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\ EM eibners ſaͤmmtliche Werte Bmanzisfer Band. Enthält: Biarn 1 ap lo, Sehen Theit.

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Eine Menge von Freyſtaaten und von kleinen, nicht unbefchränkt regierten Fuͤrſtenthuͤmern, zertheil⸗

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Eine Menge von Freyſtaaten und von kleinen, nicht unbeſchränkt regierten Fürſtenthümern, zertheil⸗ ten im Anfange des ſechzehnten Jahrhunderts dieſes fruchtbare Land. Die ewig ſcheinenden Kaͤmpfe der Gi⸗

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beflinen und Guelfen waren doch allmählig erloſchen. Aber der Geift der Freyheit, oder vielmehr der republi⸗ kaniſchen Laune, verbunden mir manchen, theild we ſentlichen, theild zufälligen Vortheilen ihres Klimas, ihrer Regierung, felbft des vielfältigen Mechfels ihrer Schickſale, hatte in den Buſen vieler damapligen Welſchen ſchlafende Fähigkeiten erweckt, lebendige See— Ienkräfte erhöht, und geiſtigen Arbeiten ein vorzügli⸗ ches Gedeihen verſchafft. Ihre Künſtler, durch Ruinen belehrt, durch Meiſterſtücke, aus Schutt und Trüm— mern gezogen, beſchämt, durch Wetteifer angefacht, arbeiteten für Zeit und Ewigkeit; ihre Dichter vers banden die lieblichfte , wohlklingendſte Sprache mit ſchwaͤrmeriſcher Einbildungskraft; ihren Profaiiten zeigte Machiavel und Boccaz einen Pfad, der fie ſicher zur Unfterblichkeit zu leiten verſprach. Echon wallfahrteten zu ihnen die Wißbegierigen aus Deutſchland, England und Frankreich. Schon bildeten fih nad ihren Dich⸗ tern die Chaucer und Spenſer, nad ihren Ges mählten die Dürer ’s:;

‚Aber weit wichtiger noch für gonz Europa war bie Thatkraft, die fi in Fstaliens Schifffahrt und in dem Unfang feiner Gewerbe zeigte, Schon feit den Zeiten der Kreuzzüge, jener für den Beobachter menfdli« her Thorheiten und Schwachen fo überreichen Epoche batte hier der Handel feinen Wohnplag aufgeſchlagen; hatten Venedig und Genua im ſtäten Wetteifer ſich bes mübt ; hatten von- Greunden und Feinden gleichen BEkei: ‚Sterben gewußt; hatten Zeitumitände und 2a , Wluͤck und Unglück, Krieg und Frieden zu ih⸗ sem ugen angewandt, Bald floßen bier die Reich⸗

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thuͤmer des ganzen weſtlichen Europa‘ zufammen. Die Städte glichen Königsfigen ihre Kaufleute Fürften, Aber hoch vor hundert Andern, bob auch Florenz fein Haupt eınpor. Milder als in den meiſten Übrigen italies nijchen Freyſtaaren war hier die Ebbe und Fluth der Stantsveränderungen gewefen. Ein günſtiges Geſchick hatte hier das edfe Haus der Medizis auffeimen laſſen. Mit ihm zugleich war auch der Wohlſtand von Florenz gewachfen. In allen Meeren wehten jegt feine Flag ‘gen, feine Kriegsheere erwarben fih die Ehrfurcht der Nachbarn; feine Gefege galten ald die Muſter für ent« fernte Völker. Ein zahlreicher Adel lebte hier mir bür⸗ gerlihen Geſchlechtern friedlich vermifhr, und glaubte ſich nicht zu erniedrigen, "wenn er ber Handlung fi noch - weit emfiger als den Kriegsdienften widme; Arbeitfam- keit ſchien ihm ehrenvoll, und Vermehrung feiner Gü— ter auf erlaubten Wegen wünſchenswürdig zu ſeyn. Ganz vorzüglich zeichnete ſich von Geſchlechtern dieſer⸗ Art das Geſchlecht der Salvidti aus. Mo nur Kaufmannſchaft blühte , Hatte diefes angeſehene Haus feine Niederlagen. Eine große Anzahl junger Slorentiner ftand in feinen Dienften. Von Zeit zu Zeit pflegte e8 Diejenigen, die durch Fleiß und Eifer ſich hervorthaten, in ausländiſche Comtoirs zu verſenden. Das größte. diefer Letztern befand ſich in Venedig, und in dem Zeitpuncte, wo nachſtehende Geſchichte Theil⸗ nahme zu erwecken verdient, lebte hier, nebft mebrern Slorentinern, ein gewiſſe Pietro Bonaventus ri ein junger Mann , in der Blüte feiner Jahre, artig wohlerzogen , der Feder und der männlichen Wohlredenheit gleich mächtig, von Geſtalt fhön, von - Gitten gefällig, von Denfart feurig , verliebt und

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Conſtantinopel war ſchon laͤngſt Das nicht mehr, was es nach dem ſtolzen Plan ſeiner Erbauer, und nach der Vorzüglichkeit feiner Lage ſeyn ſollte, das Band des Aufgangs und des Niedergangs , die Königinn des Bftlichen Europa’ und des weftlihen Aftens. Dem Zepter, oder vielmehr dem Schwerte eines wilden Sie⸗ gerd anheim gefallen , von einem Molke beberrfcht, unter deffen Süßen, feinem eigenen Sprichwotte nach, Fein Gras und Feine Staude gedeiht, war ed nun gang von Kunft und Wiffenfchaft, von Handlung und Ges werben entblößt,, die fonft allda, wenn auch nicht an⸗ haltend , doch abwechſelnd, geblüht hatten. Diefe Flüchtlinge wählten ſich jegt Stalien zu ihrem Zufluchts« ort, und „fanden hier einen Boden, wo fie, Pfropf⸗ reifern aͤhnlich, durch die Verpflanzung nod) verbeffert wurden.

Eine Menge von Frepftaaten und von Kleinen, nicht unbefchränkt vegierten Fürftenthüümerg , zertheile ten im Anfange des fechzehnten Jahrhunderts dieſes fruchtbare Land. Die ewig fcheinenden Kämpfe der Gi⸗

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Aber der Geift der Zrepheit ,. oder vielmehr der republi⸗ kaniſchen Laune, verbunden mir mandyen, theild we fentlichen , theild zufälligen Vortpeilen ihres Klima, ihrer Regierung, felbft des vielfältigen Wechſels ihrer Sqickſale, hatte in den Bufen vieler damapligen Welſchen ſchlafende Fähigkeiten erwedt , Iebendige See— lenkraͤfte erhöht, und geiftigen Arbeiten ein vorzügli⸗ ches Gedeihen verfohafft. Ihre Künftler, durd Ruinen belehrt, dur Meifterftücke, aus Schutt und Trüm⸗ mern gezogen, befhamt , durch Wetteifer angefadht, arbeiteten für Zeit und Ewigkeit; ihre Dichter vers banden die lieblichſte, wohlklingendſte Sprache mie fhwärmerifcher Einbildungskraft ; ihren Profaiiten zeigte Macchiavel und Boccaz einen Pfad, der fie ſicher zur Unfterblichkeit zu leiten verſprach. Schon wallfahrteten zu ihnen Die Wißbegierigen aus Deutſchland, England und Frankreich. Schon bildeten ſich nach ihren Dich⸗ tern die Chaucer und Spenſer, nach ihren Ge⸗ maͤhlden die Dürer's.

Aber weit wichtiger noch für ganz Europa war bie Thatkraft, die ih in Sstaliens Schifffahrt und in dem Unfang feiner Gewerbe zeigte. Schon feit den Zeiten der Kreuzzüge, jener für den Beobachter menfdli« der Thorheiten und Schwaden fo überreichen Epode batte bier der Handel feinen Wohnplag aufgeſchlagen; hatten Venedig und Genua im fiäten Wetteifer ſich bes mübt; harten von: Zreunden und „Senden gleichen N atn erben gewußt ; hatten Beitumitände und

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thuͤmer des ganzen weftlichen Europa zufammen. Die Städte glichen Königsſitzen, ihre Kaufleute Fürſten. Aber hoch vor hundert Andern, hob auch Florenz ſein Haupt empor. Milder als in den meiſten übrigen italie— niſchen Freyſtaaten war hier die Ebbe und Fluth der Staatsveränderungen geweſen. Ein günſtiges Geſchick hatte hier das edle Haus der Medizis aufkeimen laſſen. Mit ihm zugleich war auch der Wohlſtand von Floren; gewachſen. In allen Meeren wehten jetzt ſeine Flag gen, ſeine Kriegsheere erwarben ſich die Ehrfurcht der Nachbarn; feine Geſetze galten als die Muſter für ent⸗ fernte Völker. Ein zahlreicher Adel lebte hier mir büts gerlichen Geſchlechtern friedlich vermifhr, und glaubte fih nicht zu erniedrigen, wenn er ber Handlung fi noch -weit emfiger ald den Kriegsdienſten widme; Arbeitſam⸗ keit ſchien ihm ehrenvoll, und Vermehrung feiner Gir- ter auf erlaubten Wegen wüͤnſchenswürdig zu ſeyn. Ganz vorzüglich zeichnete ſich von Geſchlechtern dieſer⸗ Art das Geſchlecht der Salviätl aus. Wo nur Kaufmannſchaft bluͤhte, hatte diefes angefehene Haus feine Niederlagen. Eine- große Anzahl junger Florentiner fland in feinen Dienften. Won Zeit zu Zeit pflegte ed Diejenigen, die durch Fleiß und Eifer ſich hervorthaten, in ausländifhe Comtoirs zu verfenden. Das größte. diefer Letztern befand fich in Venedig, un in dem Zeitpuncte, wo nachſtehende Geſcichte Theil⸗ nahme zu erwecken verdient, lebte hier, aͤebſt mehrern Florentinern, ein gewiſſer Pietro Bonaventus ri ein junger Mann, in der Blüthe feiner Jahre, artig, wohlerzogen, der Feder und der männlichen Wohlredenheit gleich maͤchtig, von Geſtalt ſchoͤn, von Sitten gefällig , von Denkart feurig, verliebt, und 4

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anternebmend. Ein Mann für tauſend Mädchen, und doch auch wieder nur für Wenige; denn er war unbe⸗ mittelt und ſtolz.

Er hatte der Bekannten und Freunde viefe; aber der Einzige , ber diefen legten Nahmen feinem ganzen ehrwürdigen Umfange nah verdiente, hieß: Carlo Martelli, ein Mann von Abkunft, Tebensars und Gluücksgütern ihm glei; doch fhon etwas abweichend in Rudficht des Alters und nod mehr in Stimmung des Charakters. Eiggewilfer , feiter Schritt bezeichnete Martellis Bahn. Nie handelte er ohne vorherige reife Überlegung. Segen fremde Thorheiten war er firens ge, ſich ſelbſt erlaubte er Eeine Einzige. Im Haufe des Altern Bonaventuri zu Florenz von erfier Jugend an befannt , ſah er den, ungefähr fieben oder adt Jahr jüngern Pietro gleihfam unter feinen Augen aufs wadien, nahm felkft an feiner Geiſtes-Bildung einis gen Antheil, und brachte ihn nachher durch Empfehlung in Salviatis Dienſte. Seit geraumer Zeit ſchon gingen fie mit einander auf dem Fuß der Gleichheit um. Einig im Geſpraͤche waren fie felten; boch ihr Umgang war em wechſelſeitiges Bedürfniß. Ihr Mund firiet 1 oft ; aber ıhre Herzen liebten ji.

Auf ein Mahl ward der bis jegt muntre Bonar venturi traurig und mürriſch. Er fang ſich fonft des Zugs wohl fünfzig Lieben; jetzt ſprach er kaum eben fo viel Worte. Sonit war er oft der Erheiterer gan⸗ zer Geſellſchaften; jeßt warb er ernit und ſtumm, wie ein Pythagoräer. Er ftieß feinen Schooßhund fort, wenn er an ihm auffpringen wellte; ließ an der Tafel fat jede Schüffel unangerührt bey fi vorübergehen

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und fhlug in Keyerfiunden und an Feſttaͤgen jeden Spaziergang aus, wozu Bekannte ihn einluden.

Bald fpürte Martelli diefe Ünderung doc hielt er fie Anfangs für eine flühtige Grille, die wieder : weggeben werde, wie fie. gekommen fey. Doch da fie nun ſchon beynahe einen Monath lang anbielt, da exe und Andere ſchon von Weitem gehorcht und nichts erfahren hatten, fo ſchien es ihm der Freundſchafts⸗ Pfliht gemäß, fi genauer zu erkundigen. Als fie daher einft auf der Schreibfiube allein zufammen gearbeitet hatten; als die Feyerglode flug, und Bonaventuri wieder ftumm und ftill in fein Kämmer, dyen fehlüpfen wollte, vertrat ihm Martelli den Weg, faßte ihn traulih bey der Hand, und fprah:

Mart. Aber wo foll Das noch hinaus? Tieber

Freund! Was gährt in dir? Was bat dich fo ſchnell und fo gänzlich verändert? Willſt du ſtets fo traurig and fo menfchenfeindlih wie das Bild eines alten Ein« fiedlers ausfehen? Haft du heute ſchon wieder die Feſt⸗ tag: Miene, die nun feit einigen Wochen bereits deine alltägliche wird?

Bonav. (bitter lächeind.) Und die es wohl leicht für mein ganzes übriges Leben bleiben dürfte !

Mart. Aber weßhalb? Nichts geht dir ja ab! bein Herr fchägt dich; bat dich von ieber aufs liebreich⸗ fie, immer mehr wie feinen Freund ‚als feinen Unters gebenen behandelt. Nicht wahr !

Bonav, Es waͤre Undank, wenn ih es laͤugnen wollte!

vr... 8 usa Mart. Du haſt Dieniigenoffen , die dic) Tieben, Deinen Umgang fuchen, deine Freundſchaft fhägen = Deine Ausgaben find gering; felbft diejenigen, welde bu haft’, Überfteigen deine Einnahme nigt; du ſpielſt felten und überdieß noch größten Theils glücklich; geltſt unter allen deinen Bekannten für einen Menſchen von Kopf. | -

Bonav. (ſpöttiſd.) Ein herrlicher Vorzug!

Mart. Herrlich genug, Undankbarer ! denn ihn faufen oft Millionen nicht. Übrigens bift du gefund und f ıfch.

Bonav. (wie rorbin.) Bin ih es?

Mart. Wenigftens dem Anfehen nah !— Deine » Mange iit glühend und voll; dein Auge —, frage nur die Maͤdchen in der Nahbarfhaft rund herum. Wie laufhend Mande, wenn tu vorübergebft, hinter ihrem Gitter jtehen! Sch wette, e3 gibt Keine, der nicht Signor Pıetro ein willlommener Liebhaber wäre!

Bonav. Kerne ? gar Keine ? Meint du? Meint du wirklich? Schade, daß du nicht Wahre fager daß du Eein Mädchen bift! daß nicht Bin... doch ſtill! Ich will nie klagen; will dulden, fehweis gen, und fhwergend vergeben. Ah, ich Eenne nur allzu gut das Gewicht und Übergewicht des Spottes, das eınen Unglüdlihen dann oft mehr noch als fein Unglüd ſelbſt darnieder druͤckt, wenn der Zärtling fei= nen Summer nicht bloß im eigenen Bufen verſchließt.

Markt. (mie dem ernfieken Tone.) Pietro Bonas venturi !

Bonav. (ihn Keif anfehend.) Nun?

Mart. Warum mir Das! Kennen wir uns fo neu? Dit welchem elenden Menfhentroß vermengfk

N 9 wer du mit Wann verleßte_ich jemahlsm mein Wort? Wann freute ich mich eines fremden Schadens? Wann habe ich dir zumahl

Bonav. (der ſich vorher niedergefeht Hat, doch nun auffpeingt , und ungebutdig feines Freundes Hand faßt.) O fig, fill, Martelli! Seit wann warbft du dein eiges nee Lobredner ? Ich liche dergleichen Herrechnungen nit. Du folit Alles erfahren ; auf, mein Wort, Alles! Nur heute noch nicht! Morgen, morgen, gewiß morgen? u

Mart. Zändeley oder Vorwand! Ich bin ſicher morgen um nichts Merkliches beſſer als heute. Wozu alſo Aufſchub?

Bonav. Nun wohl, Zudringlicher ‚To ſey es heute! Aber wenn du dann mich verrathen, oder auch meiner nur ſpotten koͤnnteſt. Weg mit die⸗ ſem Ernſt, dieſem ſtarren Blick und der Runzel über dem Auge! Mein Mißtrauen beſtraft ſich ſchon ſelbſt. Ich weiß, ich fühle es, du wirft meiner nicht ſpotten. Aber Selbitquälerey iſt ja der Menſchen gewi oͤhbnlichſte Kunſt! Zum wirklichen Übel ſchafft ſich derUnglüdtihe fo gern noch leeren Kummer. (mit wer, inbam, gärte en Ton.) D Martelli, Martelli, ich Tiebe! Sch lie⸗ be, wie ih noch niemahls liebte !

Markt. (lacheind.) Und das ift es Alles! Dem Himmel fey Dank, daß beine Krankheit Feinen gefähr- Iihern Nahmen hat! Sch fürchtete wirklich etwas ganz, Außerorbentlihes zu hören. O über bie Freifendem Berge mit ihren Mäufegeburten ! Und wen liebeft du denn?

Bonav. (mit Graf und Unwillen.) Zu lachen, ehe bu eh noch weißt!

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Mart. D fo made doch fort, und ſauge nicht an jeder Mücke!

Bonav. Kennſt bu das Haus der Capello?

Mart. Ich ſollte doch wohl, daͤchte ich! Es liegt uns ja gerade gegenüber, auf jener Seite des Ca⸗ nals. Was gilt's, daß dort eine reizende Zofe.

Bonav. Schweig! doch nein; antworte! Sabft du dort jemahls Bianca?

Mart. (erſtaunt.) Bianca? Die Tochter des als ten Eapello ? Sein einziges Kind ? die Erbinn eines fürfts lichen Schatzes? Bonaventuri , du wirft doch nicht

Bonav. (bitter nachſpottend.) Du wirft doch nicht! Bonaventuri, du wirft doch nie! Ob du fie je mahls ſah'ſt, nur Das fragte ich did).

Mart. Nunja! Zwey Mahl fogar!

Bonav. (vol ausbrechender Hige.) Odu Gluͤcklicher, und doch deined Glüces fo Unwürdiger! Diefen töniglihen Wuchs, diefen edlen Stol; in Bid und Bang, diefen für jeden Pinſol unnahahmlichen Reiz auf Stirn und Wange, dief: göttlihe Sanftmuth ihe ved Auges, diefen Bufen, ber feines Schleyers ſpot⸗ tet, diefen niedlichen Fuß, der jeden Schritt zum Tanz erhebt, vieleicht gar dieſes zauberifhe Lächeln ihres Mundes Dieß, Dieß ſahſt du jemahls, und fragft noch: du wirft doch nicht? Ad), bey Bott, wer doch Martelli, wer doch eine Bildfäule, wie er, wäre!

M art. Aber, lieber Freund!

Bonav. Genug, du weißt ed nun, was mid peinigt! du weißt, was ich mir felbft kaum geftand ! Aber nicht mehr mein Freund, wenn du noch ein Mahl und noch deutliher mi tadelſt! Sa, ih liebe

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fie! Sa, ich fühle, daß es Wahnſinn feg! Aber Eounte ich Armer dafür, daß ih Sie fah? (Gr reift fiy ſanell los, und gehe ab.)

Martelli. cipm nawbtidend.) Ya wohl, du Ars mer! Welcher fhivindelnde Gedanke! Bianca eine Liebe für dih! Bianca Capelio, ber Stolz Vene⸗ digs, der Stolz ihres Geſchlechts! Fürwahr ein Einfall, ald ob ıh mid in die Königin von Neapel veriiebte! (ab.)

Man denke fih hier die Dauer von vier oder fünf durchlebten Zagen, Ewigfeiten für Den, welder liebt und leidet, und blide dann in Bonaventuris Gemach!

Bonaventuri. (akein.) Ich Thor, der ich Martellis Bitten nachgab, ihm, ihm, dieſem Unem⸗ pfindlichen mein Leiden vertraute! Wohin ich gehe und trete, folgt er mir nun mit Sittenſpruch und Ermah⸗ nung nach; will mit Gewalt den Dorn aus meinem Herzen reiſſen, und drückt ihn immer noch tiefer, im⸗ mer noch blutiger hinein!

Ha! als od ich es felbit nicht genüglid wüßte nicht längft in jeder Nerve fühlte, daß meine Leiben⸗ ſchaft Thorheit ſey! Aber Eann ih anders? Rief ih ihr? Ward ich nicht überraſcht, als ich am mindeſten es waͤhnte? War ed nicht ſichtliche Beſtimmung! Hab' ich ihr nicht entgegen gekämpft mit Eifer und Anhalten? Wohlan, ftarred und doch zur Unzeit fo biegfames Herz, bulbe, büße jetzt für deine Unvor« fig! Ä

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Ich will, ich fol, ich muß alfo ungluͤcklich feyn ! Hier keine Nusfiht zum Glück, Eeine zur Ruhe außer wenn ich diefes elende Leben binwegwerfe von mir; dieſes Leben, mie lältiger ald ein Winterkleid dem Wanderer am wärmften Sommertage! (Lange Paufe , dann baftig :)

Wohlan, Dad will ih! Nur wiffen muß fie es noch vorher ! Wilfen, wer ich war; daß ich fie liebte; fie anbethete; für fie flarb; gern ſtarb! O göttli« ches Mädchen, nur ein Wort von dir, und Menfchen- alter find nichts! Nur ein freundliches, und Engelle⸗ ben find mir ein Zand dagegen! | Und wäre ihr denn, diefes freundlihe Wort zu ſprechen, fo ganz unmöglich? Ihr, die, dem Üus ern nach , die Gute felbft zu feyn ſcheint?

Sonderbarer Gedanke! Ein Lichtſtrahl, der aus dunkler Ziefe vor mir auffteige ! Gütige Gottheit, wäre es dein Rathſchluß vielleicht, daß in des Lebens fester Daͤmmerung noch diefer Zeoft mir würde? daß er mir nachſchallte bis über das Grab hin! Dars auf los, Bonaventuri! darauf los und verfuche es!

(Mit verändertem, entidloffenen Tone) Sprechen affe will ich muß ih fi! Kur wann wie wo Das? wie diefen Schatten, der fie überall beglei- tet, ihre ftrenge Auffeherinn , hintergeben? Aber warum aud eben hintergehen? Sit fie nit ein Menſch, wie ih? Ein Weib, und folte nicht Liebe fennen? Sollte Bitten, Knieen, Verſprechen, Ge: fhenfe follte Schmeicheley ungerührt zurüds weifen Fönıen?

Ya ja, ih will es verfuhhen! Morgen ſchon es verfuden! So früh ich nur kann: fobald ich fie aus⸗

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gehen ſehe! Ha, und wenn es mir gelingt, dann ver⸗ zeihe ich dir gern, gütiger Himmel, wenn auch die übermocgende Sonne mein Auge nicht wieder zum Leben erwedr!

Der nah Mitternacht eingefhlafene Bonavens turi warb mit dem früheften Lerchengefange wieder

munter. Zaufend Mahl wiederbohlte er fich nun jedes.

Wort, das er zu fprechen beſchloſſen hatte; den gans zen Morgen kaufchte und kaufchte der Züngling, bis er gegen die Mittagsitunde Bianca's Hofmeifterinn ausgehen fah. Raſch eilte er ihr nah, und hohlte fie‘ an einem etwad minder volfreihen Orte glücklich ein, Bonav. Verzeiben Sie, gute Eignora , wenn ich hier, aufwenige Worte nur, Ste anzureden wage ! Es betrifft nichts Geringeres, als das Leben eines mei⸗ ner Freunde. Hofmeiſterinn. Sprechen Sie mit mir, Sig⸗ nor? Irren Sie fich nicht vielleicht ganz in der Perſon? Bonav. Keinesweges! Sie find die Erzieherinn der edlen Bianca Capello, Tochter eines der Erſten im Staatsrath. Hofm. Ganz recht, Die bin ich! Aber wie ſollte ih olſo

Bonav. D, ihbin ber unglücklichſte aller Men: fhen, wenn Sie mid nicht hören wollen! Einer meiner Qandöleute ,. mir fo werth ald meine eigene Wohlfahrt, fleht in Gefahr, binnen wenigen Tagen Güter, Seelenruhe, Leben und Alles zu verlieren,

wenn Cie, edle, großmätbige Frau, ſich ſeiner nicht annehmen.

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Hofm. (immer x verfegener,) Wie kann ih Das aber?

Reden Sie deutlicher! Bonav. Sein Schickſal ſteht in Capello's rich⸗ terlichen Händen, Capello's Her, in Bianca's Mills für, Bianca’s Freyheit unter Ibrer Auffiht. Vers gönnen Std mir daher nur wenige Worte mit diefem holden Mädchen zu fpreden! Sie fol, habe ich fagen bören, das Bild der Sanftmuth felbft ſeyn: Eein Zwei⸗ fel, daß Sie zumahl von einer folhen Erzieherinn geformt auch ein ſanftes, edelmüthiges Herz beſitzt. Und dann, dann wird ſie mich hören, wird ihren Vater lenken; wird meinem Freunde, und zugleich auch mir das Leben wieder geben.

Hofm. für ſich.) Ein braver, edler Jüngling! (aut.) Signor, ich verſtehe zwar noch nicht völlig Ihre Abſicht; aber tif Dieß Ihre ganze Bitte?

Bonav. Meine ganze!

Hofm. So ſey fie Ihnen gewaͤbrt! An mei⸗ nes Naͤchſten Unglück pflege ich nur allzu gern mit⸗ leidigen Antheil zu nehmen. Auch hier will ich, eines kleinen aufſteigenden Verdachtes willen, mich nicht hartherzig zeigen. Zwar dürften Sie kühn nur mir ſelbſt Ibre Bitte an Bianda auftragen, und der päünctlihften Ausrichtung verfichert feyn (indem Je einen Augendlick inne Hält und ihn forſchend anbdlickt.)

Bonav. (vertegen.) Kein Zweifel aber gleiche wohl vergeben Sie

Hofm. Schon gut! Schon gut! ih merke wohl, daß Sie ſich und Ihren Freund nidt meiner @orgfalt allein anvertrauen wollen, und ed ſey Spnen verziehen. Sie follen meine Pflegetochter ſelbſt ſprechen.

me 15 men

Bonav. Maris) Soll ich? Soll ih wirklich? D Dank, taufend Dank dafür, trefflihe Signora ! Aber wann und wo fol diefes Alles geſchehen?

Hofm. (mit zweydeutigem Zone) In der That, Signor, Sie müflen Ihren Landsmann mit mehr als gewöhnlicher Freundſchaft lieben. Das Feuer Ihrer Rede, das Funkeln ihrer Augen zeugt davon, und dürfte mich faft ın meinem Verdachte beftärken.

Bonav. Verdacht! Wecke Gott gegen mid) jebe Strafe der Hoͤlle ſchon hiernieden, wenn bier die Rede von einem Betruge ift! Kann Feuer der Rede für das Leben eines Freundes ad, des nädften Freundes, den ich habe! Verdacht erregen? Sehe id) aus wie Einer, der falfch ſchwört?

Hofm. Nein, wahrlih nicht! Auch würde ich Ihnen! dann kaum fo longe Zugehört haben. Bleibe es alſo bey meinem Verſprechen, und merken Sie auf, wie ich es zu halten gedenke! Ich pflege zu⸗ weilen Vormittags mit Bianca ein Kloſter in Zuecca

zu beſuchen, und werde es auch morgen thun. Glocke

neun Uhr verfäumen Sie daher nicht, in einer Straße _ bey der zweyten Brüde fi) einzufinden! Eine Gon- bel, die bereits unfer wartet, die burch ihre etwas größere Bauart von ben Übrigen dort liegenden Fahr⸗ zeugen ſich ziemlich merklich unterfcheidet, und die im Nothfall ein Zeichen, mit einem weißen Zug von mir oder Bianca gegeben, noch kenntlicher machen wird, ſoll uns alle drey zum uͤberſetzen aufnehmen. Waͤhrend der uͤberfahrt koͤnnen Sie dann mit der jungen Gas pelld ſprechen. Nur vergeffen Sie nicht mie Schlag neun Uhr da zu ſeyn! |

—E i6 vum

Bonav. Es vergeflen? O ehe ben Nahmen dies fer Stadt, eh’ felbft. den Meinigen! Leben Sie webl, großmüthige Signora ! Segen der heiliaen Jungfrau fomme über Sie, weil Sie gütig ihr Ohr auf die Stimme eines Befümmerten neigten! (s6.)

Hofm. Welhe feltene Freymüthigkeit ſprach aus dieſem Jüngling? Welche unbekannte Kraft zwang mich gleichſam feinem Begehren zu gehorchen; machte mich bereitwilliger, als ich ſonſt zu ſeyn pflege? Gut, daß ich nicht mehr ein Mädchen und jung bin; ein Mann , wie Diefer da, würde mir gefahrlich feyn, und harte ich auch das Gelübde der Keufchheit geftern erſt ab⸗ gelegt. (Ibm nacblicend.) Ha, er lenkt ſich dort feit« waͤrts; er gebt in Salviatid Haus! Vielleiht war ed Salviati felbiit D gewiß, gewiß war er ed! We⸗ nigftens Eein ©eringerer, ald er! (Reine Paufe.) Und doch, wenn eine Liſt hierunter verborgen laͤge? Bianca ift ſchön, die Klorentiner find ſchlau; diefer Süngling war feurig und einnehmend. Wenn vielleicht ein verjiedter Plan Doc nein, nein! Weg mit bır, allzu mißtrauiihe Klugheit! Auf einem fo ehrlichen Gefihte muß man feine Schminke murhmaßen ! (Seht ab.)

(Nächſte Nackt.)

Bonaventuri (in feiner Rammer allein. Er niet nie der und bethet.)

Gütigſter Gott, meinen feurigften Danf! Daß er aufflöge zu bir mis Adlersſchwingen! Taf er lieblich und heil, wie eines Seraphs Harfe, durch alle

deine

won 27 vn deine Himmel tönte! Sch werde Sie ſehen! werde -Sie ſprechen! Jetzt keine Frage, kein Kummer: Wie? und Wovon? Genug ſchon, daß ich ſie ſehen, daß ich ſie ſprechen ſoll!

Wär’ auch mein fünftiges , ganzes Leben Qual . auf Qual, Folter auf Folter., nie, du Alleiniger; Allwaltender, nie dürfte ih Elagen: daß Du mir des Guten biernieden zu fparfam zugemeilen habeſt. Diefer Augenblick, der Hoffnung und Freude fo über: voll, ift mehr ald ein Menſchenleben werth; ift das srefflipfte Geſchenk eines Gottes der Güte. (Fleine Paufe.)

Heiliger Antonius, Leiter, Befhüger meines Les bens, zu dem ic) erit heute noch, bevor ich ausging, meine Bitten wandte; der du mich hörteft / mir Much verliehſt meinen ſtammelnden Worten die Fülle der Überredung gabit , vollende nun auch bein Merk! Zräufle morgen wieder deine Segenskraft auf mich herab! Dffne meine Lippen! &ie werden wohl und weife ſprechen, wenn du fie öffneft! Sieh, ohne Zittern. flehe ich dich, flehe ich alle Heilige des Him⸗ meld, und feldft die unbefleckte, die hochgebenedeyte Jungfrau um Schirm bey meiner Liebe an ! Ad, es iſt nit Brunft, wie die Welt fie fühlt. Es ift die reinite geiftigfte Liebe, die jemahls ein flerblicher Bu⸗ fen empfand.

Langfam ſchlich der übrige Theil der Nacht dahin. Bonaventurid Augen befuchte Fein Schlaf; defte reich: licher waren fie oft von abwechſelnden Freudenthraͤnen und Schmerzensthränen erfült. Schwindelnde Ente würfe,, tadelnde Überlegung, zitternde Ahnung, lös⸗

Meißners Bianca Gap. 1. Th. VB

we IB rueea

Cen ſich unaufboͤrlich unter einander ab. Daß die Hofe meifterinn doch wohl ihr Wort nicht halten werde daß ihr Blick bis in fein Herz gedrungen fey daß Bianca ihm mit Zorn Stillfhmweigen gebiethen werde, dag g wer Eann fie zählen die taufend und aber taufend Sorgen, die body immer wieder in den Aus⸗ rufübergingen: Nein ! Nein! ich werde fle fehen, werde fie ſprechen!

Endlich erſchien der P ſehnlich gewünſchte Tag; endlich ſchlug es neun Uhr!

(Straße)

Bianca. Hofmeifterinn. (Beyde auf den Canal zu gebend.)

Bianca. Sie glauben alfo wirklich, daß es Salviati geweſen fey ?

Hofm. Ganz gewiß! Nede und Anſtand verrietben ihn faft noch mehr als feine Wohnung. Zus dem entfinne id mich auch, wie im Traum, ihn ſchon vordem geſehen zu haben. D es ift ein edles Haus, das Haus des Salviati, und diefer Mann war es wahr: haftig niht minder! Die Gluth, mit welcher er für feinen Freund fprach, ber ungekünftelte und doch rüß« vende Dank, womit er mid) überhäufte, die zuverſichts⸗ volle Miene, mit welcher er von mir fehied, Alles zeig« te von innerm Werth und aͤchtem Adel.

Bianca. Sie mahen mid immer neugieriger ; denn ich weiß: @ie loben felten. Db er aber auch gewiß unfer warten wird ?

eo we 19 A P n

Hofm. Wollte der Himmel ich befäße eben,

fo fiher den Ning der Unfichtbarkeit, oder den Gürtel - der immerwährenden Jugend, als er nicht außen bleiben wird. Schiffer, fahr an! (indem Re einfeigen.) St nod niemand vor und bier gewefen ? Shiffer. Menfhen genug! Unter Andern ein junger, hübfcher, ziemlich ‘gut angezogener Burſch. Er fheint etwas Beſtelltes zu haben, denn er bat ſchon drey Mahl meine Gondel angeftarıt, als ob er mir fie feil machen wollte. Wenn ih nicht irre, Rebe er noch dort und paßt auf.

Hofm. (achelnd gu Stanca.) Und wenn mich mein Geſicht nicht trügt, fo ift er es!

Bianca. -Nun, fo laſſen Die uns ihm auf guf Glück das Zeichen geben! Ein Sremder verfteht es ja doch nicht. (Sie bebt den Schiever auf, und ficht durch ein Asınglad allentbalben fi um. Die Hofmeiſteriun ſchwingt «in weißen Tuch; ſogleich rufe Bianca) Er kommt er kommt fhon! Ah, wie er eilt! Eine Schwalbe, duͤnkt mich, würde athemlos hinter ihm herflattern!

Hofm. Iſt er nicht ſchoͤn?

Bianca. Wenigſtens ziemlich gut gewachſen, fo viel ich ſehen kann! (für na.) Ziemlich ſagte ich? Gütiger Himmel, verzeih mir dieſe Lüge! Ich habe noch nie einen fhönern Mann gefehen.

Hofm. Werfen Sie doch Ihren Schleyer über! Er ift ja ſchon de.

Bianca. (indem fie es mu). Sie haben recht. für A.) Wüste ich doc in meinem Leben nicht es fe ungern gethan zu haben!

Bonav. (ind Sciff tretend.) Verzeihen Sie, meine Damen, verjeiben Sie der Dreiſtigkeit eines Unbe⸗

B 2

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von BO rose.

Sannten!: Und Eie, fhönfte Signora Bianca, fehen Sie hier zu Ihren Füßen

Bianca. Cipn autpattend.) Nicht doch, Eignor! Bedenken Sie, wo wir find, Meine Pflegemutter bat mir gefagt, daß Zie mein Vorwort wegen eines unylüdlichen Freundes anflehen wollten

Bonav. (feuriend.) Sa wohl, einds unglüdlihen Freundes!

Bianca. Hurtig daher, Signor! Iſt irgend dinige Kraft in meiner Schwäche befindlich, iſt es mir Ihnen zu nützen möglich, fo reden Sie frey und brein ! |

Bonav. DO wer könnte Dad, ſobald man Eis ſieht und hört? Engel des Himmels, diefe ınelodis fhe Stimme

Bianca. einfattend) Keine Schmeicheleyen, Signor, wenn ich bitten darf ! Sch höre fie nie gern? auch an rubigern Orten nicht, als diefer ba iſt. Lieber zur Sache ſelbſt! Wodurch kann ih Joren bedraͤngten FJreund retten?

Bonav. (forternd.) Könnte ih nicht zwar aber doch

Hofm. Ih merke es fhon, Siguor, meine Ger

genwart hindert Sie. Eo gern ih Sie auch ſprechen bore, fo will ih DLoh auch ungebethen, aus Freund⸗ ſchaft für Zie, diefen Zwang Ahnen erfparen. (Bie geht auf die andıre Seite des Schiffs.)

Bonav. (ihr naa.) Eine Büte, die mich befhamt ! (ju Bianca.) Zwar find wir nun allein, ſchönſte, edelite Signora! Aber noch habe ih ein anderes Be⸗ gehren, bevor ih zur Hauptbitte fomme. Edlagen ie dieſen mißguͤnſtigen Schleyer zurück! Wenn ich

N

os. 9 wm

gewürdigt werde, Ihre Augen zu feben, diefe. Augen, - an denen die fihaffende Natur ihr Meifteritüc volle brachte, dann werde ich nicht nur neubefeelt mich füh⸗ Ien, fondern auch in ihnen Iefen können, ch mein Freund Erhörung finder. |

Bianca. Eie haben eine Sprache, die mir noch ganz neu, und einen Zon, ber mir bey einem Fürs ſprecher ganz unerwarter iſt. Aber eben diefer Zelten» beit und meiner Neugierde wegen, fey es Ihnen ges währt! Gie ſchlagt den Schiene auf) Doch auch nun Feine Umjtände weiter! Was fordern Sie?

Bonav. Nichts, als ein einziges Wort, edle &ignora! Der Eleinfte,, günftigite Hau Ihres Muns des, der Eleinfte zufriedene Wink Ihres Auges wirb einem Unglücklichen das Reben wieder fhenken, das er ſo eben zu verlieren in Gefahr ſteht.

Bianca. Aber für welches Verbrechen fol er denn fterben ? |

Bonav. (mis zitternder Stimme.) Füͤr die ſchuld⸗ loſeſte Verwegenheit, die jemahld im Bufen eines. Sterblichen ſich einſchlich. Tiefer Unglückliche liebt liebt mit Flammengluth; liebt Sie, ſchönſte Bian-⸗ ca; und dieſer Ungluͤckliche dieſer Frevler bin ich!

Bianca, (erfauıt.) Wie, mein Herr

Bonav. (rafb.) Nein, götslihe Schöne, verzb⸗ gern Sie noch Ihren Ausfpruch! Laffen Sie mid) noch. einige Angenblide hindurch der glücklichſten Minute meines Daſeyns genießen: noch ein Mahl in diefes Auge bliken, das ein Chaos mit Schönheit, und ein Grab mit Leben begaben Eöunte! Ach, ich zittere vor der Nacht, die von aun an mein Leben verdun⸗

teln, aber, zu meinem einzigen Trofte, auch bald enden wird, enden muß. (Blanca laͤtzt Hier den Sieger finfen, denn die Bofweſſte naht ſich Ihnen wieder.) Hofm. Sind fie fertig, junger Mann : Gondel ift am Lande! Bonav. Sogleich, Signoral Nun we ebelmüthige Bianca, ſprechen Sie nun das Urt!

meines Freundes! Von Ihrem Munde wird er fe

Verdammniß mit ſchweigender Ergebung hinnehmen bodenlos auch der Abgrund -ift, in melden Sie dann hinabſtuͤrzten. Darf er hoffen?

Bianca. (nad einer Beinen Paufe) Sagen ( ihm : feine Verwegenheit fey zwar fehr groß; denn dürfe er hoffen! Sein Zürfprecher fey allzu : gewählt, als ba er nicht wenigſtens auf meinen gu Willen vechnen könne.

Bonav. (voll Entzüden.) Edelfte alle r edlen! netianerinnen! Nie hat der Mund himmliſcher Friede bothen erquicdender gefprochen. Kräftiger wird d Nachricht meinen gebeugten Freund aufrichten, als Eommertegen verwellende Baaten. (Gr min den S iheed Kleides Füffen; ſie reicht ihm die Sand. Er wendet alsdann zur Hofmeierinn.) Gütige Signora! mein Freu befigt wenig, und doch von nun an mehr, als der gr te König des reihen Indiens. Er befhwor mid, Fall, daß ſein Flehen Statt fände, nicht eher abzul fen, bis Sie diefe Kleinigkeit in feinem Nahmen, gleih er Ihnen noch fremd ift, angenommen f ten. Verfhmähen Sie diefe Bitte eines Unbekann verfhmähen Sie die Meinige nicht! (Er reich

sch 25 0

eing volle Börfe und entfernt füch Früher , ee fie ſich noch be⸗ Annen kann, mit ſtarrem Blick auf Blanca.) Hofm. Signor! was wollen, ‚was denken Sie?

Nehmen Sie wieder zurück! Wofür Ah,

verſchwunden wie ein Geiſt beym erſten Hahnenruf! (die Börfe öffnend.) ieh da, Gold! eitel Gold! O ges wiß war es Salviati felbft! Hat er Ihnen nice feinen Nahmen gejagt? .

Bianca. (gielgiam erſchredend.) Ich Thoͤrinn! Habe ich daran wohl mit einer Sylbe gedacht!

Hofm. Aber die Sache ſelbſt? Darf ih wiſ⸗ ſen, wovon er ſprach? |

Bianca D allerdings! Bon von im Bapıpeit

Hofm. Schon gut! Ich merke, meine Frage mißfaͤllt, und ich erlaſſe Ihnen die Antwort. Nur daß Sie feine Bitte ihm ja gewähren, wofern ſie bil⸗ lig ift! (den Beutel wieder eröffnend.) Lauter Gold! In der That, diefer Tag ift gut, für mich! _

[3

Was Bonaventuri jetzt im Taumel ſeiner Wonne Bianca's Hofmeiſterinn als Geſchenk uͤberlieferte, war

wirklich eine ziemlich anſehnliche Summe, denn es war

der ganze kleine Nothpfennig, den er ſeit einigen Jah⸗

‚ren in Salviati's Dienſten ſich erübrigt hatte; war nicht

weniger, ‘als ſein Alles. Und doch hatte er auch mit der Verſicherung recht: „Alle Monarchen Indiens dünkten ibm jetzt, im Vergleich feiner ferbft, Bettler zu fen!” Er eilte wieder in fein einfames Gemach; er warf fih mit einer ganzen Fluth von Freudenthraͤnen auf fein Lager, „Bogen Sie ihm, er dürfe hoffen !”

rn OA eroca Dieß wiederhohlte er ſich itet3 ; bald leiſe, bald Ta Wer ihn jegt durch eine Ritze der Wand belauſcht h te, würde geſchworen haben, daß Dieß die Freude nes Wahnſinnigen ſey.

Aber nicht lange ſprach er mit ſich allein dav Er hatte dieſen Morgen, was ſonſt nie geſchah, dem Schreibezimmer gefehlt. Er erſchien bey der X. mit merklich geänderter Miene. Zwar ließ er wie die Schüffel unangerührt bey ſich vorübergehen; a deito Öfter ſprach er ebenfalld gegen feine ©: dem Keldyglafe zu. Ein frohes Wort folgte da dem andern. Martelli jtaunte mehr ald zehn M ihn an, und begriff ihn nicht. Nach der Tafel, fob er feiner allein habhaft werden Eonnte, drang er f gend in ihn. Heilig hatte fi) zwar Bonaventuri v genommen, Niemanden, ja Niemanden! nur eine © be von dem ganzen Morgen Abenteuer zu entded Doch wie ſchwer laßt fi die Hoffnung freudiger Li verichweigen! Wie fait unmoͤglich ift ed einem forſch den Freunde zu widerſtehen! Martelli erfuhr 5 Alles.

Er ftußte, ald Bonaventuri feine geftrige Kül beit geftand, er fiußte noch mehr, als er auf bei fam. &tumm, nur dann and warn mit einem kleu Kopffgütteln, hörte er der Erzahlung zu. Bonav turi, als er nun fertig war, mußte zwey Mahl i fragen: was er von dem Allen denke?

Mart:. Daß ich nicht der alfe Capello fegn, u nur einen Funken Argwohn von dieſem Worgange | ben möchte !

Bonav. Und was wollteft du dann thun I

wen 95

Mart. Eine Hofmeifterinn dieſer Art tiefer ind Mriatiſche Meer werfen laſſen, als je ein Done > den Ring am’ Bermählungstage: | Bonav. (valblachend.) Sonderbarer Mann! wer ſpricht von der Hofmeifterinn? Was du von Bianca, ihrem Betragen, ihrer Antwort denkſt; das will &b wiffen.

Mart. Unb aufrichtig ? |

Bonav. Allerdings.

Mart. Daß auch das trefflichſte Mädchen nur ein Mädchen iſt; daß aber ein Mann nie Mann ju fenn vergeffen follte !

Bonav. Schade, daß ich diefen Gittenfpruch nicht ganz, mwenigften® hier nicht ganz verftehe!

Mart. Sahſt du wirklicy Eeinen Blick ihres Aus - ges, der.zürnte? Hörteft Eein Wort, das did ſtraftes

Bonav. Keines.

Mart. Fragte ſie denn nicht einmahl, wer du wäreſt?

Bonav. Nein!

Mart. Unbegreiflih ! Und fagte doch wirklich, dag du hoffen dürfteft ? |

Bonav. Sie fagte es.

Mart. Viel, nnendlid viel! Mehr, als ich dem reichſten jungen Mobili beym erften Angriff verfprochen hatte! Aber auch wahrlid nur ein Rieſenſchritt zum Abgrund. Wie Das nun fortgehen fol, haft du auch

Das überdadt? | Bonav. (verdriehtib.) So weife gefprochen , baß deine Worte, daß diefe Figur der Frage ber erite befte Pater in feiner Faften = Predigs brauchen Eönnte! Frey⸗ lich, wer zukünftige Dinge vorausfähe! (Häpnits.) Doch

wm 26 vw !

laß mir nur ein Paar Minuten Zeit! Bey einem Glaſe Wein läßt ſich eine fo unwichtige Sache ſchon übe re denfenz ja, durchdenken wohl gar!

, Dart. (ganz gelaſſen.) Merkſt du nicht, lieber Pietro, daß deine Zunge anſtößt? Und fließt du nicht ſchon aus diefer Ungeläufigkeit deiner Rede, daß Spott Spott Über einen forgfamen Freund? bier nicht am rechten Orte ſtehe? DVerlache meine Be⸗ huthſamkeit, fo viel dir beliebt; aber vieleicht wäre bein Teuer ſchon längft ausgebrannt, wenn es nicht meine Kälte bisweilen noch mäßige. Ad, beym Sprunge

"der Tollkühnheit if jeder Stick in die Zukunft

freylich allzu ſchwer und aud allzu trügend. ToltEühn aber nenne ich Jeden, der bey wichtigen Dingen auf nichts weiter, als auf die Gegenwart ſchaut. Zu etwas follte dich doch wohl der dreifte Schritt, den du bey diefem Gefpräbh unternahmft, führen 4

Bonav. Zu meinem Tode, wenn fie Rein fagte!

Mart. Nun! Aber ihr Ja wozu Das! _

Bonav. D des edlen fanften Gefhöpis! Sich bewußt, daß fie tödten könne; fo ſicher tödten könne, ald nur je ein Sort! Und o, die doch mit eden biefer Güte eines Gottes Leben gab, mir Unwürdigen ſolches gab! «mit gelinderm Tone.) Vergib meiner Hitze, Freund! Ihr entſchlüpfen zuweilen Worte, die freylich dich beleidigen können, aber nicht follen. Wie Das fortgehen ſoll nicht wahr, Das fragteft tut O mein Guter, wie Bann ih Das jeht beſtimmen? Aber Zeit, Leidenfchaft und Zufall werden mir fhon Maße regeln an die‘ Hand geben, wenn id auch jetzt noch . nicht weiß, wozu ich greifen TON.

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Mart. Zeit, Leidenſchaft, "Zufalt Drey fehr

ungewiſſe Rathgeber! Ich wünfdte dir fiherere, beim. id liebe did. Laß uns einmahl bas Heer ber Möoͤg⸗

TihEeiten muftern! Aus ihnen tritt oft ie Wirk: lichk eit hervor. Kannſt du wohl hoffen, dich. durch Fleiß oder Glück fo hoch zu heben, daß du einft und dieß einft müßte noch dazu bald ſeyn oͤf⸗ fentlih um Bianca werben dürfte?

Bonav. Eine Frage, als ob id Kaifer in’ Japan. zu werden gebädte! !

Mart. Oder willft du fortfahren, heimlich ihr Herz zu beftürmen? Ein Mädchen zu hinsergehen ſu⸗ hen, das, in der Welt noch unerfahren, vielleicht eit- len Soffnungen Gehör, unbefcheidenen Wünfhen Ges mwahrung geben dürfte? Und wenn fie ed getban, wenn fie ganz dein geworden wäre, könnteſt du dann her⸗ vortreten und zu ihrem Water fagen: Das that ich! Nun verzeiht und gebt fie mir!

Bonav. Elender! was denkt dis von mir?

Mart. Nichts, als daß Liebe leicht in dir eben Das hervorbringen koͤnnte, was fie ſchon im taufenb, wohl! Lültern Menſchen hervorgebracht bat: Änderung unſerer erften tiefften Grundſaͤtze.

Bonav. Nimmermehr! Der Weg zu jeder Ehre, zu jedem Glück fen jegt und immerdar von mir ver⸗ flucht, menn gr durd Erumme Pfade dei Trugs und leitet!

Mart. Oder wie? wenn fie dich mehr als Glanz und Weichlichkeit und Reichthum liebte! Wenn ſie zärtlich ihren Arm um deinen Nacken wuͤrfe, und mit bir in einen einſamen Winkel der Erde Höhe?

Ten, aber, zu meinem einzigen Trofte, auch bald enden wird, enden muß. (Blanca 1äßt Hier den Sqhleyer ſinken, denn die Bofmeſſte naht ſich Ihnen wieder.) Hofm. Sind ſie fertig, junger Mann? : Gondel ift am Lande! Bonav. Sogleich, Signoral Nun we ebelmütbige Bianca, ſprechen Sie nun das Urt

meines Breundes! Von Ihrem Munde wird er fe

Verdammniß mit ſchweigender Ergebung hinnehmen bodenlos auch der Abgrund iſt, in welchen Sie dann hinabſtuͤrzten. Darf er hoffen?

Bianca. (nad einer Leinen Paufe) Sagen ( ihm : feine Verwegenheit fey zwar fehr groß; denn dürfe er hoffen! Gein Fürſprecher ſey allzu | gewählt, als daß er nicht wenigſtens auf meinen gu Willen vechnen Eönne. .

Bonav. (vou Entüden.) Edelſte alle v edlen‘ netianerinnen! Nie hat der Mund himmliſcher Friede bothen erquickender geſprochen. Kraͤftiger wird d Nachricht meinen gebeugten Freund aufrichten, als Sommerregen verwelkende Saaten. (Gr win den © Idee Kleides küſſen; flo reicht ihm die Hand. Er wendet alddann zur Hofmeifterinn.) Gütige Signora! mein Brei befigt wenig, und doch von nun an mehr, als ber gr te König des reihen Indiens. Er befhwor mid, Fall, daß ſein Flehen Statt fünde, nicht eher abzul fen, bis Sie dieſe Kleinigkeit in feinem Nahmen, gleich er Ihnen noch fremd iſt, angenommen f ten. Verſchmaͤhen Sie dieſe Bitte eines Unbekann

verſchmaͤhen Sie die Meinige nicht! (Er reiche

rel 25 .. N eing volle Boͤrſe und entfernt ſich früher , ehe fie ſich noch be⸗ innen Tann, mie ſtarrem Blick auf Bianca.)

Hofm. Signor! was wollen, ‚was denken Sie! Mebmen Sie wieder zurück! Wofür Ah, verfhwunden wie ein Geift beym eriten Hahnenruf! (die Börfe öffnend.) Sieh da, Som! eitel Gold! O ges wiß war es Salviati ſelbſt! Hat er Shnnen nicht feinen Nahmen gefagt!. |

Bianca. (gieigfam erſchredend.) Ich Thörinn !— Habe ich daran wohl mit einer Sylbe gedacht! Ä

Hofm. Aber die Sache ſelbſt? Darf ich wiſ⸗ fen, wovon er ſprach? |

Bianca D allerdings! Bon von in Bapıbeit

Hofm. Schon gut! Ich merke, meine Frage mißfaͤllt, und ich erlaſſe Ihnen die Antwort. Nur daß Sie feine Bitte ihm ja gewähren, wofern ſie bil⸗ lig iſt! (den Beutel wieder eröffnend.) Lauter Gold! In der That, diefer Tag ift gut, für mich!

Was Bonaventuri jetzt im Taumel ſeiner Wonne Bianca's Hofmeiſterinn als Geſchenk uͤberlieferte, war wirklich eine ziemlich anſehnliche Summe, denn es war der ganze Eleine Notbpfennig, den er feit einigen Jah⸗ ‚ven in Salviati's Dienften fich erübrigt hatte; war nicht weniger, als fein Alles. Und doch hatte er auch mit der Verfiherung recht: „Alle Monarchen Indiens dünften ihm jest, im Vergleich feiner ferbft, Bettler zu feyn!” Er eilte, wieder in fein einfames Gemach; er warf ſich mit einer ganzen Fluth von Freudenthzaͤnen auf fein eager. „Basen ie ihm, er börfe hoffen !”

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Dieß wiederhohlte er fi itet3 ; bald leiſe, bald Ta Wer ihn jetzt durch eine Ritze der- Wand befaufcht h te, würde geſchworen haben, daß Dieß die Freude ned Wahnfinnigen fep.

Aber nicht Tange fprah er mit fich allein dav Er batte diefen Morgen, was fonft nie geſchah, dem Schreibezimmer gefehlt. Er erfhien bey der T. mit merklich geänderter Miene. Zwar ließ er wie die Schüffel unangerührt bey ſich vorübergehen; a deito Öfter fpradh er ebenfalld gegen feine ©i dem Kelchglaſe zu. Ein frohes Wort folgte da dem andern. Martelli jtaunte mehr ald zehn M ihn an, und begriff ihn nicht. Nach der Tafel, fob er feiner allein hbabhaft werden Eonnte, drang er f gend in ihn. Heilig hatte fi) zwar VBonavensuri v genommen, Niemanden, ja Niemanden! nur eine be von dem ganzen Morgen- Abenteuer zu entded Doch wie ſchwer laßt fih die Hoffnung freudiger Bi verſchweigen! Wie fat unmoͤglich ift es einem forſch den Freunde zu widerſtehen! Martelli erfuhr b Alles.

Er ftußte, ald Bonaventuri feine geftrige Kül beit geftand, er ftußte noch "mehr, als er auf be Fam. Stumm, nur dann and wann mit einem Ele Kopffütteln, hörte er der Erzählung zu. Bonav turi, aid er nun fertig war, mußte zwey Mahl | fragen: was er von dem Allen dene?

Mart: Daß ich nicht der alfe Gapello fegn, u nur einen Funken Argwohn von diefem Worgange | ben möchte !

Bonav. Und was wollteft du dann thun ?

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Mart. Eine Hofmeifterinn diefer Ark tiefer ind adriatifhe Meer werfen laffen, als je ein Doge den Ring am’ Vermählungstage:

Bonav. (Galblachend.) Sonderbarer Mann! wer fpricht von der Hofmeifterinn? Was du von Bianca, ihrem Betragen, ihrer Antwort denkſt; das will &h wiffen.

Mart. Und aufrichtig |

Bonav. Allerdings.

Mart. Daß auch das trefflichſte Maͤdchen nur ein Maͤdchen iſt; daß aber ein Mann nie Mann zu ſeyn vergeſſen ſollte!

Bonav. Schade, daß ich dieſen Sittenſpruch nicht ganz, wenigſtens hier nicht ganz verſtehe!

Mart. Sahſt tu wirklich keinen Blick ihres Au⸗ ges, der.zürnte? Hoͤrteſt kein Wort, das di ſtraftes

Bonav. Keines.

Mart. Fragte pet denn nicht einmahl, wer du wareft ?

Bonav. Nein!

Mart. Unbegreiflich! Und fagte body wirklich, daß du hoffen dürfteft ?

Bonav. Sie fagte ee.

Mart. Viel, unendlich viel! Mehr, als ich dem reihften jungen Nobili beym erften Angriff verfprochen hatte! Aber auch wahrli nur ein Rieſenſchritt zum Abgrund. Wie Das nun fortgehen fol, haft du auch

Das überdacht? | Bonav. (verdrießlich.) So weiſe geſprochen, daß deine Worte, daß dieſe Figur der Frage der erſte beſte Pater in feiner Faſten-Predigt brauchen konnte! Frey⸗ lich, wer zukünftige Dinge vorausſaͤhe! (Häpnits.) Doch

mn 90 ws laß mir nur ein Paar Minuten Zeit! Bey einem Glaſe Wein läßt fi eine fo unwichtige Sache fiyon übe re denfenz ja, durchdenken wohl gar!

Mart. (gang gelaſſen.) Merkſt du nicht, lieber Dietro, daß beine Zunge anftößt? Und fließt dus nicht ſchon aus diefer Ungeläufigkeit deiner Rede, daß Spott Spott über einen forgfamen Freund

bier nicht am rechten Orte ſtehe? DVerlache meine Bez .

huthſamkeit, fo viel dir beliebt; aber vielleicht wäre bein Feuer ſchon Tängft ausgebrannt, wenn es nicht meine Kälte bisweilen noch mäßigte. Ah, beym Sprunge

"der Tollkühnheit ift jeder Blick in die Zukunft

freylich allzu ſchwer und auch allzu frügend. ToltkEühn aber nenne ich Jeden, der bey wichtigen Dingen auf nichts weiter, ald auf die Gegenwart ſchaut. Zu etwas follte dich doch wohl der dreiftie Schritt, ben dus bey diefem Geſpräch unternahmft, führen %

Bonav. Zu meinem Tode, wenn fie Nein fagte !

Mart. Nun! Aber ihr Ja wozu Dast _

Bonav. D des edlen fanften Geſchoͤpfs! Sich bewußt, daß fie tödten könne; fo ſicher tödten könne,

als nur je ein Gore! Und o, die doch mit eden diefer

Güte eines Gottes Leben gab, mir Unmwürdigen foldyes gab! (mit gelinderm Tone.) Vergib meiner Hitze, Hreund! Ihr entfchlüpfen zuweilen Worte, die freplich dich beleidigen Eönnen, aber nicht follen.— Wie

Das forsgeben ſoll nicht wahr, Das fragteft tu O -

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regeln an die‘ Hand geben, wenn ich u jegt noch

nicht weiß, wozu ich greifen PN.

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Mart. Zeit, Leidenſchaft, Zufall! Drey ſehr

ungewiſſe Rathgeber! Ich wuͤnſchte dir ſicherore, denn

ich liebe dich. Caß ung einmahl bad Heer ber Moͤg⸗

TihEeiten muftern! Aus ihnen tritt oft die Wirk: lichkeit hervor. Kannſt dur wohl hoffen, dich.

dur Fleiß oder Glück fo hoch zu heben, daß du einft und dieß einft müßte noch dazu bald feyn oͤf⸗ fentlih um Bianca werben dürfte?

Bonav. Eine rage, als ob ich Kaifer in Japan.

zu werden gebächte! !

Mart. Oder willſt du fortfahren, heimlich ihr Herz zu beftürmen? Ein Mädchen zu bintergehen ſu⸗ chen, das, in der Welt noch unerfahren, vielleicht eit⸗ len Hoffnungen Gehoͤr, unbeſcheidenen Wünfhen Ges währung geben dürfte? Und wenn fie es gethan, wenn fie ganz dein geworden wäre, könnteſt du dann her⸗ vortreten und zu ihrem Mater fagen: Das that ich! Nun verzeiht und gebt fie mir!

Bonav. Elender! was denkft dis von mir?

Mart. Nichts, ald daß Liebe leicht in div eben Das hervorbringen könnte, was fie ſchon in tauſend,

wohl kaͤltern Menſchen hervorgebracht hat: Änderung

unferer erften tiefften Grundſaͤtze.

Bonav. Nimmermehr! Der Weg zu jeder Ehre, zu jedem Glück fen jegt und immerdar von mir ver« flucht, menn gr durch Erumme Pfade des Trugs uns leitet ! ..

M art. Oder wie? wenn fie did mehr als Glanz

und Weichlichkeit und Reichthum liebte! Wenn fie

zärtlid; ihren Arm um deinen Naden würfe, und mit dir in einen einfamen Windel der Wide Höhe?

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Bonav. Buter Gott, er würde mir zu eim Elyjium werden!

Mare. Sch glaube ed, fo Tange ihr verborg bliebet. Denn von Eünftiger Erkaltung deiner Slam will ich dir jege nicht einmahl etwas vorſchwatzen. einem Augenblick, wie dieſer gegenwärtige, müßte e folde Vermutbung dir Unſinn dünken. Aber ner mir das Geheimniß, Bonaventuri, das immer Geheimniß ‘blieb; das nicht einit, felbft von zehnfad Hoͤhlen bedeckt, ans Sonnenlidt trat! Und we man dann euch fände! Die Wuth gekränkter Altern

Bonav. (ihm unterbrechend.) O, Die würden vi leidt nachgeben! gewiß nahgeben! Knien cit Tochter, Thraͤnen eines einzigen lang vermißten X bes! ach! was konnten Die nit abwenden,

Mart. Auch den Dolch mißgünſtiger Anv wandten? auch den Zorn eines ſtolzen Geſchlechts, ſich durch deine Verichwägerung für beleidigt, für ſteckt erachten würde?

Bonav. (verdrießtich.) Das fol ed nie zu mäpr Urſache baden. Zudem mus fihtit du fo eifrig ı einen felsit gemadten Schattenbilde? Habe wohl einen von dieſen drey Vorſchlaͤgen im Sinne? Nein! lieder wil ih mich ia Stillen verzehren, nah Bianco's Beſitz fireben, und aus unbefiheide Gelbftliche diefes ıheure Mädchen um dad Glück ih Lebens betrugen! (mir Barme.) Zwar ut ſie mein & fefter, meii einziger Wunſch; mein erſter Geda— beym Erwachen, mein leßter beym Einſchlumme In ihe nur lebe ich ! bore, ſehe, fühle in dem gan, weiten Getümmel der midy umfließenden Welt nur S nur Sie, die Einzige! Aber dennoch entfage ic)

voson 29. .n

muthig; dennoch genügt mir das füße Bewußtſeyn: Es gab einen Augenblick, wo fie geſtand, daß fie mich nicht haſſe; ein Augenblick, wo icy empfand, daß nicht Ungleichheit der Seele, fondern nur äußeres Flitters werk diejes elenden Lebens und von eitiander trenne. Und mit diefem Troſte will ich feiten Bußes felbft den Zod, wie eine Braut, erwarten.

M art. (mir warnendem Ton.) Bruder, Bruder! du nimmt dir viel vor! | |

Bonev. Nicqht mehr, als ich halten ann! Sch danke dir, Freund, für deine Warnung. Ih will dir, deiner Sreundfihare und mir felbft nie Schmach erwer- ben; will von nun an Bianca nice weiter fprechen. Mein Geiſt fol um fie ſchweben, aber nie mehr mein Körper. Und wenn ih nad Mehrerem firebe, wenn ich je diefen Schwur verlege, dann mag mid Derjeni» ge ſtrafen, der Meineide firaft; der Herz und Nieren prüft! (Er gehe ſchleuntgſt ab, indem er ſich die Augen strodnet.) '

Mart. (alten Wie ſchön Das tönt! Wie ſchön Das ſchimmert! Und dech arıner Freund ! ich fürd- te, ich fürchte, dieſes glänzende Merall it nichts wei⸗ ser, als ein übergülderes Meffing. Sein Werth ver ſchwindet, jobald es auf den Probierftein kommt. dab.)

Ja wohl befand fih Bonaventuri jest im Zu: ftante der Prüfung! Verſchwunden war fein froher Rauſch. Trog feiner Anmaßung von Entfdloffenheit und Edelfinn, ſchlug ihm fein Herz qualvoll und unges wiß. Zu taufend Mahlen durchdachte er alltaͤglich jedes Wort, das Blacna geſprochen hatte; war en ſo künſtlicher, ſo tief durchſpaͤhender Ausleger von je—

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rn BA cos0n Dieß wiederhohlte er fi ſtets; bald leiſe, bald laut. Wer ihn jest durch eine Ritze der Wand belaufcht hät⸗ te, würde geſchworen haben, daß Dieß die Freude ei⸗ nes Wahnfinnigen fey.

Aber nicht large fprach er mit ſich allein davon, Cr batte diefen Morgen, was fonft nie geſchah, auf dem Schreibezimmer gefehlt. Er erfchien bey der Tafel mit merklich geänderter Miene. Zwar ließ er wieder die Schüffel unangeruhri bey ſich vorübergehen; aber deito Öfter fprah er ebenfalld gegen feine Sitte dem Kelchglafe zu. Ein frohes Wort folgte haſtig dem andern. Martelli jlaunte mehr als zehn Mahl ihn an, und begriff ihn nicht. Mac der Tafel, fobald er feiner allein babhaft werden konnte, drang er fras gend in ihn. Heilig hatte fih zwar Bonaventuri vor⸗ genommen, Niemanden, jaNiemanden! nur eine Öyf- be von dem ganzen Morgen Abenteuer zu entdeden. Doch wie ſchwer Tai fih die Hoffnung freudiger Liebe verſchweigen! Wie fait unmöglich ift e$ einem forſchen⸗ den Freunde zu widerfichen! Martelli erfuhr bald Alles.

Er ſtutzte, als Bonaventuri feine geftrige Kühne beit geitand, er ſtutzte noch mehr, als er auf heute Fam. &tumm, nur dann and wann mit einem kleinen Kopffhütteln, hörte er der Erzählung zu. Bonaven⸗ turi, aid er nun fertig war, mußte zwey Mahl ihn fragen: was er von dem Allen denke?

Mart Daß ich nicht der alfe Cavello fegn, und nur einen Funken Argwohn von diefem Vorgange has ben möchte !

Bonav. Und was wollteft du dann thun?

Mart. Eine Hofmeifterinn dieſer Art tiefer ins adriatiſche Meer werfen laffen, als je ein Dose} den Ring am’ Vermählungstage: | Bonav. (alblachend.) Sonderbarer ann! ! wer ſpricht von dee Hofmeifterinn? Was du von Bianca, ihrem Betragen, ihrer Antwort denkſt; das will Kb wiffen.

Mart. Und aufrichtig ? |

Bonav. Allerbings.

Mart. Daß au das trefflichſte Mädchen nur ein Mädchen ift; daß aber ein Mann nie Mann zu ſeyn vergeſſen ſollte!

Bonav. Schade, daß ich dieſen Sittenfſpruch nicht ganz, wenigſtens hier nicht ganz verſtehe!

Mart. Sahſt du wirklich keinen Blick ihres Au: ges, der.zürnte? Hoͤrteſt kein Wort, das dich ſtraſtet

Bonav. Keines.

Mart. Fragte net denn nicht einmahl, wer du waͤreſt?

Bonav. Nein!

Mart. Unbegreiflich! Und ſagte boh wirklich, daß du hoffen bürfteit ? |

Bonav. Sie fagte es.

Mart. Viel, nnendlid viel! Mehr, als ich dem reichſten jungen Nobili beym erften Angriff verſprochen hatte! Aber auch .wahrli nur ein Rieſenſchritt zum Abgrund. Wie Das nun fortgeben foll, haft du auch

Das überdacht? Bonav. (verdriegtih.) So weife geſprochen, daß deine Worte, daß dieſe Figur der Frage der erſte beſte Pater in feiner Faſten-Predigt brauchen koͤnnte! Frey⸗ lich, wer zukünftige Dinge vorausfähe! (Häpnits.) Doch

mn 36 vw rn

laß mir nur ein Paar Minuten Zeit! Bey einem GI Wein läßt fi eine fo unwichtige Sache ſchon üb: denfenz ja, durchdenken wohl gar!

, Markt. (ganz getaffen.) Merkſt du nicht, lie Pietro, daß beine Zunge anftößtt Und fließt nicht fon aus diefer Ungeläufigkeit deiner Rede, dd Spott Spott über einen forgfamen Freund bier nicht am rechten Orte ſtehe? Verlache meine 2 huthſamkeit, fo viel dir beliebt; aber vielleicht wäre d Feuer ſchon längft ausgebrannt, wenn es nicht me Kälte bisweilen noch mäßigte. Ah, beym Spru

"der Tollkühnheit ift jeder Blick in die Zuku

freylich allzu ſchwer und auch allzu trügend. Toltku aber nenne ich Jeden, der bey wichtigen Dingen « nichts weiter, als auf die Gegenwart fhaut. . etwas follte dich doch wohl der dreiſte Schritt, den bey diefem Geſpräch unternahmft, führen %

Bonar. Zu meinem Tode, wenn fie Ne fagte !

Markt. Nun! Aber ihr Ja wozu Das! _

Bonav. D des edlen fanften Geſchoͤpfs! bewußt, daß fie tödten könne; fo ſicher tödten Eön: als nur je ein Gore! Und o, bie doch mit eden bie Güte eines Gottes Leben gab, mir Unmwürbig foldhes gab! «mit gelinderm Tone.) Vergib meiner Hi Freund! Ihr entſchlüpfen zuweilen Worte, die frep) dich beleidigen Eönnen, aber nit follen.— % Das fortgehen ſoll nicht wahr, Das fragteft du! mein Guter, wie Bann ih Das jetzt beflimmen ! A Zeit, Leidenfhaft und Zufall werden mir ſchon M: regeln an die‘ Hand geben, wenn ic aud jet m nicht weiß, wozu ich greifen FON.

wo 27 wuse

Mart. Zeit, Leidenfhaft, "Zufall! Drey fehr ungewiſſe Rathgeber! Ich wuünſchte dir fiherere, denn. id liebe did. Cap ung einmahl das Heer ber Moͤg⸗ lichkeiten muftern! Aus ihnen tritt oft die Wirk: lichkeit hervor. Kannſt du wohl hoffen, dich. dur Fleiß oder Glück fo hoch zu heben, daß bu einft und dieß einft müßte noch bazu bald ſeyn oͤf⸗ fentlih um Bianca werben dürfter?

Bonav. Eine Frage, als ob id Sailer in Japan zu werden gedaͤchte!

Mart. Oder willſt du fortfahren, heimlich ihr Herz zu beftürmen? Ein Mädchen zu hintergehen ſu⸗ hen, das, in der Welt noch unerfohren, vielleicht eit⸗ len Hoffnungen Gehör, unbeſcheidenen Wünfhen Ges wöhrung geben dürfte? Und wenn fie ed getban, wenn fie ganz; dein geworden wäre, könnteſt du dann her⸗ vortreten und zu ihrem Water fagen: Das that ich! Nun verzeiht und gebt fie mir!

Bonav. Elender! was benkft du von mir?

Mart. Nichts, ald daß Liebe leicht in div eben Das hervorbringen Eönnte, was fie ſchon in taufend, wohl kaͤltern Menfchen hervorgebracht hat: Änderung unferer erften tiefften Grundſaͤtze.

Bonav. Nimmermehr! Der Weg zu jeder pre, zu jedem Glück fen jegt und immerdar von mir vere flucht, menn ge dur Erumme Pfade des Trugs und leiter !

M art. Oder wie? wenn fie did mehr als Stanz und Weichlichkeit und Reichthum liebte! Wenn fie zäreli; ihren Arm um deinen Naden würfe, und mis dir in einen einfamen Winkel der Erde Höhe?

2 m

Bonav. Buter Gott, er würde mir zu ein Elyſium werben !

Mart. Sch glaube ed, fo Tange ihr verbor; bliebet. Denn von künftiger Erkaltung deiner Flam will ich dir jege nicht eınmahl etwas vorjchwagen. einem Augenblick, wie Diefer gegenwärtige, müßte e folhe Vermutbung dir Unſinn dünken. Aber neı mir dad Geheimniß, Bonaventuri, das immer Geheimniß ‘blieb; das nicht einit, felbft von zehnfad Hnhlen bedeckt, ans Sonnenliht trat! Und wa man dann euch fände! Die Wuth gefränkter Altern

Bonav. (ihm unterbrechend.) O, Die würden vi leicht nachgeben! gewiß nachgeben! Anien ei Tochter, Zhränen eines einzigen lang vermißten K bes! ach! was Eonnten Die nicht abwenden)

Mart. Auch den Dolch miſigünſtiger Anv wandten? auch den Zorn eines jtolzen Geſchlechts, ſich durch deine Verichwaägerung für beleitigt/ für ſteckt erahten würde?

Bonav. (verdrieß!ich.) Das ſoll ed nie zu mähr Urſache haben. Zudem mus fihtit du fo eifrig ı einen felsit gemadten Schattenbilde? Habe wohl einen von dieſen drey Vorſchlaͤgen im Sinne? Nein! lieber will ih mich ia Stillen verzehren, nah Bionco's Beſitz fireben, und aus unbefiheide Gelbftliche dieſes theure Mädchen um dad Glück ib Lebens betrügen! (mie Bärme.) Zwar ut jie mein h fefter, meui einziger Wunſch; mein eriter Geda— beym Erwachen, mein legter beym Einſchlumme In ihr nur lebe ich ! bore, fehe, fühle in dem gan, weiten Getümmel der mich umfließenden Welt nur S nur Sie, die Einzige! Aber dennoch entfage ic

muthig; dennoch genügt mir das ſüße Bewußtſeyn: Es gab einen Augenblick, wo ſie geſtand, daß ſie mich nicht haſſe; ein Augenblick, wo ich empfand, daß nicht Ungleichheit der Seele, ſondern nur aͤußeres Flitter⸗ werk dieſes elenden Lebens uns von einander trenne. Und mit dieſem Troſte will ich feſten Fußes ſelbſt den Tod, wie eine Braut, erwarten. |

M art. (mir warnentem Son.) Bruder, Bruder! du. nimmit dir viel vor! | |

Bonav. Niqht mehr, als ich halten fann! Ich danke dir, Freund, für deine Warnung. Ich will dir, deiner Sreundfihafe und mir felbfi nie Schmach erwer- ben; will von nun an Bianca nicht weiter fpreden. Mein Seit fol um fie ſhweben, aber nie mehr mein Körper. Und wenn id nach Mebrerem firebe, wenn ich je dieſen Schwur verlege, dann mag mid) Derjeni: ge ſtrafen, der Meineide ftraft; der Herz und Nieren prüft! (Er geht ſchleuntgſt ab, indem er ſich Die Augen trocknet.)

Mart. (allein.) Wie ſchön Das tönt! Wie ſchön Das ſchimmert! Und dech armer Freund! ich fürd- te, ich fürchte, dieſes glänzende Merall iſt nichts wei⸗ ‚ser, als ein übergüldetes Meſſing. Sein Werth vers ſchwindet, jobald es auf den Probierftein kommt. (ab.)

Sa wohl befand ſich Bonaventuri jetzt im Zu⸗ ſtande der Prüfung!’ Verſchwunden war ſein froher Rauſch. Trotz ſeiner Anmaßung von Entſchloſſenheit und Edelſinn, ſchlug ihm fein Herz qualvoll und unges wiß. Zu tauſend Mahlen durchdachte er alltaͤglich jedes Wort, das .Blacna geſprochen hatte; war ein fo künſtlicher, fo tief durchſpähender Ausleger von je:

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dem Blick ihrer Augen, von jedem Haud ihres M— des. Zu taufend Mahlen nahm er fi vor, ihr ı Neuem aufzupaflen, fle anzureben, fih bin zu wer zu ihren Füßen. Sreutig fprang er dann auf und f eben fo ſchnell in dumpfer Unentfchlofienheit zurück. D er gedachte an feine Armuth, die feldft ein neues ( ſchenk für die Hofmeifterinn unmöglich machte; an nen Schwur, und an den graufam = getreuen Spie; ben ibm Martelli fo nahe vorgehalten hatte, daß ftet$ gezwungen war hinein zu fehen, gezwungen i folgen mußte.

Indeß Eonnte man Bianca’ Loos beynabe n banger nennen!— Zwar war Alles, was fie . jegt wußte, reizend und fhön, was fie dachte, a reizender. Eine ganz; neue Schöpfung Tag dor 1 Augen ihres Geiftes ; aber fie war leider einzig derfeiben; hatte nicht einmahl eine vertraute Frei dinn, bey der fie ihre liebekranke Seele durch ſchw meriſche, ſchoͤn klingende Worte zu erleichtern verme hätte. Taͤglich erwartete fie neue Nachricht von ihr Anbether zu hören, und Eeine Nachricht fam. Sch hatte fie wieder einen Gang nad) Zuecca vorgeſchlage und fein Salviati zeigte fih. Unbegreiflich ſch ihr Das. In ſich allein verſchloß fie ihren Gram. N mit ſich ſprach fie oft genug von der Urſache besfelb: Möchte doc nachſtehender Monolog nur einige | Heinften Züge ihrer Empfindung barftellen!

Sie dielt ihn am Morgen bes fünften Zag nach ihrer Unterredung mit dem Liebenswürbigen u auch fihon Heißgeliebten.

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vorn 1 vosen

Bianca. Daran gebraih es noch, daß du auch das Traumbild meiner Nächte würbeft !— Verſcheuchſt du nicht fo bereits die größte Hälfte meined Schlum⸗ mers ? Erfchöpft nicht ſchon der ewige Gedanke an dich mich des Tages hindurd genug? Soll aud Das mir fehlen, was dem Laftträger feine Taften und oft dem : Gefangenen feine Ketten lindert Schlaf, wenn Ale les ruht? Stahl ſich dein Bildniß nicht tief ger nug in das Herz, daß es nun ſelbſt zwiſchen die Wim⸗ per meines zugeſchloſſenen Auges ſich eindrängt ?

Wie er daftand! Wie er flehte! Sein funkelne

der Blick mitten durch Thraͤnen noch glänzend! Seine maͤnnlich⸗ſchoͤne, noch im zitternden Tone lieblich⸗ ſchallende Stimme! Sein Anſtand in Geberde und Bang! Sein o! wann hätte wohl das Verzeichniß ſeiner Vollkommenheiten Maß und Ziel? Aber was ſoll Das? Was nützt Dast— Warum will ih mich einfam abhärmen, wie ein kloͤſterliches Opfer t warum ftumm und Tangfam dahin fehwinden, wie ein Morgennebel am hohen ftiten Gebirge! Ein Wort . von mir, undbiefer Adonis liegt zu meinen Füßen ; lebt für ' mid, für mich Beneidenswerthe nur ! Schwur er mir nicht Liebe! Kann ein Mund, mie der feinige ,. täufhen? Bin ich nicht eines edlen Geſchlech⸗ te8 letzte Sproffe? Iſt Er nicht das Haupt eines ge: ebrten Haufest Sind nicht die Töchter des Eönigli« hen Venedigs ſchon oft die Zierden von Florenz ge: worden ?— (nachdentend. Ein Wort nur Eofter es mich 3 O ich will diefe6 Wort ausfpreden! Eines Win« kes bedarf es nur? Wohlan, ich will ihn geben !-Tenn ſchon ſehe ich, ohne dieſes Wort und diefen Wink ers fgeint es nimmer wieder. Allzu furchtſamer Sal⸗

wen 59 u.

viati! ich follte es nicht chum, aber ich will es! Wenn er dann dankbar vor mir knieet; wenn ev, n mehr der zitternde Verbrecher ſich jetzt mit ſtumn Entzücken erhebt, jetzt das ſchamhaft erröthende V chen mit feurigen Küſſen umarmt; o dann, da milder Himmel, dann trage mit Nachſicht die dai fineende Echwärmerinn !

Einen. Aufruf an ihren Geliebten ergehen zu fen, dazu war alfo Bianca feit entſchloſſen; dod u dieſer Auf ihn erreichen Eönne, darüber berathfchla fie nod. Es war ihre erſte Liebe, und fie verft fih daher ſchlecht auf Lift und Beftehung. Dody ic fie weisfih, noch während diefer Unfclüffigkeit, entfcheidenden Brief, und fand den Briefträger d bald genug.

Denn nichts bleicht fo ſchnell die Mädchenwan— als verſchwiegene Liebe; und die Hofmeiſterinn hi zu feſt an der holden Bianca, als nicht bald ihre V änderung zu merken, und mit liebevollem Ernft n deren Urſache zu forſchen.

„Es it umſonſt, liebe Bianca!” redete fie fol eintt an „Shre angenommene Munterkeit tauf „mich nicht. Sie hegen im Innerſten Ihres H

„zens einen Gram, der Sie verzehrr.”

Bianca. Nicht doc, meine Tpeuerfte! a nicht doch !

Hofm. Nicht doch? und felbft dieß: Nici do ch mit einem Deufzer begleitet dO diefe abgebär te Wange, dieſer Abſcheu vor Gpielgefelfhaft u Epeife, diefe Unruhe bey Nacht, dieſes Traͤumen

Ta⸗

wre 35 Tage, diefer bange herumirrende Bid, - d! diej Alles iſt nicht umjonft da.

Bianca. Und wenn es nun ſeine Urſachen haͤt⸗ te! Was dann?

Hofm. D dann, Mittheilung derfelben! Eis gießung Ihres Grams in meinen Sie liebenden Bus fen! War ich nicht immer miehr Ihre Freundinn, als Auffeherinn? War es nicht Wolluft für mich, jeden Ihrer kleinſten Wünſche zu errathen und zu gewähren ? Haben Sie jemahls etwas von mir vergebens begehrt } Oder babe ich je mein Anſehen und’ Ihr Vertrauen gemißbraucht ?

Bianca. Nie! nie! Nur foffen Sie mich jetzt!

Hofm. Nie weniger, als eben jest! Sch will Sie mit Fragen entkräften, fo oft wir allein find; win mich feft an Sie fchließen, wohin Sie geben, und felbft in Geſellſchaft Ihnen in das Ohr raunen: Ente deckung Ihres Kummers, mißtrautfhe Bianca! So will ih, bey der Hochgelobten fey es gefhworeny fortfahren, bis ich Ihren Eigenfinn überwunden habe!

Bianca (ſchmeribaft Tähelnd.) Und wenn id) ihn nun felbft überwände, würden dann meine Wuͤnſche Erhörung finden!

Hofm. In jedem Billigen gewiß. und es was Unbilliges wird die edle Capello nicht begehreri.

Bianca. So recht, Das genügt mir! Wiſſen Sie dann, theuerfte Signora, befte einzige Sreundinn, meine mir- übrig gebliebene Mutter, willen Sie dann, gen auf zwey Secunden nicderſchlagend.) Ich liebe; 6 ianca ſchmeichelnd geſprochen / nun führt fie mie Warme for): Salviati, diefen liebenswüre digen Fremdling, mit Igm Sie ſelbſt * neulich be⸗

Meißners Bianca Cap. 1. ht.

wen 34 una:

dannt machten. Und aud er glüht für mid. halb nur fuchte er mich zu fprechen. Er felbft war | Verbrecher, für den er barh. Liebe zu mir war fi Verbrechen; Gegenliebe war feine Bitte; ich fagte ihm zu, und ich halte fie.

Hofm. (alb erkaun.) Was figen Giet - Sit ed möglich ?

Bianca. Fragen Sie lieber: ob bad Geg theil möglich fey ? Ihn fehen und ihn lieben, n das Werk einer Minute. Was fag id ? Einer Minu D nein! Einer Secunde! Einer Secund » Secun! Selbſt wenn er fein Wort gefprochen hätte, wäre ihm m Herz anheim gefallen; und jetzt, jegt ift es feſt, fter ald mit demantnen Ketten an ihn gebunden; iſt es heiliger als Glaubenspflichten bey mir befchloife Nur er, oder nie ein Sterblicher fol mein Gem werden! |

Hofm. Bianca! liebe Bianca !

Bianca. Liebe Eignora, Eeine Widerfprüd &ie find Samenkörner auf Zelfen gefireut. A was Salviati ausfate, traf ein guted Land.— | fühl’ e3, ohne ihn würde ich nie (eben Eönnen, die Elendejte aller Elenden noch gegen mich beneide würdig finden. Wohin ich nur blicke, erblicke ich if fo oft ih nur denke, denke ich mir ihn; fo oft ih ı rede, möchte ich Taut den Nahmen Salviati ausruf O Salviati! Salviati!

Hofm. Aber was wollen Sie?

Bianca. Sie bey allem, wa heilig iſt, bey Ihrer zärtlichen liehe, bey m ner kindlichen Ergebenbeit, bey rquell aller Li befgwören: mir auch jekt Ihren Bepitand zur A

N en wertb ı

a

irn ZH own fühtung meines Vorhabens, das, wie Cie wohl fes ben, meine Ehre nicht befledt, zu gönnen. Das bitte und fordere ich von Ihnen,

Hofm. Laſſen Sie mich minderteng zu Wor⸗ ten kommen, gute Bianca! Zwar ſollte ich aller⸗ dings ſchon über eine ſo heftige Liebe gegen einen un— bekannten, kaum ein Mahl von Ihnen geſehenen Mann erſtaunen. Doch kenne ich dieſe Art von Leidenſchaft bereits: je ſchneller ſie kommt, deſto heftiger, jedoch zum Glück auch deſto kür zer wüthet ſie.

Bianca. Elende, trügliche Kenntniß! Haben Sie mein Herz noch nicht beſſer geprüft? Wiſſen Sie nicht, daß es eben ſo ſtandhaft ausdauert, als ſchnell wählt? Habe ich je unter den Tauſenden, die ich ſah, Einen geliebt, auch nur Einen, wenigſtens mit Wärme, erhoben? O nein! Nur Salviati muß man ſeyn, um mir zu gefallen, um mich auf immer, auf immer! anf feifeln.

Hofm. Die wahre diebe mit allen ihren Täuſchungen! Sie gibt Schattenbilder einen Körper, verſtopft die Ohren der Jugend vor Vernunft und Warnung, und

Bianca (verbrießtih.) Und und! Keine Eittenfprüdhe, Signora! Um Ihre Mithülfe, nicht um Ihren Unterricht, flehe ih Sie jetzt an.

Hofm. Aber fielen Sie fih denn die Hei— rath eines Fremdlings als eine fo ganz leichte Sache vor, daß man nicht erſt Ältern und Freunde um Rath befragen, nicht erſt ſich ſelber unterfuchen müſſe: aus idelchem Grunde man liebe?

Bianca. Kann ih Das wiſſen, beſte Mutter? Würde Liebe wohl Liebe bleiben, ſebald fie auf Vers

C 2

wre 50 um nünfteleyen beruhte? Der erfie Augenblick, id den Jüngling fah, war der Anfang meiner Leib ſchaft, der letzte meines Lebens foll deren Ende fe Ohne zu mwiffen, warum? gewann ich ihn lieb: 4 Das weiß ih, von nun an werde ıch ihn lieben, lang ein Herz in diefem Buſen fehlägt. Sie brich Shränen aus.) Hofm. Und worin alfo verlangen Sie mei Beyſtand?

Bianca. Bringen Sie dieſen Brief in ſe Hände! Ich laͤugne es nicht, er enthält eine Einladi von mir. Aber, o ih will und muß ibn ſehen, o die glühende Liebe tödtet mich.

Hofm. (nad einigem Befinnen.) Wenn ed in n ner Gegenwart gefchieht, fo Eönnte ich vielleicht

Bianca D daß fol es! Nur dieſen Brief feine Hande ! (Geht weinend ab.)

Hofmeift. (allein, ipr nahblidend.) Aa ih T rinn, bie ich Dieß nicht vorher fehen, oder wenigft die Krankheit, als fie nun einmahl da war‘, nicht rathen Eonnte! Armes Mädchen, deine Flamme ftarf! Könnte ich fie löſchen, ich wäre bann mehr ein Menfh! Und was nun machen? Befoͤrd oder hindern? Der Geliebte wäre freylich ih nicht unwerth ; aber wird auch dem Senator: ©to des alten Capello der bloße Reichthum eines flor Sinifhen Kaufmanns genügen? Wird er nicht z nen, wenn er erführe, daß ich felbft Nein! Ne Zwar füllt jede ihrer Thränen blutig auf mein He aber noch il! ich anſtehen, diefe Bitte zu erfülle Mitleid ſoricht dafür, Pflicht dawider. Heilt die nicht, was fie oft ſchon beilte; wohl, fo will ich dx

Alles wagen, was ich kann; denn fie ift ja mein Kind, mein theures Kind. Doch fol wenigftens diefen Brief der geliebte Salviati fo fehnell nicht in feine Hände bekommen.

Und es verliefen wieder acht Tage, voll der Qual auf unferer beyden Liebenden Seite. Todtenbleich trat . am neunten Bianca vor ihren Spiegel, blickte hinein und feufzte.

„Bin ih Das noch? Oder taͤuſcht mich ein Schat⸗ ten? Keine Kraft mehr in meinem Gebein! Kein Blut auf meiner Wange! Ausgetrodnet das Mark meiner Möhren, weggefhwunden der Schimmer meis ner Jugend! Ewiger, Emwiger, deine Hand Tiegt fhwer ouf mir! Aber Dank, dag du den Troft mir Tießeft: Ich leide um Schwaͤche, nicht um Las ſter. O Salviati, Salviati! wo biſt du? Was fuͤhlſt auch du? Kannſt du dich mefe . fen mit mie? Komm ber und ſieh! Nicht dein Les ben, wie du vorgabft, das Meinige allein fegt biefe Liebe in Gefahr!

Hofm. Commt.) Gott, Signora Bianca, wie feben Sie aus! Aber faffen Sie Muth, Theuerfte! She Brief ift fo eben beftellt.

Bianca (at) So richtig ohne Zweifel,‘ wie Bie ſchon vor fieben Tagen es mir zufagten?

Hofm. Nein! bey der heiligen Jungfrau , er ift es! Sch habe ıhn in feine eigene Hand gegeben.

Bianca (reundlich.) Haben Sie wirklich? Und er?

Hofm. Starte mih an, 4 und zerbrach das Siegel.

wen 50 res

dem Stie ihrer Augen, von jedem Hauch ihres Mi des. Zu tauſend Mahlen nahm er fih vor, ihr ı Neuem aufzupaflen, fle anzureden, fih bin zu wer zu ihren Küßen. Sreudig fprang er dann auf und eben fo ſchnell in dumpfer Unentſchloſſenheit zurüd. De er gedachte an feine Armurd, die feldft ein neues ( ſchenk für die Hofmeifterinn unmöglich machte; an |

nen Schwur, und an den graufam » getreuen Spieg ben ihm Martelli fo nahe vorgehalten hatte, daß ſtets gezwungen war hinein zu fehen, gezwungen i folgen mußte.

Indeß konnte man Bianca's Loos beynaben banger nennenI— Zwar war Alles, was fie | . jegt wußte, reizend und fhön, was fie dachte, a reizender. Eine ganz neue Schöpfung lag dor i Augen ihres Geiftes ; aber fie war leider einzig derfeiben; hatte nicht einmahl eine vertraute Fra dinn, bey der fie ihre liebekranke Seele durch ſchw meriſche, ſchoͤn klingende Worte zu erleichtern verme haͤtte. Täglich erwartete fie neue Nahricht von ihr Anbether zu hören, und keine Nachricht kam. Sch hatte fie wieder einen Gang nad) Zuecca vorgeſchlag und fein Salviati zeigte fih. Unbegreiftich ſch ibr Das. In ſich allein verſchloß fie ihren Gram. % mit fich ſprach fie oft genug von der Urſache desſelb Möchte doch nachſtehender Monolog nur einige | Heinften Züge ihrer Empfindung barftellen!

Sie bielt ihn am Morgen des fünften Ta— nad ihrer Unterrebung mit dem Liebenswürdigen u auch ſchon Heißgeliebten.

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vorn 31 vosen

Bianca. Daran gebraih es no, daß du auch das Traumbild meiner Nächte würdeſt! Verſcheuchſt du nicht ſo bereits die gröfte Hälfte meines Schlum: mers % Erfchöpft nicht ſchon der ewige Gedanke an dic) mich des Tages hindurd genug?! Soll 'aud) Das mir fehlen, was dem Laftträger feine Taften und oft dem : Befangenen feine Ketten Tindert Schlaf, wenn Al⸗ les ruht? Stahl fi dein Bildniß nicht tief ges nug in das Herz, daß es num ſelbſt zwifihen die Wins per meines zugefchloffenen Auges ſich eindrangt ?

Vie er daftand! Wie er flehte!— Sein funkeln-

der Blick mitten durch Thränen noch glaͤnzend! Seine maͤnnlich⸗ ſchoͤne, noch im zitternden Tone lieblich⸗ ſchallende Stimme! Sein Anſtand in Geberde und Bang! Sein o! wann haͤtte wohl das Verzeichniß ſeiner Vollkommenheiten Maß und Ziel? Aber was ſoll Das? Was nützt Das? Warum will ich. mich einſam abhärmen, wie ein kloͤſterliches Opfer t warum ftumm und langſam dahin fhwinden, wie ein Morgennebel am hohen ſtillen Gebirge Ein Wort . von mir, undbiefer Adonis liegt zu meinen Füßen; lebt für mich, für mich Beneidenswerthe nur | Schwur er mir nicht Liebe! Kann ein Mund, wie der feinige ,. täufhen? Bin ich nicht eines edlen Geſchlech⸗ tes letzte Sproſſe? Iſt Er nicht dab Haupt eines ge: ehrten Haufest Sind nicht die Töchter des Eonigli« hen Venedigs ſchon oft die Zierden von Florenz ge: worden? (nachdentend.) Ein Wort nur Eoftet es mich ? Did will dieſes Wort ausfprehen! Eines Win« kes bedarf ed nur? Wohlan, ih will ihn geben !-Tienn fon fehe ih, ohne diefes Wort und diefen Wink ers fheint es nimmer wieder. Allzu furchtfamer Sal:

wen 52 esse

viati! ich follte es nicht thun, aber ih will es! Wenn er dann dankbar vor mir knieet; wein ev, n mehr der zitternde Verbrecher‘, fi jegt mir ſtumm Entzüden erhebt, iegt das ſchamhaft erröshende Mi hen mit feurigen Küſſen umarmt; o dann, da milder Himmel, dann trage mit Nachſicht die da} fintende Echwärmerinn !

Einen. Aufruf an ihren Geliebten ergehen zu fen, dazu war alfo Bianca feit entſchloſſen; doch n dieſer Auf ihn erreichen könne, darüber berathfchla fie noch. Es war ihre erfte Liebe, und fie verfk fih daher ſchlecht auf Lift und Beftehung. Doch Ich fie weisfih, noch während diefer Unſchlüſſigkeit, entfcheidenden Brief, und fand den Briefträger b bald genug.

Denn nichts bleicht fo ſchnell die Madchenwang ald verfehwiegene Liebe; und die Hofmeiiterinn hi zu feſt an der holden Bianca, ald nicht bald ihre V änderung zu merken, und mit liebevollem Ernft n deren Urſache zu forſchen.

. „Es it umjonfi, liebe Bianca!” redete fie fol

eint an „Ihre angenommene Munterkeit täuf „mid nicht. Sie hegen im Innerften Ihres H „iens einen Gram, der Sie verzehrt.

Bianca. Nicht doch, meine Theuerſte! ai nicht doch!

Hofm. Nicht doch? und felbft dieß: Nic doch mis einem Seufzer begleitet %-O dieſe abgehärı te ‚Wange, diefer Abſcheu vor Spielgefelfhaft u Speife, diefe Unruhe hey Nacht, diefes Traumen «

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Zage, diefer bange herumirrende Bid, d! diez Alles ift nicht umfonft da.

Bianca. Und wenn es nun feilte Urſachen haͤt⸗ te! Was dann“

Hofm. O dann; Mistheilung berfelben ! Eis gießung Ihres Grams in meinen Sie liebenden Bus fen! War ich nicht immer miehr Ihre Sreundinn, als Auffeberinn? War es nicht Wolluft für mich, jeden Ihrer Heinften Wünſche zu errathen und zu gewähren t Haben Sie jemahls etwas von mir vergebens begehrt # Der habe ich je mein Anſehen und’ Ihr Vertrauen gemißbraucht? |

Bianca. Nie! nie! Nur Lſſen & Sie mid) jegt!

Hofm. Nie weniger, als eben jest! Sc will Sie mit Fragen entfräften, fo oft wir allein find; win mich feft an @ie fchließen, wohin Ste geben, und felbt in Geſellſchaft Ihnen in das Ohr raunen: Ente deckung Ihres Rummets, mißtrauiſche Btarica!— So will ih, bey der Hochgelobten ſey es gefhworeny fortfahren, bis ich Ihren Eigenfinn überwunden habe!

Bianca (ſchmeribaft Tähelnd.) Und wenn ich ihn hun felbft überwände, würden dann meine WBinfge Erhörung finden Y

Hofm. In jedem Billigen gewiß. und et⸗ was Unbilliges wird die edle Capello nicht begehren.

Bianca. So recht, Das genligt mir! Wiſſen Sie dann, theuerſte Signora, beſte einzige Freundinn, meine mir- übrig geblieberre Mutter, willen Sie dann, gen auf zwey Secunden nicderſchlagend.) Ich liebe; ianca ſchmeichelnd geſprochen / nun führt fie mie Wärme for) Salviati, diefen liebenswüre digen Fremdling, milIg Sie ſelbſt mich neulich be⸗

Meißners Bianca Cap. 1. Ei.

wen 4 vena «

dbannt machten. Und aud er glüht für mich. De halb nur fuchte er mich zu ſprechen. Er felbit war | Verbrecher, für den er barh. Liebe zu mir war fi Verbrechen; Gegenliebe war feine Bitte; ich fagte ihm zu, und id) halte fie.

Hofm. (das erſtauut.) Was fügen Giet - Sit es möglich ?

Bianca. Fragen Sie lieber: ob das Geg theil möglich ſey? Ihn fehen und ihn lieben, u das Werk einer Minute. Was fag ih? Einer Minut D nein! Einer Secunde! Einer Secund » Gecunt Selbſt wenn er keinWort gefprochen hätte, wäre ihm Herz anheim gefallen; und jetzt, jegt ift es feit, fter als mit demantnen Ketten an ihn gebunden; ji it es heiliger als Glaubenspflichten bey mir befchloife Nur er, oder nie ein Sterbiicher fol mein Gem werden! |

Hofm. Bianca ! Tiebe Bianca !

Bianca. Liebe Eignora, Feine Widerfprüd &ie find Samenkörner auf Zelfen gefireut. A was Salviati ausfate, traf ein gutes Land.— | fühl’ e3, ohne ihn würde ich nie leben Eönnen, die Elendejte aller Elenden noch gegen mich beneibe: würdig finden. Wohin ich nur blicke, erblicke ich ih fo oft ich nur denke, denke ih mir ihn; fo oft ih ı rede, möchte ich laut den Nahmen Salviati ausruf HD Salviati! Salviatil

Hofm. Aber was wollen Sie?

Bianca. Sie bey allem, wa heilig üt, bey Ihrer zärtlichen liebe, bey m ner kindlichen Ergebenheit, bey rguel aller Li befgwören: mir auch jekt Ihren Beyitand zur A:

en wertb ı

uses 55 sn fühtung meines Vorhabens, das, wie Cie wohl fes ben, meine Ehre nicht beflekt, zu gönnen. Das bitte und fordere ich von Ihnen. |

Hofm, Laffen Sie mich mindetens zu Wor⸗ ten kommen, gute Bianca!— Amar follte ich allers dings fhon Uber eine fo heftige Liebe gegen einen uns bekannten, Eaum ein Mahl von Ihnen gefehenen Mann erttaunen, Doh Eenne ic diefe Art von Leidenſchaft bereitö: je ſchneller fie Fommt, deito heftiger, jedoch zum Glück auch deſto kürzer wüthet fie.

Bianca. Elende, trügliche Kenntniß! Haben Sie mein Herz noch nicht beſſer geprüft? Wiſſen Sie nicht, daß es eben ſo ſtandhaft ausdauert, als ſchnell wählt? Habe ich je unter den Tauſenden, die ich ſah, Einen geliebt, auch nur Einen, wenigſtens mit Wärme, erhoben? O nein! Nur Salviati muß man ſeyn, um mir zu gefallen, um mich auf immer, auf immer! anf feifeln.

Hofm. Die wahre Liebe mit allen ihren Taäuſchungen! Sie gibt Schattenbilder einen Körper, verſtopft die Ohren ber Jugend vor Vernunft und Warnung, und

Bianca (verbriehtih.) Und und! Keine Eittenfprühe, Signora !— Um Ihre Mithülfe, nicht um Ihren Unterricht, flehe ih Sie jetzt an.

Hof. Aber fielen Sie fih denn die Hei— rath eines Freindlings als eine fo ganz leichte Sache vor, daß man nıdt erſt Altern und Freunde um Rath befragen, nicht erjt ſich ſelber unterfuchen müſſe: aus idelchem Grunde man liebe?

Bianca. Kann ih Das wiſſen, befte Mutter? Würde Liebe wohl Siebe: bleiben, ſebald fie auf Vers

C 2

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nünfteleyen beruhte? Der erfie Augenblick, ih den Züngling fah, war der Anfang meiner Leid ſchaft, der legte meines Lebens foll deren Ende fe Ohne zu wiſſen, warum? gewann ich ihn lieb: «a Das weiß ih, von nun an werde ich ihn lieben, lang ein Herz in diefem Bufen fihlägt. (Sie brich Spränen aus.)

| Hofm. Und worin alfo verlangen Sie meiı Benftand ?

Bianca. Bringen Gie diefen Brief in fe Hände! Ich Taugne es nicht,er enthalt eine Einladı von mir. Aber, o ih will und muß ibn feben, o bie glühende Liebe tödtet mich. .

Hofm. (may einigem Befinnen.) Wenn e in n ner Gegenwart geſchieht, fo Eönnte ich vielleicht

Bianca. D daß fol es! Nur biefen Brief feine Hande ! (Sept weinend ab.)

Hofmeifl. (allein, ihr nachblidend.) Ha ih T rinn, bie ich Dieß nicht vorher fehen, oder wenigft die Krankheit, als fie nun einmahl da war, nicht rathen Eonnte! Armes Mädchen, deine Flamme ftarf! Könnte ich fie löſchen, ich wäre dann mehr ein Menfh! Und was nun machen? Befoͤrd oder hindern? Der Geliebte wäre freylich ih nicht unwertb ; aber wird au dem Senator »Öto bes alten Capello der bloße Reichthum eines flor finifhen Kaufmanns genügen? Wird er nicht z nen, wenn er erfübre, daß id) feldft Nein! Ne Zwar fält jede ihrer Thränen blutig auf mein He aber noch will ich anftehen, diefe Bitte zu erfüllt Mitleid ſpricht dafür, Pflihe dawider. Heilt die 3 nicht, was fie oft ſchon heilte; wohl, fo will ich de

Alles wagen, wa ich kann; denn fie ift ja mein Kind, mein theures Kind. Doch fol wenigftens biefen Brief der geliebte Salviati fo ſchnell nicht in feine Hände’ befommen.

Und es verliefen wieder acht Tage, voll der Qual auf unſerer beyden Liebenden Seite. Todtenbleich trat am neunten Bianca vor ihren Spiegel, blickte hinein und ſeufzte.

„Bin ih Das noch? Oder taͤuſcht mich ein Schat⸗ ten? Keine Kraft mehr in meinem Gebein! Kein Blut auf meiner Wange! Ausgetrodnet das Mark meiner Möhren, weggefhwunden der Schimmer meis . ner Jugend! Ewiger, Emwiger, deine Hand Tiegt fhwer auf mir! Aber Dank, dag du den Troft mir ließeft: Sch leide um Shwähe, nicht um La⸗ ſter. O Salviati, Salviati!

wo biſt du? Was fuͤhlſt auch du? Kannſt du dich mefe . fen mit mir! Komm ber und ſieh! Nicht dein Les ben, mwie du vorgabft, das Meinige allein ſetzt dieſe Liebe in Gefahr!

Hofm. Eommt.) Gott, Signora Bianca, wie ſehen Sie aus! Aber faſſen Sie Muth, Theuerſte! Ihr Brief iſt ſo eben beſtellt.

Bianca (ar) So richtig ohne Zweifel,‘ wie Sie ſchon vor fieben Tagen ed mir zufagten?

Hofm. Nein! bey der heiligen Jungfrau, er ift e8! Sch habe ihn in feine eigene Hand gegeben.

Bianca (reundiich.) Haben Sie wirklich? Und er?

Hofm. Starte mih an, rigen und zerbrach Das Siegel.

woran BB

. Bianca. Nun? oo Ä Hofm. Mehr Eonnte ih nice ſehen; denn eilte. | Ä |

Bianca. Sehr zur Unzeit gefhwind; in der? fteflung felbit waren Sie doch langſam genug!

Hofm. Bianca! it dad mein Lohn?

Bianca (fih ihr anden Hals werfend.) O verzeil Sie mir! Noch find meine Sinne irre! Tiefe Ne umgab fie, und nur muhſam dammert ed wieder. Aber it Ihre Nachricht au zuverläffig?

Hofm. Sh babe gefhmworen, und daß id) Meineive ſchwöre, davon, liebite Bianca, däd ich, follten Sie überzeugt ſeyn! Wer wäre ich au wenn mid) diejes arıne liebefranfe Mädchen’ nicht te! «- D blüden Sie wieder auf, Bianca; nicht ı uns allein, auch für Ihren Salviati blühen Sie Cie ſollen ihn ja fehen : morgen ſchon fehen!

Bianca. Wenn anders diefes Herz morgen n ſchlägt! Wenn er anders die Einladung annimmt !

Hofm, Eher würde eine abgeihiebene Zeile I Ruf zum Himmel verſchmähen!

Bianca. Iſt das Ihr Ernit? Sagte Ihren d wirklich fein Blick? Wie fanden Sie ihn! Frohd tr rig? gleichgültig? War feine Wange rorh oder bleie

Hofm. Sie glih der Zhrigen, und Schw muth ſprach deutlih aus feinem Auge. Doch ſchwa fie bey meinem Andli und mehr noch beym Empfa Ihres Briefes!

Bianca. D daß Sie mir nicht ſchmeichelt« Daß Sie nicht felbit vielleicht ſich täufhen! Frei dinn, beite Zreundinn, wie wandelbar find Wünſche ter Sterblihen! Vor wenig Nugenblid

39 noch glaubte ih meinen legten Tag zu erleben; glaubte es mit dem brünftigften. Wunſche, mid ja nicht zu ir⸗ ren. Jetzt jetzt ſchon fühle ih, wie mit jeder neuen Minute neue Liebe zum Leben in meine &eele zurückkehrt! wie der Wunſch nach Salviatis Anblick auch für keinen Einzigen mehr Platz übrig läßt! Morgen alſo! erſt morgen? (nad einer Heinen Pauſe.) O Signora! welches Kleid ratben Sie mir dann wohl an⸗ zuziehen?

Hofm. Eine ſonderbare Frage! Dazu iſt es doch noch lange Zeit. Auch wußten Sie es ja ſonſt nie⸗ mahls nur zwey Stunden vorher.

Bianca. Sonſt? O Das glaubl ich. Aber mor⸗ gen werde ich dann wohl im freudigen Erwarten darauf denken können? Und gleichwohl wählte ich gern gut. Denn wahrlich, Salviati iſt wohl werth, daß man auf ihn ſich vorbereite; daß man Alles hervor⸗ ſuche, um ihn deſto ſicherer zu feſſeln, (Sehen a6.)

V V Martellis Zimmer. Bonaventuri, (hineinftürgend.)

Martelli, liebſter Martelli, ſieh in mir den Glück⸗ lichſten aller Sterblichen!

Mart. (Gerwunderungsvoll.) Den Gluͤdlichſten! Woher dieſer Wechſel? Was iſt dir begegnet?

Bonav. Nun find mir Königskronen ein Tand, und felöft des Kaiferd Würde ein perächtlihes Pofe fenfpiel.

M art. (Immer Ausiger) Bruder, du machſt mie bange! Dein Verftand |

mn da

Wonav. D nein, kein Übereiltes Wort entſchlüpft meiner Zunge. Es iſt ein Rauſch der Freude; doch ein Raufh mie Bewußtſeyn. Drey Mahl feuriger als fonit fhlägt mein Puls; doch nur vor Wonne, nicht vor Unſinn. (Sid überall umfehend.) Sind wir auch frey von Seugen?

Mart. Das fiebft du ja! |

Bonav. (ipm einen Brief Bianca's Brief, Hinmere fend.) So nimm bin und fies !

Mart, (tier).

Liebenswuͤrdigſter Fremdling!

Unerwartete Neuheit der Sache, Erſtaunen über Ihre Bitte, und innerer Kampf zwiſchen Scham und Leidenſchaft machten, daß ich jüngſt das Urtheil, das Sie von mir forderten, nur halb ſprach. War es Ih⸗ nen ein Ernſt, ſolches ſeinem völligen Umfange nach zu wiſſen, ſo erſcheinen Sie morgen um drey Uhr an der Hinterthür unſers Pallaſt's, und meine Hofmeiſte⸗

vinn wird Sie ſicher zu mir geleiten. Bianca Capello.

Bonav. (nach einer Heinen ſtummen Pauſe.) Nun, was denkſt du hierbey?

Mart. Daß ich erſt zwanzig Mahl meine Au⸗ gen reiben muß, um gewiß zu ſeyn, daß ich wache. Das härte Sie dir wirklich geſchrieben?

Bonav. (mit ſtotzem zägeln.) Cie! Mir! und wirklich!

Mart. Bianca Capello dieſen Brief?

Bonav. (beleidigt.) Ruf lieber ihren Nahmen zum Fenſter hinaus, daß die halde Straße das Eritaus nen mit dır cheilen Eann !

Mart. Cie Das an did? Und fühlt du neh

vo... 42 vor.

Mart. (im nehfehend.) Sa, wohl ein Wa firom! Er brauſ't oft fürchterlich, und doch vertrock ihn eine eınzige Eommer - Bode. Armer Bo venturi! Phaetons Vorſatz iſt nun in meinen Any feine Fabel mehr. Fahr hin Denn! aber wenigit kannſt du mir die unterlaifene Pflicht einer freundich: lichen Warnung nicht vormwerfen.

Bianca. (Sie iR allein auf iprem Zimmer; es ſchlägt fo eben dran U

Endlich! endlich! Schon glaubte ih, bu würt nimmer ſchlagen. Zeyerlihe Etunde, fo bange wartet und doch fo heiß gewünſcht, warum bebe vor dir, einer Verbrecherinn gleich, und blidfe bir d ſehnlicher, ald der Kranke feiner Genefung entgege (Zie gebt unrupig auf und ad.) Fürwahr, die Adi flügel der Zeit find gelähmt! Ihre fonft pfeilfehn: Eile iſt ein Schnedenfhlid gersorden. Jede Gecun fiebt und ſtockt. (Mu ſchwärmeriſchem Tone.) Al nicht fo ſchnell, gute Welt! Kreislauf der Stunde zoͤzere dann erft mit deinem Umfchwunge, wenn. bier vi, wenn er mir wieder geiteht, daß er mich als alle Güter der Erde liebt; wenn ih mich anften ihn nicht zu verftehen, um nod zchn Mahl diefe X thbeuerung zu hören. (Huf tie Uhr blidend.) Gu Gott, ſchon zwey Minuten darüber! und er Eom roh mit? Schon dritehalb, ſchon drey! (BVreter.) Furwahr, feine Erle iſt nicht groß, feine nauigfeit nicht pünctlih! Der Gebisther laͤßt bere auf jih warten, ehe nod der Braͤutigam zu werd

1

—XRX 43 u.

beginne. Aa, die Thür! Es lenkt fi ſeicwirts: Es iſt ein Weibestritt! Daß ſie ver Unbeſonne⸗ ne, was wollteſt du ausftoßen? Soil alles in ber Heide der Dinge fih andern, weil du ungeduldiger bift, ald ein verzogened Kind? Schon wieder ein Sremder ein doppelter Schritt! Richtig, o Das iſt er! Dad iſt er! Ruhig, ruhig, liebes Herz!’ Hals aus, bebende Bruft! Das iſt Das ift er!

(Bonaventuri tritt herein, gleich nach ihm Lie Hofmeifterinn. Dianca wi ihm mit offenen Armen ertgegen eilen; bes finnt ſich aber noch und fintt auf einen Stuhl, wo fie, vor iungfräuliger Scham halb ihe Beficht wegwendet, und doch ihm, ebe er noch fpricht, ſchon merklich die Hand zum Kuſſe darbeut.) .

Bonav. (fh ſchüchtern nahend.) Hier, Schönfte aller Schönen, naht ih ein Zitternder, um vielleicht von Ihren Lippen das Todesurtheit zu empfangen, und dann zu Ihren Füßen zu fterben.

(Er niet nieder vor ihr. Spr Bud fallt mit mwärmfter Zart⸗ tigkeit auf ihn. Sie reicht Ihm ganz die Hand. ) Bianca O nein, nein! Leben Sie! Leben

Sie für Bianca!

Bonav. (m ſprachloſen Entzücken zwey Minuten lang auf ihre Hand geſunken, dann auffpzingend.) Gott Gott, gib mir Kraft, daß ich es aushalte! tiefes Meer der unausſprechlichſten Wonne! (Sid wieder aufs Knie ſtür⸗ send.) Theure, ewig Theure! Iſt Dieß kein Wahnfinn ‚meiner Leidenſchaft? Sol ich wirklich leben ?

Bianca (an feinen Hals und ihn umarmend.) Leben! Leben! und für mid!

Bonav. O daß mein Glück Worte, und meine Sreude Thränen hätte! Leben für Sie, Sirene Ihres Geſchlechts, she Bianca!

wen Al vwron

Bianca Nicht zu meinen Fügen langer, du Theurer! SHeraufin meinen Arm, ©eliebter! Du fandeft ja fo leicht und fiher den Weg zu meinen Herzen; o fühle, es glüht für dich. auf meiner Lippe und fhlagt für dich in diefem Bufen !

Hofm. (mit einer Art von warnendem Unwillen. Bianca, Tochter des edlen Capello, Diefer X

Bianca (entſchloſſen einfatend.) Iſt der Ton de Natur, iſt Ton der allmächtigen Liebe, und ih ſchaͤm mich feiner nicht. Noch nie hat meinen Mund eiı Mann gefüßt; Diefer bier ift der Erſte, und bey ben Allſehenden, er fol aud) der Einzige feyn ! (Sie rüßt ihn. Bonav. D nimm Schwur gegen Schmwur! ©: heiß liebte vielleicht noch Eein Mann auf Erden; will id anhalten, mit Eifer ohne Maß und Ziel Der Kuf, den ich-je einer andern weiblichen Lipp Aufcrücke, werde mir zur Verdammniß hier und dort Nur in diefen Armen (indem er ploͤtzlich inne Hält.)

Bianca. Du fhweigft! du ſtockſt! Wa ftarıft du mid) fo an? Warum erblicke ich trüben Erni in einem Auge, wo id nur Entzüden zu finde hoffte ?

Bonav. O Bianca, meld’ ein fürdterliches Er wachen! So ftarrt der Elende vor ſich hin, der fe von Wellen fich verfchlungen glaubte, jegt zwar an Land geworfen wird , dod nun plöglih aus bei Schlummer der Ermattung auffährt, und nichts al Einöten und fürdterlihe Wüſten erblidt. O Tod ter des edeln Capello, zwar ift es neidenswertd: Glück für Ste, ewig Geliebte, zu leben, aber d< grengenfofe Unglück, nicht mit Ihnen leben zu fen, verſchlingt die Freude über Jenes.

Bianca. Zraumer!— Warum fhaffen Sie fi Qual, wo Eeine iſt? Allerdings follen Sie mit mie leben; Hand in Hand, Bruft an Bruft! Hier ift mein Wort: entweder Ihre Oattinn zu werden oder nie eined Mannes Weib _— Ich Eenne meinen Vater; er ift der gütigfte aller Väter. Noch nie verfagte. er feiner Tochter eine billige Bitte.

Bonav. Und Eönnten Sie wohl hoffen . -

Bianca. Feſt ftebt mein Entfhluß ; nur der Tod ſteht fefter als er. Wenn Derjenige, der mir das Les ben gab, es auch erhalten wiffen will, fo darf fo wird er fih meinem Wunſche nicht wiberfegen. Zudem iſt das Haus der Galviati ja wohi nech des Hauſes der Capello würdig!

Bonav. der bdisher begierig gleichſam nicht degrei⸗ fend, doch aufmerkſam, ihr in's Auge geſchaut Hat, bebt bey dieſen letzten Worten zurück, und ruft erſchrocken aus:) Ha! Wie? Was ſagen Sie? Das Haus der Salviati?

Bianca. Nun ja!

Bonav. Gerechter Himmel! ein Blitzſtrahl, der mir eine ſchreckliche Tiefe ſichtbar macht! Wie, ſchoͤn⸗ ſte Bianca, denken Sie, daß der Frevler ſich nenne, der jetzt vor Ihnen ſteht?

Bianca (erſtaunt.) Wie? find Sie nicht Satviati t

Bonav, (ſinkt ſprachtos auf einen Stuhl, und verhüllt fein Ungefiht; Bianca und die Hofmeiſterinn eilen erfchroden au ihm.)

Bianca. Großer Gott! was ift Dad? Ges. Tiebter, o Oeliebter meiner Seele reden Sie! Bianca bittet; hören Sie doch! Bianca beſchwört Sie darum ! Mod nicht? D reden Sie! blicken Sie wieder auf und ſprechen Sie!

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Hofm. Lıebiter junger Herr! Was Bedeu Dieb? Faſſen Eie ih, reden Sie doch! Wer fi nd & denn, wenn Sie nicht Derfind!

Bonav. (Mid ſchnell erhebend, mit dem Tone des faßten Muthes.) Dein, angebethete Bianca, nit I ger fo Ihe Irrthum dauern! Zwar ift er mir günf it vielleiht die Quelle meines ganzen bisherig Glücks geweſen: doch er verfchwinde, weil ihn zu u terhalten Betrug feyn würde! (Sic vor ihr niederwerfen Edelſte aller edlen Venetianerinnen! Der hier vorS nen kniet, ut nit Salviati, fordern nur ein arn junger Mann aus feiner Handlung. War es ftrafi von ihm, feine Wünſche und Neigungen zu einem’ unermeßlih erhabenen Gegenftand zu lenken; wol fo firafen Eie den Verbrecher: gefhähe ed auch m Strafe des Todes, er trüne fie ohne Murren.

Bianca. Mäaͤchte des Himmels! Was Hör ic Sie nicht Salviati? Unbeſonnener Züngling, n iſt Ihr Nahme?

Bonav. Pietro Bonaventuri, aus Florenz. ich weiß wohl, daß ſelbſt das börhfte ſterbliche BI nicht edel genug iſt, um nah Ihrer Verbindung ſtreben; aber leider ! hingen Geburt und außeres El: nicht von unferer Willkür ab. Mein ganzer Adel angeerbte Rechtſchaffenbeit; mein ganzer Reichthi diefes Herz, das für Cie einzig ſchlaͤgt.

Bianca die Hinde ringend.) Gott! Gott! we ein Irrthum! Dahin meine Hoffnungen! Alles, AU verloren!

Bonav. O daſt Fülle der Liebe und ein bieder zaͤrtlihes Herz Anfprüche auf Ihre Hand geben Eön ten, dann wäre auf Wortes werter Erde kein Man—

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der mit mir fih meſſen, Eein "König, der neben mir auftreten dürfte! Dann dürfte der arme, jegt verſchinähte Bonaventuri! ihr würdigfter edeliter Ges mahl zu werden hoffen. Zum eriten Mahle in mei« nem Leben wünſchte ich von Eöniglihem Blut entfprofe fen zu feyn ; erkaufte gern Schimmer und Gchäße mit meinen Blute, um Ahnen fie darzubiethen. Mie? kein Blick von Shren Augen, der mid tröfter ? Kein Wort von Ihren Lippen, das mid aufrichtet? Sie blickt weinend und mit ringenden Händen emvor.) O hier hier liege ich! Hierher ihr belebendes Auge, göttliche Bianca! Vergebung, Theuerſte, Verge—⸗ bung! Warum ſoll ich ſo grauſam für einen Irrthum büßen, der nicht meine Schuld war, und den ich ſelbſt zernichtete, ſobald ich ihn entdeckte?

Bianca (die das Setzte nicht gebört zu haben ſcheint, mit aufgehobenem Btid gen Himmer.) Wohl, es fey dir gebracht, diefed Opfer! Aber deine Kraft von oben herab, du Mächtiger in den Schwachen! die Meinige it längft dahin. Bonaventuri |

Bonav. (einfattend.) Ha! ich errathe es, wozu

„dieſes Gebeth um Kraft: zum Ursheil meined Todes. Aber bey eben tem Gott, u dem Ste fleben, bes fhwöre ih auch Sie, es nod ein Mahl zu durchden⸗ ken: über wen Sie den Stab zu brechen Willens find! Über einen Mann, ber in der ganzen uns ermeßlihen Schöpfung nichts Werthes hat, als @ie; dem es Himmelsluſt wäre, für Eie fein Blut dahin zu gießen ; den Sie feldft einft hoffen hießen; auf deifen Lippen noch Ihre Küffe glühen. O Gott, Bott) Milliouen Empfindungen, und doch kaum einer Splbe maͤchtig, fie hervorzuſtammeln!

Nur Dad, nur Das noch! Muß eb feyn , o fo geben Sie mir ihn felbft! Sit es ſchne Tod, fo dank ich. Nur daß Sie nicht in langſan Schmachten mein Leben, wie auf ewiger Folter, hin ſcwinden laſſen

Bianca. O Bonaventuri! (aufs Herz beut: Iſt es hier noch nicht zerriſſen genug? Wollen Sie n noch ftarker quälen ?

Bonav. Bott, kann ich

Bianca. Still! und hören Sie mich! iſt genug, liebenswürdiger Jüngling, Sie ein geliebt zu haben, um Sie ewig zu lieben. A denkt mein Herz zu edel, als, bewogen du die Ungleichheit unſeres Standes und unſerer Güt gegen Denjenigen feine Geſinnungen zu ändern, | es auch im Bettloakleide geliebt Huben würde. D nie, nie darf ih mir weiter ſchmeicheln, einen e fühtigen Vater nad meiner Neigung zu lenken. Es muß alfo mit innerm Kampf fpreche i aus Bonaventuri, ed muß gefchieden feyn. 8: erften und zum legten Mahle ſah ich Sie hier, wei nie Sie wieder fprechen! Jeder Ihrer Fünftigen % fuhe wozu nügte er, ald meine Tugend verbä tig zu machen‘! Und doc, ift Diefe allein mie werthe als unſere Liebe: das Leben ſteht weiter hinter ih— Beyden. Gehen Sie, gehen Sie daher, Arm Und wenn Das Ihnen ein Troſt ſeyn kann, fo trä Sie die Gewißheit: nie wird Bianca die Gatti eines Andern werdet, ba fie bie Ibrige nicht werd ſoll. (Sie will ſich losreiſſen.)

Bonav. (im Zone der mung Bianca !

Bianca

Bianca (urüdtehrend.) Wahr! Der gehört Ih⸗ nen noch. (Sie küßt ihn drey Mahl und flieht ab.)

Bonav. (ihr nach zur Thür, wo fie adgegangen: fin⸗ bet ſie verriegeit.) Gott! Gott! Was verbrach ih Staub! Warum unmenfhlihe Qualen ausgegoffen über ein menfchliches Haupt ! (Gtürge Hinmeg.)

Hofm. Fürwahr er dauert mih! Doch da er- nicht Salviati iſt, ja freylich, wer Eann da beifen t (Sans aelaſſen.) Bianca! Bianca! öffnen Sie die Thür! er iſt ja ſchon fort.

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Töne, weldhe weit: bie Kräfte der nienfchlichen Zunge überfchreiten, hat deſſen Feder in ihrer Ges malt, der Bonaventuri's Schmerz bey feinem Weg: gange von Bianca auszubrüden vermag. eine tollfühne Hoffnung, dem Anſcheine nach, ſo dicht be⸗ reits am Lande, und nun ſo ganz geſcheitert! Seine Geliebte binnen der kurzen Friſt von vier Minuten an ſeinem Halſe, in ſeinen Armen, und nun auch getrennt, getrennt wahrſcheinlicher Weiſe auf immer.

Trotz des Meeres von Gefühlen, die auf allen Seiten in ihn einſtürmten, flieht doch nicht empfin⸗ dungsloſer der Pfeil vom Bogen, als Bonaventuri von Bianca's verfhloffener Thür. Wie er wieder: aus ihrer Wohnung, über die Straße, und in fein Simmer gekommen, von dem Allen wußte er nachher feine Spibe. Er fand fi erft am tiefen "Abend auf feinem Bette wieder, umringt von einem Schwarme von Menfchen, die ihn durch Reiben und andere Mit: tel ind Leben zurüd riefen, und neben ſich feinen. Freund Marteli, ber ihn forgfam und oft, bald laut,

Meifners Bianca Cap. 1. Theil.

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Bald leiſe, um die Urſache feiner Keankheit befra Bonaventuri ließ Tange Zeit bindurd Alles mir maden, was man nur wollte. Abgebrodhene W waren feine ganze Antwort. Exit nah Verlauf e Stunde vermodte er die Bitte heraus zu ſtamme daß man ihn mit Martelli allein laffen möge.

Man gewährte fie ihm, und fein beklemn Herz lüftete fih dur Erzählung feines Ungli Natürlich, daß fein Freund ihn durch taufend 3 dungen, dur Trofigrlünde,“neu und alt, zu. ber: gen fuhte! Doch noch natürlıher, daß fie war was eig Eleiner Becher Waſſer ift, auf einen gro glühenden Stein gegoffen. Er loͤſcht die Gluth ni er verftärks fie vielmehr. Martelli ſelbſt begriff endl daß jeßt der Zeitpunct der Schinerzensftillung unm lich ſchon vorhanden feyn Eönne. Aber er rierh ih wenigftend an Befanftigung feines Kummers zu beiten, und auf Verbergung deöfelben zu denken. £ fig verfpra ihm Bonaventuri das Letztere, und h es faſt 619 zu feinem eigenen lintergange.

Drey Tage lang droheten die Kräfte feines juge lichen Körpers feinem verſchloſſenen Harme zu er gen. Drey Inge kam er nit vun feiner Lagerſt. hinweg. Was bey lüngerem Anbalten gefiegt ba würde, fein Vorſatz oder feine Gemürhsbewegu: Dieß wäre nutzloſe Unterſuchung. Auch Bianca verdi einen beobachtenden Blick! Sie war nur allzu treu - eine Genoifinn feines Leidens. .

Die Arıne! Sie empfand jeßt, daß die Schu zen der wartenden Liebe noch nicht, wie fie Kurzer gewahnt, der Liebe höchſte Schrnerzen sen. Eden diejenige Zuſammenkunft, vor- welcher

won Di vom | Ruhe und Heiterkeit einzuernten gehofft hatte, ſtürzte fie jegt unabfsklich rief in Gtam und Jammer; ftürzte fie um fo tiefer , je mehr Erwartung und Ausgang von einander abwihen.

Vorwurf an Vorwurf arbeitete fih in ihrer Seele empor; bald gegen ſich felbft, bald gegen Bonaͤven⸗ turi, bald fogar gegen ihre allzu nachſichtig geweſene Aufſehetinn, dieſer uͤberbringerinn der erſten Nahe. richt, dieſer Urquelle der Vermuthung: daß Salviati der Bittende ſey. Jetzt bereute fie die Unvorſich⸗ tigkeit, mit welcher fie fo blindlings einem Unbekann⸗ ten fi in den Arm geworfen, jegt zürnte fie auf bie Heftigkeit, mit der fie ihn von fih geitoßen habe. Sept fhmähre fie auf den Verwegenen, ber bey fo niederer AbEunft, beym Mangel aller irdischen Glücks⸗ güter ſich erfrehen Eonnte, feine Wünfche und Abſich⸗ ten fo hoch zu erheben; jegt hätte fie wieder diefen armen Handlungddiener nicht gegen den Doge von Venedig vertauſcht. Seine Kühnheit hieß nun Edel muth., feine unbefonnene Liebe Lie reinfte Slamme, feine Verzweifelung das Muſter jeden Gefühls.

Eine traurige Lage! Doch wer erräth nicht, daß in diefem ungleichſten aller Kämpfe im Rampfe der Vernunft und Liebe, die fo unzählige Mahl über⸗ wundene Bernunft zulegt wieder unterlag * Die fehlaue Leidenfhaft, eine geraume Zeit mutbig beftritten , flüchtete fih endlich unter das Panier des Mitleid, hüllte fi fogar ind Gemand der Großmuth; und Branca, das edle Mädchen fonft nie gewohnt ih— ren Nebenmenfhen, bo defto leichter ſich ſelbſt zu täufhen Bianca war feft überzeugt, daß es nur die Beforgniß für das Leben ihres Geliebten, nur das

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Bedauern eines Unglücklichen fey, was fie am bri Tage zu folgendem Schreiben antrieb.

„Mitleidswerther Züngling !

„Als wir das legte Mahl uns fahen und fo fd „wieder trennten, war mein ganzes Wefen in fe „Seundfeften erſchüttert; war mein Bewußtſeyn „ganz dahin. Welches Urtheil ih damahls g: „Dich gefprochen, weiß ich nicht mehr. War es „hartes, fo vergih mir; mein Mund ſprach es a „ohne daß mein Herz eine Sylbe davon wußte!”

„Nur des Schwures entfinne ich mid) no: / „ne oder Feines Mannes Gattinn zu werben; und „wiederhohle ich auch jegt, zwar nicht bey berubih „Herzen, aber doch bey ruhigerem Blute. Auch „mir noch etwas mein Gedaͤchtniß aufbehalten ; „ſchreckliches Bild! das Bild Deines Schmerzens. „Juüngling, verzweifele nit! Die größten Vef „niſſe verwandeln fi oft in Hoffnungen! Bott „der Liebe ift ja Bein Ding unmöglih. Immer no

Deine Bianca, N. ©. „Du Eannft kühnlich „diefer Mohrina trauen; „ihr Merz it eben fo weiß „und treu gegen mich, als „ihr Angefiht ſchwarz ift.”

Schnell und richtig beitellte die Vertraute di

Brief. Ein günftiges Ungefähr führte fie auch zu « Minute bin, wo der beislägrige Bonaventuri

N

ganz allein befand. Sein Erftsunen war faft fo groß, wie fein'bisheriger Oram. Was einem Kranken, dem Sreunde und Arzt und Wärter bereits das Leben abs geſprochen haben, die erfte günftige Verfiherung wahre ſcheinlicher Sefferung feyn muß, Das war ihm auch) je&t diefer Brief. Haſtig verfehlang er ihn mit dem erften Blicke, um dann noch taufend Mahl das Lefen desfelben zu wiederhohlen; der Mohrinn plattes Ges ſicht (bien ihm das Antlig eines Engels ; zabllofe Fragen that er an fie; fprang dann auf von feinem Qager und fehrieb Dieß zur Antwort:

„Krone bes weiblichen Geſchlechts!

„Vom Fieberfroſte zitterte vor wenig Augenblicken „erſt eben dieſe Hand, die jetzt vor Freuden zittert. „— Iſt es möglich, daß Bianca noch meiner ſich er⸗ „innert? daß fie im fürchterlichen Zorne nicht aufeim⸗ „mer Auge und Seele von mir abgewandt hat! „Alein ift wahrſcheinlich die Zahl der mir. noch ab⸗ „gemeffenen Augenblicke ; aber ruhig ſehe ich nun dem „Schlafe entgegen, der meine Qualen enden fol. „— Gottes Segen und der Segen jener unbes „fleckten Mutter Eomme über die edle Capello !”

„Ich nehme den Schwur an, den fie that, meine „oder Eeines Mannes Gattinn zu werden; aber die „freufe Hoffnung, Sie zu befigen, hält ſich eben fo „entfernt von mir, als der neidifche Wunſch: daß der „Schöpfung fhönftes Meiſterſtück den Nonnenſchleyer „wähle. Bald wird das Grab mich aufnehmen; und „dann befelige meine Verlobte einen Mann, der Bor „naventuri'd Her, mit Salviati’d Reihthum und Gas „pello's Range verbinde!”

wen BA u

„Sieh, ich ſammle meine ganzen Kräfte für d „und doch find deren fo wenige in mir, daft ſchon ; „dritten Mahle die Feder meiner Hand entfunfen „Rebe wohl! und .wenn bald vielleicht ein leiſes 8: „hen unvermuchet dir an deiner Wange hinweht, „denke, daß es mein Geiſt ſey, ber fidy halb vergeb „bemübs, fein Dafeyn Dir anzuzeigen! Bis zum | „ten Lebenshauch x

Dein

Bonaventuri.

Arme, beforgte Bianca ! So liebevoll diefed Sch Ben Elang , fo wenig war ed doch ganz nad ihr Wunſche. Sie mußte nob nicht, daf tie Todes⸗A dungen eines Liebhabers felten eine buchſtaͤbliche Wo beit zu feyn pflegen, und die Erzählung ihrer M vinn yon dem bedenklichen Zuftande , in welchem fie ‚jungen Mann angetroffen babe, vergrößerte noch i Angft. Äber mit eben derfelben wuchs auch die Lie wuchs nitt jeder Stunde fo ftark, daß fie fon bes dern Morgens die Mohrinn zum zweyten Mahle mit gendem Säreiben abfandte:

„Nein, geliebter Bonaventuri, Dein Brief „nicht das letzte Lebewohl mir fagen! Ich gebiethe 7 „zu leben ; gebiethe Dir, das Grab noch nicht „Deine baldige Wohnung , den Tod noch nicht

„Deinen einzigen Zreund anzufehen. Unachtſam „baft tu fo flüchtig meines vorigen Briefes let „Zeile überfehen I" „D Mann, daß eine fo tiefe Kluft uns trenı „muß! Und boch ift fie noch nicht allzutief und al „graufend für meinen Geiſt! Erſt nach dem To

ro. B5 ns

„will der Deinige mich udſchweben I Ah der Meinige „thut Dieß bey Deinem Leben fhon. Süngling, „Züngling , im Wettftreit tärkerer Liebe dürfte „das ſchwächere Geſchlecht wohl obfiegen!” „Auch meinen Schwur mißdeureſt du. Deine oder „keines Andern Gattinn! Dieſen Eid würde ſelbſt „Dein frübes Einſchlummern nicht vernichten. Blüht „nicht fir Dich die Blume meiner Jugend, fo fol „Niemand ich kanns nicht enden; allaugenblicklich „febe ich mich geftört. und in Gefahr der Entdedung. „Doc barf ich es nicht länger anftehen laffen, Dir zu „gebiethen: Zrage Sorge für Did ſelbſt!

„Gehorche! oder zittere, wenn Du es unterlaffen koͤnn⸗ „seit! Denn bann verklagt Dig auch noch dort die nThräne

Pa Deinge Bianca” mie faſt noch gebßerer Freude als den vorigen, empfing Bonaventuri diefen Brief. Die Eile, mit welder er ankam, der dringende Zon deſſelben beſtaͤrk⸗ te ihn immer mehr und-mehr, daß Bianca, nod, und zwar, daß fie ihn brünftig liebe.

. Aber fo ifk die menfhlihe Natur! Kaum wırb der kleinere Wunſch ihr gewährt, fo glaubt fie auch fhon auf den größern vechtöfräftige Anſprüche machen zu dürfen. Eben der Bonaventuri, der damahls, als er troftlos an Martelli's Bufen fein Leid ausfchüttete, den Eeinften Funken Hoffnung : daß Bianca feiner noch günftig bedenke, für Himmelswonne geachtet ha« ben wiirde; eben diefer Bonaventuri ſah nun Eaum jer nen Funken unwiderſprechlich glühen, als er ſofort

auch nad groͤßern Vortheilen ftrebte; als er ſich vornahm, Alles oder nichts zu beützen.

Bilder des Gluͤcks laͤchelten ihm nun ſchonr ber winkend von fern; und die Drangfalen im X bergrunde erſchreckten ihn nicht. Er wollte hindu . oder nicht mehr leben. Vorſichtig genug, feinem V telli, deſſen kalte Klugheit zu grell von ber glüben Jugendhitze abſtach, die legtern Briefe nicht mehr zeigen, ſchrieb er tief in der Nacht folgendes Bil welches er der wieder nachfragenden Mohrinn einp digte.

„Edelſte aller Venetianerinnen!

„Zum zweyten Mahl alſo befiehlſt Du mir zu „ben und zu dulden? befiehlſt es mir, voll Bewu „ſeyn Deiner Allmacht Über mern gatzzes Geſchick? „Aber ſelbſt die himmliſche Hufdz dieſe mir Ti „zuſprechende Güte o wie verſchieden iſt ſie von „nem beſeligenden Tone, als ich in deine ausgebrei „ten Am: fan, ald Du noch den glüdlihen Salvi „in den. verfannten Bonaventuri zu umarmen gla „teſt! Röniginn meiner Seele! o vergib mir, we „id, der ich fonft kühn für jede Erfüllung meiı „Pflichten Dir bürge, doch nur zur Selbſterhaltu „mic zu verpflichten zage !” „Entfrseite felbit, wenn Du mid, füheft, verfe: „in einem dunkeln Kerker, von giftigen Sclang „rings umflridt, von einem nahen Feuer langfam ; „röitet, und nur einen einzigen Arm noch ungefeffelt- „tiefen Arm bewaffnet mit einem Dold,e ; würdeſt 2 „mir wohl zurufen: „Freund, nüße diefen Do „nice! bulde lieber beine Aual ! Du mußt zwar

BT „einigen Stunden ſterben; aber ſtirb wenigſtens jetzt „noch nicht !” \ „Oft war, wenn ſchon der Gedanke des Todes „in feiner ganzen Kraft erwachte; wenn ich ſchnell nach „Dolch und Giftbecher Iangte, erhob ſich ein anderes „Gefühl gleih mächtig in mir. Nicht etwa Gefühl der „Furcht, nicht Liebe diefes elenden Lebens, fondern „die Vorſtellung: der Zod trennt did von einer Welt, „in welcher Bianca noch Iebt! Ohne fie iſt ſelbſt der „Himmel für dich eine Hölle! Und dann, dann „entſchloß ich mich zu leben; dann erſchienen mir thd« „richte Möglichkeiten reigend beym eriten Anblick; aber „ach, dem Stich der Tarantel ähnlich, deſſen Wirkung „mit frohen Zänzen beginnt, und mit tödtlihen Ver“ „zuckungen endet! Denn dachte ich eh: sielleidht, daß . ngleihwohl noch

„O vergib mir, wenn ich hier ſtocke! Der hat awenige oder höchft Ealte Entwürfe, ber fie der Feder . „und dem Papiere anzuvertrauen vermag! Und eben „daher noch eine Bitte, meine Letzte vielleiht!. „Theure, edelfte Bianca, ich befchwäre Did) bey dei⸗

Her fhönen Seele, bey unferer Wohlfahrt hier und Bpert, ‚bey dem Schußbeiligen, vor deſſen Bildniß „Du vielleicht fo eben Enieeft , bey der Goͤttlichen ſelbſt, „die ohne Sünde empfing : verfage mir diefe legte ' ‚nGefäligkeit nicht! Gönne mir noch ein Geſpräch gmit Die! |

„Ort, Zeit und Art Überlaß id Deiner Willkür, „Gebeut mir die mühfamften, die gefahrvollften Wege. „Ah, was ift Mühe und Gefahr, gegen wenige Mis „nuten im Geſpräche mit Dir vollbracht Sie follen „mein Geſchick für immer beftimmen ; fie fallen

won 52 mm

Bedauern eines Unglücklichen ſey, was fie am brit Tage zu folgendem Schreiben antrieb.

„Mitleidswerther Süngling!

„als wir das legte Mahl uns ſahen und fo ſchr „wieder trennten, war mein ganzes Wefen in fei: „Srundfeften erfchüttert; war mein Bemußtfeyn | „ganz dahin. Welches Urtheil ih damahls ge, „Dich geſprochen, weiß ich nicht mehr. War es „hartes, fo vergih mir; mein Mund ſprach es ar „ohne daß mein Herz eine Sylbe davon wußte!”

„Nur des Schwures entfinne ih mih nor D „ne oder Feines Mannes Battinn zu werben; und „wiederhohle ich auch jegt, zwar nicht bey beruhiht „Kerzen, aber doch bey ruhigerem Blute. Auch | „wir noch etwas mein Gedaͤchtniß aufbehalten ; „ſchreckliches Bild! das Bild Deines Schmerzens. „Süngling, verzweifele nicht! Die größten Beſo „niſſe verwandeln fi oft in Hoffnungen! Gott ı „ber Liebe ift ja Bein Ding unmöglid. Immer nod

Deine Blanca.” N. S. „Du Eannft kühnlich „dieſer Mohrina trauen; „ihre Merz iſt eben fo weiß „und treu gegen mich, als „ihr Angeſicht ſchwarz ift.”

Schnell und richtig beitellte die Vertraute die Brief. Ein günfliges Ungefähr führte fie auch zu ei Minute hin, wo der beislägrige Bonaventuri

zer 55 nes

ganz allein befand. Sein Erftsunen war faft fo groß, wie fein'biöheriger Sram. Was einem Kranken, dem Sreunde und Arzt und Wärter bereits das Leben abs geſprochen haben, die erfte günftige Verſicherung wahre ſcheinlicher Beſſerung ſeyn muß, Das war ihm aud jet diefer Brief. Haſtig verfhlang er ihn mit dem erften Blicke, um dann noch täufend Mahl das Lefen desfelben zu wiederhohlen; der Mohrinn plattes Ges ſicht ſchien ihm das Antlig eines Engels ; zahlloſe Fragen that er an fie; fprang dann auf von feinem Lager und ſchrieb Dieß zur Antwort:

„Krone des weiblichen Geſchlechts

„Vom Fieberfroſte zitterte vor wenig Augenblicken „erſt eben dieſe Hand, die jetzt vor Freuden zittert. „— Iſt es möglich, daß Bianca noch meiner ſich er⸗ „innert? daß ſie im fürchterlichen Zorne nicht aufeim⸗ „mer Auge und Seele von mir abgewandt hat? „Klein iſt wahrſcheinlich die Zahl der mir noch ab⸗ „gemeffenen Augenblicke; aber ruhig ſehe ich nun dem „Schlafe entgegen, der meine Qualen enden ſoll. „— Gottes Segen und der Segen jener unbes „fleckten Mutter Eomme über die edle Capello !”

„Ich nehme den Schwur an, den fie that, meine „oder keines Mannes Gattinn zu werben; aber die „frevle Hoffnung, Sie zu befigen, hält ſich eben fo „entfernt von mir, ald der neidifche Wunſch: daß der „Schöpfung ſchönſtes Meifterftücd den’ Nonnenſchleyer „wähle. Bald wird das Grab mid aufnehmen; und „dann befelige meine Berlobte einen Mann, der Bor „naventuri’d Herz mit Saldiati's Reichthum und Ca⸗ „pelo’s Range verbindet!”

wen Ba wen

„Sieh, ich ſammle meine ganzen Kräfte für ı „und doch find deren fo wenigein mir, daß fchon | „dritten Mahle die Keder meiner Hand entfunfen „Lebe wohl! und .wenn bald vielleicht ein leifed 2 „hen unvermuthet dir an deiner Wange binweht., „denke, daß es mein Geiſt fey , der fi) halb vergeb „bemüht, fein Dafeyn Die anzuzeigen! Bis zum. | „ten Lebenshauch on

Dein

Bonauenturi.

Arme, beforgte Bianca ! So liebevoll dieſes Sch Ben Elang , fo wenig war ed doch ganz nad ihr Wunſche. Sie mußte nob nicht,/ daß tie Todes⸗A dungen eines Qiebhabers felten eine buchitäbliche We beit zu feyn pflegen, und die Erzählung ihrer M vinn gon dem bedenklichen Zuftande , in welchem fie jungen Mann angeteoffen habe, vergrößerte nody i Angft. Äber mit eben derfelben wuchs auch die Lie wuchs nitt jeder Stunde fo ftark, daß ſie ſchon bes dern Morgens die Mohrinn zum zweyten Mahle mit gendem Säreiben abfandte:

„Nein, geliebter Bonaventurt, Dein Brief „nicht das legte Lebewohl mir.fagen! Ich gebiethe ( „zu leben ; gebiethe Dir, das Grab noch nicht „Deine baldige Wohnung , den Tod noch nicht

„Deinen einzigen Freund anzufehen. Unachtſam „baft du fo flüchtig meines vorigen Briefes let „Zeile überfehen I" „D Mann, daß eine fo tiefe Kluft uns tren „muß! Und doch iſt ſie noch nicht allzutief und al ꝓ„grauſend für meinen Seit! Erſt nach dem To

no B5 vera

„will der Deinige mich ud ſchweben Ach ber Meinige „thut Dieß bey Deinem Leben ſchon. Juͤngling, „Jüngling, im Wettſtreit ſtärkberer Liebe bürfte „das ſchwaͤchere Geſchlecht wohl obſtegen!“ „Auch meinen Schwur mißdeuteſt du. Deine oder „keines Andern Gattinn! Dieſen Eid würde ſelbſt „Dein frübes Einſchlummern nicht vernichten. Blüht „nit für Dich die Blume meiner Zugend, fo foll „Niemand ih kanns nicht enden; allaugenblicklich „ſehe ich mich geftört. und in Gefahr ber Entdedung. „Doch barf ich es nicht länger anſtehen laffen, Dir zu „gebiethen: Zrage Sorge für Did ſelbſt!

„Gehorche! oder zittere, wenn Du es unterlaffen koͤnn⸗ „seit! Denn dann verklagt Sig auch noch bort die „Thrane

Dein Bianca” mit faſt noch geßßerer Freude als den vorigen, empfing Bonaventuri diefen Brief. Die Eile, mit welder er ankam, der dringende Zon befielben beſtaͤrk⸗ te ihn immer mehr und-mehr, daß Bianca. noch, und zwar, daß fie ihn brünftig liebe.

- Aber fo ift die menfhlihe Natur! Raum wırb der Eleinere Wunſch ihr gewährt, fo glaubt fie auch fon auf den größern rechtskräftige Anfprüde machen zu dürfen. Eben der Bonaventuri, der damahls, als er troftlos an Martelli's Bufen fein Leid ausfchüttete, den Eeinften Funken Hoffnung : daß Bianca feiner noch günftig dedenke, für Himmelswonne geachtet ha⸗ ben würde; eben diefer Bonaventuri fah nun kaum je⸗ nen Funken unwiderſprechlich glühen, als er ſofort

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auch nad) aröfiern Vortheilen firebte; als er fi vornahm, Alles oder nichts zu beſitzen.

Vilder des Glücks lächelten ihm nun fhon ı der wirken! von fern; und die Drangfalen im X dergrunde erſchreckten ihn nicht. Er wollte hindu . oder nicht mehr leben. Vorſichtig genug, feinem W telli, deſſen kalte Klugheit zu grell von der glüben Jugendhitze abſtach, die letztern Briefe nicht mehr zeigen, ſchrieb er tief in der Nacht folgendes Bil welches er der wieder nachfragenden Mohrinn einh digte.

„Edelſte aller Venetianerinnen!

„Zum zweyten Mahl alſo befiehlſt Du mir zu „ben und zu dulden? befiehlſt es mir, voll Bewu „ſeyn Deiner Allmacht Über mern ganges Geſchick?

„Aber felbit bie himmliſche Huld, diefe mir „zufprechende Gute o wie verſchieden ift fie von „nem befeligenden Tone, als ich in deine ausgebrei „ten Arın: ſank, ald Du nod den glüdlichen Salvi „in den. verkannten Bonaventuri ju umarmen glaı „teſt! Koeniginn meiner Seele! o vergib mir, we „in, der ich fonft kühn für jede Erfüllung mein „listen Dir bürge, doch nur zur Selbſterhaltu „mid zu verpflibten zage!“

„Entfreite felbft, wenn Du mich ſäheſt, verfei „in einem bunkeln Kerker, von giftigen Schlang „rings umfleidt, von einem nahen Feuer langfam ; „röitet, und nur einen einzigen Arm noch ungefeffelt- „tiefen Arm bewaffnet mit einem Dold,e; würbeit 3 „mir wohl zurufen: „Freund, nüge biefen Do „nicht! dulde lieber deine Qual! Du mußt zwar

„einigen ‚Stunden ſterben; aber ſtirb wenigſtens jetzt „noch nicht!”

„Oft zwar, wenn ſchon der Gedanke des Todes „in ſeiner ganzen Kraft erwachte; wenn ich ſchnell nach „Dolch und Giftbecher langte, erhob ſich ein anderes „Gefühl gleich mächtig in mir. Nicht etwa Gefühl der „Furcht, nicht Liebe dieſes elenden Lebens, ſondern „die Vorſtellung: der Tod trennt dich von einer Welt, „in welcher Bianca noch lebt! Ohne ſie iſt ſelbſt der „Himmel für dich eine Hole! Und dann, dann „entſchloß ich mich zu leben; dann erfchienen mir thö⸗ „richte Möglichkeiten reizend beym erften Anblick; aber „ach, dem Stich der Tarantel ähnlich, deſſen Wirkung „mit frohen Zänzen beginnt, und mit tödtlichen Ber’ „zuckungen endet ! Denn bachte ich of: vielleicht, daß aoleichwohl noch

„O vergib mir, wenn ich hier ſtocke! Der hat „wenige oder höchſt kalte Entwürfe, ber fie der Feder . „und dem Papiere anzupertrauen vermag! Und ebeu „daher noch eine Bitte, meine este vielleicht! „Theure, edelfte Bianca, ic befhwäre Dich bey bei* añer ſchönen Seele, bey unſerer Wohlfahrt hier und Idoert, bey dem Schutzheiligen, vor deſſen Bildniß „Du vielleicht fo eben knieeſt, bey der Göͤttlichen ſelbſt, „die ohne Sünde empfing : verfage mir biefe legte „Gefälligkeit nit! Gönne mir noch ein Geſpräch gmit Dir! |

„Ort, Zeit und Art überlaß ih Deiner Wiſlkür. „Gebeut mir die mühſamſten, die gefahrvollften Wege. „Ah, was iſt Mühe und Gefahr, gegen wenige Mi⸗ „nuten im Geſpräche mit Dir vollbracht“ Sie follen

„mein Geſchick fir immer beftimmen ; fie follen

„mildes, himmliſches Mädchen , vertweigere mir bi „flebentliche Bitte nicht! An ihr will ich erkennen: vich wirklih no in Deinem Auge fey

Dein Bonaventuri.“

Sehnlicher blickt der Unglückliche, der an eiı wüſten Snfel ftrandete, dem einzelne, am Felſen fundene Beeren Faum noch das Leben friſten, den legten Späne feines Bretes, das ihn ans Ufer tru Faum nod erwärmen fehnlicher blickt er nicht ber See hinaus: ob vieleicht der Rauch feines merlichen Feuers ein Segel herbeylocke? ald Bor venturi, einige Tage hindurch, der Antwort auf fi Begehren entgegen fhaute. Sie Fam endlich und le tete alſo:

„Meinen Dank dafür, Liebling meiner See „Daß Du ſelbſt die große Wahrheit erkennſt: um r „nigftens jenfeits für einander zu leben, miffe m „dießſeits ausdulden. Deine Einwürfe miderlege „nicht, Sit dein Herz äleich geffimmt mit bem mei „gen, fo bedarfes nit einmahl diefer Wederlegun

„Aber ach! daß ich, die ich fo gern jede billi „Bitte, noch kaum gedacht, geſchweige wukl „ausgeſprochen, Dir gewähren möchte, «a „daß ich nicht Hoffnung nicht Hoffnung einm „iu einem mündlihen Gefprähe Dir machen Far „Mein Herz blutet; aber diefes Bluten macht lei „Unmöglichkeiten nicht moͤglich.“

®

„Laß meine Mobrinn Die erzählen ; wie ben gans „zen Tag hindurch Auffeher mid belauern; wie fein „Augenbli für mich ſicher, Kein Winkel einfam’ ift.

„Muthmafite weine Hofmeifterinn. nur eine Rüden '

„innerung, gefhweige ein Verftändniß zwi⸗

„chen ung ; fie würte fogleich ed meinem Vater anzeis „gen; ein Kofter würde für mid) feinen Schlund aufs „thun, für Dich vieleicht ein Kerker. Alles, Alles

„wäre dann verloren. O daf die Liebe einen Rath „wüßte, und ich würde denfelben willig hören; aber

„iegt bat für Dich nur Seufzer, nur Spränen und „Wüuünſche Deine | Bianca”

%

ben wollte. Dieß der Brief. und zum Troſt für meine Leſer, der legte Brief! den die Mohrinn zu⸗ ruͤck trug:

| „Uunmöglich alſo iſt es Dir, mich. am Tage zu „Dir, oder ſonſt irgend wohin zu beſcheiden? Unmög—

„lich, ob Du ſelbſt gleich ſonſt meine Bitte billig

„findet? Wohlan, fo bleibt mir doch ein Vorſchlag „übrig. Zwar thu' ich ihn mit Zittern; aber ich weiß, „daß ich mit einer Heldinn,, mit einer edlen Geele,

F Lv

Jetzt war Bianca da, wohin Bonaventuri fie has.

J

„gleich erhaben über Furcht und Vorurtheile, ſpreche;

„und ich wag ihn daher, „Von jeher war die Nacht der Siebe Freundinn. „Laß uns ſolche auch zu der Unſerigen machen! Wann

x.

IIER 60 r208

„Dein Vater, wann Deine Auffeberinn ſchlafen, dar „Du Theure, wache für mich! danıı Eomme Du fe „zu Dem, der leider nicht zu Dir binfommen da „Du weißt das Haus, worin id wohne; das le „Fenſter gegen Welten, das Einzige, in weld

„Du nad) zwölf Uhr noch Licht fehen wirft, ift! „Meinige; da will ich fieben Nächte hindurch anf t „warten; da hoffe ih —“

„O zürne nicht, zürne nicht, Du Einzige! T „für die ich Iobe und ſterbe! Für Dich wollte „freudig den glühenden Sand Afrika's, für Didy- „ftarren Gebiethe des Nordens durdivandeln; ſollt

„Du Did) weigern , wenige Schritte uͤber die Stra „für mich zu thun?

„Auch zage nicht, Did in einer fo gefährlich „Stunde allein mir einem Manne zu fehen, der D „liebt! Gottes unmwiderruflicher Fluch falle auf me „Haupt; jeder feiner Heiligen verfhmähe die Vorbii „für mid, und Feine Meſſe, am Hocdaltar, zur h „ligften Zeit gelefen , exlöfe dereinft meine See „wenn ich einen Wunfch oder nur ein Wort gen „Dich wage, das bie firengite Tugend fhamroth m „ben könnte! Die Ruhe deines Gewiſſens, De „guter Nahme und Glück find allein mir tbeurer ne „ald meine Liebe Nur erhöre mih! Ich beſchwi „Did ; erhöre mih! Bis zum Ende meines Leben „und gewiß dort noch

Dein Bonavensuri.”

Ich zweifele nit, daß die meiflen Damen, . die durch ein Ungefähr dieſen Brief zu Gefichte bekor

wen 62 mem

men, und zumahl diejenigen, welche vergeffen , daß das welſche Blut um ein gutes Theil glühender, als unſer deutſches phlegmatiſches walle Bonaventuri’s Vorſchlag ziemlich dreiſt und unſchicklich finder dürften, Bianca felbft fand ihn Anfangs fol Jungfräu—⸗ fihe Scham, —— vor der oft geleſenen Behaup⸗ tung: daß Meineid bey der Liebe, im Puncte der Enthaltfamkeit, für keine Sünde gelte; die Schwie⸗ rıgkeiten des nächtlichen Entweichens ; Die fürdhterlichen Folgen der Entdeckung: alles Das ſchreckte fie; und fürwahr, ihre Vorfag, gegen ih felbft zu kämpfen, mußte ftandhafter als ein gewöhnlicher weiblicher Vor- fa feyn, denn ganger zwey Nächte hielt er an, fo ſchlaflos auch drey Viertheile von ihnen Bianca ba- hinſchlichen. Dieß ift der Monolog der‘ dritten Nacht, als fie abermahls die Mitternachtsſtunde ſchla⸗ gen hoͤrte: | „Unmöglich, unmdglih, daß ich. an etwas ans ders denke, ald an ihn! Selbſt Gebethe, die ic zum Himmel fenden will, werden zu Spott gegen den Himmel; werden Gedanken an ihn an ihn, der mır mangelt, und Alles mitibm !’ (paufe). „Was er jegt machen mag?! Ob er. auch wacht? auch feufze? auch fi fehnt nad mir? O gewiß, gewiß! Sagen es mir nicht feine Briefe? Sagt es mir nit mein Herz? (Uuffpeiigend, indem fie ihr Bette weit wegwirft.) Hinweg mit dir, ebemähls die Beruhigung meiner kleinen Sorgen, nun meine be ſchwerlichſte Laft! Du gehörftfür Schlafende; aber für mich iſt auch diefe Erquidung dahin. Selbſt als Kranke babe ich keinen Anſpruch mehr auf did. Meine Krarkheit heilt ein Einziger, oder ein Bett von Erde,

(Gcht einige Nahle auf uud ab, und bleibt vor dem B ihrer Hofmeiſterinn Reben, A fer Idiäft.)

„Und du fdlummerit fo fanft? fo fett? DI Sorgfalt für mi, die ich fo ſehr deiner Sorgi bebürfte? Kein Traum von Liebe, Eeine Sehnſu nad einem Manne, der nicht dein Mann feyn Eur bennruhigt dih. Haſt du auch jemahls gefühlt, w Gluth der Zärtlichkeit vermag, fo har jest das Al dene Flamme erlöſcht, beine Wünſche befänftige.” Pau.)

„O, daß ich wäre, was du biſt! Wie gern te ich diefe Enöcherne Hand, dieſes runzelvolle Geſie diefen verwachfenen Wuchs gegen meine Tugend ı Geſtalt umtaufhen, befüme id nur zugleid dein H mit; dein Herz, deſſen größte Glückſeligkeit &p und Trank, Kleider und ein richtiger Jahreslohn a maden! (Auf und abgeheud.) Bonaventu Bonaventuri! Welch erbittertes Geſchick ſpr über und das Urtheil aus: daß wir Unſchuldige ur wechfelfitiges Elend machen folltent Wie} w ex jetzt vielleicht meiner barıte ? Bey jedem rauf ben Lüftchen an Zhür und Fenſter eiltet Zürnte, | id nie Aime?’

„Zürnen! Könnteer Das? War fein Vorfch von der Art, daß ich ihn gemähren Eonntet 2 man mich nun binfchlüpfen fühet Wenn man mid def vermißte ? Meine alsdann jeder Verleumdung pr: gegebene Ehre, der Spott meiner Scweſtern, Zorn meines Vaters, die Vorwürfe meines Gewiff o Bonuaventuri, dem Allen wolltet du rn bloßitellen?! Du, für den ich willig ſelbſt in den

u wa 63° vorn gehen würde! (Eis sefinnend.) Inden Tod?” (Mirfe find mit betretener Miene in einen Gelen. .

„Pfui, Bianca! hier ertappft du dich ſelbſt auf einer Unwahrheit. Iſt ſpöttiſches Stadtgeflüſter, iſt ſtrenge Behandlung deines Vaters, ſind Schlaͤge und Einfperrung ſelbſt, mehr als der Zod? Ihm willſt du für Bonaventurs dich unterziehen, und jenen Prüfun⸗ gen nicht? (Schnell auffpringend.) Auf! auf! Was dich bintern kann, ſchlaͤft. Auf! auf! bin jun ihm! Er bat nichts Unmögliches gebethen! (Einhaltend.) Aber wenn er Schwaches Mädchen, wie ver⸗ mödtet du —“

„Stein! nein! er hat geſchworen; und Mißtrauen in feinen Schwur wäre Mißtrauen gegen den Himmel ſeibſt. Sort ſelbſt könnte nicht Meineid in dem Herzen eines Mannes ungeftraft erbulden, in deſſen Augen und Mund er fo viel Redlichkeit und Überrebung legte. Auf! auf! zu ihm!”

Bianca eilte jetzt eben ſo leiſe als ſchnell die Trep⸗ de hinab > riegelte die Hausthüre anf, lehnte fie vor⸗ jihtig an, und flog zum Pallaſt des Salviati. _

Drey halbe Nächte hatte hier der junge Mann vergebens an feinem Fenſter geharrt ; hatte auf jebes lifpelnde Lüftchen gehorcht; auf jede noch ferne Geftalt ängftlih gelaufht. Schon nahm feine Hoffnung, es jemahls mit glücklichem Erfolge zu thun, allmählig ab; ſchon beforgte er, durch feine allzudreifte Forde⸗ zung alles verloren zu haben; fhon war ihm auch ‚einige Mahl der ſchreckliche Gedanke: ber ertappten

ea 64 nosea , Bianca, burdhdie Seele gebrauft. Die ganze San Iung feiner Kräfte war ihm dann nöthig, einer X ftelung diefer Art nicht zu erliegen.

Raum traute er daher jeht feinen Augen, alı fie daherſchlüpfen ſah; als er das Rauſchen ıhres denen Gewandes vernahm, und ihre Geſtalt erfanr Kaum vermochte er ihr entgegen zu eilen, ald end ihr Hüfteln, ihr Winfen und ihr leifer Gruß ihn ut zeugte, daß es kein Trugbild fey, was in biefer i fo iheuern Korm erfcheine; und noch minder vermo: er dann zu ſprechen, als das liebevolle, gütige M chen ihm mit ſinkenden Augen, ftatt einer wörtlid Bewillkommung, die Wange zum Kuffe darboth.

Aber ihre Unterredung ſelbſt? Nein, eb | nit Nachahmung jenes Mahlers Timanthes fe der feinen AgamemnondsKopf *) verhüllte, weil den leidenſchaftlichen Ausdruck desfelben zu erreid verzweifelte! Doch was dem Liebenden von der G Tiebten fo unnachahmlich ſchön dünkt, wird Teidht dem Papiere für einen Dritten zur Übertreibung nicht gar zur Thorheit; Gefprache der Zärtlichkeit, der wirflihen Natur fo ſchnell verfliegend, dehnen | in der Wiebererzählung zur oft unerträglihen Lan; und daher wird man fich hoffentlih auch mit die Eurzen Nachricht begnügen. Zwey Stunden v

ſtrichen

*) Ben einer Opferung der Iphigenia. Der Nabme manthes, und dieſe Begebenheit intbeſondere, ſind allbekannt, daß es Beleidigung der Leſer ſeyn dürfte, ters Hiee umſtandlich zu erzählen.

x ven 65 TOR, ffrihen den - Liebenden unter Betheurungen ihrer in: brünftigen Liebe, unter Iuftigen Entwürfen für Ge⸗ genwart und Zufunft, Trotz mander innern Anreis zung bielt der Züngling den Schwur feiner Enthalt⸗ ſamkeit; und Capello 8 Tochter erneute den isrigen : einit diefes oder keines Mannes Gemahlinn zu werden.

Beym Abfchied.. vereinten fie ſich, fiber eine gfeis he Zufammenfunft in der deitten Naht; meinten, trockneten ſich wechfelfeitig die Thraͤnen; trennten ſich unter tauſend Küſſen, mit zehnfachem Zurückkehrem.

