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DAS THEATER BD. IV ALBERT NIEMANN VON RICHARD STERNFELD

DAS THEATER

EINE SAMMLUNG VON MONOGRAPHIEEN HERAUSGEGEBEN VON DR. CARL HAGEMANN MIT BUCHSCHMUCK GEZIERT VON E. M. LILIEN

Bisher erschienen:

Bd. I. Der grosse Schröder von Prf. B. Litzmann Bd. II. Bayreuth von Prf. W. Golther

Bd. ni. Josef Kainz ' vonFerd. Gregori

Bd. IV. Albert Niemann von Prf. R. Stemf eld

Bd. V Das Burgtheater von Dr. Rud. Lothar

Bd. VI.Adalbert Matkowsky vonPhihpp Stein

In Vorbereitung:

Wilhelmine Schröder-

Devrient von Dr. C. Hagemann

Goethe alsTheaterleiter von Philipp Stein Ludwig Barnay von Dr. Heinr. Stümcke

Lessing als Dramaturg von Prf. B. Litzmann Das Cabaret von Dr. Hanns H. Ewers

Die Devrients von Dr. H. H. Houben

Iffland von Dr. E. A. Regener

Laube und Dingelstedt von Dr. C. Hagemann Das Th^atre fran9ais von A. Moeller- Brück Die Meininger von Karl Grube

Sonnenthal von Dr. Rud. Lothar

Diese Sammlung wird fortgesetzt

Es sind fünfzig Bände vorgesehen

Jeder Band elegant kartoniert M, 1.50 Jeder Band in echt Leder geb. M. 2.50

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FÜR BÜCHERLIEBHABER WURDEN DIE ERSTEN ZWANZIG EXEMPLARE DIESES BUCHES AUF ECHTES BÜTIENP APIER GE- DRUCKT UND Hi^NDSCHRIFl'- LICH NUMERIERT. DER PREIS DIESER IN ORIGINAL -COLLIN- LEDER GEBUNDENEN LUXUS- AUSGABE BETRÄGT 10 MARK. ,SiE IST DURCH ALLE BUCH- HANDLUNGEN ZU BEZIEHEN

ALLE RECHTE VORBEHALTEN

Niemann ist durchweg erhaben; er ist ein

grosser Künstler der allerseltensten Art.

Richard Wagner

an Mathilde Wesendonk

Paris, 12. Februar i86i.

Es ist doch keine zufällige Erscheinung, dass fast alle bedeutenden deutschen Bühnen- sänger aus dem Süden, besonders aus den Alpenländern, herstammen. Sei es nun die Nachbarschaft ItaHens, sei es das Klima der Bergtäler: es ist, als wenn dort, wo das Jauchzen der Sennen das Echo weckt, wo aus kräftiger Menschenbrust frohe Lieder emporsteigen, die schönen und starken Stimmen zu Hause sind, die von der Opern- bühne herab uns entzücken. Ein Scaria, ein Nachbaur, ein Kjraus, eine Mallinger, Materna, Sucher, Kindermann, Herzog alle kamen sie vom Saume der südlichen Gebirge. Andre grosse Sänger erwuchsen an den Küsten der lautaufdonnernden Salzflut, oder am Rheine, wo der heitere Sang in jedem

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Herbste jubelnd sich erneut. Aber arm ist die gfanze norddeutsche Ebene an schönen Stimmen; rauh und unmelodisch tönt hier das Wort aus der Kehle, nicht unter munteren Gesängen, sondern schweigsam verrichtet der Niedersachse seine Arbeit. Dort über- strömende Jugendlust, hier im Flachlande ernste, gehaltene Männlichkeit.

So stellt sich uns auch der einzige grosse Opernsänger dar, den Norddeutschland auf- zuweisen hat nur einen, aber einen Löwen, der gar viele von deif hellen Singvögeln des Südens aufwiegt: Albert Niemann.

Wie kommt es, dass dieser Name sofort auf die Lippen sich drängt, wenn es gilt, einen Repräsentanten des lyrischen Dramas den zahlreichen grossen Vertretern des re- zitierenden gegenüber und an die Seite zu stellen? Weil uns Gefühl und Überlegung sagen, dass es sich hierbei nicht um die Stimme allein und wäre es die schönste handeln kann, sondern um eine Persönlich- keit, bei der das Stimmorgan nur Mittel zum Zwecke ist, also um einen Sänger, der vor allem auch Darsteller ist. Ein Albert

ALBERT NIEMANN

Niemann konnte nur in einer Kunstepoche aufkommen und an die erste Stelle rücken, wo Gebärde und Spiel auch auf der Opern- bühne nicht mehr, wie früher, Nebensache oder angenehme Zugabe war, sondern not- wendiges Erfordernis einer Kunstleistung. Nie mann wurde gross als Zeuge und Helfer einer gesunden Reaktion gegen konventio- nelles und äusserliches Opernwesen, das die Kunstform der Oper bei ernsteren und feineren Kennern in Misskredit gebracht hatte, gegen gedankenlose Ergötzung des Ohres, gegen Tenorismus und undeutsches Gesangs -Virtuosentum. Ihn konnte die deutsche Opernbühne mit Stolz aufweisen, wenn sie ihre nationale Eigenart, herbe und starke Männlichkeit, dem italienischen Sinnen- kitzel, der weibischen Unnatur des fälschlich sogenannten „lyrischen" Tenors entgegen- zusetzen endlich den Mut fand.

Darin lag freilich auch eine Gefahr. Man hörte nun wohl die irrtümliche Meinung, dass es im neuen deutschen Drama Richard Wagners keiner lyrischen Schönheit des Gesanges bedürfe, dass es hier etwa schon

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mit grosser Deklamation, mit wuchtigem Rezitieren getan sei, während Wagners Sprachgesang eine ebenso schöne melodische Linie, ein ebenso gleichmässiges Legato, eine ebenso sorgsame Athem Ökonomie er- fordert, wie jeder andere Kunstgesang, nur hier im Dienste des Wort-Ton-Dramas, also auf ganz anderer Grundlage, wie in der alten Oper. Es lag aber in der Natur der Sache, dass jene wohltätige Reaktion gegen ver- rottete, undeutsche Zustände sich anfänglich von Extremen nicht frei halten konnte.

Man wird diese grosse Bewegung der Neugestaltung der lyrischen Bühne nicht besser verfolgen, als an den Erscheinungen der drei Heldendarsteller, die dem Reformator der deutschen Oper auf seinem Lebenswege beschieden waren: Josef Tichatschek, Schnorr von Carolsfeld, Albert Niemann.

Für den ersten Sänger des Rienzi, des Tannhäuser, für seinen „Tscheckel", hat Wagner zeitlebens die herzlichste Bewunde- rung und dankbarste Anhänglichkeit gehabt. Er verehrte an Tichatschek den heroischen Charakter der Stimme, die stählerne, un-

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ermüdliche Kraft des Organs, die jugendliche Begeisterung, die sich ihm in der ersten Dresdener Rienzi-Zeit so hingebend enthu- siastisch offenbart hatte. Doch konnte er schon an Tichatscheks Tannhäuser die starken Fehler seiner Begabung nicht übersehen. Abgesehen von den Unebenheiten der Aus- sprache, die in einer veralteten Manier wur- zelten, hatte er bei allem Glänze der Stimme doch „nicht einen einzigen wahren Schmer- zensakzent" aufzuweisen, der doch gerade im zweiten Akte des Tannhäuser für den Aus- druck der Zerknirschung unerlässlich ist

Dann nach langen Jahren der Entbehrung Hess den Meister sein guter Genius den gott- begnadeten Schnorr von Carolsfeld finden. Wir haben die wundervolle kleine Schrift Wagners, in der er seiner Dankbar- keit und seinem Schmerze nach dem * er- schütternd plötzlichen Tode des jungen Sängers überschwänglichen Ausdruck gibt. Nächst der grossen Wilhelmine Schröder- Devrient war Schnorr die ergreifendste Sänger -Persönlichkeit, die in das Leben Wagners getreten ist. Sein Tristan hatte

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ihm das Höchste gegeben, was Bühnenkunst überhaupt dem Dramatiker gewähren kann: Schnorr hatte selbstschöpferisch die Inten- tionen Wagners übertroffen, hatte ihm die tiefsten Seelenrätsel seines tragischen Helden erschlossen. Hier schien alles vereinigt : eine Stimme, die mühelos auch in der höchsten Lage ansprach und zugleich von wunderbar- ster Ausdrucksfähigkeit war, Spiel und Ge- sang untrennbar verbunden, weil zusammen aus der Seelenbewegung des dramatischen Momentes geboren : ein sinnfälliger Beweis für die Einheit der neuen Kunst. Über dieser hehreij Begabung vergass Wagner alles, was Anderen wohl bei Schnorr an Äusserlichkeiten auffallen konnte, besonders die körperliche Fülle, die auch ihn anfangs bei diesem „jugendlichen Herkules" gestört hatte. Das einzige, was hier fehlte, hatte die Natur dem dritten grossen Wagnerschen Heldendarsteller, Albert Niemann, ver- schwenderisch zuerteilt: den Edelwuchs der Gestalt, die Macht einer herrlichen, bezwingen- den Erscheinung; und wenn das Auge an den Eindrücken des Wagnerschen Dramas

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einen gleich grossen Anteil hat, wie das Ohr, wenn der Meister selbst von solchem Ein- drucke eines schönen und glänzenden Äusse- ren sich willig gefangen nehmen Hess, so war Niemann der berufene Künstler, der in seiner, wie aus einem Gusse geformten Per- sönlichkeit alle die Vorbedingungen der Heldendarstellung in reichstem Masse darbot. Kam zu diesen Vorzügen der Erscheinung noch die gewaltige dramatische Begabung, die Hoheit des Ganges, die Bestimmtheit der Gebärde, die Kraft des Ausdruckes und end- lich die Fähigkeit jenes tragischen „Schmer- zensakzentes", so gab es ein Gesamtbild von unvergesslichem Reize, und es trat hier gleichsam in einem Manne die Inkarnation des Gesamt - Kunstwerkes zutage. Darum wird Albert Niemann immer zuerst genannt werden, wenn ein Name ausgesprochen werden soll, um kurz und treffend einen Höhepunkt der deutschen Schauspielkunst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu bezeichnen und zwar auf dem Felde, das damals die reichsten, herrlichsten Früchte trug: auf der Opernbühne.

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Albert Niemann ist am 15. Januar 1831 geboren, im gleichen Jahre mit Joseph Joachim und Karl Hill, die ihm seine Laufbahn sehr nahe führen sollte. Sein Geburtsort Erxleben, westlich von Magdeburg auf der Strasse nach Braunschweig, lag in der Nähe des einst viel besuchten Bades Helmstedt, wo im Sommer regelmässig eine Theatertruppe gastierte. Dort sollte auch Niemanns Bühnenkarriere beginnen. Zunächst Hess ihm sein Vater, ein wohlhabender Besitzer, guten Schulunter- richt in Magdeburg und Aschersleben an- gedeihen und schickte ihn dann, nachdem er das Zeugnis zum Einjährig -Freiwilligen erworben hatte, auf eine Maschinenfabrik. Es muss dies gegenüber späteren Fabeleien betont werden, die sich darin gefielen, Nie- mann als gänzlich ungebildeten Schlosser- lehrling hinzustellen.

Wie von ungefähr ist dann im 18. Jahre der junge, lang aufgeschossene Mensch zum Theater gekommen. Seine ersten Bühnen-

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jähre zu verfolgfen ist schwer; ein so krauses Durcheinander von Städten, Rollen, Be- schäftigungen wird man selten finden. Seine Schicksale sind wie ein Paradigma, wie eine gedrängte Übersicht über alle jene typischen Erlebnisse, Erfahrungen und Enttäuschungen des genialen Anfängers. Da fehlt nichts: die verunglückte Anmelderolle, die Lebens- fristung durch Rollenausschreiben, das Durch- brennen, die junge Verliebtheit, der uner- wartete Glücksfall, und vor allem die Ver- sicherung der Kenner, dass aus diesem jungen Manne nie etwas werden würde.

