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UNUTRSITY OF CALIFORNIA

SAN FRANCISCO MEDICAL CENTER

LIBRARV

JlLBREOHT VON GRJIFE'S ARCHIV

FÜR

OPHTHALMOLOGIE,

HERAUSGEGEBEN

VON

PROF. TH. LEBER Prof. H. SATTLER

IM HSIDSLBSR6 IN LSIPZIO

UND

PROF. H. SNELLEN

IN UTRECHT.

EINUNDVIERZIGSTER BAND

ABTHSILUNO III. MIT 7 FIGUREN IM TEXT UND 13 TAFELN.

LEIPZIG

VERLAG VON WILHELM ENGELMANN '/: : 1895. : , .

Inhalts-Verzeichniss

zu Band XLI, 3. Abtheilung.

Ausgegeben am 5. November 1895.

Seite

I. Zur pathologischen Anatomie der centralen und perinuclearen Katarakt. Von Dr. Eugen y. Hippel, Privatdocenten und erstem Assistenten der üni- versitäts -Augenklinik in Heidelberg. Hierzu Tafel I und II, Fig. 1—4 1—12

II. üeber das Vorkommen eigenthümlicher homogener Gebilde mit Amyloid - Reaction in Homhautnarben. Von Dr. Eugen r. Hippel , Privatdocenten und erstem Assistenten an der Universitäts - Augenklinik in Heidelberg. Hierzu Tafel III, Fig. 1—4 . . 13—29 III. üeber die histologischen Vorgänge bei der Heilung perforirender Lederhautwunden. Von Dr. E. Franke in Hamburg 30—49

rV. Die Nen'en der Augenlider und der Sklera beim Menschen und Kaninchen nach Untersuchungen mit der Golgi-Ciyarschen Methode. Von Dr. Ludwig Baeh) Privatdocenten und I. Assistenten an der Uni- versitäts-Augenklinik zu Würzburg. Aus dem Labo- ratorium der Universitäts -Augenklinik Würzburg. Hierzu Taf. IV und V, Fig. 1—4 50—61

V. I. Die Nervenzellenstructur der Netzhaut in normalen und pathologischen Zuständen. II. Die menschliche Netzhaut nach Untersuchungen mit der Golgi - Cigal'- schen Methode. Von Dr. Ludwig Baeh, Privat- docenten und I. Assistenten an der Universitäts- Augenklinik zu Würzburg. Aus dem Laboratorium der Universitäts - Augenklinik Würzburg. Hierzu Taf. VI, Fig. 1—7 62-83

1239

IV Inhalt.

Seite VI. Bau der Säugethiemetzhaut nach Silberpräparaten.

Von Dr. F. Hoseh in Basel. Aus der anatomischen Anstalt des Yesalianum zu Basel. Hierzu Taf.

VII und 4 Figuren im Text 84—98

VII. Ein Beitrag zur Kenntniss der leukämischen Er- krankung des Auges. Von Dr. Rosa Kerseh- bamner in Salzburg. Hierzu Taf. VIII, Fig. 1—3. 99—122

VIII. Die neuropathische Natur des Nystagmos. Von

Alfred Graefe. Mit l Figur im Text .... 123—138 IX. Zur Sehleistung der Myopen. Von Dr. Hermann Trlepel, Assistenten am anatomischen Institut in

Giessen. Mit 1 Figur im Text 139—157

X. üeber einen Fall von Graves'scher Krankheit mit Exophthalmus monocularis und einseitiger Schild- drüsen-Anschwellung. Von Dr. Perey Frldenberg

in New York. Hierzu Tafel IX 158—168

XI. Beitrag zur Kenntniss der Augenlidtumoren. Von Dr. Max Beeker aus Hannover. (Aus der Augen- klinik zu Jena.) Hierzu Tafel X und XI, Fig. 1—3 169— 185 XII. Ein Fall von subcoigunctivalem Angiom. Von Dr. D. BoBsalinOf wissenschaftl. Assistenten und Dr. 0. Hallauer, Volontairarzt der Klinik. (Aus der Augenklinik des Herrn Professor Schiess in Basel.) Hierzu Tafel XII, Fig. 1—3 186—197

XIII. lieber Kapselabhebungen. Von Dr. Alfred Topo- lanskl, Augenarzt im Barmherzigen Spital in Wien. Hierzu Tafel XIII, Fig. 1—5 198—207

XrV. üeber die Filtration aus der vorderen Kammer bei normalen und glaukomatösen Augen. Von Dr. Chr. F. Bentzen in Kopenhagen und Professor Th« Leber

in Heidelberg 208—257

XV. üeber eine lineare Fonn der stenopäischen Brille.

Von Professor Hensen in Kiel. Mit 1 Figur im Text 258—261

XVI. Notiz zu meinem Aufsatze: üeber den Lymphstrom aus der hinteren nach der vorderen Kammer. Von

Dr. W. Koster Gzn. aus Utrecht 262—263

XVII. Einige Bemerkungen zu W. Koster's Aufsatz: Bei- träge zur Tonometrie und Manometrie des Auges. Von Dr. F. Ostwalt in Paris 264—267

Zur pathologischen Anatomie der centralen und perinnclearen Katarakt.

Von

Dr. Eugen v. Hippel, .

Privatdocenten und erstem Assistenten der Üniversitäts -Augenklinik in Heidelberg.

Hierzu Tafel I und II, Fig. 1—4.

Nachdem die Untersuchungen von Deutschmann ^), Beselin^) und Lawford*') den Anfang unserer Kenntnisse über die pathologische Anatomie des Schichtstaars begründet hatten, waren es vor allen Schirmer's*) ausführUche Arbeiten, die das anatomische Substrat der Schichtstaar- trübung sicher stellten. Seine Befunde wurden von Hess*) und Peters*) in allen wesentlichen Pimkten bestätigt. Dass die Trübungszone bedingt wird durch das massen- hafte Auftreten kleiner zwischen den Linsenfasem liegender Tröpfchen, die am dichtesten angehäuft sind in einer auf dem Durchschnitt in Gestalt eines ovalen Bandes erschei- nenden Zone, dass femer nicht nur diese Zone, sondern

») V. Graefe's Archiv XXXII. 2., S. 295. 1886. «) Archiv f. Augenheilkunde. XVIII. S. 71. 1888. ») Royal London ophth. Hosp. Rep. Vol. XII, P. II, S. 184. 1888. *) V. Graefe's Archiv XXXV. 3. 1889. v. Graefe's Archiv XXXVI. 1. 1890. V. Graef e's Archiv XXXVII. 4. 1891. ») V. Graefe's Archiv XXXIX. 1. 1893. *) ibidem. V. Onefe'B ArchiT tdr Ophthalmologie. XLI. S. 1

2 E. V. Hippel.

auch der Kern von spärlicheren Tröpfchen und grösseren Lücken durchsetzt ist, sowie endlich, dass ein principieller Unterschied zwischen Schicht- und Centralstaar nicht be- steht, darf wohl jetzt als sicher gelten. Femer herrscht Uebereinstimmung darin, dass in den meisten, wenngleich nicht in allen Fällen, eine starke Schrumpfung des Linsen- systems nachweisbar ist.

Eine wesentUche principielle Meinungsverschiedenheit besteht nur zwischen Schirmer und Peters bezüglich der Art der Entstehung der Trübungszone. Während Schir- mer bekanntUch eine Erkrankung der ganzen Linse durch eine Ernährungsstörung annimmt, durch welche die peri- phersten jüngsten Fasern am meisten leiden, glaubt Peters, dass es sich um eine primäre Erkrankung des Kerns handele, durch dessen Schrumpfung erst die übrigen Ver- änderungen zu Stande kommen. Er greift auch wieder auf die alte Annahme zurück, dass die rhachitischen Krämpfe, die lange anhaltenden Contractionen des Ciliarmuskels zu der Erkrankung der Linse führen, dass demnach die mangelnde Zufuhr normalen Nährmaterials mid nicht patho- logische Zusammensetzung desselben die Trübimg bewirken. Er hält auch für die Naphthalin- und diabetische Kata- rakt es nicht für erwiesen, dass es sich um Zufuhr patlio- logischen Nährmaterials handele. Ich möchte auf diese Controverse nicht weiter eingehen, da meine Untersuchungen kein neues Beweismaterial in dieser Richtung beibringen, anatomische Untersuchungen werden hier überhaupt kaum die definitive Entscheidung Uefem. Was die von Peters vorausgesetzte schädliche Wirkung der Ciliarmuskel- Con- tractionen anlangt, so möchte ich nur zu bedenken geben, dass bei Patienten, die wir Monate lang unter Eserin bez. Pilocarpin Wirkung halten, meines Wissens eine schädliche Einwirkung auf die Linse nicht beobachtet worden ist.

Die wichtige Frage, ob ein grosser Procentsatz der Schichtstaare intrauterin entsteht und ob sich aus einem

Zur pathologischen Anatomie etc. 3

angeborenen Totalstaar einmal ein Schichtstaar entwickeln kann, könnte wohl beantwortet werden, wenn sich jemand der Mühe unterzöge, an grossen geburtshilflichen Anstalten die Neugeborenen durch längere Zeiträume zu untersuchen und mit congenitalen Katarakten behaftete Individuen weiter zu verfolgen.

Ob alle Schicht- und Centralstaare in der gleichen Weise entstehen, dürfte zur Zeit noch nicht zu entscheiden sein. Seine interessante Beobachtung von Schichtstaar beider Augen, wo die Trübung scharf auf die temporale Seite der linse beschränkt war, sucht Purtscher ^) durch entwicke- lungsgeschichtHche Störungen zu erklären, für welche die von Hess*) mitgetheilte linsenmissbildung bei einem Hühnchen das Verständniss anbahnt. .

Der Einfluss der Heredität für die Entstehung ver- schiedenartiger Staartrübungen bei MitgKedem einer Fa- milie ist bekannt.

Solche Verhältnisse liegen vor bei den Fällen, die ich hier beschreiben möchte; dieselben wurden in der Univer- sitäts-Augenklinik in Halle beobachtet und opeiirt, die 4 linsen wiurden mir von meinem Vater freundlichst zur Untersuchung überlassen.

Lina Lippig 32 J. Aufnalime 30. X. 1893. Vor 20 Jahren Iridektomie an beiden Augen; das Sehveimögen war immer mangelliaft, soll sich aber im letzten Jahre bedeutend verschlechtert haben. Patientin hat 5 Kinder: 2 davon sind vor 4 Jahren in der Hallenser Klinik wegen Schichtstaar iridektomirt worden, das dritte wurde mit der Mutter in die KlinUc aufgenommen und leidet ebenfalls an Staar; das vierte und fünfte sollen gesunde Augen haben, ebenso die Eltern der Patientin.

Status präs. (im Auszug). L. A. Linse geschrumpft, der Band im Colobom sichtbar. Die vonlersten Corticalschichten sind klar, dann folgt gegen das Centrum hin eine aus 3 breiten

*) Purtscher, Casuistischer Beitrag zur Lehre des Schicht- Btaars. Gentralblatt f. prakt. Augenheilkunde 1894. Februar. «) 1. c.

1*

4 E. V. Hippel.

Strahlen bestehende intensiv weisse Trübung; jeder dieser Strahlen läuft für sidi in ein kleines Dreieck von grellweisser Farbe aus. Vor diesen einzelne stiichförmige, radiär gestellte Trübungen^ die gegen den Aequator der Linse hinziehen, ohne die Peripherie zu erreidien. Hinter der dreistrahligen Trübung der vorderen Corticalis eine ähnliche in der hinteren. Beide sind eingeschlossen von einer schmalen ringförmigen weissgrauen Trübung. Con- eentrisch zu dieser verläuft in den Aequatorialparthieen eine An- zahl rundlicher ebenfalls weissgrauer Trübungen, die durch durch- sichtige Linsensubstanz von einander geschieden smd.

R. A. Im Wesenthchen dieselben Veränderungen wie links, die Trübung ist weiter fortgeschritten, so dass bei enger Pupille gar kein rothes IJcht zu erhalten ist Im Centrum der Linse grellweisse Trübung.

R. am 31. X., L. am 1. XI. modif. Lmearextraction mit Benutzung des vorhandenen Goloboms. Linsen treten fast in toto aus; normaler Heilungsverlauf.

2) Luise Lippig, 3 Jahre. Das Kind macht den Eindruck eines amaurotischen, tappt im Zimmer umher, in der Dämmerung bessere Orientirung.

Starker Nystagmus horizontalis. Im Centrum der ge- schrumpften Linse intensiv weisse Trübung, die von 2 ki'euz- förmig gestellten hellen Streifen unterbrochen ist Umgeben ist die centrale Trübung, die sich nicht durchleuchten lässt, von einer Schicht rauchig getrübter Corticalis. Dicht unter der Kaj)- sel feine strichförmige Trübungen. Bei enger Pupille kein rothes Licht

Exti'action wie bei der Mutter, normaler Verlauf, PupiUar- gebiet schwarz.

Die beiden fiülier iridektomirten Kinder der Frau Lippig konnten, da die Patientin weit entfernt von Halle wolmt, niclit zur Untersuchung bez. Operation kommen.

Wollen wir die Fälle in bestimmte klinisch wohl charak- terishle Gruppen einordnen, so begegnen wir gewissen Schwierig- keiten. Es handelt sich um eine Combination von Centralstaar mit etwas unregelmässigen schichtstaarartigen Trübungen. Die Fälle erinnern etwas an die klinischen Beobachtungen von Zirm *) (Fall IV und V) und vor allen Dingen, wie auch die anatomische Untersuchung zeigen wird, an den Fall I von Hess*). Ob die

>) Zirm. Klinische Mon.-Bl. f. Augenheilk. 1892. S. 5. «) 1. c.

Zur pathologischen Anatomie etc. 5

Katarakten angeboren waren , ist mit Sicherheit nicht zu ent- sdieiden; der Umstand, dafis 3 Kinder einer Matter daran leiden, spricht jedenfalls mit Wahrscheinlichkeit daiür.

Vollkommen stationär sind die Tiübungen offenbar nicht gewesen, da bei der Mutter das Sehvermögen im letzten JaJure erheblich abnatim.

Anatomische üntereuchung: Härtung der Linsen in MtiUer'- scher Flüssigkeit und Alcohol. Einbettung in Celloidin. Serien- schnitte mit dem Mikrotom. Untersuchung von ungefärbten sowie in Hämatoxylin- Eosin gefärbten Präparaten.

Mutter. Linkes Auge: Meridionalschnitt durch die Mitte der Linse. Grösster äquatorialer Durdimesser der gehärteten Linse: 6, sagittaler 3^/4 mm.

In den im Ganzen normalen peripheren Coilicalschichten finden sich einmal Spalten, die Kunstproducte darstellen, da sie vollkommen leer sind und es sich nachweisen lässt, dass die Enden der hier einfach zenissenen Linsenfasem genau aneinander passen, dann aber noch andere erheblich schmälere, die mit fein- kömiger in Hämatoxylin vielfach blassviolett gefärbter Masse er- füllt sind; ausser diesen kommen noch ziemlich viele schmale spindelförmige Hohlräume, besonders in den äquatorialen Theilen der Linse vor.

Ein breiter Spalt durchsetzt auf der einen Seite die Linse entsprechend dem Stemstralil, liier endigen die Linsenfasem breit und stumpf, der Spalt selbst ist mit kömiger Masse erfüllt.

Nach einwärts von der wenig veränderten Corticalis folgt eine Schicht, die auf dem Durchsdinitt die Form eines ovalen Bandes hat, das in der äquatorialen Zone recht breit, in der vorderen und hinteren Corticalis sehi* sclimal ist. Es setzt sich zusammen aus grossen, meist ovalen spindelförmigen dicht ge- drängten Myelintröpfchen, die mit Hämatoxylin eine etwas dunklere f^bung annehmen. Weiter einwärts folgt eine sehr schmale, auf dem Durchschnitt ebenfalls ovale Zone, die vome und hinten mit der eben geschilderten in directer Berühmng steht, während sie in der Aequatorialgegend durch eine schmale Scliicht annähemd normaler Linsensubstanz davon geschieden ist Sie besteht aus diditgedrängten Tröpfchen, die auch mattviolette Färbung an- nehmen und wie es scheint in einer Reihe schmaler unregel- mässiger Spalten gelegen sind. Daneben smd sie auch reilien- weise zwischen die Linsenfasem gelagert. Die ganze einwärts von dieser Zone gelegene Linsensubstanz ist durchsetzt von

6 E. V. Hippel.

maBsenhaften et^as gi'öberen meist nidit gefärbten Tröpfchen, die ganz den Schirm einsehen gleichen. Sie liegen zwischen den Fasern, sind nicht überall in gleicher Menge vorhanden, son- dern liegen am dichtesten in der Nähe der gleich zu besdireiben- den Flecken. Ziemlich symmetrisch, zu beiden Seiten sowohl in der vorderen wie in der hinteren Corticalis liegen nämlich an je einer circumscripten Stelle solche Tröpfclien in ausserordentiich dichter Anhäufung; dadurch dass sie sich hier mit Hämatoxylin intensiv dunkelviolett färben, erscheinen diese Stellen an ge- färbten Pi-äpai-aten makroskopisch als ca. */, ^/^ mm grosse Flecken. Es handelt sich liier nicht nur um die ganz kleinen und etwas gröberen Tröpfchen, sondern auch um grö^re tropfen- ai-tige, stark lichtbrechende Gebilde, die w^ohl durch Confluiren kleinerer Tropfen entstanden zu denken sind. Endlich sieht man in der Umgebung dieser Flecken tlieils langgestreckte theils unregelmässig gewimdene schmale Spalten, die zum Theil auf der Richtung der Linsenfesem senkrecht stehen, also wohl durch Schrumpfang im Alkohol entstandene Sprünge sind.

In der einen Hälfte der Linse trifft man in Schnitten, die etwas peripher von der Mitte herstammen, annähernd m der Mitte des Sdmittes am Rande einer mit kömiger Masse erfüllten Spalte emen Zug von etwas länglichen Zellen mit dunkelviolett gefärbtem Kern. Die Anordnung der Zellen ist der Art, dass man Anfangs denken konnte, es handde sich um ein Gefäss, dodi lehrt die Untersuchung an Serienschnitten, dass dies nicht der Fall ist. An der nämlichen Stelle finden sich in versdiie- dener Anordnung und wechselnder Menge Zellen in 45 auf einander folgenden Schnitten (von 20 25^ Dicke). In Schnitten, die schon in die äusserste Peripherie der Linse fallen, sind sie nicht mehr zu finden, in der anderen Hälfte der Linse fehlen sie ebenfalls vollkommen. Nach der Gestalt und Aneinander- lagerung dieser ZeUen handelt es sidi wohl um Abkömmlinge der Kapselcpithelzellen, doch ist ein directer Zusammenhang mit letzteren nicht zu en^veisen, so dass die Bedeutung dieser Zellen nicht vollkommen aufzuklären ist.

Mutter. (R. A.). Die Gestalt der linse ist ganz anders, als die des linken Auges; sie ist stärker abgeplattet, dagegen länger als die linke. Maasse: H:2^/2 mm. Makroskopisch sind an durdi die Mitte gehenden Meridionalschnitten bei Hämatoxy- lin-Eosin-Färbung 3 verschiedene Schichten durch Farbendifferenz zu unterscheiden: Die Peripherie färbt sich rosa, dann folgt nach innen ein nicht vollkommen gesdilossener ovaler Ring, der sich

Zur pathologischen Anatomie etc. 7

aus dankelvioletten Fleckchen zusammensetzt^ der centralste Tlieil der Linse ist £Eist ungefärbt geblieben.

Ausser einigen grosseren leeren Spalten in den äusseren Corticalschichten nahe den Polen, die als Kunstproducte aufzu- fassen sind, finden sich in der Corticalis sowie an der Grenze von Corticalis und Rem Lücken, die mit kömigen Massen erflilit sind, welche sich mit Hämatoxylin intensiv violett färben. Eine solelie von recht unregelmässiger Gestalt erstreckt sich von der Corticalis aus in der Richtung von vome nach hinten wie ein Keil in den Kern hinein und dürfte auf den Stemstrahl zu be- ziehen sem. In den äusseren Corticalschichten in der Nälie der Pole sind die Fasem vielfach durch geronnene Flüssigkeit aus- einander gedrängt Ausserdem liegen in den peripheren Cortical- schichten (den vorderen^ hinteren sowie äquatorialen) reihenweise Eänlagemngen blasser, sich gegenseitig abplattender, zum Theil grosser ovaler Tropfen.

Dann folgt nach dem Centram hin eine im Ganzen nor- male Zone, die in ihren innersten Schichten vereinzelte kleine mit violett gefärbten Kömchen erfÜUte Hohlräume enthält. Nun folgt nach innen zu ein ovaler Ring, der gebildet wird von massenhaften grossen ovalen Tropfen, die mehr oder weniger stark violett gefärbt smd; sie sind in nur ganz schwach röthlich gefärbte Linsen -Substanz eingelagert Zwischen diesen gefärbten findet sich noch eme Anzahl feinster und gröberer farbloser Tröpfchen, die besonders deutlich an ungefärbten und in Glycerin eingelegten Schnitten hervortreten.

Ohne scharfe Grenze geht diese ringförmige Zone in den centralsten Theil der Linse über. Hier finden sich einmal wieder jene feinsten farblosen Ti'öpfchen, femer nicht sehr reichlich die grösseren violett gefärbten Gebilde, endlich sieht man der Faser- richtung entspi-echende ziemlich sdiarf begrenzte Spalten, deren Inhalt theils Hämatoxylin theils Eosinfärbung angenommen hat. Abgesehen von der verschiedenen Gestalt der Linsen ist also der Befund dem am linken entschieden ähnlich, nur liegt die Zone mit den grossen ovalen Ti'opfen der Keraregion unmittelbar, an und die Violettfärbung ist viel ausgesprochener; die circum- scripten Flecken sind hier nicht deutlich ausgeprägt.

Kind. R. A. Die linse ist sehr stark geschrampft, Maasse 6:2 mm. Untersuchung an Meridionalschnitten durch die Mitte:

Von dieser Linse scheinen nur die periphersten Theüe an- nähemd normal zu sein, auf der einen Seite ist der Kembogen sehr deutlich erhalten, die Keme sind gut gefärbt, auf der anderen

8 E. V. Hippel.

Seite mu88 er im Auge bei der Extraction zurückgeblieben sein. Da wo er erhalten ist, eracheinen die jüngsten Fasern normal, nur auffallend breit und mit etwas welligen Contouren versehen, auf beiden Seiten sind entsprechend dem Alter des Individuums Reste von Kernen in den Fasern ziemlich weit nach dem Centrum der Linse hin zu erkennen. Die nach einwärts auf die mit normalen Kernen versehene Schicht folgende Corticalis ist von sehr zahlreichen meist sehr kleinen Ti'öpfchen durchsetzt, ver- einzelt kommen auch gewöhnliche Myelliücugeln vor. An unge- färbten in Glycerin eingelegten Schnitten sieht diese Zone bei schwacher Vergrösserung wie bestäubt aus. An der Seite, wo der Kerabogen erhalten ist, hat ein Tlieil der Tröpfdien ganz das Aussehen der von Schirm er bei Schichtstaar beschriebenen. Einwärt» von dieser Zone folgt eine ziemlich schmale, weldie dieselben Veränderungen in ^del geringerem Grade aufweist. Der centrale Theil der Linse ist von der Peripherie durch die ab- weichende Färbung schon makroskopisch zu untersdieiden, die Grundsubstanz ist nämlich durch Hämatoxylin nm- ganz matt violett gefärbt worden; die Abgi-enzung dieser Kemregion gegen die Corticalis ist unregelmässig und zackig. Von der voi-deren Corticalis ist sie abgegrenzt durch einige unregelmässige schmale Spalten, welche theils mit Myelinkugeln, tlieils mit feinkönugen, durch Hämatoxylin blauschwarz gefärbten Massen angefüllt sind. An dem Kern treten bei Hämatoxylinfärbung 3 Stellen durch ihre intensive Färbung besonders her\'or, 2 auf dem Durchschnitt henkeiförmig aussehende in den äquatorialen Parthieen des Kerns und eine ganz unregelmässig begrenzte centrale, die der vorderen Corticalis nälier als der hinteren liegt. Die dunkle Färbung ist an feine und gröbere ausserordentlich dicht aneinander ge- lagerte Tröpfchen gebunden, die in den äquatorialen Parthieen dem Verlauf der Linsenfasem entsprechend angeordnet sind. In der Grenzschicht zwischen Kern und Corticalis kommen audi einige grössere spindlige mit blauschwarzen kömigen Massen ge- füllte Hohh*äume vor. Endlich ist der ganze Kern durchsetzt von sehr zahlreichen Tröpfchen, die starke Hämatoxylinfärbung annehmen und am dichtesten in einer Zone liegen, welche ein auf dem Durchschnitt annähernd ovales Band darstellt

Kind. L. A. Im Wesentlichen dieselben Verhältnisse wie rechts. Die Schrumpfung ist ebenfalls sehr stark. In der Cor- ticalis finden sich sehr grosse unregelmässige mit geronnener Flüssigkeit erfüllte Spalträume. Die Linsenfasern sind grossen- theils resorbirt. Stellenweise sind die Linsen&sem kreuzweise

Zur pathologischen Anatomie etc. 9

über die Spalten hinübergespannt Auffallend ist es, dass der Kern an seinem hinteren Pole eine napfförmige Einsenkung zeigte deren Concayität nadi vorne gerichtet ist Die betreffende Stelle ist kenntlich an der dunkelvioletten Farbe des Inhaltes einer hier befindlichen Spalte. Die Linsenfasem verlaufen hier stark gekrümmt

Was die Bedeutung der vorgefundenen Veränderungen angeht, so kann man zunächst, wenn man die Krauken- geschichte mit den Befunden vergleicht, mit ziemlicher Sicherheit behaupten, dass die schmalen mit feinkörniger Masse gefüllten Spalten in der sonst normalen Corticahs in der linken Linse der Mutter keine Trübung verursacht haben. Die klinisch hier beobachteten zarten perinuclearen Trübungen sind hervorgerufen durch Einlagerung gröberer und feiner tröpfchenartiger Gebilde, die deutlich eine An- ordnung in mehreren concentrischen Schichten erkennen lassen. Freilich sind dieselben nicht scharf gegen einander abgegrenzt, sondern zeigen dadurch allmählichen Ueber- gang in die an die Trübungszonen angrenzenden Parthieen, dass sich die Tröpfchen hier äusserst spärlich finden. Dass die im Leben grellweiss erscheinenden dreistrahligen Trü- bungen durch die fleckweise enorme Anhäufung der mit Hämatoxylin so intensiv färbbaren Tröpfchen bedingt sind, kann keinem Zweifel unterliegen. Der ganze Kern zeigt starke Durchsetzung mit kleinen Tröpfchen.

