden und hat auch in mehreren dieser Ueber- setzungen zwei oder mehr Auflagen erfahren. Ueber Lernaeocera esocina v. Nordm. (Vorläufige Mit- theilung). Sitzungsber. der Gesellsch. zur Beförderung der ges. Naturw. Marburg No. 2. Ueber den Entwicklungsmodus der Porcellana-Larven im Vergleich zu den Larven von Pagurus Ebend. No. 2. Hofrath Dr. Carl Claus. 239 1868 1869 1871 1872 Ueber das Männchen von Psyche helix (helicinella) nebst Bemerkungen über die Parthenogenese der Psychiden, mit 1 Tafel. Zeitschr. f. wiss. Zoologie. Bd. XV. Ueber die wachsbereitenden Hautdrüsen der Insecten. Sitzungsber. der Gesellsch. zur Beförderung der ges. Naturw. Marburg No. 8. Die Fortpflanzung von Leptodera appendiculata. Ebend. Novemb. Ueber das Vorkommen von Augen und Ferralgliedern bei den Lernaeagattungen Peniculus, Penella und Lernaea. Ebend. No. 10 Nov. Ueber die Gattung Cynthia als Geschlechtsform der Mysideengattung Siriella, mit 1 Tafel. Zeitschr.. für wiss. Zool. Bd. XVII. Ueber Euplectella Aspergillum. R. Owen. Ein Beitrag zur Naturgeschichte der Kieselschwämme, mit 3 Tafeln. Marburg. Elwerts Verlag. Beiträge zur Kenntniss der Ostracoden. I. Entwicklungs- geschichte von Cypris, mit 2 Tafeln. Marburg. Elwerts Verlag. Die Metamorphose und systematische Stellung der Lernaeen. Sitzungsber. der Gesellsch. zur Beförderung der ges. Naturw. Marburg. No. 2. Beobachtungen über Lernaeocera, Peniculus und Lernaea, mit 4 Tafeln. Marburg. Elwerts Verlag, Die Cypris ähnliche Larve (Puppe) der Cirripedien und ihre Verwandlung in das festsitzende Thier. Ein Beitrag zur Morphologie der Rankenfüsser, mit 2 Tafeln. Marburg. Elwerts Verlag. Beobachtungen über die Organisation und Fortpflanzung von Leptodera appendiculata mit 3 Tafeln. Marburg. Elwerts Verlag. Ueber den Bau und die systematische Stellung von Nebalia nebst Bemerkungen über das seither unbe- kannte Männchen derselben. Nachrichten der Göttinger Societät Nr. 10. Die Metamorphose der Squilliden, mit 7 Tafeln. Ab- handl. der Göttinger Societät. Ueber den Bau und die systematische Stellung von Nebalıa mit1 Taf. Zeitschr. für wiss. Zoologie Bd. XXI pag. 323. Zur Naturgeschichte der Phronima sedentaria Forsk., mit 2 Tafeln. Ebend. pag. 331. Ueber den Körperbau einer austral. Limnadia und über das Männchen derselben, mit 2 Tafeln. Zeitschr. für wiss. Zool. Bd. XXIH, pag. 355. 30 1873 1874 1875 . 1876 Hofrath Dr. Carl Claus. Zur Kenntniss des Baues und der Entwicklung von Apus und Branchipus, mit 7 Tafeln. Abhandl. der Göttinger Societät. Bd. XVII. Ueber taube Bieneneier. Ebend. Bd. XXIH. pag. 198. Neue Beobachtungen über Cypridinen, mit 2 Tafeln. Ebend. pag. 211. Der Bienenstaat. Virchow’s und Holzendorf’s Vorträge, Berlin. Ueber die Abstammung der Diphyiden. Göttinger Nach- richten 1873. Cuviers Typenlehre und E. Häckel’s Gastraeatheorie Wien. Die Familie der Halocypriden, mit 3 Tafeln. Schriften zoolog. Inhalts. Manz, Wien. Die Gattung Monophyes Cls und ihr Abkömmling Diplo- physa Gebr., mit 1 Tafel. Ebend. Wien. Die Gattungen und Arten der Halocypriden. Verhandl. der zool. botan. Gesellschaft. Wien. Bd. XXIV. Bemerkungen zur Lehre von der Einzelligkeit der In- fusorien, Ueber Mnestra parasitica. Mit 1 Tafel. Ebend. Bd. XXV. Die Schalendrüse der Daphnia, mit 1 Tafel. Zeitschr. für wiss. Zoolog. Bd. XXV. Ueber die Entwicklung, Organisation und system. Stellung der Arguliden, mit 5 Tafeln. Ebend. Neue Beiträge zur Kenntniss parasitischer Crustaceen nebst Bemerkungen über das System derselben, mit 5 Tafeln. Ebend. Ueber Sabelliphilus Sarsii und das Männchen derselben, 1 Tafel. Ebend. Bd. XXVI. Ueber den akustischen Apparat im Gehörorgan der Heteropoden, mit 1 Tafel. Archiv für mikrosk. Ana- tomie. Bd. XI. Ueber die Siphonophoren- und Medusenfauna Triests. Verh. zool. botan. Gesellsch. Wien. Bd. XXVI. Ueber die Organisation und system. Stellung der Gattung Seison Gr., mit 2 Tafeln. Festschr. der zool. botan. Gesellsch. Zur Kenntniss des Baues und der Organisation der Poly- phemiden, mit 7 Tafeln. Denkschr. der k. Akad. der Wissensch. Wien. Zur Kenntniss der Organisation und des feinern Baues der Daphniden, mit 4 Tafeln. Zeitschr. für wiss. Zool. Bd. XXVI. Beiträge zur vergl. Osteologie der Vertebraten, mit 3 Taf. Sitzungsb. k. Akademie der Wiss. Wien. Bd. 74. Hofrath Dr. Carl Claus. 31 Ueber die Trichine, mit 2 Tafeln. Vortrag im Verein zur Verbreitung naturw. Kenntn. Wien 1877, Untersuchungen zur Erforschung der geneal. Grundlage des Crustaceensystems. Ein Beitrag zur Descendenz- lehre, mit 19 Tafeln und 21 Holzschn. Wien. Die Schalendrüse der Copepoden, mit 1 Tafel. Sitzungsb. 1877 1878 1879 1880 1881 k. Akademie der Wiss. Wien. Bd. 74. Zur Berichtigung und Abwehr. Zeitschr. für wiss. Zool. Bd. XXVII Studien überPolypen und Quallen der Adria, mit 11 Tafeln. Denkschr. k. Akademie der Wiss. Wien. Bd. XXXVII. Instinet und Vererbung. Vortrag im Vereine zur Ver- breitung nat. Kenntn. Wien 1878. Anlass und Entstehung seiner Untersuchungen auf dem Daphnidengebiete. Sitzungsb. zool. bot. Gesellsch. Wien. 6. Febr. Ueber den akustischen Apparat im Gehörorgan der Heteropoden, mit 1 Tafel. Archiv für mikrosk. Ana- tomie. Bd. XV. Ueber Tetrapteron volitans, mit 1 Tafel. Ebend. Ueber Halistemma tergestinum n. sp. nebst Bemer- kungen über den feinern Bau der Physophoriden, mit 5 Tafeln. Arbeiten aus dem zool. Institute zu Wien etc. Bd. I, Heft 1. Ueber Charybdea marsupialis, mit 5 Tafeln. Ebend. Bd. ], Heft 2. Der Organismus der Phronimiden. Mit 8 Tafeln. Ebend. Bd. II, Heft 1. Die Gattungen und Arten der Platysceliden. Ebend, Bd. II, Heft 2. Agalmopsis Utricularia, eine neue Siphonophore des Mittelmeeres, mit 1 Tafel. Fbend. Erklärung in Betreff der Prioritätsreclame des Herrn Ed. von Beneden. Zoul. Anzeiger No. 50. Zur Kenntniss der Organisation von Seison. Ebend. No. 68. Ueber Aequorea Forscalea Esch. als Aequoride des adriatischen Meeres. Arbeiten aus dem zool. Institute. Wien. Bd. III, Heft 3. Ueber die Gattungen Temora und Temorella etc. Sitzungsb. der k. Akademie der Wiss. Wien. Bd. 83. Neue Beiträge zur Kenntniss der Copepoden, unter be- sonderer Berücksichtigung der Triester Fauna, mit 3 Tafeln, Ebend. Beiträge zur Kenntniss der Geryonopsiden-Entwicklung, mit 4 Tafeln. Ebend. Bd. IV, Heft 3. 39 Hofrath Dr. Carl Claus. 18382 Zur Wahrung der Ergebnisse neuer Untersuchungen über Charybdaea als Abwehr gegen d. Haeckelismus Ebend. Entwicklung des Aequoriden-Eeis. Zool. Anzeiger. Bd. V. ‚ Charles Darwin. Wiener medicinischen Blätter No. 17. 1883 Untersuchungen über die Organisation und Entwicklung der Medusen, mit 9 Holzschnitten und 20 Tafeln. Prag. Tempsky. Ueber das Verhältnis von Monophyes zu den Diphyiden, sowie über den phylogenetischen Entwicklungsgang der Siphnophoren. Ebend. Die Kreislaufsorgane und Blutbewegung der Homato- poden, mit 3 Tafeln. Arbeiten aus dem zool. Institute etc. Wien. Bd. V, Heft 1. 1884 Die Ephyren von Cotylorhiza und Rhizostoma und ihre Entwicklung zu achtarmigen Medusen, mit 2 Tafeln. Arbeiten aus dem zool. Institute etc. Wien. Bd. V. Zur Kenntniss der Kreislaufsorgane der Schizopoden und Decapoden, mit 9 Tafeln. Ebend. Ueber Apseudes Latreillii Edw. und die Tanaiden, mit 2 Tafeln. Ebend. Zur Beurteilung des Apseudes-Artikels. Morphol. Jahr- buch. 1885 Neue Beiträge zur Morphologie der Crustaceen, mit 7 Tafeln. Arbeiten aus dem zool. Institute ete. Wien. Bd. VI, Heft 1. Ueber das Verhältnis von Monophyes zu den Diphyiden. Zool. Anzeiger. Bd. VII. 1886 Ueber die Organisation und Entwicklung von Bran- chipus und Apus, mit 12 Tafeln. Arbeiten aus dem zool. Institute ete.. Wien. Bd. VI], Heft 3. Ueber die Charaktere der Gattung Artemia im Gegensatze zu Branchipus. Akad. Anzeigerk. Akad. Wien. Nr. Vll. Ueber die Entwickelung und den feinern Bau der Stil- augen von Branchipus. Ebend. No. VII. 1887 Ueber Deiopea kaloktenota als Ctenophore der Adria nebst Bemerkungen über die Architektonik der Rippen- quallen, mit 1 Tafel. Arbeiten aus dem zool. In- stitute etc. Wien. Bd. VII. Ueber die Classification der Medusen ete., mit 4 Zinko- graphieen. Ebend. Prof. E. Ray Lankester’s Artikel Limulus an Arachnid etc. Ebend. Schlusswort zu Prof. E. Ray Lankester’s Artikel Limulus etc. Ebend. | Hofrath Dr. Carl Claus. 33 Ueber Apseudes Latreillii Edw. und die Tanaiden, mit 7 Tafeln. Ebend. Heft 2. Ueber die morphol. Bedeutung der lappenförmigen An- hänge am Embryo der Wasserassel. Anzeiger der k. Akademie Wien. No. II. Ueber den Organismus der Apteodiden. Ebend. No.XIV. 1837 Die Platysceliden, mit 26 Tafeln. Wien. A. Hölder. Ueber Lernaeascus nematoxys und die Philichthyiden, mit 4 Tafeln. Arbeiten aus dem zool. Institute etc. Wien. Bd. VU, Heft 2. 1888 Ergebnisse neuer Untersuchungen über den Organismus der Nebalien und die system. Stellung der Leptostraken. Anzeiger k. Akademie der Wiss. Wien. Nr. XXVI. Ueber den Organismus der Nebaliden und die system. Stellung der Leptostraken, mit 15 Tafeln. Arbeiten aus dem zool. Institute etc. Wien. Bd. VII, Heft 1. Lamarck als Begründer der Descendenzlehre. Vortrag, gehalten im wissensch. Club Wien, A. Hölder. Ueber die Werthschätzung der natürlichen Zuchtwall als Erklärungsprincip, Vortrag, gehalten im wissensch. Club Wien, A. Hölder: Bemerkungen über marine Ostracoden aus der Familie der Cypridinen und Halocypriden. Arbeiten aus dem zool. Institute. Wien. Bd. VIII, Heft 2. 1889 Zur Beurteilung des Organismus der Siphonophoren und deren phylogenetischer Ableitung. Arbeiten aus dem zoolog. Institute etc. Wien. Bd. VIII, Heft 2. Zur morphologischen Beurtheilungd es Bandwurmkörpers. Ebend. Bd. VIII, Heft 3. Ueber neue oder wenig bekannte halbparasitische Cope- poden, insbesondere der Lichomolgiden und Ascomy- sonteden-Gruppe, mit 7 Tafeln. Ebend. Bd. VIH, Heft 3. Copepodenstudien, I Peltedien, mit 7 Tafeln. Wien A. Hölder. 1890 Die Gattungen und Arten der mediterranen und atlan- tischen Halocypriden nebst Bemerkungen über die Or- ganisation derselben. Arbeiten aus dem zool. Institute etc. Wien. Bd. IX, Heft 1. Die Entwicklung der Cotylorhiza und verwandter Scypho- medusen etc. Sitzungsbericht der zool. botan. Gesellsch. Wien. Bd. 40. Ueber die Entwicklung des Scyphostoma von Cotylorhiza, Auralia und Chrysaora, sowie über die system. Stellung der Scyphomedusen, mit 3 Tafeln. Arbeiten etc. Bd. IX, Heft 1. 3 34 1891 1892 1893 Hofrath Dr. Carl Claus. Ueber die Organisation der Cypriden. Anz. Akad. Wiss. Wien. Nr VM. Ueber den feineren Bau des Medianauges der Urustaceen. Ebnd. pag. 124—127. ‚Ueber den feinen Bau des Pontellides-Auges. Ebnd. pag. 182—184. Ueber Goniopelte gracilis, eine neue Peltidie mit 2 Taf. Arbeiten aus dem zoolog. Institute Wien. Bd. IX. Das Medianauge der Crustaceen. Mit 4 Taf. Ebnd. Ueber die Gattung Miracia mit besonderer Berüchsichti- gung ihres Augenbaues. Mit 3 Taf. Ebnd. Ueber das Verhalten des nervösen Endapparates an den Sinneshaaren der Crustaceen. Zool. Anzeiger, Jahrg. 14. Die Beziehungen von Goneopelte gracilis Cls, Clytemnestra Hesdorfi Poppe mit Goniopsyllus rostratus Brady, Sapphirina rostrata 4. Ebnd. Bemerkungen über sekundäre Sexualcharaktere an den zwischen Vorderantennen und fünftem Fusspaare ge- legenen Gliedmassen der Copepoden und die Präten- sionen des Dr. Giesbrecht Ebnd. Berichtigung in Betreff des Begriffes „Octomeral.‘“ Ebnd. Die Halocypriden des Atlantischen Oceans mit 26 Taf. Wien. A. Hölder. Ueber die Entwicklung des Scyphostoma von Cotylorhiza Aurelia und Chrysaora Il. Mit 3 Taf. Arbeiten aus dem zoolog. Institute, Wien Bd. X. 1. Heft. Beiträge zur Kenntniss der Süsswasser-Ostracoden. Mit 12 Taf. Ebend. Bd. X Heft 1. Ueber die sog. Bauchwirbel am integumentalen Skelet der Copepoden. Mit 3 Taf. Arbeiten aus dem zoolog. Institute etc. Wien Bd. X. Ueber die Antennen der Cyclopiden und die Auflösung der Gattung Cyclops in Gattungen und Untergattungen. Anzeiger K. Acad. Wien N. XI. Weitere Mitteilungen über die Antennengliederung und die Gattungen der Cyclopiden Ebend. No. XI. Ueber die Bildung der Greifantenne der Cyclopiden und ihre Zurückführung auf die weibl. Antennen und auf die der Calaniden. Zoolog. Anzeiger Leipzig No. 423 u. 424. Ueber die Entwicklung und das System der Pontellides. Zugleich ein Beitrag zur Nomenclaturfrage. Mit 5 Taf. Arbeiten aus dem zoolog. Institut etc. Wien BAR | Hofrath Dr. Carl Claus. 35 Neue Beobachtungen über die Organisation und Ent- wicklung von Cyclops. Ein Beitrag zur Systematik der Cyclopiden. Mit 7 Taf. Ebnd. Bd. X. Die postembryonale Entwicklung der Halocypriden. Anzeiger d. Akad. Wien No. XXVI. Die Eingeweidewürmer des Menschen. Mit 51 Holz- schnitten. Bibliothek des gesammten med. Wissens. Wien u. Leipzig Bd. I. 17. und 18. Lief. 1894 Die Halocypriden und ihre Entwicklungsstadien, ge- sammelt 1890, 1891, 1892, 1893. Mit 3 Taf. Berichte der Commission für Erforschung des östlichen Mittel- meeres. IX. Zoolog. Ergebnisse. Ill. Denkschr. K. Akad. Wiss. Wien. Ueber die Metarmorphose de Süsswasser - Östracoden Zoolog. Anzeiger No. 456. Ueber die Herkunft der die Chordascheide der Haie begrenzenden äusseren Elastica. Anz. f. Akad. Wiss. Wien No. XI. Ueber die Wiederbelebung im Schlamme eingetrockneter Copepoden und Copepoden-Eier. Zugleich ein Beitrag zur Kenntnis von Microcyclops diaphanos. Arbeiten aus dem zoolog. Institute etc. Bd. X1. Bemerkungen über Pedalion mira Ebend. Bemerkungen über die Nervenendigungen in den Haut- sinnesorganen der Artropoden insbesondere Crustaceen. Zoologischer Anzeiger N. 461. 1895 Ueber Flugorgane von Wirbelthieren und das Problem der Flugtechnik. Vortrag gehalten am 13. Febr. im Vereine zur Verbreitung naturw. Kenntnisse in Wien Bd. XXXV. Beiträge zur Kenntniss der Süsswasser-Ostracoden II mit 5 Taf. Arbeiten aus dem zoolog. Institute etc. Wien Bd. XI Ueber die Maxillarfüsse der Copepoden und die mor- phologische Deutung der Cirripedien - Gliedmassen mit I Taf. Ebend. — r Bericht über das 63. Vereinsjahr: April 1898 bis dahin 1899. Erstattet im Namen des Vorstands von Dir. i. P. Dr. Ackermann. I. Stand und Gang des Vereinslebens. ir genügen hier, wie in den beiden vorigen Berichten, an erster Stelle der Pflicht der Dankbarkeit gegen dieselben zwei Behörden, welche auch in dem verflossenen Vereinsjahre die Bestrebungen unseres Vereins durch gütige pekuniäre Beihülfen gefördert haben. Das innere Leben des Vereins hat auch in dem ab- schliessenden Jahre den gewohnten Verlauf genommen. Die Generalversammlung zur Feier des Stiftungstages wurde Mitte April abgehalten, von derselben der vom Direktor vor- getragene Jahresbericht entgegengenommen und darauf der Vorstand in seinen ausscheidenden Mitgliedern neu gewählt. Es ist darnach eine Anderung in der Leitung des Vereins für das jetzt zu Ende gehende Jahr nicht eingetreten. Zum Rechnungsrevisor wurde Herr N. ©. Kochendörffer ge- wählt, der in :der Mai-Sitzung über die ordnungsmässige Führung der Vereinsrechnung Bericht erstattete. Am zweiten Montag eines jeden Monats fanden die regelmässigen Monats- sitzungen statt, nur die Julisitzung fiel, wie herkömmlich, der Sommerferien halber aus. Mitte December fand eine in Gemeinschaft mit dem Verein für naturwissenschaftliche Unterhaltung veranstaltete ausserordentliche Sitzung — auch für Nichtmitglieder beider Vereine — statt, in der Herr Zahnarzt Dr. Schröder einen Vortrag hielt „über die Zähne und ihre Behandlung“. _ Mittwoch, den 8. März, fand seitens zahlreicher Mit- glieder des Vereins für Naturkunde eine Besichtigung der Kadaververwerthungsanstalt zu Bettenhausen statt, welche die Eigenthümerin, die hiesige Actiengesellschaft für 1 II Jahresbericht. nn nn Trebertrocknung, mit dankenswerther Bereitwilligkeit gestattet hatte. Gegen 30 Mitglieder des Vereins hatten der Einladung des Vorstands Folge geleistet. Das Nähere sehe man unter „Sitzungsberichten“. Unser correspondirendes Mitglied Herr Realschuldirektor Professor Dr. Franz Buchenau in Bremen hatte die Güte, am 14. März 1899 unserm Verein ein neues, in den Sammlungen noch wenig vertretenes Mineral aus Poopö in Bolivien zu übersenden. Es ist Kylindrit, die Verbindung eines Bleisulfostannats mit einem Bleispiessglanz. Näheres darüber vergl. Bericht XLI, 1896, S. XX, Nr. 10 (Demon- stration von Herrn Prof. Dr. Hornstein). Der Verein stattet dem verehrten Spender auch hier nochmals seinen verbindlichsten Dank ab. Am 18. September v. J. feierte unser hochverehrtes Ehrenmitglied Direktor Prof. Dr. R. A. Philippi in Santiago (Chile) seinen neunzigsten Geburtstag. Ihm, der unsern Verein vor über 63 Jahren ins Leben gerufen und beinahe 12 Jahre lang mit hervorragendem Eifer und Erfolg geleitet hat, unsere innige Verehrung und unsere herzlichsten Glück- wünsche zu diesem seltenen Feste Namens des Vereins zum Ausdruck zu bringen, konnten wir uns nicht versagen. Welch’ freundliche Aufnahme unsere Gratulationen bei dem Jubilar gefunden haben, zeigt der dem Berichterstatter Mitte Februar l. J. zugekommene ausführliche Brief, den wir hier zur Kenntniss unserer Mitglieder bringen. Die Zeit vor Drucklegung dieses Berichtes war zu kurz, uns die Er- mächtigung zur Veröffentlichung vorher bei Herrn Philippi einzuholen, doch wir sind überzeugt, dass uns nachträglich Indemnität ertheilt werden wird. Santiago, 17. December 1898. Geehrter Herr! Es hat mir grosse Freude gemacht, aus Ihrem Briefe vom 21. October zu erfahren, dass meine lieben Kasselaner sich meiner noch immer so freundlich erinnern und meinen Geburtstag festlich gefeiert haben. Ich sende Ihnen allen einen Gruss. Hier ist der Tag auf eine so überschwängliche Weise gefeiert worden, dass ich davon ordentlich krank geworden bin. Meine Nerven wurden so angegriffen, dass ich mediciniren musste, und erst nach ein paar Wochen die Maschine in das richtige Gleichgewicht kam. Es war aber auch kein Wunder, schon am 12. war ein feierlicher Akt in der grossen Aula der Universität, weil dieser Tag ein Sonntag war. Der Saal und seine Gallerien waren gedrängt voll Menschen. Ich musste auf dem erhöhten Podium zwischen dem Unterrichts- Minister und dem Rektor der Universität Platz nehmen und wurde ich von 2 Rednern in Prosa und von 2 andern in Versen ver- Jahresbericht. II herrlicht. In den Pausen zwischen diesen Reden war Gesang und Musik. Darauf überreichte mir der Minister ein kostbares Album mit gegen 1500 Unterschriften von Chilenen und Deutschen; die beiden ersten waren die des jetzigen Präsidenten der Re- publik und des deutschen Gesandten; auf dem zweiten Blatt hatte sich der frühere Präsident Montt eingeschrieben. Am Abend brachten mir die Deutschen einen Fackelzug von 250 Fackeln, und kamen eine Menge Personen und Deputationen der hiesigen deutschen Vereine, um mir zu gratuliren, dann war Festkommers in der Halle des deutschen Turnvereins, an dem mein Sohn und meine Enkel theilnahmen. Die erzählten mir, einer der Festredner habe gesagt, seit Linn& habe niemand alle Zweige der Naturgeschichte so umfasst, wie ich. Das ist wohl zuviel, aber etwas Wahres ist . daran, in einer Zeit wo sich sowohl die Zoologie, wie die Botanik in lauter Specialitäten aufzulösen drohen. An meinem Geburtstage selbst kamen zuerst am Morgen die Schüler der deutschen Schule und trugen zwei Gesangstücke vor, darauf erschienen Deputationen aus Valparaiso und aus Concepcion und überreichten mir Glückwünsche und Albums, darunter einen sehr kostbaren und künstlerischen Glückwunsch der 10 deutschen Vereine in Valparaiso. Post und Telegraphen brachten eine Menge Glückwünsche von allen Städten Chile’s, in denen Deutsche leben. Aber nun denken Sie sich, als ich im engen Familienkreise beim Frühstück — prandium, 'almuerzo — (in Deutschland würde man Mittagsessen sagen) sass, erschien der deutsche Gesandte, um mir mitzutheilen, er habe am Abend vorher ein Telegramm aus Berlin erhalten: Se. Majestät der Kaiser, der Reichskanzler und der preussische Unterrichts-Minister sendeten mir ihre Glück- wünsche zu meinem 90. Geburtstage, und der Kaiser habe geruht, mir den Kgl. Kronenorden 2. Klasse zu verleihen! Ich will noch zweierlei nachtragen. Als mir am Sonntag das Album überreicht wurde, erhob ich mich und sagte: „Ich lebe jetzt 47 Jahre in Chile, in diesem schönen Lande, das alle Fremde, die sich in demselben niederlassen wollen, mit soviel Wohlwollen aufnimmt. Ein gütiges Geschick hat mir erlaubt, mich dem Studium der Natur fortdauernd zu widmen, der einzigen Leidenschaft, die ich in meinem langen Leben gehabt habe, um dabei der Wissen- schaft und meinem lieben zweiten Vaterlande einige Dienste leisten zu können. Ich war der Erste, der in diesem Lande Naturgeschichte gelehrt hat, eine Wissenschaft, die in demselben damals kaum dem Namen nach bekannt war. Meine Herren! Die grösste Belohnung, die ein Lehrer erstreben kann, ist, zu sehen, dass seine Schüler eine dankbare Erinnerung an den Unterricht bewahrt haben, den er ihnen ertheilt hat. Diese Belohnung haben Sie mir heute auf eine so solenne und ehrenvolle Weise zutheil werden lassen, dass ich diesen Tag für den glücklichsten meines langen Lebens halten muss. Ich möchte Ihnen gern meine Dankbarkeit dafür ausdrücken, aber ich finde die passenden Worte nicht und muss mich mit einem deutschen Sprichwort trösten, das da sagt: Was vom Herzen kommt, geht zum Herzen und braucht nicht vieler Worte. Ich sage daher nichts weiter als tausend Dank, tausend Dank!“ Zweitens will ich noch erwähnen, dass eine Medaille auf mich geprägt ist, die auf der einen Seite meinen Kopf zeigt, der sehr alnlich-sem soll... ..... 1* IV Jahresbericht. Meine allgemeine Gesundheit ist sehr gut, und meine Blind- heit*) hat nicht zugenommen, so dass ich grössere Gegenstände, wie Vögel, Fische, Frösche etc. noch scharf erkennen kann und noch arbeite, aber die Arbeit geht sehr langsam vorwärts, da ich mich zum Lesen und Schreiben**, fremder Augen und Hände bedienen muss. Ich schliesse nun die lange Epistel mit freundlichen Grüssen. Ih r Dr. R. A. Philippi. Am 15. Januar ]. J. feierte der seit vielen Jahren mit uns im Tauschverkehr der Schriften stehende Verein der Naturfreundein Reichenberg (Böhmen) sein 50jähriges Jubiläum. Wiır sandten ihm zu seinem Jubelfeste unsern Glückwunsch. Personalbestand des Vereins. Der Tod entriss uns die wirklichen Mitglieder Otto Paack Fabrikant (7 18. Mai 1898), Dr. Hubert Scheck (eingetreten 21. VI. 86. f Dez. 1898), Apotheker Ludwig Scherff (7 8.11. 1899) und das Ehrenmitglied Oberbürgermeister a. D. Weise (f 13. IV. 99). Ihren Austritt haben erklärt Frau Ichon (Mai), die Herren Dr. Loewer (August 1898) u. v. Morsey Picard (1. IV. 99). Herr Karl Knetsch ist im Anfang des Geschäftsjahres nach Lichtenthal bei Baden-Baden verzogen, tritt also in die Reihe der korresp. Mitglieder über. Von diesen letzteren verloren wir durch den Tod Prof. Dr. Fridolin von Sandberger (r 12. IV. 98), Amtsrath Dr. Struckmann in Hannover (f 23. I. 98), Hofrath Prof. Dr. Karl Claus in Wien (f 18. I. 99, Mitglied seit 1. V. 61), Hofrath Dr. Franz Ritter von Hauer, vorm. Intendant des naturhist. Hofmuseums in Wien (geb. 22.1.1822, 7 21. III. 99). Über der drei Ersten Leben vergl. man die Nekrologe am Schlusse dieses Berichts, eine eingehende Lebensbeschreibung (z. Thl. Autobiographie) unseres engeren Landsmanns Claus haben wir unter den Abhandlungen gebracht. Als wirkliches Mitglied ist neu ein- getreten am 12. Septbr. 1898 Herr Postpraktikant Klein- steuber, zu correspondirenden Mitgliedern sind gewählt worden Herr Geheimer Hofrath Professor Dr. Wilhelm Blasius in Braunschweig (13. VI. 98) und Herr Gerichts- sekretär Zeiske zu Ziegenhain in Hessen (19. April 1899.) *) Seit Herbst 1896 hatte sich bei dem Briefschreiber der graue Staar entwickelt, in Folge dessen er sich einer Operation unter- ziehen musste. **) Eigenhändig hat Herr Philippi diesen Brief unterschrieben. Verzeichniss der Mitglieder. V II. Verzeichniss der Mitglieder. In den folgenden Listen beziehen sich die Jahreszahlen auf die Zeit des Eintritts, bezw. der Ernennung. a) Ehrenmitglieder. 1. Dr. Ackermann, Karl, Oberrealschuldirektor 1. P. 1876. 1891. 2. Herr Bartels, Karl, Dr. jur. h. c., Geh. Oberjustizrath, Oberstaats- 3 m es = Pre Sun ww 2 SETS © m m Sun mw N Sr anwalt zu Kassel. 1876. 1897. Dr. v. Bunsen, Wilhelm Robert, Professor Wirkl. Geheimrath, Excellenz, in Heidelberg. 1837. 1875. zu Eulenburg, Graf Botho, Staatsminister a. D., Excellenz in Berlin. 1886. Dr. Geinitz, Hans Bruno, Direktor des königl. mineral. Museums und Geh. Hofrath in Dresden. 1875. Dr. Gerland, Ernst, Professor an der Bergakademie in Klaus- thal. 1873. 1888. v. Hundelshausen, Eduard, Landesdirektor der Provinz Hessen- Nassau a. D., in Kassel. 1886. Dr. Philippi, Rud. Amandus, Professor und Direktor des chilenischen Landesmuseums, zu Santiago (Stifter des Vereins). 1836. 1886. Dr. Zirkel, Ferd., Professor und Geh. Bergrath, in Leipzig. 1375. b) Wirkliche Mitglieder. . Se. Durchlaucht Prinz Karl von Hanau, Graf von Schaumburg, in 2) Kassel, 1891. 3 Prinz Philipp von Hanau, Graf von Schaumburg, in Oberurff. 1862. 1886. Herr Alsderg, A., Bankier. 1880. Baur, Privatmann. 189. Berlepsch, Graf Hans v., Schloss Berlepsch bei Witzenhausen. 1871. | Derlepsch, Freiherr Hans v., Rittmeister und Escadron-Chef im Husarenregiment Nr. 14. 1894. blanckenhorn, Karl, königl. Baurath a. D. 1887. Dr. Bliesener, 'Rarl, Oberstabsarzt im Husarenregiment Hessen- Homburg. 1894. Bode, Adolf, Dr., Geh. Medicinalrath und Mitglied des Medi- cinal- -Collegiums. 1880. Bodenheim, Gustav, Fabrikant. 1892. v. Both, Alexander, Öberstlieutenant z. D. und Bezirks- Kommandeur. 1892. Buhse, Fritz, Bergwerksdir. in Torrelavega in Spanien. 1875. Christ, Heinrich, Dr. phil., Oberlehrer an der Oberrealschule. 1893. Des Coudres, Julius, Oberbergrath. 1863. Ebert, H., Dr., prakt. Arzt. 1894. VI Verzeichniss der Mitglieder. 16. Herr Eisenmann, O. F., Dr., Museums- und Galleriedirektor. 189. 37. 18. 19. 20. Eysell, Adolf, Dr., Arzt. 1878. Fabarius, Waldemar, Stadtbauinspektor. 189. Fennel, Ludw., Dr., Oberlehrer a. d. Oberrealschule. 1887. Fischer, Felix, Premier-Lieutenant a. D., Rittergutsbesitzer . zu Freienhagen. 189. Fisher, Theodor Gideon, Verlagsbuchhändler und Buch- druckereibesitzer. 189. Fliedner, Oberregierungsrath an der kgl. Regierung. 189. . Fräulein Förster, Auguste, Inspicientin des Handarbeitsunterrichts Herr an den städtischen Mädchenschulen. 1893. Gerland, Konrad, Dr. phil. Chemiker, Lehrer zu Accrington, Lancashire, England. 1887. Hebel, O., Gymnasialoberlehrer. 1850. 1882. 1897. Hecht, Jacob, Kaufmann. 1880. Hellwig, Rittmeister und Escadronchef im’ Husaren-Regiment Hessen-Homburg. 18%. Hermann, August, Kaufmann. 1891. Heydenreich, Heinrich, Oberlehrer am Realgymnasium. 1888. Hintx, Robert, Oberforstmeister. 1896. Hoebel, Ernst, Dr., Prof., Oberlehrer a. d. Realschule. 1888. Hornstein, Fr., Dr. Prof., Oberl. am Realgymnasium. 1869. Hornthal, Jacob, Kaufmann. 1876. Hunrath, Wilhelm, Besitzer der Löwenapotheke. 1892. Ichon, Wilhelm, Consul a. D. 1890. Junghans, Karl, Professor an der Oberrealschule. 1889. Kaiserling, Gustav Adolf, Rentner. 1891. . Kasseler Fischerei- Verein, hier. 1883. . Herr Kleinsteuber, Postpraktikant. 1899. Kochendörffer, John N. C., Privatmann. 189. Kunze, Hermann, Oberlehrer in Kassel. 1888. 1896. 1899. Laubinger, Karl, Dr. phil., Privatier. 1895. Lenz, August, Prof., Custos des Naturalienmuseums. 1858. Lindner, Gustav Adolf, Dr., Generalarzt a. D. 1883. Löwenbaum, L., Bankier. 1881. von und zu Löwensteen, Louis, Major a. D. 1894. Luckhardt, Ludwig, Apotheker. 189. Mende, Oberst z. D., Wilhelmshöhe. 1896. Mergard, Joh. Gg. Konr., Apotheker in Wehlheiden. 1895. Merkelbach, Wilh., Dr., Oberl. an der Oberrealschule. 1880. Nagell, Wilhelm, Hofapotheker. 1880. Ochs, Heinrich, Privatmann. 1894. Paulmann, Wilh., Dr. phil., Nahrungsmittelchemiker. 1895. v. Pentz, Friedrich, Generalmajor z. D., Marburg. 1894. Pfankuch, Bergwerksdirektor. 1896. Feittershaussen, Aug. Julius, Privatmann. 1880. Teöhling, Joh. Ludwig, Regiments-Thierarzt a. D. 1880. Rost, Adalbert, Dr., Professor, Oberlehrer am Wilhelms- Gymnasium. 1877. Scheel, Willy, Kaufmann und Juwelier. 1894. Schelenz, Hermann, Apotheker a. D. 1895. Schläfke, W., Dr. med., Arzt. 1880. Schmuch, Karl, Rechtsanwalt. 1891. Schreiber, Rudolf, Dr. phil., Oberlehrer an der Realschule. 1892. Sebold, Dr. med., Arzt. 1896. Verzeichniss der Mitglieder. vi 65. Herr Siebert, Karl, Dr. phil., Wilhelmshöhe. 1891. 66. Thomas, Wilhelm, Apothekenbesitzer. 1896. Uffelmann, Karl, Dr. phil., Chemiker. 189. Uhlworm, Oskar, Dr. phil., Stadt-Bibliothekar. 1881. Wachs, Gustav, Kaufmann. 1896. Waitz von Eschen, Roderich, Dr. phil., Freiherr. 1866. Wallach, Martin, Rentier. 1880. Wallach, Moritz, Dr. phil., Grosshändler. 1883. Weber, Joh., Buchhändler. 1895. Weber, Ludwig, Dr. med., Arzt. 1887. Wenzel, Fr. Aug., Corps-Rossarzt. 1880. Wilke, Richard, Rentner. 189. Wolf, Wilhelm, Besitzer der Sonnenapotheke. 1891. Zuschlag, Karl, Dr., Prof., Gymnasial-Oberlehrer a. D. 1873. Zwenger, Julius, Kaufmann. 189%. c) Correspondirende Mitglieder, . Herr Alfermann, Franz, Dr., Generalarzt, Posen. 1870. Angersbach, Adam, Gymnasiallehrer, Weilburg. 1890. 1893. Deyschlag, Dr., Professor und Landesgeologe, Berlin—Wilmers- dorf. 1896. Blanckenhorn, Max, Dr., Privatdocent der Geologie, Erlangen, Geologe in Kairo. 1890. 1893. Buchenau, Franz, Dr., Prof. Realschuldirektor, Bremen. 1861. Ooester, Fr. Wilh., Oberverwaltungsgerichtsrath, Berlin. 1879. Ebert, Theodor, Dr. Prof., Landesgeologe, Berlin-Grosslichter- felde. 1884. Egeling, Gustav. Dr. Apotheker, Ponce auf Puerto Rico. 1880. Fick, Adolf, Dr., Prof., Hofrath, Würzburg. 1861. Focke, W. O., Dr. med., Bremen. 1864. Fulda, Rud., Bergwerksbesitzer, Schmalkalden. 1881. Geheeb, Adalbert, Apotheker a.D., früher Geisa, Freiburg ı. B. 1881. Gerland, Georg, Dr., Prof. der Geographie, Strassburg. 1881. Gerland, Wilhelm, Dr., Fabrikant, Church (Lancash. England.) 18831. Grimm, Julius, Hofphotograph, Offenburg i. B. 1881. Guckelberger, G., Dr., Rentner, Giessenhagen bei Gross- almerode. 1857. v. Heyden, Lucas Friedr. Dom., Dr., Major z. D., Bockenheim, 18831. Kathariner, Geheimer expedirender Sekretär im Landwirth- schafts-Ministerium, Berlin. 1890. Knetsch, Karl, Privatmann, Lichtenthal bei Baden-Baden. 1886. 1898. Kornhuber, Andreas, Dr., Hofrath u. Prof. a. D., Pressburg. 1887. Krauss, Theodor, Dr., Red. d. deutschen landw. Presse, Berlin. 1880. Kretschmer, Fr., Bergverwalter, Zöptau. 1881. Kümmell, G., Dr., Assistent am physikal. Institut, Leipzig. 1889. 1895. Lange, C. Fr. Rud., Bergfaktor, Reden. 1884. Leverkühn, Paul, Dr. med., Dir. der wissensch. Institute u. der Bibl. Sr. königl. Hoheit des Fürsten von Bulgarien, Sofia. 1896. VII . Litterarischer Verkehr. 26. Herr Metzger, Dr., Geh. Reg.-Rath, Prof. der Zoologie, Münden. 189. 27. ,„ Mdant, Dr., Privatdocent u. Forstassessor, Münden. 1896. 28. ,„ Oechsenius, Karl, Dr., Consul a. D., Marburg. 1861. 29. ,„ . Perino, Joseph, Chemiker, Iserlohn. 1891. 1894. 30. „ Rathke, Bernh., Dr., Prof. der Chemie, Marburg. 1873. 31. ,„ . Salter, Realitätenbesitzer, Wien. 1896. 32. ,„ sSehmiedicke, Otto, Dr., Oberstabsarzt, Berlin. 1889. 1891. 33. „ Schüssler, Seminarlehrer, Dillenburg. 1872. 34. „ sSchwenken, Berginspektor a. D., Homberg. 1865. 35. ,„. Seligmann, G., Rentner, Coblenz. 1882. 36. ,„ sSiegert, Ferd., Dr., Stabsarzt, Kehl. 1888. 1890. 37. ,„ sSteerlein-Hauser, Dr., Apotheker, Rigi-Scheideck, 189. 38. „ Stelling, Jacob, Dr., Professor, Strassburg i. E. 1874. 39. ,„ Struck, Karl, Oberlehrer u. Museumscustos, Waren. 1872. 40. ,„ Suth, Vereidigter Chemiker, Wiesbaden. 1890. 189. 41. ,„ Taube von der Issen Baron, Weimar. 1892. 1895. 42. , Temple, Rud., Assecuranzinsp., Budapest. 1867. „ Txschucke, Hugo, Betriebsführer der chemischen Fabrik Todtstadt bei Hamburg. 1891. 1893. 44. ,„ ÜUekermann, Karl, Dr., Gymnasialoberlehrer in Mühlhausen EATha 18903189. 45. ,„ Vahl, Karl, Oberpostdirektor, Geh. Postrath, Potsdam. 1880. 46. „Wagner, Dr., Realschul-Professor. a. D., Fulda. 1849. 47. ,„ v. Wedell, Hasso, Major z. D., Weimar. 1891. 48. ,„ Weise, Oberforstmeister, Direktor der Forstakademie, Münden. 1896. 49. ,„ DBlasius, Geh. Hofrath Dr. Wilhelm, Braunschweig. 1898. „ Zeiske, Gerichtssecretär, Ziegenhain. 1899. | IH. Der litterarische Verkehr des Vereins etc. Die Zahl der Gesellschaften, mit welchen unsere Vereine Schriftentausch unterhält, ist in dem abgelaufenen Geschäfts- jahr erheblich gestiegen, indem auf dortseitige Initiative mit den nachfolgend verzeichneten Vereinen Verbindungen an- geknüpft worden sind: 1. Brünn, Club für Naturkunde (13. III.99). 2. Buffalo, Society of natural sciences (17. 1X. 98.) 3. Chicago, Aca- demy of sciences. 4. Dresden, Genossenschaft „Flora“, Gesellschaft für Botanik und Gartenbau (8. 1. 98.) 5. Krefeld, Verein für Naturkunde (26. X. 98). 6. Luzern, Natur- forschende Gesellschaft (15. VII. 98). 7. Madison, Wisconsin geological and natural history survey (1.11.99). 8. Meriden Conn., Scientific association (17. IX. 98). 9. Mondevideo, Museo nacional. 10. Neuchätel, Societe de Geographie. ‚11. Portici, R. scuola superiore, hinsichtlich der dort heraus- Litterarischer Verkehr. IX gegebenen Zeitschrift: „Rivista di patologia vegetale“. 12. Washington, The American monthly microscopical Journal. Die bayerische botanische Gesellschaft zur Erforschung der heimischen Flora zu München machte am 1. 1. 98 die Mittheilung, dass sie hinfüro bloss noch mit rein botanischen Vereinen Tauschverkehr pflegen würde. Nach dem Schluss- wort des letzten, vor Kurzem erschienenen und in Marschen- dorf herausgegebenen 66. Heftes der Zeitschrift ‚das Riesen- gebirg in Wort und Bild“ scheint diese Zeitschrift nicht weiter zu erscheinen. Über die käuflich für die Bibliothek erworbenen Werke ist gegen das Vorjahr (siehe unsern vorigen Bericht S. II.) keine Veränderung eingetreten. Weiter vermehrte sich der Bestand unserer Vereins- bibliothek durch Geschenke von Mitgliedern und Freunden. Wir erhielten: 1. Vom Verf., unserem Ehrenmitglied Herrn Prof. Dir. Dr. R. A. Philippi in Santiago de Chile: Sobre el Verdadero significado de la Palabra Cordillera. (9 S.) Santiago 1898. 2. Von dem Verf., unserem corr. Mitglied Herrn Geh. Hofrath Prof. Dr. Wilh. Blasius in Braunschweig: Zur Geschichte der Ueberreste von Alca impennis. (120 S.) Naumburg 1884. — Ueber die letzten Vorkommnisse des Riesenalks. (27 S.) Braun- schweig 1883. — Megalithische Grabdenkmäler des nordwest- lichen Deutschlands. (17 S.). Ebda. 1897. — Neue Knochenfunde in den Höhlen bei Rübeland. (8 S.) Ebda. 1890. — Zur Kenntniss der Vogelfauna von Celebes. (133 S. mit 1 col. Taf.) Ebda. 1897. — Der herzogl. botan. Garten zu Braunschweig. (12 S. mit 3 Bildern.) Ebda. — Das herzogl. naturhist. Museum das. (20 S. mit 1 Abb.) Ebda. — Die Fauna der Gegend von Braunschweig. Säugethiere. (6 S.) Reptilien. (5 S.) Ebda. 1897. — Vögel von Pontianak. (58 S.) Lübeck 1896. — Nassauer, Das Stypticin bei Uterusblutungen. 4°. (16 S.) Wien 1897. — Tageblatt der 69. Vers. deutscher Naturforscher und Aerzte. Braunschweig 1897. 3. Vom Verf. Herrn Generalarzt Dr. G. Lindner hier: Beitrag zur Kenntniss der Biologie u. hygienischen Bedeutung der in Sumpf- wässern lebenden Protozo@n. (Vortrag, gehalten im Ver. f. Natur- kunde zu Kassel, Februar 1898). Separat-Abdr. aus „Deutsche Medicinalzeitung‘ No. 26 u. 27. 1898. 4. Vom Verf., unserm corr. Mitgl. Herrn Dr. B. F. G. Egeling, jetzt in Ponce (Puerto Rico): Ancient pharmacy in Mexico at the time of the spanish conquest. (Sep.-Abdr.) 3 S. s. a. 5. Vom Verf., unserm Mitgliede Herrn Dr. Max Blanckenhorn, com. Landesgeologe der ägyptischen Regierung u. z. Z. in Cairo: Das Tote Meer und der Untergang von Sodom und Gomorrha. Mit 18 Illustrationen nach photographischen Aufnahmen u. einer Uebersichtskarte. (44 S.) Berlin, Reimer 1898. — Zwei isolirte Tertiär-Vorkommen im Röth auf Blatt Wilhelmshöhe bei Kassel. Sep.-Abd. aus dem Jahrb. der kgl. preuss. geol. Landesanstalt für 1897. (6 S. mit Abb.) Berlin 1898. — Der Muschelkalk auf Litterarischer Verkehr. 12 13. Blatt Wilhelmshöhe bei Kassel u. seine Lagerungsverhältnisse. Sep.-Abd. aus etc. wie vorher. (21 S. mit Abb.) Berlin 1898. . Von dem zeitigen Vereinsbibliothekar Dr. Ackermann: „Die gefiederte Welt“, Zeitschrift für Vogelliebhaber, -Züchter und -Händler. Herausg. v. K. Russ. 3. u. 4. Jahrgang. Berlin 1874 u. 1875. — Ein Band mit 21 geographischen Einzelschriften. — Semmig, H., Rhein, Rhön und Loire. Kultur- und Landschafts- bilder. (427 S.) Leipzig 1886. — Boclo, L., Der Begleiter auf dem Weserdampfschiffe von Münden nach Bremen. Mit 2 Karten. (255 S.) Göttingen 1844. — Müller, E., Das hessische Land und Volk. (187 S.) Leipzig 1857. — Braun, J. M., Wegweiser durch Heidelberg, Mannheim und Schwezingen. (110 S.) Stuttgart 1836. — dCollegienheft über Zoologie, Vorlesungen von Prof. Dr. Herold, Marburg Winter 1860—61 u. Sommer 1861. (346 S.) — Excursionsbüchlein für das nördliche Böhmen. (28 S.) 1885. — Wie Dr. Schwarz ganz anders als Dr. Weiss von der Desinfection geredet hat. (32 S.) 1884. — Eine Collection Badebroschüren über folgende 105 Orte: Sooden im Werrathale, Wildungen, Nenn- dorf, Neuhaus bei Neustadt, Salzschlirf, Nauheim, Schmalkalden, Soden im Taunus, Hainstein bei Eisenach, Teutoburger Wald, Eisawa im Spessartwald, Salzdetfurth, Harzburg, Alexisbad, Hom- burg, Flinsberg, Krummhübel, Salzbrunn i. Schl., Görbersdorf, Gleisweiler, Karlsbad bei Mergentheim, Gernsbach, Teinach, Steben, Reichenhall, Heiligenbecher, Sulz in Oberbayern, Wild- bad, Urach, Röthenbach, Liebenzell, Suggenthal, St. Margaretha (Waldkirch), Streitberg, Starnberg, Kreuth, Empfing, Tölz, Reichen- hall, Garmisch, Kohlgrub, Stolberg (Südharz), Blankenhain, Bibra, Arnstadt, Kösen, Sulza, Frankenhausen, Friedrichroda, Loben- stein, Dürckheim, Porta, Gleisweiler, Münster a. St., Oeynhausen, Weinheim, Neuenahr, Salzhausen; Heringsdorf, Binz, Misdroy, Usedom, Klampenborg, Lohme, Zoppot, Helgoland, Wangerooge, Norddorf auf Amrum, Langeoog, Spiekeroog, Lohme auf Rügen; Tobelbad bei Graz, Andelsbuch im Bregenzer Wald, Levico, Rochlitz, Gossensass, Reinerz, Warmbrunn, Teplitz-Schönau, Mödling, Königswart, Sangerberg, Franzensbad, Neuschmecks; Weissenburg i. Schweiz, Churwalden, Fideris, Maloja, Zuz, Heu- strich, Andeer, Macolin, Wiesen, Tarasp, Davos, Magglingen, Schönfels, Schonegg, Gais, Blauer See im Kanderthal, Weissbad, Obersimmenthal, Seewis, Brestenberg, Lenk und Leukerbad. . Von der Uhniversitätsbibliothek Basel: Jahresverzeichniss der schweizerischen Universitätsschriften 1897-98. Basel 1898. . Von der Natuurkundige Vereeniging in Nederlandsch-Indi&, zu Batavia: Van Deventer, Natuurkundig Tijdschrift Deel LVI. (566 S. u. 3 Taf.) Batavia 1898. . Von der Naturforschenden Gesellschaft in Chur: Lorenz, P., die Fische des Cantons Graubünden. (135 S. m. Karte). Chur. 1898. . Vom Steirischen Gebirgsverein in Graz: Haas, Panorama des Zirbitzkogel bei Judenburg, 2397 m. . Vom kärntnerischen naturhistor. Landesmuseum zu Klagenfurt: Festschrift zum 50jähr. Bestehen (75. S. m. Bild) 1898. Vom Nordböhmischen Excursionsklub in Böhmisch-Leipa; A. Paudler, Leipaer Dichterbuch (118 S.) Leipa 1898. Von der geographischen Gesellschaft in Lübeck: Gaedertx, Be- trachtungen über die Zukunft Lübecks. -(12. S.) s. a. et. 1. Litterarischer Verkehr. XI 14. Von Herrn Dr. George Dimmock in Springfield, Mass.: Notes on parasitic hymenoptera, with descriptions of some new species. 252. S:) Ge Proc. ent. soc. Washington, Vol IV, No. 2). 15. Vom Verf. Herrn Charles Janet in Limoges: Le Lasius mixtus etc. (64 S.) Limoges 1897. — Etudes sur les fourmis les Guepes et les Abeilles (25. S.) Ebda 1895. — Les Fourmis. (37 S.) Paris 1896. — Sur les Rapports du Discopoma comata avec le Lasius mixtus. 4°. (4 S.) Paris 1897. — Sur les Rapports de l’Anten- ophorus Uhlmanni avec le Lasius mixtus. 4°. (35.) Paris 1897. 16. Von dem siebenbürgischen Karpathenverein in Hermannstadt: Durch Siebenbürgen. Vortrag. (24 S.) Hermannstadt o. J. 17. Von der Nederlandsche Botanische Vereeniging in Nijmegen: - Nieuwe List der Nederlandsche Korstmossen (74 S.) 1898. 18. Von der „Lese- u. Redehalle der deutschen Studenten in Prag“: Festschrift zum 50jähr. Jubiläum. 4°. (40 S.) 1898. 19. Von der Verlagsbuchhandlung W. Spemann in Berlin u. Stuttgart Die neue Wochenschrift „Mutter Erde“ Nr. 1 bis 13. 1898. 20. Von der Köhler’schen Verlagsbuchhandlung in Gera: Köhler, W., J. F. Naumann. Sein Leben und sein Werk u. A. 21. Von der kön. ungarischen geolog. Anstalt in Budapest: Böckh, Dir. u. Oberbergrath Gesell, Die Edelmetalle, Erze, Eisensteine, Mineral- kohlen, Steinsalz u. anderen nutzbaren Mineralien der Länder der ungarischen Krone. 2 Karten a 96 cm : 65 cm. Den verehrten Spendern statten wir hier im Namen des Vereins verbindlichsten Dank ab. Der Verein sprach im Jahr 1878 in der Beilage zum Bericht XXIV u. XXV die Bitte aus, „künftighin alle Zu- sendungen“ an zwei dort namhaft gemachte Vorstands- mitglieder zu adressiren. Hiervon ist das eine seit 1888 von hier verzogen, das andere, der Berichterstatter, scheidet jetzt aus Gesundheitsrücksichten aus dem Vorstand aus. Wir richten deshalb analleunsere Correspondenten, namentlich an die mit uns in Tauschverkehr stehenden Vereine, die ergebenste Bitte, jede für den Verein bestimmte Zusendung unter Weg- lassung einer persönlichen Adresse zu adressiren: An den Verein für Naturkunde in Kassel. Wir registriren hier noch folgende Mittheilungen bezw. Einladungen von auswärtigen Vereinen: 1. Das Naturhistorische Landesmuseum in Klagenfurt giebt Nachricht von dem Hinscheiden seines langjährigen Custos k. Raths J. L. Canaval (f 21. IV. 98, 78 Jahre alt). 2. Die Administration der Bergwerke in Brüssel offerirt das von Melvil Dewey bearbeitete Werk Bibliographia geologica I, 1896—1897 zum Preise v. 5 fres. 3. Einladung zu der anlässlich der in Bilin abzuhaltenden General- versammlung des Centralvereins deutscher Aerzte in Böhmen stattfindenden Enthüllung des Reuss-Denkmals am Pfingst- montag, den 29. Mai 1898. XI Litterarischer Verkehr. Der Ausschuss des siebenbürgischen Vereins für Naturwissen- schaften zu Hermannstadt theilt das Ableben seines gründenden Mitgliedes und langjärigen Vorstandes kgl. Rathes u. Schul- inspectors Dr. .E. A. Bielz mit, der am 26..V. 98 im 72. Lebens- jahre entschlafen ist. Der Ausschuss des Rhönklubs in Fulda ladet zur 22. Jahres- versammlung und zum Stiftungsfest (13.—13. =; 1898) nach Meiningen ein. Die Societä d. Alpinisti in Trient ladet zu ihren 26. Sommer- fest auf den 14. Aug. 1898 nach Fiera di Primiero ein. Der Vorstand des „Naturwissenschaftlichen Vereins“ zu Magdeburg richtet die Bitte an den Verein, sich mit einer Geldspende zur Errichtung eines würdigen Denkmals für Otto von Guericke zu betheiligen. Die Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin ladet zum ‚7. inter- nationalen Geographen-Kongress“, 28. Septb. bis 4. Oct. 1899, nach Berlin ein. . Die Sociedad Geogräfica zu Madrid giebt Mittheilung von dem am 30. IX. 98 erfolgten Ableben ihres Präsidenten Exc. Dr. F. Coello de Portugal y Quesada. Der Verein der Naturfreunde in Reichenberg (Böhmen) ladet zu der am Sonntag den 15. Januar 1899 stattfindenden Feier seines 50jährigen Bestandes ein. . Herr P, Angel Rodriguez de Prado in Rom theilt am 6. Januar 1899 mit, dass Se. Heiligkeit Leo XII. ihn zum Direktor der Vaticanischen Sternwarte ernannt habe. . Die kaiserliche Mineralogische Gesellschaft zu St. Petersburg theilt unter dem 30. Januar 1899 mit, dass Director Geheimrath Paul ler&meiew am 18. Januar verstorben sei. Die Physikalisch-ökonomische Gesellschaft zu Königsberg theilt mit, dass sie für die Lösung folgender Aufgabe einen Preis von 4000 Mark zu vergeben habe: Verlangt wird eine Arbeit, die auf dem Gebiete der pflanzlichen oder thierischen Rlektrieität entweder fundamental neue Erscheinungen zu Tage fördert, oder hinsichtlich der physikalischen Ursache der organischen Electricität, oder ihrer Bedeutung für das Leben überhaupt oder für be- stimmte Functionen, wesentlich neue Aufschlüsse gewährt. Einsendungstermin: 31. Dez. 1900. Sollte keine Arbeit des Preises würdig erscheinen, so stehen für weniger bedeutende, aber doch werthvolle Arbeiten der oben angegebenen Richtung zwei kleinere Preise von je 500 Mark zur Verfügung. Nekrologe. Amtsrath Dr. Karl Eberhard Friedrich , war geboren am 16. März 1833 zu Osnabrück. Nachdem er das dortige Gymnasium zu Ostern 1852 absolvirt hatte, bezog er zunächst die Universität Bonn, dann Göttingen und studirte Naturwissenschaft und Nationalökonomie bis zum Jahre 1855. Er wandte sich dann dem landwirthschaftlichen Nekrologe. XI Berufe zu und nachdem er sich darin praktisch ausgebildet hatte, unternahm er im Sommer 1857 eine mehrmonatliche Studienreise nach England und Schottland. Vier Jahre später erhielt er von der kgl. Regierung den Auftrag, dem sich verschiedene landwirthschaftliche Vereine Hannovers an- schlossen, eine gleiche Reise zu wiederholen, worauf ein Jahr später seine Ernennung zum Amtsrath erfolgte. Fast gleich- zeitig hatte er die kgl. Domäne Oldenstedt bei Ulzen pacht- weise übernommen. 1864 gab er diese wieder auf, um sein Gut Hardehausen im Kreise Warburg selbst zu bewirthschaften. Im Jahre 1869 verkaufte er seine Besitzung und zog sich nach Hannover zurück. Hier übernahm er die Bearbeitung der. Landesmeliorationssachen und die Leitung der Expro- priationssachen. Daneben widmete er sich eifrig geologischen Studien. Zahlreiche geologische und mineralogische Aufsätze von ihm finden sich in wissenschaftlichen, besonders geo- logischen Zeitschriften, ferner in den Jahresberichten der naturhistorischen Gesellschaft zu Hannover. Selbständig er- schienen von ihm eine paläontologische, geognostische und statistische Darstellung des oberen Jura’s von Hannover (160 S., Hannover 1878) und eine größere Schrift über, die Wealdenbildung der Umgegend von Hannover (1880). Über andere, in unserer Bibliothek befindliche Arbeiten St.’s siehe unsern Bericht XLI, 1896, S. XIV. St. gehörte unserm Verein seit dem 14. October 1895 an. Professor Karl Ludwig Fridolin von Sandberger ward geboren am 22. November 1826 zu Dillenburg im vor- maligen Herzogtum Naßau als Sohn des dasigen Gymnasial- lehres S. Schon im folgenden Jahre kam er nach Weilburg, wohin sein Vater versetzt worden war, und hier besuchte und absolvirte er auch das Gymnasium. Schon frühzeitig, noch als Gymnasiast, begann S. seine naturwißenschaftlichen Studien, besonders geognostische, indem er gemeinschaftlich mit seinem Bruder Guido, späterem Lehrer an der Realschule in Wiesbaden, die geologischen Verhältniße seiner Heimat erforschte und schon 1843 eine kleine Arbeit über Verstei- nerungen im Jahrbuch für Mineralogie veröffentlichte. Kaum 16 Jahre alt bezog er die Universität, zuerst Bonn, dann Heidelberg und Gießen, wo folgeweise hauptsächlich Bischoff, Bronn, Leonhard und Liebig seine Lehrer waren. Mit so regem Eifer und Erfolg lag er dem Studium der Naturwißen- schaften ob, daß dem jungen, wenig über 19 Jahre alten Gelehrten am 30. Januar 1846 seitens der philosophischen Facultät der Universität Gießen, nach vorzüglich bestandenem Examen, die Doctorwürde verliehen wurde. Zu seiner weiteren XIV Nekrologe. Ausbildung ging S. nach einiger Zeit an die Ümmwversität Marburg und gab hier die „Übersicht der geologischen Verhältnisse des Herzogtums Naßau“ Wiesbaden 1847 (144 S. m. Karte) heraus. Am 1. October 1849 trat S. in den herzogl. nassauischen Staatsdienst, und zwar als Inspector des Naturhistorischen Museums zu Wiesbaden. Hier wurde sein erstes größeres Werk, bearbeitet in Gemeinschaft mit seinem Bruder, vollendet; es führt den Titel: ‚Die Versteinerungen des rheinischen Schichtensystems in Nassau“ (71 Bogen Text und 41 Taf. Abb.) Wiesbaden 1848—52. Daneben wurden die schon früher begonnenen Studien über die Conchylien des Mainzer Beckens fortgesetzt, als deren Frucht im Jahre 1853 „Untersuchungen über das Mainzer Tertiärbecken und dessen Stellung im geologischen Systeme‘ (Wiesbaden, 91 S.) erschien. Im Jahre 1854 erschloß sich ihm ein neuer Wirkungs- kreis durch einen Ruf, den er an das damals in hoher Blüthe stehende Polytechnikum in Karsruhe erhielt als Professor für Mineralogie und Geologie. Hier wurde ihm auch die Leitung der geologischen Aufnahme Badens übertragen. Die Resul- tate seiner in dieser Stellung ausgeführten Arbeiten sind in mehreren Heften der vom badischen Handelsministerium herausgegebenen. „Beiträge zur Statistik der innern Verwaltung des Großherz. Baden“ veröffentlicht worden. Neben diesen mehr praktischen Arbeiten gingen auch rein wissenschaftliche einher, so das 1848 bis 1863 erschienene Werk: ‚Die Con- chylien des Mainzer Tertiärbeckens“, 4°, 458 S. und 35 Taf. umfassend. Nahezu neun Jahre wirkte Sandberger an der Karlsruher polytechnischen Hochschule. Im Jahre 1863 wurde er als ordentl. Professor für Mineralogie und Vorsteher der mineralogisch-geologischen Anstalt nach Würzburg berufen. Hier entfaltete er eine überaus rege Thätigkeit. Soweit es sein Lehramt und die Ordnung der Sammlungen. zuließ, widmete er sich mit regstem Eifer der geologischen Erforschung der Umgebung von Würzburg. Die Resultate dieser For- schungen trug er bereits 1864 auf der Naturforscherversammlung zu Gießen vor und veröffentlichte sie dann im 5. und weiter im 6. Bande der Würzburger naturwissenschaftlichen Zeit- schrift unter dem Titel „Die Gliederung der Würzburger Trias“. Auch die sonstigen Gegenden Frankens, z. B. den Spessart und namentlich die Rhön, hat er geologisch eifrigst durchforscht und mehrere Abhandlungen darüber publicirt. Wir verzeichnen hier den sehr ansprechenden Vortrag „zur Naturgeschichte der Rhön“, gehalten am 8. December 1880 in dem Verein für Geographie und Statistik in Frankfurt a. M. Nekrologe. XV und veröffentlicht in der Gemeinnützigen Wochenschrift des Polytechnischen Centralvereins zu Würzburg 1881, 31. Jahr- gang No. 1 bis 6. Eine große Reihe theils kleiner, theils großer Aufsätze mineralogischen und geologischen Inhalts über die von ihm durchforschten Gegenden schrieb S. neben- her. Die zahlreichen Einzelabhandlungen erschienen im Neuen Jahrbuch für Mineralogie, in Poggendorff’s Annalen, in Liebig’s Annalen, in der Zeitschrift der deutschen geologischen Ge- sellschaft, in den Schriften der Münchener und Wiener Akade- mie, des Nassauischen Vereins für Naturkunde, der phys.- medicin. Gesellschaft zu Würzburg etc. Vor allem aber setzte er in Würzburg seine paläontologischen Studien fort und brachte sie während der Jahre 1871 bis 1876 in dem epoche- machenden großen Werke „die Land- und Süßwasserconchylien der Vorwelt“, Wiebaden, 4°, 1000 S. und 36 Fol. Taf., zum Abschluß, einer großartigen Arbeit, für die ihm von der Leopoldinisch-Oarolinischen deutschen Akademie der Natur- forscher (z. Z. in Halle) die goldene Cothenius-Medaille ver- liehen wurde. Später beschäftigten S. mehr chemisch-geolo- gische Studien, namentlich Studien über die Bildung der Erzgänge, worüber zunächst verschiedene kleinere Abhand- lungen und später, Wiesbaden 1882, dann 1885, zwei um- fangreiche, 431 S. umfassende Schriften „Untersuchungen über Erzgänge‘“ erschienen sind. v. Sandbergers wißenschaftliche Leistungen wurden allerseits anerkannt, die bayerische Akademie der Wißenschaften hat ihn 1870 zu ihrem Mitglied ernannt, eine große Reihe wißenschaftlicher Gesellschaften und Vereine zu ihrem Ehren- oder correspondirenden Mitglied, der unsrige bereits am 2. April 1862, sein Landesherr verlieh ihm den kgl. Maximilians- orden für. Wißenschaft und Kunst, den Verdienstorden der kgl. bayerischen Krone und den vom hl. Michael, dem Senat der Würzburger Hochschule gehörte er 8 Jahre an, wieder- holt war er Decan der philosophischen Facultät. Im Früh- jahr 1896, kurz nach der Feier seines 50 jähr. Doctorjubliläums, beschloß er seine Thätigkeit als Lehrer; er wurde am 1. April von der Verpflichtung Vorlesungen zu halten, entbunden. Er zog dann nach München, kehrte aber schon im August 1897 nach Würzburg zurück, wo er am 11. April 1898 von dem Leiden, das schon seit Jahren seine Arbeitskraft gelähmt hatte, erlöst wurde. Einen Lebensabriss S.'s brachte die Beilage zur Münchener Allg. Zeit. vom 3. Febr. 1896; Nekrologe die Leopoldina 1898, S. 112; Jahrb. des nassauischen Ver. f. Naturk. LI, S. XXXIU, Wiesbaden 1898; Ber. der Senckenberg’schen naturf. Gesellsch. XVI Nekrologe. 1898, S. VIII, Frankfurt 1898; Gedächtnissrede auf S. von J. Becken- kamp die Sitzungsberichte der physik. — medicin. Ges. zu Würz- burg No. 5—8, 1898 (Mit Porträt). Die letztere ist auch. selbst- ständig im Buchhandel (Würzburg, Stahel, 0,75 M.) erschienen und enthält ein vollständiges Verzeichniss der Publikationen v. - Sandbergers. Hofrath Dr. Karl Friedrich Wilhelm Claus, Professor der Zoologie und vergl. Anatomie der Universität zu Wien war geboren am 2. Januar 1835 hier inKassel und ist am 18. Januar d. J. in Wien plötzlich gestorben. Ein ausführ- liches Lebensbild unseres berühmten Landsmannes und lang- jährigen Mitgliedes — er gehörte unserem Verein seit Mai 1861 an — brachten wir oben unter den Abhandlungen. Auch liessen wir es selbständig im Buchhandel erscheinen. Hofrath Dr. Franz Ritter von Hauer, vormaliger Inten- dant des naturhistorischen Hofmuseums in Wien, wurde am 22. Januar 1822 in Wien geboren. Er studirte in Wien und an der Schemnitzer Bergakademie. Nach Absolvirung der letzteren wurde er im Alter von 21 Jahren an das montani- stische Museum in Wien berufen, wo er unter der Leitung Haidinger’s reiche Gelegenheit zur weiteren Ausbildung fand. 1846 wurde er Assistent Haidingers an der Wiener Univer- sität und 1849 zum Bergrath und ersten Geologen an der neuerrichteten geologischen Reichsanstalt ernannt. In dieser Stellung hatte er Gelegenheit, die ganze Monarchie kennen zu lernen, indem er an der geologischen Aufnahme theil- nahm. Im „Jahrbuch der geologischen Reichsanstalt‘“ wie in den Schriften der Akademie der Wissenschaften welcher der jungen Gelehrte bereits seit dem Jahre 1848 angehörte, finden sich zahlreiche Arbeiten aus seiner Feder. Die wich- tigsten sind ‚Geologische Karte von Oesterreich - Ungarn (4. Aufl. 1884), „Geologie Siebenbürgens‘, „Geologische Uebersichtskarte der österreichisch-ungarischen Monarchie in 12 Blättern, sowie „die Geologie und ihre Anwendung auf die Kenntniss der Bodenbeschaffenheit der österreichisch- ungarischen Monarchie.“ lm Jahre 1867 wurde er der Nach- folger Haidinger’s, des ersten Direktors der geologischen Reichsanstalt, in welcher Stellung er bis zu seiner im Jahre 1855 erfolgten Berufung als Intendant des Naturhistori- schen Hofmuseums verblieb. Hier wurde er der Nach- folger Ferdinand von Hochstetter’s. Im Jahre 1896 trat er in den Ruhestand. Die Universtät Wien ehrte seine Thätigkeit durch Verleihung des Ehrendoktorats der Philo- sophie. Ausser vielen anderen Akademieen war er Mitglied zahlreicher gelehrter Gesellschaften und wissenschaftlicher Vereine. Dem unsrigen gehörte er seit dem 5. November Uebersicht über die Einnahmen und Ausgaben. XV 1862 an. Bis zu seinem Tode war er Vicepräsident des wissenschaftlichen Clubs und der zovlogisch - botanischen Gesellschaft in Wien. Die geographische Gesellschaft eben- da, deren Ehrenmitglied er war, hat an seinem Geburtstage eine Hauer-Medaille gestiftet. Die Londoner geographische Gesellschaft hatte ihm vor einigen Jahren ihre höchste Auszeichnung, die Wollaston - Medaille in Gold, über- reicht. Im Jahre 1889 wurde ihm das Ritterkreuz des Leopoldsorden verliehen und er drei Jahre später als lebens- längliches Mitglied ins Herrenhaus berufen. Hauer litt in der. letzten Zeit an quälenden Hustenanfällen. Es soll eine Neubildung im Halse vorhanden gewesen sein. Sein Tod erfolgte am 21. März d. J. (Nach der Wiener N. F. P. Nr. 12422 vom 22. März 1899.) IV. Uebersicht über die Einnahmen und Ausgaben. Einnahmen. f u) Womjakriger Baarbestand. . . .. „1.7. 2°: 685 34 Karsluederbeiträge . : ... . er... 462° Subventionen (s. S. ]) RE ER SETHAHOE Aus der Fiedler’schen Stiftung a. 75 1258129:.60 Schriftenerlös . . BEER 10 Vom Creditverein erhoben . . » >» 2. 2.2..10 — 1209 29 Ausgaben. Kosten des Berichtes XLMT . . .. .. ..02....287 51 Aöinderweite Druckkosten .:.. ... 2... #...20- 70 Binehbinderlohn.., 2.2... 008 een 4938 Auslagen . . 3 Re SPERREN RAR. (012: 3) an Dia 00.000.006 200. 50 Rechnungen für Diverse . . . el... Zis) Ueberzahlter Jahresbeitrag nee 2 iszeineng Vortrag sa un 2. 0er 30 Feuerversicherungsprämie Ba; 2 Se: 5‘ Creditverein zur Verzinsung . . . 2. ..2..2....6500 — 1183 95 XVII Uebersicht der Vorträge. V. Uebersicht der in den Monatssitzungen April 1898 bis dahin 99 gehaltenen Vorträge, theilweise auf Grund der Sitzungsprotokolle zusammengestellt. Herr Döhle hielt am 8. August einen Vortrag über Pflanzenwanderung im Tertiär und Quartär und ihre Ursachen. Dieser Vortrag ist vollinhaltlich unter den Ab- handlungen zum Abdruck gelangt. Derselbe legte am 10. Oktober von ihm hergestellte prachtvolle Kupfervitriol-Krystalle vor und beschreibt das hierbei beobachtete Verfahren. Herr Professor Dr. Hornstein hielt am 9. Mai 1898 einen Vortrag über Gesteinsbildung durch Lebewesen und illustrirte denselben durch Vorlage instructiver Beispiele von Kalkgebilden aus Bormio. Derselbe zeigte in der Sitzung vom 12. Dezember vor: 1) Ein Prachtexemplar von Ostrea callifera aus dem Ahnethal und zum Vergleich zwei Exemplare derselben Art aus dem Mainzer Becken. 2) Eine Anzahl Cölestine, theil- weise mit sehr schönen Krystallen, darunter ein Stück, bei dem die blauen Cölestinkrystalle mit einem weißlichen Ueber- zug von Strontianit bedeckt sind. 3) Steinwaffen aus Oster- rode in Östpreussen. 4) Zwei Bohrkerne, den einen aus Basalt vom .Belgerkopf, den andern aus Anhydrit aus dem Oberröblinger See in Sachsen aus einer Tiefe von 1240 m. 5) Zwei Seltenheiten, und zwar einen Kalkspathzwilling aus dem Harz, gebildet durch Juxtaposition und einen Tropf- stein, aus wasserklarem krystallisirtem Kalkspath bestehend, aus einer Höhle bei Belamar auf Kuba. Derselbe hielt am 13. März 1899 einen Vortrag über Fabrikation von Paraffin und Mineralölen aus Braun- kohle (Schweelkohle) und dergl., insbesondere die sächsisch - thüringische Braunkohlenindustrie unter Vorlage von Roh- und Fabrikationsprodukten. Uebersicht der Vorträge. XIX Herr Dr. Fennel verlas in der Sitzung am 12. September einen Aufsatz von Dr. Otterbein über die Entdeckung eines ganzen Systems von Trabanten unserer Erde durch Dr. Georg Walterath in Hamburg, welchen Aufsatz unser Mitglied Herr Scherff dem Verein übersandt hatte. Mittwoch den 8. März 1899 unternahm der Verein mit Genehmigung der hiesigen Aktiengesellschaft für Treber- trocknung eine Besichtigung der dieser Gesellschaft gehörigen Kadaververwertungsanstalt zu Bettenhausen. Die Führung wie Erklärung der Apparate hatte Herr Dr. Haefcke über- nommen. Die wesentlichen Mängel der seither in ähnlichen Anstalten gebrauchten Kadaververnichtungs- und Kadaverver- wertungsapparate waren folgende: 1) Die Durchdämpfung der ‚Kadaver durch direkte Einführung des Kesseldampfs verur- sachte weitgehende Verdünnung der Leimbrühe und damit bedeutende Vermehrung des Kohlen- und Kühlwasserver- brauchs, Erhöhung der Gefahr der Kesselsteinbildung, eine Vergrösserung der Anlage- und Betriebskosten. 2) Die Kondensation des Leimdampfs fand in besonderen Konden- satoren statt, bedeutete einen grossen Wärme-, also Kohlen- verlust. Bei dem neuen System (Hartmann-Trebertrocknung D. R. P.) geschieht die Kadaverdurchdämpfung nicht mehr durch direkte Einführung von Kesseldampf, sondern es wird das aus den Kadavern abtropfende Fleischwasser in Dampf verwandelt und in diesem Dampf das Rohmaterial zerkocht und extrahirt. Das aus dem Kesseldampf kondensirte Wasser wird in reiner Form wiedergewonnen. Jede Verdünnung der Leimbrüche ist so ausgeschlossen. Weiter ist hier neben der indirekten Durchdämpfung die Ausnutzung der Wärme des Leimdampfes zum Trocknen des Thierkörpermehls eine charakteristische Neuheit. Der stinkende Leiindampf verbleibt hierbei in dem nach aussen dauernd geschlossenen Apparat- systems, seine Kondensation im geschlossenen Apparat er- folgt ohne Aufwand von Kühlwasser. Die Dampfwärme wird vollkommen ausgenutzt zum Trocknen des Fleischpulvers. Ein besonderes Verfahren, im In- und Ausland durch Patente geschützt, lässt den gewonnenen Leim mit dem Knochen- und Fleischmehl zusammen auf Futtermehl verarbeiten. Es ist in der Praxis durchprobirt und soll sich glänzend bewährt haben als Futter für Schweine, Geflügel, Fische etc. Trotz seiner Herkunft wird ihm absolute Steri- lität und unbegrenzte Lagerfähigkeit nachgerühmt. Der ‚Preis für dies Futtermehl schwankt zwischen 12—15 Mk. pro 100 kg. Ausserdem wird noch ein Dungstoff gewonnen, das Thierkörpermehl, und zwar durchschnittlich 18—20 °/o. 2% XX Uebersicht der Vorträge. Dasselbe hat einen Gehalt von 7—9 °/o Stickstoff, 9—11 Jo Phosphorsäure und 0,3 °lo Kali. Sein Preis schwankt zwischen 7 und 10 Mk. pro 100 kg. Das werthvollste mit dem Kadaververwerthungsapparat gewonnene Produkt ist das Fett. Nur wenig, höchstens 10—12 °/o, Fett bleibt im Thierkörper- mehl zurück, alles andere wird aus den Kadavertheilen ab- geschieden. Seine Bewerthung richtet sich nach der Farbe, ob mehr oder weniger hell oder dunkel, je nachdem folge- weise Schwein, Schaf, Rind oder Pferd die Lieferanten waren. Der Preis schwankt darnach zwischen 28 und 40 Mk. pro 100 kg. Wer sich näher über die ganze Anlage unterrichten will; den verweisen wir auf die von der Actien- gesellschaft für Trebertrocknung hier herausgegebene, durch zahlreiche Abbildungen illustrirte Schrift „Kadaver-Ver- nichtungs- und Verwerthungsapparat, System Hartmann- Trebertrocknung.“ (63 8, Druck von Gebr. Gotthelft, Kassel 1898.) | | Herr Consul Ichon bringt am 14. November 1898 das von dem Amerikaner Prof. Charles Brush in Oleveland ent- deckte „Aetherion‘‘ zur Sprache. In der nächsten Sitzung, am 12. December, bemerkte dazu Herr Hornstein, dass Crookes dies Aetherion für stark verdünnten Wasserdampf halte. Herr Dr. Laubinger berichtete in der Sitzung am 12. Dez. 1898 über einige andine Pflanzen Bolivias. Im November 1898 erhielt derselbe von Herrn Berg-Ingenieur Carl Francke (aus Kassel) acht verschiedene pflanzliche Gebilde zur botanischen Untersuchung. Sie stammten aus Bolivia und wuchsen unter dem 19° S. Br. u. 65—70° W. Länge bei etwa 5300 m Höhe auf Felsen. In jener Gegend soll es etwa drei Monate ununterbrochen regnen, während es in der übrigen Zeit, also neun Monate, bei Tage überaus heiß und trocken und des Nachts eisigkalt und zuweilen auch neblig wird. Von besonderem Interesse war eins dieser Gewächse, das von den Bolivianern „Jareta‘ genannt und zu Heizzwecken in größerer Menge verwandt wird. Eine Schmelzhütte — Wismuth-Zinn-Erze verarbeitend — verbraucht davon angeblich täglich 2000 kg (40 Ctr). Dasselbe stellt ein rhizomartiges, auf Felsen sich hinschlängelndes, längeres oder kürzeres, 10-25 Ctm. Länge erreichendes, in einander verschlungenes, scheinbar verklebtes, ziemlich leichtes, brüchiges, vegetatives Wurzel- gebilde dar, aus dem vertikal gerichtete Sprossen von 2 mm Dicke und 1 cm Länge in großer Menge und völlig dichtneben einander, pallisadenartig sich erheben. An ihrer Spitze stehen sternförmige, dachziegelig sich deckende Blättchen von grün- Uebersicht der Vorträge. XX1l gelber Farbe, die jedoch an der Basis fast farblos sind. Dieses vegetative Gebilde nimmt Wasser in großer Menge auf und wird dadurch rasch weich, schwammig, schlüpferig. Höchst eigentümlich ist dies Gebilde dadurch, daß sämmtliche, mit den kleinen Blättern endenden Stämmchen von genau ein und derselben Höhe sind und wie abgeschnitten erscheinen. Ihre Form und Höhe hat viel Aehnlichkeit mit gewissen Sedum-Arten. Die mit vielen schmalen Ringen — auf 1 cm Länge entfallen 30—35 — versehenen Rhizome und Sprossen, haben eine hellkaffeebraune, etwas glänzende und wenig schuppenförmige Rinde von 0,2 mm Dicke. Jede Stengel- sprosse zeigt an ihrem oberen Ende 20—25 sternförmig gestellte, etwas gespreizte, zurückgebogene, wenig hohle, sitzende Blättchen, deren Wachstum von außen nach innen sich zu erstrecken scheint, indem die äußern Blättchen größer sind, als die inneren. Ihre Länge beträgt 1,3—2 mm, ihre Breite, an der Basis, 1 mm, in der Mitte 0,7—0,8 mm und verlaufen, wenig verschmälert, zungenförmig, sind ganzrandig mit abgerundeten, abgeflachten Spitzchen. Die Blattfläche ist ziemlich dick, undurchsichtig und besteht aus mehreren Schichten prosenchymatischer, zum teil geschlängelter, kürzerer oder längerer, Chlorophyll führender Zellen. Der Blattrand besteht aus einem schmalen, dünnen, durch vier Zellreihen gebildeten Bande durchscheinender wasserhellen prosenchy- matischer Zellen. Jedes Blättchen besitzt eine kräftige, un- verzweigte, derbe Rippe von der Basis bis zur Spitze, deren prosenchymatische Zellen lang gestreckt sind. Blattfläche und Rand sind mit zahlreichen phaneroporen Spaltöffnungen ver- sehen. Glanz besitzen die Blättchen nicht, doch treten zwischen ihnen glänzende, spröde, gelbliche Harzkügelchen von 0,6 mm Durchmesser an bis größere hervor — Ausschwitzungen — die dem Pflänzchen einen balsamischen Geruch verleihen. Das mikroskopische Bild eines Querschnitts vom Rhizom, zeigt in seiner Mitte einen scharf dreiseitigen Holzkern, von dem aus ein aus vielen lockeren, spongiösen weißlichen, strahlig gestellten Blättchen bestehendes, nach der Peripherie zu sich keulig verdickendes Gewebe ausgeht, das zum Teil mit der braunen Rinde verwachsen ist. Innerhalb des keulig verdickten blättrigen Mark-Gewebes, zeigen sich je 1—2 runde Oeffnungen, deren Durchmesser 0,1—0,06 mm beträgt. Zwischen diesen spongiösen Lamellen befinden sich ‚außerdem mehrere unregelmäßig aussehende, wahrscheinlich aus zusammengetrocknetem Mark entstandene leere Räume. Leider erhielt derselbe dieses Pflanzengebilde ohne Blüten, hofft jedoch, durch die Güte des Herrn Berg-Ingenieur Francke, XX1 Uebersicht der Vorträge. demnächst solche zu bekommen, um jene sehr freundlichen Angaben des Custos im Königl. botan. Garten zu Berlin, des Herrn P. Hennings, welchen Herrn der Berichterstatter um die Angabe des Namens dieses Gewächses bat und der sie mit Azorella aretioides W. (Bolas), eine Umbellifere, bezeich- nete, bestätigt zu sehen. _ | Die übrigen andinen Pflanzen konnten auch nur z. T. mit Sicherheit bestimmt werden, weil bei mehreren die Blüten fehlten. Es erwies sich No. 2 als Senecio medicinalis, No. 3 als eine Sisym- brium-Art (ohne Blüten), No. 4 als eine Calycera-Art (ohne Blüten), No. 5 als Sısymbrium canum, No. 6 als eine Oxalıs- Art (ohne Blüten), No. 7 als eine Graminee (Briza nahestehend), als eine Calotheca-Art und No. 8 als eine Cerastium-Art (ohne Blüte). al, je Es steht in Aussicht, daß im nächster Zeit weitere bolivianische Pflanzen in guten Exemplaren hier eintreffen, und zu dem Umstande verwandt werden sollen, um festzu- stellen, ob in gleichen Höhen Bolivias zu unsern Alpen ähnliche oder dieselben Pflansen vorkommen. | Derselbe legte am Schluss seines Vortrags vom 12. December 1898 über die in der Umgegend von Kassel vorkommenden Gräser und ÜCyperaceen (siehe vorn unter Abhandlungen) eine Reihe in den Jahren 1897 und 1898 anderwärts gesammelter Spezies dieser beiden Familien vor, die in unserer Provinz nicht vorkommen, nämlich: 1). Scorpus Triqueter L. von der Insel Wilhelmsburg bei Hamburg. 2) Eriophorum alpinum L. Winterhuder Moor bei Hamburg. 3) Carex arenaria L. aus der Lüneburger Heide. 4) C. virens Lam., südl. Westfalen und Gegend um Brilon. 5) ©. praecox Schreb. bei Darmstadt in sandigem Boden. - 6) ©. axıllaris Good. bei Ludwigslust in Mecklenburg auf sumpfigen Wiesen. 7) O. rigida Good. auf torfigem Plateau des Brocken und auf der Kuppe des Fichtelbergs (1215 m) im Erzgebirge. 8) C. nigra All. unterhalb des Surenenpasses bei Engelberg in der Schweiz. 9) CO. supina Wahlb. an sonnigen Hügeln bei Giessen, Hangelstein, Schiffenberg. 10) ©. alba, Scop. bei Ulm in Wäldern der Juraformation. 11) ©. sparsiflora Steud. s. ©. vaginata Tsch. auf quelligem Gebiete des Brocken. 12) ©. maxima Scop. s. (. pendula Huds. vom Deister bei Hannover, Wennigsen-Barsinghausen. 13) ©. sire- gosa Huds. ebenda. 14) O. ferruginea L. vom Gamskarnkogel bei Wildbad-Gastein in 2150 m Höhe. 15) ©. fikformis L. aus feuchten Wiesen . des Kanzlergrundes bei Oberhof in Thüringen. Uebersicht der Vorträge. XXI Derselbe sprach in der Sitzung vom 9. Januar 1899 über die in der näheren und ferneren Umgebung von Kassel vorkommenden Laubmoose. Er gab zunächst eine allgemeine Beschreibung der Moose in anatomischer Beziehung, sprach dann über ihre Verbreitung, ihr Alter und Nutzen, über das beim Einsammeln und Bestimmen zu be- obachtende Verfahren, unter Vorlage der zu diesem Zweck an- gefertigten mikroskopischen Präparate Die Anführung der über 100 vorgelegten Arten siehe man vorn unter den Abhand- lungen. Herr Schelenz sprach am 13. Juni über den Maulbeer- baum und eine neue Gespinstfaser aus dessen Rinde. Herr Dr. med. Ludwig Weber zeigte am 8. August als Vorläufer zu seinem Vortrag über die Höhlenthierfauna (siehe vorn unter den Abhandlungen) vier Käfer (Cypreniden)- Arten vor, von denen als Höhlenbewohner fälschlich behauptet wird, sie wären augenlos: Chondrosioma phoxinus, Aulopyg- Hygelüi. Phoxinellus alepidotus und Paraphoxinus Gelhaldi. Derselbe demonstrirte in der Sitzung vom 12. Sep- tember den Balg einer Blindmaus (Spalax iyphlus), deren verkümmerte, mohnkorngrosse Augen vollständig von der Haut bedeckt sind. Die Heimat dieses Tieres, das unter- irdische Gänge, flacher und breiter als der Maulwurf anlegt, ist Ungarn und Südrussland, wie auch das westliche Asien. Derselbe hielt am 14. November 1898 einen Vor- trag über die europäische Höhlenthierfauna unserer Zeit, besonders Oesterreich- Ungarns. Der Vortrag bildet Nr. 1 der vorgedruckten Abhandlungen. Derselbe legte in der Sitzung vom 13. Februar 1899 unter Betonung der Wichtigkeit des Studiums der Ent- wickelungszustände für die natürliche Systematik ca. 200 einheimische und ausländische Käferarten als Ei, Larve . und Puppe vor, darunter einige bisher in der Litteratur noch nicht bekannte. Herr Joh. Weber warf in der Junisitzung die Frage auf, ob sich Taxus baccata jetzt noch durch Samen fort- pflanze. In der nächsten Sitzung berichtet er, dass er auf eine dieserhalb an die Redaktion der Zeitschrift „Prometheus“ gerichtete Anfrage die Antwort erhalten habe, es seien Säm- linge unfern des elternlichen Strauches gefunden worden, doch sei es unbekannt, wer die Samen übertragen habe. XXIV Uebersicht der Vorträge. Derselbe berichtet in der Sitzung vom 10. October über die vonDr. HansGoldschmidt in Essen entdekte neue Verwendung des Aluminiums zur Reduction der Metalloxyde, also zur Darstellung reiner Metalle. Ein entsprechendes Experiment führte er vor. a x « + : 2 ‚ ® Bar, ® u. 2 % ” R van Kassel 1900. Fo EN Vereins. v [r- x ee N Abhandlungen und Bericht ALV des Vereins für Naturkunde zu Kassel das 64. Vereinsjahr 1899-1900. Unter Mitwirkung des Vereinsvorstandes herausgegeben Dr. med. L. Weber. Kassel 1900. Verlag des Vereins. Druck von Weber & Weidemeyer. SE u {ep} © Inhalt. Abhandlungen und Vorträge. Ackermann, K., Dr. Theodor Ebert, Selbstbiographie Rost, Ad., Robert Bunsen . Me Pe Zeiske, 1. Die Pflanzenformationen in Hessen und Nassau . i Möhring, Paul, Beer nn en Stand are ee strahlen Wohle Er, Pyrit . Weber, L., Insekten als Schmarotzer und Krankheits- erreger bezw. Verbreiter bei Menschen und höheren Thieren . Bericht über Stand und Gang des Vereinslebens, die Mit- glieder, den litterarischen Verkehr, Nekrologe etc... . 1-XXIIlI — a — Dr. Theodor Ebert, Königl. Landesgeologe und Professor an der Bergakademie zu Berlin. (Selbstbiographie.) * 6. Mai 1857 zu Kassel, 7 1. September 1899 zu Gr.-Lichtertelde. Anfangs October 1898 sandte mir Ebert zu der damals von mir in Aussicht genommenen Fortsetzung der „Strieder’schen Grundlage zu einer hessischen Gelehrtengeschichte“ auf mein Er- suchen die nachfolgende Selbstbiographie. Ob und wann dieser Striederus redivivus in’s Leben treten wird, lässt sich nicht sagen, und so veröffentlichen wir denn, wie in unserm 42. und 44. Bericht (1897 und 1899) die ausführlichen Lebensbilder von Prof. Dr. H. F. Kessler und Hofrath Prof. Dr. C. Claus, zum grössten Theil von den Dahingeschiedenen selbst verfasst, in dem vorliegenden diesjährigen Vereinsbericht die Selbstbiographie unseres jungen Freundes, dessen am 1, September v. J. in seinem Heim zu Gross- Lichterfelde bei Berlin in dem blühenden Alter von 43 Jahren er- folgter Tod uns alle so schmerzlich überrascht hat. Unserm Verein gehörte Ebert seit dem 11. Februar 1884 an. Kassel, Januar 1900. Dr. Ackermann. Äm 6. Mai 1857 wurde ich in Kassel in der Unter- neustadt in Pfarrhause geboren. Mein Vater war Pfarrer an der Unterneustädter Kirche und später Konsistorial- rath. Seine Selbstbiographie bis zum Jahre 1867 *) befindet sich in Strieder's hess. Gelehrtengesch., Bd. 21 (1868) S. 26-40. Die Unterneustadt war damals noch klein, ausser dem Holzmarkt waren nur wenige Strassen vorhanden mit meist alten Häusern und wurde „das Dörfchen“ genannt. Am Kirchplatz war ein Gefängniss, und nur an der Kaufunger Chaussee noch einige Häuser, während alle anderen Wege ausserhalb der Stadtmauer, die damals er Er ist gestorben am 17. Februar 1888. a Sa noch vorhanden war, zwischen Gärten und durch Wiesen führten. Dadurch kam es, dass wir Knaben uns eng aneinanderschlossen und täglich spielten und Ausflüge machten. Mit Stolz beobachteten wir die kurhessische Armee, wenn sie von der Fuldabrücke über den Holzmarkt nach dem Forst zog, und wir haben oft an der Eiche auf dem Forst den Uebungen der Soldaten zugesehen. In jedem Frühjahr nach der Schneeschmelze erlebten wir die Ueberschwemmung durch die Fulda, da der Damm am Dielenhaus noch nicht vorhanden war. Damals wurde auch regelmässig die Rindviehherde hinausgetrieben, und das lange Tuthorn des Hirten tönte frühmorgens. 1866 brachte uns den Einzug der preussischen Main- armee. Es wurde auf dem Holzplatz Halt gemacht, alle lagerten sich und dann ging es in die Quartiere. In unser Haus kam eine militärische Schusterwerkstatt. Ich besuchte zunächst die Siebertsche Privatschule am Karlsplatz und trat im Alter von neun Jahren ins Gymnasium ein. Mein Maturitätsexamen machte ich Östern 1878 und zwar als Externer, da ich aus Gesund- heitsrücksichten das letzte Halbjahr am Unterricht nicht Theil genommen, in Wilhelmshöhe im Pensionshaus wohnte und von dort aus täglich Ausflüge in den Habichtswald ausführte. In dieser Zeit betrieb ich auch Studien in der Kunst- akademie bei Herrn Professor Stiegel, erst in Kreide- zeichnungen, dann im Aquarell-Malen. Diese Thätigkeit an der Kunstakademie war der Grund, dass ich mit den Prinzen Wilhelm und Heinrich in näheren Verkehr kam. Mit Prinz Wilhelm war ich schon im Gymnasium bekannt geworden, auch bevorzugte er mich bei dem Schlittschuh- laufen auf dem Bassin in der Aue. Beide Prinzen erhielten in der Kunstakademie Unterricht im Kreidezeichnen nach Gyps unter Professor Stiegels Leitung. Ausser mir nahm an diesen zweistündigen Uebungen am Mittwoch Abend, noch ein Schulkamerad theil, der auch schon länger an der Kunstakademie gearbeitet hatte und der Sohn eines anderen 1 | - a Professors an der Akademie war. Auffallend war es, dass Prinz Wilhelm schon damals Interesse für die Marine zeigte. Er brachte nämlich öfter Seeskizzen mit, die Kriegsschiffe in verschiedenen Stellungen zeigten, und gab dieselben Professor Stiegel zur Besichtigung und Kritik. Prinz Wilhelm hat mir sein Wohlwollen ın Berlin erhalten, auch nachdem er Kaiser geworden. Wenn er mir im Wagen begegnete, winkte er mir freundlich mit der Hand zu, liess oft den Wagen halten, schüttelte mir kräftig die Hand und fragte zuweilen nach der geologischen Erklärung von auffallenden Naturerscheinungen z. B. dem Wasser- einbruch bei Brüx, dann kam er öfter auf seine Sommer- aufenthalte in Kassel und Wilhelmshöhe zu sprechen. Die Entwicklung meiner Auffassungsfähigkeit war während der Schulzeit sehr begünstigt und hat Einfluss auf mein ganzes Leben ausgeübt. Durch die vielen Spaziergänge in die Umgebung der Stadt und den Unter- richt in Naturkunde vervollkommnete ich meine Kenntniss der Pflanzen und Thiere. Auch Gesteine, Mineralien und Versteinerungen habe ich gesammelt und bestimmen gelernt. Die Anregung hierzu verdanke ich meinem Gross- vater, dem Geheimen Bergrath Schwedes”). Derselbe war von Haus aus Bergmann gewesen, hatte später die kur- hessischen Bergwerke unter sich und besass eine sehr werthvolle Mineraliensammlung. Mit ihm, sowie Dr. Horn- stein habe ich häufige geologische Ausflüge gemacht. Dann erhielt ich durch meinen Grossvater eingehende Mittheilungen über die politischen Verhältnisse Kurhessens in den dreissiger und vierziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts, wo er als kurhessischer Bevollmächtigter an den Verhandlungen betreffend den Zollverein in Berlin thätig war. Ueberhaupt wirkte die Unterhaltung mit ihm *) Vergl. Theodor Schwedes. Leben und Wirken eines Kurhessischen Staatsmannes von 1788—1882. Dargestellt von Auguste Schw. (70jähr. Tochter des Geh. Raths Schw., Tante von Th. Ebert.) 400 S. Wiesbaden, Bergmann. 1899. — Schw. war unser Ehrenmitglied seit 4. Februar 1842. Ar NEN immer anregend. Andererseits verdanke ich in derselben Richtung auch meinem Onkel, dem Landesbibliothekar Dr. Schubart (siehe Strieder - Gerland Band 21, 1868) einen werthvollen Einfluss. Jede Woche brachte ich einen Abend bei Onkel und Tante zu. Dann wurde zunächst Schach gespielt, wodurch ich dieses Spiel gründ- lich lernte. Nach dem Abendessen setzte er sich in- seinen Lehnstuhl und hielt mir gewissermassen einen Vortrag. Er griff irgend ein Thema aus der Entwick- lungsgeschichte der Griechen und Römer, nahm dabei gewöhnlich einen bedeutenden Mann vor, schilderte dessen Leben und sein Eingreifen in die damaligen Verhältnisse. Da er auch Philosophie getrieben, namentlich Kants Schriften eingehend studirt hatte, so kam es leicht, dass er manches von höheren Gesichtspunkten aus betrachtete. Gerade diese Vorträge haben insofern auf mich gewirkt, dass ich die Welt und was in derselben vorgeht mit ruhigem Blick ansah, mich leichter in die Verhältnisse in meinem weiteren Lebensgang fand und wo ich wirkungs- voll in irgend einer Angelegenheit und zweckmässig that- kräftig einzutreten in der Lage war, dies that. Da ich Anlage zeigte für Ausführung der Musik, erhielt ich zeitig Violinunterricht, und zwar bei einem sehr tüchtigen Lehrer, Herrn Heilemann, Mitglied des Theater- orchesters und Schüler von Spohr. Durch ihn habe ich den festen, ruhigen Strich mit dem Bogen mir angeeignet. Ferner habe ich durch Vermittelung meiner Grosseltern ‚ein vorzügliches Instrument erhalten, das im Besitz des Konzertmeisters Wiele gewesen war, der mit Spohr in den Quartetten spielte. Da dieser schon vor längerer Zeit gestorben war, überliess seine Frau die Violine für einen mässigen Preis den Grosseltern für mich. Unter meinen Freunden waren tüchtige Klavierspieler, namentlich Kroll, und habe ich mit diesen viel gespielt, aber auch mit meiner Schwester Luise. Ferner hatten mehrere Schul- genossen gute Singstimmen; Tenor, Bariton und Bass waren vertreten. Wir bildeten ein Doppelquartett unter A Leitung von Kroll, das in den Familien der Reihe nach Sang. Ursprünglich hatte ich die Absicht, dem Bergfach mich zu widmen, da aber meine Gesundheit es nicht zuliess, das praktische Jahr durchzumachen, beschloss ich, mich zu einem Geologen auszubilden und ging zunächst im Frühjahr 1878 nach der Universität Marburg. Hier fand ich ım Hause des Geh. Bergraths Dunker freund- liche Aufnahme, da er ja durch meinen Grossvater Schwedes zuerst als Lehrer an der Gewerbeschule in Kassel angestellt worden war, und dann ihm die Pro- tessur für Geologie und Mineralogie in Marburg über- tragen wurde. Ebenso waren die Professoren Heinrici (Theologe), Fuchs (Jurist), Stegmann (Mathematiker) and Horstmann (Mediciner) mit meinem Vater be- freundet, so dass ich auch hier angenehmen Familien- verkehr fand. und ebenso bei Landgerichtspräsident Schultheis. bei dem ich schon ın Kassel verkehrt hatte. Durch Vermittelung meiner Tante Auguste Schwedes, die vom Professor Dohrn in seiner Frauenklinik behandelt worden war, wurde ich auch von ihm und seiner Frau freundlich empfangen. Bei grösseren Gesellschaften, in denen getanzt wurde, war ich der Tanzmeister und leitete auch den ‚Ootillon. Als ich bei Professor Stegmann eines Abends in Gesellschaft war, unterbrach er die Unterhaltung und fragte mich, wie es käme, dass ich bei meinem Alter so richtige Beurtheilung mancher Verhältnisse zeigte und so ruhig und treffend in meinen Aeusserungen wäre. Ich erklärte ihm, dass der Verkehr mit Onkel Schubart dies veranlasst habe. Auch bei den anderen Professoren, bei denen ich Vorlesungen belegt hatte, machte ich Besuche. In Folge davon erhielt ich Familienverkehr bei Herrn Professor von Koenen, dem Paläontologen, Professor Rein, dem Geographen, und Professor Greef, dem Zoologen. Gelegentlich einer Gesellschaft wurde ich mit Herrn Landgerichtsrath Dahlmann und Familie bekannt und erhielt die Aufforderung, auch bei ihm zu verkehren. ee Dieser gesellige Verkehr in Marburg war sehr nett.. Es wurde viel musicirt, Theater gespielt, d.h. lustige Stücke. Oft verkehrte ich auch in der Familie des Professors Kramer, des Direktors der Irrenheilanstalt. Mit seinem Assistenten (jetzigen Nachfolger) Dr. Tuczek hatte ich Freundschaft geschlossen. Auf seine Veranlassung habe ich einmal in einer musikalischen Aufführung, welche für: . die in der Heilung schon fortgeschrittenen Kranken ge- geben wurde, mit meiner Violine mitgewirkt. Als eh bemerkte, wie viel tüchtige musikalische Kräfte in Marburg ro den waren, aber durch mangelnden Zusammenhalt nicht zur Geltung kamen, setzte ich mich mit einflussreichen Herren, auch aus dem. Bürgerstand. in Verbindung und bewirkte die Gründung eines Musik- vereins. Es fand jede Woche an einem Tage Abends eine öffentliche Aufführung statt, in der Gesang, Klavier-, Violin- und Üello-Vorträge ausgeführt wurden, aber auch TFrios und Quartette.e. Es war auch ein Dilettanten- Orchester vorhanden, welches jedoch nicht viel leistete, da der damalige Musikdirektor nicht energisch genug war. Wir waren daher froh, als er abging, und an seine Stelle der tüchtige Freiberg aus Karlsruhe trat. Der brachte nicht nur das Orchester, sondern auch den Ge- sangverein in kurzer Zeit zu guten Leistungen. In Folge dessen konnten Öoncerte mit berühmten Sängern und Sängerinnen, auch Instrumentkünstlern gegeben werden. Bei meinem Besuch der Vorlesungen berücksichtigte ich neben den geologischen, mineralogischen, paläonto- logischen auch Zoologie, Botanik, Chemie, Physik, Mathe- matik und Philosophie. Besonders wichtig und einflussreich für meine Ausbildung waren die geologischen Exkursionen. mit Herrn von Koenen, die sich nicht auf die Umgebung von Marburg beschränkten, sondern auch in’s oberhessische Hinterland, in das Lahngebiet im Nassauischen, in die Gegend von Frankenberg, Wildungen, Kellerwald, Waldeck: und die Devonischen Eisenstein- und Culm-Aufschlüsse im südlichen Westfalen sich erstreckten. Zu seinen geo- a4. u es logischen Aufnahmen in der Rhön für die Geologische Landesanstalt in Berlin hat er mich auch einmal mit- genommen. 2 Was meinen Verkehr mit Seadenten betrifft, so war von den Kasseler Schulgenossen Funck und Wagner (Juristen) und Siebert (Mediciner) hier. Mein Bekannten- kreis erweiterte sich dadurch, dass ich ın der Lahnlust za Mittag ass und dort zwei Mediciner aus Frankfurt.a. Mi kennen lernte, Koerner und Guttenplan, mit denen ich bald in netten Verkehr kam. Damals ahnte ich nicht, dass Koerner mein Schwager werden würde und einer der bedeutendsten Ohren- und Halsärzte in Deutschland. Bald schlossen sich uns noch mehrere Naturwissenschaftler und Mediciner an, und in Folge dessen gründeten wir den Naturwissenschaftlich-Medicinischen Verein. Einmal in der Woche wurde in unserem in einem Restaurant gemietheten Vereinslokal eine Biersitzung abgehalten, in der zunächst ein wissenschaftlicher Vortrag gehalten wurde, dann folgten Referateund auch ein Fragekasten funktionirte. Unsere Professoren nahmen auch theil. Nach Schluss der wissenschaftlichen Sitzung kam die Fidelität zu ihrem Recht. Wir standen im Kartell mit dem theologischen, juristischen und philologischen Verein und aus je drei Mitgliedern. jedes Vereins wurde eine Kommission ger wählt, welche die gemeinsamen Interessen vertrat. Im nahen Kirchhain mangelte es an Herren, und da wurde ich mit meinem Freund Siebert durch den Pfarrer Stengel eingeführt, und wir haben auch dort Theater De pieli, Mein drittes und viertes Seinester habe ich in Heidel- berg zugebracht. Bei Professor Rosenbusch machte ich petrographische Studien, bei Geh. Rath Exc. Bunsen solche in chemischer Analyse und bei Professor Knop in Mineralogie. Dort war ein akademisches Orchester und ein akademischer Gesangverein. In beiden habe ich mit- gewirkt. Da ich in Heidelberg keine Gelegenheit hatte, in Familienverkehr zu kommen, liess ich mich in einem Be bürgerlichen Männergesangverein aufnehmen. Jede Woche war ein Gesangsabend mit fideler Nachsitzung. Oefter wurden Ausflüge am Sonntag in’s Neckarthal gemacht- und Gönner des Vereins besucht. Auch die Kartell- vereine. Karlsruhe und Mannheim kamen oft herüber. Auch die anderen bei Rosenbusch arbeitenden Herren Collegen und sein. Assistent Mügge, mit dem ich be- freundet war, trafen uns Abends in Ikrath’s Garten- wirthschaft am rechten Ufer des Neckar gegenüber dem Schloss. Es sass sich dort im Schatten der Bäume und mit dem Blick auf den Neckar, das Schloss und einer Theil Heidelberg’s sehr angenehm. Auch einige Geschäfts- besitzer hatten sich uns angeschlossen, von denen einer das Piston vorzüglich bliess. Er setzte sich dann in die Laube oben im Weinberg, und wir hörten mit Vergnügen ihm zu. Es wurden Sonntags, oft auch Wochentag» Nachmittags - Ausflüge gemacht, theils in der näheren Umgebung der Stadt (Molkenkur, Kaiserstein), theils neckaraufwärts.. Dreimal hatte ich das Vergnügen, die Schlossbeleuchtung zu sehen, wo auch die Neckarbrücke geschmückt und von Lampions erleuchtet war. In Heidel- berg war der Schluss der Bierlokale um 12 Uhr nachts. Dann ging es in die Bäckereien, wo zu gutem Landwein frisch gebackene Zwiebacke gegessen wurden. Dass geo- logische Excursionen nicht versäumt wurden, brauche ich nicht extra zu betonen. Nach meiner Rückkehr nach Marburg setzte ich dort meine Studien fort, um auch das Lehrerexamen zu machen. Nöthig hatte ich es nicht, aber die Herren von Koenen und Rein hielten es für zweckmässig. Ich beabsichtigte, mich in Heidelberg für Geologie und. Paläontologie zu habilitiren, da diese Fächer dort nicht vertreten waren. Die Verhandlungen mit Professor Rosenbusch und dem Professor der Zoologie, der bis dahin die Vorlesung über Paläontologie hielt, nahmen ein gutes Ende. Meine Anstellung sollte erfolgen, jedoch rieth Rosenbusch mir, vorher noch bei Professor Bennecke a in Strassburg zu arbeiten, mit diesem Excursionen in die Schweizer Alpen zu machen; auch war, mir ein Gebiet im Schwarzwald für meine Habilitationsschrift zugewiesen. Da erhielt ich von Herrn Professor von Koenen aus Göttingen, wohin derselbe von Marburg berufen war, die Nachricht, dass an der Kgl. Geologischen Landesanstalt in Berlin eine Hilfsgeologen-Stelle frei sei. Wenn ich mich darum bewerben würde, würde ich dieselbe erhalten. Da die Anstalt erst im Jahre 1877 gegründet und bis jetzt nur wenige Beamte angestellt seien, die Anstalt ferner durch een Werth der geologischen Aufnahmen im Maasstab 1:25000 sich rasch entwickeln würde, so stände mir eine gute Carriere in Aussicht. Natürlich bewarb ich mich um diese Stelle, erhielt sie und habe es nicht bereut. Denn gerade durch die Feststellungen der Grenzen zwischen den geologischen Schichten auf der Karte wird die schnellere Erfassung der J,agerungsverhältnisse erzielt. Ich machte 1881 mein Doctorexamen auf Wunsch von Herrn Professor v. Koenen in Göttingen. Meine Doctor- arbeit behandelte die tertiären Ablagerungen in der Um- gebung von Kassel. Ich brachte den Beweis, dass die Braunkohlenlager theils unteroligocän (Kaufungen, Gross- almerode), theils miocän sind (Meissner, Habichtswald und durch den mitteloligocänen Septarienthon und ober- oligocänen Meeressande getrennt lagern. Die Basalte mit den Tuffen sind erst nach Ablagerung der Kohlen- flötze, Sande und Thone zu Ende der Miocänzeit zu Tage gekommen. Das Lehrerexamen legte ich noch in Marburg ab. Inzwischen hatte ich mich in Kassel mit Margarethe ten Doornkaat Koolman aus Norden (Ostfriesland), die bei Frau Regierungsrath Rothe in Pension war, verlobt. Im Oktober 1884 fand die Hochzeit in Norden statt. Wir wohnten zwei Jahre in Moabit bei Berlin. Dann zogen wir nach Friedenau, wo wir uns eine Villa mit Obstgarten gekauft hatten, und 1894 nach Gross-Lichterfelde in eine selbst gebaute Villa mit grossem Garten. Wir haben ER et zwei Kinder. Mein Sohn Wilhelm ist jetzt (1898) 12 Jahre, meine Tochter Louise 8 Jahre alt. 4 Im Jahre 1883 trat ich meine Stellung an der Geologischen Landesanstalt an und erhielt zur Aufnahme die Blätter Garnsee und Neuenburg an der Weichsel, in dem Gebiet zwischen Marienwerder und Graudenz. Da ich der erste Gebirgsgeologe war, der ins Aufnahmegebiet des Flachlands kam, erkannte ich bald bei meinem Auf- nahmearbeiten, dass die Lagerungsverhältnisse dort in dem zum Pommersch-Preussischen Höhenzuge gehörigen Gebiet vielfach nicht horizontal gelagert, sondern theils nur die oberen Schichten durch den Druck des zurück- weichenden Eises gefaltet sind, theils aber durch den Einfluss der am Ende der Tertiärzeit erfolgten Druck- erscheinungen auf der Erdoberfläche, und sind beı letzteren ausser dem Diluvium auch die tertiären Schichten davon betroffen worden. Der schlagendste Beweis jedoch für die letztere Einwirkung ist, dass das Weichselthal von Fordon bis zur Ostsee eine Grabenversenkung ist, die durch zwei parallel verlaufende Verwürfe in der Richtung SSW-—-NNO entstanden sind. Sobald ich bei Neuenburg, das hoch über der Weichsel am Steilufer liegt, sah wie gerade" die Ufer nach N ziehen und dass das Weichselthal 5/, Meilen breit ist, erkannte ich die Ursache Die Weichsel fliesst aus Galizien, durch Russland, und ın Westpreussen von Thorn bis Fordon stets in Wellen- linien, und nach dem Lauf von Thorn nach Fordon ist anzunehmen, dass dieselbe durch das heutige Wartethal weiter geflossen ist. Dabei fiel mir ein, dass die Oder von Frohse nach N. ebenfalls in einer Grabenversenkung fliesst. Die Aufnahmearbeiten haben inzwischen die Richtigkeit meiner Annahme bewiesen. Es ist festgestellt worden, dass die Weichsel durch das Wartethal und über Eberswalde in das Havelthal geflossen ist, die Oder durch das heutige Spreethal, beide sich nach Westen vereinigt haben und in das untere Elbthal eingemündet, also nach der Nordsee geflossen sind. Nördlich von a 2 a ee ae Neuenburg kann man mehrere Aufbiegungen der oberen diluvialen Schichten beobachten. Der Director der geologischen Landesanstalt, Herr Geheime Öberbergrath Dr Hauchecorne*), übertrug mir im Jahre 1885 die Leitung unserer grossen und werth- vollen Sammlung, da er mein Interesse für dieselbe beobachtet hatte. Ich habe dann auch für eine zweck- mässige und schöne Aufstellung der Versteinerungen gesorgt. In 12 Sälen ist unsere Sammlung aufgestellt. Der Zweck unserer Sammlung ist, ein Bild der einzelnen Gebiete von Preussen und den Thüringischen Staaten zu ‚geben in Hinsicht auf das Vorkommen der geologischen Formationen und ihrer Abtheilungen. Dieselbe ist so aufgestellt, dass das Gebiet des Thüringer Waldes, des Harzes und des Rheinischen Schiefergebirges, welche insel- förmig aus den jüngeren Schichtablagerungen hervor- treten, in aneinander schliessenden Sälen aufgestellt sind und die Formationen von der ältesten bis zur Zechstein- formation aufweisen. Von der Triasformation an zeigt die Sammluug die jüngeren Formationen in der Alters- folge und innerhalb jeder derselben nach Gegenden, | Während ich von 1883-85 wie die anderen Collegen 5—6 Monate Aufnahmen gemacht hatte, habe ich die- ‚selben von 1886 nur in den Monaten August, September und October ausgeführt, da mein Chef es für richtiger hielt, dass ich als Verwalter der Sammlung im Sommer dablieb, um dieselbe event. einheimischen oder auswärtigen Geologen zu zeigen und auch die Correspondenz bezüglich derselben zu übernehmen. Ich habe von 1886-1894 das Gebiet, welches durch Verbindungslinien vom Göttinger Wald, Duderstadt, Osterode und Northeim umfasst wird, aufgenommen. 