Die getrübten Vermögensverhältnisse des Vaters waren wohl der äussere Anlass, Albert Niemann auf die Bretter zu führen; der innere Antrieb scheint nicht sehr stark gewesen zu sein. Direktor Martini aus Dessau, der Sommers in Helmstedt spielte, warb ihn für ein Jahr als Statist ohne Gage an; in Halber- stadt hat er im „Pfarrherrn" zuerst die Bühne betreten, in Dessau verhaspelte er sich zum Gaudium des Publikums in den paar Worten eines Bedienten, der nach dem Arzte läuft. Dann entdeckte in Dessau der alte Friedrich

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Schneider, der Komponist des „Weltgerichts", dem der lange blonde Jüngling* gefiel, dass er auch eine Stimme habe. Nun sang er im Chore mit, trat als Uthobal im „Joseph" zum ersten Male in einer kleinen Basspartie auf. In das zweite Jahr seiner Dessauer Lehrzeit fällt dann der für die Zukunft ent- scheidende Erfolg: als er im „Propheten" der Fides mit den Worten des Hauptmanns das Nahen des „göttlichen" Sohnes ankün- digt und einen stürmischen Applaus ent- fesselt. Nun trieb es ihn fort; er kommt nach Stettin, dann nach Berlin zu Kroll, wo er den Dickson in der „weissen Dame", den Beppo im „Stradella" singt; plötzlich ist er in Worms, wo er an einer Schmiere schon erste Tenorpartien Max, Tonio, Stradella vertritt, in Darmstadt, wo er das Wohlge- fallen des Grossherzogs erringt, dann in Halle; aber nirgends hält er es aus. Da endlich dringt er in Berlin bis zum neuen Intendanten Botho v. Hülsen durch, der an ihm Gefallen findet und ihn Probe singen lässt. Gänzlicher Misserfolg, da die Kapell- meister erklären: „ut em ward nicks!" Trotz-

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dem engagiert ihn Hülsen, indem er ihn zwar nicht auftreten, aber von dem berühmten Mantius unterrichten lässt. Niemann ist von der Höhe der Gage, die er sich gar nicht zu fordern getraut hat, entzückt, aber nicht so von den Gesangsstudien bei Mantius, die seiner IndividuaHtät nicht entsprechen. Als er nun endlich zeigen soll, was er gelernt hat, will er als Max auftreten, in einer Partie, die von Anfang an so recht nach seinem Gusto gewesen war; aber der Befehl ergeht, dass er in Bellinis „Norma" seine Gesangs- kunst entfalten soll. So musste er im August und September 1853 in Berlin dreimal als Sever auftreten und fiel völUg ab. Die Berliner Kritiker erklärten mit ihrem tradi- tionellen Scharfblick, dass der junge Tenor ebenso steif spiele w^ie singe und es nie zu etwas bringen könne. So musste Hülsen ihn entlassen, was er nachmals sehr bereut hat. Wieder sah sich Niemann der Ungewiss- heit preisgegeben. Immerhin wird man an- nehmen können, dass der 22jährige Sänger sich doch bereits zu einer höheren Stufe der Künstlerschaft durchgerungen hatte, wenn

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er überhaupt schon in Berhn auftreten durfte ; und erwägt man, dass er ein halbes Jahr später in Hannover mit grossem Erfolge debütierte, so muss man doch über seine raschen Fortschritte staunen. Es war, als wenn der jung-e Darsteller plötzlich in sich eine Kraft entdeckte, die ihm das Selbst- vertrauen gab, aus sich herauszugehen und eigene Wege einzuschlagen. Der Strudel hatte ihn schon kräftig geschüttelt, doch „es ward ihm zum Heü, es riss ihn nach oben". Nun trat auch der^,grosse Glücksfall ein. Der Hannoversche Intendant Graf Platen war nach Stettin gekommen, um einen Helden- tenor sich anzuhören. Dieser sagt in letzter Stunde ab und Niemann tritt statt seiner als Masaniello auf. Er gefallt dem Grafen und erhält von ihm einen Antrag zum Probe- singen. Zwar ist er noch mehrere Jahre in Stettin gebunden, aber der Direktor macht Bankerott, und so steht Niemann vom Herbst 1854 für die Hofbühne von Hannover zur Verfügung. Er singt dort am 26. März 1854 den Max und hat einen grossen Erfolg, so dass er zum i. September auf ein Jahr mit

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ALBERT MEMAXX im jähre 1875

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I200 Thaler eng-ag'iert wird. Allerding-s war es nötig-, dass die Intendanz ihn vom preussischen Militärdienst freimachte, da der Termin für die Gestellung ablief. Dies ge- schah denn auch.

Das Sommerhalbjahr 1854 benutzte Nie- mann, um sich noch in neuen Rollen einzu- spielen. Er ging nach Königsberg und von dort mit der Theatertruppe in die Provinz. Und da ereignete sich etwas Ominöses. In Insterburg*) wurde am 31. Juli 1854 Richard. Wagners „Tannhäuser" aufgeführt, viel früher, als die grossen Hofbühnen die Oper gaben. Hofbühnenmässig war ja die Vorstellung auch nicht gerade, denn das Theater war in einem früheren Wagenschuppen auf- geschlagen, die Bühne bestand aus Brettern, die auf Fässer gelegt waren, das Orchester aus einem Klavier, dem sich einige Streich- imd Blasinstrumente volltönend gesellten. LJnd doch war diese Aufführung für die 3-eschichte der Bühnen- und der Tonkunst licht ganz ohne Bedeutung, denn Albert

^) Oder war es Gumbinnen? Vermutlich hat Niemann n beiden Städten den Tannhäuser gesungen.

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Niemann sang zum ersten Male die Titelpartie und meldete dies der Hannoverschen Inten- danz mit den Worten: „Der Tannhäuser ist wie für mich geschrieben!"

Mit dieser Episode schliesst die Jugend- und Wanderzeit Niemanns; es beginnen die künstlerischen Lehrjahre.

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Am 31. Augnst 1854 begann Niemann in der Rolle des Max seine Laufbahn in der Residenz an der Leine, wo er nun 12 Jahre lang- wirken sollte.*) Die Königliche Oper in Hannover w^ar damals eine der besten in Deutschland; der blinde König Georg V. nahm sich mit opferfreudigem Eifer seiner Hofbühne an, Heinrich Marschner stand an der Spitze des Orchesters, in welchem Joseph Joachim als Konzertmeister fungierte. Eine Anzahl der tüchtigsten Opernkräfte wusste man zu gewinnen und trotz wachsender An- sprüche festzuhalten. Unter ihnen nahm Niemann bald die erste Stelle ein. Es ging hier, wie überall vorher und nachher: die Wucht seiner Persönlichkeit, die ungewohnte Grösse der Auffassung, die an den Höhe- punkten mit elementarer Genialität hervor- brach, riss das Publikum so widerstandslos

♦) Mit DaiLk sei hier auf des treffliche Buch von Dr. G. Fischer „Musik in Hannover" (Hannover 1903) ver- wiesen, das die folgende Darstellung sehr erleichtert hat.

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mit fort, dass jeder Einspruch verstummte, wie oft auch die Kritik noch die technische Ausbildung* der Stimme bemängelte. Es kam hier doch immer das natürliche Gefühl unverdorbener Hörer zum Durchbruch, die nun endlich einmal einen Raoul, einen Masaniello so erblickten, wie die Textdichter, sie sich gedacht hatten: als Volkshelden, nicht als Schmelz- und Schmalz-Tenöre, wozu die Komponisten, im Hinblick auf die Wünsche blasierter Opern-Habitues, in einzelnen Teilen ihrer Rollen sie gestempelt hatten. Die Widersprüche dieses ganzen Opemwesens traten freilich um so krasser zutage, wenn der stürmische Befreier Masaniello in Nie- manns Reckengestalt seine Stimme zu den Fisteltönen eines süsslichen, an den Haaren herbeigezogenen Schlummerliedes zwingen musste, aus dem ein Theodor Wachtel immer noch einen Ohrenschmaus zu be- reiten wusste.

So war es denn für Niemann und für die deutsche Darstellungskunst epochemachend, als am 27. Januar 1855 der „Tannhäuser" in Hannover in Szene ging und Niemann

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zum ersten Male in würdiger Umgebung die- jenige Heldengestalt verkörperte, die mit seinem Namen in der Geschichte der Bühne unauflöslich verknüpft bleiben sollte.

Sofort verbreitete sich Niemanns Ruf; von drei grossen Bühnen erhielt er ver- lockende Anträge, so dass Hannover sich beeilen musste, ihn besser zu stellen. Über- dies gew^ährte ihm der König die Mittel, im Sommer wie Roger geraten bei Duprez in Paris zu studieren. Duprez, einst selbst eine Zierde der Pariser Oper Richard Wagner freilich zeichnete ihn 1840 in seinen „Pariser Amüsements" in wenig respektvoller Weise genoss jetzt den Ruf eines vor- züglichen Lehrers, der nicht allein die Stimme, sondern Spiel und Gesten des Sängers zu schulen und zu veredeln verstand. Daneben lernte Niemann Deklamation bei Matthieu. Duprez, der sich neben Niemann wie Mime neben Siegfried ausnahm, war von dem deutschen Hünen entzückt und erklärte, dass er nie desgleichen gesehen hätte. Er studierte ihm besonders den „Propheten" ein, und als Niemann in dieser Rolle nach den Ferien

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in Hannover auftrat, war man nicht nur von der kraftvollen Auffassung ergriffen, sondern lobte auch die Fortschritte in der Gesangs- kunst. Als dann mit der ersten Aufführung des „Lohengrin'* in Hannover am i6. De- zember 1855 Niemann auch die zweite Wagnersche Heldengestalt schuf, die durchs ihn im Laufe der nächsten dreissig* Jahre zu einer typischen Darstellung gelangen sollte, war sein Ruf als erster deutscher dramatischer Sänger begründet. Er wurde weiter ver- breitet durch ein Gastspiel in Hamburg, während dessen, wie man behauptete, der Enthusiasmus höhere Wogen schlug, als bei Roger und Jenny Lind.

Dabei aber war der junge Sänger weit entfernt davon, sich auf jene Hauptpartien, die seiner Natur am meisten entsprachen, zu beschränken. Es machte ihm Freude, sich mit Fleiss und Hingabe in die heterogensten Aufgaben zu stürzen. Damals schuf er eine Reihe von Gestalten, die in seiner Ver- körperung ein völlig neues Aussehen ge- wannen, wie Eleazar und Fra Diavolo; un- vergessliche Figuren, wie Joseph und Cortez,

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durch deren schlicht ergreifende und im- ponierende Darstellung* er die gleichnamigen Werke von Mehul und Spontini zu neuem Dasein erw^eckte und über Wasser hielt, bis sie, die letzten Reste einer ernsten und stil- vollen romanischen Opernkunst, ohne seinen belebenden Atem ins Reich der Vergessen- heit hinabstiegen. Höchst merkwürdig er- scheint es uns heute, dass er selbst den Banditen Barbarino in Flotows „Stradella'^ aus der niedrigen Sphäre der Komik zu einer interessant drastischen Räuberfigur empor- hob. Er studierte eben alle Rollen mit Lust und Liebe und legte in jede etwas von seinem feurigen Temperament hinein; er erfasste beinahe instinktiv den Geist einer Partie oder wusste doch ihre Hauptmomente mit so packender Kraft zu treffen, dass die Hörer sich willenlos g'efangen gaben.

Es war noch die gute alte Zeit des klein- staatlichen Deutschlands vor 1866 mit ihrer liebenswürdigen, wenn auch übertriebenen und unwählerischen Theaterschwärmerei. Da selbst in den grösseren Residenzen nur die eine Hofbühne bestand, welche den ganzen

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Kunstkonsum des Bürg-ers zu befriedigen hatte, so konzentrierte sich, viel mehr, als wir das heute verstehen, das ausschliessliche Inter- esse der „gebildeten" Kreise vom hohen Adel, der den ersten Rang bevölkerte, aber meist zum zweiten Akt erschien, bis zum Kommis und zur Näherin, die keinen Sonntag im Amphi" fehlten auf das Theater. Par- teiungen, politisch zum Schweigen gezwungen, bildeten und erhitzten sich vor dem Vorhang; der Kunstkultus wurde zum Künstlerkultus, die Vergötterung der ^Lieblingsschauspieler flutete ungehemmt; ihre Personen, nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Privatleben, waren Gegenstand unablässigen Tagesge- sprächs und Nachbarinnenklatsches.

Niemann aber war der gefundene Bühnen- held, von dessen kraftgenialischen Extra- vaganzen die guten Hannoveraner sehr bald mit schaurigem Entzücken sich erzählten. Bald hatte er dem gräflichen Herrn Inten- danten sehr deutlich seine Meinung gesagt, bald einen Königlichen Marstallbeamten be- droht, bald einem Kjritiker, der ihn zu tadeln wagte, einen Brief geschrieben mit der

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NIEMANN als Tannhäuser

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A/'amung, seine Leistungen noch einmal zu Twähnen, bald wieder seiner Entrüstung reien Lauf gelassen, als ein Rival den Raoul larsteilen durfte gerade an dem Abend, wo »Jiemann sich seinem alten Mütterchen, das ;r dazu hatte kommen lassen, just in dieser lolle zeigen wollte. Bitten um Entlassung varen die gewöhnliche Folge dieser Rei- zungen, die der König meistens mit einer (jehaltserhöhung zu befriedigendem Ab- chluss brachte. Nur einmal, als Niemann ji gereizter Stimmung einem Kapellmeister inter den Kulissen den Hut vom Kopfe •erissen hatte, musste er seine Aufwallung lit einer vierwöchigen Haft büssen, die sich llerdings zu einem ziemlich „fidelen Ge- ingnis" auswuchs. Die letzte Woche wurde im durch die Gnade des Königs erlassen» Man würde doch irren, wollte man in iesen Vorfällen nur die Launen eines über- lütigen, verwöhnten Tenors sehen; vielmehr aren es die Explosionen überschüssiger Iraft einer Naturgewalt, die sich in Kunst ad Leben austoben musste, allerdings auch urch die Vergötterung des Publikums ver-

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leitet wurde, die Grenzen zu übersehen, welche selbst dem begnadetsten Künstler durch das leider prosaische Leben gezogen sind.