An dem rechten Auge haben die breiten mit durch Hämatoxylin intensiv gefärbten Massen erfüllten Spalten, die von der Corticalis in den Keni hinein sich erstrecken und vielleicht in Beziehung zu dem Stemstrahl stehen, wohl auch im Leben Trübungen verursacht Die Verän- derungen des Kernes sind rechts viel hochgradiger, als links, besonders die Spalten mit den dunkelviolett gefärbten Tropfen sind sehr auffällig, im Leben war ja auch rechts eine grellweisse centrale Trübung zu sehen. Mit Rücksicht auf den Befund am hnken Auge erscheint es sehr wahr-

10 E. Y. Hippel.

scheinlich, dass die grellweissen Trübungen erzeugt werden durch die Massen, welche die intensive Färbung mit Häma- toxyhn annehmen. Der ganze Kern der rechten linse lässt durch sein Verhalten Farbstoffen gegenüber (er nimmt £ast gar keine Färbung an) auf eine starke Sklerosirung schhessen. Von einer feinen, durch die Fasercontouren be- dingten Streifung sind hier nur Spuren nachweisbar.

Man kann also an beiden Augen von einer Cataracta centralis et perinuclearis sprechen, die perinuclearen Trü- bungen sind mehrschichtig, die dreistrahUgen in vorderer und hinterer Corticalis sind besonders auffällig. Die Trü- bungen sind verursacht durch Einlagerung verschieden- artiger Tröpfchenbildungen zwischen die Linsenfasem, der Befund schhesst sich denen von Schirmer, Hess und Peters in dieser Richtung an. An beiden Linsen ist eine deutUche Schrumpfung zu erkennen. Der Verlauf des Linsenrandes durch das Colobom sowie die angeführten Maasse beweisen dies. Die Sclirumpfiing wirkte aber in verschiedener Weise. Während sich links der äquatoriale Durchmesser besonders verkleinerte, wurde die rechte Linse stark abgeplattet Durch diese Art der Schrumpfung mag auch rechts die Entstehung der aus der Corticalis in den Kern hineinreichenden Spalten zu erklären sein.

Dass der grösste Theil der Veränderungen von früher Kindheit an bestanden hat, unterUegt keinem Zweifel, die Anamnese ergiebt aber auch eine Zunahme der Sehstörung im letzten Jahre; dieselbe kann bedingt sein durch Zu- nahme der vorhandenen Veränderungen sowie secundär durch die fortdauernde Kemschrumpfung, welche zum Aus- einandem^eichen der Linsenfasem fuhren kann.

Das auffällige Verhalten eines Theils der Tröpfchen gegen Hämatoxylin ist schon einige Male beobachtet worden, so in Schirmer's Fall IV und in dem im Nachti-ag (v. Graefe's Archiv XXXVI. 1) beschriebenen Falle. Femer in Fall 1, 2 u. 4 der Arbeit über Centralstaar

Zur pathologischen Anatomie etc. 11

(V. Graefe's Archiv XXXVH. 4), bei Hess in Fall II und rH; man findet dasselbe auch manchmal in tropfen- artigen Ausscheidungen bei traumatischer Katarakt.

An den Linsen des Kindes sehen wir eine ausser- ordentlich starke Schrumpfung, die Staarform ist principiell von der der Mutter nicht verschieden; auch sie ist als Cataracta centraUs et perinuclearis zu bezeichnen, die peri- nuclearen Trübungen zeigen eine weniger regelmässige schichtenweise Anordnung, was wohl durch die XJngleich- mässigkeit der Schrumpfung zu erklären ist. Auch hier zeigt es sich, dass die mit Hämatoxylin dunkelviolett ge- färbten Parthieen die grellweisse Trübung bedingen.

Sehr aujBFaUend ist besonders in der linken Linse die hochgradige Verflüssigung in der Corticalis, die durch starken Zerfall und nicht allein durch Auseinanderweichen der Linsenfasem zu erklären ist. Denn vielfach ragen die Enden der Linsenfasem in diese Hohlräume hinein.

Unter den beschriebenen Fällen von Cataracta cen- tralis hat Fall I von Hess mit den meinigen und unter diesen besonders mit der rechten linse der Mutter grosse Aehnlichkeit. Ich konnte mich davon an Präparaten, die Herr College Hess mir auf meine Bitte fi*eundlichst zu- schickte, überzeugen. Ueber das Verhalten des kömigen Inhaltes der von ihm beschriebenen Hohlräume gegen Hämat- oxyUn finde ich keine Angabe, die eine linse war ja auch in toto in Alauncarmin gefärbt worden. Bei der Be- sprechung seiner Befunde bei Cataracta punctata wirft Hess (pag. 216) die Frage auf, ob die dunkelviolette Färbung des Inhaltes der Hohlräume in seinen Fällen und das Fehlen derselben in den Becker'schen Präparaten von normalen linsen einen principiellen Unterschied darstellt. Er lässt die Frage offen, da die von Becker benutzte Müller'sche Flüssigkeit die Fäi-bbarkeit hätte beeinträch- tigen können. Meine Befunde an in Müller'scher Flüssig-

12 E. Y. Hippel. Zur pathologischen Anatomie etc.

keit gehärteten Lmsen zeigen, dass ein solcher Einfluss nicht besteht

In der linken linse des Kindes fand ich eine ähn- liche Einbiegung der Fasern, wie sie Hess schildert, nur mit dem Unterschiede, dass in seinem Falle die Fasern der vorderen Corticalis sich gegen den Kern einsenkten, wäh- rend in meinem die hintere Kemregion eine solche Ein- senkung gegen die hintere Corticalis zeigt

Ich glaube, diese Befimde sind zu erklären durch Schrumpfung des Kernes, der je nach der Sichtung, iii welcher die Schrumpfimg am stärksten ist, eine verschieden- artige Gestalt annehmen kann. Bei Hess wurde dieselbe biscuitfönnig, die vor der Mitte des Kerns gelegenen lin- senfasem wurden nachgezogen; da der Zusammenhang der- selben kein so inniger war, dass alle dem Zuge folgen konnten, musste eine Spaltbildimg eintreten, die auf dem Durchschnitt die Gestalt eines Dreiecks mit der Basis nach vorne und der Spitze nach hinten haben musste. Eine solche mit geronnener Flüssigkeit gefüllte Spalte ist in den Präparaten von Hess in der That nachzuweisen imd auch in seiner Figur 2, wenn auch nicht so schön, wie in man- chen Schnitten, kenntlich.

Die beigegebenen Abbildungen verdanke ich der Liebens- würdigkeit des Herrn W. Zangemeister, approb. Arzt, welcher dieselben auf photographischem Wege herstellte.

Erklärung der Abbildungen auf Tafel I u. 11.

Fig. 1. Schnitt durch die linke Linse der Mutter (ungeförbtes

Glycerin - Präparat, bei auffallendem Lichte photographirt). Fig. 2. Schnitt durch die rechte Linse der Mutter (Doppelfftrbung

mit Hämatoxylin - Eosin). Fig. 3. Schnitt durch die rechte Linse des Kindes (DoppelfUrbung

mit Hämatoxylin - Eosin). Fig. 4. Schnitt durch die linke Linse des Kindes (Doppelfftrbung

mit Hämatoxylin -Eosin).

Ueber das Vorkommen

eigenthümlicher homogener Gebilde mit Amyloid-

Beaction in Hornhantnarben.

Von

Dr. Eugen v. Hippel,

Privatdocenten und erstem Assistenten an der Universitäts- Augenklinik in Heidelberg.

Hierzu Tafel III, Fig. 1—4.

Unter dem Titel „Amyloid in der Cornea eines staphy- lomatösen Auges" theilte Beselin^) einen Fall aus der Heidelberger Klinik mit, wo er in den oberflächlichen Schichten der Homhautnarbe eigenthiimliche stark licht- brechende homogene organische Massen von sehr ver- schiedenartiger Gestalt gefunden hatte, die sehr an Bilder erinnerten, welche von anderen Autoren (Sämisch*), Gold- zieher'), Wedl und Bock*)) als CoUoid der Hornhaut beschrieben wurden. Der wesenthche Unterschied gegen- über diesen Fällen bestand darin, dass diese Gebilde und zwar alle bei Behandlung mit 2 ®/oiger Jodlösung typische Amyloid -B^action gaben.

*) Beselin, Amyloid in der Cornea eines staphylom. Auges. Arch. f. Augenheilk. XVI.

*) Graefe-Sämisch. Handb. IV. S. 206.

») Hirschberg's Centralbl. 1879, pag. 2.

*) Wedl und Bock. Atlas der path. Anatomie.

14 E. V. Hippel.

Vor Kurzem hatte ich Gelegenheit 2 Augen zu unter- suchen, welche analoge Veränderungen darboten, die ich hier in Kürze beschreiben möchte. So viel mir bekannt ist, liegt ausser Beselin's Mittheilung keine derartige Beobachtimg vor und ich war ausserdem in der Lage, die Präparate Beseliu's, die sich noch in unserer Sammlung befinden, zum Vergleich heranzuziehen.

Von beiden Augen kann ich keine genaue Krankengescliidite mittheilen; das erste wurde von Herrn Dr. Steffan in Frank- furt im Jahre 1884 wegen Leucoma adhärens, traumatischer Katarakt imd Iridocyditis mit starker Schmerzhaftigkeit enudeu-t und Herrn Prof. 0. Becker zugeschickt; das zweite stammt aus der Sammlung des hier verstorbenen Augenarztes Herrn Dr. W. Röder, die von Herrn Prof. Leber erworben ^-urde.

Fall I. Das Homhautepitliel ist im Ganzen noi*mal, die oberflächlichsten Schichten sind stellenweise deutlich verhornt, am Comeoskleralrande erstreckt es sich hier und da zapfenartig in die Tiefe. Die Bowm aussehe Membran ist in den Randtheüen erhalten, streckenweise findet sich z\^nsdien ihr und dem Epithel eine schmale Schicht emes von capillaren Gefassen durdhsetzten Gewebes. Die Grundsubstanz der Cornea ist in den Randtlieilen wenig verändert, hier findet sich nur massig reiddiche Vascu- larisation sowie massige Vermehrung des Kemgehaltes, weiter central ist die Gnmdsubstanz in ein aus derben Bindegewebs- bündeln mit spärlichen Kernen bestehendes Narbengewebe ver- wandelt. Die Descemefsche Membran ist grössten Tlieils erhalten, an einer Stelle ist sie in den untersuchten Schnitten unterbrochen. Mit ihrer Hinterfläche ist auf weite Strecken die in einen ganz sdimalen Streifen verwandelte atrophische Iris verwachsen. Das Homhautendothel ist zwar nicht ganz im Zusammenhang, aber doch an vielen Stellen noch nachweisbar. Die hier nidit beson- ders interessirenden pathologischen Veränderungen seien mit einigen Worten abgemacht. Es fand sich: Chronische Irido- cyditis, Atrophie der Ciliarfortsätze, traumatische Katarakt von eigenthümlicher Gestalt: die vorhandene Linse hat auf dem Durd)8chnitt Hantelform, die beiden Kugeln bestehen aus ziem- lich noiTualer Linsensubstanz, der Grifft aus einem breiten kapsel- staarartigen Gewebe. Endlidi findet sich eine ausgesprodiene secundäre Retinitis pigmentosa, wie sie öfters in leukomatßeen und staphylomatösen Augen beobachtet wird.

Ueber das Vorkommen eigenthümlicher homogener Gebilde etc. 15

In den vorderen Sdiicliten des Leukoms finden sich in grosser Anzahl eigentiiümlidie homogene stark glänzende orga- nisdie Gebilde eingelagert von sehr verschiedener Grösse nnd Gestalt; die kleinsten smd bei starker Vergrössemng als nnregel- mässige Klümpchen sichtbar, die grössten tropfenartigen Gebilde stellen Tropfen und Schollen von ca. 0,1 mm Dnrdunesser dar. Wie er^'ähnt finden sie sich nur in den oberflächlichen Schichten in grosser Menge, weiter nach hinten hin etwa bis zur halben Didie der Cornea kommen sie noch ganz vereinzelt vor; noch w^ter rückwärts fehlen sie vollkommen. Hier und da sieht man sie die Bowman'sche Membran durchbrechen und sich bis in die Epithelschidit ausdelmen, wo sie die EpithelzeUen dann in die Höhe heben und sich streckenweise vor der Bowman'schen Mem- bran ausbreiten.

Irgend eine Ansammlung von zelligen Elementen in der Umgebung der fraglichen Gebilde wird vollständig vermisst, die spärlidien auf dem Durchschnitt spindeligen Kerne, die sich zwisdien den homogenen Massen fmden, gehören dem Comeal- bez. Narbengewebe an.

Im episklei-alen Gewebe trifft man ausser einer grossen Menge freier Blutkörperchen sehr zalih-eiche glänzende eigen- thümlich gewundene homogene Gebilde an, die wohl mit Sicher- heit als Rbringerinnungen zu deuten sind.

Die Ergebnisse der mikrochemischen Untersuchung sollen gemeinsam mit dem zweiten Falle besprochen werden.

Fall II. Der vordere Bulbusabschnitt ist hochgradig ek- tatisdi, die Ektasie beginnt unmittelbar vor den stark atrophischen Ciliarfortsätzen. Die Cornea zeigt makroskopisch sein* ungleiche Dicke und trägt an der Hinterfläche einen Pigmentbelag.

Die Conjunctiva zeigt erweiterte Gefässe und starke klein- zellige Infiltration. Das Comealephitel ist von ausserordentlich wechselnder Dicke; während es an einzelnen Stellen aus 3 über- einander befindlichen Zellenlagen zusammengesetzt ist, trifft man an anderen 15 und mehr Lagen übereinander. Die basalen Epithelzellen sind auffallend in die Länge gezogen, die Kem- f^bung ist mangelhaft, woran wohl das viele Jahre lange Ver- weilen in Müller'scher Flüssigkeit die Schuld trägt Im Epithel finden sidi eigenthümliche Einlagerungen, auf die ich weiter unten zurückkomme. Das Epithel grenzt direct an die verän- derte Homhautgrundsubstanz oder ist von ihr durch die gleich zu schildernden Einlagerungen getrennt, von der Bowm an 'sehen

16 E. V. Hippel.

Membran ist niclits mehr zu erkennen. Die Homhautgrundsab- stanz ist hochgradig verändert Auf der einen Seite der anter- suchten Schnitte ist die vordere Hälfte in ein gefäss- und kem- reiches fibrilläres Bindegewebe verwandelt, während die hinttt-- sten Schichten noch einigermassen normal sind; hier ist audi die Membr. Deseem. noch zu erkennen, auf der anderen Säte sind stellenweise die Homhautlamellen noch kenntlich, sie ver- laufen aber weniger regelmässig als in der Norm und smd von ungleicher Dicke; zwischen den Lamellen verlaufen einzelne Gefässe; vielfach ist das Homhautgewebe aber hier audi unter- brochen von Inseln eines fibrillären Bindegewebes. Die Des- cemefsche Membran fehlt auf dieser Seite und die Hinterflädie der Hornhaut ist überzogen von dem Pigmentephitel der Iris, welche selber narbig mit der Hornhaut verwachsen ist. In dem Narbengewebe trifft man aucli Inseln von Irispigment an.

In den vorderen Schichten der narbig veränderten Cornea sieht man nun wieder eigenthümliche homogene, glänzende ausser- ordentlich vielgestaltige organische Gebilde eingelagert, theils in grossen Haufen, theils emzeb. Die Grösse dieser Gebilde ist ausserordentlidi verschieden, es kommen kleinste Kömchen vor neben ganz grossen, scholligen und tropfenartigen Bildungen. Die Mehrzahl besitzt erheblich gi-össere Dimensionen als die im vorigen Fall geschilderten. In grosser Menge finden sich diese Einlagerungen auch in der Epithelschicht, wo sie die Zellen aus- einanderdrängen und selber äusserst unregelmässige flguren bilden. Zum Theil sind die Massen aus den Schnitten herausgefallen und man sieht die sehr imregeimässig begrenzten Hohlräume, in welchen sie gelegen. An den kleinsten in der Homhautnarbe gelegenen Einlagerungen kann man sicher steUen, dass sie sich z\^i8chen den Comeallamellen bzw. Bindegewebsfibiillen befinden. An den grösseren Schollen sieht man, dass die HomhautlameUen zu beiden Seiten der Scholle stumpf abgeschnitten endigen. Dies Verhalten ist leicht verständlich, wenn man annimmt, dass sich ein kugeliges Gebilde in einer interlamellären Spalte eingelagert hat. Es muss dann die Ijamellen auseinander drängen, sie werden im Bogen über die Kugel hinwegziehen und auf einem Schnitt durch die Mitte der Kugel sind sie daher nur zu beiden Seiten derselben vorhanden. Es braucht dalier eine Zerstörung der Comeal- bzw. Bindegewebslamellen an den Stellen, wo die Ein- lagerungen sich befinden, gar nicht angenommen zu werden. Eine Beziehung der Einlagerungen zu Zellen ist nidit nachweisbar. Ausser den beschriebenen Gebilden, also den feinsten Kömchen,

lieber das Yorkommen eigenthümlicher homogener Gebilde etc. 17

den SchoUen nnd Tropfen trifft man besonders rechlich in den Randtheilen der Cornea^ aber anch in den centralen Parthieen, immer in unmittelbarer Umgebung von feinen Gefässen, viel&ch gewnndene glänzende spiraligO; femer stäbchenförmige Gebilde, die wohl auch in diesem Falle nur als Fibringerinnungen ange- sehen werden können.

Die in beiden YlSJÜen geschilderten homogenen Einlagerungen zeigen folgendes Verhalten: An ungefärbten, in Glycerin einge- legten Schnitten sehen sie schmutzig grau aus mit einem Stidi in's Gelbe. Bei Behandlung der Schnitte mit Hämatoxylin, Alauncarmin, Gentianaviolett, Säurefuchsin (van Gieson'sche Flkt- bung), Thionin erscheinen sie ausgesprochen gelb, ohne einen der genannten Farbstoffe selber anzunehmen, ebenso bei der Weigert'schen Flrbung (Anilinwasser, Gentianaviolett, Jod- Jodkalium, Anilinöl-Xylol.). Mit der G ab b et' sehen Methode der Tuberkelbacillenfärbung behandelt, werden die Massen zum grössten Theil leuchtend rotii und heben sich vorzüglich von dem blauen Grunde ab. Dies war die einzige Methode, bei welcher sie einen Farbstoff annahmen. verdient hervorgehoben zu werden, dass die rothen Blutkörperchen dabei auch intensive Fuchsinfärbung annehmen.

In Wasser, Äther, Alkohol, Chloroform sind die Gebilde unlöslich, ebenso in Kalilauge und in verdünnten sowie starken Mneralsäuren. Eine Gasentwickeiung findet bei Salzsäure-Zusatz nicht statt Bringt man Schnitte auf den Objectträger, setzt dann conoentrirte Schwefelsäure zu und erhitzt, so verschwinden die Gebilde in Fall II ziemlieh vollständig, während in Fall I sicher ein erheblicher Tlieil erhalten bleibt

Mit Jodlösung behandelt nimmt ein Theil der Gebilde eine ausgesprochen mahagonibraune FiLrbung an, während em anderer nur strohgelb wird, wie das übrige Gewebe. Es scheint, dass hauptsächlich die grösseren Schollen die Braunfärbung erkennen lassen.

Bei Behandlung der Schnitte mit Ferrocyankalium und Salzsäure (Perls'sche Eisenreaktion) nehmen die fraglichen Ge- bilde keine Blaufärbung an.

Es fragt sich nun, ob es möglich ist, über die Natur und die Entstehungsart der geschilderten Einlagerungen Aufschluss zu gewinnen.

Morphologisch sind dieselben ohne jeden Zweifel iden-

▼. Ormefe's AicUt für Ophthalmologie. XLI. B. 2

18 E. V. Hippel. .

tisch niit den von Beselin beschriebenen und nach den Abbildungen zu urtheilen auch mit denjenigen, welche als Colloid der Honihaut bezeichnet werden. Die Gebilde haben keinerlei Beziehungen zu Zellen und liegen zwischen den Lamellen des Hornhaut- bzw. Narbengewebes. In diesem Punkte muss ich BeseUn widersprechen; er giebt an, dass man bei den kleinsten Kömchen mit Bestimmt- heit nachweisen kann, dass sie in den Fibrillen der Cornea liegen, also aus ihnen entstehen. Ich habe seine Präparate genau untersucht, kam aber bei Betrachtung mit Oelim- mersion immer zu dem Resultat, dass es überhaupt unmögUch ist zu entscheiden, ob die fraglichen Dinge innerhalb der Fibrillen liegen. Falls Beselin eigentüch Lamellen ge- meint hat, so ist auch da, bei der UnmögUchkeit dieselben in Schnitten überall voneinander abzugrenzen, die Entschei- dung schwer zu fällen. Es ist übrigens principiell auch ganz ohne Bedeutung, ob fremdartige Einlagerungen zwei Lamellen oder die einzelnen Fibrillen einer Lamelle aus- einander drängen.

Der Beselin 'sehe und meine Fälle sind dadurch aus- gezeichnet, dass die Einlagerungen mit Jod behandelt Amyloidreaktion ergaben. Während aber bei Beselin alle die Braunfärbung annahmen, färbte sich in meinen Fällen nur ein Theil. Es. folgt daraus, dass dem positiven Ausfall der Amyloidreaktion eine principielle Bedeutung nicht zukommt, sondern dass dieselben niu* in einem be- stimmten Entwickelungsstadium dieser Gebilde eintritt. Auch dies spricht für die genetische Identität mit dem sog. Colloid.

Die Annahme Schiele's*), dass die Einlagerungen aus Glycogen beständen, ist von Beselin*) so gründlich

*) Schiele, Glycogen in d. Conjimct. und Cornea patli. Augen. Arch. f. Augenheilk. XIX.