1895 erhielt ich zur Aufnahme das Blatt Osterwieck nördlich vom Harz (Wernigerode). In diesem Jahre habe ich Blatt Vienenburg aufgenommen. *) Er ist, während diese Zeilen gedruckt wurden, am 16. Jan. 1900 gestorben. Geboren war H. am 13. Aug. 1828 zu Aachen. Auch in den nächsten Jahren werde ich am nördlichen Vorland des Harzes kartiren. | Im Jahre 1887 wurde ich Bezirksgeologe, im Jahre 1893 Landesgeologe und 1895 Professor. Den letzteren Titel erhielt ich, da ich seit 1886 an der Bergakademie, die mit unserer Anstalt verbunden ist, Vorlesungen über Paläontologie, sowie Uebungen mit den Studirenden an Versteinerungen abhielt. Eine interessante Aufgabe fiel mir Ende der 80er Jahre zu, nämlich die Untersuchung der Diamant-Tief- bohrungen auf Steinkohlen im oberschlesischen Stein- kohlenbecken. Durch diese Bohrmethode werden 2 Meter lange feste Bohrkerne zu Tage gefördert, auf denen die Teufe verzeichnet wird. Dadurch ist man in der Lage, die Kerne zu zerklopfen und aus den Versteinerungen ein Urtheil abzugeben, in welcher Abtheilung des Kohlen- gebirges man sich befindet. Wenn mehrere Bohrungen fertig waren, wurde durch das Ministerium unsere Direction benachrichtigt. Dann reiste ich mit meinem Collegen Dr. Potonie (Botaniker) nach Oberschlesien, um die Untersuchungen auszuführen. Die gewonnenen Kernstücke mit Versteinerungen wurden mit Teufen- angaben versehen und gleich in Kisten verpackt und nach Berlin gesandt. Nach Fertigstellung sämmtlicher Bohrungen wurde ein Besuch beim Director der fiskalischen Gruben in Zabrze gemacht, ihm Bericht erstattet und die Lage der in Aussicht genommenen Bohrungen festgestellt. Nach der Rückkehr nach Berlin verfasste ich einen Bericht an unsere Direction, von dem eine Abschrift an den Minister und eine an das Oberbergamt in Breslau gesandt wurde. Die Untersuchung der Bohrungen der Privatunternehmer fielen uns auch zu, nachdem sie den Vortheil unserer (Gutachten erkannt hatten. Die Ergebnisse der fiskalischen und privaten Bohrungen mussten wir geheim halten: wegen der Uoncurrenz. | RR . Durch unsere Untersuchung der Bohrkerne mehrerer 100 Bohrungen und zugleich einer Anzahl Aufschlüsse im. Er = Grubengebiet gelang es uns nicht nur, die Lagerungs- verhältnisse und Gliederung der Schichten der Steinkohlen- formation festzustellen, sondern es wurden auch Beob- achtungen gemacht, welche Aufklärung brachten über bislang strittige Verhältnisse bezüglich der Entstehung der Kohlenflötze und bezüglich der marinen Fauna in der unteren Abtheilung der Steinkohlenformation. Diese gliedert sich in 3 Abtheilungen. Die untere Abtheilung Rybniker Schichten, wird charakterisirt durch die Festig- keit der Gesteine. Auch die Schiefer sind sandig. Sodann ist nur in dieser Abtheilung marine Fauna in mehreren Horizonten entwickelt. Es gelang mir ferner, Strand- bildungen nachzuweisen und darin Vertreter der Gattungen Zingela und Discina, die auch heute noch in Ebbe und Fluth leben. Dieselben liegen zu Tausenden zasammen und meist mit Pflanzenresten. Anthracomya und Modiola, brackische und Süsswasserformen finden sich durch die ganze Formation. Der ganze Charakter der Flora ist ein abgeschlossener, aber einige Pflanzen sind auf diese Abtheilung beschränkt, also Leitfossilien. Die Steinkohlenflötze sind backfähig. Die mittlere Abtheilung der Steinkohlenformation ist die „Gruppe der mächtigeu Flötze“ Es sind hier nur wenige, aber mächtige Flötze vorhanden und in dieser Gruppe ist der Bergbau seit langer Zeit betrieben. Die Mittel der Flötze sind sandige Schiefer und Sandsteine. Dieselben enthalten eine Mischflora, nämlich einige für die Rybniker Schichten charakteristischen Pflanzen und mehrere Formen der Flora der oberen Abtheilung, der ÖOrzescher Schichten. Die Flötze sind backfähig. Sehr interessant ist es, dass an der Grenze der mittleren und oberen Abtheilung eine starke Störung des obersten Flötzes und Ablagerungen mächtiger Conglomerate darüber durch Grubenbau fest- gestellt sind. Darnach muss aus östlicher Richtung ein mächtiger Strom in das Becken geflossen sein und zwar in deltaförmiger Gliederung. Er hat das oberste Flötz an mehreren Stellen entfernt und Schottermassen darin a en. abgelagert. Die obere Abtheilung zeigt, offenbar in Folge der Umwälzungen, die ihr vorausgingen, ganz anders geartete Schichtenbildungen. Die Sandsteine sind ‘nicht mehr so fest, öfter auch schiefrig, und die Schiefer - sind meist reine Schiekssflione Die Flötze sind nicht backfähig, sondern als Brennkohle zu verwenden. Ich komme nun auf die Lagerungsverhältnisse. Durch die Bohrungen und Grubenaufschlüsse im öster- reichischen Gebiet konnte ich feststellen, dass ein 1600 m Verschiebung der Schichten verursachender Verwurf von Orlau in Oesterreich, dem südlichen Theil des Beckens, über Jastrzemb, Rybnik, Gleiwitz bis zur russischen Grenze sich hinzieht, meist im Streichen von SSW--NNO, also ın der Zeit der Entstehung der Faltengebirge entstanden ıst. Der Verwurf ist die Folge einer Aufsattelung im genannten Streichen und des dabei entstehenden Längs- bruches. Der westliche Theil des Sattels, Schichten der unteren Abtheilung, blieb stehen, während der östliche einsank, so dass hohe Schichten mit den tieferen neben einander lagern. Zur Berechnung der Grösse der Ver- schiebung hat die 2003 m tiefe Bohrung Paruschowitz V die Grundlage gegeben. Durch die Bohrungen und neueren Grubanan ist von Potonie sa worden, dass die Kohlenflötze an Ort und Stelle entstanden sind, und dass in ver- schiedenen Gruben der preussischen Bergwerksbezirke noch unterirdische Wälder sich erhalten haben und zwar so, dass die Wurzeln unter dem Flötz lagern und die Stammstücke in das Flötz hineinragen. Ein in Stücken von Osnabrück nach Berlin beförderter Stammrest mit Wurzeln wurde durch Potonie in unserem Lichthof aufgestellt und brachte den Beweis für Potonie’s Vermuthung, dass die Stüg- marien die Wurzeln der Sögillarien sind, nach späteren Beobachtungen auch der Zepidodendren. In den Bohrungen lag stets die 5—6 m mächtige -Stigmarienschicht unter dem Flötz. Zur selben Zeit konnte Potoni6e in einem Tagebau einer Braunkohlengrube dasselbe Bild beobachten, Hier sind es 2 Palmenwälder, bei welchen die Wurzeln im Sand, die Stammreste aufrecht im Flötz erhalten sind. Es ist Potonie auch gelungen, den Nachweis zu bringen. wie die Entstehung der Schichtenfolge der unteren Ab- theilung erfolgt ist. An der Küste von Kanada sind grössere flache Küstengebiete gegen das Meer durch ver- hältnissmässig” hohe Landwälle begrenzt. Man nennt diese Gebiete Swamps. Die Vegetation auf diesen mit hohem Grundwasserstand versehenen humosen Flächen und in der feuchten, frischen Seeluft ist eine üppige. Bei Hochfluth werden nun häufig die Seethiere mit ihren Schalen über diese Wälle geworfen, also befinden sie sich in secundärer Lage. Da die Baumstämme durch Alter oder Stürme an Ort und Stelle sich anhäufen am Boden und unter den durch einmündende Flüsse und durch die Fluth abgesetzten Sand- und Thonablagerungen von der Luft abgeschlossen werden, so verkohlen sie und bilden Flötze. Bei den Flötzen der beiden oberen Abtheilungen des oberschlesischen Kohlengebirges handelt es sich offenbar um Vegetationsgebiete an den Ufern von Süsswasserseen. Die zwischen den Flötzen lagernden Sedimentgesteine sind in Folge von Senkungen und Hebungen des Uferrandes entstanden, da ja heute noch solche Senkungen und Hebungen an verschiedenen Süsswasser- seen z. B. in der Schweiz und auch an der Ostsee er- folgen. Als die koloniale Bewegung in Deutschland in Gang kam, habe ich mich 1885 in die von Dr. Peters gegrün- dete Gesellschaft für deutsche Kolonisation aufnehmen lassen. Ich wurde bald Vorsitzender der Abtheilung Berlin und in Folge dessen auch Mitglied des Vorstandes der Gesellschaft. Mit mir traten in den letzteren Geh. Rath Sachse, damals Abtheilungsdirector im Reichspost- amt, und der jetzige Unterstaatssekretär Bitter, damals vortragender Rath im Ministerium. Mit diesen setzte ich mich im Jahre 1887 mit Dr. Hammacher und anderen Herren des Vorstandes des Kolonialvereins in Verbindung a behufs Verschmelzung der beiden Vereinigungen. Diese Unterhandlungen hatten den Erfolg, dass im Jahre 1888 die „Deutsche Kolonial-Gesellschaft“ gegründet wurde. Präsident wurde Fürst Hohenlohe-Langenburg, der schon den Kolonialverein geleitet hatte; dann wurden 4 Vizepräsidenten und ein Ausschuss gewählt In der (reneralversammlung, die einmal mit einer Vorstands- sitzung im Jahre zusammen tagt, wurde der Vorstand gewählt, der jährlich vier Mal sich versammelt, Ich blieb zunächst noch Abtheilungsvorsitzender, obwohl ich Aus= schussmitglied war, und habe in der damaligen erregbaren Zeit den Wissmann-Oommers und die Protestversammlung gegen die Engländer präsidirt. Als aber der Ausschuss bei verschiedenen Angelegenheiten mit dem Auswärtigen Amt in Verbindung trat und der Gang der Verhand- lungen geheim bleiben musste, legte ich den Vorsitz in der Abtheilung nieder. Als Fürst Hohenlohe zum Gou- verneur von Elsass-Lothringen berufen wurde, trat an seine Stelle Herzog Albrecht von Mecklenburg. Dieser war in der Lage, fast allen Ausschusssitzungen beizuwohnen und sie zu leiten. Dies war insofern eine wesentliehe Verbesserung, da Fürst Hohenlohe meist in Langenburg war und nur zu den Vorstandssitzungen kam oder wenn er bei Hofe zu Besuch war. Schon der Kolonialverein hatte für die Auswanderungs-Angelegen- heiten gewirkt. Die Kolonial - Gesellschaft nahm mit erneuten Kräften die Auswanderungsfrage in Angriff und auf Anregung des Ausschusses beschloss der Vorstand im Anschluss an unser Bureau und unter Leitung des Sekre- tärs ein Auskunftsbureau für Auswanderer einzurichten, da bislang die Auswanderung durch gewissenlose Agenten befördert wurde. Da in Berlin und den Vororten mehrere Herren, die längere Zeit in Südamerika in deutschen Siedelungen gelebt hatten, wohnten, auch Korrespondenz mit Mitgliedern unserer Gesellschaft dort vorlag, so war der Sekretär in der Lage, für jedes Auswanderungsgebiet gedruckte Heftechen mit den genauen Angaben über die NIT = einschlagenden Verhältnisse vorzulegen und in der Unter- haltung den Auswandernden auch bezüglich der Reise Alles klar zu machen. Als das die Auswanderung hin- dernde Gesetz aufgehoben wurde und ein neues Aus- wanderungsgesetz in Aussicht stand, sind Eingaben an den Reichskanzler, von unserem Präsidenten unterzeichnet, eingereicht worden, worin neben anderen Wünschen befür- wortet wurde, die Auswanderung nach Südamerika zu lenken, und in Brasilien drei Konsuln und Kommissare anzustellen, ferner ein Auswanderungsbureau zu errichten, das unter Aufsicht des Kolonialamtes oder der Kolonial- gesellschaft stehen sollte. Da im neuen (Gesetz gerade die Bestimmungen für die Auswanderungsagenten sehr mangelhaft waren, hat unser Präsident persönlich mit einflussreichen Mitgliedern des Auswärtigen Amtes Rück- sprache genommen, und wird nun auch in Zukunft in unserem Bureau Auskunft ertheilt und über wichtige Berichte der Konsuln vom Kolonialamt der Leitung der Kolonialgesellschaft Mittheilungen gemacht werden. Wissonschaftliche Veröfenlichungen. | 1881. 1883. 1884. 1884. 1884. 1885. 1885. 1886. 1886. 1886. 1887. 1887. 1887. 1388. 1888. 1889. 1889. Die tertiären Ablagerungen der Umgegend von Kassel. (Zeitschr. d. deutschen geol. Ges.) Bericht über geologische Aufnahmen auf Blatt Garda Westpreussen. (Jahrb. Geol. Landesanstalt.) _ Desgl. Tulotoma, Degenhardti, Dunker und Ebert nebst a. über die ne Tulotoma. (Jahrb. d. geol. Landesanstalt.) Kalkspath- und Zeolitheinschlüsse im Nephelinbasalt vom Igelsknap bei Oberlistingen. (Ber. d. Ver. f. Nat. in Kassel.) Torfkohlen-Vorkommen im Diluvium bei Neuenburg in West- - preussen.. (Jahrb. geol. Landesanstalt.) Bericht über Aufnahmen auf Blatt Neuenburg beztiglich der ‚ Schichtenfaltungen am Steilufer der Weichsel. (Jahrb. d. geol. Landesanstalt.) Or Beiträge zur Dintomnebn dere det Umpedsna von Kassel. (Ber. d. Ver. f. Nat. Kassel.) Teredo megotara Hanley aus dem Septarienthon von Finken- walde bei Stettin. (Jahrb. geol. Landesanstalt.) Beitrag zur Kenntniss der tertiären Dekapoden Deutsch- lands. (Jahrb. geol. Landesanstalt.) Bericht über die Aufnahmearbeiten auf den Blättern Waake: und Gellinhausen. (Jahrb. geol. Landesanstalt.) Ueber die Gattung Moira Al. Agazziz und Baueria geometrica Nötling aus dem Mitteloligocän von Bökelheim. (Zeitschr. der deutsch. geol. Ges.) Ueber die Gattung Spatangus. (Zeitschr. d. deutsch. geol. Gesellschaft.) Die Raninen des Kressenberges. (Jahrb. geol. Landesanst.) Ueber die Art des Vorkommens und die Verbreitung der Gervillia Murchisoni Geinitz im mittleren Buntsandstein. (Jahrb. d. geol. Landesanstalt.) Neues Vorkommen von mariner Fauna in der Steinkohlen- formation Oberschlesiens in der Florentine-Grube bei Beuthen. (Zeitschr. d. deutsch. geol. Ges.) Skizze der geologischen Verhältnisse Deutsch - Ostafrikas. (Ber. XXXIV d. Ver. f. Nat. Kassel.) 1892. 1893. 1895. 1896. 1897. 1898. . Vorlage von Chitonen aus dem Liegenden des Satteltlötzes auf der Florentine-Grube. (Zeitschr. d. deutsch. geol. Ges.) Prestwichia Scheeleana n. sp. (Jahrb. d. geol. Anstalt.) Neuer Aufschluss in der Steinkohlenformation Oberschlesiens durch Abteufen des Kronprinzschachtes der Giesche - Grube bei Schoppinitz. (Zeitschr. d. deutsch. geol. Ges.) Ueber die Lagerungsverhältnisse der oberschlesischen Stein- kohlenformation. (Zeitschr, d. deutsch. geol. Ges.) Die Lagerungsverhältnisse des Carbons in Oberschlesien, (Zeitschr. d. deutsch. geol. Ges.) Ein neuer mariner Horizont in der Steinkohlenformation Oberschlesiens im Querschlag der 334 Meter-Sohle des Kron- prinzschachtes der Giesche - Grube. (Zeitschr. d. deutsch. geol. Gesellschaft.) Die Echiniden des Nord- und Mitteldeutschen Oligoeäns. (Abhandlungen d. geol. Landesanstalt, Bd. IX, Heft 1.) Neuere Aufschlüsse auf der Giesche-Grube und Florentine- Grube im oberschlesischen Steinkohlengebirge. (Zeitschr. d. oberschlesischen Berg- und Hüttenmännischen Vereins.) Die stratigraphischen Ergebnisse der neueren Tiefbohrungen im Oberschlesischen Steinkohlengebirge. Mit Atlas. (Abhand- jungen d. geol. Landesanstalt. Neue Folge. Heft 19.) Bericht über die Aufnahmen auf Blatt Osterwieck (Jahrb. d. geol. Landesanstalt.) Desgl. Ueber neuere Aufschlüsse im oberschlesischen Steinkohlen- gebirge. (Zeitschr. .d. deutsch. geol. Ges.) Von den Blättern der geologischen Spezialkarte 1:25000 habe ich die Blätter Garnsee und Neuenburg in Westpreussen, die Blätter Gellinhausen, Waake und Lindau im südwestlichen Vorland vom Harz und die Blätter Osterwieck und Vienenburg im nördlichen Vorland des Harzes aufgenommen. 20 Prof. Dr. A. Rost. Robert Bunsen, Von Professor Dr. Adalbert Rost. Bunsen’s Name gehört zu den glänzendsten des neunzehnten Jahrhunderts. Aber bei der Trauer um seinen Verlust wirkt doch der Gedanke tröstlich, dass ein Menschenleben von über achtundachtzig Jahren sich vollendet hatte, das schön war von Anfang bis in die letzten Jahre seines Lebens, das niemals durch ein schweres Schicksal getrübt worden, sondern ungestört verlaufen ist im Dienste der Wissenschaft. Von 1833, wo er sich in Göttingen habilitirte bis zum Jahre 1889, wo er aus seiner Stellung in Heidelberg ausschied, also während eines Zeitraums von 56 Jahren ist er in un- unterbrochener Thätigkeit als Forscher und Lehrer ge- blieben. Mit Befriedigung konnte er im Alter zurück- blicken aufein Leben voll kräftiger Arbeit, aufSchöpfungen, die der Wissenschaft neue Bahnen eröffneten und der Menschheit Nutzen gebracht haben. Ruhm und Ehren sind ihm im reichen Maasse zu Theil geworden — gehörte er doch zu den wenigen Professoren, die durch das Prä- dikat Excellenz ausgezeichnet worden sind. Aber zu diesen äusseren Ehren kamen noch seine ausgezeichneten Charaktereigenschaften, die Güte, die er Jedem entgegen- brachte, seine seltene, liebenswürdige Art, sein feiner Humor und die echte Bescheidenheit, die ihn z. B. ver- hinderte, bei der Vorführung seiner eigenen Arbeiten seinen Namen irgendwie hervortreten zu lassen. Jedem, der das Glück gehabt hat, mit ihm in Beziehung zu treten, wird sein Bild unvergesslich bleiben. Bunsen wurde am 31. März 1811 zu Göttingen ge- boren, wo sein Vater Professor der neueren Sprachen und Universitätsbibliothekar war. Er hatte drei Brüder, von Robert Bunsen. 21 denen der älteste als Student beim Baden in der Leine er- trank, und die beiden anderen im besten Mannesalter starben. Ueber Kindheit und Jugend liegen nur dürftige Nachrichten vor. Ostern 1828 absolvirte er das Gymnasium in Holzminden und studirte dann in Göttingen, wo da- mals der Chemiker Stromeyer und der Mineraloge Hausmann lehrten. Am 28. September 1831 promovirte er auf Grund der Dissertation: „Enumeratio ac descriptio hygrometrorum“, die im Jahre vorher bereits als Preis- aufgabe gekrönt worden war. Dann ging er auf Reisen; zunächst nach Paris, das damals die hohe Schule für Chemie war, und wo ausgezeichnete Gelehrte wie Gay- Lussac, Thenard, Biot, Dulong, Chevreuil u.A. lehrten, dann nach Berlin, wo die Namen Leopold v. Buch, Al.v. Humboldt, Mitscherlich, H. Rose, Poggendorff, Magnus u. A. zu erwähnen sind und nach Wien. Auf diesen drei Hochschulen beschäftigte er sich nicht nur mit Chemie, sondern auch mit physi- kalischen und geologischen Studien, was ihm bei seinen späteren Arbeiten sehr von Nutzen gewesen ist. Nach Göttingen zurückgekehrt, habilitirte er sich am 25. Januar 1834 mit einer Untersuchung über Ferrocyan-Ammoniak- verbindungen und wurde aber bereits zwei Jahre später als Nachfolger des nach Göttingen berufenen Woehler zum Lehrer der Ohemie an der höheren Gewerbeschule in Kassel ernannt, an der damals neben ihm Philippi und Buff wirkten, vertauschte diese Stellung aber bereits 1838 mit der gleichen Stellung in Marburg, wo er 1841 zum ordentlichen Professor und Direktor des chemischen Instituts ernannt wurde. 1851 folgte er einem Ruf an die Universität Breslau und bereits 1852 einem solchen nach Heidelberg, wo er dann bis zu seinem 'Tode geblieben ist. Hier war es seine erste Aufgabe ein Laboratorium zu bauen, das den Anforderungen der Forschung und des Unterrichts nach den damaligen Ansprüchen genügte; 1855 konnte es bezogen werden, erwies sich aber bald bei der grossen Zahl von Schülern, die Bunsens’s Name 2 22 Prof. Dr. A. Rost. nach Heidelberg zog, als zu klein. Von seinen Schülern seien hier nur erwähnt: Landalt, Lothar Meyer, Bebal, Quincke, Roscoe, Beilstein, Coxıus, Baeyer u. A., zu denen dann noch Kekule und Erlenmeyer traten. An der Universität wirkten da- mals noch G. Kirchhoff, Helmholtz, Hermann Kopp, Königsberger, mit denen er in innigster Freundschaft verkehrte. Was nun die Arbeiten Bunsen’s betrifft, so ist ıhr Umfang ein zu gewaltiger, um hier des Näheren auf alle einzugehen; es können hier nur die wichtigeren angegeben werden. Bei der Durchsicht seiner Arbeiten weiss man nicht, was man mehr bewundern soll, die Genialıtät der Aufgabe, die klare und scharfe Fragestellung oder die mustergültige Ausführung. Schwierigkeiten wurden durch seine Sorgfalt und Ausdauer überwunden. Jede einzelne Thatsache wurde sorgfältig festgestellt; stiess er auf ältere Angaben, die mit den seinigen nicht überein- stimmten, so wurden beide mit der grössten Gewissen- haftigkeit geprüft. Dadurch wurde er unterstützt durch eine ausserordentliche Geschicklichkeit Apparate zu kon- struiren und vor der Glasbläserlampe selbst anzufertigen. Sein Vortrag war einfach und anspruchlos, aber dabei doch überaus anregend und von zahlreichen charakte- ristischen Versuchen unterstützt. Im Laboratorium wurde neben Mineralanalysen wesentlich Spektral- und Gas- analyse getrieben, für welche letztere sich Bunsen lebhaft interessirte; aber auch hier wurde besonderes Gewicht auf sorgfältiges und exaktes Arbeiten gelegt. Von seinen Veröffentlichungen sei hier nochmals die lateinische Arbeit über Hysrometer erwähnt, dann seine Habilitationsschrift über eigenthümliche Verbindungen der Ferrocyansalze mit Ammoniak, z. B.: 2Cw,FeCy, +8NH,+2H;0, Zn, Feüy, +3 NH, + 2530. 1834 veröffentlichte er ein Gegenmittel bei Vergiftungen mit arseniger Säure, das in einer Mischung von frisch ‘ Ä BF 3% ur, a EZ. 2, Robert Bunsen. 223 gefülltem Eisenhydroxyd mit gebrannter Magnesia besteht. 1837 begann Bunsen seine Untersuchungen über die Kakodylverbindungen, die seinen Ruf als Forscher fest begründeten und einen Markstein in der Geschichte der organischen Chemie bilden. Bunsen ging dabei von der Ansicht aus, dass bei der grossen Uebereinstimmung, die das Arsen mit dem Stickstoff in seinen Verbindungen zeigt, auch Aussicht auf Darstellung organischer Ver- bindungen vorhanden sei und dass sich man darüber wundern müsse, wie diese Substanz sich so lange einer genaueren Beobachtung habe entziehen können. Er ver- muthete ihre Existenz in dem unter dem Namen der Codet’schen Flüssigkeit bekannten Destillationsprodukt von essigsauren Salzen mit arseniger Säure. Die Untersuchung zeigt Bunsen’s Geschick in der Ueberwindung experi- mentaler Schwierigkeiten in hohem Masse, denn es handelte sich um Verbindungen, die sich durch Ekel erregenden Geruch, Giftigkeit, Selbstentzündlichkeit auszeichnen, so dass man „in dem geschlossenen Raum eines Laboratoriums kaum zu experimentiren wagen darf“. Bunsen wurde dieser Schwierigkeiten Herr und entdeckte eine Reihe von genau charakterisirten Kakodylverbindungen. Die Be- deutung dieser Verbindungen für die damals lebhaft er- örterte Radikaltheorie soll hier nicht weiter hervorgehoben werden. Berzelius zollte den Bunsen’schen Untersuchungen wiederholt das höchste Lob. Trotz dieser grossen Erfolge mit seiner ersten Arbeit auf dem Gebiete der organischen Chemie hat sich Bunsen später nie wieder eingehend mit organischen Arbeiten beschäftigt; seine Arbeiten gehören später fast ausschliesslich dem Grenzgebiet zwischen Physik und Chemie an. Auf Veranlassung der Kurfürstlich hessischen Ober- bergdirektion stellte er 1838 Untersuchungen an über die Zusammensetzung der Hochofengase eines Eisenhochofens in Veckerhagen und eines Kupferschieferofens in Richels- dorf. Diese Untersuchungen sind deshalb von Bedeutung, einmal, weil Bunsen beim Eisenhochofen die chemischen 9% 24 Prof. Dr. Rost. Vorgänge aufklärte und nachwies, dass ein grosser Theil des Brennstoffes (40—50°/,) unbenutzt in den Giftgasen entweicht, was Bunsen Veranlassung giebt, auf ihre Ver- wendung als Brennmaterial zur Heizung von Dampfkesseln u. s. w. hinzuweisen, was erst viel später der Technik ge- lungen ist; und dann, weil sie ihm Veranlassung war, sich mit den gasometrischen Analysen zu beschäftigen, die er dann bekanntlich zu hoher Vollendung ausgebildet hat. In die erste Zeit seines Marburger Aufenthalts fällt auch die Konstruktion des nach ihm benannten Kohle- Zink-Elementes, in dem er das theure Platin durch Retortenkohle ersetzte, und das ihm dann zu seinen aus- gedehnten elektrolytischen Arbeiten gedient hat. 1842 erwähnt er auch bereits, dass die Salpetersäure durch Kaliumbichromat ersetzt werden könne, was er aber erst viel später zur Ausführung gebracht hat. Im April 1846 trat er mit längerem Urlaub die berühmte Forschungs- reise nach Island an, von deren Ergebnissen die wohl jetzt allgemein anerkannte, zuerst von ihm aufgestellte Theorie des Geiserphänomens erwähnt sein mag. Seine umfangreichen Analysen der vulkanischen Gesteine Islands, die ihn jahrelang beschäftigten, führten ihn zur Auf- stellung einer Ansicht über die Bildung dieser Gesteine, die sich aber nicht hat aufrecht erhalten lassen. In Ver- bindung mit diesen Arbeiten standen aueh die Unter- suchungen über die Abhängigkeit des Erstarrungspunktes einer Flüssigkeit vom Druck. Thomson hatte die Noth- wendigkeit dieser Beziehungen aus den Grundsätzen der mechanischen Wärmetheorie entwickelt und sie für Wasser zwischen 1 und 17 Atmosphären nachgewiesen. Bunsen bestätigte sie für Walrath und Paraffın bis zu einem Drucke von 156 Atmosphären. 1852 veröffentlichte er seine elektrolytische Methode zur Gewinnung des Magnesiums aus. geschmolzenem Chlormagnesium, der dann 1854 die Abscheidung von Aluminium, Chrom, Mangan, Calcium, Strontium und Baryum folgte. Robert Bunsen. 25 Die nächsten Jahre 1855—1857 sind ausgezeichnet durch die in Gemeinschaft mit H. E. Roscoe ausgeführten „Photochemischen Untersuchungen über die Einwirkung des Lichtes bei der Zersetzung von Chlorwasser und bei der Verbindung von Ohlor und Wasserstoff“. Von diesen Arbeiten sagt Ostwald: „Sie sind das klassische Vorbild für alle späteren Arbeiten auf dem Gebiete der physi- kalischen Chemie‘ und „Eine gleiche Summe von chemischer, physikalischer und rechnerischer Geschicklichkeit, von Scharfsinn ım Ersinnen der Versuche und von Geduld und Ausdauer in ihrer Durchführung, von eingehendster Sorgfalt an jeder kleinsten Erscheinung und ausgiebigstem Weitblick den grössten meteorologisch - kosmischen Ver- hältnissen gegenüber findet sich in keiner anderen wissen- schaftlichen Arbeit auf diesem Gebiete wieder‘. Die Arbeit knüpft an die bekannte Thatsache, dass sich Chlor und Wasserstoff bei gemässigter Beleuchtung langsam, bei intensiver explosiv mit einander verbinden. Von dem reichen Inhalt sei hier nur erwähnt, dass die chemisch wirksamen Strahlen nach denselben (Gesetzen reflektiert und absorbiert werden, wie die sichtbaren und dass ihre Intensität mit dem Quadrate der Entfernung abnimmt. Die Frage, ‚ob bei dem Akte der photochemischen Ver- bindung eine Arbeit geleistet werde, für welche eine äquivalente Menge Licht verschwindet, oder ob es sich dabei nur um eine Art Auslöschung handele, welche durch die chemischen Strahlen ohne merklichen Lichtverbrauch vermittelt wird‘, wurde im ersteren Sinne entschieden. Bunsen und Roscoe fanden dann auch die merk- würdige Thatsache, dass die Wirkung des Lichtes auf Chlorknallgas nicht gleich in ihrer vollen Stärke eintritt, sondern zunächst langsam ansteigt und erst nach Verlauf einer gewissen Zeit konstant wird, was sie als photo- chemische Induktion bezeichneten. Auch die Abhängig- keit der chemischen Wirkung von der Wellenlänge wurde untersucht. Sie fanden, dass die grösste Wirkung von den violetten Strahlen zwischen den Fraunhofer’schen 26 Prof. Dr. Rost. Linien G. und 21 ausgeht; die Kurve fällt gegen das rothe Ende des Spektums ziemlich steil ab, während sie sich andererseits mit in das Ultraviolett hineinerstreckt. Bei diesen Untersuchungen hat Bunsen auch zuerst den jetzt allgemein bekannten „Bunsenbrenner‘ und das Photo- meter konstruirt; ferner rührt aus dieser Zeit auch die maassanalytische Messung des Jods durch schweflige Säure her, die dann später durch unterschwefligsaueres Natrium ersetzt wurde. Die Methode wird heute noch allgemein benutzt und findet vielseitige Verwendung zur Uhloro- metrie u. Ss. w. An diese photochemischen Arbeiten schliessen sich (1857) Untersuchungen mit Schischkoff über das Schiess- pulver, die hier nur erwähnt sein mögen, um die Viel- seitigkeit Bunsens zu zeigen. Dann kommen die Arbeiten, die wohl Bunsens Namen auch in weiteren Kreisen bekannt gemacht haben, seine mit Kirchhoff ausgeführten spektralanalytischen Unter- suchungen. Bunsen hatte Kirchhoff bereits in Breslau kennen gelernt, dann seine Berufung nach Heidelberg ver- anlasst, wo die beiden genialen Forscher in inniger Freund- schaft viel verkehrten. Eigentliche Entdecker der Spektral- analyse sind Bunsen und Kirchhoff nicht. Schon 1827 hatte John Herschel ausgesprochen: Die Farben, die verschiedene Körper der Flamme erteilen, bieten in vielen Fällen ein einfaches Mittel dar, ausserordentlich kleine Mengen zu entdecken. Fox Talbot, der sich ebenfalls in jener Zeit mit spektroskopischen Untersuchungen be- schäftigte, fasst 1834 seine Untersuchungen in dem Satze zusammen: „Ich zögere nicht, zu sagen, dass man mit der optischen Analyse die geeignetsten Mengen von Lithium und Strontium mit derselben Gewissheit, wenn nicht mit grösserer, unterscheiden kann, als mit irgend einer be- kannten Methode.“ Ferner kam er der Wahrheit nahe, wenn er sagte, dass gewisse Körper bestimmte eigenthümliche Linien geben und als Aufgabe der Spektralanalyse angiebt: „Wenn - i Robert Bunsen. 27 diese Ansichten sich als richtig herausstellen sollten, so würde ein Blick auf das prismatische Spektrum genügend -sein, darzuthun, dass gewisse Substanzen vorhanden sind, die sich sonst nur durch eine mühsame, chemische Analyse nachweisen lassen.“ Dann haben sich noch W. A. Miller, Wheatstone, Angström mit dieser Frage beschäftigt, aber alle diese Arbeiten waren den Uhemikern kaum bekannt und ihre Ergebnisse fanden in der analytischen Uhemie keine Verwendung. Erst durch die klassischen Unter- suchungen von Bunsen und Kirchhoff wurde das Spektro- skop zu einem der wichtigsten Instrumente und diese Forscher sind die eigentlichen Entdecker der spektral- analytischen Methode, weil sie diese mit der erforderlichen wissenschaftlichen Schärfe ausgearbeitet haben, auf der sie jetzt ruht. Ihre mühsame Arbeit wurde dann glänzend belohnt durch die Entdeckung zweier neuer Metalle, des Rubidiums und des Caesiums, sowie dadurch, dass ein neuer Zweig der Wissenschaft, die astronomische Chemie, ins Leben gerufen worden ist, die uns gestattet, nicht nur die Gegenwart vieler Elemente, die auf unseren Planeten vorkommen, in der Sonne und anderen Fixsternen nach- zuweisen, sondern sogar die Natur der geheimnissvollen Nebelflecken zu ergründen (Roscoe). Nachdem Bunsen und Kirchhoff die Spektren zweier neuer Elemente in gewissen Mutterlaugen gefunden hatten, galt es, dieselben in grösseren Mengen darzustellen. Welche Schwierigkeiten dabei zu überwinden waren, mag daraus ersehen werden, dass 44000 kg Dürkheimer Soolwasser und 150 kg Lepidolith verarbeitet werden mussten, um nur wenige Gramm des für die Untersuchung nöthigen Materials zu gewinnen. Später (1875) hat dann Bunsen seine spektral- analytischen Untersuchungen auch noch auf solche Ele- mente ausgedehnt, die sich nicht in der Flamme des Bunsenbrenners verflüchtigen und dazu eine gleichbleibende konstante Kette konstruirt und die betreffenden Metalle durch ihr Funkenspektrum untersucht. Daran schlossen 28 Prof. Dr. Rost. sich dann die genauen sorgfältig ausgearbeiteten Methoden zur Trennung des Cer, Lanthan, Didym, Therium, Yttrium und Erbium. | ; Die genaue Untersuchung dieser seltenen Elemente veranlasste Bunsen auch noch (1870) zu kalorimetrischen Untersuchungen. Zur Bestimmung des Atomgewichts ist bekanntlich die Feststellung der specifischen Wärme noth- wendig. Die bis dahin benutzten kalorimetrischen Methoden hatten den Uebelstand, dass man verhältnissmässig grosse Mengen der Kalorimeterflüssigkeit als auch der zu unter- suchenden Substanzen braucht, um den bei den Messungen unvermeidlichen Wärmeverlust soweit zu verringern, dass alle auf denselben bezüglichen Korrektionen gegen die zu messende Wärmemenge klein werden. Bei der Bestimmung specifischer Wärmen insbesondere nach den exakteren bis- her üblichen Methoden wird man kaum auf befriedigende Resultate rechnen können, wenn das zu den Versuchen benutzte Material weniger als 10—40 g beträgt. Seltenere Elemente in diesen Mengen darzustellen, bietet aber oft kaum überwindliche Schwierigkeiten. Das von Bunsen konstruirte Kalorimeter beruht auf dem Prinzipe, die . Menge des durch Wärmezuführung geschmolzenen Eises an der Volumenverminderung zu messen, die das Eis bei der Schmelzung erleidet, ist genial erdacht und von Bunsen zuerst selbst vor der Glasbläserlampe angefertigt. Seine Resultate sind bewunderungswürdig exakt. Aus seinen späteren Jahren sind noch einige kleinere Arbeiten zu nennen: „Ueber die Trennung des Antimons vom Arsen“, „über kapillare Gasabsorption“, „über die Zersetzung des Glases durch Kohlensäure haltende kapillare Wasserschichten‘“ (1886) und über ein Dampfkalorimeter (1887). So ist denn Bunsen bis zu seinem Austritt aus seinem Lehramt (1889) unermüdlich als Forscher thätig geblieben. Auch nachher war die Schaffensfreude noch nicht erloschen. Er begann noch eine experimentelle Untersuchung über eine Frage der Optik, musste aber Robert Bunsen. 29 bald die Wahrnehmung machen, dass er sie nicht voll- enden könne, weil sein linkes Auge anfıng, den Dienst zu versagen — sein rechtes Auge hatte er bereits 1836 durch eine Explosion verloren. Dazu kam dann noch eine Abnahme des Gehörs, so dass auch die Unterhaltungen mit seinen Freunden für diese, wie für ihn sehr an- strengend wurden. Schliesslich traten noch weitere Be- schwerden des Greisenalters hinzu, so dass er in seinen letzten Lebensjahren viel zu leiden gehabt hat, bis ihn der Tod am 11. August 1899 erlöste. Sein Name wird in der Geschichte der Chemie und Physik unvergesslich bleiben und der Verein für Natur- kunde kann stolz darauf sein, ihn zu seinen Mitgliedern gezählt zu haben. 30 M. Zeiske. Die Pilanzenformationen in Hessen und Nassau. Von M. Zeiske. Das behandelte, Gebiet deckt sich mit demjenigen der „Flora von Hessen und Nassau“ von Wigand- Meigen, umfasst also im wesentlichen die jetzige Pro- vinz Hessen-Nassau. Aus Zweckmässigkeitsgründen habe ich mich in Bezug auf Nomenklatur und Reihenfolge der syste- matischen Skizzen streng an das oben bezeichnete Floren- werk angeschlossen. Vorliegende Arbeit hat sich zur Aufgabe gestellt, die Vegetationsdecke des Gebiets in ihre natürlichen Ab- schnitte zu zerlegen; sie beschäftigt sich also lediglich mit der Vegetation des Gebiets im Gegensatz zu seiner Flora. Auf bestimmten Bodenarten wachsen auch bestimmte. Pflanzenarten. Es werden aber auf manchen Boden- flächen durch .das Ueberwiegen einzelner Vegetations- formen bezw. durch eine Mischung derselben gewisse Pflanzenarten ausgeschlossen, für andere dagegen die Daseinsbedingungen geschaffen: Die Merkmale zur Unter- scheidung der einzelnen Stücke innerhalb der Pflanzen- decke unseres Gebiets sind mithin einerseits von der Beschaffenheit des Substrats, andererseits von der Vege- tation selbst herzuleiten. Ersteres Prinzip liefert die. grossen Vegetationsabschnitte („Formationengruppen“) und ist deshalb in die erste Linie zu stellen. Die Auflösung der Formationsgruppen in ihre Einzelformationen habe ich nach Maassgabe des Zusammenschlusses der Pflanzen als Lebensformen vorgeschrieben. Die Pflanzenformationen in Hessen und Nassau. 31 Der Boden des Gebiets („Boden“ im weitesten Sinne) besteht, soweit er für die Vegetation in Frage kommt, aus folgenden Bodenarten: A. Anstehende Felsen. — B. Steinschutt. 1. Grober Steinschutt: Felsblöcke, Gerölle, Grus; 2. Feinerer Stein- schutt: Kiese, Sande. — C. Erdschutt. 1. Rein mine- ralische Erdkrumen: plastischer Thon, Letten, Lehm, Mergel; 2. humose Erdkrumen: thonig, lehmig oder mergelis (typische Dammerde). — D. Schwemm- und Schlämmschutt: 1. Blockdetritus, Geschiebe, Flusskiese, Flusssande; 2. Thonschlamm, Lehmschlamm. — E. Pflanzen- schutt: 1. saurer Humus, Bitumen ; 2. Torf. — F. Wasser- flächen. Unter Berücksichtigung des Bodengefüges, besonderer Bodenstoffe, der Feuchtigkeit des Bodens u. s. w. gelangt man zur Aufstellung der im speziellen Theile unter I bis XII beschriebenen Bodenklassen, von denen jede eine be- sondere Formationengruppe trägt. Die einzelnen Pflanzenarten des Gebiets, losgelöst vom Pflanzensystem, als reine Lebensformen betrachtet, vereinigen sich ihrerseits zu Vegetationsklassen, von denen folgende geeignet erscheinen, auf sie die Einzelformationen zu gründen: 1. Wälder, 2. Gebüsche, 3. Grasfluren, 4. Staudenfluren, 5. Moosbestände, 6. Gemischte Bestände (keine der die Klassen 1. bis 5. bildenden Vegetations- formen herrscht über die anderen vor), 7. Sumptpflanzen- bestände, 8. Wasserpflanzenbestände, 9. aus 7. und 8. semischte Bestände. Die Einzelformationen sind im speziellen Theile mit arabischen Ziffern bezeichnet; besondere Ausgestaltungen werden als „Unterformation“ bei der betreffenden Einzel- formation besonders dargestellt. Jeder Einzelformation und Unterformation ist ein Verzeichniss der für sie charakteristischen Arten bei gegeben. Leider musste ich mich hierbei auf Phane- rogamen und Gefässkryptogamen beschränken, da hin- sichtlich der niederen Pflanzenwelt für das Gebiet gar 32 M. Zeiske. kein Material vorliegt. Obwohl sich unter den ober- irdisch verholzenden Gewächsen charakteristische Arten fast gar nicht befinden, sind dennoch die Holzgewächse ihrer sonstigen Wichtigkeit halber bei denjenigen For- mationen angegeben, deren Oberwuchs oder deren ständige Begleiter sie bilden. I. Substrat aus anstehenden Felsen oder aus gröberem Steinschutt bestehend; Erdboden spärlich, stellenweise fehlend, die empfangene Feuchtigkeit durch Verdunstung rasch verlierend; in sonniger Lage; Benetzung ausschliess- lich durch meteorisches Wasser ; Vegetationsdecke lückenhaft. 1. Gemischte Bestände sonniger Felsen. Vegetation gemischte Bestände bildend. — In Fels- ritzen auf Felsvorsprüngen, an sonnigen Mauern. Charakteristische Arten: Saxifraga decipiens, Sedum purpureum, S. album, Dianthus caesius, Arabis Turrita, Cotoneaster integerrimus, Hieracium Schmidtiü, Allium fallax, A. striatum, Ceterach officinarum. 2. Buschige Gerölle. Vegetation von Sträuchern oder strauchigen Baum- arten beherrscht. — Zwischen Geröllen, auf zerklüftetem Gestein. Gesträuche: Prunus avium, Rosa pimpinellifolia, Crataegus Osxyacantha, Amelanchier vulgaris, Picus communis, P. Malus, Dictamnus albus, Acer mons- pessulanum, Ribes Grossularia, R. alpinum, Viburnum Lantana, Taxus baccala, Juniperus communis. Charakteristische Arten: Geranium sanguineum, Siler trilobum, Amelanchier vulgaris, Acer monspessu- tanum, Dictamnus albus, Asperula cynanchica, A. glauca, Vincetoxicum officinale, Salvia Aethiopis, Aster Amellus. 2b. Buschige Kalkgerölle. | Auf kalkreichem Substrat: Coronilla vaginalis, Arabis parciflora, Thlaspi montanum, Bupleurum falcatum, Libanotis montana, Teucrium montanum, Carduus de- floratus, Ophrys aranifera. Die Pflanzenformationen in Hessen und Nassau. 33 II. Substrat aus feinerem Steinschutt bestehend ; Benetzung ausschliesslich durch meteorisches Wasser. 3. Gemischte Bestände auf trocknem Sande. Vegetation gemischte Bestände bildend; Vegetations- decke lückenhaft; Boden aus lockeren, meist unver- änderlichen Sanden, namentlich Quarzsanden, oder aus Kies bestehend, die empfangene Feuchtigkeit durch Ein- sickern rasch verlierend. — Sandhügel, Flussdünen, Sand- gruben, Kiesgruben, sandige Triften und Brachen. Holzgewächse: Sarothamnus scoparius, Genista püosa, Cytisus sagittalis, Calluna vulgaris, Juniperus communis. Pinus silvestris (in Beständen). Charakteristische Arten: Ornithopus perpusillus, Gypsophila fastigiata, Silene otiles, S. conica, Spergula Morisonii, Sp. pentandra, Alsine Jacquini, Salsola Kali, Kochia arenaria, Viola arenaria, Adonis vernalis, Onosma arenarium, Jurinea cyanoides, Scabiosa sua- veolens, Plantago arenaria, Armeria plantaginea, Carex ericetorum, Koeleria glauca, Weingaertneria canescens. Ill. Erdboden steinig oder flachgründig, mässig trocken, aus Dammerde bestehend, schwach humos; Vegetationsdecke locker, von Stauden und Kräutern beherrscht. 4. Staudentriften. Vegetation von Kräutern und Stauden, unter denen die Gräser nicht tonangebend sind, beherrscht. — Steinige Hügel und Abhänge, Brachen, Weg- und Ackerränder. Holzgewächse: Prunus spinosa, Rubus caesius, Rosa pimpinellifolia, R. dumetorum, R. rubiginosa, Crataegus Oxyacantha, Quercus sessiliflora, Juniperus communis, Pinus silvestris (in Beständen). Charakteristische Arten: Pulsatilla vulgaris, Cyno- glossum officinale, Salvia verticillata, Veronica prostrata, Carduus nultans, Carlina vulgaris, ÜCrepis foetida, Scabiosa columbaria, Globularia vulgaris, Andropogon. Ischaemon, Stipa pennata, St. capillata. 34 M. Zeiske. 2b. Kalktrasten; Auf kalkreichem Boden: Trifolium striatum, Tithy- malus Cyparissias, Alyssum calycinum, Teucrium - Chamaedrys, Euphrasia lutea, Anthemis tinctoria, Carex humilis. 5. Grastriften. Vegetation von Gräsern beherrscht; Grasnarbe kurz- halmig, nicht zusammenhängend. — Grasige Hügel, Ab- hänge, Weg- und Ackerränder, Raine. Charakteristische Arten: Medicago falcata, Hippocrepis comosa, Sangui- sorba minor, Cerastium brachypetalum, C. arvense, Seseli anmuum, Gentiana cruciata, Tragopogon major, Anthoxanthum odoratum. IV. Substrat aus Felsen oder Geröllen bestehend; Erdboden fehlend oder spärlich; in schattiger Lage. 6. Schattige Felsen und Gerölle. Vegetation von Moosen beherrscht; daneben spielen Farnpflanzen und Flechten eine wichtige Rolle. — Schattige Felsen, Gerölle, Lehnen und Mauern, Felsspalten, Höhlen- eingänge, Brunnenöffnungen, Hohlwege. Charakteristische Arten: Geranium lucidum, Lyco- podium alpinum, Woodsia ilvensis, Aspidium Lonchitis, Cystopteris fragilis, Asplenium viride, A. germanicum, A. Ruta muraria, A. Adiantum nigrum, Scolopendrium vulgare. V. Erdboden mässig trocken bis mässig feucht, aus Dammerde bestehend; Dammerde mehr oder weniger humos; Vegetationsdecke geschlossen, von hohen Sträuchern oder von Bäumen beherrscht und beschattet. 7. Lichte Waldungen und Gebüsche. Vegetation von lichtstehenden Bäumen oder von hohen Sträuchern beherrscht; Vegetationsdecke schwach beschattet, mit trockenheitliebenden Moosen; oft mit geselligen Gräsern; Erdboden flachgründig oder steinig, mässig trocken; Dammerde mässig humos. Die Pflanzenformationen in Hessen und Nassau. 35 Charakteristische Arten: Trifolium alpestre, Vicia dumetorum, Ervum silvaticum, E. cassubicum, Lathyrus silvester, L. montanus, Rubus Radula, R. Idaeus, R. sasxatilis, Stellaria Holostea, Viola silvatica, V. Rivini- ana, V. mirabilis, Corydalis intermedia, U. solida, Bupleurum longifolium, Laserpitium latifolium, Torilis Anthriscus, Asperula tinctoria, Galium silvaticum, Stachys alpina, Digilalis ambigua, Melampyrum nemo- rosum; Campanula persicifolia, Inula hirta, Hieracium silvestre, Epipactis latifolia, Carex muricata, ©. mon- ana, C. digitata, Melica nutans, Brachypodium sil- valicum. Diese Formation zerfällt in zwei Unterformationen: 7a. Waldrand- und Vorgehölze. Vegetation von hohen Sträuchern beherrscht, denen meist einzelne Bäume beigemengt sind. Holzgewächse (1. Gruppe): Prunus spinosa, Rubus plicatus, R. thyrsoideus, R. Schleicheri, R. dumetorum, Rosa pimpinellifolia, R. dumelorum, Evonymus europaea, Ribes Grossularia, Clematis Vitalba, Ligustrum vulgare, Viburnum Lantana, Juniperus communis. (2. Gruppe): Rubus Radula, R. caesius, R. Idaeus, Crataegus Osxyacantha, Rhamnus cathartica, Frangula Alnus, Acer campestre, Ribes alpinum, Cornus sanguinea, Sambucus racemosa, Lonicera Periclymenum, L. Xylo- steum, Daphne Mezereum, Corylus Avellana, Salix . Caprea. Charakteristische Arten: Coronilla montana, Rubus ‚plicatus, BR. thyrsoideus, R. Schleicheri, FPotentilla sterilis, Rosa dumetorum, Clematis Vitalba, Anemone ‚silvestris, Chaerophyllum aureum, Ebulum humile, Lonicera Periclymenum, Clinopodium vulgare, Senecio erucifolius. 7b. Lichte Waldungen. Vegetation von licht oder lückig stehenden Bäumen beherrscht. 36 M. Zeiske. An der Zusammensetzung dieser Waldungen be- theiligen sich folgende Bäume: Prunus avium, Pirus communis, P. aucuparia, P. Aria, P. torminalis, Acer - Pseudoplatanus, A. platanoides, Tilia platyphyllos, T. ulmifolia, Ulmus campestris, U. effusa, Fagus sil- vatica, Quercus sessiliflora (Haine bildend), Betula alba (Haine bildend), Carpinus Betulus (Haine bildend), Salix Caprea, Populus tremula, Taxus baccata, Pinus sül- vestris (in Beständen). Das Unterholz bilden: Sarothamnus scoparia, Ge- nista pilosa, G. germanica, Hedera Helix, Vinca minor, Calluna vulgaris, Vaccinium Myrtillus und die unter 7a Gruppe 2 aufgeführten 15 Sträucher. Charakteristische Arten: Genista germanica, La- thyrus niger, Potentilla alba, Hypericum : montanum, Lithospermum purpureo-caeruleum, Digitalis purpurea, Pirola minor, Gnaphalium silvaticum, Tanacetum co- rymbosum, Scorzonera purpurea, Cephalanthera grandi- flora, C. ayphophyllum, C. rubra, Epipactis microphylla, Polygonatum verticillatum, P. officinale, P. multiflorum Carex pilosa, Festuca heterophylla. 8. Geschlossene Wälder. Vegetation von dichtstehenden Bäumen beherrscht; Vegetationsdecke stark beschattet, mit Feuchtigkeit lieben- den Moosen und zahlreichen saprophytischen Pilzen; Erd- boden tiefgründig, mässig feucht; Dammerde humusreich. Charakteristische Arten: Rosa tomentosa, Mercurialis perennis, Ozxalis Acetosella, Cardamine silvatlica, Aco- nitum variegatum, Cynoglossum germanicum, Melam- pyrum silvaticum, Ramischia secunda, Doronicum Par- dalianches, Prenanthes purpurea, Neottia Nidus avis, Luzula silvatica, Milium effusum, Poa Chaizi, Lyco- podium annotinum, Phegopteris polypodioides. Diese Formation zerfällt in zwei Unterformationen: Sa. Geschlossene Laub- oder Mengwälder. Laubhölzer allein, oder vorherrschend, oder gleich- mässig mit Nadelhölzern gemengt; Bodendecke weniger Be h Ze, ‚ 4 | | Die Pflanzenformationen in Hessen und Nassau. 37 — stark Wasser absorbirend als bei 8b; Streudecke arm an Harzen, sich rasch in Humus umbildend. An der Zusammensetzung dieser Wälder betheiligen sich folgende Bäume: Pirus aucuparia, P. Aria, P.tor- minalis, Acer Pseudoplatanus, A. platanoides, Tilia ulmifolia, Fraxinus escelsior, Ulmus campestris, U. ef- fusa, Fagus silvatica (Wälder bildend), Quercus Robur (Wälder bildend), @. sessiliflora, Carpinus Betulus, Populus tremula, Pinus silvestris, Abies alba, Picea esccelsa. Das Unterholz bilden: Rosa tomentosa, Crataegus Oxyacantha, Ramnus cathartica, Acer campestre, He- dera Helix, Vinca minor, Vaccinum Myrtillus, V. Vitis Jdaea, Daphne Mezereum, Corylus Avellana. Charakteristische Arten: Zathyrus vernus, Tithy- malus amygdaloides, Circaea lutetiana, C. intermedia, Dentaria bulbifera, Lunaria rediviva, Actaea spicata, Sanicula europaea, Asperula odorata, Pulmonaria offi- cinalis, Myosotis silvatica, Lathraea Squamaria, Lysi- machia nemorum, Campanula latifolia, Lappa macro- sperma, Asarum europaeum, Epipogon aphyllus, Corrallio- rhiza innalta, Allium ursinum, Paris quadrifolius, Majanthemum bifolium, Arum maculatıum, Melica uni- flora, Festuca silvatica, Bromus asper, Elymus europaeus. Sb. Fiehtenwälder. Picea escelsa allen oder vorherrschend; Boden- decke stark Wasser absorbirend ; Streudecke harzreich, sich langsam in Humus umbildend. Beigemengte Bäume: Pirus aucuparia, Acer Pseudo- platanus, Populus tremula, Abies alba. Unterholz: Zedera Helix, Sambucus racemosa, Rosa tomentosa, Vaccinium Myrtillus, V. Vitis idaea, Daphne Mezereum, Corylus Avellana. Charakteristische Arten: Pirola uniflora, Galium ro- tundifolium, Foodyera repens, Calamagrostis Halleriana. 3 38 M. Zeiske. VI. Erdboden tiefgründig, im ÖObergrunde mässig _ feucht, im Untergrunde mindestens zeitweise mit Grund- wasser; Grundwasser rasch zirkulirend; Boden aus Damm- erde, oft aus Marscherde, bestehend, humusreich ; Vegetations- decke geschlossen, von Gräsern beherrscht, normal ohne Holzgewächse; Grasnarbe langhalmig. 9. Trockne Wiesen. Unter den Gräsern sind Cyperaceen schwach ver- treten, dagegen sind zahlreiche andere Stauden sowie Kräuter beigemischt. Grundwasser nur zeitweise vor- handen, oder nur von Zeit zu Zeit bis zur Wurzelschicht emporsteigend. Diese Formation nimmt meist geneigte Flächen mit Streichwasser, oder die höher gelegene Rand- zone der Formation 10 ein, — Trockne Wiesen, Trift- wiesen, Wiesentriften, Charakteristische Arten: Salvia pratensis, Cirsium bulbosum, Crepis virens, Thesium pratense, Orchis ustu- lata, O0. Morio, Avena pubescens, A. flavescens, Briza media. 10. Fruchtbare Wiesen. Unter den Gräsern befinden sich zahlreiche Cype- raceen (Verhältniss der letzteren zu den Poaceen etwa wie 2 zu 3); Staudenbeimischung einförmiger als bei 2; Grundwasser dauernd vorhanden und die Wurzelschicht erreichend. Diese Formation nimmt meist die Thalsohle der Flüsse und kleineren Wasserläufe ein und befindet sich oft im regelmässigem Ueberschwemmungsgebiete der- selben. — Fruchtbare Wiesen, Mähwiesen. Charakteristische Arten: Sanguisorba officinalis, Thalictrum galioides, Trollius europaeus, Oenanthe peucedanifolia, Silaus pratensis, Gentiana utriculosa, G. germanica, Alectorolophus minor, Euphrasia pra- tensis, Arnica montana, Centaurea Phrygia, C. nigra, Tragopogon pratensis, FPolygonum Bistorta, Orchis coryophora, Platanthera viridis, Iris sibirica, I. spuria, Fritillaria Meleagris, Allium acutangulum, ‚Alopecurus pratensis, Phleum pratense, Festuca elatior. Se a “ Die Pflanzenformationen in. Hessen und Nassau. 39 10b. Bergwiesen. In den höheren Lagen der Gebirge: Trifolium spa- diceum, Meum athamanticum, Achyrophorus maculatus, Crepis succisifolia, Thesium intermedium, Th. alpinum, Gymnadenia albida. VII. Substrat im Untergrunde dauernd nass, im Obergrunde nur zeitweise durchnässt, aus lockerem Schwemmschutt oder aus undurchlässigen Erdkrumen (ausser Torf) bestehend; Vegetation ohne Holzgewächse. 11. Auen. Vegetation gemischte Bestände bildend; Substrat aus lockerem Schwemmschutt bestehend ; Durchfeuchtung hauptsächlich durch terrestrisches Wasser; im regel- mässigen Ueberschwemmungsgebiet fliessender und im Staugebiet stehender Gewässer. Charakteristische Arten: Zythrum Hyssopifolia, Montia minor, Lindernia Pysxidaria, Limosella aqua- tica, Cyperus fuscus. Diese Formation zerfällt in zwei Unterformationen: lla. Sandig-kiesige Auen. Ufersande, Sandbänke, Kiesbänke, Geschiebe: Cor- rigiola litoralis, Illecebrum verticillatum, Litorella juncea, Juncus Tenageia, Scirpus setaceus, Sc. supinus, Cynodon Dactylon, Equisetum ramosissimum. 1lb. Schlammig-thonige Auen. Uferschlamm, Schlammbüsche, austrocknender Ge- wässergrund. Peplis Portula, Helosciadium repens, Carex cyperoides. 12. Nasse Triften. Vegetation von Buchen beherrscht; Substrat aus un- durchlässigen Materialien, namentlich reinem Thon oder Lehm, bestehend; Durchfeuchtung ausschliesslich durch meteorisches Wasser. Charakteristische Arten: Radiola linoides, Ranun- culus sardous, Cicendia filiformis, Centunculus minimus, 38 40 M. Zeiske. Pulicaria vulgaris, Gnaphalium luteoalbum, Juncus- Leersü, J. effusus, J. glaucus, J. capitatus, J. articulatus, J. tenuis, J. compressus. VIII. Substrat aus Schwammschutt, der mit saurem: Humus gemengt ist, bestehend, im Untergrunde dauernd nass, im Obergrunde nur zeitweise abtrocknend; Durch- feuchtung hauptsächlich durch terrestrisches Wasser; im: Bereiche der geringeren, aber häufigen Schwankungen des Wasserspiegels von Gewässern aller Art. 13. Gemischte Uferbestände. Vegetation gemischte Bestände bildend. Charakteristische Arten: Zpilobium hirsutum, E. roseum, Lythrum sSalicaria, Lycopus ezxaltatus, Aster salicifolius, Rumex maritimus, R.mazximus, R. aqualicus. 13b. Bergwaldbachufer. Bachufer, an welche im höheren Gebirge der Wald herantritt. Zpölobium obscurum, E. nutans, Ranunculus aconitifolius, Aconitum Napellus, Anthriscus nitida, Chaerophyllum hirsutum, Pleurospermum austriacum, Cirsium heterophyllum, Carduus Personata, Mulgedium alpinum. 14. Ufergehölze. Vegetation von Sträuchern oder Bäumen beherrscht. Holzgewächse: Prunus Padus, Tilia ulmifolia, Ribes nigrum, JRibes rubrum, Fraxinus escelsior, Viburnum Opulus, Ulmus effusa, Quercus Robur, Alnus glutinosa (Ooulissenwäldchen bildend), Salöx pentandra, S. fragilis,, S. alba, S. amygdaloides S. purpurea, 5. viminalis,, S. cinerea. Charakteristische Arten: Cucubalus baccifer, Ma- lachium aquaticum, Solanum Dulcamara, Scutellaria: galericulata, Semecio saracenicus, Equisetum hiemale. IX. Substrat aus saurem Humus oder aus Torf be- stehend, beim Betreten nicht einsinkend, dauernd bis zur Oberfläche nass; Durchfeuchtung hauptsächlich durch. terrestrisches Wasser. nn. ; du 1 Dr a Me Die Pflanzenformationen in Hessen und Nassau. 41 15. Sumpfige Waldungen. Vegetation von Bäumen beherrscht. — Waldsümpfe, - Morastwälder, sumpfige Wälder. Holzgewächse: Prumus Padus, KRibes nigrum, R. rubrum, Frasinus escelsior, Viburnum Opulus, Quercus Robur, Betula pubescens, Alnus glutinosa, A. incana, Salix fragilis, S. aurita, S. repens. Charakteristische Arten: /mpatiens Noli tangere, kibes nigrum, R. rubrum, Crepis paludosa, Carex remola, C. pendula, Equisetum masimum, Osmunda regalis, Polystichum Thelypteris, P. cristatum. 16. Sumpfige Wiesen. | Vegetation von Gräsern, besonders Uyperaceen, be- herrscht; lokal mit Sträuchern. — Nasse Wiesen, saure Wiesen, Sumpfwiesen. Holzgewächse: Salöx pentandra, 5. purpurea, S. cinerea, S. aurila, S. repens, Alnus glutinosa. Charakteristische Gewächse: Zathyrus paluster, Parnassia palustris, Thalictrum flavum, Senecio aqua- ticus, Cirsium oleraceum, Valeriana dixica, Epipactis palustris, Triglochin palustris, Carex elongata. 16b. Salzwiesen. Salzgehalt des Bodens erheblich. Zotus tenuifolius, Althaea officinalis, Glaux maritima, Plantago maritima, Triglochin maritima. X. Substrat aus tiefgründiger Torfmasse von brei- artiger Üonsistenz bestehend, dauernd bis zur Öber- fläche nass. 17. Moorwiesen. Vegetation von Cyperaceen beherrscht; unter den Moosen spielen Hypnaceen eine wichtige Rolle; Durch- feuchtung hauptsächlich durch terrestrisches Wasser; Wasser reichlich Kalksalze enthaltend. Holzgewächse: Salix aurita, S. repens. Charakteristische Arten: Viola palustris, Pinguicula vulgaris, Orchis palustris, O. incarnata, Juncus flli- 423 M. Zeiske. formis, Eriophorum vaginatum, E. polystachium, Carex Davalliana, C. paradoxa, C. caespitosa. 18. Strauchmoore. Yeralalih von Sträuchern beherrscht; unter den Moosen spielen Sphagnaceen eine wichtige Rolle; Durch- feuchtung ausschliesslich durch meteorisches Wasser; Wasser arm an Kalksalzen. Holzgewächse: Empetrum nigrum, Erica Tetralix, Andromeda polifolia, Vaccinium uliginosum, V. oxy- coccos, Betula carpathica — Salix aurita, S. repens, sämmtlich bis auf die beiden Salöx-Arten für die For- mation charakteristisch. Weitere charakteristische Arten: Drosera rotundi- folia, D. anglica, Malaxis paludosa, Scheuchzeria; palustris, Scirpus caespitosus, Carex chordorrhiza. XI. Grundfläche dauernd mit Wasser bedroht; Wasserbedeckung flach; Sumpfpflanzen („eingetauchte“ Wasserpflanzen) tonangebend, daneben amphibische Ge- wächse und echte Wasserpflanzen, namentlich A 19. Sümpfe. Vegetation gemischte Bestände bildend, mit zahl- reichen amphibischen Gewächsen. Charakteristische Arten: /snardia palustris, Elatine Alsinastrum, E. hexandra, E. Hydropiper, E. triandra. Ranunculus reptans, R. sceleratus, Oenanthe fistulosa, 0. aquatica, Veronica Anagallis, Calla palustris, Pota- mogeton obtusifolius, Sparganium simplex. Diese Formation zerfällt in zwei Unterformationen: 19a. Torfsümpfe. In geschlossenen Gewässern oder in Gewässern mit träger Wassererneuerung; über torfigem oder bituminösem Grunde; Wasser mit Moorsäuren geschwängert. — Torf- tümpel, torfige Gräben. "Drosera intermedia, Utricularia Bremüi, U. inter- media, U. minor, U. vulgaris, Lysimachia thyrsiflora, Die Pflanzenformationen in Hessen und Nassau. 43 Sparganium minimum, Potamogeton polygonifolius, Carex stricta, C. filiformis. 19b. Quellsümpfe. In fliessenden oder anderen Gewässern mit lebhafter Wassererneuerung; über steinigem oder sandigem Grunde; Wasser nicht mit Moorsäuren geschwängert. — In Quellen, schnell fliessenden Gräben, seichten Bächen, Rinnsalen und klaren Weihern. Epilobium Lamyi, Chrysosplenium alternifolium, Chr. oppositifolium, Stellaria wliginosa, Nasturtium officinale, Cardamine amara, Helosciadium inundatıum, Berula angustifolia, Scrofularia umbrosa, Veronica Beccabunga, Potamogeton pusillus. 20. Riede. Vegetation von hochwüchsigen Rohr- und Schilf- gewächsen beherrscht; meist die Randzone stehender oder schwach bewegtes Gewässer einnehmend. Charakteristische Arten: Ranunculus Lingua, Iris Pseud-Acorus, Typha latifolia, T. angustifolia, Spar- ganium vamosum, Acorus Calamus, Bultomus tm- bellatus, Sceirpus lacustris, Sc. marilimus, Carex riparia, Phalaris arundinacea, Phragmitis commumnis, Glyceria aquatica, Equisetum limosum. XII. Grundfläche dauernd mit Wasser bedeckt; Wasserbedeckung tief; Vegetation fast nur aus echten („untergetauchten“) Wasserpflanzen bestehend; mit reicher Algenflora. 21. Fliessende Gewässer. Bestände von fluthenden, meist zugfest gebauten Wasserpflanzen; unverankerte Schwimmpflanzen fehlen. — In der Strömung von Flüssen und Bächen, in Mühl- gräben. Charakteristische Arten: Callitriche hamulalta, Montia rivularis, Batrachium fluitans, Potamogeton fluitans, P. pectinatus. AA M. Zeiske. 21b. Ueberfluthete Felsen und Blöcke. Moosbestände auf vom Wasser bespülten Felsen. — Bachgeröll, nasse Felsen an und in Bächen, überfluthete Felsplatten, im Sprühregen der Wasserfälle, an Mühl- wehren. Besonders im höheren Gebirge. 22. Stehende Gewässer. Bestände von freien und angewachsenen Wasser- pflanzen. — In stehenden oder schwachbewegten Gre- wässern oder Gewässertheilen. Charakteristische Arten: Trapa natans, Hippuris vulgaris, Ceratophyllum submersum, C. demersum, Nymphaea alba, Nuphar luteum, Batrachium aquatıle, B. divaricatum, Limnanthemum nymphaeoides, Hottonia palustris, Polygonum amphibium, Lemma gibba, L. minor, L. polyrrhiza, L. trisulca, Potamogeton malans, P. lucens, P. acutifolius, Stratiotes aloides, Hydrocharis Morsus ranae, Alisma Plantago, A. parnassifolium. dus Dr. Möhring. 45 Veber den jetzigen Stand der Rönigenstrahlen. Vortrag mit Demonstrationen, gehalten von Dr. Möhring. (Eigenbericht.) Nach einigen einleitenden Worten, worin besonders ‚der verbreiteten Ansicht entgegengetreten wurde, dass der berühmte Forscher seine grosse Entdeckung einem Zufall 'verdanke, während ihm doch nur ein Zufall über die letzte kleine Strecke auf dem Wege zu dem von ihm und andern längst gesuchten Ziele hinweghalf, wurde zunächst ein Ueberblick über die zur Erzeugung der Röntgenstrahlen ‘erforderlichen technischen Einrichtungen gegeben, ins- besondere sodann des eigentlichsten Bestandtheiles, der Vakuumröhren, näher gedacht, und schliesslich die Leistungsfähigkeit der Röntgenstrahlen überhaupt und ihre praktische Verwendbarkeit in der Heilkunde besprochen. Daran schlossen sich die Demonstrationen. Die Röntgenstrahlen entstehen, wenn überaus hoch- gespannte elektrische Entladungen durch luftleere Glas- röhren geleitet werden und hierbei auf gewisse Stoffe auf- treffen, von denen sie reflektirt werden. Am besten eignet sich hierzu das Platin. Die erforderlichen hohen Spann- ungen werden auf dem Wege der Induktion hergestellt. Die dazu gehörigen Induktorien sind zur Herstellung der Röntgenstrahlen von besonderer Grösse mit besonders ‚guter Isolirung hergestellt worden. Neben den Induktorien ist eines der wichtigsten Bestandtheile der Unterbrecher. Die alten Hammerunterbrecher aller Art sind hierbei ver- lassen und die Motorunterbrecher, bei denen ein Platinstift ‚durch einen besonderen Motor aus- und eingetaucht wird, und der Turbinenunterbrecher, bei dem ein Quecksilber- ‚strahl gegen einen Kranz von Metallstücken geschleudert 46 Dr. Möhring. wird, behaupten das Feld. Neuerdings ist noch der sog. elektrolytische Unterbrecher von Dr. Wehnelt in Wett- bewerb getreten, der darauf beruht, dass beim Ablösen - eines Bläschens der zersetzten Flüssigkeit von der Elektrode eine Unterbrechung des Stromes eintritt. Dieser Unter- brecher ermöglicht eine ungeheuere Schnelligkeit der Unter- brechung von 800.und mehr in der Sekunde und ee Strahlen von grösster Intensität. 5 Der dritte Hauptbestandtheil sind die Vakuumröhren. Dies sind Glasröhren von allerlei Formen. Die am meisten bewährte Form ist eine Kugel mit zwei röhrenförmigen Ausläufern, deren kürzerer die Anode, der längere die Kathode aufnimmt. Im Mittelpunkt der Kugel am Ende eines Metallstiftes steht der Platinspiegel, der die von der Kathode ausstrahlenden Kathodenstrahlen auffängst und. sie als X oder Röntgenstrahlen wieder von sich giebt. Die: physikalische Natur der Röntgenstrahlen sei nur ganz kurz. gestreift, da sie noch durchaus nicht klar ist. Wir wissen nur, dass sie nicht dem Gesetze der Licht- und Wärme-- strahlen folgen, dass sie nicht reflektir- und brechbar sind, nicht durch die Magnete ablenkbar sind und im Spektrum wahrscheinlich jenseits der ultravioletten Strahlen liegen. Die Besonderheit dieser Strahlen leitet uns nun zum zweiten Theil unserer Besprechung über, zur Durchdring- barkeit der Stoffe, die sonst als undurchsichtig gelten. Wir können uns vorstellen, dass eben, weil die Strahlen nicht den Gesetzen des Lichtes unterliegen, nicht gebrochen und reflektirt werden, sind sie im Stande, für’s Licht un- durchlässige Körper zu durchdringen und nachdem es ge- lungen ist, den Erfolg des Durchdringens für unser Auge sichtbar zu machen, da unser Auge ja nicht empfänglich ist für die X-Strahlen, konnte ihre Fähigkeit praktisch verwendet werden. Wir müssen wieder daran erinnern, dass die X-Strahlen aber keine Lichtstrahlen sind, sondern chemische Strahlen, dass wir also auch nicht im gewöhn- lichen Sinne sie sehen können, sondern nur auf dem Um- wege ihrer chemischen Wirkungen ihre Durchdringungs- Ueber den jetzigen Stand der Röntgenstrahlen. AT fähigkeit uns sichtbar machen und das geschieht mit Hülfe der Photographie und der Fluoreszenz. Um bei letzteren noch einen Augenblick zu verweilen, so sei daran erinnert, dass die Fluoreszens zur Entdeckung der X-Strahlen führte. Ein chemischer Stoff, das Bariumplatineyanür, befand sich in dem Experimentirraum, und trotzdem die lichtspendende Röhre luftdicht eingehüllt war, fluoreszirte das B. Daraus schloss der Forscher, dass also Strahlen die luftdichte Um- hüllung durchdringen müssten, er prüfte mittels der photo- graphischen Platte nach und die grosse Entdeckung war gesichert. Die Stärke der Durchdringungsfähigkeit ist ziemlich unbegrenzt, selbst Metalle werden in ziemlich beträchtlicher Dicke noch durchdrungen, Bleche ziemlich leicht. Aus der Reihe sei nur erwähnt, dass z. B. Glas sehr weit zurücksteht, sodass manche Glassorten, insbesondere die bleihaltisen, nur schwer durchdrungen werden, während Holz fast gar keinen Widerstand bietet, Fett und Blut wieder sehr viel. Zum rechten Verständniss der Leistungsfähigkeit der Durchleuchtungen muss man sich immer klar machen, dass es sich nicht um ein Hineinsehen in die Körper, sondern um ein Durchleuchten, um ein Wahrnehmen von Schattenbildern handelt. Man wird also immer nur die durchlässigen Gewebe von den weniger durchlässigen sich abheben sehen und da soviel Schichten und Verschieden- heiten aufeinander perzipirt sehen, als der durchleuchtete (regenstand enthält. Darin, und nicht in der Stärke der Durchdringungskraft, liegt die Grenze der Leistungsfähig- keit des Verfahrens. Man denke sich, dass man ein ein- seitig bedrucktes Blatt von der Rückseite gegen das Licht gehalten, durchlesen kann. Sobald man aber nun zwei Schichten übereinander legt, stört schon eine Schrift die andere so sehr, dass man kaum noch lesen kann trotz deutlichen Lichtdurchscheines. So stört eine Schicht des durchleuchteten Gegenstandes die andere bei dicken mit verschiedenartig differenzirten Theilen angefüllten Körpern. 48 Dr. Möhring. Auf die Anwendung in der Heilkunde übertragen, bedeutet dies: Wir sehen zunächst nur die schwerer zu- durchleuchtenden Körperbestandtheile, insbesondere also die Knochen, deutlich. Die übrigen Gewebsarten unter- scheiden sich zwar auch oft noch in ihrer Schattendichtig- keit, aber bereits stören sich die vielen Schichten so er- heblich, dass von Feinheiten in der Erkennung nicht mehr die Rede sein kann. Wir durchleuchten aber nicht mikroskopische Schnitte, sondern die ganze Dicke. Trotzdem ist der praktische Nutzen noch sehr erheb- lich. Von unschätzbarem Werth ist die Durchleuchtung tür Erkennung und genaue Einrichtung der Knochen- verletzungen; eine Reihe ungeahnter Verletzungen sind jetzt erst bekannt geworden und die Heilergebnisse werden wesentlich gefördert. Ferner zur Aufsuchung und Ent- fernung von Fremdkörpern leistet die Röntgenuntersuchung Glänzendes. Weniger brauchbar ist sie bei Knochen- und Gelenkerkrankungen, weil eben die gesunden Schichten oft die kranken überdecken und Gesundheit vortäuschen, wo keine ist, während das positive Bildergebniss natürlich beweisend ist. Noch weniger hat die innere Medizin ge- wonnen, obwohl einzelne Formen der Lungenerkrankung nachweisbar sind, so zeigen uns die X-Strahlen nichts, was nicht andere Untersuchungsarten schon vermögen. Die Vorführungen bestanden neben der Erläuterung der einzelnen Theile in Durchleuchtungen von Metallblechen, Holztheilen, von Kästen, die mit allerlei Gegenständen angefüllt waren, wodurch die Verwirrtheit des Bildes durch die sich deckenden Formen trotz hellster Durch- leuchtung gut zur Vorstellung gelangte, und von Körper- theilen, wobei die Knochen auf das deutlichste sichtbar wurden und bei einem Zuhörer in der Hand einige ge- ahnte, aber nicht erwiesene Granatsplitter aus dem französischen Kriege überraschend deutlich vor Augen gestellt wurden. .Er. Döhle. 49: Pyrit, Sehwefelkies Fe$0”. Vortrag, gehalten von Apotheker Fr. Döhle. (Eigenbericht.) Der Pyrit gehört zu einer der in der Natur am häufigsten vorkommenden Verbindungen. Er krystallisirt in gelben, messingglänzenden Würfeln oder davon ab- geleiteten Formen. Er ist nicht magnetisch, hat das speeifische Gewicht von 5,0, d. h. er ist 5 Mal schwerer als Wasser und ritzt Glas. Das sind kurz seine bekannten Eigenschaften. Zersetzung: a) Am Hammer Am Hammer giebt er Funken. Hierbei verbrennen die glühend gewordenen Erzpartikelchen theilweise unter Auftreten des bekannten Geruchs nach verbrennendem Schwefel zu Eisenoxyd und schwefliger Säure. 2 FeS? + x 0= Fe? 03 —+ 450°. b) An feuchter Luft. Der Pyrit hat leider für den Sammler die höchst unangenehme Eigenschaft, sich an feuchter Luft zu zersetzen, und zwar unter Aufnahme von SMauerstoff und Hydratwasser in Eisenvitriol und Schwefelsäure. Fe® -+xX0-+ H?0O = Fe SO*-- H? SO#. Bei diesem Prozess tritt Volumenvermehrung ein, wodurch die Stücke rissig werden und auseinandertreiben. Man nennt diese Eigenschaft das Vitriolisiren. Es bilden. sich an den Stücken Beschläge von Salzen. Diese schmecken scharf salzig. 50 Fr. Döhle. Die Pyrite kommen als accessorische Gemengtheile in den Gesteinen aller geologischen Formationen vor; sie finden sich z. B. im Quarzit, Talkschiefer, Syenit, Gabbro Grneiss, Glimmerschieter, Marmor etc. Ich habe die Beob- achtung gemacht, dass die auf diesen Gliedern der ältesten Formationen, sowie auf devonischen Spateisen- stein, also auf festen Gesteinen, aufsitzenden Individuen der Zersetzung fast gar nicht unterworfen sind, oder höchstens oberflächlich rosten, während die Pyrite aus dem Richelsdorfer Zechstein, aus der Kohle, aus der Kreide und in tertiären Thonen, also in lockerem Material, nur durch vollständigen Abschluss gegen Luft und Feuchtig- keit vor gänzlichem Zerfall bewahrt werden können. Eine solche Einrichtung habe ich hier in einem Exsiccator getroffen, wo einige typische Vertreter über wasserfreiem Stassfurter Salz (geschmolzenes Chlorcaleium) trocken gehalten werden. Da bei der Zersetzung von Pyriten Wärme frei wird, so beruht wahrscheinlich die Selbstentzündlichkeit mancher Steinkohlenlager auf der Zersetzung von Pyriten. Dies Vitriolisiren geht natürlich in grossem Maassstabe in der Erde vor sich, wo durch sauerstoffhaltiges Wasser der Schwefelkies in Vitriol verwandelt und fortgeführt wird, und hierdurch der Ausgangspunkt zu einer ganzen Reihe anderer hydrochemischer Prozesse gebildet wird, nämlich zur Umsetzung des in Lösung befindlichen Vitriols (schwefel- sauren Eisenoxyd) durch Carbonate in kohlensaures Eisen (Spateisenstein), wobei Gips als secundäres Produkt ent- steht und weiter Ueberführung des Spateisensteins in Brauneisenstein durch Austreibung der Kohlensäure aus demselben durch sauerstoffhaltiges Wasser. c) Entstehung. Ich komme nun auf die Ent- stehung der Schwefelkiese. Ganz allgemein ausgedrückt, entsteht Schwefelkies durch Einwirkung von Schwefel- wasserstoffgas oder schwefelstoffhaltigen Wässern auf Eisen- lösungen, gleichgültig, ob diese gelöste Eisen-Silicate oder aß | SE Zr A Li 5 A a ia m Pyrit. 51 Carbonate oder aus der Verwitterung von Pyriten her- rührende Sulfate sind. Die Entstehung dieser Schwefel- wasserstoffe scheint jedoch in allen Fällen organischer Natur zu sein und von in Fäulniss begriffenen vege- tabilischen oder thierischen Substanzen herzurühren. Je nachdem die Bildung auf Klüften und Hohi- räumen (Spalten), oder in Tümpeln am Grunde stehender Gewässer vor sich geht, resultiren daraus besondere Formen. Auf Klüften und Gangspalten tritt der entstehende Pyrit mehr stalaktitisch auf, vorzüglich die Wände und Hohlräume überkleidend, mit allen für einen echten Sinter charakteristischen Eigenschaften. Es sind dies vor allem nadelartige, zapfenförmige oder runzlig-wülstige Bildungen, denen man ihre Entstehung durch Verdunstung aus wässrigen Lösungen genau ansieht. Hierher gehören die Richelsdorfer stalaktitischen Pyrite, von denen ich Ihnen ein Exemplar mit einem Hohlraum zeigen kann, was wohl am deutlichsten für Stalaktitenbildung spricht. Man kann ferner an denselben, genau wie bei den Kalkstalaktiten, die verschieden gefärbten Bänder und einzelnen Lagen sehen, die senkrecht zur Wachsthumrichtung des Krystall- individuum liegen. Diese Pyrite haben sich bestimmt bei flotter Wasserbewegung gebildet, während z. B. die auf Klüften des devonischen Spateisensteins oder der Quarz- gänge des Kulmschiefer entstandenen Krystall-Pyrite bei sehr langsamer Wasserbewegung erfolgt sind. Jedoch kommen auch Bildungen gemischter Natur vor, wo auf Stalaktit-Pyriten von Adorf eine Menge kleiner, gut aus- gebildeter Krystalle liegen. Die knollige und kugelige Form aus der Kreide, den miocänen Thonen von Grossalmerode scheinen mir in lang- sam fliessenden Gewässern oder stehenden Lachen erfolgt zu sein, welche die Thone als Fluss trübe absetzten und durch Verdunsten ihren Eisengehalt allmälis anreicherten, was soweit gehen konnte, dass die Thone gelb, also eisen- schüssig wurden. 52 Dr. Döhle. Die in Grossalmerode vorkommende Lettenkohle und die Kohlenlager am Hirschberg lassen es sehr wahrschein- lich erscheinen, dass die Quelle des Schwefelwasserstoff- gases, wenn auch nicht ausschliesslich, so doch grossen-. theils pflanzlicher Natur gewesen sei, da wir es hier mit einer tropischen Morast- und Sumpfbildung zu thun haben. In diese eisenhaltigen Wasserlachen drangen von unten her Blasen von Schwefelwasserstoff, der sich nun allmälig aus dem zähen Schlamm des Lachengrundes, der jetzigen Lettenkohle loslösend, schon am Boden seine Wirkungen auf das eisenhaltige Wasser ausübte und durch sein stetiges Aufsteigen an ein und derselben Stelle die Knollen- und Kugelbildung zeitigte.e. Durch Anreicherung an Schwefelwasserstoff in der Nachbarschaft der Knolle tritt meist noch die Krystallbildung an den Knollen selbst ein, die geradezu eine riesige Grösse erlangen konnte. Im anderen Falle. wo die Schwefelwasserstoffquelle rein thierischer Natur war, ist die Erklärung sehr einfach, indem uns zahlreiche Ammoniten Orthoverotiten u. s. w. in ihrer Form sehr gut erhalten als Pyrit überliefert worden sind. Das bei seinem Fallen in den Schlamm ge- sunkene Thier drückte zunächst im Schlamm, gleichsiltig, ob dasselbe später zu Schiefer oder Kalkstein oder Mergel wurde, seine Gestalt und Form bis in die kleinsten Einzel- heiten der Zeichnung ab. Der Schlamm verfestigte sich, bewahrte die Form und bei eintretender Fäulniss der Thiere wurde nach Auflösung der Kalkschaale alles fest- gehalten und das mit dem Sickerwasser den Hohlraum auf- suchende Eisen im Hohlraum des Thieres in Schwefelkies verwandelt. Das Thier wurde verkiesst, wie man geo- logisch sagt. Ich könnte Ihnen hier eine ganze Reihe von derartigen verkiesten Petrefakten zeigen. Als Einen für Viele habe ich Ihnen einen schönen Ammonites Parkinsoni mitgebracht aus dem oberen Dogger von Rothenfelde. Häufig hat der Fäulnissprozess seiner Zeit aber die umliegenden Gesteinselemente, Mergel, Thon, Kalkstein, le Pyrit. 53 durchdrungen. Alsdann wird auch ein kleiner Umkreis des Thieres wolkenartig oder erdig mit Schwefelkies imprägnirt. Dieser schwefelkiesreiche Schlamm setzt sich fest auf die aus reinem Pyrit bestehende Pseudoschaale des Petrefakts, das an Deutlichkeit leidet und erst mühsam präparirt werden muss, um erkannt zu werden. Hierzu zwei Ammoniten aus dem Lias. Ich möchte hier nicht versäumen, auch einige Dendriten aus Pyrit herum zu geben. Ihre Bildungs zwischen Schieferplatten und Kulm ist dieselbe wie durch Einwirkung von Schwefelwasserstoff auf Eisenlösungen. ayi Dr. med. L. Weber. Insekten als Schmarotzer und Krankheitserreger bezw. Verbreiter bei Menschen und höheren Thieren. Vortrag gehalten im Verein für Naturkunde am 8. Januar 1900 von Dr. med. L. Weber. Die unerschöpfliche Formenverschiedenheit, die ver- schiedenartigste Lebensweise, die Beweglichkeit, welche den Insekten zukommt, die rasche Vermehrung und das zeitweise massenhafte Auftreten einzelner Formen bringen es mit sich, dass die Insekten den grössten Einfluss auf die umgebende Mitwelt ausüben. „Unter allen von ani- malischen Wesen ausgehenden und ausgeübten Wirkungen gibt es keine verbreitetere, keine vielseitigere, keine in alle Verhältnisse des terrestrischen Lebens tiefer eingreifende, als die der Insekten“ sagt Graber. Je mehr wir uns in das Studium der Biologie der Insekten vertiefen, um so mehr „neue Gesichtspunkte, neue Probleme und Ent- hüllungen“ werden zu Tage gefördert werden, besonders wenn es sich um Beziehungen der Insekten zu unserer eignen Person, zur menschlichen Kultur und Hygiene in in intensiv praktischem Sinne handelt. Noch lange nicht genügend gewürdigt ist z. B. die reinigende Wirkung, welche Larven von Käfern, Netzflüglern, Stechmücken und anderer Fliegen in unseren Gewässern ausüben, eine Einwirkung, welche schon Reaumur durch seinen be- kannten Versuch bestätigte. Von zwei Kübeln, deren einer Wasser mit Kerbthieren enthielt, der andere frei von solchen war, wurde der Inhalt des einen, keine ent- haltenden, bald stinkend, während der andere frisch blieb. Bei der Frage der sog. Selbstreinigung der Flüsse, das ee ur, Insekten als Schmarotzer und Krankheitserreger etc. 55 heisst der Unschädlichmachung in das Wasser gelangender organischer Verunreinigungen, spielen neben den ge- wöhnlich in den Lehrbüchern der Hygiene angeführten Momenten sicher die Insekten und ihre Entwickelungs- stadien eine grössere Rolle, als man gemeinhin annimmt. Würden wir die Lebensweise vieler Schädlinge unserer Kulturgewächse und vor Allem deren Beziehungen zu anderen Lebewesen genauer kennen, so würden wir vielleicht deren Verheerungen nicht so machtlos gegen- über stehen. Das allgemeine Interesse regt sich gewöhn- lich erst dann, wenn wie bei den Verheerungen der Phylloxera, der Nonne, der Nationalwohlstand arg ge- schädigt wird, während andererseits eine übertriebene Furcht vor der Thätigkeit anderer Schädlinge, wie Coloradokäfer, San Joseschildlaus die Gemüther beherrscht, und manche der gegen dieselben ergriffenen Massregeln bei Fachentomologen einiges Staunen hervorrufen. So wie wir aber in dem Studium der niedersten Lebewesen und der Erkenntniss ihrer Beziehungen als Krankheits- 'erreger zum Menschen am Ende des vorigen Jahrhunderts schon weit vorgedrungen sind, so hoffen wir auch, dass das neue Jahrhundert auch in dem Studium der Insekten noch vieles Neue bringen wird. Gerade die Insekten sind ın Bezug auf die Rolle, die sie bei der Uebertragung von Krankheitskeimen spielen, durch die neuesten Ent- deckungen der Italiener Grassi und Bignami, denen sich auch R. Koch angeschlossen hat, bei allen Kulturstaaten in den Vordergrund getreten, da es sich um den Kampf gegen eine der schwersten Geisseln der Menschheit in warmen Ländern, die Malaria, handelt. Seitdem Deutsch- land in die Reihe der Kolonialmächte getreten ist, ist dieser Kampf für uns speziell ein aktueller geworden, da in manchen Gegenden, wie in Neuguinea, das Empor- blühen des Kolonialbesitzes geradezu von der erfolg- reichen Bekämpfung der Malaria abhängt. Wenn ich versuche, Ihnen heute eine kurze zusammen- stellende Skizzirung der direkt als Schädlinge mit unserer 4% 56 Dr. med. L. Weber. eignen Person bezw. mit einigen höheren Thieren in Be- rührung kommenden Insektenformen zu geben, so würde ich für die Möglichkeit einer Schädigung unseres Körpers durch Insekten folgende Eintheilung vorschlagen. Ein- mal handelt es sich um rein zufällige Beschädigungen, ohne dass das Insekt eine beabsichtigte Wirkung ausübt. Zweitens würde es sich um Schädigungen handeln in Folge aktiven Eingriffs auf den Menschen zwecks Nahrungs- aufnahme. In beiden der gedachten Fälle ist noch eine sekundäre Uebertragung schädlicher Krankheitskeime ausserdem möglich. Drittens wären die Insekten als eigentliche Parasiten zu erwähnen und endlich der von den Insekten produzirten Gifte, welche vom Menschen selbst verwendet werden, zu gedenken. Um eine direkte mechanische Schädigung Art handelt es sich, wenn Jemand eine Wespe mit dem Getränk schluckt oder eine Forficula als Schlupfwinkel sich in den Gehörgang eines schlafenden Menschen ver- irrt und dort einen Reizzustand hervorruft*). Kleine Mücken, auch T7hripsarten, dringen öfters in die Augen- bindehaut, die Nasengänge, die Gehörgänge. Im Con- junctivalsacke des Auges finden sich häufig die niedrig über dem Boden massenhaft schwärmenden kleinen Staphy- linen, besonders Oxytelus, dessen scharfgeränderte Flügel- decken dort bis zur Entfernung entzündliche Prozesse bewirken **). Ebenso häufig sind die Insulte, welche den Körper treffen in Folge von Anwendung von Vertheidigungs- mitteln Seitens der Insekten. Bindehautentzündungen, *, Zu den rein zufälligen Eindringlingen müssen wir auch Käferlarven zählen, wie nach älteren Nachrichten solche von Blaps mortisaga, Agrypnus murinus in Stuhlgängen sich fanden. Blan- chard fand sogar die Larven eines Oerambyciden, Ergates faber, in den Nasengängen eines Dromedars. Vermuthlich sind diese beim Wühlen nach Nahrung aus Baummulm dorthin gelangt. **) Als Kuriosum führe ich den Fall an, wo ein Käfer, Phyllo- pertha horticola, über 3 Jahre im Ohre als Fremdkörper bei einer Dame gelegen hat. Insekten als Schmarotzer und Krankheitserreger etc. 57 chronische Hautausschläge sind die Folgen der Be- rührung mit Haaren gewisser Raupen, so von Cnetho- campa processionea und verwandter Arten, von Bären- raupen, EZuprepia. Das Nesseln und Brennen der Haare dieser Thiere hängt mit Giftdrüsen derselben zusammen. Die zu den Brennhaaren gehörigen Giftdrüsen sind nach Keller birn- oder traubenförmig und vielzellig. Es kommen etwa 30 auf einen Quadratmillimeter, 5000 auf die ganze Raupe. Goossens dagegen behauptet, dass der. Giftstoff von den BRückenwarzendrüssen in flüssiger Form ausgeschieden wird, an der Luft erstarrt und so durch Berührung oder als Staub durch die Luft über- tragen wird. Sehr häufige Insulte stellen die Striche der aculeaten Hymenopteren vor. Der Stachel dieser Thiere dient nicht» wie der Legestachel der Zchneumoniden und Geradflügler zur Fortleitung der Eier, sondern nur zum Stechen und Ausspritzen des Giftes®”). Das Gift bei Ameisen, Bienen und Wespen besteht aus zwei Stoffen, Ameisensäure und einem weisslichen, fettigen, bitteren Rückstande im Sekrete des Giftapparates. Die ätzend wirkende Ameisen- säure ist der eigentlich wirksame Giftstoff. Das Gift der Bienen ist ein auf die Gefässnerven lähmend wirkendes. Einfache Erytheme, Quaddeln bis zur unförmlichen An- schwellung ganzer Gliedmaassen sieht man als Folge des Stiches, selbst Todesfälle in Folge von Herzlähmung kommen vor. Eigenthümlich erscheint die Immunität mancher Menschen, die auch als Folge wiederholter Stiche angegeben wird. Sehr intensive Wirkungen entfalten auch die Stiche einiger Wasserwanzen (Ranatra).. Von einer westindischen Wanze, ARedwuvius serratus, erhielt Davis einen „elektrischen“ Schlag, der ihn bis in die Schulter erschütterte.e Dagegen haben die fabelhaften Mittheilungen über die Vergiftungserscheinungen durch *) Kolbe, Einführung in die Kenntniss der Insekten. p. 619. 58 Dr, med, L. Weber. Stiche der sog. Kusswanze (Kissing bug), welche in Nordamerika 1899 Hunderte von Menschen befallen haben sollten, sich nachträglich als Humbug erwiesen. Sogar die Regierung in Washington nahm sich der Sache an, da man Melanolestes picipes als Urheberin beschul- dıgte. Von allen den bei der eingesetzten Kommission eingelieferten Uebelthätern war indess keiner eine Melano- lestes. Zu Vertheidigungszwecken dienen auch die scharfen Absonderungen aus dem Munde von Käfern. Der sog. giftige Geifer von Laufkäfern ist jedoch kein Speichel, sondern Mageninhalt, da die Laufkäfer der eigentlichen Speicheldrüsen entbehren. Gelegentlich ist eine Ab- sonderung einmal in das Auge gekommen und hat Reiz- erscheinungen verursacht. Weit wichtigere Folgen als die reinen direkten, zu- fälligen Schädigungen bringen die mittelbar durch die Insekten gelegentlich verursachten Verschleppungen von Krankheitskeimen mit sich. Hier sind es vorzugsweise die flüchtigsten Insekten, die Fliegen, welche unbeabsichtigt die grössten Schäden anzurichten im Stande sind. Wo Zersetzung organischer Stoffe bei geringem Luftwechsel vor sich geht, da stellen sich Fliegen ein, um theils Nahrung aufzunehmen, theils um Eier abzu- legen. In erster Linie geht die Fliege darauf aus Fäulnissstoffe zu vernichten, durch ihre Beweglichkeit wird sie andererseits befähigt Krankheitskeime, welche am Saugrüssel, Fresswerkzeugen, Füssen und am Leibe haften, aus Auswurf, Eiter und Exkrementen mechanisch z. B. auf die menschlichen Nahrungsmittel zu ver- schleppen. G. Marpmann’s Verdienst ist, es auf diese Punkte zuerst Öffentlich aufmerksam gemacht zu haben. Der Fliege kommt also in der Krankenstube die Rolle der unsauberen Krankenwärterin zu, die, was sie auf der einen Seite gut macht, auf der anderen Seite verdirbt. Dabei ist das feine Geruchsvermögen bewundernswerth. Fäulnissprozesse im Innern des Körpers diagnostizirt die 4.35 Insekten als Schmarotzer und Krankheitserreger etc. 59 Fliege leichter, als der Mensch. Ich habe mehrfach neben Kranke, die an den verschiedensten Fäulnissprozessen in Darm, Lungen u. s. w. litten, Teller mit Fliegenpapier gestellt, und die Zahl der gefangenen Fliegen mit der auf Tellern, welche bei anderen nicht an putriden Pro- zessen leidenden Kranken standen, verglichen und dabei jedesmal, selbst da, wo uns unser Geruchsorgan absolut in der Diagnose im Stich liess, durch die Anzahl der ge- tödteten Exemplare die Anziehungskraft, welche die Fäulnissmaterie ausübte, feststellen können. Das Vor- handensein von virulenten Typhusbacillen, Tuberkelbacillen, Milzbrandbacillen, Staphylococcus pyogenes aureus in Darm und Exkrementen von Fliegen wurde durch Alessi*) nachgewiesen. Spillmann und Haushalter**) machten ebenfalls Beobachtungen über die Verbreitung des Tuberkel- baeillus durch die Fliegen. Yersin, der Erfinder des Pestserums, behauptete 1894 die Möglichkeit der Ueber- tragung der Pest durch Fliegen ***). Erwähnen wir endlich noch die Möglichkeit, dass Gemüse und ähnliche Nahrungsmittel durch Fliegen mit Eiern von Oxyuris, Trichocephalus, Taenien infizirt werden können, so leuchtet uns ohne Weiteres ein, dass die Fliege aus Kranken- stube und Küche verbannt werden muss. Daran ändert auch die Thatsache nichts, dass nach Marpmannf) die Virulenz der pathogenen, septischen Bakterien durch die Aufnahme in den Insektenkörper abgeschwächt werden soll. Bei der zufälligen, mittelbaren Schädigung des Menschen durch Insekten möchte ich nicht vergessen zu erwähnen, dass auch einmal gelegentlich eine Zchino- rhynchuslarve in den Magen eines Menschen, der den Maikäfer als Leckerbissen betrachtet, gelangen kann. *) Archiv. p. les scienc. med. 1888. Bd. 12. p. 279—292. **) Comptes rend. T. XV. p. 352-353. **=*) Auch Ameisen werden von den Pestbacillen infizirt und können als Infektionsträger dienen. 7) Centralbl. f. Bacteriologie. Bd. XXI. 1. Abth. 5. > 60 Dr. med. L. Weber. Wir kommen nun zu den Schädigungen, welche durch aktive Angriffe des Insekts zwecks Nahrungsaufnahme etc. verursacht werden. Hierher gehören erstens die reinen Mücken- und Fliegenstiche. Ich erwähne die Mücken, von denen nur die Weibchen stechen, die Tabaniden und Musciden. Von den Fliegen- mücken bildet die Kolumbatscher- Mücke, Simulia kolumbaczensis Sb., ungarisch: kolumbaczi tipoly, die bekannte Landplage in Südungarn, besonders im Banat. Die Tabaniden sind bei uns Pferden und Rindvieh schäd- lich, in Lappland eine Plage der Rennthiere.e. In Lapp- land sagt man, dass von 3 Jungen, welche die Häsin wirft, eins durch Kälte und eins durch die Fliegen eingeht. Von den Musciden wird uns die bekannte Stechfliege, Stomoxys calcitrans Geofir., deren Larve im Kothe lebt, an schwülen Sommertagen ungemein lästig. Andere Arten belästigen besonders das Rindvieh, so soll die Stomoxys mebulosa in Argentinien dem Vieh sehr schädlich sein. Ganz besonders eigenartige Erfahrungen mit Mücken- stichen machte Fere in Paris an sich selbst *). Beulen- artige Stellen, welche durch die Stiche im Juni 1898 an der rechten Hand entstanden waren, verschwanden erst nach einigen Wochen, während am kleinen Finger sich eine Beule vergrösserte und während zweier Monate im Juli und August in heisser Jahreszeit schmerzhaft blieb. In der Umgebung der Stelle blieb ein hartnäckig jucken- der Ring zurück. Im Juni 1899 wurde Fere an der anderen Hand gestochen und nun entwickelte sich an der neuen Stichstelle nicht nur eine charakteristische Beule, sondern auch die alten Knötchen schwollen wieder auf und waren ebenso schmerzhaft, wie der frische Stich. Es erinnert dieses Verhalten an das Aufschwellen und Jucken alter Furunkelnarben beim Auftreten frischer infektiöser Furunkel bei manchen Menschen. *) Ref. in der Wochenschrift: Insektenbörse. 1899. p. 183. re ! se Ta Tl no ie ©. Insekten als Schmarotzer und Krankheitserreger etc. 61 Kommt noch hinzu, dass, wie vielleicht auch in dem erwähnten Falle durch den Stich der angreifenden Fliege ein virulenter Keim zugleich übertragen wird, so ist die Schädigung eine doppelte Milzbrand, Lymphangitis und Sepsis können so zu Stande kommen. Sogar Gonococcen sollen durch Fliegenstich auf ein Auge übertragen worden sein®*). Auch die in Aegypten so ungemein zahlreichen und schweren Conjunktivitiden sind wahrscheinlich auf den Reiz, welchen die Fliegen ausüben, bezw. Uebertragung von Krankheitsstoffen, zurückzuführen. Prof. Coccius wies in seinem Colleg in den 70er Jahren auf das un- gemein häufige Auftreten von Trachom bei Zigeunern, welche mit Vorliebe in ausgetrockneten Flussläufen, unter Brücken nächtigten, wo viel Fliegen vorkommen, hin. In verschiedenen tropischen und subtropischen Ländern der östlichen Hemisphäre kommt im Spätsommer und Herbst eine umschriebene Hautentzündung mit ausserordentlich langsamen Verlauf endemisch vor. Aus einem Knötchen bildet sich ein mit einer Kruste bedecktes Geschwür, welches später vernarbt. Es handelt sich bei dieser unter dem Namen der Aleppobeule bekannten Affektion nach Lassar nicht immer um eine gleichartige, sondern durch die ver- schiedenartigsten Fliegenstiche und Uebertragungen er- zeugte Prozesse. Sog. Dasselbeulenepidemien kommen auch im Norden vor, von Spence auf den Shetlandsinseln, von Hoegh und Boek in verschiedenen Gegenden Norwegens beob- achtet. Es würden nunmehr die Stiche von Fliegen zu er- wähnen sein, wo das angreifende Thier einen Krankheits- keim überträgt in der Art, dass das Insekt den Zwischen- wirth für einen thierischen Organismus, der weiter schädigend einwirkt, darstellt. Wir betrachten zunächst die Tse-tsefliege, (rlossina morsitans Westwood, als hier- her gehörig. *) Unfallversicherungspraxis 1899. No. 18. 62 Dr. med. L. Weber. Diese Fliege findet sich häufig in gewissen Gegenden Afrikas, besonders in Abessinien. Sie hält sich an Flussläufen und Morasten auf, in der Ebene trifft man sie selten. Die Fliege sticht Rindvieh, Pferde, Kameele, in zweiter Linie Ziegen, Esel, Hunde. Menschen bringst. der Stich keinen Schaden. Beim Fluge lässt sie ein kurzes Summen hören, welches die Thiere, denen sie schadet, wohl kennen. Sie sticht nur am Tage, besonders an ge- witterschwülen Tagen, nicht in der Nacht, bei Mondschein und in der kalten Jahreszeit. Foa behauptet, dass der Stich Waldthieren, die sicher massenhaft gestochen werden, wie Elephanten, Büffeln, Zebras, Antilopen, Wildschweinen, Schakals, Wasserböcken, Gnu nicht schade, ebenso wie. saugenden Kälbern. Dass das Wild nicht getödtet wird durch die Stiche, mag wohl richtig sein, aber jedenfalls ist. ein infieirtes Wild krank und enthält im Blute den Träger der Infektion. Dafür spricht das Verschwinden der Tse-tse. an den Orten, wo sich der Wildstand verringert. So: findet sich die Tse-tse im Norden Transvaals, am Lim- popo etc. nicht mehr vor, wo dieselbe während des früheren Wildstands häufig war. Bruce fand bei seinen 1895 abgeschlossenen Versuchen, dass durch den Stich ein geisseltragender Blutparasit, Trypanosoma, ein Verwandter des Parasiten, welcher in Indien die Surra genannte Affektion hervorruft, übertragen wird. Dieser Blutparasit soll auch im Blute anderer wilder Thiere, man beschuldigt. besonders eine kleine Affenart, enthalten sein. Andere Fliegen ausser der Tse-tse, in deren Rüssel noch nach zwei Tagen, in deren Darm noch nach fünf Tagen sich lebhaft bewegende Trypanosomen gefunden wurden, über- tragen die Krankheit nicht. Gestochenes Vieh, mit Vor- liebe weisse Thiere, magern ab, halten sich in der trockenen Zeit öfters noch 4—5 Monate, gehen dann aber rasch ein, wenn der erste Regen fällt, wie mir noch vor Kurzem ein Transvaaler Farmer versicherte. | Während die Fliege aus den kultivirten Theilen Transvaals sich zurückgezogen hat, dringt sie am Niger Er Insekten als Schmarotzer und Krankheitserreger etc. 63 immer weiter in das Gebiet der englischen Kolonien ein, so dass der Pferdebestand im Gebiete von Lokoya voll- ständig vernichtet wurde. Eine Impfung mit einem Serum erwies sich als nutzlos, die geimpften Thiere gingen sogar noch eher ein, wie englische Blätter melden. R. Koch entdeckte die von den Zulu’s Nagana genannte Krankheit auch in Dar-es-Salaam, wo sie durch Vieh, welches in dem Thale des Ruafaflusses infizirt war, eingeschleppt war. So wie die Tse-tsefliege im Stande ist, einen thierischen Parasiten in das Blut von Thieren zu übertragen, so über- tragen die Mosquitos einen den Hämosporidien zugetheilten Parasiten auf den Menschen und rufen durch Infektion des Blutes die Malariaerkrankung hervor. Mehr und mehr gewinnen die Anfangs noch mehr oder weniger auf theoretische Erwägungen gestützten Behauptungen über die alleinige Uebertragbarkeit des Wechselfiebers durch Mücken an Wahrscheinlichkeit. Die gleiche geographische Verbreitung von Malaria und Mosquitos, das besonders häufige Auftreten von Malaria in Gegenden, wo diese Insekten sich in Massen zeigten, lenkte schon im Alter- thum die Aufmerksamkeit auf letztere als mögliche Zwischenträger der genannten Erkrankung. Warme Gegenden mit sumpfigem Terrain, wo vorzugsweise Reis- bau getrieben wird, in Europa die italienischen Malaria- distrikte, auch besonders die Gegend der Narentamündung in Dalmatien, wo ich mich 1897 von den einschlägigen Verhältnissen selbst überzeugte, ebenso die Niederungen auf Java, bieten in Beziehung auf das coincidirende Auf- treten von Mosquito- und Malariaerkrankungen gute Ge- legenheit. Nachdem die Entdeckung des Malariaparasiten, von dem mehrere Arten unterschieden werden, gelungen war, waren es besonders die italienischen Forscher Grassi, Bignami u. A., ferner Patrick Manson, Ross und in neuester Zeit auch R. Koch, welche der Frage der Uebertragungsfähigkeit des Parasiten durch Insekten näher treten. Fraglich ist es noch, ob nur die Stech- 64 Dr. med. L. Weber. mücken-Gattung Anopheles im Stande ist, die Infektion zu vermitteln oder ob dasselbe auch noch von einigen anderen Mücken geschehen kann. Schon im Jahre 1898 gelang es an einem malariafreien Orte einen Patienten mit dessen Einverständniss mit Stichen von Anopheles claviger, später im Januar 1899 auch von Anopheles pictus, mit positivem Erfolg zu infiziren und die Ent- wickelung der nun gut gekannten halbmondförmigen Parasiten im Mitteldarm des Insekts festzustellen. Grassi fand nach den Mittheilungen auf der Naturforscher- versammlung zu München Oktober 1899, dass die Häma- moeben, im menschlichen Blute sich ungeschlechtlich ver- mehren, dann durch Aufsaugen von Anopheles-Arten in deren Darm gelangen, wo eine Entwickelung von männ- lichen Elementen (Spermatoide) aus den halbmondförmigen Körpern und grösseren weiblichen Elementen (Ovoide) stattfindet. Nach stattgefundener Befruchtung entsteht eine gregarinenartige Form, innerhalb deren sich die jungen Sporozoiden bilden. Diese werden durch Platzen der Hülle frei und gelangen in die Gewebe der Schnacke, sammeln sich in den Speicheldrüsen und werden dann beim Stich wieder in das Blut des Menschen entleert, wo der Entwickelungscyklus von Neuem beginnt. Wasser und Luft sollen die Keime absterben lassen, was indess noch von anderer Seite bestritten wird. Zweifellos werden in Kürze, besonders durch die Untersuchungen von Koch in Malariagebieten Holländisch-Indiens und Deutsch-Neu- guineas weitere Stützpunkte für die Uebertragung der Malaria durch Insekten gewonnen werden. Fälle, wo das Insekt nur den Zwischenwirth für einen den Menschen befallenden Parasiten abgibt, sind schon länger bekannt. Wir wissen durch Manson, dass die Filaria Bancrofti Cobb. aus dem Blute Filariakranker in den Darm von Mücken gelangen kann, dort eine Reihe von Veränderungen durchmacht und schliesslich im Wasser, von wo aus die Infektion des Menschen erfolgt, ein reifes Stadium erreicht. Auch für 7aenien bilden Insekten den Insekten als Schmarotzer und Krankheitserreger etc. 65 Zwischenwirth, so findet sich die Finne von Tuenia dimi- nuta Rud. in einem kleinen Zünsler, Asopia farinalis L., in dessen Raupen- und Imasozustand, ferner in Käfern, Akis spinosa L. und Scaurus striatus Fabr., sowie einem Orthopteron. Für Taenia madagascariensis Davaine ver- muthet man als Zwischenwirth die Küchenschabe Peri- planeta orientalis L. oder americana L. Dass die Larve vom Zchinorrhynchus gigas Goeze im Maikäfer lebt, er- wähnte ich schon; weitere Zwischenwirthe vom Riesen- kratzer sind Celonia aurata L., der Goldkäfer und in Amerika eine zu der Scarabaeiden-Gattung Lachnosterna gehörige Art. Betrachten wir jetzt die Insekten als Schmarotzer im engeren Sinne, so finden wir beim Menschen tem- poräre, sowie stationäre Ektoparasiten und temporäre Entoparasiten vertreten. Ueber die Einwirkungen der temporären Ekto- parasiten, zu denen wir Floh und Wanze rechnen, kann ich mich wohl kurz fassen. Während der Floh für gewöhnlich nur periodisch beim Menschen zu finden ist, kann man bei unreinlichen Menschen auch Eier, Larven und Puppen antreffen. So fanden sich bei einer lange. an Schuppenflechte leidenden Frau auf und zwischen den Schuppen, selbst in den Kratzwunden lebende Flohlarven *). Nur durch sekundäre Verunreinigung können die Wunden, welche von dem Sandfloh, Sarcopsylla penetrans L., ge- setzt werden, schädlich werden. Dieses Insekt, welches aus Mittel- und Südamerika stammt, wurde 1872 an die Westküste Afrikas, speziell in die Oongogegend ver- schleppt und soll jetzt sogar in Ostafrika vorkommen. Nur die befruchteten Weibchen bohren sich mit dem Kopfe in die Haut, besonders am unbekleideten Fusse und verursachen durch kugelises Anschwellen des Leibes in Folge Reifens der Eier eine Geschwulst, welche *), R. Bergh, die Flohlarve als Pseudoparasit des Menschen. Monatsschr. f. prakt. Dermatol. 1885. No. 7. 66 Dr. med. L. Weber. gewöhnlich keine grössere Beschwerden macht und durch Entfernung des Parasiten leicht beseitigt wird. Durch massenhaftes Eindringen kann der Sandfloh für die Ein- geborenen zu einer rechten Plage werden. Während Tietin*) in Wanzen, die sich am Blute von Recurrens- kranken während des Anfalls vollgesaust hatten, noch nach Ablauf von 48 Stunden Spirochäten in grosser An- zahl fand und mit dem Blute einer Anzahl Wanzen einen Affen infiziren konnte, gelang es Nutall**) in keinem Falle mit Wanzen, welche er infizirte Thiere hatte stechen lassen, eine weitere Uebertragung der Infektionskeime zu - erreichen. Dass die Akten über die Möglichkeit der Ueber- tragung von Parasiten durch Flöhe noch nicht geschlossen sind, lehren die Beobachtungen von Lydia Rabino- witsch und Walter Kempnerf). Die Autoren studirten die zu Trypanosoma gestellten Blutparasiten der Ratte. Letztere sind verwandt, aber nicht identisch mit den durch Tse-tse übertragenen, bezw. den Surra-Parasiten. Es wurde konstatirt, dass, obwohl in Zupfpräparaten von Flöhen, welche auf mit T7rypanosoma inficirten Ratten gesessen hatten, keine Trypanosomen gefunden wurden, doch mit intraperitonealer Verimpfung von zer- zupften Flohkörpertheilen Ratten infizirt werden konnten. Ferner gelang es in einem Falle, wo einer nicht infizirten Ratte 20 Flöhe, von denen man annehmen konnte, dass sie trypanosomenhaltiges Blut infizirter Ratten gesaugt hatten, angesetzt wurden, dieselbe zu infiziren. Man wird desshalb nicht nur aus Sauberkeitsrück- sichten, sondern in gesundheitlich-prophylaktischer Hin- sicht gegen dies Ungeziefer ankämpfen müssen. Die Läuse, Pediculus capitis de Geer, vestimenti Burm. und Phthirius inguinalis Redi, von denen letztere *) Centralblatt f. Bakteriologie. Bd. XXI. p. 179. **) Oentralblatt f. Bakteriologie. Bd. XXIII. r) Zeitschrift f. Hygiene u. Infektionskrankheiten. Bd. XXX, 2,1803 pr 2B2e | 0 ww‘ ad Insekten als Schmarotzer und Krankheitserreger etc. 67 fast nur bei der kaukasischen Race vorkommen soll, re- präsentiren die stationären Ektoparasiten. Affek- tionen, wie die als Läusesucht früher bezeichneten, oder wie der Weichselzopf, wo durch Unsauberkeit dem Ein- nisten des Ungeziefers Vorschub geleistet wurde, und bei denen es sogar bis zu Geschwürsbildungen, in denen sich die Parasiten einnisteten, kam, dürften oder sollten wohl kaum noch vorkommen, jedenfalls zu den grössten Seltenheiten gehören. Commensalen, wozu die bei Säugethieren und Vögeln vorkommenden Orthopteren (Haarlinge, Trichodectes etc.) gehören, gibt es bei Menschen nicht. Dagegen stellen die Fliesen zu den temporären Entoparasiten ein grösseres Oontingent. Hierher ge- hören zunächst die im Unterhautbindegewebe von Rindern als Larve lebenden Bremsen, Oestriden, Hypoderma bovis Latr., sowie die bei Hirschen und NRehen vor- kommende Zypoderma Diana Brauer, welche gelegentlich auch beim Menschen beobachtet wurden. Dass die als Kriechkrankheit (Creeping disease, Hyponomoderma) be- zeichnete Affection durch die sonst im Nahrungskanal von Einhufern lebenden Larven von Gastrophilus equi E. hervorgerufen wird, erscheint indess unwahrscheinlich *). Ziachtversuche müssten erst die Art genauer feststellen. ‚Im Gebiete der Wolga soll eine Bremsfliege öfters an unbedeckten Hautstellen durch Eindringen der Larve bis 15 cm lange Gänge in der Epidermis erzeugen. Auch in Nase, Mund und unter die Augenbindehaut sollen die Larven eindringen. Im tropischen Amerika kommen an deren Stelle die Dermatobiaarten vor, besonders D. noscialis Goudot, deren Schilderung ich in Folgendem nach Scheube**) gebe. *) Kaposi, Sitzungsberichte der K.K. Gesellschaft der Aerzte in Wien 15./4. 1598 und Csokor ib. 22./4. 1898. **) Die Krankheiten der warmen Länder. Jena 1896. p. 343. 68 Dr. med. L. Weber. Die von derselben und verwandten Arten bewirkte Krankheit ist unter verschiedenen Namen bekannt. In Mexiko wird sie Verme moyocuil, in Costa Rica Torcel, in Neugranada Nuche und Gusana pelludo, in Cayenne Vermacaqui, in Brasilien Berne und Ura genannt. Die Fliege ist 14—17 mm lang und von grauer oder blauer Farbe. Sie legt ihre Eier besonders auf Rindvieh und Hunde, manchmal auch auf Menschen ab.. Letzteres wird namentlich in der Nähe grösserer Viehweiden beobachtet. Die von ihr bevorzugten Körperstellen sind Kopf und Rumpf. Die aus den Eiern hervorgehenden Larven, welche 3 cm lang, von weisslicher Farbe und keulen- förmiger Gestalt mit Häkchen und Dornen besetzt und ausserdem mit zwei starken Mundhaken ausgestattet sind, dringen in die Haut ein und rufen hier eine mehr oder weniger umschriebene furunkelartise Entzündung sog. Dasselbeule hervor. In der Mitte der Geschwulst bemerkt man eine kleine Oeffnung, durch welche eine sero-puru- lente Flüssigkeit gemischt mit schwarzen Partikeln (den Faeces der Larven) aussickert. Die Beschwerden der Kranken sind keine bedeutenden. Die Therapie besteht in mechanischer Erweiterung der Oeffnung der Beulen und Extraktion der Larven. Letztere werden auch durch Einreibungen mit Quecksilbersalbe oder Waschungen mit Ammoniak getödtet. Eine andere Art, Dermatobia cyaniventris Macquart, von welcher ich ein seltenes Präparat, Entwickelungs- stufen zeigend, hier vorlege, stammt aus Brasilien und ist in neuerer Zeit die Fliegenlarve ebenfalls beim Menschen beobachtet worden. Eine zu den Oestriden früher gestellte, von Blan- chard jedoch den Musciden zugeordnete Fliege, Ochromyia anthropophaga Blanchard, kommt in Senegambien vor (Larve: Ver de Cayor), legt ihre Eier in den Sand, wo sich die Larven entwickeln, auf Menschen, welche sich ın den Sand niederlegen, übergehen und ähnliche Geschwüre, wie die Oestriden, erzeugen. Insekten als Schmarotzer und Krankheitserreger etc. 69 Ob die in Persien vorkommende Mouche de sable hierher gehört, ist mir zweifelhaft; sie soll Urticaria er- zeugen und besonders Neuankömmlinge befallen. Relativ häufig sind Fälle von Fliegen, welche als Larven in den Magen und Darm, sowie die Schleimhaut von Nase u. s. w. gelangt sind und dort eine Zeitlang gelebt haben. Je nach der Lokalität, der Anzahl, der Dauer des Aufenthalts sind mehr oder minder schwere Affektionen durch sie hervorgerufen. Von den Syrrphiden ist es die ım Herbst an Fenstern, auf Blättern, Gesträuch und Hecken lebhaft umherlaufende Buckelfliege, Phora rufipes Meig., deren Larven in faulenden Kartoffeln und Aehnlichem leben und im Darm, wo sie über 24 Stunden leben können, schwere gastrische Erscheinungen ver- ursachen. Eine verwandte Art Phora incrassata Mg. lebt als Larve parasitisch in Bienenlarven. . Sehr viele Repräsentanten stellen die Musciden- larven, so Piophila casei L. aus altem Käse, die im Urin der Abtritte (nach Robineau-Desvoidy, Essay sur Myiodaires 1830) lebende Teöchomyza fusca Macqu., welche in Faeces und Erbrochenem beobachtet wurde. Verwandte Arten letzterer leben an salzhaltigen Wässern, in Salinen, in von Abflüssen von Schlachthäusern verunreinigter Salzlake. Die am häufigsten beobachteten Larven im Stuhl sind diejenigen von Anthomyia canicularis Meig. — scalaris Fabr., der Gruben- oder Stubenfliege. Die Larven im Gemüse und Kohl lebend rufen im Darm Störungen hervor, bis Erbrechen oder Durchfall erfolgt, ja es ist ein Fall bekannt, wo durch die beim Baden in einem Bach verschluckten Fliegenlarven eine chronische Enteritis pseudomembranacea erzeugt wurde Ich habe im Oktober 1892 bei einem vierjährigem Kinde, das an schweren gastrischen Erscheinungen litt, auf Calomel ca. 1/, Liter Larven dieser Art abgehen sehen. Andere sahen noch grössere Mengen. Wacker*) behandelte *) Aerztl. Intelligenzblatt, 1883 No. 11. 