Armes Moͤdchen, als du im Heimgehen mit bee

frohen, blinkenden Thraͤne zum geſtirnten Himmel emporſchauteſt, und für dieſe zwey ſeligen Stunden ihm dankteſt, da ahndeteſt du noch nicht: welchen kränkenden Streich ein feindſeliges Geſchick dir indeß erweiſen Eönne, und wirklich erwieſen hatte! Durch eine Hinterthür in einem engen, ſchmalen Gäßchen war. Bianca aus dem väterlichen Haufe. gefchlunft, ‚hatte fie hinter fih nur angelehnt. Ein Luftzug mochte die Thüre merklicher geöffnet haben: ein Be: Eannter des alten Capello ging vorbey ; fah es; glaubte, daß hier bloß ein Ungefähr obwalte; glaubte den Pal⸗ laft feines Freundes ‚vor Dieben fihern zu müſſen, und warf fie, aus unzeitiger Dienfibegier, zu.

Welch ein Entfegen für Bianca, als fie 1egt ſchnell wieder in ihre Wohnung zurüdkehren. wollte, und fie verfchloffen.fand. Starre Betäubung faßte fie zwey Minuten hindurch; fprachlos fanE fie während derfelben auf eine iteinerne Ruhebank. Dann fprang fie fhnel wieder empor; bann war ihe Entfchluß ges faßt auf immer! |

Meißners Bianca Gap. 1. Thi. a | Zu

own 66 men

Aber mm denke man ſich auch auf der and Seite das Erjtaunen, das Bonaventuri durchdrar als ihn, der eben , wonnetiunfen feinem Schl gemach zueilen wollte, eine Stimme unter fein Benfter beym Nahmen rief; als er die Thür Öffne und Bianca abermahls hereintrat.

Bonav. (indem er die Thür aufthut.) met e Sie ſchon wieder da, Bianca?

Bianca, Und für i immer , wenn e3 das es fol vergönnt!

Bonav. Kürimmer? Wie ift Das moͤglich 28 iſt hier vorgegangen?

Bianca. (Mit freudiger UEntſchloſſenheit.) Nich was uns betrüben darf! Mein Theuerſter, der gl lihite Augenblick unferer Liebe ift erfihienen. 9 beym Abichiede fehnten Sie fih nad der Minute, Ste mid) Battinn nennen Eönhten; jegt bin ich's will es bleiben, fo fang ich lebe. Nur mit ber klei Bedingung nicht zu Venedig!

Bonav. Wie? was? Bianca ! Höre recht, eder

Bianca. Laß mich ausreden, und dann ſcheide! "Ah, Lieber! ſchon hatten wir vorhin ı hinaus in die Zukunft geträumt; doc fo ſpottet Himmel menfhliher Entwürfe! Als ich zur IL meiner Wohnung kam, fand ich fie verihloflen. nabrnenlofe fürchterlihe Empfindung; aber zum & auch nur von der Dauer weniger Secunden; d hatte ich Partey ergriffen, hatte gewählt für ganzes Leben. Nichts, nichts kann mid hier dem fchredlihen Zorn meines Vaters jhüßen, mw er erfährt, was er bald erfahren muß mein: ni

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fie Ahweſenheit. Seine Wuth, die Wuth meinet Familie, erpreßt oder erraͤth dann leicht mein Geheim⸗ niß; heimlicher jäher Tod wird dein Loos / langſame Abzehrung das Meinige. Nichts, nichts rettet uns hier; um uns zu erhalten, müſſen wir flleben.

Bonav. Fliehen? Gerechter Gott, wohin? Bianca Kein Einwurf, keine Zweifel, keine Thraͤnen jetzt! Glaubſt du, Jüngling, daß id daran Mangel hätte, wenn ich fie nicht durch gefammelten Much zurücdwiefe ? Nunmehr. ift es Zeit, mir zu bewähren, daß du mich liebſt! Harre keinen Augen⸗ blick länger, als die höchſte Noch gebiethet! Der Mor⸗ gen muß uns ſchon fern, fern von Venedig finden, - an unjerm geringiten Verzuge hängt. vielleicht Ehre, Glück und Leben. Halt du nit einen Varer! Iſt nicht auch Florenz ſchön und groß?

Bonav. Wohl habe ich einen Vater! Wohl iſ Florenz ſchön und groß! Aber ach! mein väterliches Haus ift die Wohnung der Armuth. Von dem Weni—⸗ gen, mir bier abgedardt, leben dort größten Theils meine Ältern. Kaum würde uns bey ibnen ein dürf- tiges Dad) vor ben Unbequemlichfeiten der äußern Rufe befhügen; Waſſer und Bros wäre dort unfer einziger Unterhalt. Nein, theuerite Bianca, wie könnten &ie, in uͤberfluß und Reichthum erzogen, jenen äͤußer⸗ ſten Mangel ertragen, der ſelbſt Diejenigen, die in ihm geboren find, ſchmerzhaft genug drückt! Mie? würde die Tochter des edlen Capello nicht bald dem Manne fluden, der fie in Mangel und Elend herab erniedrigte? Bianca (miternftem Biice.) Bonaventuri! ich dem Monne fluchen, den ich mir ſelbſt erwaͤhlte .

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Bonav. Und mit dem Sie gleichwohl nur in der erſten Aufwallung des Schreckens ſich verbin und ihm folgen wollen! O Bianca! der Üßerg vom Unglüd ;um Ölude it jo fuß und leicht, der Weg zur Hölle; aber der Pfad vom uͤterfluß Düräftigkeit iſt ſteil und ſchwer. Sit die erfte £ .Ihrer Liebe weggedunſtet, dann dürften Sie in nicht mehr ten Gegenſtand Ihrer Zaͤrtlichkeit, font bloß fie Quelle all Ihres Jammers fehen.

Bianca. Mein, lieber Mann, bu ireft & Meg mir tem Zwang, ber deine Reden erkultet! ! find vor ten Augen ber Gottheit fo gut ald vermal und das vertraulihe Du ziemt unsnun. Hier iſt m Hand, und unfere Verbindung, bezeichnet durch fen Handſchlag und durch diefen Kuß, trennt des Tod.

Bonav. D Bianca, wie fehr beforge ih

Bianca. Beforge nichts! Sch thu jet BI was ich auch ohne diefen Zufall gethban hätte, et fpäter zwar, doch nicht minder gewiß. G ih dich ſah, warft du mein heifeiter, mein gro Wunſch; was frage ih nun nad ber Erfüllung Geringern

Bonav. Aber der außerite Mangel, der u wartet?

Bianca Warum eben außerfier Man Verzage niht an unferm Unterhalt! Das, was m Hände ehemahls zum Zeitvertreib erlernten, ı de num ihre wirkliche Arbeit! Sch veritehe auf Stickerey von jeder Art; fie naͤhrt dürftig, fie nährt dog. Selbſt wenn ich eile Heerde Weide führte, würde ich Sonnenſtrahlen und Re

nafe one Murren tragen, wean ich an den Abend gedaͤchte, wo ich froh in deinen Arm zurüchſliehen koͤnnte.

Bonav. Und wenn man uns nun fände ? Wie dann!

Bianca. Iſt Florenz nicht ein ferner, weitläufs tiger Ort? Gibt es dort gar Beinen einfamen , "abges Iegenen Winkel? Kein Dorf, wo wir uns bergen Fönn« ten ?!— Und gefept auch, daß man uns fande, Eönns te ein härtered Schickſal, als jete bier, auf und wars ten!— Doch Mann, ift e billig, daß du hier den Verzagten fpieft, und ich die Tröfterinn mahe? Bo⸗ naventuri, Bongventuri! weffen Brief ift an dem Alten ſchuld? Ich fürdte, du liebſt mich nicht halb ſo feurig, als ich dich liebe..

Bonav. Ich? Götter, vernichtet die Aber oder die Merye, die nicht ewig, ewig für Bianca glüpe!

Bianca. Nun fo laß uns, ftatt zu flreiten und zu zandern, flieben'— Jeder diefer Augenblicke ift uns hoc) angerechnet. Wehe und, wenn wir fienugen Bönnten, und aus Zweifelfucht nur verfhleudern! Diefe Nacht, der Würfel falle, wohin er wolle, iſt fiber die wichtigftein unferer Beyder Bisherigem Leben. Mache, daß fie der Anfang Eünftigen Glückes, nicht künftigen Elendes ſey! Sieh! Sieh! die Morgen- zöthe ift nahe! Wie Hleich bereits die Sterne glänzen ! Schon erkenne ich jedes Steinchen auf, ber Etrafe,

D Öeliebter, wir find verforen, wenn wir nad) fo vielen Wageſtücken nicht noch das Legte wagen!

Bonav. Wohlan, ich folge dir! Gott der

Liebe, und ihe alle feine Beiligen , habt Erbarmen mit

ron 79 nero

ung Fliebenden! Ah, ich mwähnte nicht, daß d Macht meine Braͤutigamsnacht werden follte; aber r dieſe Bitte erhört: Nehmt euch unfer ſchützend an, lange wir uns lieben! Macht meine theure Bia eben ſo ſtandhaft in ihrer Zärtlichkeit gegen mid) , ein jeder Blutstropfen in mir und ‚ware er co mein letzter fi) freuen wird, wenn ich ihn für bi | ca vergieße.

Bonaventuri ſammelte nun haſtig von feiner. be alle die kleinen Koſtbarkeiten, die wenigſtent Betracht feiner Armuth fo beiffen Eonnıen. We Zechinen waren feine ganze Barſchaft, eın Paar bedeutende Rınge feine fammelihen Juwelen. Ern: fie, und floh mit Bianca einer Juwele, die | Füuͤrſt bezahlen konnte, dem eriten Sciffchen das fie glüdlih von dannen und in Kurzem an das | Fand brachte. Die Sonne war ındeß aufgegan; das ganze ftolze Venedig Tag von fern ın feiner vor ihnen. Bianca blickte oft hin, und wandte dann ſchnell zum Schiffer, um ein Paar Worse mit zu ſprechen, oder vielmehr, um Bonaventuri'n Thräne zu verbergen, die unwillkürlich über Wange berabrollte.

Als fie aber an das Land traten, (eine Vorſ die fie deßhalb ergriffen, weil fie glaubten, daß ı ihnen vorzüglid zu Waſſer nachſetzen würde) und als Bianca ganz allein mit ihrem Geliebten auf dem Ü nad Bologna bineilte, da vermochte fie freylich ni ihm ganz denfummer zu verhehlen, ven fie biöher als. binn unterbrädt hatte; und auf einem Hügel, von

non: TI came gan noch in grauer gerne Venedig fehen Eonnte, machte ein. halblauter Seufzer, daß Vonoventuri ſie ſchnell und ſtarr anblickte. |

Bonav. (fe umarmend.) D ih ſehe ich ſehe fie doch, liebſte Bianca, dieſe Perle, die auf die Er⸗ be fallen ſollte, und hier auf-beinen Schleyer fiel. Laß mich fie auftüffen! Aber was zamderfi bu? Reuet dich vieleicht jegt erſt, jest ſchon dieſe fchnelle Flucht? Noch iſt es Zeit zurüczufehren.

Bianca. Nicht zur ückzukehern,, wohl aber noch zur ückzublicken! Sieh, Bonaventuri, noch zwey Schritte tiefer hinab, und die Stadt, die mich gebar, ſchwindet aus meinen Blicken; fhwirder wahrſchein⸗ lich auf ewig, Bonaventuri! wenn ih mir Den, den ich bis jegt Vater nennen durfte, denke, wie er mit dumpfem Erftaunen die Nachricht meiner under. greiflihen Berfhwindung hört; wie er vergebens nach mir jeden Winkel feines weiten Gebaͤudes durchſucht; verge⸗ bens feine Bothen ausfendet; wie er dem Tage, ber ihm ein ungehorſames Kind gab, und dem, der ihn kin⸗ derlos machte, mit gleichem Schmerze flucht; wenn ich fein graues ehrwuͤrdiges Haupt ſich fhnell um viele of tiefer zum Grabe. hinabnergen fehe; o dann, dann muß ich wohl zaudern und Beben. (Paufe; mit Gtändertem Zone.) Und doch bebe .id ohne Grund. „Du wirft Water und Mutter verlaflen, und beinem „Manne anhängen;” ſo fpriht er ja, ber Ewige, deſſen Wort ich ſchon oft verftohlen las, und dann mit ernftem Bli auf diefer Stelle haftete, ohne zu ahn⸗ den, daß fie mir bald fo theuer werben würbe. Lebe wohl, lebe wohl, Venedig! (Bie geht einige Sqcritie weiten) Sieh, Bonaventuri! da entflieht ber lette

6A mein + Bianca, durch die Seele gebrauft. Die ganze San Iung feiner Kräfte war ihm dann nöthig, eıner X ftelung diefer Art nicht zu erliegen.

Kaum traute er daher jetzt feinen Augen, alı fie daherſchlüpfen fah; als er das Rauſchen ihres denen Gewandes vernahm, und ihre Geftalt erkan— Raum vermodte er ihr entgegen zu eilen, ald end ihr Hüfteln, ihr Winken und ihr leifer Gruß ihn ül zeugte, daß es Fein Trugbild fey, was in diefer i fo theuern Form erfheine; und noch minder vermo« er dann zu ſprechen, als das liebevolle, gütige M hen ihm mit finkenden Augen, flatt einer mörtfid Bewillfemmung, die Wange zum Kuffe darboth.

Aber ihre linterredung ſelbſt? Nein, es nicht Nachahmung jenes Mahlers Timanthes fe der feinen AgamemnondsKopf *) verbüllte, weil den leidenſchaftlichen Ausdruck desfelben zu erreid verzweifelte! Doch was dem Liebenden von der C Tiebten fo unnachahmlich ſchön dünkt, wird Teiche | dem Papiere für einen Dritten zur Übertreibung, nicht gar zur Thorheit; Gefprade der Zärtlichkeit, der wirklichen Natur fo ſchnell verfliegend, dehnen in ber Wiebererzählung zur oft unerträglichen Län, und daher wird man fich hoffentlich auch mit die kurzen Nadriht begnügen. Zwey Stunden v

ſtrichen

2) Bey einer Opferung der Iphigenia. Der Nahme manthes, und dieſe Begedenheit intbeſondere, Aint allbekannt, daß es Beleidigung der Leſer ſeya dürfte, tere dier umRändlich zu erzählen.

v⸗ 65 —— ſtrichen den Liebenden unter Betheurungen ihrer in: brünftigen Liebe, unter Iuftigen Entwürfen für Ge: genwart und Zufunft. Troß mander innern Anreis zung hielt der Süngling den Schwur feiner Enthalte famkeit ; und Capello 8 Tochter erneute den ihrigen: einit diefes oder Feines Mannes Gemahlinn zu werden. Beym Abſchied vereinten fie ſich, fiber eine gleis he Zufammenkunft in der deitten Nacht; meinten, trockneten ſich wechfelfeitig die Thränen ; trennten ſich unter taufend Küffen, mit zehnfachem Zurückkehren. Armes Mädchen, als du im Heimgehen mit der froben , blinkenden Thräne zum geftienten Himmel emporfchauteft, und für, diefe zwey feligen Stunden ihm danfteft, da ahndeteft du noch nit: welden Erankenden Streich ein feindfeliged Geſchick dir indeß erweifen Eönne, und wirklich erwiefen hatte! Durch eine Hinterthür in einem engen, ſchmalen Gäßchen war Bianca aus dem väterlichen Haufe. gefchlupft, ‚hatte fie hinter fih nur angelehnt. Ein Luftzug mochte die Thüre merklicher geöffnet haben: ein Bes Eannter des alten Capello ging vorbey ; fah es; glaubte, daß bier bloß ein Ungefähr obwalte; glaubte den Pal⸗ laft. feines Freundes ‚vor Dieben fichern zu müſſen, und warf fie, aus unzeitiger Dienftbegier, zu. Welch ein Entfegen für Bianca, als fie jetzt fhnell wieder. in ihre Wohnung zurückkehren. wollte, und fie verfchloffen.fand. Starte Betäubung faßte ſie zwey Minuten hindurch; ſprachlos ſank ſie während derſelben auf eine ſteinerne Ruhebank. Dann fprang fie fhnell wieber empor; dann war ihre Entfchluß ges faßt auf immer! | | Neißners Bianca Gap. 1. Thl. a | Zu

Aber nun denke man fih auch auf ber anb Seite das Eritaunen, das Bonaventuri durchdrar als ihn, des eben , wonnetrunfen feinem Schl gemach zueilen wollte, eine Stimme unter feir Senfter beym Nahmen rief; als er die Thür öffne und Bianca abermahls hereintrat.

Bonar. (indem er die Thür aufthut.) er e Sie ſchon wieder da, Bianca?

Bianca, Und füri immer , wenn das es fal Wergönnt !

Bonav. Kürimmer? Wie ift Das mögric t x ift hier vorgegangen ? ?

Bianca. ( Mit freudiger ntfeteffengeit.) Nie waß uns betrüben darf! Mein Theuerſter, der gl lihite Augenblick unferer Liebe ift erſchienen. 5 beym Abjchiede fehnten Sie jih nad der Minute, Sie mid) Battinn nennen könnten; jegt bin ich's will e$ bleiben fo lang id febe. Nur mit ber klei Bedingung nicht zu Venedig!

Bonav. Wie? wat Bianca ! Höre recht, eder

Bianca. Laß mich ausreden, und dann ſcheide! "Ad, Lieber! ſchon hatten wir vorfin ı hinaus in die Zukunft geträumt; doch fo fportet Himmel menfhliher Entwürfe! Als ih zur TE meiner Wohnung Fam, fand ich fie verſchloſſen. ( nahmenloſe fürchterlihe Empfirdung; aber zum & auch nur von der Dauer weniger Gecunden; dd hatte ich Partey ergriffen, hatte gewählt für r ganzes Leben. Nichts, nichts kann mid hier dem fihredlihen Zorn meines Vaters Ihüßen, n er erfährt, was er bald erfahren muß mein: n

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een 67 liche Ahweſenheit. Seine Wuth, die Wuth meinet Familie erpreßt oder erraͤth dann leicht mein Geheim⸗ niß; heimlicher jäher Tod wird dein Loos langfame Abzehrung das Meinige. Nichts, nichts rettet uns hier; um uns zu erhalten, müffen wir fliehen.

Bonav. Fliehen? Gerechter Gott, wohin? | Bianca Kein Einwurf, Beine Zweifel, keine Thraͤnen jetzt! Glaubſt du, Jüngling, daß id daran Mangel hätte, wenn ich fie nicht durch geſammelten Muth zurückwieſe? Nunmehr iſt es Zeit, mir zu bewähren, daß du mich liebſt! Harre keinen Augen⸗ blick länger, als die höchſte Noch gebiethet! Der More gen muß uns fhon fern, fern von Venedig finden; - an unferm geringiten Verzuge hängt. vieleihe Ehre, Glück und Leben. Haft du nit einen VBasert Sit nicht aud Florenz ſchön und groß ?

Bonavb. Wohl habe ich einen Vater! Wohl iſ Fiorenz ſchoön und groß! Aber ach! mein väterliches Haus ift die Wohnung der Armuth. Won dem Weni: gen, mir bier abgedardt, leben dort größten Theils meine Altern. Kaum würde uns bey ihnen ein duͤrf⸗ tiges Dach vor ben Unbequemlichkeiten der’ äußern Rufe befhüsen; Waſſer und Brot wäre dort unfer einziger Unterhalt: Nein, theuerite Bianca , wie Eönnten &ie, in uͤberfluß und Reichthum erzogen, jenen außer: ſten Mangel ertragen, der ſelbſt Diejenigen, die in ibm geboren find, ſchmerzhaft genug drückt! Mie? würde die Tochter des edlen Capello nicht bald dem Manne fluhen, der ie in Mangel und Elend herab erniedrigte?

Bianca (miternftem Blice.) Bonaventuri! ich dem Manns fluchen, den ich mir ſelbſt erwähltet . " C *

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Bonap. Und nic dem Lie gleihwohl nur in der eriten Aufwallung des Schreckens fi verbin und ihm folgen wollen! O Bianca! ber Überg vom Unglück zum Glüde it jo ſüß und leicht, der Weg zur Hölle; aber der Pfad vom uͤberfluß Dürftigkeit iſt ſteil und ſchwer. Iſt die erfie 4 .Ihrer Liebe weggetunitet, dann dürften Sie in nicht mehr den Gegenitand Ihrer Zärtlichkeit, font bloß tie Quelle al Ihres Jammers fehen.

Bianca. Mein, lieber Mann, bu irrft b Meg mit tem Zwang, ber deine Neben erkultet! ' find vor ten Augen ber Gottheit fo gut ald vermäl und das vertrauliche Du ziemt unsnun. Hier iſt m Hand, und unfere Verbindung , bezeichnet durch fen Handſchlag und dur dieſen Kuß, trennt der Tod.

Bonav. O Bianca, wie ſehr beſorge ih

Bianca. Beſorge nichts! Sch thu jeke bi was ich auch ohne diefen Zufall gethan hätte, et ſpäter zwar, doch nis minder gewiß. ( ih dich ſah, warft du mein heifeiter, mein grö Wunſch; was frage ih nun nad ber Erfüllung Geringern ©

Bonav. Aber ber auferite Mangel, der u wartet !

Bianca. Warum eben außerfler Man Verzage nit an unfern Unterhalt! Das, was m Hände ehemahls zum Zeitvertreib erlernten. ı de nun ihre wirklihe Arbeit! Sch veritebe . auf Stickerey von jeder Art; fie nuhrt dürftig, fie nahre dog. Selbſt wenn ich eiıle, Heerde Weide führte, würde ih Sonnenjtrahlen und Re

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„naͤſſe ohne Murren tragen, wenn ih an den Abend gebädhte, wo ich froh in deinen Arm surückfliepen koͤnnte.

Bonav. Und wenn man uns nun fände ? Wie dann? |

Bianca. Zft Florenz nicht ein ferner, weitläufs tiger Ort? Gibt es dort gar feinen einfamen , 'abge⸗ legenen Winkel! Kein Dorf, wo wir uns bergen Eönn« ten? Und gefeßt au, daß man ung fande, könn⸗ te ein härteres Schickſal, als jeße bier, auf und wars tent— Doch Mann, ift es billig, daß du hier den Verzagten fpieft, und ich bie Tröfterinn mahet— Bo: . naventuri, Bongventuri! weffen Brief ift an dem Allen ſchuld? Ich fürchte, du liebſt mich nicht halb fo feurig, als ich dich liebe..

Bonav. Jh? Götter, vernichtet die Aber oder die Nerye, bie nicht ewig, ewig für Bianca glüht!

Bianca. Nun ſo laß uns, ſtatt zu ſtreiten und zu zandern, fliehen! Jeder dieſer Augenblicke iſt uns hoch angerechnet. Wehe uns, wenn wir fienugen Eönnten, und aus Zweifelfucht nur verfhleudern! Dieſe Nacht, der Würfel falle, wohin er wolle, iſt fiher die wichtigftein unferer Beyder bisherigem Leben. Made, daß fie der Anfang Eünftigen Glückes, nicht Fünftigen Elendes ſey! Sieh! Sieh! die Morgen: zöthe ift nahe! Wie Hleich bereits die Sterne glänzen ! Schon erkenne ich jedes Steinchen auf, ber Straſte.

O Geliebter, wir find verloren, wenn wir nad fo vielen Wageſtücken nicht noch das Letzte wagen!

Bonav. Wohlan, ich folge dir! Gott der Liebe, und ihr alle feine Heiligen, habt Erbarmen mit

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uns Fliebenden! Ah, id mahnte nit, daß d : Nacht meine Braͤutigamsnacht werden follte; aber biefe Bitte erhört: Nehmt euch unfer ſchützend an, Tange wir uns lieben! Macht meine theure Via eben fo ftanohaft in ihrer Zartlichkeit gegen mich, Rein jeder Blutstropfen in mir und ware er mein letzter ſich freuen wird, wenn ich ihn für B

ca vergieße.

Bonaventuri fammelte nun baflig von feiner be alle die Eleinen Koftbarkeiten, die wentgitene Betracht feiner Armuth fo beiffen Eonnıen. We Zechinen waren feine ganze Barſchaft, eın Paar bedeutende Rınge feine fümmelihen Zumwelen. Er ne fie, und floh mit Bianca einer Juwele, die | Fuͤrſt bezahlen konnte, dem erſten Sciffchen das ſie glücklich von dannen und in Kurzem an Das | Land brachte. Die Sonne war indeß aufgegany das ganze ſtolze Venedig lag von fern ın feiner Pr vor ihnen. Bianca blickte oft bin, und wandte dann ſchnell zum Schiffer, um ein Paar Worte mit zu ſprechen, oder vielmehr, um Bonaventuri'n Zpräne zu verbergen, die unwillkürlich über Wange herabrollte.

Als fie aber an das Land traten, (eine Vorf die fie deßhalb ergriffen, weil fie glaubten, daß ı ihnen vorzüglich zu Waſſer nachſetzen würde) und als Bıanca ganz allein mit ihrem Geliebten auf dem Ü nad) Bologna hineilte, da vermochte fie freylich ni ihm ganz denKummer zu verhehfen, ven fie bisher als. binn unterdruͤckt hatte; und auf einem Hügel, von

wa I *— man nod in grauer gerne Benebig fehen konnte, machte ein. halblauter Seufzer, daß Bonaventuri ſie ſchnell und ſtarr anblickte.

Bonav. (fie umarmend.) O ich ſehe ich ſehe ſie doch, liebſte Bianca, dieſe Perle, die auf die Er⸗ be fallen ſollte, und hier auf deinen Schleyer fiel. Laß mich ſie aufkuͤſſen! Aber was zauderſt du? Reuet dich vielleicht jetzt erſt, jetzt ſchon dieſe ſchnelle Flucht? Noch iſt es Zeit zurückzukehren.

Bianca. Nicht zur ückzukehern,, wohlaber nodzurädzubliden!— Sieh, Bonaventuri, noch zwey Schritte tiefer hinab, und die Stadt, die mich gebar, ſchwindet aus meinen Blicken; fhwirder wahrſchein⸗ lich auf ewig, Bonaventuri! wenn ih mir Den, den ich Bis jegt Vater nennen durfte, denke, wie er mit dumpfem Erftaunen die Nachricht meiner under. greifliden Berfhwindung hört; wie er vergebens nach mir jeden Winkel feines weiten Gebäudes durchſucht; verge⸗ bens feine Bothen ausſendet; wie er dem Tage, ber ihm ein ungehörfames Kind gab, und dem, der ihn kin⸗ derlos machte, mit gleichem Schmerze flucht; wenn id) fein graues ehrwürdiges Haupt ſich ſchnell um viele Kol tiefer zum Grabe. hinabneigen fehe; o dann, dann muß ich wahl zaubern und beben. (pauſe; mit Geändertem Tone.) Und doch bebe .ich ohne Grund. „Du wirft Mater und Mutter verlaflen, und beinem „Manne anhangen;” ſo fpriht er ja, ber Ewige, befien Wort ich ſchon oft verftohlen lad , und dann mit ernftem Blick auf diefer Stelle haftete, ohne zu ahn⸗ den, baß fie mir bald fo theuer werben würde. Lebe wohl, lebe wohl, Venedig! (Bie gebt einige. Garäüte. weiter) Sich, Bonaventuri! da entflieht der Iehte

won MB Flimmer feiner Thürme! (Indem fie wieder einige os@ zurüd geht.) Vergib mir, Geliebter! ih muß bie Slimmer noh ein Mahl fehen.— So! ſo 1 nun fort, tbeurer Gemahl, fort! Auch Flor bat der Käufer und Ihürme genug; bat Vater ı Mutter, und o ber tröjtenden Wonne!— hat nen Bonaventuri für mid.

Bier Tage unV Mäckte beachten unfere Lieben zu, ehe fie Bologna erreihten. Ihr erfied Na lager war in einer elenden Dorffhenke, wo man. nen in einer dunkeln einfamen Kammer eine St von halb moderigem Stroh anwies.

Bonav. (indem er ſich trausig auf einen wanker Scqchamel Hinwirft,) Dieß, Dieß alfo der Ruheort ei, Dame, deren Blut an Adel mit manchem fürftlihen Se fe wetteifern Eönnte! die hoch am naͤchſten Abend auf nem Lager .rubte, deffen Werth-vielleicht den We diefer ganzen Hütte weit überſtieg! Theure Bian welch ein Anfang |

Bianca. (täbernd.) Sahſt du denn, Lieber, | beym Anblick diefer Streu der geringfte Seufzer m nen Bufen höher als gewöhnlich hob? Habe ich fache gu murren, wenn ich mit dem Geliebten mei Seele gleiches Schickſal theile! Oder maden | derdunen und prächtige indifche Decken einen gefünb Schlaf, als Eörperlihe Bewegung und ein rupi, Herz t— D wäre nur dieſes Legtere bey mir noch g fo, wie es feyn follte; vielleicht wetteiferte die R: dieſer Nacht mis der füßeften meines zeitherigen Lebe

wen© „5 ...s

Gleichwohl Eine Bitte theurer Gemabl, gewaͤh⸗ re mir noch, ehe wir zur Nuhe uns legen! Bonav. Warum bittet meine Bianca, da ſie befehlen kann?

Bianca, Als ich auf deinen Brief zu dir kam, Fam ich vol Vertrauen in deine Tugend; denn du hat⸗ teft geihworen, und ich kam als ein bloß verlobtes Maͤdchen zu einem edlen Züngling. Aber alt ich dir meine Hand gab; als ich in dir meinen Gemahl be: grüßte, da entfagte ich allerdings der Sicherheit mei- ne Schwurs (Mit dem wärmften Tone.) Bonaven⸗ turi, arte mid nicht geringer, weil ich meine and | che bir eingeffehen will! Aufrichtigkeit ift ja eine T gend, die ſchwerlich ganz ohne Begleitung im weibl den Herzen zu wohnen pflegt. Wenn ich mich jetzt fo allein an deiner Seite niederlege ‚wenn dein Arm mich umſchlingt, dein Kuß mich entzückt; dann nur ein einziges liebevolles, bittendes Wort und ich verzeih, Die jungfräulihe Schamhaftigkeit hat für gewiffe Sachen Beine Worte. Kurz, ih würde dann ganz deine Gattinn; und doch, Lieber, fühle id es, noch fol. ich Diefe nicht ganz feyn.

Bonav. Nicht ganz, da du mid liebſt? |

Bianca. Hebt Tiebe jedes andere Geboth auf? Noch haben Eeine heiligen Hände die unfrigen in eins ander gelegt; nod bat Fein ehrwürdiger Vater siber | - und gebethet, uns gejegnet; uns, die. wir jeßt des Segens fo fehr bedürfen! Zwar find, was uns gebricht, nur Gebräudhe, und der, welcer Altes ſieht, fiebt bloß das Harz an. Aber, ad! es gibt Augenblicke, wo. au unfchuldigere Handlungen Ges wiſſens zweifel erregen; "die flüchtige, ungehorfame

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To Öter will wenigfiend den Himmel ice fo erzürnen, wie jie leider! ihren Bater erzär muß. Verfprih mir ed daber, nicht eher in mid dringen, bis wir vor dem Altare biefer Altar auch, wo er wolle durch kirchliche Gebräuche fo verbunden worden find, wie unfere Deren fyon langit verbanden.

Zwar ließ der junge Mann deutli merken, viel ihm diefe Selfibezwingung Eofte; und es war Kampf , über den Bıanca ſelbſt heimlich nicht gi te: Doc ſicherte er ihr endlih Alles zu, was fie langte; und mit einer Freudigkeit, als fey fie Jugend an gewöhnt, warf fih dann das edle wohl zweyfach edle Mädchen neben ihrem Lieb auf das Lager nieder, und fhflimmerte bad fi ein, ermübet von der getragenen Laſt des Tages, deß Bonaventuri's Augenlieder der Schlaf weit f famer befucdhte.

Aber auch diefe letzte freywillige Enthaltfam unferer Liebenden bauerte nicht lange, Am vie: Abend, ald fhon Bologna in der Ferne fihtbar, ihnen lag, Tangten fie bey Sonnenuntergang in nem Eleinen Sieden an; und Bonaventuri, der eriten beiten Wirthehaus, das ihm aufitoße, nur in Bologna, übernachten wollte, ſah, indem er einkehrte, einen Geiſtlichen vorbengehen, den er fogt für einen Geipielen feiner Jugend erkannte, und di Redlichkeit er trauen durfte,

Natürlich, daß der Gedanke, fi dur ihn dem Befige Bianca’ zu verfihern foglei in ©

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penturi's Geiſte aufſtieg; Er folgte dem Prieſter nach; erneuerte die ehemahlige Freundſchaft; entdeckte ihm ſeine Flucht mit einer jungen Venetianerinn deren Stand er jedoch zur Vorſicht um ein Großes erniedrig⸗ te Elagte ihm die Gewiſſenhaftigkeit derfelben-, und bath um feine priefterlihe Einfegnung.: Der Geiftliche gewährte ihm fein Begehren, und befchieb ihn in eine nahe Kapelle. Bonaventuri ermangelte nicht, in mer nig Minuten allda zu. erfheinen. Als fie jeßt vor das Altar traten; Bianca ihren Schleyer zurückſchlug, und fhön, wie ein Engel Gottes verfchönert noch dur die Farbe der Scham, und durch den Schein einiger flanmenden Lampen vor dem Priefter ftand, da fingte Diefer merklich bey ihrem Anblick; warf einen halbneidiſchen Blick auf feinen ‚ehemahligen Jugend⸗ Geſellſchafter, ſchwieg eine halbe Minute lang mit nachdenkender Ungewißheit, und erfüllte dann doch ſein Verſprechen. | Schon hatte unfer neu verbundenes Paar für feine Mähmwaltung ihm gebankt; ſchon wollte dasfelbe fih vom Altare enıfernen, ald der Priefter Bianca ſchnell bey der Hand ergriff, und durch folgende Frage in Beſtuͤrzung ſetzte: „Nur ein Wort no, fhönes junges Weitchen! Heißen Sie wirklich Roſaura Carini ?” Bianca. Ich hieß fo, bis jezt. Daß mein Nah⸗ e fi) nunmehr ändert, wiſſen Sie, hodmürdiger Vater, ja felbit. Priefter. (gu Bonavensu ) Lieber Pietro , nicht wahr im Haufe der Salviati Ichteft bu zu Venedig! Bonav. Allerdings.

Priester. Gacheind. Und lag diefes Sans m ab vom Pallafte der Capello ?:

Bonav. (Herren): DO ja ziemlich weit! Warum Dac? (lürfid.). Unbegreiflicpes Schickſal, w es moglich? J

Priester (Gedeutend.) Hatteſt bu nicht vielle in dieſem Pallaſte zuweilen wichtige ſehr wicht Geſchaͤfte zu beſorgen?

Bonav. (um ein kiein wenig gefaßter) Nie, | th mich entfäanne. Wie kommſt du auch jegt diefe Srage ? |

Priefter. Schaͤme dich Pietro deines 5H chelns! Es iſt jetzt zweyfache Sünde, da du nicht | auf geweibter Stelle, fondern au vor Freundes gen ſtehſt! Und Sie, reizende, edle Venetianerir vergeben Sie mir, wenn id, um ihrem neugemor nen Ehemann nod höhere Schanröthe und ſtaͤrke Stottern zu erfparen, Sie frey beraus als Bia Capello begrüße. Zudringlich dürfte vielleicht mie Verwegenheit Ihnen ſcheinen, doch die Warnur die ich Shen mitzutbeilen gedenke, wird hoffen: Alles vergüten.

Bianca, (in äuferker Verlegenheis) Eine Warnu Bianca Capello $ Ehrwärdiger Water, ih ı fiehe Sie nid !

Driefter. Möge doch der Himmel Shnen ı mir bier und an jenem großen Tage, eben fo wiß Gnade erweifen,, ald Sie mich jetzt, Troß bi: Ablaugnung, verſtehen! Wiſſen Sie affe, um nicht langer mis Umſchweifungen zu verzögern, wi Eie, reizende Bianca, daß ıch erſt feit zwey Stun von Bologna zurüdgefommen bin, wo heute Mor

ihre Entweihung ans Venedig die Neuigkeit war, bie von Haufe zu Hanfe lief , die. jeder Cicisbeo, noch unfrifire, feiner Dame zu binterbringen eilte. Gkaubt ihr denn, arme, bethörte, von Liche geblendete Leut⸗ chen, daß ein fo reicher ,. vornehmer Water feine eine jige, und zumahl eine. folche. Tochter, fi rauben laſ⸗ fen werde, ohne Himmel, Erde, und wenn es möglich it die Hölle felbft in Bewegung zu brins gen? Mehr als zwanzig ausgeſchickte Diener fuchen,

euch überall. Ihre Augen , ſchoͤne Capello, Ihre Baare, Ihr Wuchs Ihre Geſichtszüge jede Miene, jedes Faͤdchen Ihrer Kleidung find auf das forgfältigfte ber ſchrieben. Ein hoher Entdedungspreis reist die Aufs merkfamfeit. von taufend Menfchen; und bloß der un« mistelbare Schuß bed Himmels muß euch bi jeßt ex« halten, mußgerade mich dir, toukühner Juͤngling, entgegen geſchickt haben, um euch Beyde zu warnen, und vielleicht auch zu reiten: .. |

Bianca. Wenn ih Eure Hochwuͤrden aber nun verſichere

Prieſter. Wie? immer noch? Zögern Sie, ich beſchwre Sie, nicht länger ſich mir zu entbeden! Man würde das Himmelblau von Bianca Tapello’s Augen, ihre fchön geformte Stirne, ihres Mundes reizvolle Form nicht fo einitimmig durch halb Ita⸗ lien preiſen, wenn die Augen, Stirn und Mund, bie id jegt vor mir fehe, einer andern Venetianerinn als ihr zugehörten.

Und wenn ein Frauenzimmer auf nichts ſich ver⸗ räth, fo geſchieht es doch alsdann, wann' man ihr

von 72 vos.

Flimmer feiner Thürme! (Indem fie wieder einige Sar zurüd geht.) Bergib mir, Geliebter! ih muß die Flimmer noch ein Mahl fehen. So! ſo! U nun fort, tbeurer Gemahl, fort! Auch Flor bat der Häufer und Thürme genug; hat Water u Mutter, und o ber tröjtenden Wonne!— hat nen Bonaventuri für mid.

Bier Tage uny Nächte brachten unfere Liebent zu, ebe fie Bologna erreichten. Ihr erftes Nat lager war in einer elenden Dorffchenfe, wo man- nen in einer dunkeln einfamen Kammer eine Sti von halb moderigem Stroh anwies.

Bonav. (indem er fi trausig auf einen wanken Schamel Jinwirft,) Dieß, Dieß alfo der Ruheort eir Dame, deren Blut an Adel mit manchem fürſtlichen Ha fe wetteifern Eonnte! die hod am nächiten Abend auf nem Lager .rubte, deffen Werth-vielleicht den We diefer ganzen Hütte weit überſtieg! Theure Bian wel ein Anfang |

Bianca, (täsermd.) Sahſt du denn, Lieber, k beym Anblick diefer Streu der geringfte Seufzer m nen Bufen höher als gewöhnlich hob? Habe ich I ſache zu murren, wenn ih mit dem Geliebten mei Seele gleiches Schickſal theile! Dder maden ( derdunen und prächtige indifche Decken einen gefünb: Schlaf, als Eörperlihe Bewegung und ein ruhic Herz? D wäre nur diefed Legtere bey mir noch ge fo, wie es feyn follte; vielleicht wetteiferte die Re Diefer Nacht mis der füßeften meines zeitherigen Leben

wen® 73 —X

Gleichwohl Eine Bitte theurer Gemahl, gewaͤh re mir noch, ehe wir zur Ruhe und Tegen!

Bonav. Warum b ittet meine Bianca, da fie "befehlen kann ?

Bianca. Als ih auf deinen Brief zu dir Fam, Fam ich voll Vertrauen in deine Tugend; denn du hat: teft gefhworen, und ich kam als ein bloß verlobtes Mädchen zu einem edlen Süngling. Aber alt ich dir meine Hand gab: als ich in dir meinen Gemahl be: grüßte, da entfagte ich allerdings der Sicherheit mei- nes Schwurs (Mit dem wärmften Tone.) Bonaven⸗ turi, achte mich nicht geringer, weil ih meine Eichwär . che bir eingeffehen will! Aufrichtigkeit ift ja eine Tur gend, die fehwerli ganz ohne Begleitung im weiblir den Herzen zu wohnen pflege. Wenn ich mic) jetzt ſo allein an deiner Seite niederlege, wenn dein Arm mich umſchlingt, dein Kuß mich entzuͤckt; dann nur ein einziges liebevolles, bittendes Wort uud id verzeih, Die jungfräufihe Schamhaftigkeit hat für gewiffe Sachen feine Worte. Kurz , id würde dann ganz deine Gattinn; und doch, Lieber, fühle ih es, noch fol ich Diefe nicht ganz feyn.

Bonav. Nicht ganz, da du mid fiebftt |

Bianca. Hebt Tiebe jedes andere Geboth auf? Noch Haben Eeine heiligen Hände die unſrigen in eine ander gelegt; noch hat Fein ehrwuͤrdiger Vater siber | - and gebethet, uns gefegnet; uns, die. wir jetzt des Segens fo fehr bedürfen! Zwar find, was und gebricht, nur Gebräuche, und der, welcder Altes ſieht, fiebt bloß das Harz an. Aber, ad! es gibt Augenblicke, wo auch unfhuldigere Handlungen Ge⸗ wiſſens zweifel grregen; die flüchtige, ungehorſame

zo Öter will wenigſtens den Himmel nie -q fo erzürnen, mie fie leider! ihren Vater erzürr muß. Verſprich mir ed baber, nicht eher in mich dringen, bis wir vor dem Altare bdiefer Altar auch, wo er wolle durch Eirhliche Gebräuche e fo verbunden worden find, wie unfere Herzen

ſchon langit verbanven.

Zwar ließ der funge Mann deutlich merken, viel ihm biefe Selſtbezwingung Eofte; und e6 war Kampf, über den Bianca ſelbſt heimlich nicht zi te! Doc) ſicherte er ihe endlich Alles zu, was fie ı langte; und mit einer Freudigkeit, als fey fie Jugend an gewöhnt, warf fi dann das edle wobl zweyfach edle Mädchen neben ihrem Lieb! auf das Lager nieder, und ſchkuͤmmerte bald ein, ermübet von der getragenen Laſt des Tages, dep Bonaventuri's "Augenlieder der Schlaf weit fi famer befuchte.

Aber auch diefe letzte freywillige Enthaltſam unſerer Liebenden dauerte nicht lange. Am vier Abend, als ſchon Bologna in der Ferne ſichtbar, ihnen lag, langten ſie bey Sonnenuntergang in nem kleinen Flecken an; und Bonaventuri, der erſten beiten Wirthehaus, das ihm aufſtobe, nur: in Bologna, übernachten wollte, ſah, indem er einkehrte, einen Beiitlihen vorbeygehen, den er fogl für einen Befpielen feiner Jugend erkannte, und bi Redlichkeit er trauen durfte,

Natürlich, daß ter Gedanke, ſich durch ihr dem Befige Bianca's zu verfibern fogleid in &

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penturi's Geiſte aufſtieg; Er folgte dem Prieſter nach; erneuerte die ehemahlige Freundſchaft; entdeckte ihm ſeine Flucht mit einer jungen Venetianerinn deren Stand er jedoch zur Vorſicht um ein Großes erniedrig⸗

te klagte ihm die Gewiſſenhaftigkeit derſelben, und bath um ſeine prieſterliche Einſegnung. Der Geiſtliche gewaͤhrte ihm ſein Begehren, und beſchied ihn in eine nahe Kapelle. Bonaventuri ermangelte nicht, in wer nig Minuten allda zu. erfcheinen. Als fie jetzt vor das Altar traten; Bianca ihren Schleyer zurückſchlug, und ſchön, wie ein Engel Gottes verſchönert noch durch die Farbe der Scham, und durch den Schein einiger flammenden Lampen vor dem Prieſter ſtand, da ſtutzte Dieſer merklich bey ihrem Anblick; warf einen halbneidiſchen Blick auf ſeinen ehemahligen Jugend⸗ Geſellſchafter, ſchwieg eine halbe Minute lang mit nachdenkender Ungewißheit, und erfüllte dann doch ſein Verſprechen. |

Schon hatte unfer neu verbundene Paar für feine Mühwaltung ihm gebankt; ſchon wollte dasfelbe fih vom Altare enıfernen, als ber Priefter Bianca f nel bey der Hand ergriff, und durch folgende Frage in Beſtuͤrzung ſetzte:

„Nur ein Wort noch, ſchoͤnes junges Weitgen! Heißen Sie wirklich Roſaura Carini ?”

Bianca. Ich hieß fo, bis jetzt. Daß mein Nah⸗ me fi) nunmehr ändert, wiſſen Sie, hochwuͤrdiger Vater, ja felbft.

Priefter. (m Bonavensusi ) Lieber Pietro , nicht wahr im Haufe der Salviati Ichteft bu zu Venedig!

Bonav. Allerdingäes.

Prieiter. Gadeind.) Und lag dieſes Haus ve ab vom Pallaſte der Capello ?-

Bonav. Getreten.) DO ja ziemlich weit! Barum Dac? (für ſich.) Unbegreifliches Schickſal, w es moͤglich? Ze

Prieſter Gedeutend.) Hatteſt bu nicht viellei in diefem Pallafte zuweilen wichtige fehr wicht Geſchaͤfte zu beſorgen?

Bonav. (um ein kiein wenig gefaßter) Nie, t th mich entfänne. Wie kommſt du auch jept diefe Frage?

Priefter. Schaͤme dich Pietro deines 9 chelns! Es ift jetzt zweyfache Sünde, da du nicht ı auf geweihter. Stelle, fondern aud vor Freundes ? gen ftehft! Und Sie, reizende, edle Venetianerin vergeben Sie mir, wenn ih, um ihrem neugemor! nen Ehemann nod höhere. Schamröthe. und ftärke: Stottern zu erfparen, Sie frey heraus als. Biar Capello begrüße. Zudringlicd dürfte vielleiht me Verwegenheit Ihnen fcheinen, doch die Warnun die ich Ihnen mitzutheilen gedenke, wird boffent! Alles vergüten.

Bianca. (in äußerfer Verlegenheis) Eine Warnun Bianca Capello $ Ehrwürdiger Vater, ih v fiehe Sie nicht !

Driefter. Möge doch der Himmel Shen u mir bier und an jenem großen Tage, eben fo wiß Gnade erweifen , ald Sie mich jeßt, Trotz die Abläugnung, verftehen! Willen Sie alfe, umı niht langer mit Umfchweifungen zu verzögern, wil Eie, reizende Bianca , daß ich erſt feit zwey Stun! von Bologna zurüdgelommen bin, wo heute Mor;

ihre Entweihung aus Venedig die Neuigkeit war, bie von Haufe zu Hauſe lief , die. jeder Cicisbeo, noch unfrifire, feiner Dame zu binterbringen eilte. Glaubt ihr denn, arme, bethörte, von Liebe geblendete Leut⸗ den, daf ein fo reicher, ,. vornehmer Vater feine eine jige, und zumahl eine. folde. Tochter, fich rauben laſ⸗ fon werde, ohne Himmel, Erde, und wenn: e6 möglich iſt die Hölle felbft in Bewegung zu brins gen? Mehr als zwanzig ausgeſchickte Diener fuchen, euch überall. Ihre Augen , ſchoͤne Capello, Ihre Haare, pr Wuchs Ihre Geſichtszüge jede Miene, jedes Fadchen Ihrer Kleidung find auf das forgfältigfte ber ſchrieben. Ein hoher Entdedungspreis reist die Aufs merkſamleit von taufend Menfcyen; und bloß der uns mittelbare Schuß des Himmels muß euch his‘ ießt era halten, muß gerade mich dir, toilkühner Jüngling, entgegen geſchickt haben, um euch Beyde zu warnen, und vielleicht auch zu retten:

Bianca. Wenn ih Eure Hochwuͤrden aber nun verſichere

Prieſter. Wie? immer noch? Zoͤgern Sie, ich befchwäre Sie, nicht Tänger ſich mir zu entdecken! Man würde dad Himmelblau von Bianca Tapello’s Augen, ihre fchön geformte Stirne, ihres Mundes reizvolle Form nicht fo einitimmig durch halb Ita⸗ lien preiſen, wenn die Augen, Stirn und Mund,’ bie ich jegt dor mir febe, einer andern Venetianerinn als ihr augehörten.

Und wenn ein Frauenzimmer auf nichts ſich ver⸗ räth, fo geſchieht es doch alsdann, wann' man ihr

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unvermutbet eine Schmeicheley ſagt. Auch Bihr Eonnte fi nun nicht länger verftellen; fie blickten ſchlüſſig ihren Gatten an, und da er ihr Vollmacht geben fchien, nah Willkür zu handeln, fo entber fie dem Pater ihre ganze Geſchichte, und fand keit Grund ed zu bereuen. Denn durch ihn erhielt fie’ anderes Gewand, das ihren Stand minder verrie : und eine Farbe, die ihre Haare und Augbraur veränderte. Auch Bonaventuri verfchaffte er and Kleider, und ertheilte ihm fo gute Maßregeln Vorſicht, daß fie Beyde den folgenden Tag unerfaı in Bologna eintrafen und eben fo wieder wegging

. Bologna wird, wie man weiß, von dem florı tinifhen Gebiethe dur die höhen Apenninen | ſchieden; ein ſteiles rauhes Gebirge, wo aud | gewöhnlichen Wege vol Befchwerlichkeiten u Gefahren find. Aber felbft auf diefe gemöhnlicden Wi wagten unfere Liebende fih nicht, aus Furt ı nachgeſchickten Ausfpabern; fie wandten fih red Hand, und verſuchten es, den gefährlichen Fußſt hißanzuklemmen, der über die fteilften Klippen n Piſtoja führt.

Hier, wo Feld auf Feld ſich thürmte; wo beynahe Eein menihliher Fußtritt fihebar war; ı überdieß gerade damahls ein anhaitender Regen f immer ın undurdfichtigen Nebel fie verhüllte, il Kleider durchnäßte, ihre Körper erkältete, ihren M verinlimmerte ; wo Hunger und Elend von je Seite ıhnen drohte, bier ohne Wegweifer, Geld ı Kräfte, unglüdlihe Bianca, wie groß mul beine Seele feyn, daß du niche ganz erlagft!

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Pſlanzen, Warzen und einige herbe Beeren wa⸗ ten ihre Speife; und die Erde des Nachts ihr Bert, und der Himmel ihr Dad. Der harse Boden harte fait ganz ihre Schuhe vernichtet ; fie warf fie ger laffen weg, und Bonaventuri fah mit der Empfindung\ eines für Menſchenzungen unausſprechdaren Jammers ihre lilienweißen Süße von Dornen und Geſträuchern zerriſſen; ſah, daß fie blutige Merkmahle auf jedem betretenen Steine zurück ließ, und daß endlich die äus- herſte Müdigkeit und Eörperlihe Schmerzen ihr kaum, fo fehr fie fih zwang, noch fortzumandern erlaubten.

In diefer hoͤchſten Noth erblickte er endlich nicht weit von ſich, in einem kleinen Thale, gelehng an ein ungehenrds Felſenſtuck, einen jungen Hirten ſtehen, der ſorgenfrey ſein Liedchen brummte, indeß ſeine we⸗ nigen Ziegen hier und da am Abhange weideten. Eine himmliſche Erſcheinung hätte nicht kräftiger ihn entzücken können. Mit einigen raſchen Sätzen ſchwang er ſich von den Felſen herab, flog auf ihn zu, und rief ſchon von Weiten: O mein Freund, wie unbeſchreiblich erfreues bin ih, in dieſer Wildniß endlich einen Menſchen zu finden, und zwar einen, dem ich's anfehe, daß er auch menichli denken wird!

H irt Giemiuich gleihgäteig.) Haha! gewiß detirer?

Bonan. Ja wohl, und noch mehr als Das! Dicht An den Rund des Werderbens gerathen, . Dirt. Es thus mir leid. Ihr fepd freylich ſtark ſeitabwärts gefommen. Wenn meine Ziegen nicht wären, wollte ih Euch herzlidy gern den rechten Weg zeigen.

Bonav. Ad, das wirft du gewiß , auch une geachtet deiner Ziegen. |

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Hirt. Nein, wahrlich nicht! bie. kann ih möglich im Stiche laſſen; denn fie nehmen gar zu le Schaden.

Bonav. Doch darf ich nur etwas dich frag und du wirft dann gewiß noch mehr für uns thun.

Hirt. Nu! und was wäre denn Das}

Bonav. Sage mir einmdhl aufrihtig, gu Süngling, haft du niemahls geliebt?

Hirt. Senun, id dähte, man fühe mir’s b wohl an, daß ich meine volle zwanzig Jahr alt 6 und mein Nachbar Jeronimo hat drey bligfhme Mädchen. -

Bonav. Das freuet mid. Wohlen daı Sreund, wenn du, wie du felbft geftanden, jema empfunden haft, was zärtlihe Liebe fey, fo erbar dich meiner unglücklichen Gattinn, bie ic) dort ol bingefunfen verlaſſen mußte, und bie, wie bu fei fehen wirft, unvermögend ift, diefes jähe Bebirge erfteigen. Piftoja kann nicht fern mehr feyn; dal gedenken wir. Du Eennft gewiß den nachſten We hilf mir fie auf denfelben fhaffen! und richt nur un feurigiter Dank, nit nur der Segen des Himme der jede gute That vergilt, fondern auch ih felbft u dich aus meiner Eleinen Barfhaft fo belohnen, t dich Schweiß, Mühe und Verfüaumniß nicht gereuen

Hirt. Hm! das feste läßt ſich allerdings hör: Wo ift denn Euer müdes Schätzchen?

Bonav. (Hinaufzeigend.) Siehſt du fie nicht di oben? Komm mit zu ihr! (Gie ſteigen hinauf.)

Bıanca. Lieber Fremdling, haft du Mitleit bey unfern Bitten, und Rath für unfere Noth?

Hirt.

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Hirt. (oerwunderungsvalt.) Heilige Mutter Dia tia! da muß man wohl Mitleid haben, wenn fo ein niedlich Weibchen unfer Einen bittet! (Zum Bo⸗ naveneuri.) Du haſt mir vorhin ein. Langes und ein Breites vorgefhwagt; die Mühe ‚hättet du erfparen

Eönnen, wenn du, flatt alle dem Wirrwarr , mit

gleich die Fraubild gewiefen hätteft.

Bıanca Dein Mitleid alfo hätte ih. Wie wird’s ader noch um die Hülfe ſtehen?

Hirs. Se, dafür wird wohl auch noch Rath werden ! Der Weg, auf dem ihr euch befindet, iſt freylich weiterhin kaum für Maulthiere gangbar, und eure zarten, jebt fhon wund gelaufenen Füßchen waͤ⸗ ren auf ihm fo gut als geliefert. Alles, mas ih euch alfo hierbey anbiethen kann, ift, euchauf eben die Art aufzubhuden und fortzubelfen, wie wir’; mit uns fern Kranfen machen, wenn wir fie in's Bad nad Pos retta, daß Enapp drey Stunden von hier liegt, brins gen. Ich habe fo einen Traͤgſeſſel; meine Schultern find ſchon mehrmahls dabey gewefen, und id, feldft bin de veit, euren Zrager abzugeben.

Bianca. Braver, vortreffliher junger ann!

Bonav. (ihn umarmend.) Unfer Schugengel! .

Hire Na, nul Mache nur nicht des Lärmens fo gewaltig viel. Man müßte ja wohl ein rechter Bar ſeyn, wenn man euch bier fo Tiegen und verſchmachten laſſen wollte! (Hab bey Bette.) Zumahl, da ſie: meine Mühe nicht ganz umſonſt verlangen!

Der Hirt, indem er dieß noch halblaut brummte, lief ſchnell zu feiner Hütte, die unweit davon im näch⸗ Meißners Bianca Sap. 1. Tb. .

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fien Diefigt lag; Fam bald darauf mit feiner Schr fier, einem noch jüngern bräunlichen Mädchen,

den ſchlank gewachſenen Bonaventuri mit ziemlid Wohlgefallen anftarrte, zurüd; übergab diefer fe Herde mit der Einfhärfung, ja nicht indeß zu ı und zu lederhaft mit den jungen Mannskerlen in Nachbarſchoft zu fohakern, und etwa darüber gar ner Ziegen zu vergejlen; zeigte Bianca feinen Tr ſeſſel; rühmre deflen Bequemlichkeit, und redete zu, fi nur getroft hinein zu ſetzen.

Indem fie Dieb that‘, befhwur ihn Vonavent mit einer Angſt, die beynahe in Übertreibung gefal wäre, zur möglihiten Vorſicht.

Der Much, oder vielmehr die Verwegenheit fer Bergbewohner,, fpra er, iſt durch ganz Sta berufen; und audy du, lieber Hirt, fcheinft mir- dem Worte Gefahr wenig oder gar Ecinen Bes zu haben. Aber mit Ihränen bitte ich, beſchwöre dich, lieber zu furchtſam, ald zu Eühn zu feyn. Sollten uns Abgründe aufftoßen,, jo wage Dich jan allzn dreiit hinein.

Hirt (achend.) Ein guter Rath! Und was d fonft machen? Warren vielleicht , bis die Kluft wächit !

Bonav. Fühlloſer, der bu jegt meiner fpo kannt! Sie umgehen, und wenn es Zagere erforderten. Bedenke wenigitend, daß deine die edelſte We (er ſtodt deſtürzt ein Paar Gecur und fünee dann fore:) das ſchönſte Weib in ganz Me land fep.

Hirt. Nu, nu! Möglich wäre Das wohl; boch ließe ſich Das noch vergeilen, ba ıd fie mut

des Fortſchreitens nicht fehen kann. Aber fen nur ge⸗ troft, du Furchtſamer! Ich will noch etwas bedenken, was fi) nicht fo leicht vergeflen laͤßt; die Gefahr meines eigenen Halſes. Er iſt nicht der ſchoͤnſte in ganz Welſchland; aber er ift mir dech herzlich lieb, denn es

ift mein Einziger. |

Der Zug ging nun fort. Ooſchon, wie ihr Küßs rer vorher gefagt hatte, das Steigen mit jedem neuen Schritte auch immer mähjamer ward , jo ſah tech Bonaventuri's zagender Blick mehr auf den voranges benden Hirten , ald auf feinen Weg; und fie erflie: gen nad) wenigen Stunden den Gipfel des Berges.

Wer da behauptet, daf es durchgängig bergab befler ald bergam gehe, ‚der hat ficher gewiſſe Berge, - und wenigitens den Apennin nie geftiegen. Bonaven⸗ turis Todesangſt vervielfältigre ſich jetzt, als er auf der fo ſehnlich gewunſchten Spitze ſtand. Gleich ‚einer abgeſchnittenen Wand ſchießt hier das Gebirge in ein Thal herab, bey deſſen Abgrund die Augen ſchier ver⸗ blinden. Ein niedergelaſſenes Senkbley faͤnde hier Lei⸗ nen Anſtoß. Durch das Thal ſelbſt brauſt ein Bach, der Urſprung des fogenannten kleinen Rbheins *), mit fürchterlichem Getoͤſe. Ein jedes Ohr, das ihn dort unten in ber Nähe zu hören befommt, ftarrt betäubs und hört zu viel, um irßend etwas Beſtimmtes

) Der Meine, Rhein if einer der fhädlihfien , verwüſtend⸗ Ben Stroͤme in gan) Europa; er verliert ſich endlich in Ben flachen Gefilden Bononiens, ohne einen ordentlichen Auttano zu finden.

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bören zu können; fo mannigfaltig bricht er feine ı thenden Gewäſſer an den hier und da ihm en: genitebenden Klippen; und fo reich an Fällen ift Boden, über den er binrollt. Aber doch, Troß fei Braufens, it das Thal viel zu tief, als daß man o das Eleinfte Geräufch des Stroms vernähme; nur Mühe erblidt man den weißen Schaum, ber | bier aus zu ſchleichen fheint, da er doch unten pf ſchnell dahin ſchießt.

Schief quer hinab ſchlingt ſich ein einziger ihm ler Steig; doch auch ihn hatte jet ein Kegenguß y Gen Theils zerriffen und hinweggefpült. Zwar hat tie Hirten der daſigen Gegend , denen diefer % unentbehrlih war, in das fchlüpfrige weiche Erde tiefe Tritte von der Größe eines Menfchenfußes gegraben ; aber fie blieben, Trotz ihrer Tiefe, bi unficher ; blieben die fürchterlichite Treppe , die je menfchlicher Wagehals ſich zu befteigen erkühnen & Jene kühnen franzofifhen Luftdurdjegler *) fiher hier gezaudert, und vielleicht die Unvergeß keit Preis gegeden, auf die fie jet fo fihern Anſp mathen dürfen.

tun zum eriten Maple bebte Bonaventuri für

ſelbſt, als er dinabzuklimmen begann. Aber, Mi des Himmels, wie ward ihm vollends dann zu Mu als er den Hirten ausglitſchen und auf's Anie fa fah! Aus feinen glühenden Wangen wid) kligfchnel der Bluröteopfen; Kalte, gleich jener legten Kälte

*) Edarles und Robert, die gerade damabls, ald B Capello zuerſt erſchier, die Bewunderung von gan ropa auf ſich zogen.

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menſchlichen Erſtarrens im Tode, ergoß ſich durch ſei⸗

nen ganzen Körper; er wollte ſchreyen, aber ſeine

Stimme erſtarb, und ſeine Angſt war ſo heftig, daß fie ihm ſelbſt die Kraft zum kleinſten Laute raubte.

Doch über Bianca's Leben, zu größern Schick⸗ ſalen beſtimmt, waltete jetzt ein günſtiger Schutzgeiſt. Mit bewundernswürdiger Geſchicklichkeit verlor auch im Ausgleiten der Hirt das Gleichgewicht nicht ; ſein Fuß gewann noch abgeriffenes Erdreich genug, ehe er bis zum äufieriten Rand des jaͤhen Abfchuffes fortgeglitfeht war; er erhob ſich raſch wieder, und endete dann unbefchäe digt dicfen gefährlihen Steig, der ſich unten, feit- waͤrts von jenem wiederhallenden Thale, mit einer Eleis nen Wieſe ſchloß.

Als Bonaventurt hier bald nah ihnen ankam, fand er feine Geliebte mitten unter Blumen figen, wovon fie die ſchönſten brach, foldye in einen Strauß zufammenband, und auf ihrem heiter dabey laͤchelnden Geſichte auch nicht die Heinjte Spur der Surcht mehr blicten ließ.

Bonav. lauf fie zurilend, ergreift ihre Hand.) Meine Xheure, meine Einzige! gefhenit mir duch Wunder, und jest auch durch ein Wunder erhalten! Wie if dir Kepıt.

Bianca. Wohl; denn du fiehft, daß ich tändle; und ratbe einmahl, für wer! (Sie Hierher ihm die Blu⸗ wen dar.)

Bonav. Dank, Tiebe Bianca, Dank! Aber wie war dir bey dieſem ſchrecklichen Hinahitsigen zu Mutpe ?

Bianca (lädelnd.) So, daß ich freylich dieſen Muth nicht oft wieder zu bewähren wünfhe. Mit feft

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on BG ww zugeſchloſſenen Augen war ich mir alle Augenblicke Hinunterftürgens ın diefen fürchterlihen Abgrund wärtig; wußte, daß dann mein Körner an jenen F fen ın taufend Stücken zerfchmettert werden, und m Gebein unbegraben in diefem Schlunde bis zu jen Tage ruhen würde, der alle Gebeine zu fammeln Kimmt ıft, die begrabenen wie die unbegrabenen.

Bonav. Heldinn! und ald dein Träger ausglt

Bianca Was follte ich fonft denken, als der Tod, diefer erwartete Gaſt, fih num wirklich e ſtelle? Und doch, aufrichtig geftanden, lieder Bo venturi, war diefer fohft fo graufende Beſuch mir m der durch fich feldft, als dur den Gedanken fehr: lich, daß er von dir mich fheide. (Misvem 5 Aöyften Tone.) Scheiden von dir? Böfer, Mann! w che ſonderbare Kraft mich zu feſſeln, lebt in die, 1 mir deine Trennung fo zabllos qualvodler, als al übrige Schredniß der Natur dünkt? Zumahl jeg da ih nur zu ſehr beforgte, dieſes Scheiden dür Echeiden auf immer ſeyn.

Bonav. Scheiden auf immer ! Warum Das

Bianca. Und wie? Wenn ich vielleicht be eriten Wiederbefinnen der erwachenden Seele die Ne richt vernommen hätte, Daß du, zu treu wur, mir ne eilen wollen; daß du den Poiten verlaffen habeft, I die Vorfiht uns anwies, daß du mir nachgeftürzt fer in diefen graufenden Schlund, und nun eine ewi Kluft uns trenne?

Bonuv. Bianca, liebes fhwärmerifches Be chen! ſprichſt du doch ernſthafter und weiſer, als sin Prieſter ſprach! Dir nachzufolgen, dich n Aberleben zu wollen, follte Das wohl Verbrechen

BI Auge eines Gottes ſeyn, der dieſe endloſe Liebe mir gab?

Bianca. Ja mohl endlas ; auch auf meiner Seite! Aber eben deßhalb wünſchte ih, daß fie auch dore daure, und auch dort noch befohnt würde. (Ihm umarmen.) Mann! und wenn ich Metpufalems Alter erreichte, ich würde ipn ja doch nicht austrinken, den tiefen Becher der Liebe, womit ich ich liebe.

Bonap. (freudig) Nicht? Nicht ? O fo fen ſicher, daß für den meinigen die Ewigkeit ſelbſt nit zureicht!

Dieſes Geſpraͤch wovon das fondersarfte der Umftand if, daß es der Hochzeit nahfolgte, da bey andern Menſchenkindern fonft dergleichen Betheue⸗ zungen ihr bloß vorberzugehen pflegen warb durch die Zwiſchenkunft des Hirten unterbrochen, ber feitwärts feinen Durſt bey ei und jie nun zum Aufbruch lich feine Ziegen fo lange als / ein Mädchen fey, an ten ihm, und erreichten in

EB langen; warb von den Küffen feiner Mutter faſt ſtickt, und von Beyden mit Bragen und Zärtlidl überhäuft.

Eine ſchoͤne Scene in der Bietfigkit ſelbſt! D da Scenen dieſer Arc fi ſchon in fo manchen Sch ſpielen finden, fo ſtehe hier nur das Ende von der genwärtigen.

Vater. Dank! Dank dem Gott, der mei mattgelebten Augen, noch ehe fie fich ganz verbunke die größte unter allen menſchlichen Freuden, den I oͤlick meines Sohnes, wiederſchenkt! (Au feiner de⸗ Mutter, wenn ic) einft ſterde, und ber Tod mir fa werden follte, dann erinnere mid) an diefe Minu und ihr Andenken wird feine Herbe mil! wird Bianes geipabr, die mod is jet unbamertt amd .) Aber wer, licher Piet itgebradit hat, und die top nicht einmahl wahr ben Sie mir, unbekan

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Bonav. (deiter lacheind.) Ich verſtehe Euch, meine theuere Ältern, verftehe biefe abgebrochenen Worte und Das, was Ihr ihnen abbrecht. (Indem er den Salever aufdedt.) Ab-r feht her und entſcheidet, ob ich bey dies ten Reizen, vereint mis dem ebelften Herzen, wohl fo fange verziehen konnte, bis ed dem Glücke gefiel, feine Ungereptigfeiten gegen uns zu verbeffern ?

Bianca (Bepder Hände mit Warme ergreifend und tüend.) O mein Vater! o meine Mutter! noch nie von mir gefehen, aber jegt gleich beym erften Blick mie unendlich theuer, empfangt eure gehorfame Tochter, empfangt die Gattinn eures und ihres Einziggeliehten nicht mit Unwillen !

Mutter (fr umarwend.) Großer Gott! wer könnte wohl den fühlen; bey dieſem Reiz und biefem Ton der Unfhuld$ Du haft die Beredfamkeit eines Monchs, ohne feine Weitläuftigkeit

Vater. Sey mir geküßt terliebe! (Si mit © erkenne ih dad Blut der B ie waren zwar arm, von jeher arm; ab) jeher ſchon gewohnt, nur am Buſen

nur für ein reizendes Weibchen ib, Herz und Hand hinzugeben. Selbſt mein altes, nun graugewordenes Mütterden inſt berühmte

Schönheit. Ihre Wangen fta Tochter, an Blüthe und Rei mancher Graf und Mardeje, d nen man zuräd gewiefen hatte ‚| die Freuden der Brautnacht, als ferhörten, daß die ſchöne Jolantha Cornari die Meinige geworben fa

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Mutter. Mas du nun da wieder tinmahl ſchr tzeſt! So ſchäme did, doh, Mann!

Vater Gaqelnd) Und fo ziere dih doch, lie Weibchen! Als wenn ihr euch nicht noch in eurem ne: jıgiten Jahre *) gar zu gern loben ließet; ald wi es Bir jege nocdy unangenehm wäre, wenn ich jezun len verjihere, daß deine Augen kohlſchwarz und f kelnd find. Wahrlich, ich müßte doch fehr vergeß ſeyn, wenn ich es vergaße, daß euer ganzes Gefchle Eitelfest und Lobeserhebung nod weit über Nahrı und Wopfftand fegt. Aber es fey darum. Kurz, li Tochter! deine Schwiegermutter war ehemahls ganz Reiz deiner würdig, und du wirit ihr, hoffe ich, a dafür an ehelicher Tugend gleiden.

Bianca. Wenigftens werde ihhmid ein fo et Mufter nachzuahmen beſtreben.

Vater. Das verforicht mir dein Auge; und ı erzähle mir auch, wein Sohn: wie biſt du fo fhnell fo haftig in den Orden des Glücks und Elen der Nahrung@leieige and der Hörner eingetreten Wer warft buch, Tochter, ehe du meine Tod wurdeit?

Bianca. pen Vater, Michael Albani, ı ein begüterter A" in Venedig. Pietro, de

a, wie manchmahl der Bcheifek in wird! Aus diefee Stelle Bi BB: ade Ginige, und zwar fogar Welch » Mbmaventuri’6 Mutter fen ſelbſt neun * alt geweſen, und haben mir bewieſen, daß Dieß ı angehe; weil dann Pretro Bonaventuri [dom funſzig alt feon, aber. ich eine Art won Iſaals Gebure anneb mäft.

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Herr mie und in Verbindung ftand, liebte mich laͤngſt, und fand Mittel, mein Herz zu geroinnen, aber‘ feider! zur Einwilligung meines Vat ers fand er eine; denn der Geiz diefes Letztern uͤberſtieg noch feinen Reichthum bey Weitem. Nur eine Tugend hatte er, die Öeizige fonft felten zu haben pflegen ; er war. eintreuer Freund; und doch, fonderbar genug, war es vorzüglich diefe einzige Tugend, bie ihn um feinen mühſam erworbenen Moplftand brachte. Als Bürge für einen treulofen Freund, dem er voll Zuver⸗ fit auf fein Wort und auf ihre ehemahlige Jugend⸗ Vertraulichkeit traute, verlor er an Einem Tage fein baltes Vermögen; erhielt am Zweyten bie Nadricht, daß ein gefcheitertes Schiff ihn um. die andere Shalfte beinge, und ftarb am Dritten. (Gtodend.) Muthet es der Tochter nicht zu, zu entſcheiden, ob an Gift oder Gram.

Water. Armes Mädchen! BR

Mutter (ein Kung d nius bitte für ihm! J *

Bonav. (teiſe für na.) H Miällen Vorz üͤ⸗ gen, die jemahls ihr Geſchlech? Befaß boch wenig» ſtens auch einen feinee Fehler! Sie weiß Erdichs tung zu erzählen, als 06'$ die beifigfte Wahrheit wäre,

Bianca. Kaum war er todt, ald ih Bonaven⸗ turi rufen ließ. Meine Sorge für tler Fiebe wuchs durch dieſen Fall, ſtatt daß fie ſich —— Follte; denn ich fiel nun in die Gewalt eines hari Wheims, deſſen Sohn mid ſchon laͤngſt mit feiner wörigen Neigung gequaͤlt hatte. Ihr mußte ich jetzt entgehen, oder ich vermochte es nie. Mein Geliebter erſchien. „Theu⸗ „ter, ſprach ih, wenn du je wahre Zaͤrtlichkeit für

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„mich empfunden halt, fo beweife es jege! Ich Ein „reit, mit dir zu fliehen; aber wiſſe, fo wie id ı »dir ſtebe, fiebft du auch meine ganze Habe. M „Vater —“ Hier erzählte ich ihm alles, was ih er fo eben erzähle habe ; und ber brave junge Mann fi ald ich endere, zu meinen Füßen, ſchwur mir ew Treue, und entflob mit mir. Verzeidt, verze ihm, wenn er Unrecht that! Ich bin’s, die ihn v leitete.

Vater (gerüpre) Er that, was er thun fol Ich erfennte ihn für meinen Sohn nicht mehr, wi er anders gehandelt hatte.

Mutter. Du bit unfere liebe Toter. M möütterliher Segen ruhe auf dir! Aber rimm a meine Bedaurung! Dein Vater war reih, uud | bey uns, wohin du blickſt, it Elend und Mangel.

Mater (etwas unwilig) Mangel? Mutter , weißt ja, ich hab's nich gern, wenn man Wahr! durch übertreindag zur Unwahrheit macht. Nenne mir den Müttag, den wir gezwungen faſtet Oder den Abend, un welchen der Schlaf und hun: uberrafıhte !

Mutter. Das nicht. Aber auch Sättigung bloß trockenem Brode iſt Demjenigen halber Hung der an Braten und 4 Wein ſich gemohnt hat.

Biansa.Sehr richtig vielleicht bey man d Denkungsart, über nicht bey der meinigen! Nennt miepagufiebte AÄltern, irgend eine Beſche gung, und febt, obich mich ihrer ſchaͤme, ſobald fie e bar iſt! Habt ihe bisher von ber Arbeit eurer Si gelebt, fo follen von nun an zwey Haͤnde mehr « ein Mehreres zu erwerben fi) bemühen.

veron 93 wesen

Vater. Herzbaft gefprochen ! Laß fehen, ob es dein Ernft ſeß! Wir hielten uns bis jegt eine Adr chinn; unſere auswärtigen Gefhäfte beforgt ein Eleis nes armes, ganz’ verwaifetes Mädchen, bie uns, als Pa:he, und als unfere nächſte Muhme, anbeimfiel. Theile, liebe Mutter, von nun an die Arbeit der Küche mit unfrer neuen Hausgenoflinn, fo haben wir ſchon eine Erfparnıß mehr, und für ben Erwerb Deſſen, was ihr kochen follt , wird der Himmel und unfer Fleiß forgen.

Bianca. Ich nehme euern Vorſchlag freudig an. Nur, liede Mutter, habt im Anfange ein we⸗ nig Geduld mit mir! Sch bin eine angehende Schüler rinn, amd Diefe fehlen ‘oft Troß dem beften Willen. (Irdem fie auf DBonaventuri blickt, und flieht, daß er fi eine Shräne vom Kuge wifcht, bineitend und Ihn umarment.) Weich⸗ ling!- was fehlt dir, da wir nun in Sicherheit find? Meg mit diefer und jeder folgenden Thrane! Damahls, als ich in die Gondel flieg, die ungzngg.-Wenctig ent fernte, oder ald ich in fäter Todes auf fremdem Mücken fhwebte, da vergab ich ſſe aber ietzt? Heſorgſt du vielleicht, daß ich dir dann nicht reitzend genug mehr ſcheinen werde, wenn die Glaͤtte und Weis fie diefer Hände fih von Eonne und Arbeit ein wenig mindern dürfte?

Bonav. Verzeih dir der Himmel diefe Frage, die obnedem gewiß dein Mund nur fpxihe ! O bu, dann noch ſchön, wenn aud dein Körper zuſam⸗ menfchrumpfte, wie ein verwelfendes Blatt, wer uns ter den Menſchen verbient dich, Engel, zu befigen? Und weicher verachtete Sterbliche befiße dich? <Gr eilt in Die nähfte Kammer; fie ibm nad, ihn zu tröften.)

un BA wen he

hören zu Eönnen; fo mannigfaltig bridt er feinen thenden Gewäſſer an den hier und da ihm enı genitebenden Klippen; und fo reich an Fällen ift Boden, über den er binrollt. Aber doch, Troß fei Braufens, iſt das Thal viel zit tief, als daß man o das Heinfte Geränfch de3 Stroms vernähme; nur | Mühe erblidt man den weißen Schaum, ber ı bier aus zu ſchleichen fheint, da er doch unten pf ſchnell dahin ſchießt.

Schief quer hinab ſchlingt ſi 6 ein einziger ſchm ler Steig; doch aud ihn hatte jet ein Regengußg ben Theils zewriffen und hinweggefpült. Zwar bat tie Hirten der daſigen Gegend , denen diefer X unentbehrlich war, in das fchlüpfrige weiche Erde tiefe Tritte von der Größe eines Menfchenfußes gegraben ; aber fie blieben, Trog ihrer Tiefe, pi unficher ; blieben die fürchterlidite Treppe , die je menfhlicher Wagehals ſich zu befteigen ertühnen d Jene kühnen franzofifhen Luftdurchſegler *) ba ſicher hier gezaudert, und vielleicht die Unvergeß eis Preis gegeden, auf die fie jegt fo fihern Anfp: machen dürfen.

tun zum eriten Mahle bebte Bonaventuri für ſelbſt, als er dinabzuklimmen begann. Aber, Mi des Himmels, wie ward ihm vollends dann zu Miu als er den Hirten ansglitfhen und auf's Knie fa fah! Aus feinen glühenden Wangen wid, bligfchnef der Blurtöteopfen; Kälte, gleich jener legten Kalte

*) EAdarles und Rob:rt, die gerade bamahis, ald B Capello zuerft erſchien, die Bewunderung von gan ropa auf ſich zegen.

on 85 .....

menihlihen Erftarrens im Tode, ergoß fh durch feis

nen ganzen Körper; er wollte ſchreyen, aber. feine

Stimme erftarb, und feine Angft war fo heftig, daß fie ihm ſelbſt die Kraft zum Eleinften Laute raubte.

Doch über Bianca’d Leben, zu größern Schick⸗ falen beſtimmt, waltete jegt ein günftiger Schußgeift. Mir bewundernswürdiger Geſchicklichkeit verlor auch im Ausgleiten der Hirt das Gleichgewicht nicht ;- fein Fuß gewann noch abgeriffenes Erdreich genug, ehe er bis zum äufieriten Rand des jühen Abſchuſſes fortgeglitfcht war; er erhob fich rafch wieter, und endete dann unbefchä« digt diefen gefährlihen Steig, der fih unten, ſeit⸗ waͤrts von jenem wiederhallenden Thale, mit einer klei⸗ nen Wieſe ſchloß.

Als Bonaventurt bier bald nach ihnen ankam, fand er feine Geliebte mitten unter Blumen fißen, woron fie die ihönften brach, foldhe in einen Strauß zuſammenband, und auf ihrem heiter dabey laͤchelnden Geſichte auch nicht die Heinite Spur der Furcht mehr blicten ließ.

Bonav. lauf fie zurilend, ergreift ipre Hand.) Meine Theure, meine Einzige! gefhenie mir dur Wunder, und jest auch durch ein Wunder erhalten! Wie ifi dir Jetzt !.

Bianca. Wohl; denn du ſiehſt, daß ich tändle;

und ratbe einmahl, für wer! (Sie Hierher ihm die Blu⸗ wien dar.)

Bonav. Dank, liebe Bianca, Dank! Aber wie war dir bey dieſem ſchrecklichen Hinahſteigen zu Mutde?

Bianca (lächeln) So, daß ich freylich dieſen Muth nicht oft wieder zu bewähren wünſche. Mit feft

ern BO wm zugeſchloſſenen Augen war ih mir alle Augenblide Hinunterſtürzens ın diefen fürchterlihen Abgrund wärtig; wußte, daß dann mein Adrner an jenen 9 fen ın taufend Stücken zerfchmettert werden, und m Gebein unbegraben in diefem Schlunde bis zu jen Tage ruhen würde, der alle Gebeine zu fammeln Kimmt ıft, die begrabenen wie die unbegrabenen.

Bonav. Heldinn! und als den Träger ausglt

Bianca. Was folte ich fonft denken, als 1 der Tod, diefer erwartete Gaſt, fih nun wirklich « ſtelle? Und doch, aufrichtig geftanden, licher Bo: venturi, war Diefer fohft fo graufende Beſuch mir m der dur ſich felbft, als durch den Gedanken fahr: lich, daß er von dir mich fheide. (Mir dem s Näyften Tone.) Scheiden von dir? Böſer, Maun!m che ſonderbare Kraft mich zu feſſeln, lebt in dir, I mir deine Trennung fo zabllos qualvoller, als al übrige Schredniß der Natur bünft ? Zumahl jet da ih nur zu fehr. beforgte, dieſes Scheiden dür Echeiden auf immer feyn.

Bonav. Scheiden auf immer? Warum Das

Bianca. Und wie? Wenn id vielleicht be eriten Miederbefinnen ber erwachenden Seele die Ns richt vernommen hätte, daß du, zu treu wur, mir ne eilen wollen; daß du den Poiten verfaflen habeft, I die Vorfiht und anwies, daß du mir nachgeſtuͤrzt fer in diefen graufenden Schlund, und nun eine ewi Kluft und trenne?

Bonuv. Bianca, liebes fhwärmerifhes We hen! ſprichſt du doch ernfthafter und weifer, als sin Priefter ſprach! Die nadzufolgen, dich n Aberleben zu wollen, follte Das wohl Verbrechen

BI Auge eines Gottes ſeyn, der dieſe endloſe Liebe mir gab? .

Bianca. Ja wohl endlos ; aud anf meiner Seite! Aber eben deßhalb wünſchte ih, daß fie auch dort daure, und auch dort noch belohnt würde. Ita umarmend.) Mann! und wenn ih Methuſalems Alter ' erreichte, ich würde ipn ja doch nicht austrinken, den tiefen Becher der Liebe, womit ic dich liebe.

Bonav. (freudig) Nicht? Nicht? O fo fen fiber, ' daß für den meinigen die Ewigkeit felsft nicht zureicht!

Dieſes Geſpraͤh wovon das ſonderbarſte der Umſtand iſt, daß es der Hochzeit nachfolgte, da bey andern Menſchenkindern ſonſt dergleichen Betheue⸗ rungen ihr bloß vorherzugehen pflegen warb durch die Zwifpenkunft des Hirı nterbrochen, ber feitwwärts feinen Durſt bey ei f und fie nun zum Aufbruch lich feine Ziegen fo. lange { als ein Mädchen fey, a sen ihm, und erreichten in Mi

bier einen

BB Wangen; warb von ben Küſſen feiner Mutter faſt fidt, und von Beyden mit Fragen und Zärttid überhänft.

Eine fhöne Scene in der Wirklichkeit ſelbſt! D da Scenen diefer Arc fi ſchon in fo manden Sch frielen finden, fo ftehe hier nur das Ende von der genwäctigen.

Bater. Dank! Dank dem Gott, der mei mattgelebten Augen, noch ehe fie fi) ganz verdunke die größte unter allen menſchlichen Freuden, den | oͤlick meines Sohnes, wieberfhenkt! (Zu feiner Bu Mutter, wenn ich einft fterde, und der Tod mir fa werben follte, dann erinnere mich an diefe Minu und ihr Andenken wird feine Herbe mildera! wird Wianga geipabr, die mod his jeht unbamsrte Aber wer, kieber'Piet itgebracht baſt, und die och nicht einmahl wahr ben. Sie mir, unbekan

Bonav. (beiter lacheind.) Ich verfiche Euch, meine theuere Altern, verftehe biefe abgebrochenen Worte und Das, was Ihr ihnen abbrecht. (Indem er den Salever aufdedt.) Ab-r feht her und entſcheidet, ob ich bey die⸗ ten Reigen, vereint mis dem ebelften Herzen, wohl fo fange verziehen Eonnte, bis es dem Glücke gefiel, feine Ungerechtigkeiten gegen uns zu verbeffern ?

. Bianco (Werder Hände mit Wärme ergreifend und tüffend.) O mein Vater! o meine Mutter! nod nie von mir gefehen, aber jegt gleich beym erften Blick mie unendlich theuer, empfangt eure gehorfame Tochter, empfangt die Gattinn eures und ihres Einziggeliebten nicht mit Unwillen!

Mutter (fe umarwend.) Großer Gott! wer koͤnnte wohl den fühlen; bey diefem Reiz und biefem Ton der Unfhuld$ Du haft die Beredſamkeit eines Moͤnchs, ohne feine Weitläuftigkeit zu haben.

Vater. Sey mir gelüßt ß und Bar terliebe! ESu mit Bar; erkenne ich das Blut der Bi ie waren zwar arm, von jeher arm; abı jeher ſchon gewohnt, nur am Buſen fi zu ruhen,

nur für ein reizendes Weibchen Hb, Herz und Hand hinzugeben. Selbſt mein altes, nun graugeworbenes Muͤtterchen ; berühmte

Schönheit. Ihre Wangen ftan Tochter, an Blüthe und Rei; mancher Graf und Mardefe, de nen man zurüd gewieſen hatte, I die Frenden der Brautnacht, als fie N, daß die fhöne Jolantha Eornari die Meinige geworben ſeſ

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Mutter. Mas du nun da wieder dinmahl fchr geft!.So ſchaͤme did doh, Mann!

Vater uageted) Und fo ziere dich doch, lie Weibchen! Als wenn ihr euch nicht noch in eurem nei zigſten Jahre *) gar zu gern loben ließet; als we es Bir jege noch unangenehm wäre, wenn ich jezun len verſichere, daß deine Augen koblſchwarz und fi kelnd find. Wahrlich, ih müßte body fehr vergeß! ſeyn, wenn ich es vergäfie, daß euer ganzes Gefhli Eitelfest und Cobeserhebung noch weit Über Nahri und Wohlſtand fegt. Aber es fey darum. Kurz, li Tochter! deine Schwiegermutter war ehemahls ganz Reiz deiner würdig, und du wirſt ihr, hoffe ih, a dafür an eheliher Tugend gleiden.

Bianca. Wenigftens werde ih mid ein fo et Mufter nachzuahmen beſtreben. .

Väter, Das verforiht mir bein Auge; und r erzähle mir al in Sohn: wie bift du fo fönell ı

fo haftig im rden des Glücks und Elen der Nahrn d der Hörner eingetreten? Wer warft Tochter, ehe du meine Tod wurdet ·

Bianca, Vater, Michael Albani, ı

ein begüterter x in Venedig, Pietro, de

wie manchmadl der Sarifen wird! And dieſer Seelle d⸗ Be Vinige, und zwar foger Seleh

Jahr ait gewelen, mud Haben ınir beroiefe angehe; weil Dann Pietro DB: nturi fon fünfzig 2 alt feun, der im eine Art you Aaals Chehutt anneb wär.

Tue gr Here mit und in Verbindung ftand, liebte mich laͤngſt, und fand Mittel, mein Herz zu gewinnen, aber’ feider! zur Einwilligung meines Vater 6 fand er Feine; denn der Geiz diefes Letztern uͤberſtieg nod feinen Reicht hum bey Weiten. —Nur eine Tugend hatte er, die Geizige fonft felten zu haben pflegen; er war ein treuer Freund; und doch, fonderbar genug, war e$ vorzüglich diefe einzige Tugend, die ihn.um feinen mühfam erworbenen Woplftand brachte. Als Bürge für einen treulofen Freund, dem er voll Zuver« ficht auf fein Wort und auf ihre ehemahlige Jugend⸗ Vertraulichkeit traute, verlor er an Einem Tage fein halkbes Vermögen; erhielt am Zweyten bie Nachricht, daß ein geſcheitertes Schiff ihn um die andere Hälfte bringe, und ſtarb am Dritten. —(Gtodend.) Muther eb der Tochter nicht zu, zu entſcheiden, ob an Gift oder Sram. ö Vater. Armes Mädhenh Mutter (ein Krend ſqhla ilige Antor nius bitte für ihn! Bonav. (ieife für Ma.) Ai gen, bie jemahls ihr Geſchlech ſtens auch einen feiner Fehler! Sie weiß Erdich⸗ tung zu erzählen, als ob's die heifigfte Wahrheit wäre, Bianca. Kaum war er als ih Bonaven-

turi rufen ließ. Meine Gorge'fär liebe wuchs durch diefen Fall, ftatt daß fie ſich ſollte; denn ich fiel nun in die Gewalt eines har jeims, deſſen

Sohn mic ſchon längft mit feiner wehrigen Neigung gequält hatte. Ihr mußte ich jegt entgehen, ober ih vermochte es nie. Mein Geliebter erſchien. „Theu· „rer, ſprach ich, wenn du je wahre Zaͤrtlichkeit für R

mn BO wow zugeſchloſſenen Augen war ih mir alle Augenblide Hinunterſtürzens ın diefen fürdterlihen Abgrund wärtig; wußte, daß dann mein Adrrer an jenen £ fen ın taufend Stücken zerfgmettert werden, und m Gebein unbegraben in diefem Schlunde bis zu jen Zage ruhen würde, der alle Gebeine zu fammeln ſtimmt ıft, die begrabenen wie die unbegrabenen.

Bonav. Heltinn! und als dein Träger ausgli—

Bianca. Was follte ich fonft denfen, als I der Tod, diefer erwartete Gaſt, fih nun wirklich « ftele? Und doch, aufrichtig geftanden, licher Bo venturi, war dieſer fohft fo graufende Beſuch mir m der durch fich felöft, als durch den Gedanken fohr lich, daß er von dir mich fheide. (Mit vom s Näyften Tone.) Scheiden von dir? Böſer, Mann! che ſonderbare Kraft mich zu feſſeln, lebt in die, | mir deine Trennung fo zabllo® qualvoller, als a übrige Schredniß der Natur dünkt? Zumahl jet da ih nur zu ſehr beforgte, dieſes Scheiden dür Scheiden auf immer feyn.

Bonav. Scheiden auf immer ? Warum Dat

Bianca. Und wie? Wenn id vielleiht be eriten Wiederbefinnen der erwachenden Seele die Ri richt vernommen hätte, daß du, zu treu nur, mir ne eilen wollen; daß du den Poſten verlaffen habeſt, die Vorfiht uns anmwies, daß du mir nadgeftürzt fei in diefen graufenden Schlund, und nun eine ewi ‚Kluft uns trenne?.

Bonuv. Bianca, liebes ſchwaͤrmeriſches Be chen! ſprichſt du doch ernſthafter und weiſer, als sin Prieſter ſprach! Dir nachzufolgen, dichen Aberleben zu wollen, follte Das wohl Verbrechen

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Auge eines Gottes ſeyn, ber dieſe endloſe Liebe mir gab? .

Bianca. Ja wohl entlas ; auch auf meiner Seite! Aber eben deßbalb wünſchte ih, daf ie auch dort daure, und auch dort noch belohnt würde. Ida umarmen.) Mann! und wenn ich Methuſalems Alter ' erreichte, ich würde ipn ja doch nicht auötrinten, den tiefen Becher der Liebe, womit ich dich liebe.

Bonad. (freudig) Nicht? Nicht ? O fo fey ſicher, daß für den meinigen die Ewigkeit ſelbſt nicht zureicht!

Dieſes Geſpraͤch wovon das ſonderbarſte der Umſtand iſt, daß ed der Hochzeit nachfolgte, da ben andern Menſchenkindern ſonſt dergleichen Betheue⸗ tungen ihr bloß vorherzugehen pflegen warb durch die Zwifhenkunft des Hirten unterbrochen, ber feitwärts feinen Durft bey ei f und fie nun zum Aufbrut lich feine Ziegen fo. lange & als’ein Mädchen fey, a sten ihm, und erreichten in

BB langen; warb von den Küffen feiner Mutter faſt flilt, und von Beyden mit Beagen und Zärtlichl überhänft.

Eine ſchoͤne Scene in der Wirllihleit ſelbſt! D da Scenen dieſer Arc fi ſchon in ſo manchen Sch frielen finden, fo ſtehe hier nur das Ende von der genwärtigen.

Bater. Dank! Dank dem Gott, ber melı mattgelebten Augen, noch ehe fie fih ganz verdunke die größte unter allen menf&ligen Sreuden, ben \ blick meines Sohnes, wiederſchenkt! (Au feiner Zu Mutter, wenn id einft ſterde, und der Tod mir fa werden follte, dann erinnere mic) an diefe Minu und ihr Andenken wird feine Herbe mil! wird Bianes br die mod bis jetzt unbemerkt und idieberi von fen 3 Aber wer, lieber Piet tgebracht haft, und die och nicht einmahl wahr eben Sie mir, unbekan nicht Ban! einer Art zu fe i isst hätte m

die man font eich

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Bonav. (beiter iacheind.) Ich verſtehe Euch, meine theuere Ältern, verſtehe dieſe abgebrochenen Worte und Das, was Ihr ihnen abbrecht. (Inden er den Salever auſdedt.) Ab-r ſeht her und entſcheidet, ob ich bey die⸗ ten Reizen, vereint mis dem ebelften Herzen, wohl fo fange verziehen Eonnte, bis es dem Glücke gefiel, feine Ungerechtigkeiten gegen uns zu verbeffern?

Bianca (Bender Hände mit Warme ergreifend und tüffend.) O mein Vater! o meine Mutter! noch nie von mir gefehen, aber jegt gleich beym erften Blick mie unendlich theuer, empfange eure gehorfame Tochter, empfangt die Gattinn eures und ihres Einziggeliebten nicht mit Unwillen!

Mutter (ne umarwend.) Oroßer Gott ! wer könnte wohl den fühlen; bey diefem Reiz und diefem Ton der Unfhuld* Du haft die Beredſamkeit eines

Vater. Seymirgeküßt terliede! (Eis mie Der; erkenne ih das Blut der Bi zwar arm, von jeher arm; abı gewohnt, nur am Buſen

jeher ſchon zu ruhen,

nur für ein veizended Weibchen t, Herz und Hand hinzugeben. Gelbit mein altes, nun graugewordenes Muͤtterchen i berühmte

Schönheit. Ihre Wangen ftaı Tochter, on Bläthe und Rei, mandyer Graf und Marche ſe, d nen man zurüd gewieſen hatte, beneibeten mid um die Freuden der Brautnacht, als ſie Härten, daß die ſchöne Jolontha Eornari die Meinige geworben faß

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Mutter. Mas du nun da wieder dinmahl ſchn geft!. So fhäme did) doch, Mann!

Vater Caaelad) Und fo ziere dich doch, fiel Weibchen! Als wenn ihr euch nicht noch in eurem nen zigſten Zapre *) gar zu gern loben ließet; als we es Bir jege noch unangenehm wäre, wenn ic jegum Ien verſichere, daß deine Augen koblſchwarz und Feind find. Wahrlich, ih müßte body fehr vergeßt ſeyn, wenn ich es vergäfie, daß euer ganzes Geſchle Eitellert und Cobeserhebung noch weit Über Nahru und Wopfftand fegt. Aber es fey darum. Kurz, li— Tochter! deine Schwiegermutter war ehemahls ganz Reiz deiner würdig, und bu wirit ihr, hoffe ich, dafür an eheliher Tugend gleichen.

Bianca. Wenigftens werde ich mich ein fo ed Mufter nachzuahmen beftreben.

Vater, Das verforicht mir bein Auge; und ı erzehle mir auch⸗ in Sohn: wie biſt du fo ſchnell ı fo haftig im rden des Glücks und Eien der Naprum d der Hörner eingetreten? Wer warſt Tochter, ehe du meine Toqh

wurdet ?

Bianca, Vater, Michael Albani, ı ein begüterter in Venedig. Pietro, de

. mie wangmabt der Soriten geirien, wird! Aus Diefer Stele d 6 Ginige, und zwat foger Setah jenturi's Mutter fen fe Jahr atk geapefen, und haben mir Bew angehe; foeil Dann Pietro Bonaventuri fon funfjig I alt feon, dar im eine Art won Aaate Sedurt anneb wäf.

Tun gr

Herr mit und in Verbindung ftand, liebte mich laͤngſt, und fand Mittel, mein Herz zu gersinnen, aber“ feider! zur Einwilligung meines Vat ers fand er Feine; denn der Geiz diefes Letztern uͤberſtieg noch feinen Reicht hum bey Weitem. —Nur eine Tugend hatte er, die Geizige fonft felten zu haben pflegen ;'er war ein treuer Freund; und doch, fonderbar genug, war es vorzüglich diefe einzige Tugend, die ihn um feinen mühſam erworbenen Wohlſtand brachte. Als Bürge für einen treulofen Freund, dem er voll Zuver⸗ ficht auf fein Wort und auf ihre ehemahlige Jugend⸗ Vertraulichkeit traute, verlor er an Einem Tage fein * haltes Vermögen; erhielt am Zweyten bie Nachricht, daß ein geſcheitertes Schiff ifn um. die andere Hälfte bringe, und ſtarb am Dritten. (Gtodend.) Muther es der Tochter nicht zu, zu entſcheiden, ob an Gift oder Gram.

Barer. Armes Mädchen! NT

Mutter (ein Kıeny Idia, ilige Antor nius bitte für ihn!

Bonav. (teife für a6.) Gmiii Men Vorz ü⸗ gen, die jemahls ihr Geflecht befaß, doch wenige ſtens au einen feiner Fehler! Sie weiß Erdich⸗ sung zu erzählen, als ob's die heifigfte Wahrheit wäre,

Bianca. Kaum war er als ih Bonaven-

turi rufen ließ. Meine Gorge'fär liebe wuchs durch dieſen Ball, ftatt daß fie ſich ſollte; denn ich fiel nun in die Gewalt eines har jeims, deſſen

Sohn mich ſchon längft mit feiner wißrigen Neigung gequält hatte. Ihr mußte ih jegt entgehen, oder ih vermochte ed nie. Mein Geliebter erſchien. „Iheus „rer, ſprach id, wenn du je wahre Zaͤrtlichkeit für

* oo 93 ...

„mich empfunden hait, fo beweife es jetzt! Ich Ein „reit, mit bir zu fliehen; aber wiſſe, fo wie dp ı ‚mdir ftebe, ſiehſt du auch meine ganze Habe. M. „Vater —“ Hier erzählte ich ihm alles, was ih ei fo eben erzählt habe; und der brave junge Mann fi ald ich endete, zu meinen Füßen, ſchwur mır ew Treue, und entjloh mit mir. Verzeiht, verze ihm, wenn er Unrecht that! Ich bin’s, die ihn v leitete.

Vater (gerührt.) Er that, was er thun fol Ich erkennte ihn für meinen Sohn nicht mehr, we er anders gehandelt hätte.

Mutter. Du bit unfere liebe Tochter. M möütterliher Segen ruhe auf dir! Aber nimm a meine Bedaurung! Dein Vater war reih, und bey uns, wohin du blickſt, it Elend und Mangel.

Vater (etwas unmilig) Mangel?! Mutter , weißt ja ih hab's nicht gern, wenn man Wahr! dur) Übertesiäiing zur Unwahrheit macht. Nenne mir ben Mittag, den wir gezwungen faſtet Oder den Abend, an welchen der Schlaf und hung überraſchte!

Mutter. Das nicht. Über auch Daͤttigung bloß trockenem Brode iſt Demienigen halber Hung der an Braten und IM Wein ſich gewohnt hat.

Biansa.:Sehr richtig vielleicht bey man d Denkungsart, i Über nicht bey der meinigen! Nennt mir Xrilebte Aitern, irgend eine Beſcheè gung, und ſeht, obich mich ihrer ſchaͤme, ſobald fie e bar iſt! Habt ihr bisher von ber Arbeit eurer SI gelebt, fo jollen von nun an zwey Hände mehr ı ein Mehreres zu erwerben ſich bemühen.

Vater. Herzbaft gefprocden ! Laß fehen, ob es dein Ernft ſeß! Wir hielten uns bis jegt eine Adr chinn; urſere auswartigen Geſchaͤfte beforgt ein Eleir ned armes, ganz’ verwaifeted Mädchen, vie und, als Parhe, und als unfere nächſte Muhme, anbeimfiel. Theile, liebe Mutter, von nun an die Arbeit der Küche mit unfrer neuen Hausgenoffinn,, fo haben. wir ſchon eine Erfparniß mehr, und für den Erwerb Deſſen, was ihr kochen follt , wird der Himmel und unfer Fleiß ſorgen.

Bianca. Ich nehme euern “Borfchlag freudig an. Nur, liebe Mutter, habt im Anfange ein we⸗ nig Geduld mir mir! Sch bin eine angehende Schüler sinn, amd Diefe fehlen 'oft Troß dem beften Willen. (Indem fie auf Donaventuri bild, und ſieht, daß er fih eine Shräne vom Kuge will, hineilend und ihn umarmend.) Weiche Iing!-was fehlt dir, da wir nun in Gicherheir find? Meg mit diefer und jeder folgenden Thräne! Damahls, als ich in die Gondel flieg, die ungen @Benchig ent⸗ fernte, oder ald ich in ſtaͤer Tddeſs auf fremdem Mücken fhwebte, da vergab ich ſie Maber jest?! Heſorgſt du vielleicht, daß ih dir dann nicht reißend genug mehr fiheinen werde, wenn die Glaͤtte und Wei⸗ fie dieſer Hände fih von Eonne und Arbeit ein wenig mindern dürfte?

Bonav. Verzeih dir der Himmel diefe Frage, die obnedem gewiß dein Mund nur fait! O du, dann noch ſchön, wenn auch dein Kbrper zuſam⸗ menſchrumpfte, wie ein verwelkendes Blatt, wer uns ter den Menſchen verdient dich, Engel, zu befigen? Und welcher veracdhtete Sterbliche befigt dich? (Er eilt in Die nähe Kammer; fie ihm nad, ihn zu sröflen.)

Bianca hielt treulih , was fie zugelagt ba Mit einem Eifer, ald wäre fie von Jugend auf Haushaͤlterinn erzogen worden, griff fie jede, die bärtefte Arbeit, glüdlich an, und ihre Scdwie mutter hatte öfter nöthig, ihr die Ruhe, als Gefchäft anzubefehlen. Oft, wenn -fie, müde ı der Laft des Tages, fih des Abends freundlih an Seite ihres Gatten fhmiegen wollte, fah fie den Ku mer in feinem Blicke, und zwang fi denn ;u dop ter Munterkeit und Stärke. Doc ihre Liit betrog nicht ; feine Ihräne träufelte oft heiß mitten im K fen auf ihre Wange, und als er einft fie üßerrafd wie ſie ihre in der Küche blutig gerigte Hand heim mit einem leinenen Tuche umwand, warfer fih, ı des bitterften Schmerzens, zu ihren Süßen nieder.

„Wozu, rief er aus) wozu diefe himmliſche Gi „mit der du jede Schmach und jeden Unfall deiner „niedrigung mir zu verbergen ſuchſt? diejer Erniel „gung,. die ich Unglücklicher allein über dich brach

„Glaubſt bu wohl, daß ich mich feldft minder mit U „würfen quäfe, weil bu dir dieſelben nicht laut erlauf „— Oder verklagt mid dein heimbicher Seuf, „verklagt mid) der Gram, den du lange in dir x „fchließeft, und den du nur dann lüfteſt, wenn du! „allein fichft, minder vor dem Richterſtuhl Sort „als eine öffentlich geweinte Thrane Dieß ıhun würd

Bianca (ipn aufpedend.) Was fhwapeit du wieder? Mein Theurer, welche finftere, grundl Borftellung quält did) %

Bonav. Voritelung?! Iſt ed Vorftelung bI wann ich mit fihtlihen Augen den Schweiß ei Magd vom Angefiht eines Dame herabtraͤufeln fi

die fonft zwanzig leibeigen⸗ Hände bedienten? Iſt es Vorſtellung bloß, wenn ich dieſes Blut von deiner Hand wegküſſe, die du in der niedrigſten Arbeit ver⸗ letzteſt?

Bianca. Niedrig t Was nennſt du fo, lieber Bonaventuri? Iſt eine Arbeit niedrig, die zu unſerm Lebensunterhalt unumgänglich iſt, und edie fein Vor⸗ wurf det Gewiſſens vergällt? Iſt eine fürſtliche Mahl⸗ zeit ſüßer, als diejenige, die mein eigener Fleiß bes veitet, und zu welder mir Mühe und Bewegung eine reichliche Begierde erregt haben? Fehlt es einer treuen Sattinn an Vergnügen, wenn fie mit ihrem felbft ers. wählten Gemahl unter einem Dadye wohnt, an feinem Bufen ausruht, an feinen Bliden, Worten und Küfs fen ſich weidet? Sieh, Sophift, Dieb ift mein Lost, und du murreft, da du dem Himmel danken ſoll⸗ teft? Ja, ja, du Lieber, ich will dir's nicht verhehlen, daß ic) diefe Hand mir bey der Arbeit blutig geriffen babe; und um gan; von meiner Au ichtigkeit übers zeugt zu ſeyn, fo wiſe es geſchah p einer Arbeit für did. | Bonav. Tür miht Ha, graufame Bianca, und du verbiethbeit mir, mich zu betrüben , mich ſelbſt deßhalb anzuklagen?

Biansa.- Ya wohl verbiethe ich es dir. Füuͤhlſt du denn nicht, daß es ein Vergnuͤgen ſeyn müſſe, ſein Blut für Denjenigen zu vergteßen, den man liebt? Sen es nom fo wenig, fey es auf welche Art es wolle, ed bleibt doch eine gewiile füße Wolluſt, die Die mit taufend Freuden gemein har, daß fie ſich beffer e m⸗ pfinden, als ausdrücken laßt.

Bonav. Liebe Schwärmerinn! .

[|

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Bianca. Nun wahrhaftig in diefem Pun brauchte ich mich wohl vor der Abrehnung mie kaum zu ſcheuen, ſo lange ich noch des Appennins -i meines damahligen Trägers gedenken werde. Laß | auch fhwärmen, Bonaventuri! Laß uns mis: dan rem Herzen des Himmels mildeftes Geſchenk, we felfeitig fih ergießende Liebe, genieß (indem fie nad ber einen Gcke des Bimmmers blickt) Aber fieh da, faft hätte ich8 vergeflen, daß nach v brachter Arbeit es felhfi an Zeitvertreib mirn

gericht.

Bonav. An Zeisverereib?

Bianca. Iſt diefe Laute hier Eeiner? Habe dir ſchon das neue Liedchen auf ihr vorgefpielt und x gefungen, Das überdieß wohl gar halb und halb me eigene Erfindung ſeyn dürfte?

Bonav D weldest welches Ich beſchm dich, laß mich es hören!

Bianca (die Laute nehmend.) So höre ed dei und laß Balfam für dein Herz ſeyn, was v feige Mißklang deinem Ohr ſeyn dürfte. ı ſingt mit zärtlichſtem Blick auf Bonaventuri gerichtet: )

Was llagſt du, Mann, daß nicht fein Gold. Uns Indien und Peary zollt? Daß nimmer, von Gewinnſbeſchwert, Für und ein Schiff tur Fluthen führt? Daß mir im Haar nicht Perlen prangen, Woran die blut’gen Tropfen noch Des armen Negers bangen?

Ma

®

May unfere Tafel Enapp und klein, Oft trocken unſer Becher ſeyn! Macht trocknes Brot und truben Moſt Die Liebe nicht zur Göoͤtterkoſt? Kann Armuth Seu:zer dir erzwingen Menn, Ranten glei, ſich feſt um dich Der Sattinn Arme ſchlingen?

Laß ſeyn, daß unſere Lagerſtatt

Kein Pfühl von Eiderdunen hat!

Daß uns, ſtatt füßer Melodey, |

Bor Morgen wet des Hahns Geſchrey! Wohl und, wenn nie im ernften Grimme/

Wie den Tyrann, Ttog Kiön’ und Wach', Schreckt des Gewiſſens Stimme!

Blick ber ins Auge, ſonnenhell! Noch ward ed keiner Tpröne Quell; Noch hob rein liebevolles Herz Die Reue mi mit bitterm Schmerz; Noch ſchaut' ich auf verlaſſ'nes Gluͤck/ Auf Überfluß, auf Rang’ und Pracht/ Mit keinem trüben Blick,

Denn du mein Stolz, mein Glück and Ruhm/ Gabft mir bein Herz zum Eigenthum; Gabſt zu der Treue fiherm Pfand Mir Wort und Schwur und Ring und Hand. Sm deutfchen und im welfchen Reiche, Wo nun der Kaifer? wo der Fürſt, Der mir an Hoheit gleiche ?

eltzners Bianca Gap. 1. Tbl. G

4

(Sie legt Hey dieſen Ichten Worten die Laute weg, und arme ihn.) .

Bonav. (außer ih.) D daß fein Engel jetzt fähet Neid Über meine Seligkeit Eönnte fonft 1 aus ihm einen Abgefallenen mehr maben. deined Geſchlechts! aud mit mir kann der Beherrf von Indoftan felbft ji nicht an Reichthum meſſen

Bianca. Schmeichler, lieber Schmeich (Man Hört ein Geräufh von fern; Bianca eilt and Fent Aber was ift das für ein Getümmel bes Volks der Straße? Was foll der Sreudenruf der Menge deuten ?

Bonadv. (der auch and denſter geht.) Nichts n und nichts minder, als daß unſer Großherzog hier | bey reiten wird.

Bianca. Der Großherzog?! -— Noch habe ihn nie gefehen. (Dura den Vorhang biidend.) | fhöner Here! Seine Miene verräth Hoheit Seele.

Bonav. Und doch verraͤth fie ſicher nochen dad Drittheil von Derjenigen, die er wirklich beſ Sein edles Herz würde ihn auch im tiefiten ta

eben fo über alle Slorensiner erheben, als ed jeßt St und Geburt thun.

Bianca. Der verzweifelte Vorhang! Ich ke feinethalben dieſen gerühmten Zürften nidt fo ganz kennen, wie id wohl wünſchte.

Bonav, (fpätteind.) Eine wichtige Unannebmt keit, die du mit einem einzigen Zinger aus dem W räumen kannſt.

Bianca (Gqerzend.) Meinft du? Hab ih te Erlaubniß dazu (Gie öffnet ein wenig Genfer und Vortza⸗

99 em ' Bonav. Sieh einmahl, er biidt herauf! 7 Jetzt wieder! Ha, Bianca, lafeit du nicht in feines Miene den Gedanken: beym Himmel! ein reizendes .. Wen: Bianca (tadend.) Nein, wahrhaftig, Das las ich nie! Glaubſt du denn, daß alle Männer fo ſchlecht

ſehen, und fo übel wählen, wie bu? (Der Broßberzog *

ſieht IH no ein Mahl um ; Bianca läßt den Vorhang fallen.) Bonap. Lagen.) Kommt es nit auf meine" Meder Sah er fih nicht noch ein Mahl nach die um? Weibchen, Weibchen, daß ih nicht eiferſuͤch⸗ tig werde! |

Bianca. Hahaha! Eiferfügeigt Und auf wen ? Man darf freylih euch Männern jede Ungerechtigkeit zutrauen ; doch diefe hier wäre beynahe allzu groß, als auch nur glaublich zu feyn.-

,

Läachelnd eilte Bianca bey bdiefen Worten vom Fenſter hinweg, und ſchritt wieder zu irgend einer, » fhon auf fie wartenden, häuslichen Arbeit. Daß es Bonaventuri mit feiner angedrohten Eiferfucht Eein Ernft war, ergibt ſich von felbft. Denn er war nur zu überzeugt von Bianca's Tugend, von ihrer Eingezo« genheit, von ihrer Unbelanntfhaft mit dem gans zen Übrigen Florenz. Auch war der Vorfall, daß ein junger Fürſt nach einem weiblichen Gefiht am Fenfter ſich umfhaut, fo unbedeutend ;. Pietro hatte denfelben am nächften Morgen bereits ganz; vergeſſen. |

Gleichwohl da das Glüuͤck ſchon oft das Schick⸗ fal ganzer Staaten an einen Männerbli, oder ein -&3.

vo. 100 vw

Meiberfächeln, an einen Seuerfunfen, oder ein torn band, gleichwohl ſchien auch jetzt eine fei Sefttags » Launen fih ind Epiel zu mifhen; und gefüfteter Vorhang ſollte in Bianca's Leben faft m nod als jene zugeworfene Hausthür bewirken. |

Stanziscus, Großherzog von Florenz, der Alt Sohn bes berühmten Cosmus I. war nit nur ei der ſchoͤnſten, reichten, mädtigften Fürſten, die . mohls das Zepter Über Toskana geführt, fordern a "mit Geiftegaben fo mild, wie mit Glücksgütern a geſtattet. Das Erbtheil ded medicäifhen Haufes, { be zu Künften und Wiffenfhaften, war ihm reich zugefallen. Seine Hauptftadt zu verfchönern, fe GStaaten zu bereichern, feine Unterthanen zu beglück war fein fehnliher Wunſch, der nicht bloß Wur blieb. Wiewohl gerave damahls Zeiten einzulen begannen, die dem Flor des florentinifhen Hand mit Verminderung, mo nicht gar mit Verwel drohten; wiewohl Spaniens finkender Wopfftand, H Yands fteigende Größe auch aufs mittelläntifche M wirkten bennod) erhielt Franzens Boftreben das terländifche Gewerbe beym bisherigen Gedeihen. W Senkte er die Zügel der Regierung. Durch Ger: tigkeit ſchreckte er den Frevler, befeligte durch Mi den Biedermann. Glänzend war er bey feinen Feſt sund um fi ber ſuchte er Heiterkeit zu verbreit und befaß fie doch felbft nıhe ganz; wenigfteng nicht, wie er fie derdiente.

Denn dieſer gefühlvolle, jedem zärtlichen Einb: offene Prinz haste als Jünglıng ſchon eın Opfer bi gen müſſen, das beym Zurftenrange ſich gemöhn Gndes; haste fi nicht verheiracher, fondern war :

"we LOL mw

werbeirathet worden. Johanna von Oſterreich „Maxil⸗ milians U. Schweſter, arm an Eörperliher Schönheit, und noch ärmer an jener Anmuth, die nicht ſelten den Abgang der Schönheit erſetzt, ja zuweilen wohl gar mir Wucherzins vergüset , harte aus Waters Willkür feine Hand empfangen; feines Herzens fi) zu bemeis ftern war ihr unmöglich. Der verbandelte Prinz ere bedte heimlich, alder zum erſten Mahl die ihm beſtimm⸗ te Gemahlinn erblidte, und fie fo reizlos fand. Noch ahndete er nicht, was er bald nur zu genau ers fuhr, daß diefer äußerlihe Mangel ihr Fleinfter Fehler fey. Pfaͤffiſche Erziehung batte fie zur Andachteley, die zwangvolle Sitte ihres väterlichen Hofes zum Stolz, oder wenigftend zum Anſchein deſſelben geleitet. Die Kaiſerstochter giaubte: der Großherzog muͤſſe ſich durch Ehe mit ihr überfhwenglich geehrt finden; ihre Eiferfuht war ohne Maß und Ziel. Jede noch fo eis ne Schadloshaltung fhien ihr eine Verlegung. der ehe⸗ lichen Pflicht zu feyn. Sie fhmollte und Flagte dann, bald bey ihrem Schwiegervater, fo fange er nach lebte, bald bey ihrem Bruder, Daß fie Dieß nicht beliebter machen Eonnte, erräth jeder. Franz entfrempete fein Herz taͤglich mehr von ihr. Eine bängliche Leere herrſchte in feiner Seele. Er hatte fie einige Mahl ſchon an feinem Hofe auszufüllen gefuht, und nicht vdrmodt. Man teug ihm manches Herz entgegen, was doch nicht ein Herz für ihn war. Die Schelſucht Johanna's vers bannte überbieß aus bem Zirkel ihre Umgangs jeben Reiz weıt hinweg, der ihr gefährlich bünkte. -. Sept traf ein ungefährer Blick des Fürften auf Bianca’s Blick; und ſchneller fliege kaum der Lichte ſtrahl duch unermeßliche Räume, als die Liebe mir

wu. 102 rem diefem einzigen Blick fih in fein Herz ergoß. 9 daͤucht' ihm, babe er ein Geficht erblickt, das an Sc heit mit dieſer Unbekannten ſich vergleihen dürfe. Se Hand erbebte am Zügel des Pferdes; die G entſank aus feiner Rechten; des Eeiniten Seitenfpr ges von feinem Roſſe hürte es bedurft, fo wäre feibit bügel = und fatrelios geiworden. Er zauderte, fih noch zehn Mahl um; watd roth; jegt bloß, | wieder roth; fab auf der Jagd, zu welcher. er ritr, die er fonft faft leidenſchaftlich liebte , weber Fußſteigr

Graben, weder Baum noch Wild; vermochte es ul

haupt kaum einige Stunden dabey auszuhalten; | eilte dann, mit verhängtem Zügel, nah Klon zurück.

Sein Rückweg trug ihn auch jetzt natürlicher. W wieder bey Bianca's Wohnung vorüber; er ſah nicht. Sein Pferd, mit Abſicht von ihm, ſelbſt reizt, baͤumte; faſt alle Bewohner und Bewohne: nen diejer Straße eilten, bey dem Oetöfe, neugie an das Fenſter, und blickten beſorgt auf ihn berg nur Bianca fam nicht; nur fie, die Einzige nicht ,, deren Fenſter er hinauf fhaute. Er ſah fi aberma wobl jehs Mahl um, und alle ſechs Mahl vergebe Verdrießlich Fam er in feinem Pallaft an; begab - einfam in fein. Gemach; erſchien fpat bey der Taf war einſylbig, ja faft ſtumm, fegte einige Tage 5 durch Alle Morgen feinen Jagd⸗ Ausritt fort, und k fters nochwerbrießliher heim. Die Veränderung feiı Gemüths war augenfheinlihd genug, um felbft x feinen niedrigften Bedienten bemerkt zu werden. A ihm fehlen könne, war Allen unbegreiflich.

ma 103 oa 9,

Einer feiner erften Höflinge hieß Mondragone. Bon Geburt ein Epanier, war er doch feit vier oder fünf und zwanzig Zahren fhon in Slorenz einheimiſch geworden; hatte felbft an der. Erziehung des Prinzen und feines Bruders, Serdinand, damahligen Cars dınal von Mebdicis, vielen Antheil, obſchon herzlich wenig Verdienft gehabt. Denn er gehörte zu jener zabllofen Claſſe von Hofſchranzen, die zuerft an ihren Fürſten und nurjezumweilen wenn eds donnert, oder wenn fie erfranken, oder auch wenn ihr An⸗ febn wantt, an eine Gottheit glauben. An ibm hatte ed wahrlich nicht gelegen: daß Großherzog Franz nit ein Stiefvater feines Yandes ward; denn’ jeder Puit des Zünglings hatte er gewillfahrt, mandye Begierten in ihm gewedt. Ein anfehnlihes Amt und ein beträchtliches Zahrgeld war fein Lohn geworden.

Männern diefer Art, welchen ein durchlauchtiges Lächeln mehr als die zehn Gebothe, ein. heimliches Wort, von ihrem Regenten zugeflüftert,, mehr, als die ganze Neligion,, und ein Schritt höher im fürftlihen Vers trauen mehr als Zreu und Menſchlichkeit gilt, Männern diefer Art, .wenn ‚fe eınmahl den fchlüpfris nen Poften des Günftlings errungen haben iſt nichts peinlicher, als wenn fie bey ihrem Gebiether irgend ein Geheimniß zwar wittern, doch nihe.errathen Eonnen. Mondragone befchloß daher auch das Ge⸗ genwärtige auszufpöpen ; befchloß, Franzen ins Her; zu ſchauen, es möge Eoften, was ba wolle. _

„Haben Eure Durchlaucht ((fragte er ihn eines Tas ges glei trüb nad) den erfen Eintrittöcomplimenten.) „ſchon „Ddas neue Singſpiel geſehen, das ber iunge neapoli⸗

„tanifhe Tonkünſtler geſetzt hat?”

Bianca Nun wahrhaftig in diefem Pun brauchte ich mich wohl vor der Abrechnung mit kaum zu fheuen, fo lange ich noch des Appennins r meines damahligen Trägers gedenken werde. Laß ı auch fhwärmen, Bonaventuri! Laß uns mis: danf rem Herzen ded Himmels mildeftes Geſchenk, we felfeitig fih ergießende Liebe, genieß (indem fie nach ber einen Gde des Bimmers biide:) Aber fieh da, faft hätte ich$ vergeflen, daß nah bradhter Arbeit es felbfi an Zeitvertreib mir mi

gebridht.

Bonav. An Zeisverereib?

Bianca. Iſt diefe Laute bier Feiner? Habe dir ſchon das neue Liedchen auf ihr vorgefpielt und v gefungen, das überdieß wohl gar halb und halb me eigene Erfindung feyn durfte!

Bonav O weldest welches Ich beſchw dich, laß mich es hören!

Bianca lie Laute nehmen.) So höre der und laß Balfam für dein Herz ſeyn, was v feige Mißklang deinem Ohr ſeyn dürfte. ı ſingt mit zärtlichſtem Blick auf Bonaventuri gerichtet: )

Was klagſt du, Mann, daß nicht fein Gold. Uns Judien und Perg zollt? . Daß nimmer, von Gewinn befchwert, Zür und ein Schiff durch Fluthen führt? Daß mir im Haar nicht Perlen prangen, Moran die blutigen Tropfen noch Des armen Negers bangen 9

M a.

®

Mag unfere Tafel Enapp und klein, Oft trocken unſer Becher ſeyn! Macht trocknes Bros und trüben Moſt Die Lebe nicht zur Götfertoit! Kann Armuth Seutzer dir erzwingen; Menn, Ranten gleich, fi feft um dig Der Öattinn Arme ſchlingen?

Laß ſeyn, daß finfere Lagerſtatt

Kein Pfühl von Eiderdunen hat!

Daß uns, ftatt füßer Melodey, |

Bor Mörgen weckt des Hahns Geſchrey! Wohl uns, wenn nie im ernſten Grimme/

Wie den Tyrann, Tiog Kroͤn' und Wach', Schreckt des Gewiſſens Stimme!

.. Blick her ins Auge, ſonnenbell! Noch ward ed Eeinet Tpröne Quell; Hoch hob mein liebevolles Herz Die Reüe nie mit bitterm Schmerz 3 Noch ſchaut' ich auf verlaſſ'nes Gluͤck/ Auf Überfluß, auf Rang’ und Pracht/ Mir Eeinem trüben Slid,

Denn du mein Stolz, mein Süd and Ruhm/ Gabſt mir bein Herz zum Eigenthum ; Gabſt zu der Treue ſicherm Pfand Mir Wort und Schwur und Ring und Hand. Im deutfchen und im welfchen Reiche, Wo nun der Kaifer? wo der Fuͤrſt, Der mir an Hoheit gleiche ?

reitet Bianca Gap. 1. Tbl. G

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(Sie legt Hey dieſen Ichten Worten die Laute weg, und

armt ihn.) .

Bonav. (außer ib.) O daß fein Engel jegt ı fähet Neid Über meine Zefigkeit könnte fonft 1. aus ihm einen Abgefallenen mehr machen. Ki deines Geſchlechts! auch mit mir kann der Beherrf von Indoſtan ſelbſt ſich nicht an Reichthum meſſen

Bianca. Scheichler, lieber Schmeich! (Man hoͤrt ein Geräuſch von fern; Bianca eilt and Zenf Aber was ift das für ein Getümmel bes Volks der Straße? Was fol der Greudenruf der Menge deuten? |

Bonadv. (der auch and Zenſter geht.) Nichts m und nichts minder, als daß unfer Großherzog hier ı bey reiten wird.

Bianca. Der Großherzog?! -— Noch habe ihn nie gefehen. (Durh den Vorhang blidend.) | fhöner Here! Seine Miene verräth Hoheit Seele.

Bonav. Und doch verraͤth fie ſicher nochen das Drittheil von Derjenigen, die er wirklich bef Sein edles Herz würde ihn auch im tiefiten Sta eben fo über alle Zlorensiner erheben, als ed’ jetzt &r, und Geburt thun.

Bianca. Der verzweifelte Vorhang! Ich Ec feinethalben dieſen gerühmten Zürften nicht fo ganz Eennen, wie id wohl wünſchte.

Bonav. (fpötteind., Eine wichtige Unannehmt Beit, die du mit einem einzigen Finger aus dem W räumen kannſt. |

Bianca (GEqerzend. Meinit du? Hab ich te Erlaubniß dazu (Gie Iffnet ein wenig Fentter und Goran

on 99 re Bonav. Sieh einmahl, er blickt herauf! Lebt wieder! Ha, Bianca, lafeit du nicht in ferner Miene den Gedanfen: beym Himmel! ein reizendes Wen: | Bianca (achend.) Nein, wahrhaftig, Das las ih nicht! Glaubſt du denn, daß alle Dränner fo ſchlecht

fehen, und fo übel wählen, wie du? (Der Großberzeg

ſieht ſich no ein Mahl um ; Bianca läßt ben Vorhang fallen.) | Bonap. (aqend.) Kommt es nicht auf meine" Meder Sah er ſich nicht noch ein Mahl nach die um? Weibchen, Weibchen, daß ih nit eiferfücr tig werde!

Bianca. Hahaha! Eiferfügtigt Und auf wen ? Man darf freylich euh Männern jede Ungerechtigkeit zuteauen ; doch diefe hier wäre beynahe allzu groß, als auch nur glaublich zu feyn.-

Laͤchelnd eilte Bianca bey dieſen Worten vom Fenſter hinweg, und ſchritt wieder zu irgend einer, n fhon auf fie wartenden, häuslichen Arbeit. Daß es Bonaventuri mit feiner angebrobten Eiferfucht Eein Ernft war, ergibt ſich von felbft. Denn er war nur zu überzeugt von Bianca’d Tugend, von ihrer Eingezo⸗ genheit, von ihrer Unbekanntfhaft mit dem gan⸗ zen Übrigen Florenz. Auch war der Vorfall, daß ein junger Zürft nach einem weiblihen Geſicht am Fenfter ſich umfhaut, fo unbebeutend ;. Pietro hatte denfelben am naͤchſten Morgen bereits ganz vergeffen.

Gleichwohl da das Glüuͤck ſchon oft das Schick⸗ fal ganzes Staaten an einen Männerblid, oder ein

3.

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Weiberlaͤcheln, an einen Seuerfunfen, oder ein &a korn band, gleichwohl ſchien auch jest eine fei Sefttags : Launen fih ind Epiel zu miſchen; und gefüfteter Vorhang ſollte in Bianca's Leben faft m nod als jene zugeworfene Hausthür bewirken.

Sranziscus, Großherzog von Zlorenz, der Alt Sohn des berühnen Cosmus I. war nit nur ei ber ſchoͤnſten, reichſten, mädtigften Zürften, die mahls das Zepter über Toskana geführt, fondern a mit Geiftetgaben fo mild, wie mit Glücksgütern a geftattet. Das Erbtheil ded medicäifhen Haufe, | be zu Künften und Wiffenfhaften, war ihm reich zugefallen. Seine Hauptftadt zu verfhönern, fe GStaaten zu bereichern, feine Unterthanen zu beglück war fein fehnliher Wunfh, der nicht bloß Wur blieb. Wiewohl gerade damahls Zeiten einzulen begannen, die dem Flor des florentinifhen Hank mit Verminderung, mo nicht gar mit Verwel drobten; wiewohl Spaniens finfender Wopfftand, H Yands fteigende Größe auch aufs mittellaͤndiſche M wirkten dennoch erhielt Franzens Beſtreben das terländifche Gewerbe beym bisherigen Gedeihen. WB. Senkre er die Zügel der Regierung. Dur Gere tigkeit fchrecfte ex den Frevler, befeligte durch Mi den Biedermann. Ölanzend war er bey feinen Feſt rund um fih ber fuchte er Heiterkeit zu verbreit und befaß fie doch felbft nihe ganz; wenigfteng nicht, wie er fie derdiente.

Denn dieſer gerühlvolle, jedem zärtlichen Einda offene Prinz hatte als Jünglıng fon eın Opfer bi gen müjlen, das beym Zurftenrange ſich gewoͤhn Gndes; hatte fi nicht verheiracher, fondern war :

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werbeirathet worden. Johanna von Oſterreich „Maxi⸗ milians 11. Schweſter, arm an Eörperliher Schönheit, und noch ärmer an jener Anmuth, die nicht felten den Abgang der Schönheit erfegt, ja zuweilen wohl gar mit Wucherzins vergüset , harte aus Waters Willkür feine Hand empfangen; feines Herzens fi) zu bemeis ftern war ihr unmöglich. Der verbandelte Prinz ere bedte heimlich, alder zum erſten Mahl die ihm beftimms te Gemahlinn erblidte, und fie fo reizlos fand. Noch ahndete er nicht, was er bald nur zu genau ers fuhr, daß diefer äußerlihe Mangel ihr Fleinfter Fehler fey. Pfäffifhe Erziehung hatte fie zur Andachteley, die zwangvolle Bitte ihres väterlichen Hofes zum Stolz, oder wenigftend zum Anſchein deſſelben geleitet. Die Kaiſerstochter giaubte: der Großherzog muͤſſe ſich durch Ehe mit ihr überfhwenglich geehrt finden; ihre Eiferfuht war ohne Maß und Ziel. Jede noch fo Eleis ne Schadloshaltung fhien ihr eine Verlegung. der ehe⸗ lichen Pflicht zu feyn. Sie fhmollte und klagte bann, bald bey ihrem Schwiegervater, fo lange er noch lebte, Bald bey ihrem Bruder, Daß fie Dieß nicht beliebter machen Eonnte, ercäth jeder. Franz entfrempete fein Herz sägli mehr von ihr. Eine bängliche Leere herrfchte in feiner Seele. Er hatte fie einige Mahl fchon an feinem Hofe auszufüllen gefucht, und nicht vͤrmocht. Man trug ihm manches Merz entgegen, was doch nicht eim Herz für ihn war. Die Schelſucht Johanna's ver⸗ bannte überdieß aus dem Zirkel ihres Umgangs jeden Heiz weit hinweg, der ihe gefaͤhrlich dünkte. Sept traf ein ungefährer Blick des Fürſten auf Bianca's Blick; und fihneller fliege Kaum der Licht ſtrahl durch unermeßlihe Räume, als die Liebe mis

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biefem einzigen Blick fih in fein Herz ergoß.

daͤucht' ihm, babe er ein Geficht erblickt, das an E beit mit diefer Unbekannten fih vergleichen dürfe. Hand "erbebte am Zügel des Pferdes ; die ı 'entfanE aus feiner Rechten; bes Eleinften Geitenfi ges von feinem Roſſe hätte es bedurft, fo ſelbſt bügels und fatteioß ‚geworden. Er zaubert: fih nody zehn Mahl um; watd roth; jegt blaß, wieder roth; fab auf der Jagd, zu welcher. er ritr die er fonft faft leidenſchaftlich liebte, weder Fußſtei,

Graben, weder Baum noch Wild; vermochte es

baupt kaum einige Stunden dabey auszuhalten ; eilte dann, mit verhängtem Zügel, nad 1 jurü.

Sein Rückweg trug ihn auch jetzt natürlicher $ wieber bey Bianca's Wohnung vorüber; er. fe nicht. Sein Pferd, mit Abfiht von ihm, ſelb reizt, baͤumte; faſt alle Bewohner und Vewohꝛ nen dieſer Straße eilten, bey dem Getöoſe, NEU an das Fenſter, und blickten beforgt auf ihn be nur Bianca kam nit; nur fie, die Einzige nicht deren Fenſter er hinauf fhaute. Er fab fi abern wohl jehs Mahl um, und alle ſechs Mahl verge Verdrießlich Eam er in feinem Pallaſt an; begat einfan in fein. Gemach; erfchien fpat bey der 2 war einſylbig, ja faft ſtumm, feßte einige Tage durch alle Morgen feinen Jagd » Ausritt fort, und fters noch werbrießlicher heim. Die Veränderung | Gemüths war augenfheinlihd genug, um felbft feinen niedrigften Bedienten bemerkt zu werden. ihm fehlen könne, war Allen unbegreiflich.

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4 ma 103 - ,

Einer feiner erften Höflinge hieß Mondragone. Bon Geburt ein Epanier, war er doch feit vier oder fünf und zwanzig Jahren fhon in Florenz einheimiſch geworden ; hatte felbft an der. Erziehung des Prinzen und feines Bruders, Ferdinand, damahligen Cars ' dinal von Medicis, vielen Antheil, obſchon herzlich wenig Verdienſt gehabt. Denn er gehörte zu jener zahllofen Claſſe von Hoffchranzen , die zuerft an ihren Fürſten und nurjezumweilen wenn es dbonnert, oder wenn fie erfranfen, oder auch wenn ihr Ans fehn wantt, an eine Gottheit glauben. An ibm hatte es wahrlih nicht gelegen: daß Großherzog Franz nicht ein Stiefvater feines dandes ward; denn’ jeder Luſt des Jünglings hatte er gewillfahrt, manche Begierden in ihm geweckt. Ein anſehnliches Amt und ein detraͤchtliches Jahrgeld war ſein Lohn geworden.

Maͤnnern dieſer Art, welchen ein durchlauchtiges Lächeln mehr als die zehn Gebothe, ein heimliches Wort, von ihrem Regenten zugeflüftert,, mehr. als die ganze Religion, und ein Schritt höher im fürftlihen Ver⸗ trauen mehr als Treu und Menſchlichkeit gilt, Männern diefer Art, wenn fe eınmahl den fchlüpfri⸗ nen Poften des Günftlings errungen haben, ift nichts peinlucher, ald wenn fie bey ihrem Gebiether irgend ein Geheimniß zwar wittern, doch nicht errathen können. Mondragone beſchloß daher auch das Ge⸗ genwaͤrtige ausjufpöhen ; beſchloß, Franzen ins Herz zu ſchauen, es möge koſten, was da wolle.

„Haben Eure Durchlaucht ((fragte er ihn eines Ta⸗ geb gleich früb nach den erſt en intrittöcomplimenten.) „ſchon „das neue Singſpiel geſehen, das ber junge neapoli⸗

„tanifhe Tonkünftler gefept hat?” \

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Bro6h. (etwas verdrießlich.) > Wi bu auch ſo gen kannſt? Du biſt ja überall, wo ich bin ; wann fi ‚ich's gefeben haben ?

Monde. Man rühmt es mir, als vortreff . Eine fo fröbliche, ſchöne Muſik und fo zärtliche A ſou man nirgends kennen. Auch bie Fabel ſelbſt gut verflochten und gut gelöst feyn.

| Großh. (gleichgũitig.) So!

Mondr..Die Hoffanger find ſchon ſeit vorgeſt mit Erlernung deffelben fertig. Befehlen Eure Du laucht es heute zu ſehen?

—Großh. Nein, gewiß nicht. Froͤhliche Mu und meine Laune! Soll Jene durch Dieſe traurig, © Diefe tur Jene heiter werden?

Mondr. Hoffentlich das Letztere.

&rofb. Eine fehr eitle Hoffnung! Völlig naͤhmliche Plan, als wenn du den Paufenfgall | einer Flöte überräuben wollteft.

Mondr. Der Kaufmann, ber das Bild von] chael Angelo zu ſchaffen verſprach, ift wieder ba, a bat Wort gehalten. Alles Lob veriiummt,'wenn u es ſieht! Man fpricht lieber nichts, weil man fäb fi) tod nicht genug darüber ausipreben ;u köonn Die Miene in Lucretia’s Geiiht, dad Warme u Werde ihres Fleiſches, die Schenheie ihred Buſen dus Edle ın ihren ;urüdfullenten Gewändern ift

zausernd. Man wünſcht ſich Zereus Tarquinius

ſeyn „und wenn man aruich ein Königreich darüber verls

Großeh. Man tel’ es in die Gallerie!

Moendr. Und der Englänter, den Eure Dur laucht neulich ſahen und zu reiten wilnfhten , it mn

won 305 um

ausgeforfht und feil gemacht. Sqhoner, als er, war nie ein Pferd; fen

Grofih. (ungeduldig.) Mondragons! Soll ih es noch ein Mahl ſagen, daß meine beutige Laune traurig iſt, und traurig ſeyn will! Du verlſuchſt umſonſt j de Neuigkeit auszukramen, die mich ſonſt zerſtreuen konnte; denn ſo uſt iſt wicht jetzt! Blick in mein Herz! lies in ihm, und dann!

Monde. Wie gern Iäff ich dariu, um ju ra⸗ then, und vielleicht zu helfen, wenn ich anders dürfte: und Eönnte! Aber wer vermages, in einen verſchloſſe⸗ nen Schrank zu hiden?

Großh. (aitter lächeind.) Auch dann nicht, armer angeblicher Menſchenkenner, wenn bfoß eine gläſerne Thür ihn verwahrt? Mondragone, man bedarf ja wohl, dädre ich, keiner ſibylliniſchen Bücher, um den Sram zu erraten, der an meinem Herzen nagt! Herr über ein glückliches, zahlreiches Volk, hin ich viele leihe der einzige Unglückliche, wenigftend ganz gewiß der Unglückli vſte dieſes Volks. Wie mander unter Deuen, die meing Pferde fürtern, meine Zimmer faus- bern, ruht, wenn die Stunden ber Arbeit dahin find, ‘au dem Buſen eined Weibes aus, das er liebt, das

ihn beſeligt; indeß ich ſeufzend wache, durch Staats⸗ feſſeln an eine Gemahlinn geſchmiedet, die mich haßt und qualt.

Monde. Eure Durchlaucht!

Großh. {ver gleich wieder einfäut, mb ihn mit Wärme Ben der Hand faßt.) Mondragone , du kennſt es ja ohnes dem, diefes unruhig fhlagende Harz! Du haft ed ja fon ſeit den Jahren beobachtet, wo nod ein recht

hocfliegender Ball mein erſter Wunſch, und eine neue,

1006

wit Brillanten beſetzte Hutſchleife mein Glück w Du weißt es ja, wie zeitig Liebe mein ſtärkſtes X türfniß ausmachte, und du fragfi noeh, warum jegt mich grame ?

onde. Aber wie in aller Welt ift es möglich, d diefes Bedürfniß ſtets, oder auch fo lange nur nem Prinzen ungewahrt bleiben kann, den, als Ki ftien, Alle anbethen; als Menſchen Alle fchögen, u als Mann alle Weiber lieben müffen ? Warum , Prinz , wollen Sie, erbaben über alle menfhli Geſetze, doch fo ängftlid fireng an menſchlichen S bräuchen Hangen?— Sind der Schönen nit gen am Hofe zu Florenz, die deym erften Winfe ihre: Gebiether in die Arme ſinken, und burd die fröhli ften Nächte der Liede ihm die wenigen traurigen Sta den ter Ehe verguren würden? Friſchen Mut ; faßt, Eure Durthlaucht! Dem Sram nahbhänge heißt ihn veritarken. Wer hat jemahls die-Mit zu feinem Glück in Händen, wenn fie ein Fürſt ni biste? Geben Sie mir Befehl, geben Eie mir nen einzigen Wink, und ih will Damen In Ahr E mach führen, bey deren Reizen ber Neid felbit ſchw gend erblajfen, und in deren Armen. fih Ihr glühe der Durit nach Liebe und Schönheit gewiß reichlich | friedigt finden fall.

Großh. Id danke bir, Mondragone, für d nen Eifer, aber ich bedarf deinee Auswahl nicht. D ich ſelbſt, ich felbft habe fie gefunden; nach dei Liebe ich fo heiß verlange, als der geiagte Hirſch n einem ruhigen Didicht.

Monde. (verwüunderungdvok;) Bi, „Eure Dut laucht? Sochon gefunden?! Fürwahr, ih erſtau

on 107 .

„Großh. Ja, ja, fage ich dir, ‚ich babe fie ger funden, nad der ic) fo Heiß glühe, als ich noch nie: mahls glühte. Was ftaunft du fo ftarr darüber? (gleihfam heteidigt.) Sol ich vielleicht ſtets durch frem-

de Augen ſehen und wählen! Soll ich eben fo vorten .

Altären der Liebe handeln , als ich es leider, . ewig

leider.! vor dem Altar der Ehe thun mußte! Hat denn ein Zürft gar Eein Herz, das ihr Grauſamen, die ihr feine Füße zu küſſen fheint, und von feine

Beute lebt, immer fo über ihn fchalten wolk, als

wäre er das DOpfertbier , das ihr jegt mit Blumen ſchmücken, jetzt ſchlachten, und jest nad Ägypterfitte wieder göttlich verehren könnt? Ha! bey Gott! Thiere felbft haben: ja die Freyheit zu kieſen und zu ver⸗ werfen; und pur wir?

Mondr. Eure Durchlaucht erhitzen ſich ohne Grund; Sie zürnen, obne daß ich den geringſten Stoff zu ikgend einem Unwillen geben wollte. Wer zweifelt wohl, daß Sie eben fo unbeſchraͤnkt Herr über Ihr Herz, ald über unſer Aller Leben ind!—

Nicht darüber alfo flaunte ich vorbin, dag Sie Jenes

verfchenkten ; fondern nur, tafı Sie ſo unbemerkt es

thaten; daß man die edle Dame noch nicht einmahl

kennt, der dieſes Glück widerfuhr.

Groß h. (eerdrießlich.) Edle ! Edle Dame ? Warum ſchen wieder eine Edfe? '

Monde. Am Reizund Seele meine ich.

Greßh.-Und dann, o fa, dann haft du recht! dann ift fie die Perle in Florenz, gegen beren Rei; dieſes ganze fhöne, große, reiche Lund mir nur eine

bleyerne Einfoffung zu feyn duͤnkt. Die ganze Dauer,

in der ich ſie ſah, war zwar nur die. Dauer eines Au⸗

?

RIO 10B ua L

genblidd; aber, guter Himmel, welch' eines Aug biides! So ein Angefidht voll Würde, fo ei Liebreiz, fold eine Harmonie in jedem Eleinften Zu fo ein fternenhelles Auge ſah ih nimmer. M nie hörte ich zwar noch ein Wort von ihr; aber A verfteht nichts, der ihre ſprechende Miene nicht ı ſteht; in ihr ftand das ſchönſte Bild der ganzen wei hen Zugend ausgedrüdt; in ihr Was läd du? Glaubſt du nicht an weiblide Zugen Weißt du nicht, was fie iſt?

Mondr. Wenigftens, was fie feyn follte. babe ja genug Dichter und Romanenfhreiber gelefe

Großh. Und fie fonft nirgends gefunden I N im Gange des wirklihen menfchlichen Lebens 3 mit dir, Menſch! Du haft deine Weiberkenntniß nun liederiihen Häuſern erworben !

Monde. Eure Durchlaucht!

Großh. Dder hoͤchſtens, was oft noch ſchl mer als ein Gemeinhaus ſeyn dürfte, in den Sch jenmern derjenigen feilen Damen, beren id, leil genug an ‚meinem Hofe babe; die jedem ſchoͤnen gen, jedem durchreifenden Deutfchen,, jedem nen oft noch unbezahlten Gallakleide zuminken ; und | wer weiß, wie bitter, auf den Eeinften Liebesfe ihrer beſſern Nachbarinn zu ſchmaͤhen pflegen. W Freund, wer weciblihe Tugend Täugnet, der ſchilt Schöpferhand Gottes für eine Stümperhand, und tritt den ſchönſten Ebdelftein im Kranze menſchl Vorzüge.

Mondr. (gefameidig doch wit Anktand.) Berg mir mein Fürft, wenn ich anzumerken wage, baf verführeriſche Liebe auch hier ihre Allgewalt ausge

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and feldft bey Eurer Durdlaudt ein wenig jenen Ad⸗ lerblick zu trüben verfucht habe, dem fonft nichts ſich zu bergen vermag: Sie widerlegen mie nun heute {bon zum zwehten Mahl Wotite und Mienen, deren ih mich iwenigftens in der angenommenen Bedeu⸗ sung nicht fhuldig weiß. Hab’ ih ja mas ich weder bejaben,, noch vetneinen kann habe ih ja vorhin gelädelt, fo geihah es nur, weil Eure Durchs laucht mit ſolchem Eifer, mit fo gewißheitsvoller Kennts niß von den Verdienſten einer Dame fprachen , die Sie, Deko eigenen Vorten nad, nur einen Augen blick hindurd fahen. Darf ich mich erfühnen, zu fragen: wer denn wohl .diefe Siegerinn ſey, die noch mit größerm Rechte als Cäfar einft: Ich Eam, fah and fiegte! ausrufen Eann %

Großh. (mireinem Seutzer.) Ah fragen, licher Mondragone, fragen darfft du wohl, denn du weißt, wie fehr ih dich ſchaͤtze; auch wirft du dem Liebetruns Eenen leicht vergeben, wenn er unwillkuͤrlich im Rauſche feiner Leidenfhaft nach feinem Freunde gefchlagen has ben fellte. Aber wollte der Himmel, daß ich dir nur eben fo leicht zu antworten vermöchte! Alles, was ich von Derjenigen weiß, die jeßt mein ganzes Selbſt beherrſcht, iſt nicht viel mehr, als dag fie zu Slorenz lebt, und daß ich das Haus Eenne, wo fie wohnt. |

Monde. Wo ſie wohnt? O genug, genug, . wenn wir Das nur willen! Mad Anffindung eines fols hen Leitfadens, fol bie fernere Durdiwanderung bies fes Labyrinths Hoffentlich keine Noth haben. Wo wars denn, daß Eure Duͤrchlaucht ſie zuerſt wpen⸗

*

ws. ıULoe we.

Großb. Als ih auf die Jagd ritt. T am Pallaſt der Bonateſta, nicht weit von der Ri der Verkündigung , fteht ein Eleines, nur ein Ci werk hobes, kaum vier Zenfter breites Häuschen , verblichener gelber Farbe. Dort, bortwohnt fie, wi fibeinfich im tiefiten Staube; aber dennoch von unentftellt, dennoch werth, Alles rings um fidh überglänzen. Ihr großes, blaues, himmelvolles die liebenswürdige Beſcheidenheit .mit der ihr x ſich fenkte, ihr Doch nein! ih falle

Lob und Entzückung zurück, und Das will ih nid

Mondr. Aber, Eure Durchlaucht, mich di: Sie ritten geflern auf die Jagd; und diefe Schu mutb dauert ſchon viel langer %

Großh. Auch fah ich fie nicht geftern erſt; ſie vor fuͤnf Tagen ſchon!

Mondr. Heiliger Gott, das nenne ich He ſchaft über ſich ſelbſt! Glücklich, glücklich das Lan welches ein Fürſt regiert, den ſelbſt die glüben! Leidenſchaft nicht ganz zu unterjochen vermag! Fünf Tage lang ſchon verliebt, und nodh.. ber allein Vertraute feines Grams zu feyn; fünf Tage le von einer Flamme zu brennen, die ſonſt jeden Bit fiund vernichtet, und doch noch jene. Macht nicht nutzt zu haben, die das Schickſal Ihren Haͤnden r lieb! Wahrlich, Eure Durchlaucht, das,iſt ein E muth, mehr als zehn Siege auf dem Schlachtfe werth! Wohlan, ich gehe, um Alles aufzul then, was Kopf und Geiſt vermögen, wab. Lift ı Eifer Gutes herbey ſchaffen koͤnnen. Bin ich im we gen Tagen nicht der Üerbringer einer guten Vo ſchaft, fo Fämpft entweder das Schickſal ſelbſt ge;

vu. 111 vo...

mi, oder ih will unmerth meines hoben Poſtens, unwerch Ihres Vertrauens, ja felbft des Lebens uns werth feyn. (Seht ab.) on Ä

Tr

In mancherley Unterhandlungsfädern erhielt das - männliche Sefchlecht von, der Natur Vor;lige und Vor: theile; doc in Liebeshändeln ift die größere Geſchick⸗— lichkeit dem weiblihen Geſchlechter gan; unſtreitig zu Theil geworden. Herzen zu verſtricken, zaͤrtliche Nei— gung’ für ſich ſelbſt ſowohl, als für Andere, jetzt aus⸗

zuſtreuen, jetzt auszuforſchen Das verſteht das Weib

unendlich beifer, als der Mann.

Auch Mondragone, fo viele Achtung er font für feinen eigenen Kopf zu hegen pflegte ‚war do von diefer Wahrheit fo vollfommen überzeugt, daß er jebt, von feinem Fürſten mit dem Auftrag beehrt, Bianca aussuforfhen und zu gewinnen, Eein ſichereres Mittel wußte, als fpornftreihs: zu feiner Gemahlinn zu eis len, ihr Alles anzuvertrauen, und ihrem Scarfjinne die Einleitung diefes Handels forgfältig anzuempfehlen.

Zwar warf Signora mädtiglich ihr ohnedem aufs geſtülptes Näschen in die Höhe, als fie hörte; in welchem elenden Häusdyen die glückliche Diegerinn wohne; zwar rief ſie das:

„Gott ſteh uns bey! Wohl gar eine ehrbare Bür⸗

„geröfrau 4” | mit dem veraͤchtlichſten Tene aus; und ihr Seitenblick verrieth deutlich genug den Gedanken: Wenn es we⸗ nigſtens unfer Eine wäre! Doch ſchon im voraus hatte fih Mondragone auf Einwürfe diefes Schlage⸗ gewaffnet.

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wur 112 won „Nicht zu raſch ſprach er; nicht zu x meine Iheure, mit einem Tadel, der vielleicht in Billigung übergeben dürfte! Auch ic) konnte fangs kaum den Gedanken, den du fo eben äußert unterdrücden; aber ein einziger Blick der Ealten 9 nunft machte, daß ich mich feiner ſchämte. Sign. Mondr. mög) Wollte dw ı wohl inden Stand ſetzen, auch fo ſcharfſichtig zu- fe Monde. Won Herzen gern! Sieh, nod vielleicht die Glückliche, die unfern Fürſten betht auf die wahrfcheinfih bald halb Florenz mit Neib Ken, deren Juwelen und Perlenfhmuck felbft- die 4 ſerstochter überftrahlen dürften noch iſt fie viele ihren, nädhften Nachbarn unbekannt und unbedeute tft vieleicht vom niebrigften Stande: aber möchte doch meinetwegen noch niedriger, noch bedeutur tofer feyn; denn um defto mehr muß fie, wenn Aun aus ihrer Dunkelheit hervorgeht, es Dem oder 3 fren verdanken, die ıhre Erhöhung zu beförtern q wohl gar zu bewirken ſcheinen. Obne mädhı Verwandte, shne den Schutz von angefehenen Brüd und Oheimen, bloß durch Das unteritügt, was ſchnell wieder ſinkt und verfliege durch ihren juge lichen Reiz, muß fie, auch nur mir mäßigen X ftande begabt, gleich beym eriten Eintritt in Die.gr Welt, nah fremder Ecuge fi umfehn. Und ı wird ihr dann naber feyn, als wır? Wem it fie d< mehr verpflichtet ald uns! Notürlich, daß ı aud dann Dasjenige mır ihr theilen, mas der lie teunfene Sean; ıhr zu Füßen legen wurd; und D dürfte, wie ich hoffe, nicht viel weniger ald Aul feun. Erfahren in den Kunften des Hofes, regieren ı dann

wo 118 vr.

dann defto fiherer, weil wir mittelbar und durch eine ungeübte Mittelsperſon regieren, und gebie⸗ then eben fo unbeſchraͤnkt Über ganz Florenz, als ehe⸗ mahls der Bohn des Perifles *) ber ganz Griechene land; nur mit dem Unterſchiede: dag wir beſſer, als dieſer Knabe, den Vortheil verſtehen werden, den wir beſitzen,

Nicht immer hatten Mondragonens Gründe das Gluͤck, bey feiner Gemahlinn für unwiderleglich zu gelten; doch dieß Mahl gab ſie ihnen wenigſtens im Stillen Recht. Der Gedanke zu herrſchen dieſe uns Männern fo werthe, und ten Frauen fo un⸗ endlich theure Ausjiht war nun hinlänglich, die ftolze Signora ihres Adels vergeſſend, und zur Beförderung eines embryoniſchen Liebeshandels will⸗ faͤhrig zu machen. Sie ſandte ſogleich Kundſchafter aus, die nach Bianca's häuslichen Umftänden forſchen muß⸗ ten; erfuhr leicht Eines und das Andere, was ihr Anlaß zu Plänen gab; und fuchte nun nichts eifris ger, als bald mit der Mutter unfers Bonaventuri

zu ſprechen.

Auch hierzu fand ſich in Eurzem Gelegenheit. &ie hörte, daß die alte Bonaventuri täglich sine gewiſſe

Peritkles pflegte bekannter Maßen oft ſcherzend zu feinen Breunden zu ſagen: „die Aibdener herrſchen über Griechen⸗ „land; ich beherrſche die Athener z meine Gebietderinn „iR Alpalia; Sie thut, was ihr Meiner Sobn begehrt. „Dieter Knabe IR alfo Sriecheniands Her.”

Meißners Bianca Cap. 1. Th.

vos 114 voosä

Kirche zu beſuchen pflegte; fuhr des andern Tages zus beflimmten Stunde hin, fand die Gefuchte, und nahm dicht neben der armen andächtigen Betherinn ihren Platz. Als fie Beyde, Diefeihren wirklich en und die Hofdame ihren fheinbaren Gottesdienſt voll⸗ endet hatten und weggehen wollten, nahm bie Letztere von einem ſtarken Negen, der eben niederfiel, einen Vorwand ber, ihrer Nachbarinn, die fie fhon vorher freundlich gegrüßt hatte, einen Plag in ihrem Wagen anzubiethen. Dian kann leicht ermeflen, wie fehe das gute Mütterhen über diefen Vorfhlag flaunte, unb wie höflich fie eine fo unverdiente Ehre fi) verbath; aber Signora Mondragone verficherte fo Tiebreih, daß fie ihr ſchon längft, fo wohl dem Anfehen nach bes kannt, als ihrer Oottesfurdt wegen angenehm gewe⸗ fen wäre, und wiederhohfte ihr Anerbiethen fo ernſt⸗ lich, daß endlid die ehrliche Bonaventuri es body, wiewohl unter taufend Entfhuldigungen und Beſorg⸗ niffen von Unſchicklichkeit und von verurfachter Ungele. genheit, annehmen mußte.

. Große biefer Erde! nihtd, dünkt mich, fey für euch, die ihr aus leicht begreiflihen Urfahen Satyre fo wenig leiden Eönnt, eine beiffendere Satyre, als jene Freude, die der fo genannte gemeine Mann dann empfindet, wenn ihr jezumeilen (was noch übers dieß taufend Mahl Verftellung und kaum ein Mahl Redlichkeit zu ſeyn pflege) mit Herablaflung, oft nur gar mit Menfhlihkeit, eure armern Brüder zu bes bandeln geruht. O ihr Ihoren, die ihr dann wohl. gar mit dem erhaltenen Lobe euch krüftet! Man wunbert fih nur über ungewöhnliche Begeben⸗ heiten; und ihr freuet euch des Zujauchzent, das euch

. won 215 wem dann zu Theil wird, wenn ihr doch ein Mahl euh menſchlich zeigt? Es Eofter euch oft nur weniger Worte, nur eines Blickes, um geehrt, geliebt, angebetber fogar zu werben; und ihr Eönnt noch ohne die bren- nendfte Schamröthe über den Haß Elagen, der eunch gewöhnlich zu verfolgen pflege ?

Auch jetzt bewies Bonaventuri's Mutter » bag diefe Ausfhweifung die mir wahrfcheinlich ein ges wiffer Theil meiner Refer nicht fonderlih verdanken wird menigitens fehr gegründet fey. Was. hätte die arme Frau nit gern gethan, um fi) gegen ihre neue Bekannte dankbar zu beweifen! In einer fo ſchön vergoldeten Caroſſe, neben einer Dame zu figen; eines fo freundlihen Geſprächs gewürdigt zu werden, o! Das -war ihr eine Ehre; Das verfchaffte ihr beynahe - mehr Entzücken, als fie manchmahl in den Stunden der Trübfal von jenem leben ſich verfprochen hatte.

Signora Mondragone wußte bald das Geſopraͤch dahin zu fpielen, wohin fie es haben wollte. Mit der Frage: Wer denn ber junge angenehme Mann fey, der fie zuweilen in und aus der Kirche begleitet fchloß ſie der treuberzigen Schwägerinn dem Mund zu einem ganzen Strom von Lobeserhebungen ihres einzigen, geliebten Sohnes auf, und hörte ihr lange mit einer. Aufmerkfamfeit zu, die aud an der Eleinjten Kleinig- Eeit Theil zu nehmen ſchien.

* Ru] * .

„Fürwahr,“ fing fie endlich an einzulenken; „es „freut mich doch alle Mahl herzlich, wenn ich von der „Ihaffenden Natur Dasjenige an der Seele eines „Menſchen erfüllt finde, was fie in feinem Geſ ichte

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soon 116 won u „zu leiften verfprochen hat. Der Anitand biefes jungen „Mannes gefiel mir ſchon längft; um defto mehr - muß „ed mich jegt freuen, wenn ich höre, daß er eine fa „brave Fran auh zur glüdliden Muster „macht. Mit feinen Gaben, mit feiner Bildung „kann euerm Sohne eine höhere Ausſicht nicht ger „brechen ; und er muß wenigftens einen fehr ſtarken „Eindruck auf unfer Geſchlecht hervorbringen.”

Mutter (ſchmumelnd.) Hihihi! Das nun wohl eben nicht, Em. Ercellen; und wäre au Dem fo, was hilfe ed ihm viel?

Sign. Montr Warum nicht ? Zaufend junge Männer haben ſchon ihr Glück durch eine vortheilhafte Heirath gemadt : ſollte Ahr Sohn denn nicht zu einem gleihen Scidjale fid Hoffnung machen Eönnen %

Mutter Gmit bedeutendem Ahfesuden.) Freylich, frey⸗ lich, guter Gott! dachte ich ſonſt auch ſo zuweilen; aber nun iſt es Punctum damit.

Sign. Mondr. Und weßwegen?

Muster (Halb unwillig nächelnd.) Weil chriſtliche und florentiniſche Geſetze verbiethen, zwey Weiber auf ein Madl zu haben.

Sign Mondr Ah! &o% Iſt er bereitd ver⸗ heirathet?

Mutter. Leider!

Sign. Mondr. Und warum leider! Ich win doch hoffen, daß ein fo braver Jüngling aud weiſe gewehlt haben wırd. Wer iſt feine Gattinn?

Mutter. Eine Venetianerinn ; und wenn Schöne beit, dornehme Geburt und ein engliſchgutes Der, das ganze Glück der Ehe ausmachten, dann, Eure Ex⸗

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wma 117 war rellenz, wäre mein Pietro der Seligfte aller Männer. Aber leider waren: biefe drey Stücke auch der ganze Brautfhag meiner Schwiegertodhter.

Sign. Mondr. Um Vergebung, Tiebe Mute ter! Mid duͤnkt, eine ſolche Mitgift fey eben fo wüne ſchenswerth, als ſelten. |

Mutter. Freylich wohl! freyfich wohl, Eure Ers sellenz! Aber du lieber Gott! Schönheit und Tugend, ganz ohne bare, Elingende Münze, bleiben immer nur ein leichtes Sommerkfleid, das man im Wins ger tragen will; es fey noch fo (hön, nod fo glans gend, unbequem bfeibs es immer; denn fein Inhaber erfriert foft darin.

Sign. Monde. Aber wie ſchickt fie ſich in ihre gegenwärtige Lage? Eine weiße weiche Hand ente zieht ſich fonft gern der Arbeit.

Mutter. Mein, nein, Eure Ercellenz! Mein Treu! Dos thut fie doch nichts und eben das iſt es, was mich oft bitterlicd weinen macht. Eine größere Ergebung, eine ungezwungenere Bereitwilligkeit zu je⸗ dem Gefcäfte, wovon ich ihr nur winke ober fage, iſt pfotterdiggs unmdglih. Nie noch bat es ihr in irs gend einer Arbeit an gutem Willen, und beynahe eben fo felter an Kräften gemangelt.. Um Mitter⸗ nacht erft zu Bette, und mit Sonnenaufgang wieder heraus, macht fie ot mich felbft, wider meinen Wile Ien, zur Müffiggängerinn; und wahrlid mein Herz blutet, wenn ich fehe, daß fie bey allen Dem fi) nie euch nur einen Seufzer erlaubt. Guter Gott! Ih wollte ja gern Eümmerlih und elend gelebt haben, wenn ich nur einft ruhig mis dem Bewußtſeyn ftärbe, meine Kinder im Wohſſtaude zurüc zu laffen.

nern 118 oeva

Sign. Monde. Ein Wunſch, ber Ahnen f erfüllt werden wird!

Mutter (ven Kopf ſchüttelnd. ) Ach nein! U Unvermögen

Sign. Mondr. (fie ben der Hand faffend.) vieleicht bald verfchwinden! Brave Frau! Ihr E muth und Shre ungekünftelte Erzählung rühren | gleich ſtark. So begierig ich ſonſt war, Sie ſ kennen zu lernen, eben fo ſehr verlange mich Ihre reizende S:chwiegertochter zu fehen und zu f hen. Wir find reih; mein Mann befißt die Liebe das Vertrauen eines Fürſten, von deſſen Stuhle weinehde dürftige Unſchuld nie anders, ald mit & denthränen und vollen Händen zurüd ging, Binde woran id niet zweifele die Gattinn. Zi Eohnes fo, wie Sie mir fie fchilderten; finde diefen Sohn ſelbſt feinee Mutter werth; fo will Alles, was ich durch meinen Gemahl über den Für vermag, zu Ounften Ihrer Familie aufbiethen. U leiht , daß man dann Ihren Sohn in Gefcdyäf braucht, die feinen Wünſchen und Talenten beffer gemeſſen find; oder daß feine Gattinn an bem + unferer Großherzoginn gezogen wird, und bald jeßige Dürftigkeit | mit Überfluß und Adhtung v tauſcht.

Murter (ie ihr die Hand tuſſen wid.) O bi Gnade

Sign. Mondr. Nicht doch! Nicht doch! 8 für danken Sie mir? Für ein Verſprechen, das gewiſſer Maßen mir ſelbſt thue. Glauben Sie mir, fuhle zus gut die Laſt meines Standes, als nicht ai das einzige Vorrecht deſſelben, die Sorge für k

wo. 119 oe

Wohl weiner Ärmern redlichen Mitbrüber, geniegen zu wollen. Eine dankbare Thräne freut mich mehr, als ein feftliher Bad, an welchem man neidifh meine Zus welen anftarıt. Senden Sie morgen Ihre Schwiegers tochter zu mir, und bann lailen Sie mid und den Him⸗ mel für das Übrige forgen!

Mutter. Verzeihen mir Eure Ercellenz, wenn ich noch einen einzigen Zweifel frey heraus geſtehe. So unendlich Ihre Güte unſere Würdigkeit und meine Hoffnung überſteigt, fo beſorge ich doch, es duͤrfte Mühe koſten, meine Tochter zu dieſem Gange, we: nigſtens auf morgen ſchon, zu bewegen. Seit ihrem Eintritt in unſer Haus ſoll ſie auch noch den erſten Schritt außer demſelben thun, und lieber Gott! ſie hat nur mehr als zu vielen Grund dazu. Der ganze Vorrath ihrer Kleider beſteht in demjenigen, das ſie an ſich tragt; und wenn ichs gerabezu befenne, daß diefer ſchlechte mollenzeugene-Anzug mein Feſtagskleid fey, fo werden Eure Ercellenz wohl ſelbſt auf unfere Üsrigen ſchließen Eönnen. Zudem ift ſie ſo ganz der Sthate ten ihres Mannes, daß fie oßne feine Einwilligung

Sign. Monbr. (acheind. Ba! Ha! Schwierige Eeiten, bie ſich leicht heben Taffen! Ihr Sohn ift ja ein vernünftiger Mann; wie follte er wohl als ein Solcher feinem eigenen Glück entgegenftreben ? Und was die Kleidung betrifft, fo babe ih deren von aller Art

überflüffig genug, um auch diefem Mangel abzubelfen,

Bon welder Statur ift Ihre Tochter ? |

Mutter, Ziemlich von gleicher mit Euer Excel⸗ lenz.