•) Beselin, Amyloid oder Glycogen in der Hornhaut, ibid. XX.

lieber das Vorkommen eigenthümlicher homogener Gebilde etc. 19

widerlegt worden, dass ich dem nichts zuzufügen habe. Er zählt sie zu den Amyloidkörpem, kann aber über die Art der Entstehung keine Angaben machen; die kleinen Gebilde hält er für die ältesten und lässt die grossen durch Confluenz jener entstehen. Beselin giebt noch an, dass einzelne vorgefundene kleine Hämorrhagieen eine abnorme Durchlässigkeit der Gefässe des Staphyloms verriethen.

Ich möchte es als sehr wahrscheinUch bezeichnen, dass die vorgefiindenen Einlagerungen Umwandlungsprodukte von rothen Blutkörperchen sind, die durch Diapedese oder Rhexis das Gefässlumen verlassen haben. Die MögUchkeit zu solchen Blutaustritten ist ja durch die in allen Leuko- men und Staphylomen vorhandenen Gefässe gegeben. Die gelbUche Farbe fände bei imserer Annahme ihre zwanglose Erklärung. Die im comealen sowie im episkleralen Gewebe vorgefundenen Fibringerinnungen sprechen dafür, dass Blutaustritte stattgefunden haben. Im episkleralen Gewebe sind ja auch die rothen Blutkörperchen noch nachweisbar. Dass sie in der Cornea fehlen, darf nicht als Gegengrund geltend, gemacht werden, da die etwa ausgetretenen ja längst ihre Umbildung durchgemacht haben können. HauptsächUch bestimmten mich aber zu meiner Annahme Beobachtungen an anderen Objecten: In dem Falle Albrecht, den ich ausführlich in meiner Arbeit über Siderosis bulbi*) be- schrieben habe, fand ich innerhalb des Trichters der abge- lösten Netzhaut unter zahlreichen rothen Blutkörperchen blasse homogene stark lichtbrechende im Allgemeinen kugelige Gebilde, von der vielfachen Grösse eines rothen Blutkörperchens, welche zum Theil Eisenreaction gaben, also nur vom Blute abstammen konnten. Ferner konnte ich an dem Fall von „recid. intraocul. Blutimgen bedingt durch einen Tumor"*) den Nachweis hefem, dass aus dem

*) E, V. Hippel, üeber Siderosis bulbi. v. Graefe's Archiv XL. 1. •) V. Graefe's Archiv XL. 4.

2*

20 E. V. Hippel.

Blute glänzende homogene, stark lichtbrechende, gegen Säuren und Alkalien äusserst widerstandsfähige Massen entstehen können, die, mit Jod behandelt, sich mahagonibraun färben, also die Amyloidreaction annehmen. Dass die Einlagerungen in der Hornhaut nur ziun Theil kugelige, vielfach aber ganz unregelmässige Gestalt haben, ist bei imserer Annahme leicht dadiux5h zu erklären, dass die Blutkörperchen bzw. die durch ihre Umwandlung entstandenen Gebilde einem Druck von Seiten der sie einschliessenden Gebilde ausgesetzt sind, der in der Homhautnarbe ein recht erheblicher sein muss. Diesem Druck wird es auch zuzuschreiben sein^ dass sie weiter nach vom bis in die Epithelschicht hinein geschoben werden. Beselin weist darauf hin, dass die umschriebene gelbhche Verfärbung mancher Leukome in der Einlagerung solcher organischer Gebilde ihre Erklärung fände; aucli mir ist dies sehr wahrscheinlich, wenngleich ich in meinen Fällen keine Angabe über das Aussehen der Hornhäute während des Lebens machen kann.

Wenn imsere Erklärung richtig ist, so braucht man gar nicht die Annahme zu machen, dass die kleinen Ge« bilde die älteren und die grossen erst durch Confluenz derselben entstanden sind, sondern je nachdem es zu ganz geringfügigen oder etwas grösseren Blutaustritten gekommen ist, können zu gleicher Zeit kleinere oder grössere Colloid- massen sich gebildet haben. Dass verschiedene Entwicke- lungsstadien in den Präparaten vorhanden sind, beweist der ungleiche Ausfall der Jodreaction.

Dass der negative Ausfall der Eisenreaction nicht gegen unsere Annahme spricht, bedarf wohl keiner beson- deren Begründung.

Ausser den in der Arbeit erwähnten Beobachtungen habe ich wenig hierher Gehöriges in der Literatur gefunden, die von Kamocki*) geschilderte Fett-Entartung der Hom-

*) Kamocki, Ein Fall von Fettentartung der Hornhaut V. Graefe'8 Archiv XXXIX. 4.

Ueber das Vorkommen eigenthümlicher homogener Gebilde etc. 2 1

hautzellen hat natürlich eine ganz andere Bedeutung. Ka- mocki muss ich übrigens darin beipflichten, dass der von Kelsch^) untersuchte Fall Cuignet's höchstwahrscheinlich in die Gruppe der Fälle gehört, zu welcher auch die meinen zu rechnen sind.

Nicht unerwähnt will ich lassen, dass E. Bock*) bei der Untersuchung von drei Fällen bandförmiger Hornhaut- trübung neben den hauptsächlich die Trübung verursachen- den Kalkablagerungen vereinzelte Colloidklümpchen ange- troffen hat Baumgarten ^) untersuchte einen Fall von sogen, sklerosirender Keratitis und fand in den Band- sowie den mehr centralen Theilen der Hornhaut ausser zeUiger Infiltration „grosse fettglänzende Kugeln sowie eine schmutzig braungelbe Substanz", femer „circumscripte Ballen einer graubraunen sowie mehr unregelmässig begrenzte Conglomerate einer hellgelben glänzenden Masse." Die fettglänzenden Kugeln lösten sich in Aether auf, die anderen Dinge widerstanden sowohl Aether als Alkalien und con- centrirter Essigsäure, trotzdem hält Baumgarten sie für „fettiger" Natur und bezieht die Erfolglosigkeit der Reaction auf durch Müller's Lösung coagulirte Eiweiss- oder Pro- toplasmamassen, welche die Fettpartikelchen umhüllten. Ob diese von Baumgarten gesehenen Bildungen die gleiche Bedeutimg haben wie die in meinen Fällen beobachteten, lasse ich dahingestellt, Baumgarten selbst stellt sie als etwas von den in Wedl-Bock und Graefe-Sämisch abgebildeten Verschiedenes hin.

In Nagel's Jahresbericht (1876) Seite 204 finde ich in einem kurzen Referat über eine mir unzugängUche Arbeit

*) Cuign et, K^ratites parenchymateusea graisseuses, Röc. d'Oph- thalmol. 1880.

*) Emil Bock, Zur Kenntniss der bandförmigen Hornhaut- trübung. Wien 1887.

"} Baumgarten, Ophthalmologisch histolog. Mittheilungen. V. Graefe'8 Arch. XXII. 3.

22 E. V. Hippel.

von Laskiewicz^), dass dieser in einem eigenthümlichen Falle von Trübung der vorderen Comealschicht mit Fa- cettenbildung zahlreiche amorphe Massen einer glänzenden Substanz, die sich gegen Reagentien wie unlösHche Eiweiss- körper verhielt, zwischen normalem Homhautgewebe nach- gewiesen habe.

In Michel's Lehrbuch ist das Vorkommen der von mir geschilderten Gebilde erwähnt.

Die Beobachtungen über Amyloid der Conjunctiva betreflFen von den meinigen so grundverschiedene Dinge, dass sie hier wohl unberücksichtigt bleiben können.

Nachtrag.

Kurze Zeit nach Abschluss dieser Arbeit kam in der hiesigen Klinik noch ein analoger Fall zur Beobachtung, der geeignet ist, die gewonnenen Resultate zu bestätigen und zu erweitem; ich erlaube mir daher, denselben an dieser Stelle gleich mitzutheilen.

in. Fall. Adolph Mayer, 24 J. aus Dilsberg (aufgen. 20. II. 95) weiss über die Entstehung der Erblindung seines Unken Auges keine näheren Angaben zu machen. Er meint etwa seit seinem 10. Lebensjahre am linken Auge blind zu sein. Das Auge soll angeblich nie entzündet gewesen sein. Patient ist geistig stark zurückgebUeben; er kommt zur Aufiiahme, w^eil sich das linke Auge seit einigen Tagen geröthet hat und schmerzhaft geworden ist

Status. R. A. normal.

L. A. Tiefe Ciliar-Injection, vorderer Bulbusabschnitt ausgesprochen ektatisch. Cornea diffus getrübt, etwas unter- halb der Mitte querovale dichte Trübung von ausgespro-

*) Laskiew icz, lieber einen ungewöhnlichen Fall von Ent- artung der vorderen Cornealschichte. Przeglad Lekarski, 1876, Nr. 27—28.

Ueber das Vorkommen eigenthümlicher homogener Gebilde etc. 23

chen citronengelber Farbe. Es scheint sich um kömige fUnlagerungen in die Hornhaut zu handeln, in der Mitte ist ein kleiner Substanzverlust sichtbar. Vordere Kammer vorhanden, keine vordere Synechie, Pupille sichtbar, sehr eng. Augendruck stark erhöht Lichtschein nur für hohe Lampe, Projection fehlt

Durch Abkratzen wurden einige Partikelchen der gelben Substanz gewonnen und frisch untersucht. Es zeigte sich, dass dieselben aus ähnUchen coUoiden Schollen und Kör- nern bestanden, wie sie in den beiden vorigen Fällen be- schrieben wurden. Bei Jodzusatz wurde ein Theil der Kömchen ausgesprochen braunroth.

Da Patient zunächst in die Enucleation nicht ein- willigen wollte, so wurde am 22. 11. eine Lidektomie nach oben gemacht Sofort stellt sich die Linse und etwas Glas- körper in das Colobom ein; die Linse wird entfernt, es kommt zu einer starken intraocularen Blutung, die Glas- körperblase wird stark vorgetrieben; nachdem sie abge- tragen, spritzt Blut aus der Wunde hervor. Comeoskle- ralnaht Blutung steht In den nächsten Tagen starke Chemosis, tiefe Injection, am 26. ü. 95 Enucleation. Här- tung in Formol, Einbettung in Celloidin. Totalschnitte parallel dem verticalen Meridian.

Nach Durchschneidung des Bulbus zeigt es sich, dass Chorioidea und B/Ctina durch einen enormen Bluterguss ab- gelöst sind.

Von dem Ergebniss der mikroskopischen Untersuchung sei zunächst das für unsere Frage Wichtige hervorgehoben.

An der Stelle, die makroskopisch gelb aussah, finden sich ^vieder in den oberflächlichsten Schichten der zum Theil narbig veränderten Cornea in grosser Anzahl jene in den beiden vorigen Fällen geschilderten eigenthümhchen Ein- lagerungen, deren Grösse von den feinsten Pünktchen bis zu ansehnlichen Schollen schwankt. Diese Einlagerungen zeigten folgendes Verhalten: An ungefärbten Schnitten

24 E- V. Hippel.

sieht ein Theil derselben hellgelb, ein Theil farblos aus. Starke Alkahen lösen die Gebilde ebensowenig, wie con- centrirte Mineralsäuren. Bei Zusatz von concentrirter Schwefelsäure zeigte eine Gruppe dieser Einlagerungen einen deutlichen Farbenwechsel: innerhalb einiger Minuten wurden die Schollen erst bräunlich, dann mehr Töth- lieh und schliesslich ausgesprochen violett.

Bei Zusatz von Jod- Jodkaliumlösung wird ein Theil der Kömer innerhalb ca. 10 Minuten ausgesprochen rotii- braun, Gentianaviolett lässt den grössten Theil unbeeinflusst, einige werden rosa. Bei HämatoxyUn- Eosin -Färbung er- scheint der grösste Theil deuüicher gelb, als in ungefärbten Schnitten, eine kleine Gruppe färbt sich violett Thionin färbt die Gebilde hellblau. Die schönsten Uebersichtsbilder giebt folgende Methode: Ueberfärben in Häraatoxylin, Ab- spülen, Nachfärben in Carbolfiichsin, DüFerenzirung in salz- saurem Alkohol. Man erhält so tadellose blaue Kemfär- bung und die Einlagerungen sind zum allergrössten Theil intensiv roth gefärbt; ausgenommen ist jene Gruppe, die Hämatoxylinfärbung annahm. Auch zwischen den roth gefärbten Einlagerungen kommen ungefärbte vor, ich habe aber den Eindruck, dass es sehr wesentiich ist, wie lange man die DifiFerenzirungsflüssigkeit einwirken lässt; es scheint, als ob ein Theil der rothgefärbten Gebilde bei längerer Einwirkung der Säure den Farbstoff wieder abgiebt

Nach der van Gieson 'sehen Methode färben die Einlagerungen sich violettroth.

Entwässert man Schnitte in absolutem Alkohol und bringt sie dann für 24 Stunden in Chloroform, so bleiben die Gebilde völhg unverändert.

Die Perls'sche Eisenreaction fällt negativ aus.

In aller Kürze seien noch folgende histologische Ein- zelheiten hervorgehoben:

In der Mitte der Cornea (Schnitte ungefähr durch die Mitte des Auges) ist die Epithelschicht dünn, die

Ueber das Yorkommen eigenthümlicher homogener Gebilde etc. 25

Bowman'sche Membran fehlt hier, das Comealgewebe zeigt an dieser Stelle narbige Verdickung und zahlreiche colloide Einlagerungen. Nach oben und unten ist die Bowman'sche Membran erhalten; zwischen ihr und der zum Theil verdickten Epithelschicht ist ein zartes Gewebe mit auf dem Durchschnitt als schmale Spindeln erscheinen- den £emen nachweisbar.

An der Vorderfläche der Bowm an 'sehen Membran tritt bei Hämatoxylin-Eosinfärbung ein violett gefärbter Streifen hervor, welcher ca. ^/^ der Dicke der ganzen Membran beträgt; die hinteren '/^ sind rosa gefärbt Bei stärkster Vergrösserung erkennt man in diesem violetten Streifen feinste Kömchen, die das Ganze wie bestäubt und den Rand mit feinsten Zacken versehen erscheinen lassen.

Weiter zeigt die Descemet 'sehe Membran ein auf- fallendes Verhalten: Verfolgt man sie von der Iridektomie- wunde an nach unten, so zeigt sich Folgendes: Oben hat sie eine Dicke von ca 12 ^, der der Bulbusoberfläche zugewandte Theil nimmt stärkere Hämatoxylinfärbimg an. Der Endothelbelag ist vollkommen regelmässig; weiter nach der Mitte der Cornea wird die Glashaut dicker. Etwas oberhalb der Homhautmitte zweigt sich jener violett gefärbte Theil als besondere scharf begrenzte Membran von nur 5 /i Dicke von der nunmehr stark verdickten mit dem Endothel versehenen Glashaut ab, um sich nach einem längeren vollkommen getrennten Verlauf mit jener wieder unter spitzem Winkel zu vereinigen. Innerhalb dieser Gewebe finden sich ganz vereinzelt die coUoiden Einlage- rungen vor. Zwischen diesen beiden Glashäuten findet sich ein streifiges Gewebe, in welchem vereinzelte auf dem Durchschnitt längUche Kerne nachweisbar sind. Je weiter man nach unten kommt, desto dicker wird die Descem. Membran, und misst schliesslich 0,072 mm, ihre hintersten Lagen zeigen eine deutliche Längsstreifung, auch finden

26 E. V. Hippel.

sich hier in ihrer Substanz längliche zum Theil pigmentirte Zellen eingelagert Die Descem. Membran geht dann über in ein glashäutiges Gewebe, das mit der Vorderfläche der stark atrophischen Iris verwachsen ist; dasselbe bildet ein Balkenwerk, in dessen Zwischenräumen zahlreiche pigmen- tirte Zellen eingelagert sind. Der Cihartheil der Iris ist fest mit der Hinterfläche der Cornea verwachsen.

In der Iridektomiewunde liegt Linsenkapsel und Iris- gewebe. Die Gegend vom Hornhautrande bis zum Corpus ciUare ist stark ektatisch. Ciharkörper und Fortsätze sind ausgesprochen atrophisch. An einigen Ciliarfortsätzen ist das Epithel blasenartig abgehoben, den Blaseninhalt bildet fibrinreiche Flüssigkeit Der Befimd ist vollkommen der gleiche, wie ihn Greeff*) nach Punktion der vorderen Kammer beim Kaninchen erhielt

Am Sehnerven findet sich eine tiefe randständige Ex- cavation.

Choroidea und Retina sind durch enormen Bluterguss abgelöst An den Netzhautgefässen sind Verdickungen der Wand nachweisbar. Im vordersten Theil der Retina ist ausgesprochene Pigmentirung, in der Choroidea starke Rundzellenanhäufung zu beobachten.

Dieser dritte Fall bestätigt zunächst die auf Grund der Untersuchung der beiden ersten ausgesprochene Ver- muthung, dass die eigenthümlichen organischen Einlagenmgen die gelbe Farbe gewisser Leukome und Staphylome bedingen.

Die Anordnung der coUoiden Massen ist im Wesent- Uchen die gleiche wie in den vorigen Fällen, doch ist ihr Vorkommen zwischen den beiden Glashäuten an der Hinter- fläche der Cornea beachtenswerth und zugleich ein Beweis dafür, dass sie nicht aus veränderten Homhautfibrillen ent- stehen können. Auch ihr chemisches Verhalten zeigt weit- gehende Uebereinstimmung: Die Resistenz gegen Säuren

») Arch. f. Augenheilkunde XXVIII. S. 178.

üeber das Vorkommen eigen thümlicher homogener Gebilde etc. 27

und Alkalien, die braunrothe Farbe, die ein grosser Theil der Gebilde bei Jodzusatz annimmt, die elective Färbung mit Carbolfiichsin, alles finden wir hier wieder. Dass hier ein Theil der Gebilde Hämatoxylinfärbung annimmt und sich auch Thionin und Säurefiichsin gegenüber nicht ab- lehnend verhält, während in den ersten beiden Fällen durch diese Mittel keine Färbung zu erzielen war, kann wohl daher kommen, dass dieses Auge nur in Formol und Alkohol gelegen hat, während die anderen sich jahrelang in Müller- scher Flüssigkeit befanden.

Die Thatsache, dass nicht alle die eingelagerten Ge- bilde gegenüber den verschiedenen Beagentien das gleiche Verhalten zeigen, weist darauf hin, dass dieselben nicht von constanter chemischer Zusammensetzung sind, sondern sich in einem Umwandlungsprocess befinden. Auch die positive Reaction bei Jodzusatz, die Beselin zuerst ver- anlasste, von „Amyloid in der Cornea" zu sprechen, findet sich auch in diesem Falle nur bei einem Theil der Ge- bilde. Die schöne Färbung, welche unsere Einlagerungen mit Carbolfiichsin annahmen, brachte mich auf den Ge- danken, die gleiche Färbung bei echtem Amyloid zu ver- suchen. Der Erfolg war ein negativer. Auch dies spricht dafür, dass unsere Gebilde wohl eine andere Bedeutung haben, als das Degenerationsproduct, das man sonst Amy- loid nennt

Auf Grund der Untersuchung der ersten beiden Fälle hatte ich die Vermuthung aufgestellt, dass die eigenthüm- Hchen Gebilde aus imigewandelten rothen Blutkörperchen entstehen. Eine sehr wesentliche Stütze scheint mir diese Annahme dadurch zu gewinnen, dass in Fall m an einer Gruppe der Gebilde der charakteristische Farbenwechsel bei Zusatz concentrirter Schwefelsäure, also positiver Aus- fall der Hämatoidinreaction, nachzuweisen war.

Was die sonstigen Veränderungen anlangt, so liegt an der Descemet'schen Membran eine reichliche Neubil-

28 E V. Hippel.

düng glashäutiger Substanz vor. Der schmale mit Häma- toxylin dimkler gefärbte Streifen ist die ursprüngliche Des- cemet'sche Membran; dass sie so auffallend schmal ist^ kann seinen Grund darin haben, dass das IndiTiduum noch jung war, als es zur Entstehung der Veränderungen kam. Man muss annehmen, dass sich auf der Hinterfläche eine Strecke weit aus irgend einem Grunde neugebildetes Ge- webe aufgelagert hat, über welches dann das Endothel flächenhaft hinüberwuchs und neue glashäutige Substanz ausschied.

Interessant ist es, dass wir die von Greeff *) beschrie- benen Blasen an den CiUarfortsätzen, die er nach Punktion der vorderen Kammer beim Kaninchen erhielt, hier am menschlichen Auge nachweisen konnten. Die Eröffiiung der vorderen Kammer bei der Iridektomie ist wohl für die Entstehung derselben verantwortlich zu machen. Greeff bemerkt übrigens in seiner Arbeit (pag. 185), dass sich die Blasen nach jeder Eröfl&iung der vorderen Kammer und besonders nach Kataraktoperation vorfinden, er hat also offenbar solche Befunde auch bereits an menschlichen Augen gesehen; die Abbildungen, die er giebt, beziehen sich auf Kaninchenaugen.

*) 1. c.

lieber das Yorkominen eigenthümlicher homogener Gebilde etc. 29

Erklärung der Abbildungen auf Taf. HI, Kg. 1—4.

Fig. 1. Durchschnitt des Leukoms mit den coUoiden Einlagerungen von Fall 1. a Epithel.

h Reste der Bowman'schen Membran. c Colloide Einlagerungen. d Membrana Descemet. e Beste des Irisstroma. f Pigmentschicht der Iris. Fig. 2. Durchschnitt der Comealnarbe mit den coUoiden Einlage- rungen von Fall 2.

a Colloide Einlagerungen in den vordersten Schichten,

das Epithel zum Theil nach vorne drängend. b Einlagerungen in dem Epithel. c Einlagerungen in den tieferen Schichten. d Pigment in den tiefsten Theilen der Ck)mealnarbe. e Derbes fibrill&res Narbengewebe ohne Kerne. f Pigmentbelag der Hinterfläche der Narbe. Fig. 3. Querschnitt der Hornhaut von Fall III. (Färbung: Garbol- fiichsin - Hämatoxylin.) a Epithel. b Zwischengewebe zwischen Epithel und Bowman'scher

Membran. c Bowman'sche Membran, deren vordere Fläche dunkler

geflU'bt ist d Colloide Einlagerungen in den vorderen Homhaut-

schichten. cT Gleiche Einlagerung zwischen den beiden Glashäuten. f Ursprüngliche Descem. Membran. g Neugebildete Glashaut. h Streifiges Zwischengewebe. i Endothel. Fig. 4. Mit fibrinhaltiger Flüssigkeit gefüllte Blase an einem Ciliar- fortsatz.

a Blase mit Epithel -Ueberzug. b Ciliarmuskel, stark degenerirt. c Unter einander verwachsene stark degenerirte Ciliar- fortsätze, Epithel zum Theil von der Fläche getroffen.

Ueber die Mstologischen Vorgänge bei der Heilung perforirender Lederhantwnnden.

Von

Dr. E. Franke in Hamburg.

Bei noch nicht abgeschlossenen Versuchen über die Folgen der Einfuhrung aseptischer Fremdkörper in den Glaskörper gewann ich gewissennassen Schnittwunden der Sklera aus den verschiedensten Zeiträumen, welche mir eines genauem Studiums der hierbei in Betracht kommen- den Vorgänge werth erschienen.

Die Literatur gerade der anatomischen Veränderungen der Skleralwunden ist zur Zeit eine wenig umfangreiche imd die Ansichten der verachiedenen Autoren gehen dabei nicht Unwesen thch auseinander, welche Häute an der Bil- dung des Narbengewebes betheihgt sind.

Die verschiedenen Lehrbücher der Augenheilkunde ent- halten über die anatomischen Daten der Heilungsvorgänge der Sklera Nichts, abgesehen etwa von Michel, der in seinem Lehrbuch der Augenheilkunde^) Folgendes sagt: „Die Art der Vemarbung bei penetrirenden Stich- und Schnittwunden besteht zunächst darin, dass durch ein derbes und schrumpfendes, mit wenigen Gefässen versehenes Binde- gewebe die Wundränder vereinigt werden und dasselbe sich

*) 2. Aufl., Wiesbaden 1890, pag. 659.

Ueber die histologischen Vorgänge bei der Heilung etc. 31

noch zu beiden Seiten der Wundränder auf die Innen- und Aussenfläche der Lederhaut eine gewisse Strecke ausbreitet Ein formlicher Bindegewebsstrang setzt sich in das Innere des Auges fort."