70 Dr. med. L. Weber. einen Bauernburschen, welche nach dem Gebrauche von Hunyädi Jänos und Santoninpillen über zwei Liter der Grubenfliege entleertee Hoffmann *) beob- achtete, dass ein magenkranker Mann durch Brech- akt viele hunderte lebender Larven entleerte. Neben Homalomyia incisurata Zetterstedt entwickelte sich A. canicularis aus Puppen. Fast ebenso häufig wie A. canicularis, findet man die Larven von Musca domestica L. = vomitoria L. in der Nase, Magen und Darm. [Hierher Fälle von Senator**), Lublinski***) u. A.], ja Krause?) erlebte sogar, dass epileptische Krämpfe reflektorisch durch das Vorhandensein von Larven von Musca vomitoria und A. canicularis ausgelöst wurden, welche später verschwanden, nachdem die Larven aus dem Darm entfernt waren. Eine sehr bösartige Fliege ist Zucilia macellaria F. = hominivorax Coqu., deren Verhalten ich nach Scheube’s Angaben ff) in Folgendem mittheile. Diese Fliege ist in Amerika, besonders in Mexiko, Venezuela, Guyana, Brasilien, Argentinien, Chile ein- heimisch. Die durch sie verursachte Affektion wird portu- giesisch als Bicheiro (von bicho = Wurm) bezeichnet. Wahrscheinlich gehört auch die in Indien unter dem Namen Peenash bekannte Affektion hierher. Depied beschrieb 1897 zwei Fälle vom Menschen in gebirgiger und relativ frischer Gegend Tonkin's. Ein ähnlicher Fall wurde daselbst auch beim Pferd beobachtet. Die Fliege legt ihre Eier in Wunden, Geschwüre, besonders bei Nasen und ÖOhreneiterungen von Thieren und Menschen, namentlich solchen, die schlafen oder im Alkoholrausch sind. Die lachsfarbenen Larven, welche *, Beitr. z. med. Zoolog.; Münch. med. Wochenschr. 1883. No. 13. *#*) Berl. klin. Wochenschr. 1890. No. 7. ***) Deutsche med. Wochenschr. 1886. p. 291. ) Deutsche med. Wochenschr. 1885. No. 44. jr) Soheube,l. c. p. 342. Insekten als Schmarotzer und Krankheitserreger etc. sat 14—15 mm lang werden und mit zwei mächtigen Mund- haken versehen sind, perforiren die Schleimhäute, heftige Entzündungsprozesse hervorrufend, greifen auch die Knorpel an und entblössen die Knochen vom Periost, so dass dieselben nekrotisch und schliesslich durch Eite- rung abgestossen werden. Es kann zu phlegmonösen Schwellungen kommen, Meningitis bei weiterem Vor- dringen von der Nase aus erzeugt werden, bei Ergriffen- sein des Gaumens Schling- und Athembeschwerden, bei den im Ohr sich entwickelnden Larven kann es zu Zer- störungen des Mittelohrs, Meningitis und intracraniellen Eiterungen kommen. Von 38 von Maillard zusammen- gestellten Fällen starben 21. — Behandlung mit anti- septischen Lösungen, Chloroforminhalation *), Stirnhöhlen- trepanation. Von anderen europäischen Zxcöliaarten wurde Zucilia nobilis Meig. von Meinert in Kopenhagen im Ohre eines Menschen, der sich nach dem Bad im Freien schlafen gelegt hatte, gefunden. Zucilia sericata soll in Holland öfters als Eindringling im Larvenzustand gefunden werden. Wiederholt fand man angeblich die Larven der gemeinen Sarcophaga carnaria Meig. in Nase, Augenbindehaut, Gehörgang, Präputium, Anus vagina, Geschwüren und Darm. Zuchtversuche, welche man nach Saj6**) stets anstellen sollte, was auch mit leichter Mühe geschehen kann, ergaben jedoch mehrfach Calliphora-Arten z. B. C. erythrocephala Mg., statt des erwarteten S. carnaria. Sarcophila Wohlfarti Portschinski wurde 1898 in Russ- land im Zahnfleisch eines Mannes beobachtet. Sie soll Zerstörungen anrichten, wie L. macellaria F. Zum Schlusse meiner Ausführungen, welche nur ein orientirendes Bild der Möglichkeit von Schädigungen geben sollten, die unserer Person von Seiten der Insekten zugefügt werden können, möchte ich noch kurz diejenigen *) Ich würde Benzin empfehlen zur Abtödtung der Larven **) Illustr. Zeitschr. f. Entomol. 1898. p. 166. 5* 12 Dr. med. L. Weber. Stoffe erwähnen, welche der Mensch den Insekten ent- nimmt, um sie selbst als Gifte zu verwenden. Der erste, das Cantharidin, welches dem Körper der blasenziehenden Käfer, den Meloiden und speziell der Gruppe der Zyttini, wozu die Gattungen Zonabris, Lytta, Zonitis, Halosimus u. A. gehören, entstammt, dürfte nur bei missbräuchlicher Benutzung schaden, da es sonst als Heilmittel Verwendung findet. Cantharidin ist im Stande beim Menschen heftige Vergiftungserscheinungen mit Nierenentzündungen in Folge von Epithelveränderungen in den Nieren zu er- zeugen *). Eigenthümlicher Weise soll der Igel gegen Cantharidengift unempfindlich sein, eine Eigenschaft, die er, wenn sie richtig beobachtet, mit vielen Käfern, welche die trockenen Leiber der spanischen Fliegen fressen, theilt, so Anthrenus varius, Ptinus fur, Dermestes lar- darius, Anobium paniceum, Atlagenus pellio und Urypto- phagus cellaris, desgleichen Schlupfwespen, welche die lebenden Larven der Canthariden zur Eiablage anstechen, und einigen Milben. Von einer exotischen Zytta gigantea werden die ge- pulverten Flügeldecken dem sog. Mantallatgift zugesetzt. Von der im Boden lebenden Puppe einer Chrysomelide, Diamphidia simplex Perringuez = Diamph. locusta Fair- maire, welche ein für Frösche wenig, für Warmblüter äusserst giftiges Toxalbumin (nach Levin und Böhm) enthält, das bei Warmblütern Durchfälle, Paralyse und Hämoglobinurie erzeugt und ausserdem ausgedehnte hämorrhagische Entzündung an der Applikationsstelle und deren Umgebung, sowie schwere Läsionen der Darmschleimhaut und Nieren herbeiführt, nehmen die Kalaharileute ihr Pfeilgift**). Livingstone berichtet von giftigen Raupen, mit deren Saft die Wilden am Nyassasee ihre Pfeile bestreichen. Der kleinste Tropfen *, Cornil et Toupet, Comptes rendus. T. ©. IV. No. 26. *) Eulenburg, Realencyklopädie d. ges. Heilkunde, Artikel Pfeilgifte. Er: + Insekten als Schmarotzer und Krankheitserreger etc. 13 davon ist im Stande die Zunge starr zu machen. Auch dem Pfeilgift Curare sollen von den Arawaken in Guyana giftige Ameisen zugesetzt werden. Berutzte Litteratur (ausser den in den Fussnoten gegebenen Nachweisen): Braun, Die thierischen Parasiten des Menschen. Würzburg 1895. Bordier, La geographie medicale. Paris 1884. Rho, Malattie predominanti Nei Paesi Oaldi et Temperati. Torino 189. Graber, Die Insecten. München 1877. (Das umfangreiche Werk von Dubreuilh W. etBeille, L.: „Les parasites animaux de la peau humaine, Paris, Masson 1897“ stand mir leider nicht zur Verfügung.) KETTE et PR ER \ 1. Bericht über Stand und Gang des Vereinslebens im 64. Vereinsjahre April 1899 bis April 1900. Durch die wohlwollende Unterstützung des hohen Landesauschusses für den Regierungsbezirk Kassel, sowie der verehrlichen städtischen Verwaltung, welchen beiden Behörden wir an erster Stelle hier unseren Dank für die bewilligte Beihülfe aussprechen, war es uns wiederum möglich die Drucklegung des Jahresberichts auch für das verflossene Vereinsjahr zu bewirken, was im Interesse des regen Tauschverkehrs von Vereinspublikationen, den der Verein mit in- und ausländischen Gesellschaften unterhält, dankbar zu begrüssen ist. - Die alljährliche Hauptversammlung wurde am 19. April 1899 unter dem Vorsitz des Herrn Professor Dr. Zuschlag, welcher den am Erscheinen verhinderten Vorsitzenden Herrn Oberstleutnant von Both vertrat, abgehalten. Der Jahresbericht wurde entgegengenommen und vom Kassenführer die Rechnungsablage gegeben. Herr Direktor Karl Ackermann, unser lang- jährigess und um den Verein so hochverdientes Ehren- mitglied wurde auf einstimmigen Beschluss des Vereins hin zum Ehrenvorsitzenden desselben gewählt und demselben ein kunstvolles Diplom überreicht. Wir danken dem hochverehrten Herrn auch an dieser Stelle für das rege Interesse, welches derselbe stets den Bestrebungen TI Jahresbericht. des Vereins gegenüber bewiesen hat, und hoffen, dass derselbe uns noch lange mit seinem bewährten Rath und That zur Seite stehen wird. Bei der Neuwahl des Vorstandes, in soweit dieselbe statutengemäss zu erfolgen hatte, wurden, nachdem Herr von Both eine Wiederwahl brieflich abgelehnt hatte, die Herren Dr. med. L. Weber zum Vorsitzenden, Hebel zum Geschäftsführer, Scheel zum Kassen- führer, Kunze zum ersten, Kleinsteuber zum zweiten Bibliothekar, Dr. Zuschlag und Dr. Fennel zu weiteren Vorstandsmitgliedern ge- wählt. Nach Prof. Dr. Zuschlag’s Tode ergänzte sich der Vorstand am 12. Juni 1899 durch die Wahl des Herrn Freiherrn von Berlepsch zum weiteren Vor- standsmitglied bezw. stellvertretenden Vorsitzenden. Zum Rechnungsprüfer wurde Herr Kochendörffer gewählt; derselbe stattete am 8. Mai 1899 Bericht über die Kasse ab. Dem Rechnungsführer wurde Entlastung ertheilt. Die Vereinssitzungen fanden jeden zweiten Montag im Monat, mit Ausnahme von Juli, im Vereinslokale (Naturalienmuseum, Steinweg 2) statt. Eine Sitzung wurde in der Wohnung des Herrn Dr. Möhring, eine im physikalischen Lehrzimmer der Oberrealschule, wegen der Schwierigkeit die vorzuführenden Apparate zu trans- portiren, abgehalten. Eine Uebersicht über die gehaltenen Vorträge und kleineren Mittheilungen wird am Schlusse des Berichts folgen. Im Laufe des Winters wurde be- schlossen mit dem Verein für naturwissenschaftliche Unterhaltung in nähere Beziehung zu treten, um wo- möglich eine Verschmelzung beider Vereine in Zukunft herbeizuführen. Dank dem Entgegenkommen, welches wir bei dem Verein für naturwissenschaftliche Unter- haltung fanden, war es möglich, am 6. April 1900 eine gemeinsame Vorstandssitzung abzuhalten, in welcher be- schlossen wurde, im kommenden Vereinsjahre gemein- schaftliche Ausflüge und zwanglose Sitzungen zu unter- Jahresbericht. III nehmen. Der erste Ausflug fand am 19. April 1900 unter Betheiligung von etwa 20 Mitgliedern statt, und wurden unter Führung des Obergärtners Herrn Böhme die gärtnerischen Betriebe und das Gewächshaus zu Wilhelmshöhe besichtigt. Da in früheren Jahren vom Verein für Naturkunde veranstaltete ähnliche Exkursionen grossen Anklang unter den Mitgliedern gefunden hatten, so hoffen wir, dass die für das kommende Vereinsjahr projektirten Ausflüge wesentlich zur Hebung des Vereins- interesses beitragen werden. Zur Leitung der Ausflüge wurde auf Seiten des Vereins für Naturkunde Herr Ober- lehrer Kunze bestimmt. Es sei noch bemerkt, dass wie bei den Sitzungen, auch bei den Ausflügen eingeführte Gäste stets äusserst willkommen sind. Am 16. Februar 1900 feierte Herr Generalarzt Dr. Lindner seinen S0jährigen Geburtstag. Im Namen des Vereins überbrachte der Vorsitzende die Glückwünsche unter Ueberreichung eines Blumenkorbes. Im April d.J. feierte Herr Professor Dr. R. A. Philippi, Direktor des chilenischen Landesmuseums, Ehrenmilglied und Stifter des Vereins sein 70jähriges Doktorjubiläum. Der Verein sandte dem langjährigen, hochverdienten Mitglied, das noch bis vor kurzem uns Beweise seiner treuen An- hänglichkeit gegeben hatte, ein Glückwunschschreiben. Auch im verflossenen Jahre hatte der Verein wieder herbe Verluste durch den Tod von Mitgliedern zu be- klagen. Es verstarben die Ehrenmitglieder: Wirklicher Geh. Rath Prof. Dr. R. W. Bunsen*), Excellenz in Heidelberg (16.8. 99) und Geh. Hofrath Dr. Hans Bruno Geinitz, ehemaliger Direktor des königl. mineralogischen Museums in Dresden (28. 1. 1900), ferner die wirklichen Mitglieder: Prof. Dr. UOarl Zuschlag, Oberlehrer a. D. in Kassel (21. 5. 99), Bergwerkbesitzer Pfankuch (18. 12. 99), *) Eine eingehende Lebensbeschreibung befindet sich unter den Abhandlungen. IB % Nekrologe. Apothekenbesitzer Wilh. Wolf (25. 10. 99), Fabrikant Julius Zwenger (9. 2. 1900), sowie das korrespondirende Mitglied Prof. und Landesgeologe Dr. Theodor Ebert zu Grosslichterfelde bei Berlin (1. 9. 99) *). Ihren Austritt aus dem Verein erklärten die Herren Dr. med. Krisch (1. 4. 99), Wenzel (1.4.99), Röhling (Dec. 99) und Dr. Uffelmann (1. 4. 1900). Herr Stabsarzt Dr. Bliesener, von hier verzogen, tritt in die Reihe der korrespondirenden Mitglieder über. Als wirkliche Mitglieder wurden neu aufge- nommen: am 8. 5. 99 Herr Kreisthierarzt Grimme in Melsungen, am 12. 6. 99 die Herren Direktor Adolf Schmidt, Kaufmann Schlegel und Hofkonditor Adolf Jung, am 14. 8. 99 Herr Kreiswundarzt Dr. Fey, am 11 9. 99 die Herren Postverwalterr Wünn in Malsfeld, wissenschaftlicher Hülfslehrer Wenck (im April 1900 von Cassel wieder verzogen), Drogeriebesitzer Landgrebe und Kaufmann Reichardt. Nekrologe. 1. Robert Wilh. v. Bunsen *), Prof. Dr., Wirkl. Geh. Rath, Excellenz, Heidelberg, geb. 16. III. 1811 zu Göttingen, gestorben 16. VIII. 94. Mitglied des Vereins seit 1837, 1875 Ehrenmitglied. 2. Br. Hans Bruno Geinitz, Geh. Hofrath, Direktor des königl. mineralogischen Museums a. D. zu Dresden, geboren zu Altenburg 16. X. 1814, gestorben 28. I. 1900. Ehrenmitglied seit 1875. Ursprünglich Pharmaceut, studirte G. 1834—1837 in Berlin und 1838 in Jena Naturwissenschaften, wurde 1838 Lehrer in Dresden, 1846 Inspektor des königl. Mineralienkabinets, 1850 Professor der Mine- ralogie und Geognosie an der polytechnischen Schule *) Siehe auch Vorträge. Nekrologe. V und 1857 Direktor des mineralogischen Museums da- selbst. 1894 trat der verdiente Gelehrte, von dessen Thätigkeit zahlreiche, werthvolle Publikationen geog- nostischen Inhalts zeugen, in den Ruhestand. Im Sommer 1896 feierte er sein 60jähriges Doktorjubiläum, wozu unser Verein damals die herzlichsten Glück- wünsche übermittelte. . Carl Otto Pfankuch, Bergwerkdirektor a. D., starb am 18. XII. 1899, 81 Jahre alt; er gehörte dem Vereine seit 1896 als wirkliches Mitglied wieder an. : Prof. Dr. Carl Zuschlag, geb. 31. Juli 1836 zu Fulda als Sohn des dortigen Kreisrichters Zuschlag, be- suchte die Gymnasien von Fulda und Kassel, studirte die zweite Hälfte der 50er Jahre in München und Marburg Mathematik und Naturwissenschaften und war von 1862 bis 3 Jahre vor seinem am 21. Mai 1899 am ersten Pfingstfeiertag erfolgten Tode un- unterbrochen am Lyceum Fridericianum, späteren Friedrichsgymnasium in Kassel als geschätzter Lehrer, dessen Andenken seine zahlreichen Schüler stets hoch in Ehren halten werden, thätig. In dem Verein für Naturkunde war Z. ein eifriges Mitglied; dem Vor- stande gehörte er als Stellvertreter des Vorsitzenden seit 1895 an. 1898 wurde er in den Kasseler Stadt- rath gewählt. Alle, die mit dem Verstorbenen in Berührung gekommen sind, werden sich seines liebens- würdigen, zuvorkommenden Wesens gern erinnern. Wilhelm Wolf, geb. 31. Dezember 1848 in Leihgestern bei Giessen, woselbst sein Vater Pfarrer war, absolvirte ' das Gymnasium und widmete sich dem Apotheken- berufe. Nach beendetem Vorbereitungsdienste, studirte er mehrere Semester in Marburg, woselbst er 1876 das Staatsexamen sehr gut bestand. Nachdem er einige Jahre die Einhornapotheke in Speyer besessen hatte, gründete er in Kassel die noch heute unter der Firma „Hugo Gottfried“ bestehende Droguengross- handlung. Da er jedoch, anstatt Inhaber eines kauf- VI Verzeichniss der Mitglieder. männischen Geschäfts zu sein, wieder gern seinen Apothekerberuf ergreifen wollte, bewarb er sich um die alte Sonnenapotheke in der Marktgasse, deren Verlegung nach der Hohenzollernstrasse, woselbst er die Apotheke der Neuzeit entsprechend einrichtete, gestattet wurde. Hier in seinem Geschäfte, sowie in vielen öffentlichen Ehrenämtern entwickelte er eine eifrige Thätigkeit und erwarb sich die Hochachtung und Liebe Aller, die ihn kannten, bis ihn im vorigen Jahre ein schweres Leiden überfiel, von dem ihn der Tod am 25. Oktober 1899 erlöste. Julius Zwenger, Kaufmann und Fabrikant starb 63 Jahre alt am 9. Februar 1900. Dr. Theodor Ebert”), Professor und Landesgeologe, geb. 6. V. 1857 zu Kassel, starb am 1. Sept. 1899 in Grosslichterfeldee Korrespondirendes Mitglied seit 1884. 1I. Verzeichnis der Mitglieder. In den folgenden Listen beziehen sich die Jahreszahlen auf die Zeit des Eintritts, bezw. der Ernennung. a) Ehrenmitglieder. 1. Herr Dr. Ackermann, Karl, Oberrealschuldirektori. P. 1876. 1891. 2. 4. „ Bartels, Karl, Dr. jur. h. c., Geh. Oberjustizrath, Ober- staatsanwalt zu Kassel. 1876. 1897. „ zu Eulenburg, Graf Botho, Staatsminister a. D., Excellenz in Berlin. 1886. „ Dr. Gerland, Ernst, Professor an der Bergakademie in Klausthal. 1873. 1888. | „ von Hundelshausen, Eduard, Landesdirektor der Provinz Hessen-Nassau a. D., in Kassel. 1886. „ Dr. Philippi, Rud. Amandus, Professor und Direktor des chilenischen Landesmuseums zu Santjago (Stifter des Vereins). 1836. 1886. „ Dr. Zirkel, Ferd., Professor und Geheimer Bergrath, in Leipzig. 1875. *) Siehe Abhandlungen und Vorträge. Verzeichniss der Mitglieder. VII b) Wirkliche Mitglieder. 1. Se. Durchlaucht Prinz Karl von Hanau, Graf von Schaumburg; in Kassel. 1891. 2. Se. Durchlaucht Prinz Philipp von Hanau, Graf von Schaum- burg, in Oberurff. 1862. 1886. 3. Herr Alsderg, A., Bankier. 1880. 4. 5. 6. ” Baur, L., Privatmann. 189. Berlepsch, Graf Hans von, Schloss Berlepsch bei Witzen- hausen. 1894. Berlepsch, Freiherr Hans von, Rittmeister und Eskadron- Chef im Husaren-Regiment Landgraf Friedrich II. von Hessen-Hombursg (2. Hess.) No. 14. 1894. Blankenhorn, Karl, königl. Baurath a. D. 1887. Bode, Adolf, Dr. med., Geh. Med.-Rath und Mitglied des Medizinalkollegiums. 1880, Bodenheim, Gustav, Fabrikant. 1892. von Both, Alexander, Oberstleutnant z. D. 1892. Buhse, Fritz, Bergwerksdirektor in Torrelavega in Spanien. 1875. Christ, Heinr., Dr. phil, Oberlehrer an der Oberreal- schule. 1893. Des Coudres, Julius, Oberbergrath. 1863. Döhle, Fr., Apotheker und Drogeriebesitzer. 1898, Ebert, H., Dr. med., prakt. Arzt. 1894. Eisenmann, O. F. Dr,, Museums- u. Galleriedirektor. 1895. Eysell, Adolf, Dr. med., Spezialarzt für Hals, Nase und Ohr. 1878. Fabarius, Waldemar, Stadtbauinspektor. 1893. Fennel, Ludw., Dr., Oberlehrer an der Oberrealschule. 1887. Fey, W., Dr. med., Kreiswundarzt. 1899. Fischer, Felix, Oberleutnant a. D.. Rittergutsbesitzer zu Freienhagen. 1892. Fisher, Theodor Gideon, Verlagsbuchhändler und Buch- druckereibesitzer. 1895. Fliedner, Oberregierungsrath an der kgl. Regierung. 1895. . Fräulein Förster, Auguste, Inspizientin des Handarbeitsunter- richts an den städt. Mädchenschulen. 1893. . Herr Gerland, Konrad, Dr. phil., Chemiker, Lehrer zu Accrington, Lancashire, England. 188%. Grimme, Kreisthierarzt, Melsungen. 1899. Hebel, O., Gymnasialoberlehrer. 1880. 1882. 189. Hecht, Jacob, Kaufmann. 1880. Hermann, August, Kaufmann. 1891. Heydenreich, Heinr., Oberlehrer am Realgymnasium. 1888. VII Verzeichniss der Mitglieder. 31. Herr Hintz, Robert, Oberforstmeister. 1796. 32. 33. 34. 3D. 36. Hoebel, Ernst, Dr. Prof., Oberlehrer an der Realschule. 1888 Hornstein, Fr., Dr. Prof., Oberlehrer am Realgymnasium 1869. Hornthal, Jakob, Kaufmann. 1876. .Hunrath, Wilhelm, Besitzer der Löwenapotheke. 1892. Ichon, Wilhelm, Konsul a. D., Wilhelmshöhe. 1890, Jung, Hofkonditor. 1899. Junghans, Karl, Prof. an der Oberrealschule 1899. Keiserling. Gust. Ad., Rentner. 1891. . Kasseler Fischereiverein, hier. 1883. . Herr Kleinsteuber, Paul, Postpraktikant. 1899. Kochendörffer, Joh. N. C., Privatmann. 189. Kunze, Herm., Oberlehrer. 1888. 1896. 1899. Landgrebe, Carl. Heinr., Droguenhandlungsbesitzer. 1899. Laubinger, Carl, Dr. phil., Rentner. 189. Lenz, Aug., Professor, Kustos des Naturalienmuseums. 1858. Lindner, Gustav Adolf, Dr. med., Generalarzt a. D. 1883. Löwenbaum, L., Bankier. 1881. von und zu Löwenstein, Louis, Major a. D. 1894. Luckhard, Ludwig, Apotheker. 1895. Mende, Theodor, Oberst z. D. 1896. Mergard, Joh. Georg Conr., Apotheker. 1896. Merkelbach, Wilh., Prof. Dr., Oberlehrer an der Oberreal- schule. 1880. Nagell, Wilhelm, Hofapotheker. 1880, Ochs, Heinrich, Privatmann. 1880. Paulmann, Wilh., Dr. phil., Nahrungsmittelchemiker. 1895. von Pentz, Friedrich, Generalmajor z. D., Marburg. 1874, Rittershausen, Aug. Julius, Privatmann. 1880.. Rost, Adalbert, Professor Dr., Oberlehrer am Wilhelms- gymnasium. 1877. Scheel, Willy, Kaufmann und Juwelier. 1894. Schelenz, Hermann, Rentner. 189. Schläfke, Wilh., Dr. med., Augenarzt. 1880. Schlegel, Richard, Fabrikbesitzer. 1899. Schmidt, Adolf, Direktor. 1899. Schmuch, Karl, Rechtsanwalt. 1891. Schreiber, Rudolf, Dr. phil., Oberlehrer a. d. Realschule. 1892. Sebold, Ludw., Dr. med., prakt. Arzt. 1896. Siebert, Karl, Dr. phil., Rentner, Wilhelmshöhe. 1891. Thomas, Wilh., Apothekenbesitzer. 1896. Uhlworm, Oskar, Dr. phil., Stadtbibliothekar. 1881. Wachs, Gustav, Kaufmann. 1896. Te Verzeichniss der Mitglieder. 1D 72. Herr Waitz von Eschen, Freiherr Roderich, Dr. phil. 1866. 73. ,„ Woallach, Martin, Rentier. 1880. 74. ,„ Wallach, Moritz, Dr. phil., Grosshändler. 1883. 75. „ Weder, Joh., Buchhändler. 1895. 76. , Weber, Dr. med., prakt. Arzt. 1887. 77. „ Wenk, Wilh., wissenschaftl. Hülfslehrer. 1899. 78. ,„ Wilke, Richard, Rentner. 1835. 79. „ Wünn, Postverwalter, Malsfeld. 1899. c) Korrespondirende Mitglieder. 1. Herr Alfermann, Franz, Dr., Generalarzt, Posen. 1870. 2. ,„ Angersbach, Adam, Gymnasiallehrer, Weilburg. 1890 1893. 3: „ Beyschlag, Dr., Prof. und Landesgeologe. Berlin-Wilmers- dorf. 1896. 4. „. Blankenhorn, Max, Dr., Privatdocent d. Geologie, Erlangen, Geologe in Kairo. 1890. 1893. 5. „ Bliesener, Karl, Dr. med., Oberstabsarzt. 6. ,„ Buchenau, Franz, Prof. Dr., Realschuldirektor. Bremen. 1861. 7. „ Coester, Fr.Wilh., Oberverwaltungsgerichtsrath. Berlin. 1879. 8. „ Zgeling, Gustav, Dr., Apotheker, Ponce auf Puerto Rico. 1880. 9. :„. Fick, Adolf, Prof. Dr., Hofrath, Würzburg. 1861. 10. ,„ Focke, W. O., Dr. med., Bremen. 1864, 1l. ,„ Fulda, Rud., Bergwerksbesitzer, Schmalkalden. 1881. 12. ,„ Geheeb, Adalbert, Apotheker a. D., früher Geisa, Freiburg i. B. 1881. 13. ,„ Gerland, Georg, Dr., Prof. der Geographie, Strassburg. 1881. 14. ,„ Gerland, Wilhelm, Dr., Fabrikant, Church (Lancashire England). 1881. 15. ,„ Grimm, Julius, Hofphotograph, Offenbach i. B. 1881. 16. ,„ Guckelberger, G., Rentner, Giessenhagen b. Grossalmerode. 1857. 17. ,„ von Heyden, Luc. Fried. Dom., Dr., Major z. D., Bocken- heim. 1881. 18. ,„ Kathariner, Geheimer exp. Sekretär im Landwirthschafts- ministerium, Berlin. 1890, 19. ,„ Knetsch, Carl, Privatmann, Lichtenthal bei Baden-Baden. 1886. 1898. 20. ,„ Kornhuber, Andreas, Dr., Hofrath und Prof. a. D., Press- burg. 1887. 2l. ,„ Krauss, Theodor, Dr., Red. d. deutschen landwirthschaft- lichen Presse, Berlin. 1880. 22. ,„ Kretschmer, Fr., Bergverwalter, Zöptau. 1881. 23. ,„ Kümmell, G., Dr., Assistent am physikalischen Institut, Leipzig. 1889, 1895. x Litterarischer Verkehr. 24. Herr Zange, C. Fr. Rud., Bergfaktor, Reden. 1884. 25. ,„ Zeverkühn, Paul, Dr. med., Direktor der wissenschaftl. In- stitute und der Bibl. Sr. Königl. Hoheit des Fürsten von Bulgarien, Sofia. 1896. 26. ,„ Metzger, Dr., Geh. Reg.-Rath, Prof. d. Zoologie, Münden. 1895. 27. „ „Milani, Dr., Privatdocent und Forstassessor, Münden. 1896. 25. „ Ochsenius, Karl, Konsul a. D., Marburg. 1861. 29. „ Perino, Joseph, Chemiker, Iserlohn. 1891. 1894. 30. ,„ Zathke, Bernh., Dr., Prof. der Chemie, Marburg. 1873. 31. „ Salter, Realitätenbesitzer, Wien. 1896. 32. „ Schmiedicke, Otto, Dr., Oberstabsarzt, Berlin. 1889. 1891. 33. „ ‚Schüssler, Seminarlehrer, Dillenburg. 1872. 34. „ Schwenke, Berginspektor a. D., Homberg. 1865. 35. „ Seligmann, @., Rentner, Coblenz. 1882. 36. ,„ ‚Siegert, Ferd., Dr., Stabsarzt, Kehl. 1883. 1890. 37. „ Stierlin-Hauser, Dr., Apotheker, Rigi-Scheideck. 1892. 38. „. Stilling, Jak., Prof. Dr., Strassburg i. E. 1874. 39. „ Struck, Carl, Oberlehrer und Museumskustos, Waren. 1872. 40. „ Suth, vereid. Chemiker, Wiesbaden. 1890. 189. 41. ,„ Taube von der Issen, Baron, Weimar. 1892. 189. 42. „ Temple, Rud., Assekuranzinspektor, Budapest. 1869. 43. „ Tzschucke, Hugo, Betriebsführer der chem. Fabrik Todt- stadt bei Hamburg. 1891. 1893. 44, „ ÜUckermann, Carl, Dr., Gymnasialoberlehrer in Mühlhausen i2. 17h. 1890. 21597. 45. „ Vahl, Carl, Oberpostdirektor, Geh. Postrath, Potsdam. 1880. 46. ,„ Wagner, Dr., Realschulprofessor a. D., Fulda. 1849. 47. ,„ von Wedell, Hasso, Major z. D., Weimar. 1891. 48, ,„ Weise, Oberforstmeister, Direktor der Forstakademie, Münden. 1896. 49. ,„ Blasius, Wilh., Geh. Hofrath, Dr., Braunschweig. 1898. 50. , Zeiske, Max, Gerichtssekretär (früher Ziegenhain), Cassel. III Der litterarische Verkehr des Vereins ete. Wir gestatten uns zunächst nochmals die im vorigen Jahresberichte ausgesprochene Bitte zu wiederholen, jede | für den Verein bestimmte Zusendung unter Weglassung einer persönlichen Adresse zu adressiren; ,. An den Verein für Naturkunde in Kassel. Litterarischer Verkehr. Xi Während des abgelaufenen Jahres wurde der Tausch- verkehr eingeleitet mit folgenden Gesellschaften und In- stituten: 1. Buenos Aires, Deutsche akademische Ver- einigung. 2. Chicago, Field Columbian Museum. 3: Mexico, Instituto geologico. 4. Milwaukee, Wis- consin Natural History Society. 5. München, Ormni- thologischer Verein. 6. Newyork, Academy of Sciences; 7. Newyork, Museum of Natural History. 8. Phila- delphia, American Philosophical Society. ‘ Auf Vereinskosten wurden dieselben Zeitschriften, wie in früheren Jahren, gehalten. Ungemein reichhaltig waren die Zuwendungen, welche uns von Mitgliedern und Freunden des Vereins gemacht wurden; es mag an dieser Stelle allen gütigen Spendern unser verbindlichster Dank ausgesprochen werden. Es schenkten: 1. Ehrenvorsitzender des Vereins Herr Oberreallschuldirektor a. D. Dr. K. Ackermann. a) Aus verschiedenen Zeitschriften gesammelten Ausschnitte von grösserem Umfange: 22 Biographieen hervorragender Naturforscher, 11 Abhandlungen über hygienische und ähnliche Fragen, 17 über Meteorologie und Reisen, 20 über Zoologie, 18 über Botanik. b) Abhandlungen: F. Kirchner. Arbeitstheilung, Anpassung und Kampf ums Dasein im Pflanzenleben, Prgr.-Abhdlg. 475. (36 S.) 1892. Krefeld. R. Dick, Ueber die Mittel, Feuer anzumachen. Prgr.-Abh. (36 S.) Breslau 1874. M. Planck, Feuerzeuge der Griechen und Römer. Prgr.-Abh. 541. 1884. (44 8.) Stuttgart.- R. Maritu, Zur physischen Anthropologie der Feuerländer. Hab.- Schrift. (64. S. 1 Tfl.) Braunschweig 1893. W. Breslich, Die Hygiene als Theil des naturwissenschaftlichen Unterrichts. Prgr.-Abhdlg. 98. Berlin 1892. H. Kolbe, Ueber den Zustand der Chemie in Frankreich. (14 8.) Leipzig 1870. W. Gebhardt, Ueber die Bastardirung von Rana esculenta mit Rana arvalis. Inaug.-Diss. (68 S. u. 1 Tfl.) Breslau 1894. P. Schulz, Ueber die in historischer Zeit ausgestorbenen Thiere. (35 8.) Prgr.-Abhdlg. 100. Berlin 1892. 6 XII Litterarischer Verkehr. B. Fischer, Ueber einen lichtentwickelnden im Meerwasser ge- fundenen Spaltpilz. Habil.-Schrift. (44 S.) Leipzig. R. Dittrich, Ueber das Leuchten der Thiere. (70 8.) Prgr.-Abhdlg. 200. Breslau 1888. C. @. Ehrenberg, Ueber das Funkeln und Aufblitzen des Mittel- meeres. (4 S. u. 1 TA.) Berlin. G. Leimbach, Beiträge zur Geschichte der Botanik in Hessen. Arnstadt 1888. C. Eisenach, Zur Geschichte des Zuckers. Prgr.-Abhdlg. (15 S.) Gotha 1866. H. Richard, Etymologische Ableitung der Fremdwörter und termini technici in der Chemie. Prgr.-Abhdlg. (30 S.) Wien 1886. H. F. Kessler, Landgraf Wilhelm IV. als Botaniker, Prgr.-Abhdlg. (22 S.) Cassel 1859. F. A. Bather, A Record of and Index to the Literature of Echino- dermata. 2 Bde. (73 bezw. 135 S.) London 1898 u. 1899. A. König, Ein Beitrag zur Mallophagenfauna. Imaug.-Diss. (28 8. u. 2 Tfln.) Marburg 1884. Fr. Nansen, Bidrag til Myzostomernes Anatomi of Histologi. (80 S. u. 9 Tfln.) Bergen 1885. B. Wagner, Untersuchungen über die neue Gettreidegallmücke Inaug.-Diss. (41 8. u. 1 Tl.) Marburg 1661. A. Voigt, Anleitung zum Studium der Vogelstimmen. (22 8.) Prgr.- Abhdlg. 565. Leipzig 189. A. Stamm, Ueber das Alter der Conglomerate zwischen Franken- berg und Lollar. (18 S.) Inaug.-Diss. Marburg 1891. G. Württenberger, Zur Geschichte des Frankenberger Kupferwerks. (198.) Sonderabdr. aus der Zeitschrift für Berg-, Hütten- und Salinenwesen. Heft 36. Leukart, Bastardfische. (9 8.) Berlin 1892. M. Stundfuss, Gesammtbild der bis Ende 1898 an ZLepidopteren vorgenommenen Temperatur- und Hpybridationsexperimente. Leipzig 1899. R. Lepsius, Abhandluugen der Grossherzogl. Hess. geol. Landes- anstalt zu Darmstadt. Bd. 1. Heft 1. (159 S.) Darmstadt 1884. C. Burkhardt, Contaktzone von Kreide und Tertiär am Nordrande der Schweizer Alpen vom Bodensee bis zum Thuner See. In- aug-Diss. (132 S. u. 9 Tiln.) Bern 1893. c) Bericht über die wichtigsten Zweige der Verwaltung der Residenzstadt Kassel im Rechnungsjahre 1893/94. Kassel 1895. — Katalog des Bosemuseums. Kassel 1899. 2. Vom Verf. unserem Ehrenmitglied Herrn Professor Direktor Dr. R. A. Philippi in Santiago de Chile: Observaciones criticas Litterarischer Verkehr. xXImH = =e* or 10. 12. sobre algunos pajaros chilenos. (17 S.) Santiago 1899. — Los fosiles secundarios de Chile. 1a. pt. .(104 S. u. 42 Tfln.) San- tiago 1899. Vom Verf. unserem Mitgliede Herrn Rittmeister Hans Freiherr von Berlepsch: Der gesammte Vogelschutz, seine‘ Begründung und Ausführung. (89 S. u. 8 Tfln.) Gera 1899. Vom Verf. unserem Mitgliede Herrn A. 6eheeb, Freiburg i. B.: Bryologische Fragmente. Separatabdr. aus Beiheft 1 zur „Allg. bot. Zeitschrift für System. u. s. w.“ Nr. 7/8. 1899. — Bryo- logische Notizen aus dem Rhöngebirge. Separatabdr. Von den wissenschaftlichen Vereinen Düsseldorfs: Festschrift ‘der 70. Versammlung der deutschen Naturforscher und Aerzte, Düsseldorf 1808. Von der Universitätsbibliotiek Basel: Jahresverzeichniss der Schweizer Universitätschriften 1898—1899. Basel 1809. Vom Verf. Herrn Dr. R. Feitel, Kassel: Beiträge zur ver- gleichenden Anatomie der Laubblätter bei den Campanulaceen des Caplandes. Inaug.-Diss. (46 S.) Kassel 1900. Vom Verf. Herrn Dr. M. Voretsch: Festrede zur Feier des 80jährigen Bestehens der naturforschenden Gesellschaft des Österlandes. (34 8.) Altenburg i. S. Von der Indischen Regierung: Mainwaring-Grünwedel, Dictionary of the Lepcha-Language. (552 S.) Berlin 1898. Von der Universitätsbibliothek Kiel: A. Milchhöfer, Rede zum Winkelmanntage. (16 S.) Kiel 1898. . Vom Verf. Herrn Charles Janet in Limoges: Etudes sur les Fourmis, les Gu&pes et les Abeilles. Note 1. 17. 18. 19. — Ferner 6 Sonderabdrücke aus den Compt. rend. betr. Anatomie und Biologie der Insekten, sp. der Ameisen. Vom physikalischen Verein in Frankfurt am Main: W. König, Goethe’s optische Studien. (329 8.) Festrede. Frankfurt a.M. 1899. Folgende Einladungen bezw. Mittheilungen gingen dem Vereine zu: ie Herr Dr. N. Th. v. Konkoly, Hofrath, Direktor der königl. ung. metereolog. Reichsanstalt, bringt zur Kenntniss, dass seine Sternwarte zu ÖO-Gyalla von ihm dem ungarischen Staate als Geschenk überwiesen ist. Die Societa degli Alpinisti Tridentini ladet zu ihren General- versammlungen in Caldonazzo und Male am 7. Mai bezw, 20. August ein. 6* XIV Litterarischer Verkehr. 3. Der Rbönklub zu Fulda ladet zur 23. Jahresversammlung in Schweinfurt — vom 12. bis 14. August — ein. 4. Der Vorstand der Abtheilung für Botanik der 71. Vers. deutscher Naturforscher und Aerzte in München — vom 18. bis 23. a ladet zur Theilnahme an der letzteren ein. 5. Die Societa adriatica di scienze naturali in Triest jadet zu ihrem 25. Stiftungsfeste auf den 15. Oktober ein. 6. Die Geschäftsführung des 7. Internationalen Geographen- Kongresses ladet zu demselben ein. 7. Der Verein der Geographen an der Universität Wien ladet zur Feier seines 25jährigen Bestandes: auf den 28. und 29. Okt. ein. -8. Die Direktion der k. k. geolog. Reichsanstalt zu Wien ladet zur Jubiläumssitzung zur Feier der vor 50 Jahren erfolgten Grün- dung auf den 9. Juni 1900 ein. 9. Die Direktion der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft übersendet eine Zuschrift betr. den v. Reinach-Preis für Geo- logie, wonach 500 Mark für die beste Arbeit, die einen Theil der Geologie des Gebietes um Frankfurt a. M. behandelt, aus- gesetzt werden. Uebersicht über die Einnahmen und Aussgaben. IV. Debersicht über die Einnahmen und Ausgaben. Einnahmen. Vorjähriger Baarbestand. Mitgliederjahresbeiträge . Unterstützung: a) der Provinzialverwaltung. b) der Stadt Kassel Zinsen der Fiedler’schen Stiftung Vom Kreditverein Ausgaben. Kosten des Berichts, Anderweite Druckkosten Buchbinderarbeiten . Auslagenrückerstattung . Gehälter für Diener . 3.8 Kreditverein zur Verzinsung . Sonstiges. NM 25 Mark 34 Pfg 447 Dr 300 „ ER 1508 7%, m rg 129° en 0er 250 „ Eee) 1302 Mark 44 Pfg 346 Mark 07 Pfg 70 vB] 96 YB De le Aa Ne 57 „0 617 RD Ai, 05, 1268 Mark 62 Pte. Es verbleibt somit ein Baarbestand von 33 Mark S2 Pro, XVI Uebersicht der Vorträge. V Debersicht der in den Monaissitzungen April 1899 bis dahin 1900 Sehaltenen Vorträge und kleineren Mittheilungen auf Grund der Sitzungsprotokolle. 1. Herr Freiherr von Berlepsch hielt am 11. Dezember 1899 einen Vortrag über „Offene Fragen der palae- arktischen Avifauna und deren eventuelle Lösung.“ Das Männchen des Hausröthels existirt bekanntlich in zwei Formen Zrithacus cairii Gerbe und E. titis L., bei denen als Grundfarben die graue und schwarze vor- herrschen ; letztere Form sollte in der Schweiz und den Hochgebirgen durch. die ersten vertreten sein. Neuere Forschungen haben indess ergeben, dass E.titis im Hoch- sebirge überall vorkommt, ebenso wie anderseits Kon- servator Martin in Warmbrunn und Professor Jung- hans in Kassel — am Giebel eines Hauses der Rothen- ditmolder Strasse — ein brütendes graues Paar beobachtet haben. Redner empfiehlt nun, junge Vögel von grauen Paaren aufzuziehen und so festzustellen, ob die schwarze Form zu erhalten ist. Das graue Männchen von Muscicapa luctuosa L. — angeblich Jugendform ! — sollte bisher nur als Durch- zügler beobachtet sein, nur die schwarze Form war brütend hier angetroffen; Herr Ochs in Kassel-Wehlheiden beob- achtete jedoch das Gegentheil. Die graue Form dürfte deshalb vielleicht als gute Art auzusehen sein, zumal die schwarze auf ihrem Zuge stets ohne Begleitung der anderen angetroffen wird. Gewöhnlich unterscheidet man drei Arten von Zri- thacus suecicus L., E. cyaneculus WI., E. suecicus s. str. L., #. Wolfi Brhm.; Brehm nimmt sogar fünf Arten an, während Neumann nur die eine gelten lassen will und die anderen als Varietäten ansieht. Nach Gädke’s Uebersicht der Vorträge. XVII Beobachtungen auf Helgoland, der verschiedene Zugzeiten und auch Bastardirung feststellte, scheint letztere An- nahme jedoch nicht haltbar zu sein. | Redner ist der Meinung, dass die Artunterschiede eventuell auch nur durch das relative Alter, resp. durch die Mauserung bedingt werden. 2. Derselbe besprach am 12. März 1900 einen kürz- lien von ihm bei Hagenbeck gesehenen Bastard von Löwe (Vater) und Tiger (Mutter), welcher die Farbe des Löwen, nur etwas heller, und die Streifen des Tigers habe Ebenso wurden einige selten in der Gefangen- schaft vorkommende Thiere, wie Zchidna hystrix, von der Vortr. sieben Exemplare sah, erwähnt. 3. Herr Apotheker Döhle theilte am 16. Juni 1899 mit, dass er in dem „oberen“, der Sonne sehr ausgesetzten „Sandloch“ in Oberkaufungen sehr viele Nester der Ufer- schwalbe, in dem „unteren“ der Sonne nicht ausgesetzten gar Eine gesehen habe. 4. Dsselbe berichtete am 11. September 1899 über mineralogische und geologische Vorkommnisse auf der „Blauen Kuppe“ bei Eschwege. Derselbe zeigte prachtvolle, selbstgezogene Kry stalle von Ghromalaun vor und berichtete unter Zustimmung von Herrn J. Weber, dass Salix babylonica am Bassın in der Karlsaue scheine eine förmliche Wasserscheu zu haben, denn ihre Zweige hörten 60—75 cm über dem dem Wasser auf zu wachsen. 5. Derselbe hielt am 8. Januar 1900 einen Vor- trag über Pyrite unter Vorzeigung besonders typischer Charakterformen. 6. Derselbe zeigte am 12. März 1900 Pseudo- morphosen vor und erläuterte dieselben. Es waren Rotheisenstein nach Kalkspat. Speckstein — Bitterspat. | — Bergkrystall. — Glimmerschiefer. — Grammatit. BOMER Uebersicht der Vorträge. 7. Herr Oberlehrer Dr. Fennel zeigte am 12. März 1900 im Auftrage des Herrn Ober - Realschuldirektors Dr. Ackermann Proben von Knallkorn (Pop-Corn) vor. Popcorn, Knallkorn, eine sehr kleine Maissorte aus Nordamerika. 100 Körner wiegen etwa 10 g, gewöhnlicher Mais dagegen 40 sg. Es springt, bei offenem Feuer unter Schütteln wie Kaffee geröstet, unter Knall auf, bläht sich auf und lässt das innerste Gewebe hervordringen. Die Körner zeigen dabei eine riesige Volumzunahme. Der Inhalt wird in Amerika mit Fruchtzucker überzogen und bildet eine beliebte Näscherei. 8. Herr Oberlehrer Hebel widmete am 11. September 1899 dem verstorbenen Ehrenmitglied Prof. Dr. Bunsen einen kurzen Nachruf. 9. Herr Postpraktikant Kleinsteuber erläuterte am 11. Dezember 1899 im Telegraphen- und Fernsprech- betrieb gebräuchliche Blitzableiter. | 10. Derselbe zeigte am 12. März 1900 einige Stücke Stadtkabel vor, ferner solche, die innerhalb der Aemter gebraucht werden und Astbestkabel, hauptsächlich wegen der Feuersicherheit zum Gebrauche innerhalb der Gebäude, und Zimmerkabel mit Bleimantel gegen Feuchtigkeit. 11. Herr Oberlehrer Kunze verlas am 12. Juni 1899 ein Schreiben des Kaiserlichen Gesundheitsamts in Berlin betr. Bekämpfung des Weymuthkiefer-Blasenrostes. 12. Derselbe regte am 9. Oktober 1899 eine Dis- kussion an über Anwendung der flüssigen Luft als An- ästhetikum und im Anschluss an den Sitzungsbericht XXIII der „Akademie der Wissenschaften“ über die neuen Ent- deckungen betreffend die Verschiebung der Spektrallinien bei Sternen. 13. Herr Dr. Laubinger hielt am 8. April 1899 den zweiten Theil seines Vortrages über „Laubmoose“. 14. Derselbe zeigte am 11. September 1899 die von Herrn Dr. Weber aus den Karpathen mitgebrachten Moose und eine blühende Eledea canadensis (vom Uebersicht der Vorträge. XIX 15. August 1899) und legte ein Baumwollengewebe mit starkem Seidenglanz aus der Fabrik von Becker & Hotop in Zürich vor. | 15. Am 13. November 1899 zeigte derselbe ein neues, noch stärkeren Seidenglanz besitzendes Fabrikat aus derselben Quelle. 16. Herr Professor Dr. Merkelbach hielt am 12. Februar 1900 an der Hand von Versuchen in dem physikalischen Lehrzimmer der Oberrealschule einen Vortrag über „Nebel- bildung“. Er zeigte durch Versuche mit künstlich er- zeugtem Nebel, dass die Bildung derselben an das Vor- handensein von Staub gebunden ist und ging näher auf das Tyndall’sche Verfahren zur Herstellung staubfreier Räume ein. Es wurden die Beugungserscheinungen des Lichtes, die durch Nebel veranlasst werden, vorge- führt und die sich hierauf gründenden Versuche von Kiessling erörtert, durch die bewiesen wird, dass Nebel aus feinen Wassertröpfehen und nicht aus Bläschen bestehn. Der Vortragende ging dann auf die Schnee- bildung ein und zeigte die mannigfaltigen Formen der Schneekrystalle durch Projektion photographischer Bilder derselben. Ä 17. Herr Dr. Möhring hielt am 14. August 1899 in seiner Wohnung einen Vortrag „über den gegenwärtigen Stand der Durchleuchtung mit Röntgenstrahlen* und er- läuterte denselben durch Versuche, sowie durch Vorlage sehr zahlreicher an Kranken gewonnener Photogramme. 18. Herr Professor Dr. Rost hielt am 13. November 1899 einen Vortrag über „Robert Bunsen“. 19. Herr Joh. Weber berichtete am 13. März 1900 über die neuen von dem Ehepaar Gürie aus dem Uran- pecherz isolirten Körper Radium und Polonium. „Die von Becquerel entdeckte Eigenschaft des Urans und seiner Verbindungen, eigenthümliche, hin- sichtlich ihrer Durchdringungsfähigkeit und ihrer Wirkung auf die photographische Platte, den Röntgenstrahlen ähn- liche Strahlen auszusenden, leitete die beiden Gürie auf XX Uebersicht der Vorträge. die Vermuthung, dass ein bisher unbekannter Körper hierbei im Spiele und das eigentliche wirksame Agens sei. In der That fand sich im Uranpecherz in höchst geringer Menge — 1 g auf 1000 kg — zwar kein un- bekannter Körper, wohl aber ein Barıum- und Wismuth- salz mit ganz neuen Eigenschaften. Ob es richtig ist, diese Eigenschaften neuen, darin enthaltenen Elementen zuzuschreiben, wie es die Gürie gethan und diese mit den Namen Radium und Polonium belegt haben, ist noch zweifelhaft, da es sich ebensowohl um allotrope Modifikationen handeln kann. Die Eigenthümlichkeiten der beiden Salze bestehen nun darin, dass sie nicht allein eine ganz eigenthümliche durchdringungsfähige Strahlen- art aussenden, da kein bekannter Stoff, selbst das für Röntgenstrahlen undurchdringliche Blei nicht ausge- nommen, ihnen ein absolutes Hinderniss in den Weg zu legen scheint, und dies nicht nur in ihrer Wirkung auf die photographische Platte, sondern auch in ihrer Fähig- keit, selbstthätig im Dunkeln zu leuchten; und zwar ist bei ganz reinen Präparaten das ausgesandte Licht so stark, dass man, bei ganz ausgeruhten Augen, dabei lesen kann. Einer Zufuhr von Energie, wie etwa die sonst schon bekannten Leuchtkörper, bedürfen diese Körper nicht und es entsteht demnach die grosse Frage, die nicht sofort aufgeworfen worden ist, woher ihnen Ersatz einer solchen fortgesetzten Energieabgabe komme. So berechtigt diese Frage ist, so berechtigt würde sie aber auch bei einer anderen Form der Energie sein, nämlich bei dem permanenten Magnetismus des Stahles, sowie mancher natürlichen Eisenerze, und Herr Weber bezeichnete es als eine nur psychologisch zu erklärende Eigenheit des Bewusstseins, dass bisher diese gleichfalls scheinbar ohne Ersatz vor sich gehende Energieabgabe nicht sofort in Parallele zu jener neuen Erscheinung ge- setzt worden ist. Andererseits ist es sicher, dass gerade nur aus einer solchen Zusammenfassung verschieden- Uebersicht der Vorträge. XXI artiger Erscheinungen unter einen gemeinsamen Gesichts- punkt ein wirklicher Fortschritt der Naturerkenntniss entspringen kann“. 20. Herr Dr. med. L. Weber berichtet am 12. Juni 1899 über seine diesjährige Reise in die Karpathen. Die entomologische Ausbeute war in Folge der noch herr- schenden, kalten Witterung eine verhältnissmässig geringe. Eine Anzahl Photographieen wurde vorgelegt. 21. Derselbe schilderte am 11. September 1899 die Lebensweise und Entwickelung der in diesem Jahre sehr häufig auftretenden Blattkäfer Plagiodera versi- colora Laich. und Phyllodecta vitellinae L. unter Vor- lage der betr. Präparate. 22. Derselbe legte am 9. Oktober 1899 die Ent- wickelungsstufen von Zbhesus serricollis Motsch., eines Cerambyciden aus dem Oilieischen Taurus, vor. 23. Derselbe theilte am 11. Dezember 1899 im Anschluss an Herrn Kleinsteuber’s Mittheilungen über Telegraphenleitungen mit, dass nach ihm gewordener Mittheilung in dem Hause, in welchem jetzt der Verein seine Sitzungen abhält, dem ehemaligen Collegium Uaro- linum, Sömmering, welcher 1778 nach Kassel berufen wurde, den ersten Telegraphen (mit 25 Paar Leitungs- dräthen) vorgeführt habe. Ferner zeigte derselbe die Leber einer Maus vor, welche vollständig vom Cysticercus fasciolaris, der Finne von Taenia crassicollis (Katzenbandwurm) durchsetzt ist und leste ein Stück Braunkohle vom Habichtswald vor, das noch deutlich die Holzfaserung erkennen lässt und ‚anscheinend mit Müll angefüllte Bohrgänge der Larven von Byrrhiden (= Anobiiden) aufweist. 24. Derselbe hielt am 9. Januar 1900 einen Vor- trag über „Insekten als Schmarotzer und Krankheits- erreger bezw. Verbreiter bei Menschen und höheren Thieren“ unter Vorlage von Präparaten. 25. Derselbe zeigte am 12. März 1900 eine riesige Larve des Prioniden Macrodonta cervicornis L. aus XIAT Uebersicht der Vorträge. “un nn Bolivia, die von den Eingeborenen verzehrt wird und schon von Fabricius (Syst. El.1801) als „Zarva edulis in deliciis‘“ bezeichnet wurde. Andere vorgelegte, bisher noch nicht bekannte Larven scheinen einer grossen Dytiscidenart anzugehören. Ferner legte derselbe ein aus Stephansort in Denidi Neuguinea von einer dort stationirten Kasseler Schwester vom rothen Kreuz eingesandtes mit Achias longividens Walker anscheinend verwandtes Muscidenpaar vor, dessen Männchen langgestielte, quer seitwärts abstehende Orbiten von 25 mm Länge, an deren Ende das Auge sitzt, auf- weist, während das Weibchen normale, nur durch eine kurze Einschnürung abgesetzte Augen hat. Ausserdem zeigte derselbe Zydrachnidenlarven, an Beinen und Brust eines frisch gefangenen Dytiscus marginalis haftend. Nachtrag zu Bericht XLIIH. Herr Knetsch legt in der Sitzung vom 14. März 1898 vor: Alnus cordata Destont. (bekannter unter dem jüngeren Namen: Alnus cordifolia Ten. _Unteritalien. Findet sich | 1. auf Wilhelmshöhe nahe der Gärtnerei und der einst so interessanten Spirdenanlage; 2. am Tannenküppel im Park. 1894/95 fielen dem Vortragenden diese schönen Bäume durch ihre herzförmigen Blätter und ihre grossen Fruchtkapseln auf. Sonderbarerweise vermochte keiner der Gärtner, an welche der Vortragende sich wandte, die- selben zu nennen. Er erfuhr später durch einen Gärtner, dass vor 50 Jahren diese Bäume aus einem von Roth- schild’schen Garten nach Wilhelmshöhe verpflanzt worden seien. Auf eine Anfrage bei Herrn A. Zabel in Gotha (früher Münden) bestimmte derselbe den Baum, wie oben, gleichzeitig bemerkend, dass er diese und die verwandte, aber längliche, lanzettliche Blätter besitzende Alnus Uebersicht der Vorträge. XXI japonica Sieb. für die schönsten baumartigen Erlen hielte und es wirklich auffallend finde, dass man beide so wenig angepflanzt sieht. Alnus jJaponica ist auch auf Wilhelmshöhe ver- treten und zwar auf der Nordwestseite des grossen Rasen- platzes, nahe dem grossen Springbrunnen. Ferner: Carex Davalliana Sm., Davall’s Segge (Psyllophora). 4., 5. moorige Wiesen selten. Kommt vor 1. bei Kirchditmold; 2. bei Wilhelmshöhe Nach Pfeiffer noch auf dem Wissner und Wiesen zum Hain bei Allendorf angegeben, ausserdem noch im mittleren Gebiet zerstreut, im nördlichen sehr selten, in den Alpen nach Dalla Torre häufig, und bis 1900 Meter in der Schweiz nach Gremli verbreitet. Druekfehler. ‘Seite 13 Zeile 14 von oben statt Zingela lies Lingula. BIEBEK NT Pro abhandlungen und Bericht N Vereins für Naturkunde zu Kassel das 65. Vereinsjahr 1900-1901. Unter Mitwirkung des Vereinsvorstandes herausgegeben von Dr. med. L. Weber. # "Kassel 1901. Verlag des Vereins. | Druck von L. Döll. zıs18L 4 . ' 2 @ . : | Anden a für N; zu richten. » ! er L » Ps » u } s {1 j; - r 4 i ! N v. » n r\ 4 a x / wu Fe Be. Ai andluneen und Bericht Vereins für Naturkunde wur hi, zu Kassel über => ‘das 65. Vereinsjahr 1900-1901. mr Unter umokung des Vereinsvorstandes herausgegeben % ; von Dr. med. L. Weber. Kassel 1901. Verlag des Vereins. Druck von L. Döll. rer PR £ N Re hr I Feen Fi wer NE F » « y h Ar x PR. 4 NR R Zr r - 1 4 ; ä a e“ Er | Te LORD SH Etere 2 in is ee RE A EL) 3 4% I ey nl H Nee > hi Re = a Eu "z IE A eG % # - si 7687 Pu; ; ® BEIIIEM EIS EN F, H | Isletlaw. 4a x 3 ‘ yo er Für den Inhalt der Abhandlungen ind die Herren | selbst Weraniwettien. KREISE LEER stell gr, = % ri ; ad Hgda a Le DELETE 27 wel lt FAT Et Per: Auch u K EA ; u 2 or we ® v I % nr r N ee PT: E s, > Inhalt. Abhandlungen und Vorträge. 1. Eysell, A., Der Malariaparasit und seine Uebertragung nn auf den Menschen. Mit 5 Abbildungen . 1 2. Zeiske, M., Ueber die Zusammensetzung der Flora von Hessen und SER Tr a er el) 3. Doehle, Fr., Ueber einige alte bei Höxter an der Weser belegene Sächsische Wallburgen und ihr Zusammenhang mit der Geschichte. Mit 2 Abbildungen 35 4. Alsberg, M., Typhus und Milchsterilisation 50 5. Paulmann, Dr., Die Kasseler Kläranlagen . - 61 eErhr. von sch H., Bericht über den im ER der deutschen ornithologischen Gesellschaft aufgestellten Entwurf eines internationalen Vogelschutzgesetzes und über Berathung dieses Entwurfes auf dem Pariser Congress . ya 7. Weber, L., Vorläufige Aufstellung von in der Umgegend von Kassel vorkommenden Netz- und Geradflüglern 82 8. Laubinger, (., Laubmoose 89 9. Laubinger, (., Lebermoose 93 Bericht über Stand und Gang des Vereinslebens, die Mit- glieder, den litterarischen Verkehr etc. . .....T--XXlIl R $ E} % ” ’ Ir: VATER NR 15% ı W E 2 L} y ER RE Br: % * PR, Ari tert Pc 2 ö BEN MAIASOLFENENN ELRR. sb e R RR & AIR > - EM a NT 2 an iger Aa RR TE RE TE art it f) A N k ir air USER IE „ad a Eee DE 2 Fa ER TE $ Et Ikffs rn ID. y 4 f Yüı 4 2 % A ae Y a a - vr Y , - a Bei 2 vr 1%; vr a i ea » h E hl a as. » v Y v . - Dt) Ds * » ’ > f . , f ö ' AR: FETT N R ABIINSSZSTERLN M N f * Der Malariaparasit und seine Übertragung auf den Menschen. il Der Malariaparasit und seine Übertragung auf den Menschen. Aus seinen Vorträgen, gehalten am 14. Mai 1900 und 14. Januar 1901 im Verein für Naturkunde zu Cassel, zusammengestellt von Dr. med. A. Eysell. M. H. Es gibt wohl kaum etwas Interessanteres in der modernen Medicin, als den Gang und die Resultate der neueren Malaria-Forschung zu verfolgen. Über die Wichtigkeit des Gegenstandes und der schon heute gewonnenen Ergebnisse braucht man ja eigentlich kaum ein Wort zu verlieren, doch will ich mir nicht versagen, hier nur an zwei TIhatsachen zu er- innern, welche schlagender als viele Worte die Bedeutung der Malaria für das Wohl und Wehe ganzer Völker zu zeigen im Stande sind. Professor. ” elli, der. Director des hygienischen Institutes zu Rom, hat nachgewiesen, dass bei einer Bevöl- kerung von 31,7 Millionen in Italien jährlich über zwei Millionen Menschen an Malaria erkranken und tausende von diesen der Krankheit erliegen *). Welcher Verlust am Nationalvermögen der Italiener hierdurch bedingt wird, braucht ja nicht weiter ausgeführt zu werden, und sehr verständlich wird der Ausspruch Fortunato’s: „La ma- laria costituisce il problema essentiale per !’Italia“. *), Die Zahl der im Jahre 1897 in Indien an Malaria Gestorbenen gibt Ronald Ross auf 5026725 — also mehr als fünf Millionen Men- schen — an; an allen übrigen Krankheiten zusammen starben nur etwa ein Zehntel der Malariaopfer., 1 2 Dr. med. A. Eysell. « Ferner sind alle Tropenärzte einhellig in ihrem Ur- theile, dass mit einer wirksamen Bekämpfung der Malaria das grösste Hinderniss für die Besiedelung der heissen Länder durch die weisse Rasse beseitigt sein wird. Alle anderen dort vorkommenden Krankheiten sind weder an Zahl noch an Gefährlichkeit mit unseren heimischen zu ver- gleichen, und in der That können wir unsere Übervölkerungs- sorgen mit dem Tage als zerstreut betrachten, an welchem es gelingt, das Tropenfieber zu bannen. Für unsere dem ärztlichen Stande nicht angehörenden Mitglieder darf ich wohl einige Bemerkungen über die Malaria (im Volksmunde das „kalte“ oder „Wechselfieber“ genannt) vorausschicken. Die Krankheit ist in vielen Gebieten der heissen und der gemässigten Zone verbreitet und tritt namentlich in den Tropen häufig in ungemein bösartiger Form auf. Sie beginnt mit einem Schüttelfrost, dem bald grosse Hitze und heftiges Fieber, sodann Schweiss und Temperatur- abfall und schliesslich Rückkehr zu relativem Wohl- befinden folgen. Je nachdem sich nun diese Fieberanfälle nach zwei oder drei mal 24 Stunden wiederholen, unter- scheiden wir eine Febris tertiana oder quartana; daneben tritt die Malarıa auch noch in weniger typischen Formen auf, und werden wir auf die Gründe hierfür später noch zurück kommen. | Der erste grosse Schritt, der uns einen sicheren Einblick in das Wesen des Wechselfiebers gestattete, wurde mit der Entdeckung des Plasmodium malariae durch Laveran, einen französischen Gelehrten, vor 21 Jahren gethan. In der zweiten Hälfte der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts war es dann Golgi in Pavia, der uns die Entwickelung und Vermehrung des Parasiten im mensch- lichen Blute kennen lehrte. Er verliess bald die noch heute von Laveran verfochtene Ansicht, dass nur ein Malariaparasit existire, der unter verschiedenen Verhält- nissen verschiedene Form annehmen könne und dann auch die Lebensvorgänge seines Wirthes in verschiedener OR Der Malariaparasit und seine Übertragung auf den Menschen. 3 Art beeinflussen müsse, und beschrieb in mustergiltiger Weise zunächst die Parasiten der Quartana und Tertiana und später auch den des Tropenfiebers oder, wie seine Landsleute es nennen, des Ästivo-Autumnal-Fiebers. Golgi zeigte, dass die jungen Parasiten zunächst frei in der Blutflüssigkeit (Plasma) schweben, sich dann den rothen Blutkörperchen anheften und schliesslich in diese eindringen. Auf Kosten des befallenen Blutkörper- chens vergrössert sich der Parasit unter Abscheidung von Pigmentkörnern stetig, bis er den ausgehöhlten Erythrocy- ten fast vollständig ausfüllt. Jetzt beginnt die Theilung des ausgewachsenen Blutschmarotzers; sein Leib zerfällt in 6 bis 20 junge Plasmodien, die nun von neuem den gleichen Kreislauf beginnen. Mit der Auflösung des mütter- lichen Körpers und dem Freiwerden der jungen Brutsetzt der Fieberanfall ein, welcher durch die giftigen Stoffwechelpro- dukte des zerfallenden Mutterthieres ausgelöst wird. Es er- giebt sich aus diesen Ihatsachen, dass der Parasit der Ter- tiana 48 Stunden, der der Quartana 72 Stunden zu seiner Ausreifung bedarf. Atypisch verlaufende Fälle von Malaria werden durch die Anwesenheit verschiedener Arten des Plasmodium oder durch mehrere (renerationen derselben Art hervor- gerufen. Mit der Klarlegung dieser Vorgänge wurde natur- gemäss die Erkenntniss der Krankheit und ihres Erregers ganz ausserordentlich gefördert; aber noch ein Jahrzehnt musste vergehen bis zu dem Zeitpunkte, welcher uns auch mit dem Überträger des Parasiten auf den Menschen bekannt machte. Die allerverschiedensten Medien sollten den Krankheits- keim beherbergen und durch die Organe der Athmung oder der Verdauung in den menschlichen Körper gelangen lassen. So schuldigte man jahrhundertelang die Sumpfluft als die Vermittlerin der Krankheit an, und diese An- 1* 4 Dr. med. A. Eysell. schauung gab ihr auch den noch heute gebräuchlichen Namen. Seit Laverans Entdeckung liess sich die An- nahme eines Contagium animatum nicht länger von der Hand weisen; die Ähnlichkeit des Plasmodiums mit gewissen anderen Protozoön (namentlich den Amöben) veranlasste viele Ärzte an eine Übertragung durch Trinken verdorbenen Wassers zu denken. Fast wunderbar muss es nun erscheinen, dass man seit den ältesten Zeiten neben diesen falschen Annahmen über die Entstehung der Malaria immer wieder der Be- hauptung begegnet, dass blutsaugende Insekten, in erster Linie die Culiciden oder Stechmücken, mit dem Stich ihrem Opfer die Krankheit einimpfen. Schon die Römer (Columella, Varro, Vitruv) klagen Insecten als Überträger an. Ihre Nachkommen suchten sich bereits im Mittelalter beim Eindringen in Sumpf- gegenden durch Schleier gegen die Malaria zu schützen, was sie sicher nicht gethan hätten, wenn sie des Glaubens gewesen wären, dass verdorbene Luft der Krankheits- erreger sei. Nach Robert Koch braucht ein ostafrika- nischer Stamm für das Wechselfieber und seinen Vermittler, den Mosquito, dasselbe Wort „Mbu“. Während also die Idee, dass die Mücken die Übertragung der Malaria be- wirken, alt ist, hat man sich erst in neuerer Zeit an die experimentelle Prüfung ihrer Richtigkeit gemacht. Die Anregung zur Aufnahme der experimentellen Malariafor- schung gab der englische Tropenarzt Patrik Manson. Er hatte schon früher gezeigt, dass ein im Blute des Menschen schmarotzender Wurm, die Filaria Bankrofti, in diesem seine vollkommene Entwickelung nicht erreiche, sondern erst mit dem gesogenen Blute in den Magen von Stechmücken gelangt sich weiter entwickeln könne. Es lag ja nun nahe, anzunehmen, dass auch das Plasmodium, wenn Culiciden es sich mit dem Blute Malaria- kranker einverleibten, in dem Verdauungscanal dieser Thiere zu weiterer Ausbildung gelange. Manson war inzwischen nach England zurückgekehrt und deshalb nicht Der Malariaparasit und seine Übertragung auf den Menschen. 5 mehr in der Lage, die Richtigkeit seiner Annahme selbst zu prüfen; er veranlasste desshalb den englischen Militair- arzt Ronald Ross in Calcutta, Versuche in der ge- dachten Richtung anzustellen. Im Jahre 1897 gelang es Ross, die Manson’sche Hypothese vollkommen zu bestätigen, und im folgendem Jahre zeigte derselbe Forscher, dass das Proteosoma der Vögel, ein dem Plasmodium nahe verwandtes Protozoon, sich nicht allein genau ebenso verhielt, sondern auch nach einer bestimmten Zeit durch den Stich inficirter Mücken wiederum auf gesunde Vögel übergeimpft werden könne, und bei diesen dann dieselbe Krankheit hervorrufe. Mit diesem geglückten Versuche war in der Haupt- sache die Richtigkeit der Mosquito-Malaria-Theorie schon bewiesen. Ehe wir nun unseren eigentlichen Gegenstand weiter verfolgen, müssen wir uns etwas eingehender mit dem Bau und Leben der Stechmücken beschäftigen. M. H. Nur in grossen Zügen will ich versuchen, die Morphologie und Biologie unserer heimischen Qulici- den Ihnen vorzuführen, die zahlreichen ausländischen Gat- tungen aber ganz ausser Betracht lassen. Sehe ich ab von der Büschelmücke (Corethra), welche irrthümlicher Weise von vielen Autoren auch heute noch zu den Culiciden gerechnet wird, so bleiben uns nur die Gattungen Culex, Anopheles und Aödes. Meigen, der Vater der Dipterologie, welcher in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts zu Stolberg bei Aachen lebte, beschreibt die Stechmücken in folgender Weise: Zweiflüglige, mit einem Schöpfrüssel ver- sehene Insecten. Die vorgestreckten Fühler sind faden- förmig, 14gliederig und stehen auf einer warzenförmigen Erhöhung. Bei den Männchen sind die Basen der 12 ersten Grlieder wirtelförmig mit langen Haaren besetzt, die nach der Spitze des Fühlers zu allmählich kürzer werden; die beiden Endglieder sind verlängert. Bei den Weib- 6 Dr. med A. Evysell. chen sind alle Fühlerglieder gleich gross; an der Basis kurzborstig behaart. Die vorstehenden Taster sind Sgliederig. Die Netzaugen sind halbmondförmig; Punkt- augen fehlen. Rückenschild ohne Quernaht. Flügel aufliegend, an den Adern und am Rande mit Schüppchen besetzt. Schwingerunbedeckt. Hinterleib achtringelig. Meigen’s Beschreibung der Gattungsunter- schiede ist auch heute noch vollkommen zutreffend; er sagt: 12 Bei -Culex sind;:die=Baster desd länger als die Fühler, die des Orseha, kurz, 2, Bei A no: pheles sind die Taster beider Ge- schlechter länger als die Fühler. 3. Bei Aödes ist das Umgekehrte der Fall.*) Der bekannteste Vertreter unserer Familie ist Culex pipiens,dieSchnake oder gemeineStech- mücke.Beiunsallen jedenfalls stehtdies zudringliche und blutgierige Insect in unan genehmer Fig. 1, 2, 4, 5, 6 sind nach lebenden Mücken gezeichnet; Fig. 3 konnte erst zwei Stunden nach dem Tode des Tieres angefertigt werden, die Fühler- borsten haben deshalb schon Cadaverstellung angenommen. R = Rüssel. T — linker Taster, F = linker Fühler, (dieTbeiden Antennenendglieder der Männchen sind dem Beschauer zugekehrt und er- scheinen deshalb stark verkürzt.) Th = Thorax. Fig. 2. Culex pipiens L. 2 (24/.1.) *) Die letzte sehr kleine Gattung kommt nur in sehr beschränkten Gebieten Norddeutschlands, namentlich in den Mooren der Hamburger Gegend, vor und interessirt uns deshalb weniger. Der Malariaparasit und seine Übertragung auf den Menschen. 7 Erinnerung. Über die ganze Erde ver- breitet, mit jeder Schmutzlache in seinen ersten Ent- wickelungsstadien zufrieden, gegen Witterungsunbil- den sehr abgehärtet begegnet uns der Plagegeist überall und fast das ganze Jahr hindurch im Freien und in den menschlichenWoh- © nungen. Fig. 4. Anopheles maculipennis Hgg. ? (18./1.) Sehen wir uns nun eine Stechmücke etwas näher an. Wir wählen zu unserer Betrachtung ein lebendes Thier, da nach dem Tode durch Starre und Eintrocknung — die Chitindecke der Mücken ist sehr dünn — ganz erhebliche Form- und Farbenveränderungen aufzutreten pflegen. Der Chitinpanzer der Culiciden ist mit Haaren und Borsten, vor allem aber mit verschieden gestalteten und gefärbten Schuppen, die denen der Schmetterlinge sehr ähnlich sind, besetzt. Diese ÖOberhautgebilde verleihen durch Häufung, Stand und Farbe einzelnen Körperstellen der Thiere ein ganz charakteristisches Aussehen und geben damit wichtige Unterscheidungsmerkmale für die einzelnen Arten ab. Der kleine beinahe kugelrunde Kopf wird zum grössten Theile von den beiden grüngoldig schillernden Facettenaugen eingenommen, die auf dem Scheitel und an der Kehle fast zusammenstossen; sie werden von Wimpern umgeben, welche namentlich auf der Stirn stark entwickelt sind und hier einen nach von gerichteten Schopf bilden. Die Nackengegend ist mit fächerförmigen, gleich hohen, 8 Dr. med. A. Eysell. senkrecht aufsitzenden Schuppen besetzt, welche dem Thiere das Aussehen geben, als ob es kurz SeSCHWEBES Haar (einen „Stiftekopf“) trüge. Die Mundtheile, über denen sich der kräftig entwickelte Kopfschild befindet, sind rüsselförmig verlängert. Die fleischige, halbröhrenförmige, nach oben offene Unter- lippe umschliesst als Scheide die chitinige Oberlippe, welche mit den ihr fest anliegenden, borstenförmig ausgezogenen Ober- und Unterkiefern und der Zunge (Hypopharynx) eine Hohlnadel, den eigentlichen Stech- und Saugapparat unserer Mücken, bildet. Die Unterlippe dient, diese Gebilde vollkommen einhüllend, den andern sechs Theilen des Mundes als Schutzvorrichtung und sichert ihre Verbin- dung, dann aber hat sie auch, durch ihre Muskulatur hier- zu befähigt, die Aufgabe, dem Stilet die für jeden Fall zweckmässige Richtung zu geben und mittelst ihrer Taster die passende Stelle für den Einstich zu bestimmen. Der Thorax besteht aus drei fest verschmolzenen Theilen, der Vorder-, Mittel- und Hinterbrust. Quernähte des Rückenschildes, die bei anderen Insecten die Grenze dieser Theile bezeichnen, fehlen, wie schon oben erwähnt, den Culiciden vollständig. Der Brustkorb ist bei den Culex- arten mit Schuppen bedeckt, bei den Anophelinen da- gegen behaart. In diesem Verhalten ist ein sehr wich- tiger Gattungsunterschied gegeben. | Die von der Mittelbrust entspringenden Flügel sind verhälnismässig schmal, lang und vieladrig; ihr Schuppen- kleid ist bei manchen Arten an einzelnen Stellen so dicht, dass dieselben wesentlich stärker gefärbt und damit als Flecken erscheinen. An der Hinterbrust sind die freistehenden Schwing- kölbchen angeheftet. Jeder Brustabschnitt trägt an der Bauchfläche ein Beinpaar. Die Beine der Stechmücken sind sehr lang und dünn, mit Schuppen bedeckt und tragen an einzelnen Stellen Borsten und Dorne. Das letzte Fussglied ist an Der Malariaparasit und seine Übertragung auf den Menschen. 6) seinem Ende mit einem Klauenpaar bewaffnet, welches einen oder zwei Nebenzähne tragen kann. Der Hinterleib besteht aus acht Ringen, deren Rücken- und Bauchflächen beschuppt sind, während die Seiten nackt erscheinen. An seinem Ende fallen die wohl entwickelten äussern Geschlechtstheile namentlich bei den männlichen Tieren auf. Von den inneren Organen interessirt uns hier nur der Nahrungskanal. Die stechenden und saugenden Theile des Mückenrüssels gehen ohne scharfe (Grenzen in die geräumige Mundhöhle über. An ihrem Boden befindet sich die Einmündung des gemeinsamen Ausführungsganges der beiden Speichel- oder Giftdrüsen, welche als drei- jappiee Gebilde zu beiden Seiten der Speiseröhre in der Brust des Tieres liegen. Der Oesophagus theilt sich noch in der Brusthöhle gabelig ; der kürzere, untere Ast führt zum Vor- oder Saugmagen, der obere zum grössten und bestentwickelten Abschnitte des Nahrungsschlauches, dem eigentlichen Magen. Das relativ kurze und nur wenig gewundene Jleum bildet die directe Fortsetzung des spindel- förmigen Hauptmagens und endet in einem kräftig ge- bauten Rectum. Es erübrigt nun noch auf einige für uns wichtige physiologische und biologische Punkte zu kommen. Die Sinnesorgane der Culiciden sind zum Theil wenigstens hoch entwickelt. Trotz der grossen und ihre Facetten nach allen Seiten richtenden Augen dürfte der Gesichtssinn der Stechmücken wohl am wenigsten ent- wickelt sein. Grassi nimmt an, dass ihr Auge nicht weiter als 70 Centimeter reicht und die Thiere nur befähigt, hell und dunkel, unbestimmte Grenzen von nahen Gegen- ständen und deren Bewegung zu erkennen. Der Geruch ist jedenfalls vorzüglich ausgebildet, und auch wohl das Gehör ein scharfes; als Sitz dieser beiden Sinne werden die Fühler angesprochen, während die Lippen- und Kiefer- 10 Dr. med. A. Eysell. Taster die hauptsächlichsten gefühlvermittelnden Organe sind. Die Nahrung der Culiciden ist zu verschiedenen Zeiten und bei den verschiedenen Geschlechtern eine ver- schiedene. Während die Männchen wohl ausnahmslos Vegetarier sind und sich von Blüten- und Fruchtsäften nähren, brauchen die Weibchen zur Zeit der Eierreifung zu ihrer Ernährung Blut von gleichwarmen Geschöpfen. Der Flug der Stechmücken ist den wohlgebauten Flügeln und der ungemein stark entwickelten Brust- muskulatur entsprechend ein kräftiger; sie legen in folge dessen, namentlich wenn eine günstige Luftströmung sie unterstützt, weite Strecken zurück, ohne sich jedoch in höhere Luftschichten zu erheben. Das eigentümliche Singen, welches das fliegende Insect hören lässt, wird durch den Flügelschlag hervorgerufen; man hat aus der Tonhöhe direct die Zahl der Flügelschwingungen be- rechnet und das Ergebniss durch Controllversuche bestä- tigen können (Marey). Die Beine braucht die Mücke wohl niemals zur Fort- bewegung, sondern heftet sich vermittelst derselben nur an stark geneigte, senkrechte oder überhängende Flächen an, um dort regungslos (manchmal monatelang) auszuruhen. Hier möchte ich noch anführen, dass Grassi und Ross unabhängig von einander auf die höchst bezeichnende Körperhaltung der Mücken während des Sitzens aufmerk- sam machen; Culex nähert in Ruhestellung das Leibes- ende der Halt bietenden Wand, sodass es beinahe auf- zuliegen scheint, und krümmt das letzte Beinpaar sehr stark dorsalwärts, während Anopheles den Hinterleib weit von der Wand entfernt und das letzte Beinpaar einfach herabhängen lässt; die Körperaxe des Letzteren ist bei- nahe eine grade Linie, während Culex buckelig und zu- sammengekauert dasitzt. Schon in einer Entfernung von mehreren Metern lassen sich desshalb sitzende Stechmücken auf den ersten Blick leicht unterscheiden. Die wichtige Aufgabe, die einzelnen Körpertheile Der Malariaparasit und seine Übertragung auf den Menschen. 11 des Thieres zu putzen und rein zu halten, fällt ebenfalls den Beinen zu. Die Culiciden sind ausgesprochene Däm- A merungs- und Nachtthiere; mit Sonnenunter- gang verlassen sie ihre Schlupfwinkel, um sich | blutgierig auf ihre Beute zu stürzen. Wenn | nicht ein leises Singen die Annäherung ver- | riethe, würde das Opfer den Überfall nur selten bemerken, da die Stechmücken bei ihrem ‘| Niederlassen auf der Haut kaum einen (refühls- | eindruck hervorrufen. Rasch sondiren die Lip- | pentaster das Terrain und an zweckmässig ge- * önle» | Wwählter Stelle wird das Hohlstilet eingestossen. Bei diesem Vorgange gelangt immer ein leil Fig.5. des giftigen Inhaltes der Speicheldrüsen in die Er m Stichwunde und erzeugt hier zunächst Blutan- drang, später lästiges Jucken und die bekannte | Quaddel. Nun beginnt das TIhier die blutüber- | füllten Theile auszusaugen ; es erweitert zu diesem Zweck die Mundhöhle mittelst der sich radiär 7| an ihren Wänden inserirenden und von der ı chitinigen Kopfkapsel entspringenden Musku- | latur. Ist die Mundhöhle mit Blut gefüllt, so verschliessen Ringmuskeln zunächst die Mund- | öffnung und pressen dann den Inhalt durch | die Speiseröhre nach dem Vormagen u. s. w. bis | zur vollkommenen Sättigung des Thieres. Das ınach einiger Zeit in den Hauptmagen ge- langte Blut wird in wenigen Tagen verdaut, | und nun ist die Mücke von neuem befähigt, Blut- | nahrung aufzunehmen. | Ihre Eier legen die Stechmücken auf die Fig. 6. Ano- Oberfläche stehender Gewässer ab. Um ein heles li- > : n . R ne Hoss Untersinken des Laiches zu verhüten, sind die Fig. 5 und 6. Körperhaltung der Stechmücken während des Sitzens an senkrechten Wänden. Taster, Fühler und Beine nur der rechten Körperhälfte sind gezeichnet. 12 Dr. med. A. Eysell. einzelnen Eier der Anophelinen mit einem besonderen „hy- drostatischen Apparat“ (Grassi) versehen, die der Culi- cinen dagegen werden bienenwabenartig an einander ge- klebt und so angeordnet, dass auf der oberen Fläche der Wabe eine Delle entsteht. Das ganze Gebilde wird da- mit gewissermassen zu einem Schiffchen (der barchetta der Italiener). Während Culex in Pfützen, Schmutzlachen und kleinern Teichen mit modernden Pflanzentheilen seine Eier ablegt, bevorzugt Anopheles grössere, klare Wasserbecken und Sümpfe mit reichlichem Pflanzenwuchs. Die Larven und Puppen der Culiciden athmen durch Iracheen, so zwar, dass sie sich mit den aufgeklappten Stigmenverschlüssen gewissermassen an der Wasserfläche aufhängen und hier so lange verweilen, bis der nötige (Grasaustausch erzielt ist. | Wenige Wochen genügen, um eine neue Generation zu erzeugen, und so rechnet Professor Ficalbi in Padua, welcher die Culicidenfauna Italiens am eingehendsten studirt hat, heraus, dass ein einziges überwintertes Ano- phelesweibchen es bis zum Herbst des gleichen Jahres zu einer Nachkommenschaft von 200.000.000 Individuen bringen kann. Kehren wir nun zu den Malariaparasiten zurück! Mit den Blutschmarotzern der Wirbeithiere bilden sie die Ordnung der Hämosporidien, als Unterabtheilung der Sporo- zoen, welche ihrerseits wiederum zu den Protozoen, den einzelligen Tieren, gehören. Der oben geschilderte ungeschlechtliche Entwicke- lungscyclus im Blute des gleichwarmen Zwischenwirthes genügt nicht, um die Art lebenskräftig und endlos regene- rationsfähig zu erhalten; es bedarf hierzu eines Gene- rationswechsels, der sich in unserem Falle zu- gleich mit Wirthswechsel vollzieht*). Die schon im Körper des Menschen, der Säugetiere und Vögel auf- *) Vergl. die Tafel auf S. 18. Der Malariaparasit und seine Übertragung auf den Menschen. 13 tretenden Geschlechtsformen gelangen mit dem gesogenen Blute in den Magen der Culiciden und schreiten hier in kurzer Zeit zur Copulation. Es zeigte sich nun bald, dass nur bestimmte Mücken- arten, und auch diese nur unter bestimmten Verhältnissen, die Hämosporidien zur Weiterentwickelung befähigen. So hatte schon Ross (1898) gefunden, dass Culex fatigans der eigentliche Wirth des Proteosoma der Vögel sei, und Grassi stellte dann im folgenden Jahre fest, dass nur im Körper der Anophelinen das Plasmodium sich heimisch fühle, während es im Magen der Culicinen zu Grunde gehe. *) Die durch die geschlechtliche Vermischung entstandene Copula nimmt, um besser in die Epithelien der Magen- schleimhaut eindringen zu können, die Form eines Würm- chens an und kommt zunächst in der Submucosa zur Ruhe. In dem bald kugelförmig werdenden, rasch wachsenden Körperchen erfolgt reichliche Kernvermehrung und Neu- bildung von Zellen, den Sporablasten, und diese verwandeln sich dann wieder in sichelförmige, kernhaltige Elemente, die Sporozoiten oder Sichelkeime, welche nun frei in der zur Vocyste gewordenen, stark in die Leibeshöhle der Mücke hineinragenden Kugel schweben. Bald platzt dann die Blase und ergiesst ihren Inhalt in die Säftemasse des Insectes. Mit dieser werden sie im ganzen Körper des Wirthes herumgeführt und gelangen namentlich in grosser Zahl in die Speicheldrüsen. Der geschilderte Vorgang spielt sich in 6—8 Tagen ab. Durch den Stich der Mücke werden die Sichelkeime nun wieder in das Blut der Menschen übertragen, und hier beginnt der ungeschlechtliche Entwickelungskreislauf von neuem. Nur bei entsprechend hohen Temperaturen — bei dem Plasmodium praecox des Sommerherbstfiebers der Italiener. mindestens 25° C. — kann sich der Parasit im *) Die Grassi’schen Beobachtungen wurden von der englischen Expedition nach der Sierra Leone (unter Ross’ Führung) bestätigt. 14 Dr. med. A. Eysell. Mückenkörper weiter entwickeln. Dieser Umstand erklärt das periodische Auftreten der Malaria in subtro- pischen Gebieten und in der gemässigten Zone. Wie die Gleichwarmen, so erkrankt auch die Mücke, welche den Parasiten beherbergt, und viele der inficirten Thiere erliegen den vergiftenden Stoffwechselproducten des Schmarotzers; so kommt es, dass wir unter den über- winterten Gabelmücken nicht eine einzige finden, welche in ihren Speicheldrüsen Sichelkeime aufgespeichert hat, ihr Stich ist desshalb ungefährlich. Auch auf die Nach- kommenschaft der Anophelinen geht das Plasmodium niemals durch Vererbung über. Im Zwischenwirth, dem Menschen, muss also der Malariaparasit überwintern, und zwar thut er dies in dessen inneren Organen (Milz, Knochenmark). Kommt es dann im Frühjahr zu Recidiven, so treten auch in den peripheren Körpertheilen wieder die Geschlechtsformen der Plasmodien auf und geben der blutbedürftigen Gabel- mücke Gelegenheit sich zu inficiren. Dass nun die Übertragung des Plasmodium auf den Menschen in der gedachten Weise erfolgen kann, hat der junge Dr. Manson, Patrik’s Sohn, einwandfrei bewiesen. Er liess in der Campagna romana zgefangene inficirte Anopheles nach London schicken und sich hier von ihnen stechen: nach der gewöhnlichen Incubationszeit erkrankte er an typischer Malaria; dass sie nur auf diese Art zu Stande kommt, ist nach den im folgenden mitzutheilenden Versuchen namentlich der Italiener und Engländer fast zur (zewissheit geworden. Die Kinder der Eingeborenen erkranken in Fieber- gegenden ausnahmslos an Malaria; eine ererbte Immunität kommt nicht vor, sie wird durch Überstehen der Krankheit gewöhnlich bis zum fünften Lebensjahre erworben und kann durch längeren Aufenthalt in fieberfreien Orten wieder verloren gehen. (R. Koch.) Wenn nun der Anopheles, wie wir zunächst und mit gutem Grunde annehmen, der einzige Überträger der Der Malariaparasit und seine Übertragung auf den Menschen. 15 Malaria auf den Menschen ist, so lassen sich die Gebote der Prophylaxis in die beiden Sätze zusammenfassen: 1. Verhindere, dass die Gabelmücke sich inficirt, und und sie wird keinen Menschen infieiren (R. Koch) 2, Verhindere das Gestochenwerden des Menschen, und du verhinderst seine Erkrankung an Malaria (Grassi und seine Schule). Der ersten Forderung werden wir genügen, wenn wir alle Fieberkranken ausheilen und bis dahin möglichst von der gesunden Bevölkerung absondern. Die Anophelesmücke lassen wir bei diesen Massnahmen ganz ausser Betracht. Anders bei Erfüllung der zweiten Forderung, bei der wir uns in der Hauptsache gegen den Überträger des Krankheitskeimes richten. Seit langer Zeit ist man bestrebt, die Brutstätten der Mücken zu zerstören, die Sümpfe auszutrocknen und die örtlichen Verhältnisse möglichst zu assaniren. Neben derartigen Massnahmen werden wir uns heute selbst- verständlich auch gegen die Stechmücken direct wenden. Die Brutstätten zu vergiften ist häufig ein gefährliches Unterfangen und, wenn es wirkungsvoll geschehen soll, immer mit grossen Kosten verbunden. Da hat man sich denn den Umstand zu Nutzen gemacht, dass die Culiciden in ihren ersten Ständen gezwungen sind, sich mitihren Tracheenstigmen an der Wasserfläche aufzuhän gen, um Luft zu schöpfen, und in die Larven und Puppen be- herbergenden Wasserlachen geringe Mengen Rohpetroleums gegossen, welches die L.uftröhrenöffnungen verstopft und die Ihiere in einigen Stunden zum Absterben bringt. In grösserem Umfange und mit vorzüglichem Erfolge wurde von Fermi und Tonsini auf der Gefängnissinsel Asinara von dieser Methode Gebrauch gemacht; nebenbei wurden die Wohn- und Schlafräume der Sträflinge mit Chrysanthemumpulver und Chlordämpfen ausgeräuchert. Um die mit den Stichen eingedrungenen Sichelkeime sofort abzutödten, hat man seit langer Zeit die sogen. Chininprophylaxe eingeführt. Bei richtiger Anwendung 16 Dr. med A. Eysell. leistet die Methode vorzügliches, aber alles von ihr zu verlangen, wäre unbillig; Celli macht ihr mit Recht den Vorwurf: kleine Dosen nützen nichts, grosse werden auf die Dauer nicht genommen oder nicht vertragen. Mense macht den Vorschlag, das Chinin in Glycerin gelöst oder in Salbengrundlagen suspendirt auf der äussern Haut zu verreiben, um so den Culiciden das Stechen zu verleiden. Schon im Jahre 1899 stellte Celli an Bahnbeamten in Latium Versuche mit einer gleich zu beschreibenden mechanischen Prophylaxe an, welche in bedeutend grösserem Stile und mit schönstem Erfolge von Grassi im vorigen Jahre an 114 Eisenbahnern zu Albanella in Calabrien wiederholt wurden.*) Beide Forscher versahen die Fensteröffnungen und Rauchfänge der Wohnhäuser ihrer Pflegebefohlenen mit feiner Drahtgaze und gaben den gut schliessenden Ein- gängen verandenartige Vorbauten, die ihrerseits gegen die Aussenwelt wiederum durch genau schliessende Ihüren abgesperrt wurden. Mit Sonnenuntergang und dem Beginne des Aus- schwärmens der Anophelesmücken, zogen sich die dienst- freien Beamten nebst ihren Angehörigen in die Wohnungen zurück und verliessen sie vor Sonnenaufgang nicht wieder. Die Nachtdienstthuenden hatten sich durch dünne Schleier, welche alle entblössten Theile des Halses und Kopfes sicher deckten, und weite Baumwollhandschuhe gegen die Mückenstiche zu schützen. Chinin wurde während desganzen Sommers und Herbstes nicht verabreicht. Der Erfolg dieser einfachen Massregeln war ein ganz erstaunlicher. Von den 114 Versuchspersonen haben nur 4 leichte Malariaanfälle gehabt, die theilweise als Rückfälle aus der vorangegangenen Fieberperiode angesprochen werden müssen. | *) Die Gegend ist so verrufen, dass die Eingebornenbevölkerung in der Fieberzeit täglich Wege von 20 Kilometern und mehr macht, um in den Vorbergen gesundere Nachtquartiere aufzusuchen. ” Der Malariaparasit und seine Übertragung auf den Menschen. 17 re, Eine volle Bestätigung und Ergänzung erfuhren die von Grassi angestellten Versuche durch die Beobachtungen der zu diesem Zwecke im selben Jahre von der englischen Regierung nach Italien geschickten Ärzte in Castel Fusano bei Ostia in der römischen Campagna. Sie bewohnten zu dritt nebst einem italienischen Zeichner und einem Diener ein mückensicheres Holzhäus- chen, das sie von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang niemals verliessen; sonstige Schutzmassregeln wandten sie nicht an. Trotzdessen häufig die Erde um die Hütte aufgegraben wurde, und die Ausdünstungen der direct daneben liegenden Sümpfe stetig durch die Drahtgaze- Fenster eindrangen, blieben auch an diesem verrufenen Malariaheerde alle von der Krankheit verschont, da selbst wiederholtes Trinken des Sumpfwassers nur einen Magen- Darmcatarrh zur Folge hatte. Ich komme zum Schluss, m. H. und hoffe ihrer Zustimmung sicher zu sein, wenn ich nach dem eben Dargelegten behaupte, dass es uns in der subtropischen und gemässigten Zone, d.h. also in den Gebieten unserer Erde, in welchen die Krankheit periodisch auftritt, gelingen muss und wird, des Wechselfiebers Herr -zu werden. In den Tropen ist der Kampf mit der Malaria viel schwieriger; er erscheint aber nach den schönen Erfolgen Robert Koch’s in Neuguinea auch hier kein, / aussichtsloser zu sein. Dr. med. A. Eysell. 18 2 nuobozıpc "aruo boode OS apsu2y] | j > g PY, M) =) aunsofspyorgpsah) ap apa 4 a, > () \ i an, ımuaypsımz (Hr ) ymupgns 19 Der Malariaparasit und seine Übertragung auf den Menschen. -wonDU UOA Yolajsnz Juuldog pun uassojy9sas snjaA,) A9p IST waaıy 'Uayasua sOp 9sseunnjg aIp ur yalIS y9anp wma9p9LM A9saILp sne pun AsNIpIFIY OIp Ur WOASINIT WOP Jun uuep ‘oyonupogqen aap SJyoyyaneg aıp ur JHueos (CT "SLA) wIOyJEYIIS YU9PAoMasIaa) PueMmuslsÄr) Aap UZyeld Y9ınp 19] puodomogq yaıs pun puogemy9s 19a) UNDUUTU9JSÄ,) wır (WIONyJIy9IS) »J1L0Z0A0dS Ip FT 'Sıg 7279s0q Uaulay rm ooepJaago Adayı June pun joppiqadsne uUAUWON]LOoA usjsejgoaods 9ıp 7319Z ET "Sy '9JsÄA0Q aap ur Sunjrayf -uI94] ST tg U9paom nz Josdeyasurs aaıy un 'oyny anz uauyt AoJun JwWoy pun ussuLıpnzum JneywmoyasusseN a9p uapjezjoyndg vıp ur Yaryrjaq 10 IST EISEN Aay»IoS (IT tg) uw wuogusypwany ywwıu (epndor)) aodıoy | | YydIgIaM 9Y9}y9najoq aap pun (OF 'Sty) uorepndor) anz pjeq -S[eE U9NSIAUIS U90ZOJEWLIOAS AI '(6 'STA) USJOASnB aadaoy waayt sne (U90ZOYeW.AIadS) „upossı9d“ HTp uASse] uaıswadg usyaruugu org (qg pun eg 'Srg) (uaaseyds) Srungpesny (q, pun ey 'Sıg) Spuougfeg usjuueussos ap uapıom ‘3uep93 usdewuayonm uap uf (9 pun q 'Sıy) ufoyoLm -}U9 U9WAIOJSIYIITYSIH uaydılgem pun uoyaıuugw nz usay9a9daoyyanjg Up UL YdIs SOSAOAI9pUe A9Po ‘usuuLsogq wonau UOA Funıyawas‘ uaydıpy9ajydsasun A9p Jnejstay uap T 'SIA aaqn sTIEyyuajssoas ap ‘BLOZOASIN A9p uUPpaom -91] # 31] (PIUOSOZIyUIS) Sungay] Spuauursaq & "14 ‘UOZIUIS A9UISYIeMaSSne Z "AL O[EZIUIg 9YJ0A 9ule ur (NoZoaodg) saway[syaIS sap uasutapurmg T 'SLd "IrosÄg HopV pow ıq uoA ]9Is931ep uulpney>g pun ısseilx) uoA uasstugeslssdunyssiog usp ydeu No 9 IsseIn 709991] mnıpomsp]g Sop ([OSy9aMSsy21 y NW [esy99MSUoNEIHUIH) SISIIINSFUNINIZ SOp eulayas DE 20 s2 Ueber die Zusammensetzung der Flora von Hessen und Nassau. Ueber die Zusammensetzung der Flora von Hessen und Nassau. Von M. Zeiske in Cassel. 1. In den Abhandlungen zum 44. Jahresberichte des Vereins für Naturkunde zu Kassel habe ich auf Seite 62 ft. die floristische Gliederung von Hessen und Nassau be- sprochen. Hieran schloss sich in der darauf folgenden Vereinspublikation auf Seite 30 bis 44 eine Darstellung der Pflanzenformationen Hessen-Nassau’s. In der nachstehenden Arbeit. soll nun untersucht ' werden, welche von unseren Pflanzenarten .dem ein- heimischen (mitteleuropäisch-sibirisch-canadischen) Floren- gebiet angehören, und welche aus den benachbarten Floren- gebieten eingewandert sind. Beschränkt sich das Areal einer Art auf ein einziges Florengebiet, so können über das Ursprungsland der Pflanze, abgesehen von den wenigen Reliktendemismen, verschiedene Meinungen nicht entstehen. Wenn eine Art mehreren Florengebieten zugleich angehört, dann muss dasjenige Florengebiet als ihre Heimath angesehen werden, in welchem ihre nächsten Verwandten wohnen. Dieser Weg ist bei monotypischen Gattungen und Sektionen unsicher, und überhaupt nur soweit gangbar, als neuere pflanzensystematische Monographien vorliegen. Aber auch schon die blosse Arealbetrachtung liefert vielfach Auf- schlüsse von hinreichender Sicherheit, wenn man davon ausgeht, dass eine Pflanzenart in dem Florengebiet ent- standen sein wird, wo ihre Hauptverbreitung liegt, und nicht in dem benachbarten Gebiet, wo sie ihre Ver- breitungsgrenze findet. Selbstverständlich versagt diese Methode bei. allen _ weitverbreiteten Arten; immerhin M. Zeiske. >] jedoch befinden sich unter den rund 1800 Arten, welche die Wigand-Meigen’sche „Flora von Hessen und Nassau“ aufführt, 668 Arten, deren Ursprungsland sich auf obige Weise mit einiger Sicherheit ermitteln liess. Wo im .Nachstehenden einzelne Arten angeführt werden, ist die im vorgenannten Florenwerke gewählte Namengebung und Reihenfolge der Familien beibehalten worden; ebenso die dortige Umgrenzung des Gebiets. Die Arealangaben, auf welche sich die von mir auf- gestellten Gruppen von Arten mit gleicher Verbreitung stützen, habe ich namentlich aus Nyman: Conspectus florae europaeae, Boissier: Flora orientalis und Ledebour: Flora rossica entnommen. In die Pflanzendecke Europas theilen sich drei Florenreiche: das boreale, das innerasiatisch-südosteuro- päische und das mediterrane. Das erstere wiederum zer- fällt in zwei Florengebiete: das arktische und das mittel- europäisch-sibirisch-canadische. Hessen und Nassau gehören zur europäischen Provinz des letzterwähnten Florengebietes; man- bezeichnet diese Provinz als „mitteleuropäisch“. ' Die mitteleuropäische Flora bewohnt die kaltgemässigten Länder Europas, und zwar diejenigen mit Niederschlägen zu allen Jahreszeiten. Sie ist mithin (als Flora) ausgeschlossen von dem meso- thermen Südeuropa, dem xerophilen Südosteuropa, dem hekistothermen arktischen Europa und von der ebenfalls hekistothermen alpinen Region der europäischen Hoch- gebirge. Sie nimmt jedoch, ihrem mikrothermen Charakter gemäss, die nördlichen Gegenden der drei südeuropäischen Halbinseln, hier allerdings mit mediterranen Typen stark untermischt, ebenfalls ein und kehrt in der höheren Berg- region der gewaltigen Hochgebirge, welche die südliehsten Theile Spaniens, Italiens und Griechenlands erfüllen, in ziemlicher Reinheit nochmals wieder. Sie umfasst mithin von den auf der Florenkarte von Europa in Berghaus physikalischem Atlas Abthl. V (Gotha 1887) dargestellten Zonen und Regionen die Zonen 223 Ueber die Zusammensetzung der Flora von Hessen und Nassau. 3 bis 6 und die Region 9, sowie deren südeuropäische Uebergangsglieder und vertikale Wiederholungen. II. Ich beginne mit denjenigen Arten des borealen Elements, welche eine rein mitteleuropäische Verbreitung besitzen, oder deren Hauptverbreitung nach Mitteleuropa im obigen Sinne fällt. Die Flora des nördlichen Bezirks von Mitteleuropa wird „baltisch‘“ genannt, weil die zugehörigen Länder der Hauptsache nach um das baltische Meer sich gruppiren. Dieser Bezirk besteht im wesentlichen aus Tiefländern. Die Flora des südlichen Bezirks Mitteleuropas heisst „alpin“ (besser „alpinisch“), weil er eingenommen wird von den centraleuropäischen (rebirgssystemen, deren be- deutendstes die Alpen sind. Rein .alpinisch oder nur wenig in das nördliche Mitteleuropa übergreifend verhalten sich folgende 40 Arten: Coronilla vaginalis, Rosa repens, Tithymalus dulcis, Sedum boloniense, Dianthus caesius, Elatine triandra, Arabis paucifiora, Sisymbrium strictissimum, Erysimum virgatum, E. odoratum, l.unaria rediviva, Bupleurum longi- folium, Laserpitium latifolium, Anthriscus nitida, Pleu- rospermum austriacum, Gentiana utriculosa, G. germanica, Stachysalpina, Orobanche Cervariae, Phyteuma nigrum, P. orbiculare, Doronicum Pardalianches, Senecio spathuli- folius, S. Fuchsii, Cirsium eriophorum, C. bulbosum, Carduus Personata, C. defloratus, Carlina acaulis, Lactuca quercina, L. perennis, Globularia vulgaris, Daphne Cneorum, Thesium pratense, Leucojum vernum, Gagea saxatilis, Luzula angustifolia, Carex umbrosa, C. pilosa, Calamagrostis Halleriana. Folgende 11 Arten sind rein baltisch, oder strahlen nur schwach nach dem alpinischen Bezirk hinüber: Rubus Sprengelii, R. villicaulis, R. silvaticus, R. Schleicheri, R. fuscus, R. Radula, R. thyrsiflorus, Gagea M. Zeiske. 23 spathacea, Potamogeton gramineus, P. praelongus, Carex obtusata. Gleichmässig über beide Bezirke breiten sich 97 Arten aus, von denen folgende genannt werden sollen: Melilotus altissimus, Ornithopus perpusillus, Ervum silvaticum, Lathyrus, paluster, L. montanus, Rubus suberec- tus, R. plicatus, R. affinis, R. vestitus, R. rudis, Geranium phaeum, Circaea intermedia, Chrysosplenium oppositifolium, Sedum Fabaria, Dianthus deltoides, Elatine Hoydropiper, Hypericum pulchrum, Viola persicifolia, V. pumila, V. stricta, Barbaraea stricta, Arabis arenosa, Cardamine sil- vatica, Corydalis intermedia, Polygala depressa, Pulsatilla vulgaris, Silaus pratensis, Selinum Carvifolia, Peucedanum palustre, Galium saxatile, Utricularia intermedia, Lysimachia thyrsiflora, Chimophila umbellata, Phyteuma spicatum, Senecio saracenicus, Cirsium oleraceum, Arnoseris minima, Crepis biennis, C. succisifolia, Hieracium cymosum, Armeria vulgaris, Litorella juncea, Rumex maritimus, R. maximus, Salix daphnoides, Grymnadenia odoratissima, Malaxis paludosa, Colchicum autumnale, Sparganium minimum, Calla palustris, Alisma parnassifolium, Heleocharis multicaulis, Eriophorum gracile, Carex disticha, C. teretiuscula, C. Buxbaumi, Avena praecox, Lycopodium inundatum, As- plenium germanicum. Zu den Mitteleuropäern rechne ich auch diejenigen mitteleuropäisch-sibirischen Arten, welche in Mitteleuropa weit verbreitet sind, in Asien aber nicht weit nach Osten vordringen. Zu diesen 42 Arten gehören: Fragaria moschata, Geranium palustre, Viscaria vul- garis, Hypericum montanum, Drosera intermedia, Thlaspi montanum, Polygala comosa, Ranunculus polyanthemos, Irollius europaeus, Galium silvaticum, Melampyrum nemorosum, Campanula patula, Achillea Ptarmica, Senecio silvaticus, Lappa minor, Tragopogon pratensis, Fritillaria Meleagris, Potamogeton acutifolius, Stratiotes aloides, Carex pilulifera, C. tomentosa, Calamagrostis arundinacea. 24 Ueber die Zusammensetzung der Flora von Hessen und Nassau. Es folgt eine Gruppe von 96 Arten, welche gleich- mässig über Mitteleuropa und Sibirien, oder über Mittel- europa und das kaltgemässigte Nordamerika, oder über das ganze mitteleuropäisch-sibirisch-canadische Gelände ausgebreitet sind. Von diesen sind zu nennen: Lathyrus vernus, Aruncus Silvester CO pratense, Impatiens noli tangere, Chrysosplenium alternifolium, Hy- pericum hirsutum, Viola mirabilis, Erysimum hieraciifolium, Anemone ranunculoides, Aconitum Napellus, Actaea spicata, Aegopodium Podagraria, Teucrium Scordium, Melampyrum pratense, Primula offhicinalis, Pirola media, Senecio paludo- sus, Cirsium palustre, Achyrophorus maculatus, Alnus in- cana, Liparis Loeselii, Majanthemum bifolium, Potamogeton compressus, Rhynchospora fusca, Carex Davalliana, C. pulicaris, C. paradoxa, C. praecox, C. brizoides, C. elongata, C. caespitosa, C. ericetorum, C. filiformis, Calamagrostis lanceolata, Polystichum cristatum. | Weitere 19 mitteleuropäisch- -sibirisch- Canadische Arten weisen innerhalb Mitteleuropas eine Westgrenze auf, werden also aus oder über Sibirien in Mitteleuropa ein- gewandert sein: Melilotus dentatus, Peucedanum officinale, P. en, Androsace septentrionalis, A. elongata, Crepis praemorsa, Hieracium pratense, Iris sibirica u. s. w. Rechnet man die vorstehenden 6 Gruppen zusammen, so ergiebt sich, dass die mitteleuropäisch-sibirisch-canadische Flora in Hessen und Nassau 305 Vertreter besitzt. Es stand von vornherein zu erwarten, dass diese 305 Arten in allen, bei uns überhaupt vorhandenen Pflanzenformationen auftreten. Die meisten bewohnen jedoch unsere Wälder und Wiesen, indem 111 in Wäldern und 65 auf Wiesen leben. Am stärksten bevölkern sie die Formation der lichten Wälder; denn von den 111 Waldpflanzen entfallen 79 auf die letztere Formation und nur 41 auf den geschlossenen Wald. In zweiter "Linie bewohnen die mitteleuropäisch- sibirisch-canadischen Arten unsere Auen- und Ufer- + BT r M. Zeiske. | 8) DL rn formationen (56 Arten) und unsere Moore und Brücher (57 Arten). Gegenüber diesen und den Wald- und Wiesen-Formationen treten alle übrigen stark zurück, am stärksten die Acker- und Ruderalformationen; denn nur 11 von 305 Arten haben sich den, durch die Kultur neu- geschaffenen Verhältnissen angepasst. Ill. Wir gelangen jetzt zu jenem DBestandtheil der nordischen Flora, welcher sich arktisch-mitteleuropäisch verhält. Die hierher gehörigen Arten bevorzugen ent- weder die arktische Region, oder sie sind dort mindestens ebenso verbreitet, als in Mitteleuropa (bezw. in Sibirien und Nordamerika). Sie sind zwar Kinder des borealen Florenreichs, bilden aber im streng mikrothermischen mitteleuropäisch-sibirisch-canadischen Florengebiet einen fremdartigen Bestandtheil mit mehr oder weniger heki- stothermischer Tendenz. Aus diesem arktisch-mitteleuropäischen Elemente heben sich 22 Arten hervor, welche schon innerhalb Mittel- europas ihre Aequatorialgrenze erreichen, in den wärmeren Strichen Mitteleuropas .also fehlen, oder dort nur in den oberen Regionen der Grebirge leben. Es sind: Empetrum nigrum, Saxifraga decipiens, Ranunculus reptans, Polemonium coeruleum, Trientalis europaea, Andromeda polifolia, Pirola uniflora, Vaccinium uliginosum, V. Oxycoceos, (rnaphalium dioicum, Valeriana sambucifolia, Betula pubescens, Scheuchzeria palustris, Juncus alpinus, Scirpus caespitosus, Eriophorum vaginatum, Carex chordor- rhiza, Nardus stricta, Lycopodium annotinum, L. alpinum, Woodsia ilvensis und Aspidium Lonchitis. | Diese Arten sind vom eisigen Norden her an ein nur geringes Mass von Wärme und Besonnung, sowie an eine kurze Vegetationszeit gewöhnt. Nun sind in Mittel- europa Moore und Brücher die kältesten Orte, auch er- wacht auf ihnen der Frühling am spätesten. Wir wundern uns daher nicht, wenn wir diese arktischen Pflanzen bei 26 Ueber die Zusammensetzung der Flora von Hessen und Nassau. uns fast alle und fast ausschliesslich auf Mooren und Brüchern antreffen, wo sie gewissermassen die heimathliche Tundra wiederfinden. — Der Rest unserer borealen Arten ist annähernd gleichmässig über die arktische Region und über das Wohngebiet der mitteleuropäisch-sibirisch-cana- dischen Flora ausgebreitet. Es sind 58 Arten, darunter folgende: | Prunus Padus, Filipendula Ulmaria, Comarum palustre, Potentilla silvestris, Oxalis Acetosella, Epilobium an- gustifolium, Sagina nodosa, Stellaria graminea, Drosera rotundifolia, D. anglica, Parnassia palustris, Viola palustris, Cardamine amara. Cochlearia officinalis, Caltha palustris, Cicuta virosa, (aalium uliginosum, G. boreale, Melampyrum silvaticum, Pedicularis palustris, Pinguicula vulgaris, Arcto- staphylos Uva ursi, Vaccinium Myrtillus, V. Vitis idaea, Campanula rotundifolia, Crepis paludosa, Salix aurita, Juncus Ailiformis, Eriophorum polystachium, Carex canes- cens, Equisetum pratense. Diese arktisch-mitteleuropäischen Arten bewohnen am zahlreichsten die Bruch- und Moorformationen, und erst in zweiter Linie unsere Wälder und Wiesen. Sie verhalten sich also genau so, wie die 22 arktischen. Dieser (gegensatz zu den mitteleuropäisch-sibirisch-canadischen Arten wird noch dadurch verschärft, dass die unter der arktisch-mitteleuropäischen Gruppe befindlichen Wald- pflanzen den geschlossenen Wald entschieden bevorzugen, dagegen die mitteleuropäisch-sibirisch-canadischen, wie wir oben sahen nicht minder entschieden die lichte Waldung. In ähnlicher Weise herrschen im subarktischen Skan- dinavien und Russland die finstern Fichtenwälder vor, im südlichen Mitteleuropa jedoch die lichteren Laubwälder. Dasselbe wiederholt sich im alpinischen Mitteleuropa auf den Gebirgen, wo in der subalpinen Region, welche klimatisch dem subarktischen Europa ungefähr entspricht, der geschlossene Fichtenwald geradezu einen besonderen (rürtel bildet, während in den tieferen Regionen meistens der Laubwald dominirt. RT EDER: M. Zeiske. | 297 1% Als drittes Florenelement tritt das innerasiatisch- südosteuropäische mit 51 Arten auf den Plan. Die Areale dieser Steppenpflanzen zeigen innerhalb Mitteleuropas typisch die Figur eines Dreiecks, dessen Basis im Osten, dessen Spitze in Westeuropa liegt. Die Organisation der pflanzlichen Bewohner kalter Steppen ist auf ein kaltes und zugleich trockenes Klima eingestellt. Im kalten und kaltgemässigten Europa finden die Steppengewächse zwar die gewohnten niedrigen JTemperaturen wieder; aber im ganzen Westen stossen. sie auf die niederschlagsreichsten Gegenden Europas, welche sich, der Configuration des Erdtheils folgend, in der Richtung von Südwest nach Nordost hinziehen. Von Südeuropa sind unsere Steppen- pflanzen durch die Wärme des dortigen, fast subtropischen Klimas ausgeschlossen. Zwar weist Südeuropa zahlreiche Steppenpflanzen auf; diese entstammen aber meistens den heissen Steppen Afganistans, Persiens und Vorderasiens, während obige 5l Arten auf die kalten Steppen Central- asiens und Russlands zurückzuführen sind. Von diesen 5l Arten seien hier folgende genannt: Astragalus Cicer, Lathyrus tuberosus, Potentilla arenaria, Linum perenne, Lavatera thuringiaca, Gypsophila fastigiata, Kochia arenaria, Onosma arenaria, Salvia sil- vestris, Veronica agrestis, Euphrasia lutea, Helichrysum arenarium, Artemisia pontica, Onopordon Acanthium, Jurinea cyanoides, Scorzonera purpurea, Plantago arenaria, Stipa pennata, S. capillata, Koeleria glauca, Bromus Iinermis. Selbst unter ausgeprägtem Steppenklima findet man eine Steppenvegatation nur auf trocknem Boden. Dieser Vegetation sind Wälder ganz fremd; sie überzieht, auch wenn gewisse Steppenpflanzen gesellig auftreten, den Boden wohl nirgends mit einer zusammenhängenden Decke. Diese geringe Individuendichtigkeitrührt wohl hauptsächlich davon her, dass nur eine verhältnissmässig grosse Boden- fläche im Stande ist, einer Pflanze die unbedingt erforder- 28 Ueber die Zusammensetzung der Flora von Hessen und Nassau. liche Menge Bodenwassers zu liefern, und hat ihrerseits zur Folge, dass sich im Steppenboden niemals soviel Humusstoffe anhäufen, wie z. B. in unserem Wald- und Wiesenboden. Wir haben daher die bei uns wohnhaften Steppen- pflanzen weder auf nassem, noch auf beschattetem Boden, nicht im dichten Rasenfilze der Wiese, und nicht auf humusreichem Waldboden zu suchen. Und in der That fehlen unsere Steppenpflanzen den nassen Böden ganz, und fast ganz den fruchtbaren Wiesen und den geschlossenen Wäldern. Dagegen bevölkern nicht weniger als 31 Arten die trocknen, sonnigen und mageren Sandfluren, Felsen und Triften. In zweiter Linie bevorzugen unsere Steppen- pflanzen die Acker-Formationen, nämlich mit 16 von 51 Arten, wo sie ähnliche Verhältnisse antreffen, wie in den heimatlichen Grassteppen, die ja wenigstens während des Höhepunktes ihrer Vegetationsperiode wogenden Gretreide- feldern gleichen. Einige Arten (6) erscheinen auch in unseren lichten Gehölzen; die Hauptmasse aber stockt, wie gesagt, auf trocknen Felsen, lockeren Geröllen und losen Sanden, wo die meteorische Feuchtigkeit entweder sofort verdampft, oder abfliesst, oder in den Untergrund einsickert. So wiederholen die Steppenpflanzen bei uns die Hauptformationen ihrer Heimath: Grassteppe, Fels- steppe und Sandsteppe. er V. ® ; Das am stärksten bei uns vertretene fremde Element wird durch das mediterrane gebildet; denn nicht weniger als 232 südliche Arten treten in die Flora von Hessen und Nassau ein. | Ein Theil dieser Mediterranpflanzen verläuft in Mittel- europa mit einer reinen Nordgrenze, was auf den Einfluss der nach Norden zu gleichmässig kürzer werdenden Vege- tationszeit zurückzuführen sein dürfte. Hierher gehören 74 Arten: z. B. Ervum gracile, E. Ervilia, Lathyrus Aphaca, L. hirsutus, Ruta graveolens, Silene Armeria, Herniaria M. Zeiske. / 29 hirsuta, Bryonia (dioica, Diplotaxis viminea, Lepidium gra- minifolium, Tordylium maximum, Orlaya grandiflora, Aspe- rulaarvensis, Brunella alba, Verbascum phlomoides, Veronica acinifolia, Specularia Speculum, Tanacetum corymbosum, Calendula arvensis, Centaurca Calcitrapa, Podospermum laciniatum, Lactuca saligna, Crepis foetida, Valerianella eriocarpa, Rumex pulcher, R.scutatus, Scilla bifolia, Mus- cari comosa, M. racemosa, Juncus capitatus, Luzula Forsteri, Ceterach officinarum. Andere Mediterranarten haben eine Nord- und eine Östgrenze. Sie zeigen sich mithin weniger empfindlich gegen die Verkürzung der Vegetationsdauer, können aber die strenge Winterkälte des östlichen Europas nicht ertragen. Dagegen vermögen sie unter den milden Wintern Nord- westeuropas bis hoch hinauf ohne künstlichen Schutz zu, gedeihen. Diese mediterran-atlantische Verbreitungsge- nossenschaft zählt 40 Arten: Genista anglica, Vicia lutea, Spergularia segetalis, Moenchia erecta, Illecebrum verti- cillatum, Cheiranthus Cheiri, Papaver hybridum, Helleborus foetidus, Helosciadium nodiflorum, Chlora perfoliata, Litho- spermum purpureo-coeruleum, Scutellaria minor, Digitalis purpurea, Specularia hybrida, Armeria plantaginea, Himanto- glossum hircinum, Chamagrostis minima, Cynodon Dac- tylon u. $. w. Eine dritte Gruppe besitzt ihre Hauptverbreitung im östlichen Mediterrangebiet von der Levante bis Afganistan. Die hierher gehörigen Arten verlaufen typisch mit streifen- förmigen Arealen von Südost nach Nordwest. Sie scheinen mithin, dem trocken-heissen Klima ihrer Heimath ent- sprechend, einerseits die strenge Winterkälte des euro- päischen Nordostens, andrerseits die zu geringe Sommer- wärme des Westens zu meiden. Diese orientalische Gruppe zählt 46 Arten, wovon folgende genannt werden sollen: Ervum pisiforme,: Potentilla micrantha, Erysimum orientale, Anemone silvestris, Adonis lfammeus, Bupleurum falcatum, Siler trilobum, Salvia Aethiopis, Veronica Tourneforti, 30 Ueber die Zusammensetzung der Flora von Hessen und Nassau. Orchis tridentata, O. pallens, Ornithogalum nutans, Allium rotundifolium, Muscari botryoides, Phleum asperum. Auf diese 160 ausgeprägteren Mediterranpflanzen folgt eine Gruppe von 76 Arten, welche gleichmässig über das Mediterrangebiet und über Mitteleuropa bezw. Sibirien verbreitet sind. Sie verrathen ihre südliche Heimath einer- seits durch ihre weite Verbreitung im mediterranen Europa, Afrika und Asien, andrerseits dadurch, dass sie vor dem kälteren Norden Europas und Asiens Halt machen. Von ihnen sind zu erwähnen: Anthyllis vulneraria, Medi- vago minima, Vicia angustifolia, Tithymalus exiguus, Mer- curialis annua, Geranium molle, Sisymbrium officinale, Brassica nigra, Lepidium Draba, Papaver Argemone, Reseda lutea, R. Luteola, Ranunculus Sardous, Nigella arvensis Scandix Pecten Veneris, Sherardia arvensis, Myosotis hispida, Solanum villosum, Linaria Elatine, L. spuria, Veronica hederifolia, V. polita, Chrysanthemuı segetum, Valerianella olitoria, Plantago lanceolata, Carex distans, Hordeum murinum. Das Mediterrangebiet besitzt eine ausserordentliche Verschiedenheit der Klimate und der Standortsverhältnisse und damit — im Gegensatze zum innerasiatischen Steppen- gebiete — eine reiche Auswahl von Pflanzenformationen. Dementsprechend finden ‚sich Mediterranpflanzen in allen unseren Formationen, von der trockenen Felsplatte bis zum durchweichten Uferschlamm, auf humusarmen Sanden und auf fetter Marscherde, im heissen Kalkgeröll und im kühlen Schatten des Waldes. Im Grossen und Ganzen aber zeigt das Mediterranklima einen Hang zum Trocknen, der sich örtlich bis zur Steppen- und Wüstenbildung stei- gert. So gehört auch die grosse Mehrzahl der bei uns eingewanderten Mediterranpflanzen den trocknen Böden an. Fast alle stellen so grosse Ansprüche an die Beson- nung, dass diese Ansprüche in unseren Breiten nicht be- friedigt werden können. Wir haben daher unsere Me- diterrangewächse da zu suchen, wo ein .warmer Boden Ersatz bietet für die mangelnde Sonnenwärme. M. Zeiske. 