Es war ein Glück, dass die sänftigende Hand einer edlen Frau von nun an ein wenig die Wogen der Leidenschaft zu glätten wusste: am 31. Mai 1859 vermählte sich Niemann mit Marie Seebach, der gefeiertesten Schau- spielerin jener Zeit, die mit ihrem Gretchen ganz Deutschland entzückte. Auch sie ge- hörte seit zwei Jahrei:\ dem Hannoverschen Hoftheater an, das dem Berliner den Rang abzulaufen drohte.

Am II. Dezember 1859 ging der „Rienzi" in Szene. Niemann hatte vorher in Dresden Tichatschek gehört, der seit 17 Jahren mit unverwüstlicher Stimmkraft diese Partie sang; er hatte sie dann „mit einer wahrhaft be- geisterten Liebe studiert", wie Marie Seebach an Liszt schrieb. Ein neuer grosser Erfolg lohnte ihm ; seine starke, eindringliche Kunst der Deklamation, die würdevoll überlegene, heldenhafte und dabei gottergebene Art, die er dem römischen Notar verlieh, gewann dem

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Werke eine Stellung-, die doch g*eg*enüber den späteren Schöpfungen Wagners schwer zu behaupten war. Immer öfter aber w^ard der Name Niemanns neben dem seines Meisters g*enannt. Im „Hannoverschen Kurier'' er- schien Anfang* 1860 an den noch immer nicht amnestierten grossen deutschen Künstler ein beg-eisterter Gruss, der ihn einlud, in Hannover seine Werke zu sehen, und mit einem Jubelhymnus auf seinen Interpreten schloss: „Ein Albert Niemann wird vielleicht alle hundert Jahre, vielleicht zum zweiten Male nie gfeboren."

Das Jahr 1860 sollte dem also Gefeierten noch weitere Triumphe bringen. Als er in Wiesbaden gastierte, kam Meyerbeer, trotz seiner Krankheit, von Schlangenbad herüber; er bedauerte, den Sänger nicht in früheren Jahren gehört zu haben, um für ihn eigens eine Rolle zu schreiben. Bald darauf wurde Niemann nach Baden-Baden entboten, wo die deutschen Fürsten sich zu einer Entrevue mit Napoleon III. versammelt hatten. In einer Soiree am 16. Juni sang Niemann vier Lieder, darunter von Schumann „Frühlings-

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nacht" und „Ich grolle nicht", und machte auf die erlauchten Hörer den tiefsten Ein- druck. Napoleon redete ihn in deutscher Sprache an und äusserte den Wunsch, ihn in Paris zu begrüssen, worauf Niemann melden konnte, dass er bereits von Richard Wagner dorthin eing-eladen sei. In der Tat begab er sich unmittelber darauf zu den Tannhäuser- Proben in die französische Hauptstadt.

Früher, als sie erwartet hatten, konnten sich die Hannoveraner wieder ihres ver- götterten Heldentenors erfreuen, da die Pariser Tannhäuser-Aufführungen nach der dritten Vorstellung durch den Willen Wagners ein Ende gefunden hatten. Niemann schien noch im Banne des Venusberges der Pariser Oper zu weilen. Er trat in den „Hugenotten" zuerst wieder in Hannover auf und nannte seinen tags darauf geborenen ersten Sohn „Raoul". Im selben Jahre 1861 hatte er noch Gelegenheit, aus dem Faust der Herren Barbier und Carre, den Gounod in Musik ge- setzt hatte, eine Gestalt zu machen, die des Goetheschen Geistes wenigstens einen Hauch

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verspürt hatte. War der „Tannhäuser" in Frankreich durchgefallen, so übte Deutschland edle Rache, indem es Gounods „Marg*uerite" zur Lieblingsoper des nächsten Jahrzehntes erkor.

Mit Anerkennung wurde in Hannover be- merkt, dass Niemanns Stimme durch fleissige Studien geschmeidiger und beweglicher ge- worden war. Hatte er noch in Paris bei Delsarte Unterricht gehabt, so im Sommer 1863 bei der Viardot-Garcia in Baden-Baden. Als Hüon entfaltete er ansprechendere Höhe und leichtere Koloratur, und eine eigene Genugtuung war es ihm wohl, dass sein Sever, mit dem er vor zehn Jahren in Berlin „versungen und vertan", nun in sonniger Pracht des Gesanges erstrahlte.

Das Jahr 1864 begann mit einem jener durch den Impuls des AugenbHcks geborenen Zwischenfälle, die Niemanns Popularität in Deutschland mächtig zu erhöhen geeignet waren. Als die Deutschen damals endÜch gegen die Vergewaltigung Schleswig -Hol- steins durch das kleine Dänemark aufstanden, erhob England in einer drohenden Note Pro-

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test bei den deutschen Reg-ierungen. Niemann hatte am Abend in Marschners „Templer'^ zu singen und improvisierte kühn: „Du stolzes England, schäme dich!" Obwohl er dann so tat, als wenn er sich versprochen, jubelte ihn das Publikum hervor, und gegen das Theater- gesetz folgte er dem Vorruf. Nun gingen dem wackeren deutschen Sänger so manche Dankschreiben zu; der gütige König aber Hess es bei einer Abmahnung bewenden. Im Frühjahr ernannte er Niemann zum Kammer- sänger mit lebenslänghchem Kontrakt und einer Gage von 6000 Talern. Damit gelang es, den gefeierten Sänger für Hannover zu erhalten, der sonst durch die glänzenden An- erbietungen der eifersüchtigen Berliner Oper schon damals entführt worden wäre.

Im Februar 1864 gastierte er in München, und die „Niemann-Epidemie" wie ein Witz- blatt sagte ergriff auch die biederen Münchener; jetzt erst wurden sie für Tann- häuser und Lohengrin, die bisher in der Isar- stadt ein stilles Dasein geführt hatten, ge- wonnen. Als Niemann bei König Max zur Audienz befohlen war, erschien an der Tür

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ein schöner dunkler Jüngling, dessen bleiches Antlitz bei Niemanns Anblick von dunkler Röte Übergossen wurde: der Kronprinz! Durch den Photographen Albert wurde Niemann dann unbemerkt zu ihm ge- führt; Ludwig gab ihm mit schüchternem Danke seine Begeisterung für seine Dar- stellungen zu erkennen und Hess ihm bald darauf sein Porträt übersenden: das Bildnis des Königs w^ar doch wenige Wochen nach Niemanns Gastspiel König Max ge- storben und Ludwig IL auf Bayerns Thron berufen w^orden. Durch Niemanns Lohengrin schwärmerisch entzückt, schickte er sofort nach dem Schöpfer des Werkes, der im Mai 1864 zum ersten Male vor dem jungen Schirm- herrn seiner Kunst stand.

Im selben Monat vollzog sich auch für Niemann ein wichtiges Ereignis: am 17. Mai 1864 trat er zum ersten Male in Berlin als Tannhäuser auf, an der Stätte, wo er vor zehn Jahren so völlig durchgefallen, in der Rolle, die er dort nun ein Vierteljahrhundert glorreich verkörpern sollte. Der Beifallssturm war unerhört, aber nicht weniger tief der

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Eindruck, den dann sein „Josef in Ägypten'^ hervorrief; für das nächste Jahr wurden so- fort 20 Gastrollen verabredet, bei einer Gagfe von 1000 Friedrichsdor.

In das letzte Jahr Niemanns an der Bühne zu Hannover fällt nur noch eine bedeuten- dere neue Rolle: der Vasco da Gama in Meyerbeers lang* erwarteter „Afrikanerin''. Auch hier gelang- es Niemann, durch die Ritterlichkeit des Auftretens und den Schwung der Deklamation dem Helden der Oper, der doch ein haltloser Schwächling ist, einen Zug von historischer Grösse zu geben.

Als am 27. Mai 1866 die „Afrikanerin" zum zehnten Male gegeben wurde, ahnte wohl kein Besucher, dass drei Wochen später König Georg V., der eifrige Mäcen seines Hoftheaters, die Residenz für immer verlassen würde.

Damit endete auch für Niemann die Peri- ode seiner Lehrzeit. Die 1 2 Jahre in Hannover waren für ihn von unschätzbarem Werte. Dass er an einer rührig und ehrgeizig' ar- beitenden Hofbühne, in einem rasch wech- selnden Repertoire tätig sein durfte, nicht nur in einer Anzahl von grossen, ihm ge-

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Eindruck, den dann sein „Josef in Ägfypten" hervorrief; für das nächste Jahr wurden so- fort 20 Gastrollen verabredet, bei einer Gagfe von 1000 Friedrichsdor.

In das letzte Jahr Niemanns an der Bühne zu Hannover fällt nur noch eine bedeuten- dere neue Rolle: der Vasco da Gama in Meyerbeers lang* erwarteter „Afrikanerin". Auch hier gelang- es Niemann, durch die Ritterlichkeit des Auftretens und den Schwung* der Deklamation dem Helden der Oper, der doch ein haltloser Schwächling* ist, einen Zug* von historischer Grösse zu geben.

Als am 27,, Mai 1866 die „Afrikanerin" zum zehnten Male gegeben wurde, ahnte wohl kein Besucher, dass drei Wochen später König Georg V., der eifrige Mäcen seines Hoftheaters, die Residenz für immer verlassen würde.

Damit endete auch für Niemann die Peri- ode seiner Lehrzeit. Die 1 2 Jahre in Hannover waren für ihn von unschätzbarem Werte. Dass er an einer rührig und ehrgeizig' ar- beitenden Hofbühne, in einem rasch v/ech- selnden Repertoire tätig sein durfte, nicht nur in einer Anzahl von grossen, ihm ge-

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Brief RICHARD WAGNERS an Niemann

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mässen Rollen, sondern in der Mehrzahl der Tenorpartien, gab ihm eine seltene Gewandt- heit und Sicherheit. In klassischen und italie- nischen Opern ernster und heiterer Art übte er die Kehlfertigkeit, bis ihm selbst Kolora- turen gelangen; seine grossen dramatischen Helden vertiefte er mehr und mehr. Hatte das langmütige Publikum seinem Liebling' auch mancherlei nachzusehen dass er zuweilen, w^enn nicht in Stimmung, wenig oder gar nicht spielte , hielt er es auch nicht allzu genau mit der Pflicht, Proben mit- zumachen, wenn ihm etwa eine Hof jagd winkte, so lag es ihm fern, nun schon auf seinen Lorbeeren auszuruhen; es machte ihm Freude, oft aufzutreten und neue Rollen zu studieren; unermüdlich arbeitete er an seiner Vervoll- kommnung.

1865 war er wieder zum Gastspiel in Berlin gewesen; 1866 siedelte er ganz in die Haupt- stadt des siegreichen Preussens über.

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I. Der Pariser Tannhäuser.

Richard Wagner befand sich zur Zeit, als der Stern Niemanns aufging, im Exil in Zürich. Von j edem persönlichenEin wirken auf deutsche Opernzustände abgeschnitten, unterhess er es doch nicht, aufmerksam zu spähen, wo sich für seine Kunst etwas Erfreuliches zeige. Gute Sänger mit darstellerischer Begabung waren für ihn von unschätzbarem Werte, weil sie dem PubUkum überhaupt erst einen Be- griff von seinem Wollen und Streben geben konnten, damit es, unbeirrt von einer rück- ständigen, selbst nur zu sehr der Belehrung bedürftigen Kunstkritik, sich erst einmal ein Urteil zu bilden imstande wäre. Nun hing aber das Verständnis sowohl des „Tann- häuser" wie des „Lohengrin" fast ausschUess- Uch von den Vertretern der Titelpartien ab. Wie Wagner von diesen dachte, zeigt eine Brief stelle vom 30. Juli 1855: „Wer einen von den heutigen Tenorsängern einmal wieder

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zu Gehör und Gesicht bekommt, kann nicht begreifen, wie Aufgaben, wie die meinigen, auch nur ahnungsweise von diesen Eunuchen gelöst werden sollten." Und nun ein Jahr später am 21. Juni 1856: „Namentlich ist mir Herr Niemann als sehr vorzügUch bezeichnet worden, was zu erfahren mir von grossem Werte ist, da ich auf Tenoristen, wie ich sie brauche, so sehr selten rechnen kann." Gewiss hatte sich Wagner vorher schon an Niemann gewandt, oder dieser fühlte von selbst den Drang, den verehrten Meister auf- zusuchen. Aber er traf ihn in Zürich nicht an, denn Wagner weilte damals im Sommer 1856 zur Kur in Mornex bei Genf. Im näch- sten Sommer 1857 wieder wartete der Meister vergeblich auf den Besuch Niemanns. Aber schon spielte der junge Sänger in seinen Plänen eine wichtige Rolle. In einem Briefe an ihn vom 25. Januar 1857 hatte er ihm die Darstellung seines Siegfried zugedacht, an dessen i. Akte er gerade arbeitete. Der kühne Knabe, der den Bären gezäumt hat und den Amboss entzweischlägt, verkörperte sich ihm in der Erscheinung Niemanns, wie

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sie ihm geschildert worden. Dann wieder nahm er Niemann in Aussicht für eine in Strass- burg- demnächst zu veranstaltende erste Auf- führung* von „Tristan und Isolde", die nie zustande kam. Endlich am lo. Juli 1858 er- schien Niemann mit seiner Braut Marie See- bach in Zürich. Zum ersten Male stand er vor dem Meister und fand wie Hans v. Bülow schreibt Gnade vor seinen Augen. Er traf bei ihm seinen älteren Kollegen Tichatschek, und es machte Wagner Freude, die kürzUch vollendete Dichtung des „Tristan" seinen beiden Heldentenören vorzulesen.