Bei Fuchs*) findet man die Angabe, dass es eine Heilung mit unmittelbarer Vereinigung der Wundränder und eine mit Zwischenlagerung von Narbengewebe gebe, welches aus eingelagerter Uvea und Glaskörper entstanden sei.

In seiner Arbeit über den Gang der in den Glaskörper- wunden eingedrungenen fremden Körper erwähnt Berlin*) beiläufig, dass wenn die Sklera mit verletzt war, man hier braunes Pigment fand, welches ziemhch tief in das Gewebe der Sklera hineinreichte.

Die ersten genaueren Mittheüungeu über derartige, experimentell beigebrachte, Verletzimgen rühren meines Wissens von Ljubinsky *), nach dessen Ansicht die Skleral- wunde sich in Folge einer Wucherung der Conjunctiva und Chorioidea mit Narbengewebe füllt.

Nach Roth*) wird „das Loch in den drei Häuten des Auges verlegt durch einen glasartigen Pfix)pf, der aus hyaUner oder streifiger Grundsubstanz mit eingestreuten Zellen besteht und von der Sklera und dem Glaskörper gemeinschaftUch geUefert wird. Retina und Choroides sind nicht daran betheiligt"

Schunkitz Miyshita*) giebt in seiner Dissertation an, dass bei Verletzungen der Leder-, Ader- und Netzhaut das Narbengewebe von der Sklera gehefert werde. Die Ver- änderungen der Ader- und Netzhaut in der Umgebung der

*) Lehrb. der Augenheilk. 1891. S. 242. *) V. Graefe's Archiv f. Ophthalm. XIII. 2. •) V. Graefe's Arch. f. Ophthalm. XIII. 2. ^) Virch. Arch. 55, p. 211.

*) Experimentelle Studien über die Verheilung der Lederhaut-, Aderhaut- und Netzhautwunden. J. D, Würzburg 1888.

32 E. Franke.

Verletzung seien als durch den operativen Eingriff bedingte und als secundäre atrophische zu betrachten.

Baquis^) lässt Netzhaut, Chorioidea und Glaskörper keinen Antheil am Verschluss der Wunde nehmen. Die Narbe wird nach ihm gebildet von dem peribulbären Binde- gewebe und den fixen Skleralzellen, indem ersteres durch Proliferation die Tiefe der Wunde verkleinere, letztere die Verkleinerung der Breite beförderten.

Der neuste Bearbeiter dieses Gegenstandes, Teplja- schin'), findet, dass sowohl peribulbäres Bindegewebe wie Aderhaut das Material für den Verschluss Heferten, in un- bedeutendem Grade betheiUgen sich auch daran die fixen Sklerazellen imd auch das Glaskörpergewebe.

Zu erwähnen wäre schliessUch noch eine kürzUch er- schienene Arbeit von Duffing^), welcher bei der ana- tomischen Untersuchung eines Auges, welches vier Wochen zuvor eine doppelte Durchbohrung der Lederhaut durch eine Stichsäge erhtten hatte, die Fasern der Narbe nicht senkrecht zur Faserrichtung der Sklera verlaufend fand. Vielmehr hatten dieselben einen gleichen Verlauf wie die der normalen Sklera und gingen so unmerkhch in das be- nachbarte normale Gewebe über, dass die Perforations- enden nicht mehr wahrnehmbar waren.

Während nun allerdings bei den meisten dieser Autoren die Aufmerksamkeit im Wesentlichen auf die Heilimgs- vorgänge der Netzhaut gerichtet war und die an der Sklera erst in zweiter Linie berücksichtigt wurden, habe ich gerade speciell die Vorgänge an der Sklera selbst und den beiden derselben anliegenden Schichten der Episklera und Ader- haut in's Auge gefasst, dagegen die Netzhaut sowohl wie auch Muskeln und Bindehaut nur soweit berücksichtigt, als sie gerade am vorliegenden Präparat vorhanden waren.

') Ziegler^s Beiträge, IV, p. 266.

*) Archiv f. Augenheilkunde XXVIII, p. 358.

») V. Graefe's Arch. f. Ophthalm, XL. 2.

Ueber die histologischen Vorgänge bei der Heilung etc. 33

Für alle Versuche wurden Kaninchen, meist junge Indi- viduen; gewählt. Mit emem Graefe'schen Schmalmesser wurde denselben ca. 5 mm liinter dem oberen Homhautrand in der Nähe des Rect super., meist so, dass dieser durchschnitten wurde, ein Aequatorialschnitt von 6 mm Länge unter antiseptischen Cautelen beigebracht. Hinterher fand dann das Einbringen der Fremdkörper statt

Nur bei den Präparaten, die schon in den ersten 24 Stunden untersucht wurden, wurden keine Fremdkörper eingeführt

Untersucht wurden die Wunden in folgenden Zeiträumen nach der Verletzung: 4 Stunden, 8 Stunden, 12 Stunden, 24 Stunden, 2 3 4 6 7 10 etc. Tage.

Nach Ablauf der bestimmten Frist wurde das betreffende Thier durch Chloroform getödtet, sofort das Auge enucleirt und die Stelle der Sklera, welche die Wunde enthielt, mit wenigen Scheerenschnitten schnell herausgetrennt

Die Stücke wurden sofort in Flemming^sche Lösung gelegt, nach 24 Stunden aus deraelben herausgenommen und 24 Stunden lang entwässert, darauf in Alkohol von steigender Goncentration gehärtet

Sodann Einbettung in Gelloidin und Zerlegung in eine fort- laufende Reihe von Schnitten mittelst des Schlittenmikrotoms. Die Schnitte wurden sämmtHch senkrecht zur Richtung des Wund- Spaltes geführt.

Die überwiegende Mehrzahl Präparate wurde mit der Babes'- schen Saffraninlösung gefärbt, die Gegenfärbung fand statt mit Pikrinalkohol. Bei einer Reihe von Präparaten wurde die Zieh Fsche Carbolfochsinlösung, GegenfUrbung gleiclifalls mit Pikrinalkohol, angewendet; einige Präparate schliesslich wurden mit Ehrlich- sdier HämatoxyUnlösung gefärbt.

Was nun im Einzelnen die mikroskopischen BeAinde betriffl, so war Folgendes festzustellen:

4 Stunden. En Ueberblick über die Wunde und die anliegenden Parthieen nach 4 Stunden zeigt eine er- hebliche Quellung und Verdickung der dem Wundrand zu- nächst anliegenden Theile der Sklera. Die Conjunctiva Sklerae ist nicht an allen Präparaten sichtbar; wo sie ver- banden, zeigt sich die Wunde noch unbedeckt von Epithel, das Glewebe in der Nachbarschaft gleichfalls gequollen. In

▼. Graefe's Archiv fQr Ophthalmologie. XLf. 3. 3

34 E. Franke.

gleicher Weise ist das Uebergangsgewebe zwischen Binde- haut und den starren Skleralfasem in der Nähe der Wunde gequollen, durch Erguss von flüssigen Gewebetheilen zwischen den Zellen homogener aussehend. Die Aderhaut ist zum Theil in die Wunde gelagert, ihre pigmentirten Schichten legen sich in der Nähe derselben zu ein bis zwei Schichten zusammen. Zwischen Sklera und Aderhaut, sowie zwischen den Schichten der letzteren selbst sind verschiedentheh grössere und kleinere Blutungen. Die Netzhaut ist stellen- weise abgelöst, die Stäbchen und Zapfen zerstört, die LLmiL int stellenweise abgehoben. Den Schnitträndem selbst liegt ein rother fibrinartiger Streifen auf, der sich nach innen auf die Limit int erstreckt, nach aussen in die Episklera über- geht An den Wundrändem ist vielfach Pigment einge- schwemmt, die Sklera ohne wesentliche Veränderungen.

Bei stärkerer Vergrösserung finden sich an den Rändern der Wunde, anhegend dem erwähnten Streifen vereinzelte Kerne zum Theil endothelialen Charakters.

An etwas breiter klaffenden Stellen der Wunde sind die die Ränder bedeckenden Streifen an einzelnen Stellen diu-ch brückenartige Verbindungen im Zusammenhang, welche gleichen Charakter wie die Streifen haben und kern- los sind.

In der Sklera selbst treten an den Pasembündeln kem- artige Gebilde auf, oft zwei- bis dreifach aneinandergereiht, zum Theil längUch, zum Theil flügeiförmig mit klumpiger Vertheilung des Chromatins, während gleichzeitig eine Ver- grösserung der Bindegewebskörperchen eingetreten ist.

Die Netzhaut zeigt in den der Wunde aiüiegenden Parthieen Oedem der Ganghenzellenschicht, weiter rück- wärts keine Veränderungen.

Während diese Veränderungen nach 4 Stunden aller- dings nur in geringem Maasse vorhanden sind, zeigen sich nach 8 Stunden dieselben erhebhch vorgeschritten.

Bei schwacher Vergrösserung zeigt sich der Wundspalt

üeber die histologischen Yorg&nge bei der Heilung etc. 35

ausgefüllt von vorgefallenem Netzhautgewebe. Dicht seinen Rändern liegt der oben erwähnte rothe Streifen auf, nach innen auf die Limit int der Netzhaut, nach aussen direct in die Episklera übergehend. Die Conjunctiva bulbi fehlt an der Wunde in diesen Präparaten, sodass sich über deren Verhältnisse Nichts feststellen lässt

Die Schichten der Aderhaut haben sich zum Theil zu- sammengelegt, die Zellen derselben haben sich vergrössert und anstatt der schwarzen Lamellen mit kleinen färbbaren Kernen haben sich rundliche und spindelige Zellen gebildet, zum Theil pigmentirt, mit runden Kernen versehen. Freies Pigment, jedenfalls bei der Verletzung in die Wunde ge- rathen, findet sich oft weit entfernt davon in den Spindel- zellen der Sklera eingeschlossen.

Ueberdeckt ist die Aderhaut an einzelnen Stellen von den Körnern der innem Körnerschicht der Netzhaut. Auch die Schichten dieser letzteren zeigen in der Nähe der Wunde eine Verschmälerung, sodass die Netzhaut auf Nervenfasern, Ganglienzellen- und äussere Kömerschicht in der Nähe der Wunde zusammengeschmolzen ist. Das Oedem der Gang- henzellenschicht ist jetzt ausgeprägt, die Nischen der MüUer'schen Fasern sind gedehnt durch Erguss von Flüs- sigkeit Alle diese Veränderungen sind nur in der Wunde vorhanden, weiter rückwärts ist die Membran normal.

Was das Skleralgewebe selbst anlangt, so sind hier die Vorgänge, wie oben erwähnt, wesenthch weiter fortge- schritten als 4 Stunden vorher. Neben der Vergrösserung der Gewebszellen fällt hier eine im Vergleich mit dem nor- malen Gewebe deutUch sichtbare Vermehrung der Zahl der Bindegewebskörperchen auf. Die dicken Bindegewebsbündel der Sklera werden so in dünnere Bündel gespalten, denen kleine und wenige Kerne anUegen, während die dickeren Bündel mit grösseren und reichlicheren Kernen versehen sind. Hand in Hand damit geht eine Vermehrung der Chromatinsubstanz in den Zellen, so dass an manchen

3*

36 S- Franke.

Stellen statt der schwach gefärbten Bindegewebskörperchen zahlreiche intensiv gefärbte, in gleicher Lage und Anord- nung befindUche, zum Theil Stäbchen-, theils flügelförmige Kemfiguren zu erkennen sind, theilweise mit klumpiger Anordnung der Chromatinsubstanz.

Nach 12 Stunden sind an Uebersichtspräparaten die Veränderungen um die Schnittwunde Choreoidea und Epi- sklera etwa die gleichen wie vorher. Bei stärkerer Ver- grösserung ist euie weitere Bildung von Unterbündeln in der Sklera und eine weitere Vermehrung der Chromatin- substanz in den Skleralzellen zu bemerken. Dort, wo die intensiv gefärbten Zellen liegen, fehlen die normalen Binde- gewebskörperchen und sind die Bündel begrenzt theilweise durch grosse flügeiförmige Kemfiguren, theilweise durch lange Chromatinspindeln. In einer Reihe dieser Kerne be- ginnt die Chromatinfigur eine Umwandlung zu erfahren, in einzelnen ist das Chromatin bereits so zerfallen, dass man bei schwächerer Vergrösserung diese Gebilde für Leukocyten halte könnte, wenn nicht die sie umgebende sternförmige Zellsubstanz, welche durch weite Ausläufer mit Zellen gleicher Qualität verbunden ist, entschieden dagegen spräche.

24 Stunden. Auch hier sind bei Uebersichtsbildem die Wundränder von den mehrerwähnten Streifen bedeckt in denen sich jetzt vereinzelte Kerne finden und die nach aussen weit in das episklerale Gewebe übergehen.

An weiter klafienden Wundstellen sind die Streifen verbunden diu'ch structurlose ähnUche überbrückende Fasern mit vereinzelten Kernen. Bei stärkerer Vergrösserung sieht man, wie von diesen Fasern gewissermassen Schösslinge in den Wundrand zwischen die Skleralbündel eindringen, bogen- förmig aus ihrem Verlaufe in den der Sklerafasem um- biegend. Es gewinnt so den Anschein als ob der Wund- rand wie ausgenagt sei. Zu gleicher Zeit ist eine Ver- mehrung der Kerne an den Wundrändem eingetreten. Die episkleralen Schichten sind breiter aufgefasert und ähnlich

(Jeber die histologischen Vorgänge bei der Heilung etc. 37

den Bändern der Wundränder, mit zahlreichen Kernen mit starkem Chromatingehalt versehen.

In gleicher Weise zeigen Muskeln und Bindehaut er- hebliche Kemvermehrung; einzelne Muskelbündel sind fast ganz in Kerne aufgelöst

Die Aderhaut hört dicht vor dem Wundrand auf, die Schichten sind zum Theil (wie fiiiher) zusammengeflossen; eine Abnahme der Figmentirung ist sichtbar. Zum Theil ist das Pigment in die anliegenden, durch Flüssigkeit er- weiterten imd durch Zerklüftung der dicken Faserbündel vermehrten Grewebsspalten der Sklera eingeschwemmt und liegt in deren Zellen.

In dem pigmentirten Theile der Aderhaut ist es zur Bildung rundUcher und spindliger Zellen gekommen.

Diese Zellen, kenntlich an der rundlichen Form der Kerne und deren Pigmentgehalt, dringen in den Wund- spalt ein.

lieber sie hinaus schlägt sich die Netzhaut in die Wunde hinein unter Vei-schmälerung ihres Durchschnitts in Folge Verlustes einer Reihe von Schichten, speciell der musi vischen.

Die Veränderungen sind dieselben wie vorher geschildert.

Irgend welche activen Vorgänge der mitotischen Kem- theilung sind zu dieser Zeit nicht wahrnehmbar; weiter rück- wärts gelegene Theile der Netzhaut zeigen normales Aussehen.

Epikrise. Die Vorgänge in der Wunde innerhalb der ersten 24 Stunden bestehen also im Wesentlichen in einer Aufquellung der gesammten Sklera am Schnittrande, welch letzterer von einem wahrscheinUch fibrinösen Bande bedeckt wird, welches nach aussen und innen in das epi- sklerale Gtewebe, resp. auf die Limit, int. der Netzhaut übergeht

In Episklera imd Aderhaut tritt Vergrösserung der vorhandenen und Neubildung von rundlichen und spindel- förmigen Zellen auf.

38 E. Franke.

Eine active Betheiligung des Glaskörpers am Wund- verschlußs ist nicht nachzuweisen und ebenso wenig eine der Sklera selbst. Dagegen zeigen sich in dieser in der Nähe der Wundränder Vorgänge, bestehend in Zerklüftung des Gewebes, erhebUcher Vermehrung der Bindegewebskörper- chen, Hervortreten sternförmiger Anastomosen und Auf- treten von Chromatinsubstanz in diesem Netzwerke.

Zweiter Tag. Zur Wunde senkrechte Schnitte zeigen ziemhch starkes Klaffen der Wundränder. Der Zwischen- raum zwischen ihnen ist ausgefüllt von einem Blutgerinnsel, das nach aussen und innen sich verbreiternd, aussen durch die Bindehaut bedeckt wird, nach innen zwischen den Wundrändem der getrennten Ader- imd Netzhaut in den Glaskörper ragt

Von den oberflächlichen Schichten der Sklera und dem episkleralen Gewebe zieht sich eine mehrfiache Lage läng- licher Zellen, entlang den Wundrändem, verschieden weit in den Wundcanal hinein. Das episklerale Bindegewebe selbst ist aufgelöst in ein Gewebe mit reichlicher ZellanhäuAmg resp. zum Theil nur aus längUchen spindelförmigen Zellen bestehend, in denen Mitosen sich nicht nachweisen lassen.

In der Aderhaut, soweit sie der Wunde nahe liegt, ist reichUches Auftreten runder und spindeliger Zellen sicht- bar, zum Theil mit Schwund des Pigments. Von der innem Skleralfläche gehen Zellen gleicher Art in den Wundcanal, welche durch ihre runden, pigmenthaltigen Kerne sich als Abkömmlinge der Aderhaut dokumentiren.

Die Netzhaut ist nicht überall gut erhalten. Wo sie vorhanden zeigt sich Stäbchen- und Zapfenschicht zerfallen. In der äussern Kömerschicht fällt eine andersartige Ver- theilung des Chromatins als im normalen Zustande auf. Die Schicht der GangUenzellen ist ödematös, Wanderzellen konnte ich nicht in ihr wahrnehmen. Die Zellen der Pig- mentschicht zeigen zum Theil Vacuolenbildung in der Nähe der Wunde.

Ueber die histologischen Vorgänge bei der Heilung etc. 39

Etwa in der Mitte des Wundcanals wird derselbe über- spannt durch mehrere zarte, leicht roth gefärbte Fäden, welche zum Theil von jenen eben geschilderten Zellen aus- gehen, zum Theil aus den Skleralfasem selbst direct her- Toi^ehend erscheinen. In der Nähe dieser Fäden liegen Tereinzelte, gleichfidls stärker gefärbte runde mehrkemige Zellen.

Gleiche Streifen ziehen von dem episkleralen Gewebe nach dem gegenüber liegenden Wundrande strebend, zum Theil quer durch das Blutgerinnsel. Irgend welche Be- theiligung von Zellen des letzteren ist hierbei nicht zu beobachten. Das Skleralgewebe selbst zeigt in der Nähe der Schnittränder zwischen den Fasern eine Reihe von stärker roth gefärbten Elementen, welche zum Theil als wohl ausgebildete Zellen, zum Theil als Kerne mit einer Protoplasmaanhäufung an einem oder beiden Polen sich darstellen; diese Gebilde liegen stets der Faser unmittel- bar an und gehen am Wundrand, sich leicht umbiegend, in die diese deckende Zellenschicht über.

An einer Beihe von Schnitten zeigt sich in besonders schöner Weise ein ungemein reichliches Auftreten neuer Kerne und Zellen spindelförmiger Art, ohne dass in der- artigen Bezirken von mitotischen Vorgängen etwas wahr- nehmbar ist

Nach rückwärts von dem Wimdrande nehmen alle Veränderungen in der Sklera und damit auch die Both- färbung des Gesammtbildes ab.

An Präparaten, in denen die nicht völlig durch- schnittene Sklera sichtbar ist, zeigt sich diese in besonders schöner Weise aufgelöst in ein Gewirr von runden, Spin- del- und sternförmigen Zellen, welche jedoch nicht regel- los liegen, sondern stets in der Bichtung des Verlaufes der Skleralfasem angeordnet sind.

An Stelle des episkleralen und chorioidealen Gewebes, wo Gefasse durchschnitten sind besonders naturgemäss

40 E. Franke.

in letzterem Gewebe ist der mit Endothel ausgekleidete Durchschnitt des Gefässes deutUch sichtbar, während irgend welche entzündliche Veränderungen, Zellenvermehrung etc. in der Umgebung des Gefässes völlig fehlen.

4 Tage. Stark klaffende "Wunde, in der die Zwischen- substanz meist ausgefallen ist, nur an einzelnen Stellen ist das Faserwerk wie am zweiten Tage sichtbar. ZeUige Ele- mente sind an demselben im Allgemeinen nicht zu ent- decken, nur an vereinzelten Stellen Kerne, zusammenge- häufte Pigmentmoleküle, auch vereinzelte leukocytenähnliche Gebilde.

An den Wundrändern zieht sich eine ein- bis mehr- fache Lage langgestreckter Zellen hin, zum Theil noch überdeckt von faserigem Gewebe. Die Zellen werden zu einem Theile von den Zellen der Episklera geliefert, zu einem weiteren Theile von der Aderhaut und enthalten theilweise kömiges Pigment

In dem so entstandenen Granulationsgewebe sind jetzt mehrfach Mitosen nachweisbar, die ich in Präparaten vom zweiten Tage in diesem Gewebe nicht mit Sicherheit nach- weisen konnte. Die Aderhaut selbst weist in der Nähe der Wunde reichliche Zellenvermehrung und Mitosen auf; die Schichten gehen in einander über, die ganze Dicke der Membran ist geringer als an Stellen, welche der Wunde entfernter liegen.

Die Netzhaut zeigt in der Nähe der Wunde die Kömer der äussersten Köraerschicht nicht so dicht gelagert wie im normalen Zustande, das Chromatin derselben verändert Während dasselbe nach Behandlung in Flemming'scher Lösung normaler Weise an beiden Polen der Kömer ge- lagert ist, getheilt durch einen hellen Zwischenraum, bis- weilen auch in 3 Theile gespalten, fehlt hier zum Theil der helle Strich gänzUch, das Chromatin nimmt in verklumptem Zustande das ganze Kom ein. Letzteres selbst zeigt Ver- änderungen in seiner Form indem es zum Theil zerfallen

üeber die histologischen Vorgänge bei der Heilung etc. 41

ist in mehrere Körnchen, zum Theil unregelmässige Keulen- und gm'kenähnliche Formen angenommen hat, wie sie auch von Teplj aschin beschrieben sind.

Die innere Kömerschicht zeigt Mitosen, sowohl der Kömer wie der Zellen der Stützsubstanz in vereinzelter Anzahl. Die Fasern der Stützsubstanz sind hypertrophisch und ausgewachsen. Die Limit int fehlt stellenweise und wachsen die Stützfaseni unregelmässig über ihr Niveau hinaus. Weiter rückwärts zeigt die Netzhaut normales Ver- halten.

6 Tage. Der Wundspalt ist jetzt völlig ausgefüllt durch zahlreiche protoplasmareiche grosse Zellen mit endo- thelialem Kern, rund, längUch und sternförmig, die in dem faserigen Netze liegen. Die Zellen, welche Mitosen ent- halten, stehen theilweise unter einander in Verbindung und auch in Verbindung mit den Zellen, welche unmittelbar der Sklera am Schnittrande aufliegen. Diese Letzteren sind im Allgemeinen längUch und entschieden protoplasmaärmer.

Ein Theil der Zellen enthält Pigment von der Chorioi- dea (oder aus den rothen Blutkörperchen?). Die Aderhaut selbst geht mit ihren Zellen unmittelbar in das Zwischen- gewebe über. Sie ist reducirt auf eine dünne Lage weniger langgestreckter Zellen, die sich nach aussen um den Wund- rand der Sklera herumschlagen, die früher pigmenthaltigen Zellen haben zum Theil ihr Pigment verloren.

Nach dem Glaskörper zu bildet den Abschluss ein Blutgerinnsel, das auf der einen Seite der Wunde der Aderhaut und der mit dieser in Zusammenhang gebUebenen Pigmentschicht der Netzhaut auflagert.

Auf der andern Seite der Wunde hegt die Netzhaut der Aderhaut an imd geht am Schnittrand in diese über. Die Veränderungen der Netzhaut gleichen im Wesentlichen denen des vierten Tages, die Pigmentschicht zeigt zum Theil Verlust des Pigmentgehaltes, zum Theil Vacuolenbildung. Weiter rückwärts ist die Netzhaut unverändert

42 E. Franke.

Die Sklera selbst zeigt ähnlich wie früher Kerne, stets in oder an den Faserbündeln, nie frei in den Spalten lie- gend. Entwickeltere Zellen finden sich im Wesentlichen am Wundrand, in dessen zellige Bedeckung sie übergehen. Weiter rückwärts vom Wundrand kann man zu dieser Zeit ähnliche Vorgänge vermehrter Kembildung etc. beobachten, wie in den ersten 24 Stunden dicht am Wundrande. Die Grenzschichten nach der Chorioidea resp. Episklera hin zeigen zu dieser Zeit noch alle Stadien vom kemarmen zimi kemreichen, aber noch nicht zelUgen und zum proto- plasmareichen zelligen Gewebe, in welchem letzteren sich dann schon wieder vereinzelte Mitosen finden können.