31 Nasser Boden ist allemal auch ein kalter Boden, desgleichen stark beschatteter; dagegen erwärmt sich lockerer Boden leicht, und humoser Boden hält die em- pfangene Wärme lange fest. Nun treffen die Eigenschaften trocken, besonnt, locker und humos in unseren Breiten nur in solchem Boden zusammen, der zum Acker- oder Gartenbau benutzt wird; denn hier sorgen Pflug und Spaten für die nöthige Auflockerung, durch den Stall- dünger werden die erforderlichen Humusstoffe zugeführt, und in nasser oder schattiger Lage verbietet sich die Bodenkultur von selbst. In der That gehören von obigen 232 Südpflanzen 91 der Acker- und Garten-Unkrautflora an. Die Bodenkultur verbreitete die Pflanzen nordwärts, die Bodenkultur befähigt sie auch zum Ausharren bei uns. Dabei ist zu beachten, dass sie auf bearbeitetem Boden von der einheimischen Flora fast gar keine, und von der Steppenflora nur wenig Conkurrenz auszustehen haben, wie oben gezeigt wurde. Bezeichnend ist, dass von den 160 Mediterranarten, welche bereits im südlichen Theile Mitteleuropas ihre Nordgrenze finden, noch volle ?/3 nicht zu den Acker-, Garten- u. Schuttunkräutern gehören, wäh- rend letztere unter den 76 Arten, welche bis ins nördliche Mitteleuropa vorgedrungen sind. schon mehr als die Hälfte ausmachen. Sieht man von der Unkrautflora ab, so finden wir etwa 60 unserer Mediterranarten in den Feld-, Sand- und Triftformationen, und weitere 30 Arten in den sonnigen Gebüschen und lichten Gehölzen. Hier stossen sie zwar auf den Wettbewerb einerseits der Steppenpflanzen, andrerseits unserer einheimischen Flora; aber der Kampf wird dadurch vermieden oder abgeschwächt, dass die Steppenpflanzen mit den trockensten und magersten Forma- tionen vorlieb nehmen, und die einheimischen Gewächse, wie oben gezeigt wurde, jene Mischung von Licht und Schatten, welche unsere lichten Wälder darbieten, bevor- zugen. So bleibt auf den weniger excessiven Böden, nämlich auf Triften und in den sonnigen Waldrandge- 32 _ Ueber die Zusammensetzung der Flora von Hessen und Nassau. büschen, Platz für zahlreiche Mediterranpflanzen. Auf den Triften finden sie:die Tomillares, in den Gebüschen die Maquis ihrer südlichen Heimath, oder doch wenigstens deren Haupteigenschaften, wieder. . VI Die Umgrenzung der Florenreiche und ihrer Unter- gebiete, auf welche sich die Pflanzengeographen geeinigt haben (vergl. hierüber Drude: „Handbuch der Pflanzen- geographie“, Stuttgart 1890), stützt. sich wesentlich auf klimatische Unterschiede. Klimatische Grenzen verlaufen nirgends scharf, sondern als breite Uebergangszonen. Dem- gemäss erscheinen auch die Grenzen der Florengebiete verbreitert und verwaschen, und zeigen zahlreiche Vor- stösse solcher Arten, die mit weiter klimatischer Sphäre begabt sind. Die Florenelemente einer Gegend, welche unweit der Grenze eines Florengebietes liegt, müssen da- her anders gemischt sein, als diejenigen einer weiter im Innern, oder an der entgegengesetzten Grenze des Gebiets belegenen Gegend. Mit andern Worten: Die floristische. Zusammensetzung. eines Landstrichs ist von seiner klima- tischen Lage abhängig. Es muss daher, bevor wir unter- suchen, inwieweit dieser Satz auf Hessen-Nassau Anwen- dung findet, zunächst erörtert werden, wie Hessen-Nassau innerhalb der mitteleuropäischen Provinz des’ mitteleuro- päisch-sibirisch-canadischen Florengebiets, zu welcher es gehört, klimatisch situirt ist. | ‚Das Klima Mitteleuropas lässt, in aan Umrissen betrachtet, deutlich 4 Zonen erkennen. Zunächst zerfällt Mitteleuropa in eine ‚närdliöhe Hälfte mit kurzem: und in: eine; südliche mit längerem Sommer; ferner in eine östliche Hälfte mit strengen und in eine westliche mit milderen Wintern. - Sodann treten in der süd- östlichen Zone. bereits regelmässig regenarme Perioden auf, wogegen Nordwesteuropa durch reichliche Nieg schläge ausgezeichnet ist. | M. Zeiske. 33 Innerhalb Deutschlands schneiden sich die Grenzen jener Zonen. Die Scheide zwischen dem nördlichen Mittel- europa mit einer Vegetationsdauer von 3—5 Monaten und dem südlichen Mitteleuropa mit 53—7 Monaten Vegetations- dauer läuft, eine stark ausgeprägte floristische Grenze bildend, innerhalb Deutschlands am Nordfusse des Mittel- gebirgssystems entlang von den Sudeten im Südosten über den Harz im Norden bis zu den Wesergebirgen im Nord- westen. Die Temperaturgegensätze zwischen den strengen Wintern in Nordosteuropa und dem milden Winter im Südwesten werden in Deutschland durch die Januartempe- raturen von — 6° in Östpreussen und + 2°’ im mittleren Rheinthal angedeutet. Auch der Benetzungsgegensatz zwischen Nordwesten und Südosten ist in Centralmittel- europa insofern ausgeprägt, als der Küstenstreifen Nord- westdeutschlands eine ınittlere jährliche Regenhöhe von 70—85 cm besitzt, wogegen niederschlagsarme Striche von 25—40 cm Regenhöhe von Südosten her bis in die Nähe von Wien reichen (vergl. die Klimakarten im „Physi- kalischen Atlas, des deutschen Reichs“ von Andree und Peschel). Was nun die klimatische Situirung Hessen-Nassau’s anbetrifft, so liegt dieses in der südlichen Hälfte Mittel- europas, unweit ihrer Nordgrenze, und im westlichen Theile jener Hälfte. Wir dürfen desshalb in der Landesflora von Hessen-Nassau neben, einem starken Grundstocke mittel- europäisch-sibirisch-canadischer Arten erwarten: a) viele Südpflanzen, b) eine nicht unbeträchtliche Anzahl von arktisch-mitteleuropäischen Arten, c) wenig Östpflanzen. Und in der That entsprechen die oben unter II bis V gefundenen Zahlen diesen theoretisch geforderten Verhält- nissen ziemlich genau. Der mitteleuropäisch-sibirisch-cana- dische Grundstock weist 305 Arten (fast ebensoviel als alle fremden Elemente zusammengenommen) auf. Der südlichen Lage entspricht die hohe Ziffer der Mediterran- pflanzen (232). Die Nähe der Nordgrenze spiegelt sich in der nicht unbeträchtlichen Zahl der arktisch-mitteleuro- j 3 34 Ueber die Zusammensetzung der Flora von Hessen und Nassau. päischen Arten (80) deutlich wieder, und die geringe Zahl der Steppenpflanzen (5l) verräth, dass die niederschlag- reichen Striche Westeuropas nicht weit von uns entfernt liegen. Es ist klar, dass unter sonst gleichen Verhältnissen die eingewanderten Arten im Wettbewerbe um die Wohn- plätze den einheimischen Arten gegenüber unterliegen müssen, weil letztere dem herrschenden Klima angepasst sind, erstere jedoch nicht. Umsomehr muss man fragen, wie es kommt, dass unsere klimagewohnten einheimischen Arten auf gewissen Böden so schwach vertreten sind, stellenweise sogar von den Fremden überflügelt werden. Der Grund für diese’ Erscheinung kann wohl nur darin liegen, dass örtlich die Einflüsse des herrschenden Klimas durch die Einflüsse des Bodens aufgehoben oder übertönt werden. Es wird dann leicht verständlich, warum die Ange- hörigen der benachbarten Florenelemente bei uns be- stimmte Wohnplätze bevorzugen, von wo sie dann sich gegenseitig und auch die einheimische Flora mehr oder weniger ausschliessen. In diesem Sinne giebt es mithin im sonst mikrothermischen Mitteleuropa auf bestimmten Böden hekistothermische, xerophile und mesothermische Formationen. Zu den ersteren gehören die Moore und Brücher, zu den xerophilen die trocknen Sande und Felsen, zu den letzteren die Staudentriften und sonnigen Grebüsche. Als ausgeprägt mikrothermische Formationen bleiben Wälder und Wiesen übrig. Apotheker Fr. Doehle. 3 Ueber einige alte bei Höxter an der Weser belegene Sächsische Wallburgen und ihr Zusammenhang mit der Geschichte. Von Apotheker Fr. Doehle. In der alten germanischen Geschichte und Früh- geschichte war es Sitte, die Gaue von den Nachbarn durch Wälle abzugrenzen, später durch nahe bei einander- liegende Befestigungen nach aussen zu sichern. In der karolingischen Geschichte werden 758 Brustwehren *) und Wälle erwähnt, die Pipin trotz tapferer Gegenwehr der Sachsen erstürmte. 808 befestigt der Dänenkönig Godotried sein Reich gegen die Sachsen durch einen Wall, die Eider entlang von der Ostsee zur Nordsee, welcher nur ein Ihor für Reiter und Wagen hatte Was uns heute beschäftigen soll, sind derartige Befestigungen im südlichen Westfalen an der Weser. IE Der Brunsberg. Oberhalb des Gutes Maggadessen (spr. Majadissen) ‚unweit Godelheim bei Höxter [an der Weser] erhebt sich sehr steil ein Ausläufer des vom Krekeler gekrönten Muschelkalkplateaus, das sich zwischen Höxter, Lüttmarsen, Ovenhausen und Bosseborn hinzieht. Dieser Ausläufer, der Brunsberg, der sich mit steilen Seitenabfällen halb- inselartig vom Plateau trennt, ist mit höchst merkwürdigen Wall- und Grabenbauten versehen, die theilweise Mauern mit Mörtel besitzen. *), Einhardt’s Jahrbücher, Ausgabe d. Monumenta Germaniae, Uebersetzt von Dr. Otto Abel. Berlin 1850, BE 36 Der Brunsberg. Jedoch auch die schmale Zunge, durch die der Berg mit dem Plateau zusammenhängt, ist durch eine Reihe mehr oder weniger deutlich sichtbarer Wälle geschützt ge- wesen, die aber nur aus Erd- und Steinaufwürfen bestehen. Die erste geschichtliche Erwähnung geschieht im 8. Jahr- hundert. Die fränkischen Jahrbücher des Mönches Einhard erzählen, dass Karl der Grosse, damals noch König, 775, nachdem er die Sigiburg (am Einfluss der Ruhr in die Lenne) erobert, die Eresburg (OÖbermarsberg) wieder auf- gebaut und besetzt, in die Nähe des heutigen Höxter gerückt sei, um hier die Weser zu überschreiten und ins Sachsenland einzufallen ; dass er hier am Orte, der Bruns- berg heisst, auf einen Heerbann der Sachsen gestossen, der ihm den Uebergang zu wehren suchte; dass die Sachsen geschlagen und in grosser Zahl niedergemacht wurden. Wir haben es hier also mit wahrscheinlich sehr alten, zur Zeit ihrer ersten geschichtlichen Erwähnung jedenfalls schon lange bestehenden Befestigungen der alten Sachsen zu thun, welche uns leider nicht in ihrer ursprünglichen Anlage erhalten geblieben sind, da wenige Jahrhunderte später in Folge der günstigen Lage des Berges die nahe gelegene Abtei Corvey hier eine Burganlage geschaffen, durch welche die alten sächsischen Verwallungen theil- weise unkenntlich gemacht und zerstört werden. Nach vorhandenen Quellen *) ergiebt sich, dass man es schon zu Abt Wibald’s Zeiten 1150 für unabweisbar in Corvey hielt, dass der Brunsberg befestigt werde; dass Abt Widekind 1191 thatsächlich eine Burg auf dem Bruns- berg erbaute; dass aber die Macht Corveys im Laufe des nächsten Jahrhundetts in Verfall gerieth, sodass seine mächtigen Vasallen sich unter einander befehden und die Abtei schwer schädigen. Hierher gehört die Zer- störung der Brunsburg durch zwei Grafen von Swalenberg, *) Corveyer Geschichtsquellen. Wigan d’s Archiv; Annales Paderbornenses, Apotheker Fr. Doehle. 37 Bu WIEN: 5 1 IS ATSTTTETHEEEEHTSSCHANNSSELZHNND ETF || ; ; GENZRRÄTEN EIN Der BEER, SARENS Brunsberg = bei Höxter. en nm SIE U N VZIRE . ee SZSISSSSS S N) \ \ Ne = N N S SS sza a SR \\ \ \IT IS j' U, ZN N N \\ N N / I, " 77 4 au m SIR | III ME = JOSE nr I N N MUADIIZD una EITIIT _——— ar N V I ISIS = RE ERIIIIISS —n= RISSE on BIS nl EN N N \ N NZ R NSZESZI.N DS III : RE = \ NN > an. S < = 2 an ; N ZZ N Sn Ds, N S—__ = == Es S _ a Sn x ERR U — Zi Az ES N) | N r SEE ya gas RD N TS N ZINN ZEHN INN ZINN! | / N N ; \ N Y 7 NY n) In 27 | N r ZZ / / ’ / / 38 Der Brunsberg. selbst Corveyer Vasallen, in Verbindung mit Bischof Otto von Paderborn im Jahre 1294. Dass sich gar keine behauenen Bausteine mehr auf dem Berge befinden, darf nicht befremden; das Zer- störungswerk vervollständigt zu haben, daran dürften die Bauern der benachbarten Dörfer, besonders die Godel- heimer schuld sein, die im Laufe der Jahrhunderte mit den Steinen ihre Häuser und Wege gebaut haben. Unsere Aufgabe nun wird es sein, aus diesem durch Verquickung älterer und jüngerer Bauten entstandenen Gewirr die alten Züge der im Grossen angelegten Sachsen- befestigung herauszuschälen. Wir betreten den Brunsberg vom Plateau her, und beginnen unsere Beobachtungen genau da, wo sich der Brunsberg vom Plateau abtrennt. Auf der einen Seite des Bergabfalls läuft hier ein Fussweg, auf der anderen ein Fahrweg für Holzwagen. Hier treffen wir auf einen Wall OÖ, der sich durch verschiedene, z. Th. zusammen- hängende Steinaufwürfe kennzeichnet und sich, den schmalen Hügel überschreitend, weiter am Abhang des Plateaus selbst hinzieht. Der Wall 1 ist nur durch eine quer- laufende stärkere Bodenerhebung, so wie auf derselben liegenden Steine erkennbar und verschwindet bald ganz. Auch der Wall 2, der sich über den ganzen, etwa 100 Schritt breiten Rücken verfolgen lässt, ist, wenn auch theilweise durch Steinlagen erkennbar, kaum mehr als eine Bodenschwingung. Er muss jedoch eine bedeutende ursprüngliche Höhe gehabt haben, da er besonders am Abhang noch sehr deutlich sichtbar ist. Indem wir die zwei kleinen, deutlich sichtbaren Auf- würfe, die vielleicht eine Weachtstelle gebildet haben, vernachlässigen, betreten wir den Wall 4, der sich, an dem Bergabhang herunterlaufend, zu bedeutender Höhe erhebt und dem eigentlichen Ringwall vorgelagert ist. Vor uns sehen wir, in den Muschelkalk eingearbeitet, einen etwa 5 m tiefen Graben und dahinter den sehr hohen Wall 5, der den eigentlichen Ringwall bildet und der, Apotheker Fr. Doehle. 39 dem Wall 4 hügelabwärts gleichlaufend, hier eine Höhe von 10—12 m erreicht, dann, dem Bergabhang folgend, umbiegt und niedriger wird, bis er da, wo ein von dem nach Maggadessen hinabführenden Holzweg abzweigender Pfad den Ringwall trifft, seine niedrigste Erhebung hat. Von hier läuft er weiter, um bei dc etwa einen Augen- blick zu verschwinden, an der Stelle, wo der neuere Burg- graben der Ritterburg nach dem Bergabhang zu durch- brochen ist und wo der ausgeschachtete Schutt bei An- legung des Burggrabens den Bergabhang hinabgeworfen worden ist, wie ein davorliegender Aufwurf beweist. -Er beginnt jedoch, sich deutlich über einer nach innen liegenden grabenartigen Ausschachtung erhebend, um den Berghang herumzulaufen, bis er bei de verschwindet. Bis De‘ sind die Verhältnisse klar, da hier die Berg- lehne steil genug war, um den Wall entbehrlich zu machen und sich die sanft ansteigende Bodenfläche I als Theil der unberührten, alten Grundfläche des Sachsenlagers erweist. Vor uns liegt ein vielfach zerschnittenes Grelände, links, etwa 2 m höher, als die Stelle, wo wir uns be- finden, die frühere Burgfläche II; darunter rechts ein am Abhang hinlaufender, flacher, innerer und darunter ein äusserer, tiefer Burggraben, an den sich, allmälig nach dem Bergabhang: zu ansteigend, ein wüstes Durcheinander von Gesteinstrümmern, stehengelassenen Felsen, Graben- läufen und im Hintergrunde ein kleiner steiler Hügel (H) erhebt. Das Alles erscheint unverständlich, und wir wandern desshalb von de’ quer über die etwa 140 Schritt breite Fläche I, hoch über dem unter uns liegenden Burg- graben nach De und von da den äusseren Ringwall bis Da zurück und beginnen jetzt mit 6a, dem inneren Wall und Graben, den wir in seiner unversehrten Gestalt bis b verfolgen, wo er in stumpfem Winkel den tieferen Burg- graben trifft. Der alte Sachsengraben, der hier aber auf alle Fälle selbst einen Bogen nach aussen gemacht hat, wird hierdurch eine Strecke weit zerstört. Bei 6c, wo 40 Der Brunsberg. der Burggraben durch einen zungenartigen Wall in 2 flache Gräben getheilt wird, erkennen wir in dem äusseren Graben und dem davorliegenden Wall den alten Sachsen- graben wieder, der hier die äussere Ringverwallung zu erreichen strebt; aber gerade hier ist wieder der Zu- sammenhang durch Ausschachtung des Burggrabens nach aussen und durch hiermit zusammenhängende Aufschüttung aufgehoben. | Die frühere Burgfläche II zeigt uns, abgesehen von einigen Einsenkungen und Aufwürfen, wo sich mit Mörtel versehenes Mauerwerk am Boden nachweisen lässt, eine ganz ebene Fläche und der Graben 7, der den Graben 6 mit dem hier sehr steilen Abhang verbindet, zeigt uns die ehemalige Grösse der früher zusammenhängenden Flächen I, II und III, welche vervollständigt als inneren Lager- platz der Sächsischen Wallburg zu gelten haben und welche durch den Burggraben in verschiedene Schollen zerschnitten wurden, wobei die Scholle II, welche die höchste Erhebung des Brunsberges bildet, auch seitlich verkleinert wurde. Es wird nun durch keinen triftigen Grund die An- nahme gehindert,. dass auch auf der Ostseite des Berges auf jenem vorhin erwähnten, zerschnittenen Gelände ein innerer Wall mit Graben gelegen habe; im Gegentheil liegt in der äusseren Befestigungslinie dieser Seite ein Punkt, welcher das Vorhandensein eines inneren Grabens als dringend nöthig erheischen musste. Wir müssen ihn da vermuthen, wo der innere, hoch- gelegene, flache Burggraben läuft, jedoch in etwas höherer Lage, womit zugleich gesagt ist, dass die den jetzigen inneren Burggraben der Ritterburg bezeichnenden Reste mit dem inneren Sachsengraben nichts gemein haben. Jedoch bezeichnet sein Anfang bei 8! auch den Anfang des inneren Sachsengrabens;; denn 1) liegt auch auf der anderen Seite noch abfallende Bergfläche unter dem inneren Graben und hier ist das ganze zerstückelte Gelände 2—3 m tiefer als Fläche II und 2) bricht der tiefe, äussere ß, li Apotheker Fr. Doehle. 41 Ritterburggraben gerade vor dem erwähnten Hügel (H) ab, sodass die Fortsetzung des inneren Burggrabens von DH bis 5k den alleinigen Graben, mithin auch, wenn hier ein Graben vorhanden war, die alte sächsische Be- festigungslinie gebildet haben muss. Sehen wir uns nun ein Mal daraufhin weiter um. Der die alte äussere Befestigungslinie bezeichnende Steilabfall des Berges ist von De’—dg deutlich als solcher erkennbar; denn bei de ist der Burggraben wieder nur desshalb nach dem Bergabhang hin durchschachtet, um den Gesteinsschutt zu entfernen, wie der davorliegende Aufwurf lehrt. Umwallung ist nirgends mehr vorhanden. Bei & befinden sich Löcher mit Mauerwerk vielleicht nach dem Burginnern führende, unterirdische Gänge; bei f ist die Verbindung der Befestigungslinie durch eine unbe- deutende Ausschachtung gestört, bestimmt erst nachträg- lich, also auch für die Vertheidigungslinie belanglos. Anders verhält es sich bei einer weiten und tiefen Einsenkung, welche zwischen & und dem Hügel (H) liegt, die hier einen natürlichen Ausfall in der fortlaufenden, hohen Vertheidigungslinie bildete. Hier musste eine grosse Schwäche der sächsischen Volksburg liegen, selbst wenn ein starker Verhau aus Baumstämmen, Reisig und Erde angebracht war. Desshalb war eine innere Verwallung nöthig, und dieser Wall musste entweder auf die dem inneren Abfall des Hügels (H) zugekehrte Seite stossen, da man alsdann von dem Innenwall bequem auf die aller- dings nur wenigen Männern Raum bietende Spitze des Hügels gelangen Konnte, von wo aus das Verhau in her- vorragender Weise beherrscht wurde, oder er musste hoch oberhalb des Hügels laufen, und es musste von da eine Verbindung mit dem Hügel H existieren. Dies letztere ist hier der Fall. Doch musste der hier vorhandene Verbindungswall ebenfalls mit einem starken Verhau versehen sein, bis hinauf zu dem steilen Fels, hinter dem der Graben lief. Von hier ab, von 5i, bildet, abgesehen von einigen 493 Der Brunsberg. Unregelmässigkeiten, die durch den nachträglich ange- legten Burggraben und die Burgstrasse hineingekommen sind, der fortlaufende Steilabfall des Berges die Verthei- digungslinie, wobei der Burggraben die Umrisse des alten Sachsengrabens, von Di—dk, wenn ein-solcher überhaupt vorhanden war, verwischte und wobei die Anlage der Burgstrasse von 5m—bk am Abhang hin diese Linie auch nicht unwesentlich beeinilusste. Das zerstückelte Gelände zwischen dem Burggraben der Ritterburg und dem Bergabhang ist vielleicht durch Ausbeutung der zum Bau geeigneten Werksteinbänke des Muschelkalks entstanden, wie man ja auch die festen Steine aus dem Burggraben benutzt hat. Ob hier etwa noch, wie es scheint, Befestigungen der Corveyischen Burg gestanden, ist für die Beurtheilung der alten Sachsen- wallburg gleichgiltig. So stellen die alten sächsischen Verwallungen auf den Brunsberg ein allseitig in sich geschlossenes Granzes, ein nach wohldurchdachtem Plane hergestelltes, allseits fertiges Werk dar, das bei seiner ausserordentlich wichtigen Lage am Weserufer, an. der natürlichen Heerstrasse vom Chattengau nach der Porta, einen Punkt von hervorragend strategischer Bedeutung bildete, wo im Kriegsfall ein Heerbann zusammenkam und wo sich derselbe ungünstigen Falls belagern lassen konnte. Vielleicht hatten die Sachsen im Feldzuge mit Karl 772 die hohe, strategische Lage erst erkannt und heraus- gefunden, dass der Heerbann, den man auf dem Bruns- berg sammeln konnte, zu gering war, um ihn Karl mit Erfolg entgegenzustellen. Denn Karl hatte damals keinen Wiederstand erfahren. Er hatte sich Geiseln stellen lassen und war abgezogen Während nun Karl dem Pabst Hadrian gegen den Longobardenherzog Desiderius zu Hülfe eilte und den Winter des Jahres 773—774 mit der langwierigen Be- lagerung von Pavia hinbrachte, waren die Sachsen wieder Apotheker Fr. Doehle. 43 aufgestanden und hatten den Hessengau bis Fritzlar *) a. d. Eder verwüstet. Die Zerstörung der Irmensäule, ihres an den Quellen der Lippe gelegenen Heiligthums, hatte ihr nationales Gefühl beleidigt, sie hatten wieder soviel Volksbewusstsein gewonnen, dass sie ihre früheren Wallburgen, die alte Diemelgrenzlinie, wieder in Besitz nehmen; denn sie erobern die Eresburg, aus der sie die fränkische Besatzung verjagen; (oder zerstören die Burg). Vielleicht datirt auch die Befestigung der Siburg bei Carlshafen aus dieser Zeit, wenn sie nicht bedeutend älter ist; aber jedenfalls waren alle Wallburgen der Diemel jetzt wieder in Händen der Sachsen. Bestimmt aber sind die beiden unfertigen Befestigungen am Krekeler und am Ziegenberg unweit Höxter erst in dieser Zeit entstanden, denn sie mussten die Diemelbefestigungslinie noch wesent- lich verstärken, im Verein mit der Wallburg am Brunsberg. Noch waren die Sachsen im Anfang des Krieges und hatten die schwere Hand Karls nicht sehr gefühlt. Noch war Karls Macht nicht so netzartig über das Land ver- breitet, wie sich seit 785 durch das Capitular von Pader- born kundgiebt, wonach jedes Vergehen gegen das Christen- thum, selbst die Nichteinhaltung der Fasttage (Noth aus- geschlossen), jeder Rückfallins Heidenthum, Menschenopfer, Leichenverbrennung, Umgehung der Taufe, Verschwörung und Anschläge gegen König und Christen mit dem Tode bestraft und schwere (Geldstrafen verhängt werden über Jedermann der seine Kinder im ersten Jahre zu taufen unter- lässt und an alten Opferstätten, Hainen, Quellen, Bäumen opfert, Gelübde thut, oder sich an gemeinschaftlichen Opfermahlen betheiligt, und wonach alle heidnischen Prie- ster der Geistiichkeit überantwortet werden sollen. Noch war Karl nicht zu so extremen Mitteln ge- schritten, wie 782, wo er zu Verden 4500 Sachsen ab- schlachten liess, weil eines seiner Heere, das in Unord- nung und verfrüht auf die Sächsische Schlachtordnung gestossen war, am Süntel eine riesige Schlappe erlitten *) erste gesch, Erwähnung. 44 Der Krekeler. hatte,oder wie 804, wo er die sämtlichen ostelbischen Sachsen und diejenigen des Wigmotigaues*) mit Weib und Kind von der heimathlichen Scholle losriss und sie auf ver- schiedenen Wegen durch Deutschland und Gallien vertheilt - fortschaffen und zerstreut ansiedeln liess, das verlassene Gebiet den befreundeten Obotriten schenkte. Aus diesem geschichtlichen Zusammenhang heraus erklären sich die Befestigungsanlagen des Plateaus, welche durch ihre Nähe beim Brunsberg auf einen Zusammenhang hindeuten, den man bemüht war herzustellen. Jedoch überraschte Karl die Sachsen 775 vor Fertigstellung derselben. | IT. Der Krekeler. ‚ So läuft schon die letzte den schmalen Rücken .des Brunsbergs querende Befestigungsliniie am Abhang des Plateaus nach Westen eine Weile weiter, und östlich vom Brunsberg, mehr am Plateau selbst, am sanften Ausgang einer jetzt von einem Wasserriss durchzogenen Schlucht zwischen Plateau und DBrunsberg, läuft ein etwa 1 m hoher und 100 m langer Doppelwall mit dazwischenliegen- dem Graben, der an seinem Nordende mit einem Wall- graben in Verbindung gestanden hat, der bis auf die Höhe des Krekeler läuft. Diese Befestigungslinie hatte wohl nur den Zweck, den die Schlucht heraufführenden Weg, der sowohl einen Zugang zum Brunsberg, als auch zum Krekeler und Ziegenberg darstellte, nöthigenfalls sperren zu können. Hier auf dem Krekeler stand früher ein alter Wacht- thurm, der vielleicht zur späteren Ritterburg gehörte. Die alte Sachsenverwallung besteht aus einem Viereck, dessen sanfter Osthang durch den Graben befestigt wurde. Am Nord- und Südhang sind kleine aus Steingeröll her- gestellte Steilabfälle, die sich allmälig, nach Westen laufend, verlieren. An dem Westtheile fehlt eine Befestigungslinie *) auch Wihmodi, d. heut. Bremen. Apotheker Fr. Doehle. 45 = ganz, wenn man nicht einen kleinen mit Gestrüpp besetzten Steindamm und dessen Verlängerung, die als kaum wahr- nehmbare Bodenschwingung im Acker verläuft, als solche anerkennen will. Dass die erwähnten Befestigungen irgend welche Beziehungen zu dem Wachtturm nicht haben, ist wohl anzunehmen, da ihre Anlage zu gross ist. Das (ranze macht den Eindruck von etwas höchst Unfertigem, und es trat mir der Gredanke nahe, als ob man es hier nur mit einem vorläufig angelegten Riss, oder mit einer Art im Boden oberflächlich gemachten Vorzeichnung der ganzen Anlage zu thun habe, an der schon einigermassen geschafft worden - war. Dies schien mir besonders dess- halb der Fall, weil der Graben sowohl als der Wall an der Ostseite ungenügend hoch und breit waren, um als Befestigung zu gelten, im Vergleich mit einem 10 m tiefen Graben einer sächsischen Befestigung am benachbarten II. Ziegenberg, die ich jetzt beschreiben will. Wir verlassen nun den Krekeler und erreichen nach wenigen hunderten Schritten am Ziegenberg eine Stelle, wo der Weg durch einen etwa hier 9 m tiefen und oben 10, unten 5 m breiten Graben im festen Muschelkalk gerade da führt, wo er mit spitzem Winkel am steilen Berghang ausmündet, und von wo aus sofort der Berg- abhang mit einem Wall versehen ist. Der Graben läuft von hier ab ungefähr in derselben Breite und Tiefe etwa 75 Schritt lang, wo er von einer zum Theil zerfallenen oder vielleicht hier absichtlich mehr ausgebrochenen schieflaufenden Brücke von stehen ge- lassenem Fels durchquert wird. Dieser Brücke parallel befindet sich nach weiteren 75 Schritten wieder eine durch Stehen lassen des Muschelkalks hergestellte zweite Brücke, welche etwas breiter ist und bis an den gegenüberliegen- 46 Ziegenberg. den Rand des Grabens läuft. Das zwischen den beiden Brücken liegende Grabentheil hat annähernd die Form eines Parallelogramms und ist reichlich 10 m tief und breit. Beide Brücken verschmälern sich von der befestigten Seite am Bergabhang nach aussen nach dem Berge hin bedeutend. An diesen schmalen Zugangsstellen muss man sich ein Verhack denken, gegen das nur 1-2 Belagerer auf ein Mal anstürmen konnten. Gegenüber der Brücke 2 ist durch eine seitliche Ausschachtung des Grabens c‘ eine schmale Zunge gebildet, vielleicht um die Gefahr die dem hier liegenden Verhau durch die Nähe des gegen- überliegenden Grabenrandes drohte, etwas abzuschwächen. Überhaupt musste, trotz der Tiefe und Breite des Grabens und trotz seiner steilen, oftmals geradezu unersteiglichen Wände an der Befestigungsseite, immerhin noch an der Innenseite ein Verhau angebracht sein, da der innere (Grrabenrand so hoch ist, als der äussere, und ein Wall fehlt. Der Graben läuft nun in derselben Richtung und Tiefe etwa noch 250 Schritt weit und ist vom Steilabhang des Berges, der hier ebenfalls wieder Verwallung zeigt, alsdann 100 Schritt entfernt. Nach weiteren 100 Schritten, also im Ganzen nach 500 Schritt, hat sich der Graben allmälig verflacht und verläuft. Durch Fertigstellung des Grabens oder eines Verhaus nach dem Berghang hätte die Befestigung die Form eines Dreiecks bekommen. Also auch hier haben wir Unfertiges. Vor allem fehlt ein das Lager auf der dritten Seite abschliessender tiefer Graben, da das Plateau hier ganz eben ist, und nach Osten sich erst in bedeutender Entfernung allmälig abdacht. Dass man einer Graben anzulegen beabsichtigte, beweisen die als Zugänge angelegten Brücken. Aber wir haben hier vor allem ganz klare Verhältnisse, die durch keine spätere Hand getrübt sind, wie am Brunsberg. Die Brücken deuten durch ihre Lage und Richtung nach dem Brunsberg und nach der oben mehrfach erwähnten Schlucht zwischen Brunsberg und Ziegenberg hin, als dem ältesten, topographisch nächsten gegebenen Zugang zum Plateau ER 47 Apotheker Fr. Doehle. TER, B AU) an. 1: FRAUEN Sıı I y" v/gp]19]S € mi JISIMANL ee 111177777 1111114 NZ AN\NNIH ZA RE a A: TAN 1 AA N ZA UA AN ANNIT/ZANNINT7720/ANSEE See us ZZ 0 II Ku JISS I RISSULLTYA AN | \ [2 4 Sem auıy 25 PS EN) 2207/00 VE Bam dans ee 7 = 7/7002 VISIZIIS : E E TEENS | SS THE ZEHN ‘ NIISSr 55 BLZIHHRNSZINS SISSe$s5 TERN Chu IISSSESSH N SISKES IIIIEIIE III SE NISSSE SS \ SEEITS "ayapıJ 9 7 RES SS Yard Aonsojag ID MS u I een I DIN NIS "Bıoquabarz Sr N I abwbngany U 07070--- =. ODaM anal! en nn EEE 48 Ziegenberg. —— von dieser Seite. Es gab noch einen sehr steilen Pfad am Bergabhang, der jedenfalls uralt ist aber als gewöhn- licher Zugang kaum in Betracht kam und der durch einen Verhau im Wall, durch den er führte, gut geschützt werden konnte; es war mir jedoch nicht möglich, den Pfad weiter zu untersuchen, da unten am Berge die Schiessplätze des Höxter Bataillons lagen, und der Pfad verboten war. Aber vor allem hatten die Belagerten auf diesem Pfad eine vorzügliche Gelegenheit, im Falle sie durch Übermacht erdrückt, oder ausgehungert werden sollten, den Berg hinab zu entschlüpfen und, die Weser durchschwimmend, zum benachbarten unwegsamen Solling zu entkommen. Der Grund des Grabens ist höchstens durch hinein- gefallene Steine und durch darin Jahrhunderte lang ver- moderndes Laub etwas erhöht. Der Graben läuft, auch da, wo er sich gegen Ende verflacht, immer in derselben Richtung. Den Beweis der Unfertigkeit dieser gut gewählten Anlage erblicke ich wie gesagt, in dem unvollendet ge- lassenen Graben und unabhängig davon, wenn man an der dritten Seite von der Stelle, ehe sich der Wall ver- flachte, einen Verhau nach dem Bergabhang gezogen denkt, in der Anlage der beiden Brücken; und in letztem Falle, wesshalb dann den Graben über die Befestigungslinie hinaus flach verlaufen lassen? Als blossen Sperrgraben darf man denselben aber auf keinen Fall auffassen, wie Wigand in seinem Archiv thut. Der Weg zum Brunsberg, die bekannte Schlucht, liegt zwischen ihm und dem Brunsberg; die Wege zum Brunsberg vom Plateau kann er desshalb nicht sperren, weil er zu nahe am Abhang läuft; und wozu dann der Wall und die nach aussen sich verschmälernden Brücken? Schlussbemerkung. Was die innere Einrichtung der alten Sachsenburgen betrifft, die zwar nicht mit Mauerwerk, aber doch mit Apotheker Fr. Doehle. 49 einigen aus Holz hergerichteten Bauten versehen war, re sbt uns der hier in Frage kommende Bruns- berg so gut wie gar keinen Aufschlus. Die Form der Burgen entstehen unter thunlichster Berücksichtigung der Geländeverhältnisse. Um dem Angreifer die Deckung zu nehmen und ihn zu verhindern sich heranzuschleichen, wird unterhalb der äusseren Ringwälle der Wald gefällt worden sein, sodass auch von jedem Punkte ein freier Ausblick in die Ebene entstand. Dass Wallburgen auch noch zu anderen Zwecken, so als Malstätten und besonders der heidnischen Götterverehrung gedient, ist bekannt. Zufälliger Weise ist eine Corveyische Quelle aus 9. Jahr- hundert erhalten, welche angibt, dass ein Abt etwa um 850 auf dem Brunsberg eine Kapelle habe erbauen lassen wollen; der Teufel habe aber jede Nacht das entstehende Bauwerk zerstört und die Steine den Berg hinabgeworfen. Kapellen pflegte man gern auf alten Opferstätten zu errichten, und der Teufel sind in diesem Falle die Sachsen, in denen der Glaube an die alten Götter noch nicht er- loschen war und deren Grefühl sich dagegen sträubte, dass diese aus ihrer vielleicht letzten heimlichen Verehrungs- stätte verdrängt werden sollten. Herr Dr. Eysel machte mir die Mittheilung, dass sich auf dem Ziegenberg auch ein sehr grosses Hügelgrab befindet. Es dürfte voraussichtlich ein Fürstengrab sein. Vielleicht dürfen wir mutmassen, dass es einem einstigen Heerling, einem Führer des Heerbanns, angehört und vielleicht mit der alten Wallburg in Beziehung steht. Ein Dort, etwa namens Heerlingshausen, Ehrlinghausen, Oer- linghausen, gibt es am Brunsberg nicht; dagegen soll ein Dorf Brunsberg erst im 30 jährigen Kriege zerstört worden sein und dürfte wohl als alter Sitz des betreffenden Heer- lings, der vielleicht »Bruns« hiess, gelten. Auch das Urnengräberfeld vor Godelheim, das un- zählige Urnen mit Stein- und Bronzesachen geliefert hat, kennzeichnet den Brunsberg als uralte nationale Ver- ehrungsstätte. 50 Typhus und Milchsterilisation. Typhus und Milehsterilisation. Von Dr. med. Moritz Alsberg zu Cassel. Dass die Milch, das unentbehrlichste und wichtigste aller Nahrungsmittel, insofern einem zweischnieidigen Schwerte gleicht, als dieselbe neben ihren nützlichen und segensreichen Eigenschaften doch zugleich für krankheit- erregende Kleinlebewesen einen sehr geeigneten Nähr- boden abgiebt, diese Ihatsache ist denjenigen nicht unbekannt, die den Fragen der Gesundheitspflege und Krankheitsverhütung ihre Aufmerksamkeit zuwenden. Schon vor mehreren Jahren hat Drenkhahn*) darauf hinge- wiesen, dass die Übertragung von Pocken, Masern, Rötheln, Diphterie, Cholera, Tuberkulose und einer Anzahl von Vieh- krankheiten durch die Milch möglich bezw. schon beob- achtet worden sei. Schäfer”) hat über mehrere Epi- demien von Erysipelas und Lungenentzündung berichtet, bei denen die Übertragung der Krankheit zweifelsohne durch die im Verkehr befindliche Milch bewirkt worden ist und ebenso ist bereits vor etwa ıo Jahren bei Ge- legenheit einer in gewissen Quartieren Londons ausge- brochenen Scharlachepidemie durch die dem Milchvertrieb genau entsprechende Ausbreitung der Scharlacherkran- kungen der Beweis geführt worden, dass die von einer be- stimmten Meiereiin den Verkehr gebrachte Milch der Träger des krankheiterregenden Agens gewesen ist. Immerhin rechnete man bis vor Kurzem solche Erkrankungen, bei *) Über den Verkehr mit Milch vom sanitätspolizeilichen Standpunkte. Vierteljahrsschrift für gerichtliche Medizin, Jahrgang 1897. **) Ebenda Jahrgang 1898. Dr. med Moritz Alsberg. 51 deren Auftreten und Verbreitung mit Mikroorganismen infizirte Milch eine gewissse Rolle gespielt hat, zu den Ausnahmefällen. Bezüglich der Betheiligung der Milch an der Typhus-Erkrankung wurde bereits vor etwa 25 Jahren, als der Prinz von Wales während seines Aufent- haltes auf dem Schlosse eines englischen Adeligen ohne irgendwie nachweisbare Ansteckung an dieser Seuche schwer erkrankte, ın den medizinischen Zeitschriften Grossbritanniens die Frage lebhaft erörtert, ob nicht die Erkrankung des englischen Thronfolgers bezüglich ihrer Entstehung auf den Genuss von mit Krankheitskeimen infizirter ungeköchter Milch zutückzuführen sei, ohne dass es jedoch damals möglich war, zu einer endgültigen Ent- scheidung dieses Streitpunktes zu kommen. Heute wäre es nun sehr wohl möglich, eine derartige Streitfrage zur Entscheidung zu bringen, denn es fehlt jetzt nicht mehr an Feststellungen, welche beweisen, dass die Ver- Bretune des Unterleibstyphus durch in den Handel gelangte, mit den Krankheitserregern infizirte Milch nicht nur möglich ist, sondern dass auselbe sogar als ein ziemlich häufiges Vor- kommniss gelten muss. In einer auch für Nichtmedi- ziner lesenswerthen Abhandlung zählt Dr. Schlegten- dal*) nicht weniger als 28 — darunter 24 während des letzten Jahrzehntes im Deutschen Reiche aufgetretene — TIyphusepidemien auf, bei denen ein ursächlicher Zu- sammenhang zwischen Entstehung bezw. Ver- Breitung‘ der Seuche "und dem Milchvertrieb durch Molkereien nachgewiesen werden konnte, wobei also diejenigen Iyphus-Epidemien, die durch den Einzelverkauf von Milch — ich verstehe darunter den Übergang der Milch direkt vom Produzenten zum Consumenten, ohne Vermittelung von Molkereien — hervorgerufen werden, gar nicht mit in Betracht gezogen *) Die Bedeutung der Molkereien für die Verbreitung des Unterleibstyphus von Regierungs- und Medizinalrath Dr, Schlegten- dal (Aachen), Deutsche Vierteljahrsschrift für öffentliche Gesundheitspflege. Jahrgang 1900 Heft II. Ar 52 Typhus und Milchsterilisation. sind. Das ausserordentlich häufige Auftreten des Typhus, der in gewissen Gegenden einen geradezu endemischen Charakter annimmt, die ziemlich lange Inkubationszeit d. i. die ziemlich lange Dauer des zwischen der Ansteckung und dem Ausbruche der Krankheit gelegenen Zeitraums, sowie vor Allem der Umstand, dass in den ländlichen Be- zirken der Arzt entweder gar nicht oder in der Regel erst in einem weit vorgerückten Stadium der Krankheit zuge- zogen wird, wodurch es demselben natürlich ausserordent- lich erschwert wird, die ursächlichen Momente festzustellen, welche zur Entstehung bezw. zur Ausbreitung geführt haben, sowie der Umstand, dass überhaupt die frühzeitige Erkennung der Krankheit auch für den erfahrenen Arzt mitunter eine recht schwierige Aufgabe darstellt und dass dementsprechend die Feststellung jener Ursachen, auf welche die Seuche zurückzuführen ist, ebenfalls grosse Schwierigkeiten bereitet — alle diese Momente bewirken es, dass in sehr vielen Fällen der Beweis für die typhus- erregende Eigenschaft der Milch nicht mit mathematischer (rewissheit erbracht werden kann, vielmehr durch einen Wahrscheinlichkeitsbeweis ersetzt werden muss — allerdings einen Beweis, dessen Wahrscheinlichkeit durch die hun- dertfältigen Feststellungen gleicher Art der (Grewissheit sehr nahe kommt. Dieser Beweis hat in den verschiede- nen Fällen in der Hauptsache nur 2 Möglichkeiten der Iyphusübertragung festgestellt: entweder überträgt eine Person, die sich gleichzeitig der Krankenpflege und dem Milchgeschäft widmet, die Infektionskeime unmittelbar vom Krankenbett auf die Milch oder auf die vielleicht kurz vorher noch gesäuberten und desinfizirten Milchge- fässe oder es erfolgt die Infektion mittelbar und zwar da- durch, dass bei dem Nichtvorhandensein von Closetspülung in den ländlichen Bezirken die Abgänge der Typhus- Kranken in den Brunnen sickern, in dessen Wasser die Milchgefässe täglich gesäubert und gespült werden. Dass speziell der letzterwähnte Modus, nämlich die Reinigung der Milchgefässe mit infizirtem Brunnenwasser zur Ver- Dr. med. Moritz Alsberg. 53 breitung des Typhus wesentlich beiträgt — dies darf wohl daraus gefolgert werden, dass in einer beträchtlichen Anzahl von Fällen die Schliessung der betreffenden Brunnen genügte, um die weitere Aussaat der Infektions- keime zu verhindern und auf diese Weise der Weiter- verbreitung der Seuche Einhalt zu thun. Dass speziell die Molkereien dazu beitragen, an- steckende Krankheiten zu verbreiten — eine Thatsache, über welche die bezüglich der Maul- und Klauenseuche gewonnenen Erfahrungen schon früher einen Zweifel nicht haben aufkommen lassen — diese Ihatsache zwingt aber dazu, dass sowohl die ärztlichen Kreise wie auch die Volkswirtschaftler sowie die Molkereibesitzer und die Molkerei-Genossenschaften sich nunmehr mit dieser Frage beschäftigen. Eine einfache Erwägung lässt sofort er- kennen, welche verderbliche Folgen sich daraus ergeben können, wenn nur ein einziger Milchlieferant solchen Molkereien, welche die Milch einer beträchtlichen Anzahl von Produzenten aufkaufen und entweder zu Butter ver- arbeiten und die zurückbleibende Magermilch dem Liefe- ranten zurückgeben oder auch die unentfettete Milch direkt in den Handel bringen — wenn nur ein einziger von den vielen Lieferanten einer solchen Molkerei mit Typhuskeimen infizierte Milch liefert. Dieselben schmutzigen oder doch nicht desinfizierten Hände oder derselbe in- hizierte, zur Spülung der Milchgefässe dienende Brunnen führen dazu, dass in einem solchen Falle die Krankheits- keime einem sehr viel grösseren Quantum Milch beige- mischt und hiermit weiterhin in sehr umfangreichem Masse in bisher typhusfreie Häuser verschleppt werden. Es könnte allerdings gegen die Bedenklichkeit eines derartigen Vorkommnisses der Einwand erhoben werden, dass in einem solchen Falle die an und für sich begrenzte Zahl der Bazillen in dem Meere von Milch so verteilt würde, dass sie in dem kleinen Quantum Milch, das vom einzelnen Menschen jeweilig getrunken wird, nicht mehr in ge- nügender Menge vorhanden seien, um eine Infektion 54 Typhus und Milchsterilisation. hervorzurufen, oder dass es in einem solchen Falle doch höchstens zu einer ganz leichten und unerheblichen Er- krankung kommen könnte. Von diesem Einwande trifft aber der erste Teil, wie die Erfahrung gelehrt hat, nicht _ zu; wohl aber lässt sich nicht in Abrede stellen, dass bei derartigen Molkereimilch-Epidemien viele Erkrankungen beobachtet werden, die sehr leicht und harmlos verlaufen. Leider hat es aber dabei nicht sein Bewenden. Wie die Erfahrung nämlich weiter gelehrt hat, führen diese Milch- infektionsfälle nicht weniger leicht als alle übrigen Typhus- erkrankungen dazu, dass 1) die pflegenden Angehörigen, besuchende Freunde u. s. w. erkranken und dass 2) bei mangelnder Sorgfalt Düngerhaufen, Brunnen- und anderes Trinkwasser infiziert werden. Erschwerend tritt dann ferner noch hinzu, dass diese nachträglich erfolgten An- steckungen nicht mehr den leichteren Verlauf der ersten, nur wenig infizierten Fälle aufweisen und dass anderer- seits der verhältnismässig leichte Verlauf der ersten Er- krankungen häufig dazu führt, dass ein Arzt nicht hinzu- gezogen und die Natur der Krankheit nicht erkannt wird und dass dementsprechend jene Vorsichtsmassregeln, welche geeignet sind, die Weiterverbreitung der Seuche zu ver- hindern, nicht angeordnet werden. Auf diese Weise er- klärt es sich, dass die durch die Milch ausgestreuten Krankheitskeime anfangs allerdings nur zu leichteren Er- krankungen, im weiteren Verlaufe aber nur allzu oft zu ausgedehnten und bösartiger gestalteten Haus- oder Ort- schafts-Epidemien sich entwickeln. — Das soeben Gresagte ist, wie Schlegtendal an einer ganzen Anzahl von Bei- spielen darlegt, keineswegs eine theoretische Deduktion, sondern eine nicht wegzuläugnende bedauerliche Thatsache, wie sie innerhalb der letzten Jahre wiederholt festgestellt wurde. Ziehen wir auch die zuvorerwähnten Hindernisse in Erwägung, die aus der Nichthinzuziehung oder zu späten Hinzuziehung eines Arztes für die Feststellung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Milchinfektion und dem Auftreten des Unterleibstyphus sich ergeben, so Dr. med. Moritz Alsberg. 55 gelangen wir zu dem Schluss, dass die bis jetzt bekannt gewordenen Fälle von auf Milchinfektion beruhenden Typhus-Epidemien weit hinter der Wirklichkeit zurück- bleiben und zweifelsohne nur einen geringen Procentsatz der auf diese Weise hervorgerufenen Typhus-Erkrankungen darstellen. Dass also mit dem Milchhandel und im Besonderen auch mit dem Molkereibetrieb nicht zu unterschätzende Gefahren für das Volkswohl verknüpft sind, ist eine nicht wegzuleugnende Thatsache. Die Molkerei dient als maschinelle Station zur Verteilung der Krankheitskeime in einem grösseren Milchquantum und zur Ausgabe an die Abnehmer — sei es der nach der Butterbereitung zurückbleibenden Magermilch, sei es der Meiereigenuss- milch. Mit jeder neuen Molkerei wird ein neues Centrum geschaffen, von dem aus eine derartige, früher offenbar ganz unbekannte Massenausstreuung von Typhuskeimen erfolgen kann, sobald nur in einem der angeschlossenen Milchwirtschaftsbetriebe die Milch in der oben angegebenen Weise infiziert wird. Da ferner die Bewegung, die zur Gründung von Sammelmolkereien geführt hat, noch nicht abgeschlossen ist, vielmehr noch täglich neue derartige Anstalten entstehen, so verlohnt es sich wohl der Mühe die Frage aufzuwerfen, wie der durch derartige Vorkomm- nisse zu befürchtenden Gefährdung des öffentlichen Wohles am Besten entgegengetreten werden kann, ohne doch zugleich das Fortbestehen der für die Volksernährung ausserordentlich wichtigen und als Hülfsmittel zur Hebung des landwirtschaftlichen Wohlstandes ebenfalls sehr schätz- baren Molkereien in ihrer Existenz zu bedrohen. Dass die Zurückweisung der Milch aus verseuchten, bezw. der Verseuchung verdächtigen Bezugsquellen desshalb keinen genügenden Schutz gegen die mit dem Molkereibetrieb verknüpften Gefahren bieten kann, weil, wie oben erwähnt, nur ein verhältnissmässig geringer Procentsatz der Typhus- Erkrankungen zur Kenntniss der sanitätspolizeilichen Organe und der Molkereiverwaltungen gelangt — dies 56 Typhus und Milchsterilisation. liegt auf der Hand. Es bedarf ferner auch keiner Aus- einandersetzung, dass es ebensowenig gelingen wird im Hause des Lieferanten jede Quelle der Milchinfektion zu verstopfen wie im Hause des Abnehmers den Genuss von ungekochter Milch vollständig zu verhindern. Was letzteren Punkt anlangt, so ist es zwar allgemein bekannt, dass die durch Abkochung der Milch in grösseren Kesseln oder in den Portionsfläschchen des Soxhlet- Apparates vorzunehmende Sterilisier&ung schon deshalb nicht allgemein zur Ausführung kommen wird, weil vielen Menschen die gekochte Milch nicht schmeckt und weil für den durstigen eine grosse Versuchung darin liegt, von der frisch aus der Molkerei kommenden Magermilch — kühl und nahrhaft, wie sie ist — einen Schluck zu nehmen und nicht erst zu warten, bis sie gekocht werde und sich nun erst wieder abkühle. Ziehen wir alle diese Umstände in Betracht, so - gelangen wir zu dem Schluss, dass es zur Bekämpfung der aus der Milchinfektion drohenden Gefahren der Typhus- Verbreitung nur ein wirksames Mittel giebt; nämlich den Erlass eines Gesetzes wodurch den Molke- reien die Verpflichtung auferlegt wird die regelmässige Sterilisierung dergesammten zur Verausgabung kommenden Milchmenge vorzunehmen und zugleich Anordnungen zu treffen, dass die Milchgefässe unmittel- bar vorihrer Füllung mit kochendem Wasser oder strömendem Dampfe gereinigt und keimfrei gemacht werden. Die Einführung der obligatorischen Milchsterilisierung — eine Massnahme, die nicht nur der Ausbreitung des Unterleibs-Typhus einen Riegel vorschiebt, sondern zugleich auch die Entstehung und Verbreitung zahlreicher anderer Menschen- und Vieh- seuchen verhindert — diese Massregel ist auch deshalb empfehlenswert, weil die durch das in Rede stehende Verfahren herbeigeführte grössere Haltbarkeit der Milch der Säuglingsernährung erfahrungsgemäss ausserordentlich Dr. med. Moritz Alsberg. 57 zu statten kommt, weil eine der Hauptquellen für das Auftreten der insbesondere in der heissen Jahreszeit grassierenden und zahlreiche Opfer fordernden Brech- durchfälle der Kinder auf diese Weise verstopft wird. Es genügt nicht, dass schon jetzt von einzelnen Molkereien die zur Verausgabung kommende Milch sterilisiert wird; es handelt sich. vielmehr darum durch gesetzlichen Zwang dieses Verfahren zur allgemeinen Durchführung zu bringen. Es wird sich ferner auch darum handeln, für die direkt von dem Produzenten in den Verkehr übergehende, nicht erst in Molkereien gesammelte Milch ebenfalls die Sterilisierung anzuordnen und für die zweckentsprechende Ausführung dieser Massregel eine sanitätspolizeiliche Con- trole herzustellen. j Bezüglich der Art und Weise, wie die in der Milch etwa enthaltenen Krankheitserreger zu vernichten sind, will ich hier noch bemerken, dass zufolge jenen Unter- suchungen, die Dr. W. Hesse in Dresden erst vor wenigen Wochen unter dem Titel „Über das Verhalten pathogener Mikroorganismen in pasteurisierter Milch in der Koch’schen Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten“ ver- öffentlicht hat — dass es zufolge diesen Untersuchungen zur Abtödtung aller in der Milch etwa vorhandenen krankheiterregenden Keime genügt, dass dieselbe unter Vermeidung von Hautbildung — speziell die auf der Milch befindliche Haut soll einen besonders geeigneten Nährboden für Mikroorganismen abgeben — 15 bis 20 Minuten lang bei 60° C. warm gehalten wird. Der- artig behandelte Milch hat vor der bis zur Siedehitze erwärmten Milch den Vorzug, dass sie das darin enthaltene Eiweiss — das bekannte Lactalbumin — in gelöstem Zu- stande enthält und dass deren Wohlgeschmack nicht be- einträchtigt wird. — Was freilich die speziell für die Säuglingsernährung bestimmte Milch anlangt, so erscheint es mir immerhin zweifelhaft, ob die soeben erwähnte Er- wärmung der Milch auf 60° C. für die Sterilisierung derselben genügen wird. Denn wenn auch die 15 bis 20 - 58 Typhus und Milchsterilisation. Minuten lang fortgesetzte Erwärmung der Milch auf 60°C. nach Hesse genügen soll, um die krankheiterregenden Mikroorganismen abzutödten, so dürfte diese Temperatur nach dem eigenen Zugeständnis von Hesse doch nicht genügend hoch sein, um auch die nicht krankheiterregenden Mikroben, insbesondere die Gährungserreger zum Ab- sterben zu bringen und dadurch die Haltbarkeit der Milch zu gewährleisten. Ehe eine Entscheidung darüber ge- troffen wird, ob es genügt, die für die Säuglingsernährung bestimmte Milch bis zu 60° C. zu erwärmen oder ob dieselbe der vollen Siedehitze ausgesetzt werden muss, ist es auch notwendig, eine Vorfrage zu beantworten, nämlich die, ob gewisse anderein der Milch enthaltene giftige Substanzen — die unabhängige von dem Einflusse der Mikroorganismen die Gesundheit und das Leben der Säug- linge mit (refahren bedrohen — durch jene Erwärmung unschädlich gemacht werden. Was diesen Punkt anlangt, so darf ich bei Ihnen als bekannt voraussetzen, dass durch unzweckmässige Fütterung dessr ag nicht allzu selten Giftstoffe in die Milch über- gehen. Nach den von Fröhner, Damann, Schneidemühl, Fuchs u. A. angestellten Untersuchungen ist der Ueber- gang von Giftstoffen in die Milch durch die Fütterung ein ziemlich häufiges Vorkommnis, insbesondere in jenen (Gegenden, wo es wenig Wiesenbau giebt und wo dem Milchvieh während des Sommers reichlich Gelegenheit geboten ist, giftige Unkräuter zu fressen und deren Alkaloide durch die Milch wieder auszuscheiden. Gefähr- liche Pflanzenalkaloide wie Colchicin, Coniin, Sinapin, Veratrin u. A. sollen, wenn auch nur in sehr kleinen Mengen, in die Milch gelangen und ein grosser Teil jener Brechdurchfälle, Magen- und Darmkatarrhe, die man bis vor Kurzem ausschliesslich auf die Wirkung der Gährungs- erreger bezw. der pathogenen Pilze zurückführen zu sollen geglaubt hat, sind nach einer Ansicht, die neuerdings unter den Gelehrten immer mehr Boden gewinnt, nicht auf die Einwirkung saprophytischer oder pathogener Dr. med. Moritz Alsberg. 59 Mikroorganismen, sondern auf solche Pflanzenalkaloide zurückzuführen, die bei ungeeigneter Fütterung der Kühe in der Milch auftreten. Professor Nessler in Karlsruhe zählt 25 auf unseren Kleeäckern vorkommende gifthaltige Unkräuter auf, wie: Lolium temulentum, Colchicum autum- nale, Digitalis purpurea, Hyoscyamus niger, Papaver somniferum, Euphorbia, Conium maculatum, Helleborus, Sinapis u. A. Da nach Fröhner die Milchdrüse der Kühe die Bedeutung eines Exkretionsorganes für Gifte besitzt, so ist es leicht begreiflich, dass von den toxischen Sub- stanzen, welche in diesen Grewächsen enthalten sind, immer eine gewisse Menge in die Milch übergeht und wenn es auch nur um geringe Mengen dieser giftigen Alkaloide sich handelt, so genügen dieselben doch, um den zarten Or- ganismus des Säuglings mit Gefahren zu bedrohen. Be- züglich der soeben erwähnten Annahme, dass der Milch- drüse der Kühe die Bedeutung eines Exkretionsorganes für Gifte zukommen soll, will ich hier einschalten, dass nach Fröhner Kühe im Gegensatz zu Ochsen von der Schlempe-Mauke verschont bleiben. Diese Seuche, die beim Rindvieh namentlich beim Ver- füttern von Kartoffel-Schlempe häufig vorkommt, besteht in einer Entzündung der unteren Fussenden, deren An- tiologie in denin der Schlempe sich bildenden Alkaloiden gesucht wird. Während bei den Kühen die betreffenden Alkaloide durch die Milch ausgeschieden und auf diese Weise entfernt werden, werden dieselben bei nicht milchenden Tieren durch Harn und Koth ausgeschieden und treten durch die verunreinigte Streu in nähere Beziehung zu den unteren Teilen der Extremitäten des Viehes. Auf diese Weise wäre es zu erklären, dass die Schlempe-Mauke wohl bei Ochsen, aber nur sehr selten bei milchenden Kühen vorkommt. Wie jene aus der Nahrung der Kühe stammenden Pflanzengifte, deren Auftreten in der Milch, wie schon bemerkt, keineswegs zu den Seltenheiten gehört, unschädlich gemacht werden können — das ist ein Problem, dessen Lösung der Zu- 60 Typhus und Milchsterilisation. kunft überlassen werden muss. Wenn Hueppe’s Be- hauptung, derzufolge diese Pflanzenalkaloide durch das Kochen der Milch im Soxhlet-Apparat in keiner Weise alteriert werden, sich bestätigen sollte, so würden natür- - lich auch durch die dem Milchverkauf in den Molkereien vorausgehende Sterilisierung, wie ich sie befürworte, die aus den Pflanzenalkaloiden sich ergebenden Gefahren nicht beseitigt werden und es wird daher neben dieser Maassregel eine strenge Controle über die Fütterung jener Kühe, deren Milch zur Säuglingsernährung Verwendung findet, nicht zu entbehren sein. Indessen das ist eine Frage, auf die ich hier um so weniger eingehen kann, da ich ohnehin die meinen Ausführungen durch das Thema gesteckten Grenzen überschritten zu haben be- fürchte. f Die Kasseler Kläranlagen. 61 Die Kasseler Kläranlagen. Von Dr. Paulmann, Während bei einzelnen Grundstücken und Güter- komplexen die Beseitigung der sich ergebenden Abftall- stoffes in einer den Grundsätzen der Gesundheitslehre ent- sprechenden Weise keineSchwierigkeiten verursacht, sondern vielmehr nur guten Willen, Aufmerksamkeit und Verständnis erfordert, gestaltet sich dieselbe an Ortschaften und Städten zu einer mit der wachsenden Bevölkerungs- zahl immer schwieriger werdenden Aufgabe. Ständig wachsen die Gefahren der zeitweisen Auf- bewahrung, Fortschaffung und Unterbringung. Die hierbei in Frage kommenden Abfallstoff sind folgende: Strassenschlamm, Strassenkehricht, Hauskehricht, tierische Exkremente, Streuunterlage für Tiere, Regen- Schnee-Grund- und Sickerwasser, Brauchwasser, mensch- liche Abgänge und tierische flüssige Abgänge. Alle diese Abfallstoffe sind Träger von Krankbheits- keimen und Fäulniserregern und vorzügliche Nährböden für die Weiterentwicklung derselben. Eine sichere Aufbewahrung, schnelle Fortschaffung und gefahrlose Unterbringung oder Vernichtung derselben sind desshalb unbedingt erforderlich. Die Fortschaffung dieser Stoffe geschieht durch Ab- fuhr und Abfluss. Durch Abfuhr werden Strassenschlamm und Strassen- kehricht, Hauskehricht, tierische Exkremente und Streu- unterlagen für Tiere, durch Abfluss Regen- und Schnee- wässer, Grund- und Brauchwässer, durch Abfluss und Abfuhr hingegen menschliche und tier.-Hüssige Abgänge entfernt. 62 Die Kasseler Kläranlagen. Für die Beseitigung der Exkremente durch Abfuhr werden dieselben einerseits in lonnen, andererseits in Gruben gesammelt. Die Sammlung in Tonnen kommt nur für Trocken- - klosets in Betracht, da bei Wasserclosets die Abfuhrkosten enorm hoch sein würden, indem bei 24 Einwohnern und An- wendung von 125 L Tonnen täglich eine zweimalige Abho- lung erforderlich sein würde, da Überlaufe hierbei wegen der Undurchführbarkeit einer vollständigen Desinfection nicht gestattet sind. An Gruben hingegen können nicht nür Trockenclosets, sondern auch Streu- und Wasserclosets mit Überlauf angeschlossen werden. Die Trocken- und Wasserclosets haben den Vorteil, dass sie durch Maschinen entleert werden können, während die Streuclosets durch Handbetrieb gereinigt werden müssen. Die an Gruben mit Überlauf angeschlossenen Wasser- closets werden nur bei gleichzeitiger Desinfection gestattet, da sich die Krankheitskeime und Fäulniserreger in den Gruben ausserordentlich vermehren und das abfliessende Wasser sehr stark verunreinigen würden. In umfassendster und einheitlichster Weise erfolgt die Entfernung der Abfallstoffe durch die Schwemmkanalisation. Durch diese werden sowohl die atmosphärischen Niederschläge wie auch Haus- und Gewerbewässer, mensch- liche und tierische Exkremente abgeführt. Beider Projektierung der Kanälesind genaue Messungen und Berechnungen erforderlich um eine bei zu geringen Profilen auftretende Stauung der Wassermenge und Über- schwemmung von Kellern und Strassen, bei zu grossem Profile eine Ablagerung von Schlamm innerhalb der Kanäle zu vermeiden. Um jedoch andererseits die Baukosten nicht in ganz ungewöhnlicher Weise zu erhöhen und trotzdem Über- schwemmungen in Ausnahmefällen zu vermeiden, müssen für den Fall, dass heftige Grewitterregen niedergehen an verschiedenen Stellen des Kanalnetzes sogenannte Not- Dr. Paulmann. 63 auslässe angebracht werden, welche gestatten, dass das Kanalwasser hierdurch möglich schnell zur Entlastung des Kanales ausfliesst, sobald die gewöhnliche Hauswasser- menge um das mehrfache überschritten wird. In Kassel liegt dieser Punkt bei Überschreitung der 7fachen Hauswassermenge. Die gesammten Kanalwässer wurden früher bei regel- mässigem Betriebe ohne weiteres in vorhandene Fluss- läufe eingeführt. Solange nun für die Schmutzwässer eine genügende Vorflut zur Verdünnung derselben vorhanden war, Konnte gegen diese Einführung kein Einwand erhoben werden, da infolge der grossen Verdünnung und der Selbstreini- gung der Flüsse eine Verschmutzung der Flussläufe nicht eintrat. Je mehr jedoch die Bevölkerung der Städte wuchs und je mehr die Schmutzwassermengen zunahmen, desto häufiger wurde bei einzelnen Flussläufen die Erfahrung gemacht, dass durch Verschlammung Missstände, Belästi- gungen und gesundheitliche Gefahren eintraten. Um diese Verunreinigungen der Flussläufe zu be- seitigen und bei anderen Plätzen derselben vorzubeugen, wurde die direkte Einleitung der Schmutzwässer in die Flüsse von Fall zu Fall untersagt und erst nach Ent- fernung der gröberen Sinkstoffe zugelassen. Die Entfernung dieser gröberen Sinkstoffe aus dem Kanalwasser geschieht nun durch Verringerung der Ge- schwindigkeit des Kanalwassers, indem dasselbe durch eine Reihe von Längsbecken oder auch durch aufsteigende Türme geleitet wird. Es ist hierbei wesentlich, dass die Geschwindigkeit des Wassers geringer ist, als die Ge- schwindigkeit der Vorflut, da nur dadurch auch die feineren Substanzen zum Absetzen kommen, welche sich sonst noch im Flusslaufe niederschlagen und wieder zur Bildung von Schlammbänken führen würden. Die Einrichtung einer Kläranlage mit Klärbecken werde ich nachher an der Hand einer Zeichnung der 64 Die Kasseler Kläranlagen. Kasseler Kläranlage zeigen und will ich vorher nur noch kurz einige Worte über den heutigen Stand der chemi- schen Klärung sagen. Durch einfache Sedimentation ist es natürlich nicht möglich alle Schwebestoffe, wie auch die gelösten Eiweiss- verbindungen und die Bakterien zu entfernen und sind dess- halb verschiedene Zusätze zum Kanalwasser vorgeschlagen um die gelösten Eiweissstoffe auszuscheiden und dadurch dann die feineren Schwebestoffe mit niederzureissen. Es ist also bei der chemischen Klärung stets auch eine mechanische Klärung erforderlich. Zur Anwendung gelangten hierbei namentlich Atzkalk, schwefels. Thonerde Eisensulfat, Eisenchlorid, lösliche Kieselsäure Kohlebrei, Chlorkalk etc. | Das eine oder andere dieser Chemikalien wird meist direkt, seltener nach vorhergehender Sedimentation der Abwässer, dem Kanalwasser zugesetzt und das umgerührte (Gremisch dann durch Klärbecken oder Klärtürme geleitet. Bei der Klärung mit Ätzkalk wird das im Wasser gelöste doppelkohlensaure Calcium infolge der Bindung der freien und halbgebundenen Kohlensäure als unlöslicher kohlensaurer Kalk niedergeschlagen, desgleichen werden hierdurch Phosphorsäure, Schwefelwasserstoff, Fettsäuren gefällt. Bei genügend langer Einwirkung und hinreichen- der Stärke wirkt der Kalk nach bakterientötend, sodass hierin dem Ätzkalk, neben dem Chlorkalk, dessen bakterien- tötende Wirkung 40 mal stärker ist, der Vorzug vor anderen Desinfektionsmitteln gebührt. Es dürfen jedoch auch die grossen Nachteile der Kalkklärung nicht un- erwähnt bleiben, welche darin bestehen, dass zunächst einmal infolge der Einwirkung des Kalkes auf Ammonium- verbindungen, welche in reichem Masse vorhanden sind, grosse Mengen Ammoniak frei werden, die durch ihren Geruch lästig fallen können. Ferner wirkt der Kalk auf die Eiweissstoffe lösend, sodass in dem geklärten Wasser mehr gelöste organische Stoffe enthalten sein können als in dem ungeklärten Schmutzwasser. ä Dr. Paulmann. | 65 Diese kalkhaltigen Stoffe neben freiem Ätzkalk geben im Flusswasser den Kalk wieder an die darin enthaltene Kohlensäure ab, der als kohlensaurer Kalk zu Boden fällt und Schlammbänke bildet. Die freien organischen Stoffe gehen dann in Fäulnis über. Bei Verwendung von schwefelsaurer Ihonerde tritt eine Spaltung derselben ein, indem die Schwefelsäure an die im Wasser gelösten Alkalien gebunden wird und das ‚Thonerdehydrat sich ausscheidet, welches mechanisch die Schwebestoffe mit zu Boden zieht. Eisensulfat und Eisenchlörid spalten in derselben Weise freie Säure ab und liefern eine flockige Abscheidung von Eisenoxydhydrat, welche ebenfalls mechanisch reini- gend wirkt. Die lösliche Kieselsäure liefert mit den im Wasser befindlichen Kalk- und Thonerdeverbindungen unlösliche Niederschläge. Bei dem in den letzten Jahren mehr in den Vorder- grund getretenen Kohlebreiverfahren wird dem Schmutz- wasser neben Eisensulfat noch fein geschliffene Braun- kohle oder Torf zugesetzt um eine grössere Reinheit des Abwassers zu erzielen. Das sog. Schwedersche Verfahren, welches darauf beruhen sollte, dass in einem Faulraume durch gewisse Bakterien sämtliche organischen Stoffe mineralisiert würden, ist endgültig abgethan, nachdem sich in einer Versuchsanlage am Schlusse der Untersuchung in dem Faulraume sämtliche organischen Stoffe noch vor- fanden, sodass der ganzen Anlage nur der Wert einer mechanisch wirkenden Kläranlage zukommt. Zum Schluss würden hier noch die Anlagen aufzuführen sein, welche das Wasser nach der mechanischen Klärung noch einer Filtration unterwerfen. Dieses geschieht durch Rieselfelder oder Filter. Die verwendeten Filter sind verschieden zusammengesetzt und werden einzelnen der- selben noch besondere Oxydationswirkungen zugeschrieben. Ich komme nun zu der Kasseler Kläranlage, in welcher eine rein mechanische Klärung ausgeführt wird. 5 66 | Die Kasseler Kläranlagen. Obwohl noch nie von seiten der Fuldaanwohner wegen der direkten Einführung der Kanalwässer Klagen einge- laufen waren, wurde der Stadt Cassel aus hygienischen Gründen von der Kgl. Regierung aufgegeben die Kanal- wässer vor der Einführung in die Fulda zu reinigen. Die Anlage ist von Herrn Stadtbaurath Höpiner, nachdem sich das vor seiner Zeit ausgearbeitete Projekt als undurchführbar erwiesen, unter Zugrundelegung einer von ihm selbst für den Elberfelder Schlachthof entworfenen und ausgeführten Kläranlage projektiert, im Jahre 1897 ge- baut und 1898 in Betrieb genommen. Die Anlage funktioniert in allen ihren Teilen tadellos und sind noch keine Betriebsstörungen eingetreten. Das Schmutzwasser strömt durch den Hauptsammel- kanal in die Einlaufgallerie, an die sich rechtwinklig fünf Klärbecken anschliessen. In der Einlaufgallerie findet sich ungefähr 3—4 m hinter der Mündungsstelle ein quer- vorliegendes Brett, welches ungefähr 10 cm tief eintaucht. Dieses Brett hat nur noch den Zweck den Stoss des ein- fliessenden Wassers zu mildern. Von der Einlaufgallerie fliesst das Wasser im vollen Querschnitte in die Klärbecken und liegt hierin ein wesentlicher Vorteil gegenüber den sonst allgemein üb- lichen Anlagen, bei denen das Wasser durch ein enges Thor oder über einen Wehrrücken in das Becken eintreten muss, da bei dem hiesigen Systeme eine jede Beunruhi- gung und Beschleunigung der Geschwindigkeit des Wassers vermieden wird. Die Klärbecken 'sind 40 m lang, 4 m breit und be- sitzen eine nutzbare Tiefe von 3 m. Die Sohle fällt nach dem Ausflusse zu im Verhältnisse von 1: 100 und liegt am tiefsten Punkte des Beckens der Pumpensumpf von dem aus der Schlamm abgepumpt wird. Kurz vor dem als Überlauf dienenden Wehrrücken sind zwei harfenartig gebildete Rechen eingeschaltet um ev. grössere Schwimmstoffe abzufangen. Dr. Paulmann. 67 Diese Einrichtung hat sich jedoch als überflüssig er- wiesen, da derärtige Schwimmstoffe in unserer Anlage nicht auftreten, indem dieselben durch das starke Gefälle in den Kanälen zerrieben und mit anderen Stoffen be- schwert zu Boden sinken. Am Ende der Klärbecken fliesst das Wasser über einen Wehrrücken in den Äblaufkanal, welcher direkt zur Fulda führt. Die vorhandenen Becken werden jeden 8—10ten Tag gereinigt und geschieht diese Reinigung in folgender Weise. Am Übergang der Einlaufgallerie in die Klärbecken befinden sich bewegliche Schützen, welche während des Betriebes hochgezogen sind und über dem Wasserspiegel stehen. Die Schützen werden gesenkt und damit jedes Becken für sich ausgeschaltet. Am Ende des Beckens befinden sich desgleichen zwei senkbare Schützen von denen der eine linke als Wehrrücken dient und die halbe Breite des Beckens ein- nimmt; dieser Schützen wird, nachdem das Becken eine halbe Stunde ausgeschaltet und das Wasser zur Ruhe gekommen war, langsam gesenkt und kann hierdurch, da das Wasser am Ablaufkanale ungefähr einen Meter tiefer steht, eine grosse Menge klares Wasser dem Ablaufkanale zugeführt werden. Dann wird ein zweiter Schützen gesenkt und damit eine Verbindung mit einem unter dem Ablaufkanale be- findlichen Kanale hergestellt, der das Wasser nach dem unter dem Maschinenhause liegenden Pumpenschachte führt, von dem dasselbe wieder in die Einlaufgallerie übergepumpt wird. Nachdem auf diese Weise das Wasser von dem am Boden liegenden Schlamm getrennt ist, wird letzterer durch einen Vakuumkessel der durch eine Rohrleitung mit dem Pumpensumpf im Becken in Verbindung steht abgesogen und nach dem Schlammbecken gedrückt, wo derselbe mit grossen Mengen Strassenkehricht gemischt wird. Ar 68 Die Kasseler Kläranlagen Damit jede Geruchsbelästigung möglichst vermieden wird, wird der Schlamm vor und nach” dem Pumpen reichlich mit Ätzkalk bestreut. Um das gereinigte Becken wieder in Betrieb zu nehmen wird dasselbe von rückwärts zunächst mit ge- klärtem Wasser gefüllt, indem man den nachdem Pumpen- schachte führenden unteren Schieber schliesst, den als Wehrrücken dienenden Schützen des betreffenden Beckens senkt, die Verbindung der Ablaufgallerie mit der Fulda durch einen Schieber zustellt und nun das aus den 4 anderen Becken abfliessende Wasser zwingt rückwärts in das gereinigte Becken zu fliessen. Aus der Zeit, welche bis zur Füllung des Beckens nötig ist, lässt sich dann leicht die Durchflussgeschwindig- keit berechnen. Ein weiterer Vorteil liegt bei dieser Füllung noch darin, dass das gereinigte Becken nach Oeffnung des vorderen an der Einlaufgallerie befindlichen Schützens direkt in Thätigkeit treten kann, da das zuströmende Wasser ein gefülltes Becken vorfindet. Die sich in der Einlaufgallerie ansammelnden Se massen werden nach der Reinigung des letzten, fünften Beckens in der Weise entfernt, dass zunächst einmal die vorderen Schützen der vier ersten Becken geschlossen und der Zulauf des Kanalwassers oberhalb der Anlage abgesperrt wird. Dann wird der vordere Schützen des fünften Beckens gehoben und die Ablagerungen werden nach Oeffnung des Schiebers durch die dahinter angestauten Kanalwässer in das fünfte Becken geschlämmt. Sollten noch kleinere Mengen liegen geblieben sein, so wird der vordere Schützen des ersten Beckens gehoben und werden die letzten Reste durch den Rückstrom in das fünfte Becken übergeführt. Die im fünften Becken angesammelten Schlamm- massen werden dann in der vorhin erwähnten Weise vom Wasser getrennt und auf die Schlammbecken gepumpt. Dr. Paulmann. 69 Von mindestens ebenso grosser Wichtigkeit als die Klärung des Schmutzwassers vor dem Einleiten in die Flussläufe ist die Überführung des an der Anlage ge- sammelten Schlammes in einem transportfähigen und hygienisch einwandsfreien Zustand. Die mit der projektierten Anlage ausgeführten Schlammbecken in Gestalt von drainierten Kiesfiltern haben sich nicht bewährt, da sich das Wasser nur ausser- ordentlich schwer von den zähschleimigen festen Stoffen trennte und die Filter sehr bald verstopft wurden. Es wurden nun die verschiedensten Versuche an- gestellt um die Schlammmassen stichfest und geruchlos zu machen, die aber alle kein genügendes Resultat er- gaben. Die mit Chemikalien behandelten Schlammmassen waren ausserdem noch für die Landwirthschaft nicht mehr verwertbar und erforderten p. a. eine Ausgabe von ungefähr 40 000—100000 Mark. Als bestes Verfahren wurde schliesslich nach Zusatz von Ätzkalk die Mischung des Schlammes mit Strassen- kehricht ständig angewandt, indem durch den Strassen- kehricht nicht nur das Wasser aufgesogen und dadurch der Verdunstung zugänglicher wurde, sondern auch der Geruch des Schlammes absorbiert und nicht mehr zu Belästigungen führte. Der hierbei gewonnene Kehrichtschlamm erwies sich als vorzüglicher Dünger, wie durch verschiedene Guts- besitzer der Umgegend festgestellt wurde. Ein zum Teil mit dem Kehrichtschlamm gedüngter und dann mit Weizen bestellter Acker lieferte ein so vorzügliches Ergebnis, dass der Weizen an diesen Stellen nicht mit der Maschiene geschnitten werden konnte, sondern mit der Hand geschnitten werden musste. Aber auch auf diesem Wege war die Fortschaffungs- frage des Schlammes noch nicht als endgültig gelöst zu betrachten, da die Massen beim Transport infolge des immer noch sehr hohen Wassergehaltes leicht zähflüssige 70 Die Kasseler Kläranlagen. Beschaffenheit annehmen und sind wir in betreff dieser Schlammfrage z. Z. in ein neues Stadium getreten, indem von den städtischen Körperschaften ein Vertrag mit einem Unternehmer abgeschlossen ist, dass von diesem sämtliche - Schlammmassen, welche in der Anlage gewonnen werden abgenommen und verarbeitet werden. Zu diesem Zwecke wird auf der Anlage ein Gebäude errichtet und werden die Schlammmassen direkt aus den Becken in die Arbeitsräume übergepumpt, damit keinerlei Geruchsbelästigungen auftreten. In diesem Gebäude sind die Schlammmassen laut Kontrakt derartig zu verarbeiten, dass keine (Geruchs- belästigungen auftreten und hygienisch einwandsfreie Produkte erzeugt werden. Die Produkte, welche hierbei gewonnen werden sind Fett und ein fettsäurefreier, also wertvollerer Dünger, der ungefähr 3°/o Stickstoff und 1,34°/o Phosphorsäure enthäft. Das Fett liefert ein vorzügliches Material für die Seifenfabrikation. Die Mengen, welche die Kasseler Kläranlage zur Zeit, wo die Unterneustadt noch nicht angeschlossen ist, passieren, sind folgende. Im Durchschnitt fliessen durch die Kläranlage täglich 16000 cbm Kanalwasser das sind im Jahre 5840000 cbm. Im vergangenen Jahre sind 13500 cbm Schla mit 90% Wasser also 1350 cbm wasserfreie Trocken- substanz aus den Klärbecken entfernt. Diese enthalten im Durchschnitt 15°/o Fett, sodass hieraus im Jahre 202,5 cbm Fett = 2025 dz gewonnen werden können. Der Wert eines dz mit 45 M. angesetzt ergiebt für die pro Jahr aus den Schlammmassen gewonnenen Fettmengen eine Ein- nahme von 91125,00 M. Hans Freiherr von Berlepsch. 71 Bericht“) über den im Auftrage der deutschen Ornitho- logischen Gesellschaft aufgestellten Entwuri eines inter- nationalen Vogelschulzgesetzes und über Beratung dieses Entwurfes auf dem Pariser Congress. Von Hans Freiherr von Berlepsch. Mehrere Motive bestimmten die „deutsche Ornitho- logische Gesellschaft“ in der letzten Jahresversammlung sich auch mit der Frage eines internationalen Vogelschutz- gesetzes zu beschäftigen. Abgesehen von der nach den veränderten Culturverhältnissen vorliegenden Notwendig- keit eines solchen Gesetzes, war es hauptsächlich auch der Wunsch, dass diese Frage, da sie nach Lage der Dinge jetzt doch nun mal einer Lösung entgegen gedrängt wird, nicht von Laien, sondern in sachlicher Weise von Fach- männern behandelt werden möchte. Zur Bearbeitung eines diesbezüglichen Entwurfes wurde deshalb nach- folgender Ausschuss eingesetzt: Amtsrat Nehrkorn — Braunschweig Professor Dr. König — Bonn Direktor Hartert — Tring (England) Professor Dr. Röhrig — Berlin Rechtsanwalt Kollibay — Neisse sowie meine Wenigkeit, und zwar letzterer als Obmann. *) Der Bericht wurde in der gemeinschaftlichen Sitzung des Vereins für Naturkunde und des Vereins für naturwissenschaftliche Unterhaltung zu Cassel am 19. Dezember 1900 vorgetragen und inzwischen auch im Journal für Ornithologie, Januarheft 1901 veröffentlicht. Bei der Wichtigkeit des Gegen- standes glaubten wir, unseren Mitgliedern den vollen Abdruck an dieser Stelle nicht vorenthalten zu dürfen. d. Herausgeb. 12 Vogelschutzgesetzentwurf. Ich glaube den Bericht am kürzesten und am klarsten an der Hand des vorliegenden Aktenmaterials geben zu können, indem ich zuerst über den Entwurf, alsdann über die Verhandlungen und das Ergebnis derselben auf dem Pariser Congress spreche. x Nach mündlichem und schriftlichem Verkehr mit den verschiedenen Herren des Ausschusses stellte ich einen ersten Entwurf auf und sandte diesen allen Ausschuss- mitgliedern, wie auch verschiedenen anderen Herrn unserer Gesellschaft zur Einsicht und Begutachtung ein. Danach haben wir gemeinsam weiter gearbeitet, bis endlich nach etwa drei Monaten der vorliegende endgültige Entwurf zu stande kam. Die Sache gestaltete sich schwieriger, als wir an- fänglich glaubten, und es konnte dieser endgültige kurze Entwurf nur als oft filtrierter Extrakt dickleibiger Akten- stösse gewonnen werden. Als unermüdlicher Arbeiter ist besonders unser hochverehrtes Mitglied Direktor Hartert zu nennen, und wir haben diesem Herrn unbedingt einen Löwenanteil am Zustandekommen des uns vorliegenden Entwurfes zu danken. Bei Bearbeitung desselben sind die Protokolle aller 7 bis jetzt zu diesem Zwecke stattgehabten Kongresse, bezw. Konferenzen — Budapest 1871, Wien 73, Rom und Budapest 1875, Wien 1884, Budapest 1891, Paris 1895 und (Graz 1898 — einer eingehenden Durchsicht unter- zogen, und die darin zum Ausdrucke gebrachten An- sichten und Wünsche möglichst berücksichtigt worden, dabei war das Bestreben des Ausschusses, den Entwurf in möglichster Kürze und so abzufassen, dass durch den- selben andere, insbesondere die Jagdgesetze möglichst wenig berührt werden. Der Gesetzentwurf verliert sich nicht in Einzelheiten sondern stellt im allgemeinen nur bestimmte Principien auf, nach welchen die einzelnen Staaten ihrerseits Gesetze zu geben haben. Deshalb nahmen wir auch von Auf- stellung irgend welcher Listen Abstand und glauben, dass Hans Freiherr von Berlepsch. 13 gerade hierdurch eine allgemeine Aufnahme vorliegenden Gesetzentwurfes sehr erleichtert werden wird, indem die Vorschläge der früheren Kongresse, bezw. Konferenzen hauptsächlich immer daran scheiterten, dass die für das ganze paläarktische Faunengebiet aufgestellten Listen von einzelnen Staaten nicht angenommen werden konnten. Zuerst wurde die Frage klargestellt, ob und warum wir jetzt Gesetze gegen die Vogelvernichtung bedürfen, indem der diesbezügliche Wunsch des grossen Publikums allein gewiss nicht massgebend sein kann. Die Antwort lautet: | Früher, bei den unbeschränkten Nistgelegenheiten konnten wir eines Gesetzes gegen die Vogelver- nichtung wohl entbehren. Damals konnten die Vögel dem einen Angriffe von Seiten des Menschen schon widerstehen. Jetzt ist infolge der intensiven Land- und Forstwirtschaft aber auch noch Entziehung der Brutplätze hinzugekommen. Dieser doppelte Ver- nichtungskrieg ist zu viel! Deshalb bedürfen wir zur Erhaltung und, wenn möglich, Wiedervermehrung unserer Vögel ausser der Schaffung von Lebens- bedingungen für dieselben (hauptsächlich Nistgelegen- heiten) jetzt auch noch eines — vernünftigen — Vogel- schutzgesetzes. Der von unserer Gesellschaft aufstellte Entwurf lautet nun folgendermassen. Gesetz. Bemerkungen. SR Verboten ist: a. Fangen der Vögel und Aus- nehmen bezw. Zerstören der Nester und Bruten derselben. Jedoch dürfen Nester, welche sich an oder in Gebäuden oder in Hofräumen befinden, von deren Nutzberechtisten besei- tigt werden. 74 Vogelschutzgesetzentwurf. b. Schiessen der Vögel vom 1. März bis 15. August. c. Das Feilbieten und die Ein- fuhr von Vögeln, Bälgen, Teilen oder Federn derselben zu Nahrungs- und Putzzwecken. 8 2. Ausnahmen von $1. a. und b. können auf Ansuchen gut beleu- mundeter Leute für eine bestimmte Örtlichkeit und Zeit nach Bei- bringung einer Einwilligungsbe- Das Schiessen vom 15. August bis 1. März müssen wir den Süd- ländern schon lassen, und zwar alle Vögel ohne Unterschied. Andernfalls da die Aufsichtsbehörden keine Ornithologen sind. Ein Feilbieten der unter $ 3 bezeichneten Vögel ist also inso- weit erlaubt, als in dem betreffen- den Lande diesbezügliche ver- schärfende Sonderbestimmungen nicht bestehen. Es muss zugegeben werden, dass die Kontrolle unter Umstän- den schwierig ist, doch ist sie “ immerhin durchzuführen. Die Ein- fuhr der unzähligen kleinen Vögel durch die Modewarenhändler wäre jedenfalls damit zu Ende, wie dies in Nordamerika schon seit einem Jahre verboten ist. Ein Nachteil für die Wissen- schaft ist daraus nicht zu be- fürchten. Die von den Modewarenhänd- lern bezogenen Bälge ohne An- gabe, wo und wann dieselben er- beutet wurden, sind für die Wis- senschaft mehr von Nachteil als Nutzen und haben schon manche Konfusion gezeitigt: Ausserdem wird durch Einfuhr dieser un- nützen und billigen Ware die Ar- beit der wissenschaftlichen Samm- ler entwerthet, was auch ein nicht zu unterschätzender Nachteil ist. Unter gewissen Verhältnissen wird diese Einwilligung von den betreffenden Behörden herbeizu- bringen sein. In Ländern, wo ‘freie Jagd ist, fehlt die Kontrolle, Hans Freiherr von Berlepsch. 75 scheinigung der Besitzer des Grund und Bodens sowie der Jagdberech- tisten von den zuständigen Be- hörden gestattet werden a. zu wissenschaftlichen Zwecken b. zum Fang von Stubenvögeln, insofern derselbe nicht Massen- fang ist, innerhalb der Zeit vom 15. August bis 1. März. e. zus Vernichtung z. Z. local schädlicher oder lästig wer- dender Vögel. i SB. Vorstehende Bestimmungen fin- den keine Anwendung auf a. das ganze Haus-Federvieh. b. die von den einzelnen Staaten als schädlich bezeichneten Vögel. c. das Jagdgeflügel mit Einschluss der Wasser-, Sumpf-, Strand-, Hühnervögel und Tauben. 84, Zugvögel mit Ausnahme der Wasser-, Sumpf-, Strand-, Hühner- vögel und Tauben dürfen nicht Jagdgeflügel sein. hat natürlich nur ersteres, dort, wo Grund und Boden dem Staate gehört, nur letzteres Gültigkeit. Auch dies müssen wir zugeben, schon um den Vogelhändlern nicht plötzlich das Brod zu nehmen. Der Frühjahrsfang der Nachti- galen und Sprosser, welche jelzt zu hunderten mit Dutzendpreisen angezeigt sind (siehe „Gef. Welt“, „Geflügelbörse‘, „Tierbörse“ und andere Zeitungen) würde damit aber glücklich beseitigt sein. Aufstellung von Listen kann in einem internationalen (resetze nicht stattfinden. Bei der grossen geographischen wie wirlschaft- lichen Verschiedenheit der ein- zelnen Länder kann derselbe Vogel hier nützlich dort schädlich sein. Deshalb muss es jedem einzelnen Staate überlassen bleiben, even- tuell erforderliche Listen nach den in diesem Gesetze gegebenen Direktiven selbständig aufzustellen. Der Zusatz ‚mit Einschluss der Wasser-, Sumpf-, Strand-, Hühner- vögel und Tauben“ ıst deshalb nötig, weil diese Vögel nicht in allen Ländern (z. B. in England) Jagdgeflügel sind, und somit ohne diesen Zusatz durch $ 3c. in jenen Ländern der Verkauf dieser Vögel (Enten, Bekassinen, Tauben etc.) verboten sein würde. Es war das Bestreben, den Ge- setzentwurf so zu formulieren, dass die Jagdgesetze möglichst unbe- rührt blieben, da hieran zu rütteln sehr heikel scheint. Diesen $ 4 können wir aber un- möglich missen, und glaube ich, 76 Vogelschutzgesetzentwurf. San: Jedem einzelnen Staate bleibt es anheimgestellt, für sein Terri- torıum verschärfende Sonderbe- stimmungen zu geben. dass esauch keine Schwierigkeiten haben wird, die anderen kleinen Zugvögel (bezüglich der Krammets- vögel siehe Anlage) aus der Liste des Jagdgeflügels auszuschliessen. Da alle Vögel vom 15. August bis 1. März geschossen werden dürfen, so schliesst „Jagdgeflügel“ nur in sich, dass diese Vögel auch noch zu anderen Zeiten und mit anderen Mitteln erbeutet werden können, d. h. insoweit dies durch die Jagdgesetze des betreffenden Landes erlaubt ist. Sehr wünschenswert wäre es, wenn der Frühjahrswachtelfang und Schnepfenstrich (auf dem wir nur unsere eigenen Brutschnepfen wegschiessen) allgemein ver- boten würden; doch wollen wir von diesen jedenfalls schwer zu erlangenden Gesetzen das Zustan- dekommen des Ganzen nicht ab- hängig machen. Solches bleibt also von der ver- schärfenden Sonderbestimmungen der einzelnen Staaten zu erwarten. Dies ist besonders nötig und wünschenswert bezügl. $ 1b. und 88 3 und 4. Der Krammetsvogelfang. Als erste Vorbedingung zu einem internationalen Vogelschutzge- setze erachten wir Beseitigung des Krammetsvogelfanges in Deutschland. Wie können wir anderen Völkerschaften, speciell den Süd- ländern einen Vorwurf machen, oder denselben gar verbieten wollen, dass sie unsere Vögel fangen, solange wir selbst jene Vögel, welche ‚von Norden kommend bei uns Gastfreundschaft suchen (ein kleiner Teil der sog. Krammetsvögel sind bekanntlich nordische Drosseln) in gleicher Weise durch den Krammetsvogelfang vernichten? Nein, gewiss nicht! Ya [: ” Hans Freiherr von Berlepsch. IR Mit vollem Rechte verlachen uns deshalb auch die Südländer und sagen, dass wir, wenn wir solche Vorschriften geben wollen, doch erst mal vor der eigenen Thür kehren möchten. Wenn wir somit Beseitigung des Krammetsvogelfanges auch hauptsächlich der Consequenz halber fordern müssen, so sprechen aber doch auch andere Gründe hierfür, wie unter anderen aus nach- stehenden statistischen Notizen zu ersehen ist. Einige statistische Notizen bez. des Krammetsvogelfanges. Nach genauer Aufzeichnung des jetzigen Herrn Forstrats Eberts zu Cassel (Originalacten liegen mir vor) ergab der Krammets- vogelfang auf der Oberförsterei Heimbach zu Gemund in 10 Jahren, von 1887—1896 folgendes Resultat: 5) 112) IM. IV. V. Ahr Summe | Kram- Sing- 0/o Andere Oo Roi %/o allerVögellmetsvögel| drosseln |von Il] Vögel |vonI|kehlchen v. IV, 87 4419 4350 1530 55,2 69 1,6 42 [60,9 88 4321 4164 2395 57,8 157 3,6 103 65,6 89 4588 4461 3578 80,2 127 2,8 66 152,0 90 6127 6076 3281 54,0 51 0,8 34 66,7 91 6359 6219 3149 50,6 140 2,2 82 58,6 92 5352 4640 3474 74,9 712 13,2 470 66,0 93 5901 5778 2920 50,5 123 2,1 64 52,0 94 5330 5020 3469 69,1 310 5,8 170 54,8 95*)| 1621 1565 954 61,0 56 a5) 42 75,0 6*) 575 567 548 96,7 8 1,4 3 37,5 Se. | 44595 | 42840 25298: 59,1 1753 3.305.1076 61,4 Schlussfolgerung. Von 1000 gefangenen Vögeln sind 91 sogenannte Kram- metsvögel, von diesen aber 567 Singdrosseln gegen 394 andere Drosseln. 1000 gefangene Vögel setzen sich also zusammen aus: 567 Singdrosseln 394 anderen Drosseln ‘24 Rotkehlchen 15 anderen Vögeln. Summa 1000 Vögel. Von allen gefangenen Vögeln bilden somitdie Singdrosseln die bei weitem grössere Hälfte: 59,1 von Hundert. !) Summe von Spalte II und IV. ?) Das sind Turdus musteus, merula, iliacus, pilaris, torquatus, viscivorus. *) Von diesen Jahren liegt nur ein Teil des Resultats vor. 18 Vogelschutzgesetzentwurf. —n Im vergangenen Herbst wurde durch das Ministerium des Innern ım Deutschen Reich eine Umfrage bezüglich des Krammetsvogelfanges erlassen. Die diesbezüglichen Acten für das Königreich Preussen liegen mir im Original vor, es ist daraus folgendes bemerkenswert: Im Regierungsbezirk Siegmaringen ist der Krammetsvogelfang verboten, im Regierungsbezirk Cassel (und zwar schon seit 1853) der Dohnenstieg. In den 35 Regierungsbezirken werden 1159796 Kram- metsvögel gefangen in einem Jahr. Wieviel davon auf die einzelnen Drosselarten kommen, ist nicht angegeben. Nach vorseitigen Auf- zeichnungen sind über die Hälfte Singdrosseln. Die Frage: Ist eine Abnahme der Zahl der jährlich gefangenen Krammetsvögel zu beobachten? beantworteten 6 Reg.-Bez. mit „nein“, Pemit>, kaum“, 27 mit Jjac.ı) In allen 36 Reg.-Bez. gehört der Krammetsvogel ganz oder teil- weise zu den „jagdbaren Vögeln“. Obgleich nun dieser Entwurf nebst Anlage, und zwar nicht nur in deutscher, sondern auch bereits in französischer, hier angefertigter Übersetzung rechtzeitig der Leitung des III. internationalen Kongresses ein- geschickt und von Herrn Professor Reichenow um ver- vielfältigenden Umdruck desselben gebeten worden war, war dieses doch nicht geschehen, ja die handschriftliche Übersetzung anfänglich sogar verlegt, sodass dieselbe in der ersten Sitzung überhaupt nicht verwendet werden konnte. Dieser Umstand sowohl, als der überraschende Befehl, dass ich zum Vortrage des ganzen Entwurfs nur !/s Stunde Zeit in Anspruch nehmen dürfe, wie drittens ein anderer das gleiche Thema, aber von einem ganz anderen Stand- punkt aus behandelnder Antrag des Herrn Präsidialrats Dr. Ohlsen zeitigten denn in der ersten Sitzung eine solche Verwirrung, dass an ein irgend wie befriedigendes Ergebnis scheinbar nicht zu denken war. Die endlich wieder gefundene französische Über- setzung des Entwurfes von Dienstag bis Freitag, also in 3 Tagen, zu drucken, wurde ausserdem in Paris für un- ausführbar erklärt. !) Nach meinen und anderen zuverlässigen Beobachtungen hat die Singdrossel in den letzten 30 Jahren sehr abgenommen. M N sis Hans Freiherr von Berlepsch. 79 Wenn nun zuletzt doch noch ein — und wie wir nicht anders sagen können — befriedigendes Resultat folgte, so ist dieses allein nur 5 Persönlichkeiten zu danken. 1. Der liebenswürdigen Madame Jean Bernard, die es übernahm, wenigstens das Gesetz ohne Bemerkungen bis zum Freitag drucken zu lassen. 2. Herrn Dr. Ohlsen, der sich im Interesse der guten Sache bestimmen liess, seinen Antrag ganz zurück- zuziehen und energisch für den unserigen einzutreten und 3. der umsichtigen und einsichtsvollen Leitung unseres Sektionspräsidenten, des Herrn Professor Fatio aus Gent. Ich werde alle weiteren Einzelheiten bei den ferneren Beratungen übergehen und gleich die endgültig ange- nommene Resolution geben. Dieselbe lautet: „i. In wirksamer Weise alle Vögel während der 5 bis 6 Monate der Fortpflanzungszeit zu schützen, die nicht allgemein als unstreitig schädlich anerkannt sind, so lange es noch nicht gelungen ist, Listen von überall und immer nützlichen Vögeln aufzustellen. Ausnahmen können nur zu Gunsten der Wissenschaft und im Fall der Notwehr ‚gemacht werden. 2. Gänzlich zu untersagen alle Arten von Massenfang, mögen sie dazu angethan sein, die Vögel in grosser Zahl auf ein Mal (Netze etc.) zu fangen, oder mögen es Schlingen oder Dohnen sein, die, in grosser Zahl aufgestellt, denselben Erfolg haben können. 3. Ebenso zu untersagen den Handel und Versand, das Feilbieten, den Kauf und Verkauf der geschützten Vögel, ihrer Eier und ihrer Jungen während der Schonzeit (das Wanderwild, insbesondere die Wachtel, müsste denselben Schutz geniessen). 4. Jeden Staat zu bitten, auf seinem Gebiete gleichzeitig ornithologische und entomologische Untersuchungen anstellen zu lassen, um die Ernährung der einzelnen Arten und dadurch den Grad ihres Nutzens festzustellen. 80 Vogelschutzgesetzentwurf. — 9. Durch alle möglichen Mittel (Hecken, Nistplätze) die Vermehrung der nützlichen, besonders der insekten- fressenden Vögel zu begünstigen. . Unter die Jugend interessante und nützliche Schriften über das Leben der Vögel zu verteilen“ &) Sie werden mir zugeben, dass der Entwurf sehr allgemein und kurz gehalten ist, was beides als ein grosser Vorzug gegen alle früheren derartigen Beschlüsse angesehen werden muss, und dass er nichts enthält, was unserem Entwurf direkt entgegen wäre. Es ist unser Entwurf nur in anderer Form und noch ergänzt durch die ganz vor- züglichen 88 4, 5, 6. Wenn allerdings darin von Aufstellung allge- meiner Listen überall nützlicher Vögel gesprochen wird, so können wir dieser Ansicht aus vorher dargelegten Gründen zwar nicht zustimmen, immerhin dürfen wir uns aber auch damit zufrieden geben, besonders da diese Resolution ja vorerst nur Wunsch, noch nicht Gesetz ist. Kurz, ich glaube, wir können recht zufrieden sein, durch unser Zuthun vorerst dieses Ergebnis erlangt zu haben. Es ist der erste derartige Beschluss, der wohl geeignet ist, auf ihm weiter zu bauen und der, wenn die Vertreter der einzelnen Staaten wieder zusammentreten, wohl als gute Grundlage dienen kann, das entgültige Gresetz zu formulieren. Diese allgemein gehaltene Pariser Resolution in klare Gesetzesform gebracht, wird dann einfach wieder den Wortlaut unseres Entwurfes ergeben, ergänzt durch die 88 4, 5, 6. Es soll nun demnächst von Professor Oustalet, dem Präsidenten des internationalen ÖOrnithologischen Kon- gresses, in jedem Staate ein Mitglied des internationalen Komites beauftragt werden, den Beschluss seiner Re- gierung zu unterbreiten, und ich halte diesen Weg — vorausgesetzt, dass überall die rechte Persönlichkeit ge- troffen wird — auch für den einzig richtigen. Als weiterer grosser Faktor und nicht zu unter- schätzender Erfolg in der guten Sache muss vor allen or Hans Freiherr von Berlepsch. 81 Dingen aber auch noch der Umstand angeführt werden, dass dieser Beschluss, dank der fortgesetzten Bemühungen des Herrn Dr. Ohlsen, in ganz gleicher Fassung auch noch vom internationalen Tlierschutz- und Ackerbau- kongress angenommen worden ist, und ich glaube, dass gerade die Wünsche des letzteren Kongresses bei den verschiedenen Staaten am meisten Gehör finden werden. Soweit wäre also die Sache in gutem Fahrwasser, und wir können nur hoffen, dass aus diesen guten Wünschen — denn etwas anderes sind die gefassten Beschlüsse vor- läufig nicht — nun auch wirklich bald ein internationales Gresetz entstehen möge, wie solches in dem von unserer Gesellschaft ausgearbeiteten und nur noch durch die $S 4, 5 und 6 des Pariser Beschlusses zu ergänzenden Entwurf jederzeit als fertige Arbeit vorgelegt werden kann. 82 Netz- und Geradflügler. 1. Vorläufige Aufstellung von in der Umgegend von Cassel vorkommenden Netz- und Geradilüglern. . Von Dr. med. L. Weber. Während die Coleopteren, Lepidopteren und Dipteren der hiesigen Umgegend im Laufe der Zeit eingehend durchforscht sind, haben die Hymenopteren, Neuropteren, Orthopteren, Apteren und Hemipteren noch keine genauere Berücksichtigung von Seiten der Sammler gefunden. So ist über die Netzflügler und Geradflügler ausser den wenigen Arten, welche Dr. Wilhelm Schwaab in seiner geographischen Naturkunde von Kurhessen, 1851, Cassel, Druck und Verlag von Theodor Fischer, aufführt, nichts mehr bekannt geworden. Wenn ich nun in Folgendem versuche, eine vorläufige Aufstellung von hier vorkommenden Netzflüglern und Geradflüglern, zweier Ordnungen, für welche bei den vorhandenen Boden- und Wasserver- hältnissen ausserordentlich günstige Existenzbedingungen vorliegen, zu geben, so liegt es mir ferne zu behaupten, dass das Verzeichniss irgend einen Anspruch auf Voll- ständigkeit mache*). Es soll nach nunmehr 50 Jahren seit Schwaabs Aufstellung nur das Interesse der Sammler auf diese bisher vernachlässigten Ordnungen gelenkt werden. Dass es überhaupt möglich war, die folgenden Arten aufzuführen, verdanken wir lediglich dem Sammel- eifer der Herren Grebrüder Lüttebrandt, hier, denen. ich für die gegebenen Mitteilungen an dieser Stelle den besten Dank ausspreche. Das von genannten Herrn durchforschte Gebiet ist hauptsächlich der Osten von Cassel und das Flussgebiet der Fulda, während der gebirgige Westen, *) In Sachsen sind allein gegen 150 Arten Trichopteren nach Rostock aufgefunden, bei uns erst 25 bis jetzt! Dr. med. L. Weber. 