Von einer leichten Verstimmung zwischen Wagner und Niemann erfahren wir aus einem Briefe des Meisters Anfang 1859 an Direktor Rottmaier in Hannover, aber sie war doch bald gehoben; und als sich für Wagner, der seit Oktober 1859 wieder in Paris weilte, plötzUch im Frühjahr 1860 die Aussicht er- öffnete, seinen „Tannhäuser" ganz nach seinen Wünschen in der grossen Oper aufzuführen, stand es ihm fest, dass nur Niemann die Titel- partie vertreten könne, der übrigens auch durch seine früheren Studien in Paris und

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seine gfute französische Aussprache sich em- pfahl. Aufs sorgfältigste wurde sein Engage- ment eingeleitet, und als er im Juli 1860 mit frohem Tannhäusersang in die Pariser Wohnung Wagners trat, konnte dieser ihm mitteilen, dass er ihn auf ein Jahr mit der ungeheuren Gage von 72000 Franken für die Grosse Oper verpflichtet habe. In Hannover erhielt Niemann Urlaub und begab sich nun zu den Tannhäuserproben nach Paris. „Vor allem verlasse ich mich auf meinen Recken Niemann. Der Mensch hat unerschöpf- liche Fähigkeiten. Noch ist er fast roh, und alles in ihm tat bisher nur der Instinkt. Jetzt hat er monatelang nichts anderes zu tun, als sich von mir leiten zu lassen. Alles wird bis auf den letzten Punkt studiert" So schrieb Wagner am 30. September 1860 aus Paris an Mathilde Wesendonk, und am 20. Oktober an ihren Gatten: „Mein deutscher Sänger reisst die Augen auf und gesteht, nun erst seine Partien kennen zu lernen." So wurde Niemann in diesen Proben zum ersten Male das unschätzbare Glück zuteil, in ein Meisterwerk eingeführt zu werden.

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von dem Genius selbst, der es geschaffen hatte.

Leider zogen sich die Vorbereitungen sehr in die Länge, da Wagner im November schwer erkrankte. Für Niemann ergaben sich dar- aus manche Gefahren für seine Stellung. Von Anfang an war er in den üblen Dunst- kreis der Intrigen und Cliquen hineingezogen worden, in welchen auch wohl ein Welt- klügerer zu Schaden gekommen wäre, als es der kaum 30 jährige Sänger war. Kaum war er in Paris angelangt, als schon die Zeitungen über ihn höhnten: er sei ein Bauern- junge und noch kurz zuvor Fleischerbursche gewesen, worauf Niemann in einer humo- ristischen Berichtigung erwiderte, dass er noch nie ein Stück Vieh umgebracht hätte. Die Anhänger Mey erbeers hätten Niemanns Kunst gern für den „Robert" und den „Pro- pheten" ausgenutzt, die Direktion der Grossen Oper vermied es aber sehr richtig, ihn auf- treten zu lassen und vielleicht einem Miss- erfolg auszusetzen, der dann dem „Tannhäuser '^ geschadet hätte. Nun drehten die Blätter die Sache so, dass Niemanns Stimme zu roh und

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ungfeschlacht sei, um anderswo zu wirken, als in Wagners Opern, die dergleichen er- forderten. Auf der einen Seite arbeiteten gegen ihn die französischen Kollegen, neidisch auf den fremden Sänger mit der riesigen Gage, auf der anderen die Feinde Wagners, die nicht verfehlten, ihm Angst zu machen. Schlimm war, dass Niemann schliesslich zu Wagner selbst in einen Gegensatz geriet, der eine unselige Entfremdung der beiden Männer zur Folge hatte. Es ist schwer, heute schon über Vorgänge ein Urteil zu fällen, die noch zu wenig aufgeklärt sind, zumal die wichtigsten Zeugnisse ausführliche Briefe Wagners an Niemann nicht publi- ziert werden dürfen. Was Wagner selbst über die drei berüchtigten Tannhäuser-Auf- führungen in Paris am 13., 18., 24. März 1861 wenige Tage darauf öffentHch mitgeteilt hat, geht in vornehmer Zurückhaltung über den Konflikt mit Niemann kurz hinweg; was in Briefen Hans v. Bülows neuerdings darüber zutage getreten ist, wird nicht von Übertrei- bungen frei sein, wie sie aus den Aufregun- gen des Augenblicks leicht zu erklären sind.

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Noch zehn Tage vor der ursprünglich auf den 22. Februar festgesetzten ersten Auf- führung schrieb Wagner an Frau Wesendonk: „Niemann ist durchweg erhaben; er ist ein grosser Künstler der allerseltensten Art", woraus doch hervorgeht, dass der Meister noch in diesen Bühnenproben, wo er nun zum ersten Male seinen Sänger auf der Szene sah, ausserordentlich befriedigt gewesen sein muss. Die Differenzen werden also doch erst in den folgenden Wochen, nachdem die Aufführung in den März verschoben war, gekommen sein. Sie waren zunächst künstlerischer Art. Wagner verlangte einen jungen, unver- dorbenen, unroutinierten Sänger, der in seinen Händen weiches Wachs sein sollte. Niemann aber war doch nicht so primitiv, wie der Meister gedacht hatte, er stand ihm als ein bereits gef esteter, selbständiger Künstler gegenüber, der seine Rollen durchdacht und seiner Individualität angepasst hatte, über- dies seiner Naturanlage nach nur schwer sich unter den Willen eines Anderen beugen mochte.

Niemann hatte den Tannhäuser natürlich

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stets mit Strichen gesungen ; auf solche Kon- zessionen Hess sich Wagner aber nicht ein, am wenigstens jetzt, wo er sein Werk so darbieten wollte, wie er es sich gedacht hatte. Stellen, auf die er den höchsten Wert legte , die aber niemals bisher zu seiner Zufrieden- heit ausgeführt worden, sollten nun einmal nach seinen Intentionen zur Geltung kommen. Da war jener Ausbruch der Zerknirschung im 2. Akte „Zum Heil den Sündigen zu führen", der nach der Ansicht des Meisters den Kern der ganzen Charakter-Entwicklung enthält und daher mit der höchsten Energie gesungen werden sollte, als wenn „nachher gar nichts mehr käme".*) Da war vor allem eine Hauptaufgabe der Darstellung, die Wagner für unerlässlich hielt: nach dem Rufe „Mein Heil ruht in Maria** und dem Verschwinden des Venusbergs sollte Tann- häuser in erhabenster Extase regungslos

*) Aus einer diese Stelle betreffenden Weisung an Tichatschek in Dresden nach den letzten Proben am 21. Februar i86i; von demselben Tage datiert ein i6 eng- beschriebene Seiten langer, unveröflfentlichter Brief Wagners an Niemann.

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auf derselben Stelle verharren, bis er mit den Worten „AUmächtig-er, Dir sei Preis" in die Kniee stürzt. Es ist keine Frag-e, dass Niemann diese Szene ergreifend darzustellen befähigt gewesen wäre; er hatte aber wohl eine andere Auffassung* des inneren Vor- gang*es und der äusseren Wirkung: er wies die Anforderung Wagners zurück.

Es standen sich hier eben zwei Epochen der Bühnenkunst gegenüber. Früher waren der Librettist und der Komponist abhängig gewesen von der Selbstherrlichkeit des Sängers, dem sie die «Rollen „auf den Leib schrieben"; jetzt sollte sich jeder Mitwirkende dem Willen des Meisters unterwerfen, der Dichter und Musiker, Regisseur und Kapell- meister in einer Person war, und in seiner Phantasie schon seit der Konzeption des Dramas auch das Spiel der handelnden Per- sonen vor sich gesehen, wie es nun, als einzig der Idee angemessen, in die M^irklichkeit umzusetzen war. Niemann hatte bisher auf den Opembühnen überall die herrschende Konvention in Gesten und Bewegungen ge- funden, seine Gestaltungen Wagnerscher

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Helden hielten sich ebenfalls immer noch in der Sphäre der Tradition, wenn auch durch seine natürliche Kraft grandios gesteigert; nun wurde ihm etwas Neues und Unerhörtes auferlegt, wogegen sein Eigenwille, seine Theater -Erfahrung und sein virtuoser In- stinkt sich heftig sträubten. Er wähnte wohl besser Bescheid zu wissen in den Realitäten der Bühne, als der Musiker, der sich ihrer Praxis lange entfremdet hatte. Noch war die Zeit nicht gekommen, wo der grosse Meister und der geniale Darsteller auf der Bühne der Zukunft in Einigkeit sich finden sollten.

SchUmmer aber waren doch in den heissen Tagen der Aufführung die unliebsamen äusse- ren Erfahrungen. Wagner sagt darüber kurz: „Das Bedenklichste war jedenfalls, dass der Sänger der schwierigen Hauptrolle, je mehr wir uns der Aufführung näherten, infolge seines nötig erachteten Verkehrs mit den Rezensenten, welche ihm den unerlässlichen Durchfall meiner Oper voraussagten, in wach- sende Entmutigung verfiel." Was im einzelnen den Meister zu dieser Bemerkung berechtigte, ist heute noch nicht zu erkennen; aber es

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scheint doch, als wenn die Luft der Pariser Salons und der Einfluss der massgebenden, im Meyerbeerschen Lager stehenden Be- herrscher der öfientlichen Meinung dem deut- schen Künstler nicht vorteilhaft gewesen ist. Niemann war schliesslich durch alle Auf- regungen so mürbe geworden, dass er in der Generalprobe am lo. März unwohl wurde und nach dem i. Akte das Theater verlassen musste. In den verhängnisvollen Aufführungen gab es dann Momente, wo der Darsteller der Hauptpartie von dem angefeindeten Musiker abzurücken schien und d^n Insassen der kaiser- lichen Loge wie der tobenden Menge durch Gebärden kundzugeben suchte, dass er nicht verantwortlich sei für das Werk, in dem er mitwirke. Als ihm, gerade vor dem besten Teile seiner Darbietung*) im 3. Akte, höhnende Rufe: „encore un pelerin" ins Wort fielen, soll er wütend seinen Pilgerhut ins Proscenium geschleudert haben. Während der sonst so

*) Auch Wagner sagt in seinem Berichte, dass die Erzählung der Pilgerfahrt der beste Teil der Leistung Niemanns gewesen sei, „welche dem Künstler stets die leb- hafteste Anerkennung gewann".

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leidenschaftliche Meister vöüige Kaltblütig*- keit bewahrte, war sein Held nervös g*e- worden.

Nach der 3. Aufführung am 24. März zog* Wag-ner seine Partitur von der Grossen Oper zurück.

n. Der Bayreuther Sieg-mund.

Das Tafeltuch zwischen Wag-ner und Nie- mann war zerschnitten und blieb es volle zehn Jahre hindurch. Wie grosse Verdienste sich auch der Sänger inzwischen um die Ver- breitung der Wagnerschen Werke erwarb machte er es doch z. B. in Berlin zur Be- dingung, dass neben Tannhäuser und Lohen- grin auch der Rienzi zu seinem Gastspiel wieder einstudiert würde : der Groll des Meisters Hess sich nicht dämpfen. Und zumal, als die Kunst Schnorrs v. Carolsf eld wie eine Erfüllung in sein Leben trat, schien Niemann vergessen. Zwar König Ludwig LE. zeigte 1866 in einem Briefe voll rührender Begeisterung an den Sänger, der ihm vor zwei Jahren das Herz bezwungen hatte, wie er sein Wiedererscheinen in München ersehne, und 1867 war für eine

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Musteraufführung des „Lohengrin" Niemann in Aussicht genommen: aber er erklärte, einer Durchführung dieser Partie ohne Striche nicht gewachsen zu sein, und in diesem Punkte gab es weder für Wagner noch für den Diri- genten Hans V. Bülow ein Paktieren. Über eine Lohengrin- Vorstellung, die nach langer Pause am 6. April 1869 in Berlin herauskam, erhielt Wagner durch Tausig die besten Nachrichten; dennoch äusserte er sich im März 1870, als endlich die Meistersinger- Auf- führung dort bevorstand, brieflich sehr be- sorgt über Niemanns Können und Wollen, und in derselben Zeit schrieb er an Herbeck nach Wien, dass es nach Schnorrs Tode in Deutschland keinen guten Tannhäuser mehr gebe.

Schon aber stand eine Wendung zum Besseren bevor. Es war Niemanns grosser Berliner Kollege Franz Betz der erste Hans Sachs in der Münchener von Wagner einstudierten Uraufführung von 1868 , dem es gelang, eine Aussöhnung der Grollenden anzubahnen. Zwar findet sich Niemann noch nicht unter den Mitwirkenden, als Wagner

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im Mai 1871 im Berliner Opernhause sein berühmtes Konzert g"ab, aber 1872, zur Feier der Begründung* des Bayreuther Theaterbaues, war Niemann bereits eingeladen, um die Tenor- partie der Neunten Symphonie auszuführen. Inzwischen also war die freundschaftliche Ver- bindung wieder angeknüpft worden, und nie- mals ist Wagner auch nur mit einem Worte auf jene unseligen Vorgänge zurückgekommen, die jetzt als dunkle Schatten hinter ihm lagen, wie der ganze Spuk des französischen „Tann- häuser" in der Hauptstadt des soeben be- siegten Kaisers Napoleon.