Sign. Mondr. Vortrefflich! Ganz alſo wie ichs nur wünſchen konnte! Morgen früh fell ein

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WBedienter von mir ihrer Tochter die Stunde mel wo ich fie Nachmittags zu ſprechen wünſche, unt gleich einen Anzug mitbringen, deſſen fie fi Ihamen darf. Meine eigene Kutſche fol fie | abhohlen, und wenn Sie meine Freundſchaft ih voraus verfihern: wern Sie ıbr den Vortheil von Yen, der durch mid; und meinen Gemahl vielleich vem ganzen Haufe zuwächſt: fo wird fie fiher von ner Eindifhen Scham, oder von fonft einer Brille Ihrem Beſuch fih hindern laſſen.

Der Wagen hielt jegt bey ber Wohnung der‘ naventuri; bie gute Frau ſchied mit taufend Dar gungen von ber Dame, und war baum in ihr dun Stübchen hineingefhlüpft, als ihre ganze Familie ohnedem . durch den Anblick der fhönvergolderen , ibrem Haufe baltenden Caroſſe in nie geringe 2 wunderung gefegt worden war) ſich um fie ber verf melte, und mehr in wenigen Augenbliden frag als das arme Mütrterken bey allee Bereitwillig und allem innern Drang zur Erzählung beantw sen konnte.

Endlih Fam jie aber doch zu Athem und Wort und gewiß; gröner war jene Kreude nicht, mit wel, die Gefährten des Columbus bey der Rückkehr aus neuen Welt ihre Entdeckungen durch halb Europa a pofaunten, als diejenige, mit welcher jeßt das lei glaͤubige Weibchen die Geſchichte diefes merkwürdt Vormittags herplauderte. Da ward fein Wörth: Roıne, Miene der Signora Mondragone vergeflen, ı

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ihre ganze Rede ſchloß fich mit der Ermahnung an ihre Schwiegertochter, einen fo glinftigen Wink des Glückt ja nicht zu verſäaumen. |

Diefe Shtußermabnung, fo wie der guten Mutter vorherige Umſtändlichkeit, war kei— neswegs ganz überflüffig; denn Bianca, obſchon nicht minder, als die übrigen Zuhörer, durch biefe- Erzäh: lung überrafht, blieb doch lange unſchlüͤſſig, was fie thun follte. Die Nachſuchungen ihres Waters und de: ren Fortdauer, waren ihr gar wohl bekannt; fie Hatte daher fhon oft gewuͤnſcht, fih einen Freyheitsbrief vom Großherzoge erbitten zu können, ohne auf eine Öelegenpeit hierzu hoffen zu dürfen. Jetzt zwar ſchien diefer glüdlihe Angenblid vorhanden, und der Weg zum Fuͤrſten ihr eröffnet zu ſeyn. Aber der Gedanke: „Wie, wenn dieß Alles ein Fallſtrick, Mondragone ein Sreund deines Vaters, und biefer vergefchlagene Beſuch ein Mittel dic aufzufangen wäre 1’ flieg eben fo ſchnell und kräftig in ihr empor. Die menſchliche Seele, von Natur geneigter ein großes Unglüd, als ein großes Gluͤck zu glauben, gibt in dergleichen Sälen den Beforgriffen auh immer Wahre ſcheinlichkeit, und Die ſchwankende Bianca theilte baher Beydes, Hoffnung und Zweifel, ihrem Gemahl mit, auf defien Ausſpruch fie ihre eigene Entfgeibung simzlih ankommen ließ.

Jedoch bey ihm, deffen herrſchende Leidenſchaft, gleih nach der Liebe, Eitelkeit war, überwog bie Hoffnung den Argwohn bey Weitem. Er beftürmte feine Sattinn mit Zureden und Anrathen, und fie gehordte ihm willig. Auch die Spanierinn hielt in. beyden Puncten getreulih Wort. Ihr Bedienter brachte Biam .

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ca eine anfländige Kleidung, und ihre Wagen be Mutter und Tochter zur beftimmten Stunde ab.

Die ganze Unterrebung vom Anfange ‚bis bier aufzuzeichnen wäre zweckloſe WeitläuftigEett. 9 kann gar zu leicht von felbft fich vorftelen, womit |

Zufammenfunft begann.

" Die ältere Bonaventuri trat herein mis elle: fen DVerbeugungen , und mit einer ganzen Predt „Bie fehr fie fih ſchaͤme, überläftig zu feyn! Wie „überfhwänglicde Gnade ihnen wiberfahre! Wie „entfchloffen ihre Zochter deweien fey, ob fie ed „wagen dürfe! Wie man gleihwohl fo hohen We „nicht unbefolgt laſſen woßen” u. f. w.

Bianca hingegen fprad in den erften einigen ' nuten nur ein Paar Worte. Schücternheit und .ein wifes Mißtrauen mahlte fih in ihren Blicken. flammende Röthe ihrer Wangen, und ein leifes,« ganz unbemerkbared Zittern ihres Körpers verriet innere Bewegung. Doch war, was fie ſprach, im Ausdrucke, echt befcheiden im Vortrag. She T ihre Art fih zu halten, ihre Verbeugung ſchon ze ten von vorbergegangener Bildung. Die Spanieri als fie Bianca mit neugierigen Blicken mufterte, ftand ſich heimlich ſelbſt: ein fhönered Frauenzim babe ſie noch nie geſehen; ſchloß ſehr richtig aus bi. Augen und dieſen wenigen Worten: daß ihr Umg nicht mindern. Liebreiz als ihr Äußeres haben dür fand des Großherzogs Thorheit doch nun ſchon ein. nig verzeihlicher; konnte aber durchaus nicht begreif woher ihr, ſelbſt als Kaufmannstochter, dieſer we hart feine Anſtand eigen geworden ſey.

Nuht bloße Schmeicheley war ed daher, als D

nn 193 vom '

na Mondragone in Lobeserhebungen ihrer j jungen, neuen

Freundinn, wie fie Bianca zu nennen geruhte ausbrach; und wenigſtens für etwas redlicher, als fonft böfiſche Verfprechungen zu feyn pflegen, konnte ihre Rede dann gelten, als fie zu allen niöglichen Freundfihaftsdienften für die Zukunft ih erboth! - Auch widerftand die unbefangene Bianca fo lockenden

Zuredungen nit. Ihr Argwohn verflog, ihr Ver«

trauen erwachte. So raſch, daß es die Dame nie .

hindern Eonnte, beugte fie fi) nieder, drückte die Lippe auf ihre Hand, und rief:

Bianca. Hätte ich auch zehnfache Kraft des menſchlichen Zunge, dba ich Faum mit einfacher begabt worden bin, fo würde ich doc) die Empfindungen nicht auszudrücken vermögen, die beym Anerbiethen Euer Ercellenz meine Seele durchſtrömen. Zu groß ift zwar diefe Güte; doch fie ganz ungenügt zu laſſen, Fönnte leichte für Verſchmähung oder Thorheit gelten. Auch weiß ich jet nur einen einzigen Gall, wo ich ‘von ihr Gebrauch zu machen wünſche und fiehe. \

Mutter rür ns.) Einen Einzigen? Sehr genüge fam, Gott verzeih's ihr! Ich wüßte wenigftend ein Dugend hülfsbedürftiger Fälle.

Sign. Mondr. Und warum fagen Sie ihn dann nicht gleich heraus, liebe Bianca? Ich bin zu jeder Ge⸗ währung Ihrer Bitten bereitwilliger, ald Gie ed zum Vortrag derfelben feyn können.

Bianca. Glücklich in der Liebe meines Gatten, glücklich in meiner häuslichen Lage, wo bisher ung wenigitens noch nie erwas zur Nothdurft gebrad, babe ih nur einen einzigen Kummer, und diefen wünſchte ich unmittelbar in einer Bitrfchrift meinem

124 ww

Kürften vortragen zu dürfen. Ein Rort, ein W ein Federzug von ihm machte mich dann zur Beneibt würdigften meines ganzen Geſchlechts.

Sign. Wirklich? Aber Ihre gute Mu Hagte ja neulich auch über die Dürftigkeit ihres H fes, und fiber die unwürdigen Beſchaͤftigungen, zu nen Sie ſich oft herablaſſen müßten.

Bianca (etwas beſchamt.) Das hätte meine M ter gethan?

Mutter. Sa wohl, liebe Tochter. FW diefes Verfielen? Deine Zurücdhaltung

Bianca (eufsuen.) Iſt nicht Zurückhaltu wenigſtens nicht Heucheley. Der Reichthum der friedenheit iſt freylich oft nur ein einge bil ter Reichthum, aber dennoch der unfhäsbar von allen. Mein jetziges Loos (Dis Thär des Gew oͤffnet ſich.)

Sign. Ha, mein Gemahl! Schon vom ©& zierritt zur? Das freut mich; fürwahr, das fe mid.

Mondr. (im Hereintreten.) Vergebung meine J men, wenn ich ftoren ſollte!

Sign. Nicht doch, liebfter Gemahl! Sie ko: ten nie gewünſchter, nie gerufener Eommen; denn eben bedurften wir Ahrer. Gehen Sie (indem fie Bianca rorfelie) bier eıne ber fiebendwürdigften Per nen meines Gefchlechts, ſammt ihrer würdigen M ter; Beyde zwar erft nanz feit Kurzem meine ‚freund nen, aber auch dafür defto wärmer von mir geliebt

Mondr. (täyeind.) Selbſt wenn Neuheit mi eine fo günſtige Empfehlung in Frauengunſt zu sflegte, würde ich doch gleich beym erſten Büd ı

wen 2185 mm

Ibre Freundinn ben Vorzug, den Sie ihr geben, ges . muthmaßt und gebilligt haben. (Bu Biancd®mis einer höftichen Verbeugung.) Ich war fonft eitel genug zu glau⸗ ben, daß ich alles Reisende in Slorenz kenne; bes fhämt ſehe ich, daß ich mich bis jegt gewaltig ierte. Darf ih Sie um. Shren Nahmen bitten, ſchönſte Signora? | Bianca (mis niebergefhlagenen Augen und Erräthen.) Martela Bonaventuri. . Monde. Ich firitt geftern erit mit einem Engs ander: ob Welfchland oder Brittannien die größten. weiblihen Schönheiten erzeuge? Jeder von uns blieb, wie gewöhnlich, bey feiner Meinung. Wie unendlich bedaure ich nun, daß er ſchon heute früh abgereifet ift! Ein Blid, sin Bild pon Ihnen entſchiede gewiß unfern Streit, und ich würde Gieger feyn. Bianca. Euer Erzeßenz,meine Befhämung meine Selbſtkenntniß vergeben Sie, wenn ich, fo niedrig als ih bin, Sie doch ;u bitten wage, daß Ihr jchmeichelhafter Spott meiner fchonen möge. Sign. Spott? Nein gewiß, meine liebe Frem⸗ de, mein Gemahl ſchmeichelt nicht, und fpottet noch minder; er fpricht nur wahr! Zehn Jahr früher würde ih, fo ſebr ich Sie auch liebe, mich wohl gehüthet haben, ſeinen Beſuch in Ihrer Gegenwart anzu⸗ nehmen. 2 Monde. Und id bin viel zu wahrheitäliebend, ald Ihrer Vorſicht nicht die Gründlichkeit einzuräumen. Aber Fremde fagten Sie, tiebe Gemahlinn? Signora find alfo eine Fremde? Bianca. Eine Benetianerinn von Geburt, aber

un 126 um feit meiner Heirath Ihrer großherzoglichen Durchla demüthigſte sreuefte Unterthaninn.

Sign. But, daß Sie mid daran erinn (Zum Gemahl.) Mein Befter, unfere Freundinn wäı dem Großberzog eine Bittſchrift überreichen zus din Ich habe ihr zur Unterftügung derfelben ſchon alle m geringen Kräfte zugefagt, und ih zweifle nicht, fie auch auf die Ihrigen wird rechnen können.

Mendr. O gern, fehr gern! Man bat noch Beyſpiel, Signora, daf die Grazien eine Fehll gethan haͤtten. Mein ganzer Wille und mein ga Vermögen ift Ihnen beyzuſtehen erböthig; und. nit bloß, weil. Sie es jo fehr verdienen, fon! weil ih auch im Voraus überzeugt bin, (mie Sebemtn Blide) daß meinem gnadigiten Heren Ihr Anbrir nide mififallen werde. Sagen Die mir daher frey aus, Signora, um was foll id Seine Durchla in Ihrem Nahmen bitten?

Bianca (etwas verlegen.) Ilm was? Um w Wahrlich diefe Frage, fo billig fie feyn mag (ſich faſſend.) Entſchuldigen Sie mich, edelſter Mar wenn id, wiewohl mein Herz vom Gefühle SZ Huld überfließt, doc freymüthig zu befennen wa Mein Anliegen Bann nur einzig Ihro Durchlaucht fel ohne Zeugen und aus meinem eigenen Munde, ı nehmen. &o gewiß mir Ihre Großmuth für die @ verkeit Ihres Verſprechens gutjagt, fo it doch Di was id) wünſche, das einzige Geheimniß, welches felbit vor den enridiedeniten Zierden der Menſchh nur ver meinem Fürſten nicht, verihmeigen muß; ı Alles, warum ich flehe, iſt eine Mudienz bey Sr Durchlaucht.

won Jar even

Mondr. Und Dieß alles fol Ihnen gewährt werz den! So beleidigend ein ſolches Mißtrauen vieleicht in jedem andern Munde flr mid) ſeyn würde, fo foll doch keineswegs dadurch mein Eifer für Sie erkalten. Übermorgen um dieſe Zeit, aufs Tängfte-gerechnet, has ben Sie fiher fhon Gehör gehabt, dafür ftehe-ich Ihe nen mit meinem Kopf und Leben. (Mit laqelnder ger deimnißvoller Miene.) Und vielleicht wechſelt dann die Ordnung des Bittens und Gewährens Eünfe - tighin unter und Beyden ab.

Bianca (detreten.) Euer Ercellenz, dieſe dunkle Sprache

Mondr Wird Ihnen bald licht werden, ſchoͤne Bonaventuri! (Nach der Uhr ſehend.) Aber jetzt rufen mich meine Geſchaͤfte. Nie vielleicht waren ſolche mir laͤſtiger; aber doch muß ich gehorchen. Leben Sie wohl! (Sept mit einer hoͤflichen Verbengung ab.)

Bianca Gie ſich auf einen Augenblick niederfeht, und ihre Geſicht mit der hohlen Hand verdedt.) Ha! beynahe möchte ih Dieß alles nur für einen füßen Traum halten.

Mut ter (He freundtih auf die Achſel Flopfend.) Nicht doch, liebe Tochter, nicht doch! wir wachen! Oder wenn Dieß bloß ein Ruftgefpinnft feyn follte, guter Gott! dann wollte ih deine ganze liebe Wirklichkeit dafür hingeben. Doch es wird Zeit, uns Em. Er: cellenz wieder zu empfehlen.

Sign. Empfehlen? Weggehen, gute Mutter, werden Sie fagen wollen; weggehen, um bald wieder zu kommen. Sch liebe jene Umſtände nicht, fo ſebr aud mein Vaterland fonit das Waterland der Ceremo⸗ nien zu ſeyn pflegt *). Aber ehe Sie Abſchied neh⸗

Ich Hefte, man wird nicht vergeffen haben, deß Diondras goue ſpaniſcher Abkunft war.

wo ich fie Nachmittags zu ſprechen wünſche, und zus

urn 120 sam

Medienter von mir ihrer Tochter die Stunde melden,

Hgleih einen Anzug mitbringen, deſſen fie fih nicht Thamen darf. Meine eigene Kutſche fol fle dann abhohlen, und wenn Sie meine Sreundfchaft ihr im voraus verfihern:; wenn Die ıbr den Vortheil vorſtel⸗ Ten, der durch mic, und meinen Gemahl vielleicht th⸗ vem ganzen Haufe zuwächſt; fo wird fie ficher von kei⸗ ner Eindifhen Scham, oder von ſonſt einer Grille, an

ihrem Beſuch ſich hindern laſſen.

Fuel

Der Wagen hielt jegt bey ber Wohnung der Bon naventuri; bie gute Frau ſchied mit tanfend Dankſa⸗ gungen von ber Dame, und war Baum in ihr dunkles Stübchen hineingefchlüpft, als ihre ganze Yamilie (die ohnedem durch den Anblick der fhönvergolderen ,. wor ihrem Haufe haltenden Caroffe in nice geringe Vers wunderung gefeßt worden war) ſich um fie her verfams melte, und mehr in wenigen Augenbliden fragte, ald das arme Muͤtterchen bey aller Bereitwilligkeis und allem innern Drang zur Erzählung beantwors sen konnte.

Endlich Fam fie aber doch zu Athem und Worten, und gewiß; größer war jene Freude nicht, mit welder die Gefährten des Columbus bey der Rückkehr aus den neuen Welt ihre Entdeckungen durd halb Europa aus⸗

poſauntén, als diejenige, mit welcher jeßt das leicht⸗

gläubige Weibchen die Geſchichte diefes merkwürdigen Vormittags berplauderte. Da ward fein Woͤrtchen, Aane Miene der Gignora Mondragone vergeffen, und

ss. 121 ns

ihre ganze Rede ſchloß ſich mit der Ermahnung an ihre Schwiegertochter, einen fo glinftigen Wind. des Stüds ja nit zu verfäumen. '

Diefe Shkußermahnung, fo wie der guten Mutter vorherige Umſtändlichkeit, war kei— neöwegs ganz überflüffig; denn Bianca, obfchon nicht minder, als die übrigen Zuhörer, durch biefe- Erzaͤh⸗ lung überraſcht, blieb doch lange unſchlüſſig, was fie tbun follte. Die Nachſuchungen ihres Waters und de: ren Fortdauer, waren ihr gar wohl bekannt; fie hätte daher (don oft gewuͤnſcht, fih einen Freyheitsbrief vom Großherzoge erbitten zu können, ohne auf eine Gelegenpeit. hierzu hoffen zu dürfen. Jetzt zwar ſchien diefer gluͤckliche Augenblid vorhanden, und der Weg zum Fürften ihr eröffnet zu ſeyn. Aber der Gedanke: „Wie, wenn dieß Alles ein Fallſtrick, Mondragone ein Freund deines Vaters, und biefer vorgefchlagene Beſuch ein Mittel dich aufzufangen wäre?” flieg eden fo ſchnell und Eräftig in ihr empor. Die menſchliche Seele, von Natur geneigter ein großes Unglüd, als ein großes. Gluͤck zu glauben, gibt in dergleichen Faͤlen den Beforgriffen auch immer Wahre ſcheinlichkeit, und bie ſchwankende Bianca theilte daher Beydes, Hoffnung und Zweifel, ihrem Gemahl mit, auf deſſen Ausſpruch ſie ihre eigene Entſcheidung gzoͤnzlich ankommen ließ.

Jedoch bey ihm, deſſen herrſchende Leidenſchaft, gleich nach der Liebe, Eitelkeit war, überwog bie Boffnung den Argwohn bey Weitem. Er beftürmte feine Sattinn mit Zureden und Anrathen, und fie gehorchte ihm willig. Auch die Spanierinn hielt in. beyden Puncten getreulih Wort. Ihr Bedienter brachte Biau⸗

' oa 122 wm

ca eine anftändige Kleidung, und ibe Wagen hohlte Muster und Tochter zur beffimmten Stunde ab.

Die ganze Unterredung vom Anfange bis Ende hier aufzuzeichnen wäre zweckloſe Weitläuftigkelt. Man kann gar zu leicht von felbft ſich vorſtellen, womit diefe Zuſammenkunft begann.

Die ältere Bonaventuri trat herein mit ellentie- fen Verbeugungen , und mit einer ganzen Predigt: „Bie fehr fie fih ſchaͤme, überläftig zu feyn! Wie viel „überfchwängliche Gnade ihnen widerfahre! Wie. uns „entichloffen ihre Zochter geweſen fey, ob fie es au „wagen dürfe! Wie man gleihwohl fo hohen Befehl „nicht unbefolgt laſſen woßen” u. f. w.

Bianca hingegen ſprach in den erften einigen mi⸗ nuten nur ein Paar Worte. Schüchternheit und ein ge⸗ wiſſes Mißtrauen mahlte ſich in ihren Blicken. Die flammende Roͤthe ihrer Wangen, und ein leifes, nicht ganz unbemerkbares Zittern ihres Koͤrpers verriethen innere Bewegung. Dod war, was fie ſprach, nett im Ausdrucke, echt befcheiden im Vortrag. Ihr Ton, ihre Art fich zu halten ihre Verbeugung ſchon zeugs ten von vorhergegangener Bildung. Die Spanierinn,. als fie Bianca mit neugierigen Blicken muſterte, ges ftand ſich heimlich ſelbſt: ein ſchöͤneres Frauenzimmer habe ſie noch nie geſehen; ſchloß ſehr richtig aus dieſen Augen und dieſen wenigen Worten: daß ihr Umgang nicht mindern. Liebreiz als ihr Außeres haben dürfte, fand des Großherzogs Thorheit doch nun [hen ein wes nig verzeihlicher; Eonnte aber durchaus nicht Ergreifen: weber ihr, ſelbſt ald Kaufmannstochter, diefer wahrs haft feine Anıtand eigen geworden fey.

Nicht Hope Schmeicheley war es daher, als Don⸗

on 183 rom '

na Mondragone in Lobeserhebungen ihrer j jungen, neuen Freundinn, wie fie Bianca zu nennen geruhte ausbrach; und wenigftens für etwas redlicher, als fonft böfiſche Verſprechungen zu feyn pflegen, konnte ihre Rebe dann gelten, als fie zu allen niöglichen Sreundfchaftsdienften für die Zukunft fi erboth ! Auch widerftand die unbefangene Bianca fo lockenden Zuredbungen nit. Ihr Argwohn verflog, ihr Wer« trauen erwachte. So raſch, daß es die Dame nicht . hindern Eonnte, beugte fie fi nieder, drückte die Lippe auf ihre Hand, und rief:

Bianca. Hätte ih auch zehnfache Kraft deu menfchligen Zunge, da ich kaum mit einfacher begabt worden bin, fo würde ich dody die Empfindungen niche auszutrüden vermögen, die beym Anerbiethen Euer Ercellenz meine Seele durchſtrömen. Zu groß ift zwar diefe Güte; doch fie ganz ungenügt zu laſſen, Eönnte leihe für Verſchmähung oder Thorheit gelten. Auch weiß ich jegt nur einen einzigen Gall, wo ich von ihr | Gebrauch zu machen wünſche und flehe.

Mutter (für na.) Einen Einzigen? Sehr genüge fam, Gott verzeih'3 ihr! Ich wüßte wenigftend ein Dugend bülfsbedürftiger Fälle.

Sign. Mondr. Und warum fagen Sie ihn dann nicht gleich heraus, Tiebe Bianca? Ich bin zu jeder Ge⸗ währung Ihrer Bitten bereitwilliger, ald Sie ed zum Vortrag derfelben feyn Eönnen.

Bianca. Glücklich in der Liebe meines Gatten, glücklich in meiner hauslihen Lage, wo bisher uns wenigftens noch nie erwad zur Nothdurft gebrach, babe ih nur einen einigen Kummer, und biefen wünfchte ich unmittelbar in einer Bitiſchrift meinem

wn. 124 m Kürften vortragen zu dürfen. Ein ort, ein ein Gederfug von ihm machte mich dann zur Beneiber würdigften meines ganzen Geſchlechts.

Sign. Wirklich? Aber Ihre gute Mutt Hagte ja neulich auch über die Dürftigkeit ihres Ha fes, und fiber die unwürdigen Befhäftigungen, zut nen Sie ſich oft herablaſſen nrlhten. .

. Bianca (emasseiham) Das hätte meine Mu ter gethan?

Mutter. Ja wohl, liebe Tochter. Was f dieſes Verſtellen? Deine Zurückhaltung

Bianca (enfauend.) Iſt nicht Zurückhaltun wenigſtens nicht Heucheley. Der Reichthum der 3 friedenheit iſt freyfich oft nur ein eingebild ter Reichthum, aber dennod ber unfhäsbarf von allen. Mein jegiges Loos (Die Ei bed Gem⸗ Sffnet fi.)

Sign. Ha, mein Gemahl! Shen vom Sp zierritt zurück! Das freut mich; fürwahr, dab fee mid. |

Mondr. (im Heeintreten.) Vergebung meine D men, wenn ich ftören ſollte!

Sign. Nicht doch, liebſter Gemaht! Sie fon ten nie gewünſchter, nie gerufener Eommen; denn eben beturften wir Ahrer. Sehen Ste (indens fie i Bianca rorfen:) hier eıne ber fiebendwürdigften Per! nen meines Geſchlechts, ſammt ihrer würdigen Miu ter; Beyde zwar erft ganz seit Kurzem meine Freundi nen, aber auch dafür defto wärmer von mir geliebt.

Mondr. (tägeind.) Selbſt wenn Neuheit ni eine fo glinftige Empfehlung in Krauengunfi zu fe sflegte, würde ich doch gleich beym erften Blick a

wen 285 um

"pre Sreundinn den Vorzug, den Sie ihr geben, ge

muthmaßt und gebilligt haben. (Yu Biancd® mit einer höftihen Berbeugung,) Sch war fonft eitel genug zu glau⸗ ben, daß ich alles Reisende in Florenz kenne; bes fhämt ſehe ich, daß ich mich bis jest gewaltig irrte. Darf ih. Sie um. Shren Nahmen bitten, ſchönſte @ignorat | Bianca mis niedergefehfagenen Augen und Errdthen.) Martella Bonaventuri. on Mondr. Sch firitt geftern erft nit einem Eng⸗ länder; ob Welihland oder Brittannien die größten. weihlihen Schönheiten erzeuge ? Jeder von uns blieb, wie gewöhnlich, bey feiner Meinung. Wie unendlich bedaure ich nun, daß er fhon heute früh abgereifet ift! Ein Blid, sın Bild pon Ihnen entſchiede gewiß unfern Streit, und ic) würde Gieger fepn. Bianca. Euer Erzelenz,.meine Beſchäniung meine Selbſtkenntniß vergeben ie, wenn ich, fo ‚niedrig als ih bin, Sie doch ;u bitten wage, daß Ihr ſchmeichelhafter Spott meiner fchonen möge. Sign. Spott? Nein gewiß, meine liebe Frem⸗ de, mein Gemahl ſchmeichelt nicht, und fpottet noch ‚minder; er ſpricht nur wahr! Zehn Jahr friiher würde ich, fo ſebr ich Sie auch liebe, mich wohl gehüthet haben, ſeinen Beſuch in Ihrer Gegenwart anzu⸗ nehmen. U Mondr. Und ic bin viel zu wabhrheitsliebend, ald Ihrer Vorſicht nicht die Grünplichfeit einzuräumen. Aber Fremde fügten Sie, tiebe Gemahlinn? &ignora find alfo eine Fremde? Bianca. Eine Venetianerinn von Geburt, aber

won 126 um feit meiner Heirath Ihrer großherzoglichen Durchlaucht demüthigſte treuefte Unterthaninn. Sign. But, daß Sie mich daran erinnern & (Zum Gemahl.) Mein Befter, unfere Freundinn wünſcht dem Großberzog eine Bittfchrift überreichen zu dürfen. Ich habe ihr zur Unterftügung berfelben fhon alle meine geringen Kräfte zugefagt, und ich zweifle nicht, daß fie auch auf die Ihrigen wird rechnen Eännen. Mondr. DO gern, fehr gern! Man bat noch Eein Beyſpiel, Signora, daß die Grazien eine Zehlbitte

!

gethan hatten. Mein ganzer Wille und nrein ganzes

Vermögen ift Ihnen beyzuſtehen erböthig; und Das nicht bloß, weil. Sie es jo fehr verdienen, fondern

weil ih aud im Voraus überzeugt bin, (mir bedentendem

Btide) daß meinem gnabigiten Heren Ihr Anbringen nicht miffallen werde. Sagen Sie mir daher frey her⸗ aus, Signora, um was foll id Seine Durchlaucht in Ihrem Nahmen bitten?

Bianca (etwas verlegen.) Im was? Um was? Wahrlich diefe Frage, fo billig fie feyn mag (ſich faſſend.) Entfhuldigen Sie mich, edelfteer Mann, wenn ich, wiewohl mein Herz vom Gefühle Ihrer Huld überfließt, doch freymüthig zu bekennen wage: Mein Anliegen kann nur einzig Ihro Durchlaucht felbft, ohne Zeugen und aus meinem eigenen Munde, vers nehmen. &o gewiß mir Ihre Großmuth für die Lau⸗ terkeit Ihres Verfprechens gutfagt, fo it doch Dieß, was ich wünſche, das einzige Geheimniß, weldes ich felbit vor den enrfhiedeniten Zierden der Menſchheit, nur ver meinem Fürſten nicht, verfhweigen muß; und Alles, warum ich flede, iſt eine Audienz bey Weiner Durchlaucht.

won 127 mm

Mondr. Und Dieß alles foll Ihnen gewährt were den! &o- beleidigend ein ſolches Mißtrauen vieleicht in jedem andern Munde für mich feyn würde, fo foll doch keineswegs dadurch mein Eifer für Sie erkalten. uͤbermorgen um dieſe Zeit, aufs laängſte gerechnet, ha⸗ - ben Sie ficher ſchon Gehör gehabt, dafür ftehe-ich She . nen mit meinem Kopf und Leben. (Mit laͤqelnder ger beimnißvoiier Miene.) Und vielleicht wechſelt dann bie Ordnung des Bittens und Gewährens Eünfe - tighin unter ung Beyden ab.

. Bianca Uetreten.) Euer Ercellenz, dieſe dunkle Sprache

Mondr. Wird Ahnen bald licht werden, ſchöne Bonaventuri! (Nach der Uhr ſehend.) Aber jetzt rufen mich meine Geſchäfte. Nie vielleicht waren ſolche mir laͤſtiger; aber doch muß ich gehorchen. Leben Sie wohl! (Bene mit einer hoͤflichen Berbeugung ab.)

Bianca vie fid auf einen Augenblick niederfeht, und ihr Geſicht mit der hohlen Hand verdedt.) Ha! beynahe möchte ih Dieß alles nur für einen füßen Traum halten.

, Mutter (fie freundtih auf die Achfel Flopfend.) Nicht doch, liebe Tochter, nicht doh! wir wachen! Oder wenn Dieß bloß ein Luftgefpinnft feyn follte, guter Gott! dann wollte ih beine ganze liebe Wirklichkeit

dafür bingeben. Doch es wird Zeit, uns Em, Cr: cellenz wieder zu empfehlen.

Sign. Empfehlen? Weggehen, gute Mutter, werden Sie fagen wollen; weggehen, um bald wieder zu kommen. Sch liebe jene Umftande nicht, fo febr auch mein WBaterland fonit das Vaterland der Ceremo: nien zu ſeyn pflegt *). Aber ehe Sie Abſchied neh:

) Ich hoffe, man wird nicht vergeſſen haben, daß Mondraa gone fpanifcher Abkunft war.

en ARD 44

men, muß ih Ihnen doch noch einen Theil dieſes Pal⸗ laſtes, unſers Gartens und der verfchiebenen Kunſt⸗ werke in Beyden zeigen. Vielleicht, daß Ihnen Einiges davon gefällt.

Bianca, O daran zweifle ich nicht; nur

Sign. (einfaliend : mit angenommener Dienffertigfeit.) Ich verfiehe! Ihre gute Mutter wird bereits vom Alter ſchwach zu Zuße geworben feyn. Aber eben deß⸗ balb mollte ich fie bitten, unfer indeß bier zu ware ten. Es werten fogleich Erfrifhungen hergebracht wer« den. Kürzen Sie fi) mittlerweile, fo gut ald möglich, die Zeit damit!

Mutter. Nicht doch, Euer Excellenz! Dem Himmel fey Dank, noch

Sign. (einfaltend.) Nein, nein, Eeinen Zwang! Sn einem Viertelitündchen fehen wir und wieder. (Nnimmt hurtig Bianca und geht mit ihr ab.)

Es war natürlich, daß bey ſolchen Maßregeln die gute alte Bonaventuri, fo gern ihre Neugier Alles mit befehen hatte, zurücdbleiben mußte. Die fhlaue Spanierinn führte nun Bianca dur eine Menge Zimmer, immer Eines prächtiger ald dad Andere. Aber die Ruhmredigkeit der Dame felbit, und die beyrällige Bewunderung Bianca's wird man hoffentlidh wieder dem Erzähler fhenken. Genug, daß Bianca allerdings mande ſehr ſchöne Saucen ;u ſehen befam, und daß fie ſolche ſämmtlich mit Verſtand beurtheilte, unters fhied und lobte,

Sign. (na einem fangen Herummandern.) Ahr Bey⸗ fall fhmeichelt mir unendlih; denn bie Art, mit der

j &ie

—E

vvv 129 —XRX Sie ihn geben, bezeichnet die Kennerinn; und die

Anordnung in allen den Gemäcern, die wir zeither ſahen, war, ohne Eigenliebe gefprochen, von meiner

. eigenen Erfindung. Gleichwohl habe ich es gemacht, u

wie⸗es gewöhnlich nur die Dichter und Redner zu mas chen pflegen: ich Habe das Vorzüglichſte bis zuletzt aufgefpart. Alle Zimmer, die wir bisher durchſchlüpf⸗ sen, zufammengenommen, Foften kaum halb fo viel, als diefes einzige Cadinett. (Sie öffnet die Thür eines ſehr prachtizen Cabinetts. Diefed foll, wenn unfer einziger Sohn von Reifen zurückkehrt, und die Heirath mit einer naben Anverwandtinn unfers gnädigfien Herrn vollzieht, fein Schlafgemach werden. Auch verwahre ‘ich hier Aller, was mir Eoftbar und werth iſt. (Sie ers öffne einen ſehr ſchönen Schrant.) Sehen Cie bier diefe Aumelen! Ich glaube nit ruhmredig zu fpreden, wenn ich fage, daß vielleicht manche Fürſtinn Dieß nich aufzuweifen vermöchte.

Bianca So wie es gewiß auch mande Für:

flinn geben dürfte, die diefes Beſitzes minder würdig wäre!

Sign. Holde Schmeidlerinn! Aber verzies ben Sie einmahl hier ein Paar Augenblicke allein?! »Ich will Ihnen nur einige Kleidungsflücde von ganz neuer Erfindung hohlen, um zu fehen, welden Anzug Sie wohl für meine Bildung am vortheilhafteiten Hals ten. Vertreiben Sie ſich indeffen die lange Weile durch Auslefung eines Andenkens in diefem Schranke, Diejenige Zuwele, die Ihnen am .beften gefällt, ſey beitimmt, Sie an meine Freundfhaft zu erinnern. (Geht ſchnell ab.)

Bianca (die ihr einige Augendtide verwunderungeron

Meißners Bianca Cap. 1. Thl. | 3

. wen 130 mm”, aachgeſehen hat.) Sonderbar ! Was fol ich von dieſer außerordenilichen Herablaſſung, von diefer Überbäus fung mit Anerbietbungen, Schmeicheleyen und Wohle - thaten denken ?— Eine Dame aus der großen Welt, und diefes Betragen 8 Unerhöre! Uneigennügigkeit, Menfhenliebe und Freundſchaft, Eigenfchaften, bie man fo fhwer einzeln findet Tugenden, die fo fels ten den geringern Claſſen der Menſchen, und noch feltes ner den Großen und Mächtigen diefer Erde zu Theil - werden; fol ich nicht ſtaunen? fol ih eu trauen, » da ich euch jegt ‚im Pallaft eines Hoflingsd und einer Hofdame finde? (Keine Paufe.) Und doch! welchen Nutzen könnten fie jemahld von uns zu erfhleichen hof: fen? Von und? Von diefer auferften Armuth? (Mit einem Blick quf die Juwelen) Gute Signora! glaubft du vielleicht, daß der Anblick ähnlicher Koitbarkeiten mir fo ganz fremd fey? daß ich mit ihnen fpielen foll, wie ein ‚Kind mit einem noch nie gefehenen bunten Steinchen? Ad! es gab eine Zeit, wo (Aer Schmerz unterbricht fie eine Minute lang.) Auch das Haus der Gas pello hatte der Eoftbaren Gemählde, der reichen Tape— ten, der Prunfgefhirre und Juwelen (Sie fäpıt ers ſchroden zufammen, weit fie hinter fi ein Geräuſch hört.) Hu! wer (Indem fie ſich umfieht , fieht fie den Großherzog, der durch eine verborgene Seitenthür focben bereingetreten ift.) Gott! was ſehe ich?

Groß h. (mit verbindlichſtem Tone und Blid.) Eine, Perſon, die wenigſtens nicht die Abſicht hatte, Sie zu erſchrecken.

Bianca (beſtürzt halb wor fi.) Er iſt es! Er iſt es! Ha! nun erkenne ih, wo id bin (fig pn zu Füßen werfend.) Ew. Durchlaucht

7

wen 131 ned

Grob: (fie ſanft aufbeben wollen.) Stehen Si - auf! Ich bitte Sie.

Bianca (tegen Steisend.) Nein! Nicht eher, bis Sie mid ange hört, bis Sie mich erhört haben. Sch Tiege jegt zu den Füßen eines Zürften, ber über viele Zaufende herrſcht, den aber noch weit mehrere Zaufende lieben und ehren: O mein Fürft, gönnen Sie mir, auch mir, Ihrer demüthigften Selavinn, noch ferner dad Glück, meine Stimme mit bem allges meinen Chor zu Ihrem Lobe vereinen zu konnen! Diefe fhnelle Erſcheinung, der abgelegene einſame Ort, wo ich mich jegt befinde, die Umftände , die ellen Diefem ‚vorher gegangen find; die Einladung, die mich hierher gebracht hat, der Blick Ihres Auges o Prinz, id fürdte mich zu geflehen, was ich nach alle Dem be⸗ ſorge.

Großh. taͤcheind.) Und was beſorgen Sie!

Bianca. Was ih mih zu nennen fheue: was vielleicht ſchon Sünde iſt, es nur gedacht zu ha⸗ ben. (Mit geſlammelter Stimme.) Doch nein, nein! Ich beſorge nichts. Ein unglückliches Verhän niß raubte mir Stand, Vermögen, Sreundinnen, Altern, Bar terland , Alles, Alles! nur meine Ehre nit. Sie. allein ;und die nicht ganz unverdiente Liebe meines Gatten find mein jegiger Reichthum; aber auch ihn ver» tauſchte ih nicht um Zepter und Purpur. Vater Ihres Volks, Gnädigfter unter der Heinen Zahl, des nen Bott einen Thron, und, was nöd) feltener ift, ein Herz, diefes Thrones würbig, verliehen bat! Sie beſchwöre ich jegt bey diefem Ihren oberften Lehnsherrn, erhalten Sie mir jenen einzig übriggeblie= benen Schatz! Sorge für dad Glück ber Unterthanen,

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vorn 132 vo...

Wachſanikeit für die ſchwaäͤchere Unſchuld geböten ia unläugbar zu den Hauptoflichten eines Regenten. Was aber iſt ſchwaͤcher, als ein Weist Was iſt verletzba⸗ rer, als ihr guter Nabme? Großh. (indem er ne aufpebt.) Stehen Sie auf! Ohne Zurdt, edle Ihöne Frau, ſtehen ie auf, wenn ih anderd auf Ihre Bitte antworten ſoll! Nicht Shre Ehre zu beſtricken, vielmehr fie noch zu vere größeren, kam ich hierher; aber wäre ich auch gefoms. men, in welder Abjiht man immer wolle, fo würden, ſelbſt beym fhwärzeiten Entwurf, diefe Ihre Worte meine &eele durhdrungen, meinen Willen gelenkt ha— ben. (Bianca bey der Hand ergreifend, die immer unruhig nach der Thür Hindlidt, und fih wendet.) Ruhig, Signora, ruhig! Trocknen Sie dieſe Thraͤnen! Jede, aus fo fchd« nen Augen vergoifen, würde mih noch auf dem Todbetie drüden. Ih habe Ihnen ja mein fürftlihes Wort ges geben, und ich hoffe, diefe Bürgichaft ift noch unbe⸗ fholten und fider. | Bianca. O! fo fiher, wie die Worte einer himmliſchen Erfheinung. Aber die Tugend einer Bat tinn muß nicht Schuld allein, fie muß auch felbit den Argmwohn zu vermeiden ſuchen. Criauben Sie mir daher Großh. (ibr den Weg vertictend.) Nein, Signora,

verziehen Sie noch einen Augenblick! Allerdings nice ein bloßes Ungefähr, fondern eine Abſicht nur Feine fo gefährlihe, wie Sie argwohnen bringt mic) hierher. Sch erfuhr von Mondragone: daß eine derteis zendften Slorentinerinnen ſich unverfhulber in Noth und Dürftigkeit befinde. Seine Echilderung weckte meine Neugierde und mein Mitleid zugleich. Sch wollte

133 and

felbſt hören, felbit fehen; und ich base nun genug ge⸗ fehen, genug gehört, um in Ihnen die Zauberinn | wieder zu finden, die mich neulich ſchon faſt vom Roß herabgeworfen hätte, und der id mich jegt zu ihrem eifrigften Befchüger für nun und immer anbiethe. (gäweind.) Sie wiffen, ih vermag etwas in Slorenz. Es kommt bloß auf Sie an, Fünftig Gebrauch von dies Tem Etwas zu maden. Sie Eönnen gewiß feyn, daß mein Betragen gegen Sie an Huld und Anftand ſich ſtets gleich verbleiben wird; nur eine einzige Bedingung verbinde ich damit; die, daß Sie mir die Erlaubniß geben Sie zu lieben. | Bianca (urückweichend.) Mich lie ben! Trügen mich meine Sinne, oder vergeſſen Eure Durchlaucht, mit wem Sie ſprechen, und wer Sie ſind? Ein Fürſt, entſproſſen aus dem edelſten Blute, vermählt mit einer Kaiſerstochter! Und ich, ich, vielleicht die Dürftigfte in Ihrem ganzen Gebietbe! Selbſt diefe geringen Kleider find erborgt; find noch viel zu Foftdar für meine Armuth und Erniedrigung. Großh. Was thut Stand zur Liebe? Sit fie nicht die einzige Leidenſchaft, die, erhaben über allen thoͤrichten Rangſtreit, nur auf den Werth des ge fundenen Schatzes ſieht, und den Ort nicht achtet, wo ſie denſelben fand? Gleicht ſie nicht auch darin dem Weſen aller Weſen, daß vor ihrem Thron der Edle und der Bauer, der König und der Sclave, gleichviel gelten? Aber weg mit allen Spitzündig— keiten, allen Bildern! Wozu ward mir Überfluß, als ihn da zu nügen, wo fih unverdienter Man- gel finden? Ein einziges gewährendes Wort von Ihr nen, fehönftes Weibchen, ‚und ich will dieſe ganze Are

—W 154 won

muth, diefe ganze vorgebliche Niedrigkeit in Glanz und Reihthum verwandeln. Grafen follen den Saum Ibres Kleides küſſen; was Kunfl, was Pracht und Fleiß vermögen, fol zu Ihren Füßen liegen; Gold und Juwelen

Bianca (einkallend. Gott! Gott! Welche Spras - che muß ich hören! Daran nur gebrachs noch, um den Becher meines Leidens voll zu maden. Nein, Eure Durchlaucht, auf alle diefe Anerbierhungen habe ich Eeine Antwort. Soon der Eleinfte Lan würde Vers brechen, w ürde Verletzung meiner ebelichen Pflichten ſeyn. Und Erwiederung dieſer Geſinnungen? Nein, Monarch! So mächtig Sie auch find, fo viel gebricht Ibnen doch noch zu dieſer Allmacht! Nicht dieſe reiche Stadt, nicht dieſes Land, ſelbſt gan; Eu⸗ ropa nicht, kann mein Gewiſſen ſchweigend machen, kann meine Pflicht beitenen. Ach habe einen Ges mabl; bab’ ihn felbft gemählt; fhwur ihm Treue les benslang, und halte ihm diefeloe. Sein Herz iſt mein ganzer Reichthum. Was ihm das Meinige iſt, weiß ih zıvar minder gewiß; aber nie werde ich dasfelbe zwi⸗ fhen ihm und einem Andern theilen. Selbſt Sie, mein Fuürſt -- felbit Sie ind zwar der fhönitte Mann

Großh. Scmeicheleyen, Eignora!

Vianca. Schon meine jetzige Lage verbiethet fie, Und ſtarker noch mein Herz; aber was .ich ſagte, iſt Wahrheit, und ich wiederhohle es. Selbſt Sie, mein Furſt, ſind zwar der ſchoͤnſte Mann, den ich je⸗ mahls ſah: die Liebe unſers ganzen Gefchlechts könnte, auch obne Thron, Ihnen nicht entſtehen; aber eher regne es Flammen vom Himmel auf mein Haupt her⸗ eb; eher werde das Schickſal finnrei in Erfindung

woran 55 FRE

nener unerbörter Qualen gegen mich, ehe ich sich das fhimmerndfte Glück auf Koften meines Gatten era faufe !

Großh. und dennoch werden Sie mich an Fort⸗ ſetzung meiner Liebe nicht hindern können Wenn wahre Liebe ſich auf Verehrung der Tugenden iM dem gelietten Gegenitande gründet, wo foll ich dann flärs tern Grund zu diefer mächtigen Neigung‘ finden, als bey Ihnen? Was hätte dann glühender meine Zärts - lichkeit anfachen fonnen , ald unfer heutiges Geſpraͤch! Die Folge ſoll mich rechtfertigen , ob ich auf Koſten Ihres Gatten mih um Zhr Herz beitrebe; fie foll be- weiſen, wie aufrichtig der Antheil fey, den id an Ihr rem Glück und Shrer Rube nehme. Vielleicht, daß aud Sie dann, wenn Ihr Wahn verjchloindet, ein günftigeres Urtheilüber mich fprechen ! Leben Sie wohl, und verzeihen Ste mir, ich bitte nochmahls darum, diefe Überrafhung ! Daß fie Ihnen nicht Furcht, , niche Schmerzen bringen follte, brauche ich nicht erft zu far gen..Man macht ja Derjenigen nicht gern den Beinften Kummer, mit der man gern Alles‘, was man nur kefigt, und wäre es auch felbft das Leben, theilen möchte. (Seht mit einer vöflichen Verbeugung ab.)

Bianca. callein) Ha! daß meine Sinne dieß Mahl treuer, als ich felbft vermuthete, mit ihrem Bes wußtſeyn mir blieben! daß ich nicht in Todesohnmacht hinſank, als das Räthſel mit geföfet ward, dafür, ba= für empfünge meinen Dank, Mutter des göttlichen Sohnes!'— (kleine Paufe.) Dieß ,. Dieß alfo der Grund von jener mir unerklärbaren Freundſchaft? Dieb das Geheimnis , auf welches jene dunkeln Worte des fürſtlichen Kupplers vom Abwechſeln im Bitten

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PAY YYN ı 56 essie

und Bewähren zielten! Gich niederwertend auf& _ Rnie, mit gefalteten Händen.) Ewige Vorſicht! wäre es wohl möglich , dag du haſſeteſt, wie Menſchen halfen ? Und menn ed wäre, was that id Krmfte dir, daß dich der Gegenitand‘ deines Haſſes ward ? (Huffpringend.) O, ich fühle fie.nun, armer, beleidigter Water, ich fühle fie nun, die Folgen jenes ſihrecklichen Fluches, den du wahrſcheinlich deinem entlaufenen Kinde nach⸗ ſandteſt! Aber wenn tu wüftelt, wie unmillkürlich ich fiel; wußtelt, wie tief ich jest büße; du widerrier feit diefen gerechten und nur allzu erhörten Fluch. (finige Augendlicke nachdenkend.) Eine fürchterlihe Verfur Hung ! (Mit Enktſchloſſenbeit. Aber nein, nein! Eheliche Zreuefey mir heilig! beiliger, ald ed die Kindespfliche war Bor der Liebe ſchweigt fo gern jede andere Empfindung ; vor dem Ehrgeiz, vorber Eitelfeit foll die Tugend nicht fhweigen. Capello's Tochter Eonnte die Oattinu eines armen Sünglingd werden ; aber tie Bepfchlaferiun eines Fürſten wird fie nie! Er kaufe ſich Dirnen zu biefer ſchimmernden Schmach, in deren Adern Eein fo edles Blut als in den meinigen | fhlagt! (Sie Hört ein Geräuſch.) Ha! wer kommt "wenn er wieder Nein, fie iſt's! Sie, die Elende, zu alt für die Sünde felbft: aber nit zu alt, fremde Sünden zu fördern. (Signora Mondragone tritt herein.) Sign. Mondr- Ich bitte um Entfhultigung, liebes Weibchen, wenn id) vielleicht ein wenig zu fange Aber was fehle Ihnen denn? Sie find fo bloß, fo beftürze. Eind Cie etwa krank? Bianca. (mit Falten fpöttifhen Tone) O nicht doch! Ein wenig betreten nur. Freylich kin ich noch fe

N 197 . wen wenig daran gewoͤhnt mit regierenden Aduptern zu - fpreben, dag

Sign. Mondr. Gerwunderungsvell einfallend.) Miet Was ſagen Sie? Sind’ Shro Durdlaudt au in diefem Zimmer gewefen?

- Bianca. (mit immer ſichtlicherem Unwillen.) E3 gibt Fragen, Signora, auf welche man die Antwort vor: UL ber fhon weiß, che man nod fragt.

Sign. Mondr. (im unbefangen feinenden Tone.) Wenigſtens, wenn es gefheben ſeyn follte, dürfte e6 Sie nicht befremden. Sm Umgange mit meinem Ger. mahl mehr Freund als Regent, befannı mit jedem MWinfel unferd ganzen Gebaudes r pflegt Großherzog Kranz uns hier oft ohne die geringfte Vegleitung zu. befuchen; bat mid und meine Gefellfhafterinnen in dieſem nähmlichen Cabinett ſchon oft auf das unvermus thefte überraſcht. Eine Gewohnheit, von der ih Sie aber freylich wohl hatte unterrichten follen!

Bianca. (wie vorhin.) Freylich wohl! denn erra⸗ then läßt fie ſich kaum, und mir kam fie aͤußerſt uner⸗ wartet.

Sign. Mondr. Sande; was thut auch uͤber⸗ vafchung feiner Seits, und ein wenig Schüchternheit auf der Ihrigen bey einem Herren, der fo gan, mit ollen Denen, die ihm aufitoßen, als ein Menſchen⸗ freund als Gleicher mit Gleichen umzugehen pflegt! Haben Sie die Zeit genügt, ihm Ihr Anliegen vor⸗ zutragen?

Bianca. Nein, gewiß nicht.

Sign. Mondr. Das iſt Schade! die Gelegen⸗ heit war ſo günſtig. Indeß ſteht es auch nur bey Ih⸗ nen, wenn er Zie wieder ſehen, wieder anhören ſoll

ww 138

(Keine Pauſe, worin fie ihre Verlegenheit zu verbergen tuyi.) Kam er denn gleich darauf her, als ih Sie al⸗

lein gelaſſen hatte? Bianca. Sogleich darauf, als waͤre es abge⸗ redet worden; kaum zwey Minuten ſpaͤter!

Sign. Mondr. Und hatten Sie vielleicht dieſe zwey Minuten vorher dazu angewendet, ſich hier ei⸗

ne Juwele auszuſuchen? (Indem fie folche wieder zun⸗ Schranke hinführen will.)

Bianca. (ſich mit verädtlidem Blide loswindend.) Was ſollte ich mir hier wählen? Was nur mir wün⸗ ſchen? In dieſem ganzen Zimmer fehe ih nun nichts, was mir nicht unecht und trügerifh vortame. IK emviehle mid Ihnen, Signora; denn es ift Zeit, daß ih meine Mutter wieder auffuce. -

Sign. Mondr Ihre Mutter! Ab! fo eben wollte ih es Ihnen fagen, daß fie nicht länger unten verziehen wollte, und daß ich ihr daher meine Caroſſe bereitd gegeben habe.

Bianca, Vortrefflih! Pflegen Sie Die oft im

ähnlihen Fallen zu thin ? Hofften Sie, dab ih länger.

noch in diefem niedlichen Cabinett Seiner Durchlaucht Geſellſchaft Leiten würde? Aber leben Sie wohl! Ich finde hoffentlich auch zu Fuße den Weg nad unfes ver Wohnung.

Sign. Mondr. So verziehen Sie bob nur

noch ein wenig! In ein Paar Minuten ift ja mein ans derer Wagen angefpannt.

Bianca. Den vielleihs Ihro Durchlaucht auf feinem Heimwege brauchen dürfte. Vergeben Sie mir, wenn ih gebe. Die Hochachtung, mit ber ih Eam, war ohne Maß: wie diejenige Empfindung

vena 159 w.

iſt, mit welcher ich ſcheide, bedarf nicht erft gefagt zu

werden. (ab.)

Sign. Monde. Gahaha! das wahre leibbaf⸗ tige Bürgerweib! Noch fo züchtig und tugendhaft, als wenn fie das erſte Mahl am Beichtſtuhle kniete! Aber Geduld nur! Diefe Tugend wird bald ſich fügen, wie das Gold in ber Münze, das, in der Gluth ge⸗ ſchmolzen, dann jeglihen Stämpel annimmt. Zwar, daß fie einem Fürſten, "und zumahl einem fo liebrei- genden Mann, den erften Sturm abfhlug Das kann fhon fur ein mertwürdiges Abenteuer gelten. Doch wenn fie beharrte auf diefem Trog, auf diefer elenden, unerfprießlichen Tugend wahrlich, das wäre felhft für ein Wunder zu fabelhaft! Dann wollte ich eher glauben, daß einft die Eonne ſtille ſtand, um zehn⸗ oder zwanzigtaufend Menſchen mehr abgeſchlachtet zu erblicken. (ah.)

Bianca, als ſie nach Hauſe kam, fand ihre Mut⸗ ter wieder in der lobpreiſendſten Erzählung von allen ben himmliſchen Dingen, die fie gefehen und genoffen hätten. Bonaventuri zwar fragte beforgt: Warum feine Gattinn nit mit zurück Eomme 8. aber die Verficherung : daß fie bald nachfolgen würde; daß fienur noch erit mit der Dame vom Haufe alle möglihen Schönheiten dies ſes unglaublidy Eoftbaren Pallaſtes bzfehen wolle, und daß Jene fie felbft in ihrem Wagen hierher zu beglei⸗ ten verfprochen habe, beruhigte ihn, wenigfiend zum Scheine wieder; und indem fie noch darüber ſprachen, trat ſchon Bianca ſelbſt zur Thür hinein.

140 —X

Bonav. Nun, meine Liebe?

Vater, Mutter |

(ine enrgegeneitend. )

Bonav. (ipe zärtlich um den Held ſallend) Wie ging's indeß meine Liebe ?

Mutter Haſt du noch feitdem u viel Neues ger feben ? Bianca, (feufzend.) Mehr, als ih dachte!

‚Mutter. Wirklich? Ei! Ei!

Bianca. (ipren Gatten umarmend,) O mein Lieber ! o mein Theurer! Florenz ift nicht der Ort, wo un« fere Verbindung gedeihen, unfere Ruhe gefichert blei« ben Eann! Tief tief wird zwar did und mid die Trennung von fo gütigen Altern fhmerzen. Dod ein furdtbares Wetter fteigt, über und empor. Laß ung fliehen, bald fliehen, weil ein längerer Verzug uns Beyden gefährlih, wo nicht tödtlich werben könnte!

Bonav. (erxſchroden) Wie? was? Bianca! Verr ſtehe ih dich? Was ift dir begegnet?

Bianca. ZH base ihn beſchen; ich babe ihn geſprochen!

Mutter. Je wen denn? wen denn?

Bianca. Den Großherzog.

Alle. Den Großherzog!

Bonav. Ha! und er hat beine Bitte um einen Srepheitsbrief dir abgefhlagen? (Bianca ſchlingt fi ſchluchzend um ihn.) Nicht wahr? Du fhweigft! du bejabft dur dein Schweigen ?

Mutter. (die Hände zufammenfhlagend.) Lieber, beiliger Gott ! Wer hätte fih nun wieder, nad fo - fhöner Hoffnung, den Querſtrich vermuthen follen $

Nun, meine Tochter ?

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Bonav. (fe aufrihtend, ihre thränenden Augen küf: fend.) Bianca, meine Liebe, rede! Warum fol ich nit auch hören, was du hören mußteft? Warum ‚nit auch Dieß dir tragen helfen, die du mit mir fo viel tragt? Du ſchweigſt ımmer noch! Diefer fiumme Gram foltert mich zweyfach; rede! - |

Bianca. (chtuchzend.) Das kann ich nicht! Das nügt dir nicht! Genug, um unfere Eiherbeit, um das Glück unfere Liebe gu friften, müſſen wir fliehen.

=

. Sieriß ſich hier loß, eilte in ihre Kammer ‚und warf fi mit abgemandtem Antlıg auf ihr Luger. Bo⸗ naventuri, der ihr nadhfolgte, drang mit vielfältigen Sragen vergebens in fie. Aus Furcht vor feiner hefti— gen Gemürhaart, ja vieleicht ſelbſt dor ſeinem Arg⸗ wohn denn die Zeit, während welcher fie ſich allein in Mondragone’s Pallajt befunden batte, Eonnte, in den Augen der Eiferſucht, allerdings Schon für eine be= trächtliche Zeit gelten hatte fie auf Dem Heimwege fih feft vorgenommen , ihn und allen Übrigen den Kir: Bes:Antrag des Fürſten zu verſchweigen, und hielt ihren Vorſatz. Nur, daß in Florenz Ihnen Gefahr drohe; Dieß wiederhohlte ſie mehrmahls, und Bona— venturi hegte daher auch keine weitere Vermuthung: als daß ſie um den oft erwähnten Sicherheitsbrief gebethen und eine verweigernde Antwort erhalten ba: ben werde. |

Durch Zröftungen mander Art bald von tee Möglichkeit hergenommen, ihren Verfolgern doch zu entgehen, bald von feiner Bereitwilligkeit , noch more gen mit ihr Florenz zu verlaſſen, bald von dem Hel⸗

sn 142 wien

denmuthe, mit welchem echte Liebe ja felbft dem T troge ſuchte er fie aufzuheitern; und eben, n Verlauf einer guten Stunde hoffte er, daß es i gelingen würde, eben fingen ihre Thränen nachzu fen an , als feine Mutter haſtig in das Gemad | einftürzte, und mit einem Mitteltone von Angfl ı Verwunderung ausrizf:

„Pietro, ums Himmels willen, komm bin aberaus! Im Zimmer draußen ift eın fremder, „ßerſt fein gefleiderer Herr! Er behauptet, daß er: „Seiner Durchlaucht hergefhicft worden wäre, ı „nothwendig mit dir felbft fprechen müßte,”

Bianca fuhr erfhroden auf: Pietro fiut Sprachlos fahen fie einige Augenblicke ſich wechfel tig an; dann waren fie Beyde der Meinung: bi . großberzoglihe Auftrag werde ein Werbhaftsbel feyn. Gern hätte Bianca zur Flucht gerathen; dd fie verboth füch in Ddiefer Kammer, die nirgends nen Ausweg hatte, von felbit. Mit Zittern gin. entlih Mutter, Sohn und Echwiegertochter bine Aber mit noch weit größerm Eritaunen hoͤrten fit ı dem Höflıng, der ein Kammerjunker des Großl zogs war, folgende Erklärung:

„Signor Pietro Vonaventuri, unſer gnadig „Herr, der Großherzog Franz, hat von Ihrer Geſch „lichkeit, von ihrem Arbeitseifer und von ihrer Ker „niß verfdhiedener neuern Sprachen, fo viel Gu „und Rühmliches vernommen, daß er, ohnedem «< „merkfam auf jedes Zafent in feinen Staaten, es „billig achtet, fo mannıgfache Verdienſte nicht ur „nügs verroften zu laſſen. Er bedarf eines Seeret

we 143 —RR | „gut Korreipondenz mit dem franzöfifchen Hofe, und „has Sie dazu ernannt.”

Bonav. (verwunderungsvoll einige Sqrritte zurücktre⸗ tend). Wie? der Großherzog? Mich?

Hoftarglie⸗ r. Sa, Signor! Fuͤnf hbundert Zechinen ſind Ihnen einſtweilen zur Beſoldung ausge⸗ ſetzt; und ich hoffe, daß Sie dieſe außerordentliche Gnade, die wahrſcheinlich nur die Vorlaͤuferinn von baldigen weit größern Ebrenſtellen iſt, gehörig zu ſchaͤ⸗ tzen wiſſen werden.

Bianca. (heimlich.) Pa, der ſchlaue Wonäftling! Sch fehe ihn Eommen; aber bey meinem Leben, er ſoll ſich trügen!

Bonav. Urtheilen Sie von meiner Empfindung nad) der Miene meines Erftaunend, nah dem Unver⸗ mögen, meinen Dank herauszuſtammeln!

Hofc. Eben deßwegen gibt Ihnen unſer guͤtige Fürſt eine Stunde Zeit, um ſich zu faſſen und anzu— kleiden; dann aber verlangt er Ihren mündli⸗— hen Dant. Leben Sie wohl! Vergeſſen Sie, wenn id bitten darf, aud im künftigen Glücke nie, daß ich der Überbringer diefer guten Bothſchaft, und ohne mid zu rühmen auch in verſchiedenen Punc⸗ ten Ihr Vorfprecher bey Seiner Durchlaucht gewefen bin. (Gehe mit einer tiefen Verbeugung ab.)

Bianca (bey Leite, Er hat feine Bothen gut zu wählen gewußt; fie gleihen ihm! Der Niederträd: tige! der uns wahrſcheinlich nie mit einem Auge ſab, erft heute nnfern Nahmen hörte, und dod jetzt den- Schutzpatron fpielen will! Wollte Gott, daß ich einen andern Vorſprecher nicht allzu gut nür ertiethe!

WE 5 n j 3 cos 156 ertie

und Gew ähren ‚zielten Sich niederwerfend auf's | Rnie, mit gefatteten Händen.) Ewige Vorſicht! wäre es wohl möglich , daß du hafleteft, wie Menfchen haffen ? Und menn es wäre, was that ich Armfte dir, daß dich der Gegenitand deines Haſſes ward T (Huffpringend.) O, ich fühle fie.nun, armer, beleidigter Vater, ih fühle fie nun, bie Folgen jenes ſchrecklichen Fluches, den du wahrfiheinlich deinem entlaufenen Kinde nach⸗ ſandteſt! Aber wenn du wüßteſt, wie unwillkürlich ich fiel; wüßteſt, wie tief ih jest büße; du widerries feit dDiefen gerechten und nur allzu erbörten Fluch. (iFinige Augendlide nahdentend.) Eine fürchterlihe Verfur bung! (mit Enktſchloſſenbeit. Aber nein, nein! Eheliche Treue fey mir heilig! heiliger, als ed tie Kindespflicht war!˖ Bor der Liebe fohmeigt fo gern jede andere Empfindung ; vor dem Ehrgeiz, vorber Eitelkeit fol die Tugend nicht fhweigen. Capello's Tochter Fonnte die Gattinu eines armen SJünglingd werben ; aber tie Bepfchlaferinn eines Fürſten wird fie nie! Er Eaufe ſich Dirnen zu dieſer ſchimmernden Schmad, in deren Adern kein ſo edles Blut als in den meinigen ſchlägt! (Sie Hört ein Gerauſch.) Ha! wer kommt "wenn er wieder Dein, fie iſt's! @ie, die Elende, zu alt für die Sünde feldft: aber nicht zu alt, fremde Sünden zu fördern. (Signora Mondragone tritt herein.) Sign. Mondr- Ich bitte um Entfhultigung, liebes Weibchen, wenn ich vielleicht ein wenig zu fange Aber was fehlt Ihnen denn? Kie find fo bloß, fo beſtürzt. Eind Eie etwa Frank I Bianca. (mit kraltem fpöttifhen Tone.) O nicht doch! Ein wenig berreten nur. Freylich kin ich noch fe

vun 197 . wen wenig daran gewöhnt mit regierenden Häͤuptern zu ſprechen, daß

Sign. Mondr. Gerwunderungsdoll einfallend.) Wie? Was ſagen Sie! Sind Ihro Durchlaucht auch in dieſem Zimmer gewefſen?

Bianca. (mit immer ſichtlicherem Unwillen) Ed gibb Fragen, Signora, auf welche man die Antwort vor | ber ſchon weiß, che man noch fragt.

Sign. Mondr. (im unbefangen ſcheinenden Tone.) MWenigitens, wenn es gefhehen feyn follte, dürfte e6 Sie nicht befreimden. Im Umgange mit meinem Ger. mahl mehr Sreund ald Regent, bekannt mit jedem Winkel unfers ganzen Gebäudes, pflegte Großherzog Franz uns bier oft ohne bie geringfte Begleitung zu. befuchen; bat mich und meine Geſellſchafterinnen in diefem nähmlichen Cabinett ſchon oft auf das unvermu⸗ theſte überrafht. Eine Gewohnheit, von ter ich Sie aber freylich wohl hätte unterrichten follen !

Bianca. (wie vorhin.) Freylich wohl! denn erra⸗ then läßt fie ſich kaum, und mir kam fie aͤußerſt uner⸗ wartet.

Sign. Mondr. Indeß, was thut auch Über⸗ raſchung ſeiner Seits, und ein wenig Schüchternheit auf der Ihrigen bey einem Herrn, der ſo ganz mit allen Denen, die ihm aufſtoßen, als ein Menſchen⸗ freund , als Gleicher mit Gleichen umzugehen pflegt! Haben Sie die Zeit genügt, ihm Ihr Anliegen vor⸗ zutragen?

Bianca. Nein, gewiß nicht.

Sign. Mondr. Das iſt Schade! die Gelegen⸗ heit war fo günſtig. Indeß ſteht es auch nur bey Ih⸗ nen, wenn er Sie wieder ſehen, wieder anhören ſoll

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(Reine Yaufe, worin fie ihre Verlegenheit zu verbergen Tui.) Kam er denn gleich darauf her, als ich Sie ale

lein gelaffen hatte! ' Bianca. Sogleich daranf, ald wäre es abge⸗ redet worden; Eaum zwey Minuten ſpaͤter!

Sign. Mm ondr. Und hatten Sie vielleicht biefe zwey Minuten vorher dazu angewendet, fi bier ein‘ ne Juwele auszufuchen ? (Indem fie folde wieder zum Schranke hinführen will.)

Bianca. (ib mit verächttichem Btide toswindend.y Was follte ih mir hier wählen? Was nur mirwüns ſchen? In diefem ganzen Zimmer fehe ih nun nichts, was mir nicht unecht und trügerifh vorkame. I empfehle mich Ihnen, Signora ; denn e$ ift Zeit, daß ih meine Mutter wieder aufſuche.“

Sign. Mondr. Ihre Mutter! Ab! fo eben wollte ih es Ihnen fagen, daß fie niche länger unten verziehen wollte, und daß ich ihr daher meine Caroſſe bereits gegeben habe.

Bianca. Vortrefflih! Pflegen Sie Dieß oft in ähnlichen Fallen zuthun ? Hofften Sie, dab ih länger. noch in diefem niedlichen Eabinett Seiner Durchlaucht Geſellſchaft Leiten würdet Aber leben Sie wohl! Ich finde hoffentlich au zu Fuße den Weg nad unſe⸗ ver Wohnung.

Dign. Mondr. So verziehen Sie doch nur noch ein wenig! In ein Paar Minuten ift ja mein ans derer Wagen angefpannt.

Bianca. Den vielleihs Ihro Durdlaudt auf feinem Heimwege brauden dürfte. ergeben Sie mir, wenn ih gebe. Die Hochachtung, mit ber ich Eam, war ohne Maß: wie diejenige Empfindung

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At, mit welcher ich ſcheide, bedarf nicht erſt geſagt zu

werden. (Gab.)

Sign. Mondr. Gahaha! das wahre leibbof⸗ |

tige Bürgerweib ! Noch fo züchtig und tugendhaft, als wenn fie das erite Mahl am Beichtſtuhle Eniete ! Aber Geduld nur! Diefe Tugend wird bald fi fügen, wie das Gold in der Münze, das, in der Gluth ges ſchmolzen, dann jegliden Stämpel annimmt. Zwar, daß fie einem Fürſten, “und zumahl einem fo liebrei- genden Mann, den erftien Sturm abſchlug Das fann fbon fur ein merkwürdige Abenteuer gelten. Dod wenn fie beharrte auf diefem Trog, auf diefer elenden,

unerfprießlichen Tugend wahrlich, das wäre felbft

für ein Wunder zu fabelhaft! Dann wöllte ich eher glauben, daß einft die Sonne ftifte ſtand, um zehn⸗ oder zwanzigtauſend Menſchen mehr abgeſchlachtet zu erblicken. (a$.)

Bianca, als ſie nach Hauſe kam, fand ihre Mut⸗ ter wieder in der lobpreiſendſten Erzaͤhlung von allen den himmliſchen Dingen, die ſie geſehen und genoſſen hätten. Bonaventuri zwar fragte beſorgt: Warum ſeine Gattinn nicht mit zurück komme? aber die Verſicherung: daß ſie bald nachfolgen würde; daß ſie nur noch erſt mit der Dame vom Haufe alle möglichen Schönheiten dies fes unglaublich Eoftbaren Pallaftes bzfehen wolle; und daß Jene fie felbft in ihrem Wagen hierher zu hegleis

ten verfprochen habe, beruhigte ihn, wenigfiend zum

Scheine wieder; und indem fie noch darüber ſprachen, trat fhon Bianca felbft zur Thür hinein.

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Bonav. _ Nun, meine Liebe? Barer, Mutter | Nun, meine Toter?

(ihr entgegeneitend.)

Bonav. (ir zärtlich um den Held Feld) V ging's indeß meine Liebe ?

Mutter. Haft bu noch feitdem viel Neuep ; fehen ?

Bianca, (feufiend.) Mehr, als ich dachte:

‚Mutter. Wirklich? Ei! Ei!

Bi ianca. (ipren Gatten umarmend.) O mein Lieb o mein Theurer! Florenz iſt nicht der Ort, won ſere Verbindung gedeihen , unfere Nube gefichert bi ben Eann! Tief tief wird zwar did und mid Trennung von fo gütigen Altern fhmerzen. Doch furdtbares Wetter fteigt, über und empor. Laß ı fliehen, bald fliehen, weil ein längerer Verzug u Beyden gefährlich wo nicht toͤdtlich werden könn

Bonav. (eſchroden) Miet was? Bianca! V ſtehe ich dich? Was iſt dir begegnet?

Bianca. Sh habe ihn sehen; ich babe gefproden !

Mutter. Se wen benn? wen denn?

Bianca. Den Großherzog.

Alle. Den Großherzog!

Bonav. Ha! und er hat deine Bitte um ein ‚Srepheitsbrief dir abgefhlagen? (Bianca ſchlingt ſchluchzend num ihn.) Nicht wahr?! Du ſchweigſt? bejahft durch dein Schweigen?

Mutter. (die Hände aufammenfhiagend.) Lieb beifiger Gott ! Wer hätte fi nun wieder, nad fhöner Hoffnung, den Querjtrih vermuthen fol

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Bonav. (fle aufrichtend, ihre thränenden Augen küſe fend.) Bianca, meine Liebe, rede! Warum ſoll ich nit auch hören, was du bören mußteft? Warum nicht aud Dieß dir tragen helfen, bie du mit mir fo viel tragt? Du ſchweigſt ımmer noch! Diefer fiumme Gram foltert mich zweyfach; rede! -

Bianca. (ſchtuchzend. Das kann ich nicht! Das nüßt dir nit! Genug, um unſere Sicherheit, um das Glück unfere Liebe gu friften, müſſen wir fliehen.

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Sice riß ſich hier loß, eilte in ihre Kammer, und warf ſich mit abgewandtem Antlitz auf ihr Lager. Bo⸗ naventuri, der ihr nachfolgte, drang mit vielfältigen Fragen vergebens in fie. Aus Furcht vor feiner hefti— gen Gemurhaart, ja vieleicht ſelbſt vor ſeinem Arg⸗ wohn denn die Zeit, während welcher fie ſich allein in Mondragone’s Pallaſt befunden batte, konnte, in den Augen der Eiferſucht, allerdings ſchon für eine be— trähtlihe Zeit gelten hatte fie auf dem Heimwege fi feft vorgenommen, ihm und allen Übrigen den Lie⸗ Bes:Antrag des Fürſten zu verfihweigen, und bielt ‚ihren Vorfag. Nur, daß in Florenz Ihnen Gefahr drohe; Dieß wiederhohlte fie mehrmahls,, und Bona— venturi hegte daher auch Feine weitere Vermuthung: ald daß jie um den oft erwähnten Sicherheitsbrief gebethen und eine verweigernde Antwort erhalten ba= ben werte. |

Durd Zroftungen mander Art bald von tee Möglichkeit hergenommen, ihren Verfolgern doc zu entgehen, bald von feiner Bereitwilligkeit , noch more gen mis ihr Florenz zu veilajfen, bald von dem Hel⸗

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denmuthe, mit welchem echte Fiebe ja felbft dem Tode trotze ſuchte er fie aufzuheitern; und eben, nad . Verlauf einer guten Etunde hoffte er, daß es ihm gelingen würde, eben fingen ihre Thraͤnen nachzulaſ⸗ fen an, als feine Mutter haſtig in das Gemach her⸗ tinftürzte, und mit einem Mitteltone von Angft und Verwunderung ausrizf:

„Pietro, ums Himmels willen, komm burtig sberaus! Im Zimmer draußen ift eın fremder, Aus „ßerſt fein gekleiderer Herr! Er behauptet, daß er von „Seiner Durchlaucht bergefhift worden wäre, und „nothwendig mit dir felbft fprechen müßte,”

Bianca fuhr erfhroden auf: Pietro flußte. Sprachlos fahen fie einige Augenblicke ſich wechfelfei- tig an; dann waren fie Beyde der Meinung: dieſer . grofiberzoglihe Auftrag werde ein Verhaftsbefehl feyn. Gern hütte Bianca zur Flucht geratbenz doch fie verboth fich in diefer Kammer, die nirgends eis nen Ausweg hatte, von felbit. Mit Zittern gingen entlih Mutter, Sohn und Schwiegertochter hinein. Aber mit noch weit größerm Eritaunen börteh fit von dem Höfling, der ein Kammerjunfer des Großher⸗ zogs war, folgende Erklärung:

„Signor Pietro Bonaventuri, unfer gnoͤdigſter „Herr, der Großherzog Franz, hat von Ihrer Geſchick⸗ „lichkeit, von ihrem Arbeitseifer und von ihrer Kennt⸗ „niß verſchiedener neuern Sprachen, ſo viel Gutes „und Rühmliches vernommen, daß er, ohnedem aufs „mertfam auf jedes Zafent in feinen Staaten, es für „billig achtet, fo mannigfache Verdienſte nicht unge⸗ „nügs verroften zu laſſen. Er bedarf eines Seeretaͤrs

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„zur Korreſpondenz mit dem Karaiiner Zur. mm „har ie dazu ernannt.”

Bonav. (verwunterusgis] zurge Eiue gain send). Wie? der Großherzegt I?

Hofcavalier. Sa, Eisser: Sir mtnz Zechinen find Shnen einiweilen ;ur Erieiturg amige- fest; und ıh hoffe, tab Sie Ya: ssfermiertks Gnade, tie wahrſcheinlich nur die Veriizirzer ıo= baldigen weit großern Eirenüelen : n,gdirz ae gen wiſſen werten.

Bianca. Geinliq.) Ha, ter igizue RoMNiẽ Sch febe ihn Eommen; aber bey meinen: Feten, a 42 ſich trügen!

Bonav. Urtheilen Sie von mern Exrristuss nach der Miene meines Erſtaunens, nc Tem Uxzsızs mögen, meinen Dant nn

Hofc. Eben tefwegen gıir Atrın unfer gie Fürft eine Ztunde Zeit, um ſich zu 3 falen um: 22,2 Feiden ; dann aber verlangt er Str wtaiie hen Dank. Leben Sie weht! Yarssärm Zr, wenn id, bitten tarf, aud im kuniugen Biüke z:e, daß ich der uͤberbringer Liefer guten Rerkigah, zıy ohne mid zu rühmen auch in verZiekizen Pur ten Ihr Vorfprecher bey Seiner Zurzischt geneiis bin. (Seht mit einer tiefen Derbeuaung a8.)

Bianca (den Seite. Er har feine Kerken 5:2 „2 wählen gewußt; fie gleikenikm! Ter Wırkesırizs tige! der und wahrſcheinlich nie mit einem Aus: iz; erft Heute nnfern Nahmen hörte, unt 15% ji u Schutzpatron fpielen will! Wollte Gotu, 156 5: 217 andern Vorfprecher nicht allzu gut nur errisye'

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Bonanv. (der ganz flare geſtanden, indeß Vater und Mutter HET, den vornehmen Bothen hinaus Begleitet haben, ſich endlich gegen Bianca wendet und fie umarmt.) O Bianca, meine theure Bianca! Hat jeirgend etwas einer Feerey ühnlicher gefehen, als diefe ſchnelle, uns begreiflibe Beförderung?! Welch ein glücklicher Wechſel! Welch eine fröhliche Ausſicht! Und du freueſt dich nicht?

Bianca (mit gegwungenem Lädein.) Allzu unver⸗ mutbeter Sreude fehlt ed ja immer am Ausdrud! Die gebrach e3 Eur; vorher an Worten; mir will es fös ger an Geberden bed Vergnügend gebrechen. (mit roarnendem Finger.) Bonaventuri, mein ©eliebter ! Vergiſſeſt bu ganz, daß Gefahr unferm Pfad auflauert ?

Bonav. Keinesweges! Aber ich hoffe nun, ihr bald tie Spitze biethen zu dürfen.

Bianca. Daß vielleicht ſelbſt Dieß ein Fallſtrick unſerer Feinde, unſerer Anklaͤger

Bonav. Nimmermehr! Stande es nicht in ſei⸗ ner Macht, mich verhaften, mich vor Gericht ſtellen zu laſſen? Warum ſollte er mich zu ſich laden laſſen, um Dein, fo handeln die Medicis nicht! So tü— kiſch verfährt kein edler Fürſt! Höchſtens die ariſtokra⸗ tiſche Schlauheit von Staats-Inquiſitoren Eönnte zu ſolchen niedern Wegen ſich herablaſſen.

Bianca. Und wenn es ihm auch mit ſeinem Wohlwollen ein Ernſt waͤre (wie vorhin, noch ein Mahl mis dem Finger ihm drohend) Bonaventuri, Bonaventuri! Selbſt wenn dein neuer Weg vielleicht glänzend ſeyn ſellte, bedenke es, daß er dann gewiß noqh weit, ſchlüvfe⸗ riger werden dürfte!

Bona⸗

essen 145 essen Bonav. Laß ihn! Das gute Glück, das mih ungebethen auf denſelben führt, wird mich hoffentlich auch vor dem Fall zu ſchützen wiſſen, fo lange ich red⸗ lich handle; und Das werde ich ſtets thun. Bianca. Darauf hoffe ih auch; nur —— .Bonav, O jetzt keine Beſorgniß weiter! Jetzt nur Freude, nur Anſtalten mich anzukleiden, um dann flügelſchnell zu dieſem gütigen Fürſten hin zu eilen!

Pries dieſer Wonnetrunkene jegt ſchon feinen Ger biether, bevor er. noch ihn geſprochen hatte, ſo that er es dann wohl noch zehn Mahl ſtaͤrker, als er von der Audienz zurüd Eam. |

Nie harte ein Zürft die ſchwere Kunft, durch eine Mittelftraße von Hoheit und Herablaſſung zu bewir⸗ ten, daß man nie in ihm den Prinzen zu ehren vergaß, und doc immer Inniger no den Menſchen liebgemwann, volllommener befefien ald Franz. Je⸗ den, der feinem Thron: fih nahte und Das durfte zu beflimmten Zagen und Stunden der Geringfte im Volk! empfing er mit zuvorfommender Güte. Er hörte jede Bitte fo aufmerkfam an, als beträfe fie feis nen eigenen Vortheil. Konnte er fie gewähren, fo ver« doppelte die Art, womit er es that, indem er, was er gab, ſchnell gab, und fich feiner Kraft wohl zu thun . nie überhob den Werth der Gewährung; mußte ex abihlägige Antwort ertheilen, fo geſchah diefe Ver⸗ weigerung felbft im Tone des Troftes; war Entihuls digung, wo fein eigenes Herz am meiften zu leiden ſchien. Baterlihe Milde verband fi bey ihm mit der Staatsklugheit des Regenten. Seine Miene war ganz

Meißners Blanca. Sapı 1. Ihle 8

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Sanftmuth, und doc nicht bloß die Miene der Vers ftelung. Sein Äußeres verforacy viel, doc nicht mehr, als fein inneres hielt, oder wenigſtens immer gern gehalten hätte. Selbſt feine Fehler waren bloß falfche Richtungen guter Grundlagen, Er lieg zum Benfpiel - allerdings zuweilen feine Günſtlinge ziemlich willkurlich falten; aber er that es, weil er fie nide für feine Guünftlinge bloß, fondern für feine Freunde hielt, und weil fein, wirklig zur Freundſchaft geſchaf⸗ fened Herz Dem auch traute, ben es liebte,

Sehr natürlich, daß ein ſolchet Fürſt den Mann ſeiner Geliebten für keinen? Preis ihm zu theuer! mit einer Güte, mit einer Leutſeligkeit empfing, die den in allen Weltkünſten noch unerfahrnen Bonaven⸗ turi gar bald bis in den dritten Himmel entzückte. Er nahm ihn nun förmlich zu ſeinem Geheimſchreiber wie damahls noch die beſcheidenen Titel lauteten im franzöſiſchen Fach auf; und ertheilte ihm ſofort einige Beſchäftigungen; er befragte ihn, nicht neugierig, aber forgfältig, um tauſenderley Kleinigkeiten ſeiner individuellen Lage, und befhied ihn für den andern Morgen wieder zu fid.

Die Arbeiten, die dem jungen Manne aufgetras gen wurden, waren äußerft Feicht; aber Franz ers wähnte, ald Bonaventuri fie ihm überbrachte, daß fie ſchwer gewefen wären. Bonaventuri hatte fie viels Teiche nicht übel beforgt; der Fürſt fand, daf er fie vortrefflich ausgeführt habe, Die Befoldung, die ihm angewiefen. wurde, belobnte die Mühmwaltung bey feinem Poften mehr als dreyfach; der Fürſt dachte je doc anders, denn er verdoppelte fie nach Verlauf wer niger Tage, und begleisete ſelbſt diefe Verdoppelung

vesee 247 wie

mit dem Ausdrucke des Bedauerns: daß die hertfchaft⸗ liche Caſſe jetzt nicht größere Belohnungen verſtatte, Franz war immer der Wohlthäter, ward es tag— lich mehr und mehr, und ſtellte ſich doch immer, als ober Schuldner wäre I

So von Ehrenſtelle zu Ehrenſtelle, ſtets im Beſitz der Gnade ſeines Herrn, ſtieg Bonaventuri mit einer Schnelligkeit, die Jedem, der nicht um das Geheimniß wußte, unglaublich ſchien, vom Diener zum Rathe, dom Rath zum. Freunde, vom Freunde zum Günits ling. Ihm felbft war wie jenem trunfenen Bettler, Ber auf dem Stroblager einfchlief und beym Erwachen aus feinem Naufhe auf dem Throne ſich wieder. fand. Uneingeweipt i in jeder Kunft des Hofes, überftieg er doch bald die älteften, erfahrenſten Höflinge; hart auf der Ferſe folgte ihm der Neid; laut ſumſten um ihn Spott und Rerleumdung: Überall ſtellten Lift und Haß fi) ihm entgegen. Doc) die Liebe feines Fürsten fhügte ihn vor Dem allen. Ein einziges nachdrückli⸗ ches Wort des Fürften, und Neid und Spötterepen ſchwiegen, oͤder ſprachen wenigfteng, leife: =

Auch Bianca die Gründerinn von allen die: fen Schimmer eines ‚armen Handlungsdieners, der ohne fie ruhig im Eomtoir arau geworden wäre fuchte der verliebte Fürſt bald aus ihrer Einſamkeit in das Gewühl feines glänzenden Hofes, einẽs der glän: gendften in ganz Europa, zu ziehen. Einladungen von Mondragone's Gemahlinn, ragen des Fürften an

Bonaventuri felbft, Selle; Öffentliche Spiele, Gewin⸗

nuug der Bedienten, Alles, Alles ward verſucht; und

Alles, Alles mißlang. Bianca erſchien zwar am Hofe.

weil fie Das thun mußte; aber man ſah es ihr any | | K 3

1248 oe daß fie ihre Seele daheim laſſe: und die andädtigfte - Nonne bleibt nicht. ftrenger ihrer Ordensregel, als ie anca jeder ihrer Pflichten treu.

Denn in Eeinen Zirkeln, wie: in großen Vera fammlungen, nur auf wiederhohlted Bitten erft ſicht⸗ bar, erfhien fie ſtets im einfachften Kleide, mit der befcheidenften Miene; Eein Edelftein im Haar, keine Perle um Arm und Hals kaum’ &eide ihr Gewand, und einfad die Farbe ihrer Gewaänder; aber doch durch diefe Einfalt, biefe Beſcheidenheit doppelt ſchoͤn. Menig ſprach fie nur; und je weniger fie ſprach, deſto mehr fland fie im Eredit, gut fprehen zu Eönnen. Hundert höfiſche Damen warben um ihre Freundſchaft, fie ſchlug keine aus und erwiederte Feine, Die Neigung de3 Fürſten, bald jedem Höfling nicht mehr fremd, entfernte von ihr die Bewerbungen der adeligen Wol⸗ luͤſtlinge; Alle ehrten, Keiner beläftigte fie. Sie gegen» theils ſah auf Keinen und hielt felbft die Bewerbungen des bewußten Einzigen zurüd. Franz, mit jedem Tage heißer verliebt, mit jedem Tage redender im Blick und angeduldiger in feiner Seele, ward doch ſtets karger in Worten und zagbafter im ganzen Betragen.

Mondragone fab Dieb alles, und glüßte vor Scham und Wuth. Bonaventuri hatte ihn gleih An⸗ fangs in ber Gunft bes Fürften um ein Großes zurück gefegt; er litt es damahls gelaffen, denn er hoffte durch Dienfte, feinem Gebierher bey Bianca geleiftet, fich bald noch höher zu heben und ficherer zu gründen. Doch als alle feine Bemühungen, alle feine Überretungskünite mißlangen ; da ſank fein Anfehen auch deito tiefer, je gewiffer er Franzen den günftigften Erfolg vorher vers kündigt hatte. Freylich mußte ein Mann, deſſen höche

wen 149 nesen

fled Sut Gunſt des Hofes war, nit wenig flaus nen, als er bey einer Frau diejenige Seelenkraft, dies jenige unerfchütterliche Tugend wirkfih fand, die er jeither nur dem Nahmen nah, und überdieß noch fo zweifelhaft gekannt hatte, wie wir Alle etwa den Vogel Greif Eennen. Aber als wahrer Höfling ergab er ſich nicht lange einer fruchtlofen Neue; fondern dachte balı aufbeffere Plane und auf fihere Rache.

Was ihn bier noch, aufer feinem innern Gefüht, immer ftärker, immer heftiger reijte, war ber tägs lihe Spott, die bitzern Worwürfe feiner ehrfüchtigen Gemahlinn. Gegen diefe allein hatte Bianca, fo wie fie am Hofe erfchien, oder vielmehr erfheinen mußte, faft gar keinen Zwang ſich aufgelegt; hatte bey vers. ſchie denen Gelegenheiten ihr zu erkennen gegeben, daß ſie dieſelbe verachte. Jedes ſchmeichelnde Wort, jebe dienftfertige Erbiethung diefer Donna, war mit einer Kälte, die nahe an Öeringfchägung grenzte, auf⸗ genommen worden. Drey Beſuche von ihr waren un⸗ erwiedert geblieben. Im Buſen der Spanierinn kochte dafür ein tödtlicher Groll. Da ſie ſich an der ehrbaren Buͤrgersfrau nicht zu rächen vermochte, bielt fie

fi wenigſtens bey ihrem eigenen Gatten ſchadlos. Bon den mannigfachen Scenen häuslicher Glückſelig⸗ keit ſey Hier eine Einzige ausgehoben, weil fie mandek Licht auf bie Nachfolgenden wirft.

wen 150 mm Mondragone's Haus.

Abend. Er ſelbſt (in feinem Gemach). GSigne (aug einer Geſellſchaft surüdtehrend.)

Sign. (mit fpörtifhen Lächein). Schon heim ı Sr. Durchlaucht? So einfam? fo nachdenkend?

Monde. Iſt das Legtere denn fo etwas @ tenest

Sign. D nein! (Wieder mie deutendem Accent.) A Über eigene, oder über Gtaat3 : Angelegenheiten Mondr. (verdrießlich., uͤber Beyde. Wie es nimmſt.

Eign. So! L- (Mad einer Heinen Pauſe) M chiavell hieß der berühmte Italiener, der ein fo fcha finniged Buch über die Staatskunft geſchrieben bi nicht wahr, lieber Gemahl? |

Mond. Richtig! i

Sign. Und ift fein Buch oder Sücfein de wirklich der bewährten Hofraͤnke und Künite vol?! '

Mondr. Vielleicht übervod! Wie kom du aber gerade jegt auf den Macchiavell?

Sign. Weil ih mich über die boßhaften Red argerte, die einige neidifhe Witzlinge gegen dich au fireuen.

Mondr. (aufmertfam werdend) Gegen mich?

Sign. Freylich! Denk einmahl, fie fagen , fenit jetzt Willens, eine Fortſetzung des Macchiavells ſchreiben.

Mondr. (gan) verlegen.) 391 —Bobrhaft: id) weiß nicht, was bir einfällt.

wen 151 u...

Sign. cbittern Tond.) Und nod) minder, wa Denen eingefallen feyn mußte, die diefem Einfall im Ernſte Glauben beymaßen. Nein, nein! wahrhaftig, um sin folhes Buch fortzufegen, müßte man in den Künften der Höfe felbit eingeweiht und Meifter feyn!

Mondr. Ha, ba! da hinaus? Und du glaubft alfo nicht, daß ich Dieß wäre?

Sign. Du glaubt es doch, um des Himmels willen, felber nicht *— Ungleicher als du und Macchia⸗ vell find fih Mitternacht und Mittag nicht. Er, jener echte ſchlaue Höfling, würde, wenn er fih ein Mahl bis zum eriten Günitling. feines Herrn durchgearbeitet bätte, fiher nicht aus einer halbvermoderten Bettler hütte fih einen Nebenbubler gehohlt; ſicher nicht die Liebe feines Prinzen zu einer tugenbbelodten Hands» werköfrau fo blindlings unterftügt haben. Oder hätte er auch vielleicht im Fieber: Schwindel einen folchen Sehler begangen, meinft du wohl, daß er dann rue big zufehen würde, wie biefes treffliche Paar Alles an fich reißt, was Stand und Rang und Stchätze Großes mit fih führen? Indeß der thörichte fürftlihe Ver⸗ ſchwender, der vieleicht ein Drittheil feines Füͤrſten⸗ thums verpraffen würde, um Einen aus der Hefe des Pöheld zum Hahnrey zu machen, auch nicht einen ein« zigen elenden Kuß dafür gereicht erhält! Sagte ich dir Das nicht Alles vorher, ald du mit deinen weifen, weitausfehenden Planen angeftodhen kamſt, und mich zur Bephülfe, zur Unterflüßung, zur Kup peley, zu Bott weiß was noch mehr aufwiegeln wolls tet? Schaͤndlich! vom erften Oängelbande an die Hofluft eingeſogen zu haben, und doch fo ſchülerhaft

N

wei 15% u noch gegen die erften Anfangsgründe zu fündig (Sie ftodt vor Zorn halb athemlos.)

Mondr. (deffen Kätte natürlich ihre Hitze noch gem Hat) Biſt du nun bald fertig mit Schmälen ı Schmaͤhen?! -

Sign. Wollte der Himmel, daß du es mit 1 nenFehblern warefi!

Mondr. (wie vorhin.) Alfo dag ich mich zum Ver wie du es zu nennen für gut befindeſt br chen lief, Das war der Fehler?

Sign. Frage doch lieber, ob es jetzt wirklich Na ſey! Beyde Sachen beantworteten ſich von ſelbſt.

Mondr. Allerdings! und doch beantworteſt fie ſehr falſch; denn du bejahſt, wo du neinen follteft. Gutes Weibchen, hätte diefe Ciebe verurfacht; hätte ich dem Großherzog erft Bianca, und zwar in foldy’ einer Abſicht gezei, dann hätteſt du ganz Recht. Ober hätte ich fei diefe Leidenſchaft erft im Auffeimen gefunden, u ihren Wachsthum befördert; fo hätteft du viellei wenigſtens nicht ganz Unrecht. Aber ſo fa ich ſie ja bereits eichenfeſt gewurzelt; fand, daß ſie beugen Unmöglichkeit, und ihr nahzugeben ıı nigitens ein boffentlicher Nutzen fey; fand, daß we ih meine Hand ihr zu reichen ausſchlüge, taufe Andere wilfährige Hande beym erften Gedanken f ausitrecfen, und mid) zu gleicher Zeit von meinem u fibern Maulwurfs » Hügel hinabſtürzen würden. - Glaube nicht, als ih zu gewinnen verfudhte, & ich nicht einfah, was au von der andern Seite | verlieren möglich fey! Ich fah es und bebte; ab

we 8 on die unumgänglichen Regeln bes Donrdſplele rißen mich mit fi fort.

Sign. Ein trefflicher Hazarbfpiefer j der nicht - Herr über ſich ift!

Mondr. Oft ift man Dieß eben dann am mei⸗ ſten, wenn man ed am mindeſten zu ſeyn ſcheint; oft fpielt man dann am beften, wenn man nichts oder Alles haͤlt. Aber Taf das Spiel! Da.wir doch ein« mahl in Bildern fprechen wollen, fo weiß ich noch Eines, paſſender ald Jenes. Wenn id das Haus meines Nachbar brennen ſehe, wenn auch dem Mei« nigen das fichere Schickſal bevorfteht, von der Flam⸗ me bald ergriffen zu werden ; handle ich dann unklug, wenn ich feldft einen Theil meiner Wohnung nieders reife, um bie größere, beffere Halbſcheid zu retten?

Sign. Nein, unklug nie! Aber menigftend begnüge ich mich dann nicht mit nußlofen Klagen, fondern denke vielmehr einem baldigen Wiederaufbau nad.

Mondr. Thu’ ich das nihet

Sign. Und ih warte dann auch Eeinesweges fo lange, bis Wetter, Sturm und Zeit dad übrig gebliebene Gemäuer vollends einflürzen.

Mondr. Weiße du denn, du Ungeduftige, - ob ich fo fange warten will? Ob ich nicht jet bereits das Mittel zu unferer Wiedereinfegung gefunden

habe $ Sign. Wenigſtens weiß ich, daß du unrecht

thaͤteſt, wenn du es mir verſchwiegeſt. (pottend) Das Glück deiner bisherigen Anſchlaͤge gibt die wahrlich Eein Necht, deine Eünftigen für untrügs lich zu halten. |

XX 1 54 08008

Monde. Wohlan, ſchau her in meine Ke "und fage an: 0b id die Blätter nicht weile g net babe? Gefegt einmahl, du felbit hegteft altväterifche Grille, mit pünctliher Treue an de Gemahl zu bangen; nichts zu thun, nichts zu ten fogan, was der beym Altar ihm verfprod Pflicht zuwider ware

| Sign. (vafig untersregend.) Ha, was folll

Was willit du mit diefem beinem: Gef est

mahl! Sc glaube, du fpotteft.

Mondr. (tädemd.) Ein großes Unrecht frey wenn ıch deinem vorigen löblihen Beyſpiele nachfo! Und doch' wollte ih Dieß jetzt wirklich nicht. Id zweifle beine Zugend keineswegs; aber daß fie gaı felfenfeft wie Bianca's "Tugend, bey Bianca's fungen, geblieben wäre, das glaube ich freylich ke nicht, weil ich zu fihlecht von deiner Treue, for weil ih zu günftig von deinem Verſtande urt

Sign. Ein ganz vortrefflihes Complın Doch immer weiter !

Mondr. Gefegt alfo, du glicheſt ihr! meinſt du, Eöante wohl ſchmerzlicher dich Erä als Undanf? Beleidigung von eben dem M für den du Alles verſchmäht hatteft ? Untreue de gen Gemahls, dem du fo übertreu geblieben w

Sign. Schändlid allerdings, doch nicht: mögliched bey euerem wetterwendiſchem Geſchl

Monde. Wenn dir num zumahl Jemand dem du noch für" geliebt dich mwähnteft, Überzeu Beweiſe darböthe, daß dein Gatte feine Kraft feine Liebe an Buhlerinnen verfchwende, was w du dann thun? \

we 155 mm

Sign. Mid rächen.

Mondr. Und die Art diefer Rache? Nice wahr, Wied erverg eftung wäre eine von den allererften ? oo

Sign. Vielleicht!

Mondr. Würdeſt auch wog rubig zuſeben, wenn dann ein Gegner deinen Treuloſen von der Höhe, die er nur durch dich erſtiegen, herabſtürzte? Würdeſt felbft vielleicht die Hand zu diefem Umfturz biethen, fo bald dus fiher wäreft, nicht mit dabey zu leiden?

Sign. Wohl ındglih! Aber wo bey Bianca denn auf fie wird doch dieß Alles zielen die Urſache einer ſolchen Rache ſich Anden follte, das ſehe ich noch nicht. | Mondr. Ein Beweis, daß deine leibliche n Augen nicht fo fharf, als deine geiftigen feben!

Sign. (mie ſotiilchem Knids.) Wollten doch die Goͤtter, daß bey mandem großen Herrn der Fall nicht umgekehrt da wäre! \

Mpndr. (hie lächelnd tüßend.) Brav gegeben! Aber-

- Emilie , laß diefes wechſelſeitige Verfpötteln uns vers

geilen; laß uns ftatt beifen lieber mit vereinten .

Kräften einander beyſtehen! Du Eennft Kaſſandra? Sign. Kaffandea! die Witwe unſers ehemah⸗ ligen Nachbars, Simon Bongiani? | Mondr. Richtig! Das Weib mit den flolzen Wuchfe, der vollen Bruft und dem ſchönen, flammen« den Auge. Sign. Nun, nun! nur gemach, Herr Ge⸗ mahl! Nur nicht gleich, fo ganz außer ſich vor Bits

züden! Ein fliered, großes Auge ift immer noch niht

fo außerordentlich jhön; und Kaſſändra's Wuchs

156 me

Monde. (has ſcherzbaft.) Der verzweifelte w fihe Neid! Das, meine Liebe, ift doch wohl läugbar, daß Kaſſandra .eine unferer fhönften Flor tinerinnen it?

Sign Und fage and, eine unferer BWolluf fen! Der arme Simon Vongiani lebte fiher würde jicher noch immer unfere Bälle und Con; mit feinem fchwinbfüchtigen Huften beunruhigen, | te er diefe Unerfättliche nicht gebeirathet.

Mondr. (uaacheind.) Defto beffer! defto befl Jemehr Gluth von innen, deſto weniger Anreiz braucht es von außen. Kurz, auf fie, wenn nicht ſehr mich irre, wendet fchon feit einigen Ta Eignor Pietro Bonaventuri feine Augen; ſchießt ihnen Blicke, die fi Teicht deuten laffen, und wahrfheinlih Kaffandra auch fehr genau gedeutet ben wird.

Sign. (mit dem Kopf ſchüttelnd.) Wenn ichn n nicht irre! Vielleicht! Wahrſcheinlich! Lauter bl: Möglichkeiten! |

Mondr. Die ih zur Wirklichkeit gar b durch meine Helfershelfer erhöhen will. Du mußt auch den Vetter der Kaſſandra, Franceſco Ricci, E nen. Ein Höfling, wie es beren wenige gibt! GC fhmeidig, verjchlagen, Herr über jede Miene und bes Wort, führg zu Allem, wozu man niht perſör hen Muth braucht, und mir Außerft ergeben. 3 habe ich befoßlen, Bonaventuri leife zuzuflüftern: r heftig Kaſſandra ihn liebe; und Kalfandra ein Gleid von Bonaventuri vorzufhwagen. Was gilts, die bi ben ohnedieß nicht weit von einander entfernten P teyen rücen bald naher zuſam men ? Er unerfohren u

. 357 wesen

unbefonnen; fie buhleriſch und liſtig! Kan Fener ſich bes Schwefels leichter bemaͤchtigen % Und bleibt Bianca bann etwas weiter übrig, ald mis ihrem Gemapl zu bredyen %-

Sign. Oder ihn zu verachten.

Mondr. Gleichviel! in beyden Fällen find wir die Mifcher diefer Karte, in beyden, ſobald wir wach⸗ ſam find, die Mittelöperfonen und die Belohnten.

Sign. Wenn ſie nun aber im Übermaß eheli⸗ cher Zärtlichkeit denn zu welchem Grad der Zaͤrt⸗ lichkeit verſteigt ſich nicht zuweilen eine ſolche Bürs ger⸗Seele! ihrem guten Maͤnnchen bloß liebreiche Vorwürfe macht dihn wieder umſchmelzt! feſter als je an ſich kettet? An Tugend fie, an Treue er zunimmt? Wie denn ba?

Mondr. Sprichſt du doch, als wäreft du erſt feit ehegeftern in den Stand der heiligen Ehe getreten, und wüßteſt noch nicht den mächtigen Unterſchied zwi⸗ {ben Draitreffen: Liebe. und Gattenpflicht! Lop mid nur machen, und ed fol Alles noch gut geben.

Sign, Meinen Wunfd dezu,n wenn auch noch nicht mebne Hoffnung!

t. In der That verweigerte Signora Mondragone dieſe letzte nur, aus jener dem weiblichen Geſchlechte zur zweyten Natur gewordenen Widerſprechungsgabe. Der Anſchlag ihres Ehegemahls war, Das fühlte ſie ſelbſt, nichts weniger als unwahrſcheinlich; ſo wie er leider! bald darauf nichts weniger als fruchtlos blieb.

Kaffandra Bongiani hatte alle Eigenſchaften, die fühig find, einen jungen, von Ehrgeiz bingeriffenen,

von Begierde aufgefhwellten und von unverdient Blüde taumelnden Mann zu beſtricken. Nach der ga zen Summe ihrer Schönheit betragtet, wär

Bianca’d würdige Nebenbuhlerinn; nach jet Einzelnheit ipr®egenbild! Hätte man Bey neben einander geftelt, dann wäre Kaſſandra ei hocherhabene Juno, {don und ſtolz, Bianca, e befheidene Pſyche, fanft und nur in der Liebe fi rig geweſen. Zum Glüc der innigiten Zärtlichkeit n . Bianca; Kaffantra ganz für eine Leidenfehaft gef fen, die Auffehen madt. Ruhig zu befißen, w Bianca's; allbeneibet zu herrſchen, Kajfantr höchſter Wunſch. Jener genügte ein einziges Haı dieſer nicht zehn taufend. Bianca bebte vor der Mebenbuhlerinn; Kajlandra freute fi dere denn fie erhöhten ihren Eieg. Erfalfung in ! Liebe war Jener größte Pein, für Diefe war es Ei förmigfeit. Hundert Reize, bie ſie wirklich beſa verbarg Bianca; Kaſſandra fügte zu ihren natür chen noch doppelt fo viel entlehnte. Bianca ba nur ein Mahl, Kaſſandra nie geliebt.

So war das Weib beſchaffen, das Bonaventur Fallſtrick werden ſollte, und ward. Kaum, d ſie ein wenig gegen ihn ihr Netz ausſpannte, ſo w er auch ſchon tief hinein verwickelt, und vergaf-d Befig feiner wahren Shape, um fi eines trüg eifhen Glanzgoldes zu bemädtigen. Vergebe ſprach in feinem Herzen die Stimme ber Pflicht; | Leidenfhaft übertäubte diefelbe bald. Vergebens fah Schwierigkeiten und Gefahr; er fühlte fi dadu: nur ftärker angefpornt. Auch war ber Mann, dem n ſchon feir einigen Monden jeder Wunſch erfüllt w

D\

weh 159 vers den, wahrlich nicht mehr im Stande, irgend eine neuen zu unterbrüden,. ja, nit einmahl zu verbergen. Sn nichts ein Hofmann, als in der Eitelkeit, glaubte er ſich nur erklären zu dürfen, um erhört zu ſeyn; und erklärte fi fo laut, fo unbefan⸗ gen, daß bald Franzens ganzer Hof, bald das ganze weite Florenz mußte: Wen er liebe, und wie heiß er fie Liebe! Die einzige Perfon , vor der er ſich wenigſtens einiger Maßen zu zwingen und zu. verbergen fuchte,

wareben Diejenige, um derentwillen der Leichtfinnis - .

ge Kaffandra ganz hätte wermeiden"follen ; die Einzige, gegen welche feine kleinſte Sünde zur Todſünde ward. Ah! und doch ſahBianca gar bald, was er verbarg ; fpürs te feine Untreue und feinen Zwang gar wohl, vers ſuchte alle mögliche Mittel, den Verirrten wieder jıre rück zu bringen; verftärkte Zärtlichkeit, Erneuerung ihrer erften Liebe, Zuvorkommen feiner Heinften Wün⸗ fhe, Warnung vor den Gefahren des Hofes; und Eränkte ihn dey allem Dem mit einem Wörtchen eines Vorwurfs; mit keinem ſtrafenden, ja ſelbſt mit Eeis nem bewachenden Blicke! Die zaͤrtlichſte Gattinn kann am zweyten Morgen ihres Eheſtandes ſich nicht traulicher an den Geliebten ihres Herzens ſchmiegen, als fie es that, wenn er von einem Geſpraͤch mit ih⸗ ver Nebenbuhlerinn heimkam. Tief fühlte der Schül⸗ dige das Gefühl feiner Unwuͤrdigkeit und blieb dech ſchuldig. |

- Aber bald vermochte die gute Bianca den Kum⸗ mer, den fie ihrem Gatten, dem einzigen Urbeber desfelben , zu verbergen ſuchte, felbft fremden Zus ſchauern nit zu verbergen. Bwar hatte fie keine Freun⸗

er 160 run

Yinn, bes fie ſich mittheilen, und von ber ſte ver⸗ rathen werden konnte; doch eine gewiſſe Schwermuth, in ihrem Auge und über bie ganzen Züge ihres Ge⸗ vchtes verbreitet, verriethen jedem aufmerkfamen Be⸗ obachter eine innere Bewegung ihres Herzens. Sie, die fonft nur ernſthaft zu ſeyn pflegte, war nun traurig geworben. Und Dieß war es, worauf Mon⸗ dragone mit ängftliher Sorgfalt wartete. Schüchtern gemacht duch fein voriges Mißratben, wollte ex erft die fiherften Kennzeichen abwarten, ehe er auf das Gedeihen feiner Ausſaat ſchlöße. Jetzt hielt er fie für reif. |

Einft, an einem noch etwas ſchwülen Sommer: abend , faß Bianca ſchwermuüthsvoll in einer von dem Lauben ihres Eoftbaren Gartens; denn es verſteht fih, daß Bonaventuri feinem neuen Stande gemäß wohnte; mit ftarren Augen ſah fie einer pläte fhernden Cascade zu, ohne auch nur einen von allen diefen zahllofen Waffertropfen zu fehen, oder auf ihr Plätſchern zu hören. Da trat unvermuthet Mondras gone zum Garten herein, und grüßte ehrerbiethig deſ⸗ fen ſchoͤne Befigerinn.

Mondr. Verzeiben Sie mir, Gignora Bonas venturi, wenn ich in der Hoffnung, Ihren Gemahl zu finden

Bianca (mis Fatter Hönicptele.) ch bedaure, daß Sie vergebens fi herbemüht haben ; er ift ausge⸗ fohren.

+‘;

wer 101 rem

Monde. (io verbindlich, ats möglich.) Was mir bie Bedienten ſchon beym Abfteigen meldeten, und wad ih auch die Mahl eben nicht mit allzu großem Ver dauern hörte. Mein heutiger Auftrag geht Sie, reis zende Signora, und Shren Gemahl zu gleichen Their fen an; er enthält eine Beftellung von unferm gnädige ften Großherzog an Sie Beyde.

Bianca. Was befehlen Seine Durchlaucht?

Mondr. Dem Signor Pietro Bonaventuri,

daß er morgen unfer Jagdgefolge verftärke! An Sig

nora ergeht ſeine Bitte, daß Sie einen Eleinen Ball f auf dem Jagdſchloße Fioro angeſtellt, verſchönern möge.

Bianca. Mein Semahl wird ohne Zweifel feine Schuldigkeit beobachten ; mich hingegen wird bey Er. Durchlaucht eine Heine Verſtauchung am rechten Fuße

Mondr. Kein Hingegen , Signora! Ihre Durchlaucht verbothen mir durchaus, es dieß Mahl an⸗ zunehmen. Waͤre auch dieſe Unbequemlichkeit mehr als Vorwand; ſo würde Sie dieſelbe höchſtens hin⸗ dern, am Tanzen Theil zu nehmen, und Gefellfgaft und Geſpraͤch gewannen dann vielleicht doppelt dabey.

Bianca. Wenigftend werden mir Seine Durch⸗ Taucht verzeihen, wenn ich nicht, ohne vorher die Ers laubniß meines Gemahls zu erhalten, meine Maß⸗ regeln nehme,

Mondr. Eine zu große Beſcheidenheit, ſchoͤnſte Signora, unter Umftänden, wie Ihre gegen wärs tigen find. (Sie ſchweigt und blickt zur Erde; er nad einer Paufe von einer Minute) Ausgefahren find alfo bes. reits Signor Bonaventuri?

ZReifiners Bianca Cap. 1. Hl. 8

162

Bi-nca. Ausgersßren!

. Mondr. Darf ih Sie fragen: Wehin?

Bianca. Ich wei es ſelbſt nikt.

Monde, Vielleicht zu Signota Kofantra Bi giani ?

Bianca. Mozlız

Monte. WRenigtens glaubte ich feinen Mag unweit tiefer Wohnung halten zu fehen.

Bianca. Co?

Mondr. (wis leicht iu deutendem Blick und als ww er re Hand ergreifen wollte.) Arme Signora Tianca !

Biancataufketend.) Zignor werden verzeihen

Mondr. (ver fie, jedoh mit großer Ehrfurcht zu san.) Nein, Eignora Bianca, verzeihen Sie m lieder, wenn ih Sie jest noch nit von hinnen lai Die Befehle meined Getiethers find noch nicht ve endet. (Cie ficht ihn etwas verwundernd ap, faßt ſich «a und Bleibt. Gr fährt mit geändersem Tone fort.) Arme S nora, wie vertraut müjlen Lie bereits mit Ihr Kummer an dem auch fhon unfer ganzer He vorzüglich aber unfer Gebiether Antheil nimmt | worden feyn, baß Lie fo ganz gelajien ben No men einer Perſon anhören Eonnen, von weld doch all diefer Mißmuth ihnen zumädft !

Bianca (ebr ernſt. Eignor Mondragone, ſetzte mich wieder, um zu hören, was Sr. Dur laucht mir zu befehlen gefalle; nicht aber um ü men Schickſal mit Ihnen zu ſprechen. Noch b ih mich über dasſelbe, fo viel ich weiß, gegen M mand, am allermindeften gegen &ie beklagt.

Monde. Weil Sie nıdt willen, mit weld Grad der Ehrfurde ich mid) Ihnen verpflichtes füh

163

und wie ſehr die unanftändige Aufführung Ihres Ger

mahls au mich Eränft. Mein Vorwort *) bauptfächs

Ih war ed, was ibn, und zwar bloß I Spretwegen, , auf Liefen glänzenden Poſten erhob; hätte ih das _ mahls gewußt, wie ſehr er fen Glück mißbrduchen | \ würde nr

Bianca (detreten.) Mißbrauchen? Mißbrau⸗ u

hen, Signor? Wann that er Das! , Mondr. Iſt es nicht der höchſte, möglichſte Miß⸗ | brach , nicht des Unfinns oberfter Grad , Bianca eine Kafandra vorzuziehen? Bianca'n, der, fo bald fie winkte, Alles, was Florenz Großes und Edles bat, zu Füßen fallen würde, einer wollüſtigen, herrſch⸗ ſüchtigen Buplerinn nadzufegen, die fhon mandes baäuslihe Glück zertrummerte, mancher tugendhaften Gattinn ihren Gemahl entriß, und diefen dann wies der tem Erſten dem Bellen durdpreifenden Deutſchen Preis gab. I. Bianca. Nein, Signor, halten Sie ein! Ich wiederhohl es Ihnen, daß ich nicht begreife, was Sie bewegen kann, ſich nit Einmiſchung in diefe Sache zu belältigen? Auch iſt das Vergehen, das Sie meinem Gemahl beymeſſen, noch lange nicht fo ganz gewiß, fo unläugbar, wie Sie es anzunehmen

*) Man überfehe nicht, daß Die nun fchen der zweyte Höfs fing ift, der fib einer Mijwirkung zu Bonaveı £.ri’6 Grüd rühmt; denn freylih hat diefe Art von Leuten immer die Menſchenliebe, ſich dasjenige Gate zuzufchreiten, was

“. fie nit bewireten; und datür die Beſcheidenheit, das Böfe zu verfcyweigen, was fie wirklich thaten.

2

un 104 ww

Belieben. Ein flüchtiger Gedanke, der von der ans

. bern Seite gleih ald Ernft aufgenommen wurde;

eine Höflichkeit, etwas unſchicklich angebracht, und die euch Männern fo gewöhnliche Begierde, mehr als einer unfers Geſchlechts zugleich ben Hof zu mas hen. das Alles hat vielleiht einigen Schein gegen Pietro erregt, ohne ihn deßfalls im eigentlichen Sinne des Worts ſträflich zu machen. Zudem iſt fein Ber tragen gegen mich von einer ſolchen Befchaffenheit Doc vergeben Ste mir, ih vergaß mid. Eben da ich gar nicht von diefen Sachen fprechen will Monde. Ceinfattend.) Werden Sie aufs edelmü⸗ thigite die Vertheidigerinn eines Mannes, der wahr⸗ lich dieſer Vertheidigung längft ſchon unwerth war. Ein bloßer Schein, fagen Sie? Nein, fhönfte Bianca, ſchaͤndlich iſt Derjenige, ber eines bloßen Verdachts halber Glück und Frieden feines Nächften flört; und doppelt ſchaͤndlich wäre ich dann, wenn ich den Frieden einer fo reizenden und würdigen Dame vergiftete. Was feit einigen Wochen ſchon ein Jeder ind Ohr ſich flü« fterte, überhörte ich; was ich ſelbſt nur halb fah, mochte ich lieber ‘gar nicht gefehen haben : erſt ald mein Argwohn in Gewißheit fih verkehrte, Fam ih ber; und nun (indem er ihr einen verfiegelten Brief barbies tpet) Eennen Sie diefes Pettfchaft und diefe Hand? Bianca (glei beym erfien Blick äußert betreten.) Sie haben Recht, es ift vom Bonaventuri. Mondr. Und die Auffhrifet An wen? Bianca. Öraufamer! Wollen Sie meiner und meiner Schmach noch fpotten * Sagen Sie, wie fom- men Sie zu diefem Briefe?

—16505

Mondr. Sey Das geſchehen, wie da wolle Genug, es iſt ein Brief Ihres Gemahls an Kaſſandra, und es ſteht nur bey Ihnen, ihn zu erbrechen.

Bianca (die fin ſchnell faßt.) Alſo iſt er Das noch nicht }

Monde. O nein! Nicht mir ziemte es, in bie Geheimniſſe Bonaventuri’s eindringen zuwollen; aber wohl haben Sie ein Recht dazu.

Bianca (mit etwas Bitterteie.) Würden Sie Das wirklich im ähnlichen Fall Ihrer Gemahlinn zugeites ben? (alsbald wieder mis dem Tone der: Würde und ins des fie den Brief annimme.) Signor Mondragone! ob ih dafür Ihnen danken fol, daß Sie mir über,

haupt dieß Schreiben brachten, Das ſtehe ih noeh

zu entfheiden an. Aber wenigftens danke ich Ihnen dafür, daß Sie es fo mir braten, Es bleibt nun fo.

Mondr. (gan erRaunt.) Wie, Signora, und Sie wollten

Bianca (laachelind.) Bloß Ihrem Benfpiele fols gen, und nicht in die Geheimniſſe eines Ändern mid eindrangen! Pietro Bonaventuri ift gegen Sie nur ein Fremder, gegen mich ift ee Ehegemahl und Herr. Was Shnen in Rückſicht feiner nicht ziemt, ift mir fogar verbothen. Unanftändig wäre das Aufs brechen bed Briefed von Ihnen gewefen, von mir wäre es fogar fträflih. Nochmahls, Gignor Mondra-

gone, ich danke Ihnen von ganzem Herzen, daß Sie * Schreiben mir ſo brachten. (Sie will gehen, er hält fie abermahlss.)

Mondr. Und den Auftrag meines gnäbigften Herrn alfo wollen Ste nicht hören ?

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von Begierde aufgefchwellten und von unverdient Blüde taumelnden Mann zu beftricken. Nach der ga zen Summe ihrer Schönheit betrachtet, war Bianca's würdige Nebenbublerinn; nad) jei Einzelnheit ihr Gegenbild! Hätte man Ber neben einander geftellt, dann wäre Kaſſandra ei hocherhabene Juno, fhon und flolz, Bianca, ei beſcheidene Pſyche, ſanft und nur in der Liebe fi rig geweſen. Zum Glüc der innigiten Zärtlichkeit n . Bianca; Kaffantra ganz für eine Leidenfchaft geſch fen, die Auffehen macht. Ruhig zu befißen, w Bianca's; allbeneibet zu herrſchen, Kajfantr höchſter Wunſch. Jener genügte ein einziges He— dieſer nicht zehn tauſend. Bianca bebte vor der Nebenbuhlerinn; Kaſſandra freute ſich der denn ſie erhöhten ihren Sieg. Erfalfung in I Liebe war Jener größte Pein, für Diefe war es Ei förmigfeit. Hundert Reize, die ſie wirklich befe Herbarg Bianca; Kaflantra fügte zu ihren natün den noch doppelt fo vielentlehnte. Bianca ba nur einMahl, Kaflandra nie geliebt.

Co war das Weib befchaffen, dad Bonaventut Sallftricd werden follte, und warb. Saum, d fie ein wenig gegen ihn ihr Meß ausfpannte, fo n ec audy ſchon tief hinein verwickelt, und vergaf-t Befig feiner wahren Schätze, um ſich eines trüg eifhen Ölanzgoldes zu bemädtigen. Wergebe ſprach ın feinem Herzen die Stimme der Pflicht; Leidenſchaft übertäubte diefelbe bald. Vergebens fah Schwierigkeiten und Gefahr; er fühlte fih dadu nur ftärker angefpornt. Auch war ber Marin, dem n fhon feir einigen Monden jeder Wunſch erfüllt w

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on * ve den, wahrlich nicht mehr im Stande, irgend eine neuen zu wnterbräden, ja, nicht einmahl zu verbergen. Sn nichts ein Hofmann, als in der Eitelkeit, glaubte er ſich nur erklären zu bärfen, um erhört zu feyn; und erklärte fih fo laut, fo unbefan⸗ gen, baf bald Franzens ganzer Hof, bald das ganze weite Florenz mußte: Wen er liebe, und wie bei er fie liebe!

Die einzige Perſon ‚vor det er ſich wenigſtens einiger Maßen zu zwingen und zu verbergen ſuchte,

war eben Diejenige, um derentwillen der Leichtſinni⸗

ge Kaſſandra ganz hätte vermeiden'ſollen; die Einzige, gegen welche feine Heinfte Sünde zur Todfünde ward, Ah! und doch fah Bianca gar bald, was er verbarg ; ſpür⸗ te feine Untreue und feinen Zwang gar wohl, vers ſuchte alle mögliche Mittel, den Verirrten wieder zu⸗ rüd zu bringen; verftärkte Zärtlichkeit, Erneuerung. ihrer erften Liebe, Zuvorfommen feiner Heinften Wün fhe, Warnung vor den Gefahren des Hofes; und Eranfte ihn dey allem Dem mit einem Wörtchen eines‘ Vorwurfs; mitkeinem firafenden, ja feibft mit.Eeis nem bewadenden Blide! Die zärtlihfte Gattinn kann am zweyten Morgen ihres Eheftandes ſich nicht traulicher an den Geliebten ihres Herzens fhmiegen,. als fie es that, wenn er von einem Gefpräd, mit ih⸗ ser Nebenbuplerinn heimkam. Tief fühlte der Schul: dige das Gefühl feiner Unwuͤrdigkeit und blieb doch ſchuldig.

- Aber bald vermonte bie gute Bianca den Kum⸗ mer, den fie ihrem Gatten, dem einzigen Urheber desfelben, zu verbergen ſuchte, ſelbſt fremden Zus hausen nicht zu verbergen. Zwar hatte fie Eeine Freun⸗

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inn, bes fie ſich mittheilen, und von ber ſte v rathen werden konnte; doch eine gewiſſe Schwermu in ihrem Auge und über die ganzen Züge ihres Üchtes verbreitet, verriethen jedem aufmerkfamen X obachter eine innere Bewegung ihres Herzens. S bie fonft nur ernfibaft zu ſeyn pflegte, war n traurig geworben. Und Dieb war es, worauf Me dragone mit ängftliher Sorgfalt wartete. Schücht gemacht durch fein voriges Mißrathen, wollte er « die fiherften Kennzeihen abwarten, ehe er auf t Gedeihen feiner Ausſaat ſchlöße. Jetzt hielt er fuͤr reif. |

Einft, an einem noch etwas fohwülen Somm abend , faß Bianca ſchwermuthsvoll in einer von d Lauben ihres Eoftbaren Gartens; denn es verft ih, dag Bonaventuri feinem neuen Stande gem wohnte; mit flarren Augen fah fie einer pl. fhernden Cascade zu, ohne au nur einen von all diefen zahllofen Waffertropfen zu fehen, oder auf i Plärfhern zu hören. Da trat unvermuthet Mond: gone zum Garten herein, und grüßte ehrerbiethis d ſen ſchoͤne Beſi itzerinn.

Mondr. Verzeihen Sie mir, Signora Bon venturi, wenn ich in der Hoffnung, Ihren Gemahl finden

Bianca (mis kalter Hollichteit. Ich bedaure, bi Sie vergebens ſich herbemüht haben; er iſt andg fahren.

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Mondr. (fo verbindtia, ats möglich.) Was mir die Bedienten ſchon beym Abſteigen meldeten, und was ih: auch dieß Mahl eben nicht mit allzu großem Bes bayern hörte. Mein heutiger Auftrag geht Sie, rei⸗ jende Signora, und Ihren Gemahl zu gleihen Theis Sen an; er enthält eine Beftellung von unferm gnädige fien Großherzog an Sie Beyde.

Bianca, Was befehlen Seine Durchlaucht? Mondr. Dem Signor Pietro Bonaventuri,

daß er morgen unfer Jagdgefolge verftärke ! An Sig: .

nora ergeht ſeine Bitte, daß Sie einen Eleinen Ball, auf dem Jagdſchloße Fioro angeſtellt, verſchönern möge.

Bianca Mein Semahl wirb ohne Zweifel feine Schuldigkeit beobachten ; mid hingegen wird bey Er. Durchlaucht eine Heine Verſtauchung am rechten Buße

Mondr. Kein Hingegen, Signora! Ihre Durchlaucht verbothen mir durchaus, es dieß Mahl an⸗ zunehmen. Wäre auch 'dieſe Unbequemlichkeit mehr als Vorwand; ſo würde Sie dieſelbe höchſtens hin⸗ dern, am Tanzen Theil zu nehmen, und Geſellſchaft und Gefpräcd gewannen dann vielleicht doppelt dabey.

Bianca. Wenigftend werden mir Seine Durch⸗ Taucht verzeihen, wenn ich nicht, ohne vorher die Er⸗ laubniß meines Gemahls zu erhalten, meine Maß⸗ regeln nehme,

Mondr. Eine zu große Beſcheidenheit, ſchönſte Signora, unter Umftänden, wie Ihre gegenmwäre tigen find. (Sie ſchweigt und blidtt zus Erde; er nad einer Pauſe von einer Minute) Ausgefahren find alfo bes. veitd Signor Bonaventuri?

Meißners Blanca Gap. 1. Thi. g

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Bianca. Ausgefahren! . Mondr Darf.ih Sie fragen: Wohin? Bianca. Ich weiß es ſelbſt nicht.

Mondr. Vielleicht zu Signora Kaffandra S giani?

Bianca, Moglid!

Mondr. Wenigftensd glaubte id) feinen W unweit dieſer Wohnung halten zu ſehen.

Bianca. So? |

Mondr, (mit leicht zu deutendem Blick und als er ihre Hand ergreifen wollte.) Arme Eignora Bianca

Bianca Gufſtehend. Signor werden verzeihe

Monde. (der fie, jedoch mit großer Ghrfurdt | hätt) Nein, Signora Bianca, verzeihen Sie lieber, wenn ih Sie jest noch nicht von binnen | "Die Befehle meines Gebiethers find noch nicht endet. (Sie ficht ihn etwas verwundernd ap. faßt fid und Bleibt. Er fährt mit geänderten Tone fort.) Arme | nora, wie vertraut müſſen Sie bereits mit Il Kummer an dem aud ſchon unfer ganzer : vorzüglich aber unfer Gebiether Antheil nimmt worden feyn, daß Cie fo ganz gelaffen ben 9 men einer Perfon anhören. können, von we doch all dieſer Mißmuth ihnen zuwaͤchſt!

Bianca (fepr ernſt. Signor Mondragone, ſetzte mich wieder, um zu hören, was Sr. D laucht mir zu befehlen gefalle; nicht aber um mein Schickſal mit Ihnen zu ſprechen. Noch ich mich über dasſelbe, ſo viel ich weiß, gegen mand, am allermindeſten gegen Sie beklagt.

Mondr. Weil Sie nicht wiſſen, mit wel Grad der Ehrfurcht ich mich Ihnen verpflichtet fi

6 - und wie ſehr die unanftändige Aufführung Ihres Ges mahls auch mich Eränft. Mein Vorwort *) bauptfägs Ih war es, was ihn, und zwar bloß I Spretwegen,, auf dieſen glänzenden Polten erhob; hätte ih das mahls gewußt, wie ſehr er fein Glück mißbrduchen J würde

"Mianca (beireten.) Mißbrauchen? Mißbrau⸗ u.

hen, Eignor? Wann that er Das? Mondr. Sites nicht der höchſte, möglichfte Miße brauch , nicht des Unfinns oberfter Grad , Bianca eine Kaſſandra vorzuziehen? Bianca'n, der, fo bald fie winfte, Alles, was Florenz Großes und Edles bat, zu Füßen fallen würde, einer wollüjtigen, beirfch« ſüchtigen Buhlerinn nachzuſetzen, die fhon manches bäuslihe Glück zertrümmerte, mander tugendhaften Gattinn ihren Gemahl entriß, und diefen dann fies der dem Erfien dem Bellen durchreifenden Deutfgen Preis gab. = Bianca. Nein, Signor, halten Sinein! Ih wiederhoptl" ed Ihnen, daß ich nicht begreife, was Sie” bewegen kann, fih nit Einmiſchung in dieſe Sache zu belaͤſtigen? Auch iſt das Vergehen, das Sie meinem Gemahl beymeſſen, noch lange nicht ſo ganz gewiß, fo unläugbar, wie Sie es anzunehmen

) Man überfehe nicht, daß Die nun fchen der zweyte Häfs fing ift, der fib einer Mifiwerfung su Bonaveı teri's Grück rühmt; denn feeylih hat diefe Art von Leuten immer die Menſchenliebe, ſich dasjenige Gute zugufchreiten, was ſie nicht bewirften ; und Dafür, die Beſcheidenheit,

R das Böfe zu verſchweigen, was fie wirklich thaten.- vr. Q 2

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Belieben. Ein flüchtiger Gedanke, der von de dern Seite gleih ald Ernft aufgenommen eine Höflichkeit, etwas unſchicklich angebr und die euch Männern fo gewöhnliche Begierde, als einer unferd Geſchlechts zugleich ben Hof zu chen das Alles hat vieleicht einigen Schein ; Pietro erregt, ohne ihn depfalld im eigentlichen des Worts ftraflich zu maden. Zudem iſt fein tragen gegen mic) von einer folhen Beſchaffenhei Doch vergeben Ste mir, ich vergaß mid). da ich gar nicht von diefen Sachen fprechen will - Monde. Ceinfaltend.) Werden Sie aufs edge thigfte die Vertheidigerinn eines Mannes, der ı lich diefer Vertheidigung längft fhon univerth waı Ein bloßer Schein, fagen Sie? Nein, fhönfte Bic fhändlih ift Derjenige, der eines bloßen Verd halber Glück und Srieden feines Nächften ſtoͤrt; doppelt fhändlih wäre id) dann, wenn ich den Fr einer fo reizenden und würdigen Dame vergiftete. feit einigen Wochen ſchon ein Jeder ind Ohr fid fterte, überbörte ich; was ich felbft nur halb mochte ich lieber gar nicht gefehen haben : erſt als Argwohn in Gewißheit fih verkehrte, Fam ic und nun (indem er ihr einen verfiegelten Brief i tpet) Eennen Sie diejed Pettfhaft und diefe Han! Bianca (gleich dem erfien Blick äußert betr Sie haben Recht, es ift vom Bonaventuri. Mondr. Und die Auffhrift? An wen? Bianca. Öraufamer! Wollen Sie meine meiner Schmad noch fpotten $ Sagen Cie, wie men Sie zu diefem Briefe?

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Monde. Sey Das gefhehen, wie da wolle Genug, es ift ein Brief-Ihres Gemahls an Kaſſandra, und es ſteht nur bey Ihnen, ihn zu erbregpen.

Bianca (die fin ſchnell faßt.) Alfo iſt er Dos noch nicht ?

Monde. DO nein! Niht mir ziemte es, in bie Geheimniſſe Bonaventuri's eindringen zumwollen; aber . wohl haben Sie ein Recht dazu.

Bianca (mie etwas Bittere.) Würden Sie Das wirklich im ähnlichen Fall Ihrer Gemahlinn zugeftes ben? (alsbald wieder mis dem Tone der: Würde und ine dep fie den Brief annimme.) Signor Mondragone! ob ih dafür Ihnen danken fol, daß Sie mir über« haupt dieß Schreiben braten, Das ſtehe ih noch zu entſcheiden an. Aber wenigftens danke ich Ihnen daflır, daß Sie es ſo mir brachten. Es bleibt nun ſo.

Mondr. (gan erRaunt.) Wie, Signora, und Sie wollten

Bianca (liacheind. Bloß Ih re m Benfpiele fol⸗ gen, und nicht in die Geheimniſſe eines Andern mich eindrängen! Pietro Bonaventuri iſt gegen Sie nur ein Fremder, gegen mich iſt ee Ehegemahl und Herr. Was Ihnen in Rückſicht feiner nicht ziemt, ift mir fogar verbothen. Ananftändig wäre das Aufs brehen ded Briefed von Ihnen gewefen, von mir wäre es fogar fträflih. Nochmahls, Gignor Mondra- gone, ich banfe Ihnen von ganzem Herzen, daß Sie dieſes Schreiben mir fo braten. (Sie will gehen, er hätt fie abermahls.)

Mondr. Und den Auftrag meines gnäbigfen Herrn alſo wollen Ste nicht hören ?

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| Bianca (verdrießtih.) Wie oft werden Cie - pon diefem Auftrage fprehen, den Sie gleich & erften Morte wieder vergeflen, um auf Nebenwe auszufhwerfen, wo

Mondr. Wo man freylih meiner guten Ab den Dank verweigert, den ſie verdiente.

Bianca (ſpottend.) Ihrer guten Abſicht? Mondragone ! Die Peftluft des Hofes bat mich 3 nicht ſchon in der Wiege vergiftet; aber doch ˖ bin nicht unerfabren genug, durd eine Heucheley di Art mich hintergehen zu laſſen. Es gibt Gifte, man, auch ohne Arzt zu ſeyn, kennt, und die, T einer leichten uͤberzuckerung „ſich bald verrathen. Aber ſieh da, ſchon komme ich ſelbſt wieder von

i Hauptſache aa! Was Sie im Nahmen Er. Du

laut mir zu fagen haben, wünſche ih nun ju- wii] wünſche es fo Eur; als möglich. |

Mondr So kurz als möglich! Ich mei Tbeils brauchte eigentlich nur ſehr wenig, ober nichts zu reden; denn Er ſelbſt ſchon hat geredet. biethet ihr ehrerbiethig noch einen Brief an.) Nehmen hier, ſchöne, beneidenswürdige Bianca!

Bianca (keſtüczt.) Wie ein Brief vom Großl zog? ein Brief an mich? Unmöglich!

Mondr. Und doh wahr! Eignora! ı nüßt diefes lange Zaudern, diefed Verftellen von ® feit8 und Dießſeits? Wer wüßte es nit, daß St Körpers trefflidie Reize das Herz des edelften Für bezwungen haben, und daß ihn die noch größern X trefrlichkeiten Zhrer Seele auf immer zu Ihrem © ven madten?

Bianca. Das wüßte gr

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Mondr. Ällerdings! denn wie waͤre es moͤglich, daß am ganzen Hofe Ste, eben Sie! die einzige Unwiſſende ſeyn follten? Aber wenn Sie Diefe denn ja waren wohlan, fo erfahren Sie hiermit , ſchoͤn⸗ ſte Signora, daß das Herz unſers angebetheten Zür- ften für Sie von einer Gluth entbrannt ift, wie er noch nie eine fühlte. Er, in dem wir Alle leben, Tebt nur in diefer Liebe. Durch gegenwärtigen Brief und durh meinen Mund fragt er Ihnen feine innigſte Zärtlichkeit, trägt Jhnen nebft Gewährung jeder Ih: ver Forderungen, noch Alles, was Hof und Pracht und Stand vermögen, freudig an, fo bald Sie ıhm er: lauben

Bianca. Nein, Mondragone, nur allzu lange habe ich Sie jetzt reden laſſen; denn das uͤberraſchende bey einer ſo heuchleriſchen Hinterliſt, bey einem ſo tückiſchen Fallſtrick machte mich auf einige Augenblicke betäubt und ſtumm. Ja, ja, Hinterliſt und Fallſtrick ſage ih; und Dieß von Niemanden, als von Ihnen ſelbſt. Alles, was Sie da ſprachen wem Sie es nachſprechen, weiß ich nicht, und will es auch nicht wiſſen; aber von unſerm edelmüthigen Fürſten Eommt es ficher nicht. Er Eennt zu gut. die Pflihten eines Negenten und eines jeden’Standes; ihm ift zu fehr Alles, was der Tugend heiligen Nah⸗ men führt, werth und ıheuer, als nad einem Rafter . zu ſtreben. Er genoß ſicher ſchon der echten "Spende genug, als in einer Liebe Vergnügen zu finden‘; die von jeder Seite her ebebrecherifch feyn würde, und die Kein Wort mehr; verlaſſen Sie mich ſo bald als moͤglich! !

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Bianca. Ausgefahren! . Mondr. Darf ih Sie fragen: Wohin? Bianca. Ich weiß es ſelbſt nicht.

Mondr. Vielleicht zu Signora Kaffandra Bon⸗ giani ?

Bianca, Möglich!

Mondr. Wenigftens glaubte ih feinen Wagen unweit Biefer Wohnung halten zu feben.

Bianca. So?

Mondr, (mit leichte zu deutendem Blick und als wenn

er ihre Hand ergreifen wollte.) Arme Eignora Bianca!

Biancaxauffehend.) Signor werden verzeihen

Mondr. (der fie, jedoch mit großer Ehrfurcht zurück part.) Nein, Signora Bianca, verzeihen Sie mir lieber, wenn ih Sie jest noch nicht von binnen laffe, "Die Befehle meines Gebiethers find noch nicht voll- eridet. (Sie fieht ihn etwas verwundernd an, faße fih aber und Eleibt. Er fährt mit geändertem Tone fort.) Arme Öigs nora, wie vertraut müllen Sie bereit mit Shrem Kummer an dem auch fhon unfer ganzer Hof, : vorzüglich aber unfer Gebiether Antheil nimmt ges worden feyn, daß Sie fo ganz gelaffen ben Nabs men einer Perfon anhören können, von welder doch all diefer Mißmuth ihnen zuwächſt!

Bienca (febr ernf.) Signor Mondragene, id feste mich wieder, um zu hören, was Sr. Durch⸗ laucht mir zu befehlen gefalle; nicht aber um über men Schickſal mit Ihnen zu fpreben. Noch habe ich mich über dasfelbe, fo viel ich weiß, gegen Nies mand, am allermindeften gegen Sie beElagt.

Monde Weil Sie nıdht wilfen, mit weld-m Grad der Ehrfurcht ich mich Ihnen verpflichtes fühle,

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und wie ſehr die unanſtändige Aufführung Ihres Ges

mahls auch mich kränft. Mein Vorwort *) hauptſäch⸗

ih war ed, was ihn, und zwar bloß S Spretwegen, , auf tiefen glänzenden Poſten erhob; hätte ih da: mabls gewußt, wie fehr er fein Glück mißbrduchen u wirde = Bianca (Betreten.) Mißbrauchen? | Mißbrau⸗ chen, Signor? Wann that er Das? v Mondr. Sites nicht der höchſte, möglichſte Miß— brauch, nicht des Unſinns oberſter Grad, Bianca eine Kaſſandra vorzuziehen? Bianca'n, der, ſo bald fie winkte, Alles, was Florenz Großes und Edles bat, zu Füßen fallen würde, einer wollüſtigen, Berrfch« ſüchtigen Buhlerinn nachzuſetzen, die fhon manches haͤusliche Glück zertrümmerte, mancher tugendhaften Gattinn ihren Gemahl entriß, und dieſen dann wies der dem Erſten dem Beſten durchreiſenden Deutſchen

Preis gab. |

=, Bianca. Nein, Signor, haften Siaein! Ich wiederhohl⸗ es Ihnen, daß ich nicht begreife, was Sie bewegen kann, ſich nit Einmiſchung in dieſe Sache zu belaͤſtigen? Auch iſt das Vergehen, das Sie meinem Gemahl beymeſſen, noch lange nicht ſo ganz gewiß, fo unläugbar, wie Sie es anzunehmen

*) Man überfehe nicht, daß Dieb nun ſchon der zwente Hoͤf⸗ ling iſt, der ſich einer Mifwirkung zu Bonaven tri's Giück rühmt; denn freylich hat dieſe Art von Leuten immer die Menſchenliebe, ſich dasjenige Gute zuzuſchreiben, was

Dur? nidt bewirkten; und dafür die Beſcheidenheit, das Boͤſe zu verſchweigen, was fie wirklich thaten.

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nn 164 were belieben. Ein flüchtiger Gedanke, der von de

. dern Seite gleih als Ernft aufgenommen

eine Hoflichkeit, etwad unſchicklich angebr und die euch Männern fo gewöhnliche Begierde, als einer unfers Geſchlechts zugleich den Hof zu chen das Alles hat vieleiht einigen Schein ; Pietro erregt, ohne ihn deßfalls im eigentlihen des Worts ſträflich zu machen. Zudem ift fein tragen gegen mid) von einer ſolchen Beſchaffenhei Doch vergeben Ste mir, ich vergaß mid. da ich gar nicht von diefen Sachen fprechen will - Monde. (einfallend.) Werden Sie aufs ede thigfte die Vertheidigerinn eines Mannes, der n lich diefer Vertheidigung längft fhon unwerth waı Ein bloßer Schein, fagen Sie? Nein, fhönfte Bi. fhändlicy ift Derjenige, ber eines bloßen Werd halber Glück und Frieden feined Naͤchſten ſtoͤrt; doppelt [handlich wäre id) dann, wenn ich den Fr einer fo reizenden und würdigen Dame vergiftete, feit einigen Wochen ſchon ein Jeder ind Ohr fid fterte, überhörte ih; was ich felbft nur halb mochte ich lieber gar nicht gefehen haben : erſt als Argwohn in Gewißheit fih verkehrte, Fam id und nun (indem er ifr einen verfiegelten Brief & thet) Eennen Sie diejes Pettfchaft und diefe Hand Bianca (gieih deym erſten Blick äußern betr Sie haben Recht, es ift vom Bonaventuri. Monde. Und die Aufſchrift? An wen? Biance. Graufamer! Wollen Sie meine meiner Schmach noch fpotten ? Sagen Sie, wie men Sie zu diefem Briefe?

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Monde. Sey Das gefchehen, wie da wolle Genug, es ift ein Brief Ihres Gemahle an Kaſſandra, und es fteht nur bey Ihnen, ihn zu erbrechen.

Bianca (die fin ſchnell faßt.) Alfo ift er Das noch niche ? |

Mondr. O nein! Nicht mir ziemte ed, in bie Geheimniſſe Bonaventuri’s eindringen zuwollen; aber wohl haben Sie ein Recht dazu.

Bianca (mis etwas Bitterteit. Würden Sie Das wirklich im ähnlichen Fall Ihrer Gemahlinn zugeſte⸗ hen? (altdald wieder mis dem Tone der Würde und ine dee Fe den Brief annimme.) Signor Mondragone! ob ih dafür Ihnen danken foll, daß Sie mir über⸗ haupt dieß Schreiben brachten, Das ftehe ih noch zu entſcheiden an. Aber wenigftens danke ich Ihnen dafür, daß Sie es fo mir brachten. Es bleibt nun fo.

Mondr. (ganp erftaun.) Wie, Signora, und Sie wollten

Bianca (acqcelnd.) Bloß Ihrem Benfpiele fols gen, und nicht in bie Geheimniſſe eines Andern mid eindrängen! Pietro Bonaventuri ift gegen Sie nur ein Fremder, gegen mich ift er Ehegemahl und Herr. Was Ihnen in Rückſicht feiner nicht ziemt, ift mir fogar verbothen. Unanftändig wäre das Aufs brechen des Briefe von Ihnen gewefen, von mir wäre ed fogar ſträflich. Nochmahls, Gignor Mondra- gone, ich danke Ihnen von ganzem Kerzen, daß Sie diefe6 Schreiben mir fo braten. (Sie wii gehen, er Hals fe abermahls.)

Monde. Und den Auftrag meines gnöbigften Herrn alfa wollen Ste nicht hören ?

wess 166 en. , Bianca (verdrießlich Wie oft werben Eie - pon diefem Auftrage fprehen, den Sie gleich b erften Morte wieder vergeſſen, um auf Nebenwe auszuſchweifen, wo

Mondr. Wo man freylih meiner guten Ab den Dank verweigert, den ſie verdiente.

Bianca (vottend.) Ihrer guten Abſicht? Mondragone! Die Peſtluft des Hofes hat mich 3 nicht ſchon in der Wiege vergiftet; abet dod- bin nicht unerfahren genug, durd eine Heucheley di Art mid bintergeben zu laſſen. Es gibt Gifte, man, aud) ohne Arzt zu ſeyn, Eennt, und die, 2 einer leichten Überzucerung fid) bald verrathen. Aber fieh da, fon komme ich felbft wieder von

= Hanptfahe ab! Was Sie im Nahmen Er. Du

laucht mir zu fagen haben, wünſche ich nun zu wi wünſche es fo Eurz ald möglich.

Mondr. So kurz als möglich! Ich mei Theils brauchte eigentlich nur ſehr wenig, oder nichts zu reden; denn Er ſelbſt ſchon hat geredet. biethet ihr ehrerbiethig noch einen Brief an.) Nehmen f hier, ſchöne, beneidenswirdige Bianca!

Bianca (beſtüczt.) Wie ein Brief vom Großl zog? ein Brief an mich? Unmöglich!

Mondr. Und doch wahr! Eignora! ı nüßt dieſes lange Zaudern , dieſes Verftellen von ® ſeits und Dießſeits? Wer wüßre es nicht, daß St Körpers trefflile Reize dus Herz des edelften Zür bezwungen haben, und daf ihn die noch größern T tieftlichkeiten Ihrer Seele auf innmer zu Ihrem Se ven madten? '

Bianca. Das wüßte ir

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Monde, Ällerdings! denn wie waͤre es moͤglich, daß am ganzen Hofe Sie, eben Sie! die einzige Unwiſſende feyn follten? Aber wenn Sie Diefe Nenn ja wären wohlan, fo erfahren Sie hiermit, fehöne fte Signora, daß das Herz unferd angebetheten Zür- ften für Sie von einer Gluth entbrannt it, wie er noch nie eine fühlte. Er, in dem wir Alle leben, Tebt nur in diefer Liebe. Durch gegenwärtigen Brief und durh meinen Mund tragt er Ihnen feine innigſte Zartiihkeit, trägt Ihnen nebit Gewährung jeder Ihe ver Sorderungen, noch Alles, was Hof und Pracht und Stand vermögen, freudig an, fo bald Sie ıhm ers lauben |

Bianca. Nein, Montragone; nur allzu lange babe ih Sie jeßt reden laſſen; denn das uͤberraſchende bey einer ſo heuchleriſchen Hinterliſt, bey einem ſo tückiſchen Fallſtrick machte mich auf einige Augenblicke betäubt und ſtumm. Ja, ja, Hinterliſt und Falaſtrick fage ih; und Dieß von Niemanden, als von Ihnen ſelbſt. Alles, was Sie da ſprachen wem Sie es nachſprechen, weiß ich nicht, und will es auch nicht wiſſen; aber von unſerm edelmüthigen Fürſten kommt es ſicher nicht. Er kennt zu gut die Pflichten eines Regenten und eines jeden’&tandes; ihm iſt zu ſehr Alles, was der Tugend heiligen Nah⸗ men führt wertb und theuer, als nach einem Laſter zu ſtreben. Er genoß ſicher ſchon der echten Freunde genug, als in einer Liebe Vergnügen zu finden die von jeder Seite ber ehebrecherifch feyn würde, und bie Kein Wort mehr; verlaffen Eie mic fo bald als möglich ! !

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Bianca. Ausgefahren! .. Mondr. Darf ich Sie fragen: Wohin? Bianca, Ich wejß es ſelbſt nicht. Mondr. Vielleicht zu Signora Kaffandra 9 giani? Bianca. Moͤglich! Mondr. Wenigſtens glaubte ich ſeinen W unweit dieſer Wohnung halten zu ſehen. Bianca. So? | Mondr. (mit leicht zu deutendem Bid und als er ihre Hand ergreifen wollte.) Arme Eignora Bianca Biancarauffehend.) Signor werden verzeihe Mondr. (ver fie, jedoch mit großer ChHhrfurdt | hätt.) Nein, Eignora Bianca, verzeihen Sie lieber, wenn ih Sie jest noch) nit von hinnen | "Die Befehle meines Gebiethers find noch nicht endet. (Sie ficht ihn etwas verwundernd an. faßt fid und Bleibt. Er führt mit geändertem Tone fort.) Arme | nora, wie vertraut müſſen Sie bereitd mit 3 Kummer an dem auch ſchon unfer ganzer « - vorzüglid aber unfer Gebiether Antheil nimmt worden feyn, daß Sie fo ganz gelaſſen ben 9 men einer Perfon anhören Fonnen, von we doch al diefer Mißmuth ihnen zumädft ! Bienca (fepr ernf.) Signor Mondragone, feste mid wieder, um zu hören, was Sr. D laucht mir zu befehlen gefalle; nicht aber um mein Schicdfal mit Ihnen zu fpreden. Noch ich mich über dasſelbe, fo viel ich weiß, gegen mand, am allermindeften gegen &ie beflagt. Monde Weil Sie nıcht willen, mit wel

Grad der Ehrfurcht ih mich Ihnen verpflichtes fi

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und wie fehr die unanftändige Aufführung Ihres Ges

mahls aud mich kräänkt. Mein Vorwort *) bauptſäch⸗

lich war es, was ihn, und zwar bloß? Ibretwegen, auf dieſen glänzenden Poſten erhob; hätte ich das mahls gewußt, wie fehr er fen Glück migßrhugen J würde u "Mianca (beireten.) Mißbrauchen? Mißbrau⸗ | hen, Signor? Wann that er Das? BE Mondr. Iſt es nicht der höchſte, möglichfte Miß: brauch , nicht des Unfinns oberfter Grad , Bianco | eine Kafandra vorzuziehen? Bianca'n, der, fo bald fie winfte, Alles, was, Florenz; Großes und Edles bat, zu Füßen fallen würde, einer wollüjtigen, herrſch⸗ ſüchtigen Buhlerinn nachzuſetzen, die fhon manches

haͤusliche Glück zertrümmerte, mander tugendhaften .

Gattinn ihren Gemahl entriß, und diefen dann wies ber dem Erſten dem Beſten durchreiſenden Deutfhen

Preis gab. = Bianca. Nein, Signor, halten Sie ein! I wiederhohl⸗ es Ihnen, daß ich nicht begreife, was Sie bewegen kann, ſich nit Einmiſchung in dieſe Sache zu belaͤſtigen? Auch iſt das Vergehen, das Cie meinem Gemahl beymeſſen, noch lange nicht ſo

ganz gewiß, ſo unläugbar, wie Sie es anzunehmen

) Man überſehe nicht, daß Dieß nun ſchon der zweyte Höf⸗ fing iſt, der fi einer Mifwirfung zu Bonaventeri's Grüd zühmt; denn feeylih hat diefe Art von Leuten immer die Menſchenliebe, ſich Datienıge Gute zuzuſchreiben, was fie nicht bewirtten; und dafür, die Beſcheidenheit, das Böfe zu verſchweigen, was fie wirklich thaten.

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belieben. Ein flüchtiger Gedanke, der von de

. dern Seite gleih als Ernft aufgenommen

eine Höflichkeit, etwas unſchicklich angebr und die euch Männern fo gewöhnliche Begierde, als einer unſers Geſchlechts zugleich den Hof zu chen das Alles hat vielleicht einigen Schein 9 Pietro erregt, ohne ihn deßfalls im eigentliden des Worts fteraflich zu machen. Zudem iſt fein tragen gegen mid) von einer folhen Beſchaffenhei Doch vergeben Ste mir, ich vergaß mid. da ich gar nicht von diefen Sachen ſprechen will - Monde. Leinfatiend.) Werden Sie aufs edy thigfte die Vertheidigerinn eined Mannes, der n lich diefer Vertheidigung längft fhon unwerth wa: Ein bloßer Schein, fagen Sie? Nein, (hönfte Bis fhändlicy ift Derjenige, ber eines bloßen Werd halber Glück und Frieden feines Naͤchſten ſtoͤrt; doppelt [händlih wäre ich dann, wenn ich den Fr einer fo reizenden und würdigen Dame vergiftete, feit einigen Wochen ſchon ein Jeder ind Ober fid fterte, überhörte ich; was ich felbft nur halb mochte ich lieber gar nicht gefehen haben: erſt als Argwohn in Gewißheit ſich verkehrte, kam ich und nun (indem er ihr einen verfiegelten Brief % thet) Eennen Sie diejes Pettfchaft und diefe Hand Bianca (gleich beym erfien Blick äußern betr Sie haben Recht, es ift vom Bonaventuri. Monde. Und die Aufſchrift? An wen? Bianca. Graufamer! Wollen Sie meine: meiner Schmach noch fpotten ? Sagen Sie, wie men Sie zu diefem Briefe?

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Mondr. Sey Das gefhehen, wie da wolle Genug, es ift ein Brief Ihres Gemahls an Kaffandra, und es flieht nur bey Ihnen, ihn zu erbrechen.

Bianca Lie fin ſchnell Tape.) Alfo ift er Das noch nicht 9

Mondr. O nein! Nicht mir ziemte es, in bie Geheimniſſe Bonaventuri’s eindringen zu wollen; aber wohl haben Sie ein Recht dazu.

Bianca (mie etwas Bitterteie.) Würden Sie Das wirklich im ähnlichen Fall Ihrer Gemahlinn zugeftes hen? (attbatd wieder mis dem Tone der Würde und ine Dem fie den Meist annimut.) Signor Mondragone! ob ich dafür Shnen danken fol, daß Sie mir über⸗ haupt dieß Schreiben brachten, Das ftehe ih noch zu entfcheiden an. Aber wenigftens danke ich Shnen dafür, daß Sie es fo mir brachten. Es bleibt nun fo.

Mondr. (gany erſtaunt.) Wie, Gignora, und Sie wollten

Bianca (läachelnd. Bloß Ihrem Benfpiele fols gen, und nicht in die Geheimniſſe eines Andern mich eindrängen! Pietro Bonaventuri ift gegen Sie nur ein Fremder, gegen mich ift ee Ehegemahl und Herr. Was Ihnen in Rückſicht feiner nicht ziemt, ift mir fogar verbothen. Unanſtaͤndig wäre das Aufs brechen des Briefed von Ahnen gewefen, von mir wäre es fogar fträflih. Nochmahls, Gignor Mondras gone, ih danke Ihnen von ganzem Herzen, daß Sie. diefe& Schreiden mir fo braten, (Sie will gehen, er Hals fie abermahls.)

Monde. Und den Auftrag meines gnäbigften Herrn alfo wollen Ste nicht hören ?

. we. ı66 OR , | Bianca (verdrießfih.) Wie oft werben Eie vpon diefem Auftrage fprehen, den Cie glei & erften Morte wieder vergeflen, um auf Nebenwe auszuſchweifen, wo Mondr. Wo man freylih meiner guten a ben Dank verweigert, den fie verdiente. Bianca (vpottend.) Ihrer guten Abſicht? Mondragone! Die Peſtluft des Hofes hat mich z nicht ſchon in der Wiege vergiftet; abet dod- bin nicht unerfahren genug, durd eine Heucheley di Art mich hintergehen zu laſſen. Es gibt Gifte, man, auch ohne Arzt zu ſeyn, kennt, und die, T einer leichten uͤberzuckerung, ſich bald verrathen. Aber ſieh da, ſchon komme ich ſelbſt wieder von

= Hauptfahe ab! Was Sie im Nahmen Er. Du

laut mir zu fagen haben, wünſche ih nun zu wiſſ wünſche es fp kurz ald möglich. |

Mondr. So kurz ald möglich! Ich mei Theils brauchte eigentlich nur ſehr wenig, oder nichts zu reden; denn Er ſelbſt ſchon hat geredet. biethet ihr ehrerbiethig noch einen Brief an.) Nehmen £ bier, ſchöne, beneidenswürdige Bianca!

Bianca (Ceſtüczt.) Wie ein Brief vom Groß zog? ein Brief an mich? Unmöglich!

Mondr. Und doh wahr! Kignora! ı nüßt diefes lange Zaudern, dieſes Verftellen von © feit8 und Dieffeits? Wer wüßte ed nicht, daß SL Körpers trefflide Reize das Herz des edelften Zärı bezwungen haben, und daß ihn die noch größeren 7 trefflichkeiten Ihrer Seele auf immer zu Ihrem Se ven nmadten?

Bianca. Das wüßte Fre

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Mondr. Ällerdings! denn wie wäre es möglich, daß am ganzen Hofe Ste, eben Sie! die einzige Unwiſſende feyn follten? Aber wenn Sie Dieſe denn ja wären wohlan, fo erfahren Sie hiermit, ſchoͤn⸗ fte Siguora, daß das Herz unferd angebetheten Zür- ften für Sie von einer Gluth entbrannt it, wie er nod nie eine fühlte. Er, in dem wir Alle leben, lebt nur in diefer Liebe. Durch gegenwärtigen Brief und durh meinen Mund tragt er Shnen feine innigſte Zärtlichkeit, trägt Ihnen nebjt Gewährung jeder Ih: ver Sorderungen, noch Alles, was Hof und Pradt und Stand vermögen, freudig an, fo bald Sie ihm er- lauden

Bianca. Mein, Mondragone; nut allıu lange babe ich Sie jeßt veden laffen; denn das uͤberraſchende bey einer ſo heuchleriſchen Hinterliſt, bey einem ſo tückiſchen Fallſtrick machte mich auf einige Augenblicke betäubt und ſtumm. Ja, ja, Hinterliſt und Falaſterick ſage ich; und Dieß von Niemanden, als von Ihnen ſelbſt. Alles, was Sie da ſprachen wem Sie es nachſprechen, weiß ich nicht, und will es auch nicht wiſſen; aber von unſerm edelmuͤthigen Fürſten kommt es ſicher nicht. Er kennt zu gut die Pflichten eines Regenten und eines jeden Standes; ihm iſt zu ſehr Alles, was der Tugend heiligen Nah men führt, werth und heuer, ald nad) einem Lafter . zu itreden. Er genoß ſicher ſchon der echten Freude genug, als in einer Liebe Vergnügen zu finden, die von jeder Seite ber ebebrecherifch feyn würde, und die Rein Wort mehr; verlaffen Sie nid fo bald als möglich !

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Monde. Ehebrecherifch ? Laſterhaft! Mohr! orte, die hart Elingen, und ungerecht oben br find I Sind Fürſten ihrerfeits nicht erhaben über Geſetze der untergeordneten bürgerlichen Geſellſcha Kann Vergeltung einer fo lange geduldig ertragen Untreue bey Bianca ein Ehebruch heiffen ? Ka Bonaventuri Über Entziehung eined Gutes klage das er felbit vorher fo ſchändlich vernadhläffigte $ ° der Fürft , der ihn durch Übertragung glänzenber 9 ſten und unermeßlicher Reichthümer entſchaͤdigt, ni mehr als zu gütig? Und ift Tugend niche allzu fren

wenn fie auch der Liebe allmaͤchtigem Rufe | Bianta kon.) Daß ih mich etwa herablie mit Shnen Über Dinge zu ſtreiten, die freylih Gin lingen von gemeinem Schlage ein fünfter Weltth find? über Zugend und innere Empfindung! Gem daß die Meinige nie zu einer Buhlſchaft ſich erniebrig wird! Benug, daß Kranz fiher nicht

Monde. Wenn Signora meinen Worten ni tranen will, fo traue fie wenigſtens diefem Briefe (ige ihn wieber darbiethend.)

Bianca. Den ih nit annehmen werbe.

Mondr. (ägend) Nicht? So werde ich | freplih wohl zurück laſſen müffen. (Lege ihn auf Banı.) Signora, ich beſchwoͤre Sie, verſcherzen nit, was hundert tauſend Ihres Gefchlechts für ! beneidenswerthefte GtÄdE erkennen würden; was a freylich auch unter diefen Hunderttaufenden Eeine ganz, ald Sie verdienen könnte. (Gr win sehen.)

Bianca Cipn Hattınd.) Signor, nehmen Ihren Brief mis; ober ich ſchwöre Ihnen bey der |

.. 269 —R& ligen Jungfrau, er bleibt ſo ungenützt ‚fe unerbros gen liegen, wie Sie jegt ihn laſſen!

Mondr. Sie haben Recht; dann wäre er unge⸗ nüßt; und ich nehme ibn alfo zurüd, um fein Sie⸗ gel zu brechen, und ihn fo hier zu laſſen. (Gr gerreige ſchnell das Convert, und entfernt fi noch ſchneller.)

Wohl moͤglich, daß der Schrikt, den Mondragone hier wagte, Manchem, der ihn vernimmt, allzu ge⸗ wagt vorkommen dürfte! Das Schreiben ſeines Zürs fien zumahl von einem Snhalte, wie er bier zu vermuthen ftand, offen liegen zu faflen; es liegen zu laſſen bey einer Dame, die ſich Eurz vorher mit bem Zone des ungekünftelten Ernftes erklärt hatte, es nicht zu lefen; Das ſcheint feinen Auftrag nicht als ein feiner Weltmann, fondern als ein unvorfihtiger Neu⸗ ling beforgt zu haben. Und doch hatte Mondragone gar wohl überdacht, was er that.

Er fing wirklich an, Achtung, ober vielmebf Scheu denn nur der Redliche Tiebt, der Boͤſewicht fürchtet jebe fremde Tugend gegen Bianca’d innere Würde zu gewinnen. Doch war er auch feſt überzeugt, - daß ihre Eiferfucht, fo fehr fie es verberge, geweckt wors den fey. Er hoffte zuverſichtlich, daß weibfiche Neugierde, fo bald er fich entfernt habe, auch hervortreten und dann ganz anders als in feiner Öegenwart handeln wer: de; er erwartete fogar, daß das Selbſtvertrauen auf‘ eheliche Treue fie noch dreifter in ihren Schritten ma⸗ hen, obfhon endlih im Stiche laſſen folle; und ex

vn. 3170 XX rechnete i in allem Dieſen, wenigſtens zu drey Vierth len, nicht unrichtig.

Denn unerwartet war in allem Betracht Bia ca dieſer Streich gekommen. Betroffen, keines We tes fähig, ſtand fie noch da, als ſchon der Höfling we aus ihrem Geſichte, ſchon zur Gartenthür hinaus mc Als fie die Befinnung zurüd erhielt, griff’fie langſa nach jenem, halb auseinander gefhlagenen Papier ſteckte es zu ih ſchweigend, zitternd. Hier Eonn es ja nicht liegen bleiben, wo es fo leicht ein ‚Ander finden Eonnte, und dann gewiß anders, als er ſollt gedeutet haben wurde! Langſam ſchlich fie in ı Gemach zurück. Hier ungelefen die fürftlihe Schri zu vernichten, war ihr anfänglicher Gedanke. Er ve flog, je länger fie ihn überdadte. Wer würde ihr die Verläugnung jemahls geglaubt haben? Womit w fie zu beweifen? Wozu alfo wohl nützlich? Nun fiı fie an zu überlegen, zu bedingen, zu befchränfen, b nad funfjzehn oder fehzehn Minuten der Brief —- g Iefen war. Aber ein Mehreres gab fie auch ihrer Wei lichkeit nicht nah! Der Entſchluß nad diefem Lefei ja vieleicht nach Wiederhohlung deffelben, war nic) wie Mondragone hoffte; war Bianca's würdig. |

Cie gab ihrem Gemahl, ald er ziemlich fpät d Abends nach Hauſe Eehrte, auch mir Eeiner Miene | | verftehen, daß fie wiſſe: woher er komme? Sie me dete ihm bloß die füritlihe Tinladung zur Jagd, ur bath ihr Nichterfheihen deym Ball durch eine Unpäl lichkeit zu entſchuldigen. Bonaventuri verſprgch gern; der Frevler hoffte bey dieſem Feſt Kaſſandi um deſto freyer zu ſehen. Bianca errieth feine © danfen, aber fie verläugnete fo ganz die Landesa

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und ihr Gerhleht überhaupt, daß fie ſchweigen konnte. |

Die Stunden feiner Abweſenheit nügte fie, um. noch genauer jedes Wort zu erwägen, das fie fagen wollte. Der dritte Tag, mit Abſicht von ihr zum Ges ſpräch beſtimmt, Eam und verging. Es war Abend; und die Stunde der Ruhe 'war nicht mehr fern. Bo⸗ naventuri trat, abermahls vom Hofe Eommend, in ihr Gemach; er fand jie an einem Tifhchen figend, in flile ler Schwermuth ihr Haupt auf ihre Nechte geſtützt. Eine Stellung, die ihm ungewöhnlich war! denn ime mer blieb die ın großer Geſellſchaft ftile Bianca; für ihren Gatten im Haufe ein beiteres Weib. Et fland daher eine Minute ftillfehweigend vor, ihr, und da fie ihn Eaum zu bemerken fihten, Eonnte er fih nicht der Frage entbrehen:

„Barum fo außerft ernſthaft? - Barum wohl „gar traurig, Wiebe Bianca?”

Bianca. Ich denke diefem Abende nad.

Bonav. (aufmerffam werdend.) Dieſem Abende ?

Bianca (mit einem ernfihaften Kopffaüttein.) DO, ed ift eine feyerlihde Naht, Bonaventuri, dieſe heutige Made! Nichte fowohl ihrer ſelbſt willen fie müß— te denn Dieß noch im Berfolge werden als vielmehr ihres Andenkens halber. |

Bonav. ch verftehe dich nicht, liebſtrs Weibchen.