Nach aussen von der Episklera wird das Gewebe faseriger mit dazwischen liegenden Zellen, die noch weiter nach aussen noch mehr abnehmen, sodass die Schnittwunde hier überdeckt ist von einem im Wesentlichen narbigen Gewebe mit wenigen grossen ovalen und sternförmigen Zellen. Allenthalben finden sich hier Mitosen.

Auch unter den Präparaten aus dieser Zeit finden sich einzelne, in denen nur ein Theil der Sklera getrofifen wurde, während innen die Chorioidea, aussen die äusseren Skleral- lagen unversehrt über die Wunde hinweg ziehen. Hier ist die Narbe gebildet durch Zellen, die unmittelbar aus der Richtung der Faserbündel der Sklera in die der Narbe umbiegen.

Epikrise. Im Laufe des 2. bis 6. Tages tritt eine völlige Ausfüllung des Wundspaltes mit Granulationsgewebe ein. Dasselbe ist fast ausschliesslich gehefert von Zellen der Episklera und der Aderhaut. Während aber schon nach 2 Tagen eine reichliche Vermehrung dieser Zellen und ein stellenweises Bedecken des Wundrandes eingetreten ist, sind zu dieser Zeit nur vei-einzelte Mitosen in diesem Gewebe zu entdecken. Irgend welche Betheiligung weisser Blutkörperchen an dieser Zellenvermehrung konnte ich nicht feststellen.

üeber die histologischen Vorgänge bei der Heilung etc. 43

Im Laufe der nächsten 4 Tage nimmt dann, und jetzt unter stets zunehmender Bildung von Mitosen, das Granu- lationsgewebe zu, sodass nach 6 Tagen der Wundspalt Töllig ausgefüllt ist von grossen, verschiedenfach gestalteten protoplasmareichen Zellen. Etwa vom 6. Tage an ist auch eine geringe active Betheiligung der Sklera selbst an den Wxmdheilungsvorgängen wahrnehmbar, indem jetzt Zellen, die wir zum Theil als fixe Gewebszellen der Sklera an- sehen müssen, vom Wundrand aus sich in das Granula- tionsgewebe hineinschieben. Während Episklera und Ader- haut vom 2. Tage an um jeden Tag an Zahl zunehmende Mitosen zeigen, lassen sich sowohl in den der Episklera wie der Aderhaut anUegenden, sowie in den weiter rück- wärts von der Wunde gelegenen Parthieen der Aderhaut auch jetzt noch dieselben Vorgänge in allen Stadien ver- folgen, wie wir sie oben in den ersten 24 Stunden nach der Verletzung in der Nähe der Wunde beschrieben haben.

Sind so im Wundcanal der Sklera selbst und dem Gewebe der beiden angrenzenden Häute die Vorgänge bis zu dieser Zeit gewissermassen in aufsteigender Linie, so ist bei den oberflächUchsten Schichten der Wunde, soweit sie nämlich in der Conjunctiva hegt, bereits am 6. Tage der Uebergang in Narbengewebe unverkennbar. Die Netzhaut ist an den ganzen Vorgängen nur in geringem Grade be- theiligt Während sie an der Narbenbildung selbst sich gar nicht betheiligt, ist eine gewisse Beaction gegen den traumatischen Eingriff nur an den der Wunde zunächst liegenden Stellen wahrzunehmen, im Wesenthchen bestehend aus Oedem der Ganghenzellenschicht, varicöser Hyper- trophie der Nervenfaserschicht, sowie Betheihgung verschie- dener Art der äusseren und inneren Kömerschicht und des Stützgewebes, Veränderungen, wie sie in gleicher Art auch von andern Beobachtern (Baquis, Tepljaschin, Both, Falchi) beschrieben worden sind.

8 Tage. Li dem zwischen den weit klaffenden Skle-

44 S- Franke.

ralenden gelegenen Gewebe fallen schon bei schwacher Ver- grösserung eine äussere, hellere, zellärmere und innere stärker gefärbte, zellreichere Parthie auf.

Der Schnittcanal ist von der Conjunctiva her deutlich, durch das erstere Gewebe zu verfolgen. Neben längUchen Zellen, entsprechend der Schnittrichtung, zum Theil mit Pigment gefüllt und länglichen Kernen liegen an jeinzel- nen Stellen noch Blutreste.

Neben diesem Gewebe hat das ganze, den äusseren Theil der Narbe bildende Gewebe einen skleralähnlichen Charakter. Es ist durchsetzt mit längUchen Zellen, die im Uebergang zur Fibrillenbildung begriffen sind.

An einzelnen Stellen sind noch runde, grosse Zellen sichtbar, besonders in der Nähe des Stichcanals, die mit Pigment gefüllt sind.

Nach aussen hin deckt im Wesentlichen unverändertes Conjunctivalgewebe diese Parthie, nur ist an einer Beihe von Präparaten das Conjunctivalepithel drüsenartig einge- stülpt, die Zellen vergrössert imd gequoUen, zum Theil Vacuolen enthaltend.

An der Grenze des zellärmeren und zellreicheren Narben- antheils gehen die Fibrillenbündel und langgestreckten Kerne beider Theile unmittelbar ineinander über.

Die Zellen haben einen bläschenförmigen Kern und sind längUch gestreckt, schon im Uebergang zur Paser- bildung begriffen. Dazwischen sind Beihen von spindel- artigen Kernen, die sich zum Theil direct in die Skleral- bündel hinein verfolgen lassen.

An der Sklera selbst lassen sich in weiter rückwärts gelegenen Theilen die verschiedensten Stadien der Kem- und Zellenvermehrung verfolgen, nur an den Wundrändem selbst sind ausgebildete Fasern, die hinausragend über den ursprünglichen Schnittrand, gewissermassen eine Verlänge- rung der Sklera selbst bilden und in die benachbarten Faser- und Zellzüge übergehen.

lieber die histologischen Yorg&nge bei der Heilung etc. 45

In dem nach aussen begrenzenden episkleralen Gewebe sind jetzt alle Uebergänge der Zellen zur Narbenbildung zu beobachten.

In ähnhcher Weise hat die Aderhaut in der Nähe des Schnittes einen bindegewebeartigen Charakter ange- nommen. Auch hier sind die verschiedensten uebergänge zu beobachten. Weiter rückwärts finden sich keine Ver- änderungen.

18 Tage. Zwischen den Wundrändem besteht eine im WesentUchen faserige Vereinigung, welche die fiühere Schnittstelle quer überspannt. In dem Narbengewebe finden sich noch yerhältnissmässig reichliche längUche Kerne. Das Gewebe hat einen skleralähnlichen Charakter, nur sieht es zarter aus, auch fehlen ihm die Faserbündel, wie sie der Sklera eigen sind. Vereinzelt finden sich noch Zellen spindelförmig, deren Protoplasma nur allmälig in die Grund- substanz überzugehen scheint.

Die Sichtung der Fasern ist in den mittleren und den nach der Aderhaut zu gelegenen Theilen der Narbe völlig gleich der der Skleralfasem, so dass der Unterschied zwischen Sklera und verbindendem Gewebe an einzelnen Stellen kaum noch erkennbar ist.

Die nach der Conjunctiva hin gelegenen äussersten Fasern der Narbe zeigen eine geringe Abweichung und verlaufen leicht spitzwinkeUg geneigt zu den Skleralfasem.

An der Grenze zwischen Sklera und Narbengewebe gehen Züge von Kernen, resp. Zellen unmittelbar aus der Sklera in das neue Gewebe über. An vereinzelten Stellen trifil man die Durchschnitte neugebildeter Gefässe, deren Wand eine dünne, mit Endothelkemen besetzte Membran büdet Mitosen finden sich in der Narbe jetzt nicht mehr.

Die Aderhaut ist in der Nähe der Narbe auf eine dünne fibrilläre Schicht reducirt, an deren Fibrillen man gleichfalls Spindelzellen mit langen Kernen sieht. Weiter rückwärts ist die Aderhaut normal.

46 ^' Franke.

Auf die limitans interna der Netzhaut setzt sich vom Wundspalt her ein feinfaseriges mit Zellen und endothel- artigen Kernen versehenes Bindegewebe fort, ähnlich dem Gewebe der Narbe. Ein gleiches Gewebe zieht sich von der Narbe in radiärer Bichtung hinein in den Glaskörper.

Die Ganglienzellen- und Nervenfaserschicht der Netz- haut sind nicht mehr wahrnehmbar. An ihrer Stelle liegen die erhebUch hypertrophirten Müll er 'sehen Fasern, zwischen denen grössere cystenartige Bäume sich finden, welche auch noch in die innere Kömerschicht hinein sich erstrecken. Die Kömer dieser Schicht sowie der äusseren Kömer- schicht sind auseinander gedrängt, letztere Schicht zum Tbeil verdünnt. Verbunden sind die Schnittstellen der Netzhaut durch das oben erwähnte Granulationsgewebe, das den Skleralwundschnitt füllt Weiter rückwärts ist die Netz- haut normal. Nach aussen sind die Sklera und die zwi- schen den Schnitträndem befindlichen Gewebe von einem Fremdkörper (Lungengewebe) überdeckt

Epikrise. Vom 8. bis 9. Tage an geht die weitere Ausbildung des den Wundspalt füllenden Gewebes zum Narbengewebe vor sich. Der verschiedene Antheil der episkleralen und Aderhautschichten markirt sich mikrosko- pisch sehr deutlich, sowohl an der Zahl wie an der Be- schafienheit der Zellen, welche an der Bildung der einzel- nen Theile der Narbe betheiügt sind. Dieser Umstand weist sehr deutüch darauf hin, dass von einer Betheiügung eingewanderter farbloser Blutkörperchen hier kaum die Bede sein kann, da dadurch sich der ganz eigenthümliche Unterschied in der Bildung der äusseren und der inneren Narbentheile nicht erklären liesse.

Die Zellen des Narbengewebes gehen allmahUg in faserige Substanz über. In gleicher Weise bilden die der Sklera nach aussen und innen anUegenden Schichten in der Nähe der Wunde ein dichtes faseriges Gewebe; die Netzhaut verliert, wohl in Folge der Compression durch die

lieber die histologischen Vorgänge bei der Heilung etc. 47

hypertrophisch auswachsenden Müller'schen Stützfasem, einen Theil ihrer Schichten, während innere und äussere Kömerschicht sich bis zum 18. Tage noch zienüich gut erhalten; weiter rückwärts hat sie normales Aussehen wieder.

In geringerem Grade schhessUch betheihgt sich auch jetzt die Sklera an der Narbenbildung durch vereinzelte Fasern, welche, aus den Gewebszellen entstanden, in das Narbengewebe übergehen.

Fassen wir also zum Schluss noch einmal kurz zu- sammen, so wäre Folgendes hervorzuheben: Das aus derben festen fibrinösen Zügen zusammengesetzte Gewebe der Sklera welches nur mit wenigen Blutgefässen versehen ist und zu einem grossen Theil von einem Saftstrom ernährt wird, ist nach aussen, resp. innen umgeben von dem zellen- und gefässreichen Gewebe der Episklera resp. Aderhaut. Diese beiden Gewebe sind es auch, welche im WesentUchen sich an der Bildung der Narbe betheiligen durch Proliferation neuer Zellen, die sich von aussen, resp. innen in den Wund- spalt hineinstrecken und sich dort treflFen. Eine Theil- nahme weisser Blutkörperchen an der Neubildimg der Zellen in den ersten 48 Stunden war nicht nachweisbar, ebensowenig eine Vermehrung durch Mitosenbildung. Erst nach dieser Zeit geht jedenfalls die weitere Vermehrung der Zellen auch auf dem Wege der Mitose vor sich.

Die Sklera selbst betheiligt sich nur in geringem Grade an der Bildung der Narbe durch Fibrillen, welche aus den fixen Bindegewebskörperchen hervorgegangen sind.

Irgend welche Betheiligung weisser Blutkörperchen findet bei der Narbenbildung nicht statt. In gleicher Weise konnte ich eine Betheiügung des Glaskörpers, sei es mit seinen fixen, sei es mit sogenannten Wanderzellen an der Narbenbildung nicht beobachten. Das Gewebe des Glas- körpers erwies sich als auf Reize nur durch Fibrillenbüdung reagirend. Die Netzhaut ist an der Narbenbildung selbst gleichfalls nicht betheihgt, die durch den traumatischen

48 E. Franke.

Eingriflf hervorgerufenen Veränderungen finde ich in glei- cher Art, wie sie von Teplj aschin u. a. beschrieben sind. Die Netzhaut verwächst mit der Aderhaut, die Schnitt- wunde wird ausgefüllt durch Narbengewebe, das von Ele- menten der Aderhaut geliefert wird.

Nach aussen hin wird der Verschluss der Wunde und die Narbenbildung an solchen Stellen, wo der Muskel gleich- zeitig mit der Lederhaut durchschnitten ist, von dem inter- stitiellen Bindegewebe des Muskels mit geliefert

Das conjunctivale Gewebe selbst betheiligt sich an dem Verschluss der Lederhautwunde nicht, und ist eine Ver- einigung der Schnittränder der Bindehaut mit Narben - gewebe bereits zn einer Zeit eingetreten, wo die Bildung von Granulationsgewebe zwischen den Wundrändem der Lederhaut noch in lebhaftem Gange ist

Uebereinstimmend mit Duffing finde ich, dass die Bichtung der Fasern des definitiven die Wundränder ver- bindenden Gewebes die gleiche ist wie die der Skleralfasem.

Wenn es zum Schluss gestattet ist, diesen anatomi- schen Bemerkungen noch einige klinische hinzuzufügen, so wären es zwei Punkte, die ich hier kurz berühren möchte.

Wie ja von allen Autoren, die sich mit diesem Gregen- stande beschäftigt haben, hervorgehoben wird, handelt es sich bei perforirenden Skleralwunden stets um schwere Ver- letzungen, welche noch nach später Zeit bedenkUche Folge- zustände nach sich ziehen können. Einer von diesen Folge- zuständen mm ist es, auf den durch unsere Untersuchungen sich von selbst die Aufinerksamkeit lenkte, die Ablösung der Netzhaut, welche gelegentlich noch Jahre nach einer derartigen Verletzung eintreten kann. Unsere Unter- suchungen geben nun sehr deutlich den wahrscheinlichsten Weg für die Entstehung dieser Ablösung.

Wie oben erwähnt ist nach 18 Tagen und noch später die innere Grenzhaut der Netzhaut bedeckt mit einem faserigen, kernhaltigen Gewebe, während anderseits gleiches

Ueber die histologischen Vorgänge bei der Heilung etc. 49

Gewebe sich von der Narbe aus auch in radiärer Bichtung in den Glaskörper erstreckt Tritt nun später eine Schrum- pfung dieses Gewebes ein, so ist es klar, dass ein Zug auf die mit demselben verwachsene Netzhaut sowohl in radiärer wie in tangentialer Richtung ausgeübt wÄxlen muss, als deren Folgezustand sich die Ablösung einstellt Begünstigt mag dieselbe werden durch schon vorher mikroskopisch wahrnehmbare kleine Trennungen zwischen Pigmentepithel einerseits imd den andern Netzhautschichten andererseits, sowie durch cystöse Degeneration der dem Pigmentepithel benachbarten Schichten.

Ein weiterer Punkt, den ich hier nur kurz streifen möchte, betrifft die Behandlung resp. Nachbehandlung penetrirender Skleralwunden mit dem Verbände, wie sie ja allgemein übHch sein wird. Wie lange sollen wir einen derartigen Verband tragen lassen? Würde es nur darauf ankommen den Verschluss der Conjunctivalwunde abzu- warten, so würde schon nach 4 5 Tagen der Verband wegbleiben können. Bei Stich- und nur kleinen Schnitt- verletzungen wird man nicht wesentUch über diesen Termin hinaus zu gehen brauchen. Handelt es sich aber um grössere Schnittwunden, so wird man bestrebt sein müssen, durch den Verband möglichst der Ausdehnung der Narbe durch den intraocularen Druck entgegen zu wirken. Da aber etwa bis zum Ablauf der dritten Woche es sich um weiches zellenreiches Gewebe handelt, das den Wundspalt füllt und leicht dem Druck von innen nachgiebt, so dürfte es sich kaum empfehlen, eher den Verband weg zu lassen, als bis eine narbige fibröse Vereinigung der Wundränder einge- treten ist, was, wie gesagt, vor Ende der dritten Woche nicht zu erwarten ist

T. GrMf«'i Archiv tta OphihaliuologU. XLI. 3.

Die Nerven der Augenlider nnd der Sklera

beim Menschen nnd Kaninchen

nach Untersnchnngen mit der Golgi-Cajarschen

Methode.

Von

Dr. Ludwig Bach,

Privatdocenten und I. Assistenten an der Universitäts - Augenklinik zu Würzburg.

Aus dem Jjaboratorium der üniversitäts - Augenklinik Würzburg. Hierzu Tafel IV und V, Fig. 1 4.

Sehen wir die Lehrbücher der Anatomie und Oph- thalmologie in Bezug auf das vorliegende Thema durch, so finden wir keinerlei Angaben hinsichtlich der feinem Vertlieilung der Nerven der Augenüder, sondern einfach die Angabe derjenigen Nerven resp. deren Aeste, welche zu den verschiedenen Gebilden des Augenlides in Be- ziehung treten. So viel mir bekannt ist, wurde das vor- liegende Thema in derselben Art und Weise und mit der- selben Methode noch nicht behandelt. Aus der aller- neuesten Zeit liegt eine Arbeit von Dogiel vor „Die Nenenendigungen im liidrande und in der Conjimctiva palpebralis des Menschen", welche der meinen am nächsten steht. Dogiel stellte seine Untersuchungen mit der von ihm modificirten Ehrlich'schen Methylenblauraethode an, DogieTs und meine Untersuchungen, unabhängig von-

Die Nerven der Augenlider und der Sklera etc. 51

einander entstanden, bewahren auch in ihren Resultaten eine gewisse gegenseitige Unabhängigkeit, indem die Punkte, auf welche ich auf Grund meiner Befunde Grewicht legen muss, von Dogiel überhaupt nicht oder nur nebenbei er- wähnt werden, während anderseits Dogiel mit seiner Me- thode manches feststellen konnte, was mir mit der Golgi- Cajarschen Methode nicht möglich war. Unsere Resul- tate widersprechen sich nicht, ergänzen sich dagegen in erfreuUcher Weise.

Ueber die Nervenendigungen äussert sich Dogiel iblgendermassen: „Im Lidrande imd in demjenigen Theile der Bindehaut, welcher noch den Charakter einer Haut besitzt, befinden sich die Endkörperchen in den Papillen und nehmen gewöhnlich den obem Theil derselben ein. In der Pars tarsalis conjunct. sind die Körperchen in dem Gewebe derjenigen zahlreichen Faltenvorsprünge, welche den genannten Theil der Bindehaut bedecken, und endUch im Orbitaltheile der Conjunctiva in der Mucosa propria eingelagert.

Ueberall, sowohl im Lidrande als auch in der ganzen Conjunctiva palpebr. hegen die Endkörperchen oberfläch- lich, meistentheils unmittelbar unter dem Epithel; in den Papillen nehmen sie meist den obem Theil ein." Es folgt eine genaue Beschreibung dieser Endkörperchen. Darauf fahrt Dogiel weiter:

„Was die Nerven anbelangt, so empfangen alle End- körperchen ausschhessUch markhaltige Fasern, welche zu- sammen mit den marklosen in einzelnen Stämmchen in der tiefem Hautschicht des Lidrandes und der tiefen Schicht der Conj. palp. sich vorfinden, wo sie ein breitmaschiges Greflecht bilden. Das Letztere hegt in der Pars tarsahs conjunct an der Stelle des Ueberganges des dichten Con- junctivalgewebes in das Gewebe des Tarsus, während es sich in der Pars orbitaUs conj. in der lockeren subconjunc- tivalen Bindegewebsschicht befindet."

4*

52 L* Bach.

Auch iii's Epithel und in die Meibom'schen Drüsen konnte Dogiel Nei*venendigungen verfolgen.

Eine SteUe über die Nerven der Meibom'schen Drüsen will ich noch wörtlich bringen:

„In den Meibom'schen Drüsen umwinden die mark- losen Faseni sammt einer sehr geringen Anzahl von mark- haltigen Fasern die Gruppen der Drüsenacini in Art eines Greflechts, von welchem einzelne Aestchen und varicöse Fäden ausgehen, die auf der Oberfläche der Adni ein zweites feinmaschiges Geflecht bilden; das Vorhandensein von Intra- epithehal- Nervenfäden gelang mir nicht zu beobachten."

Die der DogieFschen Arbeit beigegebenen Abbil- dungen beziehen sich auf die Nervenendkörperchen, auf die Verästelung einer markhaltigen Nervenfaser unter dem Epi- thel, auf ein Nervengeflecht und -Netz um und in einer kleinen Arterie.

Erwähnen muss ich hier noch der Untersuchungen von Helfreich: „Ueber die Nerven der Conjimctiva und Sklera**, sowie der Arbeit von Krause: „üeber terminale Endköiperchen". Die Forschungen der beiden letztgenannten Autoren sind zum grössten Theil unter andern Gesichts- punkten vorgenommen und haben nur wenig Beziehungen zu meinen Befunden. Anführen möchte ich jedoch, dass Helfreich einen subepithelialen Plexus beobachtet hat. Die Endigungen der conjunctivalen Nerven, soweit sie zu- nächst aus den feinsten Axencylindem des subepithelialen Plexus hervorgehen, fand He 1fr eich unmittelbar unter der tiefsten Zellenlage des Epithels*).

Ich benutzte zu meinen Untersuchungen die Lider ver- schiedener menschlicher Föten, einiger neugeborener Kinder,

*) Nach Einsendung meines Manuskriptes bekam ich Kenntniss von einer Arbeit von v. Mises über die Nerven der menschlichen Augenlider. Ein Blick auf die beigegebenen Abbildungen genügt, um uns von den Fortschritten zu überzeugen, welche durch Dogiel a und meine Untersuchungen gemacht wurden.

Die Nerven der Augenlider und der Sklera etc. 53

femer die Lider von Kaninchenföten, von frisch geworfenen und noch jungen Kaninchen.

Ober- und Unterlid wurden in toto abgetrennt, in senkrechter Bichtung in kleinste Stückchen zerschnitten und dann nach Golgi-Cajal (doppelte und dreifache Impräg- nation) behandelt Bezüglich der Technik der Methode verweise ich auf das neu erschienene Buch v. Lenhos- säk's: „Der feinere Bau des Nervensystems im Lichte neuester Forschungen". 2. Auflage. Berlin, Fischer's Medicin. Buchhandlung. H. Kornfeld 1895. Die Schnitte wurden meist in sagittaler, hie und da in frontaler und horizontaler Bichtung angelegt.

Da meine Befrmde beim Menschen verschieden sind von denen beim Kaninchen, so werde ich dieselben ge- trennt beschreiben.

Hensohliohes Oberlid. Sagittaler Schnitt (s. Taf. IV, Fig. 1).

Betrachtet man ein gut imprägnirtes menschliches lad, so fallt einem zunächst der grosse Nervenreichthum auf. Sowohl in der Conjunctiva als besonders im Tarsus sehen wir ein überaus reiches Nervengeflecht. Jedoch nicht die reich- liche Geflechtbildung allein überrascht den Beobachter, son- dern noch mehr der Umstand, dass dieses Gteflecht einen ganz merkwürdigen, eigenartigen Typus darbietet, wie er von keiner andern Stelle des Körpers bekannt geworden ist Wir haben es hier nämlich nicht mit einer gewöhn- lichen Plexusbüdung zu thun, wie sie mit der Golgi'schen Methode an den verschiedensten Stellen darstellbar ist, son- dern mit einer merkwürdig dichten, knäuelförmig ver- schlungenen Anordnung der Fasern. Da sich eine Be- schreibung dieses Knäuelwerkes nur schwer geben lässt, so habe ich ein solches Geflecht und zwar ein Tarsalgeflecht isolirt zur Abbildimg gebracht (s. Taf. IV, Fig. 2).