83 weniger durchstreift, noch manche nicht aufgeführte Art (bes. Trichopteren) beherbergen dürfte. Neuroptera, Netzflügler >) 13 I. Trichoptera, Wassermotten. Phryganeidae. Phryganea L. grandis L. an der Fulda. Limnophilrdae. Limnophelus Lech. vittatus F. am Fackelteich ignavus I. desgl. sparsus Üt. N subcentralis Hg. „ rhombicus L. griseus L. stigma Üt. Anabolia Steph. laevis Zelt. (furcata Brm.) Stenophylax Kol. pieicornis Pict. Halesus St. interpunctatus Zi. Sericostomidae. Sericostoma Latr. pedemonlanum M’ Lch. Forstbach. Goera Lech. pilosa F. Söhre. Stılo Curt. nigricornis Piet. Söhre. Leptoceridae. Molanna Ot. angustala Ot. Eiterhagen. Leptocerus Lech. cinereus Ct. Habichtswald. *) Die Reihenfolge nach Rostock, die Netzflügler Deutschlands, Zwickau 1888, (Sonderabdruck aus dem Jahresber, d, V, f. Naturk. zu Zwickau 1887.) 6* 84 Fr, DE Fe 2 « Rs FE u F 2 a Netz- und Geradflügler. dissimilis St. tineordes Brm. Guntershausen. Mystacides Latr. longicornis L. nigra L. Homilia M L. leukophaea Rb. Hydropsychtdae. Hydropsyche . pellucidula Ct. angustipennis Ol. guttata Pict. Rhyacophilidae. Rhyacophila P. dorsalis Ct. II. Planipennia. Myrmelontidae. Myrmeleon L. formicarius L. auf dem Sandwerr in der Fulda. Hemerobiidae. Chrysopa Leh. vulgaris Schneid. im Eichwäldchen. ventralis Ol. desgl. seplempunctatus Wesm. perla L. 55 flavifrons Brm. " Drepanopteryx Burm. palaenoides L. Weinberg, auf Ulmen. Hemerobius L. humuli 1. Stalidae. Stalis Lair. lutaria. L. Rhaphidia L. notata F. Tannenwälder, Hirzstein. ophiopsis 1. Panorpidae. Dr. med. L. Weber. 85 Panorpa Linn. communis L. Überall gemein. var. vulgaris Imhof. Boreus Latr. hremalis Linn. Orthoptera, Geradflügler*). A. Pseudoneuroptera amphibiotica. I. Odonata, Wasserjungfern. Libellulidae Westwood. Ltibellula L. subg. Libellula L. quadrimaculala L. Fackelteich, Vollmars- häuser Teich, Wehlheider Teiche u. s. w. depressa /,. Habichtswald. fulva Müll. subg. Orthetrum Newm. cancellata L. Waldauer Wiesen. subg. Sympetrum Newm. pedemontana Allis. Fackelteich. depressiuscula Selys. ebenda. sanguinea Müll. ebenda. flaveola L. mertdionalis Selys. striolata Charp. vulgata L. Fackelteich. subg. Leukorhinia Britt. rubicunda L. 5 pectoralis Charp. Waldau an Tümpeln. | albıfrons Burm. = Cordulia Leach. aenea Linn. metallica Vaud. *) Die systematische Reihenfolge nach dem wohl in den Händen aller Orthopterensammler befindlichen Werke von Dr. R. Tümpel, die Geradflügler Mitteleuropas. Eisenach 1901. 86 Netz- und Geradflügler. 1. Aeschnidae Selys. Gomphus Leach. vulgatissimus L. Eiterhagen. forcipatus L. ebenda. Cordulegaster Leach. amnulatus Lair. Thal beim Stellberg (Söhre). bideniatus Selys; bei Oberkaufungen. Anax Leach. formosus Linden. Fackelteich. Aeschna Fabr. pratensis Müll. Waldau. cyanea Müll. ebenda. juncea L. ebenda. mixta Latr. ebenda. grandis Linn. ebenda. Ayrionidae. Calopleryx Leach. virgo L. Fuldaufer, überall häufig. splendens Harr. ebenda. Lestes Leach. nympha Selys. Waldau. sponsa Hausen. desgl. fusca Linden. desgl. verens Charp. Waldauer Wiesen. barbara F'. Plaiycnemis Charp. pennipes Pall. Vollmarshäuser Teich, ‚Walaas an Gräben. Agrion Fabr. minvum Harr. Fackelteich, Wehlheider Teiche. tenellum Dendlle. ebenda. puella L. ebenda. hastulatum Charp. ebenda. II. Zphemeridae, Eintagsfliegen. Polymitarcys Etn. Ze virgo Ol; am 12. Aug., wie bekannt, in grossen Schwärmen an der Fulda. Dr. med. L. Weber. 87 Ephemera 1. vulgala L. Söhre. danica Müll. Söhre. Potamanthus Piel. luteus L. Clocdon Leach. dipterum L. Fahrenbachteiche bei Wellerode. III. Perlidae, Afterfrühlingsfliegen. Taentopteryx Piet. nebulosa L. Fackelteich u. s. w. trifasciata Piet. Nemura Latr. cinerea Ol. variegata Ol. Leuctra Steph. cylindrica de Geer. Fuldaufer. nigra Oliv. ebenda. Perla Geoffr. masxima Scop. Forstbach und anderwärts. abdominalıs Burm. ebenda. B. Pseudoneuroßpteracorrodentia. Psocidae. C. Orthoptera genuina. B. u. C. bleiben späterer Veröffentlichung vorbehalten. D. Physopoda, Blasenfüsse. Terebrantia. Aeolothrips Halrvd. fasciata Z ; am Fuldaufer auf Doldengewächsen. Melanothrips Halıd. fusca Sulz. Wilhelmshöhe. Physopus Serv. vulgatissima Halıd. primulae Halıd. Helvothrips Halid. haemorrhoidalis Bouche,; im Pflanzenhaus zu Wilhelmshöhe. Parthenothrips Uxel. 88 Netz- und Geradflügler. 1. Dracaenae Heeg. in Treibhäusern auch hier- orts sehr verbreitet. Thripsal. physopus L. flava Schrank. sambuci Heeg. Tubulifer.a. Anthoihrips Uxel. statices Halid. in Korbblütern, bes. Chrysan- themum sehr häufig *). aculeata Fabr. Bezüglich der Conservirung der Blasenfüsse möchte ich folgendes bemerken. Ein Aufkleben derselben oder überhaupt jede trockene Aufbewahrung ist wegen der eintretenden Schrumpfungen unausführbar. Man muss die kleinen Thierchen also entweder nach Tümpel’s Vorschlag feucht in Formalinlösung aufheben, oder noch besser von den zu conservirenden Exemplaren mikroskopische Praeparate anfertigen. Die Stücke bleiben 1 bis 2 Tage in 70°/oigem Alkohol, kommen für 1—2 Stunden in ab- soluten Alkohol und werden dann nach Absaugung des Alkohols mit Fliesspapier in Xylol-Canadabalsam ein- geschlossen. Grlycerinpraeparate sind nach meinen Er- fahrungen nicht so zu empfehlen. Selbstverständlich er- fordert die richtige Lage der Flügel viel Geduld und muss mit dem Präparirmikroskop dabei gearbeitet werden. *) Von A. statices Hd. kommt hier eine Form vor, welche ich bereits im Jahresber. des V. f. Naturkunde von 1890 erwähnt habe und welche sich durch das constante Vorkommen von 9—11 Doppelhaaren am Hinterrande der Vorderflügel unterscheidet, während Heeger nur 6—8 solcher Doppelhaare angibt u. abbildet. Dr. C. Laubinger. 89 Musei frondosi Laubmoose, Von Dr. C. Laubinger in Cassel. Im XLIV. Berichte, Seite 55 u. f. des Vereins für Natur- kunde zu Cassel gab ich eine Uebersicht der in den Jahren 1898/99 von mir in der Umgebung von Cassel nachge- wiesenen Laubmoose an. Dieser Liste füge ich hierdurch noch folgende im Jahre 1899/1900 im Regierungsbezirk Cassel gesammelter Moose hinzu: 118. 119. 120. IL: 122. 123. 124. I. Hauptgruppe: Sphagnaceen. Sphagnum aculifolium Var. purpureum Schimp.; vom Rothen Moore bei Gersfeld a. d. Rhön. 15./10. 1900. IIl. Hauptgruppe: Phascaceen. Phascum cuspidalum Schreb.; auf Aeckern am Linden- berge bei Cassel. März 1900. Pleuridium aliernifolium Br. u. Sch.; aus thonigen Gräben bei Mönchehof. Mai 1900. Pleuridium subulatum L.; auf Waldwiesen am Wurm- berge des Habichtswaldes. 20.14. 1900. IV. Hauptgruppe: Bryaceae. A. Acrocarpi. 1. Untergruppe: Weisiaceen. Dicranella curvata Hedw.; Schlucht am Lohberg bei Cassel. 14.11. 1900. Dieranum longifolvum Ehrh.; im Habichtswalde zwischen Dier. seopar. stehend. Mai 1900. Dieranum fuscescens Turn.; an Felsen, in Schluchten und Baumwurzeln des Meissners. Juli 1899. 90 125. 126. 127. 128. 129. 150. 131. 132. 133. 134. 135. 136. 157. 138. 139. Laubmoose. Diecranum orthophyllum Brid. als Var. von Diver. sco- parium; in Gebirgswäldern. Juli 1899. Dicranum curvulum Brid. als Var. von Dier. scoparium; in Gebirgswäldern. Juli 1899. 3. Untergruppe: Fissidentaceen. Fissidens bryordes Hedw.; im Schockethale, Kuhberg bei Cassel. August 1900. 5. Untersrüppe. Pottiaceen Leptotrichum tortile Schrad.; vom Meissner und vom Hain bei Allendorf a. d. Werra. Juli 1899. Leptotrichum flexicaule Schwaegr.; vom Saurasen und Schartenberg bei Cassel. | Potlia cavifolia Ehrh.; an Schutt- und Wegrändern bei Wolfsanger* März 1900. Pottia iniermedia Turn.; aus lehmigen Gräben am Brasselsberge. Oktober 1899. Poltia lanceolata Dicks; am Lindenberg bei Cassel. 24.13. 1900. Barbula convoluta Hedw.; bei Wolfsanger. April 1899. Barbula fallac Hedw.; vom Schartenberg und auf Kalkgestein bei Cassel. 16./5. 1900. | 6. Untergruppe: Grimmiaceen. Cinchdotus fontinaloideus P. de B.; von Steinblöcken in der Eder bei Wolfershausen/Melsungen. Auf- gefunden von Herrn Kreisthierarzt Grimme aus Melsungen. Grimmia (Drypiodon) Hartmanni Schimp.; vom Kalk- gestein am Schartenberge bei Cassel. 16./5. 1900. (Racomitrium fasciculare Dill. ; vom Gestein der Achter- mannshöhe im Harze. Juli 1899.) | Racomitrium microcarpum Hedw. ; Sandershäuser Stein- brüche. März 1900. Racomitrium lanuginosum Dill.; von Basaltsteinen der Kalbe des Meissners. Oktober 189. 143. 144. 145. 146. 147. 148. 149. 150. 151. 152. 2153; Dr. C. Laubinger. 91 . Orthotrichum fastigiatum Bruch.;, an Pappeln hinter der Neue Mühle. April 1900. . Orthotrichum patens Bruch.; auf Erdboden und auf Wurzeln der Buchenallee bei Wilhelmsthal. Sept. 1899. . Orthotrichum speciosum N. ab Es.; vom Schartenberg. 16./5. 1900. 10. Untergruppe: Funariaceen. Entosthodon fascicularis Dicks ; auf feuchten, lehmigen Gräben. 14./6. 1900. 11. Untergruppe: Mniaceen. Webera annotina Hedw.; auf Sandsteingeröll. Juli 1899. Bryum bimum Schreb.; (aus Engelberg) auf nassen Felsen. 1899; und Wurmbergwiesen bei Cassel. Bryum pseudotriquetrum Hedw.; von Sumpfwiesen des Meissners. Juli 1899. Aulacomnium androgynum L.; an morschen Baum- strünken im Habichtswalde. 15./4. 1900. 12. Untergruppe: Polytrichaceen. Polytrichum formosum Hedw.; von sumpfigen Wiesen des Meissners. Juli 1899. Polytrichum minus als Var. von communis; von torfigen Wiesen des Meissners. Juni 1899. B. Pleurocarpi. 16. Untergruppe: Leskeaceen. Anomodon altenuatus Schreb.; von morschen Baum- stämmen des Habichtswaldes etc. April 1900. Pseudoleskea atrovirens Sm.,;, am Gestein des Loh- berges bei Cassel. April 1900. Thuidium delicatulum L.; vom Lindenberg bei Cassel. 20.14. 1900. Er Unterstuppe - Bterogoniaceen. Pterogonium gracile Schwartz; vom Basaltgestein des Hirzsteins bei Cassel. u 02 Laubmoose. 18. Untergruppe: Neckeraceem 154. Homalia trichomanoides Schreb.; auf feuchter Erde, Wurzeln und Gestein des Schockethals und Habichts- waldes. 21./8. 1900. 19. Untergruppe: Hypnaceen. 155. Antitrichia curlivendula cum fruct.; selten fruchtend, mit Frucht, vom grossen Nallen bei Gersfeld a. d. Rhön. 192921300: 156. Plagiotheeium undulalum L.; in feuchten Wäldern, mit Früchten, aus dem Steimkethal des Bramwaldes, Kas- kadenschlucht b. Gersfeld, Knüll, Harz. Juli— August. 157. Amblyslegium erriguum Wils.; am nassen Gestein der Mühlen, Bäche, Habichtswald, Knüll, arı der Hergerts- mühle bei Seigertshausen. 20./5. 1900. 158. Amblystegium fluvwealile Sw.; am Aquadukt in Wilhelms- höhe. April 1899. 159. Amblystegium Kochü Br. u. Sch.; auf feuchtem Grestein und Wurzeln. | 160. Brachythecium rivulare Bruch; auf feuchtem Gestein der Teufelsbrücke, Wilhelmshöhe. 25./10. 1900. 161. Hypnum purum L. c. fr.; sehr selten fruchtend, mit Früchten von einem Graben eines Forstgartens zwischen Taubenkaute und Baunsberg. 4.4. 1900. 162. Hypnum rugosum L.; vom Hirzstein bei Elgershausen. Mai 1899. 163. Hypnum wuncinatum Hedw.; mit Früchten aus der Caskadenschlucht bei Gersfeld a. d. Rhön 14./9. 1900 und aus dem Knüllgebirge. L. LIE 12. Dr. C. Laubinger. 93 Musci hepatiei Lebermoose. Von Dr. C. Laubinger in Cassel. Im Laufe des Jahres 1900 sind von mir im Regierungs- bezirk Cassel folgende Lebermoose nachgewiesen: Sarcocyphus fuscus N. ab Es,; auf feuchtem Kalk- und Sandboden des Sommerholzesb. Neue Mühle. 20./6. 1900. . Plagiochlla asplenioides L.; im Schockethal, Steimke- thal des Bramwaldes, auf lehmiger Erde, auf Wiesen etc. . Scapania albicans L.; Schockethal, Schlucht bei Bergs- hausen-Cassel. oblusifolia Hook; auf lehmigen Waldwegen, Waldweg zum Wachtküppel bei (rersfeld. 2.19. 1900. umbrosa N. ab Es.; an Böschungen des Knüll- gebirges. 20./5. 1900. undulata N. ab Es.; Schlucht bei Bergshausen- Cassel. Juni 1900. nemorosa N. ab Es.; von nassem Gestein des Schockethals bei Cassel. 21./8. 1900. . Jungermannia Ttrichophylia; Schlucht am Lohberg bei Cassel. 15./10. 1900. barbata Schreb.; Schlucht bei Bergs- hausen, Elgershäuser Weg am Brassels- berge. 15./6. 1900. bieuspidata L.; auf feuchtem Gestein der Wälder. Juli 1900. divaricata N. ab Es.; an Waldwegen verbreitet, Gersfeld 2.19. 1900. saxcicola Schrad.; vom Gestein des Meissners. Juni 1900. Lebermoose. 24. 25. 26. 27. 28. 29. . Jungermannia commulata Hübn.; an Böschungen des Saurasens bei Cassel. Juni 1900. a tersa N. ab Es.; desgl. Juni 1900. 2 nana Rabenhorst (sehr selten); von | einer thonig-sandigen Böschung bei Seigertshausen im Knüllgebirge. 20.15. 1900. . Liochlaea lanceolata N. ab Es.; auf feuchten Felsen und Hohlwegen der Gebirge. Juni 1900. . Lophocolea bidentala L.; von nassen Steinen im Schocke- thale 21./8. 1900. 5, heterophylla Schrad.; vom Gestein des Brassels- bergs am Elgershäuser Wege. . Chilocyphus polyanthus N. ab Es.; Schlucht bei Bergs- hausen. 20./6. 1900. . Calypogeia Trichomanis N. ab Es.; auf Waldboden. . Lepidoxia reptans N. ab Es.; Schlucht am Lohberg, Bergshäuser Schlucht etc. 15./10. 1900. . Trichocolea Tomentella N. ab Es.; aus dem Ahnathale, Steimkethal des Bramwaldes. 5./9. 1900. . Madotheca platyphylloidea N. ab Es.; an Steinen des Lindenbergs bei Cassel. 20./3. 1900. Frullania Tamariscı N. ab Es; am Scharfenstein bei Gudensberg, am Wachtküppel bei Gersfeld a... Rhon2 291900: n, dilatata N. ab Es.; am Grunde junger Walnus- bäume zu Wilhelmshöhe. 14./5. 1900. Pellia epiphylla L.; Ahnathal, Steimkethal des Bram- waldes. 26./6. 1900. | Blasia pusüla Mich.; am Waldwege zwischen Ihrings- hausen und Spikershausen. 25./10. 1900. Aneura pinguis Hübn.; von einer feuchten, schattigen Wiese am Wurmberge bei Cassel. 26./5. 1900. n pinnatifida Hübn.; von nassen Steinen einer Schlucht im Schockethale. 21./8. 1900. 2 So. 38. 34. Dr. C. Laubinger. 95 Echinomitrium furcatum Hübn.; vom Basaltgestein des kleinen Bilsteins am Brasselsberge und vom Hirzstein. 16./10. 1900. . Lunularia vulgarıs Michel; von Blumentöpfen der Ge- wächshäuser zu Wilhelmshöhe. 16./10. 1900. . Marchantia polymorpha L.; vom nassen (restein zu Wilhelmshöhe. Fegatella conica L.; vom nassen Gestein des Aquaducts in Wilhelmshöhe. Ricciella fluitans A. Braun; schwimmend auf einem Teiche unterhalb Schloss Ludwigseck im Knüllgebirge. 15./6. 1900. Dun ee ER ernennen ee Eher en a En nen u # T: Bericht über Stand und Gang des Vereinslebens imm.0H.NWereinsjahre April 1900 bis April 1901. Die Drucklegung des vorliegenden Berichtes für das verflossene Vereinsjahr ist uns wiederum nur möglich gewesen durch die wohlwollende Unterstützung der Be- hörden und sprechen wir hier an erster Stelle dem hohen Landesausschusse des Regierungsbezirkes Kassel, sowie der verehrlichen städtischen Verwaltung den verbindlichsten Dank des Vereines aus. Da unsere Mittel nicht gestatten, grössere Aufwendungen für kostspielige wissenschaftliche Einzelwerke zu machen, so wünschenswert dies manchmal wäre, so ist die Vermehrung unserer Bibliothek wesentlich auf den Tauschverkehr mit gelehrten Gesellschaften und anderen Vereinen angewiesen und sind deshalb die ge- dachten Zuwendungen, indem sie uns in Stand setzen wenigstens in bescheidener Weise unseren lauschver- bindlichkeiten nachzukommen, besonders wertvoll. Das innere Vereinsleben bewegte sich im verflossenen Jahre in den gewohnten Bahnen. Das Stiftungsfest wurde im verflossenen Jahre durch eine Hauptversammlung am 28. April 1900 im Kasseler Hofe, an welche sich ein gemeinschaftliches Essen anschloss, gefeiert. Der Vor- sitzende Dr. Weber stattete statutengemäss den Jahres- bericht ab worauf die Neuwahl des Vorstandes, soweit dieselbe zu erfolgen hatte, vorgenommen wurde Es - d 1 Jahresbericht. gingen aus derselben dieselben Herren, wie im verflossenen Vereinsjahre hervor: Vorsitzender Dr. med. Weber; Ge- schäftsführer Professor Hebel; Kassenführer Juwelier W. Scheel; erster Bibliothekar ÖOberlehrer Kunze; zweiter Bibliothekar Postpractikant Kleyensteuber; weitere Vorstandsmitglieder Rittmeister Freiherr von Berlepsch (Stellvertreter des Vorsitzenden) und Ober- lehrer Dr. F@nnel, Die Rechnungsablage wurde vom Kassenführer Herrn Scheel gegeben und die Beläge Herrn Kochen- dörffer zur Prüfung überlassen. Derselbe stattete am 14. Mai 1900 Bericht über die Kasse ab. Dem Rechnungs- führer wurde Entlastung ertheilt. Die regelmässigen Sitzungen wurden, wie bisher am zweiten Montag jeden Monats (mit Ausnahme von Juli) im Vereinslokale Naturalienmuseum, Steinweg 2, abgehalten und waren dieselben im Durchschnitt gut besucht. Es hat sich ein fester Stamm von Mitgliedern gebildet, welchem für den regelmässigen Besuch und die treue Mitarbeit noch besonderer Dank gebührt. In vielen Sitzungen hatten wir übrigens das Vergnügen Gäste und Freunde des Vereins zu begrüssen. Die Mitgliederzahl des Vereins ist zwar nicht in dem Masse gestiegen, als die Bevölkerungszunahme der Stadt erwarten lässt. Es liegt dies an der Zersplitterung des Interesses durch die in den letzten Jahren erfolgte Gründung zahlreicher neuer Vereine in unserer Stadt, welche den Zwecken des Vereins für Naturkunde verwandte Ziele ver- folgen. Vielleicht erschiene es wünschenswert, wenn nach dem Vorgange anderer Städte (z. B. Hannover) ein An- schluss aller ähnliche wissenschaftliche Zwecke verfolgenden Vereine in Form zeitweiliger gemeinsamer Sitzungen angebahnt bezw. gefördert würde, oder dass wenigstens verwandte Vereine, wie das in dankenswerter Weise vom hiesigen Fischereiverein geschehen ist, dem Verein für Naturkunde, dem ja die Pflege des gesammten natur- wissenschaftlichen Gebietes am Herzen liegt, in corpore en Arc A a Ic an Make I Br N be We N a ee En u 2 Rn Jahresbericht. III , Be. als Mitglied beitreten. Als besonders erfreulich verdient die Thatsache hervorgehoben zu werden, dass es uns ge- lungen ist, im verflossenen Jahre mit dem schon länger : bestehenden Vereine für naturwissenschaftliche Unter- haltung engere Fühlung zu bekommen. Greineinschaftliche } - Ausflüge im Sommer, sowie gemeinschaftliche Sitzungen im Winter gaben vielfach Anlass zu wissenschaftlichem =; Verkehr, von dem wir auch weiterhin fördernde Anregung erhoffen. Die Leitung der Ausflüge hatte von Seiten unseres Vereins Herr Oberlehrer Kunze übernommen, während Herr J. Weber den Verein für naturwissenschaftliche Unterhaltung vertrat. Es fanden folgende Ausflüge statt: 1. Am 2. Mai 1900 nach dem geologisch interessanten, durch Steinbruchsarbeiten in Bälde zerstörten Bühl bei Weimar; 2. am 16. Mai 1900 nach den Schreckenbergen; 3. am 30. Mai 1900 nach dem Stahl- und Mittelberge; 4. am 10. Aug. 1900 Besichtigung der städtischen Klär- anlagen; 5. am 15. Aug. 1900 nach dem Schockethal; 6. am 29. Aug. 1900 nach dem Hirzstein ; “am 12. Sept. 1900 nach Uschlag: Im Laufe des Winters fanden 3 gemeinschaftliche Sitzungen im Locale des Vereins für naturwissenschaftliche Unterhaltung (Wolfsschlucht, Restauration Schaub) statt, in welchen am 19. Dez. 1900 Herr Rittmeister von Ber- lepsch den Bericht über den im Auftrage der deutschen ornithologischen Gesellschaft aufgestellten Entwurf eines internationalen Vogelschutzgesetzes und über die Be- ratung dieses Entwurfes auf dem Pariser Congress gab. Am 25. Januar 1901 hielt Herr J. Weber einen Ex- | perimentalvortrag über das Gesetz der electrischen Strom- n leitung: und das Dreileitersystem. Am 2. April 1901 sprach Herr Dr. L. Weber über das Vorkommen des Bibers Bi in Deutschland unter Vorlage einer grossen von Herrn Architect Ochs nach den Angaben von Dr. Friedrich — mx ..; = d ; 4 ee u; { u £ IV Jahresbericht. Dessau (in dessen Werke: Die Biber an der mittleren Elbe) angefertigten Wandkarte der Biberverbreitung und | mehrerer an Ort und Stelle aufgenommener Photographien, \ welche die Dammbauten und die Nageökonomie der Biber veranschaulichten. An dem Stiftungsfeste des Vereins für naturwissen- schaftliche Unterhaltung am 17. Nov. 1900 betheiligten £ "sich mehrere Mitglieder des Vereins für Naturkunde. Im Mai 1900 hatte unser eifriges Mitglied Herr B; (Gseneralarzt Dr. Lindner das Glück, die Feier seiner goldenen Hochzeit in voller Rüstigkeit begehen zu können. | Am 2. März 1901 feierte Herr Director Dr. Acker- mann, unser Ehrenvorsitzender, von längerem Kranksein | genesen, seinen 60. Geburtstag und nahmen wir diese ; Gelegenheit wahr, um unserem hochverdienten Mitgliede | durch Ueberreichung einer Blumenspende- unsere herz- lichsten Glückwünsche auszusprechen. In der Sitzung vom 11. Febr. 1900 kam ein von Herrn Professor Lenz dem Vereine gütigst überlassener Brief zur Verlesung, welchen der einzig noch lebende Stifter desselben Herr Professor Philippi in Santjago an einen Verwandten gerichtet hatte. Die geistige Frische, mit welcher der hochbetagte Herr verschiedene Probleme der Naturforschung in demselben berührte, machte auf alle Anwesenden den angenehmsten Eindruck. Am 2. Dec. 1900 feierte die Universität Czernowitz die 2djährige Feier ihres Bestehens. Wir sandten der östlichsten Hochschule, an der in deutscher Sprache ge- lehrt wird, unsere Glückwünsche zu ihrem Ehrentage. Am 28. Juni 1900 ging vom Herrn Oberpräsi- denten ein Schreiben ein, wonach dem Verein für Natur- kunde angetragen wurde im Vereine mit den übrigen natur- wissenschaftlichen Vereinen der Provinz Hessen-Nassau, der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft, dem Nassauischen Verein für Naturkunde etc.,, die Heraus- gabe eines forstbotanischen Merkbuches für die Provinz Jahresbericht. V zu übernehmen. Es soll nach dem Muster des Forst- botanischen Merkbuchs von Professor Conwentz— Danzig für Westpreussen ein vollständiges Verzeichnis der noch vorhandenen urwüchsigen Bäume und Sträucher unserer Waldungen, sowie auch einzelner Waldteile enthalten, deren Pflege und Erhaltung als denkwürdige Zeugen früherer Culturepochen anzustreben ist. Der Verein für Naturkunde erklärte sich trotz mancher pecuniärer Be- denken dazu bereit, im Interesse der Sache die Mitarbeit zu übernehmen. In dem Senckenbergischen Institute zu Frankfurt am Main fand am 13. Oct. 1900 eine Vorbesprechung der Ver- treter der beteiligten Vereine statt, an welcher von hier Herr Dr. Weber theilnahm. Für die weiterhin vorzunehmenden Arbeiten wurde von Seiten des Vereines für Naturkunde eine Commission gebildet, deren Vorsitz Herr Professor Hornstein zu übernehmen die Güte hatte. Es gehören dieser Commission an die Herren: Professor Hornstein als Vorsitzender; Oberforstmeister Hintz; Oberlehrer Kunze; Dr. Lau- binger; Stadtrath Ochs; Verlagsbuchhändler J. Weber; Gerichtssecretär Zeiske und (Nichtmitglied des Vereins) Reg.- und Forstrath Fitzau. Es wurde ein Arbeitsplan aufgestelit. Der Societe entomolog. de Belgique, welche den Tod des zu Lüttich im 87. Lebensjahre verstorbenen Baron de Selys Longchamps, Ehrenmitglied der Societe zoo- logique de France, der Societe entomologique de France u. Ss. w., anzeigte, sprach der Verein sein Beileid aus. Im Personalbestande des Vereins sind keine grösseren Veränderungen vorgekommen. Durch den Tod hat der Verein im verflossenen Jahre kein Mitglied verloren, eine seltene Freude, wie wir nach den herben Verlusten der letzten Jahrzehnte besonders . hervorheben müssen. Aus- getreten sind: Fräulein Förster, Dec. 1900; ferner Herr Generalmajor a. D. von Pentz (nachträglich angezeigt). VI Verzeichniss der Mitglieder. Neu aufgenommen wurde als ordentliches Mitglied Herr Dr. med. Gustav Platner zu Witzenhausen am 13. Aug. 1900. Il. Verzeichniss der Mitglieder, In den folgenden Listen ‚beziehen sich die Jahreszahlen auf die Zeit des Eintritts, bezw. der Ernennung. a) Ehrenmitglieder. 1. Herr Dr. Ackermann, Karl, Oberrealschuldirektor i. P. 1876. 1891. 2. (n ” Bartels, Karl, Dr. jur. h. c., Geh. Oberjustizrath, Ober- staatsanwalt zu Kassel. 1876. 1897. zu Euwlenburg, Graf Botho, Staatsminister a. D., Excellenz in Berlin. 1886. Dr. Gerland, Ernst, Professor an der Bergakademie in Klausthal. 1873. 1888. von Hundelshausen, Eduard. Landesdirektor der Provinz Hessen-Nassau a. D., in Rassel. 1886. Dr. Philippi, Rud. Amandus, Professor und: Direktor des chilenischen Landesmuseums zu Santjago (Stifter des Vereins). 1836. 1886. Dr. Zirkel, Ferd., Professor und (Geheimer Bergrath, in Leipzig. 1875. b) Wirkliche Mitglieder. 1. Se. Durchlaucht Prinz Karl von Hanau, Graf von Schaumburg, a. in Kassel. 1891. 2. Se. Durchlaucht Prinz Philipp von Hanau, Graf von Schaumburg, nm in Oberurff. 1862. 1886. . Herr Alsberg, A., Bankier. 1880. Baur, L., Privatmann. 1895. Berlepsch, Graf Hans von, Schloss Berlepsch bei Witzen-: hausen. 1894. Berlepsch, Freiherr Hans von, Rittmeister und Eskadron- Chef im Husaren-Regiment Landgraf Friedrich II. von Hessen-Homburg (2. Hess.) No. 14. 1894. Blankenhorn, Karl, königl. Baurath a. D. 1887. Bode, Adolf, Dr. med., Geh. Med.-Rath und Mitglied des Medizinalkollegiums. 1880. Verzeichniss der Mitglieder. vil 9. Herr Bodenheün, Gustav, Fabrikant. 1892. von Both, Alexander, Oberstleutnant z. D. 1892. Buhse, Fritz, Bergwerksdirektor in Torrelavega in Spanien. 1875. Christ, Heinr., Dr. phil.. Oberlehrer an der Oberrealschule. 1893. Des Coudres, Julius, Oberbergrath. 1863. Döhle; Fr., Apotheker. 1898. Ebert, H., Dr. med., prak. Arzt. 1894. Eisenmann, O. F. Dr., Museums- u. Galleriedirektor. 189. Eysell, Adolf, Dr. med., Spezialarzt für Hals, Nase und Ohr. 1878. Fabarüus, Waldemar, Stadtbauinspektor. 1893. Fennel, Ludw., Dr., Oberlehrer an der Oberrealschule. 1587. Fey, W., Dr. med., Kreiswundarzt. 1899. Fischer, Felix, Oberleutnant a. D., Rittergutsbesitzer zu Freienhagen. 1892. Fisher, Theodor Gideon, Verlagsbuchhändler und Buch- druckereibesitzer. 1895. . Fliedner, Oberregierungsrath an der königl. Regierung. 1895. Gerland, Konrad, Dr. phil., Chemiker, Lehrer zu Accrington, Lancashire, England. 1887. Grimme, Kreisthierarzt, Melsungen. 1899. Hebel, O., Professor. 1880. 1882. 1897. Hecht, Jacob, Kaufmann. 1880. Hermann, August, Kaufmann. 1891. Heydenreich, Heinr., Oberlehrer am Realgymnasium. 1888. Hintz, Robert, Oberforstmeister. 1796. Hoebel, Ernst, Dr. Prof., Oberlehrer an der Realschule. 1888. Hornstewn, Fr., Dr. Prof., Oberlehrer am Realgymnasium. 1869. Hornthal, Jakob, Kaufmann. 1876. Hunrath, Wilhelm, Besitzer der Löwenapotheke. 1892. Ichon, Wilhelm, Konsul a. D., Wilhelmshöhe. 189%. Jung, Hofkonditor. 1899. h Junghans, Karl, Prof. an der Oberrealschule. 1899. Kaiserling, Gust. Ad., Rentner. 1891. . Kasseler Fischereiverein hier. 1883. . Herr Kleinsteuber, Paul, Postpraktikant. 1899. Kochendörffer, Joh. N. C., Privatmann. 189. Kunze, Herm., Oberlehrer. 1888. 1896. 1899. Landgrebe, Carl Heinr., Droguenhandlungsbesitzer. 1899. Laubinger, Carl, Dr. phil., Rentner. 189. Lenz, Aug., Professor, Kustos des Naturalienmuseums. 1858. Lindner, Gustav Adolf, Dr. med., Generalarzt a. D. 1883. V 47. Herr Löwenbaum, L.. Bankier. 1881. 48. III Verzeichniss der Mitglieder. von und zu Löwenstein, Louis, Major a. D. 189. Luckhard, Ludwig, Apotheker. 189. 2 Mende, Theodor Oberst z. D. 1896. u Mergard, Joh. Georg Conr., Apotheker. 1896. | Merkelbach, Wilh., Prof., Dr., Oberlehrer an der Oberreal- schule. 1880. E; Nagell, Wilhelm, Hofapotheker. 1880. 7 Ochs, Heinrich, Privatmann. 1880. Paulmann, Wilh., Dr. phil., Nahrungsmittelchemiker. 1895. Piatner, Gustav, Dr. med., Arzt, Witzenhausen. En Rittershausen, Aug. Julius, Privatmann. 1880. Rost, Adalbert, Professor Dr., Oberlehrer am Wilhelms- gymnasium. 1877. ; Scheel, Willy, Kaufmann und Juwelier. 1894. Schelenz, Hermann, Rentner. 189. Schläfke, Wilh., Dr. med., Augenarzt. 1880. Schlegel, Richard, Fabrikbesitzer. 189. Schmadt, Adolf, Direktor. 1899. Schmauch, Karl, Rechtsanwalt. 1891. Schreiber, Rudolf, Dr. phil., Oberlehrer a. d. Realschule. 1892. Sebold, Ludw., Dr. med., prakt. Arzt. 1896. Stebert, Karl, Dr. phil., Rentner, Wilhelmshöhe. 1891. Thomas, Wilh., Apothekenbesitzer. 1896. Uhlworm, Dr. phil., Stadtbibliothekar. 1881. Wachs, Gustav, Kaufmann. 1896. Wariz von Eschen, Freiherr Roderich, Dr. phil. 1866. Wallach, Martin, Rentier. 1880. Wallach, Moritz, Dr. phil., Grosshändler. 1883. Weber, Joh., Buchhändler. 189. Weber, Dr. med., prakt. Arzt. 1887. Wenk, Wilh., wissenschaftl. Hülfslehrer. 1899. Wilke, Richard, Rentner. 189. Wünn, Postverwalter, Malsfeld. 1899. c) Korrespondirende Mitglieder. Alfermann, Franz, Dr., Generalarzt, Posen. 1870. Angersbach, Adam, Gymnasiallehrer, Weilburg. 18%. 1893. - Beyschlag, Dr., Prof. und Landesgeologe. Berlin-Wilmers- dorf. 1896. ab Blankenhorn, Max, Dr., Privatdocent d. Geologie, Erlangen, Geologe in Kairo. 1890. 1893. Bliesener, Karl, Dr. med., Oberstabsarzt. Buchenau, Franz, Prof. Dr., Realschuldirektor. Bremen. 1861. 21. Verzeichniss der Mitglieder. IX Coester, Fr. Wilh., Oberverwaltungsgerichtsrath. Berlin. 1879, Egeling, Gustav, Dr., Apotheker, Ponce auf Puerto Rico. 1880. ick, Adolf, Prof. Dr., Hofrath, Würzburg. 1861. Focke, W. O., Dr. med., Bremen. 1864. Fulda, Rud.. Bergwerksbesitzer, Schmalkalden. 1881. Geheeb, Adalbert, Apotheker a. D., früher Geisa, Freiburg ı. B. 1881. Gerland, Georg, Dr., Prof. der Geographie, Strassburg. 1881. Gerland, Wilhelm, Dr., Fabrikant, Church (Lancashire England). 1881. Grimm, Julius, Hofphotograph, Offenbach ı. B. 1881. Guckelberger, G., Rentner, Giessenhagen b. Grossalmerode. 1857. von Heyden, Luc. Fried. Dom., Dr., Major z. D., Bocken- heim. 1881. Kathariner, Geheimer exp. Sekretär ım Landwirthschafts- ministerium, Berlin. 1890. Knetsch, Carl, Privatmann, Lichtenthal bei Baden-Baden. 1886. 1898. Kornhuber, Andreas, Dr., Hofrath und Prof. a. D., Press- burg. 1887. Krauss, Theodor, Dr., Red. d. deutschen landwirthschaft- lichen Presse, Berlin. 1880. Kretschmer, Fr., Bergverwalter, Zöptau. 1881. Kümmell, G., Dr., Assistent am physikalischen Institut, Leipzig. 1889. 1895. Lange, (C. Fr. Rud., Bergfaktor, Reden. 1884. Leverkühn, Paul, Dr. med., Direktor der wissenschaftl. In- stitute und der Bibl. Sr. Königl. Hoheit des Fürsten von „ Bulgarien, Sofia. 1896. Metzger, Dr., Geh. Reg.-Rath, Prof. d. Zoologie, Münden. 189. Melan'i, Dr., Privatdocent und Forstassessor, Münden. 1896. Ochsenius, Karl, Konsul a. D., Marburg. 1861. Perino, Joseph, Chemiker, Iserlohn. 1891. 1894. Rathke, Bernh., Dr., Prof. der Chemie, Marburg. 1873. Saller, Realitätenbesitzer, Wien. 1896. Schmiedicke, Otto, Dr., Oberstabsarzt, Berlin. 1889. 1891. Schüssler, Seminarlehrer, Dillenburg. 1872. Sehwenke, Berginspektor a. D., Homberg. 1865. Seligmann, G., Rentner, Coblenz. 1882. Siegert, Ferd., Dr., Stabsarzt, Kehl. 1888. 1890. Stierlin-Hauser, Dr., Apotheker, Rigi-Scheideck. 189. Stulling, Jak.,‘Prof. Dr., Strassburg i. E. 1874. Struck, Carl, Oberlehrer und Museumskustos, Waren. 1872. „ Temple, Rud., Assekuranzinspektor, Budapest. 1869. „„ Txschucke, Hugo, Betriebsführer der chem. Fabrik Todtstadt Üeckermann, Carl, Dr., Gymnasialoberlehrer in Mühlhausen. Vahl, Carl, Oberpostdirektor, Geh. Postrath, Potsdam. 1880. Wagner, Dr., Realschulprofessor a. D., Fulda. 1849. „ Weise, One Direktor der Fostakademie, Münden. „ Blasius. Wilh., Geh. Hofrath, Dr., Braunschweig. 1898. Ri Litterarischer Verkehr. 4). Herr Taube von der Issen, Baron, Weimar. 1892. 1895. 4. 42, bei Hamburg. 1891. 1893. 43. 1.’Tn. 1er 44. * DAeE 46. „ von Wedell, Hoiso, Major z. D., weiar 1891. 47. 1896. 48. 49. Zeiske, Max, Gerichtssekretär (früher Ziegenhain), Cassel. II. Der litterarische Verkehr des Vereins ete. Folgende Gesellschaften und Institute wünschten während des letzten Vereinsjahres mit uns in Tausch- verkehr zu treten: 1: > 0 U Cincinnati, Lloyd Library of aa Pharmacy and materia medica. Kharkoff, Societe des sciences physico Shimtawak . Neapel, Annali di Neurologia. . Rock Island, Augustana College. 2 . Sofia, Societe Bulgare des Sciences Naturelles. Auf Vereinskosten wurden dieselben Zeitschriften, wie in früheren Jahren, gehalten. Es stifteten in dankenswerthester Weise für die Bibliothek: 1: 2. Ehrenvorsitzender des Vereins Herr Oberrealschuidirektor a. D. Dr. Ackermann: H. v. Jhering, Revista do Museo Paulista. (600 S. u. 12 Tfln.) S. Paulo 1900. — E. Bachmann, derThallus der Kalk- flechten. Prgr.-Abhdlg. 574. (268. u. 1. Tfl.) Plauen ı/V. 189. — Mitteilungen der Section für Naturkunde des Oesterreich. Touristen-Clubs. Wien 1890/91. Der Verfasser, uns. Ehrenmitglied Herr Prof. Director Dr. R. A. Philippi, Santiago: Contribucion a la osteolojia del Grypo R Be a « th y Litterarischer Verkehr. Xi = therium domesticum Rth i un nuevo delfin. (12 S. u. 3 Tin.) Santiago 1900. 3. Der Verfasser, Konsul a. D. C. Oxenius, Marburg. Eine grössere Zahl Abhandlungen und Berichte. . Der Verfasser, Herr Dr. G. Platner, Witzenhausen: Verschiedene Abhandlungen. . Generalarzt Dr. Lindner im Namen der Mitleser: Biologisches Centralblatt, 20 Band. (832 S.) Leipzig 1900. . Die Verfasserin, Frl. Auguste Schwedes: Theodor Schiwedes *), Leben und Wirken eines kurhessischen Staatsmanns von 1788 bis 1882. (400 S.) Wiesbaden 1899. . Herr Hofrath Prof. Dr. Kornhuber, Presburg: Verhandlungen des Vereins für Natur- und Heilkunde. (132 S.) Presburg 1900. . Verein böhmischer Mathematiker zu Prag: Mechanik von Prof. Dr. Cenek Strouhal. (670 S.) Prag 1901. Kaiserl. Academie der Wissensch. zu Krakau: L. A. Birkenmayer, Niecolahs Copernieus. (711 S. 4%) Krakau 1900. Pollichia zu Dürkheim a/Haardt, Festschrift zur 60jährigen Stiftungsfeier. (81 S..u. 3 Tfln.) Dürkheim a/H. 1900. . Die Schwed. Academie der Wissensch. zu Stockholm: Briefe von Joh. Müller an Ernst Betzius. (84 S.) Stockholm 1900. Universitätsbibliothek Kiel: A. Melchhöfer, Rede zum Winkel- manntage. (22 S.) Kiel 1900. Der Verfasser, Herr R. Stiattesi, Spoglio delle Osservazioni Sismiche dal 10. Novembre 1898 al 31. Oktobre 1899. (79 S.) Borgo San Lorenzo 1900. Die Kgl. Ung. Geologische Gesellschaft Budapest: .T. Bockh und Th. v. Szontagh, Die Kgl. Ung. Geologische Anstalt. (76 S. u. 4 Pläne.) Budapest 1900. . Die Gesellschaft von Freunden der Naturwissenschaften in Gera: Fischer, Festbericht der Abteilung für Thier- und Pflanzenschutz. (39 S.) Gera 1900. Folgende Einladungen bzw. Mitteilungen gingen dem Vereine zu: = 10. F 11 12. 13. 14. 15 Die südslavische Academie der Wissensch. zu Agram zeigt den am 26. Juli 1900 erfolgten Tod ıhres Praesidenten an. Die Societa degli Alpinisti Tridentini ladet zu ihrer General- versammlung ın Vigı di Fassa am 12. August ein. Der Kasseler Fischereiverein ladet zur Jahresversammlung auf den 26. Februar, 1901. Die Societe Ouralienne d’amateurs des Sciences Naturelles @’Ekatherinenburg ladet ein zur Feier des Jubilaeums der *) Ehrenmitglied des Vereins seit 4. Februar 1842! XAT Uebersicht über die Einnahmen und Ausgaben. 50 jährigen ärztlichen Thätigkeit ihres Praesidenten, des Herrn Dr. Alexander Andreevich Mislavsky. - ladet ein auf den 12—16. August 1901. 6. Die naturforschende Gesellschaft zu Danzig theilt mit, dass von- ihr ein Preis von 1000 M. für die beste neue Arbeit, betr. Beitrag zur Kenntnis der norddeutschen Diluvialgeschiebe mit besonderer Berücksichtigung des in Westpreussen vorkommenden Materials, ausgesetzt ist. IV. 5. Das Praesidium des V. Internationalen Zoologen-Congresses Uebersieht über die Rinnahmen und Ausgaben. Einnahmen. Vorjähriger Baarbestand . Mitgliederjahresbeiträge Unterstützung: a) der Provinzialverwaltung . b) der Stadt Kassel . Zinsen der Fiedler’schen Stiftung Vom Kreditverein Sonstiges Summa Ausgaben. Kosten des Berichts Anderweite Druckkosten Auslagenrückerstattung Gehälter für Diener Kreditverein zur Verzinsung Sonstiges Summa Es verbleibt somit ein Baarbestand von 19 Mark 67 Pfg. e 35 Mark 82 Pfg. 486 1239 Mark 50 Pfg. Uebersicht der Vorträge. . xXIH V, Vebersicht der in den Monats- und gemeinsamen Sitzungen vom April 1900 bis dahin 1901 gehaltenen Vorträge und kleineren Mitteilungen auf Grund der Sitzungsprotokolle, bezw. Eigenreferate. 1. Herr Dr. med. Alsberg hielt am 11. Febr. 1901 einen Vortrag über „Typhus und Milchsterilisation‘“. 2. Herr Rittmeister Freiherr von Berlepsch teilte am 28. April 1900 mit, das er vormittags kurz vor 10 Uhr von dem Forst aus zwischen Försterei Herkules bei heiterem Himmel und völliger Windstille eine Windhose gesehen habe, die sich, scharf abgegrenzt, schräg in die Federwolken erhoben habe und in denselben verschwunden sei. Die Dauer der seltenen Naturerscheinung habe etwa 1 Minute betragen. Derselbe verlas den von ihm im Auftrage der Kommission für internationalen Vogelschutz verfassten Entwurf eines internationalen Gesetzes für Vogelschutz und die Erläuterung zu demselben. Te bierselbe hielt’am’19. Dez. 1900’in'der "ersten gemeinsamen Wintersitzung der beiden Vereine einen Vortrag über die Verhandiungen der Pariser und Leipziger ornithologischen Kongresse und die auf denselben erzielten Resultate. 4. Herr Apotheker Döhle zeigte am 11. Juni 1900 Eisenvitriole aus dem Rommelsberg bei Goslar vor, die durch Verwitterung aus Schwefelkies entstanden sind, und zwar einen Stalaktiten und einen Stalagmiten, und bemerkte, dass bei dieser Verwitterung im Grossen daselbst eine beträchtliche Erwärmung eintritt. 5. Derselbe zeigte am 3. Oct. 1900 eine Anzahl versteinerter Hornschwämme - Rhizocorallien aus dem XIV Uebersicht der Vorträge. unteren Muschelkalk vom Eichsfeld, von Zierenberg, aus der Umgegend von Höxter und Kassel und dem Meissner (Viehhaus) vor und erläuterte den Bau derselben. 6. Derselbe hielt am 10. Dez. 1900 einen Vortrag : über „Einige sächsische Wallburgen an der Weser bei Höxter und ihren Zusammenhang mit der Geschichte“ und erläuterte die Anlage einer solchen Burg an einem von ihm selbst angefertigten Modell, sowie | zwei Zeichnungen. | ER. 7. Herr Dr. med. Eysell. hielt am 14. Ma11900 einen Vortrag über den „Malariaparasiten und seine Übertragung auf den Menschen“. 8. Derselbe zeigte am 13. Aug. 1900 einen Geaster hygromelricus (Erdstern) vom Dörnberg vor, einen Ver- wandten von Phallus impudicus, mit vorzüglicher Schutz- färbung, braun wie die abgefallenen Fichtennadeln. 9. Derselbe- zeigte im Anschluss an, den gewen = 5 samen Ausflug vom 29. Aug. 1900 am 10. Oct. 1900 ein 2 von ihm selbst angefertigtes Relief vom Hirzstein vor, S gab eine Erklärung von der Form des Berges und er- : läuterte die Abschaittswälle (besser Halswälle genannt) auf demselben. 10. Derselbe hielt am 14. Jan. 1901 einen Vortag über „Bau und Leben der Culiciden““. 11. Herr Professor Hornstein berichtete am 14. Mai 1900 über den’ „Bühl“ bei Weimar, dem der letzte ge- meinsame Ausflug der beiden Vereine gegolten hatte. In dem er auf einen im 9. Bericht des Offenbacher Vereins für Naturkunde, Jahrg. 1867/68 veröffentlichten Aufsatz von Dr. Möhl „der Bühl bei Weimar in der Nähe von Kassel“ hinwies, bemerkte er, dass durch die Un- vollkommenheit der damaligen Aufschlüsse eine nicht über- all zutreffende Auffassung der vorliegenden Verhältnisse veranlasst gewesen sei. Die Aufschlüsse, wie sie durch Be: den fortschreitenden Abbau in den letzten Jahren sic ergeben haben und wie sie durch die vorgelegten Photo- e graphieen aus dem Jahre 1896 und aus den jüngsten Tagen Be Uebersicht der Vorträge. XV r trefflich erläutert wurden, zeigten die hochinteressante Entwickelung der ganzen Basaltbildung und bewiesen, dass © "der massig abgesonderte Basalt, der zuerst auch von Möhl für Phonolith gehalten worden war, nicht wie Möhl anzu- nehmen sich veranlasst gesehen hatte „einen engen, senk- ER recht aufsteigenden Kanal in dem säulenförmig abgeson- derten Basalt ausfülle“. Einen vollständig klaren Einblick in die Verhältnisse, in den Zusammenhang der Erschei- nungen, gewährten diese Aufschlüsse freilich auch noch nicht. Ein solcher dürfte erst gewonnen werden, wenn 2 der Abbau weiter in die liefe geführt würde. Jedentalls ergebe sich jetzt schon, dass der Blockbasalt sich weithin E* ausbreite, z. T. neben dem Säulenbasalt in grössere Tiefe gehe, z. T. den letzteren auf grössere Erstreckung über- lagere. Mehrfach lasse sich aber beobachten, dass der Säulenbasalt allmählich in den Blockbasalt übergeht, in- dem die Säulen nach obenhin breiter und unregelmässiger werden, bis schliesslich die Säulenform ganz verschwindet. An anderen Stellen stiessen fasst wagerecht liegende Säulen in ziemlich scharfer, nahezu senkrecht verlaufender Abgren- zung an den massig abgesonderten Basalt. Da der Abbau des Basaltes in starkem Betriebe sei, so sei auch anzu- nehmen, dass die hochaufragenden, mächtigen Säulen- garben, die einen ebenso interessanten, wie schönen und grossartigen Anblick gewähren, bald nieder gelegt sein würden. Als um so wertvoller mussten deshalb die zu verschiedenen Zeiten aufgenommenen, z. T. vorzüglichen Photographieen*) bezeichnet werden, durch welche diese Bildungen, diese Erscheinungen im Bilde wenigstens auch für späterhin für die Beobachtung erhalten blieben. In Bezug auf die Beschaffenheit des Blockbasaltes und des Säulenbasaltes wurde noch bemerkt, dass eine wesentliche Verschiedenheit in der Zusammensetzung nicht statthaben könne, wie sich schon aus den von Möhl angeführten Analysen ergebe, wie aber auch daraus zu schliessen sei, E *) Eine Wiedergabe derselben kann hoffentlich im nächsten Berichte erfolgen, XVI Uebersicht der Vorträge. dass der eine Basalt allmählich in den anderen übergehe. Die Textur der beiden müsse hingegen wesentlich ver- schieden sein. Nur der Säulenbasalt lässt sich zu Pflaster- steinen verarbeiten, da er beim geeigneten Zerschlagen _ sehr schön prismatisch bricht, während der Blockbasalt ganz unregelmässig bricht, weshalb er nur zu Strassen- beschotterung verwendet werden kann. Er wird für diesen Zweck in einem grossen, mit Dampf getriebenen Poch- werk zerkleinert. | 12. Derselbe teilte am 11. Juni 1900 mit, dass die auffallend rote Farbe des Kalkes von der Ruine Scharten- berg, die bei dem letzten gemeinsamen Ausflug besucht wurde, lediglich einer Feuerwirkung zuzuschreiben sei, denn bei einer der Bunsenflamme ausgesetzen Probe des unveränderten, grauen Kalkes habe sich die rote Farbe in ganz gleicher Weise eingestellt. Derselbe zeigte ein Stück Granit aus dem Säulen- basalt vom Bühl vor und wies auf das seltene Vorkommen des Grranits im Basalt hin. Derselbe zeigte einen blühenden Zweig von Ühro- nanthus virginica, Virginischer Schneeflockenbaum, Gift- esche (Wurzel giftig) aus der Familie der ÖOleaceae vor. Ein Exemplar dieses aus Nordamerika stammenden Zier- strauchs, welches seit 5 Jahren hier, am Brunnen des Friedr.-Wilhelmsplatzes, angepflanzt ist, habe in diesem Jahre zum ersten Mal geblüht. 13. Derselbe zeigte am 13. August 1900 eine mine- ralogische Seltenheit der Kasseler Gegend nämlich Zirkon (Varietät Hyacınth) in Basalt aus dem Druselthal im Habichts- wald, welches Stück in jüngster Zeit gefunden war. 14. Derselbe berichtete am 10.- Dezember 1900 ausführlicher über das Leben und die wissenschaftliche Thätigkeit des verstorbenen Mineralogen Geh. Rat Dr. Hans Bruno Geinitz, des langjährigen Ehrenmitgliedes unseres Vereins. 15. Herr Konsul a. D. Ichon. eher am 10. Dez. 1900 nach Handzeichnungen angefertigte Photogra- Uebersicht der Vorträge. XVII phieen einer grossen Anzahl merkwürdiger Bäume aus der Umgegend von Bremen vor. 16. Herr Postpraktikant Kleinsteuber zeigte am 10. Sept. 1900 von ihm angefertigte Photographieen des Bühl bei Weimar vor. 17. Herr Rentner Kochendörffer legte am 8. Oct. 1900 schwefelkieshaltigen Thon vor und erläuterte das Verfahren, den Thon von dem Schwefelkies zu be- ireien. 18. Herr Oberlehrer Kunze empfahl am 14. Mai 1900 als wirksames Vorbeugungsmittel gegen Mückenstiche eine Einreibung mit Tenctura Pyrethri. 19. Derselbe verlas am 11. Juni 1900 eine Mit- teilung aus der Chemiker-Zeitung, nach der : Professor Fittica in Marburg bewiesen habe, dass Arsen kein Ele- ment, sondern eine Stickstoffverbindung des Phosphors sei. 20. Derselbe zeigte am 13. Aug. 1900 a) einen Bastard von Cirstum oleraceum u. Cirsium acaule aus dem Habichtswald und machte darauf aufmerksam, dass in Niederhessen fast überall, wo die Eltern gemeinschaftlich vorkommen, derselbe zu beobachten ist an manchen Stellen überwiegt er numerisch sogar (. oleruceum; b) einen Bastard von (irsium oleraceum u. Cirstum palustre vom Hirschgraben medero Aue. — ' Zugleich teilte derselbe mit, dass ‚sich Oreuta virosa in kurzer Zeit am Fuldaufer bis Münden verbreitet habe. 21. Her Dr. Laubinger teilte am 14. Mai 1900 mit, dass im Lande Hadeln gegen Malaria nicht Chinin allein, sondern dieses in Mischung mit einer kräftigen Abkochung von Königschinarinde in salzsäurehaltigem Wasser, in be- stimmtem Verhältnis, neben grossen Gaben von Chinoidin- tinktur, der ebenfalls Chinin zugesetzt war, rasch geholfen hätten. Derselbe teilte mit, dass er im vergangenen Herbst eine echte Mentha piperita, kenntlich an den völlig kahlen Früchten und den langgestielten Blättern, und ein Archan- gelica offieinalis Hoffm., beide aus Kölleda, dem Auegärtner 8 oh ei XVII Uebersicht der Vorträge. übergeben habe, um zu versuchen, sie in Hessen, wo sie bis jetzt nicht vorkämen, heimisch zu machen. 22. Derselbe berichtete am 13. Aug. 1900, dass die Archangelicia offieinalis, auf Siebenbergen angepflanzt, jetzt reife Früchte trage; ihr Stamm sei etwa 2 Meter hoch, gut verzweigt und besitze etwa 20 grosse zusammen- gesetzte Dolden. — Die ebendort angepflanzte Mentha piperita habe Ausläufer getrieben, blühe und gedeihe gut. Auch sprach sich derselbe über die gärtnerische Deuapz lung der Pfeffermünze aus. Derselbe bemerkte dann, (onium maculatum sei hier nicht häufig; bis jetzt sei diese Pflanze von ihm nur zwischen Kirchditmold und Harleshausen, sowie an der Fulda oberhalb Spickershausen und an der Sababurg nach- gewiesen. Derselbe erklärte die grosse Menge Belladonna, die sich nach den Beobachtungen des Herrn Ochs auf einem neu angelegten Waldwege zum Bilsteine (bei Gross- almerode) gezeigt hat, daraus, dass die PAelladonna eine Schlagpflanze ist. 23. Derselbe zeigte am 8. Aug. 1900 eine Poa ne- moralis vor, die aus ihren Halmknoten ziemlich lange neue Triebe treibt, ferner eine Gypsophtla muralıs vom Fuss des Baunsberges, auf Brachfeldern blühend, deren hiesiges Vorkommen in Wigand’s Flora von Hessen nicht ange- ‚geben ist, eine Saxifraya decipiens — s. caespitosa L. Stein- bruch am Scharfenstein, eine T'hesium pratense Erh.-Wiesen-Bergflachs vom Fierhaus und der Schwedenschanze i. d. Rhön, in der Kasseler Gegend nur oberhalb Wickenrode- Grossalmerode vorkommend, eine Aconitum Stoerkeanum Rechb. vom Beilstein i. d. Rhön (daselbst noch Ende September massen- haft blühend), je eine Anemone Pulsatila L. von der Wasserkuppe und dem Himmeldankberge i. d. Rhön, zu Anfang bis Ende September zum zweiten Mal blühend, ferner E £ A “ Uebersicht der Vorträge. RER Woodsia ilvensis Rob. Brown s. rufidula von der Milseburg und dem Beilstein i. d. Rhön, ferner das seltene Lycopodium alpinum zwischen Wasser- kuppe und Pferdskopf i. d. Rhön ferner Sedum Fabaria Koch vom Kreuzberg i. d. Rhön, Sphagnum acutifolium Ehrh.: Var. purpurum Schimp. aus dem „Roten Meer“ bei Gersfeld i. d. Rhön, Sphagnum compactum Brid, c. fruct. aus der Uelzer (Gregend, und schliesslich (arlina acaulıs I.. = Carlina caules- cens, beide am Pferdskopf, Eierhaus und am Kreuz- berg i. d. Rhön auf Kalkboden vorkommend. Von diesen beiden letzten schönen bei uns kaum vor- kommenden Pflanzen, bemerkte Herr Dr. Laubinger, habe er Samen an verschiedenen kalkhaltigen Stellen in der Umgebung Kassels ausgestreut, um sie hier einheimisch zu machen. Ferner zeigte er einen in sieben Läppchen auf- springenden Geaster rufescens Pers. vom Baunsberge vor, und einen diesem verwandten Pilz Cyathus siriatus Hoffm. gestreifter Topfbecherpilz oder Linsen- träger aus einer Schlucht des Schockethals und einen Uyathus olla Pers. s. vernicosus aus dem (arten der städtischen Klärwerke. Auf eine Frage bezüglich des Vorkommens der Onopoidon Acanthium L. bemerkte er, dass sich dieselbe hier nur in wenigen Exemplaren am Weinberge und auf dem Gudensberge finde. | 24. Derselbe gab am 11. Nov. 1900 eine aus- führliche Besprechung des Werkes von Dr. Rob. Gradmann „Das Pflanzenleben der schwäbischen Alb“. Tübingen 1900, 1. Teil. 25. Derselbe hielt am 11. März 1901 einen Vortrag über „Lebermoose“ unter Vorzeigen der hier vor- kommenden Arten. Der 2. Teil des Gradmann’schen Werkes wurde kritisch besprochen. | 8*+ xx Uebersicht der Vorträge. 26. Herr Oberst z. D. Mende teilte am 13 Aug. 1900 im Anschluss an Pflanzenbastarde aus einer Tageszeitschrift eine Notiz über lierbastarde mit, 27. Herr Stadtrat Ochs zeigte am 13. Aug. 1900 ein Nest der Beutelmeise Parus pendulinus aus dem Gouvernement Pultawa bei Charkow vor. Dieser, in Deutsch- land nur ausnahmsweise vorkommende Vogel baut sein Nest (Beutel) aus der Wolle der Weiden und Pappeln. 28. Derselbe wies am 19. Dez. 190 Fur Verfügung des Landratsamtes Kassel betr. Abholzung der Bachufer hin und forderte alle Naturfreunde zum Protest gegen diese auf, da sie ein Aussterben mancher Vogelarten in hiesiger Gegend zur Folge haben würde. | 29. Herr Dr. Paulmann hielt am 10. Sept. 1900 einen Vortrag über die „Kasseler Kläranlagen“, nachdem am 10. Aug. unter seiner Führung eine Besichtigung derselben stattgefunden hatte. 30. Herr Verlagsbuchhändler J. Weber hielt am 25. Jan. 1901 in der zweiten gemeinsamen Wintersitzung der beiden Vereine einen Experimentalvortrag über „das Gesetz der elektrischen Stromleitung und das Dreileiter-System“. Ist nach dem Ohm’schen Gesetze die in einem gegebenen (renerator- und Schliessungskreise erzielte Intensität des Stromes i = „,, so ist die Arbeitsfähigkeit dieses Stromes = wi?’ = ei. Diese Arbeitsfähigkeit äussert sich zunächst in der Erzeugung von Wärme im Leitungsdraht und zwar ist deren Menge dem Widerstande einfach, der Strom- stärke aber quadratisch proportional, wie aus dem Ausdruck wi? hervorgeht. Es handelt sich folglich bei Ausnutzung einer vorhandenen Stromquelle stets darum, einen möglichst grossen Theil dieser im allgemeinen unbenutzbaren Wärme in brauchbare Formen, sei es mechanischer oder chemischer Natur, oder in Licht umzuwandeln. Die Wärme als solche wird wohl auch direct angewendet, z. B. beim elektrischen Schweissen oder zum Kochen und Heizen, doch spielen dergleichen Ausnutzungen z. Z. noch eine ganz unter- Uebersicht der Vorträge. XXI geordnete Rolle. Man wird also darauf bedacht sein, den Widerstand des ganzen Strom-, vor allem aber des Schliessungs-Kreises so zu bemessen, dass die darin erzeugte Wärme, welche eine nutzlose Stromarbeit vorstellt, zu den Anlagekosten und Zinsen der Leitung im richtigen Verhältniss steht. Die ganze Frage der Anlage eines Leitungsnetzes ist rein wirthschaftlicher Natur. Man könnte wohl Stromleiter von solchen Dimensionen herstellen, dass ihr Widerstand und damit ihre zwecklose Erwärmung fast auf nichts herabgemindert würde, aber die Kosten der dazu erforderlichen Kupfermengen würden so kolossal sein, dass an keinen Ertrag der Anlage zu denken wäre. Also greift man zu dem Auskunftsmittel, zur Erzielung der für den ganzen Strom-(Abnehmer-)Kreis erforder- lichen Stromstärke nicht den Widerstand zu verrin- gern, sondern die elektromorische Kraft, technisch die Spannung, zu vergrössern und erreicht damit bei Brsebener. Spannung “(in . der Regel 110 Volt) und zulässigem Kupferquerschnitt der Leitung, dass man den Strom mit dem gleichen Effect z. B. auf die SEE Ent- fernung fortleiten kann. Denn nach der Formel — = ii, ist etwa -_. = 110, und _ gleichfalls 110. Da aber nach der herrschenden Ueberzeugung eine Spannung von mehr als 110 Volt zur Verfügung von Laien bedenklich ist, so hat man es durch eine sinnreiche Einrichtung, das Dreileiter- system genannt, möglich zu machen verstanden, die doppelte Spannung von 220 Volt mit den für Hausleitungen zu- lässigen 110 Volt zu vereinigen, gleichzeitig aber die ge- rade benöthigte Stromstärke sich automatisch durch die Stromerzeuger selbst regeln zu lassen. l.etzteres über- gehend, besteht das Dreileitersystem darin, dass zwei Maschinen, jede von 110 Volt Spannung, hinter einander geschaltet und ihre beiden Pole mit den beiden Haupt- (Aussen-) Leitungen verbunden werden; von der Ver- bindungsbrücke der ersteren geht parallel zu den Aussen- leitern ein dritter, schwächerer Draht, der Mittel- oder Ausgleichsleiter aus. Es entstehen folglich zwei Strom- XXIlI Uebersicht der Vorträge. zweige, jeder von der halben Spannung des ganzen Stromes, und in diese werden die Hausleitungen nach Möglichkeit zu gleichen Werthen eingeschaltet. Nach demselben Grund- satz wird auch die fast stets vorhandene Accumulatoren- Batterie, ohne getrennt zu werden, in zwei Hälften getheilt. Es leuchtet ein, dass, wenn sämmtliche strom- verbrauchende Apparate der Hausleitungen zugleich ein- geschaltet sein sollten, der Strom stets z. B. von einer der ersten Zweigleitung angehörigen Glühlampe über den Mittelleiter hinweg zu einer der zweiten angehörigen übergeht, dass folglich diese beiden Lampen thatsächlich hintereinander geschaltet sind und der Mittelleiter keinen Strom zu führen bekommt. Sobald aber ungleiche Belastung der beiden Zweige stattfindet, leitet der mittlere Draht einen gewissen kleinen Stromtheil zurück, braucht deshalb, weil bei richtiger Anlage es nie vorkommen kann, dass er einmal den ganzen Strom zu leiten hätte, auch eben nur geringen Querschnitt zu haben. Der Vortragende erläutert während des Vortrages diese Verhältnisse mit Hülfe einer vierelementigen Batterie selbstconstruirter Daniells an dem Verhalten mehrerer kleiner Motormodelle und einer kleinen Glühlampe, zeigt insbesondere auch an einem in den Mittelleiter einge- schalteten Stromanzeiger, dass dieser Leiter entweder strom- los sein, oder je nach Belastung beider Stromzweige ver- schieden gerichtete Ströme führen kann. [Selbstreferat.] 31. Herr Dr. Weber zeigte am 11. Juni 1900 Larven von Melanotus caslanipes Payk. ((ol.) vom Schartenberg und von Pyrochroa coccinea L. von Wilhelmshöhe vor, sowie die bis jetzt noch nicht beschriebenen Larven von Octotemnus glabrieulus Gyll. aus einem Baumschwamm an einem Buchenstumpf (29/4.) und die Larven des hier selten vor- kommenden Anisarthron barbipes Schrank. aus der Rinde einer Rosskastanie an der Querallee (25/4). Von letzt genannten verpuppte sich eine Larve am 20/5. und lieferte am 6/6. den fertigen noch weichen Käfer. Während der Puppenruhe machte die Puppe bei Berührungsreizen sehr Uebersicht der Vorträge. IOXIm lebhafte kreisförmige Bewegungen mit Erheben der Hinter- leibsspitze. 32. Derselbe zeigte am 8. Okt. 1900 einen Fleder- mausparasiten (von einer Pieropusart aus Sumatra stammend), den er schon vor 1896 vorgelegt hatte, aber damals noch nicht bestimmen konnte. Es handelt sich nach der Bestim- mung von Herrn Dr. Speiser, welcher im Arch. f. Naturgesch. 1901 Bd. I eine Monographie der Fledermausparasiten aus der Gruppe der pupiparen Dipleren gegeben hat, ‘um die 1899 von de Mejere beschriebene Cyclopodia horsfieldi. Ferner zeigte derselbe einen Gordius (pustulosus Baird?) vor, deraus dem Darm von Blaps simalıs Lair. hervorkriecht. 85. Derselbe machte am 14. Jan. 1901 Mitteilungen über die Herstellung von Dauerpräparaten kleiner Insecten zu microskopischen Zwecken. Bei Einschluss in Canada- balsam ist ein besonderssorgfältiges Entwässerungsverfahren notwendig. Derselbe legte ein Paar eines höchst seltenen von Daniel als Arrhaphrpterus phiomidis neu benannten Rhipiceri- den (Col.) vor. Die Art ist von Korb in Anatolien entdeckt worden und bisher nur in wenigen Exemplaren vorhanden. Vielleicht ist sie identisch mit A. Dblanchei Chevr. aus Syrien. Druckfehler. Im Jahresbericht 1899/1900 sind einige störende Fehler stehen geblieben, welche wir hiermit zu verbessern bitten. Auf Seite 30 lies Zeile 10 statt „Siazzen“ — Sippen. 5 an, „26 ,„ „Sehlammbüsche“ — Schlammbüänke. 5 a), =, „30, „Buchen“ — Binsen. h. A). £,; » #5. „Schwammschutt‘“ — Schwemmschutt. % 7 „. 16 „ „dedroht‘‘ — bedeckt. s „4 1 „fe SO?“ — Fe S? N $ XVII lies Zeile 1 von unten statt „Zledea’‘‘ — KElodea. En All _ Vereins für Naturkunde > = zu Kassel > . das 66. Vereinsjahr 1901-1902. N _ Unter Mitwirkung des Vereinsvorstandes herausgegeben von Dr. med. L. Weber. ; Kassel 1902. Verlag des Vereins. Druck von L. Döll. . - s & a) “ 1 I; vr“ 2) N 3 Pace h An Ds 6 ö \ u r P y & > = . ] ie E un Bar R en E ER. Be: Für den Inhalt der Abhandlungen sind die Herren A selbst verantwortlich. Fr - ag. 7 n 2 106 Bu lEnelhzanlee: Abhandlungen und Vorträge. Seite 1. Philippi, R. A., Sicilien und Südcalabrien. In dem Jahr- zehnt von 1830—1839 N re 1 2. Alsberg, Moritz, Die Neanderthalrasse und die Abstammung des Menschen RR ee Be er 50 3. Ochs, H., Meine Beobachtungen über den Kuckuck . 121 . 4. Ebert, H., Eine neue Schmetterlingsaberration. Mit 1 Tafel 129 5. Zeiske, M., Die Hochgebirgs-Varietäten der Sudetenflora . 131 Bericht über Stand und Gang des Vereinslebens, die Mit- glieder, den litterarischen Verkehr etc. . . . 2... J-XXWV Dr. R. A. Philippi-Santiago. 1 Sieilien und Süd-Galabrien. In dem Jahrzehnt von 1830 bis 1839. Von R. A. Philippi, Santiago. Die Ereignisse der letzten Jahre, welche in den letzt genannten Ländern stattgefunden, haben mir lebhaft in die Erinnerung gerufen, was ich in den oben erwähnten südlichsten Teilen Italiens erlebt und erfahren habe, und was vielleicht von einigem Interesse für den Leser sein kann. Ich muss vorausschicken, welche Ursachen mich zu zwei verschiedenen Zeiten dorthin geführt haben und wie ich dort gereist bin. Im Frühjahr 1830 hatte ich als Doctor medicinae pro- movirt, erst 2ı!/la Jahr alt, und war nun von dem Wunsch beseelt, etwas von der Welt und zwar im Sommer Italien, im Winter Paris zu sehen und gelegentlich meine medi- zinischen Kenntnisse zu vermehren. In Neapel und Um- gegend hatte ich mich den letzten Sommermonat aufge- halten und erwartete eine Schiffsgelegenheit, um von Ne- apel nach Marseille zu gelangen. Da kamen zwei Herrn, die ich in Berlin flüchtig hatte kennen lernen, Friedrich Hoffmann, ausserordentlicher Professor der Geologie an der Universität Halle, der mit einer Unterstützung der preussischen Regierung eine geologische Reise in Italien machte und Arnold Escher von der Lind aus Zürich, später Professor der Mineralogie und (Geologie an dortiger Universität, nach Neapel. Sie hatten eben eine Reise 1 2 Sicilien und Süd-Galabrien. durch die Abruzzen vollendet und waren erfreut, in mir Jemand zu finden, der in der Umgegend von Neapel Be- scheid wusste und mir war es erfreulich ihnen als Führer dienen zu können. Ihr Hauptstudium galt natürlich den vulkanischen Erscheinungen, dem Vesuv, den phlegräischen Feldern der Insel Ischia etc. Dort besuchten sie natürlich auch das Museum der Altertümer, Pompeji, Sorrento, Capri, Amalfi, die Ruinen von Paestum etc., die ich gern mit ihnen zum zweiten Male besuchte. Den Schluss machte Ischia. Von dieser Insel zurückgekehrt sassen wir eines Abends bei einem frugalen Abendessen auf der Loggia des Wirtshauses von Pozzuoli und dieser Abend war von dem grössten Einfluss auf mein folgendes Leben und habe ich ihn nie vergessen können. Es regte sich kein Lüftchen, das Meer war glatt wie ein Spiegel und warf die Bilder des Mondes, des Abend- sternes und anderer grosser Sterne zurück. Deutlich lag die Landzunge von Micenum mit den Ruinen des Venus- Tempels von Bajae im Vordergrunde und hinter der Land- zunge die Inseln Procida und Ischia vor uns. Da sprach Hoffmann: „Wir haben den Vesuv studirt und sollten eigentlich jetzt nach Hause zurückkehren, aber ich denke, wir besuchen vorher noch den Aetna. Die Sache ist gar nicht so schwierig; ein Segelschiff führt uns in drei Tagen nach Messina und nächster Tage geht ein solches dort- hin ab. Von Messina ist in diesem Jahre eine fahrbare Strasse nach Catania fertig geworden, die einen tiefen Einschnitt in die Berge macht, die sich südlich von Mes- sina bis an das Meer erstrecken, sodass uns ein Aufschluss über die geologische Beschaffenheit derselben gegeben ist, wie man ihn nicht besser wünschen kann. Die Unter- suchung des Aetna und die ganze Reise kann höchstens sechs Wochen dauern und Philippi reist mit uns.“ Escher war mit diesem Vorschlag ganz einverstanden. Ich aber nicht. Ich wollte ja nach Marseille abreisen und sagte also, wenn es blos von mir abhinge, so würde ich Sie mit Dr. R. A. Philippi-Santiago. 3 Freuden begleiten, aber ich muss den Winter in Paris zu- bringen. Hoffmann wollte meine Einwendung nicht gelten Jassen und sagte: „Machen Sie uns doch nicht weiss, dass es für Sie gar nicht darauf ankommen kann. In Paris durch den Besuch der Hospitäler etc. noch viel Medi- zinisches zu lernen und 4 oder 3 Monate sind hinreichend. Wenn Sie sich in Berlin als Arzt niederlassen wollen, können Sie ebenso gut sagen, ich habe die und die Hos- pitäler besucht, die und die berühmten Männer gesehen etc., wenn Sie 3 Monate in Paris gewesen sind, als wenn Sie dort 6 Monate verweilt hätten; kommen Sie nur mit.“ Dagegen liess sich nichts sagen und so musste ich denn mit dem wahren Grund meiner Weigerung herausrücken und der war „ich kann durchaus kein Geld zu einer Reise nach Sicilien anschaffen.“ Da sagte Hoffmann zu Escher: „Wie steht’s mit Ihrer Reisekasse?’ Ich sollte meinen, wenn wir beide unser Reisegeld zusammenlegen, kommt so viel heraus, dass noch eine dritte Person mitreisen kann. Kommen Sie mit, Philippi! Gelangen Sie später in eine Lage, wo Sie uns Ihren Anteil an den Reisekosten zurückerstatten können, so werden Sie esthun. Kommen Sie nicht in die Lage, so lassen Sie sich keine grauen Haare darüber wachsen.“ Escher war derselben Ansicht und da konnte ich natürlich nicht mehr nein sagen. Aus den sechs Wochen sind ı!la Jahre geworden, und haben, wie schon bemerkt, meinen späteren Lebens- lauf entschieden. Wir mieteten einen fünfzehnjährigen Burschen aus Pozzuoli, Namens Tobia di Traja, als Be- dienten, einen Burschen, der sich als so treu, so willig, so anhänglich und geschickt bewiesen hat, wie es kaum einen zweiten giebt; schifften uns ein und waren richtig drei Tage darauf, den Morgen, ziemlich früh, in Messina. Da noch Zeit bis zum pranzo, dem lateinischen pran- dium, dem chilenischen alumerzo, war, so mieteten wir ein Bot und fuhren nach dem Leuchtturm, der bekanntlich am Ende einer schmalen, sichelförmigen sandigen Land: 1* 4 Sicilien und Süd-Calabrien. zunge steht, welche dem alten griechischen Messina, den Namen Zankle, Sichel, gegeben hat, und waren sehr er- staunt, am Strande hunderte von verschiedengestalteten - und verschiedengefärbten kleinen Schneckenhäusern zu finden. Ich hatte früher nie eine Meeresconchilie in der Hand gehabt, ebenso meine Freunde, und wir steckten uns die Taschen voll dieser niedlichen Gebilde Am an- dern Morgen gingen wir nach einem Steinbruch, um das (Grestein diagnostisch zu untersuchen; es war ein junger Kalkstein, der voll Versteinerungen steckte, die zu unserer grossen Verwunderung sonst alle identisch mit den Tags zuvor lebend gesammelten Schnecken waren. Dies machte auf mich einen so grossen Eindruck, dass ich von nun an meine Studien fast ausschliesslich den Mollusken und Ver- steinerungen widmete, ohne dabei aufzuhören Pflanzen zu sammeln und die Flora Siciliens zu studieren. Doch, ich kehre nach dieser Abschweifung zum eigentlichen Gegen- stand meiner Erzählung zurück. Die diagnostische Untersuchung der Insel machte es notwendig, dass wir zu Fuss reisten und auch den von den Touristen nie betretenen Teil der Insel die Kreuz und die Quere erforschten. | Wir hatten natürlich immer ein paar Maultiere bei uns und mussten oft an. Orten bleiben, wo es gar keine Herberge gab, oder wo die Herbergen (an kleinen Orten) so unbeschreiblich schmutzig waren, dass wir alles thaten, um ein anderes Unterkommen zu finden. Wir sind da- durch mit dem Volk in eine genauere Berührung ge- kommen, als die gewöhnlichen Reisenden, und zwar mit Leuten aus allen Ständen, die grossen Teils nie einen andern Menschen als einen Sicilianer gesehen hatten. — — Im Winter, wo heftige Regengüsse und die von den- selben aufgeweichten Wege das Reisen auf weitere Strecken unmöglich machten, brachten wir in Catania zu, einer Stadt von nahe 70,000 Einwohnern, die zweitgrösste Stadt der Insel und wird mit Recht Catania la bella genannt. Sie grenzt unmittelbar ans Meer, sowie an die Laven des Dr. R. A. Philippi-Santiago. 5 Ätna, und hat eine Universität. Wir wurden mit mehreren der Professoren derselben, namentlich mit dem Professor Carlo Gemmellaro, dem Professor der Mineralogie, und Ferdinando Cosentini, dem Professor der Botanik, näher bekannt und befreundet. Ich ausserdem mit einem Mönch des prachtvollen Benediktinerklosters, dessen breite Treppe ganz von weissem Marmor, einem Kaiserschlosse zur Zierde gereicht haben würde. Er hiess Emiliano Grutta D’Auro, hatte eine recht hübsche Conchiliensammlung und fast alle der teuren älteren Conchilienwerke, die früher der königlichen Bibliothek in Neapel angehört hatten, bei der Erstürmung des königlichen Palastes aber vom Pöbel geraubt und auf den Strassen feilgeboten waren, wo der Pater sie für ein Spottgeld gekauft hatte. Ich hatte also Gelegenheit, Conchiliologie zu studieren und die Lebensart der Benediktiner kennen zu lernen. Jeder hatte ein grosses Wohnzimmer und daneben ein Schlaf- zimmer. Ihrer zwei hatten einen Bedienten und ich weissnicht wie viel Taschengeld für kleinere Ausgaben. Zum Mittag- essen gab es vier Schüsseln, zum Abendessen drei. Ich besuchte den guten Pater gewöhnlich zwei Mal in der Woche von 2 bis 4 Uhr; um 3 Uhr, glaube ich, müssen die Mönche in der Kirche Hora singen; der Pater Emiliano aber, schon ein 7ojähriger Mann, war davon dispensiert und durfte in seiner Zelle die nötigen Gebete etc. lesen. Wenn ich nun bei ihm war und die Zeit kam heran, nahm er sein Brevier und murmelte was er las, schaute aber alle Augenblicke nach dem, was ich that. Was für ein Buch suchen Sie, fragte er dann, den Born? den finden Sie weiter rechts! dann murmelte er wieder in sein Bre- vier blickend; haben Sie ihn gefunden? Dann wieder ge- murmelt. Dann sagte er: es ist ein schönes Buch, ich habe nur zwei Thaler dafür gegeben etc. Auf diese Weise las er die Horas. Wenn es das Wetter erlaubte, ging ich an das Meeresufer und sammelte Conchilien. Zwischen den sündflutartigen Regentagen gab es oft Tage mit dem schönsten Sonnenschein und einer fast sommerlichen 6 Sicilien und Süd-Calabrien. Temperatur. Auf den Äckern blühten zwischen dem Weizen die schönsten Anemonen, die unsere Gärten zieren, Tazetten und Gladiolus. Der Ätna wurde auf mehreren Exkursionen gründlich untersucht, wobei wir im Oktober und im November ein paar Mal in einer Höhe von 5000 Fuss biwakirten. Den Krater desselben bestiegen wir zwei Mal, am ı8. Oktober und am ı2. November. In der Nacht vom ıı. auf den ı2. dieses Monats fiel der erste Schnee auf den Bergen, aber er war so unbedeutend, dass er uns nicht hinderte, von der sogenannten Casa inglese nach Osten hinabzusteigen und die bis dahin noch von Niemand besuchte Ostseite des Berges zu erforschen. Hier fand ich zu meiner grössten Überraschung ein Birken- wäldchen. Dieser nordische Baum kommt in Süditalien nur in bedeutender Meereshöhe und an zwei Stellen, am Ätna und auf dem Gebirge Aspiomonte an der Südspitze Calabriens vor. Am 4. Februar war es, glaube ich, dass das Fest der hl. Agathe*), der Schutzpatronin Catanias, gefeiert wurde. Zu demselben strömt die ganze Nachbarschaft der Stadt, viele Tausend Menschen zusammen, und die Leute sind alle wie verrückt; sowie der Tag graut, fängt das Ge- schrei an: „Evviva Santa Agata!“ und die Strassen sind . gedrängt voll Menschen, die kein ander Geschäft haben, als „Evviva Santa Agata!“ zu schreien. Weder Militär noch Polizei lässt sich sehen. Geraten ein paar Menschen an einander, die zu frühzeitig dem Bacchus geopfert haben, so genügt es, dass der erste beste Vorübergehende seine Arme zwischen die Streitenden steckt und sie etwas aus- einanderschiebt mit dem Zauberwort: „Evviva Santa Agata!“ so ist der Streit plötzlich beendet. — *) Die hl. Agathe war die Tochter vornehmer Eltern zu Catania und wurde früh dem Christentum zugeführt. Der röm. Statthalter von Sicilien, von ihrer Schönheit und ihrem Reichtum gelockt, wollte sie für sich gewinnen, sie widerstand aber allen Verführungen, Drohungen und Martern, denen sie der über ihren Widerstand erzürnte Statthalter unterwarf und starb als Märtyrerin ihres Glaubens den 5. Februar 251. rn EEE 4 tr hi Dr. R. A. Philippi-Santiago. 2 Die Prozession, welche von der Kathedrale nach dem grossen Platz geht, war sehr hübsch und imposant. Unter einem schwach gewölbten Baldachin, der jederseits auf drei Säulen ruht, die die Höhe eines Mannes haben und in der oberen Hälfte canellirt sind, wird ein Brustlild der Heiligen und der Schrein, der ihre Reliquien enthält, ge- tragen. Alles dieses ist von Silber; die Decke hat die Gestalt eines schwach gewölbten Daches, dessen Hügel aus Engelsköpfen bestehen. Über jeder Säule erhebt sich eine kleine Statue. Unter dem Karnies hängen Lampen und Kränze. Die Basis, worauf die Säulen ruhen, ist mit Reliefs verziert. Das Bild der Heiligen ist die Ober- hälfte des Körpers eines Kindes, das die Grösse und die Proportionen einer Puppe hat und eine Krone trägt. Sie hat eine Menge Halsbänder von Edelstein, die sehr alt sein müssen, da, so viel ich sehen konnte, kein Edelstein facettirt ist, stammen also aus einer frühen Zeit, wo man es noch nicht verstand, Facetten an die Edelsteine zu schleifen. Das Postament, auf dem die Heilige ruht, ist sehr einfach und geschmacklos. Der Schrein, in dem die Reliquien ruhen, hat die Gestalt einer gotischen Kirche ohne Türme. Die Säulen sind natürlich hohl, oder von Holz und nur mit starkem Silberblech überzogen, aber dennoch gehörten sehr starke Männer dazu, um die ganze Iragbahre zutragen. Hinter derselben folgte der Magistrat in seinen weissen, bis auf die Erde herabhängenden Kleidern, die Geistlichkeit der Kathedrale, die Mönche der Klöster und eine unübersehbare Menschenmenge. Ein Mitglied des Magistrates, der bei der Bevölkerung be- sonders beliebt war, war gezwungen worden, auf die Bahre zu treten, auf der er nur mit halbem Fusse stehen konnte, sodass er sich beständig an einer der Säulen, sie mit einem Arme umschlingend, halten musste. Es war dies eine grosse, aber auch recht beschwerliche Ehre für ihn. Als die Bahre auf dem grossen Platz angekommen war, wurde nun das Feuerwerk abgebrannt. Der ganze Platz war mit einer dreifachen Reihe der roten, aus 8 Sicilien und Süd-Calabrien. China kommenden, in Zickzack gebogenen, nach Art der Raketen mit Pulver gefüllten Röhren behängt, die beim Abbrennen:. einen mörderlichen Lärm, wie ein wieder- holtes Pelotonfeuer von Soldaten verursachten und da- zwischen wurden eine Menge Kanonenschläge abgebrannt. Ohne ein solches Feuerwerk ist im Königreich beider Sicilien kein religiöses Fest denkbar. Am folgenden Tage wurden die Reliquien der Heiligen dem Volke in der Kathedrale gezeigt, indem sie die Cano- nici von der Empore aus dem dichtgedrängten Volke in die Höhe hielten, das den unteren Teil der Kirche füllte. Wir wollten auch etwas davon sehen und drängten uns durch die Menge nach vorn, als uns Don Mario Ge- mellaro erblickte und bis an die Stufen der Empore heran- führte. Er winkte nun einem der Chorherrn, sprach mit demselben einige Worte und nun stieg dieser herab, schloss die Thür des Gitters auf, welches die Laien von der dem Klerus vorbehaltenen Empore trennt und dieser führte uns hinauf, damit wir Protestanten die Reliquien ganz in der Nähe sehen sollten. Zunächst zeigte man uns eine ge- trocknete Brust, die einem Mädchen von etwa zehn Jahren angehört haben mochte; sie war in einer silbernen mit Glas bedeckten runden Kapsel, sodann den Arm, ebenfalls getrocknet, eines Mädchens von etwa demselben Alter; er war ebenfalls in einer silbernen mit Glas bedeckten Kapsel, die aber eine unregelmässige Form, dem im Ellen- bogengelenk gebogenen Arm entsprechend, hatte. Wir berührten das Glas, welches diese heiligen Reliquien be- deckte, mit unsern Lippen, es kam mir aber doch sehr sonderbar vor, dass wir Ketzer vor den Gläubigen den Vorzug genossen, die Reliquien so ganz aus der Nähe betrachten zu können. Ich muss bei dieser Gelegenheit bemerken, dass wir niemals wegen unseres abweichenden Glaubens die allergeringsten Unannehmlichkeiten weder von Geistlichen noch von Laien erfahren haben, was dem neapolitanischen Volke sehr zu Ehren gereicht. Die dritte Reliquie ist der Schleier der heiligen Agathe, der die merk- Dr. R. A. Philippi-Santiago. 9 würdige und lobenswerte Eigenschaft hat, dass er einem vom Ätna herabfliessenden Lavastrom Stillstand gebietet, wenn er demselben vorgehalten wird. Don Mario Ge- mellaro, der uns dies erklärte, war etwas zweifelhaft, ob er diese von Mutter, Amme etc. gehörte Eigenschaft glauben sollte. Der Glaube daran istim Jahre 1837, wenn ich nicht irre, gewaltig erschüttert worden. Im genannten Jahr war eine Eruption des Ätna, und die Lava floss, was sehr selten der Fall ist, nach Norden gegen das Städtchen Bronte. So lange sie noch im oberen fast ganz vegetations- leeren Teil des Berges floss, machten sich die Leute in Bronte nichts daraus. Als die Lava aber an ihre Wein- berge kam, und anfıng diese zu verbrennen, schickten sie nach dem Schleier der heiligen Agathe. Die Canonici hatten anfangs allerlei Gründe, nicht mit dem Schleier zu kommen. Als die Lava aber immer weiter in die Gärten vordrang, mussten sie aber doch den wunderthätigen Schleier bringen und die Lava kehrte sich nicht an den- selben, sondern floss weiter. Da wurden die Einwohner von Bronte aufsässig und wie man mir erzählt hatte, einer der Canonici bekam sogar Prügel, obgleich sie doch un- schuldig daran waren, dass der Schleier seine Kraft ver- loren hatte. — Den folgenden Tag besuchte ich den Kanonikus Don Giuseppe Alessi, einen mit Recht hochgeachteten und ge- lehrten Mann; er war Professor des kanonischen Rechtes an der Universität und auch Universitätsprediger und hat ein Werk über die Ausbrüche des Ätna geschrieben, das sehr geschätzt wird, da er nicht blos die alten Schrift- steller, sondern auch die später gedruckten und selbst un- gedruckten Chroniken und die Archive Catanias mit grossem Fleiss zu Rate gezogen hat. In seinem Studierzimmer sah es allerdings etwas unordentlich aus und er sagte selbst: ich würde seine Sammlungen in einem Confusiönchen (confusionetta) finden. Er zeigte mir sechs Ölgemälde, die sehr alt und sehr schwarz waren, so dass es mir Mühe kostete zu unterscheiden, ob diese Brustbilder Männer oder 10 Sicilien und Süd-Calabrien. Frauen vorstellten und erklärte mir dieselben und ihren hohen Wert. Ich erwiderte: „Sono molto interessanti.“ Er hatte eine kleine Mineraliensammlung, eine kleine Conchiliensammlung, einige Terrakotten, wie thönerne Lampen etc., aus dem Altertum und eine, wie mir schien, sehr wertvolle Sammlung alter sicilianischer Münzen, Hier sah ich zum ersten Mal die wundervolle Silbermünze, welche auf der einen Seite den Kopf einer schönen Frau mit der Umschrift „Basilissas philistidos“, auf der andern Seite eine Quadriga mit vier Pferden zeigt. Kein mo- derner Künstler könnte diese so schön gravieren, wie der alte Münzmeister. Die Geschichte weiss nichts von einer Königin Philistis, aber, da ihr Name in dem Theater von Syracus als Bezeichnung eines Keiles desselben einge- meisselt ist, so muss es eine Königin von Syracus ge- wesen sein. Nach den gewöhnlichen Begrüssungen sagte der würdige alte Herr: „Nun, wie hat Ihnen das Fest der hl. Agathe gefallen? War es nicht ganz so, wie die Alten das Ceresfest feierten?“ Der gute Canonikus hatte in der Unschuld und Einfalt seines Herzens ein wahres Ver- dammungsurteil ausgesprochen, das viele andere Umstände noch mehr bekräftigten. Es ist wahr, sehr wahr, dass die Kirche in Sicilien und Neapel eine Menge heidnischer Gre- bräuche aufgenommen hat um die Heiden desto leichter für die christliche Lehre zu gewinnen und bis zum heutigen Tage nichts gethan hat, dem uralten Aberglauben zu steuern. Als der Frühling anbrach, machten wir uns auf, um den südöstlichen Teil Siciliens, das früher sogenannte Val di Noto in geognostischer Beziehung zu untersuchen. Hier sind zahlreiche Basaltdurchbrüche durch den jüngeren Kalkstein und es war daher nötig, das Land die Kreuz und die Quer zu durchziehen. Wir besuchten beinahe jeden Ort in demselben und nahmen überall.die Gast- freundschaft der Kapuziner in Anspruch, wegen der schon Dr. R. A. Philippi-Santiago. 11 oben erwähnten Unsauberkeit der Herbergen, die auch oft ganz und gar fehlten. Ich muss den Kapuzinern in jeder Beziehung das beste Zeugnis geben. Sie nahmen uns freundlich auf, machten nie die geringste tadelnde Bemerkung über un- sern abweichenden Glauben. Sie erlaubten unserm Be- dienten in dieser Fastenzeit Fleischspeisen in ihrer Küche zu bereiten etc. Freilich konnten sie uns wenig Bequem- lichkeiten gewähren; ein jeder von uns bekam eine Mönchs- zelle, die nur ein Bett, einen kleinen Tisch und ein paar Stühle enthielt. Das Bett war wie das der Mönche, es bestand aus einem Strohsack, einer Rollmatratze, einem wollenen Pfühl und einer wollenen Decke. Betttücher waren in den meisten Klöstern nicht vorhanden, so dass wir, wie die Mönche, halbbekleidet schlafen mussten. Manchmal war auch in der Zelle kein Waschwasser. Unsere Ausflüge brachten es natürlich mit sich, dass wir die Hauptmahlzeit, meist die einzige warme, erst am Nach- mittage, gegen Abend, verzehrten. Das Essen wurde im Refektorium aufgetragen, dann setzten sich gewöhnlich ein paar Mönche zu uns um zu plaudern, da sie sehr be- gierig waren, etwas von der Welt ausserhalb Siciliens zu erfahren. Es war im Kloster von Sortino, das auch der Prior des Klosters oder Definitore, wie sie in Sicilien sagten, sich zu uns setzte und unter anderem frug, ob es noch viele Klöster in Preussen gebe. Als wir antworteten, die meisten seien aufgehoben, sagte er: „Euer König hat sehr wohl daran gethan, sie aufzuheben !* Ein Mönch, der Pater Luigi erkundigte sich nach einigen Thatsachen die im 16. Jahrhundert zur Reformationszeit vorgefallen waren und nun stellte sich die merkwürdige Thatsache heraus, dass in diesem tief im Innern des Landes und von jeder grösseren Stadt entfernten Klosters in der Bibliothek eine Menge der damals zwischen Luther und den andern Re- formatoren und den Gegnern der Reformation gewechselten Zeitschriften vorhanden waren und auch gelesen wurden. 12 Sicilien und Süd-Calabrien. Den Abend kamen gewöhnlich noch ein paar Mönche in die Hoffmann angewiesene Zelle, da dieser rauchte und sie auch gern rauchten, was gegen die Ordensregel war und nicht wohl geschehen konnte, da der Prior jeden Abend einen Rundgang durch das Kloster machte und am Jabaksgeruch gleich merken musste, wenn in einer Zelle geraucht wurde. Wir blieben 4 Tage in diesem Kloster, da wir gerade von hier aus nach allen Seiten hin Ausflüge zu machen hatten. So unter anderen nach dem wegen seiner Felsen- gräber berühmten Thal von Päntalica, wobei uns der Pater Erzengel (Archangelo) begleitete; er war ein Lustiger und hatte Augen die so stark rollten, wie ich je noch einmal bei einem Menschen gesehen habe, bei einem Herrn Luco in Santiago. Die Felsengräber befinden sich in einem engen Thal mit beinahe senkrechten Wänden von Kalkstein von etwa 30 bis 4o Fuss Höhe in sehr grosser Zahl. Mir machte es den Eindruck, als ob an einem senkrechten Flussufer eine Menge Uferschwalben ihre Nester gemacht hätten. Sie sind in horizontalen Reihen, deren man je nach der Lokalität 2 bis 5 zählt und so hoch angelegt, dass auch die untersten nur mit einer Leiter zu erreichen sind. Es sind viereckige Kammern, so lang oder so breit, dass eine Leiche bequem darin liegen kann. Eine mehrere Zoll hohe Erhöhung über dem Fussboden deutet die Stelle an, wo der Kopf der Leiche oder der Leichen, wenn deren mehrere in einer Kammer beigesetzt waren, gelegen hat. Die Höhe der Kammern mag etwa über einen Meter be- tragen haben. Vor der Kammer war der Felsen senk- recht behauen, so dass ein schmaler Vorplatz vor der Thür entstand, welche letztere quadratisch war und durch eine quadratisch behauene Steinplatte geschlossen werden konnte. Ich sollte meinen, dass die Felsengräber von Jeru- salem ganz ebenso beschaffen sein müssten und kann nicht begreifen, wie der Eingang in dieselben durch einen da- Dr. R. A. Philippi-Santiago. 13 vor gewälzten Felsblock verschlossen wurde. Der Pater Archangelo versicherte uns, dass sämtliche Gräber seit un- denklichen Zeiten ausgeleert und ausgeraubt wären. Auch von Gerippen ist keine Spur mehr vorhanden und nie- mand weiss, welcher alten Stadt diese Felsengräber als Begräbnisstätten gedient haben. Als wir von dieser Exkursion zurückkehrten, waren wir nicht wenig erstaunt, vor dem Kloster fünf Musikanten zu finden mit Geigen und Clarinetten, die uns mit Mär- schen und deutschen Melodieen empfingen. Es waren Bürger der Stadt, die durch eine seltsame Veranlassung bewogen, halb Europa durchzogen und selbst die Ver- einigten Staaten besucht hatten. Sie folgten uns in den Klosterhof und ihre Musik bewirkte, dass bald die Hälfte der Mönche um uns versammelt war, zu denen sich auch einige Einwohner des nahen Städtchens, die gerade in der Nähe waren, gesellten. (Ich bemerke, dass die Kapuziner- klöster stets in einiger Entfernung von den Ortschaften liegen). Die Musikanten spielten auch Tanzweisen und gaben die nötigen Erläuterungen dazu; besonders wunder- bar erschien ihren Zuhörern, was sie von den närrischen Walzern sagten, da das italienische Volk nur die von einem Paar ausgeführten Tänze kennt. Sie baten uns, ihnen zu zeigen, wie gewalzt würde; Hoffmann erklärte mich für eine Dame und walzte ein paar Mal mit mir herum, während Escher den wohlbeleibten Pater Erzengel herumwirbelte, so gut es ging, was zum grossen Staunen und Vergnügen der Umstehenden diente. Jetzt wurden wir zum Essen gerufen und die Musikanten folgten uns in das Refektorium und machten Tafelmusik. . Es ist vielleicht das einzige Mal gewesen, dass in einem Kloster der Kapuziner, weltliche, lustige, selbst Tanzmusik ertönt hat. Niemand nahm Anstand daran; wie man denn auch in den Kirchen und bei Prozessionen viel häufiger Oper- arien und andere weltliche Musik als die ernste Kirchen- musik hörte. Besonders beliebt waren zu der Zeit „Wir 14 Sieilien und Süd-Calabrien. winden dir den Jungfernkranz“ und andere Melodien aus dem „Freischütz“. — — Ich kehre nun nach Sortino zurück. In keinem Kloster sind wir so lange gewesen, wie in. dem von Sortino und dies machte, dass wir mit den Mönchen in ein sehr befreundetes und vertrauliches Ver- hältnis traten. Der Pater Archangelo wollte uns bereden, noch einen Tag länger zu bleiben und sagte u.a. er wolle uns eins der schönsten Mädchen zeigen, die in Sicilien existierten; sie sei erst etwas über ıı Jahre alt, aber schon vollständig entwickelt und befinde sich zur Erziehung im Nonnenkloster der Stadt, dessen Beichtvater er sei.- Die Nonnen sollten uns mit einer guten Chokolade bewirten und dann das Mädchen rufen, die freilich hinter dem Gitter des Beichtzimmers bliebe und wir könnten sie nach Herzenslust betrachten. Freilich wäre das Gitter zu eng, als dass man einen Kuss hindurch geben könnte; wir lehnten aber sein Anerbieten dankend ab. — Es wird be- kanntlich behauptet, dass in Sicilien die Mädchen sehr früh reif werden und dies ist wirklich der Fall. Wir haben zwei Mal Mütter von ı2 Jahren gesehen. — Der öffentliche Unterricht war im Königreich beider Sicilien in jeder Beziehung erbärmlich. Ich will einige ergötzliche Beispiele anführen. In Syracus lernten wir einen Doktor Francesco Mure kennen, der in Catania seine medizinischen Studien gemacht hatte. Er fragte mich eines Tages, ob die Sachsen noch immer in Felshöhlen lebten. „Wie kommen Sie zu dieser sonderbaren Idee?“ erwiderte ich. Er: „Nun, sie heissen ja doch sassoni, weil sie in sassi (Singular sasso = das lateinische saxum) wohnen“. — Ein anderer Herr in Syracus behauptete einmal, im dortigen Hafen ein schweizerisches Schiff gesehen zu haben. Freund Escher erläuterte ihm, warum dies unmöglich der Fall gewesen sein könne und nach vielem Hin- und Her- reden entdeckten wir, dass das Schiff ein schwedisches gewesen war. Ein ander Mal wurde ich gefragt, ob Preussen wohl so gross sei, wie das Königreich Neapel, Dr. R. A. Philippi-Santıago. 15 und der Frager wollte mir nicht glauben, dass es doppelt so gross und darüber gross sei. Auch bin ich einmal von einem Zollbeamten, mit dem ich im Kaffeehaus in ein Gespräch gekommen war, gefragt, wie viel Tribut der König von Preussen an den Kaiser von Österreich be- zahlen müsse. Ich habe schon gesagt, dass die botanischen Kenntnisse des Professors der Botanik an der Universität Catania nur sehr mässig waren. Bei meinem zweiten Aufenthalt in Neapel lernte ich auf einer Reise in Ca- labrien Don Carlo Parentino, den Professor der Botanik an der Universität Catanzaro, kennen, einen noch jungen, sehr liebenswürdigen Mann, mit dem ich in wenigen Tagen sehr befreundet wurde. Wir machten eines Tages einen Ritt nach einem ein paar Meilen entfernten Steinbruch, bei einem Städtchen, dessen Namen mir entfallen ist. Das Gestein ist höchst merkwürdig. Ein grosskörniges Ge- menge von schneeweissem Kalkspat und dunkelgrünem Serpentin, das zu hübschen kleinen Säulen und anderem etc. verarbeitet wird. Als wir durch das Städtchen ritten, machte mich Don Carlo auf ein paar Frauenzimmer auf- merksam, die auf einem Balkon standen und die er grüsste. Er sagte: sie seien sehr erfahren in der Toxicologie! Wir waren keine zehn Minuten von Catanzaro entfernt, als er mich nach dem wissenschaftlichen Namen einer Distel fragte, die am Wege stand und in ganz Süd-Italien häufig vorkommt. Dem Professor der Botanik war derselbe un- bekannt. Von ihm erfuhr ich auch gelegentlich, dass die Studenten alle interne seien, sich geistlich kleiden mussten und von Zeit zu Zeit wie kleine Kinder von einem geist- lichen Inspektor spazieren geführt wurden. Man begreift den Zustand des Unterrichtes, wenn man bedenkt, dass derselbe ganz in den Händen der Geistlich- keit lag, die ja selbst heute noch verlangt, der Geist müsse fare il sacrifizio del intelletto, das Opfer seiner Vernunft bringen, ja nicht selbst denken, obgleich die Vernunft es ist, die den Menschen wesentlich vom Tier unterscheidet, nicht der abweichende Körperbau. Man stelle einen Pa- 16 Sicilien und Süd-Calabrien. vian neben einen Chimpanse und Jedermann wird sagen, der körperliche Unterschied dieser beiden Affen ist viel grösser, als der zwischen dem Chimpanse und dem Men- schen und es ist daher zu begreifen, dass die Darwinisten behaupten, sie hätten mit dem Affen einen gemeinsamen Ahnherrn. In Palermo wurde ich mit dem österreichischen Generalkonsul, Herrn von Laurin, bekannt, der mir mehrere interessante und dem Publikum unbekannte Aktenstücke mitgeteilt hat. Als nach dem Sturz Napoleons der König von Ne- apel wieder von Sicilien nach dem festen Lande zurück- gekehrt war, und von demselben Besitz genommen hatte, hatte er eine Kommission niedergesetzt, welche über den Zustand des öffentlichen Unterrichts in seinem Reiche und über die Mittel denselben zu verbessern und seinen Übel- ständen abzuhelfen, berichten sollte.e Die Kommission be- stand, wie natürlich, fast ausschliesslich aus Geistlichen. Ihr Präsident war der Bischof von Pozzuoli. Diesen Be- richt habe ich in Händen gehabt und seiner Zeit abge- schrieben. Leider ist mir die Abschrift sowie meine Tage- bücher, in denen ich sorgfältig Tag für Tag aufgeschrieben hatte, was ich gethan, gesehen, gehört hatte, in dem Brande, der November 1863 das Wohnhaus auf meinem Landgut San Juan, in der Provinz Valdivia, mit sämtlichen Neben- gebäuden in Asche legte, zu Grunde gegangen. In dem- selben hiess es: die Regierung solle ja keine Schulen in den Dörfern und auf dem Lande errichten, denn wenn das gemeine Volk lesen könnte, würde es sehr empfäng- lich sein für die Flugblätter und Schriften der Carbonari, Jakobiner und anderer Revolutionäre und daher leicht zu Empörungen und Widersetzlichkeiten gegen die Regie- rung aufgestachelt werden können. Auch in den Städten müssten die Schulen streng überwacht werden und wenn es leider nicht möglich sei, die Errichtung von Privat- schulen zu verbieten, so müssten diese besonders streng überwacht werden. Die Kirche müsse die Aufsicht über Dr. R. A. Philippi-Santıago. 7 den Unterricht übernehmen, sie allein könne den Staat gegen die Wirkungen der Irrlehre beschützen etc. etc. Daher ist es kein Wunder, wenn in den Staaten, die der Kirche diese heilsame Aufsicht übertragen haben, wie dies in Italien und Spanien der Fall war, mehr als drei Viertel der Einwohner weder lesen noch schreiben konnten ; aber wie geht es zu, dass gerade in den Staaten, in denen die Kirche diese heilsame Überwachung ausübte, so viele Versuche zu Revolutionen, Empörungen, Pronunciamente u. s. w. stattgefunden haben, während die Länder, in denen der grösste Teil der Einwohner lesen und schreiben können ganz und gar davon verschont geblieben sind? — — Im Dezember 1839, bei meinem zweiten Aufenthalt in Neapel, wurde mir mein jetzt noch lebender Sohn ge- boren, beiläufig gesagt, während einer heftigen Aschen- eruption des Vesuvs und unter den Detonationen des Vulkanes. Der Zustand meiner Frau machte eine Amme nötig. Die erste, die mir empfohlen war, musste ich nach wenigen Tagen, kurz vor Weihnachten, fortbringen; sie sagte mir: „Mangiare zeppole en la semana santa di Natale, questo € la nostra religione“. (Zeppole ist eine Art Gebäck oder Kuchen). — — Justizverwaltung. Als im Jahre 1806 die Franzosen Neapel eroberten und der König nach Sicilien flüchtete, fanden auf der Insel noch ganz mittelalterliche Zustände statt und die Justiz- verwaltung lag ganz im argen, besonders auf dem Lande, das ganz und gar dem Adel und der Geistlichkeit ge- hörte. Die grossen Barone hatten die volle Gerichtsbar- keit über ihre Unterthanen, selbst das Recht, Todesstrafe zu verhängen. Da sie die Richter selbst ernannten, war in Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Unterthan und dem Grundherrn kein unparteiischer Urteilsspruch möglich. Die Räuberbanden waren sehr häufig. Mit diesen Zu- 2 18 Sieilien und Süd-Calabrien. ständen wurde nun glücklich aufgeräumt, die Richter von der Regierung ernannt, die Insel in Intendencias (Pro- vinzen) geteilt, in jeder ein Obergericht eingesetzt und in der Hauptstadt Palermo ein Oberappellationsgericht. Die Ansichten und übelen Gewohnheiten der Menschen konnten damit freilich nicht geändert werden; aber es war doch immer ein unendlicher Fortschritt gegen frühere Zeiten. Die Richter wurden zuvörderst zur Probe auf zehn Jahre. ernannt. Diejenigen, welche sich während dieser Zeit untadelhaft gezeigt hatten, sollten aber lebenslänglich angestellt werden. | Ich habe durch Herrn von Laurin d Bericht des neapolitanischen Justizministers an den König über den Erfolg der neuen Gerichtsorganisation gelesen. Es heisst darin: „Ich bedaure Ew. M. sagen zu müssen, dass sich nur wenige Richter (die Zahl habeich vergessen) zu einer lebenslänglichen Anstellung geeignet gezeigt haben.“ Ich habe vielfache Klagen über Bestechlichkeit der Richter nicht nur bei meinem ersten Aufenthalt in Italien, sondern auch bei meinem zweiten in den Jahren 1838—40 gehört. Wenn ein armer Advokat zum Richter ernannt wird, so hiess es: in wenigen Jahren wird er ein eigenes Haus und Equipage haben. Bäcker und Fleischer finden es in ihrem Interesse, ihn umsonst mit Brot und Fleisch zu ver- sorgen. Am Ende des Jahres ı83ı oder Anfang des folgen- den fuhr ich in. der Landkutsche von Catania nach Pa- lermo. Wir waren vier Reisende; ein Gutsbesitzer von Sentini, der mit Mundvorrat für die ganze Reise versehen war, darunter eine ganze sauergekochte Gans, ein Fran- ziskaner, der sein Kaffeemaschinchen mit sich führte und ein Notar von einem Dorf am Fuss des Ätna und ich. Auf dieser Reise habe ich Gelegenheit gehabt zu sehen, wie sparsam die Leute sind und wie wenig ein Gastwirt von ihnen verdienen kann. Für ein überzogenes Bett be- kam er anderthalb Carlini gleich 50 Pfennige. Der Notar verlangte ein Bett ohne Leinzeug und schlief in seinen Dr. R. A. Philippi-Santiago. 19 Kleidern; er bezahlte nur einen Carlin = 331/3 Pfennige. Ich, als Fremder, musste zwei Carlin bezahlen gleich 67 Pfennige. Da der Gutsbesitzer überflüssigen Mundvor- rat mit sich führte und bereitwillig davon mitteilte, so wurden zum Essen nur ein paar Grerichte verlangt, deren Bezahlung im Verhältnis zum Preise der Betten stand. Der Franziskaner versorgte uns mehrmals mit Kaffee. Irgend welche Bequemlichkeit war natürlich in diesen Gast- höfen nicht zu finden, aber sie waren wenigstens reinlich. Einmal regnete es so stark, dass wir um Mittag nicht weiter fahren konnten. Das Zimmer, welches uns ange- wiesen wurde, hatte keine Fenster mit Scheiben, sondern nur Fensterladen und der Wind hatte den Regen in das Zimmer getrieben, so dass eine grosse Wasserlake auf dem Fussboden war. Eine Magd musste kommen und mit Tüchern das Wasser entfernen und es wurde eine Lampe hereingebracht, da es nach Schliessung der Fenster- läden im Zimmer stockfinster gewesen wäre. Der Guts- besitzer hatte die Mahlzeit, die wir immer gemeinsam ein- nahmen, auf den Abend bestellt. Ich hatte Hunger, mochte aber nicht etwas besonders für mich verlangen und da kam mir der Zufall zu Hülfe. In dem Gasthaus waren auch mehrere Fuhrleute eingekehrt, die Wagen nach dem Innern zu führen hatten und in dem grossen gewölbten Stall an dem gemauerten Tisch in der Ecke ein Gericht Linsen und ein zweites von Blumenkohl verzehrten. Als ich zufällig in den Stall kam, luden sie mich freundlich ein, mitzuessen, was ich ihnen natürlich nicht abschlug. Auf der 4!/j2 Tag dauernden Reise wurden wir natürlich sehr bekannt miteinander. Der Notar erzählte, er habe einen Prozess wegen eines Grundstückes, der jetzt in zweiter Instanz in Palermo schwebe und den er in erster Instanz verloren habe; er hoffe aber, ihn in der Appelation zu ge- winnen. Der Prozess habe ihm schon an tausend Thaler gekostet. Ich fragte ihn, wie viel denn das (arundstück wert sei. Er meinte, die Prozesskosten wäre es freilich nicht wert, aber man müsse doch sein Recht verfechten. DE 20 Sicilien und Süd-Calabrien. Tutti gli Italiani sono (fan) cosi. Der Gutsbesitzer reiste auch wegen eines Prozesses nach Palermo und sprach nicht gut selbst von den höheren Richtern. Er erzählte von einem Prozess, wo es sich nach dem Aussterben eines fürstlichen oder herzoglichen Hauses darum gehandelt hätte, wem die Erbschaft zukäme und behauptete, der Erbe, dem diese zugesprochen war, sei nicht der berechtigte, habe aber den Prozess dadurch ge- wonnen, dass er jedem Richter 3000 Dukati, dem Präsi- denten aber 6000 Dukati zugeschickt habe. (Der Dukato ist nur Rechnungsmünze und gleich 5le eines spanischen Thalers = 3!/s Mark.) Vielleicht ist der Richterspruch gerecht und die Bestechung nur eine Verleumdung gewesen, aber die Erzählung beweist doch, was man selbst den höher gestellten Richtern zutraute. ' Eben fällt mir ein Geschichtchen ein, welches in dieses Kapitel einschlägt. Im Jahre 1839 fuhr ich mit der Post von Calabrien aus nach Neapel und hatte eine Strecke lang die Gesellschaft eines neu ernannten Richters, der Besitz von seiner Stelle nehmen wollte. Ich habe es mit- angehört, wie er den Kondukteur der Post bat, ihm seine Privatbriefe gratis zu befördern; die Mitreisenden fanden, dass dies ein sehr natürliches Begehren sei. Bestrafung der Verbrecher. Als nach dem Sturz Napoleons der König von Neapel wieder in seine Hauptstadt von Neapel zurückgekehrt war, wurden viele von den Franzosen eingeführte Verbesserungen beibehalten, so z. Beispiel das Zivilstandsregister und habe ich selbst den Tod eines Kindes und die Geburt eines anderen in das Zivilstandsregister müssen eintragen lassen. Auch wurde die Aufhebung des Forum der Geistlichen beibehalten und die etwa von einem Geistlichen begangenen Verbrechen, wie die eines jedenanderen Menschen, vor den gewöhnlichen Richter gebracht; allein es wurde doch ein Ausweg gefunden, um die Verbrecher geistlichen Standes Dr. R. A. Philippi-Santıago. 