Bianca. Was mir weh genug thut! Man vers gißt feinen, oder eines theuren Sreundes Geburts— tag nie fo leiht; und gegenwärtige Nacht war einit die Geburtsnacht unferer ehelichen Verbindung.

Bonav. (ſtutzend. So? Wirklich? Leinen Augen blid nachdenkend.) Es it wahr!

una 1723 a

Bianca. Zwey Jahre nun, daß ich mit eine Schaubder,. der alle Gebeine durchbebte, bey der Eehr von unferer zartlichen Unterredung, bie vaterli Hausthür verfchloffen fand umkehrte und, | weißt ja, in weilen Arme ich flog!

Bonav. 'teine Hand auf ihren halbbloßen Arm qelnd legend.) Was dich doch hoffentlich iegt nicht reu

Bianca (mit einem ſtarren Blick in fein Anger k ee Faum auspätt.), Und auch wohl nicht reuen darf! Nicht wahr, Bonaventuri? Du Tiebft mih noch? «: dem fie feine Hand ergreift.)

Bonav. Wie Das Bianca fragen Eann!

tanca (immer feine Hand haltend, mit noch eenfter: liebevollen Blicke.) Wenigftens Eann fie fragen: ‚Ob fo rein, fo heiß, wie damahls?

Bonav. (mie dem Tone des ſich mühſam zwingend Gewiſſens. Sorein, und heiß!

Bianca. Und aud fo einzigt— Nein, < naventuri, verbirg deine Werlegenheit nicht länge Ein aufeihtig Fehlender ift hundert Mahl mel ald ein Heuchler werd. Einzig! Sa, ih das Wort, dad du nicht zu wiederhohlen vermag jene vorigen erzwangft du noch.

Bonav. (der feine Betretung unter Beleidigtfeyn v Sergen wit.) Erzwangt Fehler? Was foll Das? C wiß, Bianca, ich weiß nicht, wie ich zu biefem Wi wurf komme.

Bianca (mit aufgehobnem Bid) Mächte bes Hi meld und ihr heiligen Märterinnen , die ihr ehemal mie meine Schwäce vergabt, laßt auch diefen ®i wurf. Schwäche und Irrthum gewefen ſeyn! 4 ac) leider! er ift eg nicht. Bonaventuri, verzeih

soon 179 nem

dem Weibe, das dich mehr als fich felder Tiebt, wenn baffelbe die Laft des Kummers, lang genug im Stillen getragen, endlich vor die auͤsſchüttet Biſt du es doch ſelbſt nur, der dieſe Laſt mir auflegt! Bonaven⸗ turi, unſere Liebe iſt nicht mehr gan, wie fie ehemahls war; nicht mebr fo rein, fo wechfelfeitig, wie in jener furdtbaren Nacht.

Bonav. Wenigftend auf meiner Seite

Bianca. Lieber, fprih dieſe Unwahrheit nicht aus! Sch haffe einen jeden Mund, welder fügt, und den Deinigen möchte ich gern ewig lieben und achten zugleih. Sieh, ſchon wirft du bald roth, bald bleich; fhon ftammelft du und ſtockſt; und doch habe ich dus Wort noh nit einmabl. ausgefprohen, wodurd, ich weit mehr noch deine Farbe wegfelnd. deine Zunge fiammelnd machen koͤnnte.

Bonav. (immer veriegener.) Welches Wort?

Bianca. Kaflandra Bongiani!

Bonav. Kaf—— Kaflandra ? Sat ſoll Dieſe! Was meinſt du?

Bianca Du wollteſt es; und meine Vorher⸗ verkündigung iſt eingetroffen!

Bonav. (ſich fallend.) Nein, Bianca, die Roͤ⸗ the, die du mir vorwirfit, und die ich felbft gar wohl fühle, erzeugt nid etwa Scham, fondern Erftaunen, billige Erftaunen, daß meine fonft fo billig, fo edel denfende Gattinn enblid auch ein Mähren glauben Tann, das bloß müßige Pagen und Jagdjunker fih an . irgend einem Regentage ausgedacht haben; Leute, welche glauben, man fey. in jede Dame verliebt, mit der man vielleicht zwey Mahl an einem Balle tanzt,

nn ) 174 . oder über den anbern britien Zag zuweilen zwan Worte fpridt.

" Bianca. Und du beharrft auf deinem Raugne Warnung auf Warnung erfihürtert dich nicht? Gott, ift es dahin gekommen? Sit Dieß derfelde Man der ehemahls mir ſchwur, dafi die Dauer einer Ew keit ſelbſt nicht hinreichend für feine Liebe feyt | mir zuvoreilen wollte in Abgrund und Tod? H weg mit langern Umſchweifen! Taf nicht Rürkere Schr des Trugs noch über dein Haupt fomme; daß ich fel nicht die unfpuldige Urfache Liefer Sünde feyn mög fo (hau her! Werfen ift dieſes Siegel? (Sie ip auf flanden, und hohlt aus ihrem Schrank einen Brief, den fie i jeigt.)

Bonav. (erſchrocken.) Das Meinige.

Bianca (ihn umwendend.) Und die Hand bie: Aufſchrift?

VBonav. (kur ſich.) Gott, wenn Dieß mein » foren gegangener Brief, die Urſache von ſchon mand meiner Zorgen were! (Zaut und zitternd.) Auch D fheint meine Hand zu feyn.

Bianca. Und it es! Iſt dein Brief, an ı Weib geihrieben, mit dem nur müßige Pagen u Jagdiunker dich ind Gerede bringen !— Benaventu bey dem Ewigen, Allwiſſenden! nicht meine Müf nicht Liſt der Eiferſucht verfdaffte mir dıefen Brie bloß der Haß deiner Feinde brachte ihn in meine Haͤ de, und ich gebe ihn dır wieder, wie id ihn empfir SH durfte nur das Ziegel deifelben breden, und | hatte dann ficher der Beweiſe von deiner Untreue ta ſendfältig; aber nein! da nımm ihn bin, nur ſpri wahr fur künftig!

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Bonav. (der gleichſam wie aus einem Traume aufs fährt, und aufnmerffam und mit Erſtaunen den Brief betrachtet.) Wiet— Götter! Bianta! Iſt es möglich! dies fed Siegel?

Bianca mie ſchmerdbaftem Lächeln.) Nun ia! ir noch ganz. |

39 n a v. (mit Teuer ihre Hand ergreifend und küſſend.) Bianca! Weib ohne Gleichen! Engel, der durch Scham mich niederwirft! O wüßteſt du, was dieſer Brief enthalt! (Mit dem Ton der Reue.) Welche Vor⸗ ſchläge! Welche Wünfge! Welche Hirigefpinnfte ! Ä

Bianca. Mag ich fie doch nit wien! Beifer“ freylich, diefes Schreiben wäre nie gefchrieben, aber da es Dieß einmahlift, fg vergehe es fo! (Sie halt den Brief am die Flamme des Lichte; und verbrennt ihn.) |

Bonav. Edelſtes Weib auf Gottes weiter Erde! (Indem er fie umarmen will, bebt er zurüd.) Mein, nein, ic bin es nicht werth dich zu berühren! (@r fällt aufs Knie.) Nicht werth, ach nicht werth einmahl, den tiefſten Saum dieſer Gewaͤnder

Bianca. Bonaventuri! Mann! Eteh auf! Er⸗ niedrige dich nicht tiefer, als ich ſelbſt es wuͤnſchte! (Sie hebt ihn empor.) Fliegſt du nur anders mit inniger Reue, mit verjüngter Zärtlichkeit in meine Arme; o fo haben diefe Arme nie di brünftiger umfhlungen ; fo habe ich dich nie glühender an meinen Buſen gedrüdt. (Die küßt ihn, und ſieht ihn ſtarr an, der die Augen nicders ſchiägt.. Du antworteft nicht? Du blickſt mich nicht einmahl an? |

Bonav. Darf id Das? Ich, in meinen Augen der Verächtfichfte aller Männer!

son 176 IR

Bianca. Sprich nicht fo! In den Meinigen ‚du immer noch ber. Theuerſte, der Reizendfte, der C ziggeliebte. (ihn küſſend. D. Bonaventuri! D Nacht ift allerdings werth, das Jahresfeſt jener um geßlichen zu feyn; jener GSie läßt ein Paar Thrä fallen.) Sey diefe erfte Thräne unferer Liebe, und di zweyte dem Andenken eines Waters heilig, den id) innig liebte und doch fo Eränfen mußte! Einem? ter ad, daß doch jede rende mit taufı Gram fo nahe verfhwiftert iſt, daß (Inden fie _ ſchneul wit liebevollem Drohen nad Bonaventuri wendet.) % fer, lieber, böfer Mann, wie viel opferte ih bir ni auf!

Bonav. Ya wohl viel! Waterland, After Wohlftand, Rang und Sicherheit gabft du hin, ı Verbannung, Elend und Niebrigkeit mit mir zu th len, und ich id o! Bianca. Guter Bonaventuri! Alles eben | nannte Elingt freylidy rauh; ertrug ſich freylich Anfan ziemlich hart; und war mir doch minder ſchwer zu gen, als mein jetzige s Loos.

Bonadv. (ter fie falfh verficht) Was von nun dir Feinen weitern Stoff zu Klage und Kummer ; ben fol.

Bianca. Nicht? Weißt du auch Das fogewi Kennft du meine ganze Lage

Bonav. (dem Dieß etwas auffänt.) Und follte | fie nicht kennen? Welh ein Geheimnif verfclie Bianca nod) vor mir ?

Bienca Das Peinlihfte, was fie jemahls be

Ja, Bonaventuri, es ift unamgänglicdy nöthi 5 ich endlich den n Steger dir vom Auge reiſſe; ein Schleyer

ea00 177 een.

Schleyer, von dem ich es kaum begreife, wie er nicht ſchon längſt dir von ſelbſt entſank. (mit ſehnell Rare werdendem Htide.) Oder wäre ed, vielleicht ſchon gefches ben? Wußteſt du vielleicht laͤngſt, was ich, um dir Kummer' zu erſparen, gern lebenslang verſchwiegen hätte! Schwiegſt du vielleicht, ganz kummerlos, nur aus Kaltſinn oder Staatsklugheit dazu? Schande, unauslöſchliche Schande komme über dich, wenn Dem alſo wäre! Bonav. Bey Gott, id verſtehe dich nicht! Bianca. Nun ſo iſt Dieß das erſte und das einzige Mahl, daß eine Blindheit von dir mir lieb iſt; wenigſtens lieber als ein vorſetzliches überſehen. Wiſſe, eben diejenigen geringen Reize, die einſt das Glück hatten dich zu beſiegen, haben auch ſchon ſeit geraumer Zeit das Unglück gehabt, die Begierden unſers Großherzogs zu reizen. Bonav. Ceſtaum.) Wie, Franz liebt dich? x Bianca. Wenigitens fpriht er fo. . Bonav, Er liebt. big ? ? Franz? (Paufe und Weq ſet im Ton.) Zwar wer Eönnge dich fehen, und müßte big nicht lieben, Engel im? Weibesgeftalt! Engel, der fetöit in tiefer Eörperlihen Hülle noch einen reichlich durchbrechenden Abglanz ſeiner himmliſchen Herkunft beybehalten hat! lauf feinen Stuhl hinſinkend, und fein Haupt aufſtützend.) Wie fo natürlih! Und doch wie. fo ſchrecklich für mich! (Bid) vor die ˖ Stirne ſchlagend.) Franz dich lieben? Er dich? Ha! nun begreife ich Alles! Alles, nur Das nicht, daß ich Dieß nicht eher begriff! daß ich es hören mußte von dir, und nicht felbft ſah! Aber woher weißt du es? Won ihm ſelbſt | - Meißnerd Blanca Cap. 1. pt. Mm

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nn 270 vos.

rechnete in allem Diefen, wenigftens zu drey Vierthei⸗ B*

len, nicht unrichtig.

Denn unerwartet war in allem Betracht Bian— ca dieſer Dtreih_gefommen. Betroffen, Eeined Wor- tes fähig, ſtand fie noch da, als fhon der Köfling weit aus ihrem Gefichte, fhon zur Gartenthür hinaus war. Als fie die Befinnung zurüc erhielt, griff’fie Tangfam nach jenem, bald auseinander gefhhlagenen Papiere ; ſteckte e5 zu ſich ſchweigend, zitternd. Hier konnte es ja nicht liegen bleiben, wo es fo leicht ein ‚Anderer finden Eonnte, und dann gewiß anders, als er follte, geleutet haben würde! Langſam ſchlich fie in ihre Gemach zurück. Hier ungelefen die fürfilihe Schrift zu vernichten, war ihr anfünglicher Gedanke. Er vers flog, je langer jie ihn überdachte. Wer würde ihr diefe- Verläugnung jemahls geglaubt haben? Womit wär fie zu beweiſen? Wozu alfo wohl nützlich? - Nun fing fie an zu überlegen, zu bedingen, zu befchränfen, bis nad funfzehn oder fehzehn Minuten der Brief —- ger lefen war. Aber ein Mehreres gab fie auch ihrer Weib: lichkeit niye nah! Der Entſchluß nad diefem Lefen, ja vielleiht nah Wiederhohlung deffelben, war nicht, wie Mondragone hoffte; war Bianca’s würdig. |

Cie gab ihrem Gemahl, ald er ziemlich ſpaͤt des Abends nach Haufe kehrte, auch mir Eeiner Miene zu verftehen, daß fie wiſſe: woher er Eomme? Sie mels dete ihm bloß die füritlihe Finladung zur Jagd, und bath ihr Nichterfheihen deym Ball durch eine Unpäß- lichkeit zu entſchuldigen. Bonaventuri verfprah es gern; der Frevler hoffte bey dieſem Feſt Kaſſandra um deſto freyer zu ſehen. Bianca errieth feine Ge⸗ danken, aber ſie verlaͤugnete ſo ganz die Landesart

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und ihr Geſchlecht überhaupt, daß fie ſchweigen konnte. | Die Stunden feiner Abwefenheit nügte fie, um. noch genauer jedes Wort zn erwägen, das fie fügen wollte. Der dritte Tag, mit Abſicht von ihr zum Ges ſpräch beftimmt, kam und verging. Es war Abend; und die Stunde der Ruhe 'war nicht mehr fern. Bo⸗ naventuri trat, abermahls vom Hofe Eommend, in ihr Gemach; er fand jie an einem Tiſchchen figend, in ſtil⸗ ler Schwermuth ihr Haupt auf ihre Rechte geſflützt. Eine Stellung, die ihm ungewo öhnlich war! kenn im⸗ mer blied die ın großer Geſellſchaft ftille Bianca; für ihren Gatten im Haufe ein heiteres Weib. Et fand daher eine Minute flillfehweigend vor, ihr, und da fie ihn Eaum zu bemerken ſchien, Eonnte er ſich nicht der Frage entbrechen: „Warum fo aͤußerſt ernſthaft? Warum wohl „gar traurig, Lebe Bianca!” Bianca. Ich denke dieſem Abende na Bonav. (aufmerffam mwerdend.) Dieſem Abende? Bianca (mit einem ernſthaften Kopfſchüttein.) O, es iſt eine feyerliche Nacht, Bonaventuri, dieſe heutige Nacht! Nicht ſowohl ihrer ſelbſt willen fie müß— te denn Dieß noch im Verfolge werden als vielmehr ihres Andenkens halber. Bonav. Ich verſtehe dich nicht, liebſtrs Weibchen. Bianca. Was mir weh genug thut! Man ver: gift feinen, oder eines theuren Sreundes Geburts tag nice fo leicht; und gegenwärtige Nacht war einit bie Geburtsnacht unferer ehelichen Verbindung. Bonav. (ſutzend. So? Wirklich t teinen Augen blick nachdentend.) Es it wahr!

Bianca. Zwey Jahre nun, daß ich mit eine Schauder, der alle Gebeine durchbebte, bey der Ruͤ kehr von unferer zartlichen Ilnterredung, die väterlic Hausthür verfchloffen fand umkehrte and, | | weißt ja, in weſſen Arme ich flog!

Bonav. '(teine Hand auf ihren halbbloßen Arm qheind legend.) Was dich doc, hoffentlich iegt nicht reu

Bianca (mit einem ſtarren Blick in fein Auge, dd ee zaum auspätt.) Und auch wohl nicht reuen barf! - Nicht wahr, Bonaventuri? Du Tiebft mich noch? « bem fie feine Hand ergreift.)

Bonav. Wie Das Bianca fragen Eann!

tanca (immer feine Hand Haltend, mit noch eenftere liebevollen Btide.) Wenigftens Eann fie fragen: Ob ne fo rein, fo heiß, wie damahls?

Bonav. (mit dem Tone des fi mühlam zwingend Gewiſſens. Sorein, und heiß!

Bianca. Und aud fo einzig? Nein, ® naventuri, verbirg deine Verlegenheit nicht länge Ein aufeihtig Fehlender ift hundert Mahl mel als ein Heuchler werth. Einzig! Ha, ih t das Wort, dad du nicht zu wiederhoßfen vermag jene vorigen erzwangft du noch.

Bonav. (ker feine Betretung unter Beleidigtfeyn v Bergen win.) Erzwang? Fehler? Was foll Das} wiß, Bianca, ich weiß nicht, wie ich zu biefem Wi murf komme.

Bianca (mitaufgehodnem Blick.) Mächte des Hi mels und ihr heiligen Märterinnen , die ihr ehemal mir meine Schwäcde vergabt, laßt audy diefen Bi wurf. Schwädhe und Irrthum gewefen ſeyn! U ac) leider! er ift ed nicht. Bonaventuri, verzeih

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dem Weide, das dich mehr als fich felber liebt, wenn daffelbe die.Laft des Kummers, lang genug im Stillen getragen, endlid vor. dir ausfhhttet ! Bift du ed doch felbit nur, der dieſe Laſt mir auflegt! Bonaven⸗ turi, unſere Liebe iſt nicht mehr ganz, wie ſie ehemahls war; nicht mehr ſo rein, fo wech elſeitig, wie in jener furgtsaren Nacht. |

Bonav. Wenigſtens auf meiner Seite

Bianca. Lieber, ſprich dieſe Unwahrheit nicht aus! Sch haſſe einen jeden Mund, welcher fügt, und den Deinigen möchte ich gern ewig lieben und adıten zugleih. Sieh, fhon wirft du bald roth, bald bleich ; fhon ftammelft du und ſtockſt; und bod habe ih das Wort noh nicht einmahl, ausgefprochen, wodurd, ich weit mehr noch deine Farbe wechfelnd, beine Zunge fiammelnd machen fünnte.

VBonav. (immer verfegener.) Welches Wort?

Bianca. Kaffandra Bongiani!

Bonav. Kaſſ Kaffandra ? Was fol Diefe ? Was meinft du?

Bianca Du wellteft ed; und meine Vorbers verfündigung ift eingetroffen !

Bonav. (fa kaſſend) Nein, Bianca, die Roͤ⸗ the, die du mir vorwirfit, und die ich felbft gar wohl fühle, erzeugt nicht etwa Scham, fondern Erftaunen, billige? Erſtaunen, daß meine fonft fo billig, fo edel denfende Gattinn endlid auch ein Mähren glauben Tann, das bloß müßige Pagen und Jagdjunker fih an . irgend einem Regentage ausgedacht haben; Leute, welche glauben, man fey. in jede Dame verliebt, mit der man vielleicht zwey Mahl an einem Balle tanzt,

DER 174 0 ober über. ben andern dritten Tag zumeilen zwanzig Worte fpridt.

" Bianca. Und du beharrſt auf deinem Laͤugnen? Warnung auf Warnung erfhürtert dich nicht? ©ott, ift es dahin gekommen? Sft Dieß derfelde Mann, der ehemahls mir fhwur, daſi die Dauer einer Ewig⸗ keit ſelbſt nicht hinreichend für ſeine Liebe ſey? der mir zuvoreilen wollte in Abgrund und Tod? Hin— weg mit längern Umſchweifen! Daß nicht ſtärkere Schuld des Trugs noch über dein Haupt komme; daß ich ſelbſt nicht die unſchuldige Urſache Diefer Sünde ſeyn möge; fo ſchau her! Weſſen ift dieſes Eiegel? (Sie iR aufges fanden, und hohlt aus ihrem Schranuk einen Brief, den fie ihm zeigt.) .

Bonav. (erfgroden.) Das Meinige.

Bianca (ihn umwendend.) Und die Hand diefer Aufſchrift?

Vonav. (Ekur ſich) Gott, wenn Dieß mein ver⸗ loren gegangener Brief, die Urſache von ſchon mancher meiner Sorgen ware! (Laut und zitternd.) Auch Das

ſcheint meine Hand zu ſeyn. | Ä Bianca. Und it es! Iſt dein Brief, an ein Weib geihrieben, mit dem nur müßige Pagen und Jagdiunker dich ins Gerede bringen Benaventuri, bey dem Ewigen, Allwiffenden! nicht meine Mühe, nicht Liſt der Eiferſucht verfdaffte mir dieſen Brief; bloß der Haß deiner Feinde brachte ihn in meine Hüns de, umd ich gebe ihn dir wieder, wie id ihn empfing. Ich durfte nur das Siegel deſſelben breden, und ich hatte dann ficher der Beweiſe von deiner Untreue taus ſendfältig; aber nein! da mımm ihn bin, nur fprich wahr fur künftig!

% wen 17D Bonav. (der gleihfam wie aus einem Traume aufs fährt, und aufmerffam und mit Erflaunen den Brief betrachtet.) Wie Götter! Bianta! Iſt es möglich! dies ſes Siegel? Bianca (mit fhmerspaftem Lächein.) un je iſt noch ganz. | Bo n ad. (mit Feuer ihre Hand ergreifend und küſſend.) Bianca! Weib ohne Sleihen! Engel, der durch Scham mid niederwirft! O wüßteft tu, was diefer Brief enthalt! Mit dem Ton der Reue.) Weldhe Mor: fhläge! Welhe Wünſche! Welche Hirigefpinnfte ! Bianca. Mag ih fie doch nit willen! Beifer“ freylich, dieſes Schreiben wäre nie geſchrieben, aber da es Dieß einmahlift, fg vergebe es fo! (Sie Hate den Brief an die Flamme des Lichte, und verbrennt ihn.) | Bonav. Edelſtes Weib auf Gottes weiter Erde! (Indem er fie umarmen will, bedt er zurüd.) Mein, nein, ich bin es nicht werth dich zu berühren! (Er källt aufs Knie.) Nicht werth, ach nicht werth einmabl, den tiefiten Eaum diefer Gewänder Bianca. Bonaventuri! Mann! Steh auf! Er- niedrige dich nicht tiefer, als ich ſelbſt es wünſchte! (Sie hebt ihn empor.) Fliegſt du nur anders mit inniger Reue, mit verjüngter Zärtlichkeit in meine Arme; o fo haben diefe Arme nie di brünftiger umfhlungen ; fo habe ich dich nie glühender an meinen Buſen gedrüdt. (Die küßt ihn, und fieht ihn ſtarr an, der die Augen nieders ſchiägt.) Du antworteft nicht? Du blickſt mich nicht einmahl an? Bonav. Darf ich Das? Ich, in meinen Aigen der Verächtlichfte aler Männer!

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Bianca. Sprich nicht fo! In den Meinigen biſt du immer noch der. Theuerfte, der Reizendfte, der Eine ziggeliebte. (in küftend.) D. Bonaventuri! Diefe

dacht ift allerdings werth, das Jahresfeſt jener unvers geßlichen zu feyn; jener (Sie läßt ein Paar Thräuen fallen.) Sey diefe erfte Thraͤne unferer Liebe, und diefe zweyte dem Andenken eines Vaters heilig, den id) fo innig liebte und doch fo Eränfen mußte! Einem Bas ter ad, daß doch jede Freude mit taufend Sram fo nahe verfhwiftert ifl, daß (Indem ſie ſich one mit liebevollem Drohen nad Bonaventuri wendet.) Bis fer, lieber, bofer Mann, wie viel opferte ih bir nicht auf!

Bonav. Ja wohl viel! Vaterland, Älteren, Wohlftand, Rang und Sicherheit gabft du hin, um Verbannung, Elend und Niedrigkeit mit mir zu thei⸗ len, und id ich 0!

Bianca. Guter Bonaventuri! Alles eben ge⸗ nannte klingt freylich rauh; ertrug ſich freylich Anfangs ziemlich hart; und war mir doch minder ſchwer zu tra⸗ gen, als mein jetzige s Loos.

Bonad. (ter fe kalſch verſteht. Was von nun an dir Feinen weitern Stoff zu Klage und Kummer ge⸗ ben fol.

Bianca. Nicht? Weißt by auch Das fogewiß ? Kennft du meine ganze Lage?

Bonav. (dem Dieß etwas aufant.) Und follte ich fie nit Eennen? Welch ein Geheimniß verfhließt Bianca nod) vor mir ?

Bianca. Das Peintihfte, was fie jemahls hat⸗ te. Ja, Bonaventuri, es ift unnmgänglidy nöthig, daß ich endlich den n Sqleyer bir vom Auge reife; einen

Schleyer

Schleyer, von dem ich es kaum begreife, wie er nicht fhon längit dir von ſelbſt entſank. (nit ſchnell garr werdendem Blide.) Oder wäre es vielleicht ſchon geſche⸗ ben? Wußteſt du vieleicht laͤngſt, was ih, um bie Kummer‘ zu erfparen, gern Iebensläng vVerfchwiegen hätte! Schwiegſt du vielleicht, ganz kummerlos, nur aus Kaltfinn oder Staatsklugheitf dazu? Schande, unauslöſchliche Schande komme über dich, wenn Dem alſo wäre! = Bonav. Bey Gott, id verſtehe dich nice! = Bianca. Nun fo fi Die das erfte und bad einzige Mahl, daf eine Blindheit von bir mie lieb iſt; wenigſtens lieber. als ein vorfeslides Überfeden. Wiſſe, eben diejenigen geringen Reize, die einit das Glück hatten dich zu defiegen, haben - auch ſchon feit geraumer Zeit das Unglück gehabt, bie Begierden unſers Großherzogs zu reizen. Bonav. (aſtaun.) Wie, Franz liebe dich? Bianca. Wenigſtens ſpricht er fo. Bonav. Er liebt dich? Franz? (Panfe und Wechfet im Son.) Zwar iver Eönnge dich fehen, und müßte dich nicht lieben, Engel im? MWeibesgeftalt! Engel, der ſelbſt in tiefer Förperliher Hülle noch einen reichlich durchbrechenden Abglanz ſeiner himmliſchen Herkunft beybehalten hat! tauf feinen Stuhl hinſinkend, und fein Haupt aufſtützend) Wie fo natürlih! Und doch wie: fo ſchrecklich für mich! (Bid) vor die ˖ Stirne fhlagend.) | Franz dich lieben? Er dich? Ha! nun begreife ich Alles! Alles, nur Tas nicht, daß ih Dieß nicht eher begriff! dafs ich es hören mußte von dir, und nicht felbft fah! Aber woher weißt du es? Von ihm ſelbſt! Neißners Blanca co. 1. Thi. M

vun 17 mm Bianca, Von ihm felbft ! Und ich wußte eB ſchon längft. Schon damahls, ald ich mich fo athemlos in unfer Eleines dunkles Zimmer ſtürzte; als ich fo in⸗ brünftig bath, dich abermahls mit mir zu flüchten, weil ich ihn gefehen und gefprochen habe; ſchon damahls war fein Gefpräd mis mir. Erklärung der Liebe gee wefen! | Bonav. (Hakig.) Und du verfchwiegft ed mir! Bianca. Was follte ei dirnügen? Reizen viele leicht deinen Argwohn, entflammen deine Eiferfucht? Dich ängftizen, und doch zu Eeinem Rettungsmittel di beſtimmen? Prüfe dich, Bonaventuri! Als du . fo trunten von Freude feinen Einladungen folgteit, hätte eine ſolche Erzaͤhlung dich wohl zurüdgehalten von jenem fchlüpferigen Pfade, deffen Betretung ich dir obnedem fo dringend und fo fruchtlos abriety? Ich begrub daher in meiner Bruft diefes unglüdlide Ges “beimniß; Aber ich ſchwur zugleich, ſchwur bey unfers heiligen Mittlers heiliger Mutter, daß diefer fürftliche Weichling fih betriegen follte! Kalte und abfdlägige Antwort, überlegt’ ih bey mir felbft, find Prinzen nicht gewohnt: er wird es daher fatt "werden. feine Zärtlichkeit und feine Leidenfhaft überhaupt an eine Frau zu verfchwenden , die ihr fogenanntes Glück durchaus nicht erkennen will. Für feine Geſchenke und Wohlthaten foll der Fürſt reichlichen Dank und we« ‚nigftens den Schein der Hochachtung, aber der Mann nie Liebe empfangen! fo ſchwur ih mir uns hielt es. Bonav. Und ſahſt nicht ein, liebe Bianca, daß eben diefe Maßregeln, die feine Leidenfhaft abkuͤh⸗ len ſellten, fie nur noch mehr erbigen mußten?

m. 179 em daß eben diefer ungewohnte Widerftand einen ſolchen Liebhaber noch ftärker an dich Eetten würde? _

. Bianca, Sonderbarer Mann! Was blieb mir aber anders übrig, als Widerftand oder Erges bung? Hätteft du denn es lieber gefehen, wenn ‘9 zur Legtern mid) beguens. hattet

Bonav. Bianca! |

Bianca. Freylich wäre dann deine Bewerbung um die fhone Witwe deſto fiherer, dein Glück am Hofe deſto glänzender gewefen. Sreylich würden dann

Bonav. Bianca, bey Allem, was heilig ift, nit diefen Spott! Er it zugraufam geredt, und noch nie hörte ich fonft ein ſolches Wort von mei⸗ ner Bianca Lippen.

Bianca. Und ſollſt es auch ferner nicht hören. Nur: geftehe ſelbſt, daß dein voriger Einwurf Uns secht war!

Bonav, Unrecht! Unrecht! Mehr als uUnrecht! aber verzeih es dem Zuſtande, in dem du mich ietzt

ſiehſt! Verzeih meiner Verzweiflung, die nirgends _

Rath noch Ausweg findet!

Bianca Noch wüßte ich einen Weg; doch ihn zu ergreifen wird Much und Selbftverläugnung erfordert.

Bonav. D zeige, zeige mir ihn; und du ſollſt Beydenicht in mir vermiffen !

Bianca. Sohöre ıch dich gern! Und doch duͤnkt mir es nöthig, daß ich erſt ganz die Erzählung von des Grobberzoss Werbung um mich vollende. Lies dieſen Brief! In ihm wie du-fiehft, biethet er Alles anf, was er für fähig hält meine Tugend zu erſchüt⸗ tern! Laͤßt mir vor allem Übrigen die Wahl, fobald ih nur ihn zu wählen mich ensfhlöße: Wahl, ob ich

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verſtohlen fündigen, ober als erklärte Günſtlinginn mit meiner Schande prahlen wolle. Der Arme, er. ahndet nicht das Blut venetianifher Senatoren, nicht dad Blut einer Capello in mir. Auch ftellt ec es ganz meinem Ausſpruch anheim, ob er dich noch höher bes ben, oder tiefer old jemahls flürzen fol; ob ich bie Buhlfhaft mit Kafandra an dir beftrafen, oder nur burd gleiche mit ihm vergelten wolle. Dieß fein Brief, den ich vorgeftern erhielt! Begreifft du nun, warum ich geſtern bey ſeiner Jagdluſtbarkeit durch⸗ aus zu erſcheinen mich weigerte? Warum er deinem eigenen Ausdrucke nad ſich fo zweydeutig gegen bicy betrug? Begreifit du es nun?

Bonav. Ach ich begreife nur allzuviel! Sch glei⸗ che ganz dem Unglüdlihen, den unbekannte Räuber mit verbundenen Augen in ihre Mörberhöhle gefchleppe haben, und dem jegt eine mitleidige Hand den Vet⸗ . band wegnimmit. Er fieht zwar nun wieder, aber was er fiebt , find Bilder des Schrerfens.

Bianca. So will id dir nunmehr von einer andern Seite her die reizenden Ausfihten einer fihern, fi genügenten Liebe zeigen. VBonaventuri, Mann meined Herzens, gedenke an jene Zeiten unferer Ars much! Waren fie, Trog unferer Armuth, nicht die Zeiten unfered Glückes? Spendete nicht eben damahls das Schickſal gegen uns feine größten Schaͤtze, als es mit uns zu Eargen ſchien? Gedenke des Entzüdens, mit welchem damahls die Liebe uns Alles war! Ges benfe der Seligkeit, mit welder wir bamahld uns, auch auf Minuten nur, von unferer Arbeit hinweg zu Küſſen der mwärmften Zärtlichkeit ftahlen; und füge: ift eine gleiche Wonne uns je wieder zu Theil gewor⸗

en 181 IR

den, feitbem Seide uns und unfere Zimmer Eleidet? Gedenke an jenes dunkle Gemach! Ah, ed war _ hell genug, wenn wir Aug’ in Auge gebeftet da fas .

fen, und Jedes in: dem Andern der Liebe Funken glühen fah. Am fparfamen Tifh, oft nur mit ſchwarzem Brot und Hülfenfrüchten befegt! melde ‚reizende Zufriedenheit empfanden wir an ihm! Hat diefer beneidenswertbe Gaſt und je wieder befucht, feit Leckerbiffen unfere Zafeln belajten, und der Zwang fie auftiſcht ? O Lieber! Wir, nur wir allein kön⸗ nen reich und arm, beglückt und unbeglüdt uns mas hen; können maden, daß uns, eine Hütte zur Welt, und eine Welt zur Hütte wird; Eönnen über Sürften laden, und felbft mehr als ein Fürftenthum und ers werben, fobald wir wollen; nur müffen wir raſch dar» ju thun, weil es noch hoch am Tage ift.

Bonav. Und wie Die anfangen?! .

Bianca. Kurzlihtiger! fragft du noeh? Wir. flohen aus Venedig über hohe Gebirge, ohne Geld und Schug, ald wir Verfolgung nur beforgten; follten wir nit nun aus Florenz weichen, wo fi e wirks lich ſchon da iſt? |

Bonav. Aber die Dürftigkeit , die uns folgen, uns wahrfheintih bald aufreiben wird!

Branca. Sie fürdre ih night! Dem Himinel ſey Dank, noch bat die Weichlichkeit unfere Körper ‚nicht entkraͤftet; noch können diefe Füße fliehen und diefe Hände arbeiten. Haben wir nicht jest Geld und Juwelen genug? Laß uns biefe retten, und ein ſpar⸗ ſamer Gebrauch friftet dann "leicht unfer Ceben bis zu glücklichern fihern Zeitpuncten.

Bonav. Werden fie uns nicht nachſetzen? er⸗ greifen! zurück ſchleppen?

2 174 voson oder über. den anbern dritten Tag sumeilen zwan Worte ſpricht.

Bianca. Und du beharrſt auf deinem Laͤugne Warnung auf Warnung erfrhürtert dich nicht? Gott, ift esdahin gekommen ? Sit Dieß derfelbe Mar der ehemahls mir ſchwur, dafı die Dauer einer Em keit feltit nicht hinreichend für feine Liebe’ feg? | mir zuvoreilen wollte in Abgrund und Tod?! H weg mit langern Umſchweifen! Daß nicht Rürkere Schr des Trugs noch über dein Haupt komme; daß ich fel nicht die unſchuldige Urſache dieſer Sünde feyn mög fo ſchau ber! Weiten ift dieſes Eiegel? (Sie iR aut fianden, und hohlt aus ihrem Schrank einen Brief, den fie i seigt.)

Bonav. (erfäroden) Das Meinige.

Bianca (ihn umwendend.) Und die Hand die Aufſchrift?

Vonav. (Ekur ſichh) Gott, wenn Dieß mein v loren gegangener Brief, die Urſache von ſchon manch meiner Sorgen were! (Zaut und zitternd.) Auch D ſcheint meine Hand zu ſeyn. |

Bianca. Und it es! Iſt dein Brief, an ı

Weib gefhrieben, mit dem nur müßige Pagen u Sagdjunker dich ind Gerede bringen Benaventu bey dem Ewigen, Allwiffenden! nidt meine Mk nicht Lit der Eiferſucht verſchaffte mir dıefen Brie bloß der Maß deiner Feinde brachte ihn in meine Ha de, und ich gebe ihn dır wieder, wie ih ihn empfir SH durfte nur das Siegel deifelben brehen, und. hatte dann jicher der Beweiſe von beiner Untreue ta ſendfältig; aber nein! da nımm ihn bin, nur ſpr wahr fur künftig!

% vo 175 XX Bona v. (der gleichſam wie aus einem Traume aufs fährt, und aufmerkſam und mit Erſtaunen den Brief betrachtet.) MWiet— Götter! Bianta! Iſt es möglich! dies ſes Siegel? Bianca {mie fhmershaftem Lächein.) Nun ia! iſt noch ganz. | 39 n a v. (mit Feuer ihre Hand ergreifend und küſſend.) Bianca! Weib ohne Gleichen! Engel, der durch Scham mich niederwirft! O wüßteſt du, was dieſer Brief enthalt! (Mmit dem Ton der Reue.) Welche Vor: fhläge! Welche Wünfhe! Welche Hirigefpinnfte ! Bianca. Mag ich fie doch nit willen! Beifer: freylich, dieſes Schreiben wäre nie gefchrieben, aber da es Dieß einmahlift, fg vergehe es fo! (Sie Hält den Brief am die Flamme des Lichte; und verbrennt ihn.) Bonav. Edelſtes Weib auf Bottes weiter Erde! (Indem er fie umarmen will, Bebt er gurüd.) Mein, nein, ich bin es nicht werth dich zu berühren! (Er källt aufs Knie.) Nicht werth, ad nid werth einmahl, den tiefiten Eaum diefer Gewänder Bianca. Bonaventuri! Mann! Eteh auf! Er⸗ niedrige dich nicht tiefer, als ich ſelbſt es wünſchte! (Bie hebt ihn empor.) Fliegſt du nur anders mit inniger Reue, mit verjüngter Zärtlichkeit in meine Arme; o fo haben diefe Arme nie di brünftiger umfchlungen ; fo habe ich dich nie glühender an meinen Bufen gedrüdt. (Die küßt ihn, und fieht ihn ftarr an, der die Augen nieder⸗ fhtäge.) Du antworteft nicht? Du blickſt mich nicht einmahl an ? | Bonav. Darf id Das? Ich, in meinen: Augen der Veraͤchtlichſte aller Maͤnner!

vosoA 176 OR

Bianca. Sprich nicht fo! In den Meinigenbik du immer noch der Theuerſte, der Reizendfte, der Eine ziggeliebte. (ihn fürend.) D. Bonaventuri! Diefe Nacht ift allerdings werth, das Jahresfeit jener unvers geplichen zu feyn; jener (Bie läßt ein Paar Ihränen falten.) Sey diefe erfte Thrane unferer Liebe, und diefe zweyte dem Andenken eined Waters heilig, den ic fo innig liebte und doch fo Eränfen mußte! Einem Bas ter ad, daß doch jede rende mit taufend Sram fo nahe verfchwiftert ift, daß (Indem fie Rd ſchnell mit liebevollem Drohen nah Bonaventuri wendet.) Bde fer, Tieber, böfer Mann, wie viel opferte ih dir nicht auf!

Bonav. Za wohl viel! Waterland, Ültern,, MWohlftand, Rang und Sicherheit gabft du hin, um Verbannung, Elend und Niedrigkeit mit mir zu thei⸗ ln, und ich ich o!

Bianca. Guter Bonaventuri! Alles eben ge⸗ nannte klingt freylich rauh; ertrug ſich freylich Anfangs ziemlich hart; und war mir doch minder ſchwer zu tra⸗ gen, als mein jetzige s Loos.

Bonav. (ter fe kalſch verſteht. Was von nun an dir Eeinen weitern Stoff zu Klage und Kummer ges ben fol.

Bianca. Nicht? Weißt du aud Das fogewiß ? Kennft du meine ganze Lage?

Bonav. (dem Dieß etwas auffäne.) Und follte ich fie nit Eennen?t Welch ein Geheimniß verfchließt Bianca nod) vor mir?

Bienca. Das Peintihfte, was fie jemahls hat⸗ te. Sa, Bonaventuri, es ift unamgänglich nöthig, daß ich endlich den n Sqleyer bir vom Auge reiſſe; einen

Schleyer

ren 177° vor

Schleyer, von dem ich e8 kaum begreife, wie er nicht fhon längit dir von ſelbſt entſank. (mit ſchnell .Nare werdendem Slide.) Oder wäre es vielleicht ſchon gefches ben? Wußteſt du vielleicht fängft, "was ih, um bir Kummer‘ zu eriparen, gern Iebensläng verfchwiegen hätte! Schwiegſt du vielleicht, ganz kummerlos, nur aus Kaltfinn cher Staatsklugheit dazut Schande, unausleihlide Schande Eonıme Über dich, wenn Dem alſo wäre!

Bonav. Bey Gott, id verſtehe dich nicht!

Bianca. Nun ſo iſt Dieß das erſte und das einzige Mahl, daß eine Blindheit von bir mie lieb fl; wenigftens lieber. als ein vorfeglides Überfeden. Wiſſe, eben diejenigen geringen Reize, die einit das Glück hatten dich zu befiegen, haben auch fihon feit geraumer Zeit das Ungläd gehabt, bie Begierden unſers Großherzogs zu reizen.

Bonav. (eſtaun.) Wie, Franz liebe dich?

Bianca. Wenigſtens fpricht er fo. u

Bonav. Er liebt big ? Franz? (Paufe und Weste im Son.) Zwar iver könnge di) fehen, und müßte did nicht fiesen, Engel im? Weibesgeftalt! Engel, der felsit in tiefer Eörperlierr Hülle noch einen reichlich durchbrechenden Abglanz feiner himmliſchen Herkunft beybehalten hat! tauf feinen Stuhl Hinfintend, und fein Haupt aufrügend.) Wie fo natürlih! Und doch wie. fo ſchrecklich für mich! (Si vor die Stirne ſchlagend.) Franz dich lieben? Er dich? Ha! nun begreife ich Alles! Alles, nur Das nicht, daß ich Dieß nicht eher begriff! daß ich es hören mußte von dir, und nicht ſelbſt ſah! Aber woher weißt du es? Von ihm ſelbſt?

Meißners Blanca Cap. 1. Thl. M

»,

178 Rn Bianca. Von ihm felbft ! Und ich wußte eB ſchon läangft. Schon damahls, ald ih mich fo athemlos in unfer Eleines dunkles Zimmer ſtürzte; als ich fo ins brünftig bath, dich abermahls mit mir zu flüchten, weil ich ihn geſehen und geſprochen babe; ſchon damahls war fein Gefpräh mis mir. Erklärung der Liebe ge⸗ wefen! | Bonav. (Hakig.) Und du verfhwiegft ed mir! Bianca. Was follte ei dirnügen? Reizen viele leicht deinen Argmohn, entflammen deine Eiferſucht? Dih ängſtigen, und tod zu keinem Rettungsmittel di beſtimmen? Prüfe dich, Bonaventuri ! Alt dus . fo trunten von Freude feinen Einladungen folgteſt, hätte eine folhe Erzihlung dich wohl zurücgehalten von jenem fhlüpferigen Pfade, deſſen Betretung ic) dir obnedem fo dringend und fo fruchtlos abrieth Ich begrub daher in meiner Bruft diefed unglüdlihe Ges heimniß; Aber ich ſchwur zugleich, ſchwur bey unſers heiligen Mittlers heiliger Mutter, daß dieſer fuͤrſtliche Weichling ſich betriegen ſollte! Kaͤlte und abſchlaͤgige Antwort, überlegt' ich bey mir ſelbſt, ſind Prinzen nicht gewohnt: er wird es daher ſatt werden, ſeine Zaͤrtlichkeit und ſeine Leidenſchaft überhaupt an eine Frau zu verſchwenden, die ihr ſogenanntes Glück durchaus nicht erkennen will. Für feine Geſchenke und. Wohlthaten ſoll der Fürſt reichlichen Dank und we⸗ nigſtens den Schein der Hochachtung, aber der Mann nie Liebe empfangen! ſo ſchwur ich mir und hielt es. Bonav. Und ſahſt nicht ein, liebe Bianca, daß eben dieſe Maßregeln, die feine Leidenſchaft abküͤh⸗ len folten, fie nur noch mehr erhitzen mußten?

. 179 m Ä daß eben diefer ungewohnte Widerftand einen ſolchen Liebhaber noch ſtärker an dich Eetten würde? _ . Bianca, Sonderbarer Mann! Was blieb. mir aber anders übrig , als Widerftand eder Erges. bunz? Hätteft du denn es lieber gefehen, wenn ich zur Letztern mich beguems harte!

Bonav. Bianca! |

Bianca. Freylich wäre dann deine Bewerbung um die fhone Witwe deſto fiherer, dein Glück am Hofe defto glänzender gewefen. Freylich würden dann

Bonav. Bianca, bey Allem, was heilig ift, nit biefen Spott! Er iſt zugraufam geredt, und nod) nie hörte ich fonft ein ſolches Wort von mei⸗ ner Bianca Lippen. |

Bianca. Und ſollſt ed auch ferner nicht bören. Nur geftebe felbft, daß dein voriger Einwurf Un: seht war!

Bonav, Unrecht! Unreht! Mehr als uUnrecht! aber verzeih es dem Zuſtande, in dem du mich ijetzt ſiehſt! Verzeih meiner Verzweiflung, die nirgends _ Rath noch Ausweg findet! |

Bianca, Noch wüßte ic einen Weg ; doc ihn zu ergreifen wird Muth und Selbftverläugmung erfordert.

Bonav. O zeige, zeige mir ihn; und du ſollſt Beyde nicht in mir vermiffen !

Bianca. Sohöre ich di gern! Und doch duͤnkt mir es nöthig, daß ich erft ganz die Erzählung von des Großberzoge Werbung um mid vollende. lieg diefen Brief! Sn ihm, wie du ſiehſt, biethet er Alles anf, was er für fühig halt meine Tugend zu erfhlit- tern! Laßt mir vor allen Übrigen die Wahl, fobald ih nur ihn zu wählen mic entſchlöße: Wahl, ob ich

MM 2 |

ars0a 172 a

Bianca. Zwey Jahre nun, daß ich mit eine Schauber,. der alle Gebeine durchbebte, bey der Fehr von unferer zartlichen Alnterredung, die väterli Hausthür verfhloffen fand umlehrte und, | | weißt ja, in weilen Arme ich flog!

Bonav. feine Hand auf ihren Halbbloßen Arm qheind Iegend.) Was dich doch hoffentlich jetzt nicht reu

Bianca (mit einem farcen Blick in fein Auge, d ee Faum auspätt.), Und auch wohl nicht reuen darf! - Nicht wahr, Bonaventuri? Du Tiebft mich noch? « bem fie feine Hand ergreift.)

Bonav. Wie Das Bianca fragen Eann!

tanca (immer feine Hand haltend, mit noch ernftere liebevollen Blicke.) Wenigftens Eann fie fragen: ‚Ob nc fo rein, fo heiß, wie damahls?

Bonav. (mit dem Tone des ſich mühlam zwingen! Gewiſſens. Sorein, und beiß!

Bianca, Und aud fo einzigt— Mein, B naventuri, verbirg beine Verlegenheit nicht Tänge Ein aufeihtig Fehlender ift hundert Mahl mel ald ein Heuchler werth. Einzig! Ha, id das Wort, das du nicht zu wieberhohlen vermag: jene vorigen erzwangft bu noch.

Bonav. (ker feine Betretung unter BYeleidigtfenn v Bergen wit.) Erzwang? Fehler? Was fol Das? E wiß, Bianca, ich weiß nicht,r wie ich zu dieſem Wi wurf komme.

Bianca (mit aufgehobnem Bid.) Mächte des Hi meld und ihr heiligen Märterinnen,, die ihr ehemal mir meine Schwäche vergabt, laßt audy diefen Ve wurf. Schwähe und Irrthum gewefen ſeyn! A ac) leider! er ift ed nicht. Bonaventuri, verzeih

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OR 173 wen

dem Weihe, das dich mehr als fich felder liebt, wenn daſſelbe die Laſt des Kummers, lang genug im Stilſen getragen, endlich vor dir ausfchüttet } Biſt du es doch felbit nur, der diefe Laft mir auflegt! Bonaven⸗ turi, unfere Liebe ift nicht mehr gang, wie fie ehemahls war; nicht mehr fo rein, fo wech effeitig, wie in jener furchtbaren Nacht.

Bonav. Wenigſtens auf meiner Seite

Bianca. Lieber, ſprich dieſe Unwahrheit nicht aus! Sch haſſe einen jeden Mund, welcher fügt, und den Deinigen möchte ich gern ewig Tieben und achten. zugleih. Sieh, ſchon wirft du bald voth, bald bleich ; ſchon ſtammelſt du und ftodft; und dod habe ih das Wort nod nicht einmabl. ausgefprohen, wodurch, ich weit mehr noch deine Farbe wechſelnd deine Zunge ftammelnd machen konnte.

Bonav. (immer verlegener.) Welches Wort?

Bianca. Kaſſandra Bongiani!

Bonav. Kaſſ Kaflandra ? Bus fol Diefe e Mas meinft du!

Bianca Du wellteft ed; und meine Vorher⸗ verfündigung iſt eingetroffen!

Bonav. (ſich kaſſend.) Nein, Bianca, bie Roͤ⸗ the, die du mir vorwirfſt, und die ich ſelbſt gar wohl fühle, erzeugt nicht etwa Scham, ſondern Erſtaunen, billiges Erſtaunen, daß meine ſonſt ſo billig, ſo edel denkende Gattinn endlich auch ein Mähren glauben kann, das bloß müßige Pagen und Jagdjunker fih an . irgend einem Negentage ausgedacht haben; Leute, weldye glauben, man fey. in jede Dame verliebt, mit der man vielleicht zwey Mahl an einem Balle tanzt,

we 174 rewon oder über, ben andern dritten zug zuweilen zwanzig Worte ſpricht.

Bianca. Und du beharrſt auf deinem Laͤugnen? Warnung auf Warnung erſchüttert dich nicht? Gott, iſt es dahin gekommen? Iſt Dieß derſelbe Mann, der ehemahls mir ſchwur, daſi die Dauer einer Ewig⸗ keit ſelbſt nicht hinreichend für feine Liebe ſey? der mir juvoreilen wollte in Abgrund und Tod? Hin: weg mit längern Umfchweifen! Taf nicht ſtärkere Schuld des Trugs noch über dein Haupt komme; daß ich feldft nicht die unſchuldige Urfache diefer Sünde ſeyn möge; fo ſchau her! Weſſen ift Diefes Siegel? (Sie iR aufge fanden, und hohlt aus ihrem Schrank einen Brief, den fie ihm seigt.) .

Bonav. (erfgroden) Das Meinige.

Dianca (ihn umwendend.) Und die Hand diefer Aufſchrift? |

Vonav. (fürfia.) Gott, wenn Dieß mein ver: foren gegangener Brief, die Urfache von fon mancher meiner Zorgen ware! (Zaut und zitternd.) Auch Das fheint meine Hand zu fepn. |

Bianca. Und it es! Iſt dein Brief, an ein Weib gefhrieben, mit dem nur müßige Pagen und Jagdiunker did ins Gerede bringen! Benaventuri, bey dem Ewigen, Alwiffenden! nicht meine Mühe, nicht Liſt der Eiferfucht verfdaffte mir dıefen Brief; bloß der Maß deiner Feinde brachte ihn in meine Hans de, und ich gebe ihn dır wieder, wie ih ihn empfing. Ich durfte nur das Siegel deifelben brehen, und ich bätte dann ficher dee Beweiſe von deiner Untreue taus ſendfältig; aber nein! da nimm ihn hin, nur ſprich wahr fur künftig!

VBonav. (der gleihfam wie aus einem Traume aufs fährt, und aufmerkſam und mit Erftlaunen den Brief Betrachtet.) Wiet— Götter! Bianta! Iſt es möglich! dies ſes Siegel?

Bianca {mie fhmershaftem Lächeln.) Nun dar iſt | noch ganz.

Bo n ad. (mie Feuer ihre Hand ergreifend und küſſend.) Bianca! Weib ohne Sleihen! Engel, der durch Scham mich niederwirft! O wüßteſt du, was dieſer Brief enthalt! (mit dem Ton der Reue.) Welche Mor: fhläge! Welche Wünfhe! Welche Hirugefpinnfte !

Bianca. Mag ich fie doch nicht wiſſen! Beſſer— freylich, dieſes Schreiben waͤre nie geſchrieben, aber da es Dieß einmahl iſt, fg vergehe es fo! (Sie halt den Brief an die Flamme des Lichte, und verbrennt ihn.) |

Bonav. Edelſtes Weib auf Bottes weiter Erde! (Indem er fie umarmen will, bebt er gurüd.) Mein, nein, ih bin es nicht werth dich zu berühren! (Er fällt aufs Knie.) Nicht werth, ach nicht werth einmahl, den tiefften Baum diefer Gewänder

Bianca. Vonaventuri! Mann! Ste auf! Er niedrige dich nicht tiefer, als ich felbft es wünfchte! (Bie hebt ihn empor.) Fliegſt du nur anders mit inniger Reue, mit verjüngter Zärtlichkeit in meine Arme; o fo haben diefe Arme nie di brünftiger umfchlungen ; fo habe ich dich nie glühender an meinen Buſen gebrüdt. (Die Füße ihn, und ſieht ihn ſtarr an, der die Augen nieders fstäge) Du antworteft nie? Du blickſt mid nicht einmahl an?

Bonav. Darf id Das? Ich, in meinen "Augen der Verächtlichfte aller Männer!

voson 176 OR

Bianca. Sprich nicht fo! In den Meinigen ‚du immer noch der Theuerfie, ber Reigendfte, der ( jiggeliebte. Ehn küftend.) O, Bonaventuri! D

dacht ift allerdings werth, das Jahresfeſt jener um geßlihen zu feyn; jener GSie läßt ein Paar Thrä falten.) Sey diefe erfte Thräne unferer Liebe, und b zweyte dem Andenken eined Vaters heilig, den ich innig liebte und doc fo Eränfen mußte! Einem‘ ter ad, daß doch jede Freunde mit taufı Sram fo nahe verfchwiftert iſt, daß (Indem fie ſchnell mit liebevollen Drohen nach Bonaventuri mendet.) 2 fer, lieber, böfer Mann, wie viel opferte ih bir ni auf!

Bonav. Ya wohl viel! Vaterland, Alter MWohlftand, Rang und Sicherheit gabft du hin, ı Verbannung, Elend und Niedrigkeit mit mir zu th ln, und ich ich o! Bianca. Guter Bonaventuri! Alles eben | nannte Elingt freylidy rauh; ertrug fich freylich Anfan ziemlich hart; und war mir doch minder fhwer zu gen, ald mein jetzige o Loos.

Bonav. (ter fe falſch verfiehe) Was von nun dir feinen weitern Stoff zu Klage und Kummer g ben foll.

Bianca. Nicht? Weißt by auch Das fogemwi Kennft du meine ganze Lage?

Bonav. (dem Dieß etwas auffäne.) Und follte i fie nit Eennen? Welch ein Geheimniß verfälie Bianca nod) vor mir?

Bienca. Das Peinkihfle, was fie jemahls ha

Ga, Bonaventuri, es ift unnmgänglid nöthi ww ich endlich den n Steger dir vom Auge reiffe; ein Schleyer

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Schleyer, von dem ich es kaum begreife, wie er nice fhon längit dir von ſelbſt entſank. (mit ſchnell gare werdendem Blicke.) Oder wäre es vielleicht ſchon geſche⸗ hen? Wußteſt du vielleicht laͤngſt, was ich, um dir Kummer' zu erſparen, gern lebenslang verſchwiegen hätte! Schwiegſt du vielleicht, ganz kummerlos, nur ‚aus Kaltſinn cder Staatsklugheit dazuk Schande, unauslöſchliche Schande komme über dich, wenn Dem alſo wäre! Bonav. Ben Gott, ig verftebe dich nicht! Bianca. Nun ſo iſt Dieß das erſte und das einzige Mahl, daß eine Blindheit von bir mir lieb iſt; wenigſtens lieber. als ein vorfeglides -Überfeden. Wiſſe eben diejenigen geringen Reize, die einit das Glück hatten dich zu befiegen, haben auch fihon feit geraumer Zeit das Unglück gehabt, bie Begierden unſers Großherzogs zu reizen. Bonav. (sun) Wie, Franz liebe dich? e Bianca. Wenigitens ſpricht er fo. Bonav, Er liebt dich? Franz ? (Gpaule und Weqlet im Ton.) Zwar wer Eönnge dic fehen, und müßte dich nicht fliesen, Engel in? * Weibesgeftalt! Engel , der felöit in tiefer körperlichen Hülle noch einen reichlich durchbzgechenden Abglanz feiner himmliſchen Herkunft beybehalten hat! Lauf feinen Stuhl hinſinkend, und fein Haupt aufftützend) Wie fo natürlih! Und doc wie. fo ſchrecklich für mich! (Sid vor die-Gtirne fhlagend.) Franz dich lieben? Er dich? Ha! nun begreife ich Alles! Alles, nur Das nie, daß ich Dieß nicht eher begriff! daß ich es hören mußte von dir, und nicht ſelbſt ſah! Uber woher weißt du es? Won ihm ſelbſt? Meißners Blanca Cap. 1. Thi. Mm

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Bianca. Von ihm felbft ! Und ich wußte ed

ſchon laͤngſt. Schon damahls, als ich mich ſo athemlos

in unſer kleines dunkles Zimmer ſtürzte; als ich ſo in⸗ brünftig bath, dich abermahls mit mir zu flüchten, weil ich ihn geſehen und geſprochen habe; ſchon damahls war fein Geſpraͤch mis mie. Erklärung der Liebe ger wefen! | | Bonav. (Hakig.) Und du verſchwiegſt ed mir! Bianca. Was follte ei dirnügen? Reizen viele leicht deinen Argmohn, entflammen deine Eiferſucht? Did ängſtigen, und doch zu Eeinem Rettungsmittel di beſtimmen? Prüfe dich, Bonaventuri! Ald dur . fo trunken von Freude feinen Einladungen felgteit, hatte eine folhe Erzihlung did wohl zurüdgehalten von jenem ſchlüpferigen Pfade, deffen Betretung ich dir obnedem fo dringend und fo fruchtlos abrieth? Ich begrub daher in meiner Bruft diefes unglüdiihe Ges

“Heimniß; Aber ich ſchwur zugleich, ſchwur bey unſers

heiligen Mittlers heiliger Mutter, daß diefer fürftliche Weichling fih betriegen ſollte! Kalte und abflägige Antwort, überlegt’ ih bey mir felbft, find Prinzen nit gewohnt: er wird es daher fait ‘werden. feine Zärtlichkeit und feine Leidenfhaft überhaupt an eine Frau zu verfchwenden , die ihr ſogenanntes Glück durchaus.nicht erkennen will. Für feine Geſchenke und Wohlthaten fol der Fürſt reihlihen Dank und we⸗ nigftens den Schein der Hochachtung, aber der Mann nie Liebe empfangen! fo ſchwur id mir und hielt es.

Bonav. Und fahit nicht ein, liebe Bianca, daß eben diefe Maßregeln, die feine Leidenfhaft abEühs len folten, fie nur noch mehr erbigen mußten?

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179 m baf eben diefer ungewohnte Widerſtand einen ſolchen Liebhaber noch ſtärker an dich ketten würde?

Bianca. Sonderbarer Mann! Was blieb mir aber anders übrig, als Widerftand ever Erge⸗ bung? Hätteft du denn es Lieder gefehen, wenn jur Letztern mid) beguenas. hattet

Bonav. Bianca! |

Bianca. Freylich wäre dann deine Bewerbung um die fhone Witwe defto fiherer, dein Glück am Hofe defto glänzender gewefen. Sreylich würden dann

Bonap. Bionca, bey Allem, was heilig ift, nit diefen Spott! Er it zugra ufam geredt, und nod) nie hörte ich fonft ein ſolches Wort von mei⸗ ner Bianca Lippen.

Bianca. Und ſollſt es auch ferner nicht hören. Nur: geftehe felbft, daß dein voriger Einwurf Un» seht war!

Bonav. Uhrebt! Unrecht! Mehr als Unregt! aber verzeih e6 dem Zuftande, in dem du mich jegk ſiehſt! Verzeih meiner Verzweiflung ‚tie nirgends Rath noch Ausweg findet! |

Bianca. Noch wüßte id einen Weg; doch ihn zu ergreifen wird Muth und Selöftverläugmung erfordert.

Bonav. D zeige, zeige mir ihn; und du ſollſt Beyde nicht in mir vermiſſen!

Bianca, So bore ich dich gern! Und doch duͤnkt mir es nöthig, daß ich erſt ganz die Erzählung von des Großperäogs Werbung um mid vollende. Lie diefen Brief! Sn ihm, wie du- ſiehſt, biethet er Alles anf, was er für fähig haͤlt meine Tugend zu erſchüt⸗ tern! Laßt: mir vor allerh Übrigen die. Wahl, fobald ich nur ihn zu wählen mich entſchlöße: Wahl, od ich

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woran 180 sum

‚verftohlen fündigen, ober als erklärte Günftling mit meiner Schande prablen wolle. Der Arme, ahndet nicht dad Blut venetianifcher Senatoren, m das Blut einer Capello in mir. Auch ftellt ee e8 y meinem Ausſpruch anheim, ob er dich noch höher ben, oder tiefer ald jemahls ſtürzen fol; ob ich Bublſchaft mit Kaſſandra an dir beftrafen, ı nur durch gleiche mir ihm vergelten wolle. 1 fein Brief, ben ich vorgeflern erhielt! Begreifft nun, warum ich geſtern bey ſeiner Jagdluſtbarkeit du aus zu erſcheinen mich weigerte? Warum er deit eigenen Ausdrude nah fich fo zweydeutig gegen betrug? VBegreifit bu ed nun?

Bonav. Ah ich begreife nur allzuviel! Sch; "de ganz dem Unglücklichen, den unbekannte Rai mit verbundenen Augen in ihre Mörderhöhle geſchl. haben, und dem jegt eine mitleidige Hand den 9 . band wegnimnit. Er fieht zwar nun wieder, aber er fiebt , find Bilder des Schrerfens.

Bianca. So will id dir nunmehr von e andern Seite her die reizenden Ausfihten einer fich fi genügenven Liebe zeigen. Bonaventuri, Di meined Herzens, gedenke an jene Zeiten unferer much! Waren fie, Trotz unferer Armuth, nicht Zeiten unferes Glückes? Spendete nicht eben dam das Schickſal gegen ung feine größten Schäge, al mit und zu Eargen ſchien? Gedenke des Entzüd mit welchem damahls die Liebe uns Alles war! denke der Seligkeit, mit welcher wir damahle ı auch auf Minuten nur, von unferee Arbeit hinwe; Küſſen der wärmſten Zärtlichkeit ſtahlen; und fi ift eine gleiche Wonne uns je wieder zu Theil geı

rn 181 er. den, ſeitdem Seide uns und unfere Zimmer kleidet? Gedenke an. jenes dunkle Gemah! Ah, ed war heil genug, wenn wir Aug”. in Auge gebeftet da fas . fen, und Jedes in dem Andern der Liebe Funken glühen ſah. Am fparfamen Tiſch, oft nur mit ſchwarzem Brot und Hüulſenfrüchten befegi! welde ‚reizende Zufriedenheit empfanden wir an ihm! Hat diefer beneidenswerthe Gaſt nnd je wieder beſucht, feit Teckerbiffen unfere Tafeln belaiten, und der Zwang fie auftiſht? O Lieber! Wir, nur wir allein kön—⸗ nen veih und arm, beglüct und unbeglüdt und mas hen; fönnen machen, daß ums, eine Hütte zur Welt, und eine Welt zur Hütte wird; Eönnen über Fürſten lachen, und felbft mehr als ein Fuͤrſtenthum uns er⸗ werben, ſobald wir wollen; nur müſſen wir raſch dar⸗ zu thun, weil es noch hoch am Tage iſt. Bonav. Und wie Dieß anfangen?. Bianca, Kurzfihtiger! fragft bu noh? Wir .

flohen aus Venedig über hohe Gebirge, ohne Geld und

Schutz, ald wir Verfolgung nur beforgten; follten wir nit nun aus Florenz weichen, wo fie wirk⸗ lich ſchon da iſt?

Bonav. Aber die Duͤrftigkeit, die uns folgen, uns wahrſcheinlich bald aufreiben wird! Branca. Sie fürdre ih nicht! Dem Himmel fen Dank, noch bat die Weichlichkeit unfere Körper ‚nicht entkräftet; noch können diefe Füße fliehen und diefe Hände arbeiten. Haben wir nicht jetzt Geld und Suwelen genug! Laß uns dieſe retten, und ein fpars ſamer Gebrauch feiftet Dann "Leicht unfer Leben bis zu glücklichern fihern Zeitpuncten.

Bonav. Werden fie und nicht nachſeten? er⸗ greifen zurück ſchleppen?

ou 182° "Bianca, Freylich wenn uns der nicht ſchi der mädptiger als ein Großherzog, als König und Kaifer ift; der einige Gott voll Liebe! dann | nen fie es thun. Aber fiher, fiher wird er unfern beſchützen. Er, der ih größerer Noth uns ſchirr "wird uns ih diefer Eleinern nicht verläflen; und g es feinem Rathſchluſſe nicht Bonaventuri, ich E fterben. Was fürchtet Der , der Dieß kann? Bonav. (fie umarmen.) Auch Bonaventuri f es! Auch Bonaventuri zieht ein Strohdach, u welhem er an Bianca’d Bufen fih fehmiegen, fi an folhem einihlummern und aus dem Schlum zu neuen himmliſchen Vergnügen erwachen kann, nem ſchimmernden Pallaſte vor, den die Sorgen treuer, ald der Schweizer an ber Thür, bewad Bianca. DO wenn Das Ernit ift, Bonavent dann Heil dir und mir! dann finder die dritte N uns fiher nicht mehr in Florenz. Bonav. (etwas betreten. Die dritte Nacht! Bianca. Oder aud dieMorgente ſchon, n du willſt. Bonav. Ich ſorge nur, ih forge Bianca. Und was könnte noch zu forgen ü ſeyn? |

Bonav. (nad einer Paufe von einer halten Min ieh, meine Theure, ich wiederhohle ed: weder Zu der Armuth, noch auch Scheu des Todes foll mid einer Flucht an deiner Eeite abhalten. Aber nur Zurdt, die Furcht der Schande wünfdte ichr mitzunehmen, und eben ihrerwegen glaube id, wir doch nicht ganz fo eilen Fönnen, wie wir wüpſch

Bianco, Welcher Schande?

x

"nern 183 vo

Son av. Du weißt , das Franzens anfcheinen- de Großmuth mir eine Menge Geſchaͤfte von größter Wichtigkeit anvertraut hat; die meilten unter. ihnen find erit halb beſorgt; jetzt fliehen, ebe fie vollender worden, ſchiene treulos gehandelt; gäbe unfern Zein« den ein zweyſchneidiges Schwert in die Hand, .

Bianca. (den KRopffgüttend) Schiene treulos gehandelt! Und warten, bis fie geendet, ſchiene dir klug und leicht? O Vonaventuri, verzeihe mir, wenn bey dieſem Vorwand ein Verdacht mit Gewalt empor ſich draͤngt! Verzeih mir die Frage: Sprach

bier Verſtellung oder Kteinmutp?

| Bonav. Wire ed glih, daß du auch Bier mih verkennteft I

Bianca. Mogiid vielmehr, daß ih dich beſſer kenne! Die Natur gab dir fo mande von ihren treff⸗ lichſten Baden ; aber leider verband fie mit ihnen Furcht dor jeder allzumerklihen Entfagung, Zittern vor jedem etwas rafchen Entfhluß. Lieber Mann! warum biſt du fo ofe nicht ganz ein Mann? Warıım muß fo oft deine ’eigene Gattinn dir als Tehrerinn dienen? Müb« fan gelang es mir und der 'allvermögenden Liebe, dich zur Flucht von Venedig zu bewegen; noch müßfamer . “wirft du, des Glanzes und des Wohllebens nun ges wohnt‘, alle jene Scheingüter aufzuopfern vermögen, fie dir fo wichtig duͤnken und doch fo nichtdwürdig find. Bonaventuri! Nur unvoflommen jwinge ich den Fluß meiner Ihranen zurück, würde ihm end» lich noch freyen Lauf vorfiatten müſſen, wenn ic wei— ter ſpraͤhe. Sey es daher Pauſe für Heute! Nur bes ſchwöre ich dich zu überdenken: iſt da, wo von jeder Seite her Gefahr der Verführung uns droht, wo ver⸗

a 184 —* ſteckte Feinde auf heine und meine Tugend Tauern, ed da der Rlugheit gemäß, abzuwarten, bis wir e weder unterliegen, oder durch, unfern Wibderitand | Öegner zu Gewalt und Rache reizen! Sch für meine Standhaftigkeit; aber, Mann mit wachsweidhen Seele und dem auffprubelnden Bei wer bürgt die für dich ſelbſt? (Will im das Nebengen gehen.)

Bonav. (fie Hattend.) Liebſtes, theuerſtes We wohin? |

Bianea. Laß mih auf einige Minuten allei Du Eennft die Art meines Grams. Auch Gabe ich ja wohl indeß Stoff genug zur Unterhaltung mit feldft gegeben, (Entfernt ſich.)

——

Wohl ließ fie ihm hinlaͤnglichen Stoff zum Ne denken zurück; und wohl ſah fie nur allzubald, t fie fi in der Furcht vor feinem Charakter nicht gei babe. Der Eindruck, den diefes Geſpräch und das ? tragen Bianca's anf VBonaventuri gemacht battı war allerdings tief; die Verfiherung von dem -Gef feiner Unwurdigkeit und von der Erneuerung feiı ganzen ebemahligen Liebe war allerdings aufricht: aber er glich einem Streiter, dem ein feindlicher Wu fpieß den Fuß gelahınt hat; gern möchte er fein ein ged Heil in der Flucht verſuchen; aber er kann fliehen: das ftäte, fhmerzlihe Gefühl feiner Wur zieht ihn bey jedem Emporheben wieder zurück Boden. Fürſtlicher Günftling biöher: und nun lem zu entfagen, was fo herrlich glängte, obſchon

won 185

wenig in ber Wirklichkeit galt; was zwarnur Schaum ‚in der Verdauung , aber wenigftens ein ſüßer Schaum für feine Zunge war; nein, Dief vermodte er nicht! Immer zauderte er; immer erinnerte Bianca ihn an ſeine Pflicht; immer verſprach er fih zurück zu Ziehen, und immer blieb er, we er war.

Doch auch jegt ward noch bad Schickſal nicht muͤ⸗ de ihn zu warnen. Es wollte ihm gleichſam für die Zukunft den Grund zu jeder Beſchwerde rauben; woll⸗ te bewirken, daß er durchaus nicht ſagen könne: es habe ihm an Gelegenheit gemangelt, über fein unver⸗ dientes Glück nachzudenken. Die liebevolle Ermahne: rinn hatte er überhört ; den ernflern Weisheitsprediger konnte er nicht ganz uberhbren; ja, er berief ſich fol: den gewißer Maßen feldft.

‚Denn einft, ald Bonaventuri in die Meile, fuhr -

und bey der Thür des. Tempels ausftieg, börte er dicht neben fich eine ihm befannt bünfende Stimme: bey Bott, Das ift er! .ausrufen. Er blidtefogleich nad diefer Gegend hin, und fah, daß unter dem Haufen des Volkes ein Mann in Reifekleidern ſich verbarg, den er gleich beym erften Hinſchauen, für feinen ehemahlie gen Bufenfreund , Martelli, erkannte.‘ -

Unzählige Mahl hatte fhon an diefen "Martei -Bonaventuri, doch in fehr verſchiedener Ruͤckſicht, ge⸗ dacht. Immer wünſchte er in den Tagen der Be— draͤngniß feinen guten Rath befolgt zu. haben; immer . wünfdte er in den Zagen des nahmahligen Schimmers diefen Schimmer: ihm zeigen, und des Muthes fi rühmen zu Eönnen, mit dem er doc endlich zu Reich⸗ thum und. Hoheit vorgedrungen ſey. Jetzt, als er fa unerwartet ihn erblickte; jet wäre ex ihm herzlich germ

®. wor 86 RE x

durch das Getümmel nachgeeilt; hätte gern vor al

Volke um feinen Naden fidy gefhlungen,, und ihn fi) fortgeriſſen; aber ſchnell erwadte fein Ztol; n der, und die Zucht, Auffehen zu erregen, übern jene freundfchaftliche Aufwallung. Er eilte. daher b die Stufen zur Kirche fo haſtig als möglich bina winfte einem feiner Bedienten, nannte ihm Marte Nahmen, befshrieb deffen Geſtalt und Kleidung |

das befte, und entließ ihn mit dem Auftrag: die

Fremdling aufzuſuchen, einzuladen, oder vielm gleich mitzubringen.

Schon ſeit geraumer Zeit war allzufeutige dacht die Empfindung nicht, womit Vonaventuri | Himmel viel belältigte. Er, fonit en’ fo erfriger 8 ther, als er no um Bianca's Liebe warb, ober den linterhalt des nachſten Tages bangte,. war ı fhon viel zu fehr Höfling, und Günſtling obendre als noch oft an unſichtbare Möchte zu denfen.. D beute vorzüglich Eonnte er den legten Gegen des Me leſenden Priefterd Eaum erwarten; und ald er hi kam, als er feinen Diener noch nicht fand; als er

‚endlich mit der Verfiherung zurückehren fah: daß

Geſuchte Trog der vielfältigſten Mühe nich, zu fin! fey; da ftieg feine Begierde und feine Ungeduld imr höher. Es wurden der Kundſchafter nun wenigſt ſieben bi5 acht ausgeſandt; und am dritten Tage E wirklich Einer nebft dem Gefundenen zurüd.

Zwar war die Miene, mit welcher Martelli i Gemach trat, völlig fo befhaffen, als komme er n weil er müſſe; als fey ihm weder mit diefem S en, noch mit dieſem Finden ein großer Öefallen ſchehen; bob alles Dieß irrte Bonaventuri ni

&

/

RX 187 X

Kaum ſah er fih mit feinem ehemabligen Frrund al⸗

lein, ſo eilte er ihm mit offenen Armen entgegen‘; um⸗

halste, kuͤßte, ſchalt ihn, daß er fo Tange nach ſich

forſchen laffe; daß er überhaupt nicht von freyen Stuͤ⸗

den gekommen fey; daß er wohl gar abſichtlich ſich ver⸗

ſteckt habe. Martelli blieb ernſt.

„Und wie hätte ich ſprach er endlich dieſen Wunſch nah meinem Anblick bey einem Manne ver⸗ muthen ſollen, der zuerſt von mir ſich losriß; der ſeit unſerer Trennung ſehr wohl meinen Aufenthalt, aber ich keinesweges den ſeinigen wußte; deſſen Briefe

mich leicht getroffen haben würden, aber ihn nicht die

Meinigen; und der doch, ſeit zwey Jahren ſchon, we⸗ der nachfrogte, noch ſchrieb. Zudem, Bonaventuri,

vergib mir! Hofluft kann ihr Gutes für mancherley

Seelenkraͤfte haben, kann Manche erheben und ſchaͤr⸗

fen; doch daß durch ſolche das Gedächtniß, zumahl das Gedächtniß an alte Freunde ſich mindere, Das iſt eine allgemeine Sage.

Bonav. Die du hier widerlegt ſiehſt! O Mars telli! wenn du glauben konnteſt, daß das groͤßte Gluͤck des Hofes meinen Hang zur Freundſchaft erſticken würde, fo verkfannteft du mid. ſehr, oder haſt mich vielmehr nig gekannt.

Mart. Und fo freue ich mich dann dieſes Vers kennens! Nur zu oft finder man die Menfcen fhlimmer, aldmanesglaubte; etwas Geltened und eben deßhalb etwas höchſt Angenehmes ift e8, wenn man fie beffer findet. Aber frey heraus geftan« den, Bonaventurt! auch wenn ich die Fortdauer dej- » ner freundfhoftlihen Gefinnung vermuthet hätte,

rn 188 ron doch doch wäre ic) vielleicht jetzt vorüber gegange ohne dich begrüßt zu haben.

Bonav. Und aus welchem Grunde?

Mart. Nies fkört die Freundſchaft Alteı und jüngerer Geſchwiſter mehr, als ein ſchnel Wahsthum auf jener , ein langes Meinbleiben « diefer Seite: und fo find auch im bürgerlichen Let Diejenigen gewöhnlich auf immer von einander gefch den, zwifchen welchen eine allzu große Kluft ſich a thut.

Bonav. Auch dann, wenn dieſe Kluft wiel ausgefüllt werden kann? Und Das ſey ſie hierm Komm, Freund und genieße von nun an mei Glückes, meines Reichthums, meines Anfehens Staate, ald ware uns ein gemeinfchaftliches Erbth anheim gefallen.

Mart. Wahrlich das Anerbiethen einer edlı oder wenigftens einer warmen Seele! Wahrlich e Sreundfchaft, die ich nah Verdienſten fohäge! U doch, vergib mir, dürfte Annehmung diefes Anerb tbens ven mir nit Elügli gehandelt feyn; esg Standpuncte, die durchaus nur einen Beſitzer fa Sa, wohl und überwohl diefem Einzigen, wenn f eigener Fuß nicht auf feinem allzuerpabenen Piedel ausgleitet!

Bonav. (fi entfärbend.) Sch verſtehe. Haͤ du meinen Platz für ſo gar gefaͤhrlich?

Mart. Ich halte ihn für den Platz des GI ckes felbit.'

Bonav. Und alfo ? >

Mart. Und alſo! O Bonaventuri, vergißt denn, taß das Glück auf einer Auge fleht?

. ea 189 —*

Bon av. (der noch flärker ſich entfärdt, feine Gemütha⸗ eegung aber in ein gezwungenes Säceln verbirgt.) Nun wahr⸗ lich, ich fpüre doch , daß auch dich die Paar Jahre Zwifhenraum noch nicht verändert haben. Ganz noch der alte Martelli, der immer in Sentenzen ſprach, der uͤberall Beſorgniſſe fand, überall nach fürchterlichen Schatten haſchte, und niemahls der Meinung des Andern war. Erfehrung, Martelli, iſt ein gutes Ding; Leſen, Umſichſchauen und Nachdenken bringt gemei⸗ niglich Weis heit hervor; aber. manche Weisheit iſt die eines Uhus, der das Tageslicht ſcheut, und nur in zerfallenen Gebaͤuden niſtet.

Mart. Bewieſen, Bonaventuri erſt bewie⸗ . fen, daß Dieß der Fall mit der meinigen ſey!

Bonav. Wer konnte diefen Beweis ftärfer füh⸗ ven , als ich ſelbſt? Wäre ich wohl, was ich Bin, wenn ich dir Folge geleifter hatte? Was war in-deinen Ger danfen thörichter, als meine Liebe zu Bianca? Ich ſprach mit ihr, und gewann ihr Herz Was war tolldreifter ald das Streben nah ihrem. B efig? Ich wagte diefen Kampf, und ward Sieger. Ich floh aus,einer gewiffen Verforgung zum ungewiffeftenSchidfal. Gewagt war aller- dings diefer Schritt; aber Tage der Prüfung wurden bald Tage der glänzendften Hoffnung ; und diefe Hoffe nung erhöhte fih bald zur Wirklichkeit. Was von allen Diefem hätte wohl den Benfall deiner Bedaͤchtlich⸗ keit gehabt? Was würdeſt du mir vielleicht ſelbſt dann noch gerathen haben, hatteft du in jener Dürftigkeit unfers Großherzogs Bothfchaft an mich mit angehört ?

Mart. Did zu entfernen! Das laugne ih Ä nit; ober wenigftens nichts anzunehmen, was

se 182 ne - Bianca, Freylich wenn uns der nicht ſchi der mächtiger ald ein Großherzog; ald König und Kaifer ift; der einige Gott voll Liebe! bann | nen fie es thun. Aber fiher , fiher wirdeer unfern beſchützen. Er, der ih größerer Noth uns fchirr "wird uns ih diefer Eleinern nicht verlaflen; und g es feinem Rathſchluſſe nicht Bonaventuri, ich f fierben. Was fürdtet Der , der Dieß kann? Bonap. (fie umarmend.) Auch Vonaventuri h -e5! Auch Bonaventuri ‚giebt ein Strohdach, Delchem er an Bianca's Buſen ſich ſchmiegen, an ſolchem einſchlummern und aus dem Schlum zu neuen himmliſchen Vergnügen erwachen kann, nem ſchimmernden Pallaſte vor, ben die Sorge, treuer, ald der Schweizer an ber Thür, bewach Bianca. DO wenn Das Ernſt ift, Bonavent dann Heil dir und mir! dann finder die dritte N und ſicher nicht mehr in Florenz. Bonav. (etwas betreten. Die dritte Nacht! Bianca. Eder aud dieMorgente (hm, w du willſt. Bonav. Ich forge nur, ih forge Bianca. Und was könnte nod zu forgen ü

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ſeyn? Bonav. (nah einer Pauſe von einer halben Min Sieh, meine Theure, ic) wieberhohle es: weder Zu der Armuth, noch auch Scheu des Todes foll mich einer Flucht an deiner Seite abhalten. Aber nur Zurdt, die Furcht der Schande wünfdte ihr mitzunehmen, und eben ihretwegen glaube id, wir doch nicht ganz fo eilen Fonnen, wie wir wünſch Bianca. Welcher Schande?

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N nsen 183 vo.

Son av. Du weißt, das Franzens anfcheinen- de Großmuth mir eine Menge Gefhäfte von größter . Wichtigkeit anvertraut hat; die meiften unter. ihnen find erit halb beforgt ; jetzt fliehen, ehe fie vollender worden, ſchiene treulos gehandelt; gäbe unfern Zein- den ein zweyſchneidiges Schwert in die Sand, .

Bianca. den Kopf fsüttend.) Schiene treulos gehandelt! Und warten, bis fie geendet, ſchiene dir klug und leicht? O Vonaventuri, verzeihe mir, wenn bey dieſem Vorwand ein Verdacht mit Gewalt empor ſich draͤngt! Verzeih mir die Frage: Sprach

bier Verſtellung oder Kteinmutp? , Bonav. Wire ed möglih, daß du aus bier mich verkennteft I

Bianca. Möglich vielmehr, daß ich dich beſſer kenne! Die Natur gab dir fo manche von ihren treff⸗ lichſten Gaben; aber leider verband fie mit ihnen Furcht dor jeder allzumerklihen Entfagung, Zittern vor - jedem etwas raſchen Entſchluß. Lieber Mann! warum biſt du fo oft nicht ganz ein Mann? Warum muß fo oft deine ’eigene Gattinn bir ald Lehrerinn dienen? Mühe ſam gelang es mir und der allvermögenden Liebe, dich zur Flucht von Venedig zu bewegen; noch mühfamer . wirit du, bed Glanzes und des Wohllebens nun ges wohnt‘, alle jene Eceingfiter aufzuopfern vermögen, fie dir fo wichtig duͤnken und doch fo nichtswürdig find. Bonaventuri! Nur unvollkommen jwinge ich den Fluß meiner Thränen zurück, würde ihm end- lich noch frenen Lauf verſtatten müſſen, wenn ich mei- ter fprähe. Sey es daher Pauſe für heute! Nur bes ſchwöre ich dich zu überdenken: ift da, wo von jeder Seite her Gefahr der Verführung uns droht, wo ver⸗

oa 184 urn ftedte Beinde auf deine und meine Tugend lauern, es da der Klugheit gemäß, abzuwarten, bis wir e weder unterliegen, oder durch unfern Wideritand | Öegner zu Gewalt und Rache reizen! Sch bi für meine Standhaftigkeit; aber, Mann mit wachsweichen Seele und dem auffprubelnden Gei— wer bürgt die für did fetöft? (Will in das Nebengen gehen.)

Bonav. (fie valtend.) Liebſtes theuerſtes We wohin?

Bianca. Laß mid auf einige Minuten allei

Du Eennft die Art meined Grams. Auch Gabe ich ja wohl indeß Stoff genug zur Unterhaltung mit felbft gegeben, (Entfernt ſich.)

Wohl ließ ſie ihm hinlaͤnglichen Stoff zum Na denken zurück; und wohl ſah fie nur allzubalb, t fie fih in der Surcht vor feinem Charakter nicht gei habe. Der Eindruck, den diefes Geſpräch und das tragen Bianea's auf Bonaventuri gemacht hatt war allerdings tief; die Verfiherung von dem Gef feiner Unwürbdigfeit und von ber Erneuerung ſeit ganzen ehemahligen Liebe war allerdings aufricht: aber er glich einem Streiter, dem ein feindlicher Wu fpieß den Fuß gelahınt hat; gern möchte er fein er ges Heil in der Flucht verfuhen; aber er kann fliehen: das ftäte, ſchmerzliche Gefühl feiner Wu zieht ihn bey jedem Emporheben wieder zurück Boden. Fürſtlicher Günftling bisher: und nun lem zu entfagen, was fo herrlich glängte, obſchon

wen 105 mann | wenig in der Wirklichkeit galt; was zwar nur Schaum ‚in der Verdauung, aber wenigfteng ein füher Schaum für feine Zuge war; nein, Dieß vermochte er nicht! Immer zauderte er; immer erinnerte Bianca ihn an ſeine Pflicht; immer verſprach er fih zurück zu sieben, und immer blieb er, we er war,

Doch auch jegt warb noch das Schickſal nicht mü⸗ de ihn zu warnen. Es wollte ihm gleichſam für die Zukunft den Grund zu jeder Beſchwerde rauben; woll⸗ te bewirken, daß er durchaus nicht ſagen könne: es habe ihm an Gelegenheit gemangelt, über ſein unver— dientes Glück nachzudenken. Die liebevolle Ermahne— rinn hatte er überhört; den ernſtern Weisheitsprediger konnte er nicht ganz libexhören; ja, er v berief fi fol: den gewißer Maßen feldft.

‚Denn einft, ald Vonaventuri in die Meile. fuht und bey der Thür des Tempels ausſtieg, hörte er dicht neben ſich eine ihm bekannt dünkende Stimme: bey Gott, Das iſt er! ausrufen. Er blickte ſogleich nach dieſer Gegend hin, und ſah, daß unter dem Haufen des Volkes ein Mann in Reiſekleidern ſich verbarg, den er gleich beym erſten Hinſchauen, für ſeinen ehemohli— gen Buſenfreund, Martelli, erkannte.

Unzaͤhlige Mahl hatte ſchon an diefen Martelli Bonaventuri, doch in ſehr verſchiedener Ruͤckſicht, ge⸗ dacht. Immer wünſchte er in den Tagen ber Be: drängniß. feinen guten Rath befolgt zu- haben; immer . mwünfdte er .in den Zagen des nachmahligen Schimmer biefen Schimmer: ihm zeigen, und des Muthes fid rüpmen zu Eönnen, mit dem er doch endlich zu Reich⸗ thum und. Hoheit vorgedrungen fey. Jetzt, ald er fa uneswartet ihn erblickte; jet wäre ex ihm herzlich germ

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dur das Getümmel nachgeeilt; hätte gern vor all Volke um feinen Naden fidy geſchlungen, und ihn: fi) fortgeriſſen; aber ſchnell erwadte fein Stolzen

der, und die Zucht, Auffehen zu erregen, übern

jene freundfchaftlihe Aufwallung. Er eilte. daher & die Stufen zur Kirche fo haſtig ald möglich bina winkte einem feiner Bedienten, nannte ihm Marte Nahmen, beſchrieb deifen Öeftalt und Kleidung |

das beſte, und entließ ihn mit dem Auftrag: die

Sremdling aufzufuchen, einzuladen, oder vielm gleih mitzubringen.

Shen feit geraumer Zeit war allzufenrige 7 dadıt die Empfindung nide, womit Bonaverturi | Himmel viel beläftigte. Er, fonit eın'fo eifriger 9 ther, aldö er noch um Bianca's Liebe warb, ober den linterbalt des nachſten Tages bangte,. war fhon viel zu fehr Höfling, und Günſtling obendre als noch oft an unſichtbare Mächte zu denfen.. D beufe vorzüglich konnte er den legten Gegen des Me Iefenden Prieiters kaum erwarten; und ald er bi kam, als er feinen Diener nod nicht fand; als er

‚endlich mit der Verfiherung zurückkehren ſah: daß

Geſuchte Trog der vielfältigiten Mühe richg zu fin! fey; da ftieg feine Begierde und feine Ungeduld imr höher. Es wurden der Knndſchafter nun mwenigft: ſieben bi5 achr ausgefande; und am dritten Tage F wirklich Einer nebft dem Gefundenen zurüd.

Zwar war die Miene, mit welcher Martelli i Gemach trat, vollig fo befhaffen, als komme er n weil er müſſe; als fey ihm weder mit diefem S en, noch mit tiefem Finden ein aroßer Öefallen, ſchehen; doch alles Dieß irrte Bonaventuri nt

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Koum fah er fih mit feinem ehemabligen Freund al⸗

lein, ſo eilte er ihm mit offenen Armen entgegen-; um⸗

halste, kuͤßte, ſchalt ihn, daß er fo lange nach fi

forſchen laſſe; daß er überhaupt nicht von freyen Stuͤ⸗ den gefommen fey; daß er wohl gar abſichtlich ſich ver⸗ ſteckt habe. Martelli blieb ernſt.

„Und wie "hätte ih ſprach er endlih dieſen Wunſch nah meinem Anblick bey einem Manne 'ver« muthen follen, der zuerft von .mir fi losriſt; ber feit unſerer Trennung fehr wohl meinen Aufenthalt, aber ich keinesweges den feinigen wußte; deffen Briefe mich Teicht getroffen haben würden, aber ihn nicht die Meinigen; und der doc, ſeit zwey Jahren ſchon, wer der nachfrogte, noch fhrieb.. Zudem, Bonaventuri

vergib mir! Hofluft kann ihr Gutes für manderley |

Serlenkräfte haben, kann Manche erheben und fchärs -

fen; doch daß durch ſolche das Gedacht niß, zumahl dad Gedächtniß an alte Freunde ſich mindere, Das iſt eine allgemeine Sage.

Bonav. Die du hier widerlegt ſiehſt! O Mars telli! wenn du glauben konnteſt, daß das gröfite Gluͤck des Hofes meinen Hang zur Freundſchaft eritiden würde, fo verfannteft du mid ſehr, oder haſt mich vielmehr nig gekannt.

Mart. Und fo freue ich mich dann dirfes Vere kennens! Nur zu oft finder man die Menfchen fhlimmer, alsmanedglaubte ; etwas Seltenes und eben deßhalb etwas höchſt Angenehmes ift e8, wenn man fie beffer findet. Aber frey heraus geftan- den, Bonaventuri! auch wenn ich die Fortdauer dei: » ner freundfhoftlihen Gefinnung vermuthet hätte,

ara 188 on doch doch wäre id) vielleicht jetzt vorüber gegarige ohne dic) begrüßt zu haben.

Bonav. Und aus weldem Grunde?

Mart. Nies stört die Freundſchaft Alte und jüngerer Gefchmwifter mehr, als ein ſchnel Wahsthum auf jener, ein langes Kleinbleiben < diefer Seite: und fo find aud im bürgerlichen Let Diejenigen gewöhnlich auf immer von einander gefch den, zwifchen welchen eine allzu große Kluft fi ih a thut.

Bonav. Auch dann, wenn dieſe Kluft wiel ausgefüllt werben Eann ? Und Das fey fie bierm Konım, Freund , und genieße von nun an melı Glückes, meines Reichthums, meines Anfehens Staate, ald ware uns ein gemeinſchaftliches Erbth anheim gefallen.

Mart. Wahrlih das Anerbietben einer edl. oder wenigftend einer warmen Seele! Wahrlich e Sreundfchaft, die ih nah Verdienſten fhäge! U Doch , vergib mir, dlrfte Annehmung diefes Anerb thens ven mir nit klüglich gehandelt feyn; es g Standpuncte, die durchaus nur einen Vefiker fall 3a, wohl und überwohl diefem Einzigen,, wenn f eigener Fuß nicht auf feinem allzuerhabenen Piedei ausgleitet!

Bonav. (ſich entfärbend.) Ich verſtehe. Ha du meinen Platz für ſo gar gefaͤhrlich?

Mart. Sch halte ihn für den Platz des SI des felbit.'

Bonav. Und alfo? -

Mart. Und aljo ! O Bonaventuri, vergißt denn, taß das Glück auf einer Auge ſteht?

nern 1ÖQ Fo | Bonav. (bevmod färker ſich entfärdt, feine Gemütha⸗ Bergung aber in ein gezwungenes Säceln verbiege.) Nun wahr⸗ lich, ich ſpuͤre doch, daß auch dich die Paar Jahre Zwiſchenraum noch nicht veraͤndert haben. Ganz noch der alte Martelli, der immer in Sentenzen fpradh, der überall Beforgniffe fand, überall nad) fürchterlichen Schatten haſchte, und niemahls der Meinung des Andern war. Erfahrung, Martelli, iſt ein gutes Ding; Leſen, Umſichſchauen und Nachdenken bringt gemeir niglih Weisheit hervor; aber. manche Weisheit iſt die eines Uhus, der das Tageslicht fheut, und nur in zerfallenen Gebäuden niftet. Mart. Bewiefen, Bonaventuri erſt bewies . fen, daß Die der Fall mit der meinigen fey! Bonav. Wer Eönnte diefen Beweis ftärfer füh⸗ ren, als ich ſelbſt? Wäre ich wohl, was ich Bin, wenn ich dir Folge geleiftet hätte? Was war in-deinen Ge⸗ danken thö richter, als meine Liebe zu Bianca?

Ich fprad mit ihr, und gewann ihr Herz. Was

wor tolldreifter ,„ ald das Streben nah ihrem. B efiß? Ich wagte diefen Kampf,-und ward Sieger. Ich floh aus,einer gewiffen Verforgung zum ungewiſſeſtenSchickſal. Gewagt war aller= dings diefer Schritt; ‚aber Tage der Prüfung wurden bald Tage-der glänzendften Hoffnung; und diefe Hoffe nung erhöhte fih bald zur Wirklichkeit. Was von allen Diefem hätte wohl den Benfall deiner Bedaͤchtlich⸗ keit gehabt? Was würdeſt du mir vieleicht felhft dann noch gerathen haben, hätteft du in jener Dürftigkeit unſers Großherzogs Bothſchaft an mich mit angehört ?

Mart. Dih zu entfernen! Das läugne id nit; ober wenigſtens nichts anzunehmen, was

| rn 100 ' allzumädtig ben Neid reizt, allzu uüͤberſchwenglich Kräfte .überfleigt, Bonaventuri, wenn du nu Mahl nad mir ſenden, und mit mie fprecdhen wol dann mußt du nun auch Wahrheit hören Einnen, mir gesiethen, mic zu entfernen, für bieß und Mahl.

Bonan. Bleib und ſprich, was du willſt! fprih ed ald mein Freund! _

Mart. Wäre ih Das minder, fo würde ja Aufrichtigkeit Unſinn ſeyn. O Bonaventuri, ich dir wohl etwas Neues, wenn ich behaupte, ſelbſt die auf's glücklichſte ausgeſchlag Unbeſonnenheit deßhalb doch nichts minder Unbeſonnenheit bleibt? Iſt es ſelbſt nach gelungenen Tollkühnheiten wohl klug, eine ei zu wagen? wohl klug, auf deren Gelingen im‘ aus su pohen? Verdient mein ehemahls bi geberrer Rath deinen Spott? Und wenn du auß d Nichterfüllung auf die Schwäche meines Jetzigen, nes Künftigen fchließeft,, ut diefer Schluß richtig Darf ich dieſe zwey ragen wohl näher betrady

Bonav. Wenn dir es beliebtes warum Dasn

Mart. Sieb, Bonaventuri , wenn du mahls, als ein armer Diener in Salviatis Com auf des fürftlich reichen, fürſtlich edeln Gapı Zohter, Her; und Meigung zu richten. gerul follte ih) dir wohl, Bravo! oder, Eingebalı zuruſen? Wenn du Bianca, beftinmt das ( eines der erften Venetianer , die Wonne ihres ters, den Glanz ihrer Vaterfladt zu maden, tet, taufchteft, in deine Pläne, deine Iuftigen winfe mit hinein verwebteft; ſprach ih du e

191 a oo. anders, als die Stimme deines eigenen Herzeus; indem ich dir zurief: Wohlzugefehen, Freund, daß du Fein Bbſewicht werdet? War es klüglich, wer | es vor irgend einem Richterſtuhl dieſer und jener Melt verantwortlid , Venedigs trefflichſten Juwel ſo heimlich hinwegzuſtehlen ? GBonaventuris Miene wird unwille. Hinwegzuſtehlen! fage ich mit Bedacht; denn ich babe ja doch kein anderes Wort für. jene naͤcht⸗ liche Entführung*) Und als du nun litteſt, was wahrlich nsch eine fehr leichte, eine vorher gefehene Strafewar, Armuth und Dunkelheit; was konnte dich berechtigen ein Anerbiethen anzunehmen, womit es ſicher dem Glück kein Ernſt ſeyn kann, und wo⸗ bey kein innerer Werth dich unterſtützt? Unerfah⸗ ren in Staatsgeſchaͤften, unbekannt mit dem gläſer⸗ nen Pfade des Hofes; wie Fannft du hoffen, Jenen gewachſen zu feyn und auf Dieſem dich aufrecht zu er⸗ halten? J Bonav. (mit etwas bitterm Lächeln.) Wie ſehr doch oft weiſe Männer, eben ihrer Weisheit wegen, die Sachen felbft uͤnnbihig ſich erſchweren! Entſinnſt du dich - wohl, von einem Philoſophen gehört zu haben, der die Bewegung längnete, und deſſen tiefgedachte Gründe ein Anderer ſtillſchweigend bloß dadurch wiberlegte, daß er auf und niederging?

*) Meine Lefee merden fin bier erinnern, dag Martelli irey⸗ lich nicht fo genau, wie fie, die eigentlichen Umſtande von Vianca's Verſchwindung, von zugeivorfener Hausthüt u. ſ. w. wiſſen Fonnte : fondern daß er in ſeiner Rede und in ſeinem Raiſonnement dbioß von der Wahrſcheiulichkcit aue ging.

vun 202 von Mart. Verſtehe ib dich? Meinſt tn vielleic daß ſchon dein bloßer Anblick mir ſagen müffe, ! du doch nicht ganzlich fremd in Staatsſachen feyn, d Hofkenntniſſe genug befigen müſſeſt, um ſo langed d gehalten zu haben!

Bonav. Mid dünkt allerdings, daß er etw dergleichen fagen Eönne!

Mart. DO Bonaventuri! fo fol ich denn -t dürten, berben Morten die erflären, welcher Rohrſt dich bisher geſtützt hat, und noch erhaäͤlt? Durch w ches Verdienſt deine niedere Hütte ſich zum Pallaſt bob? Bianca, Bianca's Schönheit allein that Jes Dieß! Nicht ein Ahnen deiner Wiſſenſcha ein ſiüchtiger Blick in ihr Auge machte, daß Fre auch dich näher zu ſehen begehrte! Nicht du biſt f Günſtling, wohl aber it Bıansa fein Wunſch, vi leicht auch ſchon lanigft fein Glück. Du erröthe Geſchieht Dieß aud Staunen über noch ungehe Wahrheit! Oder au Scham, daß bein Behei nift fo ruchtbar iſi? Wahrlıh, Freund, es we fhımpflider , ald es Worte faffen; ed wäre ein Brat flef , den zwanzig Ordensbänder nicht verftecken Et ten, Alles für eine Stau und deren Beſitz gewagt haben, und dann diefen Befis mit irgend einem Ma ne, wäre edaud ein Fürſt für irgend einen Prei und wäre ed auch ein halbes Fürſtenthum freymil ‚zu theilen! Sieh, ich liedte nie wie du, aber ei ſolche Entweihung einer Liebe und meines Eheber! würde ich für alle Schäße der Erde nicht dulden.

Bonav. Habe ich dih nun ausreden laffen, u habe ih nun auch auf dein ruhiges Zuhsren ein gl ches Recht? |

Mart.

\medve 105 nano e art. Das haſt du allerdings. | Bonav. So will id mit wenigen Worten dich widerlegen. ie ſtahl ich Biancan; nie rieth ich ibr nur mit einem Worte zum Entfliehen. Ausgeſchlo fr fen vom väterliben Haufe, warf fie fih in einer Naht, wo ich auf nichts weniger ald auf das Entweis - hen dachte, in meine Arme. Das ift Wahrheit, beym heiligen Antonius! Nicht einmahl muthmaßen konnte id Franzens Liebe, als er mich hier an ſeinen Hof berief. Ein ſonderbares Ungefaͤhr machte gerade damahls uns mit Mondragone bekannt; und ich hielt für Menfhenliebeund Mitleid, was ich freys ch nachher für Hinterlift und Trug erkannte. Es war ein Fehler, ein großer Fehler ſogat, Bey einem Höfling von Mondragone’d Art Tugend zu vermu⸗ then. Doch verdiente derfelde bey meiner. damahligen Weltkenntniß Verzeihung, und entforang aus gutem Herzen Das befhwöre id) dir bey jener unbeflecteii Mutter Gottes! Wahrheit endlih, mit zwanzig Ei⸗ den zu betheuein, iſt es, daß ich erſt feit wenig Tagen. Franzens Reigung für Bianca kenne; daß Bianca ſelbſt mir freywillig und unerwartet das große Geheim⸗ niß eröffnete; daß ihre Tugend feſt bey jeder Lockung fih erhält; daß weder Hofluft noch Weichlichkeit ihren Edelſinn erſchüttert; ja, daß fie zum zweyten Mahl Flucht und Elend mit mir wäpfen würbe, wenn id) einen folhen Schritt nicht für unndthig hielte; wenit ich nicht feit überzeugt wäre: felbft der verliebte Franz wird nie zum Tyrannen fi) umgeſtalten. Bianca mochte freylich wohl zuerft feine Begierden weden; aber er hoffte nur, fo lange er fie noch nicht Eannte. Seht wird er ihre Tugend ehren , wie er Anfangs ih⸗ Meißners Bingen Cap. 1. Speit. N

:f

sen Heiz bewundert. Sie fie allein mochte f ich zuerft meine Berufung noch Hofe veranlajfen ; d auch ich felbft war nachher glücklich genug, einen eigen wahren Antheil an feiner Gunſt zu gewinnen. 1, Mars, (erſtaunt.) Pietro, babe ich recht gehoͤr Bianca Bianca felbjt entdedte dir zuerft tieri

des Fürſten?

Bonav. Bianca zuerft und freywill

Markt. (alch.) Sie erboth fich fogar zur Verl fung des Hofes zu einer zweyten Flucht?

Bonav. Erboth ſich nid nur dazu, ſondern ba vielmehr um dieſelbe.

Mart. Und Dieß verzeihe meiner Schwergl. bigkeit Dieß mit einer Art, die gewiß mehr | Frauenliſt, mebr als bloß gefchminfte Tugend we

Bonav. Miteiner Wahrheit, die den Verda der Zweifelſucht ſelbſt zernichtet haben würde Mei Willkür überlieferte ſie Franzens Briefe; meiner E fiht allein überließ fie deren Beantwortung. &d derte ich dir vollends Ort und Stunde und Lage, wa und wie fie diefes Geheimniß mir aufſchloß, dur wi deft glauben ein Mähren aus Pennelopens Zeit vernehmen. Sneiner Minute, wo ich befhämt ı mir felbft zurückhebte, wo ich gern mid) vor mir fel verborgen hatte in einer Minute, wo taufend « dere Frauen ihren Gatten mit Eirerfucht geftraft, r Vorwürfen überhäuft, einen flüchtigen Leichtfinn ı Meineid, einen raſchen Fehltritt ald Merbrechen | trachtet haben würden, ftand fie vor mie fo rein u mild, wie ein Bothe des Himmels; tröftete, verg: fhwur mir unbegebrt neue, ewige Liebe; verfhmäl Großherzogs Franzens Beliebte zu werden, um

195

Bonaventuti's Gattinn zu bleiben, um mit ſhm viele leicht wieder zu Staub und Armuth herabzufteigen!

Mart. Za wahrlih, dann ift fiemehr, als eine gewöhnliche Frau ; verdient mehr , ald gewöhnliche Liebe ! Verziehen ſey dir nun alle jene Thorheit, die bu in Venedig begangen ; verziehen Schwärmerey und Flucht! aber Eines verzeihe dir nur Gott, und wenn es möglid ift, dein eigenes Gewiſſen! Wor meinem - Richterſtuhl würde der Stab über dic) gebrochen.

Bonav. (befremder.) Und diefes Einewäret

Mart. Daß da hier noch zu bleiben wagſt! Wie, Mann , du befigeft einen Schatz, den Eein Kö— nigreich aufzuwiegen vermag, ein ſchönes, liebevol⸗ les, tugendhaftes Weib; das Weib deiner eigenen Wahl! Du kennſt die wollüſtige Begier eines Maͤchti⸗ gen, und kannſt in unbegreiflicher Sicherheit hier noch zögern ? willſt warten, bis Gewalt fie dir entwende, oder Lift und Trug fie dir entweibe? Laß Bianca rein und lauter, wie ein Engel Gottes feyn; aber bedenke: auch Engel widerftanden einft nicht jedes Verſuchung! Auch Engel fielen und zwar um fo tiefer, je höher fie Anfangs ftanden! Kann Leckerey der üppigften Ta- fel dir [hmeden? Kann Reichthum did) reizen, Ehren: amt dich locken? Kann ein geheucheltes Lob dich freuen, ja felbft nur ein ruhiger Schlaf dich erguicken, da fläte Furcht und drohende Ungewißheit deine Tiſch- und Bette genoffen fegn müſſen? O fliche,, fliehe von einem Pfade, wo mitten im Quftwandeln unvermeidliche Gruben deis ner warten, und tüdifche Feinde auf dich Tauern !

Bonav. (Hard unwitig.) Fliehen! Fliehen! Und bedenkt du dena nicht N 2

wor 196 vorne

Mart. (Ceinfallend.) O ich bedenke gar wohl ſehe gar wohl voraus, daß du Manches dahinten laff von manchem feheinbaren Vorzuge dich trennen teft! Doch, von wahren Gütern gitft du auch F Einziges Preis; und fetbft mit Vermeidung des M gels in den Mittelftond ſich zurück zu ziehen, Eanıy jegt nicht unmöglid fallen. Laß vaber ja nicht lan ungenuͤtzt was

Eine Bothſchaft des Großherzogs, die Beinen 2 {hub vertrug, unterbrach bier den Fluß von Marte Beredſamkeit, und mochte wahrſcheinlich Bonavent felbft nicht unwillkommen ſeyn, denn fhon begann

verlegen um Antwort zu werden. Doch befchwor

feinen Sreund dem er vergebens eine Wohnung feinem Pallafte antrug ihn bed andern Morg wieder zu befuhen, wo fie das heutige Gefpräd voll den Eönnten; und wo er Entfhluß faſſen ivofle. V teli, nad einigem Weigern , verfprach Zurückku Auf feinem einfamen Zimmer, da er meht als ein Y noch Daß, waser vernommen, und wozu er gerat babe, durchdachte, da war er zwar in feinem wiſſen überzeugt: daß nur aufdiefem Wege fein re noch zu retten fey. Aber er geftand ſich auch felbft: diefer begehrte Entſchluß viel zu viel Geiſteskraft Seelenftärke erfordere, als ihn.von Bonapenturi he zu dürfen ; and fein Nichtpöffen ging in Erfüllung So fehr das Übereintreffen von Bianca’ X und Martellis Rath die Seele Bonaventuri’s erfe terte ; fo wenig er fih nun feldft die Unſicherheit fe Lage, die Unanftändigkeie feines laͤngern Hierbleil

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obzulaͤugnen vermochte; der Schimmer ſeines Range, Die Nege ber Weiclichkeit, die Süßigkeit des Hof⸗ lebens behaupteten doch ihren unwiderftehlichen Zauber. Er ſtrebte, Here Über ſich felbft zu werden, aber er ftrebte vergebens. Er glih dem Schwaͤchling, der vor einem hohen Belfen ſtebt, auf den er fo gern ſich ſchwaͤnge, um dann einer freyen Ausficht in die herrliche Meite zu genießen, dem aber Süße und Bruft ihren Dienft verfagen, Endlich nahm er wieder zum Lieb⸗ Iingsmittel träger oder feiger Seelen, sum Auf ſchub feine Zuflucht. Als er am Morgen darauf feinen Freund verſichere te, was auch wahr ſeyn mochte, daß er ſchlaf⸗ los und nachſinnend die halbe Nacht hingebracht habe; als er Mortellis Urtheil das Lob ber Gründlichkeit er⸗ theilt hatte, und nun mit der Betheurung endete: er ſey entſchloſſen nach Monathsfriſtdem Hofleben abzuſagen, da laͤchelte Martelli etwas bitter, und rief: Feſt entſchloſſen! Nach Monathsfriſt ſchon? Bedacht⸗ ſamer Pietro, übereile dich nicht! Als die Thür des Kerkers vor deinem Nahmenspeiligen fh aufthat, als eine Stimme ihm befahl, fih zu gürten und hinweg zu begeben, wartete da St. Peter wohl bis zum nädhften Morgen? That er nicht fogefhwind, als möglid, was er für gut erfanntz?

Bonaventuri errbthete ein wenig; doch par er; wenn nicht auf dieſe, doch auf ähnliche Fragen. ſchon vorbereitet. Manche Entſchuldigung yon aufgetragenen Geſchaͤſten, deren frühere Beendigung ſein Gewiſſen gebiethe von der Unmoͤglichkeit, gerade jetzt bie Auf⸗ merkſamkeit dei Fürſten zu täuſchen von der Mpthe menbigkeit fid doch vorher einiger Maßen flir die Zu⸗

! 00008 198 0008

Eunft zu ſichern ward vorgebracht. Die Worte n ten ſcheinbar genug, aber fie bintergingen Mart nicht. | |

„Du wirſt es, fprad er, einem Manne, der fch ſo manches Garneval mit ahfah , nicht verargen , we er mifitranifeh gegen Masken it. Ich Eenne frey) deine Gefhäfte nicht; wie Eönnte ich fie alfo dir läugnen ? Sch billige deine Morfiht , wenn fie ı Map gefhieht; aber ich Fenne etwas anderes ;iem! genau (indes er auf's Herg feines Zreundes geigt) Und jorge, das Bild eines Vogels, der von der Leimruthe losreiſſen könnte und figen bleibt, bid er erhaſcht wi weil ervor dem Verlufte von einigen Federn ſich für tet, dürfte bey dir ein treffendes Bild feyn. 8 wohl! Mich rufen Gefhafte nah Ravenna. Wäl du Einfamfeit und landlide Stille; bedarfit du | ihr eines Gefaͤhrten, fo melde es mir! IK. ı laſſe fogleih Allee, um mis meinem weifer gemot nen Freunde zu leben und zu iterben. Aber die Bri des Höflings, des Günſtlings, des halben Großh

3095 fogar, bleiben unbeantivortet; denn mich tr.

mein Einn abwärtd von diefer Atmofpbäre !”

Fruchtlos wandte Bonaventuri alles Mögliche ı um Martelli noch langer bey fih zurüd zu baltı fruchtlog bediente er fid) dee Verſprechen jeder Art, Beſchwörungen und Selübte! Derftarre, aber bied Mann blieb feſt auf feinem Sinne. Seldit Biar mochte er nicht vorgeftellt werden, weil Dieß feine E fernung erfchwere ; felbit Lie Geſchenke, die fein Fret auf das edelmüthigfte ihm darboth, fhlug er a weiler deren nicht bedürfe. Er reifte ab, und überl Bonaventuri feinem Schickſale; denn er fah vora

wre® 199 v... . baß alle Mühe, diefer Deele von Wachs männliche Feſtigkeit zu ertheilen,, vergebens feyn werde.

Auch gefhah, was er verkündigt hatte! Der Moe nath verlief; noch ein Paar folgten, und Kein Brief vom Bonaventuri fuchte in Nevenna ihn auf. Der Verblendete, , weit entferne, ſich durch eine edle Anſtren⸗ gung loszureiſſen, verfank jetzt da Martefli’d ware nende Stimme ſo ſchnell wieder verhallte, und Bianca, der öftern fruchtlofen Vorſtellungen müde, zu ſchwei— gen begann, nicht nur in feine vorige Betäubung jerüd, fondern gab ſich auch bald der Verſtrickung gir ned Feindes preis, der deſto furchtbarer war, je ſchlei⸗ chender er heranrückte; defto gefährlicher , je tiefer feine Schaͤdlichkeit fih in dag Gewand inniger Zärtlichkeit verbüllte! Daß diefer Feind, oder diefe Feindinn viels mehr, abermahls Kaffantra Bongiani war , wirb man wahrfheintih im Voraus vermuthen.

Zwar, wenn jemahls ein Schwur Bonaventuri aus vollem, entfhloffenen Herzen quoll, fo war es jes ner, ald er Bianca die Aufopferung ihrer Nebenbube lerinn zuſchwur! Zwar hatte er es hierin nicht, wie er fonft wohl pflegte, beym bloßen loͤblichen Vorfag gelaſſen; hatte wirklich eine geraume Zeit felbft den entfernteften Ilingang mit diefer gleich reizenden, gleich gefährlichen Perfon abgebrochen, und war ſchon breit genug fich felbft zur Geneſung heimlich Glück zu wün⸗ fhen. Doch viel zu voreilig war diefe Beibitzufriedene beit! Sie entfprang , wie falt immer zu geſchehen pflegt, aus Unbekanntfhaft mit feiner eigenen Schwäche und mit der jenfeitigen Starke.

Nie hatte Kaffandra das göttliche Gefühl der wah⸗ ren eigentlichen Liebe empfunden; hatte. ſicher au im

wev⸗ 200 ..“

Bonaventuri's Umgang diefelbe nicht: Eennen geler Doc die Empfindungen des beleidigten Stolzes, gekrankten Eiferſucht Eannte fie defto beſſer, und fill folde in ihrer ganzen Gewalt, ald fie Denjenigen pl Iih in feiner Bewerbung erkalten, ja, ganz zurt weichen ſah, über den fie ſchon als unbefchränkte ( bierherinn zu herrſchen glaubte. Aufeinige Augenbl wähnte fie: Dieß fey die Wirkung einer neuen Liel und fah forfhend rund umher, welche Nebenbubhler: dreift genug fey, dieſe Beute ihr entreiifen zu woll Doch als fie Keine erblickte, als fie durch Kundſch von Bonaventuri's häuslichem Reben [bloß ; daß ni eine neue Werirrung , fondern die Rückkehr zur Pfl ihr diefen Anbether entziehe; Eurz, als fie Bianı Mafregeln, wenn aud nicht vollftändig, dach 3 Theil errieth ; da rief fie mit ſtolzer, lächelnder nügfamkeir aus : ‚diefe Belehrung fol nicht fa dauern !— und der Weg, den fie einidlug, waı einfach und doc fa zweckmäßig, ald möglich,

Drey Wochen lang entzog fi Kaſſandra dem H und jeder andern Geſellſchaft, um beym Aufang vierten mit defto bemerkteren Reizen wieder zu erſch nen. An einem Sefte, wo ſich Alles mit Schmuck üt deckt und wohl kann man fagen, aud) überputzt hat trat fie wieder auf in einem bloß ſeidenen, ungeſt ten, ſchwarzen, Eunftlofen Gewande, veizend durch fich felbft und eben deßhalb reizender, alß ihre Schmeftern.

Bonaventuri bebte ſchon, als er fie eintreten fi denn ſo ſchoͤn, dünkte ihn, habe er fie noch nie gefeh Er bebte noch ftärker, als fie auf ihn ihr Auge ri Ite, Er fuͤrchtete in demfelben verdienten Unillen

sowa SDNE vorn

eerblicken; ſah fhüchtern auf, und glaubte feiner eige⸗ nen Bemerkung kaum; denn er fah in ihm nichts als Riebe. Sie wandte, als er fi) zu nahen noch Beden⸗ fen trug, gelegentlich) anihn ihre Rede. Nun glaubte er doch gewiß verſteckte Vorwürfe zu hören, und vers nahm wieder den Zon der Sanftmuth felbft. Schon wanfte der Arme; feine Stimme ftodte. Kaflandra bes merkte es nicht. Sie erzählt ihm bloß: daß fie eine geraume Zeit geſiecht, daß Herzens kummer fie bes troffen daß mancher Sreund, von dem fie cd nicht beforgs , fie verlaffen habe. Ihr Mund nannte Beinen einzigen Nahmen ; ihr Auge nanııte ihn. Bonaven⸗ turi würde zu ihren Süßen gefunten feyn, hätte er nicht in der Nähe fo viele und vielfältige Zeugen gefes ben. Eben hatte er-nun. Gedanken und Worte zu ein Paar mühſamen Entfehuldigungen geſammelt, da ent« fernte fie ſich raſch, doch zurückſchauend. Ihr nachzufol⸗ gen vermochte er nicht. Seine ganze Seele war bewegt. Ein Briefchen ihm nachher heimlich, als er in Gedanken ganz verloren am Spieltiſch des Großherzogs ſtand, zu⸗ geſteckt, (er wußte ſelbſt nicht, von wem,) verfehlte ſeinen Endzweck noch minder. Folgendes ſtand in dem Briefchen, ohne uͤberſchrift und Unterzeichnung. „Ein Mann hoͤrte von einem Schatze, den ein Geiſt bewache. Zwar war er ſelbſt ſchon begütert genug; dennoch hing ihm das Herz nach dieſem neuen Beſitze fo eifrig, daß er beffen theilhaftig zu werden ſchwur, und ſollte es auch Aufwand und Müdhe tauſendfach erfordern. Won der Ferne ber wurden Beſchwörer verfchrieben ; Opfer wurden dargebracht; der Bewerber felbft umging zu jeder

use 2OR ern

Stunde, bey Tag und Naht, forgfam den | flimmten Ort. u "Range wiberftand der Geiſt; endlich warb nachgibiger: zuletzt beſchied eine dumpfe Stim: den Suchenden, in naͤchſter Nacht mit dem Schla zwölf Uhr ſich einzuſtellen. Bis funfzig Minus vor zwölf hr machte der Wann; dann ward er I ſchläfrig, fchlief ein, und verfchlief ten Glock flag. War Dieß zu verzeihen War eine fo fpı Nachlaͤſſigkeit nit doppelt firafbar! Au, | ex es oft nachher bereur; oft ſechs oder firben M ternächte hinter einander ji eingeitellt; mand Morgen wahend entgegen geſchaut. Aber wei Meue, Wachen, Opfer noch Befbwörung halfe der Geift kam nicht wieder; nur ein fpottendes lächter antwortete zuweilen dem Beſchwörer. Laffiger, der zwölften Stunde fo Naher: weißt du dir wohl biefes Mährchen zu deuten?” Hätte Bonaventuri auch nicht Kaffantra’s n zum Schein in einigen wenigen Zügen verftellte , hundert andern fih mit Fleiß verrathende Handſchr erkannt, ee würde liber ben Schreiber des Briefes di Beinen Augenblick zweifelhaft geweſen ſeyn; aber wi war er zweifelhaft, was bier zu thun oder zu lai fey. Lange rangen in feinem Innerſten Pfliht und L denfhaft. Der Sieg flug endlich) dahin aus, wol er gewöhnlich fih lenkt. Kaſſandra fah den Flüchtli wieder zu ihren Füßen. Inniger und fanfter | gleich, ald ehemahls, ſchlangen fih ihre Nege ı ihn. Aus Furcht ihn abermahls zu verlieren, mit deritand und Nahchgibigkeit zugleich 2

er 209 diefe Strihe nicht verfteht, dem em follen fie wenige ftens hier nicht gedeutet werden.

Bald war Bonaventuri’t Gluͤck dem ganzen Hofe kein Geheimniß mehr; Junker und Damen flüfferten ſich, was fie vermucheten , mit verftärktem Haß und Merde von Mund zu Munde zu. Auch daß ed Bianca nie lange unbekannt bleibe beforgte man treufid. Was fie erfuhr, war ihr wenigftens keine unerwartete Neuigkeit mehr. Schon hatte fie aus dem’ nnfläten Blick feines Auges wenn fie das Ihrige fanft auf ihn heftete, aus dem Farbenwechſel ſeiner Waͤnge, aus der innern Unruhe, die zuweilen ein unwillkürlicher Geufzer lüftete mehr noch aus der unpaſſenden Hei⸗ terkeit, wozu er ſich ſichtlich zwang und dann nicht ſel⸗ ten die Mittelſtraße uͤberhüpfte, auf Erneuerung ſei⸗ ned Wankelfinnes geſchloſſen; hatte aus Grundfägen fieber getäufht al8 überzeugt ſeyn wollen. Jetzt, als man ihr Umitände binterbrachte,, die ſelbſt den klein⸗ ſten Zweifel zeritörten, vernahm fie ſolche mit einer: Faſſung ihrer felbft, obſchon nicht einer ſolchen Be⸗ leidigung werth. Ihr Auge blickte mit einer großen, den Ungetreuen wider Willen verklagenden Thraͤne ge⸗ gen Himmel; ihr Mund erlaubte ſich die wenigen, und doch fo bedeutungsvollen Worte: Das babe ich nicht verdient um ihn! .

„Und win es auch künftig nie verdienen !” fügte fie in nächfter Secunde, noch lindern Tones, hinzu; und war Heldinn genug, ferner von etwas Anderm zu ſprechen. Welche Ihränen auch dann vielleicht flogen, wenn fie allein fih ſah; doch ftand fie wenigftens, fo oft als Zeugen um fie laufchten, mit ber hohen Miene eines großen unſchuldig verklagten Mannes vor bem Richterſtuhl der Welt und ihres, sigenen Her

wen 204 - zens zugleich; blieb feſt auf dem pied⸗ der Tuger und ſchlug jede neue Bewerbung ihres fürſtlichen Li habers ſtandhaft aus. Vergebens fuchte Dieſer 6 durch glanzende Pracht, bald durch reiche Geſchenke wirken. Vergebens haufte vorzuglih Mondragone V fuhung auf Verfuchung. Jede noch fo Einftlihe H terlift bfieb fruchtlos; bey jeder war am Ende ein ı williger Bli det Sürften, ein bieterer Spott ſei Gattinn und innerer nagender Verbruß des fürftlid Aupplere ganzer Lohn. Ein Lohn, dag ihn db jeder Mondragone empfinge, und lebenslang behiel Doch nur allzu ausdauernd ift die Boßheit ei vollendeten Höflings; nur allzu reich und ül ſchwenglich ift das Arſenal feiner Sinterliften und ner Tücken ausgerüftet. Hundert können wereitelt n den: er bat zum andern Hundert noch gyten Wil und Kraft genug. Auch Mondragone ermattete nid „Wenn dann (dachte er bey fich felbft) nichts, bu „aus nichts diefe Thörinn von ihrem Pietro fren „ann, fo wollen wir diefen Pietro feldft ihr raub „Wenn fie mit fo fübelhafter Treue fogar un eir „ebebrecherifchen Gatten hängt, wird fie denn aud „nen Schatten Wohlan, meine Tegte M - „fpringe! Sie macht wenigftens eine Öffnung „Walls, und der Stürmende wird fi deren „bedienen wiiten!” Etwas raͤthſelhaft Efingt vieleicht diefes Zei geipräh ; doch was Mondragone fih dabey dachte, leicht und faßlich genug!

Kaſſandra's Geſchlecht war alt» adelig und fl Am folzeften unter Alen war Robert Ricci,

Haupt der Familie, und Kaſſandra's Oheim; ein Mann, nicht ganz vom gemeinen Schlage; ein Mann,

der zwar nicht Ehrfurcht; ; aber auf jeden Fall Bemer⸗ J

kung verdiente. Von Jugend auf, bald bey dieſem, bald bey jenem kleinen italteniſchen Fürſten in Kriegs⸗ dienſten angeſtellt, und nun wie er gern von ſich zu ſagen pflegte, unter den Waffen ergraut, hatte ed ſchon frühzeitig das Gluück gehabt, für tapfer zu gelten, nicht, weil er Heldenthaten gethan, ſondern . ein Paar unbedeutende Narben im Geſicht davon ges tragen hatte. Schwelgend im Geheim, fhielte er öfr fentlich den Haſſer jeder Wolluſt; war nicht reich, und

machte fih oft im Geſpraͤch noch ärmer, als er war, |

um das Selbſtlob einzuweben: zwey Erbſchaften wäs teh von ibm verfhmaht worden, weil er fih nicht zu büden wife. Sein rauhes Eriegerifhes Weſen, fein Eurzgefaßter Ton im Sprechen, feine Sreymürbigkeit, womit er. zumeilen den Vornehmften im Staat Wahr⸗ beiten fagte, feine Hinwegſetzung über alle höfiſche Zierlichkeit, machten, daß er bey Allen, die ihn nicht nahe und lange genug kannten, für einen Biedermann galt. Aber fein Werth war bloßer Schein; fein Inneres entſprach nicht ſeiner Form. Auf ernſten Grund⸗ fügen beharrte er nur da, wo Rache, Hochmuth und Eigennutz es forderten. Dieſem Letztern opferte er nicht ſelten bie beyden Erſtern auf, wenn es nur mit einigem Anftande gefchehen Eonnte.

So zum Vepfpiel war Wonaventuri’& Liebe ‚u feiner Nichte und ehemapligen Mündel, gleich von ih⸗ ver erften Entftebung an, ihm zwar bekannt und unangenehm genug gewefen, weil in den Augen des ähnenftolzen Thoren des fürftlihe Guͤnſtliag, Tretz

-

won 206 wa

feines hohen Poſtens, nur wie ein Mann aus t Wolke ſich zeigte; fo hatte er wirklich ſchon ein Mohl auf Kaſſandra's Entfernung, wohl gar auf i Einfperrung in ein Klofter gedacht; aber die Vorf lungen feines Sohnes eben besjenigen Francı Nicci, deſſen Mondragone fon ein Mahl im ( fpräche mit feiner Gattinn erwähnte und die nung, daß doch wohl nord durch diefe Liebfchaft fei Familie ein weſentlicher Vortheil zu wachſen kön machten, daß er eine geraume Zeit ſchwieg; 1 wahrſcheinlich hatte er immer geſchwiegen, hätte fi ftet6 mit einem halblaut gemurmelte Wortchen, hd ftens mit einem ſchelen Blick gegen Kaffandra begnüͤ hätte nur Bonaventuri auch Mäßigung genug habt, um dieſen Seitenblick, den. Robert feinem R fhuldig war, zm überfeben; oder Klugheit gen: um bem Stolz; und Eigennug diefes alten Krieg anderwärts zu ſchmeicheln. Aber der unvorfihtige Bonaventuri, ber je Glück feft umklammert zu haben glaubte, weil er Gunſt des Fürften befaß, oder vielmehr zu befüi fbien, hatte nicht einmahl hinlaͤngliche Einſicht, Blursverwandten feiner Geliebten in feinen Nugen verwideln, um dann defto ruhiger Tieden zu Eönn Ohne eine Partey zu ſuchen, die ihn ſchirmen u

. ftügen könne, verfhmähte er fogar diejenige , bie ' ungefuht ihm darboth. Denn als einft der jur Franceſco Ricci in einem wichtigen und fihleunig Geſuch ihn um fein Vorwort anſprach, vergaß er d Fürſten aufzinvarten, bloß damit er nit ein Stü— chen fpäter zu feiner Gebietherinn Eomme; ein ande Mahl war er ſtolz genug, über Signor Robert fe

des Vorrangs dep einer öffentlichen Feyerlichkeit

‚wna 207 den anzumaßen; und ein drittes Mahl erwieberte er deſſen ziemlich höflihe Werbeugung mit einem bloßen nach⸗ läffigen Kopfnicken.

Die Farbe des Unwillens flog über Roberts Wan⸗ ge; das Feuer des Zorns glühte in ſeinem Auge. Montragone bemerkte es, und ſprach heimlih zu fih . ſelbſt: „Run babe ih ihn!“ Noch diefen Abend. fand Ricci auf feinem Tiſche einen Zettel liegen, den Niemand hingelegt haben wollte, und auf-welchem die Worte flanden:

„Leider iſt Kaflantra nit Lucretia; aber Nobert

folte doch Brutus feyn! Zwar nein! nein! diejer

Brutus ſchlaͤft!“ Einer ſtaͤrkern Anreizung bedurfte es nicht. Robert nahm nun wirklich die Miene an, die ibm als Haupt feines Stammes, ald Räder einer beleidigren Ehre gebührte. Gegen Bekannte und Nichtbefannte entfie len ibm bittere Ausdräcde Über den Mißbrauch, den unwürdige Menſchen von fürſtlicher Gnade machten ; bey jeder Gelegenheit richtete er mit offens barer Geringſchaͤtzung auf den Günftling felbft fein‘ Auge; und ald Bonaventuri gleichwohl es nicht merkte, oder nicht merken wollte, da wußte er es gefhidt ges nug fo einzurichten, daß Bonaventuri einft beym Weg: geben aus dem fürftlihen Gemach im Vorzimmer uns ausweichbar auf ihn ſtieß; daß zwar Niemand ganz in der Nähe, doch aud Verfhiedene nicht fo weit fh befanden, um nicht aus Geberden und halb verftander nen Worten auf das Übrige zu fliegen, und hier.xex bete ev alfo ihn an:

were 208 mom

Mobert Ricei. Vortrefflid, dag mein Tori; Suchen doch nicht ganz fruchtlos bleibt l Nach Ihne Signor Pietro, ſah ich geſtern und heute ſchon über mich um. ie allein, oder wenigſtens Sie am beſte Eönnen über einen Streit eutſcheiden, d den ich vor ſtern Ibretwegen hatte.

Bonav. (ka. And der betraf?

Rob. Nichts Größeres, und nichts Geringer: als die Frage: ob Eie ein geborner Slorentiner war oder niche ?

Bonav. Allerdings bin ih ein Florentiner v Geburt.

Rob. Wirklich! Und am Ende wohl gar aus! Stade felbft 3

Bonäp. Ganz gewiß!

Red. Sonderbar! So hätte ih doch mei Werte verloren! Kaum hätte ich mir Das gedacht. Bonav. (etwas vertegen.) Und warum denn kaur

Rob. Weil Sie mir für einen hier geborne hier erzogenen jungen Dann zu unbekannt mit unfe alten Geſchlechtern, ihren Sitten und ihrer Denkung art zu feyn fohienen.

Bonav. (immer seriegener) Wie? Sch Eennte nicht? .

Robert. Wenigftens bas uralte Gefchlechted Ricci nicht!

Bonav. Sie ſprechen in. Raͤthſeln! % meinen Sie Das?

Rob. Wohl ſich ausgebrädt, Signor Pier Bonaventuri? Es wird freflih Zeit, hoͤchſte Ze baf wir endlich wechfelfeitig unfere Meinung uns ı

klaͤren

dere 289 J Bären. Ich ſchwieg Tangez’aßer bie Ehte Meiner as milie und die Rechtſchaffenheit, deren ih mich immer befließ zwey Güter; Bende mir unendlich theuer® zwey Güter, für die ich mein Leben felbit in Gefechten und in deg- noch weit gefbrlichern Kämpfen der Höfe niemahls fhonte! zwingen! mich jetzt zu reden.

Bonav. (eine fafß trotzige Faſſung aunehmend) Mas haben. @ie denn aber fo mächtig Großes zu reden?

Robert. Kaflandra Bongiani it meine Niger.

Bonav. Dad weiß ic! j

,. Rob. Sie war einit, als Waiſe, ganz meiner Aufſicht unterworfen.

Bonav. Wer zweifelt daran?

Rob. Und iſt mir noch jetzt in mehr als einem Betracht Ehrfurcht und Gehorſam ſchuldig.

Bonav. Wirklich? Aus welchem Rechte?

—Rob. Weil. ih dad anerkannte Haupt ‚ihre Serhleäts bin.

Bonav. Sind Sie Das? (mit äftiem dagetn.) Nun fo wünſche id Ipnen Glück dazu.

Rob. Und doc ſteht eben dieſe Kaſſandra Bon⸗ giani jegt im Begriff, ſich ſelbſt, ihr Geſchlecht unn uüns Alle zu beſchimpfen.

Bonav. Cerngen Blids.) Ju beſchimpfen?

Nob. Zu beſchimpfen, ſag' ih‘, und Dieß durch bie blinde Liebe, die zwiſchen Jonen und ihr obwaltet, ader wenigſtens obzuwalten ſcheint,

Baonav. (mit außerſter Hitze.) Tod und Hoͤlle! Veſchimpfung/ Beſchimpfung durch eine Liebe zu mir! Ha! alter Graukopf, wenn ich hier einen Degen haͤt— ke, und wenn Dieß nicht fürſtliche Gemaͤcher waren!

Meißners Bianca Gap. 1. THE O

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an LIO we,

Kot. (dot.) &o würden Sie Anden, daß ai meine Klinge nicht eingeroftet, daß aud) von ihr Spitze noch nicht abgebrochen ſey.

Bonapv. (verächtlich lächelnd. Weil Sie wa fcheinlich, dieſe von jeher treulih fhonten. A warum, wenn id) e6 willen darf, ober wenn Sie fel anders wiffen, was und zu wen Sie fpreden

Rob. (kart eintanene.) Zum Signor Bonavent: fprech’ ih; und von einem Schandfled meines Hau iſt die Rede!

Bonav. So ſagen Sie mir: warum beſchim Kaſſandra, die ſonſt fo ſchöne und.fo edle Kaffand eine Liebe zu mir? zu mir, den Se. Durchlaucht fei ihrer vorzügfichften Gnade würdigen ?

Rob. Gnade des Zürften, fo fehr fie auch ch gibt doch den Vorfahren des Begnabigten befhalb | nen Tropfen edlern Blut. Ein olter Gelbat, ı ich, beugt fi vor Gottheiten nicht, die nur die Lar eines Höhern einige Tage hindurch auf den Altar hebt, und dann vielleicht auf immer zertrümnsert. fennen nur zweyerley echten Adel: den geerbten, o den turd Narben und Verdienſt erworbenen. Se geſchenkte, geſchenkt aus fürſtlicher Nachſicht, gıle ı am fürſtlichen Hofe, in Vorgemaͤchern und ‚bey © mäblern; aber nicht in der Verſchwoͤgerung.

Bonav. Ob Sie nit Luft härten, dieſet tr ſiche Theorie zu Papiere zu bringen?

Rob. Das mögen Andere thun, deren gan Verdienft böchſtens ın ber Feder beftehen ann! bin gewohnt Wahrheit zu ſprechen, und den Beim

wen 211 res

(er melner Worte mit Blut, nicht mit Dinte zu wis Derlegen. Aber felbit wenn jened ewig unaßänter: libe Ainderniß des edlen Blutes bier nich⸗ vordanden waäre; wie Eönnte aud dann nod ein⸗ Vetſchwagerung zwiſchen Bonaventuri und Ricci nur denkdar ſeyn, a - Sie ſchon der Gemahl einer ſchönen würdigen Gasınn - find? Und Kaffandra vielleicht bloß Geliedte neben⸗ bey? Ha, verdammt fey derjenige Riccı, verdammt zur unterften Hölle, der auf jeiner enıfernteiten Ver⸗ wandtinn biefe Schande ſitzen ließe! Hier haben Sie mein Bekenntniß! Sch hofte, Ste werden - fid darnach richten.

, Bonan. Ridten, ich bürge dakur, daß Ihnen das Ohr wiebertönen, und das Herz erbeben foll!- Zenn Die, Signer Robert, ift mein Gegenbekenntniß. Sch bethe Kaffandra an, und werde ed thun, fo lange ic) athme. Oft babe ih fie heſucht; nod aͤfter werde ich es künftig thun; und biethe Ihnen T Trotz hierdurch, mich daran zu hindern. Kaſſandra's Vormund waren Sie ehemahls? O ja, ich weiß es recht wohl, und auch fie weiß es noch allzu gut; deun ſie empfindet es an der Abnahme ihres Vermögens. Dabet Signor Kos berts Wunſch/, eine Bekanntſchaft zu trennen, die ehe⸗ mahligen ungerechten Haushaltern ſchädlich werden Ednnte; denn wahrscheinlich fürchter er, was fonft kaum geſchehen waͤre, aber nun ganz gewiß geſchehen wird abgeforderte Rechenſchaft. Zu feinem Nagtheil, ich ſtehe ihm dafür, fol er nun eriahren, dafı -3 ibm Pfliggt geweſen fey, von Kaſſandra's Gütern- räuberifhe ‚Hände zurüc zu haften; fol erfahren, unter weiten &ichuß? fie ſteht! (enttkernt ſich ſchnell.)

O 2

wa 212 ren

Rob. Tod und Verderben! Darf ich meinen L ven trauen? Er droht mie noth! Er mir! dem vor zehn Monarhen noch eine Kammerdien Stelle bey mir ein neidenswerthed Glück geſchien baben würde! Mix, vor bem er fi büden follte, we er anders feinen Weg fortzumandeln gedähte? H bey Himmel und Hölle, es fol dem Leder fo ungen: fen nicht ausgeben! Er fol bald fehen, ob ich wahr | fprochen habe, als ich verfiherte : daß manche Gewel ‚gegen ibn ihre Spigen nicht verloren'pätten! (Berniga

Das Geruͤcht von dieſem Streite durchlief 6 den ganzen Hof. Keiner zweifelte, daß die Fami Ricci, die eine große Anzahl von kühnen Züngling und erfahrenen Männern in fich faßte, eine ſolche 2 Teidigung, ihrem Oberhaupte zugefügt, und einen | chen befchimpfenden Umgang mit einer ihrer Nicht Öffentlich eingeflanden, nicht ungeraͤcht laſſen wür Bianca felbft, ald fie es erfuhr (und Mondragone fo te weislich Dafür, daß ſte es bald erfahren mußte) te mehr Sorgfalt für den Unvorfihtigen, als Schm über ihre eigene Schmach. Ahr hoher Beift vermo« ed nicht, fih ned ein Mahl zu münt!ihen Vorſ lungen und Bitten berabzulaffen; aber fie that ed verfhiedenen Mahlen duch Briefe, die einen Minuten lang dauernden Eindrud auf ihn macht einen Eindrud, den Kaffandra’s Eleinfter Blick, flüchtigſte Zeile ihrer Hand, ſogleich wieder verlöfd

Aber eine Wirkung hatten die Bitten und X nungen Bianca's doch auf ihn; diefe, daß er won ı

\ *

mr 213 ron Bu

an feine nächtlichen Beſuche bey Kaſſandro mit mehr Worſicht anſtellte. Einer feiner tägl; Tiſchfreunde, Nicolaus Bilocchi, ein Kerl, ſtets das Wort Her, im Munde, und dafür, nach gewöhnlichen Laufe ber Narur, keines ım Bufen hatte, mußte ihn gewaffnet begleiten ; ein deutſcher Miethſoldat folgte ihnen Beyden von Weitem. Bonaventuri ſelbſt verfah fih mit Rüftung und Gewehr, und fein anges borner Muth machte, daß er nad einer ſolchen Vers faſſung zu einer jeden Stunde der Nacht ſich hinläng⸗ lich ſicher achtete.

Der Unglückliche! Er wußte nicht, daß eben der Elende, den er an feiner Tafel nährte daß Bir locchi fein gefährlichfter Feind, ein Söldner bes Nicci und Mondragone zugleih, und im eigentlichften Vers flande Betrieger gegen alle Drey fey.

In Geſellſchaft diefer feiner beyden Miethlinge kehrte Bonaventuri einfk, in einer Auguſt⸗Mitternacht, von der Liebe Schwelgereyen beim. Es war eine der ſchoͤnſten Sommernädte; der heiterfte Himmel; Eein Wölfen, das den Eleinften &tern bedeckte; kühle wehende Lüfte; Stille weis umher. Ach, wie fröhlich "über genoffene Wergnügungen, wie voll Hoff⸗ nung von bald zu wiederhbohlenden, ging der Arme feinen Tegren Gang! Sie kamen zu der Drey⸗ einigkeit6- Brüde. Pioting! fholl eine Srimme dumpf vom jenfeitigen Ufer! Piotina! Elang +8 vom diepfeitigen Andern in einem graͤßlichen Bafle wieder. Unfere drey Wanderer ftugten, horchten betreten, ſa⸗ ben noch betretener fich unter einander an.

ans un Dec}

en DI we

Bonav. (um Birscht.) Was ıft Das! Was ı biefer unverſtändliche Ruf bedeuten?

Bilocchi tik sera Zaſſund.) Sch bo nichts.

Der Deutſthe (den Reif f@ütteind.) Und fürchte: viel, ſehr viel. - Hoch, gar! Hört nichis!

Bonav. Aldwie ein Laufen.

Der-Deutfhe. Oder vielmehr, als wie Kommen Ha! dachte ich's nicht? Seht ı mahl die Menge Feinde , die von dorther auf ung | ftürzen.

Bilocchi. Müffen denn diefe Menſchen e Feinde ſeyn?

Der Deutſche. Ihte blinkenden Waffen | gen es! u

Bonav. (feinen Degen ziebend und den Mantel zu werfend.) Nun, wenn es denn gelten foll, und gel muß, fo gilt es Blut. Vor allen Dingen ken Rüd frey gehalten! Stellt euch ſo, meine Freunt (Indem er mit dem Degen ihnen ein ‘Paar. Stellen bezeichn

Bilochi (tiefe) Ey ja! fechten für dich? D wäre mir rede! (Saut.) Um Verzeihung, ich ba es fürs Beite, wenn ih mich fo ſtelle. (Enificht.)

Bonav. Ha, ber Nichtswürdige! (mit mei baftem Vlick auf den Zw:nten.) Aber. du?

Der De urſch (mit gezogenem Degen.) Ich | ein Deutfcher !

(Seh Hi fleben Kerlo umriugen fie in einem Hat

ra 815 u

Ziekel und in einiger Entfernung. Der Anführer trite

einen Saritt ‘hervor und ruft;) .

Bandit Weg von bier, wer nicht Pietro Vo⸗

napenturi iftl Nur mit ihm haben wir zu thun. '

Der Deutfde Und mit mir! Hört es an

meiner Ausfprace „daß ich Eein Welſcher und kein

Weib bin! (Gr ſturzt auf den Anführer 108, der fig azurück

gieht.)

Einer. Bund. Noch ein Mahl, Brempfing,

entferne dich !

mörder |

Sonav, Begehrt ihr Boͤrſen, Singe ober ans bere Koftbarkeiten ? | -

Der Anf. (Bitter tadend.) Erz von Werte! Dein Leben begehren wir. .. \ \

- Bone». Nun, fo folt ihr denn weber Diefes nach Jenes haben !. (Sie dringen wüthend auf die Banditen sin, um Hd durchzuſchlagen⸗ und verwunden Einige.)

Einer d. Band. Brav, KRaufmannsdiener, baft du-auch Fechten ſo gut als ſchmarozen gelernt?

Bonan. Da fühle ed, Bandit! (Nam Ihm Hauend and treffend.) - ot |

Der Deutfhe, (indem er vom Stoß eines dieſer Banditen fintt.) Ha, es ift dir gelungen, Boͤſewicht! Gott! (Riche.)

Einige db. Band. Und bad fol uns noch mehr. delingen }

Bonav. Go. fahre benn wohl, Hoffnung! und

Der Deutſch 2 Entfernt euch ſelbſt, Dede:

dus Verzweifelung, ftärke mid) ! (Er Idlägt Ach dur sur (ide eines Baß Sens, zwey neue Böltwidter vertreten ‚den Wera.) Ha! auch da alfo nur Degenfpigen und Zod? ı& wendet fi gegen Die andere Belle, auch bief beſent. Ochändliche, feige Mörder! Zu Dygenden Eon ihr gegen einen einzelnen Mann? So verfudt bi (ein geroorfener Doich trifft Ihn son dinten in die Inte fehle; er autt aufs Rule.) Jeſus Maria!

„anf d. Band, (Herten eitend.) Liegſt bu end

Wahrlich, Burfch ‚du biſt fo brav, daß * Aber freylich, ſterben mußt du nun | „Bonav. Wenigſtens will ich es nicht, ol mid an dır gerächt zu haben. (Jadem er alle feine Ke— famnıelt, noch ein Maͤhl fi aufrafft , und das Haupt Banditen fpaitet.) Gelungen! Ha! (Ge Kürit u aus Ermattung, theils durch neue Streiche un Soden.) D! O! (Bie zerfleifhen ihn.)

Einervon ihnen (indem er ſich vorbränge ı die Übrigen zurüc sa.) Zurück, zurück nun! Er | genug und Üübergenug! Ihn zu tödten, nicht ihn viertheilen, war unfer Öefhäft. Saht ihr wo baf er von meinem Streiche zuſammenſtürzte, er eben, brav'wie eine ehwe unfern bisherigen ? führer tödtete ?

Alle. Mir ſahen es!

Der Vorige. Und wer ſoll nun euer Anfuͤb ſeyn? Wahlt hier auf der Wahlſtatt!

Alle, Sey du es! Einige. Sey's würdig! Andere Sey's glücklich!

nr. 217 EV

Alle. Sey's würdig'und glüͤcklich!

Der neue Anf Ib will das Erſtere, und. hoffe das Zweyte. Auch bin ih zu gutem Glück mit dem Umfange des ganzen Geſchäfts bekannt, zu dem unfer bisheriges Oberhaupt heute uns ausführte. Es beitand im Morde, von zwey Drenfihen , oder,’ wenn ihr Tieber wollt, von anderthalben; eines Mans nes und eines Weibes. Der Mann ruht bereits; das Weib ift noch übrig. Eilt, du Marco und du Srancesco! Eilt zur Wohnung Kaffandra’s! Sie ift ſchön und jung. Wäre fie aber auch Beydes noch zwey⸗ fach mehr, fie darf die Sonne nicht aufgehen fehen. Eilt zu ihrer Wohnung! Ein Bedienter ihres Dheimd wird dort euer warten, und euch die Thür ihres. Haufes und ihres Vorſaals öffnen, Weckt fie zu einem Waterunfer, und dann zum Tode! Wenn Kammerweiber wahen und Ereifhen , laßt fe, und befudelt eure Dolce nicht!

Marco, un Franc, Wir danken deinem Ver⸗ trauen, obſchon die Ermordung eines Helden uns will⸗ kommener waͤre, als eines Weibes!

Anf. Kleinigkeiten fangen an; große Thaten enden. Eilt! Bey Cosmus Statue finden wir uns wie⸗ der, . (34 einem, der fih herab auf Vonaventuri's Seich⸗ nam Side) Schaͤme dich, Kerl! Ich ‚glaube gar, du willſt plundern? uͤberlaß Das dem erſten ehrlichen Bür⸗ ger, der ihn in ſeinem Blute findet, und Hülfe! Mörder! und Wundärzte ſchreyt! Fort, Burſche! (Ae 062

un 2ıB vom

Raffandra's Schlafgemach.

Kaſſandra (ſchtafend) Francesco, Marco (herein tretend.)

Sranc. Reife! Leife! bier iſt fie.

Marco. Bey meiner armen Seele! ein ſchoͤ Weib! Die Unfrigen find wahre Seefpinnen ba gen. Sieh einmahl den Bufen, die Hüften, bie Fleiſch!

Franc. Haft recht. Schön! recht ſchoͤn J

Marco. Du! Wie wäre es wohl, wenn ı ihrer

Franc. Schonten etwa Memme!

Marco. Nicht doch, Gensßen vorhe meine ich. |

Franc. Pfui, Burſche! Hieße Das ehrlich handelt? Sie umzubringen, nice fie zu fh den, warb uns von unferm Befehlshaber aufgetrag

Marco. Bon ihm freylih, dem bu, wie merke, fogar ın der Sprache nachahmſt. Aber we erführe er e6, wenn wir des Guten noch mehr, er befohlen bat, thäten?

Franc. Pfui, Marco! Wort muß man ha in der Welt, fag’ ih dir, wenn man als sin bre Kerl fein Handwerk treiben will.

Marco. &o laß uns wenigftens die Schme ihr erſparen; laß uns ihr f Hlafend ben Dolch Herz flogen!

Branc. Auch Dieß wahrlih nit! Denn

-

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sea 29. bieße allzu tädifh in jene Welt he befördern. Der

Schritt, den fie thun muß, iſt viel zu wichtig, alt

nicht wachend gerhan werden zu müſſen.

Marc, Franceſco, Das kann dein Ernſt nicht

ſeyn; und doch ſchaudert mir vor ſolchem Scherze. Franc. Wenigſtens iſt Das mein Ernſt, daß un⸗

ſer Hauptmann ſie erſt zu wecken und dann zu morden

befahl, und daß den Befehlen des Hauptmanns woͤrt⸗ lich nachgelebt werden muß. Immer merkt man dir's doch an, daß du dein Gewerbe nicht von lange her treibſt. (Sie ziemlich unſanft angreifend.) Kaſſandra!

K aff. Crſchroden aufwachend.) Was (och erſchro⸗

dener bey dielem Anblid.) Allmachtiger Sort! Wo komme ihr her! Und wer feyb ihr?

Sranc, Bothen find wir, die die fagen follen, daß es hohe Zeit für dich fey, die Welt zu vellafſen.

Kaff. DO Erbarmen! Forderz, was ihre haben wollt; nur font meines Lebens! Erbarmen! Ers barmen !

Franc. Das ſuche vw Gott! Wie werlgen haben nur Eiſen für bi.

Kaff. Ihr wißt, daß mein n Obeim ein angeſehe⸗

ner Mann. Franc, Wir wien, daß eben Der uns herſchickt.

*

Kaff. Er O ſchandlich! und Bonaventuri?

kennt ihr ihn? SFranc. Kennft du fein SIut% Hier ſiehſt du noch Spuren davon; (Auf Zlede an feinem Gewand zeigend.)

Kaſſ. O bey den, Wunden Deffen, der am Kreuze

‚wa 9220 won

Franc. (fpottend.) Sorge nit! Du ſelbſt fo der Wunden: bald zur Oenüge haben. Bethe ein X terunfer,, und dann flirb! Bethe fogleih, und wi Bein Wort weiter Dagegen! (Eine ſHauderhafte Paufe von nigen Seeunden, worin fie, die ſich gu Feiner Sylbe erküb ſiehentlich Ihre Hände gegen Beyde ausſtreckt; Marco IR gerü Zranceico nicht.) | Sranc. Biſt bu nun fertig mit deinem Gebe Kaff. O feyd barmherzig, wie Eönnte ich im | fer Lage Srane Nun fo fhalte dann, auch ohne ( betb, der Himmel, wie er will, über dich! D Stuͤndlein ift da! (Ge durchſticht ihre linfe Brum wit | Dolce.) Kaff. (in Todesangk ſich windend.) Heilige Mu Sottesl Franc, Und du thuft nichts dabey, Marco! Brav, Der traf das Herz! Sieb, wie ſchnell nun fed Zuden ins Erſtarren fih verkehrt! Wahl Das find doch elende Wichte, die vor einem To En: Leiden oft Zahre lang fi fürchten! Komm] haben gethan, was uns oblag. (a6.

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Leblos, in feinem Blute gebadet, Tag indeß unglüdlihe Bonaventuri, auf einfamer Straße hi ſtreckt. Doch verharsts diefer Letztere nicht allzu la einfum. Das Getümmel des Kampfes, das Kli der Degen, hatte einige von den Nabewohnenden wedt. Zwar getraute fih Anfangs, aus Beſor

men BIE vun

eigener Gefahr, Niemand hervor zu kommen, und nad - zufeben, was bier vorgehe? Doch ald ed nun eine ziem⸗ Iıhe Weile wieder ftille geworden war, da fchlichen Diefe und Jene aus ihren Häufern leiſe hervor; fahen das ſchreckliche, obfhon in Welfhland nicht fo gar uns gewöhnliche Shaufpiel; und unterſuchten genauer: wer tenn eigentlich der bier Geopferte ſey?

Leiche und bald ward Bonaventuri's Antlitz er⸗ Eannt. Der hohe Poſten, den er im Staat und in der Sunft des Fürſten bekteidete, veritärkte das Erſtaunen, und aud die Sorgfalt, mit weiber man ihn behan⸗ deite; und da man Troß der fiebzehn Wunden, mit welchen die Mörder ihn durchbohrt hatten , doc) noch einige ſchwache Überrefte von zurückgebliebenem, oder vielmehr zurückehrendem Leben in ibm zu. bemerken glaubte , fo eilte man forgfältig, ihn nach feiner Be: baufung zu bringen.

Es war, als Dieb geſchah, wenigftens noch eine Stunde weit bis zur Morgendämmerung. Doc befand. fih fo eben Branca ſchlaflos auf ihrem Lager ; dachte wahrſcheinlich gerade an ihn, der fie fo unzaͤrtlich als lein ließ; da vernahm fie das Gerauſch von Kommens den, dos Klopfen am Hausthor, das Öffnen ‚besfeße ben, die Unruhe, die ſogleich in allen Winkeln des Paßs laſtes ſich verbreitete. Ein ahnendes Gefühl fogte ihr, dag etwas Wichtiges, und zwar etwas Trauriges vor⸗ gebe. Sie ſchellte; eine ifrer Kommerfrauen kam, bleich, zitternd, entftellt, dee Sprache unfähig. Auch bedurfte Bianca ihrer Worte nicht. Sie ſprang empor vom Lager, flog heraus, erblickte ihn, oder feinen Ldeichnam vielmehr, den man die Gtiege heraufteug⸗

. # sen 232 won

Bott, welch' ein Anbtick fiir Bianca’ N flüblbares Herz! Ach ihren Todfeind' felbit würde bie Milde mit Schmerz und Mitleid, mit ähtem Betauern er⸗ blickt baben, haͤtte man fo ihm gebracht. Doch ihn, den geliebten Gemahl! Noch immer mit heißer Liebe, Troß feiner Treuloſigkeit, gefiebt! Ihn, dem fie ſo viel einft aufgeopfert hatte, fo viel noch jetzt aufzu⸗ opfern bereit war! Ibn, deſſen Fehltritte nie ihr Herz entfremdet, doch wohl zerriſſen hatten; ihn, deſſen Abtruͤnnigkeit fie erſt vor wenigen Minuten beweinte/ "ohne zu wiſſen, daß er ſchon dafür geſtraft ſey nein! nein! keine menſchliche Feder vermag zu ſchil⸗ bern, was fie empfand! Keine Engelsſtimme -vermag aus zuſorechen, wie unermeßlich theuer dieſer Gemsr⸗ dete jetzt ihr ward! ..

Bald Eamen Wundärzte, unterfuchten Bonaven⸗ turi's Wunden, und zuckten mitleidig die Achſein. Ibr Ursheil war: ohne Rettung! Mit einer Einſtim⸗ migkeit, die bey den Herren diejer Kunft wahrlich nue höchſt ſelten ſich finder, veriüherten fie : „Es fen äußerfk „ungemiß, ob aud die Eräftigiten Mittel ihn wieder „anf einge Minuten nur zum Leben und Bewußtſeyn „bringen würden. Aber deſto gewiſſer wäre es, daß „dann dieſe Rückkebr ins Leben nur eine Beine unbe⸗ „deutende Friſt dauern Eönnte.” |

„O nehme Alles bin, was ich habe und befiße, rief Bianca, fordert, fo viel ibr wollt, meine Freunde, nur macht, daß wenigftend nod ein Madl fein Auge mich anblicke, wenigſtens ein Wort noch aus ſeinem Munde

mich tröſte! Sie thaten wirklich, was fie nut Eonnten ; de

-

wa 228 rem Bianca’s jammerndes Geſchrey, ihr unablaͤſſiges, aͤngſt⸗ liches Rufen wirkte vielleicht noch ſtaͤrker, als alle Kunſt der Ärzte. Es durchdrang fein ſchon taubes Ohr, fein Herz fammelse noch ein Mahl alles Blut, da von den: jerriffenen Lebensgefüßen ihm ubrig war. Sein ge« ſchloſſenes Auge daͤmmerte, ging auf, fah das Licht; und fein. dumpfer Schlummer ward wieder Gefühl," nicht des Lebens ſowohl, ald des Leidens.’ Bianca fiteß einen freudigen Schrey aus, und ergriff feine trampfende Hand, | | Bonar. (fh windend, und nad einem tiefen Geufzer.) Hal iſt's möglih! Gütiger Heiland! Sch lebe nos? D wer wer wedt mih zu neuen. Schmerzen?! Bianca. Bonaventuri! Mein Theurer! mein Leben!

Bonav. Auch du dat Wo bin ih? Auf | du ° Vergib mir? Laß mit meinem Tode auch meine Schuld!

Bianca. O feine Keine Sqhulb! Daß ich ſterben könnte für dich“

Bonav. Nein, Bianca, .niht du! nice feymerzlier den Abſchied Gott, mein Herz! nice fehmerzlicher den Abſchied noch durch diefes Üdermag von Tugend! Deine Verzeibung nur böchftend deine Vorbirte, du Heilige! (Budungen.) Bott! Mutter Gottes! Mein Herz die Gluth in ibm (Bein Haupt erhebend.) Btanca, noch dieſen blus tigen Abſchiedskuß! (int zurüd.) Und nun lebe wohl! Le (Reue Sudungen ı die ihn weiter zu ſprechen hindern.) Zeus, Maria! Wergib ! Er Airtn..

Bianca (fi auf ihn werfend, ihn umarmend.) Ni Mich mit dir! (Man reißt Me 10, fie ſinet ohnmächtige ind romm erfi nd einer fangen Werte wieder ju fi.) We er? wo? Ha! hier! Hier fo kalt und ſtarr! (um Wundarie.) Alfo ganz todt, Signor? ganz?

Wund. (die Hafer zudend.) Ich bedaure.

Bianca (feine Hand ergreifend.) Bonaventuri! % haventuri! Ganz tobt! ganz! Go früh gern und fo blutig! So blutig und fo ſchaͤndlich ( ſchweizt einige Mugenblide, und wendet ſich haſtig gu einer rer Rammsrfrauen.) Wo er jet feyn mag? '

Rammerf. Wert |

Bianca. Bonaventuri! Dod nicht diefer Lei nam bier! der eigentliche Bonaventuri?

Rammerf. (mit ängſtlichem Blick auf den Wunder Guter Sort, fie wird doch nicht —.,

und. Wohl möglich! Ein ſolches Schrecken

Bıanca (mit fhmerzhaftem Lacheln.) Seyd ruhi und fürchtet euch nicht! Ich weiß, was ich fühle; we was ich ſage! Wo er jetzt ſeyn mag, dieſer früb entſflohene Geiſt ? Das fragte ich. (Mit encſch fenem Tone.) Sey er, wo er will; ſchon weit entfern oder noch uns umfthwebend, wenn er noch hören kar fo höre er! Höre es aus dem Drte feiner Prüf oder Vollentung! Ich will aufbiethen, was ich Fan aufbierhen ,„ was «in Weib vermag, um fein Schatten Genugthuung, feinem blurigen Tode Ka zu verfbaffen; und endlofe Qual fey men Loo Schmach werde men Nahme, wenn je ein Ma such nur eines freundlichen Blickes von mir fi ri

men

WE

won 225 mm men kann; er fey denn Bonaventuri’s Räder und der meinige!

indem fie Dieß fagte, ichtete fi e f ch hoch empor;

fand, wiſchte die Thränen ſich güs dem Auge; und ſah

dann mit kaltem, ſtarren Blick auf Bonaventuri's Leich⸗

nam hinab. „Sid haben Recht, Doctor! er if tod!” Stumm haftete nun ihre Auge ungefähr

drey Minuten auf ihn. Eine feyerliche Paufe; erfhür=

ternder für alle Anwefende, als des Affects rührendſte

Rede. So aͤngſtlich harrt ein Land, das des Erdbe⸗ bens fürchterlicher Geißel unterworfen iſt, wenn ein

dumpfes unterirdiſches Getöfe den nahen Erdſtoß vers Fündet; einen Erdſtoß, der vielleicht: im nächſten Mu

Städte verwüften und weite Striche Landes umbkeh⸗ J

ren wird.

Sie irrten! Bianca, die heldenmüthige Bianca

dog fi bloß herab und tußte den eiskalten Mund des Gemahls.

„Ich darf Das! rief ſie: ich darf Das! denn ich „bin rein an ſeinem Tode, rein an ſeinem Blute, und „der Himmel kennt die Wahrheit meines Anerbiethens,

„mit Freuden mich hierher zu legen, zu leiden und zu —* ſtatt ſeiner, wenn er auflebte dadurch. Aber „damit ſtets dieſes Gefühl Bleibe, wie es jegt iſt, „verzeib, blutiger Leichnam, id muß did berau⸗

„ben!” GSie ſchneidet die größte Lode am Nacken, über und Über mit Binte Sefprist, a6.) „Du warft einft braun und „ſeiden; oft babe ich fonft mit Dir gefpielt. Jetzt fpiele „ich nicht mehr. Das Blur bat beine Farbe verändert,

„bat did ſtarr gemacht. Sey ‚mein Armband! Aber

Meifners Bianca Cap. 1. Thl.

x.

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„keine Thräne jet ab auf dich, : fe „Blut von dir nit « m

.r, Nod ein Mahl n, und wandte fi gen ihr Gemach. Ihre Fr tterflügten fie.

„tann allein gehen, fagte : dh habe Kräfte geni „und bedarf noch der Kräfte Eünftig.” Man beg tete ‚fie ins Gemad. Ebe fie über deſſen Schw ſchritt, wandte fie fi abermals zegen Bonaventu Leichnam. „Du erwiederft es freylich nicht me „nenn ich noch einen Kuß dir jumerfe; aber dort o „ſiehſt du es vielleicht? Nimm ihn an, Geopferi „Nimm ihn on, geliebter, und nun zu raͤchen »Gemaptt" BR Man bath fie, fi wieder auf ihr Lager zu be ben. „Meint ihr vieleicht, erwiederte fie mit ein ® „ihmerzhaften, faſt bitteren Laͤcheln, daß es nun „raum genug für mic geworden fen? Ruhe werde „doch dort und hier nit finten follen?” Stut ward ihr Schmerz wohl ein® Stunde lang; Feine St erwiederte fie auf mannigfaltige Tröftung. Immer ı ihr Auge auf jene blutige Locke gehefter. Man mu fie ihr wirklich zu einem Armbande fledhren, .Ein ı ſchloſſener Schmerz arbeitete in ihrem Bufen; Ele Bewegungen des Mundes verrierhen zuweilen, | fie mit ſich ſelbſt ſpreche.

So verging dieſer ? Zag. Als man ge, Abend feinen Leichnam aus d_ Pallaite hinwegeri um ihn ineinerCapelle beyzi ‚merkte fie eögat wi doch begehrte fie nicht hn zu fehen. „wird dort, ſprach fie, marten, und hoff „lich nicht allzu lange. Andblicks hienieden,

. 327 mm

„nes Anblicks am heutigen Morgen vergefie ich ohne⸗ „dieß nie.” Unbegreicich fhien diefe Faſſung und biefe. Wehmuth zugleich Allen, die Bianca’s eben ſo ſanf⸗ ten, als feften Charakter niche zu fehägen, nicht zu verftehen vermochten. Alle ihre Frauen und Hausge⸗ noffen waren beforgt für ihren Kopf, der doch aus⸗ hielt, aushielt einen Kampf, wie gewiß noch wenige Helden ihn Eampften. |

WERNER NANNUNINIERONENNCUNIECEREERE NEE A

Wien, gedrudt bey Anton Etraußs

u GZ30 wen

Franc. (pettend.) Sorge nit! Du felbft fo der Wunden: bald zur Genüge haben. Bethe ein 1 terunfer, und dann flirb! Bethe fogleih, und w. Bein Wort weiter dagegen! (@ine ſchauderhafte Pauſe von nigen Gesunden, worin fie, bie ſich gu feiner Sylbe erküb ſedentlich Ihre Hände gegen Beyde ausſtreckt; Marco iſt gerü Sranceico nicht.)