Das Knäuelwerk ist nicht an allen Stellen gleich stark

64 L. Bach.

und charakteristisch vorhanden^ sondern die eine und andere Stelle ist bevorzugte So fand ich es im Tarsus bei drei verschiedenen Lidern übereinstimmend auffallend stark ent- wickelt nahe dem obem Kande (Oberlid) und zwar fast genau an derselben Stelle. Ich kann wohl nicht annehmen, dass dies Zufall gewesen ist. Es müsste demnach ge- nannter Theil des Tarsus ganz besonders empfindlich sein. Nur in einem Falle konnte ich ein nahezu gleich starkes Geflecht mehr in der Nähe des Lidrandes bei einem 30 cm langen Embryo beobachten. Die Bichtung, in welcher der erwähnte besonders starke Nervenplexus nahe dem obem Ende der Meibom'schen Drüsen den Tarsus durchsetzt, ist von vom (Hautseite) nach hinten (Bindehautseite). Ich schlage für dieses Geflecht die Benennung „Tarsal- geflecht" vor.

Betrachten wir uns genauer das Verhalten und die Beziehungen der Neiven zu den Läppchen der Meibom'- schen Drüsen, so können wir Folgendes feststellen: Die Läppchen werden direct von Nerven umspoimen; aus diesem mnspinnenden Geflecht sieht man Aestchen in die Läppchen abgeben. Fast regelmässig sind die Läppchen mit einer schwarzen Masse angefüllt, wodurch es unmög- lich gemacht wird, das Eindringen der Fasern in das Drüsenepithel und deren Endigung darin zu sehen.

Nm* einmal bei einem neugeborenen Kaninchen war das Lumen der Läppchen frei gebliel)en, das Epithel schön und deutlich zu sehen und da konnte ich wahniehmen, dass Fasern in die Acini eindringen und im Epithel, hier und da nach vorausgegangener gabelförmiger Theilung, endigen. Ich stehe nicht an, das Gleiche für den Men- schen anzunehmen.

Allein wir nehmen nicht nm* Fasern wahr, welche die Läppchen direct umspinnen, sondern man sieht auch, dass zwischen den einzelnen Läppchen noch eine ziemüch starke Aufknäuelung der Nervenfasern stattfindet, die zu den

Die Nerven der Augealider und der Sklera etc. 55

Drüseuläppchen nicht in directer Beziehung stehen. Ich nenne dieses Convolut von Nervenfasern, das einen Bestand- theil des Tarsalgeäechtes bildet: Interglandulargeflecht«

Ganz dieselben Verhältnisse kann man an den sogen. Waldeyer'schen Drüsen feststellen.

Wie ich oben erwähnt habe, zeigt auch die Conjunc- tiva palpebraUs einen beträchtlichen Nervenreichthum. Zu- nächst können wir feststellen, dass sich an das Tarsal- getiecht ein Plexus in der Conjunctiva und dem subcon- Junctivalen Gewebe anschliesst Der Typus ist derselbe wie der des Tarsalgefiechtes. So viel ich beobachten konnte, ist auch dieses Geflecht, welches ich „Conjünctivalgeflecht" nenne, nicht in der ganzen Ausdehnung der Conjunctiva palpebraUs gleich reichUch. Ein besonders reichliches Ge- flecht findet sich in einiger Höhe über dem Lidrande un- ,gefähr in gleicher Höhe mit dem obem Ende der Mei:- bom'schen Drüsen. Hier mag deshalb, wenn es gestattet ist, aus derlei histologischen Befunden auf physiologische Ver- hältnisse zu schliessen, eine ungewöhnhch empfindUche Stelle der Tarsalbindehaut bestehen. Auch ganz nahe dem Lidrande findet sich häufig ein etwas reicheres Gewin- von Faseni.

Von dem Conjünctivalgeflecht aus konnte ich in einigen Präparaten senkrecht aufsteigende, intraepithelial «ndigende Fasern beobachten.

In dem Muse, orbicularis und ciliaris nimmt man ein- zelne Nervenfasern wahr.

Bezüglich der Nervenendigungsweise an den Cilien fand ich, dass es fast regelmässig zu einer Geflechtbildung in der Nähe und um die sogen. MolTschen Diiisen kommt; es ist dies dieselbe Endigungsweise, wie sie van Gebuch- ten, Retzius und Orru beschrieben und abgebildet haben. Nur ein einziges Mal sah ich eine Nervenendigung an der Haarpapille.

Principielle Unterschiede in der Nenenausbreitung des Ober- und Unterlides liessen sich nicht nachweisen.

66 L. Bach.

Die besprochene Nervenausbreitung in dem mensch- lichen Lide lässt es uns erklärlich finden, warum Opera- tionen an den Lidern sehr schmerzhaft zu sein pflegen.

Ich gehe nun dazu über, eine Beschreibung der Nerven- versorgung der Lider beim Kaninchen zu geben und ist daraus, wie ich vorausschicken will, eine ziemlich beträcht- Mche Verschiedenheit von der Nervenausbreitung im mensch- Uchen Lide zu entnehmen.

Oberlid eines neugeborenen Kaninchens.

Sagittalschnitt (s. Taf. V, Kg. 3).

Es ist zunächst zu bemerken, dass Unterschiede zwi- schen dem menschlichen Lide und dem des Kaninchens auch bestehen in der Form des Lides, in dem Verlauf der Cilien, in dem Bilde und der Grösse der Meibom'schen Drüsen; ausserdem wird das Bild natürlich wesentlich ver- ändert durch die starke Behaarung des Kaninchenlides.

Diese kleineren und grösseren Unterschiede sind ohne Weiteres ersichtlich aus den beigegebenen Abbildungen.

Was nun weiter die Nerven des Lides anlangt, so sehen wir einzelne stärkere Stämmchen ungefähr in der Mitte der Dicke des Lides senki'echt gegen den Lidrand hin verlaufen, welche annähernd dem Verlaufe der Cilien^ folgen; die einzelnen Stämmchen sind meist durch 2 3 Cilien voneinander getrennt. Betrachtet man einen Pron- talschnitt, so kann man constatiren, dass diese einzelnen Nervenstämmchen unter sich durch ein Greflecht zusammen- hängen.

Diese Verbindung wird eine noch viel innigere nahe dem Lidrande, wo die Nervenstämmchen ein gemeinsames, reichliches, ausserordenthch zierhches Geflecht bilden, wel- ches die ganze Breite des Lidrandes in Anspruch nimmt

Dieser Verlauf der Nervenfasern und diese Geflecht- bildung ist als constant zu betrachten.

Aus dem genannten Lidi^andgeflecht sieht man zahl»

Die Nerven der Augenlider und der Sklera etc. 67

reiche Aestchen in das Epithel dea Lidrandes eintreten und zwischen den Zellen mit freien Spitzen endigen.

Ausserdem gehen ans diesem Lidrandgeflecht Aest- chen nach vom und nach hinten ab.

Die nach vom ziehenden Aestchen gelangen zu den CSlien, verästeln sich und endigen daselbst an den sogen. Moirschen Haarbalgdriisen und dem darunter befindUchen annulären Wulst Man beobachtet eine ziemlich reichliche dichotomische Verästelung'). Einmal sah ich beim Kanin- chen eine öeflechtbildung um die Haarpapille hemm, in der Papille endigende Fasem habe ich nicht gesehen.

Die aus dem Lidrandgeflecht nach hinten ziehenden Aestchen gelangen zunächst zur Meimbom'schen Drüse. Die Läppchen der Meibom'schen Drüse werden umspon- nen, aus diesem umspinnenden Geflecht kann man Aestchen in die Acini eintreten sehen, welche daselbst in dem Epithel enden.

Das beim Menschen meist deutlich ausgesprochene Interglandulargeflecht fand ich hier viel schwächer ent- wickelt. Ein sogenanntes Tarsalgeflecht habe ich beim Kaninchen nicht wahrgenommen.

In der Conjunctiva palpebralis und dem subconjunc- tivalen Gewebe fand ich lange nicht den Nervenreichthum wie beim Menschen. Die hier sich ausbreitenden Nerven- stämme stammen theils direct von den von oben nach unten ziehenden Hauptstämmchen, theils von dem Lidrand- geflecht direct oder secundär aus den Aestchen, welche zunächst zu dem Tarsus und den Meibom'schen Drüsen in Beziehung traten.

Principielle Unterschiede zwischen Ober- und Unter- lid konnte ich auch beim Kaninchen nicht constatiren.

Während ich also beim Menschen den Hauptnerven-

*) Erwähnen möchte ich, dass die MolTschen Drüsen beim Kaninchen schwach entwickelt sind.

58 L. Bach.

reichthuin in dem Tarsus und der Conjunctiva palp. fand, war beim Kaninchen die nervenreichste Stelle der Lidrand in seiner ganzen Ausdehnung. Hier dagegen sah ich beim Menschen nur spärlich Nervenästchen; wenn nim zwar die Möglichkeit auch zugegeben werden muss^dass hier bei ferneren Untersuchungen sich etwas mehr Nerven nachweisen lassen, so kann doch mit Bestimmtheit ausgeschlossen werden, dass auch nur annähernd ein solcher Nervenmchthum aai Lidrand vorhanden ist wie beim Kaninchen. Der Unter- schied in der Nen'^enausbreitung des Tarsus und der Con- junctiva ist ebenfalls, wie beim ersten Blick ersichtlich wird, ein sehr erheblicher.

Ueber die Nerven der Sklera.

Die Literatur, welche über die Nenen der Sklera vor- liegt, ist sehr spärlich. Die erste Mittheilung stammt aus dem Jahre 1849 von Bochdaleck. Derselbe beschreibt die durch die Sklera durchtretenden Nerven, er spricht auch über ein reiches Geflecht der in das Grewebe der Sklera eintretenden Nerven und über vielfache Theilungen der Stämme innerhalb derselben, allein seine mikroskopi- sche Abbildung beschränkt sich darauf, das Abbrechen der feinsten Zweige doppeltcontourirter Fasern zu zeigen. Der Beweis von einer Nervenendigung in der Sklera ist von ihm nicht erbracht. Nach dem Vorgange Boch- daleck's wurden diese Verhältnisse untersucht von Köi- liker, Luschka und Arnold; die genannten Forscher konnten sich jedoch nicht davon übei'zeugen, dass die von Bochdaleck beschriebenen Nenen etwas anderes als ledig- lich durchlaufende Stämme seien, die ihre eigentiiche En- digung in dem Muse, ciliaris fänden.

Der Beweis von Eigennerven der Sklera war erst dann erbracht, wenn es gelang ein Aufliören der Faserelemente in irgend einem der gegenwärtig bekannten Endorgane der Nenen zu beobachten.

Die Nerven der Augenlider imd der Sklera etc. 59

Helfreich untersuchte mittels der Groldimprägnation die Sklera des Frosches, von Vögeln und kleinen Säugern and diesem Forscher gelang es, eine Endigung von Nerven in der Sklera nachzuweisen. Die beigegebenen Abbildungen eines Flächen- imd eines Längsschnittes der Sklera illu- striren die Befunde Helfreich's.

Meine Befunde über die Nerven der Sklera sind ein mehr zufäUiges Ergebniss.

Dieselben bilden eine Bestätigung der Resultate Helf- reich's,

Meine Präparate stammen von einem menschlichen Embryo und von neugeborenen Kaninchen. Da überhaupt nur wenige Mittheilungen über die Nerven der Sklera und gar keine, so viel mir bekannt, mit der Golgi-CajaFschen Methode vorliegen, habe ich meine Befunde kurz erwähnt. Eine genauere Beschreibung wird mii' durch die Arbeit Helfreich's und die beigegebene Abbildung erspart.

Alle dieser Arbeit beigegebenen Abbildungen sind nicht schematisirt, sondern vollständig naturgetreu.

Literatur.

Bochdaleck, Ueber die NeiTen der Sclerotica. Prager Viertel- jahresschrift für practische Heilkunde. 6. Jahrg., p. 119. 1849.

Dogiel, 0. S., Die Nen^enendkörperdien (Endkolben, W. Krause) in der Cornea und Conjuncdva bulbi des Menschen. Arch. f. mikroskop. Anatomie, Bd. XXXYII.

Die Nervenendigungen im Lidrande und in der Coi\juno- tiva palpebr. des Menschen. Archiv f. mikroskop. Ana- tomie XLIV.

van Gehuchten^ A., Contributions k T^tude de l'innervation des poils. Anatom. Anzeiger^ Jahrg. VII. Mai 1892.

Les nerfe des poils. M^moires de TAcad. royale de Bel- gique. I 49. 1893.

60 L- Bach.

Hei fr eich; Fr., Ueber die Nerven der Gonjnnctiva nnd Sklera.

Würzburg. A. Stuber's Buchhandlung. 1870. V. Kölliker, A., Handbuch der Gewebeldure. W. Engehnann. Koenigstein, Histologische Notizen. I. Ueber die Nerven d^

Sklera, v. Graefe's Archiv f. Ophthahn. XXVII. 3. S. 56- Erause, W., Ueber terminale Endkörperchen. 1860. V. Lenhoss^k, M., Der feinere Bau des Nervensystems im

Lichte neuester Forschungen. 2. Aufl. Berlin. Fischer's

Medic. Buchhandlung. H. Kornfeld. 1895. Orru, E., Ueber die Nervenendigungen im Haare. Mole-

schott's Untersuchungen zur Naturlehre. Bd. XV. 1894. Retzius, G., Ueber die Nervenendigungen an den Haar^i.

Biolog. Unters. Neue Folge. Bd. IV. 1892, December. Ueber die Endiguugsweise der Nerven an den Haaren des

Menschen. Biolog. Unters. N. F. Bd. VI. 1894. V. Mises, F., Ueber die Nerven der menschlichen Augenlider.

Sitzungsberichte der math.-natun«'. Klasse der kais. Akademie

der Wissenschaften. Wien. LXXXXV. Bd. III. Abth. 1882.

Erklärung der Abbildungen auf Tafel IV und V.

Fig. 1. (Taf. IV.) Senkrechter Schnitt durch das Oberlid eines 32 cm langen mensch- lichen Embryo nach Golgi-Gajal behandelt. Die Abbildung ist naturgetreu aus mehreren Präparaten zusammengestellt Veigr. Syst IV., Oc. IV., halber T., um »^ verkleinert

A, Ausführungsgang einer Meibom'schen Drflse. A. L. Aeussere Lidkante. L L. Innere Lidkante. C. Cilie. Gl. M, Glandula Meibomiana. M. Dr. MolTsche Drüse. TT. Dr. Waldeyer'sche Drüse. M. cü. Muse, ciliaris. C. G. Goi\junctiyalgeflecht. J. G. Interglandulargeflecht T. G. Tarsalgeflecht

Fig. 2. (Taf. IV.) Tarsalgeflecht des menschlichen Unterlides. Vergr. Syst V., Oc. I. Leitz.

Die Nerven der Augenlider und der Sklera etc. 61

Fig. 3. (Taf. V.) Senkrechter Schnitt durch das Oberlid eines neugeborenen Kaninchens nach Golgi-Gajal behandelt Die Abbildung ist natur- getreu nach 4 Präparaten zusammengestellt Die Lidr&nder waren noch yerwachsen. Vergr. Syst V., Oc. I., K. T. Leitz. Um V4 ▼or- kleinert

A. Ausf&hrungsgang einer Meibom'schen Drüse. a Cilien.

E, Nenrengeflecht und Endigungen um eine Mol Vsche Drüse. Gl. M. Glandula Meibomiana. M. Dr. MolFsche Drüsen. H. Haare. C. G. Co^junctivalgeflecht. L. G. Lidrandgeflecht M. cü. Musculus ciliaris. M. orb. Musculus orbicularis. O. U. L. Die verklebten Lidr&nder des Ober- und Unter- lides. F. Z. Yerbindungsäste zwischen den zum Lidrand ziehen- den Nervenstämmchen.

Fig. 4. (Taf. IV.)

Schiefer Schnitt durch die Sklera eines neugeborenen Kanin- chens nach Golgi-Gajal behandelt Vordere Parthie der Sklera. Vergr. Syst V., Ocul. I., K. T. Leitz. Um Vs verkleinert. A. Aeussere Fläche. I. Innere Fläche. Man sieht einige eintretende Nervenstämmchen, welche sich ver- ästeln und einen Plexus bilden. Ausserdem ist der Nervenast zu beachten, welcher an ei^ arterielles Gefäss herantritt und dort sich verzweigt

L

Die Nervenzellenstractiir der Netzhaut

in normalen nnd pathologischen Zuständen.

IL

Die menschliche Netzhant nach IJntersnchnngen

mit der Golgi-Cajarschen Methode.

Von

Dr. Ludwig Bach,

Privatdocenten und I. Assistenten an der Universitäts- Augenklinik zu Würzburg.

Aus dem Ijaboratorium der Uni versitäts - Augenklinik Würzburg.

Hierzu Taf. VI, Fig. 1—7.

I. Die Nervenzellenstructur der Netzhaut in normalen und pathologischen Zuständen. Man war bis jetzt ziemlich allgemein der Ansicht, dass die Nervenzellen einen fibrillären Bau besässen; namentiieh M. Schnitze hatte eine genaue und eingehende Beschrei- bung der NeiTenzellenstnictur gegeben und seine Unter- suchungen in dieser Bichtung bestanden trotz des einen und andern Einwandes in vollem Umfange, in voller Kraft weiter. In neuester Zeit trat für diese Auffassung von der Nervenzellenstructur Dogiel in entschiedener Weise ein; ebenso entschieden hat jedoch mit Hi^e vervollkommneter Untersuchungsmethoden die Opposition eingesetzt, beson- ders hat Nissl in zahlreichen Arbeiten der letzten Jahre obiger Auffassung widersprochen.

I. Die Nerrenzellenstructur der Netzhaut etc. 63

Nissl hat sich bei seinen Untersuchungen einer eignen ¥%rbeniethode (Nissl's Methylenblaumethode) bedient und gelangte mit derselben zu folgendem Ergebniss:

Der Leib aller Nervenzellen besteht aus einem farb- baren id est geformten und einem nicht färbbaren Theile. Manche Nervenzellen enthalten ausserdem eine nicht orga- nisirte Substanz, das Pigment, das in der Begel in Form von Kömchen in dem ungefärbten Theile des Zellkörpers eingelagert ist Der gefärbte Theil zeigt eine Reihe von Formen: bald handelt es sich um kleinere und grössere Kömchen regelmässiger oder unregelmässiger Gestalt, um Kömergmppen, Köraerreihen und Kömerfäden; bald sind es glatte oder rauhe Fäden verschiedener Dicke, verschie- denen Verlaufes und Länge; oder man findet grössere Ge- bilde d. h. regelmässig oder unregelmässig gestaltete Sub- stanzportionen, die entweder typische Formen besitzen oder in Gestalt von Spindeln, Kegeln oder kalottenartig dem Kern aufsitzenden Kappen auftreten und entweder homogen sind oder in sich wieder eine Zusammensetzung aufweisen oder in schwer definirbarer Abgrenzung als mannigfaltig gestaltete Körper erscheinen, die ebenfalls hinwiedemm homogen sind oder sich als zusammengesetzt erweisen und die häufig durch fortsat2artige Auswüchse sternförmigen oder strahlenförmigen Körpern nicht unähnhch sind. Durch diese Vielseitigkeit der Gestalt, in welcher der gefärbte Theil der Zellsubstanz sich zeigt, kann derselbe ein sehr verschiedenes Aussehen erhalten, das auf einer bestimmten Anordnungsweise der gefärbten Zellleibsubstanz bemht.

Der ungefärbte Theil füllt den übrigen Theil des Zell- körpers aus. Je nach dem Orte, dem eine Nervenzelle entstammt, verhält sich die Anordnung des gefärbten Zell- leibtheiles sehr verschieden. In den einen Zellen stellt dieser ein zusammenbringendes Netzwerk dar, dessen Maschen von dem ungefärbten Theile ausgefüllt werden. In andern Zellen bildet der gefärbte Theil der Zellleibsubstanz an-

64 L- Bach.

scheinend keine zusammenhängende Masse: einzehie 8pin- dehi oder anders geformte Substanzportionen, I^en, Körn- chen und Kömchenreihen ordnen sich in der ungefärbten Zellleibsmasse derart an, dass sie dem Zellkörper eine Art parallelstreüige Zeichnung verleihen. In wieder anderen Zellen combinirt sich die netzförmige Anordnung mit der parallelstreifigen u. s. w. Sobald es aber feststeht, dass die Gebilde, die wir Nervenzellen nennen, in eine Beihe von morphologisch wohl charakterisirten Nervenzellentypen zerfallen, dass femer diesen einzelnen Nervenzellentypen auch Zellkerne von ganz bestimmtem moiphologischen und substanziellen Verhalten, also specifische Zellkeme ent- sprechen und endlich, dass zwischen den einzelnen Nerven- zellentypen und den Oertiüchkeiten, denen sie entstammen, ein gesetzmässiger, in der Thierreihe immer wiederkehrender Zusammenhang besteht, dann ergiebt sich daraus von selbst und naturgemäss nicht eine sondern die Classificirung der Nervenzellen.

v. Lenhossek widmet in der neuen Auflage seines Werkes über den feineren Bau des Nervensystems der Zell- stmctur der Nei*venzellen ein eignes Kapitel und eine ein- gehende Betrachtung. Seine Ausführungen gründen sich hauptsächlich auf 2 Zellgattungen, die Zellen der Yorder- hömer des Bückenmarkes und auf die der Spinalganglien. Lenhossek schliesst sich in der Hauptsache den An- schauungen Nissl's an. Letzterer hat zu seinen Unter- suchungen verschiedene Theile des Centralnervensystems herbeigezogen, während Dogiel, welcher wie erwähnt einer der eifiigsten Vertheidiger der fibrillären Zellstmctur in aer neuesten Zeit ist, sich hauptsächlich mit den Nerven* Zellen der Netzhaut beschäftigte.

Meine eignen Erfahrungen und Untersuchungen be- ziehen sich fast ausschUesshch auf das Oculomotoriuskem- gebiet sowie auf die Nervenzellen der Netzhaut In dieser Abhandlung soll nur von der Stmctur der Nervenzellen

I. Die Nerven zellenstructur der Netzhaut etc. 65

der Netzhaut vornehmlich von denen des ,,Ganglion nervi optici^' die Bede sein.

Ich bediente mich bei meinen Untersuchungen einmal der NissFschen Methylenblaumethode, auch mit Magenta- roth färbte ich zuweilen, meistens jedoch, besonders in der letzten Zeit, benutzte ich zum Färben eine 1^/oige oder gesättigte wässerige Thioninlösung. Das Thionin gebrauchte ich auf Anrathen von v. Lenhossäk und haben mich die Bilder, die ich mit dieser Färbung erzielte, im Grossen Ganzen mehr befriedigt. Als nicht unwesentUcheu Vorzug der letzteren Färbemethode möchte ich betonen, dass man hierbei nicht die Farblösung zu erwärmen braucht; wenn ich ja auch allerdings mit Nissl im Einverständniss bin, dass sich Fehler, die vom Erwärmen herrühren, leicht aus- schliessen lassen. Uebrigens benutzt jetzt auch Nissl, wie ich aus brieflicher Mittheilung weiss^ das Thionin bei seinen Untersuchungen über die Zellstructur. Die untersuchten Netzhäute waren mit Alkohol vorbehandelt und in Paraffin ^gebettet. In Celloidin eingebettete Präparate können nicht nach Nissl gefärbt werden. Näheres darüber ist zu finden in den Abhandlungen von Nissl und dem Buche V. Lenhossek's.

Ich habe bis jetzt Netzhäute von Menschen verschie- dener Altersstufen, von neugeborenen und ausgewachsenen Kaninchen, von Katzen, Himden, Kälbern und Schweinen untersucht

Das Ergebniss dieser Untersuchungen bildet eine Be- stätigung der Befunde Nissl's und steht in Widerspruch mit den Angaben Dogiel's.