231 gelinder zu bestrafen, als die zum Laienstande gehörigen. Es wurde nämlich das Gesetz gegeben, dass ein jedes über einen Geistlichen gefällte Strafurteil einer besonderen Kommission, die natürlich fast nur aus Geistlichen bestand, zur Revision vorgelegt werden müsse. Diese Kommission milderte nun fast immer die vom Richter verhängten Strafen. Mir sind zwei auffallende Beispiele davon be- kannt geworden. Eines Tages besuchte ich in Neapel den Kanonikus Montizelli, den Verfasser der bekannten und geschätzten Lithologia Vesuviana. Wir sassen am Fenster und plauderten. Plötzlich rief er: „Sehen Sie mal den Mann da unten auf der Strasse an, der so und so gekleidet ist. Es ist dies ein Geistlicher, der vor einer nicht sehr langen Reihe von Jahren seinen Oheim vergiftet hat, um ihn zu beerben und jetzt frei herumläuft und den Kopf so hoch hält, wie der beste Ehrenmann, ungeachtet das Gericht ihn zum Tode verurteilt hat“. „Wie ist das möglich ?“ fragte ich. Und er erklärte es mir nun. Erstlich hat das Revisionstribunal die Todesstrafe in Zuchthausstrafe für 30 Jahre gemässigt und dann sind die Gnadenakte gekommen, welche der König jedesmal, wenn ihm ein Prinz oder eine Prinzessin geboren wird über sämtliche in den Gefängnissen sich be- findende Verurteilte ausspricht. So wurden z. B. einem zu 30 Jahren Verurieilen ıo Jahre geschenkt, einem zu 20 Jahren Verurteilten 5 Jahre und so herunter. Da nun ihre Majestät die Königin jedes Jahr das Land durch die Geburt eines Prinzen oder einer Prinzessin erfreut, so kommt es, dass nach 6 oder 7 Jahren ein zu der längsten Haft verurteilter Verbrecher vollständig begnadigt und in Freiheit gesetzt wird. Als ich im Jahre 1838 nach Neapel kam, hörte ich viel von folgendem Vorfall reden: In der Nähe des Städtchens Arpino, dem Geburtsorte Ciceros, hatte sich eine Räuber- bande gebildet, der die Polizei lange nichts anhaben konnte, da sie immer Nachricht erhielt von den zu ihrer habhaft werdenden getroffenen Massregeln. Ihre Frechheit ging 22 Sieilien und Süd-Calabrien. so weit, dass sie zuletzt einen der angesehensten Einwohner des Städtchens wegfingen, ihn in die Berge schleppten und ein sehr bedeutendes Lösegeld forderten, widrigenfalls sie ihr Opfer töten würden. Fast die ganze Bevölkerung war darüber empört und eine Menge Bürger bewaffneten sich, um im Verein mit den Gendarmen die Räuber’ ge- fangen zu nehmen. Als sie nahe an den Ortkamen, wo- hin das Lösegeld gebracht werden sollte, töteten die Räuber kaltblütig ihr Opfer und fingen an, auf die anrückende Menge zu feuern. Diese antworteten mit solchem Erfolg, dass ein paar der Räuber fielen, der eine tod, der andere schwer verwundet, worauf die übrigen die Flucht ergriffen. In dem Verwundeten wurde der Bruder eines Mönches des vor der Stadt Arpino gelegenen Kapuzinerklosters erkannt und die gerichtliche Untersuchung gegen die Ein- wohner des Klosters gerichtet, woraus sich ergab, dass das Kloster die Diebeshöhle der Bande war, deren übrige Mitglieder nun leicht verhaftet werden konnten. Sie wurden zu strengen Strafen verurteilt. Ein Mönch sogar zum Tode, andere zu langjährigen Zuchthausstrafen. In Neapel berechnete man nun, dass in wenig Jahren die Missethäter wieder frei herumgehen würden.. Einmal, weil das geist- liche Revisionstribunal die über die geistlichen Mitglieder der Bande verhängten Strafen herabgemindert hatte und dann die Strafen wieder bei der Geburt eines Prinzen oder einer Prinzessin im gebräuchlichen - Gnadenwege herabgesetzt und zuletzt ganz erlassen werden würden. — — Ich komme nun zur | Öffentlichen Sicherheit. Sie wär bei meiner ersten Reise nach Italien in Si- cilien so vollkommen, wie im bestregierten Staat; aber sie war .auf eine eigentümliche Weise erhalten.: In jeder der sieben Provinzen. der Insel. war sie an den Mindestfor- dernden verpachtet worden, der natürlich eine sehr be- deutende Caution ‚hinterlegen musste, nicht nur für Raub- Dr. R. A. Philippi-Santiago. 23 anfälle auf dem Lande, sondern auch auf Diebstähle in den Städten, und wenn irgend ein Raub oder Diebstahl stattfände, den Schaden ersetzen und alles thun musste, die Übelthäter zu ermitteln und gefangen zu nehmen, wozu er freilich freie Hand hatte. Man sagte mir, dass mehrere dieser Pächter der öffentlichen Sicherheit früher- hin die Anführer von Räuberbanden gewesen seien und die waren deshalb wohl sehr geeignet, die Leute, welche etwa rauben oder stehlen wollten zu kennen und zu ver- haften. Leider dauerte dieser Zustand nicht lange. Als ich im Jahr ı839 Sicilien wieder besuchte, war die Un- sicherheit auf dem Lande wieder so gross, wie je und zwar aus folgenden zwei Ursachen: Einmal hatte die Regierung die sonderbare Verpachtung der öffentlichen Sicherheit aufgegeben und statt dessen das auf dem Festlande üb- liche System der Grendarmerie, das ganz: vortrefflich war, eingeführt, aber festländische Grendarmen hinschicken müssen. Nun hat seit der sicilianischen Vesper eine Art Hass zwischen den Sicilianern und den festländischen Neapolitanern bestanden Die gemeinen Sicilianer nannten häufig die Neapoli- taner Cacca porti, was ich wohl nicht zu übersetzen brauche, und so fanden die Gendarmen bei der Nachforschung nach Verbrechern u. s. w. in der Bevölkerung nicht nur gar keine Unterstützung, sondern im Gegenteil Feindseligkeit. Es ist vorgekommen, dass ein Bauer, als er einen Gen- darmen in sein Dorf einreiten sah, seinem Sohn gesagt hat: „Da kommt wieder solch eine Caccuzza, schiesse sie nieder“, was der gehorsame Sohn auch that. Worauf er dann indie Berge floh und als Bandito (Gebannter) darin so lange blieb, bis Gras über die Sache gewachsen war: Weit schlimmer war aber zweitens das Schwefelmono- pol. Es hatte sich in Frankreich eine Gesellschaft ge- bildet, jetzt nennt man das ein Syndikat, um den Handel mit sicilianischem Schwefel, der bei weitem den grössten Teil des Bedarfes liefert, zu erwerben. Sie erboten sich, der neapolitanischen Regierung jährlich eine sehr bedeu- 24 Sicilien und Süd-Calabrien. tende Summe zu bezahlen, wenn die Regierung die Ge- winnung des Schwefels monopolisieren und ihnen über- tragen wolle. Die Idee, ohne alle Kosten eine reiche Ein- nahmequelle zu erhalten, war bestechend und wurde da- durch noch unterstützt, dass die Gesellschaft, wie man mir erzählt hat, den Finanzminister und den Beichtvater des Königs durch reiche Geldgeschenke für ihre Idee gewann. Man sagte, der erste habe 40.000, der zweite 20.000 Du- kati bekommen. Dies erinnert an das Verfahren beim Panamaschwindel. Die Gesellschaft bekam also das Mo- nopol. Ihre Agenten kauften nun zum gewöhnlichen Preise allen Schwefel in den Magazinen der Kaufleute und ebenso den aus den Bergwerken herausgebrachten Schwefel auf; verboten dann aber die weitere Förderung desselben aus den Gruben für die nächsten sechs Monate oder noch länger. Die Folge war natürlich, dass der Schwefelpreis in Europa in die Höhe ging; aber für Si- cilien wurde es die grösste Kalamität. Die Besitzer der Schwefelgruben, von denen manche hauptsächlich vom Er- trage derselben lebten, hatten nun keine Einnahmen mehr von denselben, mussten sich sehr einschränken und darben. Die Arbeiter in den Gruben waren nun für längere Zeit ganz brotlos, ebenso die zahlreichen Maultiertreiber, welche sonst den Schwefel von den Gruben nach den Küsten- plätzen führten und auch in den Hafenplätzen fehlten die Schiffe, die diesen Artikel ausführten. Kein Wunder, wenn aus fleissigen Arbeitern jetzt Räuber wurden, die die Strassen unsicher machten. — — Fremde waren in weniger Gefahr, wenn sie nicht etwa durch reiche Kleidung etc. die Räuber in Versuchung führten, oder sehr unvorsichtig waren. Ein Bekannter von mir, der Geologe Abich, der später in russische Dienste ging und der erste war, der den Ararat bestiegen hat, machte zu dieser Zeit eine wissenschaftliche Reise durch Sicilien, nur von einem Maultiertreiber begleitet. Er kam auf dieser Reise in die Mitte des Bezirkes, in dem die Schwefelgruben liegen. Eines Nachmittages um drei Uhr Dr. R. A. Philippi-Santiago. 25 kam er bei einer Schenke vorbei, in der mehrere Leute sassen und fühlte das Bedürfnis, sich auch etwas zu er- frischen. Er stieg von seinem Maultier ab, liess sich etwas Wein, Käse, Obst geben und als er bezahlen wollte, fand er erst, dass er kein Geld in der Tasche hatte Er liess nun einen Koffer vom Maultier herunter nehmen, öffnete ihn vor den Augen der Leute, nahm eine Rolle von spanischen Piastern heraus (der einzigen grossen Sil- bermünze, die es im Königreich beider Sicilien gab) und bezahlte nun seine Zeche. Während er nun seinen Wein trank, hatte er sich nach dem Namen der nächsten Schwefel- gruben, nach deren Ertrag, Besitzer etc. erkundigt, und dieses aufnotiert. Bei den Leuten war dadurch der Ver- dacht entstanden, er sei einer der Agenten der Schwefel- monopolkompagnie und führe viel Geld bei sich. Nach- dem er eine Stunde weiter geritten und in einen kleinen Hohlweg gekommen war, traten ihm plötzlich bewaffnete Leute in den Weg. Er kletterte den steilen aber sehr kurzen Abhang des Hohlwegs hinauf, erblickte in kurzer Ferne Leute auf dem Felde, lief auf diese zu und war geborgen. Sein ehrlicher Maultiertreiber wollte das Gut seines Herrn nicht gleich herausgeben und in dem Streit mit den Räubern büsste er das Leben ein. Die Räuber wurden von der Polizei ermittelt, eingefangen und hinge- richtet. | Der Benediktinerpater Barnaba La Via vom Kloster in Catania, der die Verurteilten zum Schaffott begleitet hatte, hat mir die Geschichte mit allen Umständen er- zählt. Späterhin besuchte Abich die höchst interessante vulkanische Gegend der Rocca Mon fina bei Capua und zwar mit meinem oben vielfach erwähnten Tobia. Er hatte die schlechte Gewohnheit, am Morgen spät aufzu- brechen und konnte dann oft erst mit Einbruch der Nacht wieder im Quartier sein. Tobia erzählte mir, Abich habe auf dieser Exkursion, sobald es dunkel wurde, eine Pistoleherausgezogen und sei dann, diese weit vorstreckend, 26 Sicilien und Süd-Calabrien. marschiert, was ihm höchst überflüssig und komisch vor- gekommen sei. Wenn die Kompagnie des Schwefelmonopols, die so grosses Unheil über Sicilien gebracht hat, in der ersten Zeit grosse Gewinnste realisierte, so dauerte dies nicht lange. Einmal konnten nun kleinere Ablagerungen von Schwefel an verschiedenen Orten Europas ausgebeutet werden, deren Ertrag früher bei den wohlfeilen Schwefel- preisen die Kosten der Grewinnung nicht gedeckt hätte. Zweitens konnten die Chemiker jetzt die Schwefelsäure aus den Kiesen häufiger benutzen, die bei wohlfeilen Schwefelpreisen nicht mit der gewöhnlichen Schwefel- säure konkurrieren konnten, und auch sonst den Gebrauch des Schwefels einschränkten. Nun fielen die Preise dieses Artikels wieder und die Gesellschaft des Monopols machie Bankerott. — — Ich schliesse dies Kapitel über die öffentliche Sehe heit in Sicilien mit der Bemerkung, dass ı839 der Ge- heimbund der Maffia noch nicht existierte und gehe nun zur Erzählung dessen über, was ich bei meinem zweiten Aufenthalt in Italien, in Calabrien und Apulien gesehen und nicht etwa schon gelegentlich bemerkt habe. Dieser zweite Aufenthalt wurde durch den Zustand meiner Ge- sundheit veranlasst und da meine Krankheit allen Ärzten lange Zeit ein Rätsel geblieben, erlaube ich mir, von ihr zu reden: Im Winter 1836—37 herrschte in Deutschland eine Epidemie der Grippe oder Influenza, wie man jetzt sagt. Ich bekam im Februar einen heftigen Anfall derselben, genas aber bis auf eine Heiserkeit, die beinahe zwei Jahre . anhielt. Im Sommer 1837 bekam ich dreimal in kurzer Zeit einen Blutsturz aus dem Halse, der mich mit seinen Folgen auf das Krankenlager warf. Sechs Wochen lang habe ich an Herzklopfen gelitten und mich niemals in däs Bette gelegt ohne den Gedanken, ich würde .den andern Morgen eine Leiche sein. Ich genas aber auch hiervon und wurde wieder so wohl, dass ich glaubte, mit Dr. R. A. Philippi-Santiago. ar dem Oktober wieder meinen Unterricht übernehmen zu können. Von dem ersten Blutsturz an hatte ich aber beständig Blut gespieen. Beijedem Räuspern und Ausspucken war ein Blutstropfen und mit der Kalten Jahreszeit nahm dies zu und ich musste den Unterricht aufgeben. Die Ärzte in Kassel erklärten meine Krankheit für beginnende Hals- schwindsucht und prophezeiten ein schlechtes Ende. In dieser Zeit machte meine Frau — ich war seit ı. Januar ı836 verheiratet — eine Erbschaft von etwa ı 100 Thalern. Sie sagte nun zu unserem Arzt, ob ich nicht vielleicht genesen könnte, wenn ich längere Zeit in einem wärmeren Klima zubrächte ,‚„Ja“, war die Antwort, „wenn Ihre Mittel Ihnen das erlauben; es ist das einzige, was Ihren Mann vielleicht retten kann.“ Der Oberbergwerksdirektor Schwedes, der damals die höhere Gewerbsschule in Kassel, an der ich Lehrer war, leitete, sagte mir: „Wir können Ihnen Urlaub auf ein Jahr mit Beibehaltung Ihres Gehaltes geben (der da- mals 500 Thaler betrug). Wenn Ihre Gesundheit nach Verlauf desselben noch nicht vollständig: wieder hergestellt ist, so kommen Sie um Verlängerung desselben ein und ich hoffe Ihnen dann noch ein zweites Jahr Urlaub geben zu können.“ Ich brauche nicht zu sagen, dass ich mit 500 Thalern Grehalt nicht hätte heiraten können, aber meine Frau hatte von ihrem mütterlichen Vermögen jährlich 700 Thaler, Immerhin wäre die Summe von ı200 Thalern nicht hin- reichend gewesen, um davon in Nizza oder der Riviera von Genua zu leben, umsomehr, da wir damals ein elf- jähriges Kindchen hatten. — Ich beschloss daher, nach Neapel zu gehen, wo, wie ich wusste, das Leben sehr wohlfeil ist und wo ich hoffen durfte, meine Studien über die dortige Meeresfauna fort- setzen:' zu Können. .:. Den: 8.: April 1838: reisten: wir mit einer tüchtigen Magd mit einem 'Hauderer von Kassel ab, der uns bis München bringen sollte. Ich hatte bis dahin 98 Sicilien und Süd-Calabrien. fortwährend Blut gespieen, war recht elend, nervös. Von dem Augenblick an, wo ich im Wagen sass, hat das Blut- speien aufgehört, ungeachtet überall noch Schnee lag, bis in. das Mainthal, und die Luft recht rauh war. Wie war das zu erklären? In Neapel angekommen, wollten wir uns eine eigene kleine Wirtschaft errichten. Am ersten Morgen, nach der Ankunft, ging ich zu dem Ende aus und traf sehr bald auf der Strasse einen alten Bekannten, den Maler Götzlaff, Hofmaler der Königin-Mutter, der sehr verwundert war, mich wiederzusehn und dem ich mein Anliegen eröffnete. „Das trifft sich ja herrlich“, sagte er. „In dem Haus, wo ich wohne, ist ein Stock- werk freigeworden, das Ihren bescheidenen Ansprüchen genügen wird und wohlfeil ist. Es hat noch dazu eine herrliche Lage in der Riviera Chiaja, freilich ziemlich ent- fernt vom Mittelpunkt der Stadt. Diese Strasse ist sehr breit, hat aber nur auf der Landseite Häuser; auf der See- seite ist der lange schmale Park, die sogenannte „Villa reale“, die durch eine niedrige Mauer vom Meeresstrande getrennt ist.“ Das Haus war ein Eckhaus mit sehr schmaler Front. Die zweite Seite des Hauses ging auf eine enge Gasse, die sich in die Höhe zog und hauptsächlich von Fischern bewohnt war. Das Haus gehörte zwei Damen in den reiferen Tahreh Herzoginnen von Avalos, aber von bescheidenen Ein- künften. Die eine derselben war mit einem Grafen Cestari . di Scapoli, Kapitän in der königlichen Leibgarde, verhei- ratet. Sie war über die Jahre hinaus, in denen die Frauen Kinder bekommen, aber sie bildete sich ein, in andern Umständen zu sein, kaufte Kinderwäsche, die sie zum Spass und zum Skandal der Vorübergehenden auf den Balkonen, vor ihren Fenstern, aushängte und machte manches andere närrische Zeug. Sie bewohnten das zweite und dritte Stockwerk. Im Erdgeschoss wohnte ein Bäcker, der noch eine Handmühle besass und ab und an noch benutzte. Er hatte nur einen Gesellen. Im vierten Stock Dr. R. A. Philippi-Santiago. 29 wohnte mein Freund, der Maler, der mit einer jungen Deutschen verheiratet war, und die erste Etage konnte ich für ein Billiges mieten. Ich bemerke hier gleich, wie die Miete bezahlt wurde. Als der erste Monat vorüber war undich meine Miete bezahlen wollte, wie es in Deutschland üblich ist, sagte mir Freund Götzlaff noch zur rechten Zeit: „So macht man das hier nicht. Sie müssen das Geld auf der Bank einzahlen und dabei bemerken, es sei für die Miete des ersten Stockwerks in dem Hause Nr. — der Riviera Chiaja, welches den Herzoginnen Avalos etc. gehörte und von Ihnen gemietet sei. Hierüber giebt Ihnen die Bank eine Quittung mit allen diesen Angaben und diese Quittung geben Sie dem Herrn Grafen Cestari diScapoli, der dann das Geld auf der Bank erhebt!“ Auf diese Weise ist freilich irgend ein Betrug unmöglich, aber es ist doch charakteristisch, dass man einen solchen für recht gut möglich halten konnte. Die hohen Damen hatten keinen Dienstboten, aber alle Morgen kam Isidor, ein Badenser, der in der Schweizergarde gedient hatte und in der Nähe wohnte und verheiratet war. Er machte die Betten, reinigte die Zimmer, besorgte auch das Essen und ging um 6 Uhr Abends wieder nach Hause. Als deutscher Landsmann wurde er mit unserer deutschen Magd bekannt und konnte manches erzählen. Die Hauswirtschaft ist in Neapel viel einfacher, als in Deutschland. Früh Morgens werden Ziegen oder Kühe durch die Strassen getrieben und vor den Augen der Mägde gemolken. Man erhält daher nur ungewässerte Milch. Leute, die ein paar Stock hoch wohnen, lassen oft einen Henkeltopf an einem Strick- lein herunter, auf dessen Grund sie Geld legen, dessen Betrag anzeigt, wie viel Milch sie haben wollen und ziehen dann den gefüllten Topf in die Höhe. Andere Haus- frauen machen sich’s noch bequemer. Sie schicken in das nahe Kaffeehaus und lassen sich den Kaffee mit Zucker und Milch versehen und das zum Kaffee gehörige Brot bringen und sparen so die Mühe, Feuer anzumachen und den Kaffee selbst zu bereiten. 1 30 Sicilien und Süd-Calabrien. Es ist oft genug beschrieben, wie in Neapel alle Be- dürfnisse der Haushaltung, Kohlen, Holz, Wasser, Ge- müse, Butter, Fisch, Fleisch, grüne Gemüse, Obst auf den Strassen verkauft werden. Alles mit dem grössten Ge- schrei, z. B.: „Welche herrliche Apfelsinen, es sind wahr- haft königliche Apfelsinen !“ Im Hause, wo ich wohnte, war ein Brunnen, aber das Wasser war nicht trinkbar, sondern konnte nur zum Aufwaschen etc. gebraucht werden Das Trinkwasser musste von einem öffentlichen Brunnen, der fast eine Viertelstunde entfernt war, geholt werden, was unsere Magd: dienstwillig besorgte; da sie sauberer gekleidet war, als die neapolitanischen Mägcde, die Weiber der Fischer u. dgl. Volk zu sein pflegen, so wurde sie von diesen Personen als eine Art Respekts- person betrachtet und Madama tituliert, was ihr grossen Spass machte. Sie fand sich vortrefflich in die unge- wohnte Lebensweise und lernte bald Italienisch. Ich muss nachholen, wie wir uns einrichteten. Ich kaufte nur die allernotwendigsten Möbel, wobei ich hauptsächlich auf Billigkeit sah. Die Bettstellen waren, wie im Mittelstande der Neapolitaner, sehr einfach: zwei eiserne Böcke, auf welche drei Bretter gelegt wurden. Auf diese kam eine Matratze, gestopft mit den Blättern, welche die Maiskolben umgeben und sehr elastisch sind. Auf diese eine mit Wolle gestopfte Matratze. Ein mit Wolle gestopfter Pfühl und eine wollene Decke vollendeten das Bett; Lei- nenzeug hatten wir mitgebracht. Ich habe gesehen, dass in mancher Familie kein besonderes Schlafzimmer ist. Wenn die Herrschaft aufgestanden ist, rollt die Magd die Matratze, den Pfühl, die wollene Decke zusammen in ein Bündel und trägt es nebst den eisernen Böcken und den Brettern in irgend einen Winkel des Hauses, von wo es dann den Abend wieder in das Wohnzimmer gebracht wird. Sehr lästige Mitbewohner eines neapolitanischen Hauses sind die zahlreichen Flöhe und originell ist ein Mittel, einen Teil derselben zu entfernen. Am frühen Morgen kann man sehen, wie Dienstboten auf den Balkon Dr. R. A. Philippi-Santiago. 31 treten und die Hemden und andere Kleidungsstücke der Herrschaft schütteln, so dass die Flöhe auf die Strasse springen müssen. In den glühendheissen Nächten des Sommers schlafen Männer und Frauen völlig unbekleidet und bedecken sich nur mit der Bettdecke. (Das Nackt- schlafen kommt übrigens auch in Deutschland vor und habe ich mich selbst einmal als Knabe davon überzeugen können bei einer Schusterfamilie; es muss auch in Frank- reich, selbst im Mittelstande, gebräuchlich gewesen sein, denn Moliere lässt in seinem köstlichen Lustspiel „Le precieux ridicule“ eine Tochter, der angekündigt wird, sie solle heiraten, sagen, sie habe keine Lust dazu, schon die Idee: „du coucher contre un homme tout nue“ sei ihr unerträglich. Von Küchengerät wurde auch nur das allernötigste angeschafft, und dennoch haben wir ein paar Mal Deutsche, die nach Neapel gekommen waren und uns zusagten, be- wirtet auf Hausmannskost. Das erste Mal machte meine Frau zwar Einwendungen, sie müsse doch eine oder zwei Schüsseln mehr auf den Tisch setzen. „Das kannst Du immerhin thun“, sagte ich, „Du hast ja Teller und Schüsseln genug.“ — „Ja, das wohl, aber ich muss nun auch etwas auf die Schüsseln drauf thun, was nicht hier von der Strasse zu kaufen ist.“ — „Das macht keine Schwierigkeit, komm mit.“ — Wir schlenderten nun nach Santa Brigida, einer Art Markt oder breiten Strasse, wo alles mögliche Essbare zu haben ist und wo immer ein Gedränge von Käufern und Jungen ist, die flache, viereckige Körbe mit senkrechtem, niedrigen Rand auf dem Kopf tragen. Hier findet man alle möglichen Gemüse, grünen spanischen Pfeffer, Sardellen, Geflügel und zwar gleich gerupft, aus- genommen und ganz oder in zwei oder vier Stücke ge- teilt. Dann sind besonders zu haben: Hühnerlebern, die Kämme von den Hähnen, kurz, was das Herz sich wünscht, und schon so weit zubereitet, dass man es blos in den Topf oder auf die Pfanne zu legen braucht. Meine Frau kaufte ein und ein Junge war bereit, dem das Eingekaufte 32 Sicilien und Süd-Calabrien. auf seinen Korb gelegt wurde: dann trabten wir drei wieder nach Hause zurück. Ich hatte nun den Jungen zu belohnen und sagte zu meiner Frau: „Wir haben zu dem Rückweg eine gute Viertelstunde gebraucht, ich will dem Jungen einen Carlin geben“, also den ı2. Teil eines spanischen Thalers, nach heutigen deutschem Grelde also 33!1/3 Pfennige. Da be- gehrte der Junge aber auf, was das wäre, für den weiten Weg so wenig Geld zu bieten u. s. w. Ich war aber be- kannt mit dem neapolitanischen Wesen und wusste nun, dass ich ihm zu viel gegeben hatte und sagte ihm daher: „Wenn Du nicht gleich die Treppe heruntergehst, so gebe ich Dir einen Tritt, dass Du sie hinunterfliegst.“ Götzlaff, dem ich dies kleine Abenteuer erzählte, sagte: „Sie haben ganz recht; ein halber Carlin ist der Preis für einen solchen Weg.“ Als ich späterhin noch manchmal mit meiner Frau bei Santa Brigida vorbeikam, kam derselbe Junge immer herzugesprungen: „Nehmen Sie mich, nehmen Sie mich, ich weiss ihre Wohnung!“ Es ist eine merkwürdige Rasse, diese neapolitanischen und sicilianischen Strassenjungen. Sie sind die Ehrlichkeit selbst und zu allem brauchbar. Freilich muss man ihre Sprache reden können und in Ne- apel neapolitanisirt sein. Ich habe später öfter einen solchen Jungen bei der Krankheit meines Kindes in das Zentrum der Stadt schicken müssen, um aus einer deutschen Apo- theke Medizin oder aus Santa Brigida ein Viertel Huhn holen zu lassen; das (Geld für letzteres gab ich ihm na- türlich mit und es ist nie vorgekommen, dass er damit durchgegangen ist. Er besorgte alles richtig und pünkt- lich und war zufrieden, wenn er dann seinen halben Carlin bekam. Gegen einen Fremden sind sie freilich von etwas anderer Natur. Eine sehr grosse Annehmlichkeit war für meine Frau der Umstand, dass Frau Götzlaff in dem- selben Hause wohnte und dass sie mit dieser bald auf einen sehr freundschaftlichen Fuss kam. Wenn sie im Anfang, wo sie ja noch gar kein Italienisch konnte, in Dr. R. A. Philippi-Santiago. 33 irgend eine Verlegenheit kam wegen der Sprache, brauchte sie nur aus der Thür heraus auf den Absatz der Treppe zu treten und zu rufen: „Luisa!“ dann kam Frau Götzlaff herunter und half ihr aus aller Verlegenheit. ‘Wir waren also in jeder Hinsicht gut aufgehoben und ich konnte das Haus ohne alle Sorge auf ein oder ein paar Tage verlassen zu botanischen Exkursionen u. S. w. Wir haben, wie sich’s leicht denken lässt, alle Sehens- würdigkeiten Neapels. und der Umgegend besucht, aber unser. Leben hat auch recht trübe Tage gehabt. Der Sommer des Jahres 1838 war in Süd-Europa ungewöhn- lich heiss und in Neapel wie in Griechenland herrschte eine Ruhrepidemie unter den Kindern, der auch unser Söhnlein erlag. Den ıg. Dezember ‘wurde mein jetzt lebender Sohn Friedrich geboren und seine Greburt hätte beinahe durch fehlerhafte Behandlung der neapolitanischen Hebammen der Mutter das Leben gekostet. Ich habe schon oben erwähnt, dass wir eine Amme nötig hatten, dass ich die erste nach ein paar Tagen fortbringen musste und dass die zweite eine ganz vorzügliche Frau war. Meine Gesundheit hatte sich sehr rasch gebessert, ich hatte aber immer noch Heiserkeit und diese verlor sich erst im folgenden Jahr. Ich konnte nun in demselben grössere Reisen nach Sicilien, Calabrien und Apulien machen. Um so mehr, als meine Frau’aüch die Be- kanntschaft einer deutschen seit Jahren in Neapel an- wesenden Dame gemacht hatte, nämlich der Frau des mecklenburgischen Konsul Klenze, und mit der sehr be- freundet war. Im März reiste ich nach Palermo, um die dortigen Seetiere zu studieren und traf es hier so glück- lich, wie in Neapel, dass ich noch am Tage meiner An- kunft, die früh Morgens erfolgt war, auf der Strasse, als ich im Begriff war, mir eine passende Wohnung zu suchen, Herrn Jacob Hirzel traf, den ich von meiner ersten Reise her kannte. Wir waren beide erstaunt, uns wiederzu- sehen und als er erfuhr, dass ich eine kleine Wohnung in der Nähe des Meeres suchte, sagte er: „Ei was da 3 34 Sicilien und Süd-Calabrien. kommen Sie zu mir“; er wohnte in dem Hause des Her- zogs, der den Räuber angeführt hatte, ganz nahe am Meer und hatte mehrere Zimmer frei. Er sagte: „Ich mache nur eine Bedingung. Wir essen zusammen und dann gcht jeder seinen Geschäften nach, so sind wir beide ungeniert und doch beisammen.“ Als ich den andern Morgen nach dem Kaffeehaus gegangen war, um dort den Morgenkaffee zu geniessen, schalt er mich aus. „Ich habe meiner Haushälterin anbefohlen, dass sie Ihnen der: Morgenkaffee, Chokolade, oder was Sie sonst wollen und zur Zeit wo Sie es haben wollen, besorgt.“ Nach vierwöchentlichem Aufenthalt in Palermo reiste ich nach Messina und zwar zu Lande. Ich hatte mich zwar aus Sorge, wegen der Unsicherheit der Wege, auf einem kleinen Küstenfahrschiff eingeschifft, allein dies legte bald wegen widrigen Windes an, und die Gesell- schaft auf demselben gefiel mir nicht und ich dachte, deine sicilianischen Bekannten haben am Ende recht, wenn sie dir gesagt haben, du würdest, selbst wenn die Kutsche von Räubern angehalten würde, nicht das geringste zu besorgen haben. Ein fremder Gelehrter ist in den Augen aller Sicilianer eine Respektsperson und du hast keine Habseligkeiten, die ihre Habgier reizen könnten. So war es denn auch. Meine alten Bekannten in Messina freuten sich, mich wiederzusehen, machten aber bedenkliche Ge- sichter, als ich ihnen sagte, ich wolle Calabrien bereisen und rieten sehr davon ab. „Sie sollen einmal sehen“, sagte Herr Jäger, „Sie sollen selbst hören, in unserem Magazin ist ein Kaufmann aus Calabrien ; ich werde ihn bitten, hereinzukommen.“ -Er kam und Herr Jäger fragte ihn: „Da ist ein Herr, der in Calabrien herumreisen will. Kann er dies wohl mit Sicher- heit thun?“ Der andere sagte, indem er die Achseln zuckte: „Ja, die Wege sind etwas schmutzig (sporche).“ — „Was? Es hat so lange nicht geregnet, wie können sie schmutzig sein?‘ — „So meine ich das nicht“, war die Antwort, „aber als vor drei Monaten in San Bruno der Dr. R. A. Philippi-Santiago. 35 grosse Jahrmarkt gewesen war, auf dem ein Viehhändler eine grosse Geldsumme eingenommen hatte, wurde dieser auf der Rückreise nach seinem Wohnort von Räubern überfallen und als er sich wehrte, indem Kampf erschlagen.“ — „Wenn das alles ist“, erwiderte ich, „dann will ich nur getrost reisen“, und so fuhr ich dann herüber nach Reggio, für welche Stadt ich einen Empfehlungsbrief an einen Apo- theker Greco hatte. Ich fand in ihm einen sehr liebens- würdigen und unterrichteten Mann, der mir alle erwünschte Auskunft und die besten Ratschläge gab. Wegen der Sicherheit des Reisens nahm er mir alle Besorgnis. Die Calabresen seien mit Unrecht verrufen. Zwei Umstände sind es, die allerdings bei einem oberflächlich Reisenden einen schlimmen Eindruck machen. Erstlich sieht man oft an dem Wege ein kleines hölzernes Kreuz und fragt man seinen Führer: „Was bedeutet dies?“ so sagt dieser kaltblütig: „An der Stelle ist Don Chich’ von Don Pepe erdolcht worden“, und an einem andern Kreuz: „Hier ist Don Vincenzo erschossen worden.“ — „Von Räubern — „Nein. — Don Chich’ war in zu grosse Vertraulichkeit mit der Frau von Don Pepe gekommen und Don Vin- cenzo? Ja, der hatte bei einem Streit seinen Gegner auf das tötlichste beleidigt“ und so fort. Aber von Raubanfällen auf Reisende wusste man nichts; es reist übrigens auch kein Tourist in Calabrien und vor ein paar Monaten las ich in einer deutschen Zeitung, der Apotheker Greco beklage es, dass seit Philippi kein wissenschaftlicher Reisender Calabrien besucht habe. Ich wollte das sich unmittelbar über Reggio erhebende (ebirge Aspiomonte, das sich, wenn ich nicht irre, mehr als 5000 Fuss über dem Meeresspiegel erhebt, besuchen, da sich auf demselben ein grosser Wald, eine Seltenheit im südlichen Italien, befindet, der Sila-Wald, der von Buchen und Weiss-Iannen gebildet wird, wo sich auch, wie am Ätna, Birken befinden und der manche seltene Pflanzen dem Botaniker darbietet, und äusserte gegen Greco einige Besorgnis, da sich in dem Walde viele Ban- db; 36 Sieilien und Süd-Calabrien. ‚diti aufhalten sollten. Da lachte er und sagte: „Sie werden allerdings mit diesen Banditi: zusammentreffen, werden aber von diesen gut aufgenommen werden und finden, dass es meist unterrichtete und gebildete Leute, aber keine Strassenräuber sind. Wenn die Post das in der Provinz eingenommene Geld nach Neapel führt, könnte sie freilich von ihnen’ angefallen und beraubt werden, so dass sie sich von berittenen Gendarmen begleiten lässt; es wäre dies aber eher eine patriotische That, denn es ist eine Schande, dass alles Geld, was die Provinzen auf- bringen, nach Neapel geht und die Regierung für die Provinzen nichts thut. Diese Banditi sind keine Räu- ber, es sind Männer, die "wegen irgend eines: Ver- gehens, aus Rache, oder sonst von der Regierung verfolgt werden und es vorziehen, im frischen Waldes- grün, anstatt im dumpfen Gefängnis die Zeit zu ver- bringen, bis die Angelegenheiten, wegen deren sie ge- flohen sind, durch die Bemühungen von Freunden ver- glichen sind oder Gras darüber gewachsen ist. Sie haben ihr Hauptquartier in einer Sägemühle, wohin ihre Ver- wandten ihnen Lebensmittel und was sie sonst bedürfen, zukommen lassen. Zum Überfluss könnte ich Ihnen einen Brief mitgeben, aber ich will Ihnen einen anderen Vor- schlag machen. Wir reisen zusammen hin, nur kann es nicht gleich jetzt geschehen, sondern erst in etwa 14 lagen. Besuchen Sie mittlerweile die Ostküste.“ Ich war mit dem Vorschlag einverstanden und er machte mir nun eine Reiseroute, indem er Tag für Tag den Ort bezeichnete, wo ich zu übernachten hätte. ,„Wirtshäuser finden Sie nicht“, sagte er, „ausser in der Hauptstadt eines Bezirkes. Aber an jedem Ort findet sich ein wohlhabender Ein- wohner, der Sie mit Vergnügen aufnehmen und beher- bergen wird.“ Er schrieb mir sogleich etwa vier Empfeh- lungsbriefe an solche Personen, und für die Orte, wo er Niemand kannte, schaffte er mir auch welche an. „Kommen Sie mit in's Kaffeehaus“, sagte er, „wo man immer eine Menge Leute findet“, und dann fragte er: „Ist Niemand Dr..R. A. Philippi-Santiago. 37 hier, der einen guten Freund in Bove oder anderen Orten hat und der diesem fremden (selehrten .ein Nachtquartier geben kann?“ Da fand sich denn immer Jemand, der entweder selbst einen Empfehlungsbrief schreiben konnte, oder einen Verwandten oder Freund hatte,. von dem: ich einen sölchen erhielt. Ich reiste nun..ab; zuerst bis zur Südspitze Italiens, dann in allen Orten auf der Ostküste und wurde überall auf das .freundlichste aufgenommen. Ich kann diese Gastfreundschaft nur rühmen, aber sie hat auch ihre Unbequemlichkeit. Wenn man den: ganzen Tag marschiert ist, mit Schweiss und Staub bedeckt, und nun bei einem Herrn ankommt, so möchte man vor allen ‚Dingen sich waschen und säubern, auch wohl das Hemde wechseln, allein das geht nicht. So bald der Herr den Brief gelesen, wird man genötigt, in das beste Zimmer zu treten. und nun : beginnt. eine Reihe von Fragen,.da der Gastfreund seine wohlberechtigte Neugierde in Betreff des Fremden befriedigen will. Mittlerweile hat sich die Haus- frau, von der Ankunft eines so seltenen fremden Gastes benachrichtigt, in ihren Staat geworfen und erscheint nun ebenfalls. Es entsteht nun eine Konversation, die mehrere Stunden dauert, bis ein splendides Abendessen aufgetragen wird. Auffallend ist es mir gewesen, dass ich fast jedes- mal gefragt worden bin: „Wie viel Gehalt bekommen Sie monatlich ?“ Ä Ein Beispiel von sicilianischer Gastfreundschaft möge hier Platz finden. Wir waren, ich weiss nicht mehr, ob von Mistretta oder von Sperlinga, aufgebrochen, dem einzigen Orte, wo bei der sicilianischen Vesper die Franzosen nicht ermordet sind, weshalb dort die Inschrift zu lesen ist: „Quotcunctis siculis placuit Sperlinga negavit.“ Wir überschritten die ein paar Tausend Fuss hohe Gebirgskette der Madonie, welche die Nordküste Siciliens in geringer Entfernung ‚vom Meere begleitet und kamen gegen fünf Uhr schweiss- ‚gebadet und bestaubt in Santo Steffano, einem Örtchen ‚am Meeresufer an. Hier war kein Wirtshaus. Wir be- 38 Sieilien und Süd-Calabrien. nutzten daher die Methode des Herumstehens, wie Pro- fessor Hoffmann sie nannte, die in den Abruzzen und auch schon in Sicilien sich bewährt hatte. Wir blieben auf dem Platze halten, wo sich nun bald eine Menge Leute einfanden, um die Erscheinung von Fremden, die noch dazu sich durch eine ungewöhnliche Reisekleidung, eine-helle Jacke mit kurzen Schössen und leinene Bein- kleider, auszeichneten, zu beschauen und zu befragen, um so mehr, da in diesem Orte wohl noch nie Reisende einer fremden Nation gewesen waren. — Wir eröffneten ihnen unsere Wünsche, für die Nacht ein Zimmer mit Betten zu mieten und dabei Gelegenheit zu haben, eine Mahlzeit durch unseren Tobias bereiten zu lassen. Bald fand sich auch Jemand, der ein Zimmer und Betten hergeben wollte. Im Zimmer lagen grosse Bohnen und andere Gär- tenerzeugnisse. Während diese weggeräumt, Bettstellen mit Betten hereingebracht wurden und Tobias das zu einem einfachen Mahle nötige einkaufte, gingen wir durch das Städtchen spazieren und genossen eine schöne Aussicht über das Meer nach den Liparischen Inseln. Zurückge- kehrt, warfen wir uns auf die Betten, in der Erwartung, dass das Abendessen gekocht wäre, und schliefen bald ein. Da wurden wir geweckt; der Herr Bürgermeister wünschte unsere Pässe zu sehen. Wir waren natürlich sehr ver- driesslich über diese Störung und wollten eben wieder einschlafen, als der Mann, der unsere Pässe in Empfang genommen hatte, wiederkehrte und uns sagte, der Herr Sindaco bäte uns, die Nacht bei ihm zu bleiben. Wir dankten bestens, lehnten aber diese Einladung wegen unserer Ermüdung ab. Er kam bald zum dritten Mal: der Herr Sindaco könne es nicht zugeben, dass wir so unbequem die Nacht zubringen sollten und bestände darauf, dass wir zuihm gingen. Was war zuthun! Halb schlaf- trunken gingen wir hin. Hoffmann vergass sogar die Strümpfe, die er ausgezogen ‚hatte, wieder anzuziehen und fuhr mit nackten Füssen in die Schuhe. Der Mann, wahr- scheinlich ein Polizeidiener, aber ohne alle Abzeichen, Dr. R. A. Philippi-Santiago. 39 brachte uns nun vor ein hübsches Haus, machte die Haus- thür auf und als wir auf dem Flur angelangt waren, wurden zwei Flügelthüren aufgerissen und wir traten in ein hell- erleuchtetes Zimmer, wo die Dame des Hauses in fest- lichem Anzug auf dem Sopha sass und sich ausser ihrem Gemahl, einem Grafen, dessen Namen ich leider vergessen habe, der Pfarrer des Ortes und ein paar Honoratioren befanden. Man kann sich unsere Beschämung denken, bestaubt und schmutzig, wie wir waren, in diese Greesellschaft ein- zutreten; es entspann sich bald ein sehr belebtes Gespräch, das ein paar Stunden anhielt, dann entfernten sich die übrigen Gäste und wir wurden nun in den Speisesaal ge- führt, wo uns ein leckeres Mahl erwartete. Als es be- endet war, war Mitternacht. Der Graf lud uns ein, ein paar Tage bei ihm zu bleiben und seine grossen Orangen- pflanzungen zu besehen. Leider mussten wir diese freund- liche Einladung ablehnen, da wir zu dem berühmten Fest der hl. Rosalie in Palermo sein wollten; wir mussten so- gar den Morgen früh aufbrechen und uns daher jetzt ver- abschieden von unserem liebenswürdigen Wirte und seiner Gremahlin. In unserem Schlafzimmer fanden wir silberne Waschbecken und Wasserkannen! Nur einmal bin ich mürrisch empfangen worden, ich weiss nicht, ob in Bianco oder in Bove. Als ich ankam wurde der Hausherr herausgerufen, las meinen Empfehlungs- brief, sagte mir dann: „Ich will sehen, ob ich Sie auf- nehmen kann“, und ging zurück in’s Haus. Ich setzte mich auf die steinerne Bank vor der Thür und hatte wohl eine Stunde zu warten, bis er wiederkam. Endlich erschien er. „Sie werden entschuldigen, dass ich Sie so schlecht empfangen habe, aber mir war der Kopf voll und ich wusste wirklich im Augenblick nicht, ob ıch Ihnen ein Zimmer geben könnte. Meine Frau ist krank und ich habe schon zwei fremde Herren im Hause, einen Advokaten und einen Ingenieur, die von der Re- gierung beauftragt sind, einen geeigneten Platz für einen 40 Sicilien und Süd-Calabrien. Gottesacker oder Kirchhof auszusuchen und diesen einzu- richten, da nach einem neuen Gesetz die Toten nicht mehr in der Kirche beigesetzt werden dürfen. Die Schwie- rigkeit ist aber glücklich beseitigt, treten Sie herein.“ ...Man muss bedenken, dass nicht nur meine Person, sondern auch mein treuer :Bedienter Tobias, der Maultier- treiber und zwei Maultiere. zu beherbergen waren und doch diese Grastfreundschaft! Das Abendessen war sehr heiter, es wurde viel über Calabrien gesprochen und über seine Zustände; es wurde auch erzählt, dass Calabrien der Kirche eine grosse Menge Heilige geliefert hätte, die alle regle- mentsmässig auch Wunder gethan hätten, aber niemals ein für die Menschheit oder die Provinz nützliches. Der eine bemerkte, der Teufel sei doch dem Menschen nützlicher gewesen, er habe doch ein oder zwei Brücken grebaut, warum denn kein Heiliger in Calabrien eine Brücke gebaut hätte, die in diesem Teil Calabriens so notwendig und nützlich wäre. | ei) An der ganzen Küste dieses Teiles von Calabrien ziehen sich von dem Rücken des Gebirges zahlreiche tief eingeschnittene Ihäler senkrecht auf die Küste herab. Alle Ortschaften liegen auf dem diese Thäler. von einander trennenden Bergrücken, ein oder mehrere Stunden vom Seestrand entfernt, in einer. Meereshöhe von 4 bis 800 Fuss. Der direkte Weg von einem. Ort zum andern, den steilen Berg hinunter und eine ebenso steile Höhe wieder hinauf, ist ungemein beschwerlich. Ich habe ihn an einem Tage sieben Mal gemacht, .als ich die Grenze des Granites und der jungen Ablagerungen feststellen wollte. Eine Brücke in dem engen Thal, von einem Ort zum andern, wäre daher eine grosse Wohlthat. Für gewöhn- lich nimmt man einen Umweg, um von einem Ort zum andern zu gelangen. Man steigt den Grebirgsrücken bis zum Meer hinab, geht dann am Meer entlang und dann den sanften Abhang des zweiten Bergrückens hinauf. Im Winter, wenn die Regen die im Sommer fast trockenen Bäche zu reissenden Strömen anschwellen, ist jeder andere Dr. R. A. Philippi-Santiago. 41 Weg unmöglich. Mehrere Ursachen haben diese höchst unbequeme Lage dieser Ortschaften bedingt. In der Nähe des Meeres wäre oft kein Platz, dann die Gefahr, dass Seeräuber mit Leichtigkeit landen, die Häuser plün- dern und die Einwohner als Sklaven fortschleppen konnten. Drittens: die Malaria, die an der ganzen Küste herrscht and die bösen Malaria-Fieber erzeugt. Im allgemeinen ist wenig Land für Getreidebau und überhaupt dieser Teil Calabriens ziemlich ärmlich. Die. Vegetation ist für den Botaniker interessant;. auf den Abhängen wächst Erica arborea in grosser Merge und in den Grebüschen war zu ‚der Zeit eine so grosse Menge .von Nachtigallen, wie ich sie sonst nie gehört habe, Häufig ist auch der spanische wohlriechende Ginster, dessen. Bast. die: Leute, wie den von Hanf und Flachs, ‚bearbeiten und selbst Zeuge daraus verfertigen. Ich .habe einmal. in einem. Bett „schlafen müssen, dessen Bettlaken aus solchem Zeuge bestanden. Das Zeug mag sehr dauerhaft sein, aber es ist rauh, wie ein. Reibeisen. (Auch in. Süd-Frankreich wird der Bast dieser Pflanze ebenso benutzt). In dem Örtchen Stilo wurde ich von. dem Baron Crea aufgenommen, einem der angesehensten und reichsten Adeligen dieses Teiles von Calabrien, dessen Haus alle .Bequemlichkeiten darbot, welche man in einer grösseren Stadt nur finden kann. Ganz in der Nähe wird. Eisenerz. gegraben; es war und ist ‚wahrscheinlich noch .das einzige Bergwerk im Königreich Neapel,..ist fiskalisch und ist dem Kriegs- ministerium unterstellt, welches, einen Offizier mit der Leitung der Bergwerksarbeiten beauftragt. Der Major, welcher zu der Zeit, als ich das Bergwerk besuchte, die Arbeiten leitete, sagte mir, als er das Amt übernommen, habe er eine grosse Halde Erz vorgefunden, das eine Menge gelben Eisenoker enthielt und das sein Vorgänger im. Amt habe wegwerfen lassen, weil er den gelben Oker für Schwefel gehalten habe. Es ist kaum glaublich, aber der Major wird schwerlich gelogen haben!. Im. vorigen Jahrhundert hatte die Regierung Berg- 42 Sicilien und Süd-Calabrien. leute aus Deutschland kommen lassen; sie waren aber nicht alt geworden und zwar in Folge der Wohlfeilheit des Weines. Ich erlaube mir, hier einiges über diese Wohlfeilheit einzuschalten. Als ich im Frühjahr des Jahres ı832 die Osterwoche in Rom gewesen war, fasste ich den thörichten Plan, zu Fuss nach Neapel zu wandern, um unterwegs die im Frühjahr blühenden Pflanzen zu sammeln, thöricht, weil ich überall für einen Rekruten eines der in dem neapolitanischen Solde stehenden Schweizerregimenter gehalten und demnach behandelt wurde. Als ich in Ve- letri ankam überfiel mich ein Regenguss. Ich trat in einen Bäckerladen und bat die Frau, die in demselben war, um Erlaubnis, hier den Regenschauer vorübergehen zu lassen. Bald stellte sich heraus, dass die Frau eine Deutsche und mit einem Italiener verheiratet war, der ausser seiner Bäckerei auch einen Weinberg besass. Ich meinte, sie müsse also wohl in guten Uniständen sein. „Ach“, meinte sie, „was bringt denn ein Weinberg ein! Im grossen, im Stückfass, kommt die Flasche auf einen halben bajocco zu stehen, gleich zwei Pfennige deutschen (Greldes.“ Vor ein paar Jahren haben die Reben so reich- lich getragen, dass ihr Mann nicht genug Stückfässer ge- habt habe für den gekelterten Most und er habe diesen laufen lassen, da die Anschaffung eines neuen Stückfasses viel mehr würde gekostet haben, als aus allem darin ent- haltenen Wein hätte gelöst werden können. Durch den Aufenthalt in Veletri war es mir unmöglich, ein bestimmtes Posthaus in den pontinischen Sümpfen zu erreichen, wo ich übernachten wollte, ich musste in einem eine Post- station näher gelegenen bleiben, wo ich noch früh am Nachmitttag ankam. Es war nur die Frau Postmeisterin da, keine Knechte Diese fanden sich nur ein, wenn die Post erwartet wurde, die damals nur zwei oder drei Mal wöchentlich zwischen Rom und Neapel fuhr. Ich nahm ohne weiteres Platz in der Stube und bat um etwas Essen. Sie sagte, sie habe gar nichts. Ich dachte, wie wird das mit Abendessen und Nachtquartier sein. Da Dr. R. A. Philippi-Santiago. 43 kam ein Fischer, der in. den Gräben der Sümpfe Aale gefangen hatte und einige Lebensmittel bei sich führte, unter anderem Artischoken. Er legte sie auf das Kohlen- becken im Zimmer, bat die Frau um etwas Öl, das er darauf tröpfelte, hatte auch etwas Brot und lud mich ein, mitzuhalten. Da erinnerte sich die Frau, dass vom Essen noch Fisch übrig geblieben wäre und dass sie auch den Schlüssel zu einer Art Wandschrank habe, in dem Brot, Wein und Käse waren und holte dieses herbei; ich glaube auch Eier, so dass ich meinen Hunger vollkommen stillen konnte. Schlafen musste ich aber auf dem Heuboden. Den Mor- gen früh fragte ich nach der Schuldigkeit, sie wollte aber nichts nehmen. Ihre Kinder spielten draussen und so gab ich jedem ein kleines Silberstück, worüber sie sehr ver- gnügt waren. In Mola di Gaeta angekommen, nahm ich mir aber ein Wägelchen bis Capua und von da fuhr ich in der Landkutsche nach Neapel. Ich hatte ein Haar darin gefunden, in einem Lande zu Fuss zu reisen, wo selbst der Ärmste einen Esel hat, auf dem er reitet. Die neapolitanische Regierung hatte die Industrie der Baum- wollweberei und die Kultur der Baumwolle im Lande ein- führen wollen und es waren in der Nähe von Neapel zwei Baumwollwebereien errichtet unter der Direktion von Schweizern. Ich lernte einen der Herrn kennen. Die ersten Arbeiter hatten natürlich Fremde sein müssen und waren dazu Schweizerarbeiter genommen. „Es sind nun ı5 Jahre her“, sagte mir der Herr, „und jetzt ist schon die Hälfte der Arbeiter begraben. Das macht der wohlfeile Wein. Die Leute können sich nicht bezähmen und trinken ihn wie Wasser, ganz wie die Bergleute in Stilo“ Auch in Neapel ist der Wein ausserordentlich wohlfeil. Ich durfte wegen meiner Ge- sundheit keinen Wein trinken. Meine Frau mochte auch keinen, aber unsere Amme, Pascuala, war gewöhnt, Wein zu trinken. Sie kaufte einen Rotwein ein, der die Flasche 3 Groni kostete. Der Grono ist 3'/3 Pfennig und 44 Sieilien und Süd-Calabrien. 3 Groni also 10 Pfennige. Ich hatte auch gewöhnlich ‚einen besseren Wein zu. Hause; sei es Falerno, Lacrimae Christi, Malvasir oder roter Wein von Messina. Die Flasche kostete nur ı!/a Carlini = 50. Pfennige, um Besuchern .ein (släschen vorsetzen zu können. . Einst war. mir dieser aus- gegangen, als ich Besuch bekam von deutschen. Reisen- ‚den und ich: setzte-ihnen den wohlfeilen Ammenwein vor und. bat um Entschuldigung, dass ich keinen besseren im Hause hätte; er mundete ihnen. aber so, dass sie mich fragten, wo man den guten Wein kaufen könnte.. Er sei sehr vieles besser, als der lischwein im Gasthof, der zum Essen gehörte und nicht besonders bezahlt wird, während man die besseren Sorten fordern und wenigstens mit dem doppelten des. oben angegebenen Preises bezahlen muss. Eine Flasche Bier kostete damals 2 Carlini = 67 Pfennige. Ich kehre wieder nach Calabrien zurück. Einmal wäre ich beinahe verhaftet worden; es war im ..Herbst, als ich zum zweiten Mal von en aus nach dem südlichen Teil Calabriens gegangen war, um meine geog- nostischen, paleontologischen und. botanischen Unter- suchungen abzuschliessen. Stil o war wieder der nahe Endpunkt der Reise; ‚von dort hatte ich einen ziemlichen Tagemarsch zu me um ein Nachtquartier zu erreichen, wo ich vermittelst eines Empfehlungsbriefes ein Unterkommen finden konnte. Der Baron Crea wollte mich aber nicht fortlassen; er hatte Besuch und ich sollte durchaus erst frühstücken, um g Uhr sollte das Essen bereit sein. Ich war sehr verdriesslich, denn ich hatte grosse Eile nach Cattanzaro zu kommen. ‚Der. calabresische Führer, welcher mich. begleitete, tröstete michindem er sagte: „Ich’kenne an der Küste einen Zollwächterposten, wo wir die Nacht bleiben können und wenn wir: den andern Tag früh aufbrechen, können wir ‚doch noch. an demselben Tage. Cattanzaro erreichen“. Das Frühstück. wurde aber. von einer Stunde auf die andere verschoben. und. .erst nach ı2 konnte: ich Stilo verlassen. ‚Unser Weg führte uns durch einen Ort, Monanterace: ge- Dr. R. A. Philippi-Santıago. 45 nannt: Hier sollte Futter für die Maultiere und Lebens- mittel für den Abend gekauft werden, da die Zollwächter doch schwerlich so viele Personen, mich, meinen treuen Tobias, den Führer, den Maultiertreiber und die beiden Maultiere würden beköstigen können. Wir fanden auch sogleich hinreichendes Maultierfutter und zwar grünge- schnittenes Hedysorum coronarium, welche Pflanze in Deutschland als eine Zierde der Gärten gezogen, in Ca- labrien und Sicilien aber als Futterkraut gebaut wird. Schlimmer sah es: mit dem Essen aus. Ausser Brot, Käse und gesalzenem Thunfisch fand sich. nichts. Mittlerweile hatte sich eine Menge neugieriger Leute um.uns versammelt und nun trat ein Mann in Hemds- ärmeln an mich heran und fragte nach meinem Pass. Ich emwiderte lachend: „Was ‘geht Sie denn mein Pass an?“ = che viel, ich bin.der Bürgermeister des Ortes.“ —- „Entschuldigen Sie, das ist etwas anderes. Ich muss Ihnen aber sagen, dass ich meinen Pass in Cattanzaro gelassen habe, da man mir dort auf der Polizei sagte, ich brauchte ihn für meine Reise in der Provinz nicht.“ — „Das thut mir sehr leid“, versetzte der Bürgermeister, „denn Sie sind hier in der andern Provinz und ich habe strenge Befehle.“ Nun ist es richtig. Man musste, wenn man aus einer neapolitanischen Provinz in die andere reiste, sich mit einem Pass versehen, selbst wenn man von Neapel einen Ausflug nach Paestum machen wollte, musste man einen besonderen Pass haben. Ich sagte nun zum Bürgermeister, indem ich meine Brieftasche herauszog: „Ich habe hier einen Brief vom Cavaliere Capialti in Monte Leone, der Ihnen vielleicht die Besorgnisse, die Sie wegen meiner Person hegen, nehmen wird.“ Es war gerade der Brief, der mir heute Abend ein Nachtquartier verschaffen sollte. Der Bürgermeister las den Brief. „Er ist von einem der ersten Edelleute des Landes und legitimiert Sie vollständiger, als ein Pass. Ich bitte, bleiben Sie die Nacht hier und seien Sie mein Grast.“ Ich musste das freundliche Anerbieten ablehnen. Etwas 46 Sicilien und Süd-Calabrien. vor Sonnenuntergang waren wir am Meeresstrande und beim Zollhause Zorre Vinciacello. Das (Grebäude war eins von den hundert und mehr zum Schutz gegen die Raub- anfälle der Barbaresken unter Kaiser Carl V. erbauten Häusern, wo Wachtposten waren, welche Alarm machten, wenn sich Kaperschiffe der Küste näherten. Es war jetzt von zwei Zollwächtern bewohnt, von denen der eine im Bette und in dem heftigsten Fieberfrost war, so dass das Bett erzitterte. Sein Gefährte sagte kaltblütig: „Er hat das Fieber. Ich bin nun viele Jahre im Dienst und habe drei- zehn Mal das Fieber gehabt.“ Das war nicht sehr tröstlich zu erfahren, dass die ganze Küste, auch in Apulien, unge- sund ist und ich äusserte meine Besorgnis, dass ich mir hier auch das Fieber holen könnte. Er meinte, das wäre nicht zu befürchten, wenn ich folgende Vorsichtsmassregeln beobachtete: „Sie dürfen durchaus kein Wasser trinken, aber dafür starken Wein und viel spanischen Pfeffer an die Speisen thun“ Er hatte eine Taube geschossen und war dabei, sie zu braten Er teilte sie mit mir und wir assen gemeinschaftlich. Er gab Oliven und Knoblauch heraus, wir Thunfisch und Käse und frisches Brot. Ichbefolgte seine Vorsichtsmassregeln, schlief auch Bald ein, erwachte aber auch bald und mir war zu Mute, als rollte Feuer durch meine Adern, so dass ich um 3 Uhr Morgens heraussprang, an den Brunnen lief und trotz seiner Lehre das kalte Wasser in ziemlicher Menge ge- noss. Ich bekam ein paar Tage darauf wirklich das kalte Fieber in Tarrent, kann aber nicht entscheiden, ob es von dem Genuss dieses Wassers oder von der Fieberluft Tar- rent’s herkam. Um 4 Uhr machte ich Lärm zum Auf- bruch, so dass wir einen langen Tag vor uns hatten. Wir hatten nun aber auch ı!/s Tagemärsche in einem Tage zurückzulegen. Von Cattanzaro ging ich dann nach Cotrone, welcher Ort auf den Ruinen des alten Croton gebaut ist. Von Altertümern ist nichts vorhanden, als eine oder ein paar Dr. R. A. Philippi-Santiago. 47 Säulen, die in ziemlicher Entfernung von der alten Stadt stehen und einem Tempel der Juno Lacinia angehört haben sollen. Ähnlich wie die einzelne Säule des Jupitertempels bei Syrakus. Es ist sonderbar, dass in der weiten Ebene, die sich vom Meerbusen von Tarrent bis an die Ausläufer der Appeninenkette erstreckt, im Altertum drei grosse blühende Städte existieren Konnten, Metapont, Sybaris und Croton, während jetzt nur unbedeutende Orte darin liegen und nur ganz unbedeutende Überreste der ehe- maligen Pracht vorhanden sind. Von Tarrent machte ich eine flüchtige Reise nach Galipoli, wo ich Geld entnehmen konnte. Ich sah aber genug, um mich zu überzeugen, dass auf der Halbinsel nichts von der Appeninenkette existiert, wie schon oben bemerkt. Es ist eine in ihrem höchsten Punkt nur 600 Fuss über dem Meeresspiegel erreichende wellenförmige Ebene von jungem Kalkstein gebildet und grossen Teils mit Olivenpflanzungen bedeckt. Das Ol wird in Galipoli verschifft und bis dahin in Cisternen gebracht, die in einen porösen Kalkstein ausgehauen sind, in denen es sich klärt. Es wird dann aus den Cisternen in die Fässer geschöpft, die, nachdem sie auf der öffentlichen Wage gewogen sind, in’s Meer geworfen und schwimmend bis an die Schiffe gebracht werden, wo man sie aufhisst und verstaut. Gali- poli ist zwar auch eine alte griechische Stadt, aber sie hat ebenso wenig, wie die oben genannten grossen griechischen Städte, nennenswerte Denkmäler hinterlassen. Mir wurde nur von einem erzählt, das ich ja besuchen sollte und das in einiger Entfernung liegt. Es ist ein Marmor- relief, das senkrecht aufgerichtet ist, früher aber auf der Erde gelegen hat und auf der ehemaligen unteren Seite ist jetzt eine Brunnenröhre, aus der, als ich es besuchte, ein Mädchen Wasser schöpfte. Es stellt einen Jüngling und ein Mädchen in höchst unzüchtiger Stellung dar. Ich habe mich sehr verwundert, dass so etwas den Augen der Beschauer öffentlich dargeboten wird, aber, es ist antik und das entschuldigt in Italien alles. — — AS. Sieilien und Süd-Calabrien. Meine Absicht, in Tarrent Seetiere zu studieren, wurde durch einen Brief meiner Frau vereitelt, die mir meldete, unser Söhnlein sei von einer Gehirnentzündung befallen, so dass ich eilte, nach Neapel zurückzukehren. — — In Neapel angekommen, fand ich mein Kind während längerer Zeit in der grössten Gefahr; es gelang je- doch den Bemühungen des Doktor Zimmermann, eines Gurländers, es zu retten. Mein kaltes Fieber verlor sich von selbst und in dieser traurigen Zeit stellte sich mit einem Mal heraus, was die Ursache der rätselhaften Krank- heit gewesen war, die mich gezwungen hatte, Heilung durch einen längeren Aufenthalt in Italien zu suchen; es waren anormale Hämorrhöiden. Sie traten mit einem Male jetzt hervor und zwar so, dass eine Operation nötig schien, die indes vermieden werden konnte. Seit der Zeit habe ich diese Krankheit mit der grössten Regel- mässigkeit und viele Jahre lang gehabt; den ersten Som- mer nach meiner Rückkehr bekam ich alle Monate eine dreitägige Augenentzündung. Im zweiten Jahr, sowie die Hitze eintrat, jeden Monat drei Tage lang die heftigsten Zahnschmerzen. Später nahm die Krankheit ihren regel- mässigen Verlauf. Ende Februar verliess ich Neapel. Die letzte Hälfte des Winters war ungewöhnlich strenge. Im Januar hatten bei Neapel die Weinreben schon lange Triebe gemacht, als ich Neapel verliess, hingen an den öffentlichen Brunnen Eiszapfen. In Rom lag Schnee, eine so seltene Erscheinung, dass, wenn Schneefall eintritt, die Iribunale und Schulen geschlossen werden. Ich habe hier die Freude gehabt, die Bekanntschaft des trefflichen Zoologen Carl Bonaparte, Prinzen von Mu- signano, zu machen, der mich auf das Freundlichste auf- nahm und mir seine Sammlung ausgestopfter Vögel und Landconchilien zeigte. Ebenso die des Monsignore La- vinio Di Medici Spada, Präsidenten des höchsten päpst- lichen Gerichtshofes, der Ruola, der eine ausgezeichnete Mineraliensammlung besass. Er ist einige Zeit lang päpst- licher Kriegsminister geworden und schrieb an Sartorius Dr. R. A. Philippi-Santıago. 49 von Waltershausen in Göttingen, mit dem er sehr be- freundet war: „Was sagen Sie dazu, lieber Freund, dass ich jetzt Kriegsminister bin, ich, der ich kaum eine Pistole von einer Kanone unterscheiden kann, aber was wollen Sie; Sie kennen die Verhältnisse in Rom. Ich konnte die Annahme des Postens nicht verweigern.“ Als ich des Morgens zu ihm kam, tranken wir erst Chokolade und dann ergriff jeder von uns einen Topf in Gestalt einer Casserole, aber mit Henkel, der glühende Kohlen ent- hielt, welche wenigstens die Hand wärmte, die den Henkel anfasste, und begaben uns in den Saal, wo seine Mine- ralien aufgestellt waren. Ich habe auch in anderen Häusern gesehen, dass mehrere solcher mit glühenden Kohlen gefüllter Töpfe _ auf dem Hausflur standen und benutzt wurden, wenn Je- mand etwas im Hause zu thun hatte, damit die Finger nicht klamm würden. Die weitere Rückreise nahm ich über Marseille, Avignon, Lyon, Genf, Neuchätel, wo ich die Bekannt- schaft von Lui Agassiz machte und da zwei Tage blieb. Santiago, den 30. Oktober 1900. Dr. R. A. Phüippı. 4 50 Die Neanderthal-Rasse und die Abstammung des Menschen. — Die Neanderthal-Rasse und die Abstammung des Menschen. | nr Yon Dr. Moritz Alsberg. Ik Das sechste Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts ist für die Naturwissenschaften und speziell für die Anthropologie ein Zeitabschnitt von grosser Bedeutung gewesen; denn im Jahre 1859 veröffentlichte Darwin sein epochemachendes Buch: „Über ' die Entstehung der Arten“ und schon drei Jahre zuvor hatte Fuhlrott aus dem Devon-Kalk einer Höhle des Neanderthales (zwischen Elberfeld und Düssel- dorf) jene menschlichen Skelettreste zu Tage gefördert, die in der „Wissenschaft vom Menschen“ eine wichtige Rolle zu spielen berufen waren. Freilich wurde die Be- deutung dieses Fundes zunächst nicht allgemein anerkannt. Denn ebenso wie einst der berühmte Cuvier die von dem französischen Gelehrten Boucher de Perthes in 1838 in den diluvialen Kies- und Sandablagerungen des Somme-Thales unweit Abbeville und Amiens zusammen mit fossilen Nas- horn- und Elephantenknochen aufgefundenen Feuerstein- werkzeuge als Beweis für die heutzutage unbestrittene Fxistenz des diluvialen Menschen anzuerkennen sich weigerte — ebenso war es die grosse wissenschaftliche Autorität Rudolf Virchow’s, der im Gegensatz zu Schaaffhausen, Huxley und anderen Anthropologen dem Neanderthal-Menschen als Typus einer diluvialen Menschen- rasse seine Anerkennung versagte, indem er seine Ansicht dahin aussprach, dass derselbe durch Krankheitszustände Dr. Moritz Alsberg. \ | 51 von. Jugend auf in seinem Knochenbau pathologisch be- einflusst gewesen und daher von der vergleichenden Be- trachtung gänzlich auszuschliessen sei. Diese Behauptung Virchow’s hat es nun bewirkt, dass trotz der Auffindung von uralten Schädeln, welche eine dem. Neanderthal- Schädel vollständig analoge Bildung aufweisen, die „Neanderthal-Rasse“ oder, wie man sie wohl auch bezeichnet hat, die „Cannstatt-Rasse“, bei den deutschen Anthropologen bis vor Kurzem keine Aner- kennung gefunden hat. Was die letzterwähnte Bezeich- nung anlangt, welche der französische Gelehrte de Quatre- fages in die Wissenschaft eingeführt hat, so ist dieser Name allerdings schlecht gewählt, da das unweit Cann- statt. (Würtemberg) aufgefundene Schädelbruchstück, welches mit dem Neanderthaler hinsichtlich seiner Bil- dung übereinstimmen soll, viel zu defekt ist und auch die geologische Lagerung dieses Schädelfragmentes bei seiner Auffindung im Jahre ı700 nicht mit genügender Sicher- heit festgestellt wurde, um dasselbe für die Feststellung der Schädelbildung des diluvialen Menschen zu verwerthen. Es kann daher die von de Quatrefages vorgeschlagene Bezeichnung: „La Race de Cannstatt“ nicht aufrecht er- halten werden. Anders aber verhält es sich mit den Skelettresten des Menschen aus dem Neanderthal, welche dank den von Gustav Schwalbe (Strassburg) *) und Her- mann Klaatsch (Heidelberg) "*) innerhalb der letzten ı8 Mo- nate angestellten Untersuchungen neuerdings gewisser- maassen ihre wissenschaftliche Auferstehung gefeiert haben, nachdem sie, wie schon. bemerkt, durch Virchow’s ab- lehnende Haltung in den Augen der wissenschaftlichen *) G, Schwalbe, Über den Neanderthal-Schädel. Bonner Jahrbücher. Bonn 1901, **) H. Klaatsch, Das Gliedmassenskelett des Neanderthal-Menschen. Verhandlungen der Anatomischen Gesellschaft vom 26.—29. Mai 1901. Jena 1901, Vergl. auch die Diskussion, welche an den von R., Virchow aufdem An- thropologenkongress zu Metz gehaltenen Vortrag: „Über den prähistorischen Menschen und über die Grenzen zwischen Species und Varietät“ sich ange- schlossen hat, im ‚Correspondenzblatt für Anthropologie u. s. w.“ Jahr- gang Igoı Nr. 10, | 52 Die Neanderthal-Rasse und die Abstammung des Menschen. Welt — wenigstens in den wissenschaftlichen Kreisen Deutschlands — sehr an Ansehen verloren hatten. Der Umstand, dass in 1865 nur ı50 Schritte von der Grotte entfernt, in welcher das vielumstrittene Schädeldach und die übrigen Skelettreste eingebettet in dem Höhlenlehm aufgefunden wurden, in demselben Lehm einer ähnlichen Aushöhlung des Devon-Kalkes Knochen und Zähne vom Höhlenbären (Ursus spelaeus), der Höhlenhyäne (Hyaena spelaea) und dem Rhinoceros mit der knöchernen Nasen- scheidewand (Rhinoceros tichorhinus) aufgefunden wurden — dieser Umstand, zusammengehalten mit der auf ein ausserordentlich hohes Alter hindeutenden Beschaffenheit jener menschlichen Überreste, würde schon an und für sich es sehr wahrscheinlich machen, dass jene Schädel- decke und die mit dem Schädelbruchstück zusammen aufgefundenen Extremitätenknochen, welche zweifelsohne demselben Individuum angehört haben — dass diese menschlichen Skelettreste aus jener geologischen Epoche stammen, wo der Düsselbach sich sein Bett im Devon- Kalk ausgehöhlt und auf diese Weise die in letzterem befindlichen Aushöhlungen zugänglich gemacht hat. Jeder Zweifel, der über die Existenz des Neanderthal-Menschen während der Diluvialzeit früher geäussert wurde, ist aber nun beseitigt durch die Thatsache, dass in 1886 aus der Grotte „Bec aux Roches“ bei Spy sur l’Orneau (Provinz Namur in Belgien), die gewöhnlich kurzweg als „Spy- (srotte“ bezeichnet wird — dass in dieser Grotte zwei mit dem Neanderthaler fast in jeder Hinsicht übereinstimmende menschliche Skelette in einer Lagerung, die über die Zu- gehörigkeit dieser Individuen zum Diluvium keinen Zweifel aufkommen lässt, zusammen mit Resten der soeben er- wähnten, gegenwärtig ausgestorbenen diluvialen Säuge- thiere (Höhlenbär, Höhlenlöwe, Rhinoceros mit knöcher- ner Nasenscheidewand und Mammuth) aufgefunden wurden. Ehe ich dazu übergehe, Ihnen von der Körperbildung des Menschen des der gegenwärtigen Erdepoche unmittel- bar vorausgehenden geologischen Zeitabschnitts ein Bild Dr. Moritz Alsberg. 53 zu entwerfen, will ich hier nur jene Funde aufzählen, auf welche sich unsere Kenntniss vom diluvialen Menschen stützt. Für die Verallgemeinerung des Begriffs „Neander- thal-Typus“ bilden die soeben erwähnten Skelette aus der Grotte von Spy, bezüglich deren wir den belgischen Ge- lehrten Fraipont und Lohest bahnbrechende Untersuchungen verdanken, deshalb eine sichere Grundlage, weil noch nie- mals vorher ein Fund fossiler Menschenreste so sorgfältig geprüft und seine Bedeutung so trefllich bis in alle Ein- zelheiten dargelegt worden ist, wie gerade dieser. Unter einer Schicht von Kalktuff fand sich in der bezeichneten Grotte eine Lage, in welcher zahlreiche Feuerstein-Instru- mente vom Le-Moustier-Typus*) zusammen mit den Resten der bereits erwähnten diluvialen Säugethiere, sowie *) Die „Paläolithische Epoche“ oder „ältere Steinzeit‘ — von den Prähistorikern.auch ‚Zeitalter der geschlagenen Steine‘ benannt, deckt sich im Grossen und Ganzen mit jener Epoche, welche die Greologen als „Di- luvium‘ oder „Quartärzeit“, wohl auch als Pleistocaen-Periode bezeichnen, Dieselbe zerfällt nach Gabriel de Mortillet in vier aufeinander folgende Unterperioden, nämlich a) in das Chelleen — so benannt vom Orte Chelles im Dept. Seine et Oise (Frankreich), b) das Mousterien (benannt nach den Funden von Le Moustier), c) das Solutreen (benannt nach den Funden von Solutre) und d) das Magdalenien (welches den Funden aus der La Made- leine-Grotte seinen Namen verdankt). Die besagten vier Unterabtheilungen der paläolithischen Periode unterscheiden sich von einander durch verschiedene Typen von Steinwerkzeugen, welche eine sich allmählig steigernde Vervoll- kommnung aufweisen, Während der älteste Abschnitt dieser Periode durch höchst primitive mandelförmige Steinwerkzeuge, die von dem Menschen jener Epoche wohl zu den verschiedensten Zwecken benutzt wurden, ge- kennzeichnet ist, ist in dem zweiten Abschnitt, dem Mousterien, aus dem höchst primitiven Werkzeug der St. Acheul-Epoche (Chelleen) bereits ein ganzes Handwerkszeug bestehend aus Schabern, Meisseln, Spitzen, Sägen und Messerklingen hervorgegangen und in den beiden folgenden Abschnitten der paläolithischen Periode schreitet die Kulturentwicklung noch weiter fort. Das Mousterien fällt nach de Mortillet mit der Vereisung eines grossen Theiles von Europa zusammen und die excessive Kälte, welche zu jener Zeit in Europa herrschte, macht es begreiflich, dass unser Geschlecht damals in Höhlen Zu- flucht gesucht und sich aus Fellen Kleider zubereitet hat. — Im Gegensatz zu G. de Mortillet, welcher vier Unterabtheilungen der paläolithischen Periode aufzählt, unterscheidet Salmon deren nur drei, indem er die Periode von Solutre mit derjenigen von Le Moustier zu einer und derselben Kultur- epoche verschmilzt, zugleich aber Übergangsphasen, die sich zwischen die drei Epochen einschieben. annimmt. Die St. Acheul-Periode ist nach Salmon durch warmes und feuchtes Klima, Vorherrschen des Elephas antiquus, Rhinoceros Merckii und Hippopotamus amphibius gekennzeichnet, während für die Epoche von Le Moustier, wie bereits erwähnt, das kalte 54 Die Neanderthal-Rasse und die Abstammung des Menschen. mit Mammuthknochen eingebettet waren. Mit diesen-Ar- tefakten vom Le Moustier-Typus sowie mit Resten der diluvialen Fauna lagen die beiden Spy-Skelette in gleichem Niveau, so dass an ihrer mit jenen Thieren gleichaltrigen Existenz nicht gezweifelt werden kann. Von den sonstigen Funden menschlicher Überreste, welche geeignet sind, über die Körperbildung des Menschen der Diluvialzeit Licht zu verbreiten, sei hier noch erwähnt ein zu Forbes- Quarry unweit Gibraltar in beträchtlicher Tiefe aufge- fundenes Schädeldach, das hinsichtlich seiner Bildung dem Neanderthal-Typus durchaus entspricht, dessen Alter aber leider nicht festgestellt worden. ist. - Eine durchaus ähnliche Beschaffenheit zeigt ein von Piette gefundener und von Hamy untersuchter Schädel, dessen Alter durch die Nachbarschaft von Steinmessern des Le Moustier- Iypus besser beglaubigt ist. Ein anderer. von Hamy beschriebener Schädel der bei Bologne sur Mer im Bette des Lianeflusses aufgefunden worden ist, wiederholt eben- falls mit merkwürdiger Treue jene Züge, denen wir beim Neanderthaler, den Spy-Schädeln und den beiden letzterwähnten Schädeln begegnen. Ein unweit Brüx (Böhmen) im Diluvialsand aufgefundenes Schädeldach, welches von Hamy der paläolithischen Periode zugerechnet wird zeigt ebenfalls den nämlichen Typus. Andererseits und feuchte Klima, die grosse Ausdehnung der Gletscher, sowie das Vor- herrschen des Mammuth und Rhinoceros tichorhinus (das Nilpferd ist in diesem Zeitabschnitt bereits ausgewandert) charakteristisch ist. Aus diesem Zeitabschnitt sollen auch die ältesten Feuerspuren stammen, die zu- sammen mit zerschlagenen Thierknochen — vorwiegend vom Rinde — an- getroffen werden. Während der La Madeleine-Periode (Magdalenien von de Mortillet’) ist nach Salmon das Klima kalt und trocken; das Renthier ist in diesem Zeitabschnitt weit verbreitet, das Mammuth bereits im Ver- "schwinden begriffen. Die relativ hohe Kultur dieses Zeitabschnitts gibt sich zu erkennen durch die eine erheblich fortgeschrittene Technik der Feuer- steinbearbeitung aufweisenden Steinklingen, die Hackenmeissel, die konvexen und konkaven Kratzer, die Sägen und Pfeilspitzen — sämmtlich aus Stein hergestellt — sowie durch die ausgedehnte Verwendung von Knochen zur Herstellung von Lanzen- und Pfeilspitzen, Harpunen, Dolchen, Nadeln und dergleichen. Die Funde von St. Acheul und Chelles allem. nach Salmon ‚den unteren diluvialen ‘Ablagerungen, diejenigen von Le Moustier den mitt- leren Ablagerungen des Diluviums, diejenigen der Madeleine Grotte den ‘oberen Diluvialschichten entsprechen. e Dr. Moritz Alsberg. 55 haben die Untersuchungen, welche Schwalbe an dem im Loess des Rheinthales bei Eggisheim (unweit Colmar) aufgefundenen Schädeldach vorgenommen hat, denselben zu dem Schlusse geführt, dass der Schädel von Eggis- heim keinesfalls der Neanderthal-Spy-Gruppe zuzugesellen ist, obwohl demselben, wie gewisse Eigenthümlichkeiten beweisen, ein hohes Alter zuerkannt werden muss. — Ein von Nehring in der Nähe von Santos (Brasilien) in einem der dortigen Sambaquis aufgefundener Schädel verdienthier ebenfalls noch Erwähnung. Unter „Sambaqui“ versteht man bekanntlich jene vorgeschichtlichen An- häufungen von Muschelschalen (Mahlzeitsüberreste), welche den bekannten Küchenabfallhaufen (Kjökken-möddinger) Dänemarks genau entsprechen. Der in diesen prähis- torischen Muschelanhäufungen aufgefundene Schädel weist verschiedene Kennzeichen eines sehr hohen Alters sowie einer niederen Bildung auf, nämlich einerseits die niedrige zurückweichende Stirn des Neanderthalers, andererseits jene bemerkenswerthe Abschnürung der knöchernen Augenhöhle von der eigentlichen Gehirnkapsel des Schädels, der wir auch bei dem in neuerer Zeit vielgenannten Pithecanthropus erectus („aufrecht gehender Affenmensch“), dessen Reste Dubois auf Java ausgegraben hat, begegnen. Fernerhin verdienen Erwähnung 2 Schädel, von denen der eine zu Bury St. Edmunds (England) mit Resten diluvialer Säugethiere und Steingeräth vom Le-Moustier- Iypus, der andere unter ähnlichen Verhältnissen in der Grafschaft Sligo (Irland) aufgefunden worden ist. — Für die Beurtheilung der Unterkieferbildung beim Diluvial- Menschen ist von grösster Bedeutung. jenes uralte Bruch- stück einer mandibula, welches Dupont bereits in 1866 aus einer Höhle im Lesse-Thal (Gemeinde Furfooz in Belgien) zu Tage gefördert hat und: welches den Anthro- pologen unter der Bezeichnung des Kiefers von La Naulette allgemein bekannt ist, sowie ein von Maskain der Schipka-Höhle (Mähren) aufgefündenes Kieferfragment. — Endlich sind von Menschenresten des Diluviums hier noch 56 Die Neanderthal-Rasse und die Abstammung des Menschen. die in der Conchylien-Schicht von Taubach (bei Weimar) aufgefundenen Menschenzähne — von denen -der eine einem etwa 8 Jahre alten Individuum, der andere einer erwachsenen Person angehört hat — von nicht geringem Interesse. Während die an der Schussenquelle unweit Schussenried im südlichem Würtemberg von Oskar Fraas aufgedeckte Fundstätte, wo zwar keinerlei Reste des Eiszeit- Menschen, wohl aber die von ihm hergestellten (reräthe (Messer, Pfeil- und Lanzenspitzen aus Feuerstein, Handar- beiten aus Renthiergeweih u. dergl.) aufgefunden wurden, ebensowohl durch ihre Lage auf den jüngeren inneren Moränen der schwäbischen Hochebene, wie auch durch den Umstand, dass jene Fundstücke auf einer ausschliesslich aus nordischen Gewächsen zusammengesetzen Moosbank gelegen waren, die Zugehörigkeit des hier ehedem hausenden Renthierjägers zur jüngsten Vergletscherungsepoche aufs Unzweideutigste erweisen — im Gegensatz hierzu unterliegt es nach Nehring keinem Zweifel, dass diejenigen Menschen, welchen die bei Taubach aufgefundenen, zum Theil pithecoide (affenähnliche) Merkmale aufweisenden Zähne angehört haben, während der letzten Interglacialzeit in Thüringen gelebt haben d. h. während jener durch wärmeres Klima gekennzeichneten Zwischenperiode, die sich zwischen die beiden letzten Vergletscherungsepochen einschiebt. Nachdem ich die wichtigsten Fundstätten der Diluvialzeit — soweit dieselben Schlüsse gestatten bezüglich der Existenz des Menschen während des der Jetztzeit voran- gehenden Abschnittes unserer Erdgeschichte — namhaft gemacht habe, gehe ich nunmehr dazu über, die charak- teristischen Eigenthümlichkeiten der aus jenen Fundstätten zu Tage geförderten Menschenreste in ihren Haupt- umrissen darzulegen. — Was zunächst das Schädeldach aus dem Neanderthal anlangt — von dem ich Ihnen hier einen Gypsabguss vorlege — so ist dasselbe, wie ich bereits erwähnte, neuerdings von Schwalbe zum Gegenstande einer höchst exakten wissenschaftlichen Untersuchung gemacht worden. Es fallen bei diesem Schädeldach die weit Dr. Moritz Alsberg. 57 vorspringenden Augenbrauenbogen (arcus superciliares) sowie die niedrige, flache Stirn — die man wohl auch als „Hiehende Stirn“ bezeichnet — schon bei oberflächlicher Betrachtung in's Auge Wenn aber auch eine dem Neanderthaler ähnliche Schädelbildung, worauf bereits Huxley hingewiesen hat, auch bei gewissen australischen Eingeborenen-Stämmen angetroffen wird und wenn wir auch unter der heutigen Bevölkerung Europas noch hier und da Menschen mit einer an den Neanderthalschädel erinnernden — sogenannten „neanderthaloiden“ — Kopf- form begegnen, wenn auch z. B. nach Virchow die bei der friesischen Bevölkerung des nordwestlichen deutschen Küstengebiets und der angrenzenden holländischen Küste weitverbreitete Schädelbildung in mehrfacher Hinsicht an die Kopfform des Neanderthal-Menschen erinnert — wenn auch solche Anklänge an die Schädelbildung der Neander- thal-undSpy-Menschen unter der jetzt lebenden Bevölkerung unseres Erdtheils zweifellos noch hier und da angetroffen werden, so ist doch jene charakteristische Schädelbildung, der wir beim Neanderthaler und den Spy-Menschen begegnen, weder bei einem jetzt lebenden Einzelindividuum, noch bei einer jetzt lebenden Menschenrasse auch nur annähernd in einem solchen Grade der Ausbildung vor- handen wie bei jenen Individuen, deren Skelettreste uns ein glücklicher Zufall von der letzten Vergletscherung Europa’s oder der der letzten Vergletscherung voraus- gegangenen warmen Interglacial-Epoche bis auf den heutigen Tag erhalten hat. Auch dem Nicht-Anthropologen kommt schon bei oberflächlicher Betrachtung dieser durch eigenthümliche Merkmale gekennzeichneten Menschenreste in der Regel sofort zum Bewusstsein, dass es sich hier um eine Bildung handelt, die von der jetzt lebenden Menschheit durch eine weite Kluft getrennt ist. Schwalbe, der. für die Bestimmung der Eigenthümlichkeiten der Schädelbildung des Neanderthalers eine neue Untersuchungs- methode und für jene Eigenthümlichkeiten den exakten wissenschaftlichen Ausdruck gefunden hat, legt seinen Mes- 58 Die Neanderthal-Rasse und’ die Abstammung des Menschen. sungen die Glabella-Inion-Linie zu Grunde, d.i. eine Linie, welche von dem unmittelbar über der Nasenwurzel be- findlichen Stirnwulst (glabella) zum sogenannten Inion d. i. dem am Meisten nach hinten vorspringenden Wulst des Hinterhauptsbeins (der protuberantia occipitalis externa der Anatomen) gezogen wird. Er berücksichtigt jedoch zu: gleich auch die Lage der Glabella-Lambda-Linie d.h. jener 'Linie, die von der Glabella zum höchsten Punkte der Lambda-Naht (Naht, welche das Hinterhauptsbein mit ‘den beiden Scheitelbeinen verbindet) gezogen wird. Als „Calotten-Höhe bezeichnet Schwalbe die grösste von der Schädelwölbung: in der Median-Ebene auf die „Glabella-Inion-Linie“ gezogene Vertikale Sie beträgt beim Neanderthal-Schädel gı mm und steht bezüglich des absoluten \Werthes bereits an der untersten Grenze des Maasses bei jetzt lebenden Menschenrassen. Noch mehr springt die Kluft, welche die Bildung des ‚Neanderthal- Schädels und der Spy-Schädel von. der Schädelbildung des heutigen Menschen trennt, in's Auge, wenn man den Höhen-Index berechnet, indem man die Glabella-Inion- Linie = ı00 setzt und die Calotten-Höhe in Procenten ausdrückt. Dieser Index beträgt beim heutigen Menschen durchnittlich 60, schwankt beim heutigen Elsässer zwischen 55 und 64,6, erreicht aber beim Neanderthaler nur 46,4; beträgt also bei Letzterem 15,6 Procent weniger als -das. ven, :Schwalbe’für die Hohegedez Schädelwölbung des heutigen Menschenher- ausgerechnete Durchschnittsmaass. : Nimmt man statt Glabella-Inion-Linie die Glabella-Lambda-Linie, so haben die modernen ‘Schädel einen Index von .ca. 40, der Neanderthaler von 31,2. Die soeben genannten Längs- durchmesser zeigen noch eine andere charakteristische Differenz, in sofern die Glabella-Lambda-Liniebei allen jetztlebenden Menschenrassen grösser) beim Neanderthaler aber inne ist als die @labella-Inion-Linie. ! | Neben der beträchtlichen Bi der N Dr. Moritz Alsberg. 59 den Augenhöhlen gelegenen Schädelparthie, Bezw.. der -Entiernung:der Augenhöhlen'won einander bilden, wie bereits erwähnt, die niedrige fliehende Stirn und die mächtige Entfaltung der Supra- orbital-Wülste die hervorstechendsten Eigenthümlichkeiten des Neanderthal-Schädels. Diese Charaktere waren es ja, die von Anfang an die Aufmerksamkeit der Forscher auf sich lenkten und die Idee eines primitiven Entwicklungs- stadiums erweckten. Man erblickte in den Wülsten und den sonstigen Eigenthümlichkeiten des Schädeldaches eine Annäherung an die Anthropoiden (menschenähnlichen Affen). Wenn aber. auch heutzutage alle ohne Vorein- genommenheit an den Neanderthal-Schädel herantretende Anthropologen wohl den Worten Lyell’s beipflichten, welche lauten: „Wenn wir das Alter des Schädel’s als ein sehr hohes annehmen, stellt derselbe ein weniger vor- gerücktes Stadium allmählicher Entwicklung und Vervoll- kommnung dar“ — wenn wir auch diesen Worten auf’s Entschiedenste beipflichten, so müssen wir doch den Be- griff einer allgemein niederen Stufe wohl auseinanderhalten von der bereits ein bestimmtes Urtheil über spezielle Ver- wandschaft ausdrückenden angeblichen Affen-Ähnlichkeit. Bezüglich der von Carl Vogt ausgesprochenen Vermuthung, (dass die Schädel-Calotte vom Neanderthal einem Idioten angehört haben könne und der von anderer Seite auf- gestellten Behauptung, dass jener Schädel durch Druck deformirt gewesen sei (noch heutzutage existirt bei ein- zelnen Naturvölkern der Gebrauch durch Druck oder Zug eine bestimmte Schädelform künstlich zu erzeugen) — bezüglich dieser Behauptungen bemerkt Huxley auf’s Treffendste: „Der Neanderthal-Schädel hat, jene Zusammen drückung, die man hier und da behauptet hat, sicherlich nicht erfahren und als Antwort auf die Vermuthung, dass er einem Idioten angehören soll, ist zu sagen, dass der Beweis für eine solche Behauptung denjenigen zugeschoben ‚werden muss, welche dieselbe aufstellen. lIdiötie ist mit sehr verschiedenen Formen und Grössen des Schädels 60 Die Neanderthal-Rasse und die Abstammung des Menschen. verträglich; aber ich kenne keine, welche auch nur die leiseste Ähnlichkeit mit dem Neanderthal-Schädel hätte. Vielmehr zeigt dieser Letztere nur einen äussersten Grad von einem Zustande der Niedrigkeit, wie er als natürliche Bildung bei den Schädeln gewisser tiefstehender Menschen- rassen gefunden wird“. — So lautet also das Urtheil, das der berühmte Huxley als Antwort auf die durchaus unmotivirten Behauptungen, der Neanderthal-Mensch sei ein Idiot gewesen, bezw. die eigenthümliche Schädelbildung sei auf künstliche Defor- mation zurückzuführen, abgegeben und in dem bahn- brechenden Werke Lyell’s”): „Das Alter des Menschen- geschlechts“ s. Z. niedergelegt hat. Gegen die Annahnıe einer Idiotie spricht übrigens auch der ziemlich bedeutende Inhalt des Schädels, dessen Kapazität von Schaaffhausen auf ı220 Cubiccemt. berechnet worden ist — eine Ziffer mit der das Minimalmaass jetzt lebender niederer Menschen- rassen noch überschritten wird. — Um auf die fliehende Stirn des Neanderthalers zurückzukommen, so sucht Schwalbe durch eine von ihm angegebene Mess- methode das Wesen dieser Eigenthümlichkeit zu zer- gliedern. Er zieht von der Glabella eine Linie zum Bregma, dem am Meisten nach hinten in der Medianebene gelegenen Punkte des Stirnbeines. Der Winkel, den diese Linie mit der Glabella-Inion-Linie bildet, . beträgt bei jetzt lebenden Menschenrassen 59 bis 60°, beim Neanderthaler aber nur 47°. Eine andere von Schwalbe ersonnene Messmethode besteht darin, dass man vom Bregma eine Senkrechte auf die Glabella-Inion- Linie fällt und sodann den Abstand ihres Fusspunktes von der Glabella misst. Dieser Abstand wird in Procerten der ganzen Glabella-Inion-Linie ausgedrückt und man er- hält auf diese Weise den Index der Bregma-Lage Er beträgt beim heutigen Menschen 27 bis 34, also etwa 30 im Durchschnitt, während der Neanderthaler 42 aufweist. Man erhält auf diese Weise eine deutliche Vorstellung | *) Deutsche Übersetzung von L. Büchner, Leipzig 1864. Dr. Moritz Alsberg. 61 davon, dass beim heutigen Menschen eine Verlagerung des Bregma’s nach vorn zu sich herausgebildet hat, oder mit anderen Worten: Hand in Hand gehend mit der zunehmenden Entwicklung der Stirn- lappen des Grosshirns, wie sie der steigenden geistigen Entwicklung des Menschengeschlechts entspricht, wird das Stirnbein, das wir beim Neanderthaler nochin schräger, stark nach Binten.werichteter Stellung antreffen, immer mehr aufgerichtet, womit vielleicht auch eine Ver- kürzung des Längsdurchmessers dieses Knochens Hand in Hand geht. Die mächtige Entwicklung der Supra-Orbital-Bögen erinnert zwar sehr an die Zustände bei Affen; ob aber hier ein tieferer Zusammenhang vorliegt — dies kann nur durch eine Beurtheilung des ganzen Abstammungs- problems d. h. durch die Beantwortung der Frage, aus welchen Wurzeln wir den Ursprung des heutigen Menschen ableiten müssen, entschieden werden. Es wäre auch zu- nächst die Frage zu beantworten, ob diese Eigenthüm- lichkeit des Neanderthal-Schädels als eine primäre oder als eine sekundäre Bildung aufzufassen ist. „Primär“ würde bedeuten, dass die Absetzung eines solchen knöchernen Vorbaues nur die Folge einer geringen Ent- wicklung des Gehirns nach vorn ist, „sekundär“ hingegen, wenn, wie es bei Affen vielfach vorkommt, ein besonderer Faktor vorhanden ist, der diese Vorsprünge verstärkt. Die Thatsache, dass der junge, noch von seiner Mutter gesäugte Gorilla hinsichtlich seiner Schädelbildung dem menschlichen Kinde noch sehr nahe steht und dass erst Hand in Hand gehend mit der Entwicklung der gewaltigen Kauwerkzeuge beim erwachsenen Gorilla jene Vorwölbung der Augenbrauenbögen sowie die Abschnürung der ge- sammten knöchernen Augenhöhle von den mittleren und hinteren Schädelparthien sich entwickelt — diese That- sache beweist dass jene Vorwölbung der Augenbrauen- bögen und der gesammten knöchernen Augenhöhle, der 62 Die Neanderthal-Rasse und die Abstammung des Menschen. wir beim Gorilla und Schimpanse begegnen, im Wesent- lichen durch die gewaltige Entwicklung des Kauappa- rates bedingt ist. — Was ferner die Entwicklung des Kauapparates beim Neanderthal-Menschen anlangt, so werde ich.auf diesen Punkt sogleich noch einmal zurück- kommen. Hier sei für's Erste nur erwähnt, dass nach der Beschaffenheit der betr. Knochenparthieen bei einem der Spy-Skelette zu urtheilen (beim Neanderthaler sind die be- treffenden Skelettheile leider verloren gegangen) der Kau- apparat jener diluvialen Menschenrasse, wenn er auch hinsichtlich seiner Mächtigkeit denjenigen des jetztlebenden Menschen weit überragt, doch auch nicht im Entferntesten den gewaltigen Kauwerkzeugen der Anthropoiden gleich- kommt. Im Hinblick auf den letzterwähnten Umstand hat die Annahme von vornherein vieles für sich, dass die Entwicklung der Augenbrauenbögen beim Neanderthal- und Spy-Menschen auf anderen ursächlichen Momenten beruht als diejenige des Gorilla und Schimpanse. Der Unterkiefer des Neanderthal-Menschen ist, wie ich soeben bemerkte, leider verloren gegangen und es muss daher die bei einem der beiden Spy-Skelette wohl erhaltene Mandibula sowie die bereits erwähnten Bruchstücke des La Naulette- und des Schipka-Unterkiefers sowie der in England ausgegrabene Maclarnaud-Kiefer und der: in Frankreich aufgefundene Arcy-Kiefer an die Stelle jenes fehlenden Skelettheiles treten. Diejenige Eigenthümlich- keit, welche allen diluvialen Unterkiefern ohne Unter- schied zuzukommen scheint, ist ı) das vollständig fehlende; Kinn. und .>2) eine Anordnunmesder Zähne, der: wir beim. heutigen Menschen nicht mehr begegnen. Was den ersterwähnten Punkt, nämlich die Entstehung des Kinnes beim jetzt lebenden Menschen anlangt, so hat der verstorbene Paul Albrecht für diese Erscheinung eine ebenso einfache wie geistreiche Erklärung gegeben. Er weist darauf hin, dass Hand in Hand gehend mit der Ausbreitung der Kultur, die eine künstliche Zubereitung der Speisen durch Kochen Dr: Moritz Alsberg. 63 und auf andere Weise mit sich brachte, an das Gebiss des Menschen immer geringere Anforderungen gestellt wurden, dass als Folge ihrer geringeren Verwendung die Zähne allmählich kleiner wurden und dem entsprechend auch der Durchmesser des Zahnrandes arm Unterkiefer sich verkleinerte. Die Folge dieses Umstandes ist nun die, dass die in ihren Dimensionen nicht wesentlich ge- änderte untere Parthie des Unterkiefers jetzt mehr vor- springt, was gerade andem Punkte wo die beiden Kiefer- äste zusammenstossen, also am Kinn besonders auffällt. Mit anderen Worten: das Kinn ist nicht etwa, wie man zu glauben versucht sein könnte, ein beim Menschen der jetzigen Erdepoche neuentstandener Kiefervorsprung, sondern es ist derjenige Tiheil des Unterkiefers der schon beim Diluvialmenschen bestanden hat, bei dem aber durch Verkleinerung der Zähne und damit Hand in Hand gehendes Schwinden des Zahnrandes der äussere obere Rand in Wegfall gekommen ist*). — Was den zweiten der oberen Punkte anlangt, so unterscheiden sich die Zähne des Diluvialmenschen von denen des heutigen Menschen nicht nur durch die verschiedene Gestaltung der Kauflächen der Zähne — Verschiedenheiten auf die näher einzugehen mich zu weit führen würde — sondern es besteht zwischen dem heutigen Menschen und Diluvial- menschen auch ein wesentlicher Unterschied hinsichtlich der Grössenverhältnisse der einzelnen Zähne Während beim-heutigen Menschen die drei Molarenin der Richtung von vorn nach hinten im allge- meinen an Länge und Breite abnehmen und der hintersteMolar, den man gewöhnlichals »„Weisheitszahn“ bezeichnet, in der Regel verhältnissmässig geringe Dimensionen auf- Bester im Gegensatz hierzu scheint am *) Von anderen Anthropologen wird freilich die Entstehung des Kinnes mit dem Einfluss der Sprachwerkzeuge, insbesondere mit dem von dem M. biventer maxillae inferioris auf den Unterkiefer ausgeübten Zuge in Ver- bindung gebracht. 64 Die Neanderthal-Rasse und die Abstammung des Menschen. Kiefer des Diluvialmenschen das entgegen- gesetzte Verhältniss die Regel zu bilden, indem vom ersten bis zum dritten Molar die Längen- und Breiten-Dimensionen der Zähne zunehmen und der dritte Molar, welcher beim La-Naulette-Kiefer fünf Wurzeln be- sitzt,eine besonders mächtige Entwicklung aufweist. — Was speziell den letzterwähnten Kiefer anlangt, so hat der französische Grelehrte Paul Topinard in der klassischen Arbeit, in der er die eigenthümliche Bildung dieses bemerkenswerthen mandibula darlegt darauf hingewiesen, dass bei diesem Überbleibsel einer altersgrauen Vergangenheitder Symphysen-Winkel (d.i. derjenige Winkel, den die beidenfhors: zontalen Kieferäste bei ihrem Zusammen- treffen in der Mittellinie bilden) 94° beträgt, also bei Weitem grösser ist als bei irgend welchen jetztlebenden Menschenrassen und dass im Gegensatz zu dem schräg nach vorn sich abdachenden Unterkiefer diese zer: lebenden Menschen der Körper des La-Nau- lette-Kiefers orthognath ist d.h. senkrecht oder wenigstens nahezu senkrecht abfällt Wenn de Mortillet aus der Beschaffenheit des inneren Kieferreliefs beim La-Naulette-Kiefer bezw. aus der Schwäche der Knochenvorsprünge an der Innenfläche des Kiefers, die auf eine entsprechende mangelhafte Ent- wicklung der Zungenmuskulatur hindeuten soll — wenn de Mortillet aus diesen Eigenthümlichkeiten des La-Nau- lette-Unterkiefers den Schluss gezogen hat, der diluviale Mensch sei noch nicht im DBesitze einer artikulirten Sprache gewesen, so muss diese Folgerung als eine sehr kühne bezeichnet werden. Lediglich aus dem Fehlen von Vorsprüngen an bestimmten Knochenflächen auf die geringe Entwicklung der sich daselbst ansetzenden Muskeln zu schliessen — diese Folgerung ist nach Topinard über- haupt nicht zulässig, da die Muskeln, wie man weiss, Dr. Moritz Alsberg. 6 nicht nur an Erhabenheiten des Knochens sich ansetzen, sondern auch in Vertiefungen und Rinnen im Knochen ihren Ursprung nehmen. — Um nochmals auf die oben erwähnte Thatsache zurückzukommen, dass am Kiefer von La-Naulette die Molaren in der Richtung von vorn nach hinten an Höhe und Breite zunehmen und dass der dritte Molarzahn, der unserem Weisheitszahn entspricht, eine besonders mächtige Entwicklung aufweist,*) so macht Klaatsch darauf aufmerksam, dass der La-Naulette-Kiefer in dieser Hinsicht weder mit den jetzigen Menschen noch mit den Anthropoiden übereinstimmt. Im Hinblick auf diese. Eigenthümlichkeit des La-Naulette-Kiefers sowie wegen der im Verhältniss zur Höhe sehr beträchtlichen Dicke des horizontalen Kieferastes — eine Eigenthüm- lichkeit durch die sich der La-Naulette-Kiefer ebensowohl von dem Unterkiefer des jetzt lebenden Menschen wie von demjenigen der Anthropoiden unterscheidet — im Hin- blick auf diese Eigenthümlichkeiten bemerkt Klaatsch: Es sind Abweichungen eigener Artam La Nau- lette-Kiefer vorhanden, die uns einen beson- deren, von der Bahn der Affen verschiedenen Weg zu-niederen Zuständen offenbaren und auch Topinard hegt offenbar den gleichen Gedanken, wenn er sagt: „Il en resulte, que la mandibule de la Naulette a des proportions, qui non seulement ne sont pas humaines, mais sont plus que simiennes“. Was das bereits erwähnte Kieferfragment anlangt, welches von Maska aus der Schipka-Höhle (bei Stram- berg in Mähren) zu Tage gefördert wurde, so beruht das Hauptinteresse desselben darin, dass von den fünf über- haupt vorhandenen Zähnen — drei, nämlich der Eckzahn und die beiden Prämolaren — den Entwicklungszustand *) Topinard giebt folgende Maasse für die Länge und Breite der drei Molaren am La-Naulette-Kiefer: Länge Breite I. Mol. 0,5 mm 9,5 mm II. Mol. to ss II . IT Moltiro,.sieT, 10,5 ,, 66 Die Neanderthal-Rasse und die Abstammung des Menschen. noch unfertiger kurz vor dem Durchbruch bei der zweiten Zahnung befindlicher Zähne darbieten, während die Grösse und sonstige Entwicklung des Kieferstückes eine so gewaltige, namentlich in der Dicke ist, dass :selbst unter den. Kiefern Erwachsener sich dafür keine ganz zutreffende Parallele hat auffinden lassen. Während Virchow hier auch wieder das Vorhandensein eines pathologischen Pro- cesses, nämlich die Retention der besagten Zähne im Kiefer annehmen zu sollen glaubt, ist der verstorbene Schaaffhausen s. Z. für die pithecoide d. h.: affenähnliche Beschaffenheit des Schipka-Kiefers auf’s Energischste ein- getreten. Das Richtige hat aber meines Erachtens Baume getroffen, wenn er die Vermuthung ausspricht, dass das in Rede stehende Kieferbruchstück von einem: mensch- lichen Individuum bezw. einer Menschenrasse stamme, bei der nur die Kinnladen mächtig entwickelt waren, die aber im Übrigen eher eine kleine als eine grosse Statur be- sass. Der letzterwähnte Gelehrte weist auch darauf hin: „dass das Vorspringen des Unterkiefers bei dem Vorläufer des heutigen Menschen schon deshalb eine Nothwendig- keit war, weil ohne eine solche Protrusion die Entwicklung und Thätigkeit des Kehlkopfs durch den stark arbeitenden Kiefer und den zugehörigen Muskelapparat behindert worden wäre“. i Im Anschluss an die Erörterung der Kieferbildung beim diluvialen Menschen und an die von mir bereits besprochenen Funde von Taubach, wo zwei menschliche Mahlzähne — der eine einem jugendlichen Individuum, der andere einem erwachsenen Menschen zugehörend — in interglaciären Schichten aufgefunden wurden, will ich hier noch jener Untersuchungen gedenken, welche Branco über die menschenähnlichen Zähne aus den pliocänen Bohnerz-Lagern der schwäbischen Alb veröffentlicht hat. Branco glaubt allerdings, dass diese Zähne von Anthro- poiden herstammen. Dementgegen weist aber Klaatsch darauf hin, dass diese Zähne den Molaren von Taubach, deren von Nehring behauptete menschliche Provenienz Dr. Moritz Alsberg. 67 bisher noch Niemand bezweifelt hat, in jeder Hinsicht gleichen. | | Sollte sich die Vermuthung von Klaatsch bewahr- heiten, dass die von Branco beschriebenen Zähne nicht Affenzähne, sondern Menschenzähne sind, so wäre, da die betreffende Fundstätte unzweifelhaft dem Pliocän (Spät- tertiärzeit) angehört, damit zum ersten male der voll- gültige Beweis geliefert, dass der homo sapiens Bereits während der Spättertiärzeit auf deutschem Boden gelebt hat. Für die Annahme einer durch besondere körperliche Eigenthümlichkeiten gekennzeichneten Menschenrasse, welche während des Diluviums unseren Erdball be- wohnte und eine Übergangsstufe von einem dem heutigen Menschen in gewisser Hinsicht bereits ähnelnden aber doch durch viele Züge niederer Bildung von ihm sich unterscheidenden Iypus zum jetzt lebenden homo sapiens gebildet hat — für die Annahme einer solchen Rasse sind auch jene Untersuchungen von grosser Bedeutung, welche Klaatsch neuerdings an den seit 45 Jahren in der naturhistorischen Sammlung des Museums zu Bonn auf- bewahrten, beinahe in Vergessenheit gerathenen Extre- mitätenknochen des Neanderthal-Menschen vorgenommen hat. Insbesondere sind es die beiden Oberschenkelknochen des Neanderthalers — den rechten Femur des Neander- thal-Menschen zeige ich Ihnen hier im Gypsabguss vor — die in Übereinstimmung mit denjenigen der Spy- Skelette durch eine Anzahl von. Eigenthümlichkeiten, wie sie sich in solcher Vereinigung nicht wieder finden, vom Oberschenkel des heutigen Menschen sich unterscheiden. Als solche Merkmale werden von Klaatsch neben der Ssenthümlichen Plumpheit der ganzen For- mation die gleichmässige Rundung des Ober- schenkelschaftes (Diaphyse), ferner die be- Teachtliche, nach vorn convexe. Krümmung und endlich noch die mächtige Entwicklung der beiderseitigen Gelenkenden (Epiphysen- 5* 68 Die Neanderthal-Rasse und die Abstammung des Menschen. theile), welche in den bedeutenden Breiten- durchmessern dieser Parthien sich kund giebt, hervorgehoben, während andererseits die Linea aspera (rauhe Linie) die dem Oberschenkel- schaft des heutigen Menschen die charakteristi- sche Pilasterform verleiht, bei jener diluvialen Menschenrasse als deren Repräsentanten wir den Neanderthal-Menschen und die Menschen von Spy zu betrachten haben, weit weniger hervortritt als beim heutigen Menschen. Die untere Hälfte des Oberschenkelschaftes bei der besagten Rasse zeigt auch noch in anderer Hinsicht eine bemerkens- werthe Abweichung von der Bildung der entsprechenden Knochenparthie beim heutigen Menschen. Im Gegensatz zu der Trompetenform der unteren Hälfte des Ober- schenkelschaftes beim heutigen homo sapiens (der bereits von der Mitte des Knochens bis zum Kniegelenk hin sich allmählich steigernden Zunahme des Querdurchmessers) bleibt das Femur vom Neanderthal und diejenigen von Spy bis beinahe unmittelbar über dem Kniegelenk von geringen Dimensionen, um dann gleichsam plötzlich seine volle Breite zu gewinnen. Speziell die Schmächtigkeit des Ober- schenkel-Schaftes über dem Kniegelenk wird von Klaatsch als eines der für den homo Neanderthalensis ganz besonders charakteristiischen Rassenmerkmale be- trachtet. Auch ist nach Manouvrier ein gewisser Grad von Platymerie vorhanden, d. h. der transversale Durchmesser des Femur-Schaftes ist etwas vergrössert, während der sagittale Durch- messer (Durchmesser :in:der. Richtung von vorn nach hinten) etwas verkleinertist und in Folge dessen der gesammte Schaft in der Richtung von vorn nach hinten etwas abge- plattet erscheint. Eine Erwähnung verdient auch das fast vollständige Fehlen.dier: Line“ intertrochanterica (Linea obliqua) am Öber- Dr. Moritz Alsberg. 