Sranc. Biſt du nun fertig mit deinem Gebe:

Kaff. O feyd barmperzig, wie Eönnte ich in fer lage —⸗— |

Brane Nun fo fhalte dann, auch ohne ( betb, der Himmel, wie er will, über dich! D Stündlein ift da! (Gr durchſticht ihre linfe Beuſt mit Dolce.)

Kaſſ. (in Todesangf fi windend.) Heilige Mut Gottes!

Franc, Und du thuſt nichts dabey, Marco! Brav, Der traf das Herz! Sieh, wie ſchnell nun fe8 Zuden ins Erftarren fih verkehrt! Wahıl Das find doc elende Wichte, die vor einem fo Er Leiden oft Zahre lang fi fürdten! Komm |‘ haben gethan, was und oblag. (46.

DT

Leblos, in ſeinem Blute gebadet, lag indeß unglückliche Bonaventuri, auf einſamer Straße hi ſtreckt. Doc verharete dieſer Letztere nicht allzu le einſam. Das Getümmel des Kampfes, das Kli der Degen, hatte einige von den Nahewahnenden wet. Zwar getraute fih Anfangs, aus Beſor

men BGE von

eigener Öefahr, Niemand hervor zu kommen, und nach⸗ zuſehen, was bier vorgehe? Doch als es nun eine ziem⸗ liche Weile wieder ſtille geworden war, da ſchlichen Dieſe und Jene aus ihren Haͤuſern leiſe hervor; ſahen das ſchreckliche, obſchon in Welſchland nicht ſo gar un⸗ gewohnliche Schauſpiel; und unterſuchten genauer: wer denn eigenilich der hier Geopferte ſey?

Leicht und bald ward Bonaventuri's Antlitz er⸗ kannt. Der hohe Poſten, den er im Staat und in dev Gunſt des Fürſten befteidete, verſtaͤrkte das Erſtaunen, und auch die Sorgfalt, mit welcher man ibn behan⸗ delte; und da man Trog der fiebzehn Wunden, mit welden die Mörder ihn durchbohrt hatten , doch noch einige ſchwache Überrefte von zuruͤckgebliebenem, ober vielmehr zurückehrendem Leben in ibm zu. bemerken glaubte, fo eilte man forgfältig,, ihn nach feiner Be: baufung zu bringen.

Es war, als Dieb geſchah, wenigftens noch eine Stunde weit bis zur Morgendämmerung. Doc befand. fi) fo eben Bianca ſchlaflos auf ihrem Lager ; dachte wahrfcheinlich gerade an ihn, der fie fo ungärtlich als lein ließ; da vernahm fle das Geraufc von Kommens den, dos Klopfen am Hausthor, das Öffnen desſeß⸗ ben, die Unruhe, die ſogleich in allen Winkeln des Pal⸗ faftes ſich verbreitete. Ein ahnendes Gefühl fagte ihr, daß etwas Wichtiges, und zwar etwas Trauriges vor⸗ gebe. Sie ſchellte; eine ihrer Kammerfrauen kam, Veh, zitternd, entſtellt, der Sprache unfähig. Auch bedurfte Bianca ihrer Worte nicht. Sie ſprang empor vom Lager, flog heraus, erblickte ihn, oder feinen Leichnam vielmehr, den man bie Stiege heraufteug⸗

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Bott, welch' ein Anbti für Bianca's füͤhlbares Herz! Ah ihren Todfeind“ felbit würde Lie Milde mit Schmerz und Mitled, mit ähtem Betauern er⸗ blickt haben, hätte man fo ihm gebracht. Doc ikn, den geliebten Senrahl! Noch immer mit heißer Liebe, Trotz feiner Treulojigkeit, geliebt! Ihn, dem fie ſo viel einft abfgeopfert hatte, fo viel noch jeßt aufzu⸗ opfern bereit war! Ibn, deſſen Fehltritie nie ihr Herz entfremdet, doch wohl zerriffen hatten; ihn, beffen Abtruͤnnigkeit fie erft vor wenigen Minuten beweinte, "ohne zu wiflen, baß er ſchon dafiir gefiraft ſey ntin! nein! Eeine menſchliche Feder vermag zu ſchil⸗ dern, was fie empfand! Keine Engelsftimme -vermag' auszuſorechen, wie unermeßlich theuer viefer Gemor⸗ dete jeßt ihr ward ! .

Bald kamen Wundärzte, unterfuchten Bonaven⸗ turi's Wunden, und zuckten mitfeidig bie Achſein. hr Urtheil war: ohne Rettung! Mir einer Einitims migkeit, die bey den Herren diejer Kunſi wahrlich nur höchſt ſelten fich finter, verfüherten fie : „Es ſey äußerft „ungewiß, ob aud die Eräftigiten Mittel ihn wieder „auf einige Minuten nur zum Leben und Bewußitfeon „bringen mwürten. Aber deſto gewiſſer wäre es, daß „dann diefe Rückkebr ıns Leben nur eine kieine under g„deutende Friſt dauern Eönnte.” |

„O nehme Alles bin, mas ich babe und befiße, rief Bianca, fordert, fo viel ibr wollt, meine Freunde, nur macht, daf wenigftend nod ein Mabl fein Auge mich anblicke, wenigſtens ein Wort noch aus ſeinem Munde mich tröſte!

Sie thaten wirklich, was ſie nut konnten; bey

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Bianca’ 8 jammerndes Geſchrey, ihr unablaſſiges, angſt⸗ liches Rufen wirkte vielleicht noch ftarker, als alle Kunſt Ades Ärzte. Es durchdrang fein ſchon taubes Ohr, fein Herz ſammelte noch ein Mahl alles Blur, das von den: zerriſſenen Lebensgefäßen ihm ubrig war. Sein ge« ſchloſſenesß Auge dämmerte, ging auf, ſah das Licht; und fein dumpfer Schlummer ward wieder Gefühl, nicht des Lebens ſowohl, als des Leidens. Bianca ſtieß einen freudigen Schrey aus, und ergriff feine krampfende Hand. | | Bonar. (fc windend, und nach einem tiefen Geufjer.) Sal iſt's möglich! Gütiger Heiland! Sch lebe Koh? D wer wer weit mid) zu neuen Schmerzen?! Bianca. Bonaventuri! Mein Theurer! Mein Leben! | Bonan. Auch du da? Wo bin ich? Kuh u ?— Vergib mir? Laß mit meinem Tode aud) meine Schuld! Bianca. O keine keine Sqhulb! Daß ich ſterben könnte für dich!

Bonav. Mein, Bianca, nicht du! nicht ſchmerzlicher den Abſchied Gott, mein Herz! nicht ſchmerzlicher den Abſchied noch durch dieſes uͤbermaß von Tugend! Deine Verzeihung nur böchftens deine Vorbirte, du Heilige! (Butungen.) Sotr! Mütter Gottes! Mein Herz die Gluth in ihm (Sein Haupt erhebend.) Bianca, noch diefen blu⸗ tigen Abſchiedskuß! (ſuntt zurüc.) Und nun lebe wohl! Le (Neue Zucungen, die ihn weiter zu ſprechen hindern.) Seins, Maria! Wergib ! Er Kine). |

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Bianca (fi auf ihn werfend, ihn umarmend.) N Mich mis dir! (Man reift ſie 108, fie ſinet ohnmächtig find Tommy erft ndg einer fanden Weile wieder zu fib.) W er? wo? Ha! hier! bier fo Ealt und ſtarr (Fum Wundarze.) Alſo ganz todt, Signor? ganz?

Wund. (die Hafer ütend.) Ih bedaure.

Bianca (feine Hand ergreifend.) Bonaventuri! haventuri! Ganz todt! ganz! So früh get und fo blutig! So blutig und fo ſchaͤndlich! ſchweizt einige Augenblicke, und wendet ſich haſtig zu einer der Rammerfrauen.) Wo er: jegt feyn mag?

Rammerf. Wert |

Bianca. Bonaventuri! Dod nicht diefer nam bier! der eigentlihe Bonaventuri $

Rammerf. (mit ängſtlichem Blick auf den Wunde Suter Gott, fie wird doch nicht

W und. Wohl möglih! Ein foldes Schrecken

Bianca (mit ſchmeribaftem Lädeln.) Seyd ruf And fürchtet euch nicht! Ich weiß, was ich fühle; w was ich fage! Wo er jetzt ſeyn mag, biefe früh enıflobene Geiſt ? Das fragte ih. (Mit entſe fenem Zone.) Sep er, wo er will; ſchon weit entfer oder noch uns umſtchwebend, wenn er nody hören ka fo höre er! Höre es aus dem Orte feiner Prüf oder Vollendung! Ich will aufbiethen, was ıd Fa aufbierhen ,„ was ein Weib vermag, um feu Schatten Genugthuung, feinem blutigen Tode R. zu verſchaffen; und endlofe Qual ſey mein Lo Schmach werde mein Nahme, wenn ge ein M such sur eines freundlichen Blickes von mir fi ı

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. men kann; er fey denn Bonaventuri’s Naher und der meinige! |

Indem fie Dieb fagte, richtete fie ſich hoch empor; "Kand, wiſchte die Thraͤnen ſich Rt. dem Auge; und ſah -dann mit’ falsem, ftarren Blick auf Bonaventuri's Leich⸗ am hinab. „Sie haben Recht, Doctor! er ift tod!” Stumm baftere nun ihre Auge ungefähr drey Minuten auf ihn. Eine feyerlihe Paufe; erſchüt⸗ sernder für alle Anwefende, als des Affects rührendfte NRede. So ängftlih harrt ein Land, das des Erdbe⸗ bens fürchterfiher Geißel unterworfen ift, wenn ein ' dumpfes unterirdifches Getöfe den nahen Erdftoß vers Zündet; einen Erdſtoß, der vielleicht im nächften Nu Stäbte verwüften und weite Striche Landes umkeh⸗

ren wird.

Sit irrten ! Bianca, die heldenmüthige Bianca’ » bog fi bloß herab und küßte den eisfalten Mund des Gemahls.

„Ich darf Das! rief ſie: ich darf Das! denn ich „bin rein an ſeinem Tode, rein an ſeinem Blute, und „der Himmel kennt die Wahrheit meines Anerbiethens, „mit Freuden mich hierher zu legen, zu leiden und zu „ſterben ſtatt ſeiner, wenn er auflebte dadurch. Aber „damit ſtets dieſes Gefühl bleibe, wie es jetzt iſt, „verzeih, blutiger Leichnam, ich muß dich berau⸗

„ben!“ Gie ſqhneidet die größte Lode am Nacken, über und Über mit Binte Sefprist, a6.) „Du warſt einft braun und „ieiben; oft babe ich fonft mie dir geſpielt. Jetzt fpiele „ih nicht mehr. Das Blur hat deine Farbe veraͤndert,

„bat dich ſtarr gemacht. Sey mein Armband ! Aber '

Meißners Biansa Cap. 1. Thl. P

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„keine Thräne falle je herab auf dih, damit fie das „Blut von dir nicht abwaſche!“

Mod ein Mahl Eüßte fie ihn, und wandte fid ges gen ihr Gemach. Ihre Frauen unterftügten fie. „Ih „kann allein gehen, fagte fie: id habe Krafte genug, „und bedarf noch der Kräfte Fünftig.” Man begleis tete fie ind Gemach. Ehe fie über deflen Schwelle fhritt, wandte fie fih abermahls gegen. Benavensuri’s Leichnam. „Du erwiederſt es freylich nicht mehr, oHwenn ich noch einen Kuß dir zuwerfe; aber dort oben „ſiehſt Du es vielleicht! Nimm ihn an, Geopferter! „Nimm ihn on, geliebter, und nun zu rächender „Gemahl!“

Man bath ſie, ſich wieder auf ihr Lager zu bege⸗ ben. „Meint ihr vieleicht, erwiederte fie mit einem

„ſchmerzhaften, foft bitteren Lächeln, daß es nun ges „raum genug für mi geworden feg? Ruhe werde ich „doch dort und hier nicht finten follen?” Stumm ward ıhr Schmerz wohl ein® Stunde lang; Feine Sylbe erwiederte fie auf mannigfaltige Tröftung. Immer war ihr Auge auf jene biutige Locde gehefter. Man mußte fie ihr wirklich zu einem Armbande fledten. Ein vers ' fhlojfener Schmerz, arbeitete in ihrem Buſen; Eleine Bewegungen ded Munde verriethen zuweilen, daß fie mit fich ſelbſt ſpreche.

So verging dieſer ganze Tag. Als man gegen Abend ſeinen Leichnam aus dem Pallaſte hinwegtrug, um ihn in einer Capelle beyzuſetzen, merkte fie es gar wohl; doc) begehrte fie nicht weiter ihn zu fehen. „Er „wird dort, ſprach fie, meiner warten, und hoffents „uch nicht allzu lange. Seines Andfictd hienieden, ſei⸗

non 227 ne ., ‚nes Anbtich am heutigen Morgen vergeſſe ich ohne⸗ „dieß nie. Unbegrei ih ſchien dieſe Faſſung und dieſe Wehmuth zugleich Allen, die Bianca's eben fo, janf⸗ ten, als feften Charakter nicht zu fepägen, nicht zu verfiehen vermochten. Alle ihre Grauen und Hausge⸗ noffen waren beforgt für ihren Kopf, der doch aus⸗ hielt, aushielt einen Kamſf, wie gewiß noch wenige Helden ihn Fimpften.

Wien, gedeudt bey Anton Gtraufi.

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Bott, welch' ein Anblick flir Bianca’s fühlkares- Herz! Ab ihren Todfeind” felbit würde Lie Milde mit Schmerz und Mitleid, mit ähtem Betauern er⸗“ blickt baben, hätte man fo ihm gebracht. Doch ikn, den geliebten Gemahl! Noch immer mit heißer Liebe, Trotz feiner Treuloſigkeit, geliebt! Ihn, dem fie fd viel einſt aufgeopfert hatte, ſo viel noch jetzt aufzu⸗ opfern bereit war! Ibn, deſſen Fehltritie nie ihr Herz entfremdet , doch wohl zerriffen hatten; ihn, beffen Adtrünnigkeit fie erfi vor wenigen Minuten beweinte ; "ohne zu wiflen, daß er ſchon dafür gefiraft ſey ntin! nein! Feine menſchliche Feder vermag zu ſchil⸗ dern, was fie empfand! Keine Engelöftimme -vermag' auszuſorechen, wie unermeßlich theuer viefer Gemor⸗ dete jeßt ihr ward ! ..

Bald kamen Wundärzte, unterfuchten Bonaven⸗ turi's Wunden, und zuckten mitleidig die Achſein. Ibr Ursheil wor: ohne Rettung! Mir einer Einſtim⸗ migkeit, die bey den Herren biejer Kunft wahrlich nue höchſt felten ſich findet, verſicherten fie : „Es ſey Außerfk „ungewiß, ob auc die Eräftigiten Mittel ihn wieder „auf einige Minuten nur zum Leben und Bewuärfenn „bringen würden. Aber deſto gewiſſer wäre es, daß „dann diefe Rückkehr ıns Leben nur eıne kieine under „deutende Friſt dauern Eönnte.”

„O nehme Alles bin, was ich habe und befike, rief Bianca, fordert, fo vıel ibr wollt, meine Freunde, nur macht, daß wenigftens nod ein Madl fein Auge mich anblicke, wenıgfiend eın Wort noch aus feinem Munde mich tröfte !”

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Ade Ärzte. Es durchdrang ſein ſchon taubes Ohr, ſein Herz ſammelte noch ein Mahl alles Blut, dat von den: zerriſſenen Lebensgefäßen ihm ubrig mar. Sein ges ſchloſſenes Auge dämmerte, ging ouf, fah das richt und fein. dumpfer Schlummer ward wieder Gefühl, nice des Lebens ſowohl, ald des Leidens." Bianca ſtieß einen freudigen Schrey aus, und ergriff feine Trampfende Hand, | |

Bonar. (fih windend, und nad einem tiefen Seutzer.) Hal iſt's möglih! Gütiger Heiland! Sch iebe noch? D wer we weit mid zu neuen Schmerzen!

Bianca. Bonaventuri! Mein Theurer! Mein Leben!

Bonav. Auch du da? Wo bin ih? Kuh bu ?— Vergib mir? Laß mit meinem Tode aud) meine Schuld!

Bianca. O keine Feine Sguß! Daß idy ſterben könnte für dich!

Bonav. Nein, Bianca, nicht du! nicht ſchmerzlicher den Abſchied Gott, mein Herz! nicht ſchmerzlicher den Abſchied noch durch dieſes

bermaß von Tugend! Deine Verzeihung nur böchftend beine Vorbitte, du Heilige! (Budungen.) Gott! Mutter Gottes! Mein Herz die Gluth in ihm (Bein Haupt erhebend.) Bianca, noch diefen bius tigen Abſchiedskuß! (fintt zurüd.) Und num lebe wohl! Le (Nette Zudungen ı die ihn weiter zu ſprechen hindern.) Seins, Maria! Vergib! Er Bine).

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Bianca (fi auf ihn merfeud, ihn amarmend. Nimm mich mit dir! (Man reift ſie lok, fie ſinkt ohnmaͤchtig Bin, ind Tommy erſt naͤch einer landen Weite wieder zu ſich.) Wo iſt er? wort Ha! hier! bier fo kalt und ſtarr! (Fun Wundarie.) Alfo ganz todt, Signor? ganzt

Wund. (die Käfer südend.) Ih bedaure.

Bianca (feine Hand erareifond,) Bonaventuri! So Haventuri! Ganz tobt! ganz! So früh geendet und ſo blutig! So blutig und ſo ſchaͤndlich Su ſchweizt einige Augenblicke, und wendet ſich haſtig zu einer uz⸗ ver Kammerfrauen.) Wo er jetzt ſeyn mat

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Bianca. Bonaventuri! Dog nicht diefer Leich⸗ nam bier! ber eigentlihe Bonaventuri $

KRammerf. (mit ängſtlichem Blick auf den Mundart) Guter Gott, fie wird doch nicht

Wund. Wohl moglich! Ein ſolches Schrecken

Bianca (mit fhmerzbaftem Lächein.) Seyd ruhig, und fürchtet euch nicht! Ich weiß, was ich fühle; weiß, was ich ſage! Wo er jetzt ſeyn mag, dieſer fo früb entſlobene Geiſt ? Das fragte ih. (Mir enetgieh fenem Zone.) Sey er, wo er will; ſchon weit entfernt, oder noch uns umfthmebend, wenn er nody hören kann, fo höre er! Höre es aus dem Orte feiner Prüfung oder Vollendung! Ich will aufbiethen, was ich kann; aufbiethen, was ein Weib vermag, um ſeinem Schatten Genugthuung, feinem dlutigen Tode Rache zu verſchaffen; und endloſe Qual ſey mein Loos, Schmach werde mein Nahme, wenn je ein Mann duch nur eines freundlichen Blickes von mir ſich rüh⸗

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. men kann; er fey benn Bonaventuri’s Raͤcher und der meinige! | Indem fie Dieß fagte, eichtete fi ie r ch hoch empor; ftand, wiſchte die Thraͤnen fi ad dem Auge; und ſah dann mit kaltem, ſtarren Blick auf Bonaventuri's Leich⸗ yam hinab. „Sie haben Recht, Doctor! er iſt tode!” Stumm baftere nun ihre Auge ungefähr drey Minuten auf ihn. Eine feyerlihe Paufe; erſchͤt⸗ ternder für alle Anmwefende, ald des Affects rührenpfte -Mede. So ängſtlich harrt ein Land, das des Erdhe«* bens fürchterliher Geißel unterworfen ift, wenn ein ' dumpfes unterirdifches Getöfe den nahen Erdftoß vers kuͤndet; einen Erdſtoß, der vielleicht: im nächften Nu Städte verwüften und weite Strihe Landes umkeh⸗ ren wirb. |

Sie irrten ! Bianca, bie heldenmüthige Bianca’ bog fich bloß herab und küßte den eiskalten Mund des Gemahls. |

„Ich darf Das! rief fie: ich darf Das! denn ich „bin rein an feinem Tode, rein an feinem Blute, und „der Himmel Eennt die Wahrheit meines Anerbierheng, „mit Sreuden mich hierher zu legen, zu leiden und zu „ſterben ſtatt feiner, wenn er auflebte dadurd. Aber „damit ſtets dieſes Gefühl bleibe, wie es jetzt iſt, „verzeib, blutiger Leihnam, ich muß dich berau⸗

ben!" GSie ſchneidet die größte Lode am Nacken, über und - Über mit Binte veſpritzt, a6.) „Du warſt einft braun und „ſeiden; oft babe ich fonft mit dir geſpielt. Jetzt ſpiele „ich nicht mehr. Das Blut hat deine Farbe verändert, „bat dich ſtarr gemacht. Sey mein Armband! Aber Meißners Blanca Gap. 1. Thl. P

won 226 —⸗ „eeine TIhrane falle je berab auf did, damit fie das „Blut von dir nicht abwaſche!“ Noch ein Mahl Eüßte fie ihn, und wandte fid ges gen ihr Gemach. Ihre Frauen unterftügten fie. „Ih „eann allein gehen, fagte fie: ih habe Kräfte genug, „und bedarf noch der Kräfte Fünftig.” Man begleis tete fie ins Gemach. Ehe fie über deſſen Schwelle ſchritt, wandte fie ſich abermahls gegen. Bonaventuri's Leichnam. „Du erwiederſt es freylich nicht mehr, e„!denn ich noch einen Kuß dir zumerfe; aber dort oben „ſiehſt Du es vielleicht! Nimm ihn an, Geopferter! „Nimm ihn on, geliebter, und nun zu räͤchender „Gemahl!“

Man bath ſie, ſich wieder auf ihr Lager zu bege⸗ ben. „Meint ıhr vielleicht, erwiederte fie mit einem „ſchmerzhaften, faft bitteren Lächeln, daß es nun ges „raum genug für mid geworden ſey? Ruhe werde id „doch dort und bier nicht finten follen?” Stumm: ward ihr Schmerz wohl ein® Stunde lang; Feine Sylbe erwiederte fie auf mannigfaltige Tröftung. Immer war ihr Zuge auf jene biutige Locke gehefter. Man mußte fie ihr wirklich zu einem Armbande flehten. Ein ver ' fhlojfener Schmerz arbeitete in ihrem Buſen; Eleine Bewegungen ded Mundes verrierhen zuweilen, daß fie mit ſich felbft ſpreche.

So verging dieſer ganze Tag. Als man gegen Abend ſeinen Leichnam aus dem Pallaſte hinwegtrug, um ihn in einer Capelle beyzuſetzen, merkte fie ed gar wohl; doc) begehrte fie nicht weiter ihn zu fehen. „Er „wird dort, ſprach fie, meiner warten, und hoffents „lich nicht allzu lange. Seines Anölicks hienieden, ſei⸗

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„nes Anblicks am heutigen Morgen vergeſſe ich ohne⸗ „dieß nie.” Unbegreizich ſchien dieſe Faſſung und dieſe Wehmuth zugleich Allen, die Bianca's eben ſo, ſanf⸗ ten, als feſten Charakter nicht zu ſchaͤtzen, nicht zu verſtehen vermochten. Alle ihre Frauen und Hausge⸗ noſſen waren beſorgt für ihren Kopf, der doch aus⸗ hielt, aushielt einen Kompf, wie gewiß noch wenige Helden ihn Eampften. |

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Wien, gedruckt bey Anton Etrauß:

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A. G. Meißners ſaͤmmtliche Werke. Ein und zwanzigſter Band. Enthaͤlt: Bianca Capello

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Bott, wel’ ein Anblick für Bianca's fühlbares Herz! Ah ihren Todfeind“ felbit würde die Milde mit Schmerz und Mitleid, mitäcdhtem Betauern er⸗ J blickt haben, haͤtte man fo ihn gebracht. Tod ihn, den geliebten Gemahl! Noch immer mit heißer Liebe Trotz ſeiner Treuloſigkeit, geliebt! Ihn, dem fie fd

viel einſt aufgeopfert hatte, ſo viel noch jetzt aufzu⸗ opfern bereit war! Ibn, deſſen Fehltritte nie ihr Her entfremdet , boch wohl jerriffen hatten; ihn, deſſen Abtrünnigkeit fie erſt vor wenigen Minuten beweinte/ "ohne zu wiſſen, daß er ſchon dafür geſtraft ſey netin! nein! keine menſchliche Feder vermag zu ſchil⸗ dern, was fie empfand! Keine Engelöftimme - ‚vermag aubzuſorechen, wie unermeßlich theuer viefer Gemors dete jeßt ihr ward | .

Bald kamen Wundärzte, unterfuchten Bonaven⸗ turi's Wunden, und zuckten mitleidig die Achſein. Ibr Urtheil war: ohne Rettung! Mit einer Einſtim⸗ migkeit, die bey den Herren dieſer Kunſi wabrlich nur höchſt ſelten ſich findet, verſicherten ſie: „Es ſey aͤußerſt „ungewiß, ob auch die kraͤftigſten Mittel ihn wieder "anf einige Minuten nur zum Leben und Bewußtſeyn „bringen würden. Aber defto gewiſſer wäre es, daß

„dann diefe Rückkebr ıns Yeben nur eine kieine unbe⸗ „deutende Friſt dauern Eönnte.”

„O nehme Alles bin, was ich habe und befige, rief Bianca, fordert, fo viel ibr wollt, meine Freunde, nur macht, daß wenigftens nod ein Mabi fein Auge mich anblicke, wenigfiend eın Wort noch aus feinem Munde

mich tröfte !” Sie thaten wirklih, was fie nut Eonnten ; doch

sn 223 ren Bianca's jammerndes Geſchrey, ihr unäbläffiges, aͤngſt⸗ liches Rufen wirkte vielleicht noch ſtaͤrker, als alle Kunſt der Ärzte. Es durchdrang fein ſchon taubes Ohr, fein Herz ſammelte noch ein Wahl alles Blut, das von den: jerrifienen Lebensgefäßen ihm ubrig war. Sem ger ſchloſſenes Auge daͤmmerte, ging auf, ſah das Licht; und fein. dumpfer Schlummer ward wieder Gefühl, nicht des Lebens ſowohl, ald des Leidens." Bianca ſtieß einen freudigen Schrey aus, und ergriff feine "Trampfende Hand, | Bonav. (ſich windend, und nad einem tiefen Seutzer.) Hal iſt's möglih! Gütiger Heiland! Sch lebe noch? D wer wer weit mid zu neuen Schmerzen? Bianca. Bonaventuri! Mein Theurer! Mein Leben!

Bonav. Auch du dat Wo bin ih? Kuh Bu Vergib mir? Laß mit meinem Tode auch meine Stud!

Bianca. D feine Feine Sgut! Daß ich ſterben könnte für dich!

Bonav. Nein, Bianca, nicht du! nicht ſchmerzlicher den Abſchied Gott, mein Herz! nicht ſchmerzlicher den Abſchied noch durch dieſes uͤbermaß von Tugend! Deine Verzeihung nur böchftens deine Vorbitte, du Heilige! (Butangen.) Bott! Muster Gottes! Mein Herz die Gluth in ihm (Sein Haupt erbebend.) Bianca, noch diefen bius tigen Abſchiedskuß! (fintt aurüd.) Und nun lebe wohl! Le (Reue Sudungen » die ihn weiser zu ſprechen hindern.) Jeſut, Maria! Vergib ! Er Atrn)..

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Wund. (die Achlel zuckend.) Ich bedaure.

Bianca (feine Hand ergreifend.) Benaventuri! 9 Haventuri! Ganz tode! ganz! So früh gern und fo blutig! &o blutig und fo ſchaͤndlich ı ſchweizt einige Augenblide, und wendet ſich haſtig gu einer der Rammerfrauen.) Wo er-jept fegn mag?

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Bianca. Bonaventuri! Doch nicht diefer Lei nam bier! der eigentlige Bonaventuri

Rammerf. (mit angſtlichem Blick auf den Wunder Suter Gott, fie wird doch nicht —.

Wund. Wohl möglich! Ein ſolches Shchrecken

Bianca (mit fümerbaftem Lacheln.) Seyd euß And fürchtet euch nit! Ich weiß, was ich fühle; we was ih fage! Wo er jet feyn mag, diefer früh entflobene Geiſt ? Das fragte ih. (Mit eneſch fenem Zone.) Sey er, wo er will; ſchon weit entferr oder noch uns umfthwebend, wenn er nody hören kar fo höre er! Höre es aus dem Irre feiner Prüfu oder Vollendung! Ich will aufbierhen, was ıd) Far aufbierben ,„ was ein Weib vermag, um fein Schatten Genugthuung, feinem blurıgen Tode Ka zu verſchaffen; und endlofe Qual fey mein Loc Schmach werde mein Nahme, wenn je ein Ma such nur eines freundlichen Blickes von mir fi ri

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. men kann; ; er fey denn Bonaventuri’s Räder und der meinige! | Indem fie Dieß fagte, richtete fie fi ch hoch empor; "Kand, wiſchte die Thraͤnen ſich ons dem Auge; und ſah dann mit’Falsem, ftarren Blick auf Bonaventuri's Teiche yam hinab. „Sid haben Recht, Doctor! er ift tode!” Stumm baftere nun ihre Auge ungefähr drey Minuten auf ihn. Eine feyerlihe Paufe; erſchüt⸗ ternder für alle Anweſende, als des Affects rührenpfte Rede. So ängſtlich harrt ein Land, das des Erdbe⸗ bens fürchterliher Geißel unterworfen ift, wenn ein - dumpfes unterirdifches Getöf den nahen Erdftoß vers kuündet; einen Erdftoß, der vielleicht im naͤchſten Nu Städte verwüften und weite Strihe Landes umkeh⸗ ren wird. Sit ireten ! Bianca, bie heldenmüthige Bianca’ u dog fi bloß herab und küßte den eisbalten Mund des Gemahls. | „Ich darf Das! rief fie: ich barf Das! denn ich „bin rein an feinem Tode, rein an feinem Blute, und „der Himmel Eennt die Wahrheit meines Anerbietbens, „mit Sreuben mich hierher zu legen, zu leiden und zu „fterben ſtatt feiner, wenn er auflebte dadurch. Aber „damit ſtets diefes Gefühl bleibe, wie ed jetzt ift, „verzeih, blutiger Leichnam, ih muß dich beraus „ben!”— (Bie ſchneidet die größte Lode am Naden, über und über mit Binte Sefprist, a6.) „Du warſt einft braun und „feiben; oft babe ich fonft mit dir gefpielt. Jetzt fpiele „ich nicht mehr. Das Blur hat deine Farbe verändert, „bat dich flare gemacht. Sey mein Armband! Aber Meißners Bianca Cap. 1. Thl. P

226 „keine Thraäne falle je herab auf dich, damit fi „Blut von dir nicht abwaſche!“

Mob ein Mahl küßte fie ihn, und wandte fi gen ihr Gemach. Ihre Frauen unterftügten fie. „kann allein gehen, fagte fie: id habe Kräfte gu „und bedarf noch der Kräfte Eunftig.” Man 6 tete fie ins Gemach. Ehe fie über deſſen Sd ſchritt, wandte fie ſich abermahls gegen. Bonaven Leichnam. „Du erwiederſt ed freylich nicht x

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„ſiehſt Du ed vielleicht ! Nimm ihn an, Geopf „Nimm ihn on, geliebter, und nun zu rad „Gemapt!” | ur

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So verging diefer ganze Tag. Ald man Abend feinen Leihnam aus dem Pallajte hinweg um ihn in einer Capelle beyzufegen, merkte fie es gar doch begehrte fie nicht weiter ihn zu ſehen. „wird dort, ſprach fie, meiner warten, und bo „uch nicht allzu fange, Seines Anölicks hienieden

| won 227 wer | „nes Anblicks am heutigen Morgen vergeffe ich ohne⸗ „dieß nie.” Unbegreizich ſchien diefe Faſſung und biefe, Wehmuth zugleich Allen, die Bianca's eben fo, ſanf⸗ ten, als feſten Charakter nicht zu ſchaͤtzen, nicht zu verftehen vermochten. Alle ihre Grauen und Hausge⸗ noffen waren beforgt für ihren Kopf, der doch aus⸗ hielt, aushielt einen Kampf, wie gewiß noch wenige Helden ihn Eampften. | |

Wien, gedendt bey Anton Strauß.

A. G. Meißners ſaͤmmtliche Werke.

Ein und zwanzigſter Band. Enthaͤlt: Bianca Capello

3weyter Theil

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Wien, 1814. In Gommiſſfſton bey Anten Dott.

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—Von + A. G. Meißner.

Zweyter Theil.

Wien, 1814. Sn Commiffion bey Anton Doll,

RITTER TUE SET TI NDR NEN INDIA NAD

, oo | Ns an dieſem Tage, Ha der Sammlung von we⸗ nigen Stunden, ſchrieb Bianca einige Zeilen an Mon» dragone, und bath , ihr die Vorlajfung beym Großs herzog auszuwirken. Sie erhielt diefeibe, wie man leichte denken kann, fogleih gewährte. Im tiefften Trauergewand begab fie ſich bin: doch ſprach ihr Ges fiht von dem Schmerz in ihrem Innierften flärfer, als alle Trauergemwänder auf dem Erdkreis vermocht hät⸗ ten. Franz, als fie in fein Gemad eintrat, eilte ihr mit theilnehmender Miene entgegen ; faßte fie, hie vor ihm niederfnien wollte,.bey der Hand, führte fie zu einem Sofa, nöthigte fie niederzufigen, und nahm das Worr, bevor fie noch ſprechen konnte.

„Eigentlich , ſchönſte Signora Bianca, follte ich Ahnen jedes Wort ihrer Schmerzen, jede Erzählung ihrer Leiden erfparen; ſelbſt ihre Bitten brauchte ich mir nicht vortragen zu laffen; denn. jebe derfelben iſt Ahnen im Voraus gewähre! Ich weiß Alled, was vorging; weiß, was Sie verloren haben; theile mis Ihnen diefen großen Verluſt, und. Ihren billigen Sammer,

Bianca. Ja wohl, gnäbigfter Herr, müſſen &ie wiſſen, was ich vetlor! Ja wohl, rechne ich bey Ihnen auf Theilnahme an meinem unfäylihen Schmerz! Genauer betrachtet, vermag ich ſogar nicht zu entſchei⸗ ben: wer von uns Beyden durch dieſen ſchaͤnblichen /

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A. G. Meißner.

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„Eigentlich, ſchönſte Signora Bianca, follte id Ahnen jedes Wort ihrer Schmerzen, jede Erzählung ihrer Leiden erfparen; ſelbſt ihre Bitten brauchte ich mir nicht vortragen zu laffen; denn. jede derſelben iſt Ahnen im Voraus gewährt! Ich weiß Alles, was vorging: weiß, was Sie verloren haben; theile mit Ahnen diefen großen Verluſt, und. Ihren billigen Sommer, .

Bianca. Ja wohl, gräbigfler Herr, müſſen Sie wiſſen, was ich verlor! Ja wohl, rechne ich bey Ihnen auf Theilnahme an meinem unjäylihen Schmerz $ Genauer betrachtet, vermag ich ſogar nicht zu entſchei⸗ ben: wer von uns Beyden durch dieſen ſchaͤnblichen/

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grauſamen Meuchelmord mehr gekraͤnkt und bırterer leidigt ſeyn ſolle; denn Ihre Gunſt, Ihre Huto | te billig den Dann, der ſolcher genoß, vor jeder waltthat heiligen follen. Uns Beyden gehörte di Geopferte an. Ihnen ward der Gegenftand il Wohlthaten, mir der Gegenftand meiner innig Liebe entriffen. Mir war er Gatte, für Euer Du laucht war er der treuefte eifrigfie Diener.

Broßh Mehr! Mehr! Er war mir ren:

Bianca D Euer Durdlaudt, wenn er 7 Ihnen wirklih war; wenn dieß göttlıhe Wort es nicht anders von einem fo edlen Fürſten ſich ben füge Ihr Herz, und nie Ihr Mund allein o ſprach; o fo haben Eie allerdings meine Bitte mir Voraus gewahrt! So liegt Ihnen nun unerläßlid f die Verbindlichkeit der R ade ob; und Bonaventu vergoſſenes Blut ſchreyt fo laut, wie das Blut‘ Märtyrer, nicht bloß zum Throne jenes Höchſten, ned Emigen empor; fondern auch zum Thron fet fürftlihen Sreundes.

Großh. Seyn Sie verfihert, daß ih es hi

Bianca. Nicht hören allein, Euer Durdlauc fonbern auch Ihre Hände bewaffnen mit Gerechtigk die den Thaͤter verfolge, mit Strafen gegen ſchändlichen Mörder!

Großh. Auch Tas ohne Zweifel; fobald wir wiflen, wer Ziefe find.

Bianca. Die Nicci, die Ricci find eb! 9 könnte bier nur einen Augenblick zweifeln! + Robert nicht Öffentlich meinen Gemahl mit dem T bedroht? Iſt nicht mis raſchem Schritt die That Drohung gefolgt? Has nicht die Wuth jener Ei

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ſüchtigen auch Kaffandra , die Veranlaſſerinn dieſes ganzen unſeligen Zwiſtes, in eben dieſer Nacht, in eben dieſer Stunde gemordet? O gnaͤdigſter Fürſt! wofern jemahls das Flehen der knieenden, gebeugten Unſchuld Ihnen theuer war; wofern der ſo grauſam Ermordete jemahls nur ein günftiged Wort Ihres Mundes, das kleinſte Andenken Ihres Herzens ver⸗ diente; wofern ich, die ich hier Ihre Knie umfaſſe (Sie wirft ſich raſch vor ihm nieder, indem er fie witder auf⸗ heben will.)

Großh. Ums Himmels Willen , wozu Das? Stehen Sie auf, reizendſte Signora! Ich kann un⸗ moͤglich

Bianca (die enien Bteist. y MWofern ich, Ihre demüs ' thigſte Dienerinn, jemahls Gnade vor Ihren Augen fand fo laffen Sie mich jegt nicht vergebens fleen. Selbſt wenn Bonaventuri, ald er ſtarb, in Ihrer Ungnade weggeſtorben wäre, felbft dann Blute fYulden drücken ja Ränder, verwandeln oft fegensvolle Fluren in ode Wüſteneyen; aber nie, nie miülfe ber . glorreiche Beberrfcher, in deffen Handen die Regierung

und das Glück von Florenz ih befinden, mis Flecken

diefer Art feinen Ruhm entehren, fein Gewiſſen belar ſten! Er thue, was fhon Menfhenmicleid ihm zu thun gebiethet, doppelt gern aus Fürſtenpflicht! Er laſſe nicht troftlos bier eine arme , unglückliche Witwe Enien, die (indem fie den Arm aufhebt, um weichen fie Bonaventuris Lode träge) wohin fie auch blickt, nur. das noch rauchende Blut ihres Gatten ſieht, und diefe Überbfeibfel von ihm nicht abzulegen ſchwur, bis fie ſich überzeugt von der Werföhnung feines Schatten fuͤhlt.

2

wer Ö

Broßh. Nochmahls, Signora, ſtehen Sie auf, wenn ich anders Sie hören, wenn ich überhaupt bier bleiben fol! Sie fprechen zu mir fo ernſt, fo feyers lich, fp flebend, als wollten Sie mich zu einem bars ten, widrigen Entſchluß bewegen; und doch befiehlt mir, was Sie bitten, allerdings fhon mein eigenes Herz. Hier haben Sie meine Hard, und mit ihr das Wort eınes Zürften, der fein Wort noch niemahl$ brach; ich will Alles anwenden, was in meinen KAräf- ten ſteht, um die Mörder zu entdecken und zu firafen. Genügt Ihnen Das? Steben Sie noch nidt auf?

Bianca (ih erbebend.) ES genügte mir! denn naͤchſt Gottes Wort praue ih dem Wort meines Fürs ften am ſtärkſten.

Großh. Damit Sie aber aud nicht mebr hof⸗ fen, als ich zu gewähren vermag , fo beſtimmen Sie nun felbit die Grenzen Deffen, was ich zu thun habe! Sie Hagen über die Mörder ihres Gemahls, und Ela» gen mit volfftändigftem Rechte. Ste nennen mir bie Ricci als Verbrecher; und, ich beſorge, auch Dieß ge⸗ fdiedt mit Recht, Aber Argwohn iſt noch nicht Ge⸗ wißheit. Bloß nach dieſer Letztern darf der Richter ſprechen; nach Jenem ſpricht und handelt der Thrann.

Bianea. Sehr wahr! Doch der gerechte Richter ſucht auch Wahrfheintichkeit in Gewißheit zu verwan⸗ Zeln. Nicht um den Tod der Ricci, nicht um ihre Bes ſtrafung underhörter Weiſe kitte ich jetzt. Nur um ihre Verhaftung, nur um Unterſuchung, ſo unparteyiſch und ernſt als möglich. Sie kann dann nicht vergehens ſeyn; Das ſagt mir mein Herz.

Großh. Und ich glaube ihm gern! Ich will nicht einmahl einwenden, was ich als Fürſt eines oft

ra 7 wos unruhigen Volkes mohl einzuwenden vermoͤchte: daß jedes gerichtliche Verfahren gegen vornehme Vers drecher mit Gefahr und Beforgniß verbunden ift. Aber wie dann, edle Bianca, wenn dieſe Uinterfuhung doch anders ausjiele, ald wir wünfhten? Wenn doch diefe Ricci's nur vergolten, niht begonnen hätten! Wenn Bonaventuri felbft der Urquell feines Todes wäre? Vergefien Sie, wer zuerft beleidigte " Friede ſey mit der Seele unfers Pietro! Ich traure um ihn, wig man um den geliebieften Blutsfreund trauert; aber wahr bleibt es allerdings, daß er allzu unvorfihtig die Eiferfuht eines mädtigen Hauſes reizte. |

Bianca. Und wer hätte ein Recht zur Eifer⸗ ſucht gegen ihn gehabt, außer mir? Weſſen Gaftinn, weſſen Tochter hat er verführt? Welche vorher unbeſcholtene Tugend ward durch ihn verd aͤchtig gemacht? Schwieg Robert Ricci's Biederſinn nicht ſonſt ſchon bey ähnlichem Verdacht gegen Kaſſandra? Schwieg er nicht ſelbſt dieß Mahl noch eine lange Zeit hindurch, und redete dann nur, als ſein Schweigen unbezahlt blieb? Stand Bonaventuri feiner Anrede nicht, im Angeſicht des ganzen Hofes, mit dem Muth eines Mannes? Und iſt Banditenmord, auch bey der größten Beleidigung, nicht ſchändliche, ſtrafwürdige Rache? DO Euer Durchlaucht! wenn Ihnen jemahls der Nahme eines tugendhaften Fürſten theuer war; wenn ich ſelbſt, ich wiederbohle es, ih Ihre demüs thigſte Magd, Gnade vor Ihren Augen fand

(Sie will ſich bier abermabls zu. feinen Füßen werfen; ez

hält ſie noch auf, und unterbricht ſie halblächelnd, mit per

dentendem Tone.) on

De 7

οσ TEN NSORIEENIOIEINSIIEIRTEN NDDDEETNIIA ADD

| Nes an dieſem Tage, nach der Sammlung von we⸗ nigen Stunden, ſchrieb Bianca einige Zeilen an Mon⸗ dragone, und bath, ihr die Vorlajfung beym Großs herzog auszumwirken. Sie erhielt diefelbe, wie mar leicht denken Eann , ſogleich gewährt. Im tiefiten Trauergewand begab fie ſich hin: doch ſprach ihre Ger fit Yon den Schmerz in ihrem Innetſten ftärfer, als alle Trauergemänder auf dem Erdkreis vermocht haͤt⸗ ten. Stanz, als fie in fein Gemach eintrat, eilte ir mir theilnehmender Miene entgegen ; faßte fie, die vor ihm niederfnien wollte, bey der Hand, führte fie zu einem Sofa, nöthigte fie niederzufigen, und nahm das Wort, bevor fie noch ſprechen konnte.

„Eigentlich , ſchönſte Signora Bianca, ſollte ich Ihnen jedes Wort ihrer Schmerzen, jede Erzaͤhlung ihrer Leiden erſparen; ſelbſt ihre Bitten brauchte ich mir nicht vortragen zu laſſen; denn jede derſelben iſt Ihnen im Voraus gewährt! Ic weiß Alles, was vorging: weiß, was Sie verloren haben; theile mis Ihnen diefen großen Verluſt, und. Ihren billigen Sammer, | .

Bianca. Fa wohl, gnaͤdigſter Herr, mögen Sie wiſſen, was ich verlor! Ja wohl, rechne ich bey Ihnen auf Theilnahme an meinem unfäylihen Schmerz $ Genauer betrachtet, vermag ich fogar nicht zus entſchei⸗ den: wer von uns Beyden durd dieſen ſchaͤnblichen /

' 42 .

4

grauſamen Meuchelmord mehr gekraͤnkt und bitterer leidigt ſeyn fellte; denn Ihre Gunſt, Ihre Huto | te billig den Dann, der folder genoß, vor jeder ( waltthat heiligen follen. Uns Beyden gehörte di Geopferte an. Ihnen word der Gegenftand if Wohlthaten, mir der Gegenftand meiner innigi Liebe entrifien. Mir.war er Gatte, für Euer Du: laucht war er der treuefte eifrigfte Diener.

Groß h. Mehr! Mehr! Ermar mir Freu:

Bianca. D Euer Durdlaudt, wenn er 7 Ihnen wirklih war; wern dief göttlihe Wort es nicht anders von einem fo edlen Fürſten fi ben laäͤßt Ihr Herz, und nicht Ihr Mund allein a ſprach; o fo haben Eie allerdings meine Bitte mir Voraus gewahrt! So liegt Ihnen nun unerfäßlid) fi die Verbindlichkeit der Race ob; und Bonaventu vergoſſenes Blut fchreyt fo laut, wie das Blut Märtyrer, nicht bloß zum Throne jened Höchſten, ned Emwigen empor; fondern auch zum Thron fei : fürftlihen Freundes.

Großh. Senn Sie verfihert, daß ich es hi

Bianca. Nicht hören allein, Euer Durdlaud fontern auch Shre Hände bewaffnen mit Gerechtigk die den Thaͤter verfolge, mit Strafen gegen fe fhandlihen Mörder!

Großh. Auch Tas ohne Zweifel; fobalb wir ı wiflen, wer Dieſe find.

Bianca. Die Ricci, die Ricci find ed! & könnte bier nur einen Augenblid zweifein! 4 Robert nicht öffentlih meinen Gemahl mit dem T bedroht? Iſt nicht mit rafhem Schritt die That | Drohung gefolgt? Hat nicht die Wuth jener Ei

wen 5

ſüchtigen auch Kaffandra , die Veranlaſſerinn dieſes ganzen unſeligen Zwiſtes, in eben dieſer Nacht, in eben dieſer Stunde gemorbet? O gnaͤdigſter Fuͤrſt! wofern jemahls das Flehen der knieenden, gebeugten Unſchuld Ihnen theuer war; wofern der ſo grauſam Ermordete jemahls nur ein günſtiges Wort Ihres Mundes, das kleinſte Andenken Ihres Herzens ver⸗ diente; wofern ich, die ich hier Ihre Knie umfaſſe (Sie mwirft ſich raſch vor ihm nieder, indem er fie wier auf⸗ heben will.)

Großh. Ums Himmels Willen, wozu Dast Stebhen Die auf, reizendſte Signora! Ich kann un⸗ moͤglich

Bianca lie enien bieitt. »Wofern ich, Ihre demüs ' thigfte Dienerinn, jemahls Gnade vor Ihren Augen fand fo laffen Sie mich jeßt nicht vergebens flehen. Selbſt wen Bonaventur, ald er farb, in Ihrer Ungnade mweggeftochen wäre, feloft dann Blute ſchulden drücken ja Ränder, verwandeln oft fegensvolle Fluren in öde Wüſteneyen; aber nie, nie müſſe der glorreiche Beberrfcher, in deffen Banden die Regierung und das Glück von Florenz ſich befinden, mit Flecken diefer Art feinen Ruhm entehren, fein Gewiſſen bela- ften! Er thue, was [bon Menfhenmirleid ihm zu thun gebiethet, boppelt gern aus & ürftenpflide! Er laſſe nicht troftlos bier eine arme , unglückliche Wirme Enien, die (indem fie den Arm aufhebt, um weichen fie. Bonaventuris Lode träge) wohin fie auch blickt, nur. das noch rauchende Blut ihres Gatten ſieht, und dieſe Überbleibſel von ihm nicht abzulegen ſchwur, bis ſie ſich überzeugt von der Werföhnung feines Schattens fuͤhlt.

.

Großh. Nochmahls, Signora, ſtehen Sie auf, wenn ich anders Sie hören, wenn ih überhaupt bier bleiben fol! Sie fprechen zu mir fo ernft, fo feyer: Ih , fo flebend,, als wollten Sie mich zu einem bare ten, widrigen Entſchluß bewegen; und doch befiehlt mir, was Sie bitten, allerdings ſchon mein eigenes Herz. Hier haben Sie meine Hand, und mit ihr dad Wort eınes Zürften, der fein Wort noch niemahls brach; ı will Alles anwenden, was in meinen Kraͤf⸗ ten ſteht, um die Mörder zu entdecken und zu ſtrafen. Genügt Ihnen Das? Stehen Eie noch nicht auf?

Bianca (ih erhebend.) Es genügt mir! denn naͤchſt Gottes Wort graue ich dem Wort meines Fürs ſten am ftärkften.

Großh. Damit Sie aber auch nicht mebr hof⸗ fen, als ich zu gewähren vermag , fo beſtimmen Sie nun jelbit die Grenzen Deffen, was ich zu thun habe! Sie Flagen über die Mörder ihres Gemahls, und kla⸗ gen mit volfftändigftem Rechte. Sie nennen mir bie Ricci als Verbrecher; und, ich beſorge, auch Dieß ge⸗ ſchhieht mit Recht. Aber Argwohn iſt noch nicht Ge⸗ wißheit. Bloß nach dieſer Letztern darf der Richter ſprechen; nah Jenem ſpricht und handelt der Thrann.

Bianea. Sehr wahr! Doch der gerechte Richter futt auch Wohrſcheinlichkeit in Gewißheit zu verwan⸗ Zeln. Nicht um den Tod der Ricci, nicht um ihre Bes ſtrafung unverhörter Weiſe kitte ich jetzt. Nur um ihre Verhaftung, nur um Unterſuchung, fo unparteyiſch und ernſt als möglich. Sie kann dann nicht vergehens ſeyn; Das ſagt mir mein Herz.

Großh. Und ich glaube ihm gern! Ich will nicht einmahl einwenden, was ich als Fürſt eines oft

1) 7 veseo unruhigen Volkes wohl einzuwenden vermoͤchte: daß jedes gerichtliche Verfahren gegen vornehme Vers drecher mit Gefahr und Beſorgniß verbunden iſt. Aber wie bann, edle Bianca, wenn biefe Unterfuhung doch anders ausjiele, als wir wünfhten? Wenn doch diefe Ricci's nur vergolten, nicht begonnen hätten! Wenn Boraventuri felbft der Urquell feines Todes wäre? Vergefien Sie, wer zuerft beleibigte! Friede ſey mit der Seele unſers Pietro! Ich traure um ihn, wig man um ben geliebreften Blutsfreund trauert; aber wahr bleibt es allerdings, daß er allzu unvorfihtig die Eiferfuht eined mächtigen Hauſes reiste. |

Bianca. Und wer hätte ein Recht zur Eifer⸗ ſucht gegen ihn gehabt, außer mir? Weſſen Gattinn, weſſen Tochter hat er verführt? Welche vorher

unbeſcholtene Tugend ward durch ihn verd aͤchtig

gemacht? Schwieg Robert Ricci's Biederſinn nicht ſonſt ſchon bey ähnlichem Verdacht gegen Kaſſandra? Schwieg er nicht ſelbſt dieß Mahl noch eine lange Zeit hindurch, und redete dann nur, als ſein Schweigen unbezahlt blieb? Stand Bonaventuri feiner Anrede nicht, im Angeſicht des ganzen Hofes, mit dem Muth eines Mannes? Und iſt Banditenmord, auch bey der größten Beleidigung, nicht ſchaͤndliche, ſtrafwürdige Rache? O Euer Durchlaucht! wenn Ihnen jemahls der Nahme eines tugendhaften Fürſten theuer war;

wenn ich ſelbſt, ich wiederbohle es, ih Ihre demü⸗

thigſte Magd, Gnade vor Ihren Augen fand (Sie will ſich hier abermanis zu. feinen Züßen werfen; er hält fie noch auf, und unterbricht fie halblächelnd, mit ver deutendem Tone.) on

—— 3

88— Großh. Sie haben Recht, ſehr Reht, bie letzten Grund zu wiederholen. Keiner bee vorheri— ift geringe; doch diefer dürfte leicht der flärkfte von Ien ſeyn! (Er ſchellt, ein Bedienter kommt.) Der Qi tenant von meiner Wache !-— (Berienter 46.) Sie fo feben, Schönfte der Zrauen, wie viel ein Wort von nen bey mir vermag; wie fehr es mich Über Bed: lichkeiten hinweghebt, die fonft keineswegs unerheb geweſen wären. Lieut. (eintretend.) Euer Durchlaucht Befehl - Großh. Man nehme fogleih Robert Micci ı feine Söhne , und alles fein Hausgeiinde ın Verba Den Alten bringe man vor mich felbft; die Anderen den Kerier, Lieut. Euer Durchlaucht verzeihen mir Großh. Und waß? dod feine Einwendung ? Lieut. So eben ward gemelder , daß Mol Nicct und feine zwey Söbne ſich heute früh mit Ta, Anbruch nad Piſa zu geflüchter bätten; warum! u mon noch nid, Bianca. Aber ih weiß ed nur allzu gut; (mit emporgehobenen Händen.) Ewiger, allgerechter, al bender Sort! Aus den Grenzen von Toscana, ja ı Furesa felbit , können fie entflieben ; aber aus Grenzen deines Reichs und deiner Allmacht nice! 9 dus fierfindeft,, fey ihnen Vergelter! Der Schatten | Erwürgten , und mein Sammer folge über Land ı Meer jedem ihrer Schritte nach! Gnaͤdigſter Herr Großh. Faſſen Sie ſich, Signora! Ich erra ihre Bitte. Noch ſind die Ricei uns nicht entgang Eben dieſe Flucht vielmehr kann für die Verbred nachtheiliger werden. Dis zeigt kraͤftiger gegen Dief

—XX 9 02888

ben, als aller bisheriger Argwohn, und wenn man fie erreicht , ſoll es an meinem Willen und an Anftalten zu ihrer. Strafe nicht gebredhen. (Zum Lieutenant.) Daß man auf's fchnellfte den Entwichenen nachſetze! Ein öffentlider Ausruf ergebe ! Ein Preis von taufend Ducaten ftehe auf ibrer Verhaftung! Worman fie findet, bringe man in Ketten fie zurück. Auch ihre Dies nerfhaft , wenn einige zurückgeblieben , werde eins gezogen!

Lieut. Sogleih, Euer Durchlaucht! (@r geht; auch Bianca mil fih, mit ſchweigender Derbeugung, entfernen ; Ssarıy faßt fie ben der Hand.)

Großh. Nod einer Augendlick Verzug, Signos ra, wenn ich bitten darf! Sie fehen meine Begierde, Ihnen zu willfahren ;fehen meinen thatigen Eifer, das Blur meines erſchlagenen Freundes zu rächen; hörten ſelbſt, was ich geboth. Manderley Gründe, Ihren Wünfhen Gewährung zu ſchaffen, haben Sie geltend gemacht. Seder derfelben war wichtig; des ſtaͤrkſten unter allen ftarfen, besienigen, der mir unvere geblich ift, vergaßen Sie doch: vergaßen der Liebe, die ih gegen Sie hege, und begen werde, fo lange dieſes Her, noch ſchlaͤgt, diefes Lichts des Lebens nicht verlöfcht.

Bianca (die Ach entfernen win.) Mein fürſtlicher Gebiether verzeihe

Groß h. (fie zurüdhaltend.) Nein, Reizendſte ihres Geſchlechts, noch laß ich Sie nicht! denn eben dieſe Liebe, erböthig für Sie Alles zu thun, was Sie for⸗ dern koͤnnen erbötbig, ohne Furcht vor Mißfallen des Volks, vor Aufſtand und Gefahr, Ihrem Gatten

ein blutiges Sühnopfer zu bringen eben dieſe Liebe

na 710 wor

beſchwört Sie jegt : mindern Sie Ihren allzu berben Kummer, daß er diefe Wange nicht bleihe, dieſes himmliſche Auge nicht: trübe ; die Heiterkeit einer Seele nicht ſtöre, auf welche Engel felbft mit Neide bliden. Was Sie verloren, fhone Bianca, war viel, die Art, wie Sie. es verloren, it fdmerzbaft. Aber vergeſſen Sie nicht, daß es ganz in ihrer Gewalt ſteht, das Verlorne wieder zu erfangen.

Bianca, Es wieder zu erlangen? Welche eitle Hoffnung! Wollte Gott, daß Bonaventuris Leben

Großh. D nein, auf Dieſes dachte ich jetzt frey⸗ lich nicht; wohl aber auf eine andere Vergeltung mit Wucher; auf ein Herz, das Sie anbethet; ſich Ihnen ganz zu ergeben bereit iſt; Wankelmuth nimmer ſich zu Schulden kommen ließ; und zwar das Herz eines Fürſten, aber gewiß noch mehr eines Bie der⸗ mannes iſt. Nie würde dieſer neue Verehrer, wenn er das Glück haͤtte, auch der Geliebte zu werden, einen Augenblick nur den unſchätzbaren Werth ihres Geiſtes verkennen; würde als Großherzog feine ganze Macht, als Franz von Medicis feine ganze Seele Ih⸗ nen weiben; würde zu Shren Füßen Wie} Gie bören nicht einmahl auf mich? | Bianca. Ich febe nur auf dieſes Armband hier! Es find Bonaventuri's Haare, befledt mit Bonaven⸗ turi's Blur. Heute vergefien; beute exft! doch aud nah zehn, zwanzig Jahren noch, hoffe ih, fol dieſes Heute fo ftart, fo ungeſchwächt, wie jegt, in meinem Gedaͤchtniß ſchweben!

Großh. Und wenn nun das Rufen dieſes vers goſſenen Blutes gertillt würde ? Wenn der Racher ganz leıne Pflicht erfüllte 2

( BIER 11 u ne

Bianca. Dem meinen innigſten, feurigffen Dank, der Dieb vermag! Dod, Euer Durchlaucht vergeben ; Gram und Schmerz; machen meine Zunge . ſchwer, machen zu fernerm Gefpräde mid unvermds gend. Ich gehe; aber, wofern der Arm der Gerechtigs keit verzieht bald erfcheine ich dann vor Ihrem Fücſtenſtuhl wieder um lauter noch meine heutige Bitte zu erneuern.

Broßh. Nicht vor ihm allein, fondern auch in dieſem Gemach erſcheinen Sie, fo oft ed Ihnen gut, daͤucht. Jede Thür meines Pallaſtes hat für Sie kein Schloß. Allerdings ſaͤhe ih Sie freudiger noch als ei⸗ nen (Engel der Liebe erſcheinen; wünſchte auf Ihr Herz doch Fein Wort mehr heute davon! Noch iſt She Kummer zu fiart und zu neu, ald auf angebothene Zröftung diefer Art zu achten. Aber, ſchöne Bianca, auch Franz von Medicis wird nicht unterlaſſen, auf Ihrem eigenen Zimmer Sie dann und wann zu ie ſuchen.

Bianca. Er erlaube ir Diefes zu verbit! |

tur dem Kummer der verwitweten Gattinn ift * Gemach fortan beitimmt. Es siert: | Gottgeweihten! Zu weinen, zu fla Entriffenen, fey dort mein ein; ziged Liefe Traner ſoll jeden Blick des Loaͤchelns, Deufzeẽ werden jeden Ton der Freude, mithin auch jeden Veſuch verſcheuchen.

Bianca ging. Reizender, als in dieſem ſchwor⸗ zen Gewande,, fiegender als mit dieſer Miene des. Schmerzens, haste ſie noch nie vor Franzen geRanden,

vorse 12 wu

Seine ganze Seele hing mit glühender Leidenſchaft ihr. Auch hielten Beyde, was jie einander zugefe hatten. Er ward nicht müde, dur Borbichaften, C (denke, Briefe, perlonlihe Befuhe, Bianca tröf zu wollen. Sie überhörte feine Borhen, lehnte fei Geſchenke ab, Tieß feine Briefe unbeantwortet; na! feine Befuche gar nicht, oder nur in der Geſellſch von zwey Kammerfrauen an, die fih Eeinen Aug: blic€ von ihr entfernen durften. Bey jedem ſchmeich haften Worte feined Gefprächs blickte fie auf Bonavı turiꝰs blutige ode, und ſchwieg. |

ber eben den Zürften, den fie unter vier Aug nicht ſprechen wollte, ſuchte ſie deſto fleißiger an Offen chen Orten auf; erneuerte allda ihre Klage; befih ihn oft mit lauter Stimme um Nachforſchung und ı die ernſtlichſten Maßregeln gegen die entflohenen 9 ci's. Nicht ohne Wirkung blieb ein fo Öffenclich gez. ter Harm. Selbſt das Voll, wiewohl ed den leb den, allzu hoch gefliegenen Bonaventuri nicht gelie wohl eher gehaßt und.oft laut genug verwünfdt hedauerte jeßt, nad) Art des Volks, den Erm beten; zumabl da er folh einen Fürſprecher fa Bianca's eheliche Treue, die Stärke ihrer ZarclichEi die Reinigkeit ihres Schmerzens obgleich anfaı bie Höflinge darüber zu wigeln, die Damen dark zu lächeln verfucht hatten ward bald ein Gegenſte allgemziner Bewunderung ; erhielt Billigung fei von folhen Perſonen, auf welche die Leidende gen am leuten gerechnet hatte. Langſt ſchon fiehte die Großherzoginn. Kumı Aber die Rälte ihres Gemahls ein Übel, das größten Theils ſich ſelbſt zugufchreiben hatte! na

cz L 3 107,723

unheilbar an dem Keim ihres ohnedem fhwächlichen Lee

hend. Mit eiferfüchtigen Augen hatte fie ſtets feine

Worte, feine Mienen, ja, wenn fie es vermochte,

ſelbſt feine Gedanken belauſcht. Auch feine Neigung zu

Bianca war ihr zeitig genug durch Kundfchafter verras

then worden; und ward „ihr dann unverkennbar, als

| Bonaventuris Gattinn am Hofe erſchien, oder viele

mebr: erfiheinen mußte. Mit ftrengen, Mark und Bein durchſchneidenden Bliden ſchaute die ſtolze Kaiſerſtoch⸗ ter auf jene Venetianerinn, die fo gern unter den Reis ‚ben der glänzenden Hofdamen nit aufgetreren‘ wäre. Alles war ihr ſchon im Voraus an der Nebenbuh⸗ lerinn verbaßt. Die ſchüchterne Unſchuld in Bianca’s Blicken galt für trüglihe Kunft , ihr prachtiloſer, eins facher Anzug für ſtolze Selbftgenügfamkeit, die ſchon durch eigenen Werth zu ſiegen hoffe. So oft ſich Stanz nur Bianca nahte, fo oft er nur ein Paar, aud un⸗ bedeutende Worte mit ihr ſprach, bebte ein merkliches Zittern durch Johanna's Glieder. Aber fo lauter war Bianca’s fih immer gleich bleibende Tugend, daß felbft der Eiferfucht alles vergrößerndes Trugglas Keinen

Flecken an ihr aufzufpähen vermochte; daß endlich die

Fürſtinn fich felbft geftand: Bianca beglnftige wenig»

ftens die Neigung nit, die fie erregt habe; daß der

Unmwille für jest ſchwand, wenn gleich der Argmohn

für Elinftig nie gan, entwich.

| Aber, ald Johanna vernahm, Bonaventuri fey

ermordet worden, da ſchimmerte ihr auf einige Augen

blicke eine furchtbare Vermuthung wieder; da mar ihre

erftier Ausruf: Aa, diefen Banditendold ſchliff eine

fehr vornehme Hand! da erwieberte fie, als man ihr

erzählte, daß den Micc!’s nachgefegt würde, mit bike

tree 14 IRRE

term Radeln: „O fie entkommen gewiß! Das Schlan⸗ genhaupt wird doch nicht feinen eigenen Schweiß verle« Ben.” Von Neuem erwadte zugleich ihr Verdacht gegen Bianca felbft. „Sie wäre die Erite nicht, flüs „iterte oft halbleife Zohanna, die vor Münnermordb, „oder wenigftend vor Theilnahme an demfelben, mins „der ald vor Ehebruch fih ſcheuete.“ Erſt, als uns abläffig die Verwitwete bas rihterliche Schwert um Mache anflebte ; als ganz Florenz nur eine Stimme zu ihrem Lobe ward ;da entſchloß ſich Johanna nicht, ihren Argwobn fahren zu laffen, fondern mit eigenen Augen zu prüfen: ob Bianca nicht heuchle? Sorten bar genug war der Entſchluß; faft fonderbarer noch deſſen Ausführung. |

Denn ald einft Bianca, ganz allein mit ihrem Sram, zu einer für jeden Beſuch ungewöhnklchen Stunde, in ihrem Zimmer faß, und fi fiber vor als lee Störung wähnte; da öffneten fi fihnell die Thü⸗ zen ihres Gemachs; da ftand, als fie verwundernd die Augen aufſchlug, die Großherzoginn felkit vor ihr. .

Bianca (erfhroden.) Wie, Shro Hoheit?

Großh. Warum erfhridft Du? Darf eine Trauerhde nicht die andere befuhen? Darf ich, des Leidens wahrlich jchon Eundig genug, nicht auch Theil an den Leiden einer Andern nehmen? j

Bianca. Euer Hoheit —diefe Gnade biefe Auszeihnung womit verdiene ich fie?

Großh. Signora! Signora! Faſt hätte ih Luft, jegt fhon an der Innigkeit Ihres Harms zu zweifeln, Echte Trauer pflegt fonft nıht auf Auszeichnung und Unterſchied zu achten. Ihr ift nur das MWerlorne wich⸗ tig, das Fein Bott ju erfegen vermag, Als ich zu⸗

. 15 * erſt mit Überzeugung wußte, daß Franzens Herz mit abwendig geworden ſey, da haͤtten Engel vom Him⸗ mel herabſteigen und meine Troſtung verſuchen koͤn⸗ nen. Ich würde kalt und ernſt doch wo verirre ich mich Hin? Nicht um Vorwürfe zu ergießen, die doch vieleiht ungerecht feyn Eönnten, nur um mid umzus fhauen und zu richten Fam ich bierber (indem ſie Bianca farr betrachtet. Sa, ja! diefe Augen haben wirkliche Thraͤnen gerötbet; diefe ſchönen Wangen hat merklicher Kummer gebleiht, und diefe Züge des Geſichts ſpre⸗ chen von ungeheucheltem Schmerz.

Bianca (thranend emporblicend.) Mächte des Him⸗ mels, wäre es möglich, daß man ſelbſt Dieß an mir bezweifelte?

Graßh. Es iſt moͤglich; es if verzeiblich fogar! denn Taufende an ihrer Stelle würden dem Entriffenen nicht mit Harm, fondern mit lächelnder Zufriedenheit nachblicken; würden höchſtens im Angefiht der Menge, doch nicht im einfamen Gemach ihn betrauern. Wohlan, Bianca! Sch will ablegen jede Verſtellung und jeden Zwang. Ich babe an der Schwelle dieſes Simmers fhon die Fürſtinn bahinten gelafleny ich will jegt audy eben fo ganz und freywillig der Neben⸗ bublerinn entfagen; will

Bianca (einfaltend.) Der Nebenbuhlerinn? DO diefes einzige Wort fage mir Alles. Aber au bey als lem, was heilig ift, durchlauchtige Bebietherinn ſchwoͤ⸗ ve ih, Ihr Verdacht trifft mich unſchuldig! Nie hat nur ein Gedanke, Dem ähnlich, meine Seele befledt ; und nie nie fol er auch künftig

Großh. Halt ein, Bianca Bonaventuri ! Feßle dich nicht mit Banden, die einſt nur allzu ſchwer dich

NA 10 wer

beſchwört Sie jegt : mindern Sie Ihren allzu berben Kummer, daß er diefe Wange nicht bleihe, diefes himmliſche Auge nicht trübe ; die Heiterkeit einer Seele nicht ftöre, auf welche Engel felbft mit Neide bliden. Was Sie verloren, ſchöne Bianca, war viel, die Art, wie Sie. ed verloren, ift fhmerzbaft. Aber vergeſſen Sie nicht, daß es ganz in ihrer Gewalt ſteht, das Verlorne wieder zu erfangen.

Bianca, Es wieder zu erlangen? Welche eitle Hoffnung! Wollte Gott, daß Bonaventuris Leben

Großh. O nein, auf Dieſes dachte ich jetzt frey⸗ lich nicht; wohl aber auf eine andere Vergeltung mit Wucher; auf ein Herz, das Sie anbethet; ſich Ihnen ganz zu ergeben bereit iſt; Wankelmuth nimmer ſich zu Schulden kommen ließ; und zwar das Herz eines Fürſten, aber gewiß noch mehr eines Bie der⸗ mannes iſt. Nie würde dieſer neue Verehrer, wenn er das Glück haͤtte, auch der Geliebte zu werden, einen Augenblick nur den unſchaͤtzbaren Werth ihres Geiſtes verkennen; würde als Großherzog ſeine ganze Macht, als Franz von Medicis ſeine ganze Seele Ih⸗ nen weiben; würde zu Ibren Füßen Wie} Sie hören nicht einmahl auf mich? Bianca. Ich fehe nur auf dieſes Armband hier! Es find Bonaventuri’s Haare, beflect mit Bonaven⸗ turi's Blur. Heute vergoſſen; heute exft! doch aud nah zehn, zwanzig Jahren noch, hoffe ih, fol diefes, Heute fo ftart, fo ungeſchwächt, wie jegt, in meinem Gedaͤchtniß jhmweben! -

Großh. Und wenn nun das Mufen biefes ver- goffenen Blutes geitillt würde ? Wenn der Racher ganz teıne Pflicht erfüllte?

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Bianca. Dem meinen innigſten, feurigffen Dank, der Dieb vermag! Doch, Euer Durchlaucht vergeben ; Sram und Schmerz. machen meine Zunge . ſchwer, machen zu fernerm Gefpräde mid unvermds gend. Ich gehe; aber, wofern der Arm der Gerechtig⸗ keit verzieht bald erfcheine ich dann vor Ihrem Füeſtenſtuhl wieder um lauter noch meine heutige Bitte zu erneuern.

GBroßh. Nicht vor ihm allein, fondern aud im diefem Gemach erfiheinen Die, fo oft ed Ihnem gut, daucht. Jede Thür meines Pallaftes hat für Sie kein Schloß. Allerdings fähe ih Sie freudiger noch als er nen Engel der Liebe erfcheinen; wünfhte auf Ihr Herz doch kein Wort mehr heute davon! Noch ift She Kummer zu ſtark und zu neu, ald auf angebothene Zröftung diefer Urt zu achten. Aber, fhöne Bianca, auch Kranz von Medicis wird nicht unterlaifen, auf‘ Ibrem eigenen Zimmer Sie dann und wann zu ie. ſuchen.

Bianca. Er erlaube mir Dieſes zu verbit! di . tur dem Kummer der verwitweten Gattinn iſt Gemach fortan beitimmt. Es glenheger;Z; de, siner Gottgeweihten! Zu weinen, zu Ki 4 en kintinen.; Entrifenen, fey dort mein ein; ziged” Ah Ä | Trauer ſoll jeden Blick des Tüchelnd,. Deufjer werden jeden Ton der Freude, mirhin au. jeden Veſuch veriheuden. .

Bianca ging. Reisender, als in biefem ſchwar⸗ zen Gewande,, fiegender als mit Diefer Miene des. Schmerzens, hatte fie: noch nie vor Franzen geſtanden.

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Seine ganze Seele hing mit glühender Leidenſchaft ihr. Auch bielten Beyde, was ſie einander zugeſa hatten. Er ward nicht müde, durch Borbichaften, C ſchenke, Briefe, perſönliche Befuhe, Bianca tröf zu wollen. Sie überhörte feine Bothen, lehnte fei Geſchenke ab, Tieß feine Briefe unbeantwortet ; na! feine Beſuche gar nicht, oder nur in der Geſellſch. von zwey Kammerfrauen an, die fih Eeinen Aug blic€ von ihr entfernen durften. Bey jedem ſchmeich haften Worte feines Geſpraͤchs blickte fie auf Bonavı tur’s blutige Locde, und ſchwieg. |

Aber eben den Sürften, den fie unter vier Aug nicht fprechen wollte, fuchte fie defto fleifiger an öffen: hen Orten auf; erneuerte allda ihre Klage; befihn ihn oft mit lauter Stinme um Nachforſchung und ı die ernſtlichſten Maßregeln gegen die entflohenen 9 ei's. Nicht ohne Wirkung blieb ein fo Öffenclich gez. ter Harm. Selbit das Voll, wiewohl eb den leb ten, allzu hoc gefliegenen Bonaventuri nicht gelie wohl eher gehaßt und.oft laut genug verwünſcht be hedauerte jegt, nad) Art des Volks, den Erm deten; zumabl da er ſolch einen Fürſprecher fai Bianca's edelihe Treue, die Stärke ihrer Zaͤrtlichk die Reinigkeit ihres Schmerzens obgleich anfaı bie Hoöflinge barüber zu wigeln, die Damen darü zu laͤcheln verſucht hatten ward bald ein Gegenſte allgemeiner Bewunderung ; erhielt Billigung fe von ſolchen Perſonen, auf weiche die Leidende gen am leiten gerechnet hatte. Cängft fon ſiechte die Großperzoginn. Kumn Über die Kälte ihres Gemahls ein Übel, das größten Theils ſich ſelbſt zugufchreiben hatte! na

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unheilbar an dem Keim ihres ohnedem ſchwaͤchlichen Le⸗

dens. Mit eiferſüchtigen Augen hatte ſie ſtets ſeine

Worte, ſeine Mienen, ja, wenn ſie es vermochte,

ſelbſt feine Gedanken belauſcht. Auch feine Neigung zu

Bianca war ihr zeitig genug durch Kundſchafter verra⸗

then worden; und ward ‚ihr dann unverkennbar, ale

| Bonaventuri’d Sattinn am Hofe erfhien, oder viele

mehr. erfcheinen mußte. Mit ftrengen, Mark und Bein durchſchneidenden Blicken ſchaute die ſtolze Kaiferstochs ter auf jene Wenetianerinn, die fo gern unter den Reis ‚ben ber glänzenden Hofdamen nicht aufgetreten‘ . wäre, Alles war ihr ſchon im Woran an der Nebenbuh⸗

lerinn verbaßt. Die fhüchterne Unfhuld in Bianca's Blicken galt für trüglihe Kunſt, ihr prachiloſer, eins facher Anzug für ſtolze Selbſtgenügſamkeit, die ſchon durch eigenen Werth zu ſiegen hoffe. So oft ſich Franz nur Bianca nahte, ſo oft er nur ein Paar, auch un⸗ bedeutende Worte mit ihr ſprach, bebte ein merkliches

Zittern durch Johanna's Blieder. Aber fo lauter war

Bianca’s ſich immer gleich bleibende Tugend, daß felbft der Eiferſucht alles vergrößernde® Trugglas Eeinen

Flecken an ihr aufzufpähen vermodte ; daß endlich bie

Fürſtinn fi feldft geftand: Bianca beglinftige wenig⸗

ftens die Neigung nicht, die fie erregt habe; daß der

Unwille für jest ſchwand, wenn gleich der Argmohn für Elinftig nie ganz entwid. | Aber, ald Johanna vernahm, Bonaventuri fey ermordet worden, da ſchimmerte ihr auf einige Augen«

blicke eine furdtbare Vermuthung wieder; da mar ihr

erfier Audruf: Sa, diefen Banditendold ſchliff eine

ſehr vornehme Hand! da erwieberte fie, als man ihr

erzählte, daß den Nicc!s nachgefegt würde, mit bite

—X 14 ans term Lächeln: „O fie entfommen gewiß! Das Sl genhaupt wird doch nicht feinen eigenen Schweiß ver ben.” Bon Neuem erwachte zugleid ihr Verda gegen Bianca ſelbſt. „Sie wäre die Erite nicht, f „iterte oft halbleife Zobanna, die vor Maͤnnermor „oder wenigftend vor Theilnahme an demfelben, m „der als vor Ehebruch fi ſcheuete.“ Erſt, als ı ablaͤſſig, die Verwitwete das rihterlithe Schwert ı Rache anflebte; als ganz Florenz; nur eine Stim zu ihrem Cote ward; da entſchloß fih Johanna nic ihren Argwobn fahren zu laffen, fondern mit eigen Augen zu prüfen: ob Bianca nit beuchle? Sond bar genug war der Entfhluß ; faft fonderbarer n beffen Ausführung. | Denn als einft Bianca, ganz allein mit ihr Sram, zu einer für jeden Beſuch ungewähnfid Stunde, in ihrem Zimmer faß, und ſich fiher vor ler Störung wähnte; da öffneten ſich ſchnell die Zt zen ihres Gemachs; da ftand, als fie verwundernd | Augen aufſchlug, die Großherzoginn felbit vor ihr. Bianca (erfhroden.) Wie, Shro Hoheit? Großh. Warum erſchrickſt Du? Darf ei Trauernde nicht die andere befuhen? Darf ich, t Leidens wahrlich jhon Eundig genug, nicht auch Th an den Leiden einer AUndern nehmen? Bianca. Euer Hoheit dieſe Gnade bi Auszeihnung womit verdiene ich fie? Großh. Eignora! Sıgnora! Faſt hätte ih Eu jest fhon an der Innigkeit Ihres Harms zu zweife Echte Trauer pflege font nicht auf Auszeihnung u Unterfchied zu achten. Ihr ift nur das Verlorne wi tig, das Fein Bots ju erfegen vermag. Als ich

mon 15 Mer erft mit Überzeugung wußte, daß Sranzens Her mie- abwendig geworden fey, da hätten Engel vom Sims mel berabfteigen und meine Tröſtung verfuchen Eöns nen. Sch würde kalt und ernſt doch wo veritre ich mich hin? Nicht um Vorwürfe zu ergießen, die doch vielleicht ungerecht feyn Eönnten, nur um mid) umzu⸗ [hauen und zu richten kam ich hierher (indem fie Bianca frz betrachtet.) Ja, ja! diefe Augen haben wirkliche Thraͤnen geröthet; diefe fchönen Wangen hat merklicher Kummer gebleiht, und diefe Züge des Geſichts ſpre⸗ chen von ungeheucheltem Schmerz.

Bianca (thranend emporblicend.) Mächte des Him⸗ mels, wäre ed möglich, daß man ſelbſt Dieß an mir bejweifelte?

Graoßh. Es ift moͤglich; es it verzeihlich ſogar! denn Tauſende an ihrer Stelle würden dem Entriſſenen nicht mit Harm, ſondern mit laͤchelnder Zufriedenheit nachblicken; würden höchſtens im Angeſicht der Menge, doch nicht im einſamen Gemach ihn betrauern. Wohlan, Bianca! Ich will ablegen jede Verſtellung und jeden Zwang. Ich habe an der Schwelle dieſes Zimmers ſchon die Fürſtinn dahinten gelaffeny ich will jegt auch eben fo ganz und freywillig der Neben⸗ buhlerinn entſagen; will

Bianca (einfallend. Der Nebenbuhlerinn? O dieſes einzige Wort ſagt mir Alles. Aber auch bey al⸗ lem, was heilig iſt, durchlauchtige Gebietherinn ſchwoͤ⸗ re ich, Ihr Verdacht trifft mich unſchuldig! Nie hat nur ein Gedanke, Dem aͤhnlich, meine Seele befleckt; und nie nie fol er auch künftig

Großh. Halt ein, Bianca Bonaventuri! Feßle dich nicht mis Banden, die einſt nur allzu ſchwer dich

ma 10

drehen, oder wenn bu fie ſprengteſt, dir zum lebenstäı Sihen Vorwurf gereihen dürften. Höre mih! A worte erft dann, wenn ih did frage! Sch habe t gebaft, wie man einen Zodfeind haßt; gebaßt v dem Augendlid an, als ich zuerft deinen Nabe börte, und noch ftärker feir jenem, als ich zuerft ? fab. Ich babe dich umſtellt mit Aundfchaftern berum; id war im Voraus gewiß, was fie mir m den würden; und id babe mich geirrt. Wie f mein Gemabl dich liebe, überzeugte mich mein eige Blick; daß du ihm Gleiches mis Gleichem vergelte Eonnte weder mein Auge, noch Einer meiner Söldli— ergründen; und deßhalb deßhalb wende ih mid bie Einzige, die mir Wahrheit geben kann; an ! ſelbſt! Sprich: hart du nie Gegenliebe zu ihn gefül ober geheuchelt?

Bianca. Ich liebte in meinem Leben nur ein Mann; und dieſer Eine liegt im Grabe. Liebe heuchelt habe ich nie!

Großh. Kannft du Das mit einem Eidſchr befräftigen ?

Branca. Mit Taufenden! Und jeder Blutst pfen meines ermordeten Batten werde eine eigene H für mid , wenn ich falfch ſchwöre!

Großh. Sch traue dir! denn Unwahrheit dieſen Lippen, Verftelung unter diefen Zügen, ei Meineid bey diefem Ton der Stimme zu vermuth Dieß hieße einer Menſchenfeindlichkeit fih fhuldig | den, die ich nie bejaß , und die ih jegt am Ra des Grabes für ein Lafter achten würde. Wohl, Bianco Bonaventuri! wenn wirklich diefer Ermorl bisher dein ganzes Her; befaß; wenn du fo gan;

Pflich

... 17 rn

Pflichten ehrlicher Treue erfüllteſt, daß aller x Gliam irdiſcher Hoheit, alle Juwelen des Fürſten, alle Raͤnke der hoͤfiſchen Verführung dich nicht zum Straucheln, geſchweige zum Fall verleiteten, dann in propheti« fhem @eifte betheuere ich es dir! dann werben bald Zeiten Fommen, wo deine Tugend ihren Lohn, wo deine Seele wieder Sreude, und dein Gram Beruhi⸗ gung empfängt. |

Bianca. Ah, ich Eenne nur eine Beruhigung, nur ein Glück. Gerechte Rache für ihn, und für mich ſelbſt das Grab.

Großh. Mein! Nein! Mir iſt ed bald dort hin⸗ ab zu ſteigen beſtimmt! du hingegen mit dieſem Kuffe weih' ih dich ein: fey glüclicher als ich! Ver» gib mir, daß ich dich haßte! Vergib mir, daß ich dich erſchreckte! Ih Das fühle ih nun innig und wahr ich habe dir nichts zu vergeben. Mit Achtung werde ich von nun an deinen Nahmen nennen, mit Liebe an dich denken; und bald, bald! nicht weiter im Wege dir ſtehen!

Sie entfernte fid ſchnell, indem fie Bianca ernft: lich alle Begleitung verbosh. Der Ruf diefes feltfa men Beſuchs des einzigen, ben die fonft ſtolze Kai⸗ ferötochter einer ihrer Hofdamen abgeftattei, durchs flog ganz Florenz. Man rieth und dichtete, verfchönte und entftellte taujenderley an ihm. Bianca felöft zu . befragen wagten nur äußerft Wenige, und erhielten auch nur eine abgebrochene Antwort. Im Stillen wirkte diefer Vorfall jedoch mächtig auf die Leidende. Jede Verkündigung Eünftigen Glücks macht Eindrud aufs menfshliche. Herz, wenn auch der Mund ihn abzuläug⸗

Meißners Bianca Gap. 2. Th. B

AR 10 we

befhwört Sie jegt : mindern Sie Ihren allzu berb Kummer, daß er diefe Wange nicht bleiche, bie himmliſche Auge nicht trübe ; die Heiterkeit einer Se nicht fiöre, auf welche Engel felbft mit Neide blicke Was Sie verloren, fhöne Bianca, war viel, | Art, wie Sie. es verloren, it fhmerzbaft. U "vergeilen Sie nicht, daß es ganz in ihrer Gewalt fie das Verlorne wieder zu erfangen.

Bianca. Es wieder zu erlangen? Welche ei Hoffnung! Wollte Gott, dab Bonaventuris Leben

Großh. O nein, auf Dieſes dachte ich jegt fr. lich nicht; wohl aber auf eine andere Vergeltung r Wucher; auf ein Heiz, das Die anbethet; ſich SShr ganz zu ergeben bereic iſt; Wankelmuth nimmer | zu Schulden kommen Tieß; und zwar das Herz eit Fürſten, aber gewiß noch mehr eines Bied: mannesift. Nie würde biefer neue Merehre wenn er das Glück hätte, auch der Geliebte zu werd: einen Augenbli nur den unfhäßbaren Werth ih Geiſtes verkennen; würde ald Großherzog feine ga Macht, als Franz von Mebicis feine ganze Seele“ nen weiben; würde zu Sshren Süßen Wie} bören nichr einmahl auf mich? | Bianca. Ich fehe nur auf diefed Armband hi Es find Bonaventuri’s Haare, befiedt mit Bonav turi's Blur. Heute vergoſſen; heute erſt! doch a nad zehn, zwanzig Jahren noch, hoffe ich, ſoll die Heute fo ftart, fo ungeſchwächt, wie jetzt, in mein Gedächtniß ſchweben!

Großh. Und wenn nun das Rufen diefes v goſſenen Blutes geſtillt würde ! Wenn der Nücer g leine Pflicht erfüllte?

un 1 nn - Bianca. Dem meinen innigften , feurigffen Dank, der Dieb vermag! Doch, Euer Durchlaucht vergeben; Gram und Schmerz. machen meine Zunge . ſchwer, machen zu fernerm Gefpräde mid unvermös gend. Ich gehe; aber, wofern der Arm der Gerechtig⸗ keit verzieht bald erfcheine ich dann vor Ihrem Füeſtenſtuhl wieder, um lauter nod meine heutige Bitte zu erneuern.

Großh. Nicht wor ihm allein, fondern auch im diefem Gemach erfcheinen Sie, fo oft ed Ihne guts daͤucht. Jede Thür meines Palaftes har für Sie kein Schloß. Allerdings fühe ih Sie freudiger noch als eir | nen Engel der Liebe erfcheinen ; wünfhte auf Ihr Herz doch kein Wort mehr beute davon! Noch ift She Kummer zu ſtark uyd zu neu, ald auf angeborhene

Tröſtung diefer Art zu achten. Aber, fhone Bianca, auch Franz von Medicid wird nicht unterlaffen, auf' Ibrem eigenen Zimmer Sie dann und wann zu ir ſuchen. Bianca. Er erlaube mir Dieſes zu verbiciig SR tur dem Kummer der verwitweten Gattinn it Min Gemach fortan beitimmt. Es geht —3 Gottgeweihten! Zu weinen, zu Ei; men. Entriffenen, fey dort mein einzigeh dfe ! Tie Trauer ſoll jeden Blick des Laͤchelns Deufjer werden jeden Ion der Freude, mithin auch. jeden Veſuch verſcheuchen.

Bianca ging. Reizender, als in dieſem ſchwar⸗ zen Gewande-, ſiegender als mit dieſer Miene des. Schmerz ens, hatte fie noch nie vor Franzen geRanden.

nor. 12 wo.

Seine ganze Seele hing mit glühender Leidenſchaft ihr. Auch hielten Beyde, was jie einander zugeſa hatten. Er ward nicht müde, durch Borbichaften, C ſchenke, Briefe, perſönliche Befuhe, Bianca tröf zu wollen. Sie überhörte feine Bothen, lehnte fei Geſchenke ab, Tieß feıne Briefe unbeantwortet ; na! feine Befuche gar nicht, oder nur in der Geſellſch von zwey Kammerfrauen an, die fi Eeinen Aug. blick von ihr entfernen durften. Bey jedem ſchmeich haften Worte feines Gefprächs blickte fie auf Bonavı turi's blutige Locke, und ſchwieg.

Aber eben den Fürſten, den ſie unter vier Aug nicht fprechen wollte, fuchte fie defto fleifiger an Offen hen Orten auf; erneuerte allda ihre Klage; befih ihn oft mit lauter Stimme um Nachforſchung und | dic ernftlichften Maßregeln gegen die entflohenen 9 ci's. Nicht ohne Wirkung blieb ein fo Öffentlich gez ter Harm. Selbſt das Bold, wiewohl es den leb den, allzu hoch geftiegenen Bonaventuri nicht gelie wohl eher gehaßt und oft laut genug verwünſcht bi dedauerte jegt, nad) Art ded Volks, den Erm deten; zumabl da er fol einen Zürfpreder fa Bianca's eheliche Treue, die Stärke ihrer Zaͤrtlichk die Reinigkeit ihres Schmerzens obgleich anfaı die Hoflinge darüber zu wigeln, die Damen darü zu lacheln verfucht hatten ward bald ein Gegenſt allgemeiner Bewunderung ; erbielt Billigung fe von folhen Perionen, auf weiche bie Leidende ger am leuten gerechnet hatte. Cangft fhon ſiechte die Großherzoginn. Kumı Über die Kälte ihres Gemahls ein Übel, das größten Theil ſich felbft zugufipreiben hatte! na

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unheilbar an dem Keim ihres ohnedem ſchwaͤchlichen Lee hend. Mit eiferſüchtigen Augen hatte fie ſtets feine Worte, feine Mienen, ja, wenn fie ed vermochte, ſelbſt feine Gedanken belauſcht. Aud feine Neigung zu Bianca war ihr zeitig genug durch Kundfchafter verras then worden; und warb „Ihr dann unverkenndar , ale | Bonaventuri'd Gattinn am Hofe erfdien, oder viels mehr. erfcheinen mußte. Mit firengen, Mark und Bein durshfchneidenden Blicken ſchaute die ſtolze Kaiferstods ter auf jene Wenetianerinn, die fo gern unter den Reis ‚ben der glänzenden Hofdamen nit aufgetreten . wäre. Alles war ihr ſchon im Voraus an der Nebenbuh⸗ lerinn verbaßt. Die fhüchterne Unfhuld in Bianca’s lien galt für trügliche Kunſt, ihr prachiloſer, eine facher Anzug für folge Selbſtgenügſamkeit, die fon durch eigenen Werth zu fiegen boffe. ©o oft ſich Stanz nur Bianca nahte, fo oft er nur ein Paar, aud uns bedeutende Worte mis ihr ſprach, bebte ein merkliches Zittern dur Johanna's Blieder. Aber fo lauter war Bianca’s ſich immer gleich bleibende Tugend, daß felbft der Eiferſucht alles vergrößerndes Trugglas keinen Flecken an ihr aufzufpähen vermochte; daß endlich bie Fürſtinn fi felbft geftand: Bianca begünftige wenig⸗ ftend die Neigung nicht, die fie erregt habe; daß der Unmille für jetzt ſchwand, wenn glei der Argwohn für Elinftig nie gan, entwich. | Aber, ald Johanna vernahm, Bonaventuri fey ermordet worden, da ſchimmerte ihr auf einige Augen« blide eine furchtbare Vermuthung wieder; da war ihr erfier Audruf: Sa, diefen Banditendold ſchliff eine ſehr vornehme Hand! da erwieberte fie, als man ihr erzählte, bag den Ricckes nachgefegt würde, mit bite

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term Sadeln: „O fie entfommen gewiß! Das Schlan⸗ genhaupt wirb doch nicht feinen eigenen Schweiß verle« Ben.” Von Neuem erwachte zugleich ihr Verdacht gegen Bianca ſelbſt. „Sie wäre die Erite nicht, flüs „iterte oft halbleiſe Johanna, die vor Münnermorb, „oder wenigftens vor Theilnahme an demfelben, mins „der als vor Ehebruch fi ſcheuete.“ Erſt, als uns abläffig, die Verwitwete das rihterlithe Schwert um Mache anflehte; als ganz Florenz nur eine Stimme zu ihrem Cote ward; da entſchloß fih Johanna nicht, ihren Argwobn fahren zu laffen, fondern mit eigenen Augen zu prüfen: ob Bianca nicht heuchle? Soden bar genug war der Entfhluß ; faft fonderbarer nod deſſen Ausführung.

Denn als einft Bianca, ganz allein mit ihrem Sram, zu einer für jeden Beſuch ungewöhnfichen Stunde, in ihrem Zimmer faß, und fidh fiher vor als ler Störung wähnte; da öffneten ſich ſchnell die Thü⸗ ven ihres Gemachs; da ftand, als fie verwundernd die Augen aufſchlug, die Großherzoginn felkit vor ihr. .

Bianca (erfhroden.) Wie, Ihro Hoheit?

Großh. Warım erfhridft Du? Darf eine Trauernde nicht die andere befuhen? Darf ich, des Leidens wahrlich ſchon Eundig genug, nicht auch Theil an den Leiden einer Andern nehmen?

Bianca. Euer Hoheit —dieſe Gnade dieſe Auszeihnung womit verdiene ich fie?

Großh. Signora! Signora! Faſt hätte ih Luft, jest fhon an der Innigfeit Ihres Harms zu zweifeln, Echte Trauer pflegt fonft nıcht auf Auszeichnung und Unterfchied zu achten. Ihr ıft nur das Verlorne wich⸗ tig, das Fein Gott ju erfegen vermag. Als ich zus

on 15 erſt mit uͤberzeugung wußte, daß Franzens Her; mir- abmendig geworden fey, da hätten Engel vom Him⸗ mel berabfteigen und meine Tröftumg verfuchen Eöns nen, Ich würde kalt und ernſt doch wo verirre ich mich Hin? Nie um Vorwürfe zu ergießen, die doch vieleicht ungerecht fepn Eönnten, nur um mid) umzu⸗ fhauen und zu richten kam ich hierher (indem fie Bianca ſtarr Setragtet.) Sa, ja! diefe Augen haben wirkliche Thraͤnen geröthet; diefe fhönen Wangen hat merklicher Kummer gebleiht, und biefe Züge des Geſichts ſpre⸗ chen von ungeheucheltem Schmerz. Brlianca (thränend emporblicend.) Mächte des Him⸗ mels, waͤre es möglich, daß man ſelbſt Dieß an mir bezweifelte?

Graoßh. Es iſt moͤglich; es it verzeihlich ſogar! denn Tauſende an ihrer Stelle würden dem Entriſſenen nicht mit Harm, ſondern mit laͤchelnder Zufriedenheit nachblicken; würden höchftens im Angeſicht der Menge, doch nicht im einfamen Gemach ihn betrauern. Wohlan, Bianca! Ich will ablegen jede Verſtellung und jeden Zwang. Ich babe an der Schwelle diefes Zimmers fhon die Fürftinn dahinten gelaffeny ich will jegt auch eben fo ganz und freywillig der Neben⸗ buhlerinn entſagen; will

Bianca (Ceintallend) Der Nebenbuhlerinn? O dieſes einzige Wort ſagt mir Alles. Aber auch bey al⸗ lem, was heilig iſt, durchlauchtige Gebietherinn ſchwoͤ⸗ re ich, Ihr Verdacht trifft mich unſchuldig! Nie bat nur ein Gedanke, Dem aͤhnlich, meine Seele befleckt; und nie nie fol er aud künftig

Großh. Halt ein, Bianca Boniaventuri ! Feßle Did nicht mis Banden, die einſt nur allzu ſchwer dich

II 10 wem

beſchwört Sie jegt : mindern Sie Ihren allzu berben Kummer, daß er diefe Wange nit bleihe, dieſes himmliſche Auge nicht trübe ; die Heiterkeit einer Seele nicht ſtöre, auf welche Engel felbft mit Neide bliden. Was Sie verloren, fhone Bianca, war viel, die Art, wie Sie. es verloren, it f[hmerzhaft. Aber vergeſſen Sie nicht, daß ed ganz in ihrer Gewalt ſteht, das DVerlorne wieder zu erfangen.

Bianca. Es wieder zu erlangen? Welche eitle Hoffnung! Wollte Gott, daß Bonaventuris Leben

Großh. O nein, auf Diefed dachte ich jegt frey⸗ lich nicht; wohl aber auf eine andere Vergeltung mit Wucher; auf ein Heiz, das Die anbethet; fi Ihnen ganz zu ergeben bereit iſt; Wankelmuth nimmer fi zu Schulden Fommen ließ; und zwar das Herz eines Fürſten, aber gewiß noch mehr eined Bieders mannes if. Nie würde diefer neue Verehrer, wenn er das Glüd hätte, auch der Öeliebte zu werden, einen Augenbli nur den unfhägbaren Werth ihres Geiſtes verkennen ; würde ald Großherzog feine ganze Macht, als Franz von Medicis feine ganze Seele Ih⸗ nen weiben; würde zu Sshren Süßen Wie} Sie bören nicht einmahl auf mid? Bianca. Ich febe nur auf dieſes Armband hier! Es find Bonaventuri's Haare, befledt mit Bonaven⸗ turi's Blur. Heute vergeiien; heute erſt! doch auch nah zehn, zwanzig Jahren noch, hoffe ih, ſoll dieſes Meute fo ftart, fo ungeſchwächt, wie jeßt, in meinem Gedaͤchtniß ſchweben!

Großh. Und wenn nun das Rufen dieſes ver⸗ goſſenen Blutes geſtillt würde ! Wenn der Racher ganz leine Pflicht erfüllte?

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m | Bianca. Dem meinen innigften , feurigffen Dank, der Dieb vermog! Doch, Euer Durchlaucht vergeben; Gram und Schmerz; machen meine Zunge . ſchwer, machen zu fernerm Gefprädhe mid) unvermöds gend. Ich gebe; aber, wofern der Arm der Gerechtig— keit verzieht bald erfcheine ich kann vor Ihrem Kürftenftupl wieder, um lauter noch meine heutige Bitte zu erneuern.

GBroßh. Nicht vor ihm allein, fondern aud in diefem Gemach erfheinen Sie, fo oft ed Ihnen gutzs daͤucht. Jede Thür meines Pallaftes hat für Sie kein Schloß. Allerdings fühe ih Sie freudiger noch als eis | nen Engel der Liebe erfcheinen ; wünſchte auf Ihr Herz doch kein Wort mehr heute davon! Noch ift She Kummer zu ſtark ugd zu neu, als auf angeborhene Tröſtung diefer Urt zu achten. Aber, ſchöne Bianca, auch Franz von Medicis wird nicht: unterlajfen, auf' Ihrem eigenen Zimmer Sie bann und mann zu ir ſuchen.

Bianca. Er erlaube wir Diefes zu verbitg Nur dem Kummer der verwitweten Gattinn it Min Gemach fortan beitimmt. Es 0e viner Gottgeweihten! Zu weinen, zu flag, * Entrifenen, ſey dort mein einziged‘ I Trauer voll jeden Blick des Laͤchelns Deufjer werden jeden Ton der Freude, mirhin auf jeden Veſuch verſcheuchen.

Bianca ging. Reizender, als in dieſem ſchwar⸗ zen Oewande-, fiegender als mit biefer Miene des. Schmerz ens, harte fie: noch nie vor Franzen geRanten.

12 vo.

Seine ganze Seele hing mit glühender Leidenſchaft ihr. Auch hielten Beyde, was ſie einander zugefa hatten. Er ward nicht müde, dur Borbichaften, & ſchenke, Briefe, perſonliche Befuhe, Bianca troöf zu wollen. Sie überhörte feine Bothen, lehnte fei Geſchenke ab, Tieß feine Briefe unbeantwortet ; nal feine Befuche gar nicht, oder nur in der Gefellfch. von zwey Kammerfrauen an, die fih Eeinen Augı blick von ihr entfernen durften. Bey jedem ſchmeich haften Worte feines Geſpraͤchs blickte fie auf Bonavı turı’s blutige Locke, und ſchwieg.

ber eben den Zürften, den fie unter vier Aug nicht fprechen wollte, fuchte fie defto fleißiger an öffen: hen Orten auf; erneuerte allda ihre Klage; befih ibn oft mir lauter Stimme um Nachforſchung und ı dic ernſtlichſten Maßregeln gegen die entflohenen 9 ci's. Nicht ohne Wirkung blieb ein fo öffentlich geze ter Harm. Selbſt dad Volk, wiemohl es den leb den, allzu hoc gefliegenen Bonaventuri nicht gelie wohl eher gehaßt und oft laut genug verwünſcht ba bedauerte jegt, nad) Art des 'BolE3, den Erm deten; zumahl da er fol einen Zürfpreder fa Bianca's eheliche Treue, die Stärke ihrer Zaͤrtlichk die Reinigkeit ihres Schmerzens obgleich anfaı bie Höflinge barüber zu mwigeln, die Damen dark zu lächeln verfucht hatten ıward bald ein Gegenſt allgemeiner Bewunderung ; erhielt Billigung fe von folhen Perſonen, auf welche bie Leidende ger am leiten gerechnet hatte.

Langft fhon ſiechte die Großherzoginn. Kumr Über die Kälte ihres Gemahls ein Übel, das größten Theils ſich felbft zugufchreiben hatte! na

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unbeilbar an dem Keim ihres ohnedem ſchwaͤchlichen Le⸗ dens. Mit eiferfüchtigen Augen hatte fie ſtets feine Worte, feine Mienen, ja, wenn fie es vermochte, ſelbſt feine Gedanken belauſcht. Auch feine Neigung zu Bianca war ihr zeitig genug durch Kundfchafter verras then worden; und ward ‚ihr dann unverkennbar , als Bonaventuri's Gattinn am Hofe erfhien, oder viels mehr erſcheinen mußte. Mit firengen, Mark und Bein durchſchneidenden Bliden fchaute die ſtolze Kaiſersſtoch⸗ ter auf jene Wenetianerinn, die fo gern unter den Rei⸗ ‚ben ber glänzenden Hofdamen nit aufgetreten‘ wäre, Alles war ihr ſchon im Voraus an der Nebenbuh⸗ lerinn verhaßt. Die ſchüchterne Unſchuld in Bianca's Blicken galt für trügliche Kunſt, ihr prachtloſer, ein⸗ facher Anzug für ſtolze Selbſtgenügſamkeit, die ſchon durch eigenen Werth zu ſiegen hoffe. So oft ſich Franz nur Bianca nahte, fo oft er nur ein Paar, auch uns bedeutende Worte mit ihr ſprach, bebte ein merkliches Zittern durch Johanna's Blieder. Aber fo lauter war Bianca’s ſich immer gleich bleibende Tugend, daß felbft der Eiferſucht alles vergrößerndes Trugglas keinen Flecken an ihr aufzufpähen vermodte ; daß endlich bie Fürſtinn ſich felbft geftand: Bianca beglinftige wenig« ftens die Neigung nicht, die fie erregt habe; daB der Unmwille für jegt fhwand, wenn gleich der Argwohn fuͤr künftig nie ganz entwich. | Aber, ald Johanna vernahm, Bonaventuri fey ermordet worden, da ſchimmerte ihr auf einige Augen« blicke eine furchtbare Vermuthung wieder; da war ihr erfier Ausruf: Sa, diefen Banditendold ſchliff eine fehr vornehme Hand! da erwieberte fie, als man ihr erzählte, daß den Riccys nachgefegt würde, mit bite

nen GB. nage

Großh. Sie haben Roche, fehr Reht, diefen legten Grund zu wiederholen. Keiner der vorherigen ift geringe; doch diefer dürfte leicht der flärkfte von al⸗ len ſeyn! (Er ſcheult, ein, Bedienter Font.) Der Lien⸗ tenant von meiner Wache!? (Bedienter 46.) Sie ſollen ſehen, Schoͤnſte der Frauen, wie viel ein Wort von Ih⸗ nen bey mir vermag; wie ſehr es mich über Bedenk⸗ lichkeiten hinweghebt die ſonſt keineswegs unerheblich geweſen waͤren.

Lieut. (eintretend.) Euer Durclaucht Befehl

Großh. Man nehine ſogleich Robert Ricci und ſeine Söhne, und alles fein Hausgeſinde in Verhaft! Den Alten bringe man vor mich ſelbſt; die Andern in den Kerker.

Lieut. Euer Durchlaucht verzeihen mir

Großh. Und was? doch feine Einwendung }

Lieut. So eben ward gemelder , daS Robert Ricci und feine zwey Söbne ſich heute früh mit Tages Anbruch nah Pifa zu geflüchter bätten; warum? weiß: man noch nicht.

Bianca, Aber ih weiß es nur allıu gutz (mit emporgehoßenen Händen.) Ewiger, allgerechter,, allfes bender Sort! Aus den Grenzen von Toscana, ja aus Kureya felbit , Eönnen fie entfliehen 5, aber aus den Grenzen deines Reichs und deiner Allmacht niche! Wo du fierfindeft,, (ey ihnen VBergelter! Der Schatten des Srwürgten , und mein Sammer folge über Land und Meer jedem ihrer Schritte nach! Gnäbdigfter Herr

Großh. Faſſen Sie ſich, Signora! Ich errathe ihre Bitte. Noch find die Ricci und nicht entgangen. ben diefe Flucht vielmehr kann für die Verbrecher nachtheiliger werden. Sie zeigt Eräftiger gegen Dieſel⸗

nass 9 —X

ben, als 3 aller bisheriger Argwohn, und wenn man fie erreicht, ſoll es an meinem Willen und an Anftalten zu ihrer. Strafe nicht gebrehen. (Zum Lieutenant.) Daß man aufs fehnellite den Entwichenen nachſetze! Ein öffentliher Ausruf ergebe ! Ein Preis von taufend Ducaten ftehe auf ihrer Verhaftung! Woman fie findet, bringe man in Ketten fie zurück. Auch ihre Dies nerfhaft , wenn einige zurückgeblieben werde eins gezogen!

Lieut. Sogleich, Euer Durchlaucht! (Er geht; auch Bianca will fi, mit ſchweigender Verdengune, entfernen; Franz faßt fie bey der Hand.)

Grokh. Noch einer Augendlick Verzug, Signos ra, wenn ich bitten darf! Sie fehen meine Begierde, Ahnen zu willfahren ;fehen meinen thatigen Eifer, das Blur meines erfhlagenen Freundes zu rächen; hörten. ſelbſt, was ich geboth. Mancherley Gründe, Ihren Wünſchen Gewährung zu ſchaffen, haben Sie geltend gemacht. Jeder derfelben war wichtig; des ſtaͤrkſten unter allen ſtarken, desjenigen, der mir unvere geßlich ift, vergaßen Sie doch: vergaßen der liebe, die ih gegen. Sie hege, und hegen werde, fo lange dieſes Herz noch ſchlaͤgt, dieſes Licht des Lebens nicht verlöfcht.

Bianca (die fi entfernen win.) Mein fürftlicher Gebiether verzeihe

Groß h. (fie zurüdbaltend.) Nein, Reizendſte ihres Geſchlechts, noch laß ich Sie nicht! denn eben dieſe Liebe, erböthig für Sie Alles zu thun, was Sie for⸗ dern Eönnen erböthig, ohne Furcht vor Mißfallen ded Volks, vor Auffkand und Gefahr, Ihrem Gatten

ein blutiges Sühnopfer zu bringen eben diefe Liebe

NR 10 VESOR

beſchwört Sie jegt : mindern Sie Ihren allzu berb Kummer, dab er diefe Wange nicht bleihe, bie himmliſche Auge nidyt- trübe ; die Heiterkeit einer Se nicht fiöre, auf welche Engel felbft mit Neide blic Was Sie verloren, fhone Bianca, war viel, | Art, wie Sie. es verloren, it fhmerzbaft. A vergeſſen Sie nit, daß e8 ganz in ihrer Gewalt fie das Verlorne wieder zu erfangen.

Bianca. Es wieder zu erlangen? Welde ei Hoffnung! Wollte Sort, daß Bonaventuris Leben

Großh. O nein, auf Diefed dachte ich jetzt frı lich nicht; wohl aber auf eine andere Vergeltung r Wucher; auf ein Heiz, das Die anbethet; fi Spr ganz zu ergeben bereic iſt; Wankelmuch nimmer { zu Schulden Eommen Tief; und zwar das Herz ei Fürſten, aber gewiß noch mehr eined Bied: mannes ift. Nie würde biefer neue SBerehr: wenn er das Glück hätte, auch der Beliebte zu werd: einen Augenblid nur den unfhägbaren Werth ih Geiſtes verkennen; würde ald Großherzog feine ga Macht, als Franz von Medicis feine ganze SeeleS nen weiben; würde zu Shren Füßen Wie? bören nicht einmahl auf mid? | Bianca. Ich ſehe nur auf diefed Armband bi Es find Bonaventuri's Haare, befleds mit Bonav turi's Blat. Heute vergsiien; heute exft! doch a nad zehn, zwanzig Jahren noch, hoffe ich, ſoll die Heute fo ftart, fo ungeſchwächt, wie jetzt, in mein Gedäaͤchtniß ſchweben!

Großh. Und wenn nun das Rufen diefes ı goſſenen Blutes geſtillt würde ? Wenn der Racher g leine Pflicht erfüllte?

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Bianca. Dem meinen innigſten, feurigffen Dank, der Dieb vermag! Doch, Euer Durchlaucht vergeben ; Gram und Schmerz machen meine Zunge. ſchwer, machen zu fernerm Geſpraͤche mid unvermds gend. Ich gebe; aber, wofern der Arm der Gerechtig⸗ keit verzieht bald erſcheine ich dann vor Ihrem Füeſtenſtuhl wieder um lauter noch meine heutige Bitte zu erneuern.

Brtoßh. Nicht vor ihm allein, ſondern auch in diefem Gemach erfiheinen Sie, fo oft ed Ihnen guts däucht. Sede Thür meines Pallaftes hat für Sie Eein Schloß. Allerdings fähe ih Sie freudiger nod als eis nen Engel der Liebe erfcheinen ; wünfhte auf Ihr Herz doch fein Mort mehr heute davon! Mod ift She Kummer zu ſtark uyd zu neu, ald auf angebothene Zröftung diefer Art zu achten. Aber, ſchöne Bianca, auh Franz von Medicid wird nit unterlaffen, auf Ibrem eigenen Zimmer Sie bann und wann zu ir ſuchen.

Bianca. Er erlaube mir Diefes zu verbiti

tur dem Kummer der berwitwweten Gattinn it JR Gemach fortan betimmt. Es gleiche Ber;

Gotigeweihten! Zu weinen, zu ita tinen.

Entriffenen, fey dort mein ein; zigeß —* Tief⸗ Sraner ſoll jeden Blick des Laͤchelns Deufʒer werden jeden Ton der Freude, mithin auch jeden Veſuch verſcheuchen.

Bianca ging. Reizender, als in dieſem ſchwor⸗ zen Gewande-, ſiegender als mit dieſer Miene des. Some; ens, harte fie noch nie vor Franzen gefanden.

12 we

Seine ganze Seele hing mit glühender Leidenſchaft ihr. Auch hielten Beyde, was ſie einander zugeſa hatten. Er ward nicht müde, durch Bothſchaften, C ſchenke, Briefe, perſönliche Beſuche, Bianca troͤß zu wollen. Sie überhörte feine Bothen, lehnte ſei Geſchenke ab, ließ ſeine Briefe unbeantwortet; nal feine Beſuche gar nicht, oder nur in der Geſellſch von zwey Kammerfrauen an, die ſich Eeinen Aug. blick von ihr entfernen durften. Bey jedem ſchmeich haften Worte feines Geſpraͤchs blickte fie auf Bonavı turı’s biutige Rode, und ſchwieg.

Aber eben ben Zürften, den fie unter vier Aug nicht fprechen wollte, fuchte fie defto fleifiiger an öffen hen Orten auf; erneuerte allda ihre Klage; befihr ihn oft mir lauter Stimme um Nahforfchung und ı dic ernſtlichſten Maßregeln gegen die entflohenen 9 ci's. Nicht ohne Wirkung blieb ein fo öffentlich geze ter Harm. Selbſt dad Wolf, wiewohl ed den leb ten, allzu hoch geftiegenen Bonaventuri nicht gelie wohl eher gehaßt und oft laut genug verwünſcht ba bedauerte jegt, nad) Art des Volks, den Erm deten; zumahl da er fold einen FZürfpreder fa Bianca's eheliche Treue, die Stärke ihrer Zaͤrtlichk die Reinigkeit ihres Schmerzens obgleich anfaı die Höflinge darüber zu wigeln, die Damen darü zu lächeln verfucht hatten ward bald ein Gegenſt allgemeiner Bewunderung ; erbielt Billigung fe von ſolchen Perſonen, auf welche bie Leidende ger am letzten gerechnet hatte. Cängft fon ſiechte die Großherzoginn. Kumt Über die Kälte ihres Gemahls ein Übel, das größten Theils ſich felbft zugufihreiben hatte! na

sysh 1 3 07,273

unbeilbar an dem Keim ihres ohnedem ſchwaͤchlichen Le⸗ hend. Mit eiferfüctigen Augen batte fie ſtets feine Worte, feine Mienen, ja, wenn fie es vermochte, ſelbſt feine Gedanken belaufgt. Auch feine Neigung zu Bianca war ihr zeitig genug durch Kundfchafter verras then worden; und ward „ihr dann urvertenndar , als | Bonaventuris Gattinn am Hofe erfhien, oder viele mehr. erfheinen mußte. Mit firengen, Mark und Bein durchſchneidenden Blicken ſchaute die folge Kaiſerstoch⸗ ter auf jene Wenetianerinn, die fo gern unter den Reis ‚ben der glänzenden Hofpamen nit aufgetreten“ . wäre, Alles war ihr fhon im Voraus an der Nebenbuh⸗ lerinn verbaßt. Die ſchüchterne Unſchuld in Bianca's Blicken galt für trügfihe Kunſt, ihr prachilofer, eins facher Anzug für flolze Selbftgenügfamkeit, die ſchon durch eigenen Werth zu fiegen hoffe. So oft fid) Franz nur Bianca nahte, fo oft er nur ein Paar, aub uns bedeutende Worte mit ihr ſprach, bebte ein merkliches Zittern dur Johanna's Glieder. Aber fo lauter war Bianca’s fih immer gleich bleibende Tugend, daß felbft der Eiferfuht alles vergrößerndes Trugglas Keinen Flecken an ihr aufzufpähen vermochte ; daß endlich bie Fürſtinn fich felbft geftand: Bianca begünftige wenige fiens die Neigung nit, die fie erregt habe; daß der Undpille für jegt ſchwand, wenn gleih der Argwohn für Elinftig nie gan, entwich. | Aber, ald Johanna vernahm, Bonaventuri fey ermordet worden, da ſchimmerte ihr auf einige Augene blicke eine furdtbare Vermuthung wieder; da war ihr erfter Audruf: Sa, diefen Banditendolch fhliff eine fehr vornehme Hand! da erwieberte fie, als man ihr erzählte, daß den Riccys nachgeſetzt würde, mit bite

wen 5

Großh. Nochmahls, Signora, ſtehen Sie auf, wenn ich anders Sie hören, wenn ich überhaupt bier bleiben fol! Sie ſprechen zu mir fo ernſt, fo feyer: lich, fo flebend, ald wollten Sie mich zu einem bars ten, widrigen Entſchluß bewegen; und doch befieble mir, was Die bitten, allerdings fhon mein eigenes Herz. Hier haben Sie meine Hard, und mit ihr das Wort eines Kürten, der fein Wort noch niemahls brach; ih will Alles anwenden, was in meinen Aräfe ten ſteht, um die Mörder zu entdecken und zu ſtrafen. Genügt Ihnen Das? Steben Sie noch nicht auf!

Bianca (fih erhebend.) Es genügt mir! denn naͤchſt Gottes Wort graue ih dem Wort meines Für ſten am ftärtften.

Großh. Damit Sie aber auch nicht mehr hof fen, als ich zu gewähren vermag , fo beflimmen Cie nun ſelbſt die Grenzen Deffen, was ich zu thun habe! Sie Flagen über die Mörder ihres Gernahls, und kla⸗ gen mit vollſtaͤndigſtem Rechte. Sie nennen mir die Ricci als Verbrecher; und, ich beſorge, auch Dieß ge⸗ ſchhieht mit Recht. Aber Argwohn iſt noch nicht Ge⸗ wißheit. Bloß nach dieſer Letztern darf der Richter ſprechen; nach Jenem ſpricht und handelt der Thrann.

Bianea. Sehr wahr! Doch der gerechte Richter futt auch Wahrſcheinlichkeit in Gewißbeit zu verwan⸗ Zeln. Nicht um den Tod der Ricci, nicht um ihre Bes ſtrafung unverhörter Weiſe bitte ich jetzt. Nur um ihre Verbafeung, nur um Unterſuchung, fo unparteyiſch und ernst ald möglich. Ste Eann dann nicht vergebens ſeyn; Tas ſagt mir mein Herz.

Großh. Und ih glaube ihm gern! Ih will nicht einmahl cinmenden, was ich als Fürſt eines off

—7

| uncufigen Volkes wohl einzuwenden vermoͤchte: daß jedes gerichtliche Verfahren gegen vornehme Vers drecher mit Gefahr und Beſorgniß verbunden iſt. Aber wie dann, edle Bianca, wenn diefe Unterfuhung doc anders ausfiele, als wie wünfdhten? Wenn doc) diefe Ricci's nur vergolten, niht begonnen hätten?! Wenn Boraventuri felbft der Urquell feines Todes wäre? Vergeflen Sie, wer zuerft beleidigte!

m -

Friede ſey mit der Seele unſers Pietro! Ich traure

um ihn, wig man um den geliebteften Blutsfreund trauert; aber wahr bleibt es allerdings, daß er allzu unvorfihtig die Eiferfuht eines maͤchtigen Hauſes reiste. |

Bianca. Und wer hätte ein Reit jur Eifere fucht gegen ihn gebabt, außer mir? WellenGastinn, weſſen Tochter bat er verführe? Welche vorher

unbefholteneQugend ward durch ihn verd aͤchtig

gemacht? Schwieg Robert Ricci's Biederſinn nicht ſonſt ſchon bey ähnlichem Verdacht gegen Kaſſandra? Schwieg er nicht ſelbſt dieß Mahl noch eine lange Zeit hindurch, und redete dann nur, als ſein Schweigen unbezahlt blieb? Stand Bonaventuri ſeiner Anrede nicht, im Angeſicht des ganzen Hofes, mit dem Muth eines Mannes? Und iſt Banditenmord, auch bey der größten Beleidigung, nicht ſchaͤndliche, ſtrafwürdige Nache? O Euer Durchlaucht! wenn Ihnen jemahls

der Nahme eines tugendhaften Fürſten theuer war;

wenn ich ſelbſt, ich wiederhohle es, ich Ihre demü⸗

thigſte Magd, Gnade vor Ihren Augen fand (Sie will ſich bier abermabls zu. feinen Füßen werfen; ez hält fie noch auf, und unterbricht fie halblächelnd, mit vr dentendem Tone.) ' 2

nen U. nage

Großh. Sie haben Recht, fehr Neht, bie legten Grund zu wiederholen. Keiner der vorheri, ift geringe; doch diefer dürfte leicht der ſtaͤrkſte von Ien ſeyn! (Er fHellt, ein Bedieuter kommt.) Der Qi tenant von meiner Wache! (Bedienter u.) Sie fo feben, Schönfte der Frauen, wie viel ein Wort von nen bey mir vermag; wie fehr es mich über Bede lichkeiten hinweghebt, die fonft Eeineswegs unerheb geweſen wären.

Freut. (eintretend.) Euer Durchlaucht Befehl -

Großh. Man nehme fogleih Robert Micci ı feine Söhne, und alles fein Hausgeiinde ın Verba Den Alten bringe man vor mich feldft; die Andern den Kerier,

Lieut. Euer Durdlaudt verzeihen mir

Großh. Und was? dod keine Einwendung?

Lieut. So eben ward gemelder , daS Not Ricci und feine zwey Söbne fi heute früh mit Ta; Anbruch nah Pifa zu geflüchter hätten; warum? m man noch nit,

Bianca, Aber ih weiß es nur allıu gut; (mit emporgehobenen Händen.) Ewiger, allgerechter, al bender Gott! Aus den Grenzen von Totcana- ja « Kuresa felbit , Eönnen fie entflieben ; aber aus | Grenzen deines Reichs und deiner Allmacht nicht! 9 dis fierfindeft,, fey ihnen Vergelter! Der Schatten I Erwürgten, und mein Sammer folge über Land u Meer jedem ihrer Schritte nach! Gnädigfter Herr

Großh. Faſſen Sie ſich, Signora! Ach erral ihre Bitte. Noch find die Ricei und nicht entgang ben diefe Flucht vielmehr Eann für die Verbred nachtheiliger werden. Sie zeigt Eräftiger gegen Dief

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ben, als aller bisheriger Argwohn, und wenn man ſie erreicht, ſoll es an meinem Willen und an Anſtalten zu ihrer Strafe nicht gebrechen. (Zum Lieutenant.) Daß man auf's ſchnellſte den Entwichenen nachſetze! Ein öffentlicher Ausruf ergehe! Ein Preis von tauſend Ducaten ſtehe auf ihrer Verhaftung! Worman fie findet, bringe man in Ketten fie zurück. Auch ihre Dies nerfhaft , wenn einige zurückgeblieben , werbe eins gezogen!

Lieut. Sogleih, Euer Durchlaucht! (Er geht; auch Bianca will fi, mit ſchweigender Verbeugune, entfernen; Sranı faßt fie bey der Hand.)

Großh. Nod einer Augenblick Verzug, Signos ra, wenn ic) bitten darf! Sie fehen meine Begierde, Ahnen zu willfahren ;fehen meinen thatigen Eifer, das Blur meines erfchlagenen Freundes zu rächen; hörten ſelbſt, was ich geboth. Mancherley Gründe, Ihren Wünfhen Gewährung zu ſchaffen, haben Sie geltend gemacht. Jeder derfeiben mar wichtig; des ftärkften unter allen ſtarken, besienigen, der mir unvere geblih ift, vergaßen Sie doch: vergaßen ber liebe, die ich gegen. Sie hege, und begen werde, fo lange dieſes Herz noch ſchlaͤgt, dieſes Licht des Lebens nicht verloͤſcht.

Bianca (die ih entfernen win.) Mein fürſtlicher Gebiether verzeibe

Groß h. (fie zurüdbaltend.) Mein, Reizendſte ihres Geſchlechts, noch laß ich Sie nicht! denn eben dieſe Liebe, erböthig für Sie Alles zu thun, was Sie for⸗ dern können erböthig, ohne Furcht vor Mißfallen des Volks, vor Aufſtand und Gefahr, Ihrem Gatten

ein blutiges Suͤhnopfer zu bringen eben dieſe Liebe

NO 10 ven

beſchwört Sie jegt : mindern Sie Ihren allzu berben Kummer, daß er diefe Wange nicht bleiche, dieſes himmliſche Auge nicht trübe ; die Heiterkeit einer Seele nicht ſtöre, auf welche Engel felbft mit Neide blicken. Was Sie verloren, fhone Bianca, war viel, die Art, wie Sie. es verloren, it fhmerzhaft. Aber "vergeilen Sie nicht, daß es ganz in ihrer Gewalt fteht, das Verlorne wieder zu erfangen.

Bianca, Es wieder zu erlangen? Welche eitle Hoffnung! Wollte Gott, daß Bonaventuris Leben

Großh. O nein, auf Diefes dachte ich jetzt frey⸗ lich nicht; wohl aber auf eine andere Vergeltung mit Wucher; auf ein Herz, das Sie anbethet; ſich Ihnen ganz zu ergeben bereit iſt; Wankelmuth nimmer ſich zu Schulden kommen ließ; und zwar das Herz eines Fürſten, aber gewiß noch mehr eines Bie der⸗ mannes iſt. Nie würde dieſer neue Verehrer, wenn er das Glück haͤtte, auch der Geliebte zu werden, einen Augenblick nur den unſchaͤtzbaren Werth ihres Geiſtes verkennen ; würde ald Großherzog feine ganze Macht, als Franz von Medicis feine ganze Seele Ihe nen weiden; würde zu Shren Süßen Wie} Gie bören nicht einmahl auf mich? | Bianca. Ich fehe nur auf diefed Armband bier! Es find Bonaventuri's Haare, befleckt mit Bonaven⸗ turis Blur. Heute vergeiien; heute erſt! doch auch nad zehn, zwanzig Jahren noch, hoffe ih, fol dieſes Heute fo itaıt, fo ungeſchwächt, wie jegt, in meinem Gedaͤchtniß ſchweben!

Großh. Und wenn nun das Rufen dieſes vers goſſenen Blutes geſtillt würde? Wenn der Racher ganz leine Pflicht erfullte?

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un 21 |

- Bianca. Dem meinen innigften , ‚feurigffen Dank, der Dieb vermag! Doch, Euer Durchlaucht vergeben; Gram und Schmerz machen meine Zunge. ſchwer, machen zu fernerm Oefpräde mid unvermös gend. Ich gebe; aber, wofern der Arm der Geredhtigs keit verzieht bald erfcheine ich kann vor Ihrem Füeſtenſtuhl wieder, um fauter noch meine heutige Bitte zu erneuern.

Broßh. Nicht vor ibm allein, fondern aud ia diefem Gemach erfiheinen Sie, fo oft es Ihnen guts daͤucht. Jede Thür meines Pallaftes bat für Sie kein Schloß. Allerdings fühe ih Sie freudiger nod als ei⸗ nen Engel der Liebe erfheinen ; wünfhte auf Ihr Herz doch kein Wort mehr beute davon! Noch ift She Kummer zu ſtark uyd zu neu, ald auf angeborhene Zröftung diefer Art zu achten. Aber, fhone Bianca, auch Kranz von Medicid wird nicht unterlaifen, auf' Ibrem eigenen Zimmer Sie dann und wann zu be: ſuchen.

Bianca. Er erlaube mir Dieſes zu verbitigut

tur den Kummer der berwitweten Gattinn iſt Mein Gemach fortan beitimmt. Es gleiche Ber; geile riner Gottgeweihten! Zu weinen, zu flagta a weinen Entriffenen, ſey dort mein einzige® Kalle Tiefe Traner iolf jeden Blick des Loͤchelns, Seufjer werden jeden Ion der Freude, mirhin auch jeden Veſuch verſcheuchen. |

Bianca ging. Neizender, als in diefem ſchwar⸗ zen Gewande-, fiegender als mit dieſer Miene des. Schmerzens, haste fie: noch nie vor Franzen geſtanden.

vor.. 12 ww

Seine ganze Seele hing mit glühender Leidenſchaft ihr. Auch bielten Beyde, was jie einander zugefo hatten. Er ward nicht müde, dur Bothſchaften, ſchenke, Briefe, perſönliche Befuhe, Bianca trofi zu wollen. Sie überhörte feine Bothen, lehnte fei Geſchenke ab, ließ feine Briefe unbeantwortet ; na! feine Befuche gar nicht, oder nur in der Geſellſch von zwey Kammerfrauen an, die fih Eeinen Aug blick von ihr entfernen durften. Bey jedem ſchmeich haften Worte feines Geſpraͤchs blickte fie auf Bonavı turı’s blutige Locke, und ſchwieg. j

Aber eben den Fürſten, den fie unter vier Aug nicht ſprechen wollte, ſuchte ſie deſto fleißiger an öffen hen Orten auf; erneuerte allda ihre Klage; beſchn ihn oft mit lauter Stimme um Nachforſchung und dic ernſtlichſten Maßregeln gegen die entflohenen 9 ci's. Nicht ohne Wirkung blieb ein fo Öffenslich geze ter Harm. Selbſt dad Vol, wıemohl eb den leb ten, allzu hoch geftiegenen Bonaventuri nicht gelie wohl eher gehaßt und oft laut genug verwünfdt 5: hedauerte jegt, nad) Art des Volks, den Erm deten; zumabl da er fol einen FZürfpreder fa Bianca's eheliche Treue, die Stärke ihrer Zaͤrtlichk die Reinigkeit ihres Schmerzens obgleich anfaı bie Köflinge barüber zu wigeln, die Damen darü zu lacheln verfucht hatten ward bald ein Gegenſt allgemeiner Bewunderung ; erhielt Billigung fe von ſolchen Perionen, auf welche bie Leidende ger am leisten gerechnet hatte. Längft ſchon fiehte die Großherzoginn. Kumt Über die Kaͤlte ihres Gemahls ein Übel, das größten Theils ſich felbft zugufihreiben hatte! na

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unbeilbar an dem Keim ihres ohnedem ſchwaͤchlichen Lee dens, Mit eiferfüchtigen Augen batte fie fters feine Worte, feine Mienen, ja, wenn fie es vermochte,

ſelbſt feine Gedanken belauſcht. Aud feine Neigung zu

Bianca war ihr zeitig genug durch Kundſchafter verras

then worden; und ward ‚ihr dann unverkennbar , als

| Bonaventuri’s Sattinn am Hofe erfhien, oder viele

mehr. erfcheinen mußte. Mit firengen, Mark und Bein

durchſchneidenden Bliden ſchaute die ftolze Kaiſerdtoch⸗

ter auf jene Wenetianerinn, die fo gern unter den Reis

‚ben der glänzenden Hofdamen nicht aufgetreten‘ . wäre, Alles war ihr ſchon im Voraus an der Nebenbuh⸗

lerinn verbaßt. Die fhüchterne Unſchuld in Bianca's Blicken galt für trügliche Kunſt, ihr prachtloſer, ein⸗ facher Anzug für ſtolze Selbſtgenügſamkeit, die ſchon durch eigenen Werth zu fiegen hoffe. So oft ſich Franz

nur Bianca nahte, ſo oft er nur ein Paar, auch un⸗ bedeutende Worte mit ihr ſprach, bebte ein merkliches

Sittern dur Johanna's Blieder. Aber fo lauter war

Bianca's ſich immer gleich bleibende Tugend, daß felbft

der Eiferfucht alles vergrößerndes Trugglas keinen

Flecken an ihr aufzufpähen vermodte ; daß endlich bie

Fürſtinn ſich feldft geftand: Bianca beglinftige wenigs

ſtens die Neigung nit, die fie erregt habe; daß ber

Unwille für jest ſchwand, wenn gleich der Argwohn

für Elinftig nie gan, entwid.

Aber, ald Jobanna vernahm, Bonaventuri fey ermordet worden, da ſchimmerte ihr auf einige Augene blicke eine furchtbare Vermuthung wieder; da war ihr erfter Audruf: Sa, diefen Banditendold ſchliff eine fehr vornehme Hand! da erwieberte fie, als man ihr erzählte, daß den Niccı’s nachgefegt würde, mit bite

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term Ladeln: „O fie entkommen gewiß! Das Schle genhaupt wird doch nicht feinen eigenen Schweit ver Ben.” Bon Neuem erwadte zugleid ihr Verda gegen Bianca ſelbſt. „Sie wäre die Erite nicht, f „iterte oft halbleife Zobanna, die vor Münnermor „oder wenigſtens vor Theilnahme an demfelben, m „der als vor Ehebruch fih ſcheuete.“ Erſt, als ı abläffig , die Verwitwete das richterliche Schwert ı Mache anflehte ; als ganz Florenz; nur eine Stim zu ihrem Cote warb ;da entſchloß ſich Johanna nic ihren Argwobn fahren zu laſſen, fondern mit eigen Augen zu prüfen: ob Bianca nicht heuchle? Sond bar genug war der Entfhluß ; faft fonderbarer nm: deſſen Ausführung.

Denn ald einſt Bianca, ganz allein mit ihr Sram, zu einer für jeden Beſuch ungewöhnkich Stunde, in ihrem Zimmer faß, und ſich fiher vor ler Störung wähnte; da öffneten fich ſchnell die Te zen ihres Gemachs; da ftand, ald fie verwundernd Augen aufſchlug, die Großherzoginn feltit vor ihr. .

Bianca (erfhroden.) Wie, Ihro Hoheit?

Großh. Warım erfhridft Du? Darf ei Trauernde nicht die andere befuhen? Darf ih, t Leidens wahrlich ſchon Eundig genug, nicht auch Th an den Leiden einer Andern nehmen?

Bianca. Euer Hoheit dieſe Gnade bi Auszeihnung womit verdiene ich fie?

Großh. Signora! Signora! Faſt hätte ih Qu jetzt ſchon an der Innigkeit Ihres Harms zu zweife Echte Trauer pflegt ſonſt nicht auf Auszeichnung u Unterſchied zu achten. Ihr iſt nur das Verlorne wi tig, das Fein Bott zu erſetzen vermag, Als ich

18 Mg erft mit Überzeugung mußte, daß Sranzens Herz mie: abwendig geworben fey, da hätten Engel vom Him⸗ mel berabfteigen und meine Tröſtung verſuchen koͤn⸗ nen. Ich würde kalt und ernſt doch wo verirre ich mich pin? Nicht um Vorwürfe zu ergießen, die doch vielleicht ungerecht feyn Eönnten, nur um mid umzu⸗ fhauen und zu richten Bam ich hierher (indem Re Bianca Rarr betrachtet.) Sa, ja! diefe Augen haben wirkliche Thraͤnen geröthet; diefe fhönen Wangen hat merklicher Kummer gebleiht, und diefe Züge des Geſichts [pres hen von ungebeudeltem Schmer;.

Bianca (thränend emporbiidend.) Mächte des Hims mels, wäre es möglich, daß man felbft Dieß an mir bejweifelte 2

Großh. Es ift moͤglich; es if verzeiblich fogar! denn Taufende an ihrer Stelle würden dem Entrifienen nicht mit Harm, fondern mis lächelnder Zufriedenheit nachblicken; würden hoͤchſtens im Angeficht der Menge, doch nicht im einfamen Gemach ihn betrauern. Wohlan, Bianca! Ich will ablegen jede Verſtellung und jeden Zwang. Ich babe an der Schwelle dieſes Zimmers fhon die Fürſtinn dahinten gelaffeny$ ic will jegt auch eben fo ganz und freywillig der Neben⸗ buhlerinn entſagen; will

Bianca Cenfallend. Der Nebenbuhlerinn? O dieſes einzige Wort ſagt mir Alles. Aber auch bey al⸗ lem, was heilig iſt, durchlauchtige Gebietherinn ſchwoͤ⸗ re ich, Ihr Verdacht trifft mich unſchuldig! Nie hat nur ein Gedanke, Dem ähnlich, meine Seele befleckt; und nie nie fol er aud künftig

Großh. Halt ein, Bianca Bonaventuri ! Feßle dich nicht mis Banden, die einſt nur allzu ſchwer dich

Pe

drücken, oder wenn bu fie fprengteft dir zum Tebenala lichen Vorwurf gereichen dürften. Höre mih! A worte erft dann, wenn ich dich frage! Sch habe t gehaßt, wie man einen Todfeind habt ; gehaßt v dem Augenblick an, als id zuerft deinen Nahn börte, und noch ftärker ſeit jenem, ald ich zuerft t ſah. Ich babe dich umftelt mit Kundſchaftern berum; ich war im Boruus gewiß, waß fie mir vr den würden; und ich babe mich geirrt. Wie f mein Gemahl di liebe, überzeugte mich mein eige Blick; daß du ihm Gleiches mit Gleichem vergelt konnte weder mein Auge, noch Einer meiner Söldli— ergründen; und deßhalb deßhalb wende ich mich die Einzige, die mir Wahrheit geben kann; on I ſelbſt! Sprich: haſt du nie Gegenliebe zu ihn gefül ober geheuchelt?

Bianca. ah liebte in meinem Leben nur ein Mann; und diefer Eine liegt im Grabe. Liebe heuchelt habe ich nie!

Großh. Kannft du Das mit einem Eidſch befräftigen ?

Bianca. Mit Taujenden! Und jeder Bluts pfen meines ermordeten Gatten werde eine eigene H für mid , wenn ich falfch ſchwöre!

Großh. Sch traue dir! denn Unwahrheit dieſen Rippen, Verftellung unter diefen Zügen, ei Meineid bey diefem Ton der Stimme zu vermuth Dieß hieße einer Menichenfeindlichkeit ſich ſchuldig chen, die ich nie beſaß, und die ich jetzt am Ra des Srabes für ein Lafter achten würde. Wohl Bianca Bonaventuri! wenn wirklich diefer Ermor bisher bein ganzes Her; befaß; wenn du fo gan;

Yflich

-

on 17 sa

Pflichten ehrlicher Treue erfuͤllteſt, daß aller «Glan

irdiſcher Hoheit, ale Juwelen des Fürſten, alle Ränke

der höfifhen Verführung dich nicht zum Straucdeln , geſchweige zum Fall verleiteren, dann in propheti« ſchem Geiſte betheuere ich es dir! dann werden bald Zeiten kommen, wo deine Tugend ihren Lohn, wo deine Seele wieder Freude, und dein Gram Beruhi⸗ gung empfängt.

Bianca. Ach, ich kenne nur eine Beruhigung, nur ein Glück. Gerechte Rache für ihn, und für mich ſelbſt das Grab.

Großh. Nein! Nein! Mir iſt ed bald dort hin⸗ ab zu fteigen beitimms! du hingegen mit diefem Kuffe weih’ ih dich ein: fen glüdlicher als ih! Were gib mir, daß ich dich haßte! Vergib mir, daß ich dich erſchreckte! Ih Das fühle ih nun innig und wahr ich habe dir nichts zu vergeben. Mit Achtung werde ih von nun an beinen Nahmen nennen, mit Liebe an dich denken; und bald, bald! nicht weiter im Wege dir ftehen!

Sie entfernte ſich ſchnell, indem fie Bianca ernſt⸗ (ih alle Begleitung verboth. Der Ruf diefes feltfa- men Beſuchs des einzigen, den die fonft jtolze Kai⸗ ſerstochter einer ihrer Hofdamen abgeflattei, durch: flog ganz Florenz. Man rieth und dichtete, verſchönte und entftellte taufenderley an ihm. Bianca felbft zu. befragen wagten nur äußerſt Wenige, und erhielten auch nur eine abgebrochene Antwort. Im Stillen wirkte diefer Vorfall jedoch mächtig auf die Leidende. Jede Verkündigung Eünftigen Glücks macht Eindrud aufs menfshliche Herz, wenn auch der Mund ihn abzuläug-

Meignerd Bianca Gar. 2. Spt. B

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beſchwört Sie jegt : mindern Sie Ihren allzu berben Kummer, daß er diefe Wange nicht bleihe, dieſes himmliſche Auge nicht trübe ; die Zeiterkeit einer Seele nicht fire, auf welche Engel felbft mit Neide blicken. Was Sie verloren, fhone Branca, war viel, die Art, wie Sie. es verloren, ift ſchmerzhaft. Aber vergeſſen Sie nicht, daß es ganz in ihrer Gewalt ſteht, das Verlorne wieder zu ergangen. |

Bianca. Es wieder zu erlangen? Welche eitle Hoffnung! Wollte Gott, daß Bonaventuris Leben

Großh. O nein, auf Diefed dachte ich jetzt frey⸗ lich nicht; wohl aber auf eine andere Vergeltung mit Wucher; auf ein Herz, das Sie anbethet; ſich Ihnen ganz zu ergeben bereit iſt; Wankelmuth nimmer ſich zu Schulden kommen ließ; und zwar das Herz eines Fürſten, aber gewiß noch mehr eines Bieders mannes if. Nie würde diefer neue Verehrer, wenn er das Glück hätte, auch der Geliebte zu werden, einen Augenblid nur den unfhäßbaren Werth ihres Geiſtes verkennen; würde als Großherzog feine ganze Macht, als Franz von Medicis feine ganze Seele Ih⸗ nen weiben; würde zu Ihren Süßen Wie) Gie bören nicht einmahl auf mid? | Bianca. Ich fehe nur auf diefed Armband hier! Es find Bonaventuri's Haare, beflecdt mit Bonaven⸗ turi's Blur. Heute vergeiien; heute erſt! doch auch nach zehn, zwanzig Jahren noch, hoffe ich, ſoll dieſes Heute ſo ſtart, fo ungeſchwächt, wie jetzt, in meinem Gedachtniß ſchweben!

Großh. Und wenn nun das Rufen dieſes vers goſſenen Blutes geitillt würde ! Wenn der Racher ganz teıne Pflicht erfullte?

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Bianca. Dem meinen innigſten, feurigſten Dank, der Dieß vermag! Doch, Euer Durchlaucht vergeben, Bram und Schmerz machen meine Zunge

ſchwer, machen zu fernerm Sefprädhe mid unvermds gend. Ich gehe; aber, wofern der Arm der Gerechtigs keit verzieht bald erfheine ich dann vor Ihrem Fücſtenſtuhl wieder um lauter noch meine heutige Bitte zu erneuern.

GBroßh. Nicht vor ihm allein, fondern aud ia diefem Gemach erfheinen Sie, fo oft ed Ihnen guts daͤucht. Jede Thür meines Pallaftes har für Sie kein Schloß. Allerdings fähe ih Sie freudiger nod als eis nen Engel der Liebe erfcheinen ; wünſchte auf Ihr Herz doch kein Mort mehr beute davon! Noch ift She Kummer zu ſtark uyd zu neu, ald auf angebothene Zröftung diefer Art zu achten. Aber, fhone Bianca, auch Zranz von Medicis wird nicht unterlaſſen, auf' Ihrem eigenen Zimmer Sie ann und wann zu iv ſuchen. |

Bianca. Er erlaube mir Diefes zu vesich *

tur dem Kummer der verwitweten Gattinn iſt

Gemach fortan beitimmt. Es glewääNer;; e, @iner Gottgeweihten! Zu weinen, zu fi } k Aninen;. Entriffenen, fey dort mein einzig e T Ziele Trauer ſoll jeden Blick des Lachelns, —** werden jeden Ton der Freude, mirhin auch jeden Veſuch verſcheuchen.

Bianca ging. Reizender, als in dieſem ſchwar⸗ zen Gewande,, ſiegender als mit dieſer Miene des. Schmerz ens, harte fie noch nie vor Franzen geftanden.

norse 12 wos

Seine ganze Seele hing mit glühender Leidenſchaft ide. Auch hielten Beyde, was jie einander zugefo hatten. Er ward nicht müde, dur Borbichaften, C ſchenke, Briefe, perſönliche Befuhe, Bianca tröf zu wollen. Sie überhörte feine Bothen, lehnte fei Geſchenke ab, Tieß feıne Briefe unbeantwortet ; na! feine Beſuche gar nicht, oder nur in dee Geſellſch von zwey Kammerfrauen an, die fih Eeinen Auge blick von ihr entfernen durften. Bey jedem ſchmeich haften Worte feines Gefprächs blickte fie auf Bonavı turi's biutigelocde, und ſchwieg.

Aber eben den Zürften, den fie unter vier Aug nit ſprechen wollte, fuchte fie deſto fleißiger an öffen hen Orten auf; erneuerte allda ihre Klage; befchr ihn oft mit lauter Stimme um Nachforfchung und | die ernſtlichſten Maßregeln gegen die entflohbenen 9 ci's. Nicht ohne Wirkung blieb ein fo offentlich gez. ter Harm. Selbſt das Bold, wiewohl ed den leb den, allzu hoch gefliegenen Bonaventuri nicht gelie wohl eher gehaßt und oft laut genug verwünſcht be bedauerte jegt, nad) Art des Volks, den Erm desen; zumabl da er fold einen Zürfpreder fa Bianca's eheliche Treue, die Stärke ihrer ZartlichE die Reinigkeit ihres Schmerzens obgleich anfaı die Höflinge barüber zu wigeln, die Damen dark zu lacheln verfucht hatten ward bald ein Gegenſte allgemeiner Bewunderung ; erhielt Billigung fe von folhen Perſonen, auf weiche bie Leidende gen am legten gerechnet hatte. Langſt ſchon fiehte die Großherzoginn. Kumr Aber die Kaͤlte ihres Gemahls ein Übel, das größten Theils ſich ſelbſt zugufipreiben hatte! na

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unbeilbar an dem Keim ihres ohnedem ſchwächlichen Lee dens. Mit eiferfüchtigen Augen hatte fie ſtets feine Worte, feine Mienen, ja, wenn fie es vermochte, ſelbſt feine Gedanken belauſcht. Auch feine Neigung zu Bianca war ihr zeitig genug durch Kundſchafter verras then worden; und warb ‚ihr dann unverkennbar, als | Bonaventuri’s Sattinn am Hofe erfdien, oder viele mehr. erfcheinen mußte. Mit ftrengen, Mark und Bein durchſchneidenden Blicken fehaute die ſtolze Kaiferstochs ter auf jene Venetianerinn, die fo gern unter den Reis ‚ben der glänzenden Hofdamen nicht aufgetreten‘ . wäre, Alles war ihr {don im Voraus an der Nebenbuh⸗ lerinn verhaßt. Die fhücterne Unfhuld in Bianca’s Blicken galt für trügliche Aunft , ihr prachilofer, eis facher Anzug für flolze Selbfigenügfamkeit, die ſchon durd eigenen Werth zu fiegen hoffe. So oft ſich Franz nur Bianca nahte, ſo oft er nur ein Paar, auch un⸗ bedeutende Worte mit ihr ſprach, bebte ein merkliches Zittern dur Johanna's Blieder. Aber fo lauter war Bianca’s ſich immer gleich bleibende Tugend, daß felbft der Eiferfucht alles vergrößernded Trugglas Eeinen Sleden an ihr aufzufpäben vermodhte ; daß endlich bie Fürſtinn fi felbft geftand: Bianca beglnftige wenig» ſtens die Neigung nicht, die fie erregt habe; daB ber Unpille für jegt ſchwand, wenn gleich der Argwohn für Elinftig nie ganz entwich. | Aber, ald Johanna vernahm, Bonaventuri fey ermordet worden, da ſchimmerte ihr auf einige Augen« blicke eine furchtbare Vermuthung wieder; da war ihr erfter Ausruf: Ha, diefen Banditendold fohliff eine ſehr vornehme Sand! da erwieberte fie, als man ihr erzählte, daß den Riccys nachgeſetzt würde, mit bite

X 14 —XR term Laͤcheln: „O fie entkommen gewiß! Das Schlan⸗ genhaupt wird doch nicht feinen eigenen Schweik verle⸗ Ben.” Bon Neuem erwachte zugleid ihr Verdacht gegen Bianca ſelbſt. „Sie wäre die Erite nicht, flüs „iterte oft halbleife Kohanna, die vor Münnermorb, „oder wenigſtens vor Theilnahme am demfelben, mins „der ald vor Ehebruch fih ſcheuete.“ Erſt, als uns abläffig, die Verwitwete bas richterliche Schwert um Rache anflebte ; als ganz Florenz nur eine Stimme zu ihrem Cote ward; da entſchloß fih Johanna nicht, ihren Argmobn fahren zu laffen, fondern mit eigenen Augen zu prüfen: ob Bianca nicht heuchle? Sorten bar genug war der Entfhluß ; faft fonderbarer noch deſſen Ausführung. | Denn als einft Bianca, ganz allein mit ihrem Sram, zu einer für jeden Beſuch ungewöhnkichen Stunde, in ihrem Zimmer faß, und fi fiher vor als - fer Störung wähnte; da öffneten fi fihnell die Thü⸗ zen ihres Gemachs; da ftand, als fie verwundernd die Augen aufſchlug, die Großherzoginn felkit vor ihr. . Bianca (erfhroden.) Wie, Shro Hoheit? Großh. Warım erfhrikft Du? Darf eine Trauernde nicht die andere befuchen? Darf ih, des Leidens wahrlich ſchon Eundig genug, nicht auch Theil an den Leiden einer Andern nehmen? Bianca. Euer Hoheit dieſe Gnade dieſe Auszeihnung womit verdiene ich fie? Großh. Signora! Signora! Kart hätte ih Luft, jest fhon an der Innigkeit Ihres Harms zu zweifeln, Echte Trauer pflegt font nicht auf Auszeihnung und Unterfchied zu achten. Ihr ift nur das Werlorne wide tig, das kein Bott ju erfegen vermag, Als ich zu⸗

—* 15 dern erft mit Überzeugung mußte, baf Franzens Herz mie abwendig geworben fey, da hätten Engel vom Hin mel herabſteigen und meine Teöftung verfuchen Eins nen. Ih würde Ealt und ernfl.— doch wo verirre ich mich Hin? Nihe um Vorwürfe zu ergießen,, die doch vielleicht ungerecht feyn Eünnten, nur um mid umzus fhauen und zu richten kam ich hierher (indem Re Bianca ſtarr betrachtet. Ja, ja! diefe Augen haben wirkliche Thraͤnen geröthet; diefe fhönen Wangen hat merklicher Kummer gebleiht, und biefe Züge des Gefichts ſpre⸗ chen von ungeheucheltem Schmerz.

Bianca (thranend emporblicend.) Mächte des Him⸗ mels, waͤre es möglich, daß man ſelbſt Dieß an mir bezweifelte?

Graoßh. Es iſt moͤglich; es if verzeiblich fogar! denn Taufende an ihrer Stelle würden dem Entriffenen nicht mit Harm, fondern mis lähelnder Zufriedenheit nachblicken; würden höchftens im Angefiht der Menge, dech nicht im einfamen Gemach ihn betrauern. Wohlen, Bianca! Ich will ablegen jede Verſtellung und jeden Zwang. Ich babe an der Schwelle dieſes Zimmers fhon die Fürſtinn dabinten gelaffeny ich will jet auch eben fo ganz und freywillig der Neben⸗ buhlerinn entſagen; will

Bianca (einfaltend.) Der Nebenbuhlerinn? O dieſes einzige Wort fage mir Alles. Aber aud bey als lem, was heilig ift, durchlauchtige Gebietherinn ſchwoͤ⸗ ve ih, Ihr Verdacht trifft mich unfhuldig! Nie hat nur ein Gedanke, Dem ähnlich, meine Seele befledt ; und nie nie fol er auch fünftig

Großh. Halt ein, Bianca Bonaventuri ! Feßle dich nicht mit Banden, die einſt nur allzu ſchwer dich

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beſchwört Sie jegt : mindern Sie Ihrem allzu berben Kummer, daß er diefe Wange nicht bleiche, dieſes himmliſche Auge nicht: trübe ; die Heiterkeit einer Seele nicht ſtöre, auf welche Engel felbft mit Neide bliden. Was Sie verloren, fhöne Bianca, war viel, die Art, wie Sie. e8 verloren, it f[hmerzhaft. Aber "vergeilen Sie nicht, daß es ganz in ihrer Gewalt ſteht, das Verlorne wieder zu erfangen.

Bianca. Es wieder zu erlangen? Welde eitle Hoffnung! Wollte Gott, daß Bonaventuris Leben

Großh. D nein, auf Diefed Bachte ich jetzt freye lich nicht; wohl aber auf eine andere Vergeltung mit Wucher; auf ein Heiz, das Die anbethet; fih Ihnen ganz zu ergeben bereic iſt; Wankelmuth nimmer ſich zu Schulden kommen ließ; und zwar das Herz eines Fürſten, aber gewiß noch mehr eines Bieders mannes ift. Nie würde diefer neue Verehrer, wenn er das Glüd hätte, auch der Geliebte zu werden, einen Augenblid nur den unfhäßbaren Werth ihres Geiſtes verkennen; würde ald Großherzog feine ganze Macht, als Franz von Medicis feine ganze Seele Ihr nen weiben; würde zu Shren Süßen Wie} Sie bören nicht einmahl auf mid? Bianca. Ich fehe nur auf diefed Armband hier! Es find Bonaventuri's Haare, befledt mit Bonaven⸗ turis Blut. Heute vergeiien; heute exft! doch auch nad zehn, zwanzig Jahren noch, boffe ich, fol dieſes Heute fo ftart, fo ungeſchwächt, wie jegt, in meinem Gedächtniß ſchweben!

Großh. Uns wenn nun das Rufen dieſes vers goflenen Blutes geitillt würde ? Wenn der Racher ganz teıne Pflicht erfullte?

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Bianca. Dem meinen innigſten, feurigffen Dank, der Dieb vermag! Doch, Ener Durchlaucht vergeben ,;, Bram und Schmerz; machen meine Zunge . ſchwer, machen zu fernerm Geſpraͤche mid unvermds gend. Ich gebe; aber, wofern der Arm der Gerechtigs keit verzieht bald erfcheine ich dann vor Ihrem Fücſtenſtuhl wieder, um lauter noch meine heutige Bitte zu erneuern.

Gtoßh. Nicht vor ihm allein, fondern auch ia diefem Gemach erfheinen Sie, fo oft ed Ihnen guts daͤucht. Sede Thür meines Pallaftes bar für Sie kein Schloß. Allerdings fähe ih Sie freudiger noch als eis nen Engel der Liebe erfheinen; wünſchte auf Ihr Herz doch kein Wort mehr beute davon! Noch ift She Kummer zu ſtark uyd zu neu, als auf angebothene

Zröftung diefer Art zu achten. Aber, fhone Bianca, auch Kranz von Medicid wird nit unterlaifen, auf‘ Ibrem eigenen Zimmer Sie ann und wann zu be⸗ ſuchen. | Bianca. Er erlaube mir Diefes zu verbitiig tur dem Kummer der verwitweten Gattinn ift Gemach fortan beitimmt. Es gleiche d * Gottgeweihten! Zu weinen, zu flag ER in new...’ Entriffenen, fey dort mein ein; zigeb ER ' Traner ſoll jeden Blick des Laͤchelns Denfjer werden jeden Ion der Freude, mirhin auch jeden Veſuch verſcheuchen.

Bianca ging. Reizender, als in dieſem ſchwar⸗ zen Oewande-, fiegender als mit bdiefer Miene des. Schmerz ens, harte ſie noch nie vor Franzen geſtanden.

er 13 we . Seine ganze Seele hing mit glühender Leidenſchaft am ihr. Auch hielten Beyde, was fie einander zugefage hatten. Er ward nicht müde, dur Bothſchaften, Ge⸗ ſchenke, Briefe, perſönliche Beſuche, Bianca tröften zu wollen. Sie überhörte feine Bothen, lehnte feine Geſchenke ab, Tieß feine Briefe unbeantwortet ; nahm feine Beſuche gar nicht, oder nur in der Geſellſchaft von zwey Kammerfrauen an, die fih Eeinen Augen« blick von ihr entfernen durften. Bey jedem ſchmeichel⸗ haften Worte feines Gefprächs blickte fie auf Bonaven⸗ turı’s blutige Locke, und ſchwieg.

Aber eben den Fürſten, den ſie unter vier Augen nicht ſprechen wollte, ſuchte fie deſto fleißiger an öffentlie chen Orten auf; erneuerte allda ihre Klage; beſchwur ihn oft mit lauter Stimme um Nachforſchung und um die ernſtlichſten Maßregeln gegen die entflohenen Rics ci's. Nicht ohne Wirkung blieb ein fo Öffentlich gezeig« ter Harm. Selbſt das old, wiemohl eb den lebens den, allzu hoch gefliegenen Bonaventuri nicht geliebt wohl eher gehaßt und oft laut genug verwünfht hatte dedauerte jegt, nad) Art des Volks, den Ermors beten; zumabl da er folh einen Fürfpreder fand. Bianca's eheliche Treue, die Stärke ihrer Zärtlichkeit, die Reinigkeit ihres Schmerzens obgleich anfangs die Höflinge darüber zu wigeln, die Damen darüber zu lacheln verfucht hatten ward bald ein Begenftand allgemeiner Bewunderung ; erbiele Billigung felbit won ſolchen Perionen, auf welche bie Leidende gewiß am letzten gerechnet hatte.

Langft ſchon ſiechte die Großherzoginn. Kummer Über die Kälte ihres Gemahls ein Übel, das fie größten Theils ſich felbft zugufchreiben hatte! nagte

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unheilbar an dem Keim ihres ohnedem ſchwaͤchlichen Lee hend. Mit eiferfüchtigen Augen batte fie ſtets feine Worte, feine Mienen, ja, wenn fie es vermochte, felöft feine Gedanken belauſcht. Auch feine Neigung zu Bianca war ihr zeitig genug durch Kundfchafter verras then worden; und ward „ihr vann urvertenndar , als | Bonaventuri’s Sattinn am Hofe erfdien, oder viele mehr erfcheinen mußte. Mit firengen, Mark und Bein dursbfchneidenden Blicken ſchaute die ftolze Kaiſerstoch⸗ ter auf jene Venetianerinn, die fo gern unter den Reis ‚ben der glänzenden Hofdamen nidt aufgetreten‘ wäre. Alles war ihr ſchon im Voraus an der Nebenbuh⸗ lerinn verbaßt. Die fhücterne Unfhuld in Bianca’s Blicken galt für trüglihe Kunſt, ihr prachtloſer, eins facher Anzug für flolge Selbftgenügfamkeit, die ſchon durch eigenen Werth zu fiegen hoffe. So oft ſich Franz nur Bianca nahte, fo oft er nur ein Paar, aud uns: bedeutende Worte mit ihr ſprach, bebte ein merkliches Zittern durch Johanna's Blieder. Aber fo lauter war Bianca’s ſich immer gleich bleibende Tugend, daß felbft der Eiferfucht alles vergrößerndes Trugglas keinen Flecken an ihr aufzufpähen vermochte; daß endlich die - Bürftinn fi felbft geftand: Bianca beglnftige wenigs ſtens die Neigung nit, die fie erregt habe; daß der Unwille für jetzt ſcwand, wenn gleich der Argwohn für Elinftig nie gan, entwich. | Aber, ald Zoharna vernahm, Bonaventuri fey

ermorbet worden, da ſchimmerte ihr auf einige Augen» blicke eine furchtbare Vermuthung wieder; da war ihre erfter Audruf: Sa, diefen Banditendolch ſchliff eine ſehr vornehme Hand! da erwieberte fie, als man ihr erzählte, baß den Nicc!’s nachgefegt würde, mit bite

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term Radeln: „O fie entkommen gewiß! Das Schle genhaupt wird doch nicht feinen eigenen Schweitß ver Ben.” Bon Neuem erwachte zugleich ihr Verda gegen Bianca ſelbſt. „Sie wäre die Erſte nicht, f „iterte oft halbleife Kobanna, die vor Maͤnnermor „oder wenigftens vor Theilnahme an demfelben, m: „der als vor Ehebruch ſich ſcheuete.“ Erſt, al ı abläffig, die Verwitwete das richterliche Schwert ı Mache anflebte ; als ganz Florenz nur eine Stim zu ihrem Lobe ward; da entſchloß fih Johanna nic ihren Argwobn fahren zu laffen, fondern mit eigen Augen zu prüfen: ob Bianca nit heuchle? Sond bar genug war der Entfhluß ; faft fonderbarer deſſen Ausführung.

Denn als einft Bianca, ganz allein mit ihr, Sram, zu einer für jeden Beſuch ungewähnfid Stunde, in ihrem Zimmer faß, und ſich fiher vor. ler Störung wähnte; da öffneten ſich ſchnell die Tb ren ihres Gemachs; da ſtand, al fie verwundernDd | Augen aufihlug, die Großherzoginn felkit vor ihr. .

Bianca (erfhroden.) Wie, Ihro Hoheit?

Großh. Warum erfhridlt Du? Darf ei Trauernde nicht die andere befuhen? Darf ih, t Leidens wahrlich ſchon Eundig genug, nicht auch Th an den Reiden einer Andern nehmen ?

Bianca. Euer Hoheit dieſe Gnade bi Auszeihnung womit verdiene ich fie?

Großh. Eignora! Signora! Faſt härte ih Lu jest fhon an der Innigkeit Ihres Harms zu zweife Echte Trauer pflegt font nıht auf Auszeihnung u Unterſchied zu achten. Ihr it nur das Verlorne wi tig, das Fein Gott ju erfegen vermag. Als ıdı ;

vn 15 fen erft mit Überzeugung wußte, daß Franzens Herz mie- abmwendig geworden fey, da hätten Engel vom Him⸗ mel berabfteigen und meine Tröftumg verfuchen kön⸗ nen. Ich würde kalt und ernſt doch wo verirre id) mich hin? Nicht um Vorwürfe zu ergießen, bie doch vielleicht ungerecht feyn Eonnten, nur um mid umzus ſchauen und zu richten Bam ich hierher (indem fe Bianca ſtarr betrachtet.) Sa, ja! diefe Augen haben wirkliche Thraͤnen geröthet; diefe fchönen Wangen hat merklicher Kummer gebleiht, und diefe Züge des Geſichts fpres hen von ungeheudeltem Schmer;.

Bianca (thranend emporbtidend.) Mächte des Hims mels, wäre es möglich, daß man felbft Dieb an mir bezweifelte ?

Graoßh. Es ift moͤglich; es if verzeiblich fogar ! denn Taufende an ihrer Stelle würden dem Entriffenen nis mit Harm, fondern mit lähelnder Zufriedenheit nachblicken; würden höchſtens im Angeficht der Menge, doch nicht im einfamen Gemach ihn betrauern. Woblan, Bianca! Sch will ablegen jede Verſtellung und jeden Zwang. Ich babe an der Schwelle diefes Zimmers fhon die Fürftinn dabinten gelaffeny id will jegt auch eben fo ganz und fregwillig der Neben⸗ buhlerinn entfagen; will

Bianca (einfattend.) Der Nebenbuhlerinn? O diefes einzige Wort fage mir Alles. Aber au bey als lem, was beilig ift, durchlauchtige Bebierherinn ſchwoͤ⸗ ve ih, Ihr Verdacht trifft mich. unfhuldig! Nie bat nur ein Gedanke, Dem ähnlich, meine Seele befledt ; und nie nie fol er auch künftig

Großh. Halt ein, Bianca Boraventuri ! Feßle dich nicht mit Banden, die einſt nur allzü ſchwer dich

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drücken, oder wenn du fie fprengteft ‚dir zum lebenslaͤt lichen Vorwurf gereihen dürften. Höre mih! A worte erft dann, wenn ich dich frage! Sch habe d gebaft, wie man einen Todfeind haßt; gehaßt v dem Augenblick an, als ich zuerft deinen Nabe börte, und noch ſtärker feit jenem, ald ich zuerft } fab. Ich babe dich umftelle mit Kundfchafrern berum; ich war im Voraus gewiß, waß fie mir m den würden; und ich babe mich geirrt. Wie f mein Gemahl did liebe, überzeugte mich mein eige Blick; daß du ihm Gleiches mis Gleichem vergelte Eonnte weder mein Auge, noch Einer meiner Söldlit ergründen; und deßhalb deßhalb wende ih mid die Einzige, die mir Wahrheit geben kann; an ! felöft ! Sprich: hart du nie Gegenliebe zu ihn gefül oder geheuchelt?

| Bianca. Ich liebte in meinem leben nur ein

Mann; und diefer Eine liegt im Grabe. Liebe

heuchelt habe ich nie!

Großh. Kannft du Das mit einem Eidſchr befräftigen ?

Bianca, Mit Taufenden! Und jeder Blutst pfen meines ermordeten Gatten werde eine eigene H für mid , wenn ich falfch ſchwöre!

Großh. Ich traue dir! denn Unwahrheit dieſen Lippen, VBerftellung unter diefen Zügen, ei Meineid bey diefem Ton der Stimme zu vermuth Dieß hieße einer Menichenfeindfichkeit ſich fhuldig | dien, die ich nie bejaß , und die ich jegt am Na des Grabes für ein Laſter achten würde. Wohl, Bianca Bonaventuri! wenn wirklich diefer Ermor! bisher dein ganzes Her; befaß; wenn du fo gan;

Pflich

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Pflichten ehrlicher Treue erfüͤllteſt, daß aller Glanz iedifcher Hoheit, alle Juwelen des Fürſten, alle Raͤnke der hoͤfiſchen Verführung dich nicht zum Straucheln, gefhweige zum Fall verleiteten, dann in propheti« ſchem Geifte beiheuere ich ed dir! dann werden bald Zeiten kommen, wo deine Tugend ihren Lohn, wo deine Seele wieder Freude, und dein Gram Berupis gung empfängt.

Bianca. Ach, ich kenne nur eine Beruhigung, nur ein Glück. Gerechte Race für ihn, und für mic ſelbſt das Grab.