Am Festtage des 22. Mai 1872 gehörte Niemanns Reckengestalt zu den unvergess- lichen Eindrücken der begeisterten Anwesen- den: am Vormittag bei der Grundsteinlegung, „als er plötzlich vordrang und, anzuschauen wie die lebendige Verkörperungeines Wagn er- sehen Helden, mit dem Hammer zu gewalti- gem Schlage ausholte," und am Nachmittag, als er von der hohen Trompeterloge des alten markgräflichen Opernhauses dieFreuden- worte Schillers in Beethovens Tönen wie eine frohe Verkündigung einer schönen Zukunft

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in den Kreis der Hörer hinabrief „freudig* wie ein Held zum Siegen 1"*)

Der Bann war g-ebrochen, schöne Zeiten edelsten künstlerischen Zusammenwirkens folgten. Als Wagner im Februar 1873 in Berlin ein grosses Konzert zum Besten seines Festspiels gab, sang Niemann Siegmunds Lenzlied und Siegfrieds Schmiedelieder, ebenso im April 1875 wiederum unter Wagners Direktion den Schlussgesang Sieg- frieds aus „Götterdämmerung". Im selben Sommer begab er sich zu den Nibelungen- Proben nach Bayreuth* War Niemann nicht mehr in den Jahren, um den Knaben Siegfried, der doch wie für ihn geschaffen gewesen, zu verkörpern, so fiel ihm nun wie von selbst die tief tragische Wälsungen-Gestalt des Sieg- mund zu. Später, als der junge Darsteller

*) In einer Probe rief Niemann beim Beginn des Solo- quartetts: „Meister, wenn Sie mir hier keinen Takt schlagen, kann ich nicht singen!", worauf Wagner : „Ich schlage nicht Takt, dadurch würde der Vortrag steif; Sie müssen diesen Satz ganz frei vortragen. Ich male es Ihnen in die Luft. Sie sind ein so vorzüglicher Künstler und können es: darum habe ich Sie erwählt."

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des Sieg-fried den Hoffnungen Wagners nicht entsprach, erbot sich Niemann, wenigstens den Siegfried in der ,, Götterdämmerung" zu übernehmen. Musste der Meister dies ab- lehnen, weil er streng an dem Prinzip fest- hielt, dass dieselbe Gestalt in den verschie- denen Teilen des „Ring" auch von demselben Darsteller zu geben sei, so hatte er, wie er später zugestand, diese Konsequenz in Hin- sicht auf das Gelingen des letzten Nibelungen- teiles zu bedauern. Was hätte Niemann nicht gemacht aus Siegfrieds Ankunft in der Gi- bichungenhalle, aus dem Kampfe mit Brünn- hilde, aus der Todesszene!

In der unvergesslichen Probenzeit von 1S75 gehörte Niemann zum intimsten Kreise des Meisters, der in eifriger Diskussion sich an dem natürlichen Urteil des Künstlers erfreute.

Das Jahr 1876 brachte in Berlin endlich den Tristan, zu dessen Einstudierung und erster Aufführung am 20. März Wagner wieder selbst gekommen war. Dann be- gannen in Bayreuth die Bühnenproben. Bald zeigte es sich, dass Niemanns geniale Dar- stellungsgabe unter den Kollegen etwa

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mit Ausnahme Karl Hills kaum ihres- gleichen hatte: hier lag der seltene Glücks- fall vor, dass die Gestalt des Dramas sich mit ihrem Vertreter völlig deckte. Darum hatte Wagner an der Auffassung des Sieg- mund durch Niemann wenig zu tadeln, soviel er bei Anderen auch verbesserte und mit seiner unvergleichlichen mimischen Begabung selbst zeigte, wie es zu machen wäre. Nur selten noch gab es Meinungsverschieden- heiten;*) an Stellen, wie „Mich drängt' es zu Männern und Frauen", befahl er, die Art, wie Niemann dies sang, als mustergültig für alle Zeiten schriftUch zu fixieren. Was einst Niemann als Zwang empfunden hatte, ver- stand sich hier von selbst; zwischen dem Willen des Meisters und den Intentionen des Darstellers konnte es keinen Gegensatz

*) So bei den Proben 1875, ^^^ Wagner eine Szene im zweiten Akte plastisch vorspielte und Niemann rief: „Ja, lieber Meister, das passt sehr gut für Ihre Figur, aber nicht für mich. Ich muss bei meiner Grösse doch Bewegungen machen, die mir gemäss sindl" worauf Wagner ihm dies sofort zugab und sagte •, „Ich sehe, Sie haben mich richtig verstanden, darum allein handelt es sich ; spielen Sie jetzt nur, wie es Ihnen recht dünkt."

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geben, wo beides in einer höheren Einheit, in dem Stile des Kunstwerkes, zusammenfiel. So kamen nun die denkwürdigen Auf- führungen der Tetralogie im August 1876, in denen der Siegmund Niemanns als eine unvergleichliche Leistung hervorleuchtete. Was Wagner dem grossen Künstler ver- dankte, hat er selbst in seinem „Rückblick auf die Festspiele von 1876" mit Worten ausgesprochen, die als ein unvergängliches Denkmal für den Künstler und den Menschen Niemann bestehen bleiben, wird doch in ihnen nicht nur die künstlerische, sondern auch die moralische Bedeutung seiner Per- sönlichkeit gekennzeichnet: „Gewiss hat nie einer künstlerischen Genossenschaft ein so wahrhaft nur für die Gesamtaufgabe ein- genommener und ihrer Lösung mit vollendeter Hingabe zugewendeter Geist innegewohnt, als er hier sich kundgab . . . Beseelten diese Gefühle uns alle, so will ich doch, und wenn auch nur zur Freude seiner Genossen, Albert Niemann in diesem Sinne als das eigent- liche Enthusiasmus treibende Element unseres Vereines mit Namen nennen. Alle

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würden eine Lähmung empfunden haben, wenn seine Mitwirkung in Zweifel hätte ge- zogen werden sollen."

Im folgenden Jahre sollte das Festspiel wiederholt werden. Indes wurde Wcigner bedenklich, im Hinblick auf den finanziellen Misserfolg und auf den Mangel an wirk- licher Teilnahme des deutschen Volkes. Von der Zustimmung Niemanns und Betzens machte er seinen Entschluss abhängig. Aus Rom schrieb er am 30. November an Nie- mann: „Welche tiefe Unbefriedigung musste ich Ihnen stets ansehen"; ich widerstand Ihren Ausdrücken, weil ich Ihnen nicht zugestehen konnte, dass diese oder jene andere Besetzung an der Sache etwas geändert haben würde. Sie vergassen, dass nur Sie, aber einzig Sie das Genie der Darstellung waren, wogegen das übrige nur durch Fleiss und edlen Willen sich beteiligen konnte . . . Sagen Sie nun bald Ja oder Nein ! Bleiben Sie aber immerversichert, dass die schönen Augenblicke ] des Ausbruches eines ungehemmten Zusam- mengehörigkeits-Gefühls zwischen uns beiden zu meinen lohnendstenErinnerungen gehören."

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Es kam zu keiner Wiederholung*. Fünf Jahre blieb das Festspielhaus in Bayreuth verschlossen, während deren der Meister in rüstiger Kraft von dem Wunsche beseelt war, nicht nur Neues zu schaffen, sondern auch früher Geschaffenes mustergültig auf- zuführen! Vergeblich. Seine trübe Stimmung kommt in einem Briefchen an Niemann aus Ems vom i8. Juni 1877 zum Ausdruck: „Gern möchte ich in diesem für mich so öden Jahre einen Tag oder einige Stunden mit Ihnen feiern. Denn sind wir beide, Sie und ich, zusammen, so ist doch eigentlich der Geist des Nibelungenwerkes bei sich und spricht zu sich. Es ist mir ein Bedürfnis, gerade in diesem Jahre mit Ihnen zu verkehren, sonst habe ich gar nichts vor."

Damals lernte Niemann die eben vollen- dete Parsifal-Dichtung kennen. Ob Wagner noch für die Darstellung des reinen Toren an Niemann gedacht hat?*) Es kursierte darüber einst ein Geschichtchen, wonach der Künstler, auf das Hindernis seines Bartes

*) Vielleicht darf man das doch aus den Worten eines Briefes an Niemann vom 16. Dezember 1881 aus Palermo

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hingewiesen, geantwortet hätte; „Für den Meister lasse ich mir nicht nur den Bart, sondern auch die Nase abschneiden." Indes war es doch kaum mögUch, dass Niemann, der 1881 das fünfzigste Jahr überschritten hatte, im folgenden noch den Knaben Parsifal darstellen konnte. Mit den beiden ersten Vertretern der Rolle war er wenig zufrieden, erst an dem Parsifal Van Dycks hat er später Gefallen gefunden. Ihm selbst sollte es nicht beschieden sein, zum zweiten Male an der Bayreuther Kunststätte aufzutreten. Als dort 1886 nach de,m Tode des Meisters der „Tristan" mit Rosa Sucher als Isolde in einzig schöner, wahrhaft verklärter Auf führung in Szene ging, dachten wohl Viele an den grössten lebenden Vertreter des Helden Tristan; aber er kam nicht, sei es nun, dass er sich einer Wiedergabe ohne Strich nicht ge- wachsen fühlte, sei es, dass sein Organ ihm nicht mehr erlaubte, den Nachtgesang des zwei- ten Aktes ohne Anstrengung durchzuführen.

schliessen: „Sehen Sie sich den Mosjeh an [d. h. den Klavierauszug des Parsifal] und sagen Sie, wie Sie sich zu ihm verhalten wollen."

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Fünf Jahre vorher war die Darstellung des in Berlin endUch wieder aufgenommenen „Tristan" eine letzte grosse Freude gewesen, die Niemann dem Meister gemacht hatte. Aus Palermo schreibt er darüber an seinen Künstler am i6. Dezember 1881 : „Ihr Tristan ist und bleibt eine fabelhafte Tat. Wer an Sie nicht glauben will, kann es nicht weit bringen. Genügend, und nur durchaus wohl- wollend war ich über Ihre immer w^ieder aufgenommenen Bemühungen für jenes aus- schw^eifendste meiner Werke unterrichtet worden; fast konnte ich nur teilnehmend darüber lächeln, dass hier einmal durchaus gegen den Strom geschwommen werden sollte! Nun lache ich hellelaut über solches Gelingen: es ist wider Sternenlauf. Aber Ihnen steht das alles ganz recht und gut: so muss es sein! . . . Bleiben Sie mir gut und glauben Sie an meine Bewunderung!"

So schön, freundlich und von gegen- seitiger Dankbarkeit verklärt hatte sich die Freundschaft der beiden Männer gestaltet. Und als dann am 18. Februar 1883 die sterb- lichen Reste des grossen Meisters bestattet

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wurden, war es sein grosser Sänger, der mit wenigen auserwählten Getreuen ihm das letzte Geleit gab und mit ihnen das Gelöbnis ewiger Treue ablegte.

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. Die Fragte, ob Niemann nach dem Kriege von 1866 für die preussische Hauptstadt zu gewinnen sei, wurde in den Theaterkreisen fast mit derselben Wichtigkeit behandelt, wie in den politischen die Annexion Hanno- vers. Jedoch wurde es dem Intendanten V. Hülsen nicht allzu schwer, Niemann zu fesseln. Hülsen hat es immer als den einzigen Fehler seines Bühnenregiments bezeichnet, dass er sich zehn Jahre vorher hatte Nie- mann entgehen lassen. Doch hat er wohl andere, schwerere begangen.

Die Ära Hülsen erscheint dem Rück- schauenden als die glänzendste Epoche der Berliner Opernbühne. In der Tat hat diese nie eine solche Vereinigung der stolzesten Namen besessen. Als Niemann erschien, glänzte als hellster Stern Pauline Lucca, neben ihr die edle Harriers- Wippern; später kam Marianne Brandt, Mathilde Mallinger, Vilma V. Voggenhuber, Lilli Lehmann hinzu; unter den Sängern bildeten Betz und Fricke

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mit Niemann ein auch äusserlich hervor- ragendes TrifoUum, dazu kam Theodor Wachtel, Niemanns lyrischer Antipode. Wie König- Wilhehn L seiner Hofbühne das freundUchste Interesse zuwandte, so waren alle Berliner stolz auf ihre Oper und be- schäftigten sich lebhaft mit ihren Lieblings- sängern. Die Übermütigkeiten der kleinen Pauline Lucca, die sich mit Bismarck hatte auf einem Bilde photographieren lassen, ein derber Witz, den Niemann am runden Tisch bei Siechen oder Betz bei Trarbach gemacht hatte: alles wurde fleissig kolportiert und be- lacht. Im Theater bekämpften sich die Par- teien, denn schon begann Wagner dem grossen Repertoire-Beherrscher Meyerbeer Konkur- renz zu machen; in der Presse orakelten die Gewaltigen, Engel, Gumbert, Wüerst, Gum- precht, deren klassisches Gemüt sich zwar mit Meyerbeer abgefunden, dem Melodienmörder Wagner aber den Tod geschworen hatte.