Dogiel färbte mit seiner Methylenblaumethode. Er sagt : „Die Interfibrillärsubstanz tingirt sich unter dem Ein- fluss von Methylenblau viel schwächer als die Fibrillen und setzt sich von dem Zellenkörper unmittelbar auf alle Fortsätze (die Protoplasmafortsätze imd den Axencylinder- fortsatz) fort, indem sie sich als eine sehr dünne Schicht

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sowohl zwisclieu den einzelnen Fibrillen, wie an der Peri- pherie sämmtlicher Fortsätze der betreffenden Zelle nnd ihrer Aestchen vertheilt, so dass sie rings um die Fort- sätze eine dünne Scheide bildet In manchen Fällen wird die Interfibrillärsubstanz durch Methylenblau nur sehr schwach oder gar nicht gefärbt; die fibrilläre Structur der Zellen und ihrer Fortsätze tritt dann ganz besonders deut- lich und klar hervor**.

Ich habe an meinen Netzhautpräparaten Nichts von einer fibrillären Structur sehen können, ebenso nichts von einer gefärbten Interfibrillärsubstanz in dem Axencylinder- fortsatz.

Man sieht in der ganzen Ausdehnung des Zellkörpers, eingebettet in eine fast ungefärbte Grundmasse, eine grosse Anzahl verschieden geformter, theils regelmässig, theils unregelmässig angeordneter, lebhaft färbbarer Plasmaschollen, welche sich in die Protoplasmafortsätze der Ganglienzellen hineinverfolgen lassen, lycht dagegen in den Neuraxon. Ich habe diese Schollen mit den verschiedenen genannten, electiven Färbmethoden deutlich gesehen. Ihre Anordnung und Form ist resp. kann bei den verschiedenen Thierspecies verschieden sein, auch scheint eine in gewissen Grenzen schwankende Verschiedenheit nach dem Alter nicht imwahr- scheinlich. Es ist unbedingt nothwendig, bei diesen Unter- suchungen sich der stärksten Vergrössenmgen zu bedienen (s. Taf VI, Fig. 1—4).

Ich unterlasse es hier des Nähern auf die Beschrei- bung der verschiedenen Formen und Anordnung der färb- baren Plasmaschollen einzugehen, da eine solche die bei- gegebenen naturgetreuen Abbildungen nicht ersetzen kann.

Nachdem ich mir durch die genannten Untersuchungen Kenntniss und Klarheit über die normalen Structurver- hältnisse der Nervenzellen der Netzhaut verschafft hatte, ging ich dazu über, Netzhäute im pathologischen Zustande zu untersuchen.

I. Die Nervenzellenstructur der Netzhaut etc. 67

Von besonderem Interesse schien es mir festzustellen, ob und was für Veränderungen an der abgelösten Netz- haut auftreten, fernerhin von welchem Zeitpunkt nach der Ablösung wir eventuelle dauernde iiTeparable Veränderungen zu erwarten haben.

Zur Untersuchung gelangte eine nahezu vollständig abgelöste menschliche Netzhaut sowie eine grössere Anzahl von abgelösten Netzhäuten aus Kaninchenaugen. Experi- mentell erzeugte ich mir die Netzhautablösung dadurch, dass ich Sublimat 1 : 2000 oder 1 : 1000 in den Glaskörper in- jicirte, späterhin auch durch Injection von Kochsalzlösung.

Es gelang mir nun in der That an Netzhäuten, die einige Zeit abgelöst waren, ganz bestimmte Veränderungen der Ganglienzellen festzustellen.

Zunächst werden die färbbaren Plasmaschol- len etwas feiner, die Zelle sieht wie bestäubt aus, der Kern rückt mehr an den Rand der Zelle, all- mählich rückt die färbbare Substanz mehr und mehr an den Zellrand, es kommt meist zu Vacuolen- bildung, die mittleren Parthieen der Zelle be- kommen mehr und mehr ein gequollenes, glasiges Aussehen. Schliesslich hat die ganze Zelle ein solches glasiges colloides Aussehen erlangt, es sind gar keine gefärbten Plasmaschollen mehr sicht- bar, nur ein ganz schmaler gefärbter Saum um- giebt die so veränderte Zelle. Endlich schrumpft und zerfällt die Zelle, der Zerfall erstreckt sich auch auf die Fortsätze und es kommt zur as- cendirenden Atrophie des Sehnerven (s. Taf. VI, Fig. 5 u. 6).

Zum Beweise dafür habe ich Sehnerven von Augen, deren Netzhaut einige Zeit abgelöst war, nach Weigert behandelt und eine Atrophie derselben nachgewiesen. Die Atrophie war eine ziemlich gleichmässige, vor allem konnte ^ich kein isolirtes, normales Bündel, welches eventuell die

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68 L- Bach.

centrifugal verlaufenden Sehjierven&sem enthalten konnte, nachweisen.

Wa8 nun den Zeitpunkt anlangt^ Ton welchem ab wir iii*eparable Veränderungen in der abgelösten Netzhaut er- warten müssen, so möchte ich als solchen vorläufig 2 Mo- nate nach der Ablösung angeben, ich glaube jedoch, dass derselbe vielleicht noch etwas mehr hereinzurücken ist Von Belang hierfür wird auch höchst wahrscheinlich der Grad, die Ausdehnung der Ablösung sein. Ich hoffe Zeit zu finden die Versuch8anoi*dnung so modificiren zu können, dass ich noch eine grössere Anzahl von Netzhäuten und dazugehörigen Sehnerven untersuche, welche alle möglichen Abstufungen in Bezug auf Zeitdauer und Ausdehnung der Ablösung darbieten.

Da den färbbaren Plasmaschollen der Ganglienzellen eine grosse Empfindlichkeit allen schädlichen Einfl^üssen gegenüber zukommt, so sind dieselben nach der pathologi- schen Seite hin von grossem heuristischen Werth.

Auf Grund der festgestellten Veränderungen an ab- gelösten Netzhäuten und den zugehörigen Sehnerven er- geben sich für die Therapie dieser Erkrankung bestimmte Gesichtspunkte. Eine ziemlich ausgedehnte seit 2 3 Mo- naten bestehende Netzhautablösung bietet der Therapie ziem- lich sicher keine Aussicht mehr, die Perceptionsfähigkeit der- selben ist absolut erloschen. In solchen Fällen würde eine Therapie nur von einem andern Gesichtspunkte aus ein- zuleiten sein, von der Möglichkeit oder Hoffiiung diurch wenigstens theilweises Rückbringen der abgelösten Netz- haut in ihre normale Lage der Ausbreitung auf nicht ab- gelöste Parthieeii entgegen zu arbeiten. Die in dieser Hin- sicht vorhandenen Chancen zu besprechen, erachte ich als ausserhalb des Rahmens der vorliegenden Abhandlung stehend ^).

') Es ist zwar höchst wahrschcialich, dass die von mir fast aus-

I. Die Nervenzellenstractur der Netzhaut etc. 69

Gelegentlich einer früheren Demonstration (internatio- naler Ophthalmologencongress zu Edinburg 1894) bezüg- licher Präparate wnrde mir der ESinwnrf gemacht, meine oben beschriebenen Veränderungen der Ganglienzellen könnten eyentuell hervorgerufen sein durch Aetzung von Seiten des injicirten Sublimates, womit ich die Ablösung experimen- tell erzeugte.

Ich habe daraufhin Controlversuche in zweierlei Hin- sicht gemacht: einmal habe ich SubUmat 1:2000, 1:1000, 1 : 800 in den Glaskörper injicirt und verschiedene Zeit darauf, */4, 1, 4, 10 Stunden, 1 4 Tage nachher die be- treffenden Netzhäute untersucht, es zeigte sich dabei ein vollständig normales Verhalten der GangUenzellen.

Wenn ich femer die Netzhautablösung durch Injection von Kochsalzlösung erzeugte und die Netzhaut 1—2 Mo- nate darauf untersuchte, erhielt ich ebenfalls die oben be- schriebenen Veränderungen der Ganglienzellen.

Das SubUmat hat somit nicht durch Aetzung die ge- nannten Veränderungen hervorgebracht.

Die Thatsache, dass man durch Injection von SubU- maÜösung Ablösung der Netzhaut mit andern Folgezuständen (Trübung der linse, Atrophie des Bulbus) hervorbringt, möchte ich denen warnend entgegenhalten, welche SubU- matinjectionen in den Glaskörper aus therapeutischen Grün- den gemacht und dieselben warm empfohlen haben.

Dass übrigens durch intraoculare Sublimatinjectionen keine keimtödtende Wirkung von Belang zu erwarten ist, z. B. bei der Panophthalmie, haben die Versuche Anderer gezeigt, haben mich eigne Vei'suche erkennen lassen.

schliesslich an der Netzhaut von Kaninchen festgestellten Verände- rungen sich auf bezügliche Zustände beim Menschen direct fiber- tragen lassen, jedoch ist immerhin möglich, vielleicht infolge der bessern Ge^sversorgung der Gehimscliicht der menschlichen Netz- haut, dass die Veränderungen hier später auftreten.

70 L. Bach.

Allein nicht bloss zu obigen Controlvei^suchen wurde ich auf dem Cougress zu Edinburg angeregt, sondern auch zu Versuchen in ganz anderer Hinsicht.

G. Mann demonstnrte eine Anzahl von Photogram- men und mikroskopischen Präparaten zur Veranschau- lichung des Aussehens der Nervenzellen im Zustande der Ruhe, der Function, der Reizung xmd in dem der Ermü- dung. Da ich selbst angefangen hatte, mich mit den Stnic- turverhältnissen der Nervenzellen zu beschäftigen, so mussteu mich die Ausführungen und die Präparate Mann's in hohem (Jrade interessiren. Obwohl die von Mann mir speciell noch in liebenswürdigster Weise demonstrirten Präparate und Photogramme ganz deutUch das verscliiedene Aussehen der Nervenzellen in den oben genannten verschiedenen Zuständen zu beweisen schienen, konnte ich doch nicht gewisse Zweifel bannen und entschloss mich daher eben- falls Versuche im Sinne Mann's anzustellen. Besondere Veranlassung zu Controlversuchen war mir noch dadurch gegeben, dass Mann für den fibrillären Bau der Nerven- zellen sich aussprach, was meinen eignen Beobachtungen widersprach.

Mann kommt in einer vorläufigen Mittlieilung zu folgenden Schlüssen:

1) That duiing rest several chromatic materials are stored up in the nerve cell and that these materials are used up by it during the Performance of its fiinction.

2) That activity is accompanied by an increase in size of the cells, the nuclei and the nucleoli of sympathetic, ordinary motor und sensory gangHon cells.

3) That fatigue of the nerve cell is accompanied by shrivelling of the nucleus and probably also of the c^U and by the formation of a diffuse chromatic material in the nucleus.

Meine Versuche sind so angestellt, dass ich ein oder beide Augen verschieden lange Zeit entweder gewöhnlichem

I. Die Nervenzellen structur der Netzhaut etc. 71

Gaslicht, coucentrirtem Loupenlicht oder auch Gasglühlicht exponirte. Die exponirteii Augen waren vorher atropini- sirt Beleuchtete ich nur ein Auge, so blieb das andere während dieser Zeit verdeckt. In einer Anzahl von Ver- suchen wurden beide Augen 20 Stunden mit Gasglühlicht beleuchtet Zum Vergleiche mit dem oder den beleuchteten Augen wurden herangezogen:

1) Das nicht beleuchtete, verdeckte andere Auge des- selben Thieres.

2) Augen von Kaninchen, die bei massiger Beleuch- tung im Stalle waren.

3) Solche Augen, die mit oder ohne Verband im Dunkeln gehalten wurden.

Die beleuchteten Augen wm'den unter fortdauernder Lichteinwirkung , die verdunkelten im Dunkeln enucleirt.

Behandlung der herausgenommenen Augen:

18 Augen wurden mit Alcohol gehärtet, 4 Augen mit SubUmat. Gefärbt wurden die Schnitte nach Nissl oder mit Thionin. Die Schnitte, welche mit einander verglichen wurden, waren gleich dick xmd peinlichst m gleicher Weise behandelt. Ich halte es für nothwendig bei diesen Unter- suchungen sowohl als auch bei den abgelösten Netzhäuten womöglich Serienschnitte anzulegen.

Das Resultat dieser Versuche ist mit Hinblick auf die Angaben Mann's als ein negatives zu bezeichnen.

Ich gebe zu, dass ich längere Zeit im Zweifel war und bald diese bald jene Veränderungen gefunden zu haben glaubte, jedoch alles anscheinend Gefiindene liess mich die Controle wieder als Irrthum erkennen.

Es ist eben zu bedenken, dass trotz gleicher Schnitt- dicke, trotz des genau gleichen Verfahrens beim Färben etc. immerhin sich tinctorielle Unterschiede ergeben können. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass es in der Netzhaut verschiedenartig gestaltete und FarbstofiFen gegenüber sich nicht ganz gleich verhaltende Ganghenzellen giebt. Weder

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in der Menge noch in der Anordnung, der Form der färb- baren Plasmaschollen, noch in der Grösse, der Lagerung, der Tinction und Durchsichtigkeit der Kerne konnte ich constante, markante, principielle Unterschiede zwischen be- leuchteten verdunkelten, normalen Netzhäuten entdecken.

Ich muss bemerken, dass auch in normalen Netz- häuten an den Ganglienzellen sich Unterschiede besonders hinsichtlich der Menge und Anordnung, der Form der färb- baren Plasmaschollen ergeben, dass auch normaler Weise Yacuolen in dem Zellleib gefunden werden, dass die Kerne sich verschieden verhalten können kurz ich konnte an den beleuchteten Netzhäuten Nichts wahrnehmen oder ver- missen, was ich nicht an normalen, an verdunkelten Nete- liäuten auch wahrgenommen oder vermisst hätte. Auch an den übrigen Elementen der Netzhaut, in den übrigen Schichten konnte ich bis jetzt keine Unterschiede bei nor- malen, verdunkelten und behchteten Netzhäuten nachweisen. Bemerken will ich übrigens, dass die Pigmentschicht der Netzhaut bei meinen Untersuchungen ausser Betracht blieb.

Die bezüglichen BeAinde Mann's rühren von 4 Hunden her, welche er 12 Stunden herumlaufen liess, das eine Auge verbunden, das andere offen. Er stellte die genannten Zell- veränderungen nicht nur an der Betina, sondern auch in den optischen Centren des Gehirnes fest Während Mann's Versuchshunde herumliefen, sassen meine Kanin- chen in einem Kasten ziemlich unbewegUch. Ich stellte die Versuche deshalb so an, weil ich mir nicht redit ver- stellen kann, welch schädigenden Einfluss Ermüdung des Körpers auf eine sensorische Zelle ausüben soll, auf der andern Seite war die specifische Beizung der Elemente der Netzhaut bei der grösseren Anzahl meiner Versuche sicher stäricer.

Da also die Versuchsanordnung bei Mann 's und meinen Versuchen nicht ganz gleich war, da femer Mann auch mehrere Pärbemethoden, Pixirungs- und Härtungs-

II. Die menschliche Netzhaut nach Untersuchungen etc. 73

methoden benutzt hat als ich, zum Theil sind wir übrigens ganz gleich vorgegangen, so darf ich nicht behaupten^ dass durch meine negativen Resultate die Befunde Mann's widerlegt wären.

Da mir nur daran lag zu sehen, in wie weit sich eventuell durch diese Versuche für uns practische, thera- peutische Gesichtspunkte gewinnen Hessen, so wiederholte ich nicht die Versuche Mann's in vollem Umfange und ganz gleicher Weise, sondern ich stellte die Versuche so an, wie sie meinen Gesichtspunkten am entsprechendsten schienen.

Ich hoffe und glaube übrigens, dass diesen Unter- suchungen schliesslich doch noch eine practische Seite zu- kommt, wenn unsere Methoden noch mehr verfeinert sein werden, wenn unsere Kenntniss des normalen ZellgefÜges sich vertieft haben wird.

n. Die menschliche Netzhaut nach Untefsuchungen mit der Golgi-Cajal'schen Methode. Die Netzhaut hat durch ihre Function und ihren wun- derbaren compUcirten Bau von jeher unsere bedeutendsten Forscher zu Untersuchungen angeregt Es hegen zur Zeit mehrere Hunderte von Arbeiten vor, von denen die meisten nur um ein Geringes unsere Kenntniss förderten, deren Gfesammtheit jedoch einen herrlichen Beweis liefert, wie weit es Ausdauer, Fleiss und gewissenhafte Forschung mit der Zeit in der Lösung auch der schwierigsten Probleme bringen kann. Erheblichere Fortschritte in unserer Er- kenntniss des Baues und der Function der Netzbaut sind immer an die Auffindung neuer Methoden geknüpft Auch diesmal sind die erstaunlichen Fortschritte in der Kennt- niss der feineren Structur der Netzhaut auf 2 neue Me- thoden zurück zu fuhren: Die Osmium -Bichromat- Silber- methode von Golgi und die Methode der Färbung des lebenden Gewebes mit Methylenblau nach Ehrlich. Sind beide Methoden in ihrer Anwendung und Technik auch

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grundverschieden, so stimmen sie doch in ihrer Wirkung auf das Gewebe fast vollständig überein. Beide Methoden besitzen die bis dahin vollständig unbekannte Eigenschaft, dass sie nicht wie die andern Methoden alle die zahlreichen, neben einander hegenden Zellen und Fasern zur Ansicht bringen, sondern dass sie in eigenartigster Weise in der grossen Menge der vorhandenen, gleichartigen Elemente eine Auswahl treffend, stets nur einzelne Zellen und Fasern zur Anschauung bringen, dafür aber im Falle gelungener Imprägnation mit wunderbarer Klarheit und Vollständigkeit

Im Wesentiichen knüpfen sich die grossartigen Er- folge mit diesen beiden Methoden bezüghch der Netzhaut an die Namen zweier Forscher, an Dogiel imd vor Allem an Kamon y Cajal. Dogiel stellte seine Untersuchungen hauptsäclüich mit der von ihm modificirten Ehrlich'schen Methylenblaumethode an, nur bei der Erforschung der Glia- zellen und Stützzellen bediente er sich besonders der Golgi- Cajarschen Methode. Bamon y Cajal dagegen ver- dankt seine wichtigsten B/Csultate der von ihm vervoll- kommneten Osmium - Bichromat - Silbermethode.

Die Anwendung der letzteren Methode auf die Netz- haut ist mit den grössten Schwierigkeiten verbunden d. h. die Kesultate sind ausserordenthch inconstant Zur Zeit scheint ausser Bamon y Cajal in Bezug auf die Netz- haut Niemand die Methode zu beherrschen. Von diesem Forscher hegen bereits eine Anzahl epochemachender Ar- beiten über die Retina vor. Er hat in nahezu erschöpfen- der Weise die Netzhaut der Knochenfische, der Batrachier, der Reptihen, der Vögel und der Säugethiere beschrieben. Trotz dieser hochbedeutsamen Arbeiten drang ihre genaue Kenntniss nur sehr langsam in imseren Fachkreis ein, speciell auch in Deutschland sind die genannten Arbeiten, die zunächst in spanischer Sprache, dann in französischer, in der bei uns nicht sehr verbreiteten Zeitschrift „La Cellule" erschienen, nicht weiteren Kreisen bekannt geworden. Erst

II. Die mensohliche Netzhaut nach Untersuchungen etc. 75

im vorigen Jahre ist eine umfiifisende, vollständige und klare Zusammenstellung der Befunde Bamon y Cajal's aus der Hand Greeffs erschienen, welche sicherlich nicht verfehlen wird, die erwähnten Beobachtungen mehr bekannt zu machen und die Forschung anzuregen.

Meine eignen Untersuchungen habe ich bereits seit längerer Zeit begonnen, meist hatte ich fast vollständige Misserfolge, abgesehen von der Imprägnation einiger Stütz- oder Ghazellen, erst in der letzten Zeit habe ich etwas bessere Resultate gehabt. Es ist dies einmal darauf zurück- zuführen, dass ich jetzt mehr die Technik beherrsche, dann aber auch auf das benutzte Material, je frischer dasselbe desto besser die Aussichten auf Erfolg.

Da es hier mit ziemUchen Schwierigkeiten verknüpft ist, entsprechendes Material zu bekommen, so veröffentliche ich jetzt schon meine ßesidtate bei der menschlichen Netz- haut, obwohl dieselbe fragmentarisch geblieben sind. Mit- theilungen über die menschliche Netzhaut liegen bislang (mit der Golgi-Cajarschen Methode) nicht vor. Ich sehe hierbei ab von den Arbeiten über die Stütz- und Gha- zellen. Auf die Technik brauche ich hier nicht einzu- gehen, da hierüber von kundigerer Seite Mittheilungen vor- liegen, mit am ausführlichsten ist dieselbe beschrieben in dem Buche v. Lenhossdk's: „Ueber den feineren Bau des Nervensystems etc.".

Ich gehe dazu über, meine eignen Befunde zu beschreiben, die, wenn sie auch der Vollständigkeit ent- behren, doch wichtige Schlüsse gestatten nach den vorhan- denen Analogieen.

Neuroglia.

Unter den Elementen des Stützgewebes der Retina unter- sdieidet man zwei Arten: Die Müller'sclien Fasern oder die epitiielialen Zellen und die Spinnenzellen oder die eigentlichen NeurogliazeUen.

Die Müller sehen Stützzellen färben sich mit Chromsilber

76 L. Bach.

sehr leicht, leider möchte ich sagen, denn sehr oft werden and«^ Elemente der Retina dnrch sie verdeckt Dieselben durdidringea die ganze Dicke d^ Retina bis dicht an die Membrana limitaiifl externa und bilden den Stützapparat für die Zellen des Neuio- epithels und für alle Nervenelemente der Netzhaut ohne Ans- nähme. Sie beginnen an der inneren Netzhautoberflädie mit ziemlich betrftehtiichen, unregelmässig gestalteten, meist jedoch kegelförmigen Verdickungen, deren RSnder genan aneinander liegen und die Membrana limitans interna bilden. Der Fnss dw epithelialen Zellen ist oft biturkirt, um dazwischen ein Nerven- bündel durchzulassen. In der Nervenfaserschiclit finden dch nur äusserst spärlich unregelmässige, kurze seitiidie Ausbreitungen.

Etwas zahlreicher, jedoch auch kurz und dick sind die seitlidien Ausbreitungen in der Ganglienzellenschidit Dag^eii sind dieselben in der innem plexiformen Schicht sehr fein, gra- nulös und wie gewellt; sie endigen frei und lassen zwischen sich Spalten, welche dazu bestimmt sind, die parallelen von den Ver- ästelungen der Ganglienzellen und amakrinen Zellen gebildeten Plexus anzunehmen.

In der innem Kömerschiclit ist der Kern der Müller'schen Stützzellen gelegen und zwar meist nahe der innem plexiformen Schicht Die Kerne liegen nicht ganz in gleicher Höhe, sind ziemlich gross und haben eine ovale Form. In dieser Sdiicht gehen ebenfalls vereinzelte seitliche Fortsätze ab, nicht selten weichen dieselben von dem normalen, nahezu horizontalen Ver- laufe ab, ziehen dhrect nach abwärts, und endigen frei in der mnem plexiformen Schidit Auch kommt es hier öfters zur Bildung feiner Plättchen, welche Aehnlichkeit mit Zellen der Honigscheiben haben. Viel deutlicher und regehnässiger finden sich solche Plättchen in der äussern Köraersdiidit, während in der äussern plexiformen Schicht wieder feine, meist ziemlich zahl- reiche, zieriich verästelte seitliche Fasern abgehen. Von dem äussern Ende gehen feine F^iserchen ab, welche sich zwischen die Aussenglieder der Stäbchen und Zapfen einschieben.

Selten habe ich beobachtet, dass eine Stützzelle sich thdit für eine gewisse Strecke, worauf wieder Vereinigung erfolgt

In der Gegend der Sehnerveneintrittsstelle und in der Macula lutea verlaufen die Müll er Wien Stützzellen nicht in senkrechter Richtung durch die Retina, sondern es macht sich hier eine Abweichung bemerkbar. Nahe der Neuroepithelsdiicht bieg^ sie fast rechtwinkelig zur Seite der SehnervenpapUle um und gehen dann eine Strecke schräg durch die äussere plexiforme

II. Die menschliche Netzhaut nach Untersuchungen etc. 77

Schicht^ um schliesslich wieder einen Verlauf in senkilechter Rich- tung zu nehmen. Auch in anderer Hinsicht sind Abweichungen zu constatiren, wie aus der einen Herrschen Stützzelle^ weldie aus der Gegend der Papille stammt^ zu ersehen ist Die Ab- biegang findet sich oft noch viel deutlicher ausgesprochen.