Großh. Nein! Kein! Mir ift ed bald dort Ein ab zu fleigen beſtimmt! du hingegen mit diefem Kuffe weih’ ich dich ein: ſey glüdlicher als ih! Ver⸗ gib mir, daß ich dich haßte! Vergib mir, daß ich dich erfhreckte! Ich Das fühle ih nun innig und wahr ich habe dir nichts zu vergeben. Mit Achtung werde ih von nun an deinen Nahmen nennen, mis Liebe an dich denken; und bald, bald! nicht weiter im Wege dir fteben!

Sie entfernte fid fhnell, indem fie Bianca ernſt⸗ Ich alle Begleitung verborh. Der Ruf diefes feltfas men Beſuchs des einzigen, den die fonft jtolze Kai⸗ ferötochter einer ihrer Hofdamen abgeftattet, durch⸗ flog gan; Florenz. Man rieth und dichtete, verſchönte und entfteflte taufenderley an ihm. Bianca felbft zu . befragen wagten nur äußerſt Wenige, und erhielten aud nur eine abgebrochene Antwort. Im Stillen wirkte diefer Vorfall jedoch mächtig auf die Leidende. Jede Verkündigung künftigen Glücks macht Eindrud aufs menfshliche Herz, wenn auch der Mund ihn abzuläug>

Meisners Bianca Gap. 2. Th. B

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befhwört Sie jegt : mindern Sie Ihren allzu berben Kummer, daß er diefe Wange nicht bleiche, biefes himmliſche Auge nicht- trübe ; die Heiterkeit einer Seele nicht fiöre, auf welche Engel felbft mit Neide bliden. Was Sie verloren, ſchöne Bianca, war viel, die Art, wie Sie. es verloren, it fhmerzbaft. Aber "vergeilen Sie nit, daß es ganz in ihrer Gewalt ſteht, das Verlorne wieder zu erfangen.

Bianca. Es wieder zu erlangen? Welche eitle Hoffnung! Wollte Gott, daß Bonaventuris Leben

Großh. O nein, auf Dieſes dachte ich jetzt frey⸗ lich nicht; wohl aber auf eine andere Vergeltung mit Wucher; auf ein Herz, das Sie anbethet; ſich Ihnen ganz zu ergeben bereit iſt; Wankelmuth nimmer ſich zu Schulden kommen ließ; und zwar das Herz eines Fürſten, aber gewiß noch mehr eines Bie der⸗ mannes iſt. Nie würde dieſer neue Verehrer, wenn er das Glück haͤtte, auch der Geliebte zu werden, einen Augenblick nur den unſchaͤtzbaren Werth ihres Geiſtes verkennen ; würde ald Großherzog feine ganze Macht, als Franz von Medicis feine ganze Seele Ih⸗ nen weiben; würde zu Shren Füßen Wie} Sie bören nicht einmahl auf mid?

Bianca. Ich fehe nur auf diefed Armband bier! Es find Bonaventuri's Haare, befledt mit Bonaven⸗ turis Blur. Deute vergoſſen; heute exft! doch auch nah zehn, zwanzig Jahren noch, hoffe ih, fol dieſes Heute fo ftart, fo urngeſchwächt, wie jeßt, in meinem Gedaͤchtniß ſchweben!

Großh. Und wenn nun das Rufen dieſes vers goſſenen Blutes geſtillt würde ! Wenn der Ruder ganz leine Pflicht erfullte?

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- Bianca. Dem meinen innigſten, feurigffen Dank, der Dieß vermag! Doch, Euer Durchlaucht vergeben ; Gram und Schmerz machen meine Zunge . ſchwer, manen zu fernerm Geſpraͤche mid unvermös gend. Ich gehe; aber, wofern der Arm der Gerechtigs keit verzieht bald erfcheine ich kann vor Ihrem Fücſtenſtuhl wieder, um fauter noch meine heutige Bitte zu erneuern.

Broßh. Nicht vor ihm allein, fondern aud ia diefem Gemach erfheinen Sie, fo oft ed Ihnen guts daäucht. Sede Thür meines Pallaſtes bat für Sie kein Schloß. Allerdings fabe ih Sie freudiger noch als eis nen Engel der Liebe erſcheinen; wünſchte auf Ihr Herz doch Fein Wort mehr heute davon! Noch ift She Kummer zu flarE und zu neu, ald auf angebothene Zröftung diefer Art zu achten. Aber, fhone Bianca, auch Franz von Medicis wird nicht unterlaifen, auf‘ Ihrem eigenen Zimmer Sie dann und wann zu te⸗ ſuchen. |

Bianca. Er erlaube wir Diefes zu verbitä

tur denn Kummer der verwitsseten Gattinn iſt ñ Gemach fortan beitimmt. Es gleiche Gottgeweihten! Zu weinen, zu flo, 2* Entriſſenen, ſey dort mein einziges ——8 Trauer ſoll jeden Blick des Laͤchelns, Deufjer werden jeden Ion der Freude, mirhin auch jeden Veſuch verſcheuchen.

Bianca ging. Reizender, als in dieſem ſchwar⸗ zen Gewande,, ſiegender als mit dieſer Miene des. Schmerz ens, hatte ſie noch nie vor Franzen geſtanden.

nor. 12 we. Seine ganze Serle hing mit glühender Leidenfchaft ihre. Auch hielten Beyde, was jie einander zugefe hatten. Er ward nicht müde, durch Borbichaften, ſchenke, Briefe, perfonlihe Befuhe, Bianca trof zu wollen. Sie überhörte feine Bothen, lehnte fei Geſchenke ab, Tieß feine Briefe unbeantwortet ; na! feine Befuche gar nicht, oder nur in der Geſellſch von zwey Kammerfrauen an, die fih keinen Aug blick von ihr entfernen durften. Bey jedem ſchmeich haften Worte feined Gefprächs blickte fie auf Bonavı turı’s biutigelade, und ſchwieg. "

Aber eben den Sürften, den fie unter vier Aug nicht ſprechen wollte, fuchte fie deſto fleißiger an öffen den Orten auf; erneuerte allda ihre Klage; befihn ihn oft mit lauter Stimme um Nachforſchung und ı dic ernſtlichſten Maßregeln gegen die entflohenen 9 ci's. Nicht ohne Wirkung blieb ein fo oͤffentlich gez ter Harm. Selbſt das Golf, wiemohl es den leb ten, allzu hoch geftiegenen Bonaventuri nicht gelie wohl eher gehaßt und.oft laut genug verwünſcht be dedauerte jegt, nad) Art des Volks, den Erm deten; zumab! da er fol einen Fürſprecher fa Bianca's eheliche Treue, die Stärke ihrer Zaͤrtlichk die Reinigkeit ihres Schmerzens obgleich anfaı bie Höflinge darüber zu wigeln, die Damen darü zu laͤcheln verfucht hatten ward bald ein Gegenſt allgemeiner Bewunderung ; erhielt Billigung fe von ſolchen Perſonen, auf weiche bie Leidende gen am legten gerechnet hatte.

Cängft ſchon fiechte die Großherzoginn. Kumt Über die Mälte ihres Gemahls ein Übel, das größten Theils ſich ſelbſt zugufihreiben hatte! na

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unbeilbar an dem Keim ihres ohnedem ſchwaͤchlichen Le⸗ dens. Mit eiferſüchtigen Augen hatte ſie ſtets ſeine Worte, ſeine Mienen, ja, wenn ſie es vermochte, ſelbſt feine Gedanken belauſcht. Auch feine Neigung zu Bianca war ihr zeitig genug durch Kundſchafter verra⸗ then worden; und ward ‚Ihr vann urverfenndar , als | Bonaventuri’s Sattinn am Hofe erfhien, oder viele mehr. erfcheinen mußte. Mit firengen, Mark und Bein durchſchneidenden Blicken ſchaute die flolze Kaiferstocs ter auf jene Wenetianerinn, bie fo gern unter den Reis ‚ben der glänzenden Hofdamen nit aufgetreten‘ wäre, Alles war ihr ſchon im Voraus an der Nebenbuh⸗ lerinn verbaßt. Die ſchüchterne Unſchuld in Bianca's Blicken galt für trüglihe Kunſt, ihr prachtloſer, eins facher Anzug für flolge Selbftgenügfamkeit, die ſchon burd eigenen Werth zu fiegen hoffe. So oft ſich Franz nur Bianca nahte, fo oft er nur ein Paar, auch un⸗ bedeutende Worte mit ihr fprach , bebte ein merfliches Zittern dur Johanna's Glieder. Aber fo lauter war Bianca’s fih immer glei bleibende Tugend, daß felbft der Eiferfucht alles vergrößerndes Trugglas keinen Flecken an ihr aufzufpähen vermochte; daB endlich die Fürſtinn ſich ſelbſt geftand: Bianca begünftige wenig⸗ ſtens die Neigung nicht, die ſie erregt habe; daß der Unwille für jetzt ſchwand, wenn gleich der Argwehn fuͤr künftig nie ganz entwich. | Aber, ald Johanna vernahm, Bonaventuri fey ermordet worden, da ſchimmerte ihr auf einige Augen« blide eine furhtbare Vermuthung wieder; da war ihr erfter Ausruf: Sa, diefen Banditendolch ſchliff eine fehr vornehme Hand! da erwieberte fie, als man ihr erzählte, daß den Riccos nachgefegt würde, mit bite

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term Lächeln: „O fie entkommen gewiß! Das Schle genhaupt wird doch nicht feinen eigenen Schweiß ver Ben.” Bon Neuem erwahte zugleich ihr Verda gegen Bianca ſelbſt. „Sie wäre die Erite nicht, f „iterte oft halbleife Kobanna, die vor Männermot „oder wenigftens vor Theilnahme an demfelben, m „der als vor Ebebruch ſich ſcheuete.“ Erſt, al ı abläffig, die Verwitwete bas richterliche Schwert : Rache anflehte; als ganz Florenz, nur eine Stim zu ihrem Lobe ward; da entſchloß fih Johanna nic ihren Argwobn fahren zu laffen, fondern mit eigen Augen zu prüfen: ob Bianca nicht heuchle? Sond bar genug war der Entfhluß ; faft fonderbarer n deffen Ausführung.

Denn ald einft Bianca, ganz allein mit ihr Sram, zu einer für jeden Befuh ungewöhnfid Stunde, in ihrem Zimmer faß, und ſich fiher vor - fer Störung wähnte; da öffneten fih fihnell die Zt ven ihres Gemachs; da ftand, als fie verwundernd Augen aufihlug, die Großherzoginn feltit vor ihr.

Bianca (erfhroden.) Wie, Ihro Hoheit?

Großh. Warum erſchrickſt Du?! Darf ei Trauernde nicht die andere befuhen? Darf ih, ! Leidens wahrlich ſchon Eundig genug, nicht auch TE an den Leiden einer Andern nehmen?

Bianca. Euer Hoheit dieſe Gnade di Auszeihnung womit verdiene ich fie?

Großh. Signora! Signora! Faſt härte ih Lu jest fhon an der Innigkeit Ihres Harms zu zweife Eihte Trauer pflegt fonft nıdht auf Auszeihnung u Unterfhied zu achten. Ihr ift nur das Verlorne wi tig, das kein Gott ju erfegen vermag, Als ich

. ı5 weg erft mit Überzeugung wußte, baf Franzens Herz mie abwendig geworden ſey, da haͤtten Engel vom Him⸗ mel herabſteigen und meine Teöftung verſuchen kön⸗ nen; Ich würde Ealt und ernſt doch wo verirre ich mich hin? Nicht um Vorwürfe zu ergießen, die doch vieleicht ungerecht feyn könnten, nur um mid umzu⸗ ſchauen und zu richten kam ich hierher (indem fie Bianca fare betragptet.) Ja, ja! diefe Augen haben wirkliche Thraͤnen gerötbet; diefe fchönen Wangen hat merklicher Kummer gebleiht, und diefe Züge des Geſichts ſpre⸗ chen von ungeheucheltem Schmerz.

Bianca (tHränend emporblidend.) Mächte des Him⸗ mels, wäre es möglich, daß man ſelbſt Dieß an mir bezweifelte?

Großh. Es iſt moͤglich; es it verzeihlich ſogar! denn Tauſende an ihrer Stelle würden dem Entriſſenen nicht mit Harm, ſondern mit laͤchelnder Zufriedenheit nachblicken; würden höchſtens im Angeſicht der Menge, doch nit im einfamen Gemach ihn betrauern. Woblan, Bianca! Sch will ablegen jede Verſtellung und jeden Zwang. Ich babe an der Schwelle diefes Zimmers fhon die Fürftinn dabinten gelaffeny ich will jegt auch eben fo ganz und freywillig der Neben⸗ buhlerinn entſagen; will

Bianca Ceinfallend. Der Nebenbuhlerinn? O dieſes einzige Wort ſagt mir Alles. Aber auch bey al⸗ lem, was heilig iſt, durchlauchtige Gebietherinn ſchwoͤ⸗ re ich, Ihr Verdacht trifft mich unſchuldig! Nie hat nur ein Gedanke, Dem ähnlich, meine Seele befleckt; und nie nie fol er aud künftig

Großh. Halt ein, Bianca Bonaventuri! Feßle dich nicht mit Sonden, die einſt nur allzu ſchwer dich

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drüden, oder wenn du fie fprengteft ‚dir zum lebenslaͤt lihen Vorwurf gereihen dürften. Höre mih! A worte erft dann, wenn ich dich frage! Sch habe d gehaßt, wie man einen Todfeind haßt; gehaßt v dem Augenblick an, als ich zuerft deinen Nahm börte, und noch flärker feit jenem, als ich zuerft ? fab. Ich babe dich umftellt mit Kundfchafrern ru berum; ich war im Voraus gewiß, waß fie mir m den würden; und ich babe mich geirrt. Wie f mein Gemabl dich liebe, überzeugte mich mein eige: Blick; daß du ihm Gleiches mis Gleichem vergelte Eonnte weder mein Auge, noch Einer meiner Sdpfü: ergründen; und deßhalb deßhalb wende ich mid die Einzige, die mir Wahrheit geben kann; an ſelbſt! Sprich: hast du nie Gegenliebe zu ihn gefül oder geheuchelt?

| Bianca. Ich liebte in meinem leben nur ein

Mann; und diefer Eine liegt im Grabe. Liebe

heuchelt habe ich nie!

Großh. Kannft du Das mit einem Eibfchn befräftigen ?

Bianca. Mit Taufenden! Und jeder Blutst pfen meines ermordeten Öatten werde eine eigene H— für mid , wenn ich falfch ſchwöre!

Großh. Sch traue dir! denn Unwahrheit dieſen Tippen, Verftellung unter diefen Zügen, ei Meineid bey diefem Ton der Stimme zu vermuth Dieß hieße einer Menichenfeindlichkeit fih fhuldig ı den, die ich nie bejaß , und die ih jegs am Ra des Grabes für ein Lafter achten würde. Wohl. Bianco Bonaventuri! wenn wirklich diefer Erinor! bisher dein ganzes Der; beſaß; wenn du fo gan;

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Pflich ten ehrlicher Treue erfüllteft, daß aller Glanz iedifcher Hoheit, alle Juwelen des Fürſten, alle Raͤnke dee höfiſchen Verführung dich nicht zum Straucheln, geſchweige zum Fall verleiteten, dann in propbeti« ſchem Geiſte betheuere ich es dir! dann werben bald Zeiten kommen, wo deine Tugend ihren Lohn, wo being Seele wieder Zreude, und bein Gram Berupis gung empfangt.

Bianca. Ach, ich Fenne nur eine Beruhigung, nur ein Glück. Gerechte Rache für ihn, und für mic felbft das Grab.

Großh. Nein! Nein! Mir ift ed bald dort Eins ab zu fleigen beſtimmt! du bingegen mit diefem Kuffe weih' ich dich ein: fey glücklicher als ih! Vers gib mir, daß ich dich haßte! Vergib mir, daß ich dich erfhreckte! Ich Das fühle ih nun innig und wahr ich habe dir nichts zu vergeben. Mit Achtung werde ich von nun an deinen Nahmen nennen, mis Liebe an dich denken; und bald, bald! nicht weiter im Wege dir ftehen!

Sie entfernte fid fhnell, indem fie Bianca ernft: lich alle Begleitung verboth. Der Ruf diefes feltfa« men Beſuchs des einzigen, den die fonft jtolze Kai⸗ ferstochter einer ihrer Hofdamen abgeftattei, durch⸗ flog gan; Florenz. Man rieth und dichtete, verfchönte und entftellte taujenderley an ihm. Bianca felbft zu . befragen wagten nur äußerſt Wenige, und erhielten auch nur eine abgebrodene Antwort. Im Stillen wirkse diefer Vorfall jedoch mächtig auf die Leidende. Jede Verkündigung Fünftigen Glücks macht Eindrud aufs menfshliche. Herz, wenn auch ber Mund ihn abzuläug>

Meiguers Bianca Gap. 2. Th. B

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nen fih mühe. Um wie viel Eräftiger mußten Wo diefer Art von diefen Lippen erſchallen!

Bald ging auch die erfte Hälfte derfelben in ( füllung. Johanna's Leben erlofh. Es traf fie in ihr legten Tagen das bittere, felbft die Todesſchmerzen Herbe übertreffende Geſchick, unabläugbar zu jpüre daß ihr Hintritt von Mehreren gewünſcht als befo: werde; daß fie, wiewohl noch in des gewohnlid Menfchenlebens eriter Halfte, doc ſchon dem größ: Theil ihrer Höflinge und Grauen zu lang gelebt ha Franz beobachtete zwar, was Rang, Anftand, und fein eigenes gutes Herz von ibm forderten. Er n die letztern Moden hindurch oft in ihrem Gema ſuchte jie oft Durch freuntlihe wenn auch nicht he volle Worte aufzuheitern; verforach ihrem leuten Ü len treulich nachzukommen; reichte ihr noch eine St de, bevor fie einfchlummerte, mit eigener Hand Arzney, die jie ftärken follte, und ließ fie mit licher Pracht beitetten. Mehrere Redner, die tr liche Lobreden hielten, wurden großmüthig beloh Künftler vom erften Rang empfingen den Auftrag nes Maufoläaums ; aber im nneriten feines Herz dankte gewiß Franz, dem Himmel für das Zerjprin, diefer läſtigen Kette Mit der Gemahlinn verſchw. einer dev Haupteinwürfe, den Bianca mehrmahls ner Liebe entgegen geftemmt hatte. Lebendiger w feine Hoffnung.

Und auch thätiger ward er felbft! Alle bisher Nahforfbung, der entflohenen Ritcis, war lendwerk, oder laͤſſiger Halbernſt geweſen. Nun gingen die Befehle gemeſſener; nun merkten diej gen Kundſchafter, die er ausſandte, daß er mit N

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druck gebiethe, ‚und gehörige Nachrichten Zebirig 6 lohnen werde. Bald hatte er Beweiſe, wie er fie Wunſchte in Haͤnden, und eilte damit zu Bianca.

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., Großbh. Finde ich Sie immer noch i in dieſer Trauer mit dieſem Kummer im Blick? Iſt der Quell diefer Thränen immer noch unverſiegt? Aber gettoſt, reizende Witwe! Heute hoffentlich werde ich Ibren Gram mindern! werde leider aum erıten Maple in meinem Leben mit: der füßen Überzeugung eins freten dürfen, nicht ungern angehört zu werden.. Ends lich haben mieine Vothen und die Arme der Vetgel⸗ tung die entwichenen Moͤrder ergriffen; eridiih (mit einem Blick auf die Kammerf:au) Vergeben Sie , wenn ih Das, was nun folgt Ihnen allein zu ſagen iwünſche! B kanca (in deren Augen brennende Neugierde fünfeits) Da Euer Durchl. e8 nöthig finden (u ihrer Kaminer⸗ frau ‚Hatstaut.) Entfernt Euch, doch nidt allzu weit! Großh. (eiwas impfindtih.) Und ſelbſt bey dieſem Befehle noch Mißtrauen? Bianca, verdient Dieß der "Mann und der. Fürfl, der, fo oft er Sie ſieht Alles dergißt ‚nur feine Liebe nicht? der jo gern Bianca (einfattend.) Euer Durchlaucht wollten fie von den Ricci's Nachricht mitzutheilen geruben * Großb. Und werde es ſogleich thun! (Er wendet fi gegen Bonaventuri’s in Diefem Gemach hängendes Bildniß.) Schwebe nun verſoͤhnt zu dem Ort deiner Beftimmung, Schatten des Ermordeten, und doch fo unjäglic Glück⸗ | feligen! Neidenswerth im Leben durch den Dejis des Ihönften, vollkommenſten Weibes, und nech neidens⸗ Br

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wwerth im Tode durch ihre Thraͤnen! Du bit geräche ! Deine Mörder haben fich felbit gerichter. u Bianca (etwas erſtaunt.) Sich felbit gerichtet ?— Was meinen Euer Durchlaucht mit diefem Ausdruck? Gr— o ß h. Ghr ein zulammengerolltes Papier hinreichend.) Leſen Sie dieſes Schreiben, ſchönſte Bianca, das ſo eben vom Senat zu Genua mir eingehändigt worden ift! Sie werden finden, daß derfelbe, auf mein öf— tered Anfuchen und Antreiben, endlih die Höhle auss Eundfchaftet hatte, in weicher die beyden ‚Üliccı, tagr fheu, halben Banditen ahnlich, von Mangel faft: aufs gezehrt, von aller Welt verlaifen, ihr elendes Leben durch Kräuter und Wurzeln frifteten; Sie werden fin⸗ den, daß ausgefhidte Söldner Befehl hatten, die Unglücklichen aufzufahen, und an Florenz auszulies fern; daß die Umijtellten, als fie nirgends ein Schlupf⸗ loch zum Entfliehen ſahen, tollkühn, oder verzweifelnd ‚genug waren, fih mit den Waffen in der Hand, Zwey gegen Zwanzig zu ſtellen; dag fie tapfer ſich verchei: digten, bis endlich der Sohn todt, der Vater vers ' wundet niederfanf; ja, daß der Leßtere im Kerker nur wieder aufwachte, um eine Stunde naher fein graues Haupt an der Wand fich felbft zu zerſchmettern. Bianca (indem fie es überlefen.) Sein eizener Mörder! Wahrlic ein Henker, diefes Böſewichts würdig! Großh. Und nun, Signora, glauben Die nicht, daß die Mörder Ihres Gemahls genug abgebüßt ba: ben jollten? Gebüßt durch ein qualvolles Leben in Klüf⸗ ten und Höhlen, durch Kerker, durch Tod, und felbft durch Schmach noch nah tem Tode ! Glauben Sie nicht, daß ich mein Verfprechen nun ganz erfülit has

u wen DU em be? Wenigſtens fo weit, ald es in meinen Rräften, in meinem Wirkungekreife fand! “Bianca. Wie Eönnte ich's wagen, andy nur ei- nen'andern Gedanken zu begen? Voll Demuth und voll Dank beuge id meine Knie

Großh. linden er jie aufhält.) Mein, (öönfe Flo⸗ rentinerinn, nicht durch Kniebeugungen , nicht durch Erniedrigung, von welcher Art es ſey, ſondern auf eine andere, Ihren Reizen, Ihrer Würde, und mei⸗ nen Gefühlen weit angemeſſenere Art wünſche ich mir Ihren Dank zu erhalten. Verzeihen Sie, edelſte ibres Geſchlechts, daß ich eine ſo oft ſchon angefangene Melodie von Neuem anfange, eine fo oft ſchon ger fhehene Bitte jeßt abermahls wiederhohle! Müde zu werden zient demjenigen nicht , der nad) vielfachen feschtlofen Verſuchen doch immer noch fein hoͤchſtes, fein einziges Wohl auf einen Punct, ihm fo nahe und fo fern, gebeftet fiebt; dem fein eigenes Herz das Zeugniß gibt: du Fampfteft zwar fruchtlos bisher, aber du kämpfteſt dod) des Sieges midit ganz unwerth. Mit mehrerem Recht als je, glaube ich heute die Bitte wagen zu dürfen: Legen Sie biefe Zrauer ab! Hören Sie günftiger auf das Flehen inniger Liebe!

Bıanca (den Bticd verlegen, doch nicht zornig sur Erbe niederſchiagend.) Wie, Euer Durchlaucht? Diefe Forbes rung wäre heute billiger, als bisher ? |

Großh. Bey dem Thron ewiger Gerechtigkeit und Liebe, fie ft es! Was die Natur in und nes ben uns erfhuf, erfchuf fie wandelbar und endlich. Sonnen .eriöfhen, Welten zerftäuben, Menſchenge⸗ Thlechter vergeben; aud die Schöpfungen der moralis ſchen Welt find nicht unvergängficher: Pflichten wech⸗

fein; ewiges Bebarren auf einer unb ebenderfelben wird zur Storrigkeit; und was Anfangs Tugend ſeyn mochte, wird in der uͤhertreibung zum Fehl und Fle⸗ cken. Dennoch dennoch wollen Sie Ihrem Gram allein Unvergänglichkeit geben? Wollen immer noh fortfahren, ihrem verblichenen Gemahl ein] Opfer zu bringen, das ihm felbit nichts nützt, und wodurch die lebende Welt ihres ſchoͤnſten Schmudes beraubt würde % Haben Lie denn noch nicht Alles erfüllt, mit uͤbermaß erfüllt, was Ihnen zu thun vielleicht ob⸗ lag? Iſt nicht die geſetzliche Zeit der Witwentranuer ſchon doppelt vorbey? der Ermordete nun nicht ges rächt? Und iſt er es nicht durch Ihr Bemühen alleın } Denn, freygeſtanden, ohne Ihre Anklage, ohne Ihr eifriges Anhalten, hätte ich ganz gewiß die Ricciſs, unverfolgt, ihr elendes Leben in freywilliger Verban⸗ nung fortfchlenpen laſſen. Pietro war Ihnen theuer, unendlich theuer ald Gatte. Gut! ich wage es nicht, Ihre Wapı zu tadeln; denn ed war auch die Meinige. Sie erkoren ihn zum Gemahl, und ih zum Freunde. Aber fragen Sie Ihr eigenes Herz: würde Pierre Bo⸗ naventuri wohl für Bionca aud nur die Hälfte von Dem gethan haben, was Bianca für ihn thut? War er, bey taufend liebenswürdigen Eigenſchaften, nicht, auf's gelindefte gefprochen, ein wenig flatterbaft und wandelbar? Grub diefer Wankelmuth nicht felbft ihm ein fo frübes Grab? Und Ihr Schmerz; um ihn fol unwandelbar ſeyn ? (Sie mit Wärme bey der Hund ergreis few.) Sprechin Cie: fol er Das!

Bianca Die ihre Hand ein wenig, doch nicht ganz zu⸗ sudziehe.) Euer Durchlaucht ich wiederhohle blyß ‚wag ich fo oft ſchon

voor 23_ XRC

Großh. (einkallend. Ja wohl! Was Sie fo- oft ſchon fagten: was aber immer zu weit getrieben war, und jest nod) zweyfach mehr ungerecht und unbilig feyn würde! Bianca, Erite ihres Geſchlechts, hö⸗ ren Sie mih! Sie wiſſen die Neränderung, die indeß fih zugetragen bat. Die Bande, die mich mit einer ungeliebten , mir an Denkungsart fo unaͤhnlichen Ge⸗

mahlinn zuſammen feſſelten, ſind durch Den getrennt worden, der Alles trennt, durch den Tod. Schon vorber trug ich ein unget heiltes Herz Ihnen zum Eigenthum an; doch jetzt zumahl iſt es ungetheilt nach jedem Gefetze göttlichen ſowohl als weltlichen! Sie ſind frey, und ich bin es nicht minder. Wir ha⸗ ben Beyde unſere Pflichten gegen Gatten erfüllt, die nun ruhen. Jeder fremde Anſpruch auf uns iſt per⸗ ſchwunden. Schönffe Florentinerinn! wollen Sie auch nun noch mit ſtets ſich gleichbleibender Haͤrte den Zärt⸗ lichſten, Wärmften, Treueſten ihrer Anbether verſchmaͤ⸗ hen? In dieſem Jugendlenze, in dieſer Blüthe weiblicher Reize, ber Liebe ſchon entſagen, iſt Unmög« lichkeit. uͤbermaß der Trauer kann, weil es uͤbermaß iſt, unmoͤglich immer dauern; ſelbſt wenn es Tange waͤhrt, beleidigt es die Menſchheit und den Himmel; iſt tadelnswerth vor dem Richterſtuhl der Natur und der Tugend zugleich. Wohlan, Bianca, noch ein⸗ mahl lege ich Ihnen hier zu Füßen Alles, was ich ver⸗ mag und habe, Alles, was Florenz weites Gebieth und die Grenzen meines Staats in ſich ſchließen! Darf ich hoffen, daß endlich meine Bitte Erhörung finden werde? Ihr Gemahl und meine Gemahlinn waren ſtets Ihre Haupteinwürfe. Jener iſt verfohnt, und Diefe ift entfehlafen. Darf ich nun hoffen Darf ich?

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(mit gekraänktem Tone.) Auch nicht eine Sylbe zur A wort! Bin ich felbft Diefer nicht werrh ?

Bianca, (bewege) Önädigfter Herr, ich bitte S dringen Sie heute Feiner Antwort wegen in mich!

Großh. Aber wann— warn fol ich fie erh: ten? Theuerſte Bianca! warn? (Cie ſtarker noch bev Hard faffend.)

Bianca. (die ſich lobreiſen win.) Laſſen Sie mi ih beſchwöre Sie!

Großh. immer feuriger. Sie nicht zu laſſen, T ſchwoͤre ich Ihnen bey meinem und Ihrem ewigen He Wann dieſe Antwort, Bianca, wann? M gen? Morgen? Sie ſchweigen? (freudig.) Mor— alfo !

Bianca. lernt) Woher Dieß alſo? Wannv ſprach ich noch etwas?!

Großh. Ah, au dieß ſchon ift mir ein Str ber Hoffnung, daß Sie ed nicht verneinen! daß fe ter biefe weihe Hand in der Meinigen bebt: daß edle Bianca, ic beſchwöre Gie, laſſen Sie mir ı nigftens auf Augenblide diefe entzückende Täuſchu die mid) weit über Nang und Magt— die mich 5 Gott erhebt.

Bianca. Mein Fürft

Großh. Nicht Ihr Fürſt! Der Schönheit ift zu gebiethen beſtimmt; und Schönheit mit diefen g fligen Vorzügen vereint, müßte felbit Seraphims berefhen. Edelſte der Frauen! diefe blutige Loc fo oft die ſtumme traurige Antwort auf ale me Sragen, follte fie doc) wohl fo lange nur an Boi venturi erinnern, bid er gerät worden fey? Er

es! Die Rode werde gelöfet. LEr reißt ihr ſchneu diefeh Armband ab.) u | Bianca. (darnach greeifend.) Euer. Durchlaucht. Großh. Morgen, morgen die Antwort! Gie wollten vorhin, ich follte Sie verlaſſen, und ich verlaffe Sie nun. Eitt a6.) Bianca. Euer Durchlaucht —im Ernfi! Mein Armband unmoͤglich (Sie eitt ihm nad.)

Man Eann leicht vermuthen, daß fie ihm nicht er= _ reichte; daß er ſchnell hinweg eilte! Zum erften Mahl freywillig fihnell aus Bianca’s. Haufe! Zum erften Mahl freudig!

Bianca allein (am Abend eben dieſes Tages vor Bonaven⸗ turi’d Bildniß.)

Was verbehle ich mir es länger ? Mein Ohr vers nimmt wieder, und mein Herz empfindet! Zwar, noch it Er mein ftäter Gedanke, aber nicht mehr mein einziger. (Hufdie Stele ihres Urmbandes blickend.) Hätte ih. nor wenig Wochen noch diefen Raub geduldet ? Und zürnte ih heute wahrhaft, fo zornig ich mich auch ſtellte? (fi nachdenkend auf einen nahen Seſſet werfend.) Und morgen morgen! wenn Franz. nun auf Ant- wort bringe? Welche fol ih ihm geben?! Abm, der ſo ſichtbar auf günftige hofft; den ich fo ſichtbar auf günftige hoffen ließ ? und der ihrer auch (Aufſtevend, vor. das Bildniß eretend.) Verzeihſt di mir, Schatten bes Snnigs Geliebten, vergibft du mir, wenn ih bier

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eine Fremde, eine Verkannte, eine Darniedergeber te; ausgeſtoſſen aus meiner Vaterſtadt, ohne He nung gunitiger Rückkehr; bald beträngt von aberme ligem Mangel, umitellt von Hinterliſt, verlaffen v allen Verwandten, allen Sreunten, und ach von ſellſt: feir Jahr und Tag befturmt von dem edeli liesensiwurtigiien Fürſten, beffürmter vieleiht voa Innern Senden. vergibit du mir, wenn id ein Wein br? (Zarüchk fintnd.) Gott! Gott! m babe ich gefagt ?-- pPauſe, ſich farfend.) Nies! Nic zwar, was dieſe Schamröthe verdiente! Gage fe Geiſt meines Gemahls, wo du jegt feyn magft, ı wenn es aud) vor dem Throne des Ewigen wäre; fa. kannſi du die ganze Zeit unferer Ehe hindurch mich ei unfrenndiihen Wortes, eines unzartlichen Gedank eines liebeleeren Augenblick anklagen? Kannft du Thranen zöplen, bie id in einfamen Naͤchten beit Wanken, in nod einfamern deinem Tode weih Vrirde ih nicht jetzt noh Sterben mit dir! gläͤcklichſten Leben vorziehen! Aber da ich nun be, bier lebe, und leben muß 0 fo vergib, ' gib! Sch fühle es, dein Nebenbuhler wirb dir zu m tig. (Paufe) Warum bebe ih von Neuem! H ich nicht erfüllt, was ich Eonnte und follte Verbiet göttfihe und menſchliche Gefege wohl eine zwei Liebe? Iſt Franz diefer Liebe nicht würdigt mächtiger Fürſt, und doch immer fo ganz ein Men So fhön, fo mild, fo anmuthsövoll, daß er auche Fuͤrſtenthron Arme Bianca, wohin verirrfl dich? Dieſi felbft vor dieſem Bilde O weib Natur! Schwachheit it dein Brundſtoff; Empfind! beit iſt deine Grube! Jahrhunderte wollen

27 gutdauern und Monden dünken uns eine Ewigkeit.

“(Die Augen niederihlagend und .iveggebend.) Ich blide nich auf, ih blide nicht auf zu dir, Bild meines Gatten, damis dein Auge mich nicht ftrafe! Ad, mein Herz thut es ſchon, auch ohne dein Herabblicken ge⸗ nug. (line ihrer Grauen unterbricht durch Bereintkunit dielet Selbſtgeſprac. I:

(Tag daranf). Großherzog. Bianca,

Großh. Unt wenn Sie der Ausflüchte noch zu Zaufenten, der Bitten um Aufſchub noch eine zahlloſe Menge verſchwendeten ich bin entſchloſen mein Ur⸗ thejl zu hören.

‚Bianca. Ich ein Urtpeit über meinen Monars ‚hen fällen! Woher käme mir diefes Necht 9

Großh. Und doch doch können Sie es! doc kann es Niemand außer Ihnen! Sie erinnern ſich fo oft im Sefpräch mit mir jener Würde, die ich bey Ihnen ganz abgelegt willen möchte, erinnern fi fo gern, daß ih Fürſt fen. Wohlan denn, Bian⸗ eo, Ihr Fürſt it es, der um Liebe bitter, ewige Liebe Ihnen ſchwört! Kann er Ihr Herz auf dem MWege der Zärtlichkeit nicht rühren; o wie gern nird er dasfelbe auf dem Wege des Ehrgeizes aufs fuben. Noch ſah er nur Andere vor fih die Knie beugen; beugte das Seinige vor Niemanden, als vor Bott. Jetzt fol er es auch vor Gottes ſchönſtem Mei⸗ ſterſtuͤcke! Gniet vor ide nieder.)

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Manta. Cinattih) Euer Durchlaucht Euer Durchlaucht! Ach beſchwöre Sie, befhamen Sie mich nicht. Wenn ich ein Wort noch ſprechen ſoll

Großh. Das ſollen Sie, und dann werde ich

wieder aufftehen! Hier betheuere ich Shnen , daf mein ganzes Glück von Ihrer Liebe abhängt; daß ohne biefe der Erde böchfter Thron mir Qual, das fröhlichfte Les ben Elend dünfen würde. Bianca, Jahre flofßen vor⸗ über, feit ih zum erfien Mahl Sie fab. Unermeplidy dünkte mir damahls ſchon meine Neigung für Sie; und doch ift fie feitbem noch gewadhfen mit jedem Tage, jeder Stunde, jeder Minute faſt! Keine Abweifung ſchreckte, Fein Hinderniß erkältete meine Liebe. Ger fühlvolles, edles Meib! kann tenn nichts Ihr Herz ger winnen? weder Größe, noch Wärme, noch Dauer meiner Zaͤrtlichkeit? Bianca. So ſey es denn! Den Weg des Ehr⸗ geizes achte id nicht, aber den Weg ber Zärtkiche teit langer zu verſchmaͤhen, finde ich mich nicht ſtark. genug. Steben Sie auf, Grofiberzog! Ihr Anhalten zwingt mein Geheimniß mir ab, und es ift Ges ſtändniß der Gegenliebe. |

Großh. Cauffpringend und freudig.) Der Gegenlie⸗ be! O du der Worte füßeftes! Harmonie der En» gelchöre iſt Mißlaut dagegen! Wäre es möglich ? Bianca! Wire ed moglih, Sie fieben mich wieder? Nun, fo werde denn diefer Kuß (indem er fie küfs fen will.)

Bianca. efi zurüd beugend.) Trotz meiner Neis gung Ihnen nod nicht vergonnt! (mit ernftem, dog tiebenolem Zone.) Ya, mein Fürſt, ich liebe Sie. Ihre Torte wirkten ſchon feit geraumer Zeit tiefer, als ich

sosen 209 we wünſchte; ; tiefer, als Sie ſelbſt vielleicht hofften. Aber ich liebe Sie ſo ſehr, daß ich dir Wonne, die viel. Seiht im Glück der Zärtlichkeit auf uns Beyde wartet, nicht durch Gewiſſensbiſſe geſchwächt, nice durch Ente weihung endlid) ganz vergaflt erblicken möchte,

Großh. (ganı ſtutzig.) Entweihung! Gewiſſens⸗ biſſe?

Bianca, Allerdings! Verfolgen Diefe nicht ie des Vergnügen der Liebe! mindern‘ fie nicht jede Se— ligkeit der Inbrunſt, fo lange Religion die Leptere nicht geweiht, rechtmäßige heilige Bande fie nicht bes ftätigee haben *— Iſt eine ſolche Berbindung Ihr Vor⸗ haben, dann, gnädigfter Herr, fey mein’ Herz fortan fo gan; das Shrige, wie ed fonft das Eigen» tbum meined Pierro war. Denken Sie aber anders, fo werde ih zwar, fo fange id) lebe, Ihr theures Bild, das die Liebe langfam, doch deilo dau erhaf— ter mir in das Her; grub aufbewahren; aber in ſchleunigſter Flucht mil ih, wenn auch nicht Rettung, doch zum wenigften Linderung meiner Leiden ſuchen: will fern von Slovenz die Leitenfhaft beweinen, die vielleicht eben deßwegen mir zur Strafe ward, weil ih auch im Grabe noch dem eriten einzigen Mann, den meine Lippen je berührten, treu verbleiben ſollte.

Großh. (der erſtaunt ta gefanden har.) Bianca! Verftehe ih Die wohl gan; ? |

Bianca, (eiwas empfindlich. Wenn Euer Durch⸗ Taudt Dieß jest nicht thun, fo werden unfere Herzen ſich nie veritehen.

Großh. Nur vom Altare ber fol unjere Liebe . fid) anfangen $

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Bianca. Von ihm ber, ober nirgends fonft. Sie verwandeln ihre Farbe? Sie werben ernſt (Etwas Sitter.) Verzeihen Cie, wenn ich nad fo vielen Schwüren endlich leichtglaͤubig genug war, zu traͤu⸗ men, daß Sie mich wirklich liebten! Großh. Erniedrige mi das Schickſal bis zum irftigften Bettler, wenn ih Sie nicht heißer liebe; Worte und Gedanken faſſen koͤnnen. Aber der erſte Beweis meiner Neigung ſey Aufrichtigkeit; ſey der, daß von nun an jeder Gedanke meines Herzens unverdeckt vor Ihnen da liegen fol. Mit den fepers fihften Echwüren mich zu verbinden, daß Eein Weib auf dem ganzen Erdboden, und wäre fie Kaiferinn bom Aufgang bis zum Miedergange, und böthe fie mie mit ihrer Hand die Herrſchaft von zehn Koͤnigreichen dar, meine Liebe von Ihnen abwenden, oder auch nur mit Ihnen theilen ſolle; mich zu verbinden, daß nur der Tod mich erkälten, nur das Grab uns trennen werde; gern bin ich zu dieſem Schwure bereit und werde halten, was ich ſchwur. Aber meine gefegmäßige Gemablinn (Er bätt inne.)

Bianca, Nun Aber Ihre geſetzmaͤßige Ge⸗ mahlinn?

Großh. Andere Pflichten bat Franz, der Ma nn, und andere Franz, der Großherzog, zu erfüllen. D daß er immer nur Jener zu feyn vermoͤchte, er würde den Letztern nie vermiſſen! Aber da Bianca felbft zürs nen würde, wenn er Demjenigen nicht nachzukommen ftrebte , was fürftlibe Geburt und was der Wohlſtand des ihm anvertrauten Volks erfordern ; fo vergeihe fid Mit (Gr ſtodt wieder.)

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Bianca. Ihr Schweigen iſt zu ſprechend, als daß ich es nicht deuten, Ihre Gründe find zu leicht verſtändlich, als daß ich fie nicht erratben follte. Ja, was noch mehr iſt, ich felbft billige diefes Schweigen“ und diefe Zweifel. Ich felbft, mein Prinz, begehre nie, daß Liebe zu mirin Ihnen den Fürſten erniedrige, Aber wenn Sie etwa glauben, daß meine Geburt nur mic) des Rechts beraube, mit Ihrer Hund beehrt zu werden, fo willen Sie hiermit, gnädigſter Herr, daß Sie ih irren. Sie fanden mich in Niedrig⸗ Eeit ; doch diefe Niedrigkeit war nicht urfprünglich mein Roos. Auch ich bin von Italiens edeſſtem Blute ents fproffen. Meine Familie , wenigitens fo alt als die Sprige, wußte ſchon zu befehlen, ald die Familie der’ Medicis noch lung und viel an der Grundlage ihrer Größe zu arbeiten hatte.

Gro bb. Bianco, Sie fegen mid in Erftaunen!

Bianca. Ob Das, was ichgeſprochen, er ſt a u⸗ nenswe rth ſey, weiß ich nicht; aber daß ih Wahr⸗ beit ſpreche, weiß ih, und bin erböthig, es Ihnen heller als dieſes Mittagsliht zu mochen.

Großh. (mit Eifer. O ſo beſchwore ih Sie, es zu thun: ſchwöre Ihnen, bey Allem was heilig iſt, Eann ich anderd bey Ihrer Heirath Liebe und Pflicht

‚verbinden , fo fteht ed nur bey Ihnen, die morgente Sonne als Sroßherzoginn von Toscand untergehen zu ſehen.

Bianca. Wohlen, fo faſſe ich Sie dann beym Worte! Wiſſen Sie hiermit, daß bie uͤnglückliche, die jetzt vor Ihnen ſteht, auf deren unedle Geburt Sie freylich mit vieler Wahrſcheinlichkeit von dem Staube, aus dem Sie uns erhoben, ſchloßen, als die einzige

Tochter des venetianiſchen Senator Capello geboren ward; eined Edeln, deifen Nahmen Euer Durchlaucht fiher Eennen müſſen; deſſen Geſchlecht xeich ift an Männern‘, glei) berühmt in Krieg und Frieden.

Großh. (eſtaunt.) Capello's Tochter, und Bo⸗ naventuri's Gattinn!

Bianca, Der Liebe Allgewalt erniedriget eben fo oft, als fie erhöht. Mein Her; wählte nah dem Werth der Seele, bevor ih noch den Stand des Geliebten kannte. Aber ald ich Pietro Bonaven⸗ turi meine Hand reichte, entfagte ich Feinesweges den Vorrechten meines angefehenen Stammes: er bat, fere den längſten Zeiten ſchon, der erſten unter allen jetzt klühenden Republiken derühmte Häupter gegeben; bat ihr Helden geſhentt, welchhe Feinde zu überwinden, Üserwundene zu ſhonen, ſtolze Begner zu demütbi- gen, und jeder Männertugend nachzueifern wußten.

Großh. Ich giaube es gern; aber fürſtliches Blut

Bianca. Rollt in den Adern venetianiſcher Ge: natoren eben fo gut, als in ten Adern eines Königs! Sie, gnäligitersserr, entfheiden über Toscana’ä Schickſal; mein Vater und feine Vorfahren entſchie⸗ den durch ihre Stimmen oft über das Schickſal von drey Königreichen, über ein weitläufiges Gebirth auf dem feiten Sande und über die ſtolzeſte, reichſte von allen Städten. Segen fey mit Sloren; ! Es it eine Perle ın Staliend Krone; aber feirdem das fiele Rom von feiner Größe gefunken it, hat Feine Stadt fo viel Anſpruch, der&delfteinin Welſch⸗ lands Stone zu feyn, als Venedig, die Madtige, vorder Meere und Länder zittern. Sie, mein Fürſt,

tra⸗

tragen das Diaden Ihrer Staaten felbft; meine Vor:

fabren, noch uneigennüßiger ald Cosmus, der große Mann! befeſtigte es auf der Stirne ihrer mütterli- lichen Republik, und behaupteten daſſelbe bald durch die Weisheit ihrer Rathſchlaͤge, bald durch Aufopfes rung ihres Blutes felbft. |

Großh. Mehr als zu überzeugend für mich! Aber auch für die Menge?! Iſt nicht ein mächtiger Uns terfchied zwifchen einem unbefhränften Monars hen und den Dienerneines Staats?

Bianca. Nein, gnädiger Herr! Auch die Ca« pello’s waren nie einem andern Heren ald den Geſetzen unterthan; Geſetzen, die ſie oft ſich ſelbſt gaben! Soll dieſe ein Fürſt nicht auch beobachten? Iſt er, und hieße er noch ſo unumſchraͤnkt, wenn er anders feine Pflicht erfüllt, mehr als des Staates erſter "Dies. ner? Es gab Nömerinnen, melde die Hund von Königen ausfchlugen, weilihre Väter über das Schick⸗ fal von Konigen entfhieden. Es gab Venetianerin⸗ hen, durch deren Hand Monarchen ſich ‚geehrt zu ſeyn dünften. Hat auf Catharina Cornara’s Haupt nit fhon die Krone von Cypern geglanzt? Iſt es nicht mehr als wahrſcheinlich, daß feldit der Fürſten⸗ but auf Ihrer Stirne, gnätigfter Herr, nur durch die Stimme einiger Capello's glänzt?

Großb. (auberſt erkaune.) Der Fürftenhut auf meiner Stirne durch Die Stimme einiger Capello's Befte Bianca, wohin treibt Die Ihr Geiſt?

Bianca. Eic haben Recht; es iſt der Geiſt die ner Benetianerinn, ver aus mir fpridt; Abel ih wundere mich, nice ganz in Ihnen den Geiſt des erfiern Cosmus zu finden.

Meißners Bianca Cap. 2. IH 6

Großh. (wie vorhin.) Des erjtern Cosmus? Mahre lich, Signora, ih muß Sie bitten, minder undeute ih für mich zu feyn.

Bianca. Eo hat mein Fürft wirklich des Zeits puncts fdon vergeifen, ald fein großer Ahnberr, vers bannt durch feine Neider, aus Florenz nah Venedig flüchtete? Als die Großmuth unferer Parrizier, und vorzüglich der Capello's, *) jenes edeln Verbannten fih annahm! Hat Er vergeffen, daß Venedigs Rath vorzüglich den Triumph bewirkte, mit welchem Cos⸗ mus jurüd in feine Heimath Eehrte, und die rufe beſiieg auf der ietzt noch ſein Urenkel mit verſtärktem and verdientem Glanze herrſcht?

Großh. Bey Gott, ich vergaß Deſſen, und fhäme mid nun!

Bianca. Wenn Ihre Unterthanen jeßt den Sürften ſegnen, ber fie gefürchtet im Arieg und fiher im Frieden macht; wen verdanken Eie die Glück? Venedig Senat! Wem verdankt es Großherzog Franz, daß er vonregierenden Häuptern abitammt und ſelbſt res giert Wenedigg Senat! Welchen Vorwurf können die Slorentiner ihm machen, wenn er, der Enkel des Erretteten, die Enkelinn jeiner Erretter doch ich vers geffe mich; vergefle, daß wohl Sie um meine liebe warben, aber nicht ich um die Shrige; daf Zie meine Vertheitigung des Rechts wohl gar fur eıne Zudring⸗ lichkeit halten Eönnten, die mich vor mir felbit ernie«

) Auf die wehre Geſchichte bezeugt: Daß der ältere Cos⸗ mus, Derienige, dem zuerſt Das Haus Medicis feiner wabren &röße Grund verdankte, feine Wırdereiufenung Yorzüglih durch Venedigs Senat bewirkt babe.

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drigen würde! Genug, Sie kennen nun Gavello’s Zochter ; und verbannen Sie Diefe auf das fchimpfs Iıhfte aus Shren Staaten, wenn fie fih ibrer Äls tern unwerth beträgt; wenn auch die glangentften Vers fprehungen , wenn Franzens ganzes Großherzogthum ohne feine Hand fie reizt!

Großh. So nehmen Sie dann, fhönfte Bianca, diefe Hand! Toscana's Großherzog biethet fie feiner füritlihen Braut. Ihre Gründe befiegen eben fo mäch⸗ tig ſeinen Verftand, als Ihre Reize feine Sinne und Ihre erhabene Seele fein Herz längſt beſiegt haben. Darf er ald Bräutigam nun um den Kuß ber Vers lodbung bitten? (@ie umarmend.)

Bianca. Er darf es, und findet Erwiederung ; aber aud nur ald Brautigam! (Da er eine Menge Küſſe auf ihre Tippen drücke, ſich endlich aurüdbeugend.) Prinz! Prinz! nennen Sie Das einen Kuß?

Großh. md ift einKuß dem Heißverliehten etwas anders, ald Meerwaifer dem Durftigen? es reizt noch mehr den Durft, es ſtillt ihn nicht.

Bianca. (lächeind.) Ey, warum ſagten Sie mir Dieß nicht eher? Es wäre für mid) ein Grund mehr gewefen, auch diefen Einen, aus Mitleid gegen Sie ſelbſt, Ihnen zu verweigern. Aber freylic find wir Frauen immer die Beute männlicher Lit. (Ihn artlich umarmend.)

Großh. (runken vor Freude.) Bianca, meine Bian⸗ ca! Wunder der Schönheit, und auch der Zugend ! des Verfiandes und der Beredſamkeit Wunder! Bey Ihnen ſteht ed nun, den Tag ſich zu erfiefen, wo Flo⸗ venz Fürſtenſchmuck Lie zu der erften Florentine⸗ sinn, und mic der Schlummer in Ihren Armen zum

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glücklichſten aller Erdenſöhne machen fol. Zwar febe ich fie ale bie Hinderniffe, die fi mir entgegene - fielen werden. Aber ich bin ein Werlobter, und bin ein Fürſt; laßt Den hertreten, der etwas dagegen zu fprechen Bat!

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Der Vorhang falle über den Verfolg biefes Ges ſpraͤches! Nicht, als ob Franz und Bianca irgend etwas gethan oder gefprochen hätten, wobey die Ge: genwart eines Engels, oder auch umgekehrt, die Gegenwart der Verleumdung ſelbſt, ihnen furdts bar hatte feyn können. Doch die Eeligfeit zweyer Lies benden, die zum eriten Mahl ſich wechfeljeitig für eine ander au fſchließen, bar der einzelnen bedeutungsvols len Sylben, hat der redenden Blicke fo viel, daß, bey MWiedererzählung derjelben, Abbreden und Schwei⸗ gen der befte Theil feyndürfte. Genug! Drey odervier Stunden entflogen den Glücklichen, als wären ed eben fo viele Decunden. Endlich mußte doh Bianca fo ſchwer e8 ihr anfam— den Großherzog erinnern: ob es nicht vieleicht fehicklich feyn dürfte, in den Zirkel feiner Staatsgefchäfte zurück zu Eehren; und fie trennıen ſich unter Küſſen, unter wechfelfeitigen Schwüren fi bald nicht mehr zu tfennen.

Sranzens ganze Seele hatte fi in die wenigen Worte: Laßt bertreten, mer dagegen etwas zu fpres chen hat! zufammengedrängt. Gleichwohl, aldernun, von Bianca entfernt, ein halbes Scundchen in feinen Gabinett eınfam hinbrachte; als er überdachte: war er verfproden, worauf er Hand und Schwur ahgelent babe? da Fonnte er fih doch nicht einıger ſchwan⸗

; Eenden Einwürfe gegen feines Lebens Elnftigen Plan ganz erwehren; da fraate er doch ein Paar Mahl fi ſelbſt: Habe ih auch recht nebandelt ? Werde ih auch halten können, was ich zufagte? Zwar die mehreften dıefer Zweifel flohen ſchnell wieder in ihr Nichts zu⸗ | rück: aber einer hielt Doch langer Stand; denn er war tiefer gegrlindet, alt bie Übrigen alle zufammen. Unter Cosmus Söhnen war Franz zwar ber Erfte geborne, doch nicht der Einzige, ihn lißerfebende ge: wefen. Er hatte noh zwey Brüder, Kerdinand und Pietro mit Nahmen. Der Letztere, fchon ſeit mehre— ven Jabren Genexal ih ſpaniſchen Dienſten, hatte eben dadurch gleichſam förmlichen Abſchied von ſeinem Va— terlande genommen. Im Kriege und Kriegsgetüm— mel ſchien er höchſt felten oder gar nicht mehr an feine Blutsverwandten und’ feine Geburtsſtadt zu denken : feinetwegen durfte der Großherzog feine, Furcht und Fein Bedenken ſich -anwandeln laſſen. Aber ganz anderd war der Fall mit Berdinand, dem Zwepten unter Cosmus Söhnen. Auch ex war Medicaer im weiten Verftande des Wortes; au ihn hatte die Natur keineswegs in einer ihrer fargen Augenblicke hervorgebradt. Denn edel war die Form feines Geſichts, ftolz der Bau feines Körpers, voll Anlage zum Gefühl des Großen und Schönen feine Seele. Doch viel hatte an diefem Letztern das Gift der Schmeichler, denen er früßzeitig Ohr und Herz aufthat, mehr nod) fein unbegrenzter Ehrgeiz verderbt. Schon ald Anabe in Geheim überzeugt, daß ihm Uns recht gefhehe, weis er nur der Zweptgeborne fey, batte er ſtets mit Neid auf feinen Bruder geblickt, hatte höchſtens nur dann brüderliche Liebe geheuchelt, wenn er, verſchwenderiſch in feinen Ausgaben, praͤch⸗

tig in feinen öffentlichen, mollüftig in feinen geheimen Ausgaben, wieder ein Mahl mit den Renten nit auskam , die fein Water ihm Beftimmt hatte. Frühzei⸗ tig zur Kirche beſtimmt, ald ein unmüntiger Nüngling ihon mit dem Purpurhut der Cardinals, Würde ges ſchmückt, war ihm zwar der Weg zur drepfachen Kro⸗ ne zu derjenigen erhabenen Etufe, die ſchon zwey Medicäer beftiegen hatten eröffnet worden. Dennoch behielt er ſtets die weltliche Füritengröße feines Haus fes ın Blick und Wunſch; harte lieber jetzt fhon zw Florenz, als vielleicht derzinft in Rom geherrfht. Eben deßhalb ſtrebte er fters nach Beybehaltung eines Eräfs tigen Eınfluifes in feiner Vaterſtadt; fuchte jede Eleine Unrube allda, jedes gährende Mißvergnügen anzus ſchüren und zu vergrößern ; galt immer für das beime liche Haupt einer beträchtlichen Partey von Unzufries denen ım Staate. Nur zu gut war Großherzog Franz mit allem Diefem befannt. Ecerzend pflegte er oft zu einigen feiner Vertrauten zu fagen: „Und wenn auch Alles „an mir meinem Bruder Ferdinand mißfällt, wenig⸗ „itens tt er Damit zufrieden, daß ih noch Einders „los bin!” Daß ein folher Bruder über eine neue Ehe Eein fonderlihed Wohfgefallen äußern, und daß ev zumahl über eıne Ehe diefer Art bittere Mißbilli⸗ gung bezeigen werde, Beydes war Franzen einleuch⸗ tenter ald Tageslicht. Daß Liefer Unwille bis zum öffentlihen Ausbruch fortfchreiten würde, war wahr: fheinlid; und daß der Unruhftifter dann Gefaͤhr⸗ ten feined Widerſpruchs, Theilnehmer feiner gewadt⸗ thäatigen Plane finden, daß der von ihm angeflimmte Son des Spottö und der Vorwürfe auf einen großen

39 Theil der allgemeinen Menge übergehen werde, war beforglid. Bruderzwift, Volksunwille, Staats⸗ jerrüttung alles Dieß konnte der milde Franz ſich nit obne Abſcheu denken. Die Liebe mußte daher bier ihre ganze Kraft aufbiethen, um zu fiegen, und. fie that es im vollften Bewußtſeyn ihrer Macht. „Bir „ih nihe Flirſt und Mann? Sf Bianca nicht die „Krone der Srauen®” fo rief Franz abermahle und war entihlojfen.

Am nadhften Morgen berief er in möglichiter Frühe feine geheimen Rathe, und machte fen Vorhaben ihnen - Eund. Alle ftzgten, ſtarrten ihn an, verbeugten ſich und? fchwiegen. Ein Einziger wagte doch feinen Empfindungen Worte zu geben. Philipp Mopdefini, hieß er, ein Greis, der fhon unter Cosmus Herr⸗ ſchaft für einen eigenfinnigen, unbiegfamen Starr⸗ Eopf gegolten hatte, unmwandelbar bey Drohung und Verluſt, unbeſtechlich durch Schmeicheley uny Gold, lauter in Worten und Thaten, wie ein ungetrübtes venetianiſches Glas; aber auch unverſöhnlich bey Bes feidigungen, unerbittlich. bey fremden Fehlern. „Er hatte ſchon drey Frauen verftoßen, und feine einzigen zwey Söhne enterbt. Er hatte dem Cosmus manden Rath ertheilt, den man im Verfolg richtig und weife ers fand, doch äußerſt felten einen, der gleih Anfangs gefiel. Auch unter gegenwärtiger Regierung war man daran gewöhnt, ihn oft widerfprechen zu hören, aber fait eben fo oft nicht auf ihn zu achten. Mehr noch als gewöhnlich ſchüttelte erjegt fein greifes Haupt, ſprach noch heftiger als forft gegen diefe Verbindung. Er ſchmaähte nicht etwa auf Bianca's fledenlofen Char. rakter; er beſtritt es nicht, aid Franz ausrief: eine

moon 40 —R

Seele dieſer Art adle mehr als die Abkunft von zwan⸗ zig Königen und als das Erbtheil von ſieben Fürſten⸗ thümern! Aber er blieb feſt und kalt quf der Behaup⸗ tung: ein Regent müſſe, in der Wahl feiner Gemah⸗ finn: felbft ouf die Vorurtheile der größern Menge: achten; und fen vielleiht ein Herr über Alle, aber nicht über jih feldft. Nabe war Franz an Unwil⸗ len und Zorn; doch bald füßte er fich wieder; er dankte dem greifen Modeſini für feine gutgemeinte Wärme, und blieb auf feinem Entſchluß.

Eine Bierreiftunde nah entlaffener Rathöder⸗ . fommlung war ſchon die große Neuigkeit; daß Bianca Bonaventuri beftimme fey, Thron und Lager mit dem Großherzog zu theilen, durch alle Straßen, alle Rins kel von Florenz erfhollen. Cie lief fort mit der Ge» fhwindigfeit des Lichtſtrahls und des Blitzes; aber fie übertraf dieſe zwey merkwürdigen Naturerfheinungen noch an Mannigfaltigkeit ihrer Wirkung.

Abraham geſtand einſt: daß er nicht vermögenb ſey die Sterne zu zählen. Er würde noch verleges ner geweſen ſeyn, hätte er jekt in Die Kerzen ber Höf⸗ finge fhauen, und den Miſchmaſch ihrer Gefühle bes ſchreiben follen. Zwar fhien auf After Geſichtern bie Iebhaftefte Freude zu glänzen: aber überall war es nur ein gebrochener Widerfchrin des Neides, ber Eir fegfucht und zwanzig verſchwiſterter Eigenfchaften ihrer beimtüdifhen Seelen. Wohl hundert von Florenz fhönften Damen wurden in der nähften Nacht ges fährlich krank. Mondragone's Gattinn mißhandelte thätlich in der erſten Hitze ihren Gomahl. Er litt Alles, denn er war verloren in dumpfem Erſtarren. So weit follie das Weib es bringen, das er einſt unterm Schin⸗

won Ai mem deldache wobnend fand! Sie, der feine Gemahlinn die erften Kleider borgte, fie glänzte jegt im großs berzogfihen Purpur! Mahriih, Das war mehr, alt er ſelbſt im Ttaume befürchtet hatte.’

Indeß fammelte aller hoher und niederer Adel fi eilends in Bianca's Pallaft zu Glückwünſchungen und Empfehlungen. Man ftaunte, ald man in ihrer -Miene noch ganz die vorige Befcheidenheit fand. Man ftaunte nody mehr, als fie in Aller Gegenwart ihren durdblaudtigften Bräutigam, der ihr verliherte, daß Alles fhon auf morgen bereit fey, innigft Bath: we⸗ nigitend noch einige Tage diefe Feyerlichkeit aufzuſchie⸗ ben, damit ihr Vater erft davon benadhrichtiget werde. „Er hatte zeither, fprady die Holde, des Grams um mich fo viel. Es iſt billig, daß ich feiner nun aud vor allen Andern gedenke, da er noch Freude erles ben fol.”

Ungern willigte Franz in den Auffchub; doch gab er fi endlich darein. Noch diefen Abend machten fich Abgeſandte an Capello und an den Rath zu Venedig auf den Weg. Es waren Baitfreunde des. Erftern, gran geworden in Toscana's höchſten Ehrenitellen; Mario Sforza und Antonio Tucci mit Nahmen. Um die greude des Waters durch Überrafchung zu verſtaͤr⸗ fen, erſchienen fie als bloße beſuchende, durchreiſende Fremde. Capello empſing fie detg zärtlider, da er fhon feit zwanzig Jahren fie nicht mehr gefehen hatte. Nach einem freutigen Mahle führte er fie in feinem Pallaſte herum. Allenthalben ſchien hier Lie. Pradıt eines unbefchranften Zürften zu ſchimmern. Erft ganz zuletzt führte er ſie in eine Bildergallerie, beitchend aus den Arbeiten der treiflihften Meiſter. Eine eigene .

l mern 42 Abtheilung derfelben war den Gemaͤhlden feiner Ahr gewidmet. Eine lange ehrfurchtswerthe Neihe! G rauıne Zeit fanden die Fremden und ſchauten, ehe ihr Urtheil darüber fällten.

Sforza. Wahrlich, Signor*) Capello, fiüı nicht Stolz; er ſtehe auch, wo er wolle imu am unrechten Orte; ich würde es dem erlaudten Ha der Capello nicht verdenfen, wenn ich Spuren die Denkart bey ihm antrüfe. |

Cap. Warum uns minder, ald Anbern? .

Sforza. Diefer Gallerie wegen! Die Gefchid Venedigs nennt ihren Nahmen mit Ruhm auf jei Seite ihrer Sahrbücher ; aber ſchwiege fie auch ge davon, doch würden Fremde, fo bald fie nur bi Gemählde Ihrer Ahnen fähen, keinen Augenblick I ger zweifeln, daß dad Haus der Capello ein groß edles Haus, ja eines der edelften fogar in ganz Welf land feyn müſſe.

Cap. Sie find fehr gutig!

Tucci. Wir find nur gerecht! und mein Freu Fam nur einen Augenblick früher im Lobe mir zum: Noh fah ih nie eine Gallerie, diejer glei. Geſicht von jedem diefer Männer die Züge böcfl Edr'maths; jede gran eine Schönheit. MWeiberreiz u Mannerwürde überall in nachbarlicher Verbindun

*) Ich weiß fehe wohl, daß ein venetlanch.e Senator fu ſehr üdel genannten baden wurde, men Man | nur S'onor, und nicht Ercellenz : angeredit hätte, M gezen alle dergleichen Lächerlichkeiten des Coſtums fünd ich mit ẽleiß,

Was Eann ein Geſchlecht, ſelbſt wenn es ein fürftfis ches wäre, mehr fih wünſchen?

Sforza. Und doch verzeihen Sie meiner Nens gierde, Tiebfter Freund, wenn id, Troß dieſer vielen

jegt gefebenen Gemählde, noch über ein ungefehene®

Sie befrage.

Cap. uͤber ein ungefehenes? Was meinen Sie

damit ? |

Sforza. Diefes hier! (Indem er mit dem dinger mad) eiver Ede bin deutet.) Warum verhüllt dieß Einzige ein afhgrauer Vorhang? Es fteht fo dicht neben Ih⸗ nen ; wahrfdeinlid muß ed daher eine Perfon vor fielen , die Ihnen nabe verwandt war , oder ift.

Cap. (mit dem Tone des Schmerzeht.) Ja wohl und leider fteht fie dicht bey mir! Ra wohl war fie leider mir nabe verwandt!

Tucci. Leider? Warım Das?

Cap. (mit herzlichem, halb teanrigem Tone.) Meine Sreunde, ich empfing euch fo fröhlich; dieſer feltene Beſuch erinnerte mih an das Glück unierer Jugend, an ale die zahlloſen Augenblicke ehemahls genoifener Freuden; ganz beitimmte ich daher diefen Tag der Hei— terkeit. Laßt ihm diefe Beſtimmung! Meine alten Augen mölbten heute nicht gern weinen.

Sforza. Verzeihung, Eignor! Hatten wir Das gewußt, wir hätten geſchwiegen. Aber wahrlid, die Thräne

Cap. Steht fhon in meinem Auge! Ich fühle ed ſelbſt. Nun wohlan, der erſtern möͤgen auch mebrere folgen! Indem er den Vorhang wegzieht. So feht denn das Bild, das diefer Vorhang deckt; das

wen 44 mer

nächſtens bald ganz von diefer Stelle weggenommen werden fol! Wie gefällt ed euch?

Tucci. Eine wahre Grazie !

Sforza. Der Schönheit und ber Sanftmuth Bild!

Cap. Und doch das Bild des Trugs!

Tucci und Sforza (als vrſtaunten fie.) Und des ‚Zeugs?!

Gap. Biancad meiner Tohter meiner geweſenen Tochter Bild meines ehemahligen- ein» jigen Kindes! O daß von mir und von dieſem Meibe (auf feiner Gemahlinn Bildniß geigend) daf une ter einem fo bimmlifhen Anſchein ein Geſchöpf ges boren werden Eonnte , welches die Ruhe feines Waters. fo unerjeglich zertrümmern, ihn zwanzig Sjahre vor . ber Zeit der Grube näher bringen Eonnte! BSGSforza. Aber was that fie denn, das eine fo tiefe Trauer verdiente ?

Cap. Ab, fie war mein Stolz, meine Hoff⸗ nung! Wer fie ſah, pries fie ald Venedigs Zierde ! Wer fie fab und hörte, pried mich ald der Väter glückliche ften. Die hatte noch ein Wort von ihr mich betrübt; nie hatte ein Blick von mir fie je befirafi. Da da Eam das Alter der Liebe; und ihre Liebe verirrte ſich; da (er ſchweigt eine Minute, endlich mit Schluchzen mühſam fit fafiend.) Kurz! die Buͤbinn floh mit ihrem Ver: führer. Nichts hab’ ich ferner von ihr geiehen, nichts von ihr gehört, (auts Her wenend) defto mehr hier em⸗ pfunden.

Sforza. Arıner Breund! und wer war denn der Mann oder der Sungling, mit dem Ihre Tochter entjlod 3

un 45 „even

Cap. Einer der geringften im VolE ein Hands lungsdiener der Salpiati. Schon die Liebe zu ihm war Schimpfes genug fir Capello's Tochter; aber auch zu entfliehen mit ihm! von einem Vater zu entfliehen, der fo heiß fie liebte! fo heiß, daß, bat!e er gewußt (fodt ein Paar Secunden, dann mit geänderten Tone.) Mein! Nein! ic will nicht fügen; Das hätte ich nie erlaubt, Lieber hätte ich ihr Auge ges fhloffen, ald ıhre Hand fo entehrt gefehen! @en Vorbang zugiehend.) Weg mit dir! Du warft nie meine Tochter! Mein Weib betrog oder ward betrogen!. Dein Loos fey dag Roos jener Elenden, die

Sforza. Halten Sie ein, Signor Gapello! Shmähen Sie nicht auf Ihre Gattinn, und nod inftandiger bitte ich, fluchen Sie nicht Bianca’n ! Sie. Eann allerdings des bittern Grames viel Ihnen gemacht haben; aber leicht möglih, daß fie auch der Freuden nody mebrere Ihnen Eiinftig erzeuge!

Cap. Sie mir Freuden? Sie mir? Sie, die Entlaufene! die laͤngſt Verwefene vielleicht ! ha! ba! ha! citter.) Zwar was geſchieht nicht Alles $ Hatte ichs je gedacht, daß ich laden würde bey der Erinnerung an diefen Unfall? Meine Tochter, meine einzige Tochter, und die Gattinn eines Mannes ans der Hefe des Volks! Eines Mannes, vom Schickſal ſelbſt zum Elend und zur Niedrigkeit verdammt!

„Sforza (Ccchnell diefe letzten Worte faffend.) In Elend und Niedrigkeit geboren vieftridt, aber nicht deßwegen auf immer dazu verdammte! Mit großen Gaben aufgerüftet und Das mußte der Mann ja wohl ſeyn, der einer Bianca gefallen Eonnte! hob fhon fo Mancher fih aus dem tiefiten Staube zu des

Staates hoͤchſter Würde empor; war freylich der erfte Edle feines Stammes; aber, unpartepifh betrachtet ‚um fo edler durch ſich felbft, da Eein Ahnenverdienſt, das zufälligfte aller Güter, ihn unterffügte. Wenn

nun, zum Beyipiele, der entflobene Bonaventuri an. -

irgend einen fremden Hofe fi bemerkt zu maden, die Gunſt des Fürſten ſelbſt zu erwerben gewußt hätte; wenn er jetzt, bingerafft durch einen frühen Tod,

feing Gemaplinn als Wirwe, aber im Anfprudhe auf -

jedes Glück binterliefe; würden Ste aud dann Bian⸗ ca'n nicht vergeben? Sie nit wieder Ihre Tochter nennen? Sie flarren mih an, Signor? Unfere Reden dünken Ahnen abenteuerlih ? Wohlan, fo finte nun die Hülle, die ſchon laͤngſt für mic) faſt allzu läſtig ward! Wiſſen Sie, Alles, was ich zur Zeit nur bedingungsweife, nur ald Möglichkeit vors trug, it Wirklichkeit. Eben die Bianca, um die Die fo lange getrauert haben, lebt noch; lebt Ihrer würdig; tt fhon feit geraumer Zeit des floren« tinifhen Hofes hoͤchſter Shmud; und Bonaventuri,

fo bitter von Ihnen verachtet, war unfers glorwürdig⸗

fien Süriten erflärter Günſtling.

Cap. (fib niederfegend, da er vor Erfiaunen fih nice mehr autscht halten Bann.) Iſt Dieß Trug eined Zraus mes oder Naufchest Diefe frohe Bothſchaft

Tucci (enfallend.) Iſt doch nur der Eingang zu noch froberen Borhihaften. Schon ſeit Jahresfrift u Bonarenturi todt, und binnen wenig Tagen wird Bianca ıyren Witwen-Schleyer mit dem großberzogs lichen Purvur von Floren, veriaufgen. Wir felbit erſcheinen, von dieſem Augendlick an, hier nicht als beſuchende Freunde, ſondern als Geſandie unſers Mo⸗

narchen und feiner fürftlichen Braut, mit Auftragen an Vater und Vaterland. '

Cap. (aufſtehend und feine Haare ſchü tteind.) Mein, Freunde, dieſe greifen Locken, ben Gott ſchwöre ich es euch! mir Ehren find fie weiß geworden; ihrer fpotten ıft Sünde.

Sforza. Werde fie fo hart beftraft, ald Suͤnde ‚genen den göttlichen Geift; uns trifft doc diefe Strafe nicht. Denn daß ih Wahrheit gefprochen, davon wird den DBater unferer Durchlauchtigen Fürftinn dieſer Brief gar bald Uberführen. (Eine ibm einen Brief.)

Cap. Ja, ja, it eb ift ihre Hand! MNachbem er es gelefen, mit aufgehobenen Augen und Händen.) Allgewaltiger Gott, dein ift die Macht und die Herr: ‚lichkeit! Todte Fannft du erweden, und Lebendigtodte Eannit du hoch zu Ehren bringen. O bu, der du dies fen abgefpannten Nerven noch ein Mahl des Lebens ' höchſte Wonne gönnen wollteſt, gonne mir. nun. auch Kraft genug, dieſe Wonne zu tragen! Du gibft mein Kind mir wieder; ſehen laß mich fie noch, und wäre ed auf Minuten nur, und dann fterben! (ber ausrufend.) Pietro! Marco! (zwen Bedienten ehfcheinen.) Man pade fogleich meine Eoftbarften Kleider und Sa⸗ pen ein! Bereite Alles zu einer Abreife mit dem frühe: fien Morgen! (Bediente ab.)

Sforza. Nur daß Ihr Alter verzriben Sie meiner Sorgfalt, Signor

Cap. Sch muß fie fehen! ih muß! Sie war mein theuerftes Kind von erfter Jugend an. Als ihr einziger Bruder farb, tranerte ih minder um fernen Tod, ald nachher bey ihrer Flucht. Ich muß jie fehen, und wenn diefe Wonne mich tödten fellte! Jede

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Stunde Verzug dünkt mir Einbuße und Vergehen. Und du hinweg, (den Vorhang wegreiffend), daß ihr Bild wieder werde, was ed ebemahls war, bie Zierde meines Hauſes; die Wallfahrı jeves Fremdlings! daß wieder Verzeiht, meine Freunde, verzeiht meiner Verwirrung ! Ihr wißt ja, das kein Waſſer ſtaͤrker be⸗ rauſct, als die Thraͤnen der Freude.

Mit Sonnenaufgang reiſete Capello nach Florenz ab. Die Geſandten blieben zurück und übergaben das Schreiben ihres Fürſten im vollen Senate. Stimmen der Verwunderung fhollen von jeder Seite ber, als es verlefen wurde. Viele mifigönnten wahrſcheinlich dem Geſchlechte des Capello diefes glanzgende Geſchick; doch zögerte der Senat nicht, fi wenigitens ſchein⸗ bar über die Ehre zu erfreuen, die einem aus ihrem Mittel durch Bianca’! Erhebung widerfahre, und Franzen für die Freundſchaft zu danken, mit welder er Diefes ihm Fund mache. Un auch jo viel ald möglich Gleiches mit Gleichem ;u vergelten, ward Bianca für eine Tochter der Nepubli erklärt; eine Ehre, die fonft nur Königinnen widerfuhr! Anfehnlihe Ges ſandten überbragten ihr diefe Ernennung und den Glückwunſch des Staats. Die feyerliche Vermaͤhlung folgte gleich darauf. Ganz Eurova bezweifelte Anfangs die Wahrheit des Rufes, und pries dann Biauca glücklich; nur Franz geitand laut, daß er durh den Bejig einer jolgen Gattinn ſich noch weit glücklicher fühle.

Bald bewies auch das Berragen Bianca’, Daß das Lob und Entzücken ihred Gemahls nicht ein dloßer

Tau⸗

wen BQ wie ..

Zaumel verblendeter Riebe, feine Wahl nicht bloß bie Wahl eines reizenden Körpers gewefen fey. Tauſenb edle, bisher noch verſteckt geblieberie Eigenfchaften ſtrahl⸗ ten nun in ſo vollem Glanze, daß ſelbſt die Fürſten⸗ Würde, nach dem Urtheil unparteyiſcher Richter, kaum mehr für ein Geſchenk des Schickſals, ſondern nur die Abtragung einer alten Schuld gelten Eonnte: „Du haft die Schönheit ſelbſt auf den Thron erhoben!” fo batten die florentinifhen Dichter ihrem Großherzog bey feinem Beylager zugerufenz bald festen die Geſchichtſchreiber weit rühmficher,, und minder figürlih, hinzu: „und nileich mit ihr auch die Tugend!”

Von nun an flüchteten ſich zu Bianca alle Diejes nigen, die in Florenz Bedrücdung fühlten, oder nur zu fühlen glaubten; vor ihr enthüllte ſich Manches, was felbit Franzens Augen entging; der eben feiner Mildigkeit wegen öft allzu fehr auf feinet Diener Treue ſich verließ. Wer unter dem Drude Mondragone’s oder eines andern Höflings ſchmachtete, übergab Bian⸗ ca feine Bittſchrift; wer Im Staube und umverdienter Armuth feufjte, ſuchte bey ihr Unterftügung; Jener fand dann Redt, und Diefer fat immer Hüffe; fand fie um defto williger, ‘je öfter Bianca fi) daran erine nerte, ehemahls felbft arm gewefen zu feyn. Scharen umringten ihren Wagen, wenn fie ausfuhr, und nanrig ten fie Mutter. Man pries fo unbegrenzt ihre Güte, daß felbft ihre Edrperlichen Reize obſchon ein« jig in ihrer Art doch für gering gegen ihre geifti- gen galten. Allgemeiner Neid hatte ſich bey ihrer faſt fabelhaften Erhebung fhon im Voraus zur Verleum⸗

Meißners Bianca Gap. 2.261. D

dung gerüſtet; aber eben diefe verſtummte beynahe eher noch, als fie anhob, und feldft die Böſen und Heimtückiſchen, verbannt von Bianca’ qAnblick, begnüg« ten fih nur in Geheim zu murren.

Eie ging fo weit, daß fie Kranken und Dürftie gen niche nur Unterſtützung fandte, fondern aud oft in verfiellser Kleidung brachte; daß fie die dans Eenden Seufzer der Geretteten, oder der im Tode noch Erquickten felbft mit vernahm; und daß fie oft ihr Lob von Perſonen preifen hörte, die weit entfernt waren, in diefer bereitwilligen Tröfterinn die Großherzoginn zu vermuthen. Ein Benfpivi ftehe hier von zehn Zaufenden!

Unter allen Edeiſteinen liebte Bianca wies‘ wohl fie nur aäußerſt festen fih zu fhmüden pflegte, vorzüglich ben Rubin, zog ihn jelbft dem Diamant vor und hatte mit ihrem Gemahl oft einen foherzhaften Wortwechſel daruber. Einft daher, am Tage ihrer Ge burt, brachte ihr Franz beym Morgengruß ein Hals band von den auserlejenften Juwelen diefer Gattung zum Geſchenke. Lange vrerweilte das Auge der Fürſtinn mir Wohlgefallen auf dem mitteliten Stein, der von außerordentliher Größe und Gluth der Farbe war.

„Ja, rief fie endlih, er ift fhon! Faum entjinne ich mich jemahls etwas Echöneres gefeben zu haben. Auch mag er wohl koſtbar big zum Übermaß, für dad Auge des Kenners feyn; und do halte ich eitle Thörinn mid) für vermögend genug, ſelbſt diefes treffe liche Geſchenk dir vergelten zu Fönnen.

wer Di een

Großh. Allerdings! Ein: einziger Kuß beines Mundes

Bianca: Nein, fo meinte ich es nicht. Aver wiſſe, ſeit vorgeſtern ſchon, mein trauter Gemahl, bin ich im Beſitz eines Schatzes, den ich bloß deßhalb noch verſchwieg, weil er mir es zu verdienen ſchien, nur an einem Tage, ſo feſtlich, wie mein heutiger | it, dir gefchenfe zu werden; eines Schatzes, deſſen inneren Werth gewiß alle beine Juwelen nicht Übers wiegen!

Großh. (vermunderungsvon.) Wie? Und biefer Schatz würe? Ä

Bianca. Dfein äußered Anfehen ift fehr gering! ieh, hier dieß leinene Tuch! ieh bier diefe Kleden, wie die Tropfen irgend eines eınfahen Wafers! Ers üthft du wohl, was ih meine! '

Großh. Dann möchten die Hieroglyphen der Ägypter mir ein leicht herzuleſendes Alphabet feyn !

Bianca Wohl wahr! Aber bu entfinnit dich doch des Leonaro Pazzi?

Großh. O ja, der Nahme eines Todfeindes ift eine Sache, die ſich nicht leicht vergißt! Bitterer und unverdienter haßt Satan die Gottheit: nicht, als Leonato das Haus der Meticis. Aber fern und flüchs tig irer auch ſchon längſt diefer Elende herum, der fonft mir und meinem Vater oft ziemlich nahe mit feı= nem Dolce gekommen ift.

Bianca. Daß doch die vorfihtigfte Rache ims mer noch fo blind zu feyn pflege! Wiſſe, diefer angebs lich Herummrende war vorgeitern noch in Florenz.

Oroßh. In Florenz?

D 2

eo. 52 .

Bianca. Wille nod mehr! dieſe eigenen 5 de, die Hänte deiner Gattinn, haben treulich das J rige beygetragen, feine Qual gelinder,, fein Elend | träglicher zu. machen.

Großh. Bianca!

Bianca. Daß du nidt etwa zuͤrneſt, bevor mich angehört und ausgehört haft!

Großh. Sprid, ſprich! Nie wüͤnſchte ich fel licher, als jeßt, daß du ſchon geendet hätteft.

- Bianca. So vernimm denn! Mit bem Te der Warnung kam neulich meine vertrautefte Kamm frau zu mir und bath mid: dir anzuzeigen, daß % nato Pazzi fih bier verborgen halte. Auch mir a diefer Nahme zur Genüge ſchon bekannt und fürcht lich; raſch wollte ich daher fogleich zu dir eilen; ı nur aus Vorſorge fragte ib noch vorher: wo? ı wie er fi befinde? Sie antwortete mir: „In b Haufe einer ihrer Berwandtinnen und auf ben T krank. Geftern. babe er gebeichtet, und eben hier! babe man, dur Behorchung, feinen bisher verfchn genen Nahmen erfahren. Schon feit drey Woch fuhr fie fort, leide er die entſetzlichſten Schmerz wünſche zu fterben und vermöge ed doch nit; in e gen Augenbliden der Fantafie wären ihm die ſchreckl ſten Flüche auf dad Haus Medicis entfahren; a beym zurückkehrenden Bewußtſeyn verberge er fo faltig diefen Groll und Alles, was fonft den 9 verratben könne.“ Ein feltfames Genifh ı Schauder, Mitleid und Wuͤnſchen, mir felbft un klärlich, ſtieg bey diefer Erzählung in mir empor. | verboth meiner Kammerfrau das Fleinfte Wort von al

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Dem ferner auszuplaudern; nahm einen einfahen Schleyer, und befahl ihr, mich Binzuführen. .

Großh. Nun wahrlich

Bianca. Es war ein Anblick, der das Se durchgriff! Ein Gerippe, ganz ohne Fleiſch, karg mit Haut bekleidet; das Geſicht eines ſchmerzlich Sterben« den; und doc) in feinen Augen noch Feuer und wilder, ftörrifcher Muth! In feiner Kraftlofigfeie felbft noch Spuren ehbemahliger Stärke! Wenn er.im Bieberfrofte mit feinen verlängerten Zähnen Elappte: wenn feine beinerne Hand langſam auf der wollenen Dede herun⸗ terfuhr,; wenn er immer Ruhe fuchte ung, deren nirs gends fand Franz, Branz, alle Folter eines Wuͤtherichs ift nichts gegen das langſame und dod vom Bewußtfeyn nicht verlaffene Abflerben einer weiland ftarken Natur.

Großh. Gewegtt) Und zu einem ſolchen grauſenden Lager konnte meine edle, zarte Gemahlinn ſich wagen?

Bianca. Wer von uns iſt ſicher, ſelbſt nicht dereinft“ auf ein aäͤhnliches zu kommen? Wann war der maͤchtigſte Fürſt unfterblih ?— Franz, da nannteft den Leenato Pazzi kurz vorher deinen Todfeind; aber ih bin gewiß, hätteft du in diefer Geftaft ihn erblidt, das Mitleid hätte ganz den "bisherigen Haß verdrängt.

Wenigftens mein Widerwille ſchwand dazin, wie Regenwaſſer, dad auf eine lodere Erde faͤllt; und was ich von Stund an than Eonnte, dad that ich auch redlich und gern, um ihm in den Wermuthskelch ſeines Todes wenigſtens eini, ſchmerzenlindernde Tropfen zu traͤufeln. Er erkannte es! Der Arzt hatte vorge⸗ ſtern ihm angekündigt, daß er dieſen Abend nicht mehr ſeyn wuͤrde; ich kam bald nach Empfang diefer gleich

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leidigen und freudigen Nachricht zu ihm; aͤußerſt ſchwach lag er ausgeſtreckt auf ſeinem Lager; auf ſeiner Stirn ſtand ſchon kalter Schweiß; aber er unterdrückte Wim⸗ mern und Achzen, und.zwang feine ſtammelnde Zunge, mir für die mannigfade, ihm erwiefene Sorgfalt Danf zu fagen. Ich unterbrach ihn. Du rühmft mich fo ſehr, ſprach ich; würdeſt du wohl auch dann ein Glei— ches noch thun, wenn du wüßteſt, wer ich waͤre? Großh. Wohl gefragt! Bianca. Sey, wer du willſt, antwortete er; bu bift meine großmurhigite Wohlthaͤterinn. Selbſt wenn du zu dem grauſamen Geſchlechte der Medizäer gehörteſt, doch wurte ich dich ſegnen. Nun wohl, Leonato Pazzu! Erſtaunen trieb fein ohnedieß ſtar⸗ res Haar noch ſtarrer einvor, als er ſich nennen hoͤrte. Nun wohl, veonato Pazzi, ſprach ih, fo ſegne mich dann! denn ich bin Bianca. „Bianca? Bians ca Eapelo?” ſchrie er mit einer Stimme empor, die feine menſchliche Zunge nachzuahmen vermödte : „Bianca, Großherzog Franzens Gemahlinn 1?’ „Ja, Die bin ih ? Und dur EFannteft mi! „Kannte dich langft! Ehe ih noch einen Schritt in dieſes Ger mach thai, wußte üb , wen ich barin antreffen würde.” Nun, o Gott, ſchrie er beynahe noch ftarfer old vorder fo haft du alfo in Lucifers Geſchlecht einen Engel verbannt ? Großh. Richtig: fe mußte ein Pazzi fpreden. Bianca. Er fhwieg fürhterlih einige Augens blike lang. „Weiß Franz, hob er wieder an, was dus thateſt 2” Mein! aber er foll es wiffen, und wird jih freuen, wenn er es erführt. „Er? Ha! der Verworfene!“ „Such ihm nidt; du kennteſt

won BE noson | nie Ihn Eennen; denn ihr ſeyd geerbte Feinde! Fluche ihm nicht, damit von Dem Nichterftuhl, ber noch in diefer Nacht deiner wartet, aud. dir Eein Fluch erihalle!” Er ſchwieg abermahld. Die Pauſe eines, Orkans! Der Sturm bridt nun entweder ftärfer her⸗ vor, oder die Sonne zeigt fih. „Unergründlid, rief er endlih, find deine Wege, ewige Vorſicht! Ich Eomme hierher nad Florenz, fo vermummt, fo ente ſchloſſen, fo gerüftet; und in der nahmfihen Stunde, da ich ausgehen und ihn niederftoßen will, wirft eine Krankheit mid auf's Qager, von der ich nicht wieber aufſtehe! Auf diefem Lager muß eine Medizäerinn, muß eben Diejenige,'die ih zur Witwe machen woll⸗ te, mich erquiden! Muß mid Eennen, und doch mir wohlthun! Alles verlor ih, Vaterland, Güs ter, Ehre, meinen Nahmen fogar; und nun fol ih aud aufgeben, was länger ald mein Leben felbft dauern zu wollen fhien ? aufgeben meine Feind— ſchaft gegen das Haus der Medicis? Nun ja, ja ich thu' es. Der Ewige ſegne Franzen um Bianca's willen!” Ein Strom von Thranen fhoß bier aus feinen Augen; er riß haſtig das Tuch weg, das ich in meinen Händen hatte. Hierher (indem fie einen Sleck zeige) flogen feine Thronen. „Bringe, Großherzoginn, fprady er, Dieß deinem Gemahl und fage ibm: Hier auf dieſes Zuc babe fein Todfeind Thränen der Vergebung und der Befüä- mung geweint; hier Ha5e”— Und ſieh, mein Theu⸗ ver, indem er noch weiter ſprechen wollte, verfiummte plöglih fein Mund, und der Stoß ded Todes durchs bebte ihn. Er hatte fih Eur, vorher ein wenig aufge-

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richtet auf feingm Lager; jegt fan er ſchnell rückwir und erblich.

| Großh. Gewegt.) Bey ber Mutter Gottes, 7 iſt ſonderbar! iſt ſo unglaublich daß man eb ı Bianca glaubt! O gib her, Theure, gib her d Tuch! Sieh, aud meine Tbräne mag darauf träufe! Wahrlich, du ſprachſt wahr, als du men Gefd mit einem noch £oftbarern zu vergelten verhießeft. 7 Orients feltenfte Perle ift gemein gegen ſolch eine Le wand. Ich gehe, und will ſogleich Befehl ertpeil den Leichnam des Leonato zu beerdigen.

Bıanca. Das ift er vor Sonnenaufgang ſchi

Großh. &o fey ein Marmor auf feiner Ru ftätte Beweis, daß auch ich ihm vergebe! daß a ih O edelftes aller edlen Weiber, wie ſchamr wird meines Lebens fchönfte That gegen dieſes Pr ftück deines Herzens beſtehen! Und wie geringfügig mein Thron für ſolch' eine Seele!

Konnte foldy eine" Seele wohl Feinde Haben? 1 doch hatte fie deren wirklich; hatte fie von der bite fien, furchtbarften Gattung. Lange lebte fie deßfe in einer glücklichen Unwiffenheit; aber auch diefe v fhwand endlich, verfhmwand immer noch viel: zu für ein fo fühlbares Herz.

Eines Abends, kurz vor ber zur Ruhe beſtimm Stunde, meldete Franzen einer von den Kaͤmmerli gen: fein Hofkanzler wünfhe in einer wichtigen 7 gelegenbeit ſogleich und allein vorgelaffen zu werd Etwas befremdend fchien dem Großherzog um bi

Zeit ein ſolches Begehren; doch erhob er fich fegleich in sin nachbarliches Gemach. Lange verweilte er in demfelben. Erſt nach Mitternacht kehrte er zu Bianea zurück, die indeß wach und aufgeblieben war. Deuts lih genug erkannte fie beym erften Blieck auf feine Ges fihtszüge: daß die ihm hinterbrachte Nachricht glei) wichtig ald unangenehm gewefen feyn müffe;. und bes forgt forfchte fie nah dem Inhalt derfelben. Aber ernft und Eur; verfiherte Sranz: es fey nichts von Belang; und Bianca yerfiummte. Nicht, ald habe fie buche ftablich diefen Worten ihres Gemahls getraut, fondern weil fie vermuthete: es fey ein Geſchäft des Staats; und weil fie ernftlich ſich die Pflicht auferlegt hatte, in nichts fi) einzumifhen, was die Regierung, oder den Regenten beträfe.

Schlaflos warf fid Franz den Überreft der Nacht auf feinem Lager umber; düfter war fein Bid beym Aufftehenz den größten Theil des Morgens verfchloß ex ſich einfam in feinem Schreibcabinett ; nur dem Kanz⸗ fer warb abermahls defien Thür; geöffnet , und das Geſpraͤch mit ihm mußte lebhaft geführt werden ; denn einige einzelne Worte fchollen bis in's Vorgemach. Als les Dieß entging Bianea's Aufmerkfamkeit nicht. Noch jwang fie ſich; doch ihre heimliche Unruhe flieg mit jeder Minute; und als Franz auch nad) dem Mittagss mahle der Vorige blieb ; ald er jeber Zerſtreuung, die ihm dargebothen ward, auswich; als er am Abend foaar in dasjenige Gemach, an deilen Schwelle fonft ftet6 jeder Zwang der Fürſtenwürde zu verſchwinden und vom flattlichen Großherzog nur der liebenswürdige Mann übrig zu bleiben pflegte als er in's Schlaf⸗ gemach felbft die Diiene des Kummers mitbrachte ; da

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Eonnte Bianca nicht langer fih zurück ‚halten; ba nüßte :fie eben fo klug, als zaͤrtlich, die Einfamkeit des Orts, und jenen ftillen Zwifhenraum, in wel« chem weibliche Liebe, weibliche Beredſamkeit ohnedieß fo übermächtig herrſcht. Indem fie innig und feſt ih⸗ ren Arm um feinen Naden ſchlang; indem fie mit fanftem und doch tief eindringendem Blick in's Auge ihm ſchaute; indem fie mit holdem und’ doch ſchwermü⸗ thigem Zone ihn fragte: Franz, find die Tage bed Zutrauend ſchon dahin? indem fie jeat Die Lippe zum Kuſſe ihm darboth, und jegt ſtumm und glühend ihre MWange an bie feinige ſchmiegte: wie hätte Franz fein Geheimniß länger für fih allein behalten können!!

„3a, ja, theuerfte Binnca! rief er: die Tage ded Zutrauend dauern noch; und follen erft dann fi enden, wenn mein Leben erlöfhe! Id laͤugne es nicht: mich drückt ein. fhwerer Kummer, und ich will ihn ausfchütten vor dir, weil bu es forberft. Aber rechne es mir dann nicht zu, wenn biefer m mein Gram auch auf dic) übergehen follte!

Bianca. D gern gern will ib bir ibn tra⸗ gen helfen, wenn du nur dadurch Erfeichterung fühleft.

Franz. Was glaubſt du wohl, daß mein. Kanzs fer in voriger Nacht mir hinterbrachte?

Bianca. Ich riethb Anfangs auf Zwiſtigkeiten zwifchen Rom und Florenz ; aber ich beforge nun

Franz. Daß von einer näheren Gefahr die Rede fey! Und dann hätteſt du Recht. Graͤßliche Meu⸗ tereyen glimmen im Innern meines Stauts, die Un:

vorficht eines Trunkenen, eines fogleih Verhafteten, bat entdedt: daß er gedungen ſey, mich zu er⸗ morden.

Bianca'cbetreten.) Ha, abſcheulich!

Großh. Und doch noch weit-adfrheuficher, wenn ih die Den nenne, der ihn muthmaßlich was fage ih muthmaßlich? der ihn gewifi dazu ertauft bar!

Bianca Nun?

Großh. Mein Bruder, der Cardinal!

Bianca. Dein Bruder! Ferdinand, der Cardi⸗ nal zu Kom? Unerbört!

Großh. Wüßteft du vollends bie face, die diefen nichtswürdigen Bruder verleitet oder mit welcher er wenigftend gegen bie Bundesgenoſſen feiner Boßheit diefen Entwurf befchöniget !

Bianca. ‚Öraufamer! Zittere ich nicht fhon ge- nug, daß du nun auch noch durch Zauderk mich quält? Sprich! Diefe Urſache?

Großh. Bil du!

Bianca. Ich? (Bleih und athemlos auf den nabe fiehenden Sofa finfend.) Wahrlih, Das war des Giftes fehr viel in fo wenigen Worten! |

Großh. user m Hütfe eitend.) Gott, Gott Bianca! Du wirſt doch nicht Ha! ich Unvorſichti⸗ ger! Theures Weib, vergib

Bianca Mein, ſorge nicht! ih werde nicht ohnmachtig. Vor gewiſſen Schmerzen flieht felbft die Betäubung. (Keine Pauſe.) Ha! nun fällt ein fürchterliches Licht auf fo Manches, was bisher mie dunkel war! Nun fehe ich ein, warum eine Kranke beit ihn abhielt, zu unferer Vermählung zu Eommen! Warum du immer fo Tangfam antwokteteſt, wenn ich

Pd

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nach ihm dich befragtet Warum O mein ther

Gemahl, vergib deiner Gattinn, wenn fie unwiffe und ohne es zu wollen, die füßen Bande | Bluts getrennt bat!

Großh. (fie umarmenn.) Die Bande dersi ſind mehr als zweyfach ſo ſüß! Auch war es immer das Blut, was mid und dieſen Bruder verei Unjere Herzen flimmten nie zufammen; immer pfl er in mir nur den Erben der väterlichen ( wals zu beneideyn, me den Bruder zu I ben. Von Jugend auf war Trug fein Odem, Unwahrbeit feine Rede. Vom erften Tage meiner gierung an war Er die Quelle meiner bitterften 2 drieglichEeiten. Und als ih noch ſchwankte und dachte, ob ich auch meine Hand dir darbiethen bär war Er der Hauptgrund meiner Bedenklichkeiten.

Bianca. Und verfhwiegft ed mr!

Großh. Weil ih ſelbſt einfah, wie nutzlos fer Zweifel ſey! Wie thöricht ih handeln würde, w ich meinem bitterflen Feinde zu Liebe meined Let höchſtes Glück von mir fliege! Sey daher ohne E gen, Qheure! Sch babe nichts zu yergeben! dieſen Widerſpruch war ich längſt gefaßt. Schon | nem Wefen nad muß mein Bruder in die (inden fie gärstich dey der Hand ergreift) die Tugend felbft | fen; doch ift diefeer Unwille über meine H rarch fiher nur ein Vorwand, hinter dem fein a Wunſchnach Aufruhr ſich verbirgt. Aber auh Andere fih zu ihm gefellen; Andere, bie mit dem Wein aus meinem eigenen Becher labte; Theil an jeber Freude meines Lebens, an jedem | danken meiner Seele nahmen auf bie ich mich verki

1 6 nee

faft feit dem Yugeniitd an, als ich erft reden lernte; Das Eränft mein Herz noch um Eins fo ſtark, und ih verzweifle num beynahe, einen Freund wieder zu finden, feit id Mondragone's Untreue erfuhr. . Bianca, Mondragone! Wie, auch er? Großh. Ja, eben Er nagt an meinem Herzen! Der Ausfage des Verhafteten zu Folge fteht er mir Serdinand im genaueften Briefwechfel; treibt ihn an, fi Taut und bald Über unfere Verbindung zu beſchwe⸗ ven; erbietbet fih ihm zur erfprießfichften Hülfe, wenn ed jemahls zu einer Empörung Eommen follte. Bianca. Abfheulih! Ein Undank, ſchwaͤrzer als ägyptifche Finſterniß! (Mit geänderten Tone.) Und boch, mein Gemahl, doch fpräde ih unnlahr, wenn ih mich anftellte, als befremde .mich dieſe Untreue allzu ſehr! Wahrlich, du felbft begingft fogar nur einen menfhlihen Irrthum, wofern du jemahls dich auf‘ Mondragone's Treue ganz verließeft. Ein wenig Nach⸗ denken nur, und du follteft Tängft bereitd mißtrauifch gegen diefen unwürdigen Günftling geworden feyn. Großh. (aufmertſam werdend.) Wie Das? Bianca. Sprich! Als deine erſte Abſicht bloß noch auf meinen Befig ging; ald.ih deine Ges liebte werden, unddoh Bonaventuri's Gat⸗ tinn bleiben follte; wer both dir zu deinem damahli⸗ gen Plan am erften, am willtgften die Hand ! Großh. Mondragone. | Bianca. Und als meine Tugend widerdand; als du den Entſchluß faßteſt, mit mir deinen Thron zu theilen, damit auch ich mit dir mein Lager theilen moͤge; wer fand da wieder dieſen Entſchluß

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feidigen und freudigen Nachricht zu ihm; aͤußerſt ſchwach lag er ausgeftredt anf feinem Lager; auf feiner Stirn - ftand (don kalter Schweiß; aberer unterdrüdte Wim⸗ mern und Ächzen, und zwang feine ſtammelnde Zunge, mir für Die mannigfade, ihm erwiefene Sorgfalt Danf zu fagen. Ic) unterbrach ihn. Du rühmft mid fo ſehr, ſprach ich; würdeſt du wohl auch dann ein Glei— ches noch thun, wenn du wüßteft, wer ich wäre? Großh. Wohl gefragt! 0 - Bianca. Sey, wer bu willſt, antwortete er; bu bift meine großmürdigite Mohlthäterinn. Selbſt wenn du zu dem graufamen Geſchlechte der Medizäer geborteit, toch wurde ig dich fegnen. Nun wohl, Leonato Pazzt! Erſtaunen trieb fein ohnedieß ftar« res Haar noch ſtarrer eınpor, als er fi) nennen hörte, Nun wohl, Leonato Pazzi, ſprach ih, fo fegne mich dann! denn ih bin Bianca. „Bianca? Bians ca Capello!” fchrie er mit einer Stimme empor, _bie Feine menſchliche Zunge nachzuahmen vermödte : „Bianca, Großherzog Franzens Gemahlinn ?’— „Ja, Die bin ich!“ Und du Eannteft mi! „Kannte dich Tangft! Ehe ih noch einen Schritt in dieſes Ger mach thai, wußte üb , wen ich darin antreffen würde.” Nun, o Gott, ſchrie er beynahe noch ftarfer als vorber fo haft du alfo in Lucifers Geſchlecht einen Engel verbannt? Großh. Richtig! fe mußte ein Pazzi fpredhen. Bianca. Er ſchwieg fürhterlih einige Augen: blike lang. „Weiß Franz, bob er wieder an, was dus thateſt ©” Mein! aber er foll es wiffen, und wird fih freuen, wenn er es erführt. „Er? Ha! der Verworfene!“ „Fluch ihm nicht; du kennte ſt

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nie Ihn Eennen; denn ihr ſeyd geerbte Feinde! Fluche ihm nicht, damit von dem Nichterftuhl, ber noch in diefer Nacht deiner wartet, auch dir Eein Fluch erfhalle!” Er ſchwieg abermahld. Die Pauſe eines, Orkans! Der Sturm Brit nun entweder ftärfer her⸗ vor, oder die Sonne zeigt ſich. „Unergruͤndlich, rief er endlih, find deine Wege, ewige Vorſicht! Ich Eomme bierber nad Florenz, fo vermummt, fo ente fhloffen ‚. fo gerüftet; und in der nahmfihen Stunde, da ich ausgehen und ihn niederftoßen will, wirft eine Krankheit mid auf's Lager, von ber ich nicht wieder aufſtehe! Auf diefem Lager muß eine Medizäerinn, muß eben Diejenige,'die ih zur Witwe machen woll⸗ te, mid erquiden! Muß mi Eennen, und do mir wohlthun! Alles verlor ih, Vaterland, Güs ter, Ehre, meinen Nahmen fogar; und nun fol ic) audy aufgeben , was länger ald mein Leben felbft dauern zu wollen fchien ? aufgeben meine Feind ſchaft gegen das Haus der Medici! Nun ja, ja ich thu' es. Der Ewige ſegne Franzen um Bianca's willen!” Ein Strom von Thraͤnen (hoß hier aus feinen Augen; er riß haftig dad Tuch weg, das ich in meinen Händen hatte. Hierher (indem fie einen Bted zeige) flogen feine Thrönen. „Bringe, Großherzoginn, ſprach er, Dieß deinem Gemahl und fage ihm: Hier auf diefes Tuch babe fein Zodfeind Thränen der Vergebung und der Beſchä— mung geweint; bier habe” Und ſieh, mein Theus ver, indem er noch weiter fprechen wollte, verftummte plöglih fein Mund, und der Stoß des Todes durchs bebte ihn. Er hatte fih Eur, vorher ein wenig aufge-

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richtet auf ſeinem Lager; jetzt ſank er ſchnell rückwir und erblich.

| Großh. (bewege) Bey der Mutter Gottes, 7 iſt ſonderbar! iſt ſo unglaublich, daß man es Bianca glaubt! O gib her, Theure, gib her d Tuch! Sieh, auch meine Thräne mag darauf träufel Wahrlih, du fprachft wahr, als du mein Geſche mit einem noch foftbarern zu vergelten verhießeft. 2 Orients feltenfte Perle ift gemein gegen ſolch eine Le wand. —Ich gehe, und will ſogleich Befehl ertpeil den Leichnam des Leonato zu beerdigen.

Bianca. Das ift er vor Sonnenaufgang ſche

Großh. So fey ein Marmor auf feiner Ru flätte Beweis, daß auh ich ihm vergebe! daß a ih D edelftes aller edlen Weiber, wie [hamtı wird meines Lebens fhönfte That gegen diefes Pr ftüd deines Herzens beftehen ! Und wie geringfügig mein Thron für fol’ eine Seele! |

Konnte fol’ eine’ Seele wohl Beinde haben? U doc) hatte fie deren wirklich; hatte fie von ber bitt fien, furchibarften Gattung. Lange Iebte fie deßfe— in einer glücklichen Unwiffenheit; aber auch diefe v fhwand endlich, verfhwand immer noch viel : r fa für ein fo fühlbares Herz.

Eines Abends, Furz vor ber zur Ruhe beſtimm Stunde, meldete Franzen einer von den Kaͤmmerli gen: fein Hofkanzler wunſche in einer wichtigen ? gelegenheit fogleidy und allein vorgelaffen zu werd Etwas befremdend fdhien dem Großherzog um bi

Zeit ein ſolches Begehren; doch erhob er fich fegleich in sin nachbarliches Gemach. Lange verweilte er in demfelben. Erſt nach Mitternacht kehrte er zu Bianea zurück, die indeß wach und aufgeblieben war. Deuts ih genug erkannte fie beym erften Blick auf feine Ges fihtszlige: daß die ihm hinterbrachte Nachricht gleich wichtig ald unangenehm gewefen feyn mife;. und bes forget forfchte fie nah dem Inhalt derfelben. Aber ernft und Eur; verficherte Sranz: es fey nichts von Belang; - und Bianca rerſtummte. Nicht, ald habe fie buch⸗ ſtaͤblich dieſen Worten ihres Gemahls getraut s fondern weil fie vermutbete: es fey ein Gefchäft des Staats; und weil fie ernſtlich ſich die Pflicht auferlegt hatte, in nichts fi einzumifhen, was die Regierung, oder den Regenten betrafe.

Schlaflos warf. ſich Franz den Überreft der Nacht auf feinem Lager umher; düfter war fein Bid beym Aufſtehen; den größten Theil des Morgens verſchloß er fi einfam in feinem Schreibcabinett ; nur dem Kanzs (er warb abermahls deſſen Thür; geöffnet , und dad Geſpraͤch mit ihm mußte lebhaft geführt werden ; denn einige einzelne Worte fhollen bis in's Vorgemach. Als les Dieß entging Bianea's Aufmerkfamkeit nicht. Noch jwang fie ſich; doc ihre heimliche Unruhe flieg mit jeder Minute, und als Franz aud) nad dem Mittags: mahle der Vorige blieb ; ald er jeber Zerſtreuung, bie ibm dargebothen ward, auswich; al6 er am Abend foaar in dasjenige Gemach, an deifen Schwelle fonft ſtets jeder Zwang der Fürſtenwürde zu verihwinden und vom flattlihen Großherzog nur der liebenswürdige Mann übrig zu bleiben pflegte als ex in's Schlaf⸗ gemach felbft die Miene des Kummers mitdrachte ; da

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Eonnte Bianca nicht länger fi zurüc halten; ba nuͤtzte :fie eben fo klug, als zärtlih , die Einfamkeit bes Orts, und jenen ftillen Zwifhenraum, in wel- chem weibliche Liebe, weiblide Beredſamkeit ohnedieß fo übermäcdhtig herrſcht. Indem fie innig und feſt ih⸗ en Arm um’ feinen Naden ſchlang; indem fie mit fanftem und*bocy tief eindringendem Blick in's Auge ihm ſchaute; indem fie mit holdem und doch ſchwermü⸗ thigem Tone ihn fragte: Franz, find die Tage bes Zutrauens ſchon dahin? indem fie jegt Die Lippe zum Kuife ihm darboth, und jegt ſtumm und glühend ihre Wange an bie feinige fhmiegte : wie hatte Kranz fein Geheimniß länger für ſich alein behalten können!!

„3a, ja, theuerfte Binnca! rief er: die Tage bed Zutrauens dauern noch; und follen erft bann fi enden, wenn mein Leben erlöfht! Ich läugne es nit: mich drückt ein. fhwerer Kummer, und ich will ibn ausfchütten vor dir, weil du es forderft. Aber rechne es mir dann nicht zu, wenn diefer m mein Gram auch auf dich übergeben follte !

Bianca. D gern gern will ib dir ihn tra⸗ gen belfen, wenn du nur dadurch Erleichterung fühleft.

Franz. Was glaubft.du wohl, daß mein. Kanze ler in voriger Nacht mir hinterbradhte ?

Btanca. Ich rieth Anfangs auf Zwiftigkeiten zwifhen Nom und Slorenz ;aber ich beforge nun

Stanz. Daß von einer näheren Gefahr bie Rede fey! Und dann hätteft du Recht. Graßliche Meu⸗ tereyen glimmen im Inneren meines Stan, bie Uns

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vorſicht eines Trunkenen, eines ſogleich Verhafteten, hat entdeckt: daß er gedungen ſey, mich zu er⸗ morden.

Bianca'betreten.) Ha, abſcheulich!

Großh. Und doch noch weit abſcheulicher, wenn ich dir Den nenne, der ihn muthmaßlich was ſage ich muthmaßlich? der ihn gewiß dazu erkauft hat!

Bianca. Nun?

Großh. Mein Bruder, der Cardinal!

Bianca. Dein Bruder! Ferdinand, der Cardi⸗ nal zu Rom? Unerhört! |

Großh. Wüßteft du vollends bie urſahe, die dieſen nichtswürdigen Bruder verleitet oder mit welcher er wenigſtens gegen die Bundesgenoſſen ſeiner Boßheit dieſen Entwurf beſchöniget!

Bianca. Grauſamer! Zittere ich nicht ſchon ge⸗ nug, daß du nun auch noch durch Zaudern mich quälit? Sprich! Dieſe Urſache?

Großh. Biſt du!

Bianca. Ich? GBleich und athemlos auf den nahe fiehenden Sofa fintend.) Wahrlih, Das war des Giftes fehr viel in fo wenigen Worten!

Großh. (ige su Hülfe eitend.) Gott, Bott Bianca! Du wirſt doch nicht Ha! ich Unvorſichti⸗ ger! Theures Weib, vergib

Bianca. Nein, ſorge nicht! ich werde nicht ohnmächtig. Vor gewiſſen Schmerzen flieht felbft die Betäubung. (Kleine Pauſe.) Ha! nun fällt ein fürchterliches Liche auf fo Manches, was bisher mie bunfel war! Nun ſehe ich ein, warum eine Kranke beit ihn abhielt, zu unferer VBermählung zu Eommen! Warum bu immer fo Tangfam antwokteteſt, wenn ich

' nah ihm dich befragtet Warum O mein theu Gemahl, vergib deiner Gattinn, wenn fie unmiffe: und ohne es zu wollen, die füßen Bande d Bluts getrennt hat!

Großh. (fie umarmenn.) Die Bande dersie ſind mehr als zweyfach fo ſüß! Auch wor es immer zn das Blut, was mid und diefen Bruder verein Unſere Herzen flimmten nie zufammen; immer pfley erin mir nur den Erben der väterliden E walt zu beneiden, me ben Bruder zu li ben. Von Jugend auf war Trug fein Odem, u Unmwahrheit feine Rede. Vom erften Tage meiner 9 gierung an war Er die Quelle meiner bitterfien V drieplichkeiten. Und als ich noch ſchwankte und Ab dachte, ob ich auch meine Hand dir durbietken duͤrf war Er der Hauptgrund meiner Bedenklichkeiten.

Bianca, Und verfchwiegft e$ mir?

Großh. Weil ich ſelbſt einfah, wie nuglos d fer Zweifel ſey! Wie thöricht ich handeln würde, we ich meinem bitterflen Feinde zu Liebe meines Lebe höchſtes Glück von mir ſtieße! Sey daher ohne St gen, Theure! Sch habe nichts zu vergeben! 2 dıefen Widerfprud war ich längft gefaßt. Schon fi nem Weſen nach muß mein Bruder in dir (indem Me yärtlich ben der Hand ergreift) die Tugend felbft 5 fen; doch ift diefer Unwille über meine He rarh fiber nur ein Vorwand, hinter dem fein alt Wunſchnach Aufruhr fih verbirgt. Aber d auh Andere fih zu ihm gefellen; Andere, die mit dem Wein aus meinem eigenen Becher labte; d Theil an jeder Freude meines Lebens, an jedem G danken meiner Seele nahmen ;auf bie ich mich verlie

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faft feit dem Augenne an, als ich erſt reden lernte; Das kraͤnkt mein Herz noch um Eins ſo ſtark, und ich verzweifle nun beynahe, einen Freund wieder zu finden, ſeit ich Mondragone's Untreue erfuhr. Bianca. Mondragone! Wie, auch er? Großh. Ja, eben Er nagt an meinem Herzen! Der Ausfage bed Verhafteten zu Folge fteht er mir „Ferdinand im genaueften Briefmechfel; treibt ihn an, fi Taut und bald Über unfere Verbindung zu beſchwe⸗ ren; erbiethet fi ihm zur erfprießfichften Hülfe, wenn es jemahls zu einer Empörung Eommen follte. Bianca. Abfheufih! Ein Undank, ſchwaͤrzer als aͤgyptiſche Finſterniß! (Mit geänderten Tone.) Und bo, mein Gemahl, doch fprähe ih unndahr, wenn ih mich anftellte, als befremde ‚mich diefe Untreue allzu ſehr! Wahrlich, du felbft begingft fogar nur einen menfhlihen Irrthum, mwofern du jemahls dich auf Mondragone's Treue ganz verließeft. Ein wenig Nach⸗ denken nur, und du follteft längft bereits mißtrauiſch gegen diefen unwürdigen Guͤnſtling geworben feyn. Groß h. (aufmertſam werdend.) Wie Das? Bianca. Sprich! Als deine erſte Abſicht bloß noch auf meinen Beſitz ging; als ich deine Ge liebte werden, und bob Bonaventuri's Gat— tinn bleiben follte; wer both dir zu deinem damahli⸗ gen Plan am erften, am mwilltgften die Hand f Großh. Mondragone. Bianca. Und als meine Tugend widerdand; als du den Entfhluß faßteft, mit mir deinen® hron zu theilen, damit auh ih mit dir mein Lager theilen möge; wer fand da wieder diefen Entſchluß

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am weifeften ? Wer beugte fi) am tiefften vor dir und mir?

Groß h. (etwas nachdenkterd.) Mondragone.

Bianca. Sieh, ſchon ſprachſt du jetzt bedenkli⸗ cher ſeinen Nahmen aus! Fühlſt du bereits, was ich meine? O kein Diener, der unſicherer, der bereite williger waͤre, beym kleinſten Gewinn und kleinſten Verluſt, ſeine Herrſchaft zu dertauſchen, als jene wil⸗ ligen Beförderer jeder fürſtlichen Laune, jene ſchaͤnd⸗ lichen Unterhändler fremder Lüfte! Ihnen gilt Alles gleich, was nur ihrer Habſucht, ihrem Ehrgeiz, ihren übrigen niedrigen Abſichten ſchmeichelt. Ihnen trauen, heißt auf des Meerufers einrollendem Sande praͤchtige Gärten und Pallaͤſte aufführen. Ihr Eifer iſt eine er: käufliche Warre, Sedem feil, der nur einen Scudi mehr in die falſche Wage ihres Ei,ennuged wirft. Wenn fie ein einziges Mahl ſich gekränkt fühlen

Großh. Ceinfafend.) Und womit hätte Monbra- gone ſich gekränkt fühlen können? Er, der unauege ſetzt meines Vertrauens genoß!

Bianca. Theilteſt du nicht wenigſtens ſeit eini- ger Zeit dieſes Vertrauen? Oder gabft du nidt viel mehr mir fihrlich den Vorzug? Go lange du der Ges mahl einer Gattinn warſt, der nur deine Hand, nicht dein Herz angehörte, war nit er, er dein Günſt— ling , dein bereitwilliger Diener jeder (mit etwas ger haltenem Zone) jeder Wünſche, im Beſitz großer Ders diene, die dann ſchwanden, als dein Her; eine fefte Mahl traf? Zede geliebte Gemahlinn mufte für ihn eine verhbaßte feyn; und zumahl ich id, die ich vorher nicht allzu glimpflich manchen feiner Vorſchlaͤge beantwortet , feinen angebothenen Schutz, ziemlich

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bitter, mir verbethen hatte! O Franz! Wenn fi als wahr erhärtet, weifen man Mondragone anſchuldigt; wenn entledigt fein Poften wird, weißt du wohl, auf welden deiner Räthe ich did dann verzüglig zu ade ten bitte ?

Großh. Auf wen! Wunſche, meine theure Ge⸗ mahlinn! Nenne ihn mir, und deine Vorſprache fol erhört werden !

Bianca (läben.) Nein, noch Eann id ihn bie nicht nennen; aud ſollſt du in allen foldyen Zallen nie beiner Gemahlinn Vorſprache, fondern nur ihre Gründe, wenn du fie richtig findeſt, befolgen. Es gibt der Augenblicke viel, wo der Fürſt ganz den Batten es fol ihrer fogar einige geben, wo er den Menfhen vergeflen muß.

Großh. (etwas ungeduidig. So fage doh, auf wen?

Bianca. Auf Denjenigen, der, als du unſere vorhabende Verbindung deinem geheimen Rathe zuerſt bekannt machteſt, am lauteſten, wiewohl mit gebüh— rendem Anſtand, dir ſie widerrieth; der, als die Übrigen dir ſchmeichelnd Glück wuͤnſchten, feſt bey feis nem Kopffhütteln,, feinem Achſelzucken, ſeiner zwei⸗ felvollen Kälte blieb.

Groß h. (erfaunt.) Wie? Den! Es gab aller: dings einen folgen Mann; aber Den kann Bianca empfehlen 3

Bianca. Sch kann es! Weil id) fiher bin, er meinte ed damahls redlich mit dir; weil ich eingeftehen muß, unfere Verbindung war damahls noch man⸗ chem Zweifel, mandyer Beforgniß unterworfen; weil ich aber auch hoffen darf, Beyde feitdem gehoben, ſtets

4 w.. 64 mic fo betragen zu haben, daß mein ebemahliger G er nun mein Freund geworden ift, oder noch w den wird.

Groß h. Vortrefflichſte deines Gefchlechts ! De Einfiht, deine Weisheit gleicht deiner Tugend. A ſprich, melde Mapregeln foll ich jegt gegen mein Bruder und Mondragone ergreifen ?

Bianca. Diejenigen, die und faft nie gerem die Maßregeln der Güte und der Großmut Ih glaubte, du bätteft bereits ‚beine Vorkehrung getroffen.

Großh. Noch war es nur ber erfte Anfäng ı umgänglicher Vorſicht. Montragone, wie du weil lebt ſchon feit einigen Wochen auf feiner Villa unw Piſa. Er erbath ſich diefen Urlaub unter dem Vorwa ſchwächlicher Gefundpeit. Er bedient ſich deſſen wal fheinlih nur, um deito verborgener feine Plane « jufpinnen , feine Bothen ab;ufenden. Ich habe v traute Männer beordert, die ihn von Weitem beoba ten, bie jih bemühen follen, einen oder mehrere f ner Briefe aufzufangen, damit dann befto unbezw felter feine eigene Handſchrift ihn überführe. Auch Kom (Ein Kämmerer tritt herein.)

Kämm. Verzeihen Eure Durdlaudt, wenn. ungerufen herein zu treten wage. Der Hofmarſch Mondragone befindet fih im Vorzimmer, und bit! aufs allerdringendfte um die Erlaubniß, vorgelaff gu werden.

Groß h. (erſtauut.) Mondragone? Er hier, u allein? Unter welchem Vorwand?

Kamm. Ganz auein, und unter der Verſich

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rung , daß et Dinge von äußerfter Eile und Wichtige keit Euer Durchlaucht zu binterbringen habe.

Großh. (Bianca andtidend.) Fa, was giltd, er bat bereits erfahren Liede Bianca, was fol id thun? ... Bianca. Daß du noch zweifeln kannſt! Ihn vorlaſſen und hören. Selbſt dem uͤber⸗ führten muß es nicht an Gelegenheit ſich zu verthei⸗ digen gebrechen, geſchweige dem bloß Angeklagten;

Großh. Und wage ich nicht zu viel?

Bianca. Was wagſt du gegen einen Einzigen in meiner Gegenwart in der Nähe von deinen Waren? . |

St oßh. ((u Bianca.) Wohl wahr! (um Kamme⸗ ser.) Er mag’ hereintreten. (Kammerer geht ad; Mondras gone tritt gleich darauf mit ehrerbiethiger Derbeugung ein.)

Großh. «mie Hedeutendem Tone) Vortrefflich, Mondragone! Ihr kommt ungerufen, als ich fo eben befchloifen hatte, nah Euch zu fenden.

Monde. (unerfhroden Nah mir fenden? Ha! dann wäre doch wohl das Gefühl meiner weiffagenden Seele kein Selbftbetrug gewefen! Dann errache ich im Boraus vieleicht, was diefe Worte Euer Durclaucht und diefer ernſte, mir allerdings fremde Blick fagen wollen. 0

Großh. Nur wäre es auch unglaublich kühn, daß Ihr dann noch mich anzublicken wagtet! (mit etwas neändertee Stimme) Laß mich an dein Herz fühlen, Mondragone, und id werde willen, ob du richtig räthit.

Mondr. Diejes Herz flüge ruhig, felbft wenn Ener Durdlaudır immer finiterer werdendes Auge den

Neißners Bianca Gap. 2. Thl.

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Tod, oder was mehr ald der Tod ſelbſt mich fömerzen würde Ihre Ungnade mir ankündete. Denn auch dann, au dann noch würde mich das Bewußtfeyn meiner Treue, das Gefühl meiner unwanbelbaren Er⸗ gebenheit troͤſten!

Groß h. (mit dem Finger ihm deobend. .) Montragone, Moridragone, fündige nicht allzufehr auf Rechnung meiner Langmuth! Häufe nicht noch größere Schuld auf dich, da du-unter der bisherigen ſchon erliegft! Dem reuigenTreuloſen Eönnte ich vielleicht no verzeihen; aber, bey Gott; dem trotzigen Vers räther, und dem ertappten Heuchler verzeibe ih nie!

Monde. Dem mag die Öottheit felhit nicht ver« zeihen! Mein Zürft! Vor meinen Augen Tiegt jetzt deutlich genug Ihrer Seele Innerftes und Ihr Irrthum (da Branz ihn unterbrechen will, mit noch ſtärkerem Nachdruck) und Ihr Irrthum! Wergönne mir men Füuͤrſt eine Ers Härung dieſer Worte, und er wirb dann finden, daß fie weder falfch gewählt noch pflihtwidtig waren. Ich weiß, daß ih angefhuldigt worden; ich weiß, daß Schein, taufhender Schein gegen midy fpruht. Aber wenn id, reden darf, fo hoffe ich auch darzuthun, daß ed nur der Schein fey.

Großh. So rede!

Bianca. Sollte meine Gegenwart vielleicht hindern

Mondr. Vielmehr iſt eben dieſelbe mir außerik erwünſcht. Unſchuld ſcheut ſich nie vor Zeugen, ſie wünſcht ſolchen ſich öfters: auch würde meiner Großherzo⸗ ginn himmliſch holdes Auge der Schüchternheit ſelbſt noch größern Muth ertheilen. (Mit dem Anſtand des ſchuidlo⸗

feften Sewiffens.) Ed höre mich denn des großen Cosmus gleidy großer und noch gerechterer Sohn! Er entfcheide nicht nad) meiner , fondern nad feines Herzens Stims me! Raum war die Verbindung meines Zürften gewiß . und. allbeEannt geworden, als der Cardinal, mißnius tbig, wie alle Welt im Voraus errieth, durch Briefe und heimlich abgeſchickte Botben meine Gedanken von diefer Vermählung auszuforigen ſuchte „Ihr feyd „nun,” ſchrieb er mir, „der Diener einer ehemahligen „Bürgers⸗Frau geworden; fagt mir dod, wie ges „fallt euch eure neue Herifhaft?” Men Blut ers ſtarrte, als ich dieſe Zeilen las; ed erftarrte noch mehr, als bald darauf auch mündliche Anreizungen zu Ein⸗ verftändniß und Aufruhr an mid ergingen.

Großh. Vortrefflih! und du Eonnteft Beydes mir verſchweigen?

Mondr. Das wollte ih nicht; vielmehr war mein erſter Gedanke zu Euer Durchlaucht hinzueilen, zu Ihrem Füßen dieſes verrächerifche Schreiben zu legen, und die Männer anzuzeigen, die einem folden Bubens ftü die Hand biethen Eonuten; aber mitten auf bem Wege zur Burg hielt eim zweyter Gedanke mich noch zurück. „Alfo fol, ſprach ich bey mir ſelbſt, das erlauchte Haus von Florenz Fürſten -uneinig unter ſich feldft zerfallen ? Ein Bruder foll gegen den andern fih waffnen? Und ich, ich Unglücklicher, bin beſtimmt dazu, den Schleyer wegzureiifen, den Abgrund aufzus ſchließen, der den gütigften Herren aus feiner bisheri⸗ gen Ruhe auffhreden muß? Ad, und erweife ih ihm, dur Beraubung feines fügen Srrtbums , wohl wirklich den Dienit, den ich glaube?” Hier über: bachte ich einige Augenblicke lang den Character des

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wen 6 mn.

Cardinals; fanmelte die Erinnerung an jeine guten Eigenſchaften, wie an feine Fehler, und wog Beyde gegen einander: Von feiner Jugend an war Ferdinand heftig in feinen Empfindungen, aber fenkbar in feinen Maßregeln gewefen ; hatte freylich fehr oft übel ges wählt, aber auch immer gern auf die beifere Stimme eines kältern Rathgebers gebdrr

Großh. (pottend.) Wirklich? hätte er Die ge than ? ?

"Mondr. (ungeirrt.) Wenigitens war mein Bors ſchon oft Eräftig genug bey ihm gewefen, und aus Dies fer Erinnerung entiprang der Vorſatz: erfi no, bes vor ich ihn bey Euer Durdlaucht verklage, das letzte Mittel feiner Beiferung zu verfuhen. Ein Brief, in dem ich Alles femmelte, was meine Reber zum Lobe meiner Fürſtinn ſagen konnte; wo ich alle Rednerkunſt und alle Kraft des wahren Wohlwollens, mit' der noch größern Stärke der lautern Wahrheit vereinte, ging des andern Tages ab, und beſchwur Euer Durchlaucht Bruder brüderlich gegen meinen Gebiether zu denken. Nicht lange blieb die Antwort aus; aber ah, fie war nicht, wie ich fie erwartete und wünfte.

Großh. Nun —und doch -hieltefi du auch Diefe mir zurück!

Mondr. Noch bieft ih fie zurück! Dem nun erft hoffte ich den Dienft, den ih Euer Durchlaucht erweifen Eönne , vollwichtig zu machen. Der Cardinal glaubte, Das fah ich deutlich aus feiner Antwert, nur noch höher meine Hoffnung fpannen zu bürfen, um dann von der Pfliht und Treue gegen meinen gürs ften mich abzuziehen. Deßhalb that er mir Erbiethun« gen vom hoͤchſten Werth; deßhalb ließ er mich noch

tiefer in dad Gewebe feiner Maßregeln blicken ; pries deren Sicherheit, und forderte abermahls meinen Bey⸗ ffand.

Großh. CGieter.) Fürwahr, ſehr unvorſichtig für einen Medizäer und noch unvorſichtiger für einen Prieſter gehandelt!

Monde. (gefaßt bleſbend.) Auch mich nahm Dieß Wunder; doch je unermwarteter diefer Umſtand war, je mebe, glaubte ih, fey es Pflihe ihn zu nüßen. Nichts fhien mır nun erfprießlicher für Euer Durchs Taucht wahres Befte zu ſeyn, ald wenn ich mich nach⸗ gibig gegen Ferdinands Antrag, wanfend in meiner Unterthand: Treue anftellte; wenn ich durch diefe Vers ftellung allmaͤhlig Allee durchſpaͤhte, und dann erſt die Summe der fammtlien Erfahrungen meinen: Fürſten darlegte, um ihn ın den Stand zu fegen, mit einem Bli⸗ cke der VBerfhwörung ganze Kette zu überſchauen, mit einem gewaltigen Streiche fie zu zerrrümmern.

Großh. (mir ſoöttiſchem Ligen.) Vortrefflich! Und das Hinderniß, warum ba einen. fo weiſen, fo nutzvollen Plan nicht durchführteft ?

M ondr. (ungeirrt in feiner Baffıng.) Wie Eönnte gerade Euer Durchlaucht dieſes Hindernig fremd feyn ? Nahe ftand ich bereits meinem Ziel; in wenigen Zagen hoffte ich den zweckmäßigſten Augenblick erſhei⸗ nen zu ſehen. Schon träumte ih von Gewißheit Ih⸗ res Dankes, vom Wachsſthum Ihrer Huld, von einer Feuerprobe meines Dienſteifers, da da erfuhr ich geſtern durch einen eigenen ſchnellen Bothen: „Marco „Badini ſey verhaftet worden! Warum ? wäre noch „jetzt ein Geheimniß.“ Mir war es keines! SH kenne ihn allerdings, dieſen Marco Badini, ale einen

vo... 68 nerea

am weifeften ? Wer beugte ji am tiefften vor und mir? Groß h. (etwas nachdenkerd. Mondragone. Bianca. Sieh, ſchon ſprachſt du jetzt beder cher ſeinen Nahmen aus! Fühlſt du bereits, was meine? O kein Diener, der unſicherer, der ber williger waͤre, beym kleinſten Gewinn und klein Verluſt, feine Herrſchaft zu dertauſchen, als jene ligen Beförderer jeder fürftlihen Laune, iene ſchaͤ lichen Unterhändler fremder Lüfte! Ihnen gilt A gleih, was nur ihrer Habſucht, ihrem Ehrgeiz, ib übrigen niedrigen Abfihten ſchmeichelt. Ihnen trau heißt auf des Meerufers einrollendem Sande prädı Gärten und Pallüfte aufführen. Ihr Eifer ift eine käufliche Waare, Sedem feil, dernur einen &c mehr in die falſche Wage ihres Ei,ennußes wi Wenn fie ein einziges Mahl ſich gekrankt fühlen Großh. Ceinfattend.) Und womit hätte Monk gone fi) gekraͤnkt fühlen Eönnen? Er, der unaus fegt meines Vertrauens genoß! | Bianca. Theilteft du nicht wenigſtens feit ei ger Zeit diefes Vertrauen? Oder gabft du nicht vi mehr mir fihrlid den Vorzug? So lange du der G mahl einer Gattinn warſt, der nur deine Hand, n dein Herz angehörte, war nit er, er dein Gür ling, dein bereitwilliger Diener jeder (mit etwas haltenem Zone) jeder Wünſche, im Beſitz großer V dienfte, die dann ſchwanden, als dein Herz eine fi Mahl traf? Zede geliebte Gemaplinn mußte ihn eine verhaßte feyn; und zumahl ich id, ich vorber nicht allzuglimpflich mandyen feiner Vorſchl beantwortet, feinen angebothenen Schuß , ziem

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bitter, mie verbethen hatte! O Franz! Wenn fih als wahr erhärtet, weifen man Mondragone anſchuldigt; wenn entledigt fein Poften wird, weißt du wohl, auf welchen deiner Rärhe ich did) dann vorzüglich zu ach⸗ ten bitte ?

Großh. Auf wen? Wünfie, meine theure Ges mahlinn! Nenne ihn mir, und deine Vorſprache foll erbört werden !

Bianca (acqelnd.) Mein, noch Eann id ihn bir nicht nennen; aud ſollſt du in allen folden Zallen nie beiner Gemahlinn Vorſprache, ſondern nur ihre Gründe, wenn du ſie richtig findeſt, befolgen. Es gibt der Augenblicke viel, wo der Fürſt ganz den Batten es foll ihrer fogar einige geben, wo er den Menfden vergeflen muß.

Großh. (etwas ungeduidig. So fage doh, auf wen?

Bianca. Auf Denjenigen, der, als du unſere vorhabende Verbindung deinem geheimen Rathe zuerſt bekannt machteſt, am lauteſten, wiewohl mit gebüh— rendem Anſtand, dir fie widerrieth; der, als die Übrigen dir ſchmeichelnd Glück wuͤnſchten, feft bey feis . nem Kopffhütteln, feinem Achſelzucken, feiner zwei= felvollen Kalte blieb.

Groß h. (erkaunt.) Wie? Den! Es gab aller⸗ dings einen folgen Mann; ; aber Den fann Bianca empfehlen ?

Bianca. Sch kann es! Weil ich ſicher bin, er meinte es damahls redlich mit dir; weil ich eingeſtehen muß, unſere Verbindung war damahls noch man⸗ chem Zweifel, mancher Beforgniß unterworfen; weil ich aber auch hoffen darf, Beyde ſeitdem gehoben, Rete

wer 64 area Ä - mich fo betragen zu haben, daß mein ehemahliger Geg⸗ er nun mein Freund geworden ift, oder noch wer⸗ den wird.

Groß h. Vortrefflichfte deines Geſchlechts! Deine Einfiht, deine Weisheit gleicht deiner Tugend. Aber ſprich, welche Maßregeln foll ih je&t gegen meinen Bruder und Mondragone ergreifen ?

Bianca. Diejenigen, die und faft nie gereueni, die Magregeln dee Güte und der Großmuth. Ich glaubte, du hätteft bereits deine Vorlehrungen getroffen.

Großh. Noch war es nur der erſte Anfang uns umgänglicher Vorſicht. Mondragone, wie du weißt, lebt ſchon ſeit einigen Wochen auf ſeiner Villa unweit Piſa. Er erbath ſich dieſen Urlaub unter dem Vorwand ſchwaͤchlicher Geſundheit. Er bedient ſich deſſen wahr⸗ ſcheinlich nur, um deſto verborgener ſeine Plane an⸗ zuſpinnen, feine Bothen abzuſenden. Ich habe vers traute Maͤnner beordert, die ihn von Weitem beobach⸗ ten, die ſich bemühen ſollen, einen oder mehrere ſei⸗ ner Briefe aufzufangen, damit dann deſto unbezwei⸗ felter feine eigene Handſchrift ihn überführe. Auch nach Kom (Ein Kämmerer tritt herein.)

Kämm. Verzeihen Eure Durchlaucht, wenn id ungerufen herein zu treten wage. Der Hofmarfhall Mondragone befindet fih im Vorzimmer, und bittet aufs allerdringendfte um die Erlaubniß, vorgelaffen gu werden.

Groß h. Cerkaunt.) Mondragone? Er hier, und allein? Unter welchem Vorwand?

Kamm. Ganz allein, und unter ber Verſiche⸗

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rung , daß er Dinge von äußerfter Eile und Biätige keit Euer Durchlaucht zu binterbringen habe,

GrofXb. (Bianca andlidend.) Pa, was gilt, er bat bereits erfahren Liede Bianca, was fol ich thun?

Bianca. Daß du noch zweifeln tannſt! Ion vorlaffen und hören. Selbſt dem ÜÜber« führten muß es nicht an Öelegenheit fi zu vertheis digen gebrechen, gefhweige dem blog Angeklagten;

Großh. Und wage ich nicht zu viel?

Bianca. Was mwagft du gegen einen Einzigen in meiner Gegenwart in ber Nähe von deinen, Waren? |

Großh. (Au Bianca.) Wohl wahr! (um Kamme⸗ rer.) Er mag’ hereintreten. (Kämmerer geht ad; Mondras gone tritt gleich darauf mit ehrerbiethiger Derbeugung ein.)

Großh. «mie Hedeutendem Tone) Vortrefflich, Mondragone! Ihr Fommt ungerufen, als ich fo eben beſchloſſen hatte, nah Euch zu fenden.

Monde. (uneriheoden? Nah mir fenden? Ha! dann wäre doch wohl das Gefühl meiner weiffagenden Seele kein Selbftbetrug gewefen! Dann errache ich im Boraus vieleicht, was diefe Worte Euer Durdlaucht und diefer ernſte, mir allerdings fremde Blick fagen wollen.

Großh. Nur wire es auch unglaublich kühn, daß Ihr dann noch mich anzublicken wagtet! (mit eiwas deänderter Stimme) Laß mich an dein Herz fühlen, Mondragone, und ich werde wiſſen, ob du richtig räthit.

Mondr. Diejes Herz ſchlaͤgt ruhig, felbit wenn Ener Durchlaucht immer finfterer werdendes Auge den:

Neißners Bianca Cap. 2. Thl. E

ron 66 mem Tod, oder was mehr ald der Tod ſelbſt mich fümergen würde !— Ihre Ungnade mir ankündete. Denn aud dann, aud dann ned) würde mich das Bewußtſeyn meiner Treue, dad Gefühl meiner unwanbelbaren Er⸗ gebenheit troͤſten! Großh. (mit dem Finger ihm deobend. .) Montragone,

Mondragone, fündige nicht allzufehr auf Nebnung -

meiner Langmuth! Haͤufe nit noch größere Schuld auf dich, ta du unter der bisherigen ſchon erliegſt! Dem reuigenTreuloſen Eönnte ich vielleicht noch verzeiben; aber, bey Gott, dem trotzigen Ber räther, und dem ertappten Heuchler verzeihe ich nie!

Mondr. Dem mag die Gottheit ſelbſt nicht ver⸗ zeihen! Mein Fürſt! Vor meinen Augen liegt jetzt deutlich genug Ihrer Seele Innerſtes und Ihr Irrthum dda FSranz ihn unterbrechen will, mie noch ſtärkerem Nachdruch) und Ihr Irrthum! Vergonne mir mein Fuͤrſt eine Er⸗ klaͤrung dieſer Worte, und er wird dann finden, daß fie weder falfch gewählt noch pflichtwidrig waren. Sch weiß, daß ich angefhuldigt worden; ich weiß, daß Schein, taͤuſchender Schein gegen mid) fpricht. Aber wenn ic) reden darf, fo hoffe ich aud) darzuthun, daß ed nur der Schein fey.

Großh. So rede! .

Bianca. Sollte meine Gegenwart "vielleicht hindern |

Mondr. Vielmehr ift’ eben diefelbe mir dußerfk ermünfct. Unſchuld ſcheut fih nie vor Zeugen, fie wünſcht folchen fid) öfters; auch würde meinerÖtoßherzos ginn himmliſch holdes Auge der Schüchternpeit felbit noch größern Muth ertheilen. (Mit vom Anſtand des ſchuidis⸗

ſeſten Sewirtens.) Es höre mid) denn bed großen Cosmus gleidy großer und noch gerechterer Sohn! Er entfheide nicht nad) meiner , fondern nad feines Herzens Stims

me! Kaum war die Verbindung meines Fürſten gewiß

und. alldefannt geworden, als der Cardinal, mißmu⸗ thig, wie alle Welse im Voraus errieth, durch Briefe und heimlich abgeſchickte Botben meine Gedanken von diefer Vermählung auszuforfhen ſuchte „Ihr feyd „nun,” fchrieb er mir, „der Diener einer ebemahligen „Bürgers⸗Frau geworden; fagt mir doc, wie ges „fällt euch eure neue Herrfhaft?” Meın Blut ers ſtarrte, als ich diefe Zeilen las; es erftarrte noch mehr, als bald darauf auch mündlıhe Anreizungen zu Ein⸗ verftändniß und Aufruhr an mich ergingen.

Großh. Vortrefflih!" und du Eonnteft Beydes mir verſchweigen?

Mondr. Das wollte id nicht ; vielmehr war

mein erfter Gedanke zu Euer Durchlaucht hinzueilen,

zu Ihren Füßen diefes verrätherifche Schreiben zu legen, und die Männer anzuzeigen, die einem ſolchen Buben» ftüd die Hand biethen Eonuten; aber mitten auf dem Wege zur Burg hielt eim zweyter Gedanke mich noch zurück. „Alſo fol, ſprach ich bey mir ſelbſt, das erlauchte Haus von Florenz Fürſten -uneinig unter füch feldft zerfallen? Ein Bruder foll gegen den andern fih waffnen? Und ih, ich Unglücklicher, bin beſtimmt dazu, den Schleyer wegzureiifen, den Abgrund aufzus fließen, der den gütigften Herrn aus feiner bisheri⸗ gen Ruhe auffhreden muß? Ad, und erweife id) ibm, durch Beraubung feines füßen Irrthums, wohl wirklich den Dienit, den ich glaube?” Hier über: dachte ich einige Augenblicke lang den Character des E 2

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Cardinals; fammelte die Erinnerung an feine guten Eigenfhaften, wie an feine Fehler, und wog Beyde gegen einander: Von feiner Jugend an war Ferdinand heftig in feinen Empfindungen, aber lenkbar in feinen Mafiregeln gewefen ; hatte freplich fehr oft übel ges wählt, aver auch immer gern auf die beifere Stimme eines Ealtern NRathgebers gebdrr

Großh. (pottend.) Wirklich? hätte er Dieß ge⸗ than? ?

"Mondr. (ungeirrt.) Wenigſtens war mein Wort ſchon oft kräftig genug bey ihm geweſen, und aus die⸗ ſer Erinnerung entſprang der Vorſatz: erſt noch, be⸗ vor ich ihn dey Euer Durchlaucht verklage, das letzte Mittel ſeiner Beſſerung zu verſuchen. Ein Brief, in dem ich Alles ſammelte, was meine Feder zum Lobe meiner Fürſtinn ſagen konnte; wo ich alle Rednerkunſt und alle Kraft des wahren Wohlwollens, mit' der noch größern Stärke der lautern Wahrheit vereinte, ging des andern Tages ab, und beſchwur Euer Durchlaucht Bruder brüderlich gegen meinen Gebiether zu denken. Nicht Tange blieb die Antwort aus; aber ah, fie war nicht, wie ich fie erwartete und wünſchte.

Großh. Nun und doch hielteſt du auch Diefe mir zurück?

Mondr. Noch hielt ih fie zurüd! Denn nen erft hoffte ich den Dienft, den ih Euer Durchlaucht erweifen könne, vollwichtig zu maihen. Der Cardinaf glaubte, Das fah ich deutlich auß feiner Antwert, nur noch höher meine Hoffnung fpannen zu dürfen, um dann von der Pfliht und Treue gegen meinen Für⸗ ften mich abzuziehen. Deßhalb that er mir Erbiethun« gen vom höchſten Werth ; deßhalb Tieß er mich noch

ns 69 soo tiefer in das Gewebe feiner Maßregeln bficken ; pries deren Sicherheit, und forderte abermahls meinen Beys fand.

Großh. cbieter.) Fürwahr, ſehr unvorſichtig für einen Medizäer und noch unvorſichtiger für einen Prieſter gehandelt!

Monde. (gefaßt bleſdend.) Auch mich nahm Dieß Wunder; doc je unerwarteter diefer Umſtand war, je mehr, glaubte ih, fey es Pflicht ihn zu nützen. Nichts ſchien mır nun erfprießliher für Euer Durds Taucht wahres Beſte zu feyn, als wenn ich mich nach⸗ gibig gegen Ferdinands Antrag, wankend in meiner Unterthand: Treue anftellte; wenn ich durch diefe Vers ſtellung allmählig Adee durchfpähte, und dann erft bie Summe der fammtlien Erfahrungen meinen Sürften darlegte, um ihn in den Stand zu fegen, mit einem Bli⸗ cke der Berfhwörung ganze Kette zu überſchauen, mit einem gewaltigen Streiche fie zu zertrümmern.

Großh. (mir ſpöttiſchem Lagern.) Vortrefflih! Und das Hinderniß, warum bu einen fo weifen, fo nußvollen Plan nicht durchführteft ?

M ondr. (ungeirrt in feiner Baffıng.) Wie Eönnte gerade Euer Durchlaucht dieſes Hinderniß fremd feyn f Nahe ftand ich bereits meinem Ziel; in wenigen Tagen hoffte ich den zweckmäßigſten Augenblick erſhei— nen zu feben. Schon träumte ib von Gewißheit Jh: res Dinkes, vom Wahsthum Ihrer Huld , von einer Feuerprobe meines Dienfteiferd, da da erfuhr ich geftern durch einen eigenen fhnellen Bothen: „Marco „Batıni fey verhaftet worden! Warum? wäre nod „ießt ein Geheimniß.“ Mir war 06 Eines! SH kenne ihn allerdings, diefen Marco Badini, ald einen

nm 70 nesen

Kundſchafter des Cardinals, als einen Kopf vol Nine fe und Unfinn voll Tollkühnheit und Feigheit zus gleich ; ſchlau genug, wenn ed ihm glücklich, zitternd und Eriehend , wenn es ſchlimm ‘geht. Seine Verhafs tung , ıh geitebe es frey klinge es auf den ers fien Ton fo ſeltſam, fo ſtrafbar als man wolle ſcholl wie ein Donner in mein Ohr. Denn daß nun Alles - enthüllt, Alles Verdierft, daß ich mir durch die erfle Entdekung erwerben wollen, verfhwunden fey, ſah ich deutlih; daß jener Ertappte meinen Nahmen mie anzugeben nicht vergeffen haben werde, vermuthete ih; und in welchem [handlichen Lichte, in welcher vers suchten Geſtalt ih dann vor Euer Durdlaudt Geiſtes⸗ Augen ſtehen würde nein, nein! diefan Gedanken, ſchmerzlicher als der qualvollfie Tod am Hochgerichte, vermochte ich nicht , auch eine Stunde nur gelaſſen zu ertragen. Deßhalb fammelte ich fogleih mit Eile und Übereilung meinenöthigften Brieffchaften; deßhaib warf ih mich auf mein ſchnellſtes Pferd; deßhalb gab ic mir feldit auch nicht eine Minute Ruhe und Raſt, bis ih bier anlangte, und Oelegenheit fand, vor nieinem Gebiether mich zu rechtfertigen.

Groß h. (mit center Würde) Mondragone! Kannſt dus wirklich hoffen: deine ehemahiige Erziehung habe meinen Geiſt fo ganzleer an Menſchenkenntniß gelajlen, daß ich diefes elend zufammengeftoppelte Mahrchen die glauben follte?

Mondr Dieß die Art von Antwort, die ih voraus ſah! Dieß ein Mißtrauen, das fid von felbft entfihuldigt ! Aber, wenn zu meiner Rechtfertigung nicht fon ein Leben genügt, das ich von Jugend auf Ihrem Vater und dann Euer Durchlaucht felbft wide

von 71 ws.

mete, ein Leben voll Dienfteifer und Inbrunſt, wo nie ein Schatten des Verdachts, nie eine Spur von Untreue mir zu Schulden Fam; wo oft bes Füuͤrſten wictigfte Geheimniſſe unentdeckt in meinem Bufen fchliefen ; wo fein leifefter Befehl meinen Fuß beflügels

te, meine Kraft verboppelte; wenn diefed Leben jetzt

vergeffen oder verfhmäaht werben follte, fo fpreche wer

nigitens diefer Beweis für mid! (indem er ipm ein,

Pavier überreicht. Hier auf diefer Nolle werden Euer Durchlaucht ein vollftändiged Verzeichniß ihrer Feinde wenigftens derer, die ich Eenne finden. Barbe der Schrift und Ausführlickeit des Vortrags werden

zeugen, daß es nicht ein Werk von geftern, nicht et⸗

wa beffimmt war, den heiligen Anfer im Sturm zu maden. Es follte, wenn mein erfter Plan nicht ges fheitert wäre, zum Hauptbelege meiner ‚Eröffnung dienen; follte waͤhrlich mehr, als bloße Berzeipung mir erwerben.-

Großh. (indem er das Bergeihnig durablicke.) Uns endlier Bote! Iſt es moͤglich ? So viel habe ich der

Haſſer? Und unter ihnen Männer, die nie ein Blick,

nie ein Bedankte von mir beleidigte! Männer, die id mit Wohlthaten Überhäufte! Ungeheuer, die ich mit meinem Herzblut nährte! Ja, Mondragone, diefe Lıfte, wenn fie. wahr befunden wird, erwirbt Vers geihung. \ Monde. Euer Durchlaucht verzeihen dann nur meiner Langfamfeit, nur dem Schein, der gegen

mid fpriht; mein Merz, ich betheure es bey meinem

und Shrem Leben, war Ihnen nie entfremdet. Gleichwohl ift dieſes Verzeichniß, und die genauere Auskunft, die ich zu geben erböthig bin, nur die Eleis

were 73 ... nere Hälfte desjenigen Dienftes, ben ich zu I vermag. An Ewr. Durchlaucht Wilffür ſteht es, ne.geringen Kräfte noch zehnfach ausgibiger zu ni Ein mäßiges Zutrauen ift das Mittel hierzu.

Großh. Rede! Ich verftehe Dich nicht!

Mondr. Entſinnt fi mein Fürſt noch aus Lieblingsbuch feiner Jugend der Geſchichte des C und der Panthea? Entſinnt er ſich noch eines gew Araſpes?

Großh. (verwunderungtvoll.) und wenn ich | nun feiner entfanne ?

. Monde. Aid diefer Arafpes die Huld, bie f nende Behandlung feines Königs zu vergelten fuc auf welde Ars that er Dieß? Nicht, inden änßerlih ein Abtrünniger von Cyrus warb, umb Herzen. fein glühendfter Freund blieb? Nicht, in er fogar zum feindlichen Feldherrn Üüberging, bald ner gebeimften Anfchläge Eundig ward, jeden derfel dem perfifhen Monarchen heimlich anzeigte, und hierdurch mehr, als ein ganzes Hülfsheer, nügte! Nicht?

Groß h. Allerdings!

Mondr. Wohlan! Eines Wortes, eines - genwinkes von Emwr. Durchlaucht bedarf ed, und können am Bufen ihres unbrüderlichen Brnders ei glei nüglichen Freund fid erwerben. Cyrus zu fe Eann Shen nicht ſchwer fallen; ich bin erböthig, | Arafpes zu fpielen.

Großh. Ha, Verräther! Biftdu nun fertig: deinem Gewebe von Trug und Boßheit? ſchmeicht du dich auf eine fo plumpe Art, deine Gregheig und

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Verſchonung von der verdienten Strafe zugleich zu gewinnnen ?

Mondr. (tar) Es gehört ganz die innige Ers , gebenheit dazu, bie ih für Euer Turchlaucht fühle, ganz das dreifte Bewußtfeyn eines ſchuldloſen Gewiſſens, um unerfhüttert bey fo häufigen, jo unverdienten, fo unerwartet zurückkehrenden Vorwürfen zu bleiben. Verzeibung fol ic erft zu erwerben bemüht feyn? Ener Durchlaucht ficherten ja (den vor weni: gen Minuten mir fie zu! Nach meiner Freyheit ſoll ih durch dieſen —** ſtreben? Wann ward Dieſe bisher noch gekränkt? Oder was wäre mir leich- ter als ſie zu ſichern geweſen? Nicht durch eine Wa⸗ he von Euer Durchlqucht abgeholt, durch meinen ei⸗ - genen Antrieb gefpornt, Eomme ich hieher. Zwölf Mei⸗ Ien liegt die Billa, auf welcher ih mıd befand, von der Grenze des Kırenftaat6, und funfzig von Flo⸗ renz. Vier Mahl ſchneller hätte mich mein Roß dort⸗ bin, als bierher getragen. Ehe meine Flucht ein Auge wahrnahm, ein Kundfipafter belaufchte, war ich ges retter. Mit offenen Armen hätte Ferdinand mich em⸗ pfangen; hatte gewiß 9 mein Gebiether, lernen Eie fernerhin genauer ihre Freunde kennen! Fühlen Sie inniger die ungefchminkte Wahrheit: daß nur der Eifer für meinen Fürften mich hierher berief ! Nur für ihn, den ich ſelbſt erziehen Half, den ich ald Knaben fhon auf diefen Armen trug, den ich auffproffen, empor wachſen, blühen und Früchte tragen fah nur für ihn kann ich mich jetzt zu einer Rolle erbietben, die ju den allerfchwierigften, allermißlichften gehört,

Großh. Und-zu den fhimpflidften obendrein ! Geſetzt, Montrogone, ich glaubte deinen bisherigen;

Keden fo unglaubfid fie find! Gefekt, ich hielte für einen Beweis deiner Tiebe und Treue, was mir die ſchwaͤrzeſte Treuloſigkeit fheint; wie Eönnte idy eis nem Manne trauen, der fih mir den Wer äther eines Andern zu fpielen erbiether ?

Mondrag. Und warum eben den Verräs ther? Könnte ich nicht auch jeßt noch des Ausſsh⸗ ners edlere Rolle übernehmen? Iſt nicht überhaupt der Nahme Verräther eine Ungerechtigkeit, wenn er anf einen Mann angewandt wird, der feinem re ht maͤ⸗ Bigen Oberherrn in rebhtmäßiger Sache fen ed auch durch Hülfe einiger nothwendigen MWers ſtellung zu dienen gedenkt? Habe id dem Große herzog Franz, oder dem Cardinal Ferdinand treu und unterthan zu feyn geichivoren t Habe ib dody nein! Sch will der Gründe und Rechtfertigungen niht ned mehrere fuchen? Schalte mein Gebiether Über mich, wie ed ihın gut däucht! Entziehe er mir fein Vertrauen, oder ſchenke er es mir noch Eunf:ig! Beſtrafe er meine Unvorſichtigkeit, oder belohne ev meinen redlichen Wile len! Befehle er mir nad Rom oder in den Kerker -u geben , ih murre nie! Mis unwandelbarer Treue, der ihr eigenes Bewußtſeyn genügt, gehorche ich feie nem Gebothe.

Mondragone ſchwieg bier. Keine zagende Miene hatte fein Geſicht entſtellt; Eein Stoden ben Fluß feiner Worte gehemmt. Er ftand vor feinem Richter, nicht wie ein Beklagter, fondern wie ein verkannter, beleidigter Btedermann flieht. In defto ſtaͤrkerer Uns

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entſchloſſenheit ging mit großen Shritten Franz einige

Mahl im Zimmer auf und ab.’ Zahllofe Gedanken durhwogten fein Gehirn. Er Eonnte es ſich ſelbſt nicht abläugnen: daß er Mondragone bisher ges liebe, und nicht die Eleinfte Spur der Untreue an ihm gefunden habe; Eonnte e6 nicht läugnen, dap er. feine Vertheidigung maͤnnlich führe, und daß er zu ihr freywillig ſich geſtellt habe. Gleichwohl waren auf der andern Seite die Vermuthungen gegen ihn ſo wichtig, die Gründe für ſeine Unſchuld ſo unwahrſcheinlich, und ſelbſt der Vorſchlag, den er that, nur noch ein Verdacht mehr.

Eden deßwegen hatten, Sros aller Kunſt, feine

Worte bisher nur wenig gewirkt, doch defto jtärker die durchgeſetzte Unerfhrocdenheit feines Tons, der Sleihmuth feiner Miene, und die Würde feines Anftands Schon begann almählig der gutmüthige Franz zu.zweifeln, daß Werftelung fo weit geben Eonne. Seine edle Seele ſträubte fi) gegen den Blau: ben an Laſter, deren Unmöglichkeit er zu empinden wähnte. Er warf einen forfhenden Blick auf feine, diefe ganze Zeit über fhmweigende Gemahlinn: aber fie fuhr nicht nur fort zu ſchweigen, fondern entfernte fich auch ganz. Etwas Ifeltfam dünkte Franz dieſes Betragen, doch war es an ſich felbft leicht erklaͤrbar. Denn zu flark war der Perdacht, den Bianca gegen dieſen Höfling hegte: und doch Eonnte fie gleichfalls feiner Rechtfertigung nichts Gründliches entge⸗ genſetzen. Ihre gerade, lautere Seele verabſcheute den von ihm vorgeſchlagenen Plan einer tückiſchen Vers ſtellung, und doch konnte fie deffen fcheindaren Nutzen nicht abläugnen. Wohlbedaächtig wollte fie

vode 76 wo.

baker von jeder Billigung ober Misbilligung gleich entfernt ſich halten.

Ihr Weggehn vermehrte des Großherzogs Un- ſchlüſſigkeit und des Hoöͤflings Muth. Auch ſt um m war ſie für Mondragone eine gefaͤhrliche Gegnerinn geweſen. Jetzt rief er noch ein Mahl dem Fürſten alle feine geleifteten oder angeblichen Dienfte ind Gedächt⸗ niß zurück; führte weitläufiger aus, was er Eurz vorher nur zufammen gedrängt harte ; geftand, Daß er gar wohl fähe, daß Bianca ihm abgeneigt wäre; überrafihte dadurch aber den Fürften durch die Frage:. Ob nidt Sr. Durchlaucht ehemahliger eiges ner Befehl die erfte Duelle von dem Uns willen feiner jegigen Gemahlinn fey!— Franz flocte; er vermochte nicht, ganz Dieß abzulaugs nen. Schon fein Verſtummen war Antwort genug, und der ſchlaue Mondragone fuhr fort eben Diejenige BereitwilligEeit, die Bianca Eur; vorher fo vers dienter Maßen verdaͤchtig gemacht hatte, jeßt von ber guten Seite darzuſtellen. Cie ward nun zur unbes dingten Ergebenheit in den Willen bes Mo⸗ narchen, zur Öefangennehmung jeder eigenen Einficht, und zur todverachtenden Treue. So fuhr er einige Mi⸗ nuten fort, rund fieh da, er acwann Sranzens Zutrauen wieder !

Zogleidy ging er zu der Nothwendigkeit über, bey einem fo gefährlichen Feind, als ter Gardinaf wäre, oder werden dürfte, einen getreuen Kundſchaf⸗ ver zu haben; er erſchwerte dieſes unwürdige Gefchäft noch um ein Großes, um deifen Dienitleittung deſto gefchägter su machen; er warf das hellſte Licht auf Die Möglichkeit: daß ein Mann, der tes Cartinals Were

737 rauen beſäße, ihm vielleicht Bianca's ſeltene Eigen: ſchaften nur zu ſchildern brauche, um feinen Groß zu befänftigen; und nun nün hatte er Franzen, der die Ruhe feines Staats, und die Sicherheit feiner geliebten Gemahlinn über Alles wünſchte, da, wo er ihn haben wollte. Der Großherzog erlaubte feinem ehemahli⸗ gen Günſtling ſich wieder heim zu begeben ; erlaubte ibm, des andern Tages, ſich halb verftohlen von Flo⸗ ven, nah Rom zu flüchten ; gab ihm fein fürftliches

Wort: daß feine Habe und Familie indeß Fein Verluſt

bedrohen follte; fand ed gut, daß er außerlich ben Anhänger des Gardinald made ; und bedingte fid) bloß, daß Mandragone ſtets einen unmittelbaren Briefs wechfel mit ihm unterhalten und die Gefahr aller bes forghihen Anſchläge duch zeitige Nachrichten abwen⸗ den folle.

Bianca, als fie des andern Morgens (denn dieß Geſpräch hatte tief über Mitternacht gedauert,) die Wendung der Sache erfuhr, die fie vorbergefehen hatte, zuckte zmeifelhaft die Achſeln; Franz drang darauf ihre Meinung a wijfen; und fie antwortete endlih :

„Wahrlich, ich habe der Seltenheiten ſchon viele „geleben; doch ein getreuer Verräther ſchiene „mir fonderbarer, ald alle Wunderwerke der alten und „neuen Welt. Ich kann mid) irren; doch mich wird „fortan Mondragone nur dann serögen, wenn er „keine Unwahrheit mehr fagt !” i

Großh. Aber, wenn er wirklich treulos, und die Flucht nach Rom wirklich ſein Wunſch geweſen wäre; warum ergriff er fie nicht auch ohne meine Er⸗ laubniß? Warum wagte er noch erſt feinen Kopf hier

x

VIER 70 se.

Kundfchafter des Cardinals, als einen Kor vol Raͤn⸗ fe und Unfinn voll Tollkühnheit und: Feigheit zus gleich ; ſchlau genug, wenn es ihm glücklich, zitternd und friehend , wenn es ſchlimm ‘geht. Seine Verhafs tung , ih geitehbe es frey Einge es auf den ers fien Zon fo ſeltſam, fo ftrafbar ald man wolle ſcholl wie ein Donner in mein Ohr. Denn daß nun Alles - enthüllt, Alles Verdierft, daß ich mir dur die erfle Entdefung erwerben wollen, verfhwunden fey, ſah ih deutlich; daß jener Ertappte meinen Nahmen mit anzugeben nicht vergeffen baben werde, vermuthete ih; und in welhem [handlichen Lichte, in welcher vers ruchten Geſtalt ih dann vor Euer Durdlaudt Geiſtes⸗ Augen ftehen würde nein, nein! diefan Gedanken, ſchmerzlicher ald der qualvollfie Tod am Mochgerichte, vermochte ich nicht , auch eine Stunde nur gelaffen zu, ertragen. Deßhalb fammelte ich fogleih mit Eile und Übereifung meinenöthigften Brieffchaften; deßhalb warf ih mich auf mein ſchnellſtes Pferd; deßhalb gab ich mir ſelbſt auch nicht eine Minute Ruhe und Raſt, bis ih bier anlangte, und Öelegenheit fand, vor meinem

Gebiether mich zu rechtfertigen.

Groß h. (mit ernſter Würde.) Mondragone! Kannft du wirklich hoffen: deine ehemahlige Erziehung habe meinen Geiſt fo ganzleer an Menſchenkenntniß gelajfen, dafı ich dieſes elend sufammengeftoppelte Maͤhrchen die glauben follte ?

Mondr Dieß die Art von Antwort, die ich voraus foh! Dieß ein Mißtrauen, das fid von felbft entfihuldigt ! Aber, wenn zu meiner Redtfertigung nicht fon ein Leben genügt, dad id von Jugend auf Ihrem Vater und dann Euer Durchlaucht felbft wide

vorn 71 ws.

mete, ein Leben voll Dienſteifer und Inbrunſt, wo nie ein Schatten des Verdachts, nie eine Spur von Untreue mir zu Schulden kam; wo oft des Füuͤrſten wichtigfte Geheimniſſe unentdedt in meinem Bufen ſchliefen; wo fein leifefter Befehl meinen Fuß beflügels

te, meine Kraft verdoppelte; wenn dieſes Leben jetzt

vergeffen oder verfhmäaht werben follte, fo fpreche wer

nigitens diefer Beweis für mid! Lindem er ihm ein,

Papier überreicht. Hier auf diefer Nolle werden Euer Durchlaucht ein vollftändiges Verzeichniß ihrer Feinde wenigftens berer, die ich Eenne finden. Farbe ber Schrift und Ausführlicfeit des Vortrags werden

jeugen, daß es nicht ein Werk von geftern, nicht et⸗

ma beftimmt war, den heiligen Anker im Sturm zu maden. Es follte, wenn mein erfter Plan nicht ges fheitert wäre, zum Hauptbelege meiner ‚Eröffnung dienen; follte währlich mehr, als bloße Berzeipung mir erwerben.-

Groß h. (indem er das Bergeihnig dur@btidt.) Uns endlicher Bote! Iſt es mögliht So viel habe ich der

Hafer? Und unter ihnen Männer, die nie ein Blid,

nie ein Gedanke von mir beleidigte! Männer, die ich mit Wohlthaten Überhäufte! Ungeheuer, die ich mit meinem Herzblus nährte! Ja, Mondragone, diefe Liſte, wenn fie. wahr befunden wird, erwirbt Ver⸗ geihung. Monde. Euer Durchlaucht verzeihen dann nur meiner Langfamkeit, nur dem Schein, der gegen

mid ſpricht; mein Herz, ich betbeure es bey meinem’

und Shrem Leben, war Ihnen nie entfremdet. Gleichwohl ift dieſes Verzeichniß, und die genauere Auskunft, die ich zu geben erböthig bin, nur die Eleis

were 73 vxvv nere Haͤlfte desſenigen Dienſtes, den ich zu leiſten vermag. An Ewr. Durchlaucht Willkür ſteht es, mei⸗ ne.geringen Kräfte noch zehnfach ausgibiger zu nügen. Ein mäßiges Zutrauen ift das Mittel hierzu.