Nicht alles war Gold, was damals die Oper so glänzend erscheinen liess. Es war doch viel Starsystem dabei, das Ensemble nicht gleichwertig, neben den grössten

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Kräften auch minderwertig-e in wichtig*en Rollen beschäftigt. Chor und Regie bewegten sich im Geleise des Mittelmässigen; Proben waren nicht beliebt; das Repertoire zeigte ein ewiges Einerlei ; keine Spur von Initiative, weder in der entschlossenen Erwerbung des grossen Neuen, noch in feinsinniger, sorg- fältiger Belebung des Altbewährten; dazu das abendfüllende, geisttötende Ballett.

Niemann war in diesem Regime immer noch der Hecht im Karpfenteich. Ohne ihn würde das Repertoire noch viel einförmiger gewesen sein, da Spontini, Mehul, zum Teil auch Gluck durch seine Leistungen vor dem Verschwinden bewahrt blieben. Meyerbeer hielt sich, nach dem Abgange der Lucca, durch ihn auf der Höhe der jährlichen Auf- führungszahl, Wagner begann durch Nie- manns Tannhäuser undLohengrin der gleichen Ziffer sich zu nähern. Niemann wirkte, wenig- stens im ersten Jahrzehnt, mit demselben Feuereifer wie in Hannover; er trat bis zu 70 Malen im Jahre auf, das heisst mit Berücksichtigung der Ferien und des Ur- laubs — jeden dritten Tag.

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Am 3. Oktober 1866 erschien Niemann zum ersten Male als festes Mitglied der Berliner Hofoper als Tannhäuser, am 8. folgte der Josef, am 11. der Fra Diavolo. Die Be- geisterung des Publikums war die gleiche wie früher und Hess sich auch nicht durch die nörgelnde Kritik, die immer an Niemanns Gesang auszustellen hatte, beirren. Dieselbe Kritik musste dann doch wieder bekennen, dass er die einfachsten Melodien, wie in Mehuls Oper, mit rührender Schönheit, oder auch selbst die Koloraturen im „Robert" mit vollendeter Akkuratesse gesungen habe.

Erst das Jahr 1868 brachte Niemann eine neue grössere Aufgabe. Damals kam im Dezember der „Fliegende Holländer" nach 25 Jahren Pause in Berlin wieder zur Auf- führung: Betz gab den Holländer, Niemann den Erik. „Vollendet im Ausdruck, echt in der Darstellung", so wird seine Leistung gerühmt. Er hat den Erik später nicht oft mehr gesungen, und doch war gerade seine energische Auffassung sehr geeignet, dieser Gestalt das Brackenburghafte, das ihr in geringerer Besetzung anklebt, zu nehmen.

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Im selben Jahre 1868 hat Niemann zum ersten Male in Wien gastiert: für den Nord- deutschen ein heisser Boden, wo die Er- innerung an Ander noch lebendig war. Aber Niemann kam und siegte. Zwar verhielt sich das Publikum anfangs kühl, aber die aus- verkauften Häuser zeigten, dass auch die Wiener sich dem Zauber des grossen Dar- stellers nicht entziehen konnten. Rienzi, Tannhäuser, Lohengrin, Josef, Prophet, Faust und der Achilles in Glucks „Iphigenie in Aulis" waren die Partien, in denen er 1868 und dann wieder 1872 in Wien auftrat.

Und wie in Wien, so ging es überall auf den Gastspielreisen Niemanns. Lange vorher ist kein Platz mehr zu haben, in festlicher Stimmung, mit fieberhafter Spannung sieht das Publikum dem Auftreten des Gefeierten entgegen. Dann erscheint der Held, vom Schwane gezogen, oder hoch zu Rosse, oder wankend am Pilgerstab, oder in der roten Fischermütze das Volk zur Freiheit rufend da ist alles im Banne seiner Grösse, nur für ihn hat man noch Augen, atemlos sieht und lauscht die Menge dann bricht toben-

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der Beifall aus und besonders der Enthu- siasmus der Jugend kennt keine Grenzen.

Mit dem Jahre 1869 schienen sich für die BerUner Opernkunst bessere Aussichten zu eröffnen: Karl Eckert, mit Niemann bald innig befreundet, hatte die alten Kapell- meister Taubert und Dorn ersetzt und führte sich mit einer guten Einstudierung des Lohen- grin ein. Dann folgten im April 1870 die „Meistersinger von Nürnberg". Niemann als Walther war eigentlich der einzige, der in dieser tumultuarischen Aufführung Gnade vor den Augen des Publikums fand, während die herrlichen Leistungen des Betz und der Mallinger, die Wagner 1868 in München selbst angeleitet hatte, noch nicht gewürdigt wurden, wie denn den Berhner Weisen zweifellos feststand, dass dieses Werk nicht lebensfähig sei. Es wurde denn auch recht selten gegeben.

Dagegen trat nun Verdi stärker hervor. Niemann sang den Maurice, 1874 den neu- studierten Ernani und im selben Jahre den Radames in der neuen Oper ,,Aida".

Das Jahr 1876 brachte dann endlich in

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Berlin „Tristan und Isolde" mit Niemann und der stimmgewaltigen Vilma v. Voggenhuber. Der Meister selbst hatte die Proben geleitet, am 20. März wohnte er der Aufführung bei, die noch einmal alle Feindsehgkeiten wütender Opposition hervorrief. Sechs Vorstellungen fanden im März und April statt; über Niemianns Verkörperung des Helden Tristan gab es auch bei den Gegnern nur eine Stimme. Im Sommer sang er in Bayreuth den Siegmund. Das Jahr 1876 war somit doch der Höhepunkt seines ganzen künstlerischen Schaffens; zwei der tiefsten tragischen Ge- stalten gaben ihm Gelegenheit, die ganze Grösse seiner hinreissenden Begabung zu entfalten.

Von da an begann seine Tätigkeit zu ebben. Nicht durch seine Schuld. Beide grossen Partien durfte er viele Jahre lang nicht mehr zur Darstellung bringen. Das Ba^Teuther Festspiel erneuerte sich nicht, der Berliner Tristan blieb, nachdem er im "Winter 1876 noch zweimal gegeben war, volle fünf Jahre unaufgeführt. Was half es, dass der Cortez 1877 ^^^ einstudiert wurde,

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dass Niemann auch in der „Olympia'' als Cassander auftrat? Die Zeit Spontinis war vor- bei. Niemanns Rollenkreis zog sich immer eng-er ; ihm selbst machte es auch nicht stets Vergnügen, dieselben Partien wieder und wieder bis zum Überdrusse zu singen; so gab es Abende genug, wo man merkte, dass der grosse Darsteller nicht bei Stimme, nicht in Stimmung sei. Dem Bayreuther Künstler konnte die Unnatur eines Robert, eines Vasco nicht verborgen bleiben; auch beim Publikum begann Meyerbeer zu versagen. Anderer- seits geschah auch nichts Ernsteres für die Belebung des Wagnerschen Stils, besonders nachdem 1879 Karl Eckert plötzlich ge- storben war. Die neuen Aufgaben, die sich dem Sänger boten, waren spärUch und un- dankbar ; was sollte Niemann mit dem blassen „Feramors" Rubinsteins oder gar mit des- selben Komponisten missratenem „Nero" an- fangen? Es war ein schöner Beweis künst- lerischer Pietät, dass Niemann für Gluck eintrat; so hat er 1882 in der „Alceste** ge- zeigt, wie ergreifend die Abschiedsszene des Admet im 2. Akte wirken kann, und in der

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NIEMAXX als Tristan

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„Iphig-enia auf Tauris" hat er 1889 die Bariton- partie des Orest übernommen.

Es wird immer ein schwerer Vorwurf für die Ära Hülsen bleiben, dass man in Berlin sich nicht zu dem Entschlüsse aufraffen konnte, Wag-ners „Ring" zu geben. Als im Februar 1880 der Wagner- Verein in Anwesenheit Kaiser Wilhelms den i. Akt der Walküre konzertmässig zur Aufführung brachte und Niemann zum ersten Male neben einer ebenbürtigen Sieglinde, Rosa Sucher die Hörer zur hellen Begeisterung fortriss, konnte man wohl hoffen, dass auch die Hofbühne an den „Ring" gehen würde. Aber Herr V. Hülsen hielt es noch immer für angemessen, dem Meister zuzumuten, ihm die „Walküre" allein zu überlassen. So mussten Kräfte, wie Niemann und Betz, denen Wagner selbst die Hauptpartien einstudirt hatte, brachliegen, während die Tetralogie 1881 im Viktoria- theater von fremden Kräften aufgeführt wurde.

Im selben Jahre hatte Niemann w^enig- stens durch die Wiederaufnahme des „Tristan" im November Gelegenheit, seine alte Meister-

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Schaft zu bewähren. Wie hatten sich doch schon die Zeiten geändert! Welch eine Weihestimmung in dem dichtbesetzten Hause und welch ein Sturm des Enthusiasmus am Schlüsse 1

Dennoch musste der Meister erst gestorben sein, damit in Berlin der „Ring" mit der „Walküre" begonnen werden durfte. Am 7. April 1884 konnte Niemann den Berlinern endlich seinen Siegmund zeigen, und weit überragte er alle andern Mitwirkenden bei einer Aufführung, die von dem Bayreuther Stil wenig an sich hatte. Die Ära Hülsen neigte sich ihrem Ende zu. Niemann, der dem Intendanten persönlich stets treue Dank- barkeit bewahrt hatte, war doch mit dem künstlerischen Geiste dieser letzten Jahre nicht zufrieden; es verlautete, dass er sich einmal geweigert hätte, den Florestan zu singen, weil nach dem „Fidelio" zur Füllung des Abends noch das Ballett „Thea die Blumen- fee" gegeben wurde. Noch weniger aber konnte er sich mit dem neuen Geiste be- freunden, der nach Hülsens Tode September 1886 in das Berliner Opernhaus einzog.

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Niemann sah alles um sich her verändert, die Mallinger, die Brandt, die Vogg-enhuber hatten sich von der Bühne zurückgezogen, nur Betz stand noch neben ihm. Es geschah nur selten, dass eine bedeutende Aufgabe oder das Spiel mit einer ebenbürtigen Partnerin den alternden Helden in der früheren Grösse zeigte, so, als er im Juni 1887 mit Rosa Sucher das „wildverzweifelte Zwillingspaar" verkörperte. Schon am Ende dieses Jahres gingen Gerüchte, dass Niemann der Berliner Oper stillschweigend Valet gesagt. Dann schien es, als wenn das nächste Jahr, wo durch den Eintritt des Sucherschen Ehe- paares eine bessere Zeit sich ankündigte, auch den grossen Darsteller noch einmal zu neuen Taten anregte. „Rheingold" und „Götterdämmerung" schlössen nun endlich den etwas länglich gezogenen Berliner „Ring". Man trug sich mit der schönen Hoffnung, Niemann als Siegfried im Schlussdrama der Tetralogie eine letzte grosse Kunstleistung vollbringen zu sehen ; aber kurz vor der Auf- führung sagte er ab. So muss man denn die, wenige Wochen vorher, am 8. September

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1888 stattgehabte Vorstellung von „Tristan und Isolde" als den eigentlichen Abschied Niemanns bezeichnen; es war zugleich die An- trittsrolle der Rosa Sucher. Noch einmal zeigte der alte Löwe, was er konnte, wenn er Blut geleckt; noch einmal sah man Niemanns ernste Gestalt am Steuer stehen, sah ihn in Isoldes Schiffszelt treten, sah ihn mit blutender Wunde vom Lager sich raffen und in Isoldes Armen zusammenstürzen und man wusste, dass alle Nachfolger dagegen Pygmäen sein würden.

Wann Niemann m der Tat zum letzten Male in Berlin aufgetreten ist? Man weiss es nicht. Eines Abends nach der Vorstellung soll er wie beiläufig geäussert haben, heute hätte er Schluss gemacht. Vornehmer ist nie ein gefeierter, vergötterter Künstler abgegangen denn welch Ungeheuren Ovationen entzog er sich, die man ihm bei einer angekündigten Abschiedsvorstellung dargebracht hätte! vornehmer nie, und nie gleichgültiger. Ruhm, Ehren und klingen- den Lohn hatte er genug gehabt, noch zu- letzt auf einem Gastspiele in Amerika; der

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Kunst hatte er an 40 Jahre seines Lebens geweiht, nun wollte er im traulichen Familien- kreise*) ausruhen und seinen Passionen, vor allem dem edlen Waidwerke leben. Aus Lob und Tadel hatte er sich niemals viel gemacht, nie dem Publikum oder der Kritik ge- schmeichelt, aber ihn graute vor der Rolle der geborstenen Säule, der mitleidsvoll mit Achselzucken gerühmten grossen Ruine; er zog es vor, im Vollbesitze nicht seiner Stimmittel, denn die hatten natürlich schon der Zeit den Tribut gezahlt aber seiner künstlerischen Kraft von der Bühne abzu- treten: „sein Tag war da getan".

Übrigens kam es noch zu einem Ab- schiede Niemanns von seinen Berlinern, deren populärster Sänger er doch war und bUeb. In einem Konzerte der Berliner Wagner- vereine am 15. Februar 1892 hat der Ein- undsechzigjährige zum letzten Male gesungen: den Siegmund im ersten Walküren - Akte

*) Nachdem Niemann sich 1867 von seiner ersten Gattin getrennt hatte, heiratete er 1870 Hedwig Raabe, die unübertroffene , Naive", die ihm zwei Söhne schenkte; ein talentvoller Sohn aus erster Ehe ist jung gestorben.