69 schenkelbein des Neanderthal-Menschen, d. h. jener Linie, welche beim heutigen Menschen den grossen und kleinen Rollhügel (Trochanter major und minor) mit einander verbindet. Bemerkenswerth ist auch die von der entsprechenden Bildung des heutigen Menschen vollständig abweichende Beschaffenheit der Kniegelenks- flächen am Oberschenkelknochen des Neanderthal- und Spy-Menschen, indem sich schon bei oberflächlicher Be- trachtung zeigt, das'ss:der: seitliche-: Ran-d:. der Knorpelfläche beim Neanderthal- und Spy- Menschen vielstärker -vorspringt, als’beiim mentioen Menschen ‘und dass bei Ersterem operhalb des-eigentlichenGielenks eine'drei- eckige Vertieiung: '— Klaatsch" nennt sie ’fossa suprapatellaris — deutlich ausgeprägtist, die beim heutigen Menschen nur schwach ange- demtet-istk. An. dem Condylen: (Kniegelenk- vorsprüngen des Oberschenkelbeins) selbst ist ihre starke Verlängerung nach hinten besonders auffällig, sowie der Umstand, dass der: seitliche Condylus (Condylus ex- ternus)beim Neanderthal-und Spy-Menschen ein entschiedenesÜbergewicht über den me- dialen Condylus (Condylus internus) hat. — Wenn wir uns von der Beschaffenheit des Kniegelenks beim diluvialen Menschen eine Vorstellung machen wollen, so müssen wir zugleich auch die Formgestaltung des Schienbeinknochens in’s Auge fassen und da sich unter den Resten des Neanderthal-Menschen keine Tibia be- findet, so wird es gestattet sein, dass wir den Schienbein- knochen des Spy-Menschen, der, wie bereits erwähnt, in allen wesentlichen Punkten der Schädelbildung sowie des Rumpf- und Extremitätenskelettes mit dem Neander- thaler eine bemerkenswerthe Übereinstimmung aufweist, hier zu Hülfe nehmen. Eine Bildung; die von der Form ‚des Schienbeins, wie sie beim heutigen Menschen die Regel bildet, schon auf den ersten Blick sich unterscheidet 70 DieNeanderthal-Rasse und die Abstammung des Menschen. und an den Schienbeinknochen aus prähistorischen Fund- stätten besonders häufig angetroffen wird, ist die bekannte Erscheinung der Platyknemie d. i. eine seitliche Ab- flachung des Schienbeins in seiner oberen Hälfte, welche diesem Knochen eine säbelscheidenartige Form verleiht und es bewirkt, dass der Querschnitt des Knochens ein Oval bildet, anstatt der normalen Dreieckform und dass an die Stelle einer hinteren Knochenfläche ein runder Vorsprung tritt. Diese eigenthümliche Gestaltung des Schienbeins wird von der Mehrzahl der Anthropologen als Kennzeichen niederer Bildung bezw. als „pithecoides Merkmal“ aufgefasst”). Obwohl nun nach den Unter- suchungen von Fraipont eine Platyknemie im engeren Sinne des Wortes an der Tibia des Spy-Menschen nicht vorhanden ist, so entfernt der besagte Knochen durch das Fehlen einer hinteren Fläche sich doch sehr erheblich vom Zustande des heutigen Menschen. Der Schienbein- knochen des Spy-Menschen ist zugleich auch unver- hältnissmässig kurz und im- Gesammiesn- drucke plump. In Übereinstimmung mit Collignon, der eine ähnliche Bildung an den Diluvialskeletten von Bollweiler (Elsass) nachgewiesen hat, hat Fraipont ferner auch konstatirt, dass die scharf ausgeprägte obere Grelenk- fläche der Tibia schräg nach hinten gerichtet ist und zwar in der Weise, dass eine Senkrechte, die man auf die Ge- lenkfläche der Tibia fällt, mit der Längsachse des Knochens einen spitzen Winkel bildet. Auch macht sich, wenn man die Tibia des heutigen Menschen mit derjenigen des neo- lithischen Menschen (Menschen der jüngeren Steinzeit), des Spy-Menschen und des Gorilla vergleicht, die Erscheinung bemerklich, dass bei den drei letzterwähnten Tibien der *) Manouvrier bringt die Entstehung der Platyknemie mit einer Ver- stärkung des m, tibialis postieus in Zusammenhang sowie mit einer indirekten Funktion dieses Muskels, durch welche beim Springen und Laufen eine Immobilisation der Tibia erzeugt werden soll. Vergl. Klaatsch ‚Die wich- tigsten Variationen am Skelett der freien unteren Extremität des Menschen“, (Ergebnisse der Anatomie und Entwicklungsgeschichte, herausgegeben von Fr. Merkel und R. Bonnet. Bd. X. 1900. Dr. Moritz Alsberg. 7 Schaft des Schienbeinknochens nach hinten gekrümmt ist und zwar in der Art und Weise, dass, wenn man vom heutigen Menschen zum Neolithen, von diesem zum Spy- Menschen und von Letzterem zum Gorilla rückwärts schreitet, diese Rückwärtskrümmung des Schienbeinschaftes immer mehr zunimmt. Diese Figenthümlichkeiten der Schienbeinbildung sollen nun, zusammengehalten mit der zuvor erwähnten eigenthümlichen Beschaffenheit der nach hinten verlängerten Oberschenkelcondylen sowie mit der Rückwärtslagerung der Gelenkflächen an den Condylen des Oberschenkels, nach Fraipont durch die Annahme zu erklären sein, dass der Mensch von Spy sowie derjenige des Neanderthals sich den aufrechten Gang noch nicht vollständig angeeignet habe, vielmehr noch mit eingeknickten Knien einhergeschritten sei — eine Theorie, die freilich von Manouvrier und Ranke auf das Entschiedenste bestritten wird. Es ist ja zweifellos, dass beim Gehen mit eingebogenem Knie die sich be- rührenden Flächen des Femur und der Tibia nach hinten verlegt werden. Aber ob man diesen Satz auch umkehren darf, ob das Vorhandensein von schräg nach hinten ge- richteten Kniegelenksflächen einen Rückschluss gestattet auf den Gang mit eingebogenem Knie — das scheint mir doch noch nicht vollständig erwiesen. Klaatsch”) be- merkt mit Recht, dass für die Entscheidung der in Rede stehenden Frage die Form und Stellung der Gelenkenden am ÖOberschenkelknochen und Schienbein nicht allein in Betracht komme, sondern dass auch der Ansatz der Beuge- und Streckmuskeln an den betreffenden Knochen mit in Erwägung zu ziehen sei. Jene Zunahme der Rückwärtskrümmung der oberen Parthie des Schienbeins, wie sie von Retzius beim achtmonatlichen Foetus konstatirt worden ist, soll nach Klaatsch als eine mit der Erwerbung des aufrechten Ganges in Zusammenhang stehende Er- scheinung aufzufassen sein. Während noch bei den niederen ala; 72 Die Neanderthal-Rasse und die Abstammung des Menschen. Primaten die vollständige Streckung des Beins im Knie durch die weit nach abwärts befindliche Anheftung der Beugemuskulatur verhindert wird, wäre die. starke Rück- wärtsbeugung des Schienbeinknochens in Verbindung mit der nach vorn convexen Krümmung des Oberschenkel- knochens wohl geeignet, die Ursprungs- und Insertions- punkte der Beugemuskeln zu nähern und auf diese Weise deren die Aufrichtung hemmende Wirkung aufzuheben. Klaatsch weist auch darauf hin, dass zwischen dem Zustande des neugeborenen Europäers der Jetztzeit und den Skeletten von Spy und Neanderthal ganz bestimmte Beziehungen bestehen. Die zuvor erwähnten Eigenthümlichkeiten, welche den Oberschenkelknochen des Neanderthal- und Spy- Menschen vom Oberschenkelbein des heutigen Menschen unterscheiden -—— nämlich das Fehlen der Linea intertro- chanterica, die Tiefe der Patellar-Grube sowie das Prominiren des äusseren Condylus nach rückwärts und dessen UÜberwiegen über den inneren Condylus — diese Erscheinungen finden wir am Oberschenkelknochen des dreijährigen Kindes von heutzutage noch deutlich aus- geprägt. Auch die mächtigen Dimensionen der Gelenk- theile (Epiphysen) die Grösse des Gelenkkoöpfes — diese und andere Umstände führen zu der Vermuthung, dass beim europäischen. Kinde noch bheutzufa@e ein Atavismus besteht, der sichin der Weise äussert, dass niedere Zustände, die beim Neanderthal-Menschen dauernd bestanden haben, sich beim Kinde wiederholen. °Ob- wohl das Kind der ersten Lebensjahre aufrecht gehen kann, so zeigt es doch im Knochenrelief noch unverkennbar die Spuren des früheren Zustandes, in welchem die Beugung des Knies die Ruhehaltung bedeutete. In analoger Weise wird nun auch der im Vorhergehenden geschilderte eigen- thümliche Befund am Oberschenkelknochen und Schienbein des Neanderthal-Menschen von Klaatsch beurtheilt. Mag immer hinzugestanden werden, dass Letzterer den aufrechten Gang bereits besessen hat, so hatten sich doch die Reste Dr. Moritz Alsberg. 13 des früheren Zustandes bei ihm noch viel deutlicher erhalten als bei den jetzt lebenden niederen Menschenrassen, von denen einige wie z. B. die Wedda’s auf Ceylon durch Rückwärtsbeugung ihres Schienbeinknochens eine Ueberein- stimmung mit der Neanderthal-Rasse aufweisen. Ehe ich mich von der Betrachtung des Gliedmaassen- skelettes des Neanderthal- und Spy-Menschen anderen Fragen zuwende, will ich hier nur noch bemerken dass es durchaus irrthümlich wäre, wenn man aus der geringen Entwicklung der Linea aspera und Linea intertrochanterica am Oberschenkelbein des Neanderthal- und Spy-Menschen etwa den Schluss ziehen wollte, dass die Oberschenkel- muskulatur dieser Rasse im Allgemeinen weniger kräftig entwickelt gewesen sei als diejenige des jetzt lebenden Menschen. Mit Recht hat Schieferdecker darauf hin- gewiesen, dass, wenn auch die zuerst erwähnten Muskel- ansatzlinien beim Neanderthal-Menschen wenig hervor- treten,. doch andere zum Muskelansatz dienende Punkte wie z. B. gewisse Rauhigkeiten an der Vorderfläche des Knochens und eine unmittelbar vor dem Irochanter minor gelegene tiefe Garube beim Neanderthal-Menschen in weit höherem Grrade entwickelt sind als beim heutigen Menschen. Durch seine diesbezüglichen Untersuchungen ist Schiefer- decker zu dem Schlusse gelangt, dass speziell die Adduktoren, Flexören und Glutäen (also diejenigen Muskeln, welchen die Einwärts- gorkmozund Beusung des Oberschenkels ob- liegt, sowie die Muskeln des Gesässes) beim Neanderthal-Menschen sehr stark entwickelt waren, während andererseits die Extensoren (Streckmuskeln) etwas hinter ihrer heutigen Entwicklung zurückgeblieben sind. -Es waren 2aisornnerade ..die für-Kletterbewegungen wichtigen Muskelgruppen bevorzugt und wir werden dadurch auf jenen niederen Zustand der Vorfahren- form hingewiesen, den wir a priori voraussetzen müssen, nämlich auf eine kletternde Primatenform. 74 Die Neanderthal-Rasse und die Abstammung des Menschen. Von den sonstigen Eigenthümlichkeiten, durch welche sich die Skelettknochen des Neanderthal-Spy-Menschen von denjenigen des heutigen Menschen unterscheiden, ist hier schliesslich noch zu erwähnen eine auffallende Krümmung des Radius (Speiche) — eine Er- scheinung, der wir nach Klaatsch ebenso wohl bei An- thropoiden wie bei niederen Affen, Halbaffen und Kletter- beutlern begegnen. Ferner berechtigen die uns erhaltenen Reste von der Darmbeinschaufel und dem Sitzbein des Neanderthaler’s zu dem Schluss, dass das Becken des homo. Neanderthalensis. durch.seine Korm sich sehr wesentlich vom Becken des heutieen Menschen unterschieden hat,- Unter denreisen, artigen Merkmalen sind einige, welche an die jugendlichen Zustände jetzt lebender Menschen — ja geradezu an das Becken des Neugeborenen — erinnern. In besonders auf- fälliger Weise weicht die Verbindung des Darmbeins mit dem Kreuzbein (die Synchondrosis Sacro-lliaca der Ana- tomen) von der Beschaffenheit dieser Verbindung beim heutigen Menschen ab — eine Thatsache, woraus Klaatsch folgert, dass die Körperhaltung des Neander- thal-Spy-Menschen von derjenigen des heutigen Menschen sich wesentlich unterschieden hat; biezw.: dass. die. Belastune der. unterengbsz tremität- durch den Rumpf bei jener Rasse nicht. die gleiche war wie>beim beunssch Menschen. Ich begnüge mich mit diesen Andeutungen über die körperlichen Eigenthümlichkeiten jener Menschenrasse, von deren Körperbau die im Neanderthal, in der Grotte von Spy und in anderen Örtlichkeiten aufgefundenen Skelett- reste uns einen Begriff geben. Daraus, dass Virchow, wie ich Eingangs erwähnte, dem Schädeldach und den sonstigen Resten des Neanderthal-Menschen die wissen- schaftliche Anerkennung versagt hat — hieraus kann dem Gelehrten, der sich in anderer Hinsicht um den Ausbau der Anthropologie grosse Verdienste erworben hat, meines Dr. Moritz Alsberg. 75 Erachtens kein allzuschwerer Vorwurf gemacht werden; denn eine skeptische, abwartende Haltung erscheint bis zu gewissem Grade berechtigt gegenüber den mancherlei Hypothesen und ungenügend motivirten Behauptungen, die gerade in der Anthropologie nicht selten wie Pilze empor- wuchern. Aber wenn eine solche skeptische Haltung auch früher berechtigt war, wo für die Existenz des homo Nean- derthalensis während des Diluviums noch keine genügende Beweise erbracht waren, so ist sie es heutzutage doch nicht mehr; denn gerade in den letzten Jahren haben sich die Funde dermaassen gehäuft und die unter Zuhilfenahme aller zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Hilfs- mittel angestellten Untersuchungen haben über die dunklen Punkte des schwierigen wissenschaftlichen Problems so miel Eicht verbreitet, dass das ehemalige Vor- handensein einer Rasse, die eine niedere Bildung*bezeichnet ünd als Zwischenglieä zwischen dem heutigen Menschen und seinen Pmierischen ! Vorfahren .aufgefasst werden muss, nicht mehr bezweifelt werden kann.”) Aus der Vertheilung der bis jetzt gemachten Funde darf mit Sicherheit gefolgert werden, dass die „Neanderthal- Rasse“ den grössten Theil unseres Erdtheils — wenn nicht ganz Europa — ehedem bewohnt hat, womit jedoch keineswegs gesagt sein soll, dass während des Diluviums mandecdiese einzice Menschenrässe: in: Europa gelebt hat. Im Gegentheil macht die den Geologen wohl- bekannte Ihatsache, dass jene Erdepoche, die wir als „Diluvium“ bezeichnen, von ausserordentlich langer Dauer gewesen ist und vielleicht mehrere Hunderttausende von *) Das ehemalige Vorhandensein dieser Rasse ist in allerneuester Zeit abermals bestätigt worden durch die von Dr. Gorjanovic-Kramberger, Professor der Geologie an der Universität Agram, unweit Krapina (Kroatien) gemachten Funde. Die in jener Lokalität aufgefundenen Skelettreste von mindestens 10 Individuen verschiedenen Alters weisen sämmtlich jene charakteristischen Merkmale auf, denen wir beim Neanderthal-Spy-Menschen begegnen, Vergl. die Abhandlung: „Der paläolithische Mensch und seine Zeitgenossen aus dem Diluvium von Krapina in Kroatien“ im XXXI. Bande der „Mittheilungen der anthropologischen Gesellschaft in Wien“, Wien 1901. 16 Die Neanderthal-Rasse und die Abstammung des Menschen. Jahren umfasst hat — diese Thatsache macht es sehr wahrscheinlich, dass die Neanderthal-Rasse — wenn auch die älteste der uns bis jetzt bekannten Menschenrassen — doch nicht die einzige gewesen ist, die während des Di- luviums unseren Planeten bewohnt hat.*) Andererseits bietet die lange Dauer der Diluvialzeit auch dafür eine Erklärung, dass die aus diluvialen Fundstätten zu Tage geförderten Menschenschädel und sonstigen Reste von menschlichen Skeletten, wenn sie auch durch viele ihnen gemeinsame FEigenthümlichkeiten gekennzeichnet sind, sich doch in gewissen Einzelheiten von einander unterscheiden. Die Menschheit hat während des Diluviums offenbar einen Entwicklungsprozess durchgemacht, der sie von der pri- mitiven Bildung des Neanderthal-Menschen durch An- passung an die Existenzbedingungen und den Kampf um’s Dasein zu immer weiterer Vervollkommnung geführt hat. Die jeweilige Stufe der Vervollkommnung, die der Mensch in einem gewissen Stadium erreicht hatte, . hat zweifelsohne in der Körperbildung des vorgeschichtlichen Menschen ihren Ausdruck gefunden und auf diese Weise erklärt es sich auf's Ungezwungenste, dass jene pithe- coiden Merkmale (Merkmale niederer Bildung), denen wir beim Diluvial-Menschen begegnen, bei dem einen dilu- vialen Schädel oder Unterkiefer mehr entwickelt sind als bei einem anderen, der ebenfalls der Diluvialperiode zu- zurechnen ist. So finden wir z. B. den als Merkmal nie- *) Ein inı835 aus derin der Provinz Lüttich (Belgien) nahe der Maas gelegenen Engis-Höhle von Schmerling zu Tage geförderter Schädel, der an der bezeichneten Stelle auf gemeinschaftlicher Lagerstätte mit Knocher des Mammuth, Nashorn, des Pferdes, der Hyäne und des Höhlenbären aufge- funden wurde, hat zur Annahme einer besonderen diluvialen Menschenrasse Veranlassung gegeben und auch die zu Cro-Magnon beim Dorfe Eyzies an der Vezere (Dordogne) beim Bahnbau aufgefundenen menschlichen Skelett- ‚reste werden von der Mehrzahl der französischen Anthropologen als Proto- typ einer besonderen diluvialen Menschenrasse betrachtet. Erwähnt sei hier auch noch, dass die -Skelette von Furfooz, die aus der unter dem Namen „Irou du Frontel‘“ bekannten belgischen Höhle von Dupont zu Tage ge- fördert worden sind, sowie diejenigen von Grenelle und Truchere .eben- falls zur Aufstellung von besonderen vOrgSchich len Rassentypen' Veran- lassung gegeben haben. Dr. Moritz Alsberg. Tr derer Bildung aufzufassenden Prognathismus d. h. das Vorspringen des Zahnrandes am Öber- und Unter- kiefer bei den diluvialen Schädeln und Kiefern nicht gleichmässig entwickelt; so sind auch die sogenannten Pränasal-Gruben d.h. die am Oberkiefer unter der Nasenöffnung angebrachten Vertiefungen, die von den Anthropologen ebenfalls als Zeichen niederer Bildung betrachtet werden und der sogenannte Irochanter tertius — jener dritte Rollhügel, der neben dem grossen und kleinen Trochanter als Muskelansatzpunkt auftritt — diese pithecoiden Bildungen bilden, soweit wir bis jetzt hierüber zu urtheilen im Stande sind, am Skelette des diluvialen Menschen kein regelmässiges Vorkommniss. Wenn man übrigens für jene Eigenthümlichkeiten, die auf eine primitive Körperbildung hindeuten, die Bezeichnung „pithecoide Merkmale“ in die Wissenschaft eingeführt hat, so entspricht diese Bezeichnung streng genommen nicht genau unseren wissenschaftlichen Anschauungen; denn das Wort „pithecus“ bedeutet „Affe“ und wir dürfen, wie ich wiederholt bemerkt habe, die Abstammung des Menschen nicht direkt von irgend welchen Affen — auch nicht von den Anthropoiden — ableiten, sondern dürfen höchstens von einer ziemlich entfernten Affenverwand- schaft des homo sapiens reden. Unter solchen Umständen wäre die Bezeichnung theromorphe (d. h. thierähnliche) Bildung, wie sie hier und da vorgeschlagen worden ist, der Bezeichnung „pithecoide Merkmale“ entschieden vor- zuziehen. Bei der Besprechung der thierähnlichen Merk- male will ich als Nachtrag zu dem, was ich bei der Be- schreibung des Neanderthal-Schädels über die Anpassung der Schädelform an die Entwicklung der Grosshirnhemi- sphären bemerkte, hier noch hinzufügen, dass neben der Aufrichtung des Stirnbeins noch ein weiterer Vorgang dazu beiträgt, den für die Entwicklung des Gehirns er- forderlichen Raum zu schaffen. Dieser Vorgang besteht darin, dass die Schädelbasis im Laufe der Ent- wicklung geknickt wird. Während beim Affen 78 Die Neanderthal-Rasse und die Abstammung des Menschen. und den im Zustande niedriger Hirnentwicklung befind- lichen Menschen Stirnbein, Keilbein und die vor dem Hinterhauptsloch gelegene Parthie des Hinterhauptsbeins (die. sogenannte pars basilaris) noch eine ebene oder wenigstens nahezu ebene Fläche bilden — im Gegensatz hierzu kommt es Hand in Hand gehend mit der sich allmählich steigenden Entwicklung des Gehirns zu einer Knickung des Schädelgrundes, die besonders an jenem Theile des Keilbeins, der die vordere Wand des „Türkensattels“ (sella turcica) bildet, besonders in die Augen springt. Der Sattelwinkel oder Basalwinkel wird auf Schädeldurchschnitten gemessen durch zwei Linien, von denen die eine von dem Mittelpunkte der Stirnnasen- naht bis zum Mittelpunkte der Rückenlehne des Türken- sattels, die andere von der letzteren Stelle bis zum Mittelpunkte des Vorderrandes des grossen Hinterhaupts- loches gezogen wird. Die Zunahme dieses Winkels entspricht, wie Johannes Ranke treffend bemerkt, der Knickung, welche Gehirn und Schädel während der Fruchtentwicklung erleiden und ist nicht nur bei Thieren weit flacher als beim Menschen, sondern es ist auch nicht zu verkennen, dass dieser Winkel, bezw. die Knickung der Schädelbasis, durch welche dem Basilartheil des Hinterhauptsbeins eine nach hinten abschüssige Stellung angewiesen und in der auf diese Weise vergrösserten Aushöhlung des Hinterhauptsbeins Raum für die Ent- wicklung des Gehirns geschaffen wird, — dass dieser Winkel und dieseKnickung der Schädelbasis bei dem auf niedriger Entwicklungsstufe stehenden Menschen. wie z. B. beim aaeıız lischen Bingeborenen weit germegessrus. wiekelt sind als:bei dem in)oeistisersprrne sicht hochstehenden, Europäer. - Es giebt aber noch ein weiteres Moment, welches für das Hirnwachsthum und damit im Zusammenhang stehend für die geistige Entwicklung von ausschlaggebender Bedeutung ist. Es ist dies nämlich die Verknöcherung der Schädel- Dr. Moritz Alsberg. 79 nähte. Da nach Virchow durch die Verknöcherung von aneinandergrenzenden Schädelnähten das Wachs- thum des Gehirns in einer bestimmten Richtung gehemmt wird, so liegt es auf der Hand, dass durch die früher oder später erfolgende Verschmelzung der Nähte das Gehirnwachsthum erheblich beeinflusst wird. Wir befinden uns aber freilich zur Zeit noch im Beginn unserer Erkenntniss betreffend das Verhalten der Schädel- nähte, bezw. deren Verwachsung und es muss daher der Zukunft überlassen bleiben zu entscheiden, ob die von dem französischen Anatomen Gratiolet aufgestellte Theorie sich bewahrheitet, derzufolge die Verwachsung der Nähte am Menschenschädel bei den farbigen Rassen in der Richtung von vorn nach hinten, beim Europäer aber in der Richtung von hinten nach vorn fortschreiten soll, woraus sich dann ergeben würde, dass die beim Europäer bis in relativ hohes Alter offen bleibende Kranz- naht einen höheren Grad von Entwickelung des Gehirns ermöglichen würde, als solche bei den farbigen Rassen, wo jene Naht frühzeitig verwächst, zu Stande kommen kann. Ob, wie behauptet worden ist, die Nichtverwachsung der Stirnnaht (d. h. jener Naht durch welche die beiden seitlichen Hälften des Stirnbeins miteinander verschmelzen) — ein Vorkommniss das von Springer bei 8,6 Procent aller daraufhin untersuchten Schädel nachgewiesen worden ist”) — ob diese als Rest der grossen Fontanelle zurück- bleibende Nichtverwachsung der Stirnnaht in gewissen Fällen auf die Entwicklung der Grosshirnhemisphären einen besonderen Einfluss ausübt — die Entscheidung dieser Frage muss ebenfalls der Zukunft überlassen bleiben. *) Vergl. den Bericht über die Verhandlungen des internationalen medizin. Kongresses in Moskau im „Zentralblatt für Biologie‘ Jahrgang 1893 S. 193. 80 Die Neanderthal-Rasse und die Abstammung des Menschen. I. Wir haben im Vorhergehenden die Neanderthal-Rasse kennen gelernt als eine der Übergangsformen, die von den Vorfahren des heutigen Menschen zu diesem selbst hinüberführt und auf der aufsteigenden Leiter der Mensch- werdung gewissermaassen die vorletzte Sprosse bildet. Nunmehr wollen wir aber den Versuch machen, ob es nicht möglich sein wird, das ebenso interessante wie schwierige Problem des menschlichen Ursprungs etwas aufzuhellen, über die Abstammung jenes Wesens, das sich mit be- rechtigtem Stolz als die Krone der Schöpfung bezeichnet, Licht zu verbreiten. Bezüglich der Ansichten über den Ursprung des homo sapiens hat sich in neuerer Zeit in- sofern ein höchst bedeutungsvoller Umschwung vollzogen, als die alte I.ehre von den zwischen dem heutigen Menschen und den Menschenaffen (Anthropoiden) bestehenden engen Beziehungen einer mehr geläuterten Anschauung hat er- reichen müssen. Dabei befindet sich die weitverbreitete Auffassung, derzufolge der Mensch, ebenso wie er in geistiger Hinsicht an der Spitze der organischen Wesen steht, auch in körperlicher Hinsicht die höchste Ent- wicklungsstufe einnehmen soll — diese Auffassung befindet sich in offenbarem Widerspruch zu den Ergebnissen neuerer Forschungen, welche darüber keinen Zweifel be- stehen lassen, dass der jetzt lebende Mensch, wenn er auch hinsichtlich seiner Hirnentwicklung und seiner geistigen Befähigung allen übrigen Gliedern der Thierwelt weit vorausgeeilt.ist, doch in seinem Körper noch heutzutage mancher- lei Anzeichen niederer Bildung beherbergt. Unter diesen niederen Merkmalen haben wir zu unterscheiden: ı) Atavismen d.i. Rückschläge auf die Vorfahren des Menschengeschlechts und 2) rudimentäre Organe d. i. Organe, die vor Jahrtausenden im Körper des Menschen, bezw. seiner Vorfahren eine wichtige Rolle gespielt haben, dann aber sich zurückbildeten, indem unter veränderten Dr. Moritz Alsberg. 81 Existenzbedingungen andere Organe für die Erhaltung der Art eine grössere Bedeutung erlangten. Von diesen eigen- thümlichen Bildungen, die als Denkmäler vorangegangener Entwicklungsstadien im menschlichen Körper zurückge- blieben sind, wird im Nachfolgenden des Näheren die Rede sein; hier sei zunächst nur darauf hingewiesen, dass diese Atavismen und rudimentären Bildungen erst eine völlig objektive Würdigung der Stellung, die der Mensch heutzutage in der Organismenwelt einnimmt, ermöglicht haben und dass dieselben wichtige Anhaltepunkte bieten für das Studium der Phasen, die er auf seiner Entwicklungs- bahn zu durchlaufen hatte. So lange man den Menschen in allen Punkten als die höchste Entwicklungsstufe des Thierreiches ansah, so lange man in jetzt lebenden Wesen ein getreues Abbild von menschlichen Vorfahren- formen zu erkennen glaubte, waren die Schwierigkeiten der Ableitung des Menschen von einer niederen Form sehr gross; seitdem man aber begonnen hat, sich damit vertraut zu machen, dass der Mensch gar nicht in allen Theilen seiner Organisation an der Spitze der lebenden Wesen steht und dass alle jetzt lebenden Formen — auch die dem Menschen ähn- lichsten Primaten und speciell die Anthropoiden — die Endglieder von Entwicklungsbahnen dar- stellen, die von der Bahn des Menschen diver- giren — seitdem diese Erkenntniss sich Geltung ver- schafft hat, ist ein grosser Theil der physiologischen Un- gereimtheiten beseitigt worden, mit denen man früher sich behelfen musste. Eine solche Ungereimtheit war es z. B. wenn man es für denkbar hielt, der Mensch habe sich direkt aus einem auf vier Füssen dahinschreitenden Thiere entwickelt, sein Rumpf habe sich aus der horizontalen Haltung der laufenden Säugethiere ohne Weiteres auf- gerichtet und seine Vordergliedmaassen, die bis zum Be- ginne der Menschwerdung als Vorderbeine ausschliesslich der Vorwärtsbewegung gedient hatten, hätten sich sodann zu (rreiforganen umgestaltet. Zu welchen gezwungenen 6 82 Die Neanderthal-Rasse und die Abstammung des Menschen. Erklärungen diejenigen Forscher, welche ihren Anschau- ungen die. Aufrichtung des menschlichen Vorfahren aus der Vierfüsslerstellung direkt zur aufrechten Haltung zu Grunde legen, geführt werden — dies erhellt u. A. daraus, dass ein Gelehrter von der Bedeutung Manouvrier’s, um für die Ausbildung der aufrechten Haltung eine Erklärung zu bieten, zu allerhand Hypothesen seine Zuflucht nehmen muss. Manouvrier spricht nämlich die Vermuthung aus, dass auf Java, wohin er den Vorgang der Menschwerdung verlegt, die dort vorhandenen Waldungen zeitweilig durch Vulkaneruptionen zerstört worden seien und dass in Folge dieses Freignisses der menschliche Vorfahre, der im Walde noch die Vierfüsslerstellung bezw. die halb-aufrechte Stellung einnahm, nunmehr zum Aufsuchen anderer Sub- sistenzmittel und damit zugleich zur Ausbildung des auf- rechten Ganges gezwungen worden sei. Vielleicht habe auch — so argumentirt der französische Gelehrte dann weiter — der Vorfahre des Menschen im Kampfe gegen seine Feinde zum Schleudern von Steinen, Baumästen u. dergl. seine Zuflucht genommen und sei auf diese Weise veranlasst worden zur permanent-aufrechten Körperhaltung überzugehen. Was speciell den letzterwähnten Punkt an- langt, so kann allerdings der Einfluss, den die Aneignung der aufrechten Körperhaltung auf die Gesammtentwicklung des Menschen ausgeübt haben wird, kaum überschätzt werden. Dabei müssen wir uns jedoch vergegenwärtigen, dass für diese neue Körperstellung die Ausbildung des menschlichen Fusses die unerlässliche Voraus- setzung bildet. Der menschliche Fuss, wie er sich uns heute darstellt, ist allerdings ein höchst bemerkenswerthes Gebilde, ein Organ wie es kein Thier aufzuweisen hat. Derselbe ist im Grunde genommen ein Dreifuss dessen Stützpunkte die Ferse, der Ballen der grossen Zehe und der den vier kleineren Zehen gemeinschaftliche Ballen bilden. Das Fett- und Hautpolster, welches an diesen drei Stützpunkten des Fusses eine besondere Entwicklung auf- weist, dient dazu, die Stösse und Erschütterungen, die Dr. Moritz Alsberg. 33 der Fuss beim Laufen und Springen auszuhalten hat, ab- zuschwächen. Was ferner die Entwicklung der Wade — ebenfalls eine spezifisch-menschliche Eigen- thümlichkeit — anlangt, so entspricht dieselbe der Grösse der Arbeit, welche das Bein beim Grehen, Laufen, Springen uüsidergl. zu leisten hat. Die Ferse und der Grosszehen- ballen treten bei der Vorwärtsbewegung nach einander als Hebel in Funktion. Gewisse Rumpfmuskeln unter- stützen die Vorwärtsbewegung, indem sie gleichzeitig den Rumpf nach vorn beugen. Der menschliche Fuss ist demnach als eine ganz vortreffliche Kombination eines den Körper stützenden Pfeilers und eines Hebels, der bei der Lokomotion den Körper nach vorn schiebt, aufzufassen. Auf dem sinnreichen Bau des menschlichen Fusses beruht es auch, dass der Energieverbrauch beim Gehen auf ein Mininum reduzirt und sehr viel geringer ist als der Kraft- aufwand, den die Vierfüssler zum Zwecke der Vorwärts- bewegung zu verausgaben haben. — Was ferner die ana- tomischen Veränderungen anlangt, welche die Mensch- werdung an der vorderen (oberen) Extremität hervor- gerufen hat, so sind sie nicht weniger bemerkenswerth als diejenigen der hinteren (unteren) Extremität. Wir sehen wie die vorderen (oberen) Gliedmaassen zu einem überaus vollkommenen, den mannigfaltigsten Bewegungen und den vielseitigsten Gebrauch gestattenden Greiforgan — dem vollkommensten mechanischen Apparat, den die Natur bis jetzt produeirt hat — umgestaltet worden ist. Mit Hülfe der Pronation (Drehung des Vorderarms zur Aufwärtsrichtung der äusseren Arm- und Handfläche) und Supination (Drehung des Vorderarms zur Aufwärts- richtung der inneren Handfläche), der Gegenüberstellung des Daumens zu den vier übrigen Fingern, sowie mit der Beugung und Streckung, der Adduktion (Heranziehung des Armes an den Rumpf) und Abduktion (Entfernung des Armes vom Rumpf) — durch diese Bewegungen wird eine solche Mannigfaltigkeit der Arm-, Hand- und Finger- stellung erzielt, dass mit der oberen Extremität je nach 6* 84 Die Neanderthal-Rasse und die Abstammung des Menschen. Bedürfniss die Wirkung eines Hakens, einer Klammer, einer Zange, eines Hammers und dergleichen erzielt wird. Dass dieser überaus vollkommene, am unteren Ende eines frei herabhängeenden Hebels angebrachte Mechanismus dem Menschen eine Überlegenheit über alle anderen Thiere verleihen musste — eine Überlegenheit, die sowohl beim Angriffe, als bei der Vertheidigung zur Geltung kommt — dies liegt auf der Hand. Schnelle Ausführung der mannigfaltigsten Bewegungen und Einnehmen der ver- schiedensten Stellungen — wodurch die Überlegenheit der rohen Kraft, die wir bei so vielen Gegnern des Menschen finden, ausgeglichen wird — diese Momente gehen zudem Hand in Hand mit dem Vortheil, der dem Menschen da- durch geboten wird, dass der Schwerpunkt des Körpers mit der Achse der Wirbelsäule zusammenfällt, dass der Rumpf je nach Bedürfnissin die verschiedensten Stellungen gebracht werden kann, dass derselbe auf einem oder beiden Beinen balancirt, auf den Fersen wie auf einem Rollengelenk gedreht werden kann und dass dement- sprechend der Mensch die Stellungen des Liegens, Sitzens, Knieens, Hockens u. s. w. ohne Mühe oder erheblichen Kraftaufwand einnehmen kann. Dass der Mensch ver- möge dieser ausserordentlich mannigfaltigen und ohne Anstrengung zu Stande kommenden Bewegungen bezw. Positionen eine Ausnahmestellung in der Natur einnimmt, ohne dass jedoch die primitive und typische Überein- stimmung desselben mit allen übrigen Wirbelthieren auf- gehoben wäre — auch dies bedarf keiner besonderen Aus- einandersetzung. Der Mensch ist das einzige Thier, welches bei gestreckten Knien durch das Gleichgewicht in voll- kommen aufrechter Stellung erhalten wird. — Durch ge- wisse Veränderungen der Dimensionsverhältnisse ist ferner das freie Balanciren des Schädels auf der Spitze der Wirbelsäule bewirkt worden — eine Erscheinung, die ihrerseits wiederum der Entwicklung des Gehirns zum Denkorgane zu Statten gekommen ist — während das unter der Schädelkapsel angebrachte Gesicht sich zum Dr. Moritz Alsberg. : 8 Organe des mimischen Gesichtsausdruckes entwickelte. Dadurch, dass der Mensch die aufrechte Körperhaltung eingenommen hat, sowie durch das Zurücktreten des Kau- apparates, der, wie oben erwähnt, bei erwachsenen Anthro- poiden noch eine mächtige Entwicklung aufweist — hier- durch war erst die Möglichkeit gegeben zur Ausdehnung der Schädelkapsel nach verschiedenen Richtungen hin und somit auch die Möglichkeit, für die Grössenzunahme und Entwicklung der höheren Nervencentren (Organe für alle höheren geistigen Thätigkeiten) den erforderlichen Raum zu schaffen, wobei, wie wir dies bereits erörtert haben, einerseits die Aufrichtung des Stirnbeins, anderer- seits die Knickung der Schädelbasis (Vergrösserung des Innenraumes der Schädelhöhle durch Biegung der Schädel- basis nach hinten und unten) als wesentliches Hülfsmittel zur Erreichung dieses Zweckes mit in Betracht kommen. Im Vorhergehenden haben wir in ihren Grundzügen die Vortheile dargelegt, die aus der Aneignung der per- manent-aufrechten Körperhaltung sowie des aufrechten Ganges für die Entwicklung des homo sapiens sich er- geben haben und es drängt sich nunmehr die Frage auf, wo wir den Anfangspunkt jener Entwicklung zu suchen haben, die in ihrem Fortschreiten zu jenen vollkommenen Einrichtungen geführt hat, die dem heutigen Menschen in mehr.als einer Hinsicht das Übergewicht über die ge- sammte übrige Thierwelt verleihen. Zur Lösung des der Anthropologie obliegenden Problems, den Ent- wicklungsgang des Menschen von niederen Anfängen bis zu der jetzt von ihm erreichten Vollkommenheit in seinen verschiedenen Phasen klarzulegen, stehen derselben neben der menschlichen Anatomie drei Hülfswissenschaften nämlich ı) die Paläontologie, 2) die vergleichende Anatomie und 3) die Embryologie, zur Verfügung*). Während dem *) Dass andere Wissenszweige wie z. B. die vergleichende Physiologie, die systematische Zoologie, die Völkerkunde u. A. ebenfalls dazu berufen sind, zum Ausbau der physischen Anthropologie beizutragen, bedarf kaum einer 86 Die Neanderthal-Rasse und die Abstammung des Menschen. Paläontologen die Aufgabe zu ertheilt ist, die Thiere, welche in vergangenen geologischen Epochen unseren Erdball be- völkert haben, in ihren mannigfaltigen Formgestaltungen kennen zu lernen und auf diese Weise Anhaltepunkte zu ge- winnen für die Beurtheilung der Veränderungen, die sich beim Menschen bezw. bei dessen Vorfahren im Verlaufe der Jahrtausende vollzogen haben, ist die vergleichende Ana- tomie dazu berufen, ebensowohl die Verschiedenheiten, welche die einzelnen Thierklassen und Gattungen von ein- ander trennen, wie auch den gemeinsamen Grundplan dieser verschiedenen Bildungen klarzulegen. Endlich dürfen wir von der Embryologie (embryonale Entwicklungsgeschichte) wichtige Aufschlüsse über die Phasen, welche der Mensch bei seiner Entwicklung durchlaufen hat, deshalb erwarten, weil die moderne Forschung den Satz fest begründet hat, dass die embryonale Entwicklung im Grunde genommen Nichts anderes ist, als die auf einen ganz kurzen Zeitraum zusammengedrängte Wiederholung der durch die Stammes- geschichte (phylogenetische Entwicklung) bedingten all- mähligen Umgestaltung der Organe. Mit anderen Worten: Wir haben zu berücksichtigen, dass jene Veränderungen, die sich im Verlaufe von unzähligen Jahrtausenden im Körper des Menschen, bezw. seiner Vorfahren als Folgezu- stände von veränderten Existenzbedingungen vollzogen haben — dass dieser Entwicklungsgang sich in den ver- schiedenen Phasen der embryonalen Entwicklung, wenn auch zum Theil nur andeutungsweise, wiederspiegelt. Wir sind daher bis zu gewissem Grade berechtigt, aus den Formen und Bildungen, durch welche die verschiedenen Phasen des embryonalen Lebens gekennzeichnet sind, Rückschlüsse zu ziehen bezüglich der Veränderungen: welche der Mensch, bezw. dessen Vorfahren im Verlaufe besonderen Erwähnung. Die Anthropologie wird nicht mit Unrecht als die Universitas litterarum bezeichnet d. h. als jenes Gebiet, wo verschiedene Wissenszweige zur Erforschung der morphologischen Stellung des heutigen Menschen sowie zur Lösung des ebenso interessanten, wie dunklen Mensch- werdungs-Problems sich die Hand reichen. Dr. Moritz Alsberg. 87 der stammesgeschichtlichen (phylogenetischen) Entwicklung durchzumachen hatten. Treten wir nun unter Heranziehung dieser drei Hülts- wissenschaften an das überaus schwierige Problem der Menschwerdung heran, so wird die geeignetste Methode für unsere Untersuchungen darin bestehen, dass wir die einzelnen Organe bezw. Organsysteme des Menschen auf ihre frühere Beschaffenheit prüfen und uns zugleich nach Bildungen umsehen, die eine gewisse Übereinstimmung mit der Körperbeschaffenheit des heutigen Menschen auf- weisen und daher für unsere Betrachtungen einen ge- wissen Anhaltepunkt darbieten. Hier ist nun zunächst hervorzuheben, dass die Hand, dieses kunstvolle Werkzeug: des Menschen, auf dessen Besitz seime sanze Kulturentwicklung beruht, "keine neue Erwerbung und keine ihm ausschliesslich zukommende Eigenthümlichkeit, sondern vielmehr ein uraltes vonder gemeinsamen Vorfahrenform des Menschen und der Säugethiere her auf den homo Sapiensrübertragenes Erbstück darstellt. Die Opponirbarkeit des Daumens hat sich, wie Klaatsch hervor- hebt, nicht erst bei den letzten thierischen Vorfahren des Menschen aus einer gleichartigen Beschaffenheit der Finger herausgebildet, sondern schon in den Anfängen der Aus- bildung der Landwirbelthiere war die Ausprägung eines Greif- und Kletterorgans gegeben. Seitdem durch die paläontologischen Forschungen festgestellt worden ist, dass bereits die Urformen der Säugethiere eine in allen wesentlichen Theilen der Hand- wurzel, der Mittelhand und der Fingerglieder der mensch- lichen entsprechende Hand besessen haben, dass bereits die frühtertiären (eocaenen) Vertreter der jetzigen Carni- voren (Arctocyon, Cynodictis) und die eocänen Vorläufer der Einhufer (Phenacodus) im Bau ihrer Hand den heutigen Prosimiern und Primaten ausserordentlich nahe kommen — seit dieser Entdeckung ist es klar geworden, dass wir zur Erlangung eines vollen Verständnisses 88 Die Neanderthal-Rasse und.die Abstammung des Menschen. für die Entwicklung der menschlichen Hand auf ältere Abschnitte des grossen thierischen Stamm- baumes, an dessen höchster Spitze der heutige Mensch sich befindet, zurückgreifen :müssen, Noch heutzutage finden wir die Prosimier im Besitze einer Greifhand, während andererseits bei den Anthropoiden eine Tendenz zur Rückbildung des Daumens vorhanden ist, was an und für sich schon genügen würde, um zu beweisen, dass von einer Abstammung des Menschen von den Anthropoiden — trotz der in anderer Hinsicht überraschenden Ähn- lichkeit der Bildung. — unter allen Umständen keine Rede sein kann. Alle niederen Säugethiere mit Ausnahme der Prosimier haben, wie Klaatsch hervor- hebt, die Hand als Greiforgan verloren, indem sie dieselbe je nach Erforderniss zu Stütz-, Lauf-, Flug- oder Schwimm- organen umbildeten *).. Nur der Mensch vervollkommnete die Hand weiter und gestaltete sie zu jenem Werkzeug, dessen Vielseitigkeit und Vollkommenheit wir im Vorher- gehenden geschildert haben — einem Werkzeug, dessen Vervollkommnung mit der Entwicklung des menschlichen (rehirns in innigster Wechselbeziehung steht. Was letzteren Punkt anlangt, so liegt es auf der Hand, dass für das Zusammenwirken verschiedener Muskelgruppen, wie es beim vielseitigen Gebrauche der Hand sich immer mehr herausgebildet hat, im Gehirne des Menschen coordinirende Centren (d. h. verschiedene Muskeln zu gemeinsamer Funktion mit einander verknüpfende Ganglienzellen) sich entwickeln mussten und dass andererseits die mit jener Muskelthätigkeit verbundene Ubung ebenso wie die bei dieser Gelegenheit gewonnene Erfahrung der zunehmenden Hirnentwicklung ebenfalls zu Statten kommen mussten. Dies nur beiläufig. Um auf das Abstammungsproblem zurückzukommen, so werden . wir, sobald wir der Heraus- bildung der aufrechten Haltung beim Menschen auf den *) Vergl. Verneau, La Main au point de vue osseux chez les mammi- feres monodelphiens. Bulletin de la Societe d’Anthropologie, Paris 1898. Dr. Moritz Alsberg. Mi 89 Grund zu kommen suchen, ebenfalls wiederum zu älteren ‚Abschnitten des grossen thierischen Stammbaumes zurück- geführt. Statt der bisherigen Anschauung, derzufolge der Mensch direkt aus einem auf vier Füssen dahinschreitenden Thiere hervorgegangen sein soll, indem er ohne Weiteres die Vierfüsslerstellung mit der permanent-aufrechten Körper- haltung eintauschte — statt. dieser Annahme, welche von vornherein den Stempel der Unwahrscheinlichkeit an sich trägt, erscheint uns die Aufrichtung des Rumpfes beim Menschen viel leichter begreiflich, wenu wir dieselbe an jene halbaufrechte Kletterhaltung Snsehliessen, wie Sie:noch heutzutage den Pro- semiern, Affen, Kletterbeutlern und gewissen anderen niederen Thierformen eigenthümlich- ist. Es hat allem Anscheine nach beim Menschen der um- gekehrte Vorgang stattgefunden wie bei den gemeinsamen Vorfahren der Säugethiere; denn während diese durch die Reduktion der Hand quadruped geworden sind, hat bei denjenigen Ihieren, die wir mit grösster Wahrscheinlichkeit als die Vorläufer des heutigen Menschen bezeichnen, ein Übergang von der vierhändigen, noch wenig differenzirten Bildung der Extremitäten zum Zweihänder und Zwei- füssler stattgefunden. — Eine besondere Bestätigung er- langt die im Vorhergehenden enthaltene Theorie, derzufolge der Mensch von einem der älteren (tieferen) Abschnitte des thierischen Stammbaumes seinen Ursprung ableiten muss, noch durch die relativ primitive Beschaffen- heit des menschlichen Gebisses, auf die A. Gaudry”) neuerdings hingewiesen hat. Der besagte Gelehrte ge- langt nämlich durch seine diesbezüglichen Untersuchungen zu dem Schlusse, dass beim Menschen die oberen Mahl- zähne den frühtertiären (eocaenen) Zustand des Säuge- thiertypus so treu bewahrt haben, dass sie mit den Back- zähnen eines Phenacodus, Arctocyon, Cebochoerus, Plesia- dapis u. A. eine ebensogrosse, zum Theil sogar grössere ) N Gaudıy, Sur la similitude des dents de ’Homme et de quel- ques animaux. L’Anthropologie Tome XII 1901. O0 Die Neanderthal-Rasse und die Abstammung des Menschen. Ähnlichkeit aufweisen, als mit denen der Anthropoiden. Was Letztere anlangt, so fehlt es auch nicht an That- sachen, die zu Gunsten der Annahme sprechen, dass sich die Affen verhältnissmässig frühzeitig von der geraden Linie der Entwicklung entfernt haben, die von den Affen und dem Menschen gemein- samen Primaten-Vorfahren zum heutigen homo sapiens hinführt. Als wichtigste Erwerbungen, die sich der Mensch auf dieser Entwicklungsbahn angeeignet hat und zugleich als diejenigen Eigenthümlichkeiten, die ihn von seinen thierischen Vorfahren unterscheiden, sind neben der Entwicklung des menschlichen Fusses und der dominirenden Ausbildung des Gehirns die durch den theilweisen Verlust des Haarkleides bewirkten Veränderungen der Haut zu bezeichnen. Zu diesen schon bei oberflächlicher Betrachtung sich zu erkennen gebenden Unterschieden kommen endlich noch gewisse weniger auffällige Merkmale, wie z. B. das Fortbestehen des Haarwuchses an den Ge- schlechtstheilen und in den Achselhöhlen sowie das Vorhandensein eines Lippensaumes — Cha- raktere, denen wir ausser beim Menschen bei keinem Gliede der weitverzweigten Ihierwelt begegnen. Was speciell die Entwicklung des mensch- lichen Fusses anlangt — ein Organ, das wir, wie be- reits bemerkt, ausser beim homo sapiens bei keinem Gliede der Thierwelt antreffen — so ist die Übereinstimmung, die der Fuss der verschiedenen Menschenrassen in seinen wichtigsten Eigenthümlichkeiten aufweist, ganz besonders geeignet, die Einheit der gesammten Menschheit darzuthun und die Unhaltbarkeit der von Carl Vogt u. A.. aufgestellten polygenischen Theorie — derzufolge der Ur- sprung der verschiedenen Menschenrassen auf verschiedene thierische Vorfahren zurückzuführen wäre — zu beweisen. Auch darf ich wohl als bekannt voraussetzen, dass die von den Zoologen als „Fünfstrahlensystem“ bezeichnete Anordnung der Extremitätenknochen als Grundplan für Dr. Moritz Alsberg. 9] die Entwicklung des menschlichen Fusses ihre allgemeine Gültigkeit behauptet. Sieben kurze massige Koochen schliessen zur Fusswurzel (Tarsus) sich zusammen und tragen an ihrem gemeinsamen distalen (nach der Peri- pherie des Körpers hin gelegenen) Rande die Mittelfuss- knochen (Metatarsus) der fünf Zehen. Das dem Unter- schenkel zunächst sich anfügende Sprungbein (Talus) ruht auf dem Fersenbein (Calcaneus).. Nach vorn fügt sich an den Talus das Schiffbein (os naviculare), an den Cal- caneus das Würfelbein (os cuboideum). Das Naviculare artikulirt nach vorn mit den drei Keilbeinen (os cu- neiforme I—IIi), deren jedes einen Metatarsus (I—III) trägt, während die beiden letzten Mittelfussknochen gemeinsam dem Cuboid aufsitzen. Die fünf Mittelfussknochen bilden dann mit den sich an sie anschliessenden Phalangenreihen jenes „Fünfstrahlensystem“, das ich soeben erwähnte und das auch an der Hand sich wiederholt. Diese typische Anordnung bleibt dieselbe, welche Configuration im Ein- zelnen auch die Knochen annehmen. Andererseits ist die Entwicklung des Menschenfusses schon deshalb als ein höchst bemerkenswerther Vorgang zu bezeichnen, weilim Gegensatz zu den Reduktionsvorgängen, denen wir bei anderen Säugethieren begegnen, beim Menschen derinnerste der fünfStrahlen zur grossen Zehe sich entwickelt und zur Bildung des Fuss- gewölbes ganz besondersbeigetragen hat. Ver- folgen wir einmal, um einen Anhaltepunkt zum Ver- gleiche zu gewinnen, die Entwicklung des Fusses, wie sie beispielsweise beim Pferde uns entgegentritt, und zwar zunächst jene Formen, welche die verschiedenen Stadien der Entwicklung dieses Thieres auf amerikanischem Boden bezeichnen. Die Reihe beginnt hier in der Frühtertiärzeit (Eocän) mit dem fuchsgrossen Eohippus, welches neben den vier wohlentwickelten Zehen des Fusses noch das Überbleibsel einer fünften Zehe besitzt. Es sind also bei diesem ältesten Stammvater des amerikanischen Pferdes noch sämmtliche fünf Strahlen vertreten. Dann setzt sich 02 Die Neanderthal-Rasse und die Abstammung des Menschen. der Entwicklungsprozess mit den Arten Orohippus, Meso- hippus, Miohippus, Protohippus und Pliohippus unter fort- währender Reduktion der Zehenzahl und Veränderung des Gebisses von Stufe zu Stufe fort, bis schliesslich in der Spättertiärzeit (Pliocän) das Pferd erreicht ist. Einen analogen Reduktionsprozess können wir bei der Entwick- lung des europäischen Pferdes beobachten. nur dass hier der älteste Vortahre, der noch im Besitze sämmtlicher fünf Strahlen war, zur Zeit noch nicht bekannt iist. Während das von Cuvier auf europäischem Boden entdeckte frühtertiäre Palaeotherium als ausgesprochener Dreihufer noch drei wohlentwickelte, sämmtlich den Boden be- rührende Zehen besitzt und während bei dem ebenfalls in der Frühtertiärzeit auftretenden Anchitherium die Spitzen der beiden seitlichen Zehen kaum dem Boden entrückt sind, finden sich bei dem mitteltertiären. Hipparion die seitlichen Zehen nur noch in verkümmertem Zustande vor, und erst im Spättertiär und im Diluvium tritt unser heutiges Pferd, (equus caballus) auf, bei dem die Seiten- zehen eben nur noch als „Griffelbeine“ angedeutet sind. Wir haben also beim Pferde einen Reduktionsprozess vor uns, wobei von den fünf Zehen (Strahlen) nur noch die mittelste als Träger des Körpergewichts übrig bleibt. Dagegen tritt, wie wir sogleich erkennen werden, beim Menschen die innere Zehe als wichtigster Faktor für die Bildung des Fussgewölbes und somit als Träger der Körperlast in den Vordergrund. Werfen wir nunmehr die Frage auf, ob wir An- klängen an den Menschenfuss nicht schon bei auf ver- hältnissmässig niedriger Entwicklungsstufe stehenden Ihieren begegnen, so ist zunächst hervorzuheben, dass das, was man als charakteristisches Merkmal des Primaten- fusses hingestellt hat, auch noch bei niederen Thierklassen vorkommt und dass die für die Primaten ausser dem Menschen typische Ausbildung der innersten Zehe zur Opponierbarkeit gegen die anderen Zehen, welche den Fuss zu einem Greiforgane stempelt, sich bei sämmtlichen Dr. Moritz Alsberg. 03 Halbaffen wiederfindet, jenen kleinen kletternden Säuge- thieren, die heute noch auf Madagaskar, in Ostafrika, Süd- indien, auf den Sunda-Inseln und anderwärts vorkommen und deren Stellung im Systeme den Forschern früher grosse Schwierigkeiten bereitet hat. Es befinden sich unter diesen Halbaffen Gattungen, die an Affen, andere wiederum, die an Carnivoren, andere, die an Insektenfresser und endlich auch solche, die an Nagethiere erinnern und offen- bart die Anatomie dieser Formen ebenso viele Anklänge an Beutelthiere und Hufthiere, wie an den Menschen. Es legt die Vielseitigkeit der Beziehungen, die speziell diese grosse Säugethierklasse (Halbaffen) zu den verschiedensten Säugethiergruppen aufweist, schon von vorn herein die Vermuthung nahe, dass wir in dieser Gruppe von Formen den Rest einer uralten Stammesgruppe zu erblicken haben, von der in verschiedenen Richtungen Äste des grossen thierischen Stammbaumes ehedem sich abgezweigt haben. Auch finden wir, wenn wir in der Reihe der Säugethiere noch weiter abwärts steigen, nämlich bei den Beutel- tbieren, kletternde Formen mit typischem .Pri- matenfuss. Wenn wir ferner die Thatsache in Erwägung ziehen, dass gewisse für die Beutelthiere charakteristische Bildungseigenthümlichkeiten auch beim menschlichen Foetus — wenn auch nur als vorübergehende Bildung -— angetroffen werden“) — wenn wir alle diese Thatsachen in Erwägung ziehen, so gelangen wir zu dem Schluss, dass die gemeinsame Vorfahrenform der Säuge- thiere den Greiffuss bereits besessen hat und dass wir an diese Wurzel auch den Menschen an- schliessen müssen. Während die zu supponirende Ur- form von verschiedenen Säugethieren in verschiedener Weise umgestaltet worden ist, während beispielsweise der *) In Übereinstimmung mit der Thatsache, dass bei gewissen Beutel- thieren (Phalangista, Didelphys u. a.) das nach oben verlängerte Wadenbein noch den Oberschenkelknochen erreicht, haben Henke und Reiher beim menschlichen Embryo aus dem ersten Monat der Gravidität eine ganz ana- loge Bildung nachgewiesen, die sie als ‚„Phalangista-Stadium‘‘ der embryo- nalen Entwicklung bezeichnen. 04 Die Neanderthal-Rasse und die Abstammung des Menschen. Hund von dieser Urform unter Verkleinerung der inneren Zehe in einer bestimmten Richtung sich entwickelt hat“) — im Greegensatz hierzu unterscheidet sich der Menschen- fuss von jener Urform nur durch eine sekundäre Ver- stärkung der inneren Zehe zur Grosszehe sowie dadurch, dass letztere ihre: Opponirbarkeit (Gegenüberstellung) wenn nicht ganz, so doch zum grösseren Jheile eingebüsst hate 2Das Wesen dieser Veränderung wird nach Klaatsch am Besten dadurch ausgedrückt, dass man sagt: die grosse Zehe hat die Freiheit ihrer Bewegungen eingebüsst, indem sie in der Öppositionsstellung fixirt worden ist; denn, wie man an älteren Embryonen noch deutlich erkennen kann, steht die innere Zehe (Grosszehe) eigentlich plantarwärts von den übrigen Zehen (d. h. bis zu gewissem Grade der Fusssohle gegenüber gestellt). Ja selbst beim Neu- geborenen sind, wie bereits Huxley hervorgehoben hat, Anklänge an die Greiffussstellung bezw. Kletterstellung des Fusses (arboreal twist) noch deutlich ausgesprochen. Andererseits braucht man blos den skelettirten Fuss des erwachsenen Menschen sich genau anzusehen, um sofort zu erkennen, dass die grosse Zehe hinsichtlich ihrer Stellung aus der Reihe der übrigen Zehen herausfällt und dass dieselbe in ihrer Gesammtheit (d. h. die Phalangen mit dem daran sich anschliessenden Metatarsal-Knochen) den eigentlichen Schlussstein des Fussgewölbes bildet **), — *), Eine analoge Entwicklung, wie wir sie am Menschenfuss nach- weisen können, hat nach Klaatsch der Bärenfuss durchgemacht. Während man bei den älteren Ursiden — so z. B. beim Höhlenbären — die Besonder- heit der wohlausgebildeten ersten (inneren), von den übrigen vier Zehen deutlich unterschiedenen und bis zu gewissem Grade in Oppositionsstellung befindlichen Zehe noch deutlich erkennt, hat dieselbe bei allen jetzt leben- den Bärenarten unter dem völligen Verlust der Opponirbarkeit (Gegenüber- stelllung) den Anschluss an die inneren Zehen gefunden, wenn diese innere Zehe beim Bären auch nicht in gleichem Maasse verstärkt worden ist, als beim Menschen, **) Man kann sich die Betheiligung der grossen Zehe an der Gewölbe- struktur des Fusses an der Hand in der Weise klar machen, dass man den Daumen an die Volarfläche des Zeigefingers anlegt. Dann entsteht einGewölbe, dessen inneren Rand der Daumen bildet. Man braucht sich dann nur weiter vorzustellen, dass am Fuss die in Oppositionsstellung unter die 2. Zehe ge- Dr. Moritz Alsberg. 95 Zu erwähnen ist hier endlich noch, dass das Verhalten des Fusses bei niederen Menschenrassen als eine Art von Vermittelung zwischen der ursprünglichen Stellung der grossen Zehe und ihrer jetzigen Stellung aufzufassen ist. Es ist ja bekannt, dass die Angehörigen von gewissen niederen Menschenrassen in dem Zwischenraum zwischen erster und zweiter Zehe Gegenstände festhalten, dass die Australier auf diese Weise ihren Speer tragen, dass die Wedda’s auf Ceylon mit dem Fusse den Bogen spannen u. s. w. Andererseits fehlt es freilich zur Zeit noch an Untersuchungen zur Entscheidung der Frage ob der theilweise erhaltenen Greiffussthätigkeit jener Völker auch gewisse Veränderungen des Fussskelettes — wobei ins- besondere die Stellung der Grosszehe zur zweiten Zehe in Frage kommt — entsprechen *). Wodurch mag aber die Bildung des Fusses, wie sie uns heute entgegentritt, bedingt worden sein? Wenn man es für den Menschen als selbstverständlich betrachtet, dass es der aufrechte Gang gewesen sei, der den Menschen- fuss zu einem Stützorgane gemacht habe, so hat diese Vorstellung etwas Missliches. Das Mittel, durch welches der aufrechte Gang erst möglich wird, soll durch diesen entstanden sein? — in dieser Auffassung ist offenbar ein logischer Denkfehler enthalten. Der aufrechte Gang be- ruht, wie Klaatsch treffend bemerkt, auf einem Complex schlagene grosse Zehe durch das auf dem Fusse lastende Körpergewicht oder durch eine bestimmte Funktion etwas seitlich verschoben wird und die heutige Stellung der grossen Zehe zu den 4 übrigen Zehen ist fertig. Für die Fixirung der ursprünglich eine Greifzehe darstellenden, dann aber in der soeben angedeuteten Weise verwendeten inneren (grossen) Zehe kommt vorzugsweise jener Bandapparat in Betracht, der das Köpfchen des Mittel- fussknochens der grossen Zehe mit dem der zweiten Zehe verbindet. — Alle Plattfussbildungen sind nach Klaatsch als sekundäre Erschlaffungen der Gewölbestruktur aufzufassen. *) Die vergleichende Osteologie des Fusses ist ein bis jetzt noch nahezu unbebautes Gebiet und nur die bekannten Gelehrten F. und P. Sarasin haben zu solchen Studien einen vielverheissenden Anfang gemacht, indem sie das Fussskelett der Weddas auf Ceylon untersuchten. Sie haben bei dieser Gelegenheit festgestellt, dass bei dem besagten Zwergvolke die Dimensionen der Mittelfussknochen im Verhältniss zu der vergleichsweisen Kürze der Fusswurzel ganz beträchtlich sind. 06 Die Neanderthal-Rasse und die Abstammung des Menschen. von Erscheinungen, in welchem die Verlegung der Schwer- punktslinie der Körperlast nach hinten eine wichtige Rolle spielt. Wenn man nun aber nach der landläufigen Vor- stellung annimmt, der kletternde Greiffuss-Vorfahre des Menschen sei von den Bäumen herabgestiegen und habe versucht auf ebener Erde aufrecht zu gehen, so bleibt es immer noch schwer zu verstehen, warum denn gerade die Natur so gefällig sein soll, eine Verstärkung seiner innersten Zehe und eine Rückwärtsbiegung (Dorsalknickung;) seiner Wirbelsäule vorzunehmen. Wir werden vielmehr, um diese Eigenthümlichkeit des Menschen zu erklären, in seine Vorgeschichte noch einen besondern Faktor einfügen müssen, der speziell gerade den inneren Fussrand betrifft — eine Lokomotionsweise, welche abweichend von derder Säugethiere die Grewölbestruktur des Fusses schuf. Indem wir nach einem solchen Faktor Umschau halten, werden wir zunächst zu den Affen geführt. Diese sehen wir ihrem Klettermechanismus angepasst und speciell die Anthropoiden sind für den Urwald wie geschaffen. Ihre Gliedmaassenproportionen erklären sich aus dem Klettern und sich Werfen von Ast zu Ast; soll doch der Gibbon einem Vogel gleich durch das Dickicht schiessen. In- dessen liegt es auf der Hand, dass solche Bedingungen auf den Primatenvorfahren des Menschen nicht eingewirkt haben können; im Urwalde wäre derselbe unweigerlich ein Affe geworden. Dagegen giebt es einen Kletter- mechanismus wesentlich verschieden von demjenigen der Affen, der, wie es scheint, für die Fortentwicklung des Menschen und insbesondere für die Umbildung seines Fusses von ausschlaggebender Bedeutung gewesen ist. Beim Ersteigen einzelnstehender Bäume, die erst in be- trächtlicher Höhe über dem Erdboden Äste abgeben, wird an den JInnenrand des Fusses eine besondere Anforde- rung gestellt, während gleichzeitig die Greiffunktion des- selben bedeutungslos wird. Namentlich bei einigermassen umfangreichen Bäumen und wenig Verzweigungen dar- bietenden Stämmen kommt der Fuss nur noch als Ganzes Dr. Moritz Alsberg. 97 zur Verwendung. Denken wir uns den alten Primaten- Greiffuss in eine solche Situation versetzt, so erkennen wir, dass das Anpressen des inneren Fussrandes die freien Bewegungen der ersten Zehe aufhebt. Sind natürliche Einkerbungen der Rinde da oder werden solche künstlich erzeugt, so war das Einsetzen der inneren Zehe ein Faktor, welcher die Ausbildung des Zehenballens verständlich macht. Es mögen ja noch andere Momente bei der Entstehung des Menschenfusses mitgewirkt haben; doch ist wohl kaum anzunehmen, dass das sicherlich vom Primaten-Vorfahren in der soeben angedeuteten Weise geübte Klettern physiologisch unwirksam geblieben ist. Falls sich jener soeben erwähnte Klettermechanismus — wobei nicht die Greifzehe als solche, sondern vielmehr der Fuss in seiner Totalität zur Geltung kommt — als Faktor für die Ent- wicklung des Menschenfusses bestätigen sollte, so wäre damit zugleich eine Erklärung geboten für die Ent- faltung gewisser Muskelgruppen, durch welche der Mensch von allen thierischen Wesen ab- weicht. Am Fuss werden es Supinations- und Pronations- Stellungen sein, die vorzugsweise in Frage kommen. Die Supinations-Haltung, bei welcher das Fussgewölbe wie eine Art Saugnapf an den Stamm gepresst wird, mag in der Verstärkung des hinteren Schienbeinmuskels (m. tibialis posticus) ihren Ausdruck gefunden haben; von diesem Gesichtspunkte aus würde sich der bei den Wedda’s und anderen niederen Rassen in ungewöhnlich hohem Grade entwickelte Höcker (Tuberositas) des Schiffbeins aufs Un- gezwungenste erklären. Auch die Verstärkung der Waden- muskulatur und die Entwicklung der Achilles-Sehne würde begreiflich werden. Bezüglich des langen Wadenbein- muskels (m. peronaeus longus), den Klaatsch als den eigent- lichen Vermittler der Gegenstellung des Fusses betrachtet, ist es wahrscheinlich, dass derselbe zu jener Zeit, wo der Klettermechanismus beim Menschen noch in voller Thätig- keit war, eine weit bedeutendere Entwicklung aufzuweisen hatte, als dies heutzutage der Fall ist. Erst mit der 7 908 Die Neanderthal-Rasse und die Abstammung des Menschen. Fixirung der Oppositionsstellung hat der peronaeus longus jene Ausbreitung seiner Sehne und seine Beziehungen zu plantaren Bandapparaten erhalten, die wir heute bei dem- selben wahrnehmen. Nicht nur die Entwicklung der Bein- muskulatur — insbesondere auch diejenige der Glutaeal- Region (Gesässmuskeln) — sondern auch die eigenartige menschliche Ausbildung der Arm- und Brustmuskulatur dürfte mit dem Klettermechanismus zusammenhängen. Man stelle sich nur einmal vor, dass das Punctum Fixum in die Hand verlegt wird und dass beim Klettern die Körper- last durch Arm- und Brustmuskeln- — wobei insbesondere die Radialis-Gruppe und der grosse Brustmuskel (m. pectoralis major) in Aktion versetzt wird — emporgezogen werden muss. Insbesondere wird aber auch die Entstehung jener Biegung der Wirbelsauie, die einen der wichtigsten Charaktere des heutigen Menschen darstellt und denselben von allen anderen Thieren — auch von den Affen — wesentlich unterscheidet, durch jenen Kilefter- mechanismus aufs Ungezwungenste erklärt. Ein Zurückbiegen des Rumpfes ist beim Erklimmen von umfangreichen, bis zu einer gewissen Höhe astlosen Bäumen eine unbedingte Nothwendigkeit und jene Aus- biegung der Wirbelsäule, die wir in der Kreuz-Lenden- region bei Affen und Halbaffen nur schwach angedeutet finden, muss in Folge dessen eine erhebliche Verstärkung erfahren haben. Das Promontorium (Vorspringen des letzten Lenden- bezw. des ersten Kreuzbeinwirbels), das bei niederen Menschenrassen noch jetzt in der Ausbildung begriffen ist, würde so als Effekt einer mechanischen Ein- wirkung erscheinen, welche die Schwerpunktslinie der Körperlast nach hinten verlegt hat. Damit soll natürlich nicht in Abrede gestellt werden, dass der aufrechte Gang — ein Entwicklungsstadium, das sich erst sehr viel später herausgebildet hat als der in Rede stehende Kletter- mechanismus — zu der Entstehung der Wirbelsäulen- Krümmung ebenfalls sehr erheblich beigetragen hat. Die Dr. Moritz Alsberg. 99 Aneignung des aufrechten Ganges hat aber allem Anscheine nach nur das verstärkt und vollendet, was der Klettermechanismus vor- bereitet und angebahnt hatte*). Wir haben im Vorhergehenden jene Schlüsse kennen gelernt, zu denen die allmählige Umbildung des mensch- lichen Fusses von einem Greiforgan zu einem Stütz- apparat und Fortbewegungswerkzeug bezüglich des Ur- sprungs des homo sapiens berechtigt und uns davon überzeugt, dass es sich beim Menschen nicht etwa um eine Affenabstammung handelt, dass vielmehr bei demselben nur eine Descendenz voneinem weit tiefer gelegenen Punkte des grossen thierischen Stammbaumes angenommen werden muss. Nun giebt es aber noch gewisse andere Anhaltepunkte, die ebenfalls geeignet sind, über die Körperbeschaffen- heit der Vorfahren des Menschen Licht zu verbreiten, nämlich jene Rückschläge (Atavismen) und rudi- mentären Bildungen, deren wir bereits gedachten. *) Atavistische Erinnerungen an die Körperstellung, die der Mensch vor vollständiger Aneignung des aufrechten Ganges anzunehmen pflegte, finden sich noch jetzt bei niederen Rassen. Auch die niederen Zustände der stark nach hinten gebogenen Schienbeinknochen, die wir bereits erwähnten, werden von diesem Gesichtspunkte aus verständlich. Selbst bei dem vollständig aufrecht gehenden Menschen sind die Nachklänge der älteren Lokomotions- weise noch zu erkennen. Es steht hierbei mit den niederen Menschenrassen ähnlich wie mit dem Europäerkinde. Die Fähigkeit zum aufrechten Gange ist vollkommen entwickelt und dennoch wird der sorgfältige Beobachter auch im Gange Verschiedenheiten vom erwachsenen Europäer erkennen. Wenn man neuerdings versucht hat, die an der Wirbelsäule und der unteren Extremität sich findenden „Beugemerkmale‘“ — so vor Allem die Rück- wärtsbeugung des Schienbeinkopfes, die Differenz der Tibia-Condylen lateral und medial u. A, als durch die Gewohnheit des Hockens be- dingt hinzustellen, so ist nach Klaatsch diese Erklärung eben so einseitig wie diejenige, welche man für die ganz entsprechenden Erscheinungen am Skelette von älteren Embryonen und Neugeborenen versucht hat, nämlich die Zusammenkrümmung des Foetus innerhalb der Gebär- mutter. Andererseits soll natürlich nicht in Abrede gestellt werden, dass die Haltung des neugeborenen Kindes ebenso wie die Hockerstellung das Bestehenbleiben alter Merkmale der Kletterhaltung begünstigfe. Im Hinblick auf letzteren Umstand dürfen wir sehr wohl die Supinations-Stellung des foetalen Fusses mit dem Klettermechanismus in stammesgeschichtliche Be- ziehung bringen, ebenso wie die Neigung vieler Völker zum Hocken noch an alte Zustände erinnert, DE 100 Die Neanderthal-Rasse und die Abstammung des Menschen. Der Körper des Menschen unterlag im Laufe seiner Stammesgeschichte einer Reihe von Veränderungen, die in seiner Ontogenese (embryonale Entwicklung) zum Theil noch jetzt zum Ausdruck kommen. Diese Ver- änderungen beruhen darauf, dass dem menschlichen Körper das Bestreben innewohnt, alles Unnöthige, soweit wieirgendmöglich,abzustreifen, um aufdiese Weise für die weitere Ausbildung Platz zu schaffen. Es kann uns daher nicht in Erstaunen ver- setzen, wenn wir wahrnehmen, dass Organe, die bei ver- änderten Existenzbedingungen ihre Bedeutung für den Thierkörper einbüssen, in ihrer Ausbildung und ihrem Wachsthum allmählig zurückbleiben und schliesslich fast gänzlich verschwunden sind. Ich betone hierbei das Wörtchen „fast“; denn es bleiben doch in der Regel von jenen früheren Zuständen gewisse Reste zurück, die als Denkmäler einer längst entschwundenen Epoche uns über die ehemaligen Entwicklungsphasen der menschlichen Vorfahren manche wichtige Aufschlüsse liefern. *) So deutet z. B. das beim menschlichen Foetus noch jetzt stark entwickelte Flaumhaar (Lanugo) auf ein Entwick- lungsstadium zurück, wo der Vorfahre des heutigen Menschen sich im Besitze eines dichten Haarkleides be- funden hat. So ist auch die Beobachtung nicht ohne Interesse, dass die beim Menschen noch jetzt hier und da sich findenden „Haarwirbel“ (Hautstellen, wo die Haare entweder concentrisch zu einem Punkte zusammenlaufen oder von wo sie in sogenannten „Haarströmen“ an- geordnet von einem gemeinsamen Mittelpunkte nach ver- schiedenen Richtungen auseinandergehen) in der Regel an solchen Köperstellen angetroffen werden, wo früher einmal im Verlaufe der ÖOntogenese oder Phylogenese irgend ein Organ aus dem Körper hervortrat, bezw. da, *) Vergl. hierüber das interessante Buch von Prof. R. Wiedersheim: „Der Bau des Menschen als Zeugniss für seine Vergangenheit‘. (2. Auflage Freiburg i/B. u. Leipzig 1893) auf welches die nachfolgenden Auseinander- setzungen zum Theil sich stützen. Dr. Moritz Alsberg. 101 wo ein solches noch jetzt hervortritt. Von diesem Gre- sichtspunkte aus ist die beim Menschen gar nicht selten vorkommende radiäre Behaarung in der Umgebung des Nabels sowie der von Ecker zuerst beschriebene „Steiss- Baarwirbel“ zu beurtheilen. Die Lage des letzter- wähnten Haarwirbels entspricht nämlich in embryonaler Zeit genau der Stelle, wo die Steissbeinspitze, bevor eine Krümmung des Kreuzbeins angebahnt war, direkt nach hinten gegen die Haut drängte, d. h. wo sie früher einen Schwanz bildend hindurchging. Als Rückschläge auf jenes durch reichliche Behaarung gekennzeichnetes Ent- wicklungsstadium sind die als „Haarmenschen“ bekannt gewordenen Fälle, unter denen die russische Familie Jef- tichjew, und die bekannte Julia Pastrana eine gewisse Berühmtheit erlangt haben, zu bezeichnen. *) Was die mit der Haut in Zusammenhang stehenden, bezw. aus derselben hervorgegangenen Gebilde anlangt, so erinnert der Nagel des vierten, noch mehr aber der des fünften Fingers durch seine starke transversale Wöl- bung am Meisten an eine Thierkralle, während gegen den Daumen bezw. gegen die grosse Zehe hin die Abplattung der Nägel an Deutlichkeit zunimmt. — Die aus den Talg- *) Zufolge den Untersuchungen Max Weber’s waren die ersten Säugethiere, die aus primitiven beschuppten Reptilien hervorgegangen sind, noch mit Schuppen bedeckt. Hinter diesen Schuppen traten dann anfänglich kleine und sparsame Haare auf. Mit der Ausbildung der konstanten Körper- temperatur erlangte das Haarkleid eine bessere Entwicklung während die Schuppen zurückgingen. Sehr allgemein aber ist die Anordnung der Haare heutzutage noch so (d. h, alternirend) geblieben, als ob sie noch heute hinter Schuppen ständen. — Bonnet weist darauf hin, dass die Haut in ihren epidermoidalen Anhangsbildungen beim Menschen und den Thieren nach Art eines Manometers die Bilanz der Ernährung anzeigt, dass eine Be- einflussung des Haarkleides durch die verschiedenen Umstände wie Klima, Domestikation, natürliche und künstliche Auslese anzunehmen ist und dass die Entwicklung des Haarkleides in umgekehrtem Verhältniss steht zur Dicke der Haut und speziell der Epidermis. Beide: Haare und Epidermis treten, wie es scheint, sich gegenseitig ersetzend im Interesse des Körperschutzes für einander ein. Dass sich die Anpassungen an klimatische Verhältnisse unter Umständen in verhältnissmässig kurzer Zeit vollziehen, haben die französischen Schaafzüchter auf Guadeloupe erfahren, die dort beobachten konnten, dass an die Stelle der dickfaserigen Wolle der von ihnen importirten Merino- Schaafe innerhalb weniger Generationen ein dünnfaseriges seidenartiges Vliess trat, 102 Die Neanderthal-Rasse und die Abstammung des Menschen. drüsen der Haut hervorgegangenen und mit denselben hinsichtlich ihres Baues sowie in anderer Hinsicht über- einstimmenden Milchdrüsen bieten dem Anthropologen insofern grosses Interesse, als jene Fälle, wo beim mensch- lichen Weibe mehr als zwei Brustdrüsen und neben den accessorischen Brustdrüsen noch überzählige Brustwarzen vorkommen — das Auftreten überzähliger Brüste wird als Polymastie, das Vorkommen von überschüssigen Brustwarzen als Polytelie bezeichnet — durchaus nicht zu den Seltenheiten ge- hören. Auch ist die Vermehrung der Brüste, bezw. der Brustwarzen bei Weibern und Männern stets im Sinne eines Rückschlages auf eine durch zahlreiche Brüste sowie durch eine grössere, auf einmal producirte Zahl von (Jungen -charakterisirte Urformeasze deuten. — Die hier und da beim Manne auftretenden Zitzen sowie die Beobachtung, dass in seltenen Fällen milchge- bende Männer vorkommen — diese Thatsachen scheinen zu (zunsten der Annahme zu sprechen, dass in analoger Weise wie bei den Monotremen (Kloaken- thieren) der Milchdrüsenapparat bei beiden Geschlechtern noch jetzt in gleicher Ausbil- dung vorliegt, auch bei anderen Säugethier- klassen ursprünglich beide Geschlechter ander - Brutpflege sich” betheihiet Znapen werden. — Ob die bei der Venus von Melos, dem jetzt im Louvre zu Paris befindlichen, berühmten antiken Bildwerk, nahe der Achselhöhle angedeuteten überschüssigen Brüste, auf die Bälz zuerst aufmerksam gemacht hat, zu Gunsten der Annahme sprechen, dass im alten Griechenland die Polymastie ein häufiges Vorkommniss war — diese Frage muss einstweilen noch unentschieden bleiben; dagegen legt allerdings das relativ häufige Auftreten der Polymastie und Polytelie bei Europäerinnen und Mongo- linnen die Vermuthung nahe, dass die Entwicklungs- epoche, wo bei den Vorfahren des heutigen Menschen die weiblichen Individuen mehr als Dr. Moritz Alsberg. 103 zwei Brüste besassen, nicht sehr weit hinter der Gegenwart zurückliegt*). Unter den als „Rückschläge“ (Atavismen) oder „rudi- mentäre Bildungen“ aufzufassenden Anomalien des Knochen- baues hat das Vorkommen schwanzähnlicher Bildungen von jeher das besondere Interesse der An- thropologen auf sich gelenkt. Dass dem Menschen bezw. Vormenschen ein Schwanz zuerkannt werden muss — dieser Schluss ergiebt sich schon aus der Ihatsache, dass der menschliche Embryo in einem gewissen Entwicklungs- stadium an seinem hinteren Ende und zwar in der direkten Verlängerung des sich anlegenden Achsenskelettes einen frei hervorstehenden spitzigen Anhang aufweist, der eine unverkennbare Ähnlichkeit mit einem thierischen Schwanz hat. Auch sind beim jetzt lebenden erwachsenen Menschen mehrere unzweifelhafte Fälle beobachtet worden, wobei das Steissbein nicht in der Gesässkerbe, sondern in Form eines frei hervorstehenden, mehrere deutlich fühlbare Knochen (Rudimente von Wirbelkörpern) umschliessenden Zipfels endigte. Dass die Vorfahren des heutigen Menschen mit einem Schwanze ausgestattet waren, hierfür sprechen nach Wiedersheim die folgenden Thatsachen: ı) das Steiss- bein des Menschen mit seinen drei bis sechs Caudal- Wirbeln; 2) die zwei caudalen Spinal-Nerven; 3) die Schwanzmuskulatur, durch deren Vorhandensein überdies direkt bewiesen wird, dass der Schwanz ein funktionirender (äusserer) Schwanz war; 4) der an Stelle des ehemaligen Schwanzdurchtritts noch jetzt häufig vorkommende Steiss- *) Bezüglich der foetalen Anlage des Milchdrüsenapparats (Entwick- lung der „Milchlinie“ und Zitzenbildung) sowie bezüglich der zwischen Montgomeryschen Drüsen und milchabsondernden Drüsen bestehenden Be- ziehungen vergl. Wiedersheim a, a. ©. S. 10 ff. Nach dem besagten Autor ist a priori jede Hautstelle fähig, auf sich eine oder mehrere Milchdrüsen zu erzeugen. — Über das Auftreten der Polymastie und Polytelie bei Japanerinnen, sowie über die Darstellung der überzähligen Brüste bei antiken Bildwerken vergl. E. Bälz: „Über die Supramamma und ihre Bedeutung“. „Verhandlungen der Berliner anthropolog. Gesellschaft“. Zeit- schrift für Ethnologie, Jahrgang ıgo1, Heft 3. — Über einen milch- gebenden Ziegenbock hat Verfasser vor einigen Jahren in der Zeit- schrift „Humboldt“ berichtet. 104 Die Neanderthal-Rasse und die Abstammung des Menschen. haarwirbel und 5) die Variabilität (Veränderlichkeit der Formen) im Schwanzgebiet überhaupt*). — Dass die Entwicklung der Wirbelsäulenkrümmung, welche für die Gattung „Mensch“ charakteristisch ist, zu- nächst als Folgezustand eines besonderen Klettermecha- nismus sich entwickelt hat und dann später durch die Er- werbung der aufrechten Haltung und des aufrechten Ganges weiter ausgebildet und vollständig entwickelt wurde — dies haben wir bereits auseinandergesetzt. Eine derartige Lendenkrümmung, wie sie der heutige Mensch aufweist, findet sich sonst nirgends in der ganzen Säuge- thierreihe und fehlt auch bei den Menschenaffen. An- dererseits ist es bemerkenswerth, dass bei gewissen niederen Menschenstämmen wie z. B. bei den ‚Wedda’s auf Ceylon die Lendenkurve nach vorn deutlich konkav ist -—- eine Bildung, zu der die relativ wenig ausgebildete Lendenkurve des europäischen Kindes ein bemerkenswerthes Analogon darstellt. — Nach Wieders- heim hat man zu unterscheiden zwischen Becken mit tiefstehenden und solchen mit hochstehenden Promontorium, sowie endlich noch solche Becken, wo *) Für die ächte Schwanzbildung ist der Fall eines esthnischen Re- kruten typisch, über den M. Braun im IV. Band des „Zoologischen An- zeigers“ berichtet hat. Bei demselben verlief das Steissbein nicht in der Gesässkerbe, sondern endigte frei in Form eines hervorstehenden Zipfels. Bei der Betastung stellte es sich heraus, dass der Schwanz in der direkten Verlängerung der Wirbelsäule lag und distincte Wirbelkörper einschloss. — Ein analoger Fall ist im Jahre 1872 von Lissner an einem neugeborenen Mädchen beobachtet worden. Zu den „ächten Schwanzbildungen‘“, die als Beweis für die Abstammung des Menschen von geschwänzten Vorfahren gelten dürfen,. ist auch ein Fall zu rechnen, ders. Z. von Hennig beobachtet und von Rauber anatomisch zergliedert wurde. Andererseits giebt es eine beträchtliche Anzahl von Bildungen, die nicht als „Atavismen‘ aufzufassen sind, sondern auf teratologischer, bezw. pathologischer Grundlage beruhen. Denselben liegt häufig die mangelhafte Entwicklung eines Wirbelbogens zu Grunde und sind dieselben dementsprechend als Theilerscheinungen einer Hernia cerebro-spinalis (bruchartiges Hervortreten der Rückenmarkshäute aus dem Wirbelkanal) oder einer Spina bifida aufzufassen. Gewisse schwanz- ähnliche Bildungen sind wohl auf frühzeitige adhäsive entzündliche Vor- gänge in der Haut und im Amnion-Gewebe oder auf zur Zeit noch nicht völlig aufgeklärte pathologische Vorgänge zurückzuführen. Vergl. hierüber G. D. N. Sernow: „Über die morphologische Bedeutung der Caudal-An- hänge beim Menschen“, Vortrag, gehalten in der Kaiserl. naturforschenden Gesellschaft zu Moskau. 1901, Dr. Moritz Alsberg. 105 durch Annäherung des letzten Lendenwirbels an das Kreuz- bein ein doppeltes Promontorium hergestellt ist. Möglicherweise steht die zuletzt erwähnte Bildung in ursächlichem Zusammenhang mit der allmähligen Ver- schiebung des Beckens entlang der Wirbelsäule, wie sie im Verlaufe der phylogenetischen Entwicklung der Gattung: „Mensch“ offenbar stattgefunden hat. Eine der wichtigsten und bemerkenswerthesten Ver- änderungen, die im Verlaufe der Entwicklung beim Men- schen zu Stande gekommen sind, besteht in der voll- seamdisen Umbildungs der Thorax-Form. Während der Querschnitt durch den Brustkasten eines Säugethieres bezw. eines menschlichen Embryo’s eine herz- förmige Figur mit von vorn nach hinten gerichtetem grösstem Durchmesser ergiebt, stellt der Querdurchschnitt durch den Thorax des erwachsenen Menschen und der Anthropoiden eine mehr in die Breite sich ausdehnende Figur mit dem in trausversaler Richtung (quer von rechts nach links oder umgekehrt) verlaufenden grössten Durch- messer dar. Diese letzterwähnte Form des Brustkastens hat die ersterwähnte sowohl ontogenetisch (im Verlaufe der individuellen Entwicklung), wie auch phylogenetisch (im Verlaufe der Stammesentwicklung) zum Vorgänger. Für die Umformung des Brustkastens ist, wie Ruge be- merkt, auch der Einfluss der oberen Extremitäten mit in Betracht zu ziehen. Diese gewannen, zu Greiforganen sich umbildend, immer schärfer gesonderte und mächtige Mus- keln. Letztere aber wirkten wieder auf die Form der Rippen und die Wölbung des Thorax zurück. Die Folge- erscheinungen zeigten sich ferner auch in der grösseren Einheitlichkeit innerer Organe, in einer allmähligen Ver- schmelzung mehrerer Lappen der Leber und der Lungen, in einer Annäherung und schliesslichen Verwachsung von Herzbeutel und Zwergfell, wobei auch ein allmähliges Tiefertreten des Herzens mit in Betracht kommen mag. Dass aber die Lagenveränderung des Herzens (Herausge- drängtwerden aus der Medianebene unter Verschiebung der 106 Die Neanderthal-Rasse und die Abstammung des Menschen. Längsachse nach der Brustwand und der linken Körper- seite) ihrerseits wieder auf die Form und Grenzen der Pleura-Höhlen zurückgewirkt haben muss, ist selbstver- ständlich. — Mit der besagten Änderung der Thoraxform wird der Schwerpunkt des Körpers dorsalwärts (nach der Rückenfläche hin) verlegt und dieser Umstand kommt dem Aufrichten des Körpers zweifelsohne zu Gute. Unter denselben Gesichtspunkt fällt auch die allmählige Ver- ringerung der das Brustbein erreichenden Rippen. Indem zugleich mit einer Verlegung des Schwerpunktes nach der Rückseite des Körpers eine Entlastung der der Bauch- oberfläche entsprechenden (ventralen) Seite des Körpers eintreten musste, konnten die für den Vierfüssler noth- wendigen die Eingeweide umschliessenden Spangensysteme in der Bauch- bezw. Lendengegend in Wegfall kommen. Die von dem Inhalt der Baucheingeweide ausgehende Druckwirkung äusserte sich jetzt nicht mehr in senk- rechter Richtung auf die Bauchoberfläche, sondern in trans- versaler (quer durch das Abdomen von rechts nach links oder umgekehrt) sich erstreckender Richtung und führte zujenertransversalen Verbreiterung der Darm- beinschaufeln, wie sie uns ausser beim Menschen bei keinem anderen TIhiere in so hervorragender Weise begegnet. Speziell beim weiblichen Menschengeschlecht hat die An- passung an die Geschlechtsfunktionen und den Geburts- akt ebenfalls noch zur Ausbildung des weiblichen Beckens erheblich beigetragen. Ausserdem unterliegt es keinem Zweifel, dass das Becken früher zugleich weiter nach hinten (bezw. unten) lag, woraus eine längereRumpfwirbelsäule und eine grössere Längenausdehnung der Körperhöhle(coelom) resultirte. Es handelt sich demnach um ein ontoge- netisch nachweisbares Vorwärtsrücken (bezw. Auf- wärtsrücken) der Sakralregion, resp. des Becken- gürtels*), mit dem Veränderungen an den Rippen *) Die Tendenz des Beckengürtels, sich längs der Wirbelsäule nach vorn (bezw. nach oben) zu verschieben, erhellt auch aus jenen Fällen, wo Dr. Moritz Alsberg. 107 Hand in Hand gingen. Während in der Richtung nach dem Steissbeinende der Wirbelsäule eine allmählige Reduktion in der Anzahl der Rippen stattgefunden hat, tritt zugleich im Bereiche des siebenten Halswirbels hier und da ein accessorisches Rippenpaar auf*). Dass gerade die an die Wirbel angrenzenden Theile der vier unteren Rippen sich im Organismus besser erhalten haben, als deren vordere Enden, die jetzt nur noch durch eingeschaltete Knorpelleisten mit dem Brustbein in indirekter Verbindung stehen — dies beruht wohl im Wesentlichen darauf, dass die vier unteren Rippen in ihren hinteren Theilen dem unteren hinteren Sägemuskel (m. serratus posticus inferior) sowie zum Theil auch dem breiten Rückenmuskel (m. latissimus dorsi) — zweien Muskeln, die für die Statik und Mechanik des Achsenskelettes von allergrösster Bedeutung sind — zum Ansatz dienen. Trotzdem wird nach Wiedersheim auch dieser Muskelansatz die fortschreitende Reduktion der Rippen auf die Dauer wohl kaum verhindern können. — Dass beim Menschen bezw. dessen Vorfahren die Zahl der Rippen ehedem eine grössere war als heutzutage — dieser Schluss stützt sich einerseits auf die Ihatsache, dass viele niedere Wirbelthiere noch jetzt eine grössere Anzahl von Rippen der fünfte Lumbalwirbel zum Kreuzbein geschlagen, wo er also zum ersten Sakralwirbel umgewandelt wird. Damit erscheint die Zahl der oberhalb des Kreuzbeins gelegenen Wirbel auf 23 reduzirt. Mit dieser Wirbelreduktion geht dann ein Tiefstand des Promontoriums Hand in Hand, welches gleich- sam in doppelter Form vorhanden ist, während andererseits das Kreuzbein tief in das Becken hineingesunken erscheint. Auch ragt in diesem Falle der Darmbeinstachel fast bis in's Niveau des zweiten Lendenwirbels empor. *) Der Fall, wo eine vom siebenten Halswirbel entspringende Rippe ohne Unterbrechung bis nach vorne an den Handgriff des Brustbeins sich erstreckt, gehört zu den allerseltensten. Ungleich häufiger sind jene Fälle, wo die ebenfalls bis zum Manubrium sterni reichende Rippe sich zuvor durch ihren Knorpel mit der ersten Brustrippe verbindet. Zuweilen ist nur das sternale und das vertebrale Ende in knöcherner bezw. knorpeliger Form vorhanden, während die Zwischenzone durch einen fibrösen Strang dargestellt wird. Trotz dieses ihres rudimentären Charakters ist der zwischen der in Rede stehenden Halsrippe und der ersten Brustrippe befindliche Interkostalmuskel sowohl in seiner äusseren wie in seiner inneren Schicht in der Regel gut entwickelt. Einen Beweis für die ehemalige grössere Ver- breitung von Halsrippen bei den Säugethieren liefern die Edentaten (zahn- arme Säugethiere). 108 Die Neanderthal-Rasse und die Abstammung des Menschen. besitzen als der heutige Mensch, andererseits darauf, dass überzählige Rippen als atavistische Bildungen noch jetzt beim Menschen kein allzuseltenes Vorkommaniss bilden. Für eine ursprünglich grössere Anzahl von Brustrippen spricht auch noch die Thatsache, dass in fötaler Zeit nicht nur im Bereiche des ersten Lumbalwirbels, sondern auch in dem aller übrigen Lumbal- wirbel, ja sogar noch im Bereiche des Kreuzbeins Rippen- anlagen nachgewiesen werden können. Auch sprechen gewisse hier nicht näher zu erörternde Umstände zu (sunsten der Annahme, dass die in Rede stehende Ver- minderung der Rippenzahl beim Menschen gegenwärtig noch nicht zum Abschluss gekommen ist. — Dass beim Menschen auch die erste Brustrippe bereits in’s Schwanken gekommen und vielleicht schon auf den Aussterbeetat ge- setzt ist — dies beweisen die nicht allzuseltenen und sicher konstatirten Fälle einer abortiven Entwicklung derselben. Immerhin ist nach Wiedersheim mit Sicherheit anzunehmen, dass der Rückbildungsprozess am oberen TI'horaxende ungleich langsamer Fortschritte macht, als am unteren, ja dass er vielleicht auf längere Zeit hinaus wieder zum Still- stehen gebracht wird. Sicher ist übrigens, dass ehedem acht Rippenpaare eine direkte Verbindung’ mit dem Brust- bein gehabt haben und dass der Schwertfortsatz dieses Knochens einem vom achten oder vielleicht auch vom neunten Rippenpaare abgeschnürten paarigen Knorpel seine Entstehung verdankt *). Was die Entwicklung des Thierschädels‘ zur Menschenform anlangt, so habe ich bereits die *) Dass das durch Verwachsung der Sternalleisten sich bildende Brustbein beim Vormenschen einst aus einer Reihe von hintereinander ge- legenen Stücken bestand — dies ist durch entwicklungsgeschichtliche und vergleichend-anatomische Untersuchungen festgestellt worden. Die ‚„Brechet- schen Knorpel‘ oder Knochen, welche zuweilen medial von der Verbindung des Schlüsselbeins mit dem Brustbein-Handgriff (articulatio-sternoclavicularis) dem Brustbein unmittelbar aufliegen, und sogar mit ihm verwachsen sein können, sind nach Gegenbaur den Episternal-Bildungen zuzurechnen, d. h. Reste jenes Knochens, der vielen niederen Säugethieren eigenthümlich ist. Auch ein im Gelenk zwischen Schlüsselbein und Brustbeinhandgriff sich findender Knorpel gehört zu den Resten des Episternums, Dr. Moritz Alsberg. 109 Momente angegeben, auf denen die der zunehmenden Entwicklung des Gehirns entsprechende Vergrösserung der Schädelkapazität (Innenraum des Schädels) beruht, und ebenso habe ich bereits darauf hingewiesen, dass dem zu einer stattlichen, rundlich-ovalen Knochenkapsel ent- falteten Cranium des Menschen der ungleich kleinere mit mächtigen Leisten und Höckern versehene Schädel eines Orang oder Gorilla gegenüber steht. Diese hinwiederum — und dahin gehören auch die übrigen Anthropoiden — zeichnen sich durch massige Entwicklung des Gresichts, insbesondere des Kieferskeletts aus, während Letzteres beim Menschen offenbar dem Hirnschädel untergeordnet ist. Während zwischen dem Schädel des erwachsenen Anthropoiden und demjenigen des erwachsenen Menschen nur eine ganz entfernte Ähnlichkeit besteht, verwischen sich die Unterschiede, sobald man jüngere Anthropoiden- stadien zum Vergleiche heranzieht, wie es denn eine be- kannte TIhatsache ist, dass nicht nur das Kopfskelett, sondern auch die Gesichtszüge junger Affen einen ent- schieden menschenähnlichen Typus besitzen. Kurz man kann mit Sicherheit behaupten, dass die später auftretende Divergenz erst nach der Geburt einsetzt, um dann mit den Jahren in immer charakteristischerer Weise sich her- auszubilden. Der Grund dieser Erscheinung liegt in der hohen Entwicklungsstufe des menschlichen Gehirns, welches, wie dies für alle übrigen Wirbelthiere gilt, geradezu als das formative Princip des Schädels zu betrachten ist und das nach der Geburt noch lange, ja bis in die Blüthe der Jahre hinein fortwächst, bis beim Manne der kauka- sischen Rasse eine mittlere Schädelkapazität von 1450 bis 1500 Cbem. und ein mittleres Hirngewicht von 1375 bis 1400 gr. erreicht ist. In welchen engen gegenseitigen Beziehungen Kulturentwicklung, Gehirnwachsthum und Schädelkapazität zu einander stehen, dies erhellt — um nun diesen einen Beweis hier anzuführen — daraus, dass die Wedda’s der Insel Ceylon — wohl das auf niedrigster Kulturstufe stehende aller jetztlebenden Naturvölker — 110 Die Neanderthal-Rasse und die Abstammung des Menschen. nach den Untersuchungen von F. und P. Sarasin einen sehr langen, schmalen und zugleich leichten Schädel (derselbe ist durchschnittlich um etwa 200 gr. leichter als der europäische) aufweisen und hinsichtlich der Schädel- kapazität durchschnittlich um 250 cbcem. hinter der weissen Rasse zurückbleiben. Andererseits beruht jene gewaltige Differenz wie sie zwischen dem Hirn der auf niedrigster Kulturstufe stehenden Menschenrassen und dem Anthro- poidengehirn besteht, zweifelsohne darauf, dass das Affen- gehirn nach der Geburt keine sehr bedeutenden Fortschritte mehr macht — eine Beobachtung, die nicht nur für das Hirnvolumen im Allgemeinen, sondern sicherlich auch für die mikroanatomischen Verhältnisse — so vor Allem für diejenigen des Rindengraues (Entwicklung der grauen Substanz der Hirnrinde) — ihre Gültigkeit bewährt. — Um auf die atavistischen und rudimentären Eigenthüm- lichkeiten des Menschenschädels zurückzukommen, so ent- spricht ein bei gewissen Menschenrassen auftretender Wulst (torus occipitalis) des Hinterhauptsbeins dem mäch- tigen Hinterhauptskamme der Affen. Die zwischen die Schädelnähte sich einschiebenden Schaltknochen (ossa Wormiana),*) der Processus frontalis des Schläfenbeins d. 1. der Fortsatz, den der letzterwähnte Knochen zum Stirnbein hinüberschickt — diese eigenthümliche Bildung die bei ungefähr ıo Procent der Wedda-Schädel sowie bei Negern und Australnegern in noch weiterer Ver- breitung vorkommt und auch bei zahlreichen Säugethieren angetroffen wird — diese Bildungen sind ebenfalls den ata- vistischen Erscheinungen am Menschenschädel zuzurechnen. #) Jener Schaltknochen, der wegen seines Vorkommens, in dem von den beiden Scheitelbeinen und der Hinterhauptsschuppe gebildeten Winkel als „Os interparietale‘‘ wohl auch wegen seines häufigen Vorkommens bei altperuanischen Schädeln als „OsIncae‘* bezeichnet wird — dieser Schaltknochen ist als ein integrirender Bestandtheil des Säugethierschädels, der bei ver- schiedenen Menschenrassen sich bis auf den heutigen Tag erhalten hat, zu betrachten. Durch eine besondere Naht wird derselbe dann und wann in mehrere Theile zerlegt. — Jener Knochenfortsatz, welcher zuweilen nach hinten und aussen vom Foramen jugulare beim Menschen auftritt, entspricht dem Processus paramastoideus, der bei gewissen Säugethieren insbesondere bei Hufthieren und Nagethieren eine starke Entwicklung erlangt. Dr. Moritz Alsberg. SR In die nämliche Kategorie gehört die Verschmelzung der in der Regel getrennt bleibenden Nasenbeine zu einem Stück, der man bei niederen Rassen wie z. B. bei Patagoniern und bei südafrikanischen Volksstämmen relativ häufig be- gegnet. Eine niedere Entwicklungsstufe spricht sich nach den beiden Sarasin an den Wedda-Schädeln u. A. darin aus, dass der Nasentheil des Stirnbeines zwischen die vom Augenbrauenbogen stark überragten, geräumigen aber sehr nahe bei einander stehenden Augenhöhlen hinabreicht. — Bezüglich des Zwischenkiefers (os intermaxillare oder praemaxillare), jenes die Schneidezähne tragenden Theiles des Oberkiefers, an dessen Untersuchung s. Z. sich auch Göthe betheiligt hat, und den in neuerer Zeit, Leuckart, Kölliker, Biondi sowie vor Allem Johannes Ranke*) zum Gegenstande eingehender Studien gemacht haben — *) Die Frage des Zwischenkiefers ist eine vielumstrittene in der Geschichte der Anatomie; schon Galen hat das Vorhandensein desselben beim Menschen behauptet; aber es ist immer noch zweifelhaft, ob ihm bei seinen Untersuchungen Menschen- oder Affenschädel zu Grunde gelegen haben. Nach im Laufe der Jahrhunderte immer wieder wechselnden Anschauungen ist bekanntlich Goethe wieder der Erste gewesen, der auf das Vorhandensein des Zwischenkiefers beim Menschen hingewiesen hat. Es folgten die Unter- suchungen Leuckart’s, der nachwies, dass in einem frühen Stadium des menschlichen Foetallebens am Oberkiefer noch Trennungsspuren zu finden sind, die auf das Vorhandensein des Zwischenkiefers deuten. Paul Albrecht zeigte dann als Erster, dass der Mensch auf jeder Seite 2 Zwischenkiefer, also zusammen 4 besitzt. Diese Behauptung hat Theodor Kölliker durch am menschlichen Schädel vorgenommene Untersuchungen zu widerlegen ver- sucht; aber das Vorhandensein von 4 Zwischenkiefern beim Menschen ist nunmehr durch den Italiener Biondi thatsächlich dargethan worden. Zur Entscheidung dieser Streitfrage hat neuerdings Johannes Ranke das Auftreten des Zwischenkiefers fast durch die ganze Reihe der Säugethiere — vom Schnabelthiere bis zum Menschen hin — verfolgt. Er gelangt dabei zu Resultaten ganz analog denjenigen, welche Klaatsch aus seinen Untersuchungen über die Bildung der Extremitäten-Enden beim Menschen und niederen Säugethieren gezogen hat, nämlich zur Feststellung der Thatsache, dass die von Paul Albrecht zunächst für den Menschen behauptete Viertheilung des Zwischenkiefers nicht nur bei diesem, sondern zugleich auch bei gewissen niederen Säugethieren (z. B. beim Schnabelthier und Faulthier) sich findet, bei den Anthropoiden aber nicht vorhanden ist — ein Umstand der in Übereinstimmung mit den Ergebnissen der von Klaatsch über die Bildung der Hand und des Fusses angestellten Unter- suchungen uns abermals auf die niederen Säugethiere als den- jenigen Punkt hinweist, wo sich der Mensch bezw. dessen Vorfahren vom grossen gemeinsamen Stammbaume abge- zweigt haben. 112 Die Neanderthal-Rasse und die Abstammung des Menschen. bezüglich dieses eigenthümlichen Knochengebildes unter- liegt es jetzt keinem Zweifel mehr, dass wir in demselben ein uraltes Erbstück — uns überkommen von aufniedriger Entwicklungsstufe stehenden thierischen Vorfahren — zu erblicken haben. — Jene Verschiedenheiten des hinteren Nasen- stachels (spina nasalis posterior) am harten Gaumen, auf die Waldeyer zuerst aufmerksam gemacht hat, sind ebenfalls als Ausdruck einer niedrigen Örganisations- stufe aufzufassen. Von den am Gehirn erhaltenen rudimentären Bildungen ist von ganz besonderem Interesse die Zirbeldrüse (auch als „Hirnepiphyse‘“ oder „glandula pinealis“ bezeichnet), bezüglich deren die neueren vergleichend-anatomischen und entwicklungsgeschichtlichen Untersuchungen darge- than haben, dass dieses eigenthümliche Gebilde den Rest einesunpaaren rudimentären Sehorgan’s dar- stellt. Der Stellung, in der sich dieses nach oben blickende Auge befand, hat einer Schädelspalte entsprochen. Bei den eidechsenartigen Reptilien und den Blindschleichen zeigt dieses Organ noch jetzt Reste einer Linse und einer Netzhaut. — Der an der Unterseite des Gehirns sich befindende Gehirnanhang (Hypophysis cerebri oder Glandula pituitaria) soll nach Kupffer dem alten Mund (Prostoma oder Palaeostoma) der Vorvertebraten (Vorläufer der Wirbelthiere) bezw. Vorchordaten entsprechen, während der jetzige Mund der Wirbelthiere bekanntlich aus der Ver- schmelzung eines Paares von Kiemenspalten hervorgeht. — Von den im Bereiche der Sinnesorgane sich findenden Rudi- menten ehemaliger Zustände sei hier nur auf das „Jacob- son’sche Organ“ hingewiesen, welches sich bis zu den geschwänzten Amphibien zurück verfolgen lässt und in seiner ersten Anlage eine kleine, mannigfaltigen Veränderungen unterworfene Schleimhautausstülpung der Nasenhöhle dar- stellt. Die Verästelungen des Riechnerven, welche in dieser Ausstülpung endigen, sind mit Epithel-ähnlichen Zellen aus- gestattet, die, wie es scheint, bei den Geruchsempfindungen Dr. Moritz Alsberg. 113 eine Rolie spielen. Die Verkümmerung des Jacobson’schen Organs beim heutigen Menschen berechtigt wohl zu dem Schlusse, dass die Vorfahren deshomo sapiens ein weit vollkommeneres Geruchsorgan be- sessen haben als dieser selbst. Es würde mich zu weit führen, wollte ich jene atavistischen und rudimentären Bildungen, die beim heutigen Menschen als Denkmäler längst entschwundener Entwick- lungsphasen sich bis auf den heutigen Tag erhalten haben, hier im Einzelnen aufzählen und muss ich mich daher damit begnügen, die Aufmerksamkeit meiner Leser nur noch auf 2 Kategorien von rudimentären Organen zu lenken, nämlich ı) auf jenen bemerkenswerthen Anhang des Blind- darms, den die Anatomen alswurmförmigen Anhang (processus vermiformis) bezeichnen und 2) auf gewisse Muskeln, die für das Fortkommen des heutigen Menschen von keiner Bedeutung, biszu gewissem Grade sogar hinderlich sind, deren Vorhandensein im menschlichen Organismus sich eben nur unter Zugrunde- Kossuno der Theorie voni!den atavistischen Brscheinungen und rudimentären Organen erklären lässt. — Was zunächst den Wurmfortsatz anlangt, so ist derselbe beim heutigen Menschen sehr be- deutenden Schwankungen unterworfen. Seine Länge variirt zwischen 2 und 2o cm und auch seine Breite schwankt be- trächtlich. Dasselbe gilt auch für das Auftreten, die Grösse und Formentwicklung der seinen Eingang begrenzenden Schleimhautfalte. Kurz alles weist auf den regressiven Charakter dieses Darmanhanges zurück und erlaubtde n sicheren Schluss auf eine frühere grössere Länge des Darmrohres. Eine Stütze dafür liefert auch der Blinddarm, welcher ebenfalls Form- und Grösse- schwankungen zeigt. Aus den Untersuchungen, die Ribbert einerseits an Embryonen und Neugeborenen andererseits an Erwachsenen vorgenommen hat, ergiebt sich, dass der „wurmförmige Anhang“ in foetaler Zeit relativ stärker entwickelt ist als im späteren Leben, und 8 114 Die Neanderthal-Rasse und die Abstammung des Menschen. dass derselbe im zunehmendem Alter im Wachsthum zurückbleibt. Darauf beruht es, dass das Verhältniss des Wurmfortsatzes zum Dickdarm beim Neugeborenen wie ı : 10, beim Erwachsenen dagegen wie 1:20 sich stellt. — Von hohem Interesse und ein weiteres Licht werfend auf den hier sich abspielenden Involutionsprozess ist die von Ribbert konstatirte häufige Obliteration des Processus vermiformis. Es konnte nämlich in 25°/o aller Fälle ein partieller oder totaler Verschluss nach- gewiesen werden, welcher von ganz bestimmten, in den betreffenden Geweben sich abspielenden Rückbildungs- prozessen begleitet war, während pathologische Vorgänge im engeren Sinne des Wortes auszuschliessen waren.*) Auf welche thierische Entwicklungsstufe wir zum Zwecke der Erklärung der Entstehung des Wurmfortsatzes zurück- greifen müssen — hierüber lässt sich zur Zeit noch nichts Bestimmtes sagen ; immerhin erhält die Vermuthung, dass die Entstehung des processus vermiformis in ursächlichem Zusammenhang stehe mit dem Uebergang von der aus- schliesslichen Pflanzennahrung zur gemischten Nahrung, eine Stütze durch die Beobachtung, dass bei Völkern, die vorwiegend von vegetabilischer Kost leben wie z. B. bei den Japanern, die Gesammtlänge des Darmrohres eine erheblich grössere ist, als bei jenen Völkern und Stämmen, die neben der Pflanzenkost reichliche Fleischnahrung zu sich nehmen. *) Auf 100 Wurmfortsätze kommen nach Ribbert beim erwachsenen Menschen 32 obliterirende oder bereits verschlossene. Die Obliteration be- trifft nur zum kleinsten Theile — in etwa 3'/a Procent — den ganzen Pro- cessus vermiformis. Viel häufiger ist dagegen der partielle Verschluss und zwar kommen alle Grade der Verwachsung vom ersten Beginn bis zur völligen Aufhebung des Lumens zur Beobachtung. Die beiden Geschlechter sind an dem Vorgange in fast gleicher Weise betheiligt; andererseits er- giebt sich eine ausgesprochene Zunahme des obliterirenden Prozesses mit dem höheren Alter. Von Leuten, die über 60 Jahre alt sind, weisen mehr als die Hälfte Obliterationsprocesse des Wurmfortsatzes auf; andererseits wurde die Obliteration bei Neugeborenen niemals angetroffen und das jüngste Kind, bei welchem ihre Anfänge vorhanden waren, hatte ein Alter von fünf Jahren. Zwischen der Länge des Wurmfortsatzes und dem Ver- schluss sollen nach Ribbert insofern Beziehungen bestehen, als im Allge- meinen die kürzeren Processus häufiger Obliterationen aufweisen als die längeren. Dr. Moritz Alsberg. 