Spinnenzellen von verschiedenem Aussehen habe ich in der Nähe der PapiUe gesehen sowohl in der Nervenfaserschicht als auch in der Ganglienzellenschicht

Sehnervenfaserschicht Die Fasern, welche ich verfolgen konnte, nahmen alle ihren Ursprung von Ganglienzellen der Netzhaut Die Meisten gingen genau an d^n inneren Ende der Ganglienzelle ab, mehrere auch weiter oben nahe dem Ursprung der Ptotoplasmaforisätze. Alle OptiouB&sem haben in bestimmten Zwischenräumen rundliehe oder ovale Knötchen (Varicositäten).

Ganglienzellenschicht

Die Ganglienzellen zeigen in Bezug auf Form und Grösse ziemlich grosse Verschiedenheiten. Die Art und Weise wie die Ptotoplasmafortsätze und die Axencylmderfortsätze abgehen, sdiwankt eben&Us sehr; es mag dies durch die Abbildung demon- siiirt werden. Die Ausbreitung der Protoplasmafortsätze findet m verschiedenen Schichten derinnem plexiformen Schicht statt.

Spongioblasten.

Ihre Form ist meist eine ovale oder nahezu runde. Die Fortsätze gehen nadi abwärts gegen die innere plexiforme Schicht und breiten sich daselbst in verschiedenen Schichten aus. Ich habe nur zwei versdiiedene Schichten gesehen, überhaupt sind meine bezüglichen Befunde noch höchst mangelhaft Ein Spongio- blast zeigt einen senkrecht nach oben veriaufenden feinen Fort- satz, welcher in der Innern Kömerschicht endet Es ist dies eine bis jetzt so viel mir bekannt noch nicht beschriebene Varietät VieUeicht ist es eine deplacii-te bipolare Zelle.

Bipolare Zellen. Die Kerne sind von ovaler Form und zeigen eine hell- bräunliche Farbe. Sie liegen in verschiedener Höhe in der inneren Kömerschicht. Jede bipolare Zelle besitzt einen auf-

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steigenden und absteigenden Fortsatz. Der aufsteigende Fort- satz ist dicker; der Verlauf der Fortsätze^ besonders der ab- steigenden ist meist ein gescfalängelter. In verschiedenen Ab- schnitten der inneren plexiformen Schicht endigen dieselben mit zierlichen Büscheln, welche in Contact treten mit den Proto- plasmafortsätzen der Ganglienzellen. Die aufsteigenden Fortsitze verästeln sich in der äussern plexiformen Schicht und treten in Contact mit der unteren Endigung der Släbdien und Zapfen.

Zapfen.

Die Zapfenaussenglieder zeigen eine koibcnartige Form. Ihre Imprägnation ist mir nie tadellos gelungen, d. h. m^t waren sie fast vollständig von Niedersdilägen bedeckt

Der ovale Kern zeigt ein dunkelbräunliches oder schwarzes Aussehen und liegt constant nahe oder dicht an der Membrana limitans externa. Der nach abwärts ziehende Fortsatz ist ziem- lich dick, verläuft meist ziemlich gerade, nur selten werden stärkere Sclilängelungen beobachtet Die Zapfen endigen nahe der Mitte der äusseren plexiformen Sdiicht mit einer starken Anschwellung, von welcher feinste kurze Fäserchen abgehen.

Stäbchen. Eine tadellose Imprägnation der Stäbchenaussenglieder ist mir nicht gelungen. Ich sah dieselben nur als kurze, etwas ge- wundene Stäbchen. Die Kerne der Stäbchen smd oval, zdgen eine hellbräunliche Farbe und liegen in verschiedener Höhe der äusseren Kömerechidit Von den Kernen geht ein Fortsatz nach aussen und nach innen; der äussere ist dicker, verläuft mdir gestreckt, der innere ist dünner und verläuft mehr geschlängelt und endigt mit einer knöpfchenartigen Anschwellung.

Horizontale Zellen. Dai'über vemiag ich vorläufig nichts zu sagen.

Ein wesentliches Abweichen der Netzhaut des Men- schen von dem für die Säugethiere überhaupt aufgestellten Typus konnte ich somit nicht feststellen (cf. die aus einer Anzahl von Präparaten zusammengestellte Abbildung, Taf. VI, Fig. 7.

IL Die menschliche Netzhaut nach Uutersucliungen etc. 79

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II. Die menschliche Netzhaut nach Untersuchungen etc. 83

Erklärung der Abbildungen auf Tafel VI.

Fig. 1. Granglienzelle der Netzhaut der Katze. Vergr. Oelimmers.

Via- Oc. IV. Zeiss, ebenso bei Fig. 2—6. Fig. 2. Ganglienzelle der Netzhaut des Kalbs. Fig. 3. Verschieden grosse Ganglienzellen der Netzhaut des Schweines. Fig. 4. Ganglienzelle der normalen Kaninchenretina. Fig. 5. Verschiedene Stadien der Veränderung an Ganglienzellen

der abgelösten Kaninchenretina. Fig. 6. Ganglienzelle einer seit 3 Monaten abgelösten Kaninchen- retina. Fig. 7. Menschliche Netzhaut. Die Zeichnung ist zusammengestellt aus mehreren Präparaten, welche zum grösseren Theil von einem 30 cm langen menschlichen Embryo, zum kleinem Theil von 3 neugeborenen Kindern stammen. I. Schicht der Stäbchen und Zapfen II. Membrana limitans externa. III. Aeussere Kömerschicht. rV. Aeussere plexiforme Schicht. V. Innere Kömerschicht. VI. Innere plexiforme Schicht. VII. Ganglienzellenschicht. VIII. Nerrenfaserschicht IX. Membrana limitans interna. a Stäbchen. b Zapfen, c Zapfenkeme. d Stäbchenkeme. f Bipolare Zellen. g, h, i, k Ganglienzellen. l Spongioblasten. n Gliazelle. r Kontakt zwischen bipolaren Stäbchenzellen

und Ganglienzellen. r Kontakt zwischen bipolaren Zapfenzellen

und Ganglienzellen. t Stützzellen, e' Stützzelle aus der Nähe der Papille.

Ban der SängetMemetzhant nach Silberpraparaten.

Von

Dr. F. Hosch in Basel.

Aus der anatomischen Anstalt des Yesalianum zu Basel.

Hierzu Taf. VII, Fig. 1—8 und 4 Figuren im Text

Wenn Greeff in seiner verdienstlichen Uebersetzung der Cajarschen Arbeiten über die Retina sagt, dass er seine eigenen Befunde nicht publicire, weil sie neben den- jenigen des ausgezeichneten spanischen Forschers verschwin- den, so kann ich ihm hierin nicht Recht geben. Durch Bestätigung jener epochemachenden Untersuchungen auch von anderer Seite kann die Bedeutung derselben nur ver- grössert werden, während anderseits dasselbe Bild zuweilen eine verschiedene Deutung zulässt und darum nur zum Nutzen des Ganzen auch von andern Beobachtern contro- lirt wird.

Und dann ist wohl trotz der Uebersetzung die Arbeit Cajal's, schon wegen ihres Preises und Umfanges, nicht so sehr Gemeingut der Ophthalmologen geworden, wie sie es eigenüich sein sollte. Solches kann nur durch unsere Fachzeitschriften geschehen. Ich habe mir daher erlaubt meine Befunde in einer solchen mitzutheilen und denselben eine nach meinen Präparaten zusammengestellte (also nicht schematisirte) Abbildung beizufügen.

Bau der Säugethiemetzhaut nach Silberpräparaten. 85

Teohnisohes.

Vorerst einige Bemerkungen über die Herstellung der Präparate. So genau sich eine solche für Hirn und Rücken- mark angeben lässt, so schwierig und unsicher sind der- artige Angaben für die Retina zu verwerthen. Unter Dutzenden von scheinbar ganz gleich behandelten Netz- häuten kann unter Umständen kaum eine einzige brauch- bar sein. Warum die Methode, die ja beim centralen j^Tervensystem so leicht schöne Resultate ergiebt, der Retina gegenüber so capriciös sich zeigt, kann ich nicht sagen. Möghcher "Weise ist das so reich entwickelte Stützgewebe, das sich ja auch und sogar zuerst färbt, daran schuld. Jedenfalls sind die vielen Misserfolge der Grund, warum im Vergleich zum Centralnervensystem die Netzhaut bis jetzt noch so wenig mit der Methode bearbeitet worden ist. Ohne Zweifel haben recht Viele die Sache versucht, aber aus Mangel an raschen Erfolgen wieder aufgegeben. Ich selbst war mehrmals nahe daran das Gleiche zu thun/^ wenn nicht Herr Prof. Kollmann, dem ich hierfür zu grossem Danke verpflichtet bin, mich jeweilen wieder zu frischen Versuchen aufgemuntert hätte.

Dass bei derselben Behandlung bald nur einzelne Zellen sich imprägniren, andre gar nicht, bald auch über- haupt nur schwarze Niederschläge entstehen und gar keine Färbung irgend eines zeUigen Elementes erfolgt, lässt sich nicht genügend erklären. Immerhin wissen wir, dass das Gewebe und seine Zellen ganz fiisch, so zu sagen noch lebend, mit dem Reagens in Berührung gebracht werden müssen, wenn sie den Farbstoff annehmen sollen, und können daraus schliessen, dass eben nur die Zellen, die sich färben, gerade im richtigen, günstigen Thätigkeits- und Ernährungszustände sich befunden haben mögen.

Aus diesen Andeutungen ist zunächst der Schluss zu ziehen, dass die Methode nur verwendbar ist, wenn man

86 F. Hosch.

über reichliches, frisches Material verfügen kann, also jeden- falls für pathologische Untersuchungen keine Aussicht bietet. Auch wird es uns in seltenen Ausnahmsfallen möglich sein normale menschUche Netzhäute so frühzeitig zu beschaffen, wie die Methode dies erford^. Und dann wird man erst nicht derartig kostbares Material einer so zufälligen Be- handlungsweise aussetzen wollen. Dies möge entschul- digen, warum ich meine Untersuchungen ausschliesslich an Kalbsnetzhäuten angestellt habe, die eben leicht in der erforderlichen Frische zu haben waren und zudem nach einer schriftlichen Mittheilung Cajal's ganz besondere Aus- sicht auf Erfolg bieten.

Ungemein störend sind nun bei der Silberimprägnation die tiefbraunen bis schwarzen, dicken Chromsilbemieder- schläge, welche auf der Oberfläche der Retina und zum Theil im Innern derselben sich bilden. Dieselben können wohl vermieden werden, wenn man die Netzhaut vor dem Einlegen in Silberlösung mit einer dünnen Celloidinschicht bestreicht oder sie (nach Cajal) von Anfang an aufrollt imd in solche taucht Bei der ersten Art vorzugehen scheint mir eine ganz dünne Celloidinschicht oft nicht ge- nügend den Niederschlag abzuhalten, während eine etwas dickere das gehörige Eindringen des Silbersalzes stört Die in solcher Weise angefertigten Präparate schienen mir ganz besonders haltbar zu sein; leider jedoch bekam ich dabei ausser dem Niederschlag auf der nicht mit Celloidin be- strichenen Oberfläche in der Eegel ungemein störende Chromsilberpräcipitate in der so wichtigen äusseren reti- culären Schicht

Nach langen Versuchen und vielen Misserfolgen habe ich in letzter Zeit fast ausschliesslich das folgende Ver- fahren practicirt: die frische, an der Papille losgetrennte Betina wird nach Cajal vorsichtig mittelst eines Pinsels aufgerollt, rasch in ganz dünne Celloidinlösung getaucht und nach einigen Secimden in eine Mischung von 20 Theilen

Bau der Säugethiemetzhaut nach Silberpräparaten. 87

«iner S^j^igen Lösung von Natr. bichromic. imd 6 Theilen -einer l®/oigen Ueberosminmsäurelösung (das Natronsalz urirkt, wie Kall ins mittheilt und wie ich bestätigen kann, sicherer als das Kaüsak) gelegt Darin bleibt die kleine Bolle 6 Tage lang unter Abschluss des Lichtes, wird dann in 3 4 Stücke zerschnitten und direct in ^j^^j^ Silber- nitratlösung gebracht Nach dreitägigem Verweilen in dieser werden die Stücke nochmals für 3 Tage in die schon ge- brauchte Natrium -Bichromatlösung und daraus noch für 2 Tage in frische Silberlösung überführt (CajaFs doppelte Imprägnation), Durch das Aufrollen der Netzhaut wird nach meinen Erfahrungen am sichersten erreicht, dass die störenden Niederschläge, wenigstens im Inneren der Schnitte, wegfallen, und dass auch eine längere Einwirkung der Härtimgsflüssigkeit nichts schadet; gerade wegen der rela- tiven Dicke des Stückes werden verschiedene Theile des- selben verschieden lange davon beeinflusst und dadurch die Versuchsbedingungen auf die einfachste Weise varürt Zudem wird beim Schneiden die Netzhaut in allen möglichen Rich- tungen, quer, schief, senkrecht vom Messer getroflfen.

Die so behandelten Stücke kommen für kurze Zeit in Spir. 96% y dann für ^4 Stunde in dicke Celloidinlösung. Aus dieser werden sie in ein ausgehöhltes Stückchen Hol- lundermark gelegt; man giesst noch etwas Celloidinlösung hinzu, lässt dieselbe einige Minuten antrocknen und bringt den ganzen Block für eine halbe Stunde in Spir. 80 ^/o- Jetzt kann man bequem das Hollunderstück in die Mikro- tomklammer einspannen und beliebig schneiden; die auf- gerollte Retina fällt dabei nicht auseinander. Der Hol- lundermantel wird von den in Spir. 80^/^ aufgefangenen Schnitten am besten entfernt, indem man denselben am Rande mit einer Pincette fasst und nun rasch in die Höhe hebt Er löst sich hierbei meist ganz leicht von der Celloi- dinschicht los, welche mit dem eigentüchen Schnitt in Zu- sammenhang bleibt, damit aufgehellt und eingebettet wird.

88 y- Hosch.

Die brauchbaren Schnitte sämmÜiche Schnitte werden sofort unter dem nebenanstehenden Mikroskop controlirt kommen in Spir. 96®/^ und von da nach kurzer Zeit in das aufhellende OeL Gewöhnhch wird als bestes Auf- hellungsmittel für Golgi'sche Schnitte Xylol empfohlen. Ich kann dem nach meinen Erfahrungen nicht beistimmen, sondern habe immer gefunden, dass die Schnitte darin sich verbiegen und kräuseln. Da man nun für das fertige Prä- parat kein Deckglas verwenden darf, auch die Lackschicht wegen der bei stärkeren Objectiven kurzen Poealdistanz nicht zu dick werden darf, so ist dies ungemein störend. Ich bin daher immer wieder zu dem früher schon von mir empfohlenen Gemisch von OL Bergamott 1 : 3 Kreosot zurückgekehrt, in welchem die Schnitte ganz von selbst flach sich ausbreiten. Aufhellung und Dauerhaftigkeit werden davon jedenfalls nicht beeinträchtigt

Aus dem Oel kommen die Schnitte in Xylol -Damar- lack, in welchem sie aufbewahrt werden. Leider sind damit zwei Uebelstände verbunden. Einmal vertragen, wie oben erwähnt, die Präparate warum ist nicht sicher bekannt kein Deckglas; sie müssen darum ganz besonders vorsich- tig vor Staub und mechanischen Insulten geschützt werden, da Unregelmässigkeiten der Oberfläche nur durch Auf- tragen einer frischen Lackschicht auszugleichen sind, hier- durch aber die Verwendung stärkerer Vergrösserungen immer schwieriger wird. Und dann sind die so angefertigten Präparate nicht sehr lange haltbar. Zwar haben in letzter Zeit Apäthy und Kallius Fixir- und Conservirungsver- faliren angegeben, welche die Verwendung eines Deckglases möglich machen und den Schnitten eine unbegrenzte Halt- barkeit geben sollen. Ich habe die letztere versucht, bis jetzt aber davon keine guten Erfolge gesehen. Allerdings wird daran wohl mangelhafte Uebung die Hauptschuld tragen; man entschliesst sich eben nicht gerne die wenigen guten, mit so grosser Ausdauer erhaltenen Präparate einer

Bau der Sängethiernetzhaut nach Silberpräparaten. 89

Behandlung auszusetzen, welche selbst in den Händen der £rfinder nicht absolut sicher ist

Bau der Netzhaut.

Am leichtesten und fiühesten imprägniren sich je- weilen die Stützelemente; dann die Stäbchen- und Zapfen- faseni und die Dendritenbüschel der Bipolaren, auch ein- zelne Spongioblasten mid GangUenzellen. Nur ausnahms- weise gelang es mir den Axencylinderfortsatz der Bipolaren bis ans Ende und sein Yerhältniss zu den Ganglienzellen deutUch zu bekommen; noch seltener scheint dies mit den horizontalen Zellen der Fall zu sein. Es folgt dai*aus, dass man ja nicht erwarten darf alles auf einem Schnitte sehen zu können, sondern aus vielen Einzelheiten oft mühsam das Ganze sich construiren muss. Bierfür sind nun aber die mit dieser Methode erhaltenen gelungenen Bilder ganz besonders gedgnet, weil eben dabei die Umrisse der gut gefärbten Elemente mit einer Schärfe und Klarheit zu Tage treten, dass man schematische Federzeichnungen vor sich zu haben glauben könnte. Während die feineren Struc- turverhältnisse durch den schwarzen Niederschlag vollständig verdeckt sind, liefert uns derselbe um so schönere und präcisere Uebersichts- und ümrissbilder.

Wie aus der Abbildung hervorgeht, zerfällt nach dem Ergebniss der Silberimprägnation die Retina im Wesent- lichen in drei übereinander gelagerte, zweifellos nervöse Schichten, welche offenbar den directen Weg der Idcht- empfindung kennzeichnen. Die äusserste derselben wird gebildet durch die

Sehzellen, deren Elemente mit ihrer peripherischen Verlängerung an die äussere Oberfläche der Netzhaut reichen und dort die Stäbchen und Zapfen bilden. Die Stäbchen- aussengUeder sind etwas länger als die Zapfenaussengheder und schmal, während die letzteren flaschen- oder kegel- förmig angeschwollen sind, wie dies ja genügend bekannt

90 . F. Ho8ch.

ist Ghenauere Einzelheiten sind nicht zu erkennen. Meist ist an zarten Präparaten die ganze Schicht der Aussen- glieder von einem gleiclunässig schwarzen Niederschlag ein- genommen und nur ausnahmsweise an Stellen, wo derselbe unterbrochen ist, hie und da einmal ein Aussenglied gefärbt

Fig. 1.

Stft beben und Zapfen und deren Verbindong mit den bipolaren Zellen.

Viel leichter und häufiger bekommt man ihre peripherischen Fortsetzungen zu sehen, die sich unter der Einwirkung des Silbersalzes intensiv schwärzen. Die AussengUeder der Stäbchen gehen hinter der Limit ext über in feine, meist korkzieherartig gewundene, mit varicösen Anschwellungen vei'sehene Fasern. Jede derselben zeigt einen Kern mit hellerem Centrum (Stäbchenkem), so zwar dass die ver- schiedenen Kerne in ganz verschiedener Höhe angeordnet sind. Auf diese Weise kommt die relativ dicke äussere Kömerschicht zu Stande. Am centralen Ende, in der Höhe der äussern reticulären Schicht (Zwischenkömerschicht) hört die Faser auf mit einem kleinen runden oder längUchen Knöpfchen, von welchem ich, im Gegensatze zu Kallius nie weitere Fasern ausgehen sah. Das kleine Kügelchen sieht man zuweilen frei zwischen die Büschel des au&tei-

Bau der Sftugethiernetzhaut nach Silberpräparaten. 91

genden Fortsatzes einer bipolaren Zelle hineinhängen. Die Zapfen haben jeweilen unmittelbar hinter der Limitans einen grossen Kern (Zapfenkem) und setzen sich dann in eine relativ dicke, steife, höchstens leicht gebogene Faser, ohne Varicositäten, fort Dieselbe endet mit einer konischen Anschwellung, von welcher man bisweilen noch kurze feine Wurzelfäden ausgehen sieht An einigen meiner Präparate scheinen mir solche Fäden ganz unzweifelhaft in directer Verbindung mit den Verästelungen von Bipolaren zu stehen. BekanntUch vertritt Cajal mit Energie den Standpimkt, dass nirgends netzförmige Verbindungen zwischen selbst- ständigen nervösen Elementen vorkommen, sondern dass überall nur durch innigen Contact ihrer Fortsätze die Zellen zu einander in Beziehung treten, während dagegen Dogiel auf Grund von Methylenblaufärbungen netzfönnige Ver- bindungen regelmässig finden will. Verbindungen zwischen Stäbchen- und Zapfenfasem, wie sie Tartuferi beobachtet zu haben a;ngiebt, habe ich nie, auch nur andeutungsweise gesehen.

Die Schicht der Sehzellen, die äusserste nervöse Netz- hautschicht, würde also der Stäbchen -Zapfen-, der äussern Kömer- und einem Theil der äussern reticulären Schicht der fiiihem Autoren entsprechen.

Unzweifelhaft die Haupterrungenschaft der neuen Me- thode auf unserm Gebiete bildet die nähere Kenntniss der bipolaren Zellen, der zweiten nervösen Schicht Die Bipolaren sind schon lange bekannt und allgemein als Zellen nervöser Natur mit einem peripherischen und einem centralen Fortsatz aufgel&isst worden. Nur sind sie bei den meisten Thieren wegen der Feinheit und ZerreibHchkeit ihrer Fortsätze schwer zu beobachten und werden wegen ihres zur Oberfläche der Netzhaut senkrechten Verlaufes auch wohl mit Stützfasem verwechselt Ihre grossen spindel- oder bimförmigen Leiber bilden im WesentHchen die kem- reiche innere Kömerschicht alter Bezeichnung. Aus dem

92

F. Ho8ch.

äussern Theil des Zellleibes geht ein kurzer dicker Fort- satz hervor, welcher in der Höhe der äussern reticulären Schicht in ein reiches Büschel von feinen Fäserchen sich auflöst Andere Zellen haben Dreispitzform und geben zwei aufsteigende Fortsätze ab. Vom centralen, konisch sidi

Fig. 2.

Bipolare Zellen.

zuspitzenden Ende der Zelle geht immer nur ein verschie- den langer, gerade verlaufender absteigender (Neuriten-) Fortsatz aus, der in starke varicöse Aeste zerfällt, welche zuweilen mit einer Anschwellung enden und in horizon- taler Richtung sehr weit sich ausbreiten können. Die Ge- sammtheit dieser feinen Endbäumchen stellt die innere reti- culäre Schicht der Autoren dar. Manchmal sieht man auch solche Fortsätze in zwei verschiedenen Lagen der letztem sich verzweigen. Die Zellen selbst liegen in etwas ungleicher Höhe. Ob die verschiedene Form derselben zugleich einen functionellen Unterschied bedeutet in dem Sinne, dass die einen zu den Zapfen, die andern zu den Stäbchen in Be- ziehung treten, wie Cajal meint, scheint mir nach meinen Präparaten sehr fraglich.

Bau der Sftugethiernetzhaut nach Silberprftparaten.

93

Die tiefet gelegene nervöse BTetzhautschicht wird ge- bildet durch die Ganglienzellen. Diese, nahezu in glei- cher Höhe liegend, sind von verschiedener, stets jedoch be- tr^Lchtlicher Grösse, enthalten einen runden Kern mit Kem- körperchen, und sind versehen mit mehreren peripherischen protoplasmatischen (Dendriten-) Fortsätzen, dagegen stets nur mit einem einzigen AxencyHnder- (Neuriten-) Fortsatz,

Fig. 3.

Gangliensellen.

Die erstem gehen entweder hervor aus einem dicken Haupt- gtamm, welcher aus dem äussern Fol der Zelle emporsteigt und sich dichotomisch verzweigt; oder aber es gehen direct aus dem Zellkörper ganz kurze Fortsätze ab, die sofort umbiegen und sich parallel der Oberfläche der Retina ver- zweigen. Bei den ersteren steigt der Fortsatz in die Höhe und durchsetzt die innere reticuläre Schicht, indem er einen Fibrillenbusch bald in dieser, bald in jener, zuweilen auch in mehreren Etagen derselben ent¥rickelt. Die freien Enden dieser Büsche schieben sich zwischen die Neuritenfortsätze der Bipolaren, wie es scheint ohne directe Anastomosen mit denselben oder unter sich einzugehen. Durch diese

94 ^