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neben Rosa Sucher-Sieglinde. Ein unver- gesslicher Abend. Hochragend wie immer auf dem Podium die Gestalt des „kühnen Säng-ers", gewaltig noch seine Stimme, er- greifend sein Ausdruck. Da gab es denn freilich zum Schluss einen Ausbruch der Ver- ehrung und Huldigung, würdig eines Er- lebnisses, bei dem ein jeder sich trauernd sagte: „Wir werden nimmer seinesgleichen schauen."

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Die Aufgabe, mimische Gestaltungen durch das Wort festzuhalten und zu schildern, ist gegenüber einer Erscheinung, wie die Albert Niemanns war, besonders schwierig. Wer ihn gesehen und gehört hat, vergisst ihn nie; wem das nicht vergönnt war, der wird aus einer Beschreibung nichts Anschau- liches entnehmen. Gerade bei Niemann wird man gut tun, statt einzelne Züge zu berichten, seine Persönlichkeit zu erfassen. Das klingt wie von selbst verständlich; und doch lege man sich einmal die Frage vor, bei wie vielen unserer Schauspieler man von einer Persön- lichkeit sprechen kann. Auf der einen Seite das ewige Einerlei der Konvention, auf der andern das studierte Bemühen um Originalität; dort die deutliche Kopie eines berühmten Kollegen, hier die Sucht zu zeigen, dass man „auch einer" sei; dort der Routinist mit den wirksamen Mittelchen und Mätzchen, hier der „denkende" Mime mit der verstimmenden Absicht Aber selbst ein interessantes

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Original ist noch lange keine Persönlichkeit: diese muss den ganzen Menschen ergreifen, Verstand und Sinne, Geist und Gemüt Daher der Zauber, der von ihr ausstrahlt und jeden gefangen nimmt, soviel man sich auch sträubt und Mängel entdeckt, die doch nur die Kehrseite der grossen Vorzüge sind.

Eine solche alles bezwingende Persönlich- keit war Niemann. Seine Erscheinung hat etwas Altgermanisches: als wenn sich aus grauer Vorzeit durch Geheimnis des Blutes ein Spross in eine kleine Gegenwart verirrt hätte, die ihn furchtsahi bewundert, so steht er da mit dieser unverwüstlichen Körperkraft, diesem unbezähmbaren Hang zur Jagd und Fischerei,*) zum Spielen und Zechen, zum Durchsetzen seines Willens und, wenn nötig, zum Dreinschlagen.

Auf der Bühne ist solch eine Gestalt

*) Während er bei der Viardot in Baden-Baden Gesang- stunden hatte, stand er nebenbei auch mit Kanonenstiefeln im Wasser und fischte Forellen. Eine Pflege oder Schonung der Stimme kannte Niemann kaum ; am Tage der Vorstellung blieb er wohl zu Hause und sprach nicht viel, sonst überwand seine Riesennatur alles. (Fischer, Musik in Hannover 205.)

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etwas ganz Seltenes. Niemann brauchte nicht erst den Kothurn zu besteigen, er war der geborene Held. Sein herrlicher Wuchs, seine hohe Gestalt lenkten sofort auf ihn die Blicke; um Haupteslänge überragte er alles Bühnen- volk und trat damit von selbst in den Mittel- punkt, ohne es darauf anzulegen. Unnach- ahmlich schön war sein Gang, hoheitsvoll und elastisch zugleich; seine Schritte waren um so bedeutender, je sparsamer sie waren, denn Niemann besass die schwere Gabe des ruhig Stehens in hohem Masse.

Seine Gebärde war gross und eindrucks- voll; aber nichts von konventionellen Gesten, sondern alles natürlich, wie vom Augenblick eingegeben, so durchdacht es auch sein mochte. Überhaupt: wer Niemann etwa einen grossen Naturalisten nennen wollte, in dem Sinne, dass ihn sein Genie der künstlerischen Arbeit überhoben hätte, der würde fehlgehen. Im Gegenteil, er selbst hat betont, wie sehr er sich von den Naturalisten unterschied: „Wer von den heutigen Darstellern lernt noch, wie man einen Dolch oder ein Schwert heraus- zieht? ich habe es bei Duprez methodisch

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gelernt." Hier also hatte „Natur mit Kunst gehandelt". Nie kam eine Bewegung wie einstudiert heraus, sondern immer wie aus dem dramatischen Motiv des Momentes ent- standen, eigentümlich und charakteristisch, durch Kürze und Prägnanz überraschend oder durch Grösse und männliche Kraft berückend. Wenn Niemann meistens eine andere Gebärde machte, als man es von seinen Kollegen an dieser Stelle gewohnt war, so wirkte das nicht nur interessant, sondern auch überzeugend. Er lehrte so recht das Unnatürliche des althergebrachten Spiels, der stereotypen Operngesten erkennen und belächeln. Er wandte sich nie zum Publikum, das für ihn nicht vorhanden war, drängte sich nie vor; keine Spur von gefall- süchtigen Schönheitsposen, aber auch nichts von Kraftmeierei und heldischem Getue. Er spielte nicht in dem Sinne Wagnerisch, dass jede Gebärde genau einem Motiv oder einer orchestralen Figur entsprechen müsse ; mit kleinen Dingen gab er sich nicht ab, sondern wirkte durch grosse Züge, er bot meist nur das Notwendigste, aber mit einer

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Plastik, die alles hinriss und in seinem Banne festhielt.

Dazu kam etwas ganz Seltenes : der Blick. Dieses Requisit findet sich g*ewöhnlich nicht in der Garderobe unserer Schauspieler; andererseits wird keinem Kenner des Wagner- schen Kunstwerkes entgehen, welche Mit- wirkung dem Blicke darin zukommt. Man denke nur an den ersten Akt der Walküre oder des Tristan, wo in der Tat der Augen- Blick dem Augenblicke seine dauernde dramatische Bedeutung verleiht. Hier muss das Auge mit den Instrumenten im Sprechen wetteifern. Mit dem guten Willen aber ist es dabei nicht getan; die Natur muss vor- gesorgt haben, damit die richtigen Inten- tionen auch in den grossen Räumen der Opernhäuser wahrgenommen werden. In dieser Hinsicht war nun Niemann wunderbar begabt; aus grossen, runden, etwas hervor- tretenden Augen strahlte ein mächtiger, ernster, tragischer Blick, der sich tief in die Augen des Gegenspielers zu versenken schien und dem stummen Spiel erst die rechte Beredtheit gab.

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Am schwierigsten ist Niemanns Stimme zu charakterisieren, schon deshalb, weil sie so sehr verschieden sich vernehmen Hess. Der Sänger war oft indisponiert; der Kampf mit dem Objekt wurde ihm schwerer gemacht, als so vielen weniger bedeutenden Kollegen. Von einer gleichmässigen Schönheit konnte dann kaum die Rede sein; die Kantilene war oft zerhackt und kurzatmig; die Vokali- sation nicht immer edel; die Töne drangen nicht frei, sondern nasal gehemmt hervor. Dies machte sich aber doch erst in späteren Jahren geltend, wo dann auch die Höhe nicht mühelos ansprach. In seinen besten Jahren war das Organ ein prachtvoller Heldentenor mit baritonaler Färbung. Nie- mann war kein Ritter vom hohen C, dafür aber besass er eine kräftige Mittellage; er prunkte nicht mit süsslichen Falsettönen, wusste aber sehr geschickt die Register zu verbinden. Dazu die gewaltige Stärke und die Deutlichkeit der Aussprache, damals noch eine Seltenheit.

Doch alle diese Dinge, die bei den Tenören sonst die Hauptsache sind, waren bei diesem

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Sänger wirklich nur Nebensächliches. Denn die unerhörte Kraft des Ausdrucks Hess die Frage, ob diese oder jene Stelle mehr oder weniger schön gesungen worden, gar nicht aufkommen. Wer Niemann nicht gehört hat, kann sich eigentlich nicht vorstellen, wie weit die Fähigkeit zu gehen vermag, durch die Modulation des Sprach - Gesanges jeden möglichen Affekt hervorzubringen. Ihm standen alle Färbungen zu Gebote, nicht nur für Liebe und Hass, Trauer und Jubel, Schmerz und Freude, sondern auch für Zorn, Verzweiflung, Hohn, Spott, Verachtung. Wem klängen da nicht unnachahmliche Wendungen im Ohre, wie die Gering- schätzung Biterolf s : „Was hast Du, Ärmster, denn genossen?" oder die Ironie: „Wolfram bist Du, der wohlgeübte Sänger!" oder der dräuende Zorn: „Zurück von ihr, Verfluchte!" oder die chevalereske Herablassung gegen- über den NobiH, oder die herzzerreissende Bitte des gefangenen Florestan, oder der Freiheitsschrei des umnachtet en Masaniello: „Gebt mir Waffen!" Niemann hatte eine Anzahl ihm ganz eigentümUcher Mittel, die

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Drastik des Ausdrucks zu steigern und die Leidenschaften ganz zu entfesseln, wobei er bis an die Grenzen des Schönen ging. Er gab z. B. dem stark ausgehaltenen Vokal a eine gewisse sinnliche Vibration^ die eine unfehlbare Wirkung hervorbrachte, auch bei den Liedern, die er so sehr bevorzugte, wie die „FrühUngsnacht" und „Ich grolle nicht" von Schumann. Man konnte hier wohl ästhetische Zweifel an der Berechtigung solcher Akzente im Konzertsaal*) hegen: ein anderer durfte es eben nicht, „ihm brächt' es Spott und Schmach" aber Niemann war das so natürlich, dass jeder Widerspruch verstummte. Seine Wucht, sein Temperament warfen alles nieder; es war oft eine Manier al fresco: er Hess wohl zehn Takte, die ihm nicht lagen, unter den Tisch fallen und hob den elften zu einem so grandiosen Effekt

*) Doch soll hier nicht vergessen werden, dass Nie- mann auch ein ganz ausgezeichneter Oratoriensänger war. Wie oft hat er nicht den „Judas Maccabäus" von Händel gesungen und wer hätte eine solche Partie jemals wieder so gehört? Er war eben „der Held, mit Preis gekrönt" auch im Konzertsaal.

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empor, dass sich doch der Hörer willenlos diesem angeborenen Genie, dieser vulka- nischen Gewalt beugfte.

Schon früh in Hannover hat man den stark sinnlichen Zug* seines Spiels und Ge- sanges hervorgehoben. Es lässt sich gar nicht leugnen, dass ein gutes Teil seines Anreizes und seiner Erfolge hieraus resultierten. Das war ja auch ganz erklärlich und berechtigt. Was jene girrenden italienischen Tenöre und ihre deutschen Nachtreter erstrebten, ohne doch anders als lächerlich zu wirken, das brach aus diesem blonden Germanen ganz unbeabsichtigt, mit natürlicher Leidenschaft hervor. Er beherrschte die ganze Skala der Äusserungen des Eros: von der seraphischen Liebe des Gralsritters zu der verklagten Jung- frau bis zur unheimlichen Lüsternheit des verdammten Sängers, den sein Dämon wieder nach dem Venusberg zieht. Er wusste himm- lische und irdische Liebe, Brunst und Inbrunst mit romantischer Glut zu verschmelzen; auf ihn passte das Faustische: ^Du sinnHch über- sinnlicher Freier". Er hätte überhaupt das Zeug gehabt, den Goetheschen Faust, den

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wir auf unseren Bühnen vergeblich suchen, zu verkörpern, und ebenso den Don Juan nicht den Mozartschen, sondern den des Grabbe oder den Lenauschen.

FreiUch darf nicht verschwiegen werden, dass durch das starke Hervortreten des ero- tischen Momentes zuweilen in Dichtung und Musik ein Zug hineinkam, der in dem Kunst- werk selbst nicht begründet war. Aber Nie- mann konnte nicht anders, als sich eine Partie nach seiner Weise zurechtlegen, eine Gestalt in seine Natur übersetzen. Trotz aller Wand- lungsfähigkeit war er» immer Niemann, kein Darsteller hätte sich so schwer in eine andere Auffassung zwingen lassen wie er. Und er zwang nun wieder dem Publikum seine Auf- fassung auf, mit solcher Gewalt, dass es sich eine andere überhaupt nicht denken konnte und wollte. Er hat dadurch das Verständnis Wagnerscher Werke jahrzehntelang in einer bestimmten Richtung beeinflusst. Aus dem Tannhäuser und Lohengrin schuf er Typen, die sich unauslöschlich einprägten und fest- setzten. Niemanns Tannhäuser war der Tann- häuser; und man wird sich noch des Er-

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NIEMANN als Siegmund

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Staunens erinnern, das Knilles bekanntes Bild hervorrief, weil es einen jungen, brünetten, unbärtigfen Venusritter darstellte, der den Berlinern ganz fremd war. Ebenso war Nie- mans Lohengrin traditionell geworden, ob- schon man sich wohl den Gralsritter eher so vorstellen möchte, wie etwa RafFaels Sankt Georg, der den Drachen erschlägt. Aber Niemanns Vollbart war etwas Heiliges, woran kein Schermesser sich wagen durfte, ohne den Zorn des Sängers, den Schmerz seiner Enthusiastinnen hervorzurufen.