115 Indem ich mich zu den im Bereiche des Muskel- systems auftretenden rudimentären Organen wende, ist zunächst hervorzuheben, dass wir nach Wiedersheim beim Menschen ı) regressive (bezw. rudimentäre) Muskeln, 2) Muskeln, welche nur zuweilen in die Erscheinung tretend, im atavistischen Sinne zu deuten sind und 3) pro- gressive Muskeln zu unterscheiden haben. Es können sich aber auch progressive und regressive Entwicklungs- richtungen auf einem und demselben Muskelgebiet ab- spielen. Ferner liegt es auf der Hand, dass jene Muskeln, welche sich in einem für die Gattung Mensch fortschritt- lichen Sinne entwickeln, in dieser ihrer Tendenz auf den einzelnen Etappen ihrer Entwicklung sich häufig genug einer sicheren Beurtheilung entziehen. Maassgebend für die Beurtheilung der Funktion eines Muskels ist, wie M. Für- bringer und G. Ruge dargethan haben, in erster Linie der Nachweis der Innervation; denn der Nerv ist stets be- stimmend für den morphologischen Werth eines Muskels. — Zu den regressiven Muskeln sind zunächst jene Muskeln der Rumpfgegend zu rechnen, bei denen wie beim dor- salen oberen und unteren Serratus das Muskelgewebe bis zu gewissem Grade durch eine starke Aponeurose (sehnige Membran) ersetzt wird, was aufeine allmählige Umwandlung des Muskels in ein sehniges Gewebe schliessen lässt. Dass speziell die bezeichneten Rumpfmuskeln sich re- gressiv verhalten, hierfür muss der Grund wohl in einer Veränderung der Respirationsmechanik des Thorax ge- sucht werden und dieselben Gesichtspunkte ergeben sich auch für die zahlreichen Schwankungen jener Muskeln bei den Anthropoiden. — Entsprechend der Verkümmerung der Caudal-Region des menschlichen Körpers ist es leicht zu begreifen, dass jene Muskelgebilde, denen die Aufgabe zuertheilt war, den Schwanz in Bewegung zu versetzen, sich bis auf geringfügige Reste zurückgebildet haben. Es ist übrigens bemerkenswerth, dass bei den Anthropoiden der rudimentäre Charakter der Schwanzmuskulatur zum Theil noch in höherem Grade ausgesprochen ist, als beim 8* 116 Die Neanderthal-Rasse und die Abstammung des Menschen. Menschen. Bei den an der Bauchfläche gelegenen (ven- tralen) Muskeln ist der segmentale Charakter (Theilung des Muskels in mehrere Segmente), der denselben in ver- gangenen Entwicklungszuständen zukam, noch jetzt deut- lich ausgesprochen. Wir erkennen dies an dem in die Muskeln eingeschalteten Sehnengewebe (Inscriptiones ten- dineae) der Bauchmuskulatur; nicht selten erstrecken sich auch beim Menschen von den Enden der unteren Rippen Sehnen in die breiten Bauchmuskeln hinein. Bei niederen Primaten reicht der „gerade Bauchmuskel“ (m. rectus ab- dominis) noch bis in’s Gebiet der ersten Rippe und zeigt dadurch Anklänge an den bei niedern Wirbelthieren noch vorhandenen, erst bei Reptilien verloren gegangenen Zu- sammenhang mit der Hals- und Nackenmuskulatur. Das Zurückweichen des geraden Bauchmuskels steht offenbar im Zusammenhang mit der Entwicklung des grossen Brustmuskels (m. pectoralis major) der oberen Extremität, insofern sich erst mit dem Zugrundegehen oberer Rektus- portionen die Ursprungsbündel des grossen Brustmuskels sowie diejenigen des kleinen Brustmuskels (m. pectoralis minor) der festen vorderen, durch Rippen gebildeten Thoraxfläche zu bemächtigen vermochten. Es hat also in gewissem Sinne ein Wettbewerb zwischen dem geraden Bauchmuskel und den beiden Brustmuskeln bestanden. — Ein ganz besonderes Interesse darf der beim Menschen vor dem geraden Bauchmuskel am oberen Beckenrande liegende Pyramidenmuskel (m. pyramidalis abdomi- nis) deshalb für sich in Anspruch nehmen, weil er bei den aplacentalen Säugethieren (d. h. bei Monotremen und Beutelthieren) im Anschluss an die Beutelknochen eine gewaltige Entwicklung erlangt hat. Auch bei gewissen Placentarsäugethieren — namentlich bei den Insekten- fressern — hat er noch fast den Schwertfortsatz des Brust- beins erreicht. Das Vorkommen dieses Mukels beim Menschen ist vielfach so gedeutet worden, dass der Mensch — bezw. dessen Vorfahren — im Verlaufe seiner phylo- genetischen Entwicklung ein der Körperbeschaffenheit der Dr. Moritz Alsberg. 17 Marsupialier (Beutelthiere) entsprechendes Entwicklungs- stadium durchgemacht hat. — Unter den Halsmuskeln nimmt die als „Platysma myoides“ bekannte Muskelmem- bran deshalb ein besonderes Interesse für sich in An- spruch, weil dieselbe als Rest eines Hautmuskels aufge- fasst werden muss, der in einem der früheren Entwick- lungsstadien die ganze Körperoberfläche bedeckte und sich zum Schutze gegen gewisse Schädlichkeiten wie z. B. zur Abwehr von Insektenstichen sehr nützlich erwies. Dass das Platysma myoides als der unverbrauchte Rest einer auf den Kopf fortgesetzten Muskulatur aufzufassen ist, die am Halse in indifferenter Form sich erhalten hat — dieser Schluss ergiebt sich nach Gegenbaur aus dem Um- stand, dass das Platysma selbst beim Menschen noch hier und da mit dem m. zygomaticus minor, dem m. orbicu- laris oculi, dem Auricularis anterior und dem m. trans- versus nuchae direkt zusammenhängt. In sehr nahen Be- ziehungen zu jener muskulösen leicht verschiebbaren Hautbedeckung, die ehedem den ganzen Thierkörper überzogen hat, steht die mimische Muskulatur, deren Ausbildung zweifelsohne gleichen Schritt hielt mit der Ent- wicklung der Intelligenz ihres Trägers. Folglich wird man annehmen dürfen, dass diese mimische Muskulatur erst bei den Primaten die höchste Stufe ihrer Entwicklung erreicht hat. — Dass die Muskeln in der Umgebung der Ohrmuschel jetzt nur noch in verkümmertem Zustand aufgefunden werden, kann uns nicht in Erstaunen versetzen, da wir wissen, dass die Bewegungen der ÖOhrmuschel, die als mimischer Gesichtsausdruck bei vielen Thieren eine wichtige Rolle spielen, beim Menschen ausser Kurs gesetzt sind und dass die Bewegungen der Ohrmuschel ebenso wie die durch den Hinterhauptsmuskel und Stirnmuskel bewirkte Verschiebung der ganzen Kopfschwarte sich nur bei einer verhältnissmässig geringen Anzahl von Menschen bis auf den heutigen Tag erhalten hat. Was die bei keinem Individuum mehr dem Willen unterworfenen Binnen- Muskeln der Ohrmuschel anlangt, so handelt es sich hier 118 Die Neanderthal-Rasse und die Abstammung des Menschen. um alte Reste eines ‚ursprünglich auf die Öffnung und Schliessung bezw. Erweiterung und Verengerung des Ohrtrichters berechneten Apparates. An den Grliedmaassen stellen der Handflächenmuskel (m. palmaris longus) und sein Homologon der Fusssohlen muskel (Fussohlenkopf des langen Zehenbeugers) das typische Beispiel einer Rückbildung dar. Diese Muskeln haben im Zustand ihrer vollen Entwicklung mittelst der aus- strahlenden Palmar- bezw. Plantar-Fascie ursprünglich bis zu den Fingerknochen bezw. Zehenknochen sich erstreckt. Indem aber der oberflächliche gemeinsame Fingerbeuger und der tiefe gemeinsame Fingerbeuger bezw. an der Fusssohle die entsprechenden Beugemuskeln eine immer weiter gehende und feinere Differenzirung: sich aneigneten, zog sich die fibröse Endplatte, mit der der Palmar-Beuger so- wieder Plantar-Beuger in Zusammenhang stehen, immer mehr von den Fingern zurück und gewann andere Ansatzpunkte; auseinem Fingerbeuger entstand ein Hand- beuger. Als solcher aber konnte er seinen Ansatzver- hältnissen nach nicht der Kraftentfaltung fähig sein wie die eigentlichen Handbeuger, die an Skeletttheilen ausstrahlen. So wurde er ein überflüssiges Organ und begann in seiner Existenz sowie in seiner Form Schwankungen zu zeigen. Unter den regressiven Muskeln der Extremitäten darf ich den kurzen Kopf des zweiköpfigen OÖberschenkelmuskels (M. Biceps femoris) nicht un- erwähnt lassen, über den wir H. Klaatsch eine interessante Abhandlung *) verdanken. Dass dieser kurze Muskelkopf mit dem langen Kopfe des Biceps Femoris ursprünglich gar nichts zu thun haben kann — dies erhellt schon daraus, *) Der kurze Kopf des Musculus Biceps femoris. Seine morpho- logische und stammesgeschichtliche Bedeutung von Prof. Dr. Hermann Klaatsch. Sitzungsberichte der Königl. Preuss. Akademie der Wissen- schaften, Gesammtsitzung vom 26. Juli 1900. — Vergl. auch den von H. Klaatsch auf dem Anthropologenkongress zu Halie gehaltenen Vortrag: „Der kurze Kopf des Musculus Biceps femoris und seine morphologische Bedeutung“ im ‚„Correspondenzblatt für Anthropologie u. s. w.“ Jahrgang 1900, Nr. ıı und 12. Dr. Moritz Alsberg. 119 dass er von einem anderen Nerven zur Zusammenziehung gebracht wird. Durch seine vergleichend anatomischen Studien ist Klaatsch zu dem Schlusse gelangt, dass wir es hier mit einem rudimentären Gebilde zu thun haben, welches sich in weiter Verbreitung bei den niederen Säugethieren findet, das aber nur beim Menschen und einigen Primaten in Folge der sekundären Verbindung mit dem langen Kopfe sich zu erneuter funktioneller Bedeutung erhoben hat. Der kurze Biceps-Kopf gehörte ursprünglich zu einem Muskel, der hinsichtlich seines Ursprungs und seiner Innervation mit den Gesässmuskeln (Glutaen) zusammenhing und dessen Anheftung am Unterschenkel weit nach abwärts zu suchen ist. Die jetzt rudimentäre Natur dieses Muskels, den Klaatsch als „Glutaeo-cruralis“ bezeichnet, muss nach dem be- sagten Gelehrten mit dem Untergange alter Einrich- tungen in der Gegend des Fussgelenkes bei den Vor- läufern der Säugethiere zusammenhängen. Da aber die niederen Affen der alten Welt diesen Muskel längst ver- loren haben, während er beim Menschen — wenn auch nur in rudimentärem Zustande — sich bis auf den heutigen Tag erhalten hat, so ergiebt sich daraus der nämliche Schluss, den wir schon mehrfach gezogen haben, nämlich der, dassaneinedirekte Abstammung desMenschen vom Affen überhaupt nicht zu denkenist und dass von verwandschaftlichen Beziehungen zwischen Mensch und Affe nur insofern die Rede sein kann, als beide nur an der Wurzel des gemeinsamen Stammbaumes mit einander verknüpft sind, was schliesslich füralle Säuge- thiere gilt.*) 7) *) Die diesbezüglichen Schlussfolgerungen von H. Klaatsch lauten: „Das wichtigste Ergebniss scheint mir zu sein, dass die niedern Affen der alten Welt den Glutaeo-Cruralis ganz verloren haben. Damit erhält die grobe Auffassung der Abstammung des Menschen vom Affen einen neuen Stoss, Die jetztlebenden Affen sind einseitig umgebildete und zum Theil degenerirte Formen. Je weniger ein Affe vom Ursprünglichen eingebüsst hat, um so menschenähnlicher erscheint er. Daraus geht aber keineswegs 120 Die Neanderthal-Rasse und die Abstammung des Menschen. hervor, dass in der Vorfahrenreihe Wesen wie Gorilla oder Orang existirt haben müssen. Die schönen Untersuchungen Selenka’s haben uns gezeigt, wie tief die ‚Organisation dieser Formen durch die sekundäre Ausbildung der Eckzähne modificirt worden ist, Ihre Jugendzustände stehen dem Menschen viel näher als die erwachsenen Thiere. Also kann nur von einer Verknüpfung an der Wurzel des gemeinsamen Stammbaums die Rede sein und dies gilt schliesslich für alle Säugethiere. Was nun gar die niederen Affen anlangt, so sind sie mit dem Menschen kaum näher verwandt als mit irgend einer anderen Säugethiergruppe. Bieten sie doch fossil Verknüpfungen mit Hufthieren, wie dies noch in viel reicherem Maasse die Prosimier zu anderen Säugethiergruppen zeigen. Nach meiner Auffassung ist der Mensch eine centrale Säugethier- und Primatenform, pri- mitivin den Gliedmaassen und im Gebiss, hochentwickelt lediglich durch die Entfaltung des Gehirns.“ ) Dass in der vorhergehenden Abhandlung der von Dubois auf der Insel Java ausgegrabene „Pithecanthropus erectus‘ nicht besprochen worden ist, beruht darauf, dass diese fossilen Knochenreste den Gegenstand eines besonderen Aufsatzes bilden sollen. Anmerkg. d. Verf. H. Ochs. 1. Meine Beobachtungen über den Kuckuck. Vorgetragen in der Sitzung des Vereins für Naturkunde vom 10. Februar 1902 *) Wohl wenige Vögel giebt es, welche dem Natur- forscher ein so interessantes, vielseitiges Feld für seine Beobachtungen bieten als der Kuckuck. Zu den bereits von vielen Kennern hier veröffent- lichten Wahrnehmungen möchte auch ich noch einige hin- zufügen, welche ich in einem Zeitraum von über 45 Jahren selbst beobachtete, doch beschränke ich mich heute speciell nur auf die von allen Vögeln abweichende Art der Fort- pflanzung des Kuckucks. Der Kuckuck erscheint bei uns im April und ist die Zeit zwischen dem ı5. und 24. die gewöhnliche, in beson- ders günstigen Jahren erscheint er auch schon früher, so dass ich seinen Ruf schon am 8. vernahm. Als Pflegeeltern des Kuckucks kommen in hiesiger Gegend hauptsächlich die Rothkehlchen, Dandalus rubecula, in Betracht. Da diese Vögel Ende April mit dem Bau ihrer Nester beginnen und Anfang Mai schon legen, so hat der Kuckuck sich den örtlichen Verhältnissen entsprechend angepasst und habe ich als frühesten Termin am ı. Mai ein Kuckucksei im Neste dieses Vogels ge- funden. Es betraf ein Weibchen, welches etwa ı6 Jahre *) Inzwischen auch veröffentlicht in der Zeitschrift für Oologie. 1902. Nr. ı1. 123 Meine Beobachtungen über den Kuckuck. hintereinander in ein bestimmtes Waldgebiet kam und auf einen möglichst beschränkten Raum seine Eier unter- brachte, welche wegen ihrer geringen Grösse und auf- fallend hellen Farbe von jedem anderen Kuckucksweibchen leicht zu unterscheiden waren, die sich auch im Laufe der Zeit in keiner Weise veränderten. Obwohl das Auffinden der Rothkehlchennester in unserem bergigen Terrain sehr schwierig ist, so sind die- selben doch auf gewisse Oertlichkeiten angewiesen, z. B. hohe Gräben und Uferraine, wo dieselben unter Wurzeln und trockenem Gras versteckt, gebaut werden und so war es mir möglich infolge meiner Kenntniss bis zu 60 Stück in einem Jahre aufzufinden und zu controlliren. Oben erwähntes Kuckucksweibchen setzte, soweit ich dies feststellen konnte, 4 bis 5 Eier in einem Jahre ab, belegte stets Rothkehlchennester; nur ausnahmsweise fand ich ein vom genannten Weibchen belegtes Ei im Neste von Phyllopneuste siblatrix, Waldlaubvogel, eins des- gleichen im Neste von Emberixa :cürinella, Goldammer und von Anthus arboreus, Baumpieper. Die Ablage der Kuckuckseier in die Nester der letztgenannten Vögel scheint mir mehr ein Verlegenheits- akt zu sein, hervorgerufen durch irgendwelche Zerstörung des vom Kuckuck ein oder mehrere Tage vor dem Ein- legen seines Eies erspähten und zur Aufnahme desselben bestimmten Nestes. Ist es mir doch schon vorgekommen, dass in solchen Fällen das Kuckucksei in alte, leere, vor- jährige Nester gelegt wurde. Wenn solche Umstände nicht eintreten, weiss der Kuckuck das Nest des Baumpiepers vom Rothkehlchen zu unterscheiden. Von mehr als hundert von mir aufge- fundenen Baumpiepernestern, ist mir nur einmal der oben erwähnte Fall vorgekommen, dass ein Kuckucksei in das Nest des Baumpiepers gelangte, obwohl letztere mit dem Rothkehlchen dieselbe Oertlichkeit, denselben Graben theilten und auch der Nestbau beider Vogelarten wenig von einander sich unterscheidet. H. Ochs. 23 Aber auch die Eier scheint das Kuckucksweibchen zu kennen. So fand ich z. B. drei von verschiedenen Kuckucken gelegte, in verschiedenen Bebrütungsstadien befindliche Eier in dem Neste eines Rothkehlchens, welches in einem dunkelen Waldgraben gebaut war; die verschiedenen Kuckucke hatten hier sämmtliche Roth- kehlcheneier bis auf eins beseitigt, indess kein Kuckucksei. Ein anderes Mal fand ich ein verlassenes Roth- kehlchennest, in welchem sich ein Rothkehlchenei und zwei Kuckuckseier befanden. Das Nest war augenscheinlich nach dem Einlegen des zweiten Kuckuckseies verlassen ; ein Kuckucksei, ebenso ein Rothkehlchenei, weiches die zwei verschiedenen Kuckucke darin gelassen hatten, war blauschwarz und stark bebrütet, ein Beweis, dass es schon längere Zeit gelegen hatte; das letztgelegte Kuckucksei war noch hell und gut. Ausser dem Rothkehlchen kommen in hiesiger Gegend als Zieheltern des Kuckucks, jedoch weniger als diese, dr Waldlaubvogel, Phyllo- pneuste sibllatrix und der Zaunkönig, Troglodytes par- vulus, in Betracht. Die Kuckuckseier ähneln denen der genannten Vogelarten fast nie; nur einige Male fand ich einige den Waldlaubvogeleiern ähnliche Kuckuckseier vor. Solche Vogelarten, die in anderen Gegenden bevorzugt werden und deren Eier denen des Kuckucks ähneln, z. B. Lanius colluro, der rothrückige Neuntödter, Sylvia horlensis, die Gartengrasmücke, Sylvia cinerea, die Dorngrasmücke, Motacilla alba, die weisse Bachstelze, werden, obwohl sie hier und da in den von Kuckucken bewohnten Gebieten gar nicht selten sind, bei dem Fortpflanzungsgeschäft desselben fast nie berück- sichtigt, ebensowenig die beiden anderen hier vorkommenden Laubvogelarten, Phyllopneuste trochilus und rufa. Das Kuckucksweibchen hat das Bestreben, immer in die Nester solcher Vögel zu legen, bei denen es selbst erzogen wurde und zwar geschieht dies in Zwischenräumen von einigen Tagen. Ich konnte feststellen, dass von einem Kuckucksweibchen Eier gelegt wurden am 5.,9. und 14. Mai. 124 Meine Beobachtungen über den Kuckuck. Ich sowohl als mein verstorbener Freund Walter haben beobachtet, dass fast immer, wenn der Kuckuck ein Nest, worin er sein Ei unterbringen will, dies ein oder mehrere Tage vorher ausfindig macht und gleichzeitig ein oder mehrere Nesteier beseitigt; dasselbe auch beim Einlegen seines Eies wiederholt, so dass zuletzt nur noch wenige der ersteren neben dem des Kuckucks vorkommen. Findet man ein vollständiges Gelege neben dem Kuckucksei im Neste, so hat der Kuckuck gewöhnlich zuerst eingelegt. Dass übrigens der Kuckuck auch Eier wegträgt, sollte ich, wie ein verstorbener Onkel von mir, aus nächster Nähe mit eigenen Augen beobachten. Auf einem Apfel- baum hatte Lanius rufus, der rothköpfige Neun- tödter, sein Nest gebaut und darin einige Kier,zeis Kuckuck kam, flog zum Neste, aber auch gleichzeitig fielen beide Neuntödter über ihn her und mit ihm zur Erde. Hier sahen wir, dass er ein geraubtes Ei zu Boden legte, dasselbe aber wieder aufnahm und verfolgt von dem Neuntödterpaar, das Weite suchte. Damals war Lanvus rufus noch häufig, heute ist hier keiner mehr zu sehen. Wenn Ende April, Anfang Mai noch recht kaltes, regnerisches Wetter eintritt, die Bäume noch unbelaubt im Walde stehen, sodass man glauben sollte, die insecten- fressenden Vögel müssten Mangel an Nahrung haben, hindert es den Kuckuck nicht, um seine Eier rechtzeitig in die Rothkehlchennester unterzubringen. Doch giebt es auch Kuckucke, die viel später, bei der zweiten Brut, die Eier unterbringen. Obwohl die Rothkehlchen immer noch diejenigen Vögel sind, welche das Amt der Pflegeeltern am besten besorgen, gehen auch bei ihnen öfters die Kuckucke zu Grunde; nicht immer sind erstere so gefällig, ihnen die Eier auszubrüten und verlassen das Nest, wenn der Kuckuck sein Ei hineinlegt. Mitunter trifft auch ihn die Schuld, wenn er zu spät hineinlegt. Mir sind Fälle be- kannt, wo das Kuckucksei gelegt wurde, als die Eier der H. Ochs. 125 Pflegeeltern schon längst bebrütet waren. In diesem Falle geht ersteres Ei immer verloren. Auch an dem Tage, als die jungen Rothkehlchen auskommen mussten, wurde noch ein Kuckucksei zugelegt. Ich besuchte ein Rothkehlchennest, von dem ich wusste, dass an diesem oder dem nächsten Tage die Jungen auskommen mussten, fand indess noch die Eier vor. Als ich am nächsten Tage zufällig an der Stelle vorbeikam, waren die Jungen ausgekrochen und lagen todt neben dem Neste, während in demselben ein frisches Kuckucksei lag. Ein anderes Mal legte ein Kuckuck in ein noch un- fertiges Nest; dies hielt das Rothkehlchen nicht ab dieses fertig zu stellen, so dass das Kuckucksei ganz überbaut wurde. Ich sah ein Rothkehlchennest in dem Schlitz einer Buche, welche in einer eine Wiese umgebenden Hecke stand. Als ich nach einiger Zeit wieder dort vorbeikam, sah ich in der Spalte in dem zerbrochenen und getrock- neten Inhalt eines Rothkehlcheneies eins desgleichen vom Kuckuck. Offenbar hatte der Kuckuck ersteres beseitigen wollen und da er nur schwer dahin gelangen konnte, wurde es von ihm zerbrochen. Er konnte sein Ei nur mit dem Schnabel in das Nest gebracht haben. Wäre der junge Kuckuck ausgebrütet worden, er hätte aus der schmalen Oeffnung nicht herausgekonnt. Auch in früheren Zeiten sah ich mit einem Bekannten, wie ein Rothkehlchen futtertragend einer Baumhöhlung zuflog, in welcher sich ein halberwachsener Kuckuck be- fand. Mein Begleiter befreite ihn aus dieser Höhlung, aus welcher er, ausgewachsen, nicht herausgekonnt hätte. Wird das Kuckucksei rechtzeitig, d. h. so eingelegt, dass es mit den Nesteiern zugleich bebrütet wird, so schlüpft der junge Kuckuck trotz der bedeutend härteren und stärkeren Schale des Eies einen Tag früher aus als seine Stiefge- schwister. Bald danach findet man die stark bebrüteten Eier oder schon ausgekrochenen Jungen neben oder unter 126 Meine Beobachtungen über den Kuckuck. dem Neste. Nach meiner Ansicht kann dies nur der Kuckuck gethan haben. Die Pflegeeltern behandeln den jungen Kuckuck wie ihr eigenes Junges. Als ich einen solchen mit der Hand berührte, biss mich das Rothkehlchen, dabei immer fliegend in dieselbe. Während das Brutgeschäft bei den Rothkehlchen als Pflegeeltern des Kuckucks im Allgemeinen früh im Jahre sich vollzieht, geschieht dies beim Zaunkönig und Waldlaubvogel erst später, da diese erst in der zweiten Hälfte Mai oder Anfang Juni zur Brut schreiten. Bei beiden Vogelarten hat er indess wenig Glück, weil die- selben das Nest meist nach dessen Benutzung durch den Kuckuck verlassen. Beide Arten bauen backofenförmige Nester mit engem Eingangsloch. Hat nun der Kuckuck beim Auffinden des Nestes ein oder mehrere Eier beseitigt, erweitert er die Oeffnung derartig, dass die Eigenthümer auf die Ehre verzichten, seine Eier auszubrüten. Aber selbst bei diesem vergrösserten Eingangsloche fällt es namentlich an dem nach unten freihängenden Zaunkönignest, an welchem der Kuckuck fussen muss, schwer, an die Eier zu gelangen und so zerbricht er nicht selten eins, wodurch die anderen auf dem Boden des Nestes ankleben. Da der Kuckuck sich nicht in diese Nester setzen kann, wie dies bei den anderen, offenen geschieht, legt er sein Ei auf den Boden und trägt es mit dem Schnabel hinein. Wird er dabei gestört, so lässt er es auf der Erde liegen und kümmert sich nicht weiter darum. Ich fand mehrmals solche. In einem Waldbezirk, wo eine grössere Anzahl von Zaunkönignestern vorhanden ist, kann man die Wahrneh- mung machen, dass, wenn ein Kuckucksweibchen seine Eier in deren Nester unterbringt, auch noch andere von ihm nicht benutzte Nester untersucht und die Oeffnung erweitert wird, wodurch auch diese verlassen werden. H. Ochs. 127 Ausserdem kommt es vor, dass es auch in die Schlupfnester, welche der Zaunkönig nur zum Ausruhen oder Uebernachten benutzt, seine Eier legt, wo dieselben nicht bebrütet werden. Aeusserlich sind diese Nester nicht zu unterscheiden; nur werden diese innen nicht mit Haaren oder Federn ausgelegt, wie die zur Brut benutzten. Wird nun ein Kuckuck vom Zaunkönig ausgebrütet, so wird ihm in der zweiten Woche seines Lebens das Nest zu klein, das sich dann derartig erweitert, dass der junge Kuckuck nicht mehr im, sondern auf dem Neste sitzt. Ich glaube nicht zu hoch zu greifen, wenn ich die Zahl der vom Kuckuck gelegten, aber nicht zur Aus- brütung gelangenden Eier auf 75 °/o schätze, beim Wald- laubvogel und Zaunkönig würde der Schaden noch ein grösserer sein, wenn er nicht durch das Rothkehlchen herabgemindert würde. | Wie sich der Kuckuck die Gewohnheiten der Fort- pflanzung seiner Pflegeeltern zu seinem eigenen Nutzen gemacht hat, kann man am besten sehen, beiden Kuckucken, welche den Waldlaubvogel als solche erwählt haben. Dieser Vogel brütet ungestört nur einmal Ende Mai oder Anfang Juni und fangen die Vögel ziemlich gleichmässig zu legen an. In dieser kurzen Legezeit bringt er seine Eier bei den Waldlaubsängern unter. Würde der Kuckuck mehr als 5 bis 6 Eier legen, wäre es bei dieser Vogelart nicht möglich sie unterzubringen. Findet man später noch derartige Nester mit einem Kuckucksei, so sind dies ver- lassene Eier. Da die Kuckuckseier der verschiedenen Weibchen in Grösse und Färbung von einander abweichen, ist es für den Kenner nicht schwer zu beurtheilen, wie weit sich das Gebiet des einzelnen erstreckt und wie lange es in dasselbe zurückkehrt; schwieriger ist dies beim Männchen. Doch auch hier giebt es solche, welche man an der Stimme erkennen kann. So kommt seit fünf Jahren ein Männchen im Habichtswald vor, welches bei ruhigem Tempo seinen Ruf dreisilbig erschallen lässt, nicht etwa wie dies ge- 128 Meine Beobachtungen über den Kuckuck. schieht bei einem Kuckuck, der im Liebestaumel ein Weibchen verfolgt. Sein Gebiet erstreckt sich auf den östlichen Theil des Brasselsbergs und einige kleine Feld- hölzer. Er hört schon Anfang Juni auf zu rufen; jeden- falls war die Legezeit seines Weibchens vorüber. Wo ein solcher Kuckuck keinen Rivalen hat, dehnt sich sein Gebiet weiter aus, wie dies z. B. im Baunethal der Fall ist, wo alljährlich nur ein Paar sich einfindet und ich einmal einen Kuckuck beim Baden in einem Tümpel überraschen konnte. Dr. Ebert. 129 Eine neue Schmetterlingsaberration. Von Ein seltenes Exemplar eines Scheckenfalters (Meliaeo) wurde im vorigen Jahre hier auf einer feuchten Waldwiese zwischen vielen normal entwickelten Faltern derselben Art gefangen. Die Zeichnung des Thieres ist so ab- weichend, dass es mir der Mühe werth erscheint, dasselbe kurz zu beschreiben. In Anbetracht dessen, dass in der ‚hiesigen Fauna bisher nur vier Formen von Melitaea be- schrieben sind, nämlich: Cinxia, Aurinia, Alhalia und Diec- iynna kann man nur zweifelhaft sein, welcher von den beiden letzteren Arten unser Falter angehören mag. Für Dictynna spricht der Umstand, dass die Grundfarbe auf den Vorder- und Hinterflügeln sehr dunkel ist. Es ist auf unserem Exemplar an den Vorderflügeln die Wurzel und der um das doppelte wie gewöhnlich verbreiterte Aussenrand sehr dunkel, letzterer auch auf den Hinter- llügeln ganz schwarz sowie der ganze Diskus. Die ge- wöhnlich im Wurzelfeld der Vorderflügel verlaufende nicht unterbrochene rothgelbe Fleckenbinde wird bei diesem Exemplar durch einen oberen grösseren Fleck und einen kleineren unter diesem ersetzt, während ein dritter nur schwach angedeutet der Wurzel sehr genähert ist. Bei gewöhnlichen Exemplaren verläuft an der Grenze von Mittel- und Saumfeld eine rostrothe durch Rippen und schwarze Färbung etwas unterbrochene Fleckenbinde, so- wie zwei ähnliche aus kleinen Flecken bestehende unter- 9 130 Eine neue Schmetterlingsaberration. brochene Binden im Saumfeld, während hier die Binden durch sehr regelmässige vom Ende des Wurzel- feldes fächerförmig nach dem Saum zu ver- laufende gelbröthliche Streifen ersetzt werden, welche saumwärts in hellgelb übergehen und durch regel- mässige in derselben Richtung entsprechend den Rippen verlaufende schwarze Streifen eingefasst werden. Scharf grenzen sich diese Streifungen gegen den dunkeln breiten Aussenrand ab, an welchem auch die schwarzweissen Franzen markant hervortreten. Eine schwache Andeutung von einer dunkelbraunen Binde befindet sich an der Grenze zwischen Mittel- und Saumfeld schwach durch- scheinend. An den fast eintönig schwarzen Hinterflügeln sieht man an den schwarzen Aussenrand anschliessend eine schwache Doppelreihe gelbröthlicher Fleckchen. Die auf der Hinterflügelunterseite als charakteristisch gegenüber Athala angegebene Punktreihe in den inneren Monden ist schwach angedeutet und im gelben Wurzel- feld befinden sich drei schwarze Punkte, von denen der äusserste weiss gekernt ist. Bei Durchsicht der mir zu Grebote stehenden Litteratur fand ich nirgends eine Diec- tynna aberr. beschrieben, nur in dem neuen Staudinger- Rebel’schen Katalog ist kurz ein von Herrich-Schäfer beschriebenes Exemplar erwähnt, bei welchem es zweifel- haft gelassen ist, ob aus selne zu Dietynna oder Athaha zu rechnen ist. Auf unserer Abbildung zeigt u ı den Falter von oben, Fig. 2 von unten. Melitaea dicetynna aberr. [22 M. Zeiske in Cassel. 131 Die Hochgebirgs-Varietäten der Sudeten-Flora, Von M. Zeiske in Cassel. ie Einleitung. Innerhalb der langgestreckten, reichgegliederten Kette der Sudeten ragen zwei (Grebirge bezw. Gebirgsgruppen über die obere Waldgrenze beträchtlich empor, nämlich im westlichen Theile der Kette das Riesenge- birge, welches in der Schneekoppe ı610 m Meereshöhe erreicht und im Osten das bis zu ı50ı m aufgipfelnde Hochgesenke nebst dem Glatzer Schnee- Sie Diir.oe. Das diese beiden Hochgebirgsregionen einschliessende und zugleich mit einander verbindende höhere Vor- Sein sierbildet einen einzigen, fast ganz ge- schlossenen Waldgürtel, der nur hier und da von Felsen und Geröllen, oder von Triften und Berghaiden, an einigen Stellen auch von Mooren unterbrochen wird, dagegen häufig von Wiesenstreifen, welche von Bächen oder Wasseradern durchzogen werden, durchsetzt ist. In diesem Waldgürtel überwiegt die Fichtenwaldung (Fichten allein, oder vermischt mit Laubbäumen) so entschieden, dass man die ganze Zone mit Recht den „Fichtengürtel“ nennt. Das höhere Vorgebirge ist im Vergleich zum niederen Vorgebirge und zur Ebene sehr artenarm; dabei sind die ihm angehörenden Arten ungemein gleichmässig über die 9* 132 Die Hochgebirgs-Varietäten der Sudeten-Flora. ganze, in der Länge 315 Kilometer messende Sudeten- kette vertheilt. Erst im südöstlichen Theile des Gebirges (dem östreichischen Herzogthum Schlesien) treten neue Typen in grösserer Menge auf. | Die geringe Zahl der Pflanzenformationen, der Massenwuchs der Fichte, die herrschende Artenarmuth und die gleichmässige Zusam- mensetzunng der Flora sind mithin die Kenn- zeichen der höheren Bergregsion Zadar Sudeten. Sobald man jedoch die obere Waldgrenze überschreitet,ändert sich dies alles ziemlich rasch: Die Anzahl der Pflanzenformationen verdreifacht sich, eine ungeahnte Fülle phanerogamischer und nament- lich kryptogamischer Arten tritt uns entgegen, und es zeigt sich eine tiefgehende Verschiedenheit in der Flora der Westsudeten und der Ostsudeten. Ich will hier aber weder die floristischen Eigenthüm- lichkeiten der Hochsudeten, noch ihre Pflanzenformationen behandeln, sondern nur die hervorstechendsten Unterschiede besprechen, welche im Gebiet der Sudeten hinsichtlich Grösse, Gestalt, Lebensweise u.'s.'w zwischen den Pflanzen des’Hochgebirgesteinerseits und den’mflanz zen der tieferen Regionen andrerseits be- Stehen. 2. Vortheile der Strauchform. Oberhalb der Waldgrenze bis zu durchschnittlich 1400 m Seehöhe umgeben hauptsächlich Gebüschformationen die Inseln der Hochgebirgsvegetation und vermitteln land- schaftlich den Uebergang von den geschlossen wachsen- den Hochstämmen des Fichtengürtels zu dem niedrigen und vereinzelten Strauchwerk der hochalpinen Region. Im Hochgebirge bringt die Strauchform den Holzgewächsen manche Vortheile De nn ee M. Zeiske in Cassel. 133 Stamm des Baumes hat sich gleichsam in eine Gruppe niedriger und dünner Stämmchen aufgelöst, die unter dem Drucke des Windes und der Schneemassen sich zwar biegen, aber nicht brechen. Einigen alpinen Sträuchern (z. B. dem Knieholze) ist die bemerkenswerthe Wachs- thumsweise eigen, dass die an sich schon elasti- schen Aeste und Zweige bogenförmig auf- Sueusend vom Bodensich erheben. Je stärker die auflastende Schneemasse drückt, desto tiefer senken sie sich herab, bis sie endlich platt auf den Boden zu liegen kommen, welcher ihnen nunmehr die ganze Last abnimmt. Anl den sudeten’ behält die Fichte am längsten die Baumgestalt bei; und gerade sie ist sehr gut namentlich gegen Schneedruck ausgerüstet: ihre jüngeren Zweige besitzen grosse Biegsamkeit und die spröden älteren Aeste vereiteln durch ihre Abschüssigkeit die An- sammlung übergrosser Schneemassen. Aber schon bei etwa 1100 m Meereshöhe zeigt die Fichte Neigung, ihre Aeste dichter zu inseriren und den unteren Umfang ihres Stammes auf Kosten seiner Länge zu vergrössern, wo- durch der Baum ein gestauchtes Aussehen erhält. Ueber ı200 m hört ihr Längenwachsthum ganz auf; aber ihr Zwergwald dominirt in der Lehnenregion und tritt auch auf den Kämmen, wo der Boden nicht zu nass ist, mit dem Knieholze (Pinus montana Mill. v. Pumilio Haenke) in erfolgreichen Wettbewerb. Auch der Ahlkirschenbaum (Prunus Padus L.), die Eberesche (Pirus aucuparia Gaerin.) und die Moorbirke (Betula pubescens Ehrh.) steigen in Strauchform, besondere Hochgebirgsvarietäten bildend, bis in die alpine Region empor; aber nur die Alpeneberesche (Pirus aucuparia v. alpestris Wimm.) und die Karpathenbirke (Belula pubes- cens v. carpathica Wild.) treten bestandbildend auf. Ihnen gesellt sich die schlesische Weide (Salıx stlesiaca Willd.) zu. Als bedeutendster Bestandbildner tritt in den Sudeten das Knieholz auf. Seine Bestände überziehen, meist grosse rundliche Vegetationsmassen und oft undurchdringliche 134 Die Hochgebirgs-Varietäten der Sudeten-Flora. Dickichte bildend, im Riesengebirge ganze Kämme und Rücken, besonders die nassen und moorigen. In den Ostsudeten fehlt das Knieholz, wird aber dort durch den Zwergwacholder (Juniperus communis L. v. nana Willd.) gewissermassen ersetzt, jedoch nur an wenigen Stellen und auf kleinen Flächen. Im Riesengebirge fehlt dieser kleine Strauch fast ganz, erscheint aber im benach- barten Isergebirge auf einem nur 750— 800 m hoch gelegenen Moore zugleich mit dem Knieholze in ziemlicher Menge. Der reichlicheSchneedes Hoch sebirere istden Sträuchern ehernützlich, als schädlich; denn in unseren Breiten bildet eine starke Schneedecke das wirksamste Schutzmittel gegen hohe Kältegrade. Weahr- scheinlich aus diesem Grunde hat die in den Sudeten hoch- alpine Salix Lapponum L., welche sonst !/z bis ıt/z m hoch wird, auf einem Moore des Riesengebirges (Moore sind ein besonders kaltes Substrat) eine nur 30 cm erreichende Zwergform, nämlich die bis jetzt endemische Varietät Daphneola Tausch, ausgebildet. Die hocharktische Salıx herbacea L. behält zwar ihren Stamm bei, verbirgt ihn aber unter der Erde. Dadurch entgeht der Stamm den Schädigungen durch Sturm, Schneedruck und Frost, macht sich aber auch den Um- stand zunutze, dassin alpinen Höhen derErdboden viellwäarmer als die Burftäst. Trotz der günstigen Ausrüstung der Holzgewächse nehmen sie mit steigender Seehöhe an Stattlichkeit und Menge immer mehr ab, und selbst das Knieholz tritt über ı400 m nicht mehr in Beständen auf. Am höchsten — bis auf den Kegel der Schneekoppe — steigt Calluna, aber welcher Unterschied zwischen ihren niedergewalzten Polstern hier und dem kräftigen Strauchwerk der Niederung! 3 Vorherrschen der ausdauernden Gewächse. Zu den Kennzeichen der Hochgebirgsvegetation ge- hört das ausserordentliche Vorwiegen der M. Zeiske in Cassel. 135 perennirenden Gewächse über die nicht aus- dauernden. Bei ersteren sind zu Beginn der Vege- tationszeit die unterirdischen Organe bereits vorhanden. Die letzteren dagegen müssen einen nicht geringen Theil ihrer kurzen Wachsthumsfrist auf die Ausbildung der Wurzelorgane verwenden, weshalb ihre Samen im Hoch- gebirge nur selten zur Reife gelangen. Auf den Hochsudeten wachsen nur 8 nicht aus- dauernde Arten: Archangelica officinals H., Carlına vulgaris L., Myosotıs silvatica H., Melampyrum pratense L., M. silvalieum L., Alectorolophus alpınus Gcke., Euphrasıa pratensis Fr. und E. coerulea Tausch. Besonders charakteristisch verhält sich die ein- hrige Poalannua L, deren alpine Varietät (supina Schrad.) vollkommen ausdauernd gewor- den ist. In geringerem Grade ist dies auch die (rebirgs- form des Stiefmütterchens (wola trieolor L. v. saxalvlıs Schmidt), welche meist perennirt. 4. Vegetative Vermehrung. Mit der Unmöglichkeit, im Hochgebirge alljährlich zur Fruchtreife zu gelangen, hängt die Fähigkeit mancher Eilanzer zusammen, an die Stelle der geschlecht- lichen Fortpflanzung im Nothfalle die vege- tative zu setzen. Nur.auf diese Weise vermag die Fichte, welche im höheren Gebirge der Fruchtentwicklung gänzlich entbehrt, sich zu verjüngen. Wo im Hochge- birge ihr Längenwachsthum aufhört, dauert doch das Wachsen der Seitenäste fort. Die untersten, dem Boden aufliegenden Aeste schlagen Wurzel, wachsen empor und umgeben endlich als junge Stämmchen den alten Stamm. Die Aehrchen von Fesiuca ovina L. wachsen, falls die Samen nicht reif werden, zu Laubsprossen aus (v. vive- para L.). Selbst das Knieholz bedient sich oft wurzelnder Aeste zur Weiterverbreitung. 136 Die Hochgebirgs-Varietäten der Sudeten-Flora. 5. Färbung durch Anthokyan. Mehrere Arten, besonders Gräser und Seggen, sind in der alpinen Region reichlich mit Anthokyan versehen, jenem Farbstoffe, welcher wahrscheinlich ab- sorbirtes Licht in Wärme umzusetzen wer mag (Kerner, „Pflanzenleben“ Band I, S. 485). Die Perigone von Luzula angustifoha Gcke., die in der Ebene weisslich sind, nehmen im höheren Vorgebirge häufig, im Hochgebirge stets dunkelkupferne bis schwarz- braune Färbung an (v. rubella Hoppe und v. fuliginosa Aschs.); ebenso verhält sich Zuxzula mulliflora Lej. (v. fus- conigra Celak.). | Hierher gehört auch das dunkelscheckige Aus- sehen der Aehrchen so vieler Hochgebirgsgräser und mancher Thalgräser im Hochgebirge (z. B. Ara flexuosa L., A. caespitosa L. v. varia Wimm., Poa annua L. v. supina Schrad. und P. nemoralis L. v. glauca W. Gr. 6. Zwerg- und Kümmerformen. Die im Hochgebirge herrschenden Verhältnisse rufen bei einer Anzahl von Stauden Veränderungen hervor, welche den unter Nr. 2 bei den Holzgewächsen geschil- derten ähnlich sind. Die erste Gruppe dieser Veränderungen bezieht sich auf die Kleinheit des Wuchses: entweder bleiben die Stengelglieder verkümmert, wobei oft die Blätter rosetten- förmig zusammenrücken, oder der Stengel löst sich in ein System gleichwerthiger Verzweigungen auf, welche sich gleichzeitig belauben (es tritt Rasenbildung ein). Durch niedrigeren Wuchs unterscheiden sich folgende Pflanzen des Hochgebirges von ihren Artange- hörigen in tieferen Regionen: Ranunculus acer L. (v. al- pestris W. Gr.), Drosera anglica Huds. (v. alpestris Fiek), Vieia Oracca L. (v. alpesiris Cel.), Epilobium montanum L., Pimpinella Saxifraga L. (v. alpestris Spreng.), Galium sıl- M. Zeiske in Cassel. 137 vestre Poll. (v. sudeticum Tausch), Solidago virga aurea L. (v. alpestrıs W. K.), Hieracium caesium Fr. (v. alpestre Lindeb.), H. laevigatum Willd. (v. alpestre F. Sch.), Campanula rotun- difolia (v. Scheuchzeri Vül.), Myosolis silvatıca AH. (v. alpestris Schmidt), Avira caespitosa L., Molinia coerulea Mnch., Festuca ovina L. (v. alpina W. Gr.) und Equisetum palustre L. (v. nanum M.) Der andren Gruppe von Veränderungen ist die Reduktion der Zahl gewisser Organe, beson- ders der Stengel und Blüthen eigen. Durch Wenigblüthigkeit zeichnen sich aus: Ranun- culus acer L. (v. alpestris W. Gr.), Helianihemum Öhamae- eistus Mill. (v. grandiflorum D. C.), Dianthus superbus L. (grandiflorum Tausch), Galium sülvestre Poll. (v. sudeti- cum Tausch), Carlina vulgaris L. (v. longifolia Grab.), Hieracium Auricula L. (v. monocephalum Celak.), H. muro- rum Fr. (v. alpestre Griseb.), H. caesium Fr. (v. alpestre Lindeb.), H. vulgatum Fr. (v. alpestre Uecht.) und H. laewi- gatum Willd. (v. alpestre F. Sch.). Kearmerfrer Antenne mit’ mehreren ’Stengeln BEmsenjesıim Hochgebirgenur zu einem, so Epilobium palustre L. (v. lineare Kr.), Oampanula rotundi- folia L. (v. Scheuchzere Vül.) und Euphrasia pratensis Fr. (v. picta Wimm.). Equisetum palustre L. wird im Hochgebirge völlig astlos angetroffen. — Uebrigens bilden auch Flechten und Moose in der alpinen Region niedrige, zwerghafte oder sonstwie ver- kümmerte Formen, z. B. Hylocomium triquetrum v. alpıinum, bryum pendulum v. compaclum. 7 Muthmassliche Ursachen des Zwergwuchses. Grewöhnlich schreibt man die geringe Höhe und die kümmerliche Ausbildung der vorstehend aufgeführten Varietäten und vieler andrer Hochgebirgspflanzen aus- schliesslich auf Rechnung des Klimas. Wir 138 Die Hochgebirgs-Varietäten der Sudeten-Flora. können uns aber leicht davon überzeugen, dass die grosse Mehrzahl dieser Gewächse auf einem Boden gefunden wird, der entweder‘ humusarm, odersselr trocken, oder überhaupt spärlich ist (Felsen, wasserlose Kämme, sterile Rücken). Aehnliche Standorte erzeugen auch in der. Tieiebene Zwerer ng Kümmerformen. Ich erinnere nur an folgende Varie- täten: Caltha palusiris v. radicans Forster, Viola canına v. flavicornis Sm., Arenaria serpyllifolia v. leptoclados Guss., Didens cernuus v. minimus L., B. tripartitus v. pumilus Rth., Gnaphalvium uliginosum v. piulare Whlnbg., Armeria vulgaris v. breviscapa Uecht., Plantago lanceolata v. dubia Lilj., Carex riparia v. humilis Uecht., Alopecurus geniculalus v. microstachyus Uecht., Arundo Phragmites v. nana G. F. W. Meyer, Koeleria cristala v. humilis Uecht., Flieracium Plosella v. niveum J. Müller Aargov., welche auf Torf, Flug- sand, Geröllen, ausgetrocknetem Schlamm und derartigen nahrungsarmen und feuchtigkeitsarmen Substraten ihre stattlichere Stammart vertreten. Umgekehrt finden wir, dass grade im Hoch- gebirge, wo die Niederschläge reichlicher sind und die Luftfeuchtigkeit grösser ist, als tiefer unten, hoch- wüchsige und vollkräftige Stauden auf hu- musreichem Boden besonders zahlreich’sind. Als Beispiele solcher Hochstauden der alpinen Region nenne ich: Aanunculus aconitifolius, Delphinium elatum, Aconitum Lycoctonum, Epdobium angustifolium, E. irigonum, Convoselinum lalaricum, Archangelica officinalis, Anthriscus nitida, Pleurospermum ausiriacum, Adenostyles Alliariae, Solidago virga aurea, Doronicum auslriacum, Senecio nemo- rensis, (Cirsium heterophyllum, Carduus Personata, Ürepis sibirica, Genliana asclepiadea, Stachys alpina, Lilium Marta- gon, Rumex arifolius, Veratrum Lobelianum, Calamagrostis Halleriana, Poa Chaixi, Aspidium Filix mas, Alhyrium alpestre. Je grösser eime Pflanze ist, destormeike, Raum brauchtihr Wurzelsystem, desto mehr Nahrung verzehrt sie; deshalb vermag nur ein tief- M. Zeiske in Cassel. 139 gründiger, humusreicher und gutbewässerter Boden an Höhe und Umfang so stattliche Grewächse zu beherbergen, aufzubauen und zu erhalten. Aus diesen Gründen habe ich schon früher („Bota- nisches Centralblatt“, Beihefte Bd. XI Heft 6 von 1902) darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der geringen Höhe und der zwerghaften oder verkümmerten (Grestalt vieler alpinen Pflanzen die Platz- und Magenfrage allein oder neben dem ungünstigen Klima ent- Sceherdet. 8. Vergrösserung der Blüthenköpfe. Manche Pflanzen der Niederung werden im Hoch- Sebunse orossblüthiger. Dies ist der Fall bei Ranunculus acer L. (v. alpestrıs W. Gr.), Arabis hirsuta Scop. (v. sudelica Tausch), Helianihemum Chamaecistus Mil. (v. grandıflorum D. C.), Drosera anglica Huds. (v. alpestris Fiek), Dianthus superbus L. (v. grandıflorus Tsh.), Vrola Iri- color L. (v. saxalılis Schmidt), Galium silvestre Poll. (v. su- deticum Tsch.), Solidago virga aurea L. (v. alpestris W. K.), Leontodon hispidus L. (v. opimus Koch), Campanula rotundi- foha L. (v. Scheuchzeri Viül.), Thymus Chamaedrys Fr. (v. alpestris T'sch.), Myosotis silvatica Hoffm. (v. alpestris Schmidt), Euphrasia pratensis Fr. (v. piela Wimm.) und Daphne Me- zerum L. Ob nun diese Vergrösserung der Blüthen bezw. der Blumenblätter in der That absolut ist, oder — wie be- hauptet wird — nur relativ, kann hier dahingestellt bleiben; denn in beiden Fällen ist das Grössenverhältniss zwischen der Blüthe und dem übrigen Pflanzenkörper im Hochge- gebirge verschieden von dem in den tieferen Regionen. 9 Augenfälligere Färbung der Blüthen. Einige Arten tieferer Regionen erzielen im Hochge- birge eine vermehrte Augenfälligkeit ihrer Blüthen da- durch, dass ihre Farben leuchtender werden, 140 Die Hochgebirgs-Varietäten der Sudeten-Flora. oder dassan die Stelle matter Farbeninten- sivere treten, oder dass einfarbige Blürben sich imibunte verwandeln! Diese Färbungsgegensätze ergeben sich am deut- lichsten aus folgender Tabelle: Niederungspflanze. Dianthus superbus L. röth- lichlila Viera Oracca L. blauviolett Pimpinella magna L. weiss Achillea Millefolium L. weiss Seneeio erispatus D.C. dotter- gelb (repis succisaefolia Tausch. dottergelb Campanula rotundifola L. trüb-himmelblanı Melampyrum silvatıcum L. goldgelb Thymus Chamaedrys Fr. hell- purpurn Trientalis europaea L. weiss Allium Schönoprasum L. lila- rosenroth Hochgebirssiorm v. grandiflorus Tsch. dunkler v. alpesiris Cel. dunkelviolett v. rubra Hoppe. rosa v. alpesiris W.Gr.intensivrosa v. crocea Tratt. orangeroth v. mollis Jacg. orange v. Scheuchzeri Veül. dunkel- blau v. saxosum Baumg. weisslich, Oberlippe aussen rothge- fleckt, Unterlippe rothge- strichelt v. nummularıu M. B. ge- sättigt purpurn rosa v. sibirieum Wild. dunkler, fast purpurn 10. Blumenfarben. Im Blumenteppich der alpinen Region der Alpen überwiegen die rothen und blauen Farben (vgl. Tschudi: „Das Tierleben der Alpenwelt“ ı890 S. 270), Auf den Sudeten ist dies nach meinen Zählungen nicht so: hier erscheint gelb unter den Blumenfarben am häufigsten; roth und weiss halten sich beinahe das Gleichgewicht; am seltensten tritt blauauf. Arten mit M. Zeiske in Cassel. 141 wierssen oder gelben Blumen giebt es fast deppelt so viele, als solche mit rothen oder blauen. Dieses von dem der Alpen abweichende Verhältniss hängt einestheils mit der überreichen Entwicklung der gelbblühenden Gattung Fheracium zusammen, deren 42 schlesische Arten fast ohne Ausnahme im Hochgebirge vorkommen, meistens auf dasselbe beschränkt sind. Andern- theils bezieht sich der obige Satz Tschudis augenscheinlich auf eine Höhenregion der Alpen, deren Verhältnisse nicht in der ganzen alpinen Region, sondern nur auf den höchsten Gipfeln und Kämmen der Sudeten wiederkehren. — Uebrigens herrschen auch im hohen Norden die blauen und rothen Blumenfarben den weissen, gelben und grünen gegenüber vor (vergl. Ekstam: „Blüthenbiologische Be- obachtungen auf Nowaja Semlja“). 11. Wohlriechende Blumen. Einige Arten der sudetischen Ebene mit re hlosen Blüthen duften im Hochgebirge. So kommt die einzige wohlriechende Varietät von unserem Stiefmütterchen (v. saxatılis Schmidt) nur im Gebirge vor. Von den 8 schlesischen Arten der Gattung Myosotis steigt nur die wohlriechende M. palustris bis über die Baum- grenze empor, und die geruchlose M. silvatica wird in der alpinen Region durch eine wohlriechende Varietät (alpestris Schmidt) vertreten. Bei der Frage nach der Entstehung der unter 8, 9 und ıı aufgeführten Varietäten des Hochgebirges liegt es nahe, an die Beziehungen zwischen Blumen und Insekten zu denken; denn Wohlgerüche und Augen- fälligkeit der Schauapparate sind Mittel, die auch sonst überall angewendet werden, um Insekten, welche die Kreuz- befruchtung vermitteln, anzulocken. Ein Theil der hierhergehörigen Varietäten und Arten der alpinen Region ist daher sicher von Insekten gezüchtet 142 Die Hochgebirgs-Varietäten der Sudeten-Flora. worden. Andrerseits ergiebt sich aus der Arbeit Schü- belers „Die Wirkungen des ununterbrochenen Sonnenlichts auf die Pflanzen der Polarländer“, dass namentlich beiderintensiven Färbung der Blumenblät- ter auch klimatische Ursachen eine Rolle spielen. 12. Verschiebung der Blüthenperiode. Viele Pflanzen der Niederung, welche auch das Hoch- gebirge bewohnen, blühen dort viel später, als in der Ebene. Dies ist durchaus nicht selbstverständlich; denn die meisten Arten blühen zu einer ganz bestimmten Zeit und lassen sich hierin, geringfügige Schwankungen abgerechnet, durch ungewöhnlichen Witterungsverlauf im Allgemeinen nicht beeinflussen. Für die Pflanzen des Hochgebirges kommt ausserdem in Betracht, dass dort der Winter sehr früh ein- tritt. Pflanzenarten, welche einer langen Zeit zur Samen- reife bedürfen, sind daher von der alpinen Region über- haupt ausgeschlossen, oder müssen dort im Stande sein, jenen Zeitraum erheblich abzukaürzem Beobachtungen nach dieser Richtung hin würden zweifellos ergeben, dass auch auf den Sudeten Arten vorhanden sind, welche ihre Samen in der alpinen Region schneller zur Reife bringen, als in der Tiefebene. Solche Pflanzen sind ebenso als biologische Varietäten aufzufassen, wie die bisher aufgeführten Varietäten als morphologische. Von den Arten, welche im Hochgebirge der Sudeten erheblich später als in den tieferen Regionen blühen, sind zu nennen: Ranuneulus nemorosus D. ©, Rubus Idaeus L., Anthris- cus nilida Gcke., Linnaea borealis L., Crepes paludosa Mneh., Hieracium vulgatum Fr., Phyteuma orbiculare L., Vaccinium M. Zeiske in Cassel. 143 Myrtillus L., V. uliginosum L., Oxycoccus palustris Pers., Andromeda Polüfolia L., Pinguvcula vulgaris L., Polygonum Bistorta L., Carex Goodenoughü Gay, Carex limosa L. 13: Die Blüthezeiten im Hochgebirge. Das Wachsthum der Pflanzen ist in der alpinen Re- gion nur auf einige Monate beschränkt. Blühende Ge- wächse findet man im allgemeinen nur von Anfang Mai bis Ende September. Dabei entsprechen Mai und kun dem Frühlingsder Niederung, Juli und August dem Sommer. Der erste Blüthenflor zeigt sich an den Stellen, welche am zeitigsten schneefrei geworden sind und ge- nügende Feuchtigkeit besitzen. Auf Felsen und Ge- röllen erscheinen die weissen Blüthen von Pulsatilla al- pina, und die purpurnen von Primula minima sowie von Sasxıfraga oppositifolia. Anthoxanthum odoratum und Nar- dus stricta entwickeln ihre Aehrchen. Unter dem Schutze des Knieholzes treiben Oxals Acetosella und Trientalis europaea ihre Blüthen. Auf den Mooren blühen Viola palustris, Empetrum nigrum, Betula pubescens, Eriophorum alpınum und E. vaginatum, ferner Carex pauci- flora, pulicarıs, echinala, limosa und canescens — auf den grasigen Lehnen Hieracium Pilosella, H. Auricula, T'he- sum alpinum — auf fruchtbaren Wiesen Arabis Haller, Cardamine pratensis, Orchis latifolia und Banuneulus acer — an Bächen, Rinnsalen und quelligen Stellen Chrysosplenium alternifoium, Valeriona tripteris und massenhaft Pelasites albus — auf den buschigen Lehnen Meandryum rubrum und Luzula angustifolia. Von Sträuchern blühen Zonicera nigra, Daphne Mexereum, Salix bicolor und 8. Lapponum. Die Arten, welche im September, dem Herbst des Hochgebirges, blühen, lassen sich in 3 Gruppen eintheilen. 144 Die Hochgebirgs-Varietäten der Sudeten-Flora. Sommerpflanzen, welche bis in den Herbst hinein blühen sind z. B. Laserpitium Archangelica, Gnaphalium supinum, Taraxacum nigricans, zahlreiche Arten von Hbe- racium. Nur im Herbst blühen Convoselinum tataricum, Sca- biosa lucida, Ürepis sibirica, wiederum zahlreiche Arten der Gattung Hhieracium, Gentiana asclepiadea, Lycopodium alpınum und Allosorus cerispus. Zu einer zweiten Blüthenperiode (im Sep- tember bis in den Oktober) gelangen unter günstigen Um- ständen folgende Hochgebirgsarten: Pulsatilla alpina, Viola lutea, Fotentilla aurea, Saxifraga opposiifola und Primula minima. 14. Varietäten und Arten. Die vorstehenden Aufzählungen der sudetischen Hoch- gebirgsvarietäten stützen sich hauptsächlich auf die An- gaben in der „Flora von Schlesien“ von Fiek (Breslau 1881). Von den ı513 Arten, welche in diesem ausgezeich- neten Florenwerke beschrieben sind, entfallen 252 auf die Hochgebirgsregion, indem 140 (= 56°lo) auf das Hochge- birge bezw. auf dieses und das höhere Vorgebirge be- schränkt sind, während die übrigen ıı2 aus den tieferen Regionen bis in die alpine Region emporsteigen. Unter den letzteren befinden sich 43, die im Hoch- gebirge besondere Varietäten ausgebildet haben. Diese hohe Ziffer zeigt im Verein mit der grossen Procentzahl der Hochgebirgsarten (s. oben, dass die Hochge- birgesflora der ‚Sudeten:. viel reicher und ausgeprägterist, als man wegen der verhält- nissmässig geringen Höhe des Gebirges vermuthen sollte; denn alpine Varietäten charak- terisiren die Hochgebirgsform ebenso gut, wie alpine Den) Und nicht wenige dieser Hochgebirgsvarietäten unter- scheiden sich so stark von den Stammarten der Niederung, M. Zeiske in Cassel. 145 dass se durchaus selbstständige Pflanzenge- stalten bilden. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn sich die für die Hochgebirgsregionen typischen Unterscheidungsmerkmale (niedriger Wuchs, Reduktion der Zahl gewisser Organe, Grossblüthigkeit, leuchtendere Blumenfarben, stärkere Gerüche, kürzere Reifezeit u. s. w.) bei einundderselben Pflanze häufen. Hierher gehören: Hekanthemum Chamaecisius v. grandiflorum, Viola tricolor v. saxatılis, Drosera anglica v. alpesiris, Vicia Oracca v. alpestris, Solidago virga aurea v. alpestris, Hieracium lae- vigatum v. alpestre, Euphrasia pratensis v. picta, Thymus Chamaedrys v. nummularius, besonders aber: Ranunculus acer v. alpestris, Dianihus superbus v. grandiflorus, Galium silvestre v. sudelicum, Campanula rotundıfolia v. Scheuchxert, Muyosotis sylvatica v. alpestris. Wir kennen zwar nicht in jedem einzelnen Falle die Reize, durch welche die geschilderten Veränderungen in der Gestalt oder in der Lebensweise so vieler, die alpine Region betretenden Pflanzenarten hervorgerufen werden. Wir haben aber gesehen, dass das Material zu den Banmsitetäten von den Niederungsarten, die Bas im die alpine Region emporsteigen, ge- liefert wird. Eine Ausnahme hiervon bilden nur fol- gende, zu Hochgebirgsarten gehörige Varietäten: Puisatilla alpinum v. sulfurea (mit gelben, statt weissen Kelch- blättern), Delphinium elatum v. alpina (niedriger als die Stammart), Sagina Linnaei v. macrocarpa (grossblüthiger) und Salıx Lapponum v. Daphneola (niedriger). Wir wissen ferner, dass die Einflüsse, welche Klima, Boden, andere Grewächse und die Thierwelt ausüben, die Beerkzeuge sind, mittels deren jene Umbil- dungen hervorgebracht werden. Nun weisen diejenigen Pflanzen der Hochsudeten, die von den Syste- matikern als fertige „Arten“ betrachtet werden, im Wesentlichen die nämlichen Merkmale, einzeln oder ge- häuft, auf, wie die oben beschriebenen Varietäten, haben STeemitchin aufgleiche oder ähnliche Weise 10 146 Die Hochgebirgs-Varietäten der Sudeten-Flora. aus früheren Varietäten entwickelt. Ist dies richtig, dann haben wir in den heutigen Varietäten künf- tige Arten zu erblicken. | So liegt auch auf den niedrigen Kainıen und Gipfeln der Sudeten eine grosse Werk- statt, in welcher eifrig neue Hochgebirgs- arten geschaffen werden. IR Bericht über den Stand und Gang des Vereinslebens im 66. Vereinsjahre, Zvpr 2190L DRS pr1l 1902. Den hohen Behörden, welche uns auch im verflossenen Jahre eine wertvolle materielle Unterstützung zukommen liessen, dem Bezirksausschuss und der Stadt Cassel sprechen wir an erster Stelle unseren verbindlichsten Dank aus in der Hoffnung, dass dieses Wohlwollen besonders mit Rück- sicht auf die erheblichen Mehrausgaben, welche uns in Folge der durch die Königliche Regierung veranlassten Uebernahme der Herausgabe eines Forstbotanischen Merk- buchs für die Provinz in den nächsten Jahren erwachsen werden, auch in Zukunft in weiterem Masse zu Teil werden möge. Die Hauptversammlung des Vereins fand am 27. April 1901 unter dem Vorsitz des bisherigen Vorsitzenden, Dr. med. L. Weber im Centralhötel statt. Der Vorsitzende gab den Jahresbericht, es erfolgte die Rechnungsablage durch den Kassenführer und hierauf die Neuwahl des Vor- standes, soweit dieselbe statutengemäss statt zu finden hatte. Der Vorstand besteht wie im Vorjahre aus den Herren: Dr. med. L. Weber, Vorsitzender; Professor Hebel, Ge- schäftsführer;, Oberlehrer Kunze, erster Bibliothekar; Postpracticant Kleinsteuber, zweiter Bibliothekar; Juwelier W. Scheel, Kassenführer. Weitere Vorstands- mitglieder: Freiherr von Berlepsch (Stellvertreter des Vorsitzenden) und Oberlehrer Dr. Fennel. 105 II Jahresbericht. Zum Rechnungsprüfer wurde Herr Kochendörffer gewählt. Derselbe erstattete am 13. Mai 1901 Bericht über die Kasse ab. Dem Kassenführer wurde Entlastung erteilt. Wir können mit Befriedigung auf die Tätigkeit des Vereins im verflossenen Jahre zurückblicken. Der Besuch der Sitzungen, welche statutengemäss am 2. Montag jeden Monats, mit Ausnahme von Juli, stattfanden, war ein recht reger. Wir hatten die Ehre eine stattliche Anzahl von (sästen begrüssen zu dürfen und wir geben uns der Hoff- nung hin, dass diese auch durch zahlreichen Beitritt ihre Zustimmung zu den Bestrebungen des Vereins zu erkennen geben werden. In 7 Sitzungen fanden grössere Vorträge statt, die anderen wurden durch kürzere Demonstrationen, kleinere Mitteilungen und Besprechungen ausgefüllt. Im Laufe des Sommers wurden mit dem Verein für natur- wissenschaftliche Unterhaltung gemeinsame Ausflüge ver- anstaltet. Die Leitung dieser Ausflüge lag von Seiten des Vereins für Naturkunde in den Händen des Herrn Oberlehrer Kunze. Bei einem dieser Ausflüge wurde das von Herrn Dr. Milani neu eingerichtete städtische Museum unter Führung des genannten Herrn, sowie die Sammlungen der Kgl. Forstacademie zu Münden einer Besichtigung unterzogen. Von dem hochbetagten Stifter und Ehrenmitgliede des Vereins Herrn Professor Philippi-Santiago, welcher: dem Vereine allezeit ein treues Andenken bewahrt, ging durch gütige Vermittelung von Herrn Consul Ochsenius in Marburg ein umfangreiches Manuscript ein, betitelt: Südcalabrien und Sicilien in dem Jahrzehnt von 1830—1839. Wir bringen diese Abhandlung, welche ein interessantes Stück aus dem Leben des hochverdienten Gelehrten be- handelt, mit einigen durch Raummangel bedingten Kürzungen an der Spitze des Jahresberichts zum Abdruck. Ferner erhielten wir von demselben ein wohlgelungenes Bronzemedaillon, welches in dem Sitzungszimmer seinen Platz erhielt, sowie einige wertvolle Werke desselben Au- tors zum (Greschenk. Für alle diese Beweise der An- Jahresbericht. III hänglichkeit sprechen wir dem Geber unseren herzlichsten Dank aus unter den besten Wünschen für sein ferneres Wohlergehen. Die Arbeiten der Commission zur Herausgabe eines forstbotanischen Merkbuches, welche sich im Herbst 1900 gebildet hatte, nahmen unter dem Vorsitz von Herrn Pro- fessor Dr. Hornstein ihren Fortgang. Die Zusammen- setzung der Commission war dieselbe, wie im Vorjahre (s. Jahresbericht XILV]I), neu trat an Stelle des Herrn J. Weber Herr Dr. Stamm-Hersfeld in dieselbe ein. Es fanden im Ganzen 4 Sitzungen statt. Zur Ergänzung des ursprünglichen Fragebogens, welcher zum Beantworten, an sämmtliche Oberförstereien des Regierungsbezirks ver- sandt war, wurde von Herrn Reg.- und Forstrat Fitzau, ein neuer, einige Fragen präcisirenderer aufgestellt. Am 9.11. 1901 fand das Stiftungsfest des Vereins für naturwissenschaftliche Unterhaltung statt und nahmen auf diesbezügliche Einladung hin mehrere Herrn des Vereins für Naturkunde teil, ebenso an der Generalversammlung des Casseler Fischereivereins am 19.2. 1902. In dem Personalbestande des Vereins traten einige Veränderungen ein. Besonders hatten wir in diesem Jahre wieder einige herbe Verluste durch den Tod von Mit- gliedern zu beklagen. Es verstarb unser Ehrenmitglied Eiesn Geh. "Ober-Justizrath Dr. jur. h. c. Carl Bartels am 13. November 1901, sowie das langjährige Mitglied des Vereins Herr Professor August Lenz, Custos des Kgl. Naturalienmuseums am 2./4. 1902, ferner die correspondierenden Mitglieder Professor Dr. Adolf Fick in Würzburg am 21.8. 1901 (zu Blangenberghe) und Realitätenbesitzer Salter in Wien am 3./1. 1902. Ihren Austritt aus dem Verein erklärten die Herren Junghans, Fabarius, von Löwenstein, Schlegel und Schmidt. Die Herren Kleinsteuber und Reich- hardt traten durch Fortzug von Cassel in die Reihe der correspondierenden Mitglieder über. IV Jahresbericht. Als wirkliche Mitglieder traten die Herren Berg- ingenieur Rosenthal (13. 5. 01 Wiedereintritt), sowie Apotheker Fischer, Justizrat Fries, Apotheker Weiss (13. 5. O1), Postsecretär Schotte, Postsekretär Briede, Obertelegraphenassistent Müller, Gymnasialoberlehrer Dr. Henkel (10. 6. 01), Dr. med. M. Alsberg (10. 2 01) und Major z. D. Henrici (16. 3. 02) dem Verein bei. Nekrologe. Carl Bartels war am 10. Febr. 1823 zu Minden in Westfalen als Sohn des damaligen Regierungs- und späteren Oberregierungsrats Bartels geboren, besuchte das Gymnasium zu Aachen und studierte später in Bonn, Heidelberg und Berlin Jura. 1847 trat derselbe nach be- standenem Examen in den Staatsdienst ein und wurde 1852 Grerichtsassessor und zugleich Staatsanwaltschaftsgehilfe in Berlin. Nach seiner Ernennung zum Staatsanwalt war derselbe zuerst bei dem Landgericht in Luckau, dann in Landsberg a.!Warthe und später in Frankfurt a./O. tätig, bis im September 1872 seine Ernennung zum Oberstaats- anwalt in Marienwerder erfolgte Von dort wurde der Verstorbene am 1. Dec. 1873 nach Cassel als Oberstaats- anwalt berufen, in welcher Stellung derselbe bis kurz vor seinem Tode gewirkt hat. Im September 1897 feierte der- selbe sein 50jähriges Dienstjubiläum und gleichzeitig das 25jährige Jubiläum als Oberstaatsanwalt, bei welcher Ge- legenheit derselbe von der juristischen Fakultät zu Marburg zum Doctor juris honoris causa promovirt wurde. Bartels war Inhaber hoher Orden und widmete ausser seiner amt- lichen Tätigkeit grosses Interesse der Fürsorge für ent- lassene Strafgefangene. Dem Vereine für Naturkunde ge- hörte derselbe als Mitglied seit dem Jahre 1876 an. Von 1888—1894 war er Vorsitzender des Vereins und hat als solcher durch Vorträge und umsichtige Leitung die Inte- ressen desselben in hohem Masse gefördert. Gelegentlich seines 50jährigen Dienstjubiläums wurde er zum Ehren- Jahresbericht. V vorsitzenden erwählt. Bartels war eifriger Coleopterolog und stand als solcher mit fast allen bekannten Fachleuten in Correspondenz und umfangreichem Tauschverkehr. Seine bedeutende, besonders in Carabiden und Ceramby- ciden hervorragende Sammlung ist durch hochherzige Stiftung der Hinterbliebenen in den Besitz des Kgl. Natu- ralienmuseums hier übergegangen. Auf seinen zahlreichen Reisen hat er stets selbst eifrig gesammelt, wovon seine schönen Ausbeuten aus Tirol, Italien u. s. w. Zeugniss geben. In der Festschrift der Stadt Cassel gelegentlich der 51. Naturforscherversammlung 1878 veröffentlichte der- selbe auch einen Aufsatz über die Coleopterenfauna der Umgegend Cassels. Sein Hauptinteresse wandte überhaupt Bartels der Systematik und Tiergeographie zu, während vergleichende Morphologie und Biologie ihm ferner lagen. August Lenz*) war am 15. April 1828 zu Eisenach geboren und widmete sich dem Lehrerberufe. 1848 kam er an das Privat-Progymnasium des Direktors Bohne nach Cassel, an welcher Schule er schliesslich als Hauptlehrer bis 1858 unterrichtete. Später übernahm er ein Lehramt an der Köster-Engelschen Töchterschule. In dieser Zeit unterrichtete er dann die Kinder Sr. Kgl. Hoheit des Kurfürsten von Hessen. Am 15. Jan. 1859 erhielt er die Stelle als Museumsinspector am Museum zu Cassel zu- nächst provisorisch, später am 27. Febr. 1860 definitiv. Der damalige Dienst erstreckte sich auf die Verwaltung der Sculpturen, kunstgewerblichen Gregenstände, Naturalien und physikalisch-mathematischen Instrumente. Nach Ein- verleibung des Kurfürstentum Hessen in Preussen trat Lenz in preussische Dienste und erhielt am 4. Juli 1888 den Charakter als Custos der Naturaliensammlung, die mit ihm und durch ihn aus dem Museum am Friedrichsplatz in das alte Kunsthaus übergesiedelt war. Am 21. Sept. 1892 wurde ihm das Prädicat „Professor“ verliehen. Die Reorganisation der naturwissenschaftlichen und ethnolo- *) Nachstehende Angaben sind einem dem Verstorbenen von Herrn Museumsdirektor Eisenmann gewidmeten Nachrufe entnommen. v] Jahresbericht. gischen Abteilung des Museums, welch letztere von Lenz völlig neu geschaffen und hauptsächlich durch Geschenke seitens seiner vielen Freunde und alten Schüler im Aus- land, namentlich in unseren Colonien fortwährend vermehrt wurde, ist das eigenste Werk eines Mannes, der als Au- todidact durch unermüdliche Fortbildung neben seinem eigentlichen Feld, den Naturwissenschaften sich auf vielen Grebieten vorzüglich auf dem der kunstgewerblichen Alter- tümer umfassende Kenntnisse erworben hatte. Dem Verein für Naturkunde gehörte Lenz seit dem Jahre 1858 an. Derselbe war somit das zweitälteste Mitglied des Vereins. Adolf Fick war am 3. Sept. 1829 in Cassel geboren, wo sein Vater als (seh. Oberbaurat in hessischen Diensten stand. Seine Familie stammte einer Familientradition zu- folge von Salzburgischen Emigranten ab. Von seiner ur- sprünglichen Absicht Mathematik zu studieren ging Fick auf Anraten seines Bruders ab und widmete sich in Marburg und Berlin dem Studium der Medicin. In Marburg promo- vierte er im Sept. 1851. Schon 1852 wurde er unter C. Ludwig, mit dem er in innigster Freundschaft verbunden blieb, Prosector in Zürich, habilitierte sich 1856 daselbst und erhielt als Nachfolger von Ludwig und Moleschott 1862 die ordentliche Professur für Physiologie in Zürich. 1868 nach v. Bezold’s Tode wurde er nach Würzburg berufen, wo er 31 Jahre lang als Ordinarius für Physiologie wirkte. 1899 trat er freiwillig vom Lehramte zurück. Fick gehörte zu der Schule jener bedeutenden Männer, wie Ernst Heinrich und Eduard Weber, Helmholtz, du Bois Reymondund Brücke, die die Erscheinungen des Lebens auf physikalische Vorgänge zurückzuführen versuchten. Seine ersten Arbeiten galten dem Studium der Mecha- nik des Körpers, speziell den Vorgängen der Muskel- contraction. Ungefähr 30 Abhandlungen von ihm selbst betreffen dies Gebiet. Er wies nach, dass die Muskel- contraction nicht ein thermodynamischer Vorgang sei, wie ein solcher in der Dampfmaschine geschieht, sondern dass Jahresbericht. VII die chemische Energie vielmehr direct in die geordnete kinetische Energie der Contraction umgewandelt wird. Weiterhin beschäftigte sich Fick mit Untersuchungen über Hämodynamik. Die von ihm zur Aufzeichnung der Blutdruckcurven angegebenen Instrumente, das Feder- manometer und das Kautschuckmanometer sind allgemein in Gebrauch genommen. Die Geschwindigkeitsverschieden- heiten des strömenden Blutes in Arterie und Vene ana- lysirte er zuerst mittelst des Plethysmographen. Über den Blutdruck in Herzkammer und Gefässen, den Dicrotismus gab er neue wertvolle Aufschlüsse. In der Festschrift des Vereins für Naturkunde zu Cassel zur Feier des 50 jährigen Bestehens findet sich ein kleinerer Aufsatz von ihm: Einige Bemerkungen über den Mechanismus der Athmung. Mehrere Arbeiten betreffen die Physiologie der Sinnes- organe, besonders den Greesichtssinn; zur Physiologie der Nervensubstanz überhaupt lieferte er nur einzelne Auf- sätze. Von den Arbeiten Fick’s über Stoffwechsel, Ver- dauungs- und Drüsenphysiologie ist besonders bekannt geworden die mit Joh. Wislicenus zusammen angestellte Messung des bei einer grossen Arbeitsleistung (Bergbe- steigung) geschehenen Eiweisumsatzes. Auch über Peptone und deren Schicksal in der Blutbahn, über Pepsinwirkung stellte er Versuche an. Seine Lehrbücher „die medicinische Physik“ und das „Compendium der Physiologie“ erlebten mehrere Auflagen. In dem „Handbuch der Physiologie“ schrieb er die Artikel über Dioptrik nnd Lichtempfindung. Die grosse mathematisch-physikalische Begabung be- fähigte Fick nicht nur in Vertretung des Physikers die physikalischen Vorlesungen zu halten, sondern er war selbst auf rein physikalischem Greebiete als selbstständiger Forscher, wie seine Arbeit über Hydrodiffusion in Poggendorfs An- nalen beweist, tätig und besonders waren philosophisch- physikalische Fragen Gegenstand seiner Speculationen. Mit Vorliebe behandelte er die Grundbegrifie der Mechanik und die durch die mechanische Wärmetheorie gewonnenen Anschauungen. VII Jahresbericht. In allen übrigen Zweigen des menschlichen Wissens war Fick selten unterrichtet und allgemein anerkannt ist die kritische Begabung, die mit einer hohen manuellen Geschicklichkeit sich vereinigte. Er rühmte sich aus der Schule Bunsen’s zu stammen und er befolgte dessen Manier die ersten Modelle neuer wissenschaftlicher Appa- rate sich selbst zusammenzustellen, wie die genau Manometer und thermoelektrischen Säulen. Dabei räumte Fick den sittlichen Aufgaben des Mannes den Vorrang vor der Verstandesarbeit ein „das Maass der idealen Gesinnung eines Mannes ist offenbar lediglich zu schätzen nach der Grösse der Opfer, die Jeder für seine Ideale bringt.“ In politischer Hinsicht war Fick grossdeutsch. im vollsten Sinne des Wortes, sein Ideal war die politische Vereinigung aller deutschen Stämme. Allen neuern Re- formen, der Abstinenzbewegung, der Frauenfrage, der Er- weiterung der Competenzen der Realgymnasien brachte er lebhaftes Interesse entgegen. Professor Kunkel- Würzburg, dessen Ausführungen in der Münchener med.; Wochenschrift vom 22.110. 1901 Vorstehendes entnommen ist, schliesst seinen Nekrolog mit den Worten: So war Adolf Fick: wahrhaftig in Wort und Werk. Er war ein Ritter des Geistes, aber auch ein Held der sittlichen Tat, ohne Furcht und ohne Tadel im Kampfe für alles Wahre und Gute. Was sterblich an ihm war, haben wir verloren. Unsterblich bleibt seine Gestalt in der Geschichte als leuchtendes Vorbild für unsere deutsche Jugend. | Seit 1861 war Fick correspondierendes Mitglied unseres Vereins. Sigmund Salter, Realitätenbesitzer zu Wien, ge- hörte dem Vereine seit 1896 als correspondierendes Mit- glied an. Verzeichniss der Mitglieder. 1D< UK Verzeichniss der Mitglieder. In den folgenden Listen beziehen sich die Jahreszahlen auf die Zeit des Eintritts bezw. der Ernennung. a) Ehrenmitglieder. 1. Herr Dr. Ackermann, Karl, Oberrealschuldirektor i. P. 1876. 1891. = 3. 4. - Se. zu Eulenburg, Graf Botho, Staatsminister a. D., Excellenz in Berlin. 1886. Dr. Gerland, Ernst, Professor an der Bergacademie in Glaus- thal. 1873. 1888. von Hundelshausen, Eduard, Landesdirector der Provinz Hessen- Nassau a. D., in Cassel. 1886. Dr. Phelippi, Rud. Amandus, Professor und Director des chile- nischen Landesmuseums zu Santiago (Stifter des Vereins). 1836. 1886. Dr. Zirkel, Ferd., Professor und Geheimer Bergrat in Leipzig. 1875. b) Wirkliche Mitglieder. Durchlaucht Prinz Karl von Hanau, Graf von Schaumburg, in Cassel. 1891. . Se. Durchlaucht Prinz Philipp von Hanau, Graf von Schaumburg, ın Oberurff. 1862. 1886. . Herr Alsberg, A., Bankier. 1880. Alsberg, Moritz, pr. Arzt. 1902. Baur, L., Privatmann. 189. Berlepschh Graf Hans von, Schloss Berlepsch bei Witzen- hausen. 1894. Berlepsch, Freiherr Hans von, Rittmeister und Escadronchef im Husarenregiment Landgraf Friedrich II. von Hessen- Homburg (2. Hess.) Nr. 14. 1894. Blankenhorn, Karl, Königl. Baurat a. D. 1887. Bode, Adolf, Dr. med., Geh. Med.-Rat und Mitglied des Medicinalkollegiums. 1880. Bodenheim, Gustav, Fabrikant. 1892. Briede, Postsecretär. 1901. von Both, Alexander, Oberstleutnant a. D. 1892. Buhse, Fritz, Bergwerksdirector in Torrelavega (Spanien). 1875. Verzeichniss der Mitglieder. 30. 31. 32. 3. 51. . Herr Christ, Heinr., Dr. phil., Oberlehrer an der Oberrealschule. 1893. Des Coudres, Julius, Oberbergrat. 1863. Döhle, Fr., Apotheker. 1898. Ebert, H., Dr. med., pr. Arzt. 1894. Eisenmann, O. F., Dr., Museums- und Galleriedirector. 189. Eysell, Adolf, Dr. med., Specialarzt für Hals, Nase und Ohr. 1878. Fennel, Ludw., Dr., Oberlehrer an der Oberrealschule. 1887. Fey, W., Dr. med., Sanitätsrat. 1899. Fischer, Felix, Oberleutnant a. D., Rittergutsbesitzer zu Freien- hagen. 1892. „. Fischer, Johannes, Apothekenbesitzer. 1901. ” Fisher, Theodor Gideon, Verlagsbuchhändler und Buch- druckereibesitzer. 189. Fliedner, Max. Oberregierungsrat. 189. Friess, Carl, Justizrat. 1901. Grimme, Dr. phil., Kreistierarzt, Melsungen. 1899. Gerland, Konrad, Dr. phil., Chemiker, Lehrer zu Accrington, Lancashire, England. 1887. Hebel, O., Professor. 1880. 1882. 1897. Hecht, Jacob, Kaufmann. 1880. Henrici, H., Major z. D. 1902. Henkel, Wilh., Dr. phil., Gymnasialoberlehrer. 1901. Hermann, Aug., Kaufmann. 1891. Heydenreich, Heinr., Oberlehrer am Realgymnasium. 1888. Hintz, Robert, Oberforstmeister. 1896. Hornstein, Fr., Dr., Professor Oberlehrer a. D. 1869. Hornthal, Jakob, Tierarzt. 1876. Hunrath, Wilhelm, Apothekenbesitzer. 189. Ichon, Wilhelm, Konsul a. D. 189%. Jung, Adolf, Hofconditor. 1899. Kaiserling, Gust. Ad., Rentner. 1891, 5 Ge Fischereiverein. 1883. . Herr Kochendörffer, Joh. N. C., Privatmann. 189. Kunze, Herm., Oberlehrer. 1888. 1896. 1899. Landgrebe, Carl Heinr., Droguenhandlungsbesitzer. 189. Laubinger, Carl, Dr. phil., Rentner. 189. Lindner, Gust. Ad., Dr. med., Generalarzt a. D., Wahlers- hausen. 1883. Löwenbaum, L., Bankier. 1881. Luckhardt, Ludwig, Apotheker. 189%. Mende, Theodor, Oberst z. D. 1896. Mergard, Joh. Georg Conr., Apotheker. 1896. — Verzeichniss der Mitglieder. RUF 52. Herr Merkelbach, Wilh., Prof. Dr., Oberlehrer an der Oberrealschule. 53. 54. 55. 56. 87. 58. 59. 60. 61. 62. 63. 64. 69. 66. 67. 68. 69. 70. ZN. 72. 73. 74. 75. 76. Zu: 78. m — SS REN SI 1880. Müller, Ferd., Obertelegraphenassistent. 1901. Nagell, Wilhelm, Hofapotheker. 1880. Ochs, H., Privatmann, Mitglied des Magistrats. 1880. Paulmann, Wilh., Dr. phil., Nahrungsmittelchemiker. 1895. Platiner, Gustav, Dr. med., Arzt, Witzenhausen. 1900. Rittershausen, Aug. Julius, Privatmann. 1880. Rosenthal, Berg-Ingenieur. 1895—97. 1901. Rost, Adalbert, Prof. Dr., Oberlehrer am Wilhelmsgymnasium. 1877. Scheel, Willy, Kaufmann und Juwelier. 1894. Schelenz, Hermann, Rentner. 189. Schläfke, Wilh., Dr. med., Augenarzt. 1880. Schmuch, Karl, Rechtsanwalt. 1891. Schotte, Carl, Postsekretär. 1901. Schreiber, Rudolf, Dr. phil., Oberlehrer am Wilhelmsgymnasium. 1892. Sebold, Ludwig, Dr. med., Arzt. 1896. Siebert, Karl, Dr. phil., Rentner, Wilhelmshöhe. 1891. Thomas, Wilh., Apothekenbesitzer. 1896. Wachs, Gustav, Kaufmann. 1896. Waitx von Eschen, Freiherr Roderich, Dr. phil. 1866. Wallach, Martin, Rentier. 1880. Wallach, Moritz, Dr. phil., Grosshändler. 1883. Weber, Johannes, Buchhändler. 1895. Weber, Dr. med., prakt. Arzt. 1887. Weıss, Fritz, Dr. phil., Rentner, Wilhelmshöhe. 1901. Wilke, Richard, Rentner. 189. Wünn, Postverwalter, Malsfeld. 1899. c) Korrespondierende Mitglieder. Alfermann, Franz, Dr.. Generalarzt. Posen. 1870. Angersbach, Adam, Gymnasiallehrer, Weilburg. 18%. 189. Beyschlag, Dr., Prof. u. Landesgeologe, Berlin-Wilmersdorf. 1896. Blankenhorn, Max, Dr., Privatdocent der Geologie, Erlangen, Landesgeologe in Kairo. 1890. 1893. Bliesener, Karl, Dr. med., Oberstabsarzt. Buchenau, Hanz, Prof. Dr., Realschuldirector, Bremen. 1861. Öoester, Fr. Wilh., Oberverwaltungsgerichtsrat, Berlin. 1879. Egeling, Gustav, Dr., Apotheker, Ponce auf Puerto Rico. 1880. Focke, W. O., Dr. med., Bremen. 1864. Fulda, Rud., Bergwerksbesitzer, Schmalkalden. 1881. Geheeb, Adalbert, Apotheker, Freiburg i. Breisgau. 1881. DT Verzeichniss der Mitglieder. 12. Herr Gerland, Georg, Dr., Prof. der Geographie, Strassburg. 1881. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 193 20. 21. ” Gerland, Wilhelm, Dr., Fabrikant, Church (Lancashire, Eng- land). 1881. Grimm, Julius, Hofphotograph, Offenbach i. B. 1881. Guckelberger, G., Rentner, Giessenhagen bei Grossalmerode. 1857. von Heyden, Luc. Friedr. Dom., Dr., Major z. D., Bockenheim. 1881. Kathariner, Geh. exped. Secret. im Landwirthschaftsministerium Berlin. 1890. Kleinsteuber, Postpractikant, Frankfurt a/M. 1901. Kneisch, Carl, Privatmann, Freiburg. 1886. 1898. Kornhuber, Andreas, Dr., Hofrath und Prof. a. D., Pressburg. 1887. Krauss, Theodor, Dr., Redacteur der deutschen landwirth- schaftlichen Presse, Berlin. 1880. Kretschmer, Fr., Bergverwalter, Zöptau. 1881. Kümmell, G., Dr., Assistent am physikalischen Institut, Leipzig, 1889. 1895. Lange, C. Fr. Rud., Bergfaktor, Reden. 1884. Leverkühn, Paul, Dr. med., Direktor der wissenschaftl. In- stitute und der Bibl. Sr. Königl. Hoheit des Fürsten von Bulgarien, Sofia. 1896. | Metzger, Dr., Geh. Reg.-Rath, Prof. d. Zoologie, Münden. 189. Milani, Dr., Königl. Oberförster, Eltville. Ochsenvus, Carl, Consul a. D., Marburg. 1861. Perino, Joseph, Chemiker, Iserlohn. 1891. 189. Rathke, Bernh., Dr., Prof. d. Chemie, Marburg. 1873. Reichardt, Kaufmann, Mittweida. 1901. Schmiedicke, Otto, Dr. med., Oberstabsarzt, Berlin. 1889. 1891. Schüssler, Seminarlehrer, Dillenburg. 1872. Schwenke, Berginspektor a. D., Homberg. Sehigmann, G., Rentner, Coblenz. 1882. Siegert, Ferd., Dr. med., Oberstabsarzt, Mühlhausen i. Els. 1888. 189. Stierlin-Hauser, Dr.. Apotheker, Rigi-Scheideck. 182. Stelling, Jac., Prof., Dr., Strassburg i. Els. 1874. Struck, Carl, Oberlehrer und Museumskustos, Waren. 1872. Taube von der Issen, Baron, Weimar. 1892. 1895. Temple, Rud., Assekuranzinspektor, Budapest. 1869. Txschucke, Hugo, Betriebsführer der chem. Fabrik Todtstadt bei Hamburg. 1891. 1893. Uckermann, Carl, Dr., Gymnasialoberlehrer in Mühlhausen 122189072183 Litterarischer Verkehr. XII 44. ,„ Vahl, Carl, Oberpostdirektor, Geh. Postrat, Potsdam. 1880. 45. „ Wagner, Realschulprofessor a. D., Fulda. 1849. 46. ,„ von Wedell, Hasso, Major z. D., Weimar. 1891. 47. , Weise, Oberforstmeister, Direktor der Forstakademie, Münden. 1896. 48. ,„ Dlasius, Wilh., Geh. Hofrat, Dr., Braunschweig. 1898. 49. ,„ Zeiske, Max, Gerichtssekretär (früher Ziegenhain), Cassel. 10 Der litterarische Verkehr des Vereins ete. Mit folgenden Gesellschaften und Instituten wurde im Verlaufe des letzten Vereinsjahres der Tauschverkehr eingeleitet: 1. Lima, Sociedad geografica. 2. Erfurt, Gartenbauverein. 3. Rom, Stazione Agraria sperimentale. 4. Braunsberg, Botanisches Institut des Kgl. Lyceum Hosianum. Auf Vereinskosten wurden dieselben Zeitschriften, wie früher gehalten. Zur Bereicherung der Bibliothek sind wieder eine grössere Anzahl zum Theil sehr wertvoller Bücher und Broschüren eingegangen. Wir erhielten ausser den Tauschschriften: 1. Vom Ehrenvorsitzenden des Vereins Herrn Oberrealschuldirektor Dr. Ackermann: R. A. Philippi, Über die Tertiärversteinerungen der Wilhelmshöhe bei Cassel. Progr. der höh. Gewerbeschule zu Cassel 1841. 2. Vom Verfasser, Herrn Dr. M. Blanckenhorn, Erlangen: Geologie Aegvptens (502 S.) Berlin 1901. 3. Vom Verfasser Herrn Consul a. D., Dr. C. Ochsenius, Marburg: Eine Anzahl Berichte und Abhandlungen. 4. Vom Verfasser Herrn R. Stiatessi, Spoglio delle Osservazioni sismiche dal 10. novembre 190 al 31. Luglio 1901. (71 S.) Mugello 1901. 5. Vom Verfasser Herrn &. Ulmer, Hamburg: Beiträge zur Meta- morphose der deutschen Trichopteren 1. II. IV.—VI. Sonderabdruck XIV Litterarischer Verkehr. 10. 11: 12. 13. aus der Allg. Zeitschr. f. Entomologie, Neudamm. — Lophopus cristallinus Pall bei Hamburg. Sonderabdr. aus den Verhand- lungen des Vereins f. naturwissensch. Unterhaltung zu Hamburg, XI. Band.. Vom Verfasser zeit. Vorsitzend. Dr. Weber: Die Larve von Aphaobius Paganettii Gglb. n. sp. (Col.) Sonderabdr. aus der Allg. Zeitschr. f. Entom., Neudamm. Vom Verfasser Herrn M. Zeiske: Die Pflanzenformationen der Hochsudeten. Sonderabdr. aus d. Bot. Centralbl. Beihefte XI. Heft 6. 1902 (18 S.) Cassel 1902. Vom Verfasser, uns. Ehrenmitgliede Herrn Prof. Direkt. Dr. R. A. Philippi, Santiago: Descripcion de cinco nuevas especies chilenas del orden de los plagiöstomos (15 S. 1 Tafel.) Santiago 1902. — Anales del Musco nacional de Chile Entrega 15a. (114 S. 51 Tfln.) Santiago 1902. Nueva especie chilena de zorras. (6 S. 1 Tfl.) Santiago 1901. | Von Herrn Generalarzt Dr. Lindner: Pappenhevm, Handbuch der Sanitätspolizei 1859. 2 Bde. Die öffentliche Gesundheits- und Krankenpflege der Stadt Berlin 1890. (Festschrift der Stadt Berlin). Von der Ornithol. Gesellschaft zu Budapest: Agwela, Ornitholog. Zeitschrift. Band V. VI. (313 und 426 S.) Budapest 1898 und 189. Von der Universität zu Czernowitz: Dr. Anton Norst, Alma mater Francisco-Josephina. Festschrift zu deren Bestande (134 S.) Czernowitz 1900. Die Kaiser Franz-Josephsuniversität in Czerno- witz im ersten Vierteljahrhundert ihres Bestehens. Festschrift (179 S.) Czernowitz 1900. Vom Rhönklub zu Fulda: Festschrift zum 25jährigen Jubiläum (205 S.) Fulda 1901. Von: Comite zur Förderung des biologischen Unterrichts (73. Versammlung deutscher Naturforscher u. Ärzte) zu Hamburg. Über die gegenwärtige Lage des biologischen Unterrichtes an höheren Schulen. (43 S.) Jena 1901. Folgende Einladungen und Mitteilungen von allge- meinen Interesse gingen dem Vereine zu: l. 2. HN Das Präsidium des 5. Internationalen Zoologen-Congresses zu Berlin ladet ein auf den 12.—16. August 1901. Die Societe nationale des sciences naturelles et mathematiques de Cherbourg theilt mit, dass sie am 30. Dezember 1901 das 50jährige Jubiläum ihres Bestehens feiert. Der Hauptausschuss des Rhönklubs zu Fulda ladet zum 29. Jubiläum auf den 17., 18. und 19. August ein. Die Geschäftsführer der 73. u. 74. Versammlung deutscher Ärzte und Naturforscher zu Hamburg und Carlsbad laden zu derselben ein. Uebersicht über die Einnahmen und Ausgaben. XV 5. Das Museum Francisco-Carolinum in Linz a/D. übersendet die Nachricht von dem am 3. April 1902 erfolgten Tode seines Custos, des Herrn Andreas Reischek. 6. Die naturhistorische Gesellschaft zu Nürnberg feiert am 26. und 27. Oktober 1901 ihr Stiftungsfest und ladet dazu ein. 7. Die Societä degli Alpinisti Tridentini ladet zu der am 25. August 1902 in Pinzolo stattfindenden Sommerversammlung ein. IV. Uebersicht über die Einnahmen und Ausgaben in 1904102. Einnahmen. Morjähriger Baarbestand.. .- . .... 19 Mark 67 Pfg. Mitgliederjahresbeiträge . . 366. >92 N, Unterstützung der Stadt Cissdl (1901 Bean. 1:0 Y;, 25 5004 RE Zinsen der Fiedler’ schen Se 280 I ADD Vom Creditverein erhoben . . .. 656 „65 ,„ Summa 1471 Mark 23 Pfg. Ausgaben. Kosten des Jahresberichts . . . . 376 Mark 20 Pfg. Anderweite Druckkosten, Annoncen . 967 U 73008, Auslagen-Rückerstattung . . . . 1O.DE MN BB >, Grehälter für Diener . . SO TI Ea Forstbotanisches Merkbuch Auslagen aD 1 zul Sreditverein zur Verzusung . .. 806 65, F omsulseshn.. 2, Pas 9 Summa 1456 Mark 12 Pfg. Es verbleibt somit ein Baarbestand von 15 Mark und 11 Pfg. 11 xXVI Uebersicht der Vorträge. W. Vebersicht der in den Monatssitzungen von 1901 bis dahin 1902 gehaltenen Vorträge und kleineren Mitteilungen auf Grund der Sitzungsprotokolle. 1. Herr Dr. Moritz Alsberg hielt am 13. Jan. und 10. März 1902 zwei Vorträge über „die Neanderthal- rasse und die Abstammung des Menschen“. 2. Herr Dr. med. Ebert legt eine im Kaufunger Wald gefangene Melitaea dictynna ab. (Lep.) vor. 3. Herr Dr. med. Eysell bespricht am 12. 8. und 9. 9. 1901 die Frage, wie sich die Imagines von Zweiflüglern (besonders Cecidomyia, Trypeta, Lasioptera) aus harten Gallen herausarbeiten. Im Allgemeinen arbeiten sich schon die mit scharfen Fresswerkzeugen versehenen Larven aus den Gallen heraus, um sich dann in der Erde zu verpuppen, manche Larven aber bohren nur einen Gang bis zur Oberfläche, verpuppen sich dann in der Galle und das fertige Insekt braucht nur ein leichtes Häutchen zu durchbrechen. 4. Derselbe teilte am 12. 8. mit, nach Aussage des Herrn Forstmeisters Borgmann hätte sich aufeinem gerodeten Grundstück in dessen Revier schon im 2. Jahre nach der Rodung Ginster in Menge gezeigt, der seit 200 Jahren nicht in der Gegend vorgekommen sei. 5. Herr Dr. Henkel berichtet am 12. 8. 1901, er hätte einige aus einer vor etwa 10 Jahren nach London gebrachten Mumie des Königs Ramses II. Sesostris (900 v. Chr.) beim Abwickeln der Binden herausgefallene Samen von Lathyrus, die ihm vom Kgl. Garteninspektor Deye von Kew-Garden in London zugesandt waren, dem hiesigen Grarteninspector Junge übergeben, fragte an, ob Uebersicht der Vorträge. XVII diese Samen so viele Jahrhunderte hindurch ihre Keim- fähigkeit behalten könnten und zeigte am 9. 9. die aus dem fraglichen Samen gezogene Pflanze vor. Derselbe teilte Näheres über ein neuentdecktes Giraffenpferd (Okapi) aus den Urwäldern von Togo mit. 8. Derselbe erstattette am 11. 11. 1901 einen kritischen Bericht über die diesjährige Haupt- versammlung der British Association. Die vor 70 Jahren in’s Leben gerufene British Association führt einen, den Inhalt in befremdlicher Weise verschleiernden Namen, ist aber nichts andres als die alljährlich tagende Wanderversammlung britischer Naturforscher. Da die diesjährige mit der Industrie-Aus- stellung in Glasgow zusammen fiel, und ausserdem schon zwei andre Versammlungen in der regen- und schmutzreichen Industrie- metropole statt gefunden hatten, so herrschten in sämmtlichen Gast- höfen ganz exorbitante Preise. Hierzu kam, dass die in Deutschland herkömmliche Bereitwilligkeit von Privatleuten, einer Anzahl von Mit- gliedern gastliche Aufnahme zu gewähren, in Schottland noch weniger zu finden ist als in England. Ich habe das persönlich bei früheren Gelegenheiten, zuerst im Jahre 1884 als Delegierter auf der Health Exhibition in South Kensington, und 1896 in gleicher Eigenschaft auf dem Internationalen Kongress im Imperial Institute zu London beobachtet. — Das Menü der Vorträge war ein reichhaltiges aus allen wichti- geren Gebieten der Naturwissenschaften; auch Erdkunde und Völker- kunde waren diesesmal würdig vertreten; die ausserhalb der rauchigen Stadt auf einer anmutigen Anhöhe gelegenen Universitätsgebäude waren bereitwilligst zur Verfügung gestellt worden, die aufgelegte fach- wissenschaftliche Literatur war eine interessante und reichliche, die englischen Stimmführer der Wissenschaft waren erschienen, und zwar auch solche aus den britischen Kolonien, denen sich sogar einige Japaner und eine echte, aber akademisch gebildete Rothaut, ein kana- discher Irokese angeschlossen hatten. Die zuletzt Genannten beteiligten sich auch an den Vorträgen und den Debatten. Die verhältnismässig geringe Beteiligung von 2000 Naturforschern und Naturfreunden muss wohl in erster Linie auf die bedeutende Entfernung Glasgows vom Centrum London zurückgeführt werden; in zweiter Linie kommt dann noch die fast unerklärlich erscheinende ablehnende Haltung der eng- lischen Schulen und Universitäten hinzu. Auf einem solchen Kongress gibt es keine goldene Preise, keine Belohnungen in baarer Münze für mittelmässige Leistungen zu holen. Da bleiben die nicht-schottischen Jünger der englischen Wissenschaft eben weg; ich erinnere mich, dass li XXxX Uebersicht der Vorträge. nauen Kontrolle der Civilstandsregister und des Schul- und Heer- wesens wirkt. — Unter der widerwärtigen hybriden Bezeichnung „Automobilism“ erörterte in der Section @. für Mechanik der Oberstlieutenant CGrompton eine Reihe von Constructionsmängeln der Fahrräder. — Äusserst lohnend war der Besuch in der reich bedachten SectionHH für Anthropologie, wo namentlich die Litteratur für menschliche Anatomie stark vertreten war. Der Vorsitzende be- sprach „Die Morphologie des menschlichen Gehirns und deren orga- nische Beziehung zur Schädelbildungslehre ;“ jedoch wirkte verwirrend das planlose Hereinziehen andrer, zur Anthropologie in keiner Be- ziehung stehender anatomischer Themata, die in der zoologischen Section keine Aufnahme gefunden hatten. Inhaltsreich aber und fesselnd war die ethnographische Darstellung des Lebens der Malayen in Hinter- indien durch die Gelehrten Robinson, Skeat und Annaudale, und ebenso die in gutem Englisch vorgetragene Schilderung des Iro- kesen Brant Sero vom Leben seiner indianischen Landsleute in Canada. Professor Evans berichtete aus dem Bereiche des Mittländischen Meeres über eine durch die Ausgrabungen in Knossos auf Kreta zu Tage getretene neolithische Schicht unter dem uralten Palaste, der jetzt blosgelegt wird, und reihte daran seine Theorie von der vorhellenischen Ausbreitung des semitischen Elements an den Gestaden des ägäischen Beckens. — Die Section I. unter dem Vorsitz des Professors Mac Kendrick vereinigte die Physiologen, und also auch manche Aerzte. Die zwei nennenswertesien Vorträge waren der des Mediziners Dr. Meyers über Otologie, die Lehre vom Öhre, worin er seine Beobachtungen über das otologische Instrument Galton’s Whistle und besonders seine Experimente mit demselben an den Gehörwerkzeuge von Tauchern an der schottischen Ostküste mitteilte, und dann der sehr spezielle des Professors Hartog über den Mechanismus der Froschzunge beim Insectenfang. | Die Botanik, die zwar in London einen mächtigen Stützpunkt in dem Kew Garden und seinen botanischen Instituten besitzt, aber sonst an den höheren Unterrichtsanstalten Englands nicht im Ent- ferntesten so systematisch und zielbewusst wie in andren europäischen Ländern gepflegt wird, war in der Section K. vor Allem durch den Professor der Universität Oxford Bayley Balfour vertreten, der über „flowering plants,“ also Kryptogamen als die vorherrschenden Typen des Pflanzenlebens in der gegenwärtigen Aera der Entwicklungs- geschichte unseres Planeten redete. Diese Section amalgamierte sich sodann mit der pädagogischen, um die Methode _des botanischen Unterrichts zu beraten, der als noch immer kläglich bezeichnet wurde. Uebersicht der Vorträge. RAT Hier besprach auch Professor Lotsy von Java den in neuerer Zeit zu Stande gekommenen internationalen Austauschverein für botanische Litteratur. Es reihten sich hieran noch ein fesselnder Vortrag des Professors Conwentz von Danzig über die Entwicklungsgeschichte des Eibenbaumes oder Taxus auf den britischen Inseln, und desgl. des Professors Reynolds über fleischfressende Pflanzen. Zum Schlusse wurden die Entstehung und Structur der in England jet genannten Pechkohle, des Gagats von Professor Seward, und gewisse Natur- Heilkräuter von Miss Matthaei besprochen. Heiss ging es in der SectionL. für Pädagogik und Didaktik her. Der einzige Gegenstand war Reform. Die Geister platzten heftig aufeinander, indem die Vertreter der Universitäten die der Schulen und die letzteren wiederum jene dafür verantwortlich machten, dass jetzt auf dem gesamten Unterrichtsgebiete in Gross Britanien Verwirrung herrsche und nirgends der germanische Idealismus, über- all aber statt dessen bei Lehrern und Lernenden die auri sacra fames wüthe. Wer englisches Schul- und Universitätsleben kennt, wird dies bestätigen. — Der Director des Londoner University College, Dr. Eve, und der Bischof von Hereford hielten begeisterte Ansprachen in diesem Sinne, als Kenner des deutschen Unterrichtswesens, und Professor Armstrong schloss mit der kategorischen Forderung, dass der ge- sammte methodologische Mechanismus des Unterrichts auch in England mehr und mehr auf die naturwissenschaftliche Forschungs- und Lehr- methode begründet werde. — [Eigenbericht.] 7. Derselbe legte am 10. 2. 1902 einige Mineralien aus Italien vor. 8. Herr Dr. Hornstein macht am 27. 4. 1901 darauf aufmerksam, dass die Turmschwalbe, Cypselus apus, welche bekanntermassen sich regelmässig am 1. Mai oder ganz kurz vorher bei uns einzustellen pflegt, in den letzten Jahren wesentlich früher eintrifft, so in diesem Jahre, was von anderen Herren bestätigt wird, schon am 21. April. 9. Derselbe legte am 14. 10. 1901 mehrere Stücke Nummulitenkalk von der Burgfluh bei Lenk im oberen Simmenthal vor und besprach dieses Vorkommen. 10. Herr Kunze berichtete am 10. 6. 1901, dass die Lärchenmotte (Coleophora laricella) in diesem Jahre haupt- sächlich die Bestände zwischen Asch und Herkules er- griffen habe, während diejenigen unter der Löwenburg, ja XXI Uebersicht der Vorträge. überall da, wo die Sonne wirken konnte, verschont ge- blieben seien. 11. Derselbe teilte am 12. 8. mit, er hätte (yno- glossum monltanum früher nur an dem Fussweg von Mulang nach dem Asch, in diesem Jahre aber- auch an den Caskaden gefunden. 12. Herr Dr. Laubinger gab am 9. 12. 1901 eine Schilderung der Umgegend von Oberstdorf im Allgäu und legte zahlreiche daselbst gesammelte, charakteristische Pflanzen vor. 13. Derselbe legte am 10. 2. 1902 mit einleitendem Vortrage eine Anzahl seltener Pflanzen aus der Werra, sowie der Casseler Gegend vor und machte einige Be- merkungen in Hinsicht auf das demnächst erscheinende Forstbotanische Merkbuch. 14. Herr Mende berichtete am 8. 10. 1902, auf den Gräbern seiner Eltern in Insterburg habe sich plötzlich Datura strammonium gezeigt, während weit und breit keine derartige Pflanze aufzufinden gewesen wäre. Dass sich überhaupt durch vollständigen Abschluss von Luft und Feuchtigkeit Gregenstände viele Jahrhunderte hindurch in tadellosen Zustand erhalten können, habe er selbst erfahren. 1865 habe er gelegentlich der Fortificationsbauten in Mainz aus einer Tiefe von 2 M. eine Terra sigillata und Sandalen blosgelegt, die so frisch aussahen, als seien sie eben aus der Werkstätte gebracht. 15. Herr Müller zeigte am 14. 10. 1901 eine Anzahl südeuropäischer und caucasischer Laufkäfer vor. 16. Herr Dr. Paulmann hielt am 9. 9. 1901 einen Vortrag über Klärschlammverarbeitung auf der Casseler Anlage. 17. Herr Dr. Platner hielt am 13. 5. 1901 einen Vortrag über die „Jonentheorie.“ 18. Herr Ochs machte am 9. 9. 1901 eine Bemer- kung über das Vorkommen der Nachtschwalbe in ebenen Gegenden, wo Huteflächen und Heidelbeeren vorkommen (vergl. 24). Uebersicht der Vorträge. XXIIl 19. Derselbe hielt am 10. 2. einen Vortrag über die Lebensweise des Kuckucks. 20. Herr Schelenz hielt am 11. 11. 1901 einen Vor- trag über „die alte Art der Bestimmung des Volum- gewichts.“ 21. Herr J. Weber bemerkte am 12. 8. 1901, der sog. Mumienweizen wäre, wie nachgewiesen, von Einge- borenen nachträglich in die Gräber geschafft worden. Die Untersuchungen über die Dauer der Keimfähigkeit der Samen wären noch nicht zum Abschluss gelangt, darüber aber wäre man einig, dass die Getreidekörner keine allzu- lange Keimkraft besässen. Japanischer Hopfen hätte nach seiner eigenen Erfahrung auch unter den ungünstigsten Verhältnissen Jahre lang seine Keimkraft bewahrt. 22. Herr Dr. Weber zeigte am 10. 6. 1901 eine grössere Sammlung von Faltern aus Deutsch-Neuguinea vor, welche von Frln. Irmgard Hollenberg gelegentlich ihrer Stationirung in Stephansort als Schwester vom roten Kreuz gesammelt waren. Ferner legte derselbe Frassstücke von Rhyneolus trun- corum (Col.) mit Larven vor. Der Käfer hatte umfang- reiche Zerstörungen an den Rosskastanien in der Kölnischen Allee verursacht. Die an denselben Stücken vorgefundenen grösseren Larven gehörten Anisarthron barbipes an. 23. Derselbe machte am 12. 8. 1901 eine Mittei- lung über die Benutzung der Frassgänge von Cossus aesculi (Zep.) in der Rinde eines Nussbaumes durch die Larven einer grösseren Raubfliege und zeigte unter Besprechung der Arbeit von. Tornier, das Entstehen von Käfermiss- bildungen, besonders Hyperantennie und Hypermelie (Archiv für Entwickelungsmechanik der Organismen Bd. IX 1900) seine eigene Sammlung von Missbildungen bei Käfern vor. 24. Derselbe legte am 9. 9. 1901 Gewölle von Nacht- schwalben (Caprimulgus) vor, welche bei der Unter- suchung sich aus Chitinteilen von Geoirupes silvaticus (Col.) und den Blättern und Samen der Heidelbeeren zusammen- gesetzt erwiesen. XXIV Uebersicht der Vorträge. 25. Derselbe zeigte am 14. 10. 1901 einige neue Höhlenkäferspecies. 26. Derselbe legte am 11. 11. 1901 einen Hexen- besen von einer Hainbuche aus der Oberförsterei Kirch- ditmold erzeugt durch Taphrina Carpini Rostr. vor. 27. Derselbe berichtete am 9. 12. 1901 unter Vor- ‘ lage von zahlreichen Photographien über eine Excursion in das Abauj-Torna-Gömörer Höhlengebiet im Mai 1901 und schilderte besonders den Besuch der 8,7 Kilo- meter langen Höhle von Aggtelek, zu deren Durch- wanderung über 5 Stunden gebraucht wurden. Sie ist eine Erosionshöhle und gleicht einem Flusslaufe, dessen Zuflüsse die Nebenarme darstellen. Durch einen in 1890 fertig gewordenen Stollen und Erweiterung mehrerer Engen, die früher nur kriechend zu passiren waren, ist es nunmehr möglich in 5—6 Stunden die Höhle zu durch- wandern, während man früher 16 Stunden brauchte, um vom alten Eingang aus einzudringen und denselben Weg wieder zurückzuwandern. Der neue Eingang liegt unweit der Jozsaföer Landstrasse. In der Höhle wurden s. Zeit interessante vorgeschichtliche Funde gemacht. Ausser Menschenknochen verschiedener Zeitperioden bis zur Tatarenzeit fand man Ueberreste vom Ursus spelaeus, Bos urus, Rhinoceros lichorhinus u. A. Die heutige Fauna der Höhle ist eine spärliche. Charakteristische Höhlenkäfer fehlen in derselben. Die demonstrirten, in der Höhle erbeuteten Tiere waren einige Asseln (Titanethes albus Schiödle), eine noch nicht bestimmte Spinnenart, einige Fliegen (Hetero- myza atricornis Meig?) eine noch unbestimmte Poduride, ein kleines Schneckengehäuse, ein Egel. 28. Derselbe zeigte am 10. 2. 1902 ein am elek- trischen Licht der Endstation Wilhelmshöhe gefangenes Exemplar von Liparis monacha, welches links die normale Färbung, rechts die des var. eremila aufweist. Ferner legte derselbe die vom Vortr. neu beschriebene Larve von Aphaobius Paganettii Ganglb. (Col.) aus einer Höhle bei Curzola in Dalmatien vor. = —— nn un y u ey m