Großh. Rede! Ich veritebe Dich nicht!

Mondr. Entjinnt fih mein Fürſt noch aus dem Lieblingsbuch feiner Jugend der Geſchichte des Cyrus und der Panthea? Entfinnt er ſich noch eines gewiffen Araſpes?

Großh. (verwunderungsvon.) Und wenn ich mid nun feiner entfanne ?

Mondr. Aid diefer Araſpes! die Huld, die fher nende Behandlung feines Königs zu. vergelten fuchte, auf welche Art that er Dieß? Nicht, indem er äußerlih ein Abtrünniger von Cyrus warb, umb im Herzen fein glühendfter Freund blieb? Nicht, indem er fogar zum feindlichen Feldherrn überging, bald feis ner geheimften Anfchläge Eundig ward, jeden derfelben. dem perfifhen Monarden heimlich anzeigte, und ihm hierdurch mehr, als ein ganzes Sülfäpeer nützte Nicht?

Groß h. Allerdings!

Mondr. Wohlan! Eines Worte, eines Au⸗ genwinkes von Ewr. Durchlaucht bedarf es, und ſie können am Buſen ihres unbrüderlichen Bruders einen gleich nützlichen Freund ſich erwerben. Cyrus zu ſeyn, kann Ihnen nicht ſchwer fallen; ich bin erböthig, den Araſpes zu ſpielen.

Großh. Ha, Verraͤther! Biſt du nun fertig mit deinem Gewebe von Trug und Boßheit? ſchmeichelſt du dich auf eine fo plumpe Art, beine Freyheit und die

7. 7 3 —X

Verſchonung von der verdienten Strafe zugleich zu gewinnnen ?

Mondr. (tar.) Es gehört ganz die innige Ers gebenheit dazu, die ih für Euer Turchlaucht fühle, ganz das dreiſte Bewußtfeyn eines ſchuldloſen Gewiſſens, um unerfchüttert bey fo häufigen, fo unverdienten, fo unerwartet zurückkehrenden Vorwürfen zu bleiben. Verzeibung fol ih erft zu erwerben bemüht feyn? Ener Durchlaucht fiherten ja ſchon vor weni» gen Minuten mir fie zu! Nach meiner Freyheit ſoll ich durch dieſen Vorſchlag ſtreben? Wann ward Diefe bisher noch gekränkt? Oder was wäre mir leich- ter als fie zu ſichern geweſen? Nicht durch eine Wa⸗ he von Euer Durchlqucht abgeholt, durch meinen ei⸗ . genen Antrieb gefpornt, Eomme ich hieher. Zwölf Meir len liegt die Villa, auf welcher ich mich befand, von der Grenze des Kirchenſtaats, und funfzig von Klo: - venz. Vier Mahl ſchneller hätte mich mein Roß borte bin, als bierber getragen. Ehe meine Flucht ein Auge wahrnahm, ein Kundfipafter belaufchte, war ich ges rettet. Mit offenen Armen hätte Ferdinand mich em⸗ pfangen; hatte gewiß o mein Gebiether, lernen Sie fernerbin genauer ihre Sreunde kennen! Fühlen Sie inniger die ungeſchminkte Wahrheit: daß nur der Eifer für meinen Fürften mich hierher berief! Nur für ihn, den ich ſelbſt erziehen half, den ich ald Knaben fhon auf diefen Armen trug, den ich auffproffen, empor wachfen‘, blühen und Früchte tragen ſah nur für ihn Fann ich mich jekt zu einer Holle erbiethen, bie su den allerfehwierigften, allermißlichften gehört,

Großh. Und: zu den fhimpflihften obendrein! Geſetzt, Mondrogone, ich glaubte deinen bisherige

Reden fo unglaublich fie find! Gefekt, ich hielte für einen Beweis deiner Liebe und Treue, was mie die ſchwaͤrzeſte Treuloſigkeit fcheint ; mie könnte ich eis nem Minne trauen, der fih mir den Werther eines Andern zu fpielen erbiether?

Mondrag. Und warum eben ben Verräs tber? Könnte ich nicht auch jegt noch des Ausfäh- ners edlere Rolle übernehmen? Sft nicht überhaupt der Nahme Verraͤther eine Ungerechtiglar, wenn er auf einen Mann angewandt wird, der feinem ve htmär ßigen DOberherrn in rechtmäßiger Sache fen ed auch durch Hilfe einiger nothwendigen Ver⸗ ſtellung zu dienen gedenkt? Habe ih dem Große herzog Franz, oder dem Carbinal Ferdinand treu und unterthan zu feyn geſchworen ? Habe ih body nein! Sch will der Gründe und Rechtfertigungen nit ned mehrere fuchen? Schalte mein Gebiether Über mich, wie es ihm gut däucht! Entziehe er mir fein Vertrauen, oder ſchenke er es mir noch Eünf:ig! Beſtrafe er meine Unvorjichtigkeit, oder belohne er meinen redlihen Wil⸗ len! Befehle er mir nad Rom oder in den Kerker -zm geben, ih murre nie! Mit unwandelbarer Treue, der ihr eigenes Bewußtſeyn genügt, gehorche ich ſei⸗ nem Öebothe.

Mondragone ſchwieg bier. Keine zagende Miene hatte fein Geſicht entſtellt; Eein Stoden den Fluß feiner Worte gehemmt. Er ftand vor feinem Richter, nicht wie ein Beklagter, ſondern wie ein verkannter, beleidigter Biedermann flieht. In defto flärkerer Uns

7) entſchloſſenheit ging mit großen Schritten Franz einige Mahl im Zimmer auf und ab. ’Zahllofe Gedanken durhwogten fein Gehirn. Er Eonnte es ich ſelbſt nicht ablöugnen: daß ce Mondragone bisher ges liebt, und nicht die Heinfte Spur der Untreue an ihm gefunden habe; Eonnte e6 nicht laugnen, daß er. feine Vertheidigung männlich führe, und daß er zu ihr freywillig ſich geſtellt habe. Gleichwohl waren auf der andern Seite die Vermuthungen gegen ihn ſo wichtig, die Gründe für ſeine Unſchuld ſo unwahrſcheinlich, und ſelbſt der Vorſchlag, den er that, nur no ein Verdacht mehr. Eben deßwegen hatten, Trot aller Kunſt, ſeine Worte bisher nur wenig gewirkt, doch deſto ſtaͤrker die durchgeſetzte Unerfhrocdenheit feines Tons, ber Sleihmuth feiner Miene, und die Würde feines Anftands Schon begann almählig der gutmüthige Franz zu.zweifeln, daß Werftellung fo weit geben könne. Seine edle Seele ſträubte ſich gegen den Blau: ben an Lafer, deren Unmöglichkeit er zu empfinden wähnte. Er warf einen forfhenden Blick auf feine, diefe ganze Zeit über fhweigende Gemahlinn: aber fie fuhr nicht nur fort zu ſchweigen, fondern entfernte ſich auch ganz. Etwas Ifeltfam dünkte Franz dieſes Betragen, d Oh war es an fich felbft leicht erflärbur. Denn zu ſtark war der Verdacht, den Bianca gegen biefen Höfling hegte: und doch Eonnte fie gleichfalls feiner Rechtfertigung nidts ©ründliches entges genfegen. Ihre gerade, Iautere Seele verabſcheute den von ihm vorgefchlugenen Plan einer tüdifhen Vers fiellung,, und dod Eonnte fie deffen foheindaren Nutzen nicht abläaugnen. Wohlbedächtig wollte fie

Reden fo unglaublich fie find! Geletzt, ich hielte für einen Beweis deiner Liebe und Treue, was mir die ſchwaͤrzeſte Treuloſigkeit ſcheint; mie könnte ich eis nem Manne trauen, der ſich mir den Veriather eines Andern zu fpielen erbiether ? by

Mondrag. Und warum eben den Verrär ther? Könnte ich nicht auch jet noch des Ausſöh⸗ ners edlere Rolle übernehmen? Sft nicht überhaupt der Nahme Verraͤther eine Ungerechtigkeit, wenn er auf einen Mann angewandt wird, der feinem re htmär figen DOberberrn in rechtmäßiger Sade ſey es auch durch Hilfe einiger nochwendigen Ver⸗ ftelung zu dienen gedenkt? Habe ih dem Große herzog Franz, oder dem Cardinal Ferdinand treu und untertban zu feyn geichworen ? Habe ih doch nein! Sch will der Gründe und Redtfertigungen nicht ned mehrere fuchen? Schalte mein Gebiether Über mich, wie ed ihm gut däucht! Entziehe er mir fein Vertrauen, oder ſchenke er es mir noch Fünf:ig! Befträfe er meine Unvorſichtigkeit, oder belohne er meinen redlichen Wil⸗ len! Befehle er mir nad Rom oder in den Kerker -zu geben , ih murre nie! Mit unwandelbarer Treue, der ihr eigenes Bewußtſeyn genügt, gehorche ich ſei⸗ nem Gebothe.

Mondragone ſchwieg hier. Keine zagende Miene hatte fein Geſicht entſtellt; Eein Stocken den Fluß feiner Worte gehemmt. Er ftand vor feınem Richter, nicht wie ein Beklagter, fondern wie ein verkannter, beleidigter Biedermann ſteht. In defto flärkerer Un⸗

7) entſchloſſenheit ging mit großen Shritten Franz einige Mahl im Zimmer auf und ab. Zahlloſe Gedanken durchwogten ſein Gehirn. Er konnte es ſich ſelbſt nicht ablͤugnen: daß ce Mondragone bisher ges liebt, und nicht die Eeinfte Spur der Untreue an ihm gefunden babe; Eonnte e6 nicht laugnen, dap er. feine Vertheidigung männlich führe, und daß er zu ihr freywillig fi geftellt habe. Gleichwohl waren auf der andern Eeite die Vermuthungen gegen ihn fo wichtig, die Gründe für feine Unſchuld fo unwahrſcheinlich, und ſelbſt der Vorſchlag, den er that, nur noch' ein Verdacht mehr. Eben deßwegen hatten, Zros aller Aunft, feine Worte bisher nur wenig gewirkt, doch defto jtärker die durchgeſetzte Unerſchrockenheit ſeines Tons, der Gleichmuth ſeiner Miene, und die Würde ſeines Anſtands. Schon begann almählig der gutmüthige Franz zu zweifeln, daß Verſtellung fo weit geben könne. Seine edle Seele ſträubte ſich gegen den Glau⸗ ben an Laſter, deren Unmöglichkeit er zu empfinden wähnte. Er warf einen forfhenden Blick auf feine, diefe ganze Zeit über fhweigende Gemahlinn: aber fie fuhr nicht nur fort zu ſchweigen, fondern entfernte ſich auch ganz. Etwas !feltfam dünkte Franz dieſes Betragen, doch war es an ſich ſelbſt leicht erklaͤrbar. Denn zu ſtark war ber Perdacht, den Bianca gegen biefen Höfling begte: und doch Eonnte fie gleichfalls feiner Rechtfertigung nidts Gründliches entge⸗ genſetzen. Ihre gerade, lautere Seele verabſcheute den von ihm vorgeſchlagenen Plan einer tückiſchen Vers fiellung, und doch konnte fie deffen foheindaren Nutzen nicht ablaugnen. Wohlbedächtig wolle fie

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baker von jeder Billigung ober Misbilligung gleich entfernt ſich halten.

Ihr Weggehn vermehrte des Großherzogs Un⸗ ſchlüſſigkeit und des Höflings Muth. Auch ſt u mim war ſie für Mondragone eine gefaährliche Gegnerinn geweſen. Jetzt rief er noch ein Mahl dem Fürſten alle feine geleiſteten oder angeblichen Dienſte ind Gedächte niß zurück; führte weitläufiger aus, was er kurz vorher nur zuſammen gedraͤngt hatte; geſtand, daß er gar wohl ſaͤhe, daß Bianca ihm abgeneigt wäre; überrafihte Dadurch aber ben Fürften durch die Frage:, Ob nicht Sr. Durchlaucht ehemahliger eige ner Befehl die erſte Duelle vondem Uns willen feiner jegigen Gemahlinn ſey? Franz ſtockte; er vermochte nicht, ga:ız Dieß abzuläug⸗ nen. Schon fein Verſtummen war Antwort genug, und der ſchlaue Mondragone fuhr fort eben diejenige Bereitwilligfeit, dieBianca Eur; vorher fo vers dienter Maßen verdadtig gemacht hatte, jet von der guten Seite darzuftellen. Cie ward nun zur unbes dingtenErgebenheit in den Willen des Mo⸗ narchen, zur Öefangennehmung jeder eigenen Einficht, und zur todverachtenden Treue. So fuhr er einige Mis nuten fort, ‚und fieh da, er gewann Franzens Zutranen wieder !

Sogleid ging er zu der Nothwentigfeit über, bey einem fo gefährlichen Feind, als der Cardinal wäre, oder werden dürfte, einen getreuen Kundfchafs ter zu baben; er erfchwerte diefes unwürdige Gefchäft noch um ein Großes, um bdeifen Dienſtleiſtung deſto gefchägter zu machen; er warf das hellfte Licht auf bie Möglichkeit: daß ein Mann, der tes Cardinals Verz

7] | rauen befüße, ihm vieleicht Bianca's feltene Eigen: fhaften nur zu ſchildern brauche, um feinen Grol zu befänftigen; und nun nün hatte er Franzen, der die Ruhe feines Staats, und die Sicherheit feiner geliebten Gemahlinn über Alles wünſchte, da, wo er ihn haben wollte. Der Großherzog erlaubte feinem ehemahli⸗ gen Günſtling ſich wieder heim zu begeben; erlaubte ihm, bed andern Tages, ſich bald verftohlen von Flo⸗ ven, nah Rom zu flüchten ; gab ihm fein fürftliches

Wort: daß feine Habe und Familie indeß Fein Verluft

bedrohen follte; fand es gut, daß er äußerlich den Anhänger des Cardinals made ; und bedingte fid) bloß, daß Mandragone ſtets einen unmitteldaren Briefs

wechfel mit ihm unterhalten und die _Gefabr aller bes -

ſorglichen Anſchläge durch zeitige Nachrichten abwen⸗ den ſolle.

Bianca, als ſie des andern Morgens (denn dieß Geſpräch hatte tief über Mitternacht gedauert,) die Wendung der Sache erfuhr, die fie vorhergeſehen hatte, zuckte zweifelhaft die Achſeln; Franz drang darauf ihre Meinung zu wiſſen; und ſie antwortete endlich:

„Wahrlich, ich Habe der Seltenheiten ſchon viele „gefeben; doch ein getreuer Verräther fhiene „mir fonderbarer, ald alle Wunderwerfe ber alten und „neuen Welt. Ich Eann mid) irren; doch mich wird „fortan Mondragone nur dann betrögen, wenn er „Eeine Unwahrheit mehr fagt !”

Großh. Aber, wenn er wirklich treulos, und die Flucht nah Rom wirklich fein Wunſch gemeien wäre; warum ergriff er fie nicht auch ohne meine Er; laubnig? Warum wagte er noch erſt feinen Kopf hier»

ber zu tragen, da bey allen Dem bie Viederbinweg⸗ bringung desſelben fo ungewiß war.?

Bianca. Vielleicht weil er auf ſeiner Flucht noch z veyerley mitnehmen wollte, woraͤn ihm freylich unendlich viel gelegen ſeyn mußte.

Großh. Und Das waͤre?

Bianca. Sein Vermögen und bein Bus trauen.

Ich bleibe dabey, alle Fernröhre, die ſeit Gali⸗ laͤis Zeiten erfunden und verbeſſert wurden, find trüb und ſtumpf gegen den fcharfen Blick des weibliden Geiſtes. Richtiger hätte die Pläne feines niedrigen Herzend Mondragone felbft vor dem Richterſtuhl bes eigenen Gewiſſens nicht darftellen können, als fie Bians . ca bier in wenige Worte zufammen engte. Denn ald er auf feiner Villa die Verhaftung jenes römifchen Kundſchafters vernahm, war allerdings der erfle Ges - danke feiner feigen Seele die fchleunigfte Flucht gewefen; erſt als feine entfchloffenere Battinn, als fein eigner Geiz ihm voritellten: welche unermeß⸗ liche, mübfam zufammengefparte Reichthümer er dann preisgeben müſſe; als jer wohl begriff, wie unſicher eine geneigte Aufnahme beym Qardinal feyn würde, wenn Diefer in ihm Eeinen nüglichen Bundsverwandten mebr, fondern bloß einen laͤſtigen Koftgänger ankom⸗ men ſaͤhe; da faßte er den feften Entſchluß, entweder Alles zu verlieren, oder Alles zu behals ten. Er Eannte die Wachsweiche von Franzens Ders zen; er baute hierauf den Anſchlag der frevelbaftefien

Verftellung; und er führte aus, was er ſich vergenom⸗ men hatte.

Jetzt, als er nun unter ganz andern Umſtaͤnden zum Cardinal Fam; als er ihm erzählte, wie nah über feinem Haupt das Ungewitter hingegangen fey; wie Hüglich er ed abgensandt habe; und wie er, auch noch als Überläufer, Sranzens Zutrauen mit ſich ‚bringe ; da ließ der ſtolze Cardinal ſich felbft Biß zur Umarmung diefes Verräthers herab, und überhäufte ihn mit Lieb« kofen und mit den glänfkdften Verſprechungen.

Bald aber gingen fie auf beyden Seiten von diefem ſchmeichelvollen Zone wieder zu ernfthaftern Geſpraͤchen über, und berathfchlagten: wie nun aufs Befte noch der einmahl entdedte Entwurf von Fran⸗ zens und Bianca’s ‚Untergang ausgeführt werden Eönne t _ Der Mebizder, in deffen Adern, Trotz feiner übri⸗

gen Fehler, wenigſtens fürftlihes Blut rollte, wenig⸗ ſtens fürſtlicher Stolz ſich befand, war, des Hinter⸗ halts überdrießig, für erklärte Feindſchaft. Er glaub⸗ te, ſein Anhang ſey bereits ſtark genug geworden, und hielt feine Beſchwerden felbft für gegründet genug, um nun Öffentlich dem Großherzog die Spitze bietben zu Fönnen. Er betheuerte feyerlih, nicht eher zu ru⸗ hen, bis entweder jene ſchimpfliche Ehe. getrennt, oder wenigftens jeder aus ihr vermuthlihe Erde der Nach⸗ folge im Sürfienrange und Herrfchaft verluftig geworden wäre. Montragene börte gelaffen und aufmerkfam feinen Slammen : Worten zu; ließ ihn enden damit; fhüttefte aber beym Schiuß der Rede bedenklich genug fein Heupt. Es ſollte Dieß Ferdinands Augen keines⸗ wegs entgehen, und entging ihm auch nicht.

wer BO rem

„Ihr ſcheint nicht vollig (fragte er ihn) meitter „Meinung zu feyn; habt Ihr, etwas an meinen Ents zweck auszufogen ? |

Monde. Viel am Entzweck und an den Mitteln.

Card. Wie das?

Mondr. Ich finde Jenen zu gering, und Dieſe zu unſicher.

Card. Wäre es Euch gelegen, deutlicher beraus zu ſprechen?

Mondr. O, es if mäie 5 Pflicht fogar, ſobald Eure Eminenz es mir gebiethen.

Card. Ohne Umſchweife! Nennt mih beym Nahmen, oder nennt mich Fürſt ſchlechtweg! Wer wird auf Titel unter Freunden denken!

Mondr. Ich danke Euch, gnädigſter Herr, für diefe Erlaubniß! Aber verzeibt Euerm Knecht; au wenn Ihr allen Euch gebührenden Titeln entfagen wolls tet, dennoch würde man jenen Entwürfen es anmers Een, daß ein geiftlicher Fürſt fie gefaßt habe.

Card. betreten.) Und warum legt Ihr eben auf das Wort geiftlich einen folden Nachdruck?

Mondr. Weil bloß Di eſer das Glück des cher lichen Lebens fo verkennen, die Stärke der v aͤ⸗ teclihen Liebe fo vergeſſen Eann! Mur von feiner Gattinn wollt Ihr Franzen gefhieden; nur feine Söhne wollt Ahr des Erbes unfähig erklärt wiſſen? Wahrfich, gnaͤdigſter Herr, ſchwerer als dieß zweyfache nur iſt nichts! Leichter würde es ſeyn, Fran⸗ zens Haupt den ganzen Fürſtenhut, als ſeinen wollü⸗ ſtigen Umarmungen die geliebte Bianca zu entreiſſen: eyer würde er ſelbſt darauf kenne ich feine gefühls volle le ſchwärmeriſche Seele zum Kerker herabſteigen,

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als jemahls ein Teſtament unterzeichnen, das fine Eöhne enterbt. i

Card. Glaubt Ihr?

Mondr. Sch weiß eb fogar. Überhaupt iſt in Unternehmungen dieſer Art Maͤßigung und Mittel⸗ ſtraße ein Unding. Wer ſeines Feindes ſchont, handelt oft als ſein eigener Feind; und wer einen zweifelhaften Frieden ſchließt, muß bald, wie es dem Hercules ging, ſtatt eines Drachenkopfes zwey befä..ınfen.

Card. Vortrefflih, Mondragone! Ihr koͤnntet Moral leſen; Trotz einem zu Bologna! So laßt und alſo mehr noch fordern! Laßt uns laut von Entwe i⸗ bung ber. fürftlihen Ehre, von un würdigem Be⸗ fig der Herrſchaft, von Beleidigung und vom Kriege fpreben!

Monde. "den.Kopf ſchüttelnd.) Der wohl ſehr ſchwierig, wohl ſehr ungleich ſeyn dürfte!

Card. Und warum? Haltet Ihr dieſen weibiſchen Franz für einen entſchloſſenern Mann, für einen beſſern Feldherrn, als mih!

Mondr Das nicht; aber die Stärke des Heeres enticheidet gewöhnlich noch mehr, ald der Muth des Heerführers; Franzens Anhang übertrifft den unferigen bey Weiten, und ich forge, ich forge, es wırd unmöglich ſeyn, in offenem Kampfe einen fo allbeliebten Prinzen zu beftegen.

Card. Allbeliebt! Wie kann er Das fepnt: Beleidigte denn nicht dieſe ſchnöde Heirath ſchon die Herzen aller ſeiner Unterthanen?

Mondr. Sie befremdeteſolche nur. Einige der Erſten im Staate fanden ſich feyn beleidigt; aber

Neißners Bianca Cap. 2. Thl.

sen BR meson

den groͤßern Haufen hat er vielleicht dadurch nur X8 neigter ſich gemacht.

Card. Unmöglichkeiten!

Mondr. Die doch wahrſcheinlich genug ſind. Muß das Volk ſich nicht gleichſam geſchmeichelt finden, wenn aus ſeinem Mittel der Fürſt eine Gattinn ſich erwählt? Und wenn Dieſe zumahl ſtaatsklug genug iſt, auch nad) ihrer Erhöhung, des vorigen Standes Des muth Seyzubehalten ; wenn fie zur rechten Zeit fidy ges gen Nathleidende mitleidig anſtollt; wenn fie, aud ale Monathe ein Mahl nur, ihre milde Hand mit fünf ober ſechs Zechinen aufthut; dann jauchzt ja wohl die leicht zu betrügende Menge ſo überlaut, als ob ein Engel Gottes ihr leibhaftig erſchienen waͤre.

Card. Die Nachrichten meiner übrigen Feinde lauten anders.

Mondr. Weil Jene, oder weil auch Ihr, mein Fuͤrſt, den Zeitpunct von wenigen Wochen mit einan⸗ der verwechſelt! In den erſten Augenblicken, wo ganz allein die Stimme der Mißgunſt und des Unwillens ſprach; an jenem Tage, wo der bethörte Franz ſich nicht ſcheuere, die Witwe feines Schreibers, die Naͤhmliche, die nochManche ihres Gleichen in wollenem Gewante und in tiefiter Niedrigkeit gekannt hatten, öffentlih zum fürſtlichen Stuhle binzuführen: ja gnädigiter Herr, hättet Ihr an diefem Zage in Florenz Euch befunden; dann wäre es ein Kinderfpiel gewefen, den Hochzeit⸗ abend mit Entthronung zu beſchließen, und der Neue vermählten einen Kerker zur Brautkammer anzumeis fen. Denn damahls empörte nod die Neuheit Aller Herzen; damahls gebrach es dem murrenden Haufen nur an einem Anführer aus fürftlidem Stamme. Aber jene erfk en Augenblicke find Tängft vorbey. Bianca,

*

me BE

wohlthätig vielleicht aus Ztaatsklugheit, hera b⸗ laſſend vieleicht aus Niedrigkeit, und frio mm viel» leicht aus Heucheley, fieht fih nunmehr geliebt; dee Poͤbel hängt an ıhr; det geringere Adel hat ihr vers jieben; und die Stimme der bloßen Billigkeit oder der beleidigten Fürſtenwürde vermag bie Schuren nicht mehr aufzuwiegeln.

Card. Was wollt Ihr aber, daß ich thun ſoll?

Mondr. Würde Eure Eminenz zürnen, wenn’ ich ed gerade heraus fagte? |

Card. Sagt es!

Mondr. Thun, walichthet Sich verftelten und büden.

Card. Bücken? Nimmermehr! (Aoty.) Ein anderes ziemt dem geheimen Rath, ein anderes dem fürftlihen Bruder... Wenn Shr fo behuthfam in Euern Anſchlägen feyd, rathet Ihr mir nicht lieber gar, auch um Ausſoͤhnung mit®ians ca anzufuchen 3

Mondr. Auch dazu rathe id ft.

Card. Im Ermſt?

Mondr. Im Ernft, fo mahr ich lebe!

Card. (mit Rarsem Bid.) Mondrogone, nicht lange mehr wird mein Argwohn fchlafen! Wolt Ihr vieleigt Derjenige wirklih feyn, für den Stan; Euch hält: @ein Anhänger unter der Außenfeite meines Freundes ?

Mondr. O nein, denn dann würde ih ſicher nicht das legte Bollwerk, das ihn bey Euch noch ſchützt, niederzureiſſen ſuchen.

Card. Und dieſes Bollwerk iſt?

Mondr. Iſt jenes ſtolze Selbſtgefühl in Eurer Bruſt, vermoͤge deſſen Ihr jede nöthige Verſtel⸗

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Lung für fchimpflih odtet, ohne zu bedenken, Kriegsliſt und Hinterhalt felbit den tapferiten Feldher felbit eingn Kannibal und Cäfar, nit umedel fe en. Kein Kind, das argiwohnleerer wäre Franz! Kein Mädchen, das -brünftiger eine Aus nung mit ihrem Bräutigam wünſcht, ald er mit Eminenz! Wohian! Laßt mir bey,iim dad X dienft, dieſe Ausföhnung bewirkt zu haben; und ı zwendet Euch dann, gleich fheinbar für die Men bey Franzen um meine Begnadigung, Er wird fie gern gewähren. Vereint Eehren wir fogleih nad F renz ſelbſt zurück, und ſpielen dort unſer Spiel mit I ferm Giücke. Gewinnt Ibhr durch Herablaffung die Li des Volts, durch Freygebigkeit die feilen Geifter. Söfiinge, und durch Freundlichkeit das Zutrauen Eu Bruders; ſeyd Ihr nicht zu flolz, jener gefürfteten Bi lerinn einige Lobeserhebungen wegen ihrergeſchmin tenWange, und noch einige mehr über ihre g ſchminkte Tugend zu maden: fo werden fih Eminenz bald den Weg. zu Beyder Herzen, zu ihr Thron, zu ihtem Leben fogar wenn Ihr es begeht ‚Öffnen.

Card. (Hatbiägernd.) Wahrlich drey Wege, ber feinen vielleicht ich unter gewiſſer Einſchraͤnkung v fhmähte! Nur mag ich nichts thun, was in ben 2 gen des Volks mid) erniehrigen könnte.

Monztr. Erniedrigen? Muß eb denn das W wiſſen, ob Ihr Franzen, oder er Euch die Hand; Ausfohnung gebotben habe? Sa, erfahre es wer da wolle, defto beifer vielleicht !

Carb. (erfaune.) Defto beifer ?

Monde. Ich wieberhohle es: defto beffer viefleid Wie? fol es mir denn erft vorbehalten ſeyn, d

ne 5 era font fo ſcharfe Auge meines Fürsten über gewiffe Puncte noch fiharfiehender zu machen? Brauch' ich euch erft zu fagen, daß ein gewiſſes Vetragen, Bad man dem Laien vielleicht als Kleinmuth anrechnen würde, ſchon durch den prieiterlihen Etand von Euer Eminenz zum Edelmuth erhoben wirb ?

Card. Durch meinen priefterlihen Stand? Ihr ‚fahrt fort unverjtändlih zu ſprechen.

Mondr. Steht es Euch, ald geborner Zürft, und als ermählter Cardinal nit frey, zu welcher Claffe Ahr Euch rechnen wollt? Immer ſetztet Ihr bisher den Sohn eines Großherzogs über den Cardinal; zogt dem muthmaßlichen Erben eined Zürftentbums, Eurer geifte lihen Perfon vor; hörtet Euch eben fo gern Durch⸗ laucht ald Eminenz begrüßen ; ob mir Het, Bas ent» fheide ih nie: aber verfucht es nun ein Mahl mir der Clerifey, und hr werbet under hun!

Card. Sie Dast ©

Mondr. IH Sanftmut hnicht eines Prieſters erſte Pflicht? Jit Liebe zum Frieden nicht ſein wahrer Ruhm! IE Verzeihung der Beleidi— gung und Freundſchaft gegen Zeinde nie der. echten apoflofifhen Sendung höchſter Veweib? Wie leihrwerder Ahr daher, in den Augen ber Belt, auf Rechnung diefee Tugenden Eure Nachgibigkeit hin⸗ fpielen! Wie leicht könne Shr bewirken, daß Ihr eben Demienigen zu verzeihen ſcheint, der Euch ſelbſt ver jiehen hat! Glaubt mir, mein Fürſt! vor ben Bildſaͤulen von taufend Heiligen brennen geweihte ‚Kerzen, obne daß ber Quell ihrer chriſtlichen Sanft⸗ muth reiner war; und Wunder thun die Leichname von taufend Märtyrern, deren Der; von Hintecliſt noch weit voller als das unſerige geweſen ſeyn mag.

waren , BO

Card. Ben Gott, Mondragone, wenn ihr eben fo gründlich die Pflichten Eures Standes, wie bes meznigen durddacht hadt, fo moͤchte ich das Buben⸗ ſtuck wiſſen, zu dem Euch ein Freyheitsbrief gebräche. (Cacheend.) Wohlan, weil Ihr alſo den Stand ber Kirche fogar benzidenswerth findet, fo will ih heute ſchon wenigitns in Einem Erüude ein Priefter zu feyn mich beitreben ; in dee Vorſichtigkeit nähmlich; will Euch für euren Rath zwar jetzt bereits danken; doch den Entſchluß darauf erft morgen faflen.

Kein Capital, das mit fo fihern Zinfen wuchert als böſer Rath; zumahl wenn Schlauheit ihn ertheilt, und falſcher Ehrgeiz ihn empfaͤngt! Dieß eine Wahrheit, die Mondragone gar wohl wußte; ruhig ging er daher heim, und als ihn der Garbinal bes an⸗ dern Morgens wieder zu ſich rufen ließ, ſah Sein E rernkundiger mit größerer Zuverſicht der läängſt aus⸗ gerechneten Mondfiniterniß , ald er der Vollmacht ents gegen, mit Franzen in Unterhbandlung zu treten. Seine Hoffnung trog ihn nicht! Denn nach einem kur⸗ zen Geſprache geftand Ferdinand, daß feine bisherigen’ Zweifel verfhmwänden, daß Mondragone ihn überzeugt, dap er fich felbit überwunden babe, und daß er bereit fey, den erften Schritt zur Ausfohnung mit bem deß⸗ falls nicht minder gehaßten Franz zu thun. Der Höfe ling lobte diefen Entſchluß mächtig ; überlegte mit feir nem neuen Gebierher noch einige unbedeutende Um⸗ ſtaͤnde; und begann dann fogleih an ber Grube zu

großen, die er dem Großherzog und Bianca vorlängft Ihon zugedadht hatte.

Und hier wieder ein Beweis, daß leichter die Handlungen eines Mannes, ald einer Kran vor berzufagen find ! Eben derjenige Mondragone , der fo ſchülerhaft ſich irrte, als er feinem ehemahligen Herrn Bianca's baldige Fügung nad’ feiner Leidenſchaft vers ſprach eben diefer hatte jeßt meifterhaft den Cha⸗ rafter und die Wünſche Franzens getroffen; hatte klüg⸗ lich den einzigen’ Weg eingeſchlagen, wo er den Fuß⸗ boden dieſes Sorglofen zu unterhöhlen vermochte.

Seine erften Briefe nad Florenz melbeten,, daß er Kerdinanten ganz, wie er gehofft, angetroffen hätte; zwar außerft aufgebracht gegen Bianca, bie er als eine Entweiherinn des fürfflihen Bettes anfähe; aber doch mehr aufgehetzt und erbittert durch Andere, als durch eigenen Antrieb. Sein näcftes Schreiben gab ſchon einen ſchwachen Schimmer von befferer Aus⸗ ſicht, gab eınige unglückliche Feine Kundſchafter, die zu Sloren, im Dunkel umberfhlichen, preis, und er« warb fi) dadurch das Zutrauen bes Großherzogs noch ftärker. Bald darauf fing er an von Dienften zu fpres chen, die er bereit der guten Sache geleiftet, von Unterredungen, die er mit dem Carbinal gehalten,’ von Spuren der Neue, die er an ihm bemerkt babe, bis er endlih im’ vollften Jubelton ausbrach; bis er bod und viel betheuerte: aller noch übriger Zwift fey ein kleines Teicht zu hebendes Mißverſtaͤndniß. Nur bie Furcht, daß der beleidigte Bruder ihm nie ganz vers zeiben fonne, halte den Gardingl von Friedensvors fhlägen zurück. Won feinenetinrecht fey er ſchon laͤngſt

won BB vorn

überzeugt. Gelbft von Bianca’s Character ſprech bereits mit Achtung.

Mehr bedurfte ed niht, um dem gutmüthig! aller Furſten die Schlinge über dad Haupt zu werf Umſonſt blieb Bianca, über Alees von ihm um Re befvagt, bey ihrem mißtrauiſchen Kopffchütteln; v gebens vieth ter brave, -ftarre Modefini, der wirkl indeß, dur die Vorſprache der Großherzoginn, tie in die fürſtliche unit eingedrypgen und auf Mond gone's Polten erhoben war vergebens rieth er, nem Zwepzüngler durchaus nicht zutrauen. Franz BI bey jeiner Leichrgläubigkeit. „Men, rief et, Söhne des Cosmus follen nieht zum zweyten Mal ein fürchterliches Ebenbild der beyden erften menf licher SSrüder abgeben! *) Er bevollmädıtigte | Hlerc, einen feiner Raͤthe zur Unterhandfung mit db Cariinai, und da.diefer Letztere durch Mondragen zw.;fiitige Werrätherey genau wußte, wie weit ge,.., serie; fowares ihm auch leicht, bey dieſem ga zen Beichefte ich fo zu benehmen, daß er an Br mar, ınit fine: Bruder zu metreifern ſchien. Binn Monathsfriſt wac Alles beygelegt. Der Cardinal li ſich zu einem Mefud,; in Florenz willig finden; mit nem ſtattlichen Gefolge, unter welchem auch der zu Schein begnedigte Mondragone glänzte, madte F

*) Garſias und Julius, zwey von den Söhnen bed Coſsm und aıfo Frangend .2nd Zerdinands Brüder find 0b, durch ihren unglüciichen Zwiſt, wo der Lepte dur U ders: und Jener nadı.ber dburds VatersHand umtam, Iegenhrit gu fo mancher Novelle, manchem Trayerfpi und unser une zum Zullus von Turene und den Zoll en gtgeben babe.

dinand fi von Rom auf. Kranz felbft hohlte einige - Meilen von Florenz ihn ein, und bey ihrer erften Zur fammenfunfe fhienen Beyde Edom und Jacob zu ſeyn, die nad) langer Trennung, ergriffen von dem Geiſt des Herrn, fih vol wahrer Inbrunft umarinten.

Ein fhönes Edaufpiel! Aber noch aufmerk. ſamer blickten die Augen aller Zuſchauer auf den Car⸗ dinal, als er im großherzoglichen Pallaſt eintrat, als hier fein erſtes Wort war: Bruder, führe mich zu- deiner Gemahlinn! und ald Bianca ihm vor die Thür ihres Gemachs entgegen eilte. Er täufhte fie Alle durch feine fiebevolle Miene, durch das freudige Stau⸗ nen, mit der er eine Becunde lang die Großherzoginn betrachtete, und dann als feine fürftlihe Schweſter fie begrüßte. Ob er aber auch Bianca ſelbſt täuſch⸗ te, Das mag fie uns in einem Geſprache ſagen, wel: ches fie am nächſten Abend mit Julien Carreri hielt, der einzigen von ihren Kammerfrauen, die fie ihres Vertrauens werth erachtete und werth erfand.

Julie (indem fie die Großherzoginn enttfeiden bilft.) Kein, gnädigite Frau, länger vermag ich nicht, eine Frage zurück zu halten, die freylih Neugierde zu feyn ſcheint, ob fie ſchon wahrlid nur Beforg niß if.

Bianca. Immer frage! Waldlächelnd.) Das Antworten fteht ja doc) in meiner Willkür.

Julie. Dieß ift heute fchon der dritte Seufzer, der Euer Durchlaucht, halb unterdrückt, entſchlüpfte! Dieß ift ſchon der zweyte Abend, wo id in dieſem

—XR 90 ws Gemache auf Ihrem Geſichte jene Heiterkeit vermif bie Öffentlich auf demielben glänzt. Quaͤlt Durclaucht vielleicht ein Kummer ?

Biancd. Und wäre denn Dieß etwas fp fei ned? Dann würde ih doch wahriih die Erfte ı Einzige aller Zürftinnen ſeyn, wenn ih nichts ı Kummer, biefem treulihen Gefährten des Purpu: empfaͤnde.

Julie. Aber warum eben jetzt? Jetzt, da ge Florenz ein allgemeines Freudenmahl zu ſeyn ſchei jetzt, da die letzte Wolke der Bekümmerniß zu ı ſchwinden anfängt; in tiefen Tagen. der Ausfohmı ‚und Freude!

Bianca. Freyfih ſagt man, daß freude ı Leid fi halfen; aber man irrt. Oft find fie nur al nahe mit einander verfhwiitert. O Julie, einen E nen Stachel möchte zwar immer jede Roſe bey führen; aber daß in dieſen Gebüſchen oft Natt lauſchen, die unvermuthet hervor brechen und toͤdte Dad Das verdient doch wohl mehr als ei Seufzer?

Julie. Ha, was giles! Mein Atgwohn ti mich nicht! Jene Perlenſchnur zerriß nicht umſonſt.

Bianca (fie verwunderungsvoll anfehend.) Was eine Perlenſchnur?

Julie. Und Sie wiffen ed nicht einmahl? Eure Durdlaudt den Cardinal mit innigiter Wüı begrüßten und umarmten, da riß die größte Sci Ihres Kopfſchmuckes entzwey, und freute alle ı Derlen zur Erde. Ha! date ih, noch iſt es gendwo nicht Friede von ganzer Seele; noch kann

on GI | Freundſchaftsband ſchnell wieder zerriſſen werden, dab man jetzt dem Anſchein nach fo feſt geknüpft hat.

Bianca. Thörinn, mit deiner ‚abergläubigen Vorbedeutung !

JIunlie. Schelten Sie auf mic , fo fange und viel Ahnen qut dünft; nur ſchließen Sie dann auch Ihren Gram vor mir auf!

Bianca (nad einer Heinen Pauſe nachdentkend.) Run ja, id will e6 fir vertrauen. Auch meinen Glauben, auch meine Zuverſicht hat diefer zärtlihe Bruder nicht; auc ich hoffe nicht von dieſer Freundſchaft unbegrenzte Dauer! Aber wollte der Himmel, meine'Merkmahle wären fo nichtig, wie die deinigen !

Sulie. And worin beftehen alfo biefe, grüntfis ern Merkmahle, wenn ich darnach zu forſchen mich erkühnen dauf ?

Bianca. Entfinnft du dich jener, gleichfam freus digen Bewunderung, mit welcher mid der Carbinal beym Eintritt im Vorſaale Ses:achtete?

Aulie. Wohl entfinne ich mich deren; fie ſchien allen Ihren wahren Freunden ein glüdlihes Zeis hen zu ſeyn.

Bianca. Und war mi: ein widriges. Denn ich erkannte an ihr fofort einen Mann, der keineswegs feiner Empfindung folgt, fondern nur eine überdachte Rolle fpielt.

Jullie Cerſtaunt.) Wie Das!

Bianca. Mein Anblick, deffen bin ich zu gewiß, Fann ihm nichts Neues feyn. Jenes Bildniß von mir, wo mid der Mahler fo fpredyend traf, das einft in Bonaventuri's Zimmer fie wiſcht ſich das Auge) noch bringe ich feinem Andenken den verdienten Zoll!

wer GE ſich aufgehängt befand, und dann im fürftfic Bilderſaal vernflanzt ward; eben dieß Gemählde, nachher verfhmwand, obne daß jemand wußte, mo vo daͤchteſt du wohl, hafı es ſich befändet Julie. Wahrlich, ich weiß nicht zu rathen, n Bianca. An Ferdinands Cabinett ift ed fhon ſeit ſechs Monathen veritedr; auf feinen Bet ward es entwendet. (Da Diefe einfallen wit.) Frage nie woher ih Dieß weiß! Genug, daß ich Mahrheitre Längft bekannt war baher der Cardina mit mein AÄußerlich en; und jenes Staunen bezeichnete ı unmiberleglih den Heuchler. ber flärfer noch v - riethen ihn mir gewiffe Blide, die er zuwei feitwärts auf mid fallen ließ, wenn er von Niem: den und am wenigiten von mir felbft bemerkt zu glaubte; ein Irrthum, der deflo verzeihlicher wa da er jenen Spiegel nicht kannte, der fo weife, v du weißt, in einer „Bertiefung meines Zimme angebradht if. Julie, ich fage nit gern viel: aber in diefen Blicken, fo unendlih auch ihre Dauer war; fo wenig fie ſich befchreibe fondern nur fehen und fühlen laſßſen; in ihren n doch Haß und Rachgier fprechender ausgedrüdt, ſelbſt Apelles fie in jenem berühmten Bilde *) dar jteflen vermochte. Mur der Dolch oder der Gifrl cher fehlte noch in feiner Hand, um ganz den To feind ;u erbfiden, ber mir iim ab, mein H

u

*) am Hofe ‚u Alerandrien , wo der KRänftfer die Lafl die einen ſchwachen argwöhniſchen Könie: wmringe darſtellte.

fagte es mir nur allzu'gewiß für mich nad Bloreng, gektommen ift.

Julie. Und was fürdten &ie viel, gnädigfte Frau, felbft wenn er Der wäre, für den Sie ibn hal- ten? Sie, die fie am Buſen Ihres Gemahls alle Feinde ald ohnmadtig‘verfposten Sönhen? Nur eined . Winkes von diefer Beſorgniß, nur eines Wortes von dieſer Bemerkung bebarf * ja, und der liebevolle Fürſt

Bianca Ceinfallene.) Da fey Gott vor, daß auch nur ein Hauch meines Mundes, auch nur ein Zug. meines Geſichts, auch nur ein einziger Seufzer mei⸗ ned Vuſens Franzen von allen diefem Verdachte eine Epur merken laſſe!

Sulie. Und warum Dash

Bianca. Haſt du fhon vergeflen, daß meiner ganzen Bemerkung Grund auf einen bloßen Argwohn berubs ? daß jene Blicke, die ih wahrnahm, von fo unbefchreiblich kurzer Dauer waren, daß fie nur ſich fühlen, nicht beſchreiben laufen! Wie} und wenn id nun fo unmöglid aud Diefed mir dünkt wenn ich nun falſch gefehen, wenn ein ſchaden⸗ froher Dämon rur auf Secunden fang mein Auge um⸗ nebelt, oder irgend eine andere verborgene Regung Ferdinands diefe Mienen bervor gebracht hätten? Und ih id follte eines folhen Argwohns halber den Samen der llneinigkeit ausitreuen? Sollte ein Feuer neu anfadyen, das kaum unterdrüdt worden iſt? Sollte deßhalb audh die Ruhe meines Gatten vergifs ten, weil id die meinige vielleicht feldft vergiftete

Julie. Wenn nun aber

>

Bianca, Nimmernmehr! Wie Mondragone vo Franzen als Beklagter fland; wie er'gefragt ward Warum er die erſte Nachricht von Ferdinands heimli Ken Entwürfen nicht ſogleich ihm hinterbracdt habe‘ "antwortete der Heuchler mit anſcheinender Eeelenrupe: Er habe nit Bruder gegen Bruder waffnen wollen. Und ih ih eine Fremde, ich -in Cosmus edlet Geſchlecht nur eine Aufgenommene, ich jollte dieſes Geſchlecht entzweyen ? Nein, Julie, ſchweigen will ich; ſchweigen und erwarten, mas in bes Schick» ſals großem Bude viebeicht ferner über mich bes ſchloſſen ift; und auch dir gebiethe ih ein ae gu thuh.

Sulie. Wie! Sie können verlangen, gnädigfte Frau

Bianca. Meine höchſte Ungnade, wenn dir won dieſem Geſpraͤche das kleinſte Woͤrtchen, es ſey auch gegen wen es ſey, entfallen ſollte! Zudem, iſt unſere Beſtimmung nicht feſt? wachen über Unſchuld und Tugend nicht höhere Weſen? Er zählte mein Haupthaar, und follte meine Tage zu zählen ver- geilen haben? Er hob die entflohene, zur tiefiten Ar⸗ muth berabgefunfene Venetianerinn auf WBelfchlands ſchoͤnſten Sürftenftuhl, und er toflte O Julie! zu ſichtlich waltete über mic bisher ein allweiſes, als gütiges Schickſal; ihm fernerbin mißtrauen zu wollen, wäre Undank. Aber nur Eined bitte ich von meinem Schutzheiligen, bitte id von demjenigen Gott, unter dem alle Heiligen tiefer, ald jet unter mir die ges Nringſten Slorentinerinnen ſtehen!

Julie. Und was? Wahrlih, ic brenne vor Begierde, dieſes Einzige zu wiſſen. .

Bianca. Wäre es wahr, was biefes bange Ger fühl, was diefe Schwermuth, die Feine Feſtlichkeit und feine Zerftreuung verſcheucht, mir zu verkünden fheinen; ware wahr jener Schauer, den, ber Him⸗ mel weiß welche unfichtbare Gewalt, über mich bey des Cardinals erfiem Anblicke ausgoß; follte ung

irgend ein Unglück bevorftehen, irgend eine Meeuterey

befaufchen,.o, fo komme fie über mein Haupt allein! So verſchone das Strafgericht meinen Gemahl, beffen

Seele ſicher keinen Fehl, als Übermaß der Tugend, |

und eine allzu forglofe Milde, befigt (etwas dörend) Doc kill! Iſt Das nicht fein Fußtritt?

Julie. Mich dünkt. Bott, gnaͤdigſte Kran, Sie haden aus meinen Augen Thraͤnen in ſolcher Menge gepreßt

"Bianca (fe zur andem Thür hinaustreibend.) Die er nicht fehen darf! Entferne did!

, (Eben diefe Nadt.)

Der Cardinal Ferdinand von Medicis (auf feinem Zimmer auf und afgehend.)

Ja! ja! es gibt eine Tugend, und die Alten thaten nicht unrecht daran, eine eigene Gottheit aus ihr zu maden ! Denn woher kaͤme jonft bieje ihre mädtige Gewalt, wenn fie nicht felbfiftändig ware? Auch Das war nicht unmeife vieleicht, daß man als Göttinn, nicht als einen Gott, fie ver- edrte; denn wo wirkt fie unwiderſtehlicher, ald in

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Bianca, Nimmermehr! Wie Mondragone Framen als Beklagter ſtand; wie er'gefragt wa Warum er die erſte Nachricht von Ferdinands heir Ken Entwürfen nicht ſogleich ihm hinterbracht ha "antwortete der Heuchler mit anfcheinender Seelenru Er habe nit Bruder gegen Bruder waffnen woll Und ih ih eine Fremde, ich in Cosmus et Geſchlecht nur eine Aufgenommene, ich jollte die Geſchlecht entzweyen? Nein, Julie, ſchwei— will ide; fhweigen und erwarten, was in des Sch ſals großem Bude vieleicht ferner Über mid ſchloſſen iſt; und auch dir gebiethe ih ein Gleid zu thuh.

Zulie. Wie! Sie können verlangen, gnädig Frau

Bianca. Meine höchſte Ungnade, wenn won diefem Geſpraͤche dad Eleinite Woͤrtchen, es auch gegen wen ed fey, entfallen follte! Zuder it unfere Beftimmung nicht feft? wachen über Lnfch: und Tugend nicht höhere Weſen? Er zählte m Hauptbaar, und follte meine Tage zu zählen v geilen haben? Er hob die entflohene, zur tiefiten 7 muth berabgefunfene Venetianerinn auf Welfchlar ſchönſten Fürſtenſtuhl, und er toflte O Julie! ſichtlich waltete über mic bisher ein allweifes, < gitiges Schickſal; ihm fernerhin mißtrauen zu wolle wäre Undank. Aber nur Eines bitte id von mein Schutzheiligen, bitte idy von demjenigen Gott, un dem alle Heiligen tiefer, ald jegt unter mir bie | ringjten Slorentinerinnen ſtehen!

Julie. Und was? Wahrlih, ich brenne ı Begierde, diefes Einzige zu wiffen. .

Bianca. Wäre ed wahr, was biefes bunge Ger fühl, was diefe Schwermuth, die Feine Feſtlichkeit und Eeine Zerftreuung verfheudht, mir zu verkünden fheinen; ware wahr jener Schauer, den, ber Him⸗ mel weiß welche unfichtbare Gewalt, über mid bey des Cardinals erſtem Anblicke ausgoß; follte ung

irgend ein Unglück bevorftehen, irgend eine Meuterey

belaufchen,.o, fo komme fie fiber mein Haupt allein! So verihone dad Strafgericht meinen Gemahl, beffen Seele fiber Beinen Fehl, als Übermaß der Tugend,

und eine all;u forglofe Milde, befigt (etwas Hören) |

Doch al! Iſt Das nicht fein Fußtritt?

Julie. Mich dünkt. Gott, gnadigfte Frau, Sie haben aus meinen Augen Thränen in ſolcher Menge gepreßt

"Bianca (fie zur andern Thür Hinaustreibend.) Die er nicht fehen darf! Entferne dic!

, (Eben diefe Nacht.)

Der Cardinal Ferdinand von Medicis (auf feinem Zimmer auf und abgebend.)

Ja! ja! es gibt eine Tugend, und die Alten thaten nicht unrecht daran, eine eigene Öottheit aus ihr zu machen! Denn woher küme jonft biefe ihre mädtige Gewalt, wenn fie nicht felbfiftändig wiret Auch Das war nicht unmeife vielleicht, daß

man als Göttinn, nicht als einen Gott, fie ver

ehrte; denn wo wirkt fie unwiderſtehlicher, ald in

vorsa 99 wo Gemache auf Ihrem Geſichte jene Heiterkeit vermif die öffentlich auf demſelben glänzt. Quaͤlt E: Durchlaucht vielleihr ein Kummer 1

Biancd. Und wäre denn Dieß etwas fp fel ned? Dann würde ih doch wahriih die Erffe ı Einzige aller Zürftinnen fegn, wenn ih nichts ı Kummer, diefem treuliden Gefährten des Purpu empfände. |

Sulie. Aber warum eben jegt? Jetzt, dag Slorenz ein allgemeines Freudenmahl zu feyn ſchei jest, da hie legte Molke der Bekümmerniß zu ı fhyminden anfang; in diejen Tagen der Ausfohn: ‚und Zreude !

Bianca. Freylih ſagt man, daß freude ı Leid ſich halfen; gber man irrt. Oft find fie nur al nahe mit einander verfchwirtere. O Julie, einen E nen Stachel möchte zwar immer jede Roſe bey führen; aber daß in dieſen Gebufhen oft Watt lauſchen, die unvermuthet hervor brechen und toͤdt Das Das vertient doch wohl mehr als ei Seufzer?

Julie. Ha, was gile's! Mein Atgwohn t mich nicht! Jene Perlenſchnur zerriß nicht umfonft.

Bianca (fie verwunderungsvoll anfehend.) Mas eine Perlenſchnur?

Julie. Und Sie wiflen ed nice einmahl? Eure Durchlaucht den Cardinal mit innigſter begrüßten und umarmten, da rif die größte Sch Ihres Kopffhmuces entzwey, und freute alle Derlen zur Erde. Ha! dachte id, noch iſt es gendwo nicht Friede von ganzer Seele; noch kann

rn GI ww Freundſchaftsband ſchnell wieder zerriſſen werden, das man jetzt dem Anſchein nach ſo feſt geknüpft hat.

Bianca. Thörinn, mit deiner ‚abergläubigen Vorbedeutung !

Anlie. Scelten Sie auf mich fo lange und viel Ihnen gut dünft; nur ſchließen Sie dann auch Ihren Gram vor mir auf!

Bianca (nad einer Heinen Paufe nachdentend.) Run ja, ih will e6 fir vertrauen. Auch meinen Glauben, auch meine Zuverfiht hat dieſer zartlihe Bruder nicht; auch ich hoffe nicht von biefer Freundſchaft unbegrenzte Dauer! Aber wollte der Himmel, meine Merkmahle wären fo nichtig, wie die deinigen!

Julie. Ind worin beftehen alfo biefe, gründfis hern Merkmahle, wenn ih darnad zu forfehen mic erkühnen dauf?

Bianca. Entfinnft du dich jener, gleihfam freu⸗ digen Bewunderung, mit welcher mid ber Cardinal beym. Eintritt im Vorſaale Setzachtete?

Ju lie. Wohl entfinne ich mich deren; fie ſchien allen Ihren wahren Freunden ein glüdlines Zei hen zu fepn.

Bianca. Und war mi: ein widriges. Denn ich erkannte an ihr fofort einen Mann, der keineswegs feiner Empfindung folgt, ſondern nur eine üͤberdachte Rolle fpielt.

Aulie (erftaune.) Wie Das!

Bianca. Mein Anblid, deffen bin ich zu gewiß, kann ihm nichts Neues feyn. Jenes Bildniß ‘von mir, wo mid der Mahler fo ſprechend traf, das einft in Bonaventuri’d Zimmer Lfie wiſcht fid das Auge) noch bringe ich feinem Andenken den verdienten Zoll!

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ſich aufgehängt befand, und dann im fürftfid Bilderſaal veruflanzt ward; eben die Gemählde, | nachher verfhwand, ohne daß jemand wußte, wo vwo daͤchteſt du wohl, daß es ſich befände ?

Ju lie. Wahrlich, ih weiß nicht ju rathen, n

Bianca. An Ferdinands Cabinett iſt esen ſchon feit ſechs Monathen verſteckt; auf feinen Bef ward es entwendet. (Da Dieſe einfallen will.) Frage nic woher ich Dieß weiß! Genug, daß ich Wahrheit rei Längſt bekannt war daher der Cardina: mir mein Außerliden; und jened Etaunen bezeichnete ı unmwiberleglich den Heuchler. Aber ſtärker noch v . viethen ihn mir gewiſſe Blide, die er zuwei feitwärts auf mich füllen ließ, wenn er von Niem den und am wenigiten son mir feldft bemerkz zu glaubte; ein Irrthum, der deſto verzeihliher wa da er jenen Spiegel nicht Eannte, der fo weile, v du weiße, in einer „Sertiefung meines Zimme angebraht if. Julie, ich fage nit gern viel: aber in diefen Slicken, fo unenblih Eu auch ihre Dauer war; fo wenig fie fi befchreibe fondern nur fehen und fühlen lafın,; in ihnenen doch Haß und Rachgier ſprechender ausgedrüdt, ſelbſt Apelles fie in jenem berühmten Bilde *) dar, itelflen vermochte. Mur der Dolch oder der Gifrt cher fehlte noch in feiner Hand, um ganz den To feind zu erbliden, der mir ifm ab, wein H

) Am Hofe gu Alerandrien, wo der Känftfer die Laſt die einen ſchwachen argwöhnıfken König umring dar ſtellte.

ſagte es mir nur allzu'gewiß für mich nad Bloreng gekommen iſt.

Jullie. Und was fürdten Sie viel, gnädigfte Frau, felbft wenn er Der wäre, für den Sie ibn hal- ten? Sie, die fie am Bufen Ihres Gemahls alle Feinde ald ohnmächrig‘verfposten Sönhen? Nur eines . Winkes von diefer Beſorgniß, nur eines Wortes von dieſer Bemerkung bedarf ı? ie, und der liebenolie Fürſt »

Bianca Ceinfaltenn.) Da fep Gott vor, daß auch nur ein Hauch meines Mundes, auch nur ein Zug. meined Geſichts, auch nur ein einziger Seufzer mei⸗ nes Vuſens Franzen von allen diefem Verdachte eine Epur merken laſſe!

Julie. Und warum Dash

Bianca Haft du ſchon vergeffen, daß meiner ganzen Bemerkung Grund auf einen bloßen Argwohn berubs ? daß jene Blicke, die ich wahrnahm, von fo unbefchreiblich Eurzer Dauer waren, daß fie nur ſich fühlen, nidt beſchreiben laſſen? Wie? und wenn ih nun fo unmöglid aud Diefed mir bünkt wenn ich nun falſch gefehen, wenn ein fhadens froher Damon nur auf Secunden lang mein Auge um» nebelt,, oder irgend eine andere verborgene Negung Ferdinands drefe Mienen hervor gebracht hätten? Und ih ich follte eines ſolchen Argwohns halber den Samen der Uneinigkeit ausſtreuen? Sollte ein Feuer neu anfaden, das kaum unterdrüdt worden ift? Sollte deßhalb auh die Ruhe meines Gatten. vergifs ten, weil ih die meinige vielleicht feldft vergifteien

Julie. Wenn nun aber

.

vera 94 wor.

Bianca Nimmermehr! Wie Mondragone Sranzen ald Beklagter fland; ‚wie er'gefragt wa Warum er die erfie Nachricht von Ferdinands heir Ken Entwürfen nit ‚fogleih ihm hinterbracht ha "antwortete der Heuchler mit anſcheinender Seelenru Er habe nicht Bruder gegen Bruder waffnen woll Und id id eine Fremde, id in Cosmus et Geflecht nur eine Aufgenommene, ic jollte die Geſchlecht entzweyen Nein, Julie, ſchwei— will ich; ſchweigen und erwarten, was in bes Sch ſals großem Bude vießeidht ferner Über mic fhloffen ift; und auch dir gebiethe ih ein Gleic gu thuh.

Julie. Wie! Sie können verlangen, gnäbig Frau

Bianca. Meine höchſte Ungnade, wenn won dieſem Geſpräche das kleinſte Woͤrtchen, es auch gegen wen es ſey, entfallen ſollte! Zudern it unſere Beſtimmung nicht feſt? wachen über nf: und Tugend nicht höhere Weſen? Er zaͤhlte m Haupthaar, und ſollte meine Tage zu zaͤhlen v geilen haben? Er hob die entflohene, zur tiefiten 7 muth berabgefunfene Venetianerinn auf Welfchlar fhönften Fürftenftuhl, und er tollte O Julie! ſichtlich waltete über mich bisher ein allwerfes, a guͤtiges Schickſal; ihm fernerhin mißtrauen zu wolle wäre Undanf. Aber nur Eines bitte ich von mein. Schutzheiligen, bitte ih von demjenigen Gott, un dem alle Heiligen tiefer, ald jegt unter mir bie ; Nringſten Zlorentinerinnen fiehen!

Zulie. Und was? Wahrlih, ich brenne v Begierde, diefes Einzige zu wiffen. .

arena 95 neh:

Bianca. Wäre ed wahr, was biefes bange Ger fühl, was diefe Schwermuth, die Feine Feſtlichkeit und Eeine Zerftreuung verſcheucht, mir zu verkünden fheinen; wäre wahr jener Schauer, ben, der Him⸗ mel weiß welche unfichtbare Gewalt, über mich bey des Cardinals erſtem Anblicke ausgoß; follte uns irgend ein Unglück bevorftehen, irgend eine Meuterey belaufchen,.o, fo komme fie fiber mein Haupt allein!

So verihone dad Ötrafgericht meinen Gemahl, deifen

Seele fiber Beinen Seht, als Übermaß der Zugenb, and eine all;u forglofe Milde „beſitzt (etwas Hören) | Doch Kill! Iſt Das nicht fein Fußtritt? |

Julie. Mich dünkt. Gott, gnädigfte Kran, Sie haben aus meinen Augen Thränen in folcher Menge gepreft '

"Bianca (fie zur andern Thür Hinaustreitend.) Die er nicht fehen darf! Entferne big!

(Eben dieſe Nacht.)

Der Cardinal Ferdinand von Medicis (auf feinem Zimmer auf und abgehend.)

Ja! ja! es gibt eine Tugend, und die Alten thaten nicht unrecht daran, eine eigene Gottheit aus ihr zu machen! Denn woher kaͤme jonft bieje ihre mädtige Gewalt, wenn fie nit felbfiftändig wäre? Auch Das war nicht unmweife vielleicht, daß man als Göttinn, nicht als einen Gott, fie ver- edrte; denn mo wirkt fie unwiderftehlicher, ald in

06 den Augen eines ſchönen Weibes? Und ? ift Bianca! Beym Himmel, Das iſt ſie! (Ya Gran; ! Franz! Ich haſſe dich, mehr, als je Beraubte jeinen Räuber, ber toͤdtlich Verwundete nen Banditen haßte; aber verachten kann ich | nit [Frg:r; wenigftens dieſes Schrittes halber nic Dein Ebrgeiz und der meinige? Em David, mit Goliath fi meffen will! Und doch, wenn ich mein Annerites greife an deine Stelle mi x fege ſelbſt auf eine Wagichale den Hut des Er herzogs, auf die andere den Gürtel Bianca’s Te; Wahrlich, ed würde mißlih um diefe Wahl ben: würde mid) ber Überlegung viel Eoften; und d ber Ausſchlag derfelben vielleicht die Millionen v liebter Gecken noch überzähliger um Einen Kopf ı hen! (Gin Diener tritt Herein.)

Diener. Ein Verkappter ift braußen; valat Eure Eminenz zu reden, und "übergab mir bi - Karte.

Card. Ein Derkzeichen, das ich kenne. M laſſe ihn herein!

(Mondragone tritt aãußerſt vermummt ins Bimmer.)

Card. (achend. Nun fürwahr, Freund, T nenne ich fi brav vermummen! &o gewiß ih m . eurer verſah, unangemeldet hätte ih Euch doch kar erkannt.

Mondr. Auch bedurfte ich dieſer forgfältig Verkappung ſehr; denn in ihr habe ich beynahe a öffentlichen Plätze durchſtrichen, um zu laufhen, n Alles itande.

Card. Kun? Und wie fandet Ihr es?

Mon

97 *

| Mondr. (die Achtel zudend.) So, fo! Der Be⸗

richt dürfte ein wenig weitläuftia ausfallen, und deß⸗

halb, eb’ ich weiter darliber ſpreche, möchte ih mic

faſt unterfangen,, erſt Euer Eminen; felbft eing hut de Frage vorzulegen.

Card. Welche denn?

Mondr. Wie haben Sie, verfteht fih im wahr ren Ernft, den brüderlihen Hof gefunden? Habe ich nicht, als ich denſelben ſchilderte, Wahrheit gefpre« hen?

Card. Das habt Ihr. Wie man es nimmt, nahme lich Wahr ift Alles, was Ihe von Btanca's Gewalt über den unmündigen Franz, von feiner trunßenen Anbanglichkeit on jeden ihrer Blicke, und von der Sclaverey des ganzen Hofes mir fagtet. Aber wenn Ihrt eben viefe Bianca, als ein aberglaubifches, bigortes Bürgerweib, als eınen mittelmäßigen Korf und eine mitrelmäßige Schönheit mir ſchildertet; daun, Mon« * dragane „— dann war in Eurem fonft fo fcharfen Fern⸗ glas ein Fleck, oder ein Qufehläschen, das Euern Blick tauchte. |

Morndr. (Haid vertegen.) Wäre es möglich ?

Card. O gewiß, ganz gewiß! Unbegreiflich faſt dünkt es mi), daß je ein Mann, der fein großes Otu⸗ fenjabr nicht ſchon überſchritten hatte, Bianca ohne Aufwallung von Liebe erblicken Eonnte ! Erblickt in mie felsit einen Anbether, werigftend ein Bewunderer bon ihr! | | |

Mondr. Eure Eminenz fherzen, wie ih dermuthe!

Card. O nein! Bey meiner fücitioen Ehre! &

Meißners Bianca Cap. 2. Thl.

, on GB,

bürfte ein ziemlicher Beyſatz von Ernſt in dieſem Scherz fi befinden. '

Mondr. (erſtaunt.) Unmöglih) Denn äußerten Sie nicht, gleich nad der erften Zufammenfunft z in den wenigen leife mir zugeflüftersen Worten das Ges gentheil? |

Card. Seht, Mondragone, um Eud nit Wis derfpruch und Unfinn vorzuſchwatzen, muß ich forgfäls tig erft die Zeitpuncte meiner Gefühle aus einander

feßen. Jene liebevolle Miene beym erfien Eintrizt,

die meinem fhmadköpfigen Bruder fo fehr an mir bes hagte, war freylich nichts als Schminke. Wer wüßte Das beffer ald Ihr, der diefe Schminke mir auflegen half? Und doch miſchte fih damahls fhon unter meine Verftellung ein Schatten obſchon nur ein Schatten von wahrer Empfindung. Ich Eannte Bianca’ Bild. Sprechend hatte es der Mahler verferfigt. Doc ach!

Raphael felbft kann ja nur einen Augenblid der Schoͤn⸗ |

beit mablen, und wie viel folher Augenblide hat ein reizendes Weib!

Mondr: Eine feine Bemerkung!

Card. Schmeichler! Als ob Ihr heute fie zumi eriten Mahle hörtet! Leichter ward es mir daher durch diefe unwilllnrlihe Empfindung meinen Betragen Wär: me, meinen Worten wenigitens den Schein der Wahrs beit zu geben. Die eriten Minuten vergingen, und Bianca führte uns in ıhr Zimmer. Als ih bie Pracht desfelben erblickte, ald in unter eben dem Ihronhime mel, unter welrhem fonit eıne Erzherzoginn aus Diters seihs Stamm zu fißen pflegte, Bianca Bonaventuri Platz nehmen fah ; da flieg der Gedanke: wahrlich viel zu viel Ehre für die Witwe eines entlanfenen

J

Handlungsdieners! mit verftärkter Gewalt in mir em⸗. por; da koſtete es mir Mühe, diefe Aufwallung zu verbergen; und hätte ih mit geübtern Augen *) zu. thun gebaht, vielleicht wwäre.ich bemerkt und der Wir⸗ be! meiner Seele entdeckt worden. Seht hier den Grund derjenigen Gemüthoſtimmung, in der Ihr mich bald darauf ım Vorübergehen fander!

Mondr. Nın, und diefe Gemücpskimmung was Eonnte fie ändern $

Card. Eben Diejenige, die fie erregt hatte: Bianca ſelbſt. Spöttelt darüber in Eurer kalten Seele, fo viel Ihr wollt; aber, bey Gort! es iſt Wahrheit, wenn ich fage: jener bey geringern Frauen oft entweihte Ausdruck: O es ift ein Engel!, ſcheint mir hier in feiner ganzen Stärke zu paſſen. Bianca's eriter Anblick blendet durch allzu großen Glanz; aber dann enthüllen ſich bey ihr wie bey jenen ätheriſchen Weſen Reize, zu hoch für wört⸗ lichen Ausdruck; dann enthüllt ſich eine Seeſe, wohl mehr werth, als. nur einen ſterblichen Körper zu bee leden. Tugend ſpricht aus jedem Worte; Milde herrſcht in jeder Miene; und wenn zumahl idr Blick, voll hoider Liebe, auch eine Secunde bloß Auf den. glück⸗ lichen, nur allzu glüdlihen Zranz ſich richtet wahrlich, wahrlich, dann möchte ah diefen Schwaͤch⸗ ling mordenz nicht um fein Reich, ſondern um fein Weib zu haben.

’) Man fieht aus dem vorigen Geſpräche, daß Birne doch ſcharfer ſah, als der ſelbſtſüchtige Cardinal muth⸗ maßte.

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Mondr. (täweind.) Eure Eminenz fliegen mit eines Arioito Fittig.

Card. Ohne ein Dichter zu ſeyn; ohne ein Wörtchen mehr, als wahre Empfindung zu fprehen! Mondsagone! Ihr wißtes, mit welches glühenden Halle gegen diefes Paar ich hierher -Eam; noch fteht mein Haß auf dem vorigen Grad der Hitze; aber er iſt nicht mehr getheilt; fein einziges jegiges Biel ift Fran, Franz allein. Wer Bianca antafter, - taftet mein Leben zugleih an. Nah ihrem Beige muß ich fireben, und follte ih Sclangentüde mit Löwenmuth verbinden müflen; denn fie lehrt mich im meinen Dreyßigen erft, was heiße Liebe fey. Sie allein von ihrem ganzen Geſchlechte hat ſchneller, als ‘ein Blig, mein ganzed Herz an fich geriifen. .

Mondr. Sonderbar, furwahr fonderbar, daß Dieß ſo oft der Fall bey ihr zu ſeyn pflegt.

Card. So oft? Wie meint Ihr Das eigentlich? Ihr macht eine Miene, ald ob Ibhr anders bächtet, And anders fpradt.

Monde. Sider nicht! Es iſt mein Ernſt, daß auch ich noch keine von Bianca's Geſchlecht kann⸗ te, ber fo allgemein die männlichen Herzen hul⸗ digten. Selbſt tief im Volke hat ſie ſich einen Anhang

erworben, ſtaͤrker und inniger, als je ein Fürft von Cosmus edlem Stamm ihn hatte; und erft fo eben, ebe ich hierher Fam, babe ich ein Benfpiel davon ges fehen.

Card. Und Das beftand 2

Mondr. Ic durchſtreifte, wie ih ſchon vorhin erwähnte, in biefem Gewande, einige unferer öffent⸗ lichen Pläge, Spaziergange und Bärıen, und hörte

022) 101 er0IB

auf die Geſpraͤche der Menge. Überall waren Franz, Terdinand und Bianca , die Gegenftände derfelben. UÜberall ward verglihen , wer fi) am edeliten betrage, und überall bebielt fie den ‚Preis. Einer unferer Kundfhafter er felbft erkannte mich nicht ſaß unter einem foldhen dichten Haufen halbtrunfener Bürs - ger, und wagte die Frage aufguwerfen: Für weffen Mohlfahrt das Volk der Blorentiner wohl jegt die inzigften Segenswünfce zu thun Urſache habe? Franz, fuhr er fort, iſt unſer gutevolle Fürſt; Bianca ſcheint ſein Schutzgeiſt zu ſeyn, ihm ſelbſt an Milde gleich. Aber auch Ferdinand verdient unſere Hochachtung gar ſehr; noch iſt er der dereinſtige Erbe ihres Stuhls; und ihr müßt geſtehen, daß etwas ſehr Großes, ſehr Edles, fehr Einnehmendes in feiner Miene liegt. Die Antwort darauf (Hält plstzlich Inne, als ob er u) eines Andern befänne.)

Card. Nun, was ſtockſt du? Die Antwork darauf ? "

Mondr. Verzeihe mir Euse Eminenz! bie Hige des Sprechens riß mich hin. Ich vergaß bey Ermähs nung der $rage, daß ich die Antwort darauf nicht wieder fagen Eann.

Card. Und doch befehle ih Euh nun Dieß zu thun.

Mondr. (die Achſel zutend.) Wenn Eure Eminenz dann meiner Aufrichtigkeit verzeihen wollen,

Card. Gewährt im Voraus fhon! Diefe Ant: wort war

Monde. Ein lautes Hobngelöchter. Ein Geläch⸗ ter von fünf Minuten wenigſtens. „Bianca und Fer⸗ dinand unter fich. zu vergleichen! hob endlich Einer der

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nn 102 vo

Mortführer an; Das beißt fo viel ald Sonne und Mond in eine Claffe jegen. Er mag hingehen, wenn die Nacht einbricht; aber er demüthige fi) dann mit Recht, wenn er mit ihr zufammen trifft. Sie „bat eigenthümliches Licht, und er nur geborgtes. Rich⸗ tig, richtig! rief ein Anderer: ſelbſt feine Greßmuth⸗ ſeine Freundlichkeit, ſeine Bruderliebe glaubt mir, bedürfte er nur unſers florentiniſchen Goldes nicht, fein Purpurhut ware fiber zu Nom geblieben. In einer Bianca find.zehn foldhe Cardinaͤle begraben.” Alle gaben dem Sprecher recht, und ich fchli mid Davon, um den Unwillen nicht merken zu laſſen, der

in mir aufſtieg.

C ard. (der ganz ſtumm und nachdentend einige Yugene plicke auf und niederaebt, dann halb für ſich.) Sie die Sonne, und ih nur der Mond? Zehn meines Gleichen in Einer? Viel, fehr viel, und fehr ſchmaͤhlich!

Monde. (ür ih.) Gut! der Zunke feine zuůn⸗ den zu wollen.

Card. (mit entſchloſſenem Tone.) Doch nein! Nein!

(Mit wieder, Beiterer Miene und Stintme. ) Ha, ich Tharx, der ich den Beſtandtheilen dieſer dargebothenen Arzeney erſt mühſam nachdenke, da ich doch dem. Arzt, der fie berritet, und auch feine Curart kennen folte! Montragone! Was du mir da erzaͤhlteſt, du magft ed nun wirklich gehört, ober auch nur ers dacht haben; glaube mir, es haͤlt mich nicht ab, Bone ca für die Krone ihres Geſchlechts zu achten; ja, ed reizt mich nur ſtärker, dentoch zu verfuchen, ob dieſe Krone nicht freywillig die Meinige zu werben Luft hätte. Hat fie es, o dann Perunter, herunter 'mig’

ww 105 wwe Stangen! Herunter zur Holle, es fey im offnen Kriege oder im Hinterhalt!

Monde Und Eure Eminenz vergelfen ganz jene Eunftlihe Keuſchheit, deren Bianca jederzeit ſich rühmte, deren fie jederzeit fo paſſend fi bediente? Sene Vorſicht, die eben den Großherzog Dasjenige für einen fo hoben Preis zu Faufen zwang, was er gerin⸗ ger nicht erhalten konnte!

Card. (kon) Bin ic Sranz?. Ein fo halb weiblider Mann? Laß jept ſehen, ob es Schmeich⸗ ler waren, die fo oft meine ®eftalt erhoben? Schmeichler, die wie bu felber thateſt meis nen Geiſt auf Jenes Unkoften rühmen? Ha, bey Gott! Ich muß um ihre Liebe werben, und ſollte morgen ſchon mein Kopf auf Florenz höchſter Zinne ftecfen und mein übriger Körper in tiefer See ſich bar den. Lebe wohl, Mondragone, für heut! Es ift fhon ſpät. Bald will ich dich wieder rufen laſſen. Thue indeß dein Möglichftes, mir Herzen zu gewinnen; auch ih will feine Mühe, wenigſtens bey einem dieſer Here zen, ſparen. (b.

Mondr. (allein. War Das ein Traum, ben zum

Zeitvertreib mir die Hölle ſchickte? Iſt es wahr, was ich hörte, und dody noch lieber wähnen möchte nicht gehört zu haben? Iſt Bianca, iſt dieſe vers dammte Capello, der Fels, an dem mein Schiff durch⸗ aus ftranden fol und muß? Sind alle Söhne Cos⸗ mus an biefe hoͤlliſche Sirene gefeffeft? Iſt nun auch Ferdinand von ihr erobert‘? Er, der taufendfache Urs

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vvvñ 104 vo

ſache fie zu haſſen hatte, wenigftens fie zu 5 glaubt, auch er kommt, fieht fie, und fält am Tage iton ın ihre Schlinge! (Heine Paufe.) « nun fehlte nichts, als daß feine tolle Liebe noch 7 munterung fande; daß nur einer ihrer Blicke freu fih au? ihn fiele; und er opferte mich dann mit % den anf; lachte, wenn man mid) folterte; fer; wenn er mich auffnipfen ſaͤhe. Was thue ich Wie vermerde ich diefen zweyten Schiffbrudh? ib Ranke bervorfuhen? Briefe von dießs umd | feits fhmieden? Alltagsliſt! Und wie ih auh an Bianca? wie an den Cardinal? Iſten jetzt ſchon diefer Letztete mißtrauiſch genug gegen mi Aber wie? wenn ich nun Franzen vor ber g len Begierde feines Bruders warmte! feine Eiferfi reiste ? feinen Haß neu entflammte? wenn id d Mahl ein redlicher Verrather wäre? Freylich

leichterer Weg! Aber doch nur der Weg der Verzn felung! Dann wäre ed mit Ferdinand dahin auf i mer, dann wäre ©claveren oder Abdanken, mein Lo (Lüngere Pawfe.) Mein, nein! Geben will jegt noh die Sache laffen, will nicht cher Vor tung treffen, bis die Noth auch wirktih da iſt. iſt freylich ein Tächerlihes Ding um Srauentre und Weiberkeuſchheit; aber doch müßte * derbar zugeben, wenn Diejenige, die des Regent Beliebte zu feyn verſchmähte, jegt die Beliebte ein jüngern Bruders würde; eines Bruderd, d fie baffen muß; eines Mannes, der in Allem, w Weiber reizt, weit unter Jenem fleht! Sey

denn, du brüchiges Glatteis weiblicher Tugend! 3

wesen 105 wen" traue dir dieß Mahl, ich hoffe, daß du ſelbſt mir vielleicht den Weg zur belohnien Argliſt ebnen ſollſt!

(Zwey Tage darauf, Bianca's Gemach.) Bianca, Julie.

Bianca. Du. weißt ed alfo ganz gewiß daß Niemand uns behorchen kann?

Julie. Ganz gewiß; er müßte denn durch drey⸗ fach verſchloſſene Thüren dringen.

Bianca. So komm dann, und ſetze dich neben mir! (Sie ſchmerthaft bey der Hand ergreifend.) O meine Julie! jegt erſt erkenne ich, daß es eine Art von Kummer gibt, die der Verſchwiegenheit felbft zu vers bergen unmöglich fiele. Wahrlih, mein Herz nrüßte zeripsingen, könnte ich nicht gegen irgend Jemand ihm Luft machen.

Julie Cerſchreden.) Um Gottes Willen! Gnaͤdige Grau, was ift Ihnen widerfahren? Ich bin fo vers wohnt an die Gelaſſenheit in Ihrem Betragen, daß ich bey diefem unbekannten ſchmerzhaften Zone im Voraus izittere. Sie ſcheinen mie bewegter zu ſeyn als jemahls.

Bianca. Bewegter als jemahls! Du haſt recht, und ich habe Grund dazu. Entſinnſt du dich mei⸗ ner neulichen Vermuthung vom Haß des Cardinals gegen mich“?

Juie. Wohl entſinne ich mich deren. Aber wodurch kann neuerdings dieſer Haß fi. geäußert

da 106 ve haben ? Er ſcheint ja die Dienftbefliffenheit fe zu feyn.

Bianca O daß er mid haßte ftärker ı Feuer und Waſſer, Tag und Nacht fi: halfen ! Ai biefer Pflichtvergeſſene Julie, diefer Pflichtverg ſene liebt mid.

Jullie. Eure Durchlaucht

Bianca. Starre mich an, wie du vwilſſt! erſtarrte noch mehr, als dieſes ſchaͤndliche —** ſich enthüllte; als vor mir fein laſterhafter Wunſ ja ſelbſt feine frevle Hoffnung ſich aufdeckte; der Druck feiner Hand, fg oft er die meinige zu rühren Gelegenheit fand, als das Feuer in fein ‚Auge fo oft Franz aud nur auf Secunden lang | Rücken wandte als die Lobeserhebungen, mit de er unabläfjig mich überhäufte; als, mit einem Wor taufend Eleine Kennzeichen fih heute morgen burdy! fe8 Briefen aufblärten, das er ſelbſt in mu Sand mir drudte.

Julie. Wiet Ein formlicher Liebesbrief Er ſe deſſen Beſteller?

Bianca. Ja wohl eines ſchaͤndlichen Gewer ſchändlicher Beſteller! Und wenn du vollends ihn (Sie will ihr hier den Brief gu leſen geben, beſtunt ſich aber ſe eines Undern.) Doch nein, nein! Den Antrag feldft kor ich dir gefteben; aber die Frechheit, mit welde: von feiner Liebe, als von der erlaubteften Sache fpr von der Größe feiner Gluth, und felbit von ben 9 theilen einer folhen Eintraht Eannft du dir was Unjinnigeres als. fol eine Eintradht denken‘ Kein, Zulie, nein! Diefe Frehheit ift zu züge als Daß ich fie noch irgend Jemand zeigen könnte;

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we. 107 vvvu⸗ ich verwünſche den Tag, an dem ich ſolch eine Be⸗ ſchimpfung erleben mußte ! "

Julie; Ein Unwille, gnädigite Frau, der Ih⸗ ver Seele mehr Ehre macht, ald mein Mund und - hätte er ſiebenfache Kraft der Sprache je auszudrüs Een vernöchte! Aber erlauben Sie, daß ich wenige ftend nit die bittere Befhimpfung in fold eis nem Anteagefinde, die Eure Durchlaucht darin fuchen. Srevelhaft genug iſt freylich des Cardinals Wunfch- und Hoffnung. Doch das Gefolge weiblicher Schönheit bes ſtand ja ftetd aus Bewunderung und aus Mannerliebe,

tur zu oft vergiſtt diefe Letztere freylich, was Anſtand und Pflicht

Bianca. Schweig, ſchweig, leidige Tröfterinn ! Ich könnte dich haſſen, wenn ich Außerungen dieſer Art für Ernſt, und nicht bloß für die Wirkung eines Übel verftandenen Mitleid snähme. Nein !Niemahls noch, fa weit ich mein Leben durchdenken kann, erlitt ich eine Krankung wie dieje. Selbſt da nie, als id in Bonaventuri's Haufe die niedrigfte Handarbeit, ach fo willig übernahm! Gelbit da nidt als Mondragone mie den fhimpfliden Vorſchlag that, die Beyſhlaͤfe— rinn meines jegigen Gemahls zu werden. Denn Der: . jenige, in defien Rahmen er ſprach, war wenigſtens mein Sürft, ich tie Gattinn eines Ungetreuen, und vielen Zaufenden meinee Gleihen hätten Borfchlüge, die mir Befhimpfung dünkten, die höchſte Gunft zu fepn gefhienen. Aber jept? Sept O des nidhtis gen drüdenden Schimmers einer Fürftenwürde, die felöji vor Antraͤgen folder Schande meine Tugend nicht ſichern kann!

men 10D rum

Julie. Warum zögern Sie aber noch läng fih Ihrem Gemahl zu entdeden? In feinen Häm ift ja bdiefer freulofe Brüder.

Bianca. Und bleibe doch, Trog diefer Treu figkeit, no fein Bruder. Sa, ja, ih Eei Franzen. Seiner Sanftmuth ungeachtet, würde foldy einen Frevel'nicht ungeabnder laſſen; und wi ih ehemahls fchon der Zwietracht Samen unter | fen Brüdern auszuftreuen mich fheute , wie koͤnnte jegt (mit färfer werdenden Affe) o einen Blick diefen Brief, auf die Worfhläge deffelben! und milde Srauz würde werden, was fein Vater w würde die Stimme des Blutes vergeffen, und | auf die Stimme der Rache und Gerechtigk hören. Nein, Zulie! Noch ift mir es unmoͤglich, Mitteln diefer Art meine Zuflucht zu nehmen; n will ich meiner eigenen ſchwachen Stimme, fo we ich ihr fonft vertraue‘, mich bedienen um Die Wollüſtling zum Pfade feiner Pflicht zurecht zu v fen; und du felbft, Sulie, du felbft mußt mir da Bebülfinn ſeyn.

Julie. Ih? Wie Das!

Bianca. Verbirg did morgen früh in das K eines Zünglings, und überbringe ihm dieſe Antwe (Ihr einen Brief hinreichend.)

Julie. Nichts it leichter als Das, Nichte t ich wilfiger ! Aber Eann meine erlauchteſte Fürftinn , Ihrer ſonſt fo bewährten Menfchenkenntniß, hof daß ein bloßer Brief diefen Laſterhaften umſchi sen, oder ihr ſelbſt Ruhe vor feinen Anfchlägen ſchaffen werde? Iſt dieſer Brief mit der liebevo Sanftmuth eines Engels jenem Hauptzug im (

INTER 109 a rakter meiner Gebietberinn! geſchrieben, fo wird der frevfe Ferdinand nur defto gemifler noch auf Nach⸗ gibigkeit rechnen, oder wird wenigſtens deſto glühene der noch bie Geelenkräfte Eurer Durchlaucht bewun⸗ dern.

Bianca. Wenn ich ihn nun aber in einem Tone geſchrieben hätte, er nſter, als Alles war, was ich jemahlf ſagte oder ſchrieb?

Julie. So wird dieſer Ton jenen Verwegenen zur Rade, zur. Verleumdung, zu den. fehandlichften Ränken auffordern; wird o Das fühle meine Füͤr⸗ ſtinn deffer als ih! wird unnüg auf jeden Fall ſeyn.

Bianca (die Achſel zudend.) Leidige Prophezeihung, wahrſcheinlich freylich, doch noch nicht ganz. ges wiß! Und eben defihalb will ich ihr niche folgen. Weißt du nigt, Julie, daß Lobgefänge ber Un⸗ mündigen des Himmels füßeftes Loblied, und Maße regeln ſchwacher Werkzeuge oft feiner größten Plane ſicherſte Triebfedern find ? Selbſt, wenn dies fer Brief nichts nützt, wenn er ſchadet fogar ; ich will dadurd wenigftens meine Geele retten ; will thun, was ich vermag. Überbring ihn morgen früh!

Sulies Ich gehorche Euer Durchlaucht Befehl, (für ih.) aber wahrlich nichts mehr als die Wehre von einer Stecknadel, um einen Ehrenfhänder abzuhalten!

. see 10 sende (Mondragone’s Zimmer.) - Mondragane. Mofellscin Wiethling und Sant

Mondr.. Wie ihdir ichon geſagt habe, Sur! ih will fogleih zum Carbinal hingehen; zwey M bereits hat er nach mir gefendet, und ich errathe fd warum ? Du tritt indeß an den bewußten Ple gerabe feiner Wohnung gegen über, und gibft Ad Komm ih un ein Fenfter, es fey bed Vorſaals o Zimmers; huſte ih zwey Mahl und ziehe dann m weißes Schnupftuh heraus: fo ift gefheben, m ich vermuthete, und Ferdinand benimmt fih, wie er fol. Dann eile an den beftimmten Ort, und fu bie die Geſellſchaft nach Belieben aus! Wir Bey denke ih, werten bald nachkommen; and bu hebſt gleich dein Geſpräch an.

Moſ. Gut.

Mondr. Nur gib genau Acht, wenn wir here treten! Fang ja an, ſobald du uns ſiehſt, noch wir dich hören können!

Moſ. Recht gut.

Monde. Was du ſagen ſollſt, weißt du noch?

Moſ. Wenigſtens wäre es das erſte Mahl in m nem Leben, daß ich eıne Rolle mir zwey Map vorfag ließe!

Mondr. Und wirſt fie auch brav ſpielen?

Mof. Das hoffe ih! Habe ja ſchon Gurge abgeſchnitten, und ſollte nicht lügen können?

Monde. Kein Schluß, der gilt! Denn me Seel, mid dünkt, daß Jenes oft leichter ald Dieſes ſ

wer 111 wem

Moſ. Wie es foͤllt, Signor! Überall muß der Menſch fib mühen, wenn er irgendwo fein Brot, obne Pfufherey, ebrlich und redlich verbieneh will. (Sachelad. Aber freylih it Unwahrheit eine Waare, liber deren Werth und Schwierigkeit fich inEurem Poften, Signor, richtiger noch als in dem meini gen urtheilen läßt,

Monde Wie, Burſch, hättet du wohl gar Stolz genug, dich mit mir zu ‚vergleichen ?

Mof. O nein, denn eben dann hätte ich des Stolzes nicht genug. Wir Bravo’s brauchen nut das Geld von Herren eurer Art; ihr braucht ung ſelbſt. Keinen Groll, kein unwilliges Geſicht, Signor! Id gebe, um meine Schuldigkeit zu thun, und wer diefe erfüllt, kann wohl auch zuweilen ein freyes, aber wahres Wörtchen dazwiſchen reden. ca.)

Mondr. Der Bube !— Foſt mödte ein Gewerbe mic) verdrießen, das fo nahe mit dem feinigen grenzt? und nod oben drein dem Spott eines ſolchen Taus genichts mich ausfett. Aber laßt es uns machen, wie es Zürften mit ihren Dienern zu thun gewohnt find, fhweigen, fo lange wir ibn brauden ihn wegwers fen „wenn er zu nuͤtzen aufhoͤrt (Nach der Uhr fehend.) Hart Ferdinand nun lange genug gewartet ? Nun lange genug gefühlt, daß er ohne mich eigentlich nichts if! Auf, bin zu ihm, und die Mine fpringe, die ich ſchon laͤngſt für ihn bereitete!

een 112 nen

x

(Gemach des Eardinale } Card inal. Mondrag one, (de (0 eben Bereinfritt.)

Card. (i6m ein Yaat Schritte antgegen eitend.) O Mon⸗ dragone, Mondragone! In welchem Winkel der Erbe ſtecktet Ihr?

Mondr. Ver zeihen Eute Eminenz, ich war nur ſo eben

Card. (angeutbig) Sey ed, wo hei wolle! 34 glaube es auch ungehboͤrt, und bin froh, dag ich nus endlich dich, meinen Achates, wieder babe, Ad, Freund, weißt du, wie du mich findeſt?

Mondr. Wenn ich nach dieſem Tone des Ems " pfangs, nad der Art, wie Eure Eminenz mid: ſuchen ließen , und nad) der gewöhnlihen Art der Zürften, die immer nur im Nothfall uns rufen laſſen, fchlies fen darf; fo beforge ich fait, ich treffe Eure Eminen; in einer Verlegenheit an.

Card. Oſprecht lieber, in Verzweiflung! Prophet des Unglücks! Eure Vorherverkündigung ifl eingetroffen. Schon glaubte ich deren ſpotten zu koͤn⸗ nen; ſchon traͤumte ih mich dem Gipfel des Glücks nahe; und fiebe! meine Hoffnung iſt zertrümmert, ˖ mein Herz zerriſſen auf immer.

Mondr. Sch bedaure! Und tod weiß ich noch nicht recht, wovon Eure Eminenz ſprechen: von den Planen bes Ebrgeizes oder der Liebe?

Card. Daß Idr nod zwaifelbaft Euch anftellen inne! Füllte nicht fhon, als ıch zum legten Mahle

ud fah, Liebe für Bianca meine ganıe Seele?

laubt Ihr, daß ich fo ſchnell mich verändern, oder daß

DIOR 115 VOR

daß ich irgend einen meiner Plane unverfudt auf geben Eönne ? |

Monde. Nie würde ih fo etwas zu muthmafs fen wagen, hätte ich nicht bereit3 einen der zuver⸗ figrlichiten Plane, mit Männerſtolz entworfen, bey Fürſtenehre betheuert, und durch die Ausſicht auf böch- fien Vortheil begünftigt, beym 'eriten Anblick eines Paares einfacher blauer Nugen zertrümmern gefeben. Zudem, verzeibe mir Eure Eminenz, verfuden ft zwor gut, aber ausdauermn tt beffer.

Card. Ha, Das fehlte mir noch, Mondragone, daß aud Eure Vorwürfe meinen Gerft trüber, meine Seele migmuthiger machten ! (Ihn traulich bey der Hand ergreifend.) Mein, jebt, Freund, jeßt oder nie erwarte ic) deinen Rath und deinen Troſt; bin taub für Eigen nuß und Ehre; bin fühlbar nur für Liebe oder für Nahe der Liebe, Die ftolge Capello verfhmäht meine Zärtlichkeit; verweigert mir den Erfaß, den ich, jtatt eines geraubten Throns, wenigftens in ihrem Herzen begehrte. Meiner glühendften Liebe ſetzt fie kalte Tugend, meiner ſüßeſten Schmeicheley ernfte Verweiſe, und jelbit meinem Fünftigen Beſtreben, wenn etwa ein folhes mir einfiele, die bitterflen Dros bungen entgegen.

Mondr. (alt.) Sagte ich's doch!

Card. (immer hitziger werdend.) Verdammt ſey deine Prophezeihung, und noch verdammter der Erfolg, der fie rechtfertigt! Mondragone, ſprich felbit! Jit es erlaubt, Daß Lie Tochter eines venetianiſchen Sena— tors ſich für beleidigt achten will, wenn ein Fürſten- ſohn, un ſelbſt ein Fürſt der Kirche, feine Liede ihr

Meißners Biauca Cap. 2. Thl. H

Fa wen 114 rom

anträgt ? Darf fie, die, vor wenigen Monathen ned, aus väterlihem Hauſe entlaufen, mit einem s Aben⸗ teurer das Land durchſtrich, auf eine Tugend ſich bruͤ⸗ ften, die im meiblihen Charakter beynahe allgemein für ein Mähren gilt? Kaum ‚auf den großherzogli⸗ hen Stuhl gefliegen oder geſchlichen vielmehr, rechnet fie jich ed fhon zur Schmad, wenn (dt verbeifs feinen Schmerz und feine Worte, und gebe einige Mahl baftig im Zimmer auf und ab; WMondragone nützt einen Biefer Bwifchenräume, gebt and serfter, und gibt bad verabredels Zeichen; der Sardinal fange endlih mis geänderten Tone an.) Abfheulih und doch nur zu gewiß! Unglaubs Inch zwar, aber darum nicht minder wahr! ieh, Mondragone, ſelbſt dieſe jtörifche Tugend, dieſer fres velhafte Ton ihres Abſagebriefes, dieſer beleidigende Stolz ah, er beleidigt nid nicht, er vers mwundetmid nur nod tiefer. Ein freundlicher Blick, ein günitiges Wort nur, und id würde nicht verzei⸗ ben bloß ; ich würde (dur eine halb lädhelnde Miene des Mondragone gereut) Wie? Was? Was meint du? was fagfl. du dazu? .

Mondr. um anſchetnendem Mitleid die Achleln sudend.) Kann ich etwas dazu jagen?

Card. Nicht? Nicht einmahl ein Wörtihen 1 Wolle Ihr für mid eben fo arm an beilfamen Rathe, als Bianca angutem Pillen fya

vein, Mondragone, ih wei, Ihr feyd reich an Hulfsmitteln und Erfindung; vereint Vernunft mit Erfahrung, Lit mie Menfchenfenntniß; o ich beſchwoͤ⸗ re dich, Mann, wenn du je mein Freund wareit, oder ed noch werden willit, fo nütze jene neidens⸗ werthen Kräfte jegt zu meinem Beſten! Du ſchmei⸗

wen 21D wm

chefteft mir font mis deiner Ergebenheit; wollteſt ein Fürſtenthum mır erwerben; o nur eine Nacht an Bians cas Buſen it mehr als ganz Toscana wereh! Und ide Beſitz! Sieh, und ginge ber Weg zu ihm über Waters: Örab und Bruders: Kopf hin; donnerte hinter mir der Bannftrahl des Papftes; brauſ'te zu meiner Seite der Aufruhr eines wüthenden Pöbels; riefe in meinem Herzen die ftrafende Erimme des Ges wiſſens; ich wollte Tächelnd alle diefe Schreyer und diefe Donner Überhören. Nur hilf mie zu dieſem Befige !

Monde. (für fit.) Ehe ein Mühlftein an meis ren Hald, und fors mit mir in das tiefite Meer! (Laut.) Wahrlich, Eure Eminenz, je mehr ich ter Sa⸗ che nachdenke, je unmöglicher finde ich fie.

Card. O nein, nein, Mondragone! Ad hielt ed fonjt oft für Ungereimtheit, wenn ich hörte: dem Menfhenfey nichts unmöglich! Jetzt möchte ich gern, meines Nutzens halber, heiliger daran glaus ben, als an alle Lehren der Kirche. Noch ein Mahl, Mendragone, du Eennit die Welt, und id müßte mid ſehr täuſchen, wenn du nicht aud die Weiber benns tet. Sie find Feſtungen, bejwinybar auf mehr als einer Seite, durch mehr als eine Gattung von Wafs fen; bald durd Überraſchung und Kühnheit, bald durch Sqhmeicheley und Geſchenke. O ſprich, ſprich, mein, Sreundz mein Liebling, mein Vater! Auf welche Art foll ih ed angreifen, um diefe unbezwinglich ſcheinen⸗ de Tugend zu beſtarmen, zu erſteigen Sey du mein Ahitophel, und ich will folgfamer für deinen Huth als Abſolom feyn. oo

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men 110 mm

Mondr. Allerdings gibt e3 der Manntgfs £eit genug im Angriffe, und doch fürchte ih, d jedeö der ſonſt befannten Mittel bier vergeben | Bianca’s Sprödigkeit iſt ernſtlicher, als gewöht Weiber-Ziererey. (Mit ten Achſein zudend.) Fre wenn es nicht ſchon fo suhtbar wire

Card. testen) Ruchtbar? Wied Wa wuchtbar ? '

Monde. (ganz geloſſen) Nun, was fonit, worüber fo eben Eure Eminenz geklagt haben ! Liebe, und Bianca’s Strenge.

Card. Cimmer coſtaunter.) Dieß ruchtbar? Und wen?

Monde. Für went Für ganz Florenz fe und alfo zweifelsfrey au bald für gan; SItalie

Card. Menfh, Das Tügit du! Du felbft biſt Erfte und Einzige, der ed aus meinem Munde erfü

Monde. Aus Euer Eminenz; Munde 0 zweifelt daran! Aber mein Fuͤrſt glaubt doch mi daß Dasjenige, was er hier mir entdedt hat, meit Ohre fo ganz erwas Neues gewefen fey ? Wahrlich, Sonne war nch fern vom Mittage, und ih wi bereitö auch Den Eleinften Umitand von dem Entf der Großherzoginn. Sa, fo eben komme ih aus ein öffentlichen Haufe, dem gewöhnlichen Ort für me Lauſchereyen, wo Bianca’s Tugend das Lob auf A Zungen, Ener Eminenz Begierde und miplunge Anſchlag der Segenftand aller Wiglinge war; wo Burſchen gab, die fogar Abfchriften von jener Gef predigt geieben haben wollten, welde die tugendhe Fürſtinn Ihnen ſchriftlich zugeſandt hätte,

| Card. (fi dor den Kopf fhlagend.) Ha, bey Mei« nem Leben, du biſt Eein Menſch; du bift Satans Sprachrohr nur! (Er ſitzt ſprachlos mit unterſtütztem, ver⸗ decktem Haupt eine geraume Zeit, und ſpringt Dann pföslich mie fürchtertichem Grimm empor.) Nein, nein! Es Eann nit feyn! Schandlicher Lügner, mit diefen Händen er» droſſele ich Dich, wenn ich deine Zalfchheit entdecke; und Das werde ich! gewiß, Das werde ich!

Mondr (gang gelaſſen.) So ſey ein Pfahl mein Paradebett, und der Bauch der Raben mein Grab⸗ mahl! |

Card. Ah das Mährhen der Stadt? Ich von Bianca felbt dazu gemacht? Nimmermehr ! Ste fhwur mir fo thener in ihrem. Briefe, daß den meis nigen Feines Menſchen Auge geſehen habe, den ihrigen nur ich feben felle. Sie Eann araufam ſeyn, Ealt, liſtig, unempfindlich ; aber fie ift fiher weder Betrüs gerinn, noch bofihaft.

dondr. Und wer fagt Das von ihr? Aber fie it doch Furitinn und Weib; ald Rene muß fie irgend» eine Vertraute baden; ald Diefe Eann fie eher alles Andere, nur nicht ſchweigen; fihweigen von einer Liebeserklärung, und von dem großen Ovfer, fie verfhmäbe zu haben! Ein einziges Wort zu einer ihrer Dienerinnen, eine einzige Miene gegen Denjenigen , dem fie Überbringung tes Briefes anbefahl, gab vielleiht Grund genug zum Vers dacht: und die Ausforfhung folgte dieſem Verdachte nur allzu glucklich nach. Durchſtechen läßt ein Damm ſich leicht; aber nachmahls feine Er— gießung Sindern, it ein Werk der Unmöglichkeit,

Card. (mie den Kopf fihiieteind.) Nimmermehr Nimmermehr! Franz fellte meine, Abſicht kennen, nud

rare 118 we.

ih lebte noch? ich raſtete hier ſicher in ſeiner Reſiden in feinem Schloſſe?

Mondr. Willen Eure Eminen; gewiß, wie Ton ge diefe Sicherheit noch dauern dürfte? Oder ift es fe auögemaht, daß auch der Zürft fihon wiſſen mäfle, was mandem feiner Untershanen längft Eein Geheim⸗ niß mehr iſt? Wie? wenn nun eben burd die dritte vierte oder hundertſte Hand vielleicht, Bidnca am ihn bringen wollte, was fie aus Beſcheidenheit felbt verfchwieg? Wenn, ihrem Plane nah, Graufopf Ess pello vielleicht, oder Modefini, oder forft ein Zwi⸗ fbenträger von ehriwürtiger Larve, dem Herrn Ges mahl zuflüſtern follte, was allzu parteyiſch in der Ge⸗ mahlinn Munde klaͤnge? Lange glimmt oft die Lunt⸗ des Minierers, ehe fie die Pulverkammer erreicht, aufr fliege und den Boden über fih ummühlt. Lange Doch wozu diefe Einwürfe und Widerlezungen I Ber: fagt Fürn Serdinand feinen Glauben meinen Worten, fo tomme er, fo höre er felbft, was ich hörte; Nenn fonderbar müßte e6 zugehen, wenn das Gefpräd) baren fih indeſſen ſchon gan; erſchöpft hatte.

Card, (erwasvertegen.) Mitkommen? Ich? Sept? Sept ſogleich? To (nach einer Heinen Paufe, entichloffen.) Doch - ja, Das will ich; will mich unkenntlich machen, noch mehr als Ihr ſelbſt; will mit eigenen Ohren Mondra⸗ gone, wenn ic es fo antreffe! Schon beym’® es danken glüht mein Herz wie Metall im Zeuerofen; was werde id erſt dann empfinden, wenn ic wir: lich Ha, ſchändlich, treulos! Aber ich. will mid überzeugen davon! Bleib du hier einitweilen, bis ich, was bald gefchehen ſeyn fol, mic umgelleider babe, (36.)

.. 119 va

(Öffentliches Kaffehhaus)

Menge von &piel: und Trinktifhen, unter den Gaͤ⸗ ften mitten inne, aber verkleidet, der Cardinal und Mondragone.

Card. (Hatbiaut zu Mondragone.) Ob ed nicht iſt, wie ih dachte! Schon an drey Tifhen herum, und noch fein Wort gehört, das dahın zielte! Bitter.) Wahrlich, Eure herrlihe Nachricht, meifer Mentor, verdient meinen wärmften Dank. Ich errathe ihre Abs fiht volllommen, und werde fie zu ſchätzzen wiffen.

Mondr. (mit äußerfer Kätıe.) Kaum! Denn idy jebe freglih, daß Eure Eminen; für meine Erfin dung balten, was lautere Wahrbert ift. Auch mi wundert das Stillſchweigen, das über diefen Punct jege herrſcht; aber fo ganz unerklärlih ift es mir noch nit: man fpricht fi ja wohl aus.

Card. (immer Kugiger.) Man ſpricht fih aus? Wie meint Ihr Das! Haltet Ihr mich für einen Ges genftand, den man nicht einmahl lan.ger Rede würs dig achtet? für einen Elenden, deffen Tugenden und Sehler man mir wenigen Worten hinwirft,, und dann feined ganzen Dafepns vergißt? Vortrefilih! vors trefflich! Sich ausſprechen? Sich fo etwas leicht erflären? Mondrogone, ich rathe euch, reizt mei⸗ nen Zorn nicht!

Mondr. Wenigſtens fühle ich, daß er wahrlich leicht genug gereizt werden kann. Eure Eminenz fin⸗ den in meinen Worten einen Sinn, der tiefer verſteckt liegen mufi, als ein Senkbley reiht; fo-tief, daß ich

ihn felbft nie fpüre. Auch find wir noch lange nie _ |

S

ww 112 wm. \

Gemach des Cardinals) Cardinal. Mondragone, (er fo eben hereinf

Card. (ifmein Baar Schritte entgegen eilend. INS bragone, Mondragone! In welchem Winkel ber ( ſtecktet Ihr?

Mondr. Verzeihen Eure Eminenz, ich war fo eben Ä

Carb. (ungeduldig.) Sey es, wo des wolle! glaube es auch ungeboͤrt, und bin froh, daß ich endlich dich, meinen Achates, wieder babe, Freund, weißt du, wie du mich findeſt?

Mondr. Wenn ih nach dieſem Tone des pfangs, nach der Art, wie Eure Eminenz mich fun ließen , und nad der gewöhnlichen - Art der Kürfl die immer nur im Nothfall uns rufen laſſen, fe ßen darf; ſo beſorge ich faſt, ich treffe Eure Emin in einer Verlegenheit an.

Card. Oſprecht lieber, in Verzweiflung! Prophet des Unglücks! Eure Vorherverkündigung eingetroffen. Schon glaubte ich deren ſpotten zur 1 nen; fhon träumre ih mich dein Gipfel des &: nahe ;. und fiebe! meine Hoffnung iſt zerreimm: mein Herz zerriffen auf immer.

Mondr. Ich bedaure! Und doch weiß ih n nicht recht, wovon Eure Eminenz fprehen: von | Planen bes Ehrgeizes oder der Liebe?

Card. Daß Idr nod zweifelbaft Euch anſtel könne! Füllte nicht ſchon, als ich zum legten Da Euch ſah, Liebe für Bianca meine ganze See Glaubt Ihr, daß ich fo ſchnell mich verandern, ®

baß

DIOR 115 VOR

daß ich irgend einen meiner Plane unverſucht auf geben koͤnne?

Mondr. Nie würde ich fo etwas zu muthmafs fen wagen, hätte ich nicht bereits einen der zuver⸗ figrlihiten Plane, mit Männerjtol; entworfen, bey Fürſtenehre betheuert, und durch die Ausſicht auf böch- fien Xortheil begünftigt, beym 'sriten Anblick eines Paares einfacher blauer Nugen zertrümmern gefeben. Zudem, verzeihe mir Eure Eminenz, verſuchen iſt zwor gut, aber auſsdauern iſt beffer.

Card. Ha, Das fehlte mir noch, Mondragone, daß auch Eure? Vorwürfe meinen Geiſt trüber, meine Seele mißmuthiger machten! (Ihn traulich dey der Hand ergreifend.) Mein, jetzt, Freund, ‚jegt oder nie erwarte ic) deinen Rath und deinen Troſt; bin taub für Eigen nuß und Ehre; bin fühlbar nur für Liebe oder für Nahe der Liebe, Die ftolze Capello verfhmäht meine Zärtlichkeit, verweigert mir den Erfag, den ich, jtatt eines geraubten Throns, wenigftens in ihrem Herzen begehrte. Meiner glühendſten Lıebe ſetzt fie alte Qugend, meiner ſüßeſten Schmeicheley ernfte Verweife, und jelbit meinem künftigen Weitreben, wenn etwa ein folhes mir einfiele, die bitterflen Dros bungen entgegen. 0

Mondr. (alt.) Sagte ich's tod !

Card. immer Hiiger werden.) Verdammt fey beine Prophezeihung, und nod verdammter der Erfolg, der fie rechtfertige! Mondragone, fprih felbit! Sit es erlaubt, Daß Lie Zodter eines venetianiſchen Lena tors ſich für Erledigt saten will, wenn ein Fürſten— john, und feldjt ein Fürſt der Kirche, feine Liebe ıpr

Meißners Bianca Sapı 2, Thl. H

-

rn 114 ww

anträgt ? Darf fie, die, vor wenigen Monathen ı aus väaterlihem Hauſe entlaufen, mit einems? teurer das Land durchſtrich, auf eine Tugend ſich ften, die im weiblichen Charafter beynahe allge für ein Mähren gilt? Kaum auf den großher; hen Stuhl geftiegen oder geſchlichen vieln rechnet fie ji) fhon zur Schmady, wenn verbeift feinen Schmerz und feine Worte, und gebt einige‘ haſtig im Zimmer auf und ab; Mondragone nüßt einen. Brifhenräume, gebt and Zenſter, und gibt das verabe Zeiten; der Cardinal fungt endlich mie geandertee Zone Abfheufih und doh nur zu gewiß! Ungla Ir zwar, aber darum nidt minder wahr! & Mondragone, ſelbſt dieſe stäriiche Tugend, diefer velhafte Ton ihres Abfagebriefes, diefer belzibig: Stolz ah, er beleidigt mid nidt, er v mwundetmid nur nod tiefer. Ein freundlicher B ein günitiges Wort nur, und id würde nicht ver ben bloß; ich würde (durh eine halb lähelnde Miene Mondragone gereizt) Wie? Was? Was meinft was ſagſt du dazu? .

Mondr. Mit anſchetnendem Mitteid die Ud sudend.) Kann ic) etwas dazu fügen?

Card. Nicht? Nicht einmahl ein Woͤrtche Wollte Ihr für mich eben fo arm an beilfam Rathe, als Bianca angutem Pillen feyu? rein, Mondragone, ih wer, She feyd reich Hulfsmitteln und Erfindung; vereint Vernunft | Erfahrung, Lit mit Menfcdenfenntniß; o ich beſchr re dich, Mann, wenn bu je mein Sreund mar oder ed noch werden willi, fo nüße jene nride werthen Kräfte jegt zu meinem Beſten! Du ſchu

wen 10D mm

chelteſt mir font mit deiner Ergebenheit; wollteft ein Fürſtenthum mir erwerben; onur eine Nacht an Bian⸗ ca's Buſen it mehr als ganz Toscana werth! Und ide Beſitz! Sieh, und ginge der Weg zu ihm über Waters: Örab und Bruders: Kopf hin; donnerte hinter mir der Bannſtrahl des Papſtes; braufte zu meiner Seite der Aufruhr eines wüthenden Pöbels; riefe in meinem Herzen die ſtrafende Stimme des Ges wiſſens; ich wollte laͤchelnd alle diefe Schreyer und diefe Donner Überhören. Nur Hilf mie zu dieſem Befige !

Monde. (für fd.) Ehe ein Mühlftein an meis ren Hals, und fors mit mir in das tiefite Meer! (Laut.) Wahrlich, Eure Eminen; ; je mehr id ter Sa⸗ che nachdenke, je unmöglicher finde ich fie.

Card. O nein, nein, Mondragone! Ich hielt ed fonjt oft für Ungereimtheit, wenn ic hörte: dem Menfhenfey nichts unmöglich! Jetzt möchte ich gern, meines Nutzens halber, heiliger daran glaus ben, als an alle Lehren der Kirche. Noch ein Mahl, , Moendragone, du Eennit die Welt, und id müßte mid ſehr täufhen, wenn du nicht aud die Weiber kenn⸗ teſt. Gie find Feſtungen, bezwingbar auf mehr als einer Seite, durch mehr ald eine Gattung von Wafs fen; bald durd Üverrafhung und Kühnheit, bald durch Schmeicheley und Geſchenke. O ſprich, ſprich, mein, Freund; mein Liebling, mein Vater! Auf welche Art foll ih ed angreifen, um diefe unbezwinglic ſcheinen⸗ de Tugend ;u beitärmen, zu erſteigen? Sey du mein Ahitophel, und ich will folgfamer für deinen Rath als Abſolom feyn.

52

IRA 116 00

Mondr. Allerdings gibt e3 der Manntafe feit genug im Angriffe, und doch fürdte ich, d jedes der fonk befannten Mittel bier vergebens | Bianca's Sprödigkeit iſt ernfllider, als gewöhr Weiber-Ziererey. (Mit ten Achſein zusend.) re wenn es nicht fhon fo zuhtbar wire

Card. cbetreten.) Ruchtbar? Wied Ma wuchtbar ? |

Mondr. (ganz aeloffen.) Nun, was fonit, worüber fo eben Eure Eminenz geklagt haben © Liebe, und Bianca's Strenge.

Card. (immer erſtannter.) Die ruchtbar? Und wen? |

Mondr. Für wen! Für ganz Florenz und alſo zweifelsfrey auch bald für ganz Italier

Card. Menfh, Das Tügit du! Du felbft biſt Erfte und Einzige, der es aus meinem Munde erfä

"Mondr. Aus Euer Eminenz; Munde o zweifelt daran! Aber mein Fuͤrſt glaubt doch mi daß Dasjenige, was er hier mir entdeckt hat, meir Ohre fo ganz etwas Neues gewefen fen ? Wahrlich, Sonne war nch fern vom Mittage, und ich wu bereitö auch den Eeinften Umjtand von dem Entfd der Großherzoginn. Sa, fo eben komme ih aus eir öffentlihen Haufe, dem gewöhnliden Ort für me Lauſchereyen, wo Bianca’s Tugend dus Lob auf A Zungen, Euer Eminenz; Begierde und miplunge Anſchlag der Gegenftand aller Wiplinge war; wo Burſchen gab, die fogar Abfhrifren von jener Gef predigt geſehen paben wollten, welde die tugendhe Fürſtinn Ihren ſchriftlich zugeſandt hätte,

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Card. (fi Vor den Kopf fhlagend.) Ha, bey Meir nem Qeben, du bit Fein Menfh; du bift Satans Sprachrohr nur! (Er figt ſprachlos mit unterſtütztem, ver⸗ decktem Haupt eine geraume Zlit, und ſpringt dann pfößlich mie fürchtertihem Grimm empor.) Mein, nein! Es Eann nicht feyn! Schandliher Lügner, mit diefen Händen er» droffele ich dich, wenn ich deine Falſchheit entdede;. und Das werde ich! gewiß, Das werdeih!

Monde (ganz getaffen.) So fey ein Pfahl mein Paradebett, und der Baur der Naben mein Grab» mahl!

Card. Ich das Maͤhrchen der Stadt? Ich von Bianca ſelbſt dazu gemacht? Nimmermehr! Sie ſchwur mir fo theuer in ihrem Briefe, daß den meis nigen keines Menfhen Auge gefeben habe, den ihrigen nur ich feben felle. Sie Fann graufam ſeyn, Ealt, liſtig, unempfindlid ; aber fie ift fiher weder Betrüs gerinn, noch bofihaft.

dondr. Und wer fagt Das von ihr? Aber fie iſt doch Fürſtinn und Weib; als Jene muß fie irgend» eine Vertraute baden; ald Dieſe Eann fie eher alles Andere, nur nicht ſchweigen; fchweigen von einer Liebederflarung, und von dem großen Ovfer, fie verſchmäht zu haben! Ein einziges Wort zu einer ihrer Dienerinnen, eine einzige Miene gegen Denjenigen , dem fie Überbringung des Briefes anbefahl, gab vieleiht Grund genug zum Vers dacht: und die Ausforſchung folgte dieſem Verdachte nur alu glücklich nad. Durchſtechen läßt ein Damm fich leicht; aber nachmahls feine Er« gießung Sindern, it ein Werk der Unmöglichkeit,

Card. (mit dem Kopf fihiitteind.) Nimmermehr! Nüunmermehr! Franz fellte meine. Abſicht Eennen, nud

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ich lebte noch ? ich raftete bier fiher in feiner Nefl in feinem Schloſſe!

Monde. Wien Eure Eminenz gewiß, wie ge diefe Sicherheit noch dauern dürfte? Ober ift ausgemacht, daß auch der Zürft fhon wiflen n was mandem feiner Unterthanen längſt Eein Gef nig mehr iſt? Wie? wenn nun eben burd die d vierte oder hundertſte Hand vielleicht, Bidhe ihn bringen wollte, was fie aus Beſcheidenheit verfhwieg? Wenn, ihrem Plane nah, Graufopf pello vielleicht, oder Modejini, oder forft ein fhenträger von ehrwürdiger Larve, dem Herrn mahl zuflüitern follte, was allzu parteyiſch in -der mahlınn Munde Flänge ? Lange glimmt oft die $ des Minierers, ehe fie die Pulverfammer erreicht, | fliegt und den Boden über fih ummühlt. Lange Doch wozu diefe Einwürfe und Widerlegungen 9 fagt Zürır Serdinand feinen Glauben meinen Worı fo Eomme er, fo höre er felbft, was ich hörte; I fonderbar müßte es zugeben, wenn das Geſpraͤch da fid ındeifen ſchon gan; erſchöpft hatte.

Card, (eiwas verlegen.) MitEommen ? Ich? Sei Jetzt fogleich ? (nad einer feinen Paufe, entſchloſſen.) D ja, Daß will id) ; wıll mich unkenntlich machen, noch m als Ihr ſelbſt; will mit eigenen Ohren _ Mond gone, wenn ich es fo antreffe! Schon beym’d danken glüht mein Herz wie Metall im Zenerofi was werde ih erfi dann empfinden, wenn ich wi lich Ha, ſchändlich, treulos! Aber ih.will m überjeugen davon! Bleib du hier einitweilen, bie ı was bald gefhehen ſeyn fell, mid) umgekleidet ha (6.)

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(Öffentliches Kaffehhaus)

Menge von Epiel: und Zrinktifhen, unter den Gi» ſten mitten inne, aber verkleidet, der Cardinal und Mondragone.

Card. (baidiaut zu Mondragone.) Db ed nicht iſt, wie ih date! Schon an drey Tiſchen herum, und noch kein Wort gehört, das dahin zielte! bitter.) Wahrlich, Eure herrliche Nachricht, meifer Mentor, verdient meinen wärmften Dank. Sch errathe ihre Abs ſicht vollkommen, und werde fie zu fhägen wlſſen.

Mondr. (mir äußerfer Kätte) Kaum! Denn ich ſehe freylich, daß Eure Eminen, für meine Erfin dung balten, was lautere Wahrbert ift. Auch mich wundert das Stillfhweigen, das über diefen Punct jest herrſcht; aber fo ganz unerklärlich ift es mir noch nit: man fpricht fi ja wohl aus,

Card. (immer Mugiger.) Man fpricht fih aus? Wie meint Ihr Dast Haltet Shr mich für einen Ges genftand, den man nicht einmahl lan.ger Rede wür⸗ Dig achtet? für einen Elenden, deflen Tugenden und Fehler man mir wenigen Worten hinwirft,, und dann feines ganzen Daſeyns vergißt? Vortrefflih! vors trefflich! Sich ausfprehen? Sich fo etwas leicht erklären? Montrogone, ich rathe euch, reizt meis nen Zorn nicht! -

Mondr. Wenigitens fühle ih, daß er wahrlich leicht genug gereizt werden Eann.. Eure Eminen; fins den in meinen Worten einen Sinn, ber tiefer verfteckt liegen muß, als ein Senkbley reicht; fo tief, daß ich ihn ſelbſt nie fpüre. Auch find wir noch lange nicht

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ganz herum; haben noch (plögiih tutzend und nad einen Seite bin, , alt vernähme er etwas, horchend.) Z Irrte ih mich Euer Eninen; Nahmen? Der Vi ne Bianca? Erlauben Sie mir nur einen Aug blick nur ein Eleineres Naͤhergehen; ich bin gi wieder bey ihnen. An einen entferntern Tiſch geher

Card. (für ſich) Gehe, und komme meinetl ben nie wieder zurück! Wahrfich, fhon fange id an, I Chamäleon zu halfen, das anders ausfieht, wenn Kind aus Züden, und anders, wenn er aus Mor blaͤßt. D Bianca, Bianca, daß du hören, dai fühlen wollteſt, wie gern

Mondr. Gurückkebrend und haflig.) Mit mie bi bin, Eure Eminenz, mir mir! Werde id num I ger noch als ein Luügner geſcholten, fo fpanne n morgen fruh vier vaiche Role an meine Füße und me, und made auf meine Gefahr nad) jeder Himme gegend damit einen Luſtritt!

Card, berüre) Wie? es wäre wirklich

Mondr. Mit mir, Eure Eminenz! Ihr ei nes Ohr ſey Zeuge, daß man allerdings noch nicht ausgeſprochen babe. (Er fuhrt ihn an das äuße Ende des Saals, we an einem Tiſche Mofelto ned wi bis fünf andern Gäſten, alle vom Mittelſtande, fig Mehbrere Stühle ſtehen ledig am Siſch; Mondragone und Cardinal nebmen Piatz daran.)

ErſterFlorentiner. Alſo eine förmliche £ beserklörung an die Großberzoginn, meint Ihr?

Moſ. Eine foörmliche!

ErſterFlor. Und von ihr abſchläͤgige Antwor

Mei. Abſchlaͤgig! und Das noch förmlicher!

os 121 ....s

Zweyter Flor. Aber bedenkt Ihr auch, Freund, was Ahr da fagt? Sollt' es wehl möglich feyn, daß der Cardinal ſich fo weit verginge?

Moſ. Möglich? Ha! Ha! Ha! Und warum Das nicht Gibt es wohl ſtärkere Begierden, als dieje⸗ nigen, welche unter den Purpurhüten niſten? Oder iſt, um einen Mann zu reizen, unſere Fürſtinn nicht ſchön genug?

Dritter Flor. Sie würde unſere Fürſtinn nicht ſeyn, wenn ſie es minder wäre!

Erſter Flor. Auch ſieht man es dieſem Ferdi— nand allerdings gleich an den Augen an, daß er fein Hei⸗ liger feyn mag.

Mof. Ja wohl thut mar Das! Glaubt mir, die aanze Ausſöhnung war ein Spiegelgefeht, und aller Vertrag dabey fo glaubwürdig, wie der Schwur eines Meibes, die in erften Kindesnoͤthen betbeuert, nie wies der bey einem Mann zu ſchlafen. Ferdinand war nie Franzens Freund, und wird nie es werben. Frey⸗ ih follte man denken, daß er nocdy Tieber nad) feinem Fürſtenthume, ald nad feiner Gemahlinn Be lieben trüge; aber fo geht es! Mir dem Kleinern fangt man an, und zum Größern ſchreitet man dann forr.

(Lauted Gelächter, der Cardinal beißt fih in die Lippe, Mon⸗ dragone bleibe Falt.) |

Mondr. Nur dag man oft über biefem Kleinern das Größere felbft verliert.

Vierter Flor. Mohl erinnert! Wenn dem Gars dinal wirklich fo etwas gelüften follte, fo wäre es das Gelüſt eined Eleinen Knaben, der nach Allem, was er fiedt , fogleich feine Hand ausſtreckt, aber auch oft dar

sea ' 222 wem

für, verdienter Maßen, einen derben Schlag auf b Hand erhalt.

Edrd. Ceiſe zum Mondragone.) Werräther! 2 du hilfſt?

Mondr Verftelung, mein Zürft! Verftell bier! Zweyter Flor. Seht! Und eben deßh glaube ich auch die ganze Geſchichte noch nicht. So denn ein Cardinal Ferdinand ſo ganz und gar nicht ſtehen, mas zu ſeinem Nutzen dient? Sollte er ei einzigen frohen, und noch dazu ſo ungewiſſen Aug blicks halber, Alles zu verlieren wagen! Ale die w läufigen Entwürfe preisgeben, die er muthmaßlid; Perto führen. mag? Maährchen! Mährden! 1 nichts mehr! Woher habt Ihr biefe Nadric Freund, wenn wir fie Euch glauben folen?

Mof. Hat Ha! Ha! Hattet nur ein Stündd eber da feyn follen, und Ihr würdet wenigftend an ze Zifhen davon haben fprechen hören. (Mondragone 1 farir und mit bedeutender Miene an den Arm des Gardinatd.) A freylih beiten gewiß alle Übrigen ihre Nachricht mi aus fo fiherer Quelle ale ich.

Mondr. Um Verzeihung,, und bie ift?

M of. (bämiſch lächeind.) Müßt mich doch ftir eir braven Dummkopf, wohl gar für einen plumpen De fhen halten, weil Ihr ſo geradewegs mid auszufrag gedenkt ? Und doch, was wage ich auch viel dabey! H Ihr nie gehört, daß ein ehrliher Kerl fein Maͤdqh babe!

Alle (lächend.) D ja! o ja!

Mof. Und wenn nun die Mädchen eine v Bianca’d Kammerdienerinnen wäre?

vo. 125 we...

Einige. Denten läßt fih Das allerdings.

M of. Und wenn nun die Großfürftinn dreyen ih⸗ rer- vertrauteften Dienerinnen das Schreiben, wodurd fie dem Gardinal feine Abfertigung ertheilte, vorgele« fen; wenn fie dur eine von ihnen, bie ih in Pagentracht verſtecken müffen, fortgefchickt hätte !Wenn eben diefer weitlihe Geſandte meine Beliebte gewefen wäre? Wenn fie mit eigenen Augen die Beſtürzung Sr. Eminenz angefhaut, und mir ein Bild, zum Zodtlahen drollig, davon entworfen hätte $ (Der @ardinat will auffpringen ; befinnt ſich aber wieder! Mofelle blickt mit Noigem Lachein herum und fährt fort.) Nun, meine Ber» ren? Gelt, ich bin ein Mann, deſſen Canale nicht zu verachten find ? Sene Schurken dort hatten fiber nur. aus zebnter, zwölfter Hand, mas ih aus der erfien babe.

Zwepter Flor. Zhr habt Recht. Wenn Ihr an« ders richtig eure Quellen angebt, fo ift deren Glaub— würdigkeit keinesweges zu verachten.

Card. (leiſe zu Mondragone. ) Ich beſchwöre Euch, kommt mit; oder länger dulde ich's nicht mehr!

Mondr. Noch nicht, mein Fürſt! Es fiele zu ſehr auf! Verſtellung und Kälte! (Laut zum Nofello.) Und follte, mas Ihr wißt, nicht auch der Großherzog wifen ? \

M of. (die Mater zuckend.) Wohl möglich.

Mondr. Und ed dulden!

M of. (ſpottend.) Warum Das nicht Ung lück⸗ liche Nebenbuhfer duldet man ja wohl! Es thut, füß fogar, wenn man fie leiden flieht. Ich Habe felbit,, wie ih Euch fagte, ein Maͤdchen; es ſchielt noch mans

use 124 0 cher nach ihr; aber nicht alle Mitwerder machen bel mir graue Haare.

Card. (feine ganzen Kräfte zum Zwang zuſammen mend.) Nicht alle, Das glaube ih gern; aber daß Bia einen folhen Mann , wie der Cardinal it, fo bel digend ausfhlagen Eonnte!

Dritterälor. Das wundert Euh !Mich wül das Gegentheil befremden. Ein Großherzog Franz wi doch wohl ein ganzes Conclave von folden Carbini mit Überſchlag auf? Auch hat wahrlich Bianca deßhalb nicht zur Fürſtinn und zur angebetheten bietherinn von uns Allen aufgefdhwungen, um die ( liebte eines Prieiters zu ſeyn.

M of. Sprichſt bu doch vollig fo, guter Sreu wie fie felber gefprogen haben fol! Alles, wor: ich noch neugierig bin, ift, wie diefer Abgelohnte Ei tighin fih betragen wird; 05 er feinen Korb verfhm zen wird, oder fih rächen?

Card. (mit lauter Stimme) Sich raͤchen! da ſteh' ich.

Mondr. mie den Buße ihn heimlich ſtoßend. Daf ſtehſt du, Bruder? Wie Eannft du Das? Mas fi dir ein“

Carb. (fi faſſend.) Nichts, als daß ih mih V nuten lang an frine Stelle fegte.

Moſ. Und womis follte er fih rächen? Hier, ı Alles Bianca eben fo hoch als ihn gering achtet. Laßt ihn feine Stimme wie eine Heertrompete erbebe unferer Fürſtinn Eleinftes Liſpeln dringt ftärker dur MNeint ihr nice, meine Herren?

le (außer dem Gardinet.) Sa mohl! ja wohl!

rn 12) nem

Einer (tintend.) E$ lebe Bianca! Es ſterbe, wer ihr übel will!

Faſt Alle. Sie lebe und er ſterbe!

Vierter Flor. Sie iſt ſchöner als die Schön⸗ heit, milder als die Milde ſelbſt; nun auch Zucht und Tugend ſich ſo unwiderſprechlich in ihrem Charakter be⸗ währen, nun gibt es ſicher keinen Florentiner, der für ihr Leben und ihre Wohlfahrt nicht Altes thäte.

Erfter Flor. Zumahl gegen den Cardinal! Er mag immer Prinz von Geburt und Cardinal durch Geld geworden feyn; unfer Herr wird er fo leicht nie werden. Recht thut daher unfer Großher⸗ 509, daß er fchweigt, felbft wenn er Alles weiß; denn- ein folder Feind ift nicht fürchterlich.

Card. (aufficheud zu Mondragone.) Bleib „oder komm mit! Ich gehe.

Mondr. Und ich folge. (Ab.)

(Zimmer des Bardbinals.)

Eardinal.Mondragone (treten herein), ein Page, (der vorleuchtet.)

Card. (um Pagen.) Wir wollen allein feyn.

Page. Sogleich, Eure Eminen;.

Card. Aud das nächte Worzimmer halte man ledig, und verläugne mid) vor Jedermann!

Page. Sehr wohl! Willen Eure Eminen; bereits, daß Ihres Herrn Bruders Durchlaucht auf morgen zu einer Jagd Sie eingeladen haben ?

Card. Doß er und feine Jagd Schon gut! Entferne ih! (Der Page abs der Cardinal wirft Ad

wovon ı26 were

auf ein Sofa ; ſchweigend ſteht vor ihm Mondragone ; eine Paufe von einigen Minuten ungefäbe.) Iſt ed möglih, daß ich noch lebe? Möglih, daß ih nicht das Bewußtſeyn zugleich, hit der Kraft mich zu veritellen, verlor!

Mondr. Dem Himmel Dank, daß doc, endlich der Unwille Eurer Eminenz in Worte übergeht! Faſt beforgte ich einen Unfall, größer, als bloßer Schmerz zu feyn pflegt, aus diefem flummen Gang über bie Straße; aus diefem hufligen Schritt dieſen feurigen Augen

Card. (einfatiend.) O daß fie wirktiches Feuer wären! daß fie vertilgen könnten jene Brut von Baſi⸗ lisken; und am erften, am langfamften, die Schänd⸗ iiche, die meine Liebe nihe nur verwerfen, ſondern auch verſpotten konnte; die einem ſolchen Befin- del meinen Nahmen, einer fo unverdienten Ber: achtung meine Zärtlichkeit preis gab! Aber ih ſchwöre ihr Rache ohne Maß und Ziel! So lange noch ein Funken Leben in diefem Herzen, ein Gedanke nur in diefem Kopfe webt, will ih mit Wucher ihr vergelten oder fterben. Unausſprechlich war Die Größe meiner ebemahligen Liebe für jeden menfhliden Mund; die Größemeines jeßti- genHaſſes würde felbft der höhern Genien feiner auszuſprechen vermögen.

Mondr So höre id denn doch endlich wieder des großen Cosmus großen Sohn, und nicht mehr des ſchwachen Franzens ſchwachen Bruder ſprechen! Wahrlich, wenn Bianca

Card. Nennt mir einen Nahmen nicht mebr, der wie Fieberſchauer mi durddringe! Sparet jedes uns nüse Wort, felbit jeden andern Gedanken, um nur

vorn 127 j —R der Kraͤfte deſto mehrere zur Ergrübelung meiner Ra⸗ de zu ſammeln; um ihr, dieſer Heuchlerinn, dieſer giftigſten aller bunten Nattern, ganz zu vergelten, wie es ſich ziemt!

Monde. Und was braucht es denn der Gedan—⸗ fen und der Grübeleyen viel? (mit Dem nagdrüdlichſten Tone.) Wenn ich anders mit einen Kürften, werth feines Fürſtenſtammes wenn ich felbit nur mit eis: nem Manne, empfindlid bey der bitteriten Kraͤnkung für unfer männfiches Geſchlecht, fprede fo muß Bianca fterben. ı .

Card. Sterben muß fie! Und o daß fie Das nur ein Mahl kann! Mondragone, dus fprihft nicht nur mit einem Mann und einem Furſten; du yprift auch mit "einem Medizäer, dem Ehre und he lieber als das Leben felbft find. (Mit grimmigem Hohn⸗ tagen.) Ha, daß ich wüßte einen Wunderntann zw fins den, der aufs Todten erweden ſich veritande; vom Ende der Welt ber verfchrieb’ ich ihn mir, um taufend Mahl meine theure Schwägerinn in’6 Leben zus rück zu rufen, um taufend und ein Mahl fie zu tödten. Sieh, die größere Hälfte meiner Jahre gab’ ich mit Freuden hin, Eönnte iy in Diefem Augenblide den Dolch auf Bianca züden; und doch doch wolls te ich wieder bis in's Alter meine Rache verſchieben, wüßte ih nur dann fie roh wirffamer als heute zu machen.

Mondr. Weg mit Aufſchub! Das geſchieht nimmer vielleicht, was nicht bald geſchehen kann. Sit es nicht ſonnenklar, daß morgen Abends ſchon je⸗— des Kind in ganz Florenz mit jener unglücklichen, (mit geſchieiftem Zone) von mir fo weiſe befämpften Liebe

wo. 128 vor

bekannt feyn wird ? Sit es nit fonnenkiar, daß Großherzog gefegt, er wußte auch jetzt noch mi davon doch bald es wiſſen wird und willen ma St es nicht wahrſcheinlich, daß aud dann, went ein Weilchen ſich veritellen ſollte, wenigftens nicht | ge mis diejer Verſtellung anhalten wırd? Muß De nicht peinficher für Eure Eminenz das Hierbleibe nicht gefährliher da Hınweggehben, n unausführdarer jeder Plan der Rache werden f Sept , weil der Haufe noch zweifelt und ſchwan jegt, weil Franz noch nicht Partey ergriffen, Bia durch ihre Schwaphaftigfeit, die überlegt ger feyn mag, unfern Yincerzang nur no vorberein bar; jest müffen wir aufs ſchleunigſte ihr zuvor Ee men! Ihr zuvorfommen, oder Verbannung ift ( ver Durchlaucht Loos; Schmach und Spott felbft übe Grab hin noch Ihres Nahmens Erbtheil.

Card. Jetzt! Jetzt! Aber wie kann ih F ſogleich? Was ſoll ich jetzt thun?

Mondr. Mich bevollmachtigen; und dann m ganz allein dafür ſorgen laſſen.

Card. (erſtaunt.) Nichts mehr a Tas? O u Herzen gern! Und wenn Woite nicht genügen, dar mein theuerfter Freund hm um den Hals ralcı.a) hu’ diefer Ruß, Diele Umarmung. Aber was willit d was Eannit du thun?

Mondr. Altes! denn fhon hab’ ih dus Mei vorbereitet. Es bedarf noch zehn tauſend Zedın: und Franz und Bianca kehren von der morgenden Jac die ih ſchen laugſt wußte, bevor noch der Page fie a Fündigte, gewiß air lebendig zuruck.

Card. Gnmer erftaunser.) Nicht lebendig t Morg

ſchon

wer, 3 ög russ

don? Was für Rotten haſt du denn in Beſchlag genommen? Was für Völker heimlich geworben? Mondr. dächeind.) Keine! Braucht ed der Rot⸗ ten und der geworbenen Mannſchaften gegen das Le⸗ ben von zwey Menſchen? Der einzige Mundkoſch Bianca's erfegt Dieß alles. Er iſt gewonnen, fobald er zehn taufend Zedinen empfangt ; und Bianca findet eben da, wo fie mit eigenen Händen fi ein Labfal zus bereitet zu haben glaubte, tödtende Schmerzen und alle Qual einer fruchtloſen Verzweiflung. | Card. (uugewig.) Gift alſo! Gift! (Ein Pant Augenblicke in ſtummem Nachdenken.) Gift! (mil geäns dertem, gleichſam wankenden Tone.) Mondragone, vergib meiner Schwäche! Vielleicht lachſt du, wenn id dir geſtehe Doc durch jedes aufrichtige Geſtändniß wird ja mein Zutrauen gegen dich nur immer flärber bes zeichnet. Mondr. Nun, Eure Eminenz, dieſer Eingang ? Card. Merdings liege im Worte, tödten, der Sußigkeit viel für meine Race; aber im Worte, Gift, in dem Gedanken von Beftehung eines Mundkochs? Es war die Art von Waffen, wodurch Papft Alexander und fein Sohn Läfar Bors gia flegten; aber es find nicht diejenigen, die einem Medizaer ziemen. Unfer Geſchlecht zieht die edle Wuth des Löwen der niedrigen Hinterlift ei- ner Schlange vor. Mondr. (tänermd). Daß es doch mit gewiſſen Redensarten wie mit gewiffen Gefäßen gebt: fie ts nen defto fhöner, je leerer fie find! Wenn feis nen Feind zu tödıen der Rache wohl vergonnt iſt, und welcher Mann von Geift zweifelt daran? me Meißners Bianca Car. 2. Tht. J

——XX 130 wo

iſt dann bie ie laͤcherliche Vorfhrift, die dad Gemwe zu diefer Rache beftimmte, oder wohl gar eine Na ordnung bey diefen Gewehren einführte! Und mahl gegen ein Weib! Iſt es edler auf ein fol Geſchöpf den Dold zu züden, als einen Gift her ihr hinzureichen ?

Card. Du wirft bod nicht jeden Unterfd zwiſchen Rache und Rache läugnen ?

Mondr. O nein, denn dann fpräche ich Unfi Wäre es in Shrer Gewalt, durch einen Herofd tem Feinde Krieg anzukündigen, ein mächtiges H zu fammeln, und ihm obzuſiegen; dann wäre frey eine folhe offene Feldſchlacht rühmlicher, ein Sieg durch Hintertift. Dod da einmahl d Hinterlift und unumgänglich geworden, fo gilt in auch völig ein Werkzeug den übrigen gleich. 9 Grade der Nugbarkeit, Grade der Sicherhe find es, die dem Medizäer fo theuer ald dem Geri fien im Volk bey feinen Anfchlägen feyn nüffen.

Card. Ih babe feine MWiderlegung mit W ten, aber wohl ein Gefühl, bas widerftrebt.

Mondr. Nur Schade, daß eben diefed Gef Eure Emineng oft ſchon irre führte! (etwas faster Oder wären Sie vielleicht noch der nähmlichen M nung, der Sie ehemahls waren? Noch voll der Hoffnung, daß unfer Anhang dem Andange dei bu Yauchtigiten Paares gleich komme? Haben Ihre eig Sinne noch nicht ſich überzeugt, daß nichts flärker Pöbel an fih feßle, ald ein ſchwachköpfiger Zürft, ı mählt mit einer heuchleriſchen Sraut— Wohlen, r Eure Eminenz gut däucht, das gefhehe! Ihr ſchluß werfe aud über mich das Loos! Gewi

HR DAL ev

bin ih von dem Dafeyn des heutigen Tages nicht - überzeugt, als daß beylängeem Zaudern der Untergang uns Allen bevoriteht; doch ihn feften Fußes abzumars ten ift meine Treue erböthig. Wahrfcheinlicyer ıfk mein näditer Pulsfchlag nicht, als daß Franzens und Bianca’d Tod auf das Haupt Eurer Eminen; bie groß⸗ berzogfihe Krone im nähmlichen Augenblick befeſtigt. Doch Bianca lebe, weil ed Ahnen fhimpflich dünkt fie zu tödten! Sie lebe, und treue rubig Abſchriften ıhres Briefes von einem (Ende Europa’s bis zum andern! freue fi ruhig ihres grofiberzoglihen Gemabls, den fie erworben, und ſeines durchlauchtigen Bruders, den ſie abgewieſen bar! Seibſt, daß auf die Nachwelt noch das Andenken dieſes Vor⸗ falls Eomme, dafür werden wohl die Novelliſten und Balladenfänger zu forgen wiffen.

Card. (parig.) Ha, bey Himmel und Höfe! Wenigſtens fol Bianca nie eine folde Novelle leſen, nie einer ſolchen "Ballade zuhören können! Mions dragone, ich ergebe mich deinen Gründen. Sie raubte mir Erbfolge, Hoheit, Ruhe der Seele, Hoffnung und Ehre; das Einzige, was ich ihr wieder rauben kann, ift das Leben; und mıt Recht nennft du es Thorbeit, wenn ich erſt lange noch nachgrübeln wollte, wie Dieß am ehrbarſten geſchehen könne. Sie ſterbe! Sterbe morgen noch! Und Franz leiſte ihr im Tode Geſellſchaft. Sein Leiden verdopple ihre Folter, mein Hohn ihre Todesangſt! Wenn ihr brechendes Auge Mondragone, Mondragone, ſollte auch tie Frende der Rache nicht aus der Hölle ſelber ſtam— men; nahe verwandt iſt ſie ihr wenigſtens; Das fühle ih; Das fagte mir doch weg damit! (mr de⸗

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wos 1393 nen E

wechfeltem Tone,) Zehntaufend Zechinen waren ed, der verrätherifhe Mundkoch verlangte?

Mondr Mur zehntaufend Zechinen.

Card. Nimm dieſes Taſchenbuch! Duwirft I ſel von dreyfach größerm Werth darin finden. Sieh Überfhuß davon ald mein erited Geſchenk an; die fern folgen! folgen vielleiht, ehe die morge Sonne uoch untergebt.

Mondr. Wenigfiend fol ed nicht an mei Eifer fie zu verdienen mangeln! Alles, was ih Eurer Eminenz zu empfehlen babe, ift: hüthen Sie vor den Genuß einer Torte, die Bianca ſelbſt, ein Kunſtwerk von ihrer Hand, Ihnen darbiethen w

Card, Wie? ſollte fie alfo doch vieleicht

Mondr. (Gächeind, O nein! in Meeiſterſtüe diefer Art ift fie unſchuldig: obſchon eben dieſe Unſch ihr hoch zu fiehen fommen, und fogar den Berda diefer That von und abwälzen fol. Die Thör glaubt fih ausſchlußweiſe im Beſitz, ein gewiſſes bäcke verfertigen zu Eönnen, das fie, feiner außer dentlihen Kühlung wegen, eben dann, wenn Sr auf die Jagd geben will, am gewöhnliditen bereii (mit bitter fyottendem Zone.) Auch fur morgen bat gütige Hausmutter ſchon geforgt ! Aber ich kenne eir Mann, der meifterlicd) das gleiche Backwerk verferrig: noch meiiterhafter es mit dem heftigiten Gift du würzen, und am meifterhafteften fein Kunitftüsk ihr Machwerk unterfhieben wird. Zu ihm eile ich je um diefe Summe ihm binzubringen. Lebt wohl, m Fürſt, denn meine heutigen Augenblide find nun ke bar! (will gehen.)

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Card. (der ihn laͤchelnd bey der Hand kaßt.) Do nicht fo Eoftbar, daß Ihr nicht meinen Dank noch erſt annehmen Eönntet? Wahrlih, wein man deſto mehr den Schauſpieldichter lobt, je einfacher und wirkungs⸗ reicher ſein Plan angelegt worden, ſo verdient auch jenes Trauerſpiel, das Ihr zubereitet, meinen Beyfall und meine Bewunderung im höditen Grade. Nur Eines fürchte ih) dabey noch: dürfte nicht vielleicht ein Aufruhr des Pöbels, wenn dieſer doppelte Tod nun _ ruchtbar wird

Mondr. (einkallend.) Keine Sorge hierüber, Eure Eminenz! Ich kenne diefes Wolf. Es bethet, wie Is⸗ rael, den Baal an, ſo lange er aufgerichtet ſteht; und opfert wieder ſofort auf den Altären feines ehemahli⸗ sen Gottes/ wenn ein muthiger Elias jenen Gößen niedergeworfen dat. (verbeugt fi und geht.)

Card, (im nawrutend.) Wohlgeſprochen! Und doch wollte ih wahrhaftig Deifen Scharfiinn loben, wollte ibm felbft den Lohn unſers morgenden Vorha⸗ bens abtreten, der die Vergleichung von Signor Mons dragone mit Elias dem Thisbiten fortjufegen vers mochte.

Klüglich handelden die Söhne des Laſters, daß fie ſchon den nächſten Tag zur Ausführung ihrer Meuterlift anberaumten. Einen Morgen fpäter, und Mondragone fah fih ın feinem eigenen Garne ver- ſtrickt! Denn die Triebfeder, die er angewandt hatte, um bie Erbitterung bes Cardinals auf den böchften Grad zutreiben, griff was ihm auch nicht unerwartet

un 104 om

kam bald weiter um fig, als fie ihrer eigentlichen Beſtimmung nach follte. Das Gerücht von Ferdinands Liebe zu Bianca, und von ſeiner Abweiſung, ward noch an eben dem Abend das Geſpraͤch der zahle reihften Tifhgefellfbaften ; fam zu den Ohren von nebr als hundert Höflingen. Zwar adıteten die Meise iten davon dieſe Sage roh für ein müßiges Stadt⸗ mäbrchen; doch grühslten auch Wiele bereits ſolchem nad; glaubten den Schein einiger Gründlichkeit zw finden; und webten darnad ihre Iufrigen Pläne: Selbft Modefini hörte davon. 'Mie des Cardinals. Freund, durch andere KAundidafter fhon vor Mondragone ges warnt, und durch Briefe, Die felbft von Venedig aus der alte Capello an ihn geſchrieben hatte, zur Vorſicht ermahnt, war ev entfblofen, nur nod ein Paar Eleine Ertundigungen mehr einzuziehen, und dann am näche (ten Tage mir feinem Zürften ſelbſt zu fprechen.

Das Einzige, woran ſich alle Übrigen itießen, war die Freundſchaft, mit weicher Franz feinen Bruder zu beyandein fortfubr, und die dafur bürgte fein Char rakter! unmöglich Beritelung feyn konnte. Un⸗ glückliche Götter dieſer Erde! Ihr ſeht oft nicht, wißt oft nicht, ahndet nicht einmahl, was euer niedrigſter Stallknecht ſieht, weiß, oder adudet.

Wenig Nächte ſeines Lebens hatte Franz ſo ſanft hingeſchlummert, als diejenige, die ſeinem fürchterlich⸗ ſen Tage voranging. Richtiger, vorherſehender war

BPianca's Gefühl geweſen.

8 3 35 —X

Nächſter Morgen.

(Bianca's Zimmer) 60 Bianca Kammerfrauen (die fi ſogleich entſernen⸗ da der Großherzog hereintritt.)

Großh. Biſt du bereit, meine Theuerſte?

Bianca. Schon ſeit einer Viertelſtunde, mein Gemahl.

Großh. (lächeind.) Alſo wärft du auch wohl in der Thorheit des langen Anputzes eine Ausnabme von deinem Geſchlecht? (fe liebreich umarımend.) Wahrs ih, Seele meines Lebens, der Tag fol noch kom⸗ men, wo ich nicht einen Vorzug mehr.an dir entdes de! O pie wohlfeil habe ich doch den größten aller meir ner Schäßr erkauft! ESie ſtarr andlidend.) Aber wie? an deiner Augenwimper hängt ı eine Thräne? Worüher kann Bianca weinen? J

Bianca (ſich su einem freundlichen Lächeln zwingend). Und Eönnte Dieß nicht eine Thräne der Freude, feyn ? der Sreude, fih vom edelſten aler Füuͤrſten fo zärtlich geliebt zu fehen ?

Großh. Emmer aufmertfamer werdend.) Nein, wahr⸗ fi nein, Das ift die wahre Urſache nit! ieh, Bianca, da quille noch eine Thraͤne hervor! Bas iſt dir, theuerſte Gemahlinn? Rede! Vertraue mir deinen Kummer!

Bianca. Könnte ich die Urfachen diefer Thränen erklären, dann wiirde ich dir ein Raͤthſel loͤſen, dag mir ſelbſt unerklärlich bleibe. Franz, du lodteſt mich zwar eben; und zuweilen beſtrebe ih mich auch, dein Lob zu verdienen; aber doch bleibe ich. immer ei

DIOR 136 m.

Weib; bin oft hingegeben ſchwermüthigen Lauren, oft Heinen Beängftigungen, die da kommen, ich weiß nicht: woher? die'wieder verfliegen, : ih weiß nieht: wohin Sey daher, theurer Gemahl, auch bey meinem heutigen Mißmuth unbeforgt! Er ift Bloß För- perlih und wird wahrfheinlich Auch heute noch durch Bewegung zerftreut werden,

Großh. Ich würde dır gern glauben; denn nod nie fand ıch eine Unwahrheit in deinem Munde. Aber doc drängen fih in mir der Gründe zur Beſocgniß noch mehrere auf: die Unruhe deines Sclafes in der vorletztern Nacht

Bianca (etwas betreten.) Haͤtte ih einige mere Een lajjen ?

Großh. Sa wohl. Durd ven lauten ängſtlichen Ausruf einiger Worte, bie ich nicht verfland, ob jie gleich mich weckten. Schon wollte ich wieder einſchlum⸗ mern, da warfit du dich wieder auf die andere Seite; riefit zwey Mahl aus tiefiter Brut: Ferdinand, ers dinand! und bald darauf: ift denn gav feine Hülfe‘ Ich wollte did wecken, aber du wardft von ſelbſt wieder ruhig.

Bianca. Es muß ein Traum geweſen ſeyn; fo nichtig, daß ich ſelbſt ſen Daſeyn vergeſſen habe. | Großh. (fie ſtarr anfehend.) Wirklich nur Traum? Aber aud Träume werden zumeilen von vorhergegans genen Gedanken erzeugt! (Sie gärılih bey der Band faftend.) Bianca rede! Es ift dein Gemahl, der dich bittet; ein Öemahl, der es für ein Geſchenk aufneh⸗ men würde, wenn du nur irgend etwas von ihm er- bitten wolltefi. Sprih! Mißfällt dir Jemand? Ges

m. 137 en

forgit tu etwas? Nur ein Wort, und bisauf die Hälf: te meines Fürſtenthumsͤ ſteht Alles dir zu Geboth. Du ſchweigſt? Soll ih rathen? Wäre vielleicht ‚der Cardinal dir zuwider? Er iſt mein Bruder; ic) freute mic) feiner Ausfühnung; aber

Bianca (fi zwingend.) Eben weil er dein Bru⸗ der ift, Eann er unmöglich mir verhaßt feyn. Glaube mir, mein Gemahl! Ich ſelbſt räume dir zwar eine ges gewiffe Unruhe meiner Seele, eine gemwiffe Dumpf- beit meines Geiſtes willig ein; aber, nochmahls geſagt, die Urſache davon ift mir felbft fremd. Wären Abe nungen nicht Hirngefpinfte, fo beforgte ich ‚irgend wo : einen verſteckten Feind, einen nefährlichen Haſſer.

Großih. Cäseınd.) Du einen Feind, einen Hafs fer ? Weib mit ter Miene der Liebe felbft, wo naͤhmſt du Zeinde her? Meuchelmörder konnte man keck gegen dich Dingen; du würdeſt did) ihrer doch mit einem ein⸗ zigen Blick erwehren; und dem verhärteften Böſe— wicht entfünke der Dolch, wenn er ins Auge dir ſchau⸗ se. Du bebarrit auf deinem Schweigen? O Bians ca! Ausflucht und Merftellung ift ein allzu feltnes Ges wand für dich, als paffend dir anzuliegen. Die ganze Jagd wartet jekt auf uns, ihretwillen gllein höre ich für das Mahl aufin dich zu dringen; aber wiffe, noch diefen Abend fange ih von Neuem an, und laſſe niche eher ab, bis du ganz dein Herz mir aufgefchlofr fen hatt. |

Bianca (ach gärtlih an ihn (bmiegend.) Daß du in diefes Herz Blicken könntet! Sicher fändeft du in ihm Eeinen Gedanken, der von dir entdedt zu werden fi) fhämen dürfte; gefeßt daß du auch auf einige trä- fefi, die ih mir ſelbſt zu enthüflen ſcheue.

U LU

ro 158 OR

Ah, daß diefer Abend, zu dem Franz ſich | bereitete, niemahls einbrach! daß Bianca der

nung nicht traute, von der ihre ganze Seele en ſchwoll! Jene prophetifhe Kraft unferd Geit nur von Denen bezweifelt, die yegen eigenes Ge zu ſtreiten ſich nicht erblöäden wozu nüßt fie ı da wir fo felten Gebraud von ihr machen, und

chen Eönnen ? Zwanzig Wahl wollte Bianca, in fie an der Hand ihres Gemahls die Treppe des Sch fes herab ging, ihn aus einer Regung, ihr ſelbſt begreiffid, zurüdzufehren bitten. Eben diefes! benreiflihen halber zwang’fie jih, und ging im weiter herab.

Des Fürften wartete unten bereits der ganze T der Jagd; es wartete feiner ber Cardinal, und dem Schwarm der Höflinge auch Mondrageone ; nun wieder bffentlich begnadigt und in feinen vori Rang eingefegt worden war. Auch er follte einer den heutigen Begleitern feinee Bebiether feyn. den vier Kaͤmmerern, zur füritlihen Bedienung ſtimmt, hatte Mondragone drey mit fhmwerem Ga su feinen Geſellen erfauft; noch wußten fie felbit Bubenſtück nicht, das fie befrdern helfen follten; hatten bfoß dern Gardinal ihre Dienfte zugefagt,, ı erwarteten nun rubig , was man fordern wür Der Vierte, ein redliher Mann, war unerkauf geblieben; aber auch er wußte nichts vom Belange: nem Monarchen anzuzeigen; und wie hätte er ed a thun Eonnen , bewacht von allen Übrigen Augen!

Die Jagd ging an; Bianca’d mitleidige Se hatte nie an tiefer Ergeglidkeit viel Vergnüg gefunden: heut empfand fie fogar Abſcheu dar

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Jedes Bley, dad den flüchtigen Hickch zu Boden warf, ſchien fie feldft zu verwunden. &ie ſchlug es mehrmahls aus, jelbit auf eines diefer unglücklichen Thiere das Gewehr loszudrüden ; und oft flieg eine helle Thraͤne in ihr Auge.

„Immer Eann ih mid ſprach fie des Ge⸗ dankens nicht erwehren, daß das Tödten ſelbſt der ges niefiaren Thiere höchſtens unferm Bedürfniß, nie unſerer Luſt freygeſtellt ſey; mie kann ich den Glau⸗ ben unterdrücken: daß es in der Reihe der Weſen, 4 die Kette ih am Thron der Gotiheit ſchließt, noch tauſend beſeelte Erſchaffungen geben möge, die den Menſchen, ſelbſt den Fürſten, tiefer hinter ſich zurück laſſen, als der Fürſt den Hirſch. Wehe uns, wenn dieſe Stärkern dann die nähmlichen Örundfäße der Moral befolgten! Heft würde ihnm für eine Pars force Segd und bethlehemitiſcher Kinder mord fir eine Hetze gelten.”

Offenherzig zu geſtehen, hatte Bianca diefe ganze Tirade fir) eriparen Eönnen; Worte diefer Art wurden in einer ſolchen Geſellſchaft (denn Franz war zu weit voran, als fie hören zu können) nur tauden Obren gepredige. Aber wenigfteng verſicherten die Kammer⸗ junfer, die zunaͤchſt der Fürſtinn ritten, daß Dieß mit wahrer himmliſchen Milde und Weisheit gefproden ſey; und fpornten in nächſter Minute nicht minder ihre Pferde, um ein armes Reh fällen zu helfen. .

Die zur Jagd beſtimmten Stunden waren nn vorüber; die Roſſe matt, die Neiter nach Speiſe und Erbohlung begierig, das Schloß, wd der Großherzog fein Mittagsmahl zu bereiten befohlen hatte, in der Nähe; der ganze Zug wandte fi dorthin‘; Franz,

OR 140 AI

Bianca und Ferdinand ſetzten ſich zur Tafel. Mon gone war der Einzige, der mitzuſpeiſen gewürdigt w - auch Dieß wußte der Werräsher bereitd, und noch baglicher war ihm eine Gewohnheit Sranzens aufgejegtem Nagtiſch alle eigentlihen Bedien ein Paar Kammerer ausgenommen, berausgehen heiffen.

Waͤhrend der Mahlzeit ſelbſt nahm Ferdinant ſammen, was nur an Heiterkeit und Laune zu le ihm möglich war. Mondragone, in Allem der geſch dige Höfling, unterſtützte ihn treulich; Franz ſelbſten hierdurch bald munter und ſcherzhaft; nur Bie ſchien abermahls ihr Genius in das Ohr zu flüſt daß Dieß ihres Lebens legte Mahlzeit fey. So fie fih zwang am Gefprähe Theil zu nehmen, ſichtbar blieb doch immer eben diefed Beilreben Dad Mißtrauen gegen ihre beyden Gaͤſte. © trua man die Nachgerichte auf; bie Bedienten fernten ih, und Franz wandte fi läächelnd zu Biaı

„Sit fhon da, was du mir geftern verſpracht

Bianca (auf eine Torte geigend.) Hier mein G mahl!

Großhb. Vortrefflich dem Anſehen nach, wahrſcheinlich auch nicht geringer an Güte. ( Sardinat.) Bruder, unfere bisherigen Gerichte ſchie dir. zu ſchmecken; und Fein Wunder auch; denn ſt a Bewegung, einfehr guter Koch, hatte jie gewü Aber fieh bier ein Bericht von der Hand eines, w auch nicht beffern, doch gewiß noch ſchöne Kochs, von meiuc Bemahlinn feldft zuberei (Indem er die Schüſſel ihm darbiether.) Nimm hin ‘„ und es tir ſchmecken!

wen 141 wo

Card. (fie abtehnend.) Ich danke.

Groß h. (dalb vermunderungsvou.) Miet du ſchlaͤgft eine Speiſe von ſo ſonderbarer Art aus?

Card. (abermadis fie zurückwehreud.) Allerdings fon« derbar genug! Aber ich effe kein Gebäcke.

Großh. Polen! Ich ſah ja ſchon tauſend Mapı did teergleuben ejfen.

Kar. cmmer fatt.) Raum! Und zum menigiten bin ich jetzt ſatt.

Großh. Du kannſt es unmöglich ſo ſehr ſeyn, daß du und wäre es auch nur der Neugier halber meiner Gemahlinn abſchlagen koͤnnteſt einen Veweis von ihrer Kunft zu orten,

Card. (mit zweydeutigem Tone.) Neugier war nie mein Fehler, und die Kunft meiner theueriten Frau Schweſter kenne ih fhon aus mancher. weit ſchwie⸗ rigern Probe, Erlaude mir alfo immer dieß Mahl meinem Öefchmade und meiner Laune zu folgen‘

Großh. (Heieitige ) Bey alle Dem eine fonderbare Laune! Du glaubft doch nit, daß die Hand Bianca's dir etwas Gefahrvolle 6 zurichten könne? Sieh dann bier den Gegenbeweis und, erröthe ! (Er bricht ein Grüd ab, und ıft.)

Card. Ich würde allerdings jet erröthen, wenn ein folder Gedanke mir jemahls hätte beyfallen Eönnen.

Bianca (die ben Franzens letzter Rede erſt recht auf mertſam getwosden.) Entfeglih, wenn Eure Eminenz aud nur ein Schatten von dergleihen Argwohn beunruhi⸗ gen könnte! (mit bedeutendem Bud.) Mißtrauen zwiſchen und Beyden foll hoffentlich nie von die ſer Seite here Eommen. Auch ich folge meinem Gatten : (indem: fie abs ſchneidet mad ihr.) Belieben Eure Eminenz nun? .

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Card. Eben nun am wenigften. Denn ade jegt wäre jeder Genuß ein Anſchein mehr, vorher irgend ein Verdacht obgemaltet hätte. Großh. immer noch Seleidigter) Verzeiht Bruder ich bekenne Ihr ſprecht mit einem ne, der mic, befremdet. (Mondragene winke in Bef

Card. (anf) So muß ich wahrlih anders hen, 'als ich es fühle, anders als ich zufprechen $ lens war; aberdann brächte auch nur der Unwille, mein tbeurer Bruber eined folhen Argwohns ſchuldig achten Eann, mein Blut in Wallung. Glaubt mir, auf meine Ehre! Schon langft hate bey jeder Erhigung den Gebraud , vor allem X werk mich zu hüthen; warum folteih nun eben h meiner Eitte nicht folgen dürfen? Laßt von d Zorte nur etwas zum Nachtmahl übrig‘, und ihr ſehen, wie trefflich fie mir dann befagen wird !

Diefe legte Rede fhien Franzen zu befänftig der gefallige Mondragone wußte bald wieder Drop eınem neuen Geſpräche herbey zu ſchaffen. Eine Ei Diertelftunde verlief abermahls ; der Großherzog fd eben Luft zum Aufftehen zu bekommen, und Zerbin batte fhon verſchiedene ungewiſſe Slide auf Mont gone geworfen, als plögfid die Wirkung, nad n her diefe beyden Treuloſen fo fehnlich erlangten, zu außern begann.

Denn Bianca, Die bereitd feit einigen Aug bliden ihr Haupt fhweigend auf ihre bohle Hand ftügı hatte, brady auf einmahl in eine Iınde Klage a

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die bald in Tone des heftigften Schmerzens Überging. „Ein glühendes Feuer, fprach fie, wüthe durch ihre Eingeweide.” Die Erhigung ihres Antliges, der Angſtſchweiß auf ihrer Stirne bewiefen, dab fie nicht zu viel fage. Vol zaͤrtlicher Beſorgniß eilte der Groß⸗ berzog ihr zu, ſchloß lie in jeine Arme, forfchte ängft« lich nad den Umftänden und der mutmaßlichen Urs ſache diefes Befindens, ließ, durch drey Kämmerer uns terftüßt , fie auf einen Sofa des Nebenzimmers brins gen, und befahl dem vierten Kämmerer mehrere Bes dienten herbey zu rufen, auc einen Arzt hohlen zu laffen. Der Kämmerer ging; doch ein Blick des Cars dinald.befahl diefem Zreulofen das Gegentheil feines Auftrags. Der Miethling ahnte bereits, was hier vorgebe, oder noch vielleicht vorgehen werde, und war nichtswürdig genug, diefem Blick mehr als je- nem Gebothe zu gehorden.

Franzens Angit, indem Bianca’d Schmerzen mit jedem Augenblid noch immer höher ſtiegen, war un⸗ befchreiblich. Weil der Kämmerer wieder zu kommen verzog, und Bein Diener erfhien, wollte er ſelbſt durch das ganze Schloß nad Bedienten und Helfern rufen; als blitzſhneil auch in feinem Innerften eine Hölle aufzulodern fhien; ald er mit dem Ausruf: Gott, das find Schmerzen des Todes! auf eben dem Sofa, wo Bianca ‚lay und litt, zu den Füßen dies fer feiner Gattinn fi Hinwarf, und feinen mit ihr befhuftigten Kämmerern zurief: daß doch einer von ihnen ſchnell der. Ärzte, fo viel er Eönnte, berbey fhaffen möchte. Sept wollte wirklich jener einzige redliche Dann, deffen Unbeſtechbarkeit wir ſchon vors

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Weib; bin oft hingegeben ſchwermüthigen Launen, Heinen Beängftigangen, die da kommen, ich nicht: woher die wieder verfliegen,: ih weiß n wohin! Sen daher, theurer Gemahl, auch meinem heutigen Mißmuth unbeforgt! Er iſt bloß perlih und wird wahrfcheinfich auch heute nody ü Bewegung zerftreut werden,

Großh. Ich würde dır gern glaufen; denn nie fand ich eine Unmwahrbeit in deinem Munde. ! doch drängen fih in mir der Gründe sur Beſor noch mehrere auf: die Unruhe deines Schlafes im vorlegtern Nacht

Bianca (etwas betreten.) Haͤtte ich einige ı Een laſſen?