Man kann Niemanns Bedeutung doch nicht recht würdigen, ohne wenigstens einiger der von ihm geschaffenen Gestalten zu ge- denken. Da fällt zuerst sein „Josef in Ägypten" ins Auge, mit dem er oft die Menge bis zu Thränen gerührt hat. Man hat sich immer gewundert, dass er eine so einfache Partie so schlicht und doch so hinreissend geben konnte, er, der sich sonst nur als Held wohl fühlte. Die Antwort ist einfach: nicht in der klirrenden Rüstung suchte er das Heldentum, sondern in den Seelenkonflikten und im Leiden.

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Wo Niemann den tragischen Helden dar- stellen konnte, gleich ob Josef oder Tristan, da war er in seinem Elemente, rührend und gross. Weil dieser M^hulsche Held so ein- fach und echt, so voll Herzensgüte und Ver- gebung ist, deshalb konnte ihn Niemann so hoch heben, so innig wiedergeben, ganz gleich, , ob die Rolle schwer oder leicht war. Ahn- lich ist es mit seinem Max. Er hat Webers biederen Jägerburschen noch bis in die letzten Jahre ganz herrlich gespielt; er gab ihm die Treue und Schwärmerei des deutschen Jüng- lings, daneben auch das tiefe Leiden eines edlen Gemüts, das sich unentrinnbar von bösen Mächten umgarnt sieht. Als dritte Ge- stalt käme dann sein unerreichter Flor est an. Auch im Kerker dieses Freiheitshelden fasste den Hörer der Menschheit ganzer Jammer an; Niemann führte die Herzen mit dem grossen Meister Beethoven an die Grenzen der marternden Verzweiflung, er entrückte | sie in überirdische Visionen, er riss sie zu| schrankenlosem Jubel dahin. Hier kam ihm | die seltene Gabe zustatten, dass er die Stimme weinen lassen konnte, weinen in Schmerz

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und Freude. Wer macht ihm das heute nach?

Bei Meyerbeer lag die Sache anders. Da musste Niemann von dem Seinig-en viel hin- zutun, um den tragischen Helden überhaupt erst erstehen zu lassen. An seinem Robert rühmte man besonders die interessante Auf- fassung der Spielszene im i. Akte. Hier, wie als Raoul, hat er, seiner Natur gemäss, den edlen und frommen Ritter dargestellt, der unverdorben in eine seichte, elegante und spöttische Welt hineintritt, dieser aber doch durch seine Reinheit und Kraft imponiert; zugleich umschwebte ihn der Hauch roman- tischer Liebeswerbung. Weit überragt diese Leistungen sein Prophet. Aus dieser von Scribe mit allen möglichen Lappen zusammen- geflickten Gestalt schuf Niemann ein Ganzes von wunderbarer Grösse. Wie er in den Gounodschen Faust den Goetheschen hin- eintrug, so in den Propheten etwas von der historischen Erscheinung des „Königs von Sion**. Gab ihm der Scribesche Held mensch- lich nur ein Zerrbild, so konnte Niemann ihm wenigstens religionsgeschichtliche Grösse ver-

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leihen und durch majestätische Gestalt, freie Auffassung*, Herausheben kleiner wichtiger Zügfe, Eindringlichkeit der Harangfue, die Ge- walt erklären, die dieser betrog*ene Betrüg-er über die Schwarmgfeister ausübte. Seit Niemanns Abgang-e ist der Prophet tot, wie „Der Königsleutnant" oder der alte Klings- berg ohne Friedrich Haase, wie so manche Stücke, die einzig vom Genie der Darsteller lebten.

Der kämpfende, siegende, verratene, lei- dende, triumphierende oder untergehende geschichthche Freihöitsheld diese Reihe grosser, von Niemann verkörperter Männer Judas Maccabäus, Florestan, Cortez, Masa- niello, Johann von Leyden, Vasco führt uns zur ältesten Wagnerschen Heldengestalt, zu Cola Rienzi. Wagner hat hier der Opernbühne den ersten wirklich historischen Helden gegeben: aus dem vielen Opernhaften, das dieser Partitur noch anklebt, hebt sich der Charakter des Tribunen glaubhaft und gross heraus. Zugleich war dieser Rienzi aber auch der letzte geschichtliche Held Wagners, indem sich der für ihn notwendige

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Übergang* von der Konvention zum Rein- menschlichen hier schon vollzieht. Niemann hat dies gefühlt So mächtig er den Nobili ent- gegentrat, so prächtig er sich ausnahm, wenn er das Streitross mit sicherer Hand regierte, das Beste gab er doch im 4. Akte, wenn er nach dem Bannfluche des Priesters, vom Volke verlassen, das er frei gemacht hatte, aus der Betäubung erwacht, die Schwester an seiner Brust fühlt und mit tränenerstickter Stimme fragt: „Irene, Du?*', dann hoch sich aufrichtet: „Noch gibfs ein Rom!"

Damit sind wir zu den Wagnerschen Ge- stalten gekommen, deren Verkörperungen und Vergeistigungen ein unvergänglicher Ruhmestitel des grossen Sängers bleiben werden. Von ihnen möchte man die einzige nichttragische, Walther von Stolzing, zuerst ausscheiden. Hier gab Niemann das Beste in den Szenen mit den Meistern: hoch- erhaben auf dem Singestuhle war er „ein wahrer Dichter-Reck''*; es fehlte nicht an Zügen, auf die der Durchschnitts-Tenor nicht kommt, so, wenn er auf Kothners Frage: „Ist er frei und edel geboren?" wie unwill-

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kürlich auffahrend an die Seite griff, als wollte er den frechen Handwerker nieder- schlagen, oder wenn er am Anfang der grossen Szene mit Sachs sich noch abweisend gegen den Schuster verhielt, der so eigenmächtig in sein Wollen eingegriffen hatte. Aber im ganzen zu viel Ritter, zu wenig Dichter- Jüngling; es fehlte das Freudige, Sanges- frohe. Nicht die heiteren, unerfahrenen Helden waren seine Stärke, sondern die Ge- prüften, im Leide Gehärteten oder die Ge- zeichneten, zum Leiden Bestimmten.

AJs ein wahrhaft «, Gottgesandter" stellte sich sein Lohengrin dar. Die beiden Klip- pen, an denen hier die Tenöre so oft scheitern das Süss-Schmachtende und das schön- heitsmässig Posierende vermied dieser ernste Künstler ganz von selbst; er war der Gralsritter, bei dessen Blick das Gemeine versinkt, das Schuldvolle erbebt, das Reine und Gute Trost und Hoffnung schöpft In der Szene mit Elsa aber welch eine Fülle wechselnder Stimmungen, reichsten Gefühles! Wie zart und glühend zugleich umfasste er die bräutliche Jungfrau ! Und dann nach allen

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Schauem der unsäglich rührende Schluss: „Weh, nun ist all unser Glück dahin I" Was Niemann mit vibrierendem Hauch in solche Worte zu legen wusste, kann der jüngeren Generation nicht klar gemacht werden; wer es aber von ihm öfters gehört hat, dem klingt es im Ohr, als wenn es gestern gewesen wäre.

Und nun zu den drei tragischen Helden, deren Darstellung die Krone des Niemann- schen Schaffens bleibt, zu den Leidenden aus Liebesnot: Tannhäuser, Tristan, Siegmund.

Von Niemanns Tannhäuser zu sprechen, ist überflüssig. „Aus Freuden sehn' ich mich nach Schmerzen" war das Motto seiner Auf- fassung; man wusste, dass dieser von den furchtbarsten Kontrasten der Leidenschaft Hin- und Hergeworfene nur im Tode Er- lösung finden kann. Niemann war ganz nach des Meisters Vorschrift ,,nie und nirgends etwas nur ein wenig, sondern alles voll und ganz". Dass hier nun wieder die Erzählung von der Pilgerfahrt im letzten Akte das Ausserordentliche war, ist bekannt. Schon die Erscheinung, die abgemagerten

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Arme, das gramdurchfurchte Antlitz, das Wanken am Pilgerstabe bot nie Gesehenes. Dann die Deklamation mit Akzenten von wuchtendem Weh und schneidender Schärfe; Inbrunst und Hoffnung-, Enttäuschung* und Verzweiflung-, dazwischen die Worte des Papstes wie eine schroffe Felswand. Wie viel hundert Male hat wohl Niemann dies einer atemlos lauschenden, schauerlich er- griffenen Menge vorg-eführt! Mochte er auch in den ersten beiden Akten manches neben- sächlich behandeln: hier zum Schluss war er immer selbst im Innersten gepackt, über sich selbst gehoben.

Über Niemanns Tristan wird man sich kurz fassen müssen, wenn der Raum fehlt, eine eingehende psychologische Würdigung dieser gewaltigen Gestalt zu geben. Nirgends trat die ernste Grösse, die gehaltene Männ- lichkeit des tragischen Helden so hervor, wie im i. Akte. Dieser Tristan war „ein Herr der Welt", aber auch „des Schweigens Herr". Auch hier gab es einen Höhepunkt des Ausdrucks, der nie vergessen werden kann: wenn Niemann, bebend und gefasst

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zugleich, auf Isoldens leidenschaftlichen Aus- bruch starr und bleich erwidert:

War Morold dir so wert, Dann wieder nimm das Schwert Und führ' es sicher und fest, Dass du nicht dir''s entfallen lässt.

Auch nach dem Rausche des Liebes- trankes, dem fessellosen Dahinstürmen der verhaltenen Glut hatte man bei Niemann immer das Gefühl, dass dieses Glück doch „trug-geweiht'', diese „Wonne voller Tücke'*, dass Haupt und Herz dieses Helden dem Tode geweiht sei. Und nun der 3. Akt: dieses Lechzen und Schmachten, Raserei ungestillter Sehnsucht, Wonnen geträumten Wiedersehens, Aufbäumen und Verzweifeln, Todestrotz, welthellsichtiges Ahnen alles bot uns Niemann mit völliger Hingabe des ganzen Menschen an die Ausführung des Ungeheuersten, noch nie vorher Geforderten. Und man muss es ihm nachsagen: er sonst geneigt, vor keinem Extrem zurück- zuschrecken — bewahrte hier künstlerische Mässigung, Hess sich auch im äussersten Paroxysmus fieberhafter Extase nicht zu un-

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schönen Übertreibungen, wie man sie von Kleineren sehen kann, hinreissen.

Nehmen wir nun Abschied von dem grossen Künstler, von unvergesslichen Er- innerungen der Jugendzeit wie könnte es besser und inniger geschehen, als mit der Hinweisung auf seinen Siegmund? Das war die Partie, die Niemann schlechthin voll- kommen darstellte; hier war auch die Stimm- lage so für ihn geschaffen, dass nichts die vollendete Ausführung störte. Man müsste hier jede Szene, jedes Wort und jeden Schritt einzeln beschreiben ^„und doch vergebens , wollte man dem nachgeborenen Geschlecht einen Begriff dieser künstlerischen Grosstat eines genialen Darstellers geben. Von dem Augenblick, wo der Wälsung gehetzt und gebrochen in Hundings Hütte wankt, bis zu seinem Todesseufzer, war jede Bewegung, jedes Wort, das Niemann bot, gross und herrlich, ergreifend und erschütternd. Wie klein erscheint dagegen fast alles, was im re- zitierenden, tonlosen Drama die vielgefeierten Schauspieler seitdem geboten haben, wie wenig noch von berufenen Kennern der

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Bühne eine solche einzige Leistung* des deutschen musikaUschen Dramas beachtet und geachtet! So sei es denn hier um nur einen Höhepunkt herauszuheben nach- drückhch ausgesprochen, das&in dem Moment, wo auf der Bayreuth er Bühne 1876 dieser Siegmund „mit einem BUcke voll schmerz- lichen Feuers auf Sieglinde" die Worte sprach: „Nun weisst du fragende Frau, warum ich Friedmund nicht heisse!'^ und, zu dem Ertönen des erhabenen C-moU-Themas der Wälsungen, mit der tragischen Gebärde des Todgeweihten dem Herde zuschritt dass damals deutsche Bühnenkunst, schaffend und nachschaffend, einen Gipfel erstiegen hatte, der unermesslich hoch über den Niederun- gen gewohnter und gepriesener Theatralik emporragt

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von Alberta v. Puttkamer

Walt Whitman

von Johannes Schlaf

Jeder Band elegant kartoniert M. I.ßO |

Jeder Band in

echt Leder geb. M. 2.^0 1

Verlag von Schuster & Loeffler, Berlin und Leipzig

WAGNERIANA

in drei Bänden von

ARTHUR SEIDL

Band 1: Richafd Wagner-Credo

Band II : Voü Palestrioa zu Wagner

Bändln: Die Wagner-Nachfolgc im Musikdrama

JederBand enthält mehr als 500 Seiten in Gross- oktav und kostet elegant geheftet je 5 Mark vornehm gebunden je 6 Mark

Jeder Band ist in sich abgeschlossen und einzeln käuflich

Ermässigter Preis des Gesamtwerkes: geheftet 12 Mark, gebunden 15 Mark

Zu beziehen durch jede Buchhandlung

Herrose & Ziemsen, Wittenberg.

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