Großh. Ja wohl. Durd den lauten ängftli Ausruf einiger Worte, die ich‘ nicht verftand, of glei mic) wedten. Schon wollte id wieder einſchl mern, da warfıt du dich wieder auf die alidere &e riefit zwey Mahl aus tiefiter Bruft: Ferdinand, dinand! und.bald darauf: ift denn gar feine Hl Ich wollte dich weden, aber du wardft von f wieder ruhig.

Bianca. Es muß ein Traum gewefen feyn ; fo nigtig, daß ih felbjt fen Dafeyn verge babe. | Großh. (he ſtarr anfehend.) Wirklih nur Trau Aber auch Träume werden zumeilen von vorhergeg genen Gedanken erzeugt! (Sie zärtlich bey der g faffend.) Bianca rede! Es ift dein Gemahl, ber | bittet; ein Gemapl, der es für ein Geſchenk aufn men würde, wenn du nur irgend etwas von ibm bitten wollteft. Sprich! Mißfällt dir Semandt

voor 197 voson forgit du etwas? Nur ein Wort, und bisauf die Hälf: te meines Fürftentbumsd ſteht Alles dir zu Geboth. Du ſchweigſt? Soll ih rathen? Wäre vielleicht ‚der Cardinal dir zuwider! Er iſt mein Bruder; ic) freute mich feiner Ausfohnung; aber

Bianca (fig zwingend.) Eben weil er bein Bru⸗ der ift, Eann er unmöglich mir verhaßt feyn. Glaube mir, mein Gemahl! Ich ſelbſt raume dir zwar eine ges gewiffe Unruhe meiner Seele, eine gewiffe Dumpf: beit meines Geiſtes willig ein; aber, nochmahls gefagt, die Urſache davon ift mir felbft fremd. Wären Ab: nungen nidyt Hirngefpinfte, fo beforgte ich ‚irgend wo einen verfteckten Feind, einen nefährlihen Hafer.

Groß h. (iadeind.) Du einen Feind, einen Hafr fer ? Weib mit der Miene der Liebe felbft, wo naͤhmſt du Zeinde her? Meuchelmörder könnte man keck gegen dich dingen; du wirrdeft did) ihrer doch niit einen ein- zigen Blick erwehren; und dem verhärteften Böfe: wicht entfünke der Dolch, wenn er ins Auge Dir ſchau⸗ se. Du beharrit auf deinem Schweigen? DO Bians ca! Ausfluht und Verſtellung it ein allzu feltnes Ge: wand für dich, als paffend dir anzuliegen. Die ganze Jagd wartet jekt auf uns, ihretwillen allein höre ich für das Mahl aufin Dich zu dringen; aber wiffe, noch diefen Abend fange ih von Neuem an, und laffe nicht eher ab, bid du ganz bein Herz mir aufgeſchloſ⸗ fen haſt.

Bianca (ic zärtlich an ihn (bmiegend.) Daß du in diefes Herz blicken könntet! Sicher fändeft du in ihm Eeinen Gedanken, der von dir entdedt zu werden ſich fhämen dinfre; geſetzt daß du auch auf einige trä- feft, die ih mir felbft zu enthüflen ſcheue.

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ER 158 DER

Ah, daß biefer Abend, zu dem Franz fid bereitete, niemahld einbrah! daß Bianca ber rung nicht traute, von der ihre ganze Seele ſchwoll! Jene prophetifhe Kraft unferd Gei nur von Denen bezweifelt, die gegen eigenes Ge zu flreicen fi nıdht erblöden wozu nüßt fie da wir fo felten Gebrauch von ihr machen „und chen Eönnen ? Zwanzig Mahl wollte Bianca , it fie an der Sand ihres Gemahls die Treppe des Se fes herab ging, ihn aus einer Regung,. ihr felbft begreiflich, zurüdzufeßren bitten. Eben dieſes begreiflihen halber zwang ’fie fih, und ging im weiter berab.

Des Fürften wartete unten bereits der ganze 5 der Jagd; ed wartete feiner ber Gardinal, und u dem Schwarm der Höflinge auch Mondragene ; nun wieder Öffentlih begnadigt und in feinen vor Rang eingefegt worden war. Auch er follte einer den heutigen Begleitern feiner Gebiether feyn. U den vier Kämmerern, zur füritlihen Bedienung ſtimmt, hatte Mondragone drey mit fhwerem ©: zu feinen Geſellen erfauft; noch wußten fie ſelbſt Bubenſtück nit, das fie befördern helfen follten; hatten bloß dem Gardinal ihre Dienfte zugefagt, erwarteten nun ruhig, was man fordern wi Der Vierte, ein redliher Mann, war unerkauf geblieben ; aber auch er wußte nichts vom Belange nem Monarchen anzuzeigen; und wie hätte er ed a thun können, bewacht von allen Übrigen Augen !

Die Zagd ging an; Bianca’d mitleidige Se hatte nie an Liefer Ergeglidkeit viel Wergnüg gefunden: heut empfand fie fogar Abſcheu dar

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Jedes Bley, dad den flüchtigen Hickch zu Boden warf, ſchien fie felbft zu verwunden. Sie ſchlug es mehrmahls aus, jelbit auf eines diefer unglücklichen Thiere das Gewehr loszudrücken; und oft flieg eine helle Thraͤne in ihr Auge. „Ammer Eann ih mich ſprach fie des Ge⸗ dankens nicht erwehren, daß das Tödten ſelbſt der ges nieflaren Thiere höchſtens unſern Bedürfniß, nie unferer Luſſt freygeſtellt ſey; me kann ich den Glau⸗ ben unterdrücken: daß es in der Reihe der Weſen, Ai die Korte fih am Thron der Gotiheit ſchließt, noch taujend befeelte Erfhaffungen geben möge, die din Menſchen, felhit den Fürſten, tiefer hinter ſich zurück laffen, als der Fürſt den Hirſch. Wehe uns, wenn dieſe Stärfern dann die nähmfichen Örundfäge der Moral befolgten! Peſt würde ihnen für eine Par⸗ force Zegd und bethlehemitiſcher Kinder mord für eine Hetze gelten.” |

Offenherzig zu geſtehen, hatte Bianca diefe ganze Tirade ſich eriparen Eönnen; Worte diefer Art wurden in einer ſolchen Gefelfhaft (denn Franz, war zu weit vcran, ala fie hören zu können) nur tauden Ohren gepredigt. Aber wenigfting verfiherten die Kammer⸗ junfer, die zunachft der Zürftinn titten, daß Dieß mit wahrer himmlifhen Milde und Weisheit gefprodhen fey; und fpornten in nadfter Minute nicht minder ihre Pferde, um ein armes Reh fällen zu beifen. .

Die zur Jagd beftimmten Stunden waren nun vorüber; die Roſſe matt, Die Reiter nah Speiſe und Erhohlung begierig, das Schloß, wB der Großherzog fein Mittagsmahl zu bereiten befohlen hatte, in der Nähe; der ganze Zug wandte fi dorthin; Franz,

un 140 wen

Bianca und Ferdinand ſetzten fi zur Tafel. Mon gone war der Einzige, der mitzuſpeiſen gewürdigt w auch Dieß wußte der Verräsher bereits, und nod baglıder war ihm eine Gewohnheit Franzen , | aufgeſetztem Nagtiſch alle eigentlihen Bedien ein Paar Kämmerer ausgenommen, herausgehen heiffen.

Waͤhrend der Mahlzeit ſelbſt nahm Ferdinand fammen, was nur an Heiterkeit und Laune zu [ei ihm möglich war. Mondragone, in Allemder gefch: dige Höfling, unterftügte ihn treulich; Franz felbfk u hierdurch bald munter und ſcherzhaft; nur Bic fhien abermahls ihr Genius in das Ohr zu flüft daß Dieß ihres Lebens legte Mehlzeit ey. So fie fih zwang am Gefprähe Theil zu nehmen ſichtbar blieb doch immer eben diefes Beitreben dad Mißtrauen gegen ihre beyden Gaͤſte © trug man die Nacgerichte auf; die Bedienten fernten ſich, und Franz wandte fi) lächelnd zu Bias

„sit fhon ba, was du mir geftern verfprachi

Bianca (auf eine Zorte geigend.) Hier mein G mahl!

Großh. Vortrefflich dem Anſehen nach, wahrſcheinlich auch nicht geringer an Güte. ( Sardinat.) Bruder, unfere bisherigen Gerichte ſchie dir. zu ſchmecken; und Fein Wunder auch; denn ffa Bewegung, ein fehr guter Koch, hatte jie gewit Aber fieh Hier ein Gericht von der Hand eines, w auch nicht beffern, doch gewiß noch ſchäöne Kochs, von meiur Gemahlinn felbft zuberei (indem er die Schüſſel ihm darbiethet.) Nimm bin, und es bir ſchmecken!

wen 141 won

Card. (fie ablebnend.) Ich danke.

Groß h. (Haid verwunderungsvol.) Miet du ſchlaͤgſe eine Speiſe von ſo ſonderbarer Art aus?

Card. (abermabis fie zurückwebreud.) Allerdings fon« derbar genug! Aber ich effe kein Gebäcke.

Großh. Polen! Ich fah ja fhon taufend Mahl dich tergleuben eſſen. |

Card. ammer kat) Raum! Und zum mwenigiten bin ich jetzt ſatt.

Großh. Du kannſt es unmöglich ſo ſehr ſeyn, daß du und wäre es auch nur der Neugier halber meiner Scmahlinn abfchlagen Eönnteft , einen Beweis von ihrer Kunft zu koſten.

Card. (mit zweydeutigem Tone.) Neugier war nie mein Fehler, und die Kunft meiner theueriten Frau Schweſter fenne id fhon aus mancher weit ſchwie⸗ rigern Probe, Erlaube mir alfo immer dieß Mahl meinem Gefhmade und meiner Laune zu folgen !

Großh. (deteirige ) Bey alle Dem eine fonderkare Laune! Du glaubft doch nit, taßdie and Bianca's dir etwad Gefahrvolleszurichten könne Sieh dann bier den Gegenbeweis und, erröthe! (Gr bricht ein Stück ab, und ıft.)

Card. Ich würde allerdings jegt errbthen, wenn ein folder Gedanbe mir jemahls hätte beyfallen Eönnen.

Bianca (die ben Franzens letzter Rede erſt recht aufs mertlam geworden.) Entſetzlich, wenn Eure Eminenz auch nur ein Schatten von dergleichen Argwohn beunrubi« gen könnte! (mit dedeutendem Bud.) Miftrauen zwiſchen uns Beyden foll hoffentlich nie von dieſer Seite here Sommen. Auch ich folge meinem ©atten : (indem: fie ats ſchneidet und ißt.) Belieben Eure Eminenz nun?

rue "142 wen

Card. Eben nun am wenigften.' Den: rade jeßt wäre jeder Genuß ein Anfdhein mehr, vorher irgend ein Verdacht obgemaltet hätte. Großh. (mmer noch beleibigter.) Verzeiht Bruder —-ich bekenne Ihr ſprecht mit einem ne, der mich befremdet. (Mondragene winkt ihm Befi

Card. (anft.) So muß ich wahrlih anders. chen, ald ich es fühle, anders als ich zu ſprechen lens war; aber dann brächte auch nur der Unwille, mein theurer Bruder eines ſolchen Argwohns ſchuldig achten kann, mein Blut in Wallung. Glaubt mir, auf meine Ehre! Schon laͤngſt hatt bey jeder Erhigung den Gebrauch, vor allem X werk mich zu hüthen; warum folteih nun eben’ meiner Eitte nicht folgen dürfen? Laßt von db Zorte nur etwas zum Nachtmahl übrig‘, und ihr fehen, wie trefflip fie mir dann behagen wird !

Diefe legte Rede fhien Franzen zu befänftig der gefällige Mondragone wußte bald wieder Zrof einem neuen Geſpräche herbey zu jdaffen. Eine H Viertelftunde verlief abermals ; der Großherzog fd eben Luft zum Aufftehen zu befommen, und Ferdin batte ſchon verſchiedene ungewiſſe Blicke auf Men! gone geworfen, als plögli die Wirkung, nad x er diefe beyden Treuloſen fo ſehnlich verlangten , zu äußern begann.

Denn Bianca, bie bereitd feit einigen Aug blicken ihr Haupt ſchweigend auf ihre boble Hand ftügt hatte, brach auf einmahl in eine Iınde Klage a

IN 143 VIER

die bald in Thne bes heftigften Schmerzens Überging. „Ein glühended Feuer, fprach fie, wüthe durch ihre Eingemweide.” Die Erhigung ıhres Antliges, ber Angftihweiß auf ihrer Stirne bewiefen, daß fie nicht zu viel ſage. Vol zaͤrtlicher Beſorgniß eilte der Großs berzog ihr zu, ſchloß lie in jeine Arme, forfchte ängft« lich nad den Umſtaͤnden und der muthmaßlichen Urs ſache dieſes Befindens, ließ, durch drey Kämmerer uns terſtützt, ſie auf einen Sofa des Nebenzimmers brins gen, und befahl dem vierten Käammerer mehrere Bes dienten herbey zu rufen, auch einen Arzt hohlen zu laffen. Der Kämmerer ging; doch ein Blick des Lars dinals.befahl diefem Treuloſen das Gegentheil feines Auftrags. Der Miethling ahnte bereits, was hier vorgebe, oder noch vielleicht vorgehen werde, und war nichtswürdig genug, diefem Blick mehr als jes nem Gebothe zu gehorden.

Franzens Angit, indem Bianca’ Schmerzen mit jedem Augenblid noch immer höher fliegen, war un⸗ befchreiblih. Weil der Kämmerer wieder zu kommen verzog, und Eein Diener erfhien, wollte er ſelbſt durch das ganze Schloß nad Betienten und Helfern rufen; als biiefhnell auch in feinem Innerften eine Hölle aufzulodern ſchien; als er mit dem Auseuf: Gott, das find Schmerzen des Todes! auf eben dem Sofa, wo Bianca lag und fitt, zu den Füßen dies fer feiner Oattinn fi hinwarf, und feinen mit ihr beihuftigten Kammerern zurief: daß doc einer von ihnen ſchnell der. Ärzte, fo viel er könnte, herbey fhaffen mödte. Jetzt wollte wirklich jener einzige redliche Mann, deſſen Unbeſtechbarkeit wir ſchon vor:

na 144 vor ber ruͤhmten, eilen, um feinem Fürften zu gehord als plöglih Ferdinand ibm Thür und Weg verrrai

Terjenige Augenblick, auf den Mondragone, Ferdinands Unbeftand fih fürchtend, mühſam nod biefem Morgen den Gardinal vorbereitet batte, nun da; und nur zu treulich erfülte Diefer , fon die Vorſchrift feines Leiters, als auch die Eingeb feiner eigenen unmenſchlichen Rachgier! Denn vorgehaltenem Jagdgewehr, und mit donnernder me befahl er dem Kämmerer zurück zu weichen; war fih tann mit bitterm Hohnlachen, mit der Schal freude eined Satans zu Blanca, und rief:

„Ha, durchlauchtige Schweiter , fo hätte. doch vieleicht in meinem Argwohn mich nicht ganz irrt? So hätten doch wirklich vieleicht Ihre für hen Hände mir eine Koft zubereitet, die meine geweide zu durgfrefjen beſtimmt war, und jeßt den fonderbariten Zufall in ihrem eigenen wuͤthet? Glaubte die Schlange vielleiht, daß eigene G ibr nicht ſchaden könne? Oder riß fie etwa Verz w felung dahin, als, wahrſcheinlich ganz wider Ih Plan, der forgenlofe Stanz verzeßrte, was beforgtere Kerdinand fich verberhen hatte?

Großh. Um Gettes willen, Bruder ı Fannft du o welde Schmerzen, dien zerreiſſen! Um Gottes! Gottes willen, Hülfe!

Card. Sa wohl, n..: von Gott erwarte Häl Denn durch diefe Thür laſſe ih Niemand weder zu von dir geben, bis deutlicher die ganze Sache anfflürt. (Mit dem bitterſten Tone.) Wahrlih, di Schmerzen, über die ihr fo fihnell, fo fait in eu Minute end beklagtet, wenn fie von einem Ungefi

bes:

X 145 a] berfommen, fo find fie ein fo fonderbares Ungefähr, fehen einem göttlihen Gerichte fo ähnlich, daß es ſchon deshalb fündlich ware, fi in des Him⸗ mels unmittelbaren Rathſchluß zu miſchen. Meint du nicht auth, Mondragone?

Monde. (ie Achſel zucend.) Eurer Eminenz durchs dringender Einſicht unterwerfe ih meine Meinung ; freylich

Großh. Alſo auch du willſt mich erben fehen! D Bott o Gott!

Card. (gem) Warum flerben? Kämen. eure Schmerzen vielleiht daher, daß ihr von einem eine jigen Gerichte mehr als wir Übrigen aßet; von einem Gerichte, das ihr fo eifrig mir aufbringen, wolltet; dann,, armer Bruder! dann Eennit du ja felbft die ſchönen Hände, die diefe Koft zubereitet ha⸗ ben; von ihnen, von Bianca's Liebe, erwarte jetzt Beyitand und Hülfe! (um Kammerer.) Zurüd, Kerl! oder mein Stahl verfegt dich in einen noch kläg⸗ lihern Zuſtand, als jene Schuldigen verdienter Maßen erleiden. |

Wenn es Auftritte in der Natur gibt, vor deren Schreckniſſen felbit die Zaufhung des Pinfeld unter allen Nahahmungen eines Augenblids doch immer die wirkfamfte! fruchtlos zurüd bebt; wie . foll ed der Sprache möglich feyn, das furchtbare, graßs fihe Schauſpiel genüglich darzuitellen, das jest in dieſen Gemache 0 wahrlich, die Feder zittert

Memßuers Bianca Cap. 2. Theil, K

sen 146 ven.

nd ſinkt, wenn fie nur die Hauptzüge falten, ver⸗ ainen und ſchildern will.

Auf einem Lager, mit gleichen Sqhmerzen „kaͤmpfend, ein Gatte und eine Gattinn, vor Kurzem. noch im ſüßeſten Genuß ber Liebe, in ‚der blübendſten Gefundheit und Sugend mitten in ihrem Glanze und bey einem freundſchaftlichen Mahle, ohne War⸗ nung, ohne Hoffnung, von der langſamen eiskalten Hand des Todes ergriffen! Ein Fliͤrſt und eine Fuͤr⸗ flinn , in ber entfeglichften Kolter, derlaſſen von ihren Unterthanen, ihren Freunden, ihren Dienern, ihren Blutsverwandten! Kein Arzt, der ihnen zu Hulfe eilt; kein Tropfen Waſſer, der ihre Zunge Eübhlt ; Bein Mund, der nur zum Troft, zum Flöglichen Troſt des fruchtloſen Bedanerung ſich öffnet! Vergebens fites cken ſie ihre Arme aus; vergebens bittet das edelſte Paar unter der Sonne nur um Menſchlichkeit; fie find in den Händen von Böſewichtern, die weit mehr noch thun, ald bloß fie morden bie fie Veiden fehen Eönnen, und fid) Deffen freuen. Was ſelbſt Miſſethätern nicht verweigert wird, Troft ber es ligion! verweigert man ihnen. Und wer if diefer Unmenſch? Ein Bruder, ein Priefter, ein Erbe bes Throns! Seit Zahrhunderten vielleicht fah die Erde ein fo reiher Sammelplag von Frevel und Elend fie fonft zu feyn pflege Bein Schauſpiel, das dieſem an Graͤßlichkeit glich.

Und doch blieb Ferdinand unbeweglich. Der Menſqh lichkeit Gefühl ward ſtets von dem Gedanken erſtickt: „Lie bier leidet, verſchmähte deine Liebe, und gab „felbjt deine Ehre preit. Der neben ihr mis dem

m. 147 IE

„Tode Eampft, ift zwar dein Bruder, aber ein gehaß⸗

„ter Bruder; ter Entzieber eines Throns, und Bions

„cas Gemahl!“ Zwey Mahl fehauderte und wanfte

Ferdinand vieleiht eine Secunde lang; ein Bid, ein heimliches Wort von Mondragone gab feiner raus

famfeit wieder Erärfe und Kälte.

Sept, ald Bianca feldft in: Leiden noch zw ftolz, ald nur ein bittendes Wort an den Cardinal zu verlieren jest, ale fie ſah, Laß umjonft olle Hoffnung, unerweichbar diefer Abfchenliche wäre; als fie fühlte, daß unaufhaltfam fi der Augenblick des Todes nahe; da nahm fie no ein Mahl alle Kräfte jufammen, die ihrem abgematteten Geiſt und quals vollen Körper üdrig waren; da kehrte zum legten Mahle auf ihre ſchon bleichende Lippe eine heile Roͤthe, die Farbe des Zorns, zurüd; und mit einem Blick, in welhem Schmerz, Unwille, Verachtung, gekraͤnkte Tugend fi fammelten, mit einem Tone, der Betten hatte durchdringen follen, rief fie:

„O Barbar, Giftmiſcher und Böſewicht, wie es noch keinen gab! daß Dieß dein Werk, Rache deiner ſchäändlichen, zurück gewieſenen Wolluſt ſey Das ahnete mir ſeit dem erſten Augenblick des Schmerzens. Jaͤuchze nun, denn du haft geſiegt! Grauſamer, als menſchliche Zunge es ausſprechen kann, iſt der Tod, durch den tu mic) tödteſt; aber doch bleibt auch, jegt nod dein Anblick das ſchmerzlichſte meiner Lei: den; doch und itände es bey mir, von diefer Folter mich zu löſen, indem ıh in deine Arme mich würfe; ‚eber duldete ich noch taufend Mahl ſtaͤrker diefe Hölle in meinem Eingeweide! Du läachelſt! O Frevler,

K

[2 7,7 148 er nicht in anferer Gewalt ſteht es, dir zu vergelten; aber dort oben herrſcht ein Vergelter! Er wirb dereinft noch fehaudervoller dein Sterbelager machen. Keine Unſchuld des Gewilfens, Feine Hoffnung der Selig⸗ Eeit wird dich tröſten; und der Abfland, mis dem wir einft vor des Nichters Thron und wieder finden werben tenke dir Den, und erzitiere |

Card. (tachend.) Welche herrliche Nednerinn! Sie Fonnte auf den Thron ſich empor ſchwatzen; laßt fehen, ob jie auch vom Tode fih losſchwatzen wird! Vom Tode, den fe fo Eunitlich fich zubereitete ; und in dem fie fo großmäthig ihrem Gatten Geſell⸗ ſchaft leiſtet!

Großh. O Ferdinand, wenn noch ein Tees »fen Bruderblut in dir fließt! Womit habe ich Dieß um did verdiene? Womit 0 Gott, Gott!

Bianca (itre Hand nad ibm ausftredend.) Theurer Gemahl, erniedrige dich zu Feiner Bitte! Stirb ohne Klage, wenn du kannſt! Jeder unferer Schmerzends töne ift diefem Mörder ohne Gleichen eine Wolluſt mehr. Sieh, ic leide ja auch, was du leideſt; gleich fhmerzhaft und gleih underſchuldet; aber naͤchſt Gott bift du noch jegt mein letzter Gedanke. Unſerer Liebe warb, was Menige fich rühmen können, der Iod in eincr Stunde gewahrt. Gelbit wenn jener Bar bar unfere Leiber trennt, unfere Seelen wird Fein Grab fheiden. (Indem fie müpfem ſich aufrihten wii. und ihre Hand nad) ihm ausftredt.) Hier! Hier! nimm den legten (fie ſinkt unvermögend nieber.) Auch Das nit einmahl! Emwiger, dein Wille geſchehe! ©

vo. 149 u | weh, o meh! Komm bald mir nah, men Ge mahl! Ban! Bald!

e

Und indem fie ihr Haupt fenfte, indem ihre fonft. fo fhönen, obſchon jegt vom Schmerz, verzogenen Augen, zwar nicht ih ſchloßen, aber do ſtar r⸗ fen: indem ihr ſchwellendes Her; brach; der legte Schauder durd ihr Gebein bebte, und ihr letzter Athem entflod ; da ſank auch Franz röchelnd an ihren Falten Bufen, und verfchieb.

Die Bianca’d Ende! Einzig in feiner Art, wie ihr Leben! Würdig, daß aus jedem Auge ihr eine Thräne fließe! Wann war Eine ihres Geſchlechts mehr ein Ball des Glücks, als Bianca? Wen bob Schönbeit höher empor, und wen ftürzte fie tiefer berab ? An mem bewies Liebe mannigfaltiger ihre Launen? ihre Tüde, ihres Sonnenitrahls Eurze Dauer, und ihres Blitzes Unfehlbarkeit? Wer blieb treuer der zugend im Staub und im Glanze? in Armuth, Mit- telftand und Hoheit? Wer ward unverhoffter, was er zu werden verdiente, groß und glücklich? Und ah! wer verlor in einer einzigen Viertelftunde mehr als Bianca? ald Bianca, die Gemahl , Thron, Leben und den Nachruhm felbit (menigftens diefen Cegtern für eine geraume Zeit) verlor) die umfonft Jugend, Schön⸗ heit und Geſundheit, umſonſt Rang, Weisheit und Tugend, umfonft tie Liebe des Volkes, die Make

®&

DV 7770 ı50 eo ihred Satten, die Achtung aller Redlichen zu ſchi verfuchten. Wahrlich, die Gewalt des Laiters ı eine furchtbare Gewalt, der nichts zu widerftehen. möchte, vor der billig Alles ſich ſchmiegen müßte, u ed nicht mehr als ein Reben gabe!

Es gehört nicht zu unferm Plan, bier nod Maßregeln zu erzählen, die nun, fo wie das & des unglücklichen Paares entfloben war, Ferdina von Mondragone unterflugt, ergriff, um diefen bekannt zu machen; nit, die Mittel herzurecht die er anwandte, um ſich in den Befig der fo ſchän errungenen Herrſchaft zu ſchwingen und zu ſich die Schuld des ganzen Trauerfalls auf Bianca, feine Totfeindinn, zu wälzen, und durch Künfte taufı fültig, das Anfangs ſchwierige, tobende Volk für fid gewinnen. Hinweg mit unferm Blick von diefem würdigen! Selbſt das nicht einmahl mögen wir zählen, wie ſchnell Untreue ihren eigenen Meifter ı rietd; wie bald der Böſewicht Mondragone in Ungnade feines Herrn fiel, und im ewigen Ke nur allzu gelinde noch für fein” Verbrechen bis mußte. Hinweg mit allen Dem! denn aflıu* ı ſchon haben wir von Caftern und Laſterhaften jpred muſſen.

Auch von des alten Capello nahmenloſem %c mer, als er den Tod ſeiner angebetheten Tochter, graͤßliche Art deſsſelben, und den Frevel der verleu deriſchen Meuterey erfuhr, als er ſein ſparſam gew denes greiſes Haar zerraufte, und in den Glutk des heftigſten Schmerzens den Himmel nicht um Wunder der Lebendigmachung, ſondern nur um Th nen und um Tod anflehte; auch von ihm ſchwe

eur 151 mw . ih, und fage nichts, als daß diefe zweyte Bitte dem unglüdlihen Water bald gewahrt wurde, und daß. feines geliebten Kindes Nahme das letzte Wort feiner brechenden Zunge blieb.

Aber einen Bli der Bedauerung noch erzwingt ber Leichnam Bianca's. Zu wahr nur hatte es der - Unglücdlihen geabnet, daß ſelbſt im Grabe nod der Wütherich fie von ihrem Gatten trennen würde. Wenn Zranz in fürftliher Pracht, wie einem Groß⸗ berzog gebührt, zur Erde beftattet wurde, trug man feiner Gemahlinn Leichnam, als wäre es der Leichnam eined Bettlers oder cined Verbrechers, auf bloßen ' Stangen nad Florenz; flellte ihn, aufgefhmollen von Gift, entblößt, mit. zerftreuten Haaren, auf einer aͤrmlichen Bahre zur Schau, und warf ihn ohne Klang und Gang, felbft ohne Leintuch und Sarg, in ein Beinhaus zu gemeinen Todtengerippen. hin. Gogar aus der Sefhichte, aus ber Reihe von Toscana's Kür« ftinnen fuchte Ferdinand ihren Ruhm und feine Schande zu vertilgen, Zange genug gehorchten ihm Miethlinge und zaghafte Schmeidhler ; aber endlich trat die Edle wieder in ihre Rechte auf Achtung und auf Mitleid. Denn nur die Gegenwart geborcht zuweilen Tprannen; die Folgezeit gibt der Tugend ihr Los, dem Verdienſte; feinen Nahmen wieder

ser

Ro

zwey Erläuterungen.

als ein Anhang.

*

öXXXCEXCX

Aus Bianca Capello zuerſt ſtuͤckweiſe in den Skizzen erſchien, fand fie, überhaupt genommen, eine ſehr günftige Aufnahme, eine, die meine Erwartung weit überftieg, und die vorzüglich mich bewog, dieſer Geſchichte (die anfangs nur Fragment bleiben, höch⸗ ftens bis zur Erhöhung Bianca's auf den großherzog⸗ Iihen Stuhl ſich erftreden follte) die Vollendung bis zum Tode des unglücklichen FZürftens Paares zu geben. Gleichwohl hinderte diefer Beyfall des Werks, im Ganzen, einige Leſer nicht, an einzelnen Theilen Fle⸗ cken zu ſuchen und zu finden; und am meiſten traf die⸗ ſes Loos den Charakter des Bonaventuri.

Diefer dreiſte, in feiner Leidenſchaft Anfangs fo glühende, junge Mann hatte das Glück, auch in mei» ner Darſtellung auf viele Leferinnen günftig zu wirken. - Man fand e8 ſehr begreiflih, daß er auf Bianca's Herz Eindrud gemacht, fehr natärlıh, daß fie aud dann ihre Liebe fortgefegt habe, als fie ſchon ges

Ich bitte, nit aus der Acht zu laſſen, dab diefer erfle Anhang, und der Damit verbundene Audzug eines franzöfifhen Romans (don 1785 (Mo die ältere Ausgabe von Bianca Gas pello erfchien) verfaßt worden fey. Im barte nice übel Luſt, ihn bier gang wegzulaſſen; aber ein Paar Freunde, um Rath befragt, glauften doche es möchte dann für eh nen Abgang bey derneueen Auflage gelten: und bey Ber forgniffen Diefer Art find wir Schrififtelles Leichtgläubie.

.... 156 en

wußt, daß er kein Salriati ſey, und ſehr ve lich, Laß fie ſeinetwegen Vaterhaus un) Vater verlafen Eonnte; aber man fch ed dagegen am Vexriolge außerit ungern, daß tiefer Tharckter fi wantle; daß aus tem zartlichlten Liethefer ım Ar ge, doch ein ungetreuer Gatte am Ente werbe; er einer Railantra halber Bianca franfen Eenne; E dañ er feinen Untergang ſich feldft zuziehe und diene. Man überſah, Laß man bdiefe, Änderung ohne große Tivinations = Gabe, buld Anfangs & muthmaßen können; daß fihon Pietro’d erite Un nebmung, das erſte Geſtändniß feiner Liebe, bey der Hoffnungsloſigkeit ſeiner Lage, mehr den Si ling von leidenſchafilicher Unbeſonnenheit, als

wahrhaft entfhloffener Seele bezeichnere. Man gaß, daß ein großes Glüͤck dig Denkart des Ehrg gen felten oder nie unvertorben laſſe; ja, man ver ganz jenen Wankelmuth, der leider nur allzu gern. mens Begleiterinn zu feyn pflegt; und man befand gegen feft auf der yorderung: „Derienige Mann, „Bianca's Liebe fi) zu erwerben gewußt, müfle «a „allgemeine Liebe und Achtung verdienen, müſſe „treuer Gatte eben dasjenige Mufter feyn,

„welches Bianca in Rückſicht weiblicher Zaͤrtlich

„gelten könne.“

Laut und deutlich genug kam dieſer Wunſch meiner Kundſchaft; doch ihn zu erfüllen bey al möglichen Achtung für das Urtheil meiner Leſerinn ſchien mir nicht rathſam. Ich mag nicht bier eit Punct berühren, über den ſchon oft und viel geſtrit worden: ob es überhaupt ein ſehr verdienſtliches W des Dichters ſey, in einer Welt, wo Tugend ı

von 157. oa

Schwaͤche fih fo treulih gatten, doch eine perſonifi⸗ zirte Vollkommenheit und auf Erden herum wandeln⸗ de Halbgötter aufzuſtellen? Mein Gefühl hier dem Publicumaufzudringen, würde eben fo fruchtlos, als ans maßend feyn. Aber die Mahl, dünktg mid, fey ein allzu beträdtlicher Zufammenfluß von Umſtaͤnden jes nem Anfinnen zuwider. Nicht gerechnet, daß die wahre - Geihichte*) ſich höchſt gekränkt dabey fände; 'daß von . Anfang bis zu Ende faft jede Hauptbegebenheit umges ſchmolzen werden müßte; auch Bianca's hervorſte⸗ chende Vortrefflichkeit würde dadurch mehr als zur Haͤlfte gemindert, ihr nachheriges Geſchick um ein gutes Theil weniger verdienſtlich, und der ganze Lauf ihrer Glücks⸗ wechfel entweder umgeändert, oder unnatürlih wers ten müllen, wofern man Bonaventuri diejenige Tue

gend, diejenige Beftänbigkeit liebe, die er im wirkli⸗ chen Leben gewiß nicht beſaß. Man überdenke es ſelbſt: wenn Bianca eines treuen Gemahls treue Gemahlinn verbleibt, fo thut fie eigentlich nichts mehr, als ihre Schuldigkeit. Wenn fie hingegen tie los ckendſten Anträge eınes Fürſten felbft dann verſchmaͤht, als fie mit dem Wanfelmuth eines Gatten, dem fie Alles aufopferse, nur zu bekannt geworden war, dann erft drück fie ihrer Zucht und ebelichen Liebe das Siegel der Vorzüglichkeit auf; dann erft thut fie mehr, als menſchliche Erwartung von ihr fordert. Dadurch, dag Bonaventuri mit Kaffandra buhlt, und diefes Stückes fih rühmt, dadurch gräbt er ſich ja felbft fein

——— ——

Wenigſtens, was id damahls für wahre Goſchichte Kiel! Hiervon sin Mehreres im zweyten Abſchnite.

won 158 men.

Brad; dadurch wird Bianca fähig, einft ſelbſt den; herzoglichen Stuhl zu befteigen; badurd empfängt lange Trauer jlärkere Verdienftlihkeit, und auch jwepte liebe wird gerechtfertigt. Kurz, Bonavı xi’6 Leichtſinn, fo tadelhaft ee an fih feyn mag ein fo wichtiges Rad in der ganzen gegenwärtigen ſchichte, daß eine völlige Abänderung derfelben e derlich wäre, wenn biefer Charakter veredelt we ſollte.

Da ich indeß nie eitel genug war, zu wäh: Dasjenige, was mir fhwer oder unmöglich ſche müffe es auch für Jedermann feyn; da ich wohl u te, das Bianca's Schickſale {hen vor mir einige. derm beichäftiger hatten, fo fah ih mich fleißig : ob nicht einer meiner Vorgänger die ih ſaͤm lich nur hiſtoriſch kannte, glimpflider mie \ ‚Snaben Abfolom umgegangen fey; und fieh ba! günftiges Ungefähr ließ mic in der franzöfifhen ! manen : Bibliothek *) auf einen Schriftfteller ſtoß der Alles, ja noch weit mehr, ald man von begehrt, gethan hatte. Bey ihm ift Bonaventu Liebe, gleih von Anbeginn her, fo ſchuldlos, fo ſcheiden, cls möglid; bey ihm ift an Feine Ente hung Bianca's aus dem väterlichen Haufe zu denk bey ihm bleibt Bonaventuri aud in der Ehe ohne Fe tritt und Flecken. Freylich fürzt er ihn dagegen manche abenteuerliche Gefahren, begeht manchen X ftoß gegen Landesſitte, Zeitalter und Wahrfchein! keit; hat zwar einige Vortheile aus feinen Abän

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*) Bibliotbeque des Romans, Septembre. 1790.

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rungen zu ziehen, einige Züge nicht gemeiner Großmuth feinem Helden anzudichten, einige nicht unintereſſante Scenen anzulegen gewußt; aber auch Do was hindert mich, diefen Verfaifer felbft auszugsweiſe ſpre⸗ hen zu laffen? Immer war ed für mich ein angeneh⸗ mes Schaufpiel, wenn ich fah, wie zwey Schriftſtel⸗ ler, die unmiffend eine Ideé' bearbeiteten, ober auf einerley hiſteriſchem Grund ihr Gebäude aufführs ten, bald zufarımen trafen, bald weit von einander abwichen ; wie die Kleinigkeit bey Diefem zur Wichtig: Beit bey Jenem wart; und wie oft mir jedem andern. Standpuncte auch die Überficht des Ganzen ſich ändere te. Eben fo, glaube ih, wird e6 manchem meiner Le⸗ fer, Eeineswegs Tange Weile erregen, wenn ich ihnen hier eine Probe der franzäfifhen Bianca liefere. Uber freglich ziehe ih fie nur Eur, zufammen, und babe mir auch in einigen Stellen des Dialogs eine kleine/ beſcheidene Abänderung erlaubt.

1. Nein! ed gibt kein Frauenzimmer jetziger 3 das mis Bianca Capello im Reize ſich vergl: Eönnte! Sie war ſchön, ohne beynahe felbjt glauben; tugendhaft, ohne jemahls es befannt m zu wollen; verbindlich in ihrem Geſpraͤch, ſelbſt ſie keine Urſache dazu hatte. Alles trug an ihr die ne des Ungezwungenen; und doch wußte fie ſelb Nichts wichtig zu machen.

Achtzehn Jahre war fie alt; gebuͤrtig aus e der vornehmften florentiniſchen Haͤuſe Ihr X hoffte durch ſie auf den Genuß eines glänzenden ters. Jeder edle Florentiner, der fie erblidte, nur eınen Wunfh, ihr Gemahl ;u werben. ßerſt wenig nah Geſellſchaft firebend, befaß fie große Geheimniß, ihr Leben ſich ſelbſt zu verläng: Jedes Talent war ihr eigen, jede Wiffenfchaft ihr Fannt. Die Ausſaat ihres Lenzes verfprad eine re Ernte für den Sommer. Täglich ſchien die So mit ihr zugleich aufzuftchen; Feine Stunde entfloh genügt. Aber fo viel Bianca bereits wußre, fo ı Hig hatte fie Bisher empfunden. Die Liebe, wei fie ganz zu beglücen gefennen war, ließ ihre Bildı vollenden, bevor fte ihr Herz entflammte. *)

) Der franzölıfhe Dichter läßt Bianca nun durdy das dDium der Mablerey und Bildnerey den Grund zur fin Ken Liebe legen; fihildert einige Seiten hindurch Die V diene des Haufes Medicıs um die bildenden Rune; H aber dafs in ihrem Gefolae auch ſtets der Lusus Rp «

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Im Hauſe der Salviati's einem bet etſten Geſchlechter in Florenz iwpuchs ein Juͤngling auf, ſchön wie Adon, beſcheiden wie eben dieſer Schaͤfer, aber noch ſchüchterner als er. Seine Augen, die ſchoͤn⸗ ſten Augen von der Welt, ſchlug er nie mit Zuverſicht auf; beym kleinſten Wort erroͤthete et; und keine von deu Annehmlichkeiten , die er fo reichlich beſaß, machte er im Sprechen geltend. Ee vereinte in fi jedE An⸗ muth der Furchtſamkeit und der Unſchuld, Achtung für den Anftand, Gefälligkeit und jene anfprudlofe Red⸗ lichkeit, die nicht für jeden kleinen Dienft fogleih Bes lohnung erwartet. Sein Geiſt durchdrang Alles ; felbft, wenn fid einige Verlegenheit in feiner Antwort fpüren ließ, fah man dod wohl, daß er Alles verftehe, und fih beffer noch auszudrücken wünfde. Biel viel alfo hatte die Natur fur ihn gethan. Im Frühlingsalter der Welt hätte Paolo ohne Verbredhen Anſpruch anf Bianca's Hand machen dürfen. Gleiches Maß von Faͤ⸗ bigfeit und Verdienſten hätte bald aud Gleichheit un« ter ihnen felbft dervorgebracht. Aber bürgerliche Gefell⸗ fhaft trennte fie. Ä

Paolo war keineswegs ein Verführer; fo weit konnte feine Rechtſchaffenheit fi nie vergeffen; abgt

Kelle, „und daß ein Bott, welches viel ſchͤne —* „und Blidſäulen befie , gemeiniglich aufböre, ein iugenb⸗ „‚Haftes Bolt ju ſeya.“ Diele ganze Tirade IM ſicht⸗ N aus Rouſſeau'd bekannter Preisfprife entichnt; aber hier ſteht fie wohl fhwerlih am rechten Orte. Die Wel⸗ (den waren fiber vor den Zeiten der Medicis noch we⸗ niger tugendhaft, als 3u. und nach denſelben. Überhaupt it der ganze Satz noch fo ſtreitig, daß sch glaubte , feıne genauere Ausfuhrung könne hier wegdleiden. Meißners Biauca Gap. 2, Thi. ge

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er warh verführt, und wahrte fih allzu” menig feine Schwäde. Er fand ein Vergnügen dardn Seele an Bianca's Bilde zu weiden. Er ohne Zweck und Überlegung. Aud Bianca w fo ſchuldlos. Sie liebte den Paolo, ohne auf d gen diefes Gefühls zu denken; felbil,an ten eined Geſtändniſſes dachte weder fie noch er. erriethen feit langer Zeir des Andern Geheimnif bielten ihr eigenes für undurdtringlih. Bepte t ihr wechfeljeitiges &tilfhweigen, und ihre Lıı Doch wir mujlen erſt fehen, wie de Bekanr ſich anſpann.

Salviati liebte den Paolo, wie einen e Eodn; und fand ein Tergnügen daran, ihn i eriten florentinifhen Haufern, unter ſolchen Haufe des Capello, aufzuführen. Hier ſah Bianca; ſah und gewann fie lieb. Wie hätte er einem Schickſal entgehen Eönnen, dem Fein Man ging? Bianca fang; beifer zu fingen war u lih. Sie fpielte auf dem Flügel; eıne eigene fhien in ihren Fingern zu fhweben. Eine zweyte di te in ihren Augen; und in jeder neuen Stellung Körpers herrſchte au neuer Reiz.

Paolo ſprach nicht; aber unablaͤſſig ſtarr Bianca on; verlor Feine Sylbe ihres Geſprächs; y ibre Eleinite Handlung tief in fein Gedächtniß ein. brannte bereits für fie, obne es felbit zu willen. auf Bianca wirkte feine mannlihe Schönheit; fie ihm felbft zuvor. Er war fo furdtfam: Fragen a gerichtet, follten ihn zum ©efpräc bringen; doc diefe Fragen verdoppelten ſeine Unruhe. Bianca':

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gan wibertänte in feinem Kerzen; ihre erſte Unterre⸗ dung trennte fi ohne ferneres Ereiäniß.

Ein Liebhaber, minder fhüchtern als Paolo, würs be nicht ermangelt haben, bes andern Tags zu fehreiben 5 wide feinem Briefe balb felbft nachgefolgt feyn *) ; würde bald auf's dringendfte, mit taufend Schwüren, die jungfraͤuliche Schampaftigkeit beftürme haben ; doch nicht fo unfer Jüngling! Zwar fehrieb auch er; doch den Brief. fort;ufenden wagte'er nicht. Furcht, feine Geliebte zu beleidigen, hielt ihn zurück. Er Tiebte zum eriten Mohl; wußte noch nie, wie man bey einem foichen Geſtändniß ſich benehme ; hatte Eeinen Vertrau« ten, begnügte fi furdtfam und erfahrungslos mit bloßen Entwürfen; und fein Brief blieb im Pulte lies gen. Er ging aus, um Bianca zu fehen; ein Anderer wäre zu ihr ſeldſt, es fey unter welhem Vorwand man wolle, gegangen. Was bedeutet ein Verweis, wenn man um Vergebung bitten Fann? Iſt nicht jeder Vor⸗ wand füß, um auf's Knie vor dir Geliebten zu finken, und um eine Gunft fie anzuflehen ? Aber Paolo ging unter Bianca’6 Fenſter bloß auf und ab. Begierde fie zu feben, Beforgniß ihe zu mißfallen, wütheten mit Rieberhige in feinem Adern. Unbeſchreiblich war. feine Unrube.

) Schon aus dem Biäherigen wird man gefehen baten was man bald noch deusticher fehen wird daß hier durdege⸗ hendsfranzöſiſche Sitte ber welfhbenLgondss art untergefihoben worden ſey. Ein Zehler, den fi fo viele franzöſiſche Dichter zu Schulden kommen laſſen; Theils aus Hiftorifcher Ignoranz, Theils aus Stolz und @is gendünkel, indem fie ſich eindilden, Feine als Ihre, oder innen ähnlighe Bitten könnten intereſſiren.

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Doch auch Bianca war um nichts ruhiger. wünfchte eben nicht, daß Paolo ihr fhreiben m doc) gern hätte fie feinen Brief gelefen; hätte d Vergnügen felbft mit dem Zwang erfauft, den e: gekoftet Hätte, ihn nit zu beantworten. wie langſam fehlich die Zwifchenzeit des erften und 5 ten Geſpraͤchs dahin! Ein ſchreckliches Ungefähr m zuletzt in's Spiel ſich miſchen.

Paolo wagte zwar nicht, vor Bianca’s Auge erfcheinen, doch entfernte er fi nie weit von if Pallaſte; ſchien, einem Schutzgeiſt gleih, über ih wachen; wußte Alles, was fie that; Eannte jeden rer Morgen s Spaziergänge ; verbarg ſich, w fie ausging, ausritt oder ausfuhr, immer forgfe in dem einzigen Augenblick, wo fie ſich beyderſeits ten fehen Eönnen, und folgte ihr dann von Weitemen Eınft hatte Bianca ein ftolzes Roß beflfiegen, um Berdald Florenz Mauern friſche Luft zu ſchöpfen. Hitze war groß. Bianca fah fi genöthist, Schar zu fischen. Ihe Pferd war ſcheu; ein Hafe, der | den Gedüfhe bervorfprang, erfhredte dasfelke. fprarig zur Seite, ward feiner Zügel mädtig, ı ging mis Bianca durd. Paolo fah von fern diefe ( fahr ; fpornte fein Roß, und flog dem geliebten Geg ftande nad). Doch er erreichte ihn nicht ;und ſah Biaı nur in ein tiefes Gemwaffer ſtürzen, durch weldes jeı ſcheugewordene Thier feste.

Augenblicklich ſtürzte auch Paolo ihr nach. Zu konnte er nicht ſchwimmen; doch die Liebe ſchütz ſtärkte ihn. Bewußtlos zog er Bianca aus der Ti empor. Vol Beſorgniß, daß fie ganz entſeelt fi möchte, faßte er fie in feine Arme; gewann das Uf

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trug fie in eine nachbarliche Hütte. Arme andleute bes wohnten diefelbe ; ex fand hier keine Unferffügung, um Bjanga in's Leben zurückzurufen; aber die Leidenſchaft macht finnreih. Taufend Bemühungen wandte er an, und hoffte die Natur endlich triumphiren zu feben. Durchnaäßt, träufelnd , zitternd pon Kälte, dachte er an fih felpft mit keinem Gedanken. Sein Leben war ohne Bianca's oben ihm nigts. In Thraͤnen zerflies Bend , auf's Knie vor ihr hingeworfen, fuhr er in ſei⸗ ner Sorgfalt fort, und fühlte auch endlich ihr. Gerz un« ter feinen Händen , wenn man fo fagen darf, wieder⸗ geboren werden. Ein Anfangs faft unmerkliches Kloofen verkündigte ihm, daß die Quelle ihres Lebens fih neu eroffne. Sept hohlte fie wieder Athem; ihr Augens lied zitterte ; doch ihr Auge felbft öffnete fi noch nid. „Öötter, große Götter! rief Paolo! vollendet euer Werk! Gebt Bianca das Leben wieder!" Nes ben ihm hatten fih auf ihre Anie bie ehrlichen Landleute piedergeworfen, und flehten mit lauter Stimme zum Himmel. Er ſchien fie und den Süngling erhören zu wollen. Bianca ſchlug die Augen auf; aud ihr Bes wußtfeyn Eehrtenad einer halben Stunde wieder. Wie aus eınem tiefen Schlafe erwacht, entfann fie ſich kaum der Gefahr, worin fie fi befunden hatte.

„Wo fin ih? flammelte fie; Wer riß mich aus den Händen des Todes?”

„Diefer junge Mann hier ! (antworteten die Lands feute noch sweinend.) Ohne ihm war's um fie gefchehen ! Hätte fie nur gefehen, wie er weinte, was für Mübe er fih gab! She Bruder, ihr Bater, fein Menſch auf der Welt hätte Das gethan, |

Bianca’ Augen richteten fi ch auf Paolo Pin.

.. 166 u „Sie, Paolo, Sie find 89 Wahrlich, wahr Ihnen bin ich lieber, ald jedem Andern mein 8 {huldig!” Sie reichte ihm ihre Hand dar; er ü deckte diefzlbe mit Küſſen. Endlih fand durch Schi zen und Thränen feıne Etimme einen Ausweg.

„Sie leben, theuerfte Bianca, Sie leben! D in diefem Augenblicke Eehre ih aud in das 2 zurück!“ Erſchwieg, blickte fiean, und ſchwieg im fort; aber tieffeufjte er, und blidtevon Neuem fie

„Sch verdanfe Ihnen mein Leben ; erwied Bianca: und freue mich , eben Ihnen dieß Geſch zu verdanken. Welchen Preis fegen Sie auf dieſe W that ? Reden Sie! Meine Erkenntlichkeit weiß von nen Örenzen.”

Paolo fank auf das Knie; ergriff Bianca's be Hände; verbarg fein Haupt in denſelben und ſchw Bianca deutete dieß Stillſchweigen.

„Sch verftehe Sie; fprach fie: Alles, was | wünfchen, Bianca felbft fey die Shrige ! Hiermeine H darauf!”

„Ihre Hand! rief Paolo: Ihre Hand daran Alles fagten diefe wenigen Worte. Eines weit Geſpräches vedurft' ed nicht. Der nun glüdliche Pa balf Bianca wieder ihre Kleider in Ordnung bring: fandte nad) einem Wagen und brachte fie in die St zurück. Sie gab es nicht zu, daß er an ber Pfe ihres Pallajtes fi von ihr trennen durfte. „Mein S ter, ſprach fie, muß fogleich die Verbindlichkeit erf ‚ren, die mir von nun an gegen Sie obliegt. V weiß, welchen Nugen uns Dieß für die Zukunft bring

Sie ergriff ihn, indem fie Dieß fagte, bey Hand, und ftellte ihn dem alten Eupellovor. „H

k .

VOR 167 X mein Vater, ſehen Sie meinen Erretter! Sie gaben mir einſt das Leben; er bar es mir heute wieder gege⸗ ben.” Sie erzählte ihm nun das ganze Abenteuer. Capello drückte freudig den Paolo an fein Herz ; viels fach begrüßte er ihn mit dem füßen Nahmen eines Sohnes. Bey diefem Wort erfeufzte der Jüngling. Man verlaußte ihm nun, oft in dem Pallaft des Ca⸗ pello fi einzufinden; Bianca verfprach zu jeder Stunde für ihn daheim zu feyn. „Alle meine Augenblide (fpra Ne) gehören nun Ihnen zu. Jeder, den Sie von den Ihrigen mir weiben, wird mir füß bünken.”

„And jede Minute , die Sie mir vergönnen , wird meines Lebens feligfte Minute ausmachen !” rief Paolo, und entfernte ich.

Mit Vergnügen ſah Capello die Kortfchritte dies fer wechfelfeitigen Zärtlichkeit. Aber ach, er befand fid in einem Irrthum, der für Bianca und für Paolo bald die Duelle mandyes Unfalls ward. Water und Tochter bieten ihn für einen Sohn des Salviati.*) Eine ſolche Verbindung fehien dem ältern Capello hoͤchſt ans ftandig zu ſeyn; nicht einmahl auffchieben wollte erden

*) Was fie auch wohl nah dem Betragen des Altern Gal⸗ viati ehun mußten! Dee franzöfiihe Dichter Hatte hier das achörige Motiviren gang vergeſſen. Unbegreiflich IM ed, warum ein Mann vom erſten Range, der ſelbſt Göhr ne bat. den Sohn eines feiner Unterthanen, als. wäre

derſelbe fein eigenes Kind, in den nornehmflen Geſell⸗ fyaften aufgeführt haben fol; zumahl in Stalien, wo der Adel fo ſtotz auf feine Vorzüge iR! Wenn in ‚meiner Er⸗ sahlura die Souvernante und Bianca einen ähnlichen Irr⸗ thum beaen, fo ift er, wie mich dünkt, ben ihnen ſebr vergeibfich. Aber hier muß bloß gute moralifhe Abſicht eine große Unwahrſcheinlichkeit entſchuldigen. u

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Abtrag feiner Erkenntlichkeit. „Sie lieben ſich, ſprach er: man muß ſie zuſammen bringen und Dur bald!” Aus Eifer übernahm er felbit die Rolle ei⸗ nes Freywerbers, die ſonſt für Salviati ſich geziem haben würde. Er begab ſich zu ihm, „Ih komme, fprady er, für Bignca um Ihren Sohn Paolo anzubafs sen, Ich bin fie ihm ſchuldig. Willigen Sie ein 7”

Unvermutheter hätte dem Salviati nichts Fons« men Eönnen; doch verbarg er feine Seflürzung und . antwortere: „Meinetwegen dürfte ih aud Beinen Augenblick mic bedenken; denn zu rühmlich ift diefer Vorſchlag für den Polo und mid. Doch da Biarıca gemacht iſt, einen Gemahl zu beglücken, ſo wird es nun auch meine Pflicht, zu unterſu hen: ob Paolo senug gegenfeitiges Verdienit ıhrec werth zu ſeyn beſitze; deßfalls bitte ich um die Bedenkzeit von einigen Tagen?

„Die Sie gern haben ſolen! Ih ſchätze Shre Klugheit hoch und bin übermorgen Ihrer Antwort gewärtig.” |

Er hinterließ den Salviati in einer großen Wer« legenheit. Diefer vechtfhaffene Mann liebe den Puole wie feine Seele. Harte er bloß diefe Freundſchaft fg ihn um Rath befragt , fo würde er jenes vortherlhafte Anerbierhen haftig ergriffen haben. Aber aud er fab deut⸗ lich, daß Sapellg wegen Paolo's Abkunft in einem Jers thum ſich befinde. Jhn fehnell daraus reiſſen, hieß den Jüngling gan; um fein nahed Glück bringen; und doch auf der audern Seite einen fo rechtſchaffenen Mann zu hintergehen, ibm als ware ed ein eigenes Kind , den Sohn eines geringen Landmanns zum Schwiegerſohn zu geben, auch Dieß wur ein Vers brechen, deſſen bloßer Gedanke ſchon dem Ealviati

369 nem, perwerflich ſchien. Lange kämpfte er mit ſich ſelbſt dar⸗ über; endlich glaubte er dieſem Allen abhelfen zu koͤn⸗ nen, wenn er den Paolo an Kindesſtatt annaͤhme. Doch auch Dieß konnte er ohne die Einwilligung feiner fibrigen Söhne nicht hun. Ey verfammelte fie daher fogleich in feinem Zimmer.

„Meine Sühne, ſprach er, guer Water hat euch bier zufammenberufen,, um einen Dienſt von euch zu erbitten, den ihr hoffentlich ihm nicht verweigern wers det. Ihr wißt, ich liebe den Paolo innigft. Ihe felbft kennt, fo gut wie ich, alle feine guten Eigenfhaften. Würder ihr euch feiner wohl als euers Bruders ſchaͤ⸗ men Y”

Sie gaben ſaͤmmtlich ihre Einwilligung; ; nur ber Süngfte verfagte diefelbe.

„Und warum, mein Sohn? Warum "vermeige du dem Paolo diefe Woplehar 3”

„Weil ich ihn haffe! Er ift niche mein geborner Bruder, und fol auch nie diefen Nahmen führen | Ich Eenne Ihren Bewegungsgrund, mein Vater: Paolo will Bianca heirathen. Er wird ed nit durchſetzen, wenn fie ihn nicht zum Sohne annehmen.”

„Das wirb er allerdings nicht ! Aber bebenke, Sohn, daß bu das Herz eines zärtlihen Vaters zer» fleifcheft. Ich liebe den Paolo. Er ift feinen Tugenden nad mein Sohn, und Die macht mir ihn’ theuer. Dich gab mir ein Ungefähr; an ihn hat mich eine weife Wahl geknuͤpft. . Wahrlih mein Sohn | bu machſt mir des Kummers viel; an deiner Stelle wuͤrde Paolo fo etwas nicht gewagt haben. Aber wohlan , er fol, weil du es fo haben winft, nicht bein Bruder; doch deſto mehr mein Freund fegn!”

—XRX 170 VII Salviati entfernte und verfchloß fih nun ın Cabinett. Paolo's Schickſal rührte ihn außerit. 9 mandem neuen Kampf befchloß er, feineredhte Gebun ihm zu offenbaren ; ließ ihn rufen, und ſprach alfo

„D mein Sohn, mein Sohn! Zumlegten DR: gebe ich dir diefen Nabmen. Er gebührt dir niche. 2 (indem er Ihn zärtlich umarmt) aber mein re ſollſt du ſeyn. Verſprichſt du mir Dieß auch von be Seite!”

„Wie? mein Vater! Bedarf es erft eines fol, Verfprechens ?”

Salviati entdeckte ihm nun, daf er bloß der & eines feiner Pächter ware; und Paolo erröthete mi „Ned, ſprach er, babe ich nichts verloren , wo Cie, mein Vater, mich nur noch lieben !"”

Salv. (gerüpee.) Ob ich dich liebe? Mir fi ehrwürdiger Sohn, kannſt du daran zweifeln ?

Paolo. Schmeichelhaft wäre eu für mich ge fen, Ihren Nahmen führen zu dürfen. Aber nod er nicht ihrer Wohlthaten grofte. Ihnen verdanke ed, daß ich die Tugend Feune; und daß ih audy r der nur die Tugend fhage. Stolz war nie mein ? fer; luftige Entwürfe madten nie mein Vergnü aus. Von keinem Menfben habe ih je Ehrfurcht gehrt. Nur lieben folten fie mih, und fie wer mich lieben.

) Alfo auch Paolo mußte nicht, weffen Sohn er war? derbar, daß alle died Warums? der franzöfilbe 7 tee auch mit keiner Eyibe beantwortete;. gumabl BD: dach, aufrichtig geftanden! wenn nun eınmabl gedı und umgetworfen twerden follte, ſich fo leicht in @in z

9 id wahrſcheinliches Ganze bringen ließen.

_

DV v9 171 “...

Salv. Ah, nod weißt du deinen Verluft nicht ganz!

Paola. (getaßt.) Entdecken Sie mir ihn!

Salv. Wenn ih ſchwiege, fo wäreſt du mor⸗ gen Bianca's glücklicher Gatte!

Paoſo. Nein, mein Vater, reden reden Sie! Täuſchen Sie den edeln Capello nicht! Auch bis in die Umarmungen ſeiner Tochter würden Gewiſſens⸗ biſſe mich verfolgen. Eine Lüge könnte nie mich glück⸗ lich machen. Sprechen Sie, erklären Sie ſich frey her⸗ aus! Ich zog feine Tochter aus ber Fluth, rettete ihr Leben. Wenn Dich ihm nicht genügte, wenn er undank⸗ bar feyn Eönnte, fo würde ich unglüdlich feyn; tod keineswegs murren, Eeineswegs ihn haffen!

Salv. Theures Kind, wenn id rede, fo ift Bianca für dich uninfederbringlich verloren.

Paolo. (enränend.) So fey fie e6 denn! Beſſer Dieß, als fie betriegen! Ihr gehört das Verbdienft, zu mir herabzufteigen, und mid emporzußeben. Bianca fernen &ie ihr Herz beifer kennen! hat der Tugend hierzu genug! |

Salv. Ah, ich Eenne ihren Vater defto beffer. Wenn er dich ausſchlaͤgt, was bleibt dir übrig ?

Paolo. Der Xod!

Salv. Der Tod? ,

Paolo. Ga, mein Vater! Ib würde nie fo niedrig denken, daß ich eine Tochter gegen väterliche Gewalt aufwiegelte; würde nie die Gefege und das Anſehen der Schicklichkeit beleidigen; würde Bianca nie der bürgerlichen Geſellſchaft entreiſſen. Nein, mein Vater, auch in der aͤußerſten Verlegenheit noch ſoll

ss 773 vun

Paolo ih Ihrer. werth betragen. Siefollen ihn Tie ibn beffagen müſſen. Nur entreiſſen Sie mid eil diefer peinlichen Ungewißheit!

Saly. Morgen foll bein Sqickſal entſchi ſeyn.

Paolo. Morgen erſt! (Gr verbeugt ſih, will geben.)

Salv. Du verfäffeft mich?

Paolo. Nur auf einige Augenblicke !

Salv. Noch habe ich dir nicht Alles gefagt. ; biefed Teflameng! Dein Gluͤck iſt gemacht! Sarge dein Bedürfniß wird nie dich quälen.

Paolo. Verzeifung, mein Vater! Alle ſchenke, die ich von Ihnen annehmen durfte, babe ſchon empfangen. Sie haben Söhne; biefen gehört Vermögen; ich mag das Erbtheil derfelben Eeinesw vermindern ; fie könnten mic haffen, undih will, fie mich lieben ſollen. | Salv. Wie, du fohlägft mein Geſchenk aus!

Paola. Sie fühlen feldft, was hier meine DR verlangt.

Sal. Und was fol aus dir werben?

Paolo. Bianca’s Satte, oder dad G fol mid aufnehmen!

Salv. Wiet Könnteft bu Band an dich felbſt

Paolo. Nein, mein Vater! Auch im hoͤchf Schmerz follen görtlihe und menſchliche Geſetze: unverleglich bleiben. Der Schmerz; wird mich im | Grab befördern; und, während daß ich diefen Lieb dienſt von ihm erwarte, will ih von den Menfd mich entfernen; will in eine tiefe Einöbe mich verl

von 179 ‚rseeh gen, und bort ungeftdrt nur an Ihre väterlichen Wohl⸗ thaten, an meinen Schmerz und an Bianca denken

Salv: Wie bedaure ih dich! Wie ungerecht’ ift dein Schickſal!

Paplo. Vielleicht noch nicht ! Dieſen Abend: were ven Eie Capello feßen

Salv. Diefen Abend! |

Paolo. Wohlan, fo will ih aud heute noch Bianca fprehen; will ihr Alles entdecken. Bein, wie ich hoffe, fremde Rückſicht auf fle nichts bewirkt; wenn Bianca O mein Vater | weld ein Augenblick! wel ein Genuß uneigennügiger Liebe ftehe mir dann bevor! Sicher warb dieß göttlide Mädgen geſchaffen zum unnachahmlichen Beyſpiel!

Salv. Glaube mir, Freund, daß ich es inniger noch wünſche, als du ſelbſt.

Sie ſchieden hier von einander, und Paolo flog nad dem Pallaft des Capello. Doch ſchon war ihm ein Brief ohne Unterfchrift vorgeeilt; ſchon war das Ges heimniß feiner Geburt dem Vater Eund gemacht. Wer anders, als Joſeph, Salviati's jüngfter Sohn, konnte einer folhen Niederträchtigkeit fähig feyn! Er liebte Bianca; fand in Paolo einen glücklichen Nebenbuh⸗ fer. Eiferfucht gab ihm diefes Mittel zu Deifen Vers drängung ein. Ohne ein ſolches eiferfüchtiges Gefühl würde er den Paolo willig für feinen Bruder erkannt baden; würde der fhwarzen Entwürfe nicht fähig ger weſen ſeyn, die wir bald bey ihm entdecken metben.

Aber noch befand fi) Bianca in friedlicher Unwife fendeit. Sie empfing den Geliebten mit ihrer gewöhns lihen Wärme, Er, der ſtets beſcheiden und fchuldlos

en 174 u ſich betragen hatte, verabſcheute auch jetzt jeden ſchweif, und vebete freymüthig fie. alfo an:

„Bignora! Die Abfiht meines heutigen Bel dürfte von Shrer Erwartung weit verfhieden ſeyn. fomme, Sie aus einem Irrthum zuziehen, worir Sie ünwillkürlich ſtürzte. Sie hieften mich für

viatis Sohn; auch ich hielt mich dafür; wir irrten Beyde. Mein Leben bin ig einem Pächter, « Übrige den Wohithaten des Salviati ſchaldig. | den Sie mich noch jetzt Ihrer würdig!”

„Paolo! Kennte id) Ihre Befheibenheit nicht, ı würden mich bitter beleidigen. Sie felbft, nice. ven Nahmen liebe ih. Nur Ihre Perfon Eann n glüdklid) machen. Kein Wort daher weiter von bi Standesyeränderung !”

„Ha! ©o habe id) dann ridytig geurtheilt; 5 es Salviati'n zuvor geſagt. Bianca liebt mich! 8 Fümmert Sie meine Geburt! Aber was wird Barer jagen!”

„Das wollen wir gleich fehen. Sie gaben mir eben eın Bepfpiel der Freymüthigkeit; ih will nachahmen; will in Shrem Beyſeyn ein gleiches ftandnig ableaen.”

©ie gingen. Nod lad Capello jenen Brief x ungenannter Hand; noch Eonnte er fi nicht von | nem Erſtaunen wieder erhohlen. „Lies! ſprach zu feiner Tochter; und Faum hatte jie die erfte Ze überblickt, als fie ausrief:

„Ha! man ift ung zuvorgefommen! &o eben u ven wir alles Dieß Ihnen zu erklären gefonnen !”

„Wie, Paolo? Site hätten wirklid ein aͤhnlis Geſtaͤndniß mir zu thun?”

vr. 145 cn...

„Ja, Signor! Vor wenigen Minuten babe ich bey Ihrer Tochter mein Geſtoͤndniß abgelegt; und jetzt Eaın ic, um von Ihnen mein Urtheil zu ‚hören. Nie babe ich irgend Jemand bintergangen. Nie ıwerde id weder Sie, nody Bianca hintergehen.”

Cap. (gerüsre.) Und folte Paolo, der Sohn ei« nes Pächters, mir minder ehrkurchtswerth, als Paolo, der Sohn Salviati's feyn? In jedem Stande wären Tugenden Ihr Eigenthum und Ihr höchſter Werth ges weſen. Aber ach, warum war das Schickſal blind ge⸗ gen Sie? Oder vielmehr, warum gibt es einen Un⸗ terſchied der Staͤnde? Paolo, ſprechen Sie ihr Ur⸗ theil ſich ſelbſt! Ich habe die Kraft nicht, Ihnen weh zu thun. Wie wärden Sie an meiner Stelle handeln? Würden Sie wohl einer .öffentlihen Schmach ſich bloß fielen?! O wie läftig ift oft ein großer Nahme! wie glüdlih eine Dunkelheit, die uns fchalten und walten läßt, ohne aufer und ohne Verdammniß zu befürchten!

Paolo. Ich verfiche Eie, Eignor. Ich Eenne Ihre Pflichten, und, wie Sie fehen follen, auch die meingen. Nie werde ich Ahren häuslichen Frieden flo: ten; nie Bianca verführen. Es wird mich viel Boften Gabtreich ſtürzten, indem er Dieß ſprach, Tbränen von feiner Wange derab.) Es wird mid) viel koſten! Aber leben Sie wohl, Bianca! Leben: Ste wohl!

Gap. (Indem Paolo geben will, und Bianca in Ehränen zerfließst.) O nice fo haftig hinweg, junger Mann! Meine Kınder denn auch Sie find mein Cohn; ie, der das Leben meiner Tochter wieder gab! Wie gern vergöß’ id mein ganzes Blut, könnte Die euch vereinigen!

Stumm warb jegt auf einige Augenblid: Schmerz. Was Eonnten fie auch fagen? Capello weder graufam noch ungerecht. Er weinte mit ıf gewährte gern der Natur, was fie mit Fug von fooderte; gewährte au ben Befegen, was fie ihm beifchten. Ä

„Ach, rief er endlich, meine Kinder! Die Ge nur machen euch unglücklich; nicht ih, der ih fie fo'gen muß. Nichts ift heifiger als ſie; nichts gef licher ald Beyſpiele von ihrer uͤbertretung. Ber rung würde dann unmerklich alle Stände ergreifen. feleit bis zu den Häuptern des Staats ſich erflred Sein Schickſal anklagen, ift die Zuflucht ſchwacher fen, unwiſſender Geifter. Sic ins JO der Notha digkeit ſchicken und ſchweigen, ift bie Weisheit Der gen, die Erhabenheit und Spannkraft in fi fe fühlen.” |

Traurig und ſchweigend blickten bier Paolo ı Bianca fih an. In Thränen beftand ihr ganzer Tr Capello Überlad jenen nieberträhtigen Brief ˖noch Mahl. „Ha! brad er aus :nicht ein Freund vonu fondern ein iseind von dir, mein Sohn, bat die Brief gefchrieben. Daß ich ihn Eennte! Welke 9 berträchtigkeit, in eine ſolche Larve ſich zu verbüft: folhe Berleumdungen zu fhreiben, und nicht einm dad Herz zu haben, fein Geſicht zu zeigen ; Dieß,; D it der Schändtichkeiten [händlihfie Wenn ich kennte Paolo, Sie haben einen fürchterliqh Feind; feyn Ste auf Ihrer Huth! Der, deflen Ra mit einem ſolchen Zug beginnt, der iſt auch der gri ten Schandthaten fahig. Bey Gott, ich zitt für Sie!”

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„Und doch würde feine Meuchellift nur ein Dienft für mich feyn. Nie ſchaͤtzte ih dad Leben hoch; und jegt Aber zeigen Sie mir bein Brief!”

Er nahm ihn, und erkannte ſogleich Joſephs Hand.

„Ich verlange nicht weiter zu leſen; ich kenne mei⸗ nen Angeber; möchte ihn gern vor mir ſeldſt verber⸗ gen, und verfhmabe alle grauſame Überzeugung.” Mäher trat er jetzt ber Tafel, wo einige —28 brannten:.

„Paolo! was wollen Sie thun !”

„Emmen Brief vertilgen, der feinen Schreiber entehrt. Bliebe dieſes Denkmahl ſeiner Schande in Ihrer Hand, fo könnte es bald ſchmerzhaft einen tu⸗ gendhaften Vater kraͤnken.

Er ſprachs, und verbrannte das Schreiben; aber ſelbſt jet, indem er fo großmüthig diefem Jofeph vor dem däterlihen Zoen bewahrte, dachte eben Diefer auf ein Bubenſtück, deffen Opfer Paolo werden follte.

Die Nacht brach ein; es war ſchicklich, daß Paolo fi nun entfernte; doch mußte er Bianca und ihrem Water des andern Tags wieder zu kommen verjprecen: „Sie werden ſich, fügte dieſer ehrwürdige Greis, nie zum Verführer erniedrigen; kommen Sie Daher aug wieder oßne Furcht zu und! Leben Sie mit Bian- ea, wie ein zärtliher Bruder mit feiner geliebten Schweſter lebt! Vieleicht bar auch die Freundſchaft ibre Taͤuſchungen, ihre Wolluſt. Vielleicht kann jie Ihrer edlen Seele ſelbſt die Liebe dereinſt erſetzen. Seyd Freunde zuſammen, meine Kinder, da ihe nicht Liebende ſeyn dürft! Und tröſtet Eines das Andere!”

Paolo verſprach baldige Ruckkehr, und ging Hin: Weg, ganz allein. Piöglic fielen, bey der Wendung

Meißners Bianca Sap. 2. Ch M

vr. 178: or...

einer Straßenecke, verlarute und ‚mit Doldyen ben nete Meuchelmörber ihn an. Er vertheidigte fi allem möglichen Muthe; doch was nützte Dieß g o Viele? An eine Mauer gelehnt, fuchte er verge ſeine Angreifer von ſich abzuhaͤlten. Schon hast verſchiedene Wunden empfangen; von ſeinem ga Körper floß Blut; feine Kräfte ſchwanden; alt ı Menſchen Eommen hörte. Seht flohen die Bandi Einen derfelben hielt Paolo feit am Gewanbe,. f Maske entfiel, und fiehe, Zofeph war ed.

„hr feyd es, mein Bruder? Shrt Gott, we fonnte id Euch je beleidigen?” fo rief Paolo, fan zur Erde. Die Leute näherten fid.- Zu ü fliehen war bem Joſeph unmöglich. Wenn er.gefan ward, welche Schmach für Salviatir . Ba überſah diefe Gefahr, und fein Herz bebte für. Safe Vater,

„Bleibt hier, mein Bruder ! ſprach er: wenn: flieht, fo feyd hr verloren, werdet gefangen und meinen Mörder erkannt. Bleibt lieber bey mir! Fennt euch; halt euch für meinen Bruder; "wird gl. ben, daß Ihr mir zu Hülfe kommen wolltet. O Joſe wer Eönnte auch argwohnen, daß mein Meuchelm Euer Werk ſey? Stellt Euch, als ſuchtet Ihr mir | Blut zu ftillen I”

Alles erfolgte, wie Paolo es vorher gefagt bar Die Herbeygeellten glaubten gern feiner Rede, u man trug ihn in Salviati's Wohnung. Vergebens fra ihn bier fein Pflegevater über feine Mörder und be Ausfehen. Er weigerte fi) zu antworten, weigerte | fogar die Klage zu unterfchreiben , die ihrer Verf gung halber eingegeben werden follte.

A 179 wre

„Noch bin ich ja nicht tobt, mein Water! ante - wortete er; noch hofft man ja auf meine Genefung. Warum follen meinetwegen jene Unglüͤcklichen, die zur Tugend zurückkehren fönnen, hin zum Galgen geſchleift werden! Sie werden es nicht wagen, noch ein Mahl mich . Anzugreifen. Ohne Euern Beyftand, mein Bruder, (indem er ſich gegen Joſeph in väterliher Gegenwart wandte,) wäre ed um mich gefchehen gewefen. Euch verdanfe ich mein Leben.” Unverfhämt, und der Gewiffensbiffe nicht fähig, fpielte diefer Letztere getroft feine Rolle

fort, wagte es, die Hand Paolo’s zu ergreifen, der ibm

zärtlich die feinige drückte, und mit ſtammen Worten zu fagen fhien: „Joſeph, fey hinfers nicht mehr mein Meucelmörder !"

Gleichwohl rüitete eben dieſer Elende ſch, indem allmaͤhlig Paolo von feinen Wunden genas, zur Aus⸗ führung von neuen Entwürfen. Zwar wollte er nicht mehr feinen Bruder tödten, aber Bianca wollte er entführen, und in einem fremden Lande feine Bünftige Wohnung auffplagen. Ganz in ihren Schmerz vers fenkt, erfchien diefed holde Mädchen nicht mehr an oͤf⸗ fentliden Orten ; verfagt war Joſephen der Zutritt in ihrem Pallafte, und feinee Verwegenheit ungeachtet, wagte er ed hicht fih hindurch zu drängen. Aber ein Bubenftäd follte ihm die Gelegenheit, die er wünſch⸗ te, verſchaffen.

Er erkaufte in diefer Abficht mit ſchwerem Gelbe Mordbrenner, und beraumte ihnen eine Naht, wo fie Feuer in Capello's Pallaft anlegen follten. Diefe Nacht erfhien. Zu Allem gefaßt, gab Joſeph das verabrebete Zeichen, und die Mine ward angeftedt. Dad entzüns dete Pulver erfchütterte den Palast in feiner Grund⸗

M 2

ron 380 mom

fefte; Sald lief das Feuer über die Dächer hin, und, Keuerbrände, indie Zimmer geworfen , verbreiteten als Ientbalben die Gluth. Bianca, vol tödtlichen Schre end, fprang aus ihrem Bette; hatte kaum Zeit in einen leichten Mantel fih zu hüllen, und durch eine Hinterthür zu flüchten. Doch eben diefe Kinterthür war Joſephen unbekannt, ber feine Beute am Haupt⸗ thore des Pallaſtes erwartete.

Der Laͤrm von dieſer Feuersbrunſt drang auch bi⸗ zu Salviati’d Behauſung. Paolo, zwar noch fehr ent⸗ kraͤftet, aber jegt nur für Bianca zitternd, vergaß fein Unvermögen , fuhr baftig in feine Gewänder, und eilte berbey. Eine dichte Flamme wüthete bereits durh Capello's ganzen Pallaſt. Die Dächer flürzten ein; abet Paolo, undeforgt für fein Leben, warf ſich mitten in diefen Feuerofen und flog dem Gemache Bianca’6 zu. Aus gleicher Abſicht war ſchon vor ihm der ältere Co⸗ pello hierher geeilt; ihn fand Paolo, faft vom Rauch erſtickt, in legten Zügen da liegen, faßte ihn , feier eigenen Schwäche ungeachtet, in bie Arme, und enke . riß ihn fo der Flamme. Der Fußboden unter ihren gerfpreng. Paolo felbft ſtürzte, doch ohne den Capello fahren zu laifen, eine betraditlihe Höhe herab. In⸗ dem er ſich aufrichtete und durchbrach, eilte Joſeph auf ihn zu, und ſchien feine Beute, die er nit zu unters fheiden vermochte, ihm entreiffen ;u wollen. -

„Wie, auch hier feyd Ihr, mein Bruder ? Sit ter, müffen wir uns denn nur bey folden Vorfaͤllen bes gegnen ? Wen ſucht Ihr?

„Bianca! ha, ift fie es nicht?”

„D mein Bruder! Wenn Ihr fo ihr Herz zu er⸗ ohern ſtrebt, dann dürfte ed Euch wohl nie gelingen,

X 181 RR

Daß Ihr eher Eure Abſicht auf fie mir offenbart haͤt⸗ tet! Gern würde ih alle meine Dienfte Euch gewidmet | baden.”

Vol Verzweiflung, abermahls eines fruchtlofen Bubenftüds ſchuldig geworden zu feyn, entfernte ſich jest der Elende, und flog, die Ahnung feines res vels befürchtend , nach Neapel.

Aber Paolo ließ den Eapello in den Pallaft der Salviati briigen , und er felbft mußte wieder auf fein Lager fih werfen. Die übergroße Anftrengung , Mü: digkeit, Ungewifheit wegen Bianca's Schickſal ale les Dieß entzündete von Neuem ein Sieber in ihm; bes vaubte ihm fogar des Gebrauches feiner Vernunft. Ca⸗ pello hingegen war indeß wieder zu ſich felbft gekom⸗ men, und erfuhr: daß nun aud er. dem Paolo fein Leben verdanke; daß Diefer muthig das feinige daran gewagt habe, und jegt abermabis in Gefahr bes To⸗ bes fi befinde. Man kann ſich leicht feine Ruͤhrung bey biefer Nachricht denken; Tann leicht erratben , daß er fih fogleih zu Paolo's Lager führen ließ.

Auch in feinen Zantafien hörte Diefer nie auf, Bian⸗ ca's Nahmen zu nennen. „O wo ift fie! rief er oft aus: Laßt mich gehen ! Laßt mich fie fehen! Bians ca! theure Bianca! Capello, mein Vater! D So: feph! graufamer Zofepp ? Caopello ergriff feine Hand, benegte fie mit taufend Küffen. SGalvia‘ı vers fuchte ihn aufzurichten. Ach, er verſtand nichts, er: kannte Beyde nicht!

Plötzuch kam die Nachricht, dab Bianca aus dem Teuer noch bey Zeiten ſich gerettet babe. Bald fandte fie felbit aus dem Klofter,, wohin fie geflöhen war, Boryen an ihren Water. Diefe Worte fanden offenen

won ı82 —XRXX

Weg zu Paolo's Ohr und Herz. Sie ſchienen Balſam zu ſeyn, der ſchnell ſich durch ſein ganzes 3 ergoß. „Dank ſey dem Himmel! rief er: fie alſo!“ Jetzt erkannten feine Augen den Ca wieder; er wandte ſich gegen ibn: „O mein Wa wenn fie lebt, wirklich lebt; darf ich nicht ſie fef Nur meinen eigenen Augen kann ich feld ein Mi der glauben.” Der edle Alte befahl feine Zoı ſogleich herbeyzubringen. „Du ſollſt ſie ſe mein Sohn! (fpradı er) ſollſt fie ſehen! Erwarten noch von meiner Erfenntlichkeit! Vater und To foßlen für dich nur leben.” "

Gern gehorchte Bianca dem väterlichen Gebe und erſchien. Eine ſolche Scene kann nicht beſchri werden. Capello ergriff ihre beyden Hände, und fd fie zufammen in die feinige. „Seyd verelnit, m Kinter!” flammelte er und umarmte fie thrän „Sobald Paolo genefen feyn wird, legt am | des Altars die-dießfalls nöthigen Gelühde ab! @ glücklich, aber ſeyd ed ohne Geräuſch! Das tft bie: zige Bedingung , die ich euch auferlege. Nie müſſ bekannt werden, daß ihr Eheleute feyb! Nie verän Bianca ihren Nahmen; fie bleibe ſtets bey mir, wie du, mein Sohn, im Pallafte des Salviati! £ wenn diefer Zwang euch allzu fehr belaftet; wohl— fo entferng such, und lebt auf einem meiner & guͤter!“

Ausſicht auf Bianca's baldigen Befig beſch nigte kraͤftig Paolo's Geneſung. Capello hielt Wort, und unſere Liebenden wurden verbunden. zogen eine zwangloſe, laͤndliche Einſamkeit, we ganz für einander leben konnten, einem fo eingeſchr

—XRX 183 „000 ten ftädtifhen Aufenthalt ohne Bedenken vor. Ganz Florenz wußte fein Wort von ihrer Verbindung. Lange Zeit hindurch lebten fie glücklich und vergnügt auf ihrem Landgute; lebten ganz, wie man leben fol, indem fie der Natur genoflen, und ihren Untertbanen wohlzuthun ftredten.

Ihr But lag an Toscana's Sußerften Grenzen *). Franz Il.-aus dem Haufe Medicis pflegte oft fein gans ges Gebieth zu durchreiſen, und nahm einft, vom Wege abgefommen, fein Nachtquartier bey unferm Paare. Die einfache Kleidung einer Pachterinn ſchien Bianca's Reizen noch neuen Zuwachs zu geben. Der Fürft, der ihre erbabene Geburt Eeinedwegs muth⸗ maßte, fand doch bald, daß ihre Erziehung und ihre Sefinnungen weit ihren Stand überfliegen. Ihre Ants worten befremdeten , ihre Manieren überrafchten, ihre - Annehmlichkeiten bezauberten ihn. „Wie, rief ex, in meiner Staaten legtem Winkel liegen fo viel Reize, . fo viel Talente uuter der Hülle einer bloßen Bäuerinn verftedt!” Sein Erftaunen wuchs no, als er den Paolo ſelbſt erblickte. Fine fo ausgezeichnete, Erafte volle Miene glaubte er noch bey keinem Landmanne gefunden zu haben. Ehrfurdtsvon ohne Niedrigkeit, ſprach Paolo mit fo viel edlem Anftand und mit fo richtigem Ausdruck, ald wäre er in bes Hofes erſt en Poſten erzogen worden.

9) Im Original ſteht war: im der Mitse. Doch es muß ein Drugfehler feyn ; denn dad Nachfelgende widerlyricht pffenbar,

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Man Eann nun leicht den Gang errathen, der franzöfifhe NRomancier, nachdem er einmahl Geſchichte in diefes Geleiſe eingeleitet hat, im Ve erwählt, Der Großherzog faßt Hochachtung für P und Liebe für Bionca. Seine Bitten werden bey Legtern abgewiefen; er entferns fi; aber ihr ! verfolge ihn auch an den Hof. Er beruft den Paofı fi und überhäuft ihn mis Ehreniteßen. Die flore nifhen Höflinge werden natürlicher Weife neidifch diefen neuen Günſtling, und er fält endlich, ganz ſchuldlot, durch Meuchelmoͤrderhand.

Getreuer bleibt von nun an der Dichter ber fhihte. Der verwitwete Fürſt biethet der verwitw Bianca, nahdem er fie abermahld umfonit beftin feine Hand an, und nur diefe wırd angenomt . Der Eardinal, fein Bruder, empfinder diefen &d febr hoch; ſöhnt ſich aber doch zum Schein aus; Ed nad Florenz zum Beſuch, und das fuͤrſtliche ſtirbt durch Gift.

An einem einzigen abgeänderten Har puncte babe ih unmwiffend dem Franzoſen gegnet. Auch fein Cardinal wird in Bianca verl und fie verjchmäht ihn. Aber er rächt ſich für Abweifung dodurch: daß er Bianca bey ih Gemahl zu verleumden fuhrt, der. aber nicht glaubt. Mir dünkt es unwahrfd lich, daß nach einem ſolchen offenen Schrittg Bianca und einer ſo unvorſichtig genommenen, fr los gebliebenen Rache, Ferdinand noch länger | an Franzens Hof verweilen und des bisherigen trauend genießen Eönnen; aber freylich fegen üb: etwas die Dichter jenſeits bes Rheins ſich leicht hin

won 183 em

Auch bey dem letzten Auftritt (mo Übrigens einige ſchoͤne Stellen ſich befinden) gibt es der Unbegreiflich⸗ Eeiten mandje. Denn

„der Grofiderzog empfängt, bedor fie ſich zu Tiſche

„ſehen, noch einen Brief, der ihn warnt: Heute „mit dem Cardinal ja nicht zu effen, weil er fonft „Gift empfangen würde, Diefes Billet reiht er „ielbft dem Garbinal hin, und ſagt: „Lefet, mein „Bruder! Was fol ich thun? Ferdinand lieſt; „aufmerkfam beobachtet ihn Franz: Doch Jener ver⸗

„aͤndert Beine Farbe, ſondern fragt nur ganz ge⸗

„laſſen: „Meßt Ihe Dem Glauben bey, mein Brus „der!” „Dann würdet Ihr nicht mehr leben. „Aber ih Bann fo viel verftocten Sinn nicht in „meines Bruders Seele argwohnen. Kommt zur „zafel!” ie effen nun Alle von ben nah mlis „ben Speifen, und body fterden nur Franz' und „Bianca unter den beftigften Schmerzen. Wer „(fo ſchließt jene Novelle) der Urheber dreſer Kata „ſtrophe gewefen fey, bleibt noch ein aufzuldjendes „Räthfel.”

Sonberbar, daß ein Dichter, der ſchon fa viel Mord und Brand aufgebothen hatte, bier ſich ſcheute, das legte Unbegreifliche zu erklären. Doch ih will bier nicht tiefer eindringen, nicht der Zweifeldfragen noch mehrere aufwerfen. Man könnte fanft alzn leicht diefe Mühe für eine ſchlecht verſteckte Eitelkeit halten. Genug, daß icy denjenigen Lefern, die Bianta’s Flucht und Bonaventuri's Wankelmuth bey mir anftößig fan⸗ den, hier einen Weg zur Ausbeugung zeigte. Jede genauere Bergleihung fey ihnen ſelbſt überlaffen !

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U.

Derjenige T Tadel, der bey Bianca's erfter Er nung den Charakter, oder vielmehr die C hai ter-Änderung des Bonaventuri -traf,- größten Theild noch ein fehe fanfter, bloß münbt ud mir gleichfam nur in dad Ohr geraunter Tade wefen. Doch ein zweyter, ber einige Jahre ſpaͤter Bianca felbft erging, war ein deſto Iauterer, druckter, und fogar mit arhivafifgen Estracten legter Vorwurf.

Her J. P. Siebenkees nihmlich gab 1789 Rebensbefhreibung der Bianca Capé— „de Medici, Großhberzoginnvon Tosca aus Urkunden begrbeitet, heraus; ein W in welchem er zwar an mehreren Orten meiner Darı (ungskraft und Erzählungsgabe. ein weit vortheilha res Zeugniß, als fie vielleicht verdient, ertheilt; gegen aber äußerft lebhaft wider -die ganze Gattı der biftorifhen Romane eifert; und dann Bianca’d Biographie insbefondere übergeht, bie ter feiner Feder, und nad den Quellen, aus meld er fchöpfte, ein Bepfpiel von erfchlihenem , unr dientem Glücke, eine Meifterinn in Betrügerey ı Buplerfünften,, ein ſchwarzes Gefhöpf voll Heime ja zumeilen fogar voll blutgieriger Grauſamkeit wi

Ihm zu Folge entfloh Bianca wohl überleg Weiſe aus dem Haufe ihrer Ältern,, nachdem fie fd perichiedene Monathe hindurd mit Pietro Bonavent im genayeiten Einverftändniß ſich befunden hatte, u aun die lebende Wirkung davon zu ſpüren begaı

DUFT 187 Lyy 70) Exit unter Weges, als Rückkehr unmdglih war, exe fuhr fie, daß ihr Verführer Fein Salviati ſey; hatte aber vorher ſchon, aus Vorfiht, ihrem Vater verfchiedene beträchtlihe Jumelen entwendet, die weit über zwanzig taufend &cudi im Werthe betrugen, mits hin genügſam vor allem Mangel fie fehligten. Won Venedig aus geächtet, ja felbft durch Banditen vers folgt, verbarg fie fih einige Mpnate lang zu Florenz, im Haufe ihrer Schwiegerältern, bis fie endlich (und wie Herr Siebenkees muthmaßt, durch einen abſichtli⸗ hen Plan,) die Aufmerkfamkeit des Prinzen auf*) fih zog, und erft im Geheim, bald darauf oͤffentlich genug, ferne begünftigte Freundinn ward. Ihr Gatte, bloß durd ihre Verdienfte zum fürftlihen Käm⸗ merer erhoben, und (wie er fich felbft ausdrüdkte,) mit dem goldenen Korn auf feiner Etirn gar wohl bekannt, verwidelte ſich bald in unkluge Liebeshändel, und fiel, nide nur von ihr, fondern auch von dem Prin⸗ zen fruchtlos gewarnt, ald eın Opfer feiner Unbefons nenheit. Veranftaltet hatte Franz diefen Mord nicht; doch daß er darum gewußt habe, geftand er felbft nach⸗ ber feinem Beichtiger. Won nun an ward Bianca’s Liobesverftändnig mit dem Fürſten noch viel inniger und allbelannter. Sie wor der Hauptgrund feiner miß⸗ vergnügten Ehe, mit Johanna von üſterreich; ſie behercſchte ihn unbeſchraͤnkt, und ward eben dadurch bald ber Gegenftand eines allgemeinen Hafles. Um fi,

*) Cosmo, der Vater von Franz und Herdinand, lebte dar mahls noch ; doch Hatte er fin ſchon faR ganz von Eıaatöger (däften gurüdgesogen, und fie feinem älteſten Prinzen, ald eigemsiihen Regenten, übertragen.

BIER 188 vum

Zroß demfelben, im Befiß flichtlicher Huld zu exhai regte fir gleichſam Zrug an Zrug, Ränke an Ränke. gewann tıe Freundſchaft von Franzens Schweſter fie wußte den Cardinal Jerbinand, der bisher ſtets feınem Sruder (obfhon, wie Herr G. verſichert, ne jeın Verſchulden) im Zwift gelebt, eine Meng—⸗ ſcheinender Zienite zu leiften, und badurd fein Zutte zu erhalten; fie ertichrete, um ihren Belichten

ſtärker an fih zu feileln, eine Schwangerfhaft; | einen Sohn unter, und ließ naher alle Diejemi die um ihr Geheimniß wußten, durch menmigl Hinterlut umbringen. DVergebens , daß der Graf zog von verfgiebenen Seiten Warnung wegen bi Berrugs erhielt! Er glaubte doch nur ihre. Ja, fie na einigen Jahren tiefe Unterfhiebung ihm 1 geſtand, fuhr er gleihmohl fort, den fen ein ® anerkannten Don Antonio als feinen Sohn zu tramten.

Bald naher ging ein neuer Hoffnungtflern of. Johanna von Orterreich ſtarb, nad langem K keln Aud an ihrem Tode gab ter Ruf Bianca

mittel? are Schuld. Die Zuritinn hatte den mg bes Großherzegs mır der Venetianerinn für geen geraiten, batte jogar eıniges Zurrauen gegen

ehemahlige Nebenbuhierinn gefaßt. Unerwartet be nete ſie Terjelben ın einem Wagen mit bem ©

', Deuna Ziedella, "ermärit mit Jordan Orliai, Dane, auszegeichnet durch tauſead lichenswärdige E ſchaften, aber unglüdlich durch bie Gıferfunt sheet mahts und durch eigene Build. Denn er (il Be, gcaauen Umgangs mit feinem Reffen wegen, ambrü

won 180 mom herzog; ihr Argwohn erwachte von Neuem; fie rief Bianca einige bittere Worte zu, und verfiel von Ztund' an in eine Schwermuth, die binnen wenigen Zagen ihr ohnedieß ſieches Leben endete. Bianca konnte ıbre Freude Über diefen Tod nicht bergen. Franz hatte ihr die Ehe verfproden; ihr Zutrauen, daß er Wort hal: ten werde, wuchs, da er verichiedene andere, ihm ans

getragene Verbindungen autfihlug. Aber feine treueften -

Minifter und fein vertrautefter Gewiffensrath thaten

ihm fo dringende Vorftelungen; fein Volk bezeigte fo laut den bitterſten Unwillen gegen bie Witwe eines Kaufmannsdieners; daß der Großherzogbald in ſei⸗ nem, aflerdings [bon gefaßten Vorhaben wankte. Er . fhien zum völligften Bruch mit feiner Gchebten ent⸗ fhloffen ; fihien ihr denfelben fhon angekündigt zu haben, und fuchte eben deßhalb fih durch einige kleiue Reiſen zu zerftreuen. Bianca felbft, nachdem fie oft in Briefen ihn fruchtlos beſchworen hatte, bereitete ſich ſchon, Florenz ganz zu verlaffen. Doch als der Fuͤrſt

in feine Hauptftadt zurückkehrte, erfhütterte ein Be⸗

fud der Geliebten Franzens Standhaftigkeit; ein von ihr beftochener Mönch beruhigte fein ohnedieß leicht zu beruhigendes Gewiffen; und als fie zumahl in ‚einer Heinen Krankheit mit äußerfter Sorgfalt ihn gewartet hatte, &geihte er ihre, zum Dante, wirklich ſeine Hand.

Noch verblieb dieſe Ehe, bis zum Verfluß des uͤblichen Trauerjahrs, ein Geheimniß, dann aber made te Sranz fie bekannt; und ald, auf.ein Schreiben von ihm, der Senat von Venedig Bianca zur Tochter der Mepubliß erklärte, da ward fie als folhe bey einem praͤchtigen Zefte mis einem Aufwande, den man zu

wer 190 —R einer Million Seudi anſchlug, oͤffentlich gefränt fentlich als Großherzoginn ausgerufen. Nicht Vorwiſſen des Cardinals Ferdinand geſchah alles aber es mißfiel ihm auch gewaltig. Als Beyſchlaͤfe ſelbſt als heimlich angetraute Gattinn hatte er fa Bruder Bianca gern gegönnt; doch fie nun als Schwaͤgerinn anerkennen zu müffen, Das bünfte eine berbe Schmach; und er äußerste fi. bey mei Gelegenheiten bitter genug darüber. Aber die fd Bianca vergalt nicht Feindſchaft mit Feindſchaft. ſtrebte vielmehr durch Ausführung des brüderfichen ; ſtes fih ein wechfelfeitiges Verdienft zu erwerben ; ed gelang ihr vollfommen, Ferdinand, der, von nem Bruder eingeladen, einen ganzen Winter Florenz hinbrachte; der ſich mehr als jemahls von zuvorkommend behandelt, um Rath befragt und ſchenkt ſah, ertbeifte Bianca laut ben ehrenvr Nahmen einer Wiederberftellerinn der Ruhe in fe Familie. Mit faſt gleicher Klugheit geb fie in Irr gen mit dem päpftlihen Stuhl, dem Senat von ! nedig, und dem Herzog'von Mantua *) die Verm lerinn ab; immer wußte fie Auswege zu treffen, welden fie ihred Gemahls oft zu raſchen Charakter lenken, fein Anfangs gefunkenes Anfehen auswartig mehren vermochte. Ihre Gegner feldft —— Zeugniß ertheilen, daß durch Maßregeln, Eozu

*) Am merkwürdigſten oder wenigſtens am feltfamften ı dieſe Lentere. Es kam auf nichts weniger an, als daß Deren erſt feine Mannbarkeit durch Thatbandlungen Braftige » bevor er ter Gatte einer Horentinifden Ye seffinn werden könne. j

PR ıgı esshn

gerathen, das Anfehen des Haufes Medici in Stalien ausnehmend gewadfen, der Einfluß bes ihm feindli⸗ ben Geſchlechtes der Farneſe merklich gefunfen fey. Pur einen fehr nahen bittern, ſchmähſüchtigen Feind vermochte Bianca nicht mit fih auszufähnen, und diefer war das Volk von Florenz felöft. Uners traͤglich duͤnkte es dieſem, daß die Witwe eines Bür⸗ gerlichen, eine Perſon, die man als die Verführer rin des Großherzogs, als bie einzige Urfache feines Mißmutdbs in erfter Ehe betrachtete, jeßt den Fuͤrſten⸗ ang mit ihm theilen folle. Die Gefälligkeit, die er gegen fie bejeigte, die große Pracht, die er bey ihrer Krönung verfhmwendete, die anfehnlihen Summen, die er auf Verfhönerung ihrer‘ Lieblings : Billa ver, wandte, wurden mit feiner ehemahligen Sparfamkeit und Unfreundlichkeit gegen Johannag von Oſterreich verglichen, und Bianca zum Vorwurf gemacht. Man beſchuldigte fie, eine große Goͤnnerinn von heinilichen, überall zerſtreuten Kundſchaftern zu ſeyn. Man klag⸗ te ſie der ungereimteſten Grauſamkeit *), ja ſelbſt der Zauberey an. Jeder Gunſtling des Großherzogs, der das Land drückte, galt auch ſofort für ihren Be⸗ ſchützten; jede Unbilligkeit, die etwa vorfiel, für ihre Schuld. Wiewohl ſie ihren Bruder Victor, da ſein

) Man zeigte noch lange Zeit nad Ihrem Tede in ihrer Bile la zu Pratalino ein Zimmer, il Stillatojo di Bianca genannt , in welchem fie Heine Kinder Aber fiedended Waf fer aufgebangt und von dem berabtriefenden Zette diefer Unglüdiihen eine Schminke ih zubereitet haben follte. Abgeſchmacktheiten Diefer Art widerSegen fi von ſelbſt, seigen aber auch, welche grundlofe Erbitterung gegen fie obwaltete.

vo 192 vosen

Betragen den Florentinern mißfiel, ſelbſt entfernen half, wiewohl fie nichts verabſäumte, um ber.gri fern Menge ſich beliebt zu maden; dennoch perblieh man bartnädig im Haſſe gegen Diefelbe; und auch ben innern Frieden bed regierenden Hauſes bedropte bal⸗ nachher eine neue Zerrüttung.

Don Philipp, des Großherzogs einziger Sehr, mit Sobanna von Hfterreich erzeugt, flarb (1582) al Kind; das Jahr darauf erklärte Franz den Don Ans tonio jenen.angeblic) untergefhobenen Sohn Bian⸗ ca's, für fein eigenes rechtmaͤßiges Kind, und ver fwaffte ihm von Spanien her, den Titel eines Prinzel von Capeſtrano. Ferdinand beforgte daher: Bianca werde nicht ruhen, bis ihr Gemahl ihn auch zum Made folger in der Regierung erkläre; und fichtlich erkaltete er von nun an in der Freundſchaft mist ihr. Anbere Gerüchte gaben feinem Argwohn auch eine andere Lem tung. Es verbreitete fi mehrmapls bie Sage: daß Bıanca fhmwanger ſey. Der Großherzog felbft ſchien ein Mahl davon ganz überzeugt zu ſeyn. Nach Ferdi⸗ nands VBermuthung war nichts gewiſſer, als daß Bian⸗ ca das Epiel der Unterfhiebung noch ein Mahl fpielen werde. Er trug es feinem zweyten Bruder, Deren der zwar fonft gewöhnlich in Spanien lebte, jetzt aber einige Zeir in Florenz jih befand, dringend auf: je nicht fo bald ſich wieder zu entfernen, und wohl Acht zu geben, was vorgehe. Doch diefer Argwohn ber Brüder kam bald au zu des Großherzogs Kundfchaft, und beleidigte ihn höchlich. Won der Schwangerfchaft feinge Gemaplinn feit, weit feſter als fie felbit über. zeugt, lud er den Cardinal fchriftli ein, ſelbſt nad Florenz zu fommen, und ein Zeuge von ber Mieders

kunft

voor. 195 on

Eunft feiner Schwägerinn zu feyn. Diefer ſchlug es aus, weil er jenen Argwohn ganz abläugnete. Es gab einen Briefwechſel mit Beleidigungen auf beyden Sei⸗ ten. Ein Paar Monathe darauf ſchwand die frohe Er» wartung des Grofherzogs gänzlich. Bianca's vermeinte Schwangerſchaft ging in eine Krankheit Über, die ihre Leben zu enden drohte, und nur mühfam gehoben ward.

Auch bey diefen Vorfallen hatte Bianca ſteis ſich aufs Elügite betragen ; hatte‘ won ihrer Schwanger ſchaft fters in einem zweifelhaften, mehr beforgfichen als hoffzuden Tone geſprochen; hatte gegen Don Per ter mündlich, gegen ben Cardinal ſchriftlich fich erklärt, daß ſie fich eher Eranf als in der Hoffnung zu fepn ver⸗ muthe; batte zu.eben der Zeit, da ihr Gemahl äußerſt hart an den Bruder ſchrieb, ſich ſtets gegen ibn fo fanftmüthig ald möglich ausgedrückt, und hatte dafür auch am Ende die ehrenvollfte Genugthuung. Denn da der Cardinal gar bald verfpürte, wie nachtheilig ihm diefer Zwift mit feinem Bruder werde; wie fehr vor⸗ züglich dadurch fein Anfehen und Einfluß beym vpaͤpſtli⸗ chen Hofe fine; dba wandte er fih an Bianca felbit, und bath um ihre Vermittelung, ihn mit dem Großher⸗ zog bey dem er nur verleumdet worden ſey aus⸗ zuföhnen. Mit Freuden ergriff die Schlaue Liefe gün⸗ ſtige Gelegenheit, ein neues Verdienft in ben Augen ber Welt und felbit ihrer Gegner fih zu erwerben. Sie trat daher mıt dem Erzbifhof von Florenz in ein Verftänds nig. Erit als Diefer, ein ehrwürtiger, von Fran geachteter Prälat, das Herz des Fürſten durch triftige Vorſtellungen ſchon erweicht hatte, trat auch Bianca in’s Gemach, und vollendete durd ihre innigite Bitte den Entſchluß der Vergebung. Die felbft ward bevolls Meißners Bianca Cap. 2. Thl. N

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maͤctigt, dem Cardinal Dieß zu melden. Eine an

che Geldſumme, ihm lange verweigert, ward ſchickt. Zum Siegel der Eintracht ward nichts verlangt, als daß Ferdinand perſoͤnlich nach F komme. | Damahls gab ed zu Bianca's Lobe nur Etimme. Ein großer Kenner ber Menfchen ur Hofränke, der fhlaueite Mann, der je den püpf Stuhl bekleidet und ganz durd) eigene Liſt dara gefhwungen hatte Sixtus V. erklärte das Bet Bianca’s für ein Meifterftüf der GtaatsEunft. Wunſch, fie perfönlid Eennen zu lernen, bewe fogar zu dem Entfhluß, auf einer Reife, bie e Padua zu unternehmen Willens war, auch dei von Florenz, mit feinem, Beſuche zu beehren. X traf ſchon zu feinem Empfange die practigften 2 ten. Die Eiferſucht der übrigen italiöniſchen die an Se. Paͤpſtl. Heiligkeit eine fruchtloſe Eint ergeben ließen, machte zwar, daß die Neije-nod gefhuben ward; doch wäre fie wahrſcheinlich fpäte wirklich vor fih gegangen, hatte nicht die bald & folgende Kataftrophe Alled unterbrogen. Ferdinand, als er, bald nad) der Ausglei mit feinem Bruder, zu Florenz eintraf, ward vo und Bianca mit einer Zärtlichkeit empfangen, bi Überreite ehemahliger Unernigkeit wohl hätte ve hen können. Franz bath fogar feinen Bruter wege beriger Härte um Verzeihung; verfprad alles wohns ſich zu entfchlagen; und zwifhen den Haͤr des Medizeifchen Haufe fhien das engfte, dau teile Freundſchaftsbuͤndniß geſchloſſen zu feyn. Trüglicher Anſchein! In den erften Tagen bi

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tobers war Ferdinand nach Florenz gefommen;; bald daranf derreiften ſie Alle zufammen, auf eine Villa zu Pogaio a Cajano, die Franzens Herbflanfenthalt zu feyn pilegte, Bianca both dort jedes Vergnügen der Jahres⸗ zeit auf, um ihren Gaſt zu erfreuen. Doch fhon am dreyzehnten October erkrankte der Großherzog. Seine Krankheit, eın dreytägiges Fieber, fhien Anfangs ganz ungefahrlich zu ſeyn; doc fein Eigenſinn, der allen March ver Ärzte verachtete, und im Gebrauch ber Speis fen ſich nie mäßigte, verwandelte es bald in eine his tzige Krankheit; (%) und fhon am achten Zuge, nach⸗ tem er den Gartınal zu feinem Nachfolger ernannt, feine Gemahlinn, den Don Antonio und feine vor⸗ nebmijten Näche ihm empfohlen hatte, verſchied er. Zwey Tage nad) ferner Erkrankung überfiel Bianca ein ähns liches Übel, das aber bald alle Anzeichen naher Tödt⸗ lichfeie begleiteten. Der Hintrist ıbres Gemahls ward ihr zwar auf Ferdinands Ihonenden Befehl verborgen gehalten; doch errieth fie ihn aus der ungewöhnlichen Unruhe im Pallajt und den thränenvollen Bicken ihrer Wärter. Ferdinand befuchte fie nod ein Mahl nad feis nes Bruders Tode, und ſprach ıhr Muth ein: aber fie fuhlte ihr berannabendes Ende, dankte ihm tiefgerührt für.feine Sreuntfhaft, empfahl ihm ihren Zohn, und ſtarb, neungehn Stunden nad dem Erblaffen ihres Ges mahls. Zhr Leihnam ward zwey Tage darauf nad) Flo⸗ ren; abgeführt, und allda von eınem anfehnlichen Theil der Prieiterihaft, von der deutſchen Leibgarde und dem ganzen Hofitaute empfangen. Nach gefchehener Erxöffs nung die in Gegenwart ihrer näditen Blutsoer⸗ wandten geſchah, und wo ulle innere Theile ın großer Zerrüttung gefunden wurden brachte man ihren Körs N 2

mon 106 num

ver mit feyerlihem Zuge in die St. Lorenzo « Ki: und itellte fie auf dem Gerüſte zur Schau, we zwey Tage früher für ihren Gemahl errichtet word

Alles diefes war dem Range einer wirklichen & berzoginn angemeffen! Doc, ald man nady verrichte Zodtenamte den ‚neuen Regenten fragte: ob fie fl fih mit der Krone ausgejegt werden follte? gab er Antwort: Sie bat die Krone lange genug getra Und als man weiter nachforſchte: wie es mit ihrem graͤbniß zu halten fep® erwiederte er: Wie ihr we Nur in unfere Oruft begebre ich lie nicht. Ferbinc Feindſchaft war nun erklärt genug. Man beftattet: daher in der Stille und in die große Gruft unter Lorenzo » Kirhe, Wenige Tage darauf warb, Serdinands Befehl, ihr Wapen von allen öffentfie Gebäuden abgeriſſen, und durch das Wapen der Bi reihifhen Johanna erfegt. Don Antonio ward ef falls durch eine eigene Urfunde— in welder man Muster ein Paar Mahl lapessima Bianca fhalt ein untergefbobenes Kind erklärt ; gleichwohl (mel fonderbare Widerfpruh!) erbte er, ald Sohn‘, eu Zheil ihrer Juwelen, und dreyßig taufent Scudi. Übrıges Gefhmeide und bares Geld gelangte an i Tochter und ihren Water. Erft nad) geraumer Friſt no der Großherzog eben diefen öffentlıh fo beſchimof Don Antonıo wieder feyerlihit in dad Mebizeiiche C ſchlecht auf; erklärte ihn für feinen Neffen; forgte ihn wie für einen abgefundenen Prinzen, und verſch te ihm die Stelle eines Großpriors ım Malthefer: 1 den. Auch Bianca's Water bekam dann ein anfehı ches Jahrgeld, und alle ihre entlaſſene Dienerfch ward veichlich beſchenkt.

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Dieß ift ein getreuer Auszug von Bianca’ Ges ſchichte, wie Herr Siebenkees fie geliefere bad. Daß in ihr die Begebenheiten ſowohl, als auch die Cha⸗ vaftere der handelnden Perfonen, beträchtlich von meiner Darftelung abweichen, ergibt ſich gleich auf den erften Blick; und darüber, daß fie fo abweiden, it mir in mancher fpatern Kritik, zum Theil nur gelegentlich , zum Theil auch ernftlih genug, eine Erinnerung ges macht worden. Mic) deffalls zu rechtfertigen, oder zu entſchuldigen, ſahe ih, wenn ich jetzt anders Luft zu langen Erdrterungen hätte, mehr ald einen Weg vor mir. Der nächfte und kuͤrzeſte ware wohl, daß ich jene Kritiker bäthe, etwas genauer fi zu erinnern: wann ich zuerit diefe Arbeit unternahm.

Über Bianca’ Schickſalen ſchwebte fange wie Herr Siebenkees ſelbſt erwähnt, und zur größern Ver⸗ dienftlichBeit feiner Arbeit beraushebt, eine dunkele, verdrieflihe Ungemwißbeit. Alle Kahrbücher von Flo⸗ ren; (wenn man ein einziges Werk von ſichtlicher Par⸗ teplichkeit ausnimmt), gedachten ihrer: nur im Vorüber⸗ geben, oder vielmehr mir auffallender Ausbeugung. Nur einige fogenannte geheime Geſchichten, freylich durch mande Ausmwüchfe entftellt, und keineswegs mit dem Gepraͤge durchgaͤngiger Glaubwürdigkeit‘ geftempelt, gingen von ihr in der Handfhrift herum. Mit ihnen mußte man fid) begnügen, da es an einer Biographie nach geprüften®ewährsmännern ganz gebrach. Erit unter ber , für Florenz in vielfaher Ruͤckſicht ſegenreichen Negierung Peter Leopolde wurden Denen, welde der Geſchichtskunde ih widmeten, Staatszugange geäff- net, die man bisher ſorgſam verſperrt hatte. Nun erſt gewann die Geſchichte des Hauſes Medici das man

198 ſo oft ſchon bis zum Himmel erhoben, und doch ſo ſel⸗ ten nur gekörig geſchildert hatte, eine ganz nenue Beleuchtung; und jetzt, wenn ih nidt irre, war Ga⸗ Inzzi der Erfte, der, in feiner 1781 erideinenten flos ' ‚xentinifhen Gefdichte, auch Bianca’s Schickſale weit⸗ läufiger, obſchon freylich nicht zu ihren Gunſten ers. zahle *), lieferte. Ihm folgte dann erſt, acht Zahre fpäter, Herr Siebenkees, nach, und auch Dieſem wurs ben viele Privat⸗ und Staatsunterſtützungen zu Theil. Daß ih, fern von Florenz Bücheriammiungen und . Archiven, nit eines ähnlichen Vorſchubs mich erfreuen Eonnte ; daß ih, der ich überhaupt nit Bianca's pragmatiſche Gefchichte, fondern nur ein Werk, von. NRührung ausgegangen und wieder auf Rührung abs zweckend, liefern wollte, mich nicht in fange, kri⸗ tiſche Unterſuchungen, die meine Empfindung vielleicht abgekühlt hätten, einließ; und daß id) endlich 1778 Bücher nicht benüßte, die fo viel fpater erft gefchrieben wurden; alles Dieß jind Umijtände, die fih wohl durch fi felbft rechtfertigen. |

„Aber warum (könnte man weiter mid) fragen)‘, „hoblte ich nicht bey der zweyten Auflage, warum nicht „wenigiiend jetzt Dasjenige na, was ich freplih An⸗ „fangs verabfaumen mußte! Warum babe ich niche „nunmehr, da mid Herr Siebenkeed durch Urkunden „belehrt, daß Bianca durchs ganze Leben eine Be⸗ „trügerinn gewefen fey, ihr den Nimbus abgenommen, „der Feineöwegs für ihr Haupt gehörte? Warum habe „ich immer ned den an ihrem Tode fo ſchuldloſen Care

a

) Herr ©. ſeibſt werfühert (&. XVI. der Vorrede), daß em als ein ber Bianca abholder FSlorentiner ge ſchrieben babe. u

> | | \

u

„dinal und nachherigen Großherzog Ferdinand (nach des „Herrn Siebenkees Ausdruck), als ben ſchlimmſten Lot⸗ „terbuben auftreten laſſen?“ Wenn ich hierauf ganz nah Würden antworten wollte, fo müßte ich vor als len Dingen umſtändlich mein Glaubensbekenntniß über die Grundſätze des hiſtoriſchen Romans abs legen; müßte genauer erörtern, was ich bey ihm für’ wefentli und für zufällig, für erfprießlich und auch für bloß erlaubt halte, Und wohl möglich, daß diefe Darftellung. nicht ganz verdienftlos wäre! Immer noch ift über diefe, bey uns Deutfhen, feit einiger Zeit fo vielfültig ‚ausgeübten, und auch ‚nicht felten gemiß« braudten, bey einem großen Theil des leſenden Publi⸗ kums begünftigten, von drey Viertheilen der Kunſtrich⸗ ter aber. gemißbilligten Dichtart aͤußerſt wenig mit rue higem, ſcharfen Blick unterſucht, und mit anfländigem: Tone geſagt oder geſchrieben worden. Eine Theorie,

bie man, nicht etwa genügend, ſondern nur not h⸗

dürftig nennen könnte, findet ſich von ihr nirgends.

Selbſt einige, an fi fchäbbare Aufläße worunter fih der Seßterifche in der deutfchen Monatheſchrift vor⸗

theilhaft auszeichnet. haben die Hauptfrage: Wie

weit darf die romantifhe Daritellung von der wirklichen

Geſchichte abgehen F oder: Bis zu welchem Grade darf’ Wahrheit der Wirkung aufgeopfert werden ? bey Wei⸗

tem nicht gebörig auseinander geſetzt. So wenig ich

mir fhmeicheln kann, hierüber ein unt rüglich es Ur⸗

theil zu fällen, fo wenig ſelbſt meine Meinung für u ns

befangen geiten dürfte, ba ich zuweilen für meine: eigene Sache fprehen würde, fo war ich doch längft

ſchon gefinnt, einige Bemerkungen, aus Erfahrung

geihöpft, einige Gründe, mit Muße durchdacht, ber

' 200 u

Prufung billiger Kritik darzulegen, und ben flreiti Dunct der Entfcheidung wenigitens naͤhet zu bring ja, ich würde es gleich jegt ıhun, wäre es nuren mit einer Unterfuchung verbunden, die durchaus wenig in's Weite geben muß, und die mir unfd lich für einen bloßen Anhang, allzu ernft für Merk, der bloßen Unterhaltung beftimmt, dünkt. verſpare daher Alles, was ich über diefen Stoff auft Herzen babe, für ein eigenes Eleined Werk, das wa fheinlich bald an’6 Tageslicht treten dürfte; Fann n aber doch nicht enthalten, ein Paar der allererfien banken, die Herrn Siebenkees Biographie in mir ı anlafte, bier noch mit anzuführen.

Daß Here Siebenkeed zum Leben ber Via viele Nachrichten geliefert, deren wir bis dahin ga oder wenigftens in der Umſtaͤndlichkeit entbehrt baß er ſich dabey folder Hülfsmittel bedient, ‚Die | allen feinen Vorgängern abgingen, und wovon ei ge allerdings fehr ſchätzbar waren: daß er bey fei Arbeit Mühſamkeit mit Einficht verband, und anf! Dank der Gefhichtsfundigen, auf ein Citatum in Eh tigen Staatengeſchichten Anſpruch fid erwarb, D alles wird wohl Niemand ihm abfprehen. Doc daß mit UnparteplichEeit gefchrieben ; daß unter feinem © fel Bianca Dırjenige geblieben, die fie in der Wirkli feit war; daß er, der gegen den biftorifhen Rom fo öftere und bittere Ausfälle thut, fich felbft von. Ier romantifdyen Erbichtung frey erhalten babe; bav Fann ich mich Eeinesmegs überzeugen.

Klinge es immer für den erften Augenblick etn abenteuerli , etwas gefucht parıbor! Aber gerad daß Herr Siebenkees ſo diel aus arch iv al i ſ ch e n No

J

wer 208 vum richten, und mit fo vollem Zutrauen auf diefelben ents lehnt, ſchwächt feine Glaubwürdigkeit in meinen Augen beträchtlich. Der bloße Plag in Archiven (Das weiß ich aus achijähriger eigenen Erfahrung) gibt den bier aufs bebaltenen Papieren nicht ein Haarbreit Wahrheit mehr, als fie ohnedem befißen. Unendlih mehr Eommt darauf an: Wann, von wem, und unter wels hen DVerhäftniffen fie niedergelegt wurden ? Was ein Regent, oder eine Regierung überhaupt, zu fams meln und aufzubewahren gebiethet, von Dem laßt ſich fhon, ber Natur der Sache nad, mit höchſter Wahr⸗ fheinlichkeit vermuthen, daß es nichts dem gebierheits den Theile Ungünftiges in fid enthalten werde. Wenn es aber zumahl die Angelegenheiten einer Perfon bes trifft, die der Regent todelich haft; wenn es zu einer Zeit gefhieht, wo diefer Legtere gewaltthätige Maßre⸗ geln ergreift, um feine Race zn befriedigen, und wo er doch eben diefe Rache gern im Auge der Nachwelt befhönigen möchte, wer kann bann- Papieren bier ſes Schlages, und wenn zehn fürftliche Ziegel fie ſtem⸗ gelten, wenn fie hundert Mahl die Form eines gerichts lihen Verhoͤrs an fih trugen , viel Glauben beymefs fen? Gleichwohl treffen alle diefe Umftände bey einigen fogenannten Urkunden zuſammen, aus welden der Verfaſſer gerade feine härteſten Anklagen gegen Bigns ca, die Befhuldigung des Betrugs und der grauſam⸗ ften Mordanfihläge hernimmt. Alle Papiere, die Dieß zu begründen feinen, wurden auf Ferdinands Bes fehl niedergelegt’; zu der Zeit niedergelegt, als ihn (nach des Verfaſſers eigenem Geftändnif) ein Schwarm von Bianca's Feinden und Anklägern umringte; als er ſich erft feft auf den ererbten großherzoglichen Stuhl

vo. 192 son Betragen den Slorentinern mißfiel, felbft entfer: half, wiewohl fie nichts verabfälmte, um der. g fern Menge ſich beliebt zu machen; dennoch yerb man hartnädig im Haffe gegen Diefelbe; und auch innern Frieden des regierenden Hauſes bedrohte 6 nachher eine neue Zerrüttung. Don Philipp, des Großherzogs einziger &o mit Johanna von Ofterreich erzeugt, ftarb (1583) Kind; das- Jahr daranf erklärte Franz den Don ] tonio jenen.angeblich untergefhobenen Sohn Bi cas, für fein eigenes rechtinäßjged Kind, und: fnaffte ihm von Spanien ber, den Titel eines Prin von Gapeitrano. Ferdinand beforgte daher: Bia werde nicht ruhen, bis ihr Gemahl ihn aud zum Ne folger in der Regierung erkläre; und ſichtlich erkalt er von nun an in ber Freundfchaft mis ihr. Ant Gerüchte gaben feinem Argwohn auch eine andere £ fung. Es verbreitete fi) mehrmahls die Gage: | Bıanca ſchwanger fey. Der Großherzog felbft fd ein Mahl davon ganz überzeugt zu feyn. Nach Fe nands Vermuthung war nichts gewiſſer, ald dag Bi ca das Epiel der Unterſchiebung noch ein Mahl fpie werde. Er trug ed feinem zweyten Bruder, Pet der zwar fonft gewöhnlich in Spanien lebte, jet a einige Zeit in Florenz ſich befand, dringend auf: nicht fo bald ſich wieder zu entfernen, und wohl ? zu geben, was vorgebe. Doch diefer Argwohn Brüder kam bald auch zu des Großherzogs Kundfch, und beleidigte ihn höchlich. Won der Schwangerfä ſeiner Gemahlinn feit, weit feſter als fie felbit ül zeugt, lud er den Cardinal ſchriftlich ein, felbft n Florenz zu kommen, und ein Zeuge von ber Miet $unfi

a voon 199 woran Eunft feiner Schwägerinn zu fen: Diefer ſchlug es aus, weil er jenen Argwohn ganz abläugnete. Es gab einen Briefwechſel mis Beleidigungen auf beyden Sei⸗ ten. Ein Paar Monathe darauf ſchwand die frohe Ers wartung des Großherzogs ganzlid. Bianca's vermeinte Schwangerſchaft ging in eine Kranfpeit über, die ihr Leben zu enden drohte, und nur mühſam gehoben ward. Yu bey diefen Vorfallen hatte Bianca fters ſich auf's Elügite betragen ; hatte‘ won ihrer Schwanger: {haft ftets in einem zweifelhaften, mehr beſorglichen als hoffenden Tone gefprocden ; hatte gegen Don Per ter mündlich, gegen den Cardinal fchriftlich ſich erklärt, daß fie fich eher krank als in der Hoffnung zu ſeyn vers muthe; hatte zu eben der Zeit, da ihr Gemahl üußerff hart an den Bruder fehrieb, fih ſtets gegen ihn fo ſanftmüthig als möglich ausgedrückt, und hatte dafür auch am Ende bie ehrenvollfte Genugtfuung. Denn da der Cardinal gar bald verfpärte, wie nachteilig ihm diefer Zwift mit feinem Bruder werde ; wie fehr vor- züglich dadurch fein Anfehen und Einfluß beym päpftlis den Hofe fine; da wandte er ſi bh an Bianca felbit, und bath um ihre Vermittelung, ihn mit dem Großher⸗ zog bey dem er nur verleumdet worden fey aus⸗ zuföhnen. Mit Sreuden ergriff Die Schlaue dieſe güns ſtige Gelegenbeit, ein neues Verdienſt in den Augen ber Welt und felbit ihrer Gegner fi zu erwerben. Sie trat daher mıt dem Erzbifhof von Zloren; in ein Verftänds nig. Erit als Diefer, ein ehrwürtiger, von Franz geachteter Prälat, das Herz des Fürſten durch triftige Vorſtellungen [bon erweicht hatte, trat auch Bianca in's Gemach, Und vollendete durch ihre innigite Bitte den Entfhlug der Vergebung. Sie felbft ward bevoll⸗ Meißners Bianca Cap. 2. Thl. N

2*

194 maͤchtigt, dem Cardinal Dieß zu melden. Eine anf “he Geldfumme, ihm lange verweigert, warb r ſchickt. Zum Siegel der Eintracht ward nichts m verlangt, ald daß Ferdinand perſonlich nad 51 fomme.

Damahls gab es zu Bianca's Lobe nur Stimme. Ein großer Kenner der Menfchen uni Hofränke, der fhlauefte Mann, der je-den päpfti Stuhl bekleidet und ganz durd) eigene Liſt daran gefhwungen hatte SirtusV. erklärte das Bet: Bianca's für ein Meiſterſtück der Staatskunſt. Wunſch, fie perfönlic Eennen zu lernen, bewo; fogar zudem Entfhluß, auf einer Reife, die er Padua zu unternehmen Willend war, auch den von Florenz mit feinem, Befuche zu beehren. B traf ſchon zu feinem Empfange die präctigften A ten. Die Eiferſucht der übrigen italiöniſchen Für die an Se. Päpftl. Heiligkeit eine fruchtloſe Eint: ergeben ließen, machte zwar, daß die Reiſe moch gefhuben ward; doch wäre fie wahrſcheinlich fpäten wirklich vor fi gegangen, hatte nicht die bald de folgende Kataftrophe Alles unterbrochen.

Serdinand, ald er, bald nad der Ausglei mit feinem Bruder, zu Florenz eintraf, ward vor und Bianca mis einer Zärtlikeit empfangen, Di Überreite ehemahliger Unernigkeit wohl hätte ver hen Eönnen. Franz bath fogar feinen Bruder wege: beriger Härte um Verzeihung; verfprady alles wohn fi) zu entfchlagen; und zwifchen den Hau des Medizeiſchen Hauſes ſchien das engfle, dau teſte Freundſchaftsbuͤndniß geſchloſſen zu ſeyn.

Trüglicher Anſchein! In den erſten Tagen bi

er ' 77 5 1 95 vr.

tobers war Ferdinand nach Florenz gefommen; bald darauf verreiften ſie Alle zufammen, auf eine Villa zu Poggio a Cajano, die Franzens Herbſtaufenthalt zu feyn pflegte, Bianca both dort jedes Vergnügen der Jahress zeit auf, um ihren Gaſt zu erfreuen. Doch ſchon am dreyzehnten Dctober erkrankte der Großherzog. Beine Krankheit, ein dreytägiges Fieber, fhien Anfangs gang ungefährlich zu feyn; doch fein Eıgenfinn, der allen Kath ber Ärzte verachtete, und im Gebrauch der Spei⸗ fen ſich nicht mäßigte, verwandelte es bald in eine bie tzige Krankheit; (f) und fhon am achten Zuge, nach⸗ tem er den Cartınal zu feinem Nachfolger ernannt, feine Semahlinn, den Don Antonio und feine vor⸗ nebmiten Räthe ihm empfohlen hatte, verſchied er. Zwey Zage nach ferner Erkrankung überfiel Bianca ein ähns liches Übel, daß aber bald alle Anzeichen naher Tödt⸗ lichkeit begleiteten. Der Hintritt ihres Gemahls ward ihr zwar auf Ferdinands Ihonenden Befehl verborgen gehalten; doch errierh fie ihn aus der ungewöhnlichen Unruhe im Pallaſt und den thränenvollen Blicken ihrer Wärter. Ferdinand befuchte fie noch ein Mahl nad) ſei⸗ nes Bruders Xode, und fprad) ihr Muth ein: aber fie fühlte ihr berannahendes Ende, dankte ihm tiefgerührt für.feine Sreuntfhaft; empfahl ibm ihren Sohn, und farb, neungehn Stunden nad) dem Erblaffen ihres Ges mahls. Ihr Leichnam ward zwey Tage darauf nad) Flo⸗ renz abgeführt, und allda von einem anſehnlichen Theil der Prieſterſchaft, von der deutſchen Leibgarde und dem ganzen Hofſtaate empfangen. Nach geſchehener Eroͤff⸗ nung die in Gegenwart ihrer nächſten Blutsver⸗ wandten geſchah, und wo ulle innere Theile ın großer Zerruttung gefunden wurden brachte man ihren Körs mM 2

won 106 vooes

ver mit feyerlihem Zuge in die &t. Lorenzo« Kire und ftellte fie auf dem Gerüſte zur Schau, wel zwey Tage früher für ihren Gemahl errichtet worde

Alles diefes war dem Range einer wirklichen Gr berzoginn angemefjen ! Doch ald man nad) verrichtet Zodtenamte den ‚neuen Regenten fragte: ob fie öffı lich mit der Krone ausgejegt werden follte? gab er Antwort: Sie hat die Krone lange genug getrag Und als man weiter nachforfchte : wie es mit ihrem S gräbniß zu halten fey? erwiederte er: Wie ihr wol Nur in unfere ruft begehre ich fie nicht. Ferdinal Feindſchaft war nun erklärt genug. Man beftattete daher in der Stile und in die große Gruft unter | Lorenzo s Kirhe. Wenige Tage darauf warb, Serdinands Befehl, ihr Wapen von allen Öffentfid Gebäuden abgerijfen, und durch das Wapen der fi reihifhen Johanna erfegt. Don Antonio warb eb falls duch eıne eigene Urfunde— in welcher man fe Murter ein Paar Mahl lapessima Bianca ſchalt ein untergefhobenes Kind erklärt ; gleichwohl (wele fonderbare Widerſpruch!) erbte er, ald Sohn, eu Zheil ihrer Juwelen, und drepkig taufend Scudi.“ übriges Geſchmeide und bares Geld gelangte an i Tochter und ihren Vater. Erft nad) geraumer Frift na der Großherzog eben dieſen öffentlich fo beſchimpf Don Antomo wieder feyerlihit in dad Mebizeiiche G ſchlecht auf; erklärte ihn für feinen Neffen; forgte ihn wie für einen adgefundenen Prinzen, und verfd. te ihm die Stelle eines Großpriors ım Malchefer: 5 den. Auch Bianca's Water bekam dann ein anfehı ches Jahrgeld, und alle ihre entlaſſene Dienerfch ward veichlich beſchenkt.

XIXXXXXXX

IE 1 97 X

Dieß iſt ein getreuer Auszug von Bianca's Ge⸗ ſchichte, wie Herr Siebenkees ſie geliefert hat. Daß in ihr die Begebenbeiten ſowohl, als auch die Cha⸗ raktere der handelnden Perſonen, beträchtlich von meiner . Darftellung abweichen, ergibt ſich gleich auf den erften Blick; und darüber, daß fie fo abweiden, it mir in mancher fpätern Kritik, zum Theil nur gelegentlich zum Theil auch ernftlih genug, eine Erinnerung ges macht worden. Mic deßfalls zu rechtfertigen, oder zu entſchuldigen, fabe ih, wenn ich jetzt anders Luft zu langen Erörterungen hätte, mehr als einen Meg vor mir. Der nächſte und Bürzefte ware wohl; daß ich jene Kritiker bäthe, etwas genauer fi zu erinnern: wann ich zuerſt dieſe Arbeit unternahm.

Über Bianca's Schickſalen ſchwebte lange wie Herr Siebenkees ſelbſt erwähnt, und zur größern Vers dienſtlichkeit feiner Arbeit heraushebt, eıne dunfele,

verdrieflihe Ungewißheit. Alle Kabrbüher von Flo⸗ ven; (wenn man ein einziges Werk von fichtliher Par⸗

teplichkeit ausnimmt), gebadten ihrer: nur im Vorübor⸗ gehen, oder vielmehr mir auffallender Ausbeugung. Nur einige fogenannte geheime Geſchichten, freylich durch manche Auswüchſe entftelt, und Beineswegs mit dem Gepräge durdgängiger Glaubwuͤrdigkeit geftempelt, gingen von ihr in der Handfhrift herum. Mit ihnen mußte man fid) begnügen, da es an einer Biographie nach geprüften®ewährsmännern ganz gebrach. Erit unter ber , für Florenz in vielfacher Ruͤckſicht ſegenreichen Negierung Peter Leopolds wurden Denen, welche der

Geſchichtskunde ſich widmeten, Staatszugange geäffe _

net, tie man bisher. forgfam verfperrt hatte. Nun erſt gewann die Geſchichte des Hauſes Medici dat man

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E 198 008

fo oft fhon Bis zum Himmel erhoben, und body fo ſel⸗ ten nur gekörig gefchildert hatte, eine ganz neue Beleuchtung; und jegt, wenn id nit irre, war Gas Inzzi der Erfte, der, in feiner 1781 erideinenden flo⸗ rentiniſchen Geſchichte, auch Bianca’s Schidfale weite läufiger, obſchon freylich nicht zu ihren Gunſten err. zahle *), lieferte. Ihm folgte dann erft, acht Jahre fpäater, Herr Siebenkees,nah, und auch Diefem wurs den viele Privat und Staatsunterſtützungen zu Theil, Daß ih, fern von Florenz Bücheriammiungen und . Archiven, nit eines ähnlichen Vorſchubs mid erfreuen Fonnte ; daß ih, der ih überhaupt nicht Biancas pragmatiſche Gefhichte, fondern nur ein Werk, von. Rührung ausgegangen und wieder auf Rührung abs zweckend, liefern wollte, mich nicht in lange, kri⸗ tıfhe Unterfuchungen, die meine Empfindung vielleicht abgekühlt hätten, einließ; und daß ih endlich 1778 Bücher nicht benützte, die fo viel fpater erft gefchrieben wurden; alles Dieß jind Uaſtände, die ſich wohl durch ſich felbft rechtfertigen. |

„Aber warum (Eönnte man weiter mich fragen), „bohlte ich nicht bey der zweyten Auflage, warum nicht „iwenigiiend je&t Dasjenige nad, was ich freylih Ans „fange verabfäumen mußte? Warum habe ih nie „nunmehr, da mich Kerr Siebenkees durch Urkunden „belehrr, daß Bianca durchs ganze Leben eine Be⸗ „trügerinn gewefen fey, ihr ben Nimbus abgenommen, „der keineswegs für ihr Haupt gehörte? Warum habe „ih immer ned den an ihrem Tode fo fhuldlofen Care

—— ) Herr ©. ſeibſt verſichert ( S. XVI. der Vorrede), daß em, als ein der Blanca abholder FSlorentiner ge⸗ ſchrieben Habe.

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„dinal und nachherigen Großherzog Ferdinand (nach des „Herrn Siebenkees Ausdruck), als den fhlimmften Lot⸗ „terbuben auftreten.laffen?” Wenn ich hierauf ganz nad Würden antworten wollte, fo müßte ih ver als len Dingen umftandlic) mein Glaubensbekenntniß über die Grundfſätze des hiſtoriſchen Romans abs legen; müßte genauer erörtern, was ich bey ihm für’ wefentlih und für zufällig, für erfprießlich und auch für bloß erlaubt halte. Und wohl möglich, daß dieſe Durftellung. nicht ganz verdienftlos wäre! Immer noch ift iiber dieſe, bey uns Deutſchen, feit einiger Zeit fo vielfültig ausgeübten, und auch nicht felten gemiß« braudten, bey einem großen Theil des leſenden Publis fums begünftigten, von drey Viertheilen der Kunſtrich⸗ ter aber. gemißbilligten Dichtart aͤußerſt wenig mit rue bigem, ſcharfen Blick unterſucht, und mit anfländigem- Zone gefagt oder gefchrieben worden. Eine Theorie,

die man, nit etwa genügend, fondern nur noth«

dürftig nennen könnte, findet fi von ihr nirgends.

Selbſt einige, an fi ſchaͤtzbare Aufſätze worunter

fih der Feßleriſche in der deutfhen Monatheſchrift vor«

theilhaft- auszeichnet. haben die Hauptfrage: Wie

weit darf die romantifhe Daritellung von der wirklichen

Geſchichte abgehen ? oder: Bis zu welchem Grade darf’ Mahrheit der Wirkung aufgeopfert werden? bey Weis

tem nicht gebörig auseinander gefeht. &o wenig ich

mir fhmeicheln kann, hierüber ein untrüglidhes Ur⸗

theil zu fällen, fo wenig ſelbſt meine Meinung für u ns

befangen geiten dürfte, da ich zumeilen für meine: eigene Sache ſprechen würde, fo war ich doch laͤngſt

ſchon geſinnt, einige Bemerkungen, aus Erfahrung

geſchoͤpft, einige Gruͤnde, mit Muße durchdacht, ber

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Prüfung billiger Kritik darzulegen, und bem fireit Punct der Entſcheidung mwenigitens nähet zu bring ja, ih würde ed gleich jegt ıhun, wäre ed. nur ı mit einer Unterfuchung verbunden, die durchaus wenig in's Weitegeben muß, und bie mir unfd lich für einen bloßen —Anbang, allzu ernft für Merk, der bloßen Unterhaltung beftimmt, dünkt. verſpare daher Alles, was ich Über diefen Stoff. auf! Herzen habe, für ein eigened Eleined Werk, das wc ſcheinlich bald an’6 Tageslicht treten dürfte; Fann n aber doch nicht enthalten, ein Paar der allererfien ( danken, die Herrn Siebenkees Biographie in mir ı anlaßte, hier noch mit anzuführen.

Daß Herr Siebenkees zum Leben ber Via viele Nachrichten geliefert, deren wir bis dahin ga oder wenigftens in der Umſtaͤndlichkeit entbehrt daß er fi dabey folder Hülfsmittel bedient, ‚Die allen feinen Vorgängern abgingen, und wovon ei: ge allerbings fehr fhakbur waren: daß er bey fei Arbeit Mühſamkeit mit Einficht verband, und auf | Dank der Gefhichtsfundigen, auf ein Citatum in EA tigen Ötaatengefdichten Anſpruch fig erwarb, D alles wird wohl Niemand ihm abfpreden. Doc baß mit UnparteylichEeit gefchrieben ; Daß unter feinem & fel Bianca Diejenige geblieben, die fie in der Wirkli feit war; daß er, der gegen den hiftorifhen Nom fo öftere und bittere Ausfälle thut, ſich felbft von Ier romantiſchen Erbichtung frey erhalten habe; bar kann ich mich Eeinesmegs Überzeugen.

Klinge es immer für den erften Augenblick etn abenteuerlih , etwas gefucht par:bor! Aber. gerad daß Herr Siebenkees ſo diel aus arch iv al iſ ch e n Me

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we DZOR vom richten, und mit fo vollem Zutrauen auf biefelben ents lehnt, ſchwächt feine Glaubwürdigkeit in meinen Augen beträchtlich. Der bloße Platz in Archiven (Das weiß ih aus adhrjähriger eigenen Erfahrung) gibt den hier aufs bebaltenen Papieren nicht ein Haarbreit Wahrheit mehr, als fie ohnedem befigen« Unendlih mehr Eommt darauf an: Wann, von wem, und unter wels hen Verbältniffen fie niedergelegt wurden ? Was ein Regent, oder eine Regierung überhaupt, zu fans meln und aufzubewahren gebiethet, von Dem laßt ſich fhon, der Natur der Sache nah, mit höchſter Wahrs ſcheinlichkeit vermuthen, daß ed nichts dem gebiethen⸗ den Theile Ungünftiges in ſich enthalten werde. Wenn es aber zumahl die Angelegenheiten einer Perfon bes trifft, die der Regent todtlih haft; wenn es zu einer Zeit geſchieht, wo diefer Legtere gewaltthätige Maßres geln ergreift, um feine Rache zn befriedigen, und wo er doch eben diefe Race gern im Auge der Nachweis. befhönigen möchte; wer kann dann- Papieren bier ſes Schlages, und wenn zehn fürftlihe Siegel fie ſtem⸗ pelten, wenn fie hundert Mahl die Form eines gerichts lihen Verhoͤrs an fih trügen , viel Glauben beymefs fen? Gleichwohl treffen alle diefe Umjtände bey einigen fogenannten lirkunden zufammen, aus welden der Verfaſſer gerade feine haͤrteſten Anklagen gegen Bian⸗ ca, die Befhuldigung des Betrugs und der grauſam⸗ ften Mordanfihläge hernimmt. Alle Papiere, die Dieß zu begründen feinen, wurden auf Ferdinands Bes fehl niedergelegt; zu ber Zeit niedergelegt, als ihn (nad des Verfaſſers eigenem Seftändnif) ein Schwarm von Bianca’6 Feinden und Anklägern umringte; als er fih erft feft auf den ererbten großberzoglichen Stuhl

zu feßen ſtrebte; als er wegen. bed harten Betrag gegen Bianca's Leihnam und gegen ihren, ibm nr von feinem flerbenden Bruder empfohlenen Sohn « Entſchuldigung zu finden ſuchte. Wie wilfommen i damahls auch dad Unmwahrfte feyn mußte, wenn es Bianca's Andenken fhändete, ergibt fi von felbft Noch unglaubwürdiger werden dieſe archivalifd Nachrichten, wenn man die Anklagen feldft etwas nauer betrachtet, die fie enthalten. Die bitterfte ı allen ift (wie fhon erwähnt worden), die Unterfd bung eings Sohnes. Herr Siebenkees ift aufrichtig nug, zu gefteben: er habe diefe ganze Beſchuldigung? fangs für ein bloßes Florentiner-Mahrchen gehalt aber nachher wären ihm der Zeugen dafür zu viele ı ihre Ausfagen zu wichtig geworden, als daß at der geringfie Zweifel dagegen Statt fi den Eönne. Welches find denn diefe unmwiderlegfid Zeugniſſe? Erſtens der Auffag eined Arztes, Peter ( pelli, der fhon an dem Tage, wo Bianca die Ri der Gebaͤhrerinn gefpielt, Betrug vermuchet, und d Großherzog diefe Vermuthung mitgetheilt haben wi Wodurch dieſes Legtere beweisbar gemwefen ſey, det ſich nirgends. Zweytens der anonyme © eines Bologneſer Geiſtlichen an den Cardinal Zei nand, worin er das Schickſal und die Ausſage Johanna Santi *) erzählt. Wie viel ein folder a

*) So hieß diejenige Kammermagd, deren fi Bianca, ihrer Vertrauteſten bedient baden fol, um bey m seren () ſchwangern Weibern vin Kind aussufpähen, man wegnehmen und unserfchieben könne; welde vahher , zum Lohn iprer Mühe, won ihrer umbau

wen 208 wen

nymer Brief werth ſey, verdiene wohl Feine Erwöh:

nung? Ferner die Abſchrift des Verhörs der Santi aus Bologna vom 10. November 1577. Wahre ſcheinlich eine Beylage des vorigen Schreibens, und mit ihm auf einer gleichen Stufe der Untrüglichkeit ſtehend! Und endlich die Unterredung des Großherzogs mit ſeinem Hoftheologen, Joh. Bapt. Confetti, wegen feiner Vermaͤhlung mit Bianca.

Da Dieß der einzige Zeuge ift, deſſen Aufſatz Herr Siebenkees wortlih mit einwebt, und da er auf defien Ausfage eın vorzüglihes Gewicht zu legen fheint, fo wollen wir bier zur Probe nur die erfte Hälfte feines Dialogs ausheben; von ihm ift ein Schluß auf die übrigen Handfhriften wenigftens nit uner⸗ laubt. Herr Pater Confetti rebet folgender Maßen:

„Wenige Tage nad) dem feyerlichen Reichenbegängs „niß der Großherzoginn ließ mich der Broßherzog durch „feinen Pagen Luigi Capponi nad der Meſſe zu fid „rufen. Wie ih allein bey ihm war, hub er alfo an: „Ich will einen meiner Wünfhe, der Gott und Men: „ſchen nicht mehr beleidigt, erfüllen, vorher aber Euer „freymüthiges Gutachten darüber hören. Die Sache „it kurz diefe: ich wıll die Signora Bianca heirathen. „Was denkt Ihr davon?”

Conf. „Die®ade ift zu wichtig, als daß ich fogleich „eine entfcheidende Antwort geben Eönnte. Jh muß vor⸗ „ber mit folgenden Umſtaͤnden näher bekannt feyn.”

Srau entlaffen, nad Bologna gefhidt, und auf dem Weg über Die Apenninen (si fabula vera) durch Meuchelmörder verfolge wurde. Wohl zu merken, daß eben Diele Santi ihre verlarvten Banditen nicht deutlich erfennen Bonnte , _ fordern nr muthmaßlich, in letzten Zügen, für Bianca's Soͤldlinge erkiärte!

won 204 wu

„Haben Sie der Signora Bianca bie Ehe Hera

ſprochen, da, Ihre Gemahlinn noch lebte?”

„Iſt diefes Verfprehen vor der Ermordung. bei „Bonaventuri gefchehen ?

„Haben Sie in diefen Mord gewilligt, ihn an⸗ „gegeben oder begünſtigt?

„Haben Sie mit der Signora Bianca vertrauten —Umgang gehabt, und Kinder mit ihr gezeuge?” Großh. „Beyde, meine Gemablinn und der

„Mann der Signora Bianca lebten, wie ich ihr die „Ehe verſprach, wenn wir Beyde frey feyn würden. Bald "darauf wurde Bonaventuri ermordet;. eine That, bie „ih weder veranitaltet noch angerathben habe; nur „wußte ih darum, und ließ fie gefhehen. Vertraut „habe ich vor und nad ber Ermordung ibres Mannes „mit ihr gelebt, aber nie Kinder mit ihr gezeugt. Und „wenn man glei) den Don Antonio für meinen mit „ihr erzeugten Sohn hält, ift er's doch in der That „richt. Ich war ohnehin felbit der Meinung, er fey „mein Sohn. Als ich ihn aber dafür erklärt hatte, ente „decte jie mir Alles, was gefhehen war. Aber dem⸗ „ungeachtet glaube ich mein Vorhaben ausführen zw „können, weil ich ihn für meinen Sohn erfiärt Habe." Eonf. „Der Umftand mit dem Don Xntonie „erſchwert Mes. Doch kann ich Ihnen vorläufig fo viel „fagen, daß Die Heirath nit vollgocen werden kann, „weil ber Bedenklichkeiten zu viel find. Sie haben der „Branca dad Verſprechen gethan, baben vertrauten „Ungang mit ihr gehabt, da Ihre Gemahlınn unb „Bonaventuri noch lebten. Ste huben zwar in die Er⸗ „mordung desjelben wie Sie fagen, nicht ausdrück⸗ lich gewilligt, fie ader dadurch begünſtigt, daß Die,

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„undeachtet Shres Vorwiſſens, Eeine Anftalten getrofs „fen haben fie zu bintertreiben. Diefes find die Uriar „hen, warum Ihre Vermählung mit der Bianca nicht „vollzogen werden kann, und getrennt werden müßte, „wenn fie ſchon vollzogen wäre; | denn fie wäre eine „Zodfünde.

„Nach diefer Vorſtellung entließ mich der Große „herzog mit der Erinnerung: ic follte die Sache reif „überlegen. Ich kam zum zweyten Mahl; brachte die dos „rigen Gründe vor, und führte ibm am Schluß meis „ner Unterretung zu Gemüthe, da& dieje Verbindung „auch nad dem Kirchenrechte verboten fey. Dafür fey

„Gott, antwortete er mir, daß ich etwas canoniſch „Unerlaubtes vornehmen ſollte! Nun legte er vor Gott „das feyerliche Verſprechen ab: er wolle aller Verbin⸗ „dung mit ihr entfagen und-ihr-wiffen laſſen: wie er

„an ein Verſprechen nie gebunden feyn Eönne, das „feine Theologen für fündlich erklärt hatten.”

Sol ich wohl länger noch mit Abfchreiben forts fahren? ft es wohl möglich, daß irgend Jemand bey Lefung diefes Auffages im Ernft glauben foflte, ein ſo wichtiges Geſchäft fey in einem Geſpräche dieſes Schla⸗ ges verhandelt worden? Blickt nicht, id möchte faſt fagen, aus jeder Zeile, jedem Worte bie bloße will⸗ Eürlicye, höchſtens auszugsweife gefhehene Niederſchrei⸗ bung von Dingen hervor , ‘die wenn fie anders, fes mabls zwifhen Fürften und Beichtiger zur Sprache Eamen, gewiß mit weit größerer Vorjiht von beyden Seiten berührt wurden I Welder plumpe id möchte faft jagen, unprieiterlide Gewiſſensrath mußte Herr Pater Confetti feyn, wenn er fo auf feinen Großher⸗

dog zu wirken hoffte? Weiher erbaͤrmliche Schwäch⸗

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fing war Franz, wenn ſolche Gründe ſein Vor ben erſchütterten! Der Umſtand, daß Bianca g ohne Noch ihrem Geliebten (der noch nicht ihr Gem mar, und den fie gern erit Dazu gemacht hätte) geſt den haben follte, der vermeinte Sohn fey nice | Kind, wie unwahrſcheinlich ift er an fi felbft! | unverträglich mit ihrer oft erwähnten Schlauheir! % unwahrſcheinlicher noch ıwird er dadurch: daß Franz d fortfähre , den Don Antonio durch's ganze Leben

feinen Sohn zu’betradhten, und ihn noch liebevoll; legten Augenbluf vor dem Tode, feinem Nachfol empfiehlt. Ja endlich! Was in aller Welt hätte e tiefen Nadfolger bewegen Eönnen, jenen nun wir hen vor ben Augen des ganzen Europa befdhimpfti fur untergefhoben erklärten, armen Süngling doch u der als feinen Neffen zu erklären, zu erkennen, befördern, die Scene des Betrugs, ober bes n Iggeiten Mitleid mit ihm noch ein Mahl zu fpielt wenn ihn nit etwa das Gefühl einer begangen wieder auszufühnenden Lngerechtigkeit dazu bewt Wahrlich, durd Liefen einzigen Schritt vernicht zerdinand alle Befhuldigungsacten, die er gegen J Antonio's unglüdlihe Mutter in feinem Archive nie! gelegt, alie Decrere, die er erlaffen, alle Gerüd, tie er begünftige hatte! Auch braucht man nur

eınfaltige Art, wie Bianca bey diefem Unterſchiebun betruge gebundelt haben ſoll, und die fait noch

glaublichere, wie fie dur blutige Grauſamkeit ihn der Runde verbergen wollte, mıt unbefangenem Ge zu überdenken; und man erkennt überall die Spr. der Verleumdung der Verleumdung , bie fie ber gern noch ein Mahl (mas felbft Herr Siebenkees

\ ion 207 —⸗ ! . wirft), einer Wieberhohlung von diefem Betruge ge: ziehen hätte.

Herr Siebenkees tadelte mich einige Mahl, daß ich meinen Stoff zu parteyiſch für Bianca bearbeitet harte. Er Eann recht, und ih gleichwohl nicht une vecht haben. Ich bearbeiteteihn , wie ich fhon erwahne te, dichteriſch. Meine Hauptabſicht war daher nicht Unterricht, fondeen Wirkung. Aber wie, wenn nun ihm, der doc als Gefchichtfchreiber auftritt, der für feine Rolle fhwerer zu entfhuldigende Vor⸗ wurf gemacht würde: daß er zu partegiih gegen fie gefegrieben habe? Nicht bloß, weil er allzu leicht⸗ gläubig mande ungünftige Anecdoten aufgenommen, fondern weil er fie oft. auch mit Neflerionen begleitet, die bey einem unbefangenen Geifte fih Faum erwarten ließen. Nirgends ift Dieß auffallender, als in der letz⸗ ten Epoche von Bianca's Leben, in der Epoche ihres fürftfihen Standes. Sey ſie auf diefen glänzenden Poiten gekommen, wie man ſelbſt will; bloß duch Franzens glühende Liebe, oder. duch ihre mitwirkende Lift! Genug, von dem Tage an, wo fie ihn beftieg, halt ihr chätiger Wandel, felbit in Herrn Sieben⸗ kees Erzählung , alle mögliche Prüfung aus. Sie vers föhnte das unter ſich zwiſtige Haus Medici, und vers Half ihm dadurch zu einer Stärke, zu einem Üperges wicht in Italien, das es fhon laͤngſt verloren hatte; fie Half die mißlihen Spaltungen mit den benachbar⸗ ten Fürſtenhäuſern zu wechfeffeitiger Zufriebenpeit beys legen; fie lohnte Denjenigen, die ihr uͤbels zutrauten und übel nachredeten, mit Freundſchaftsdienſten; ſie entfernte ſelbſt ihre naͤchſten Blutsverwandten, ſo⸗ bald ſie dem Volke mißfielen; ſie beherrſchte zwar ih⸗

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rem Gemahl aber mit fo viel Sanftmuth und nung, daß fein Anfehen bey Andern dadurch nicht | fondern ftieg. Sie leitete ihn zum Guten; dur ward er verföhnlich gegen feine Brüder, vorfichti feinem Berragen gegen feine Nachbarn, ein Bus genoife des damahls noch mächtigen Venedigs, auch glücklich in feinen häuslichen Lagen. Alles - find doch Iöblihe Züge in Bianca’d Leben! Aber Säaebenkees macht ed gang, wieed nad) Bianca‘ die Schar der Höflinge, die dem neuen Wege ſchmeicheln wollte, machte. Er verjigert: daß fie‘ Dieß ausunedlen Abfihten that, daß fie nur Heucheley und Schlauigkeit die Ausfohnerinn ma daß nie ihr Herz dachte, wie ihre Lifpe ſprach, ihre Feder ſchrieb. Das iſt hart! Woher weiß Siebenkees Das? Weil ihre Feinde es ihr Schult ben? Wie wäre es, wenn wir in einer Welt, wi gegenwärtige ift in der Geſchichte von Höfen, fie gewöhnlich zu feyn pflegen, ung doch vor der £ nod mit dem wenigen Guten, was da geſchieht, gnügten; und die Würdigung der Abjihten Dem; gen überließen, ber ın die Herzen felbft zu 1%: vermag ! Herr Gigbenkees behandelt das Gerücht Franzens und Bianca’s Vergiftung als ein bloßes geſchmacktes Märchen. Wenn die Krankheitsgefchie fo wie er fie liefert, ganz autentifch iſt, fo würde f lich der größte Theil des Argwohns ſchwinden der ganze, wage ıch nicht zu beftimmen. Das E Sieber, das beym Großherzog fo raſch in ein dig übergeht, die ähnliche Krankheit bey Bianca, bod

soon 209 nween doch bald alle Zeichen einer tödtlichen verratht) die kurze Friſt von neunzehn Stunden, (die doc wohl leicht um einige weiter erſtreckt worden ſeyn dürften,) die Eurze Zwifchenzeit von des Cardinals Ankunft bis zu dieſer Kataftrophe, der abgelegene ländlihe Ort, wo fie ih ereignete alled Diefes find Umftände, die ſelbſt folgen Seelen , die font eines eitlen Mißtrauens nicht empfänglich find, einigen Verdacht einflößen dürfe ten. Auch war der Argwohn von, Franzens und Bian⸗ ca's gewaltfamem Tode nicht bloß ein Gefchwäg in des Pobels Munde. Er war außer Florenz, wo freylich die Furcht vor dem Fürſten manche Lippe verſchloß, eine faft allgemeine Stimine. Herr Siebenkees rühmt den Franz Molino, deſſen Memoiren ihm ſelbſt manchen er⸗ ſprießlichen Diesift geleiſtet, als einen der größten Staatömänner damahliger Zeiten ; aber er geſteht auch, daß eben diefer einfihtsvolle Mann den Eardinal der Giftmiſcherey beſchuldigt habe **). Was ein Zeitges noſſe von geprüften Kenntniſſen in Schriften eintrug die er überdieß noch bloß zu eigenem Gebrauch be ſtimmte! das. konnte wenigftens nicht fo ganz uns gereimt ſeyn. Wie unzuverläflig übrigens in folden Sällen Zergliederungs: Berichte find; wie fehr Das Gold Oder das Machtwort eines Gebietherd auch über Äs- eulaps Richterſtuhl herrſcht; wie leicht es fen, unkun⸗ dige Zufchauer wenn ed auch immerhin die nachften

*%) ©. xXxXıv. der Vorrede.

**) Ja bediene mich bier Herrn Siebenkeeſens eigener Worte, Ein kaltes dreytäalges Wieder, das doch bald Anfangs tödttich zu ſeyn droht, ift Immer cine feltfanıe Krankheit!

Meißners Bianca Cap. 2. Thl. O

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Verwandten und bie wärmiten Freunde wären zu taäͤuſchen, bedarf keiner Ausführung.

„Doch eine ſo ſchaͤndliche That (ſagt Herr Sieben⸗ „kees) widerſpricht Ferdinands ganzem Charakter. Er „hatte ſich, ſo viel er in der Geſchichte bekannt iſt, in „ſeinem Privatleben als Cardinal auf einer ruhmvol⸗ „len Seite gezeigt; als Großherzog war er unſtreitig „der beſte Regent, den das Haus der Medici bervor⸗

„gebracht hat; nur in diefem Stück fol er fo ſchwarz

„gedacht haben, um über den ermordeten Leichnam feis „nes Bruders deifen Thron zu beſteigen?“ Wo in Ferdinands Privatleden das fo fehr Ruhmoolle ſich fin» der, weiß ich wirklid nice. In den Zwiltigfeiten mit feinem Bruder, die er bald durch übertriebene Anfore derungen, bald durch beleidigenden Argwohn veran⸗ laßte, ein Wechſel ſtolzer Außerungen und nachgi⸗ biger Herablaſſung in den heuchleriſchen Verſiche⸗ rungen, daß er keinen Verdacht gehegt, da er ihn doch nie fahren ließ, in allen dieſen Umftänden, die Herr Siebenkees jelbft angibt, finde ich wenigfteng den Bruder nidt, ber großes, echtes Zutrauen vers dient. Daß er ein vortreffiicher Negent ward, jey ihm unbeitritten. Aber gerechter Himmel! iſt denn der Fall jo einzig, daß Negenten auf dem ınit Unrecht erwor⸗ been, mit unſchuldigem Blute erfauften Throne fidy nachher, wenn fe ihn einmahl beitiegen hatten, befs fer betrugen, als manche Andere, die curch dad ruhige

Erbrecht auf ihn getanaten? Seahen wir nicht ſelbſt im .

unſern Tagen das Beyſpiel einer großen Frau, die zwar durch den Sturz ihres Gemahls auf deſſen Leben und Reich fie waßrlich keinen rechtsdegründe⸗

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ten Anfpruch hatte das Diadem an fih riß, aber dann die Bewunderung ihres Zeitalterd ward * Konnte | nicht zumeilen gevade der Wunſch der Ausfohnung Doc) ich will hier nicht Gedanken ausführen, die, auch nur leicht angedeutet, fi) fo leicht errathen Taffen.

Wenn übrigens Herr Siebenkees (S. 165.) felbft geftebt: daß das Betragen des Cardinals. gegen die todteBianca auf alle Art grau— famgewefen ſey; fo freuet ed mich, von ihm ein ſolches Geſtändniß halb unwilliger Aufrichtigkeit zu les ſen; es freuet mich, daß ich der Mühe überhoben bin, das Empoͤrende zu rügen, das in dieſem Betrugen liegt. Auch it der fonft harte Ausdruck: auf alle Art graufam, hier noch gelinde genug. Man follte es als den allerfhandlichften Undank brandmarken; und ein Undankbarer weſſen iſt Diefer nit fühig! Ob aber die Entfhuldigung, bie der Biograph doch für feinen Helden anhängt, vermögend ſey, auch nur einen ran feiner Sträflichfeit zu mindern, überlaſſe ich der Ent- fheidung Derjenigen, die ihn felbit nachleſen wollen. Eine lüngere Beftreitung feines Büchleins würde ends lich ein Büchlein felbit werden; wurde dem Vorfag zuwider laufen, hier nur einige ber flüdhtigiten oder der nothwendigſten Bemerkungen hinzuwerfen. Viel—⸗ leicht doch noch ein Mahl etwas hierüber an einem an⸗ dern Orte!

Jetzt ſchließe ih bloß mit der erneuten Ver⸗ üiherung: daß ik damahls, als ih Bianca's Le: ben fohrieb , nichts weniger als bloße Erdichtung oder ein müßiges Volksmährchen zu liefern wähnte; mithin die Wärme nicht zu erküniteln brauchte, mit

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der ich vieleicht es that. Aus diefer Verfiherung « quillt auch tie Manchem wohl gar ein wenig f Eingende, jedoch, wahrlich nicht ſtolz gemeinte H nung: daß die Schickſale diefer in jedem Betr, merkwürdigen Venetianerinn, fey es meinerwegen balbromantifhen Gewande auch dann nicht ganz ı kungslos bleiben werden , wenn feldft noch meh Archive dagegen ſich öffnen follten.

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Wien,

gedruckt bey Anton Stranf.

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Verwandten und bie wärmiten Sreunde wären zu täuſchen, bedarf keiner Ausführung.

„Doch eine fo [handliche That (ſagt Herr Sieben⸗ „kees) widerſpricht Ferdinands ganzem Charakter. Er „hatte ſich, ſo viel er in der Geſchichte bekannt iſt, in „ſeinem Privatleben als Cardinal auf einer ruhmvol⸗ „len Seite gezeigt; als Großherzog war er unſtreitig „der beſte Regent, den das Haus der Medici bervors „gebracht hat; nur in diefem Stück fol er fo ſchwarz „gedacht haben, um über den ermordeten Leichnam ſei⸗ „nes Bruders deifen Thron zu befteigen!” Wo im Serdinands Privatleden das fo fehr Ruhmoolle fid fin» det, weißich wirklich niche. In den Zwiſtigkeiten mit feinem Bruder, die er bald durch übertriebene Anfors derungen, bald durd) befeibigenten Argwohn verans laßte, ein Wechfel ſtolzer Außerungen und nachgi⸗ biger Herablaffung in den beudlerifchen Verſiche⸗ rungen, daß er feinen Verdacht gehegt, da er ihn doc) nie fahren eg, in allen disfen Umftänden, die Herr Siebenkees jelbit angibt, finde ich wenigftens den Bruber nicht, der großes, echtes Zutrauen vers dient. Daßer ein vortreffiicher Regent ward, jey ihm unbeitritten. Aber gerechter Himmel! iſt denn der Fall ſo einzig, daß Regenten auf dem mit Unrecht erwor⸗ benen, mit unſchuldigem Blute erkauften Throne ſich nachher, wenn fie ihn einmahl beſtiegen hatten, befe ſer betrngen, als manche Andere, die eurch das ruhige Erbrecht auf ihn gelanaten? Teahen wir.nicht ſelbſt in . unſern Tagen das Beyſriel einer großen Frau, die zwar durch den Sturz ihres Gemahls auf deſſen Leben und Reich fie waßrlich keinen rechtsbegründe⸗

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ten Anſpruch hatte das Diadem an ſich riß, aber dann die Bewunderung ihres Zeitalters ward? Könnte nicht zuweilen gerade der Wunſch der Ausſöhnung doch ich will hier nicht Gedanken ausführen, die, auch nur leicht angedeutet, ſich ſo leicht errathen laſſen. Wenn übrigens Herr Siebenkees (S. 163.) ſelbſt geſteht: daß das Betragen des Cardinals. gegen die fodte Bianca auf alleArt grau— famgewefen ſey; fo freuet ed mich, von ihm ein ſolches Geſtäͤndniß halb unwilliger Aufrichtigkeit zu les fen; es freuet mi, daß ich der Mühe liberhoben bin, das Empörende zu rügen, das in diefem Betrugen liegt. Auch iſt der fonit harte Ausdrud: auf alle Art graufam, biernoc gelinde genug. Man follte es als den allerſchändlichſten Undank brandmarken; und ein Undankbarer weffen iſt Diefer nicht fühig ! Ob aber die Entfhuldigung, die der Biograph doch für feinen ‚Helden anhängt, vermögend fey, auch nur einen Gran feiner Sträflichkeit zu mindern, überlaffe ich der Ent: ſcheidung Derjenigen, die ihn ſelbſt nachlefen wollen. Eine lüngere Beftreitung feines Büchleins würde ends lich ein Büchlein felbit werden; wurde dem Vorfag zuwider laufen, hiee nur einige ber flüchtigiten oder der nothwentigften Bemerkungen binzumwerfen. Viel⸗ leicht doch no) ein Mahl etwas hierüber an einem ans» dern Drte ! | | Jetzt Schließe ih bloß mit der erneuten Wars jiherung: daß ik damahls, als ih Bianca's Le: ben ſchrieb, nichts weniger als bloße Erdichtung oder ein müßiges Volksmährchen zu liefern wähnte; mithin vie Waeme nicht zu erküniteln brauchte, mir. O 2

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Wien, gedruckt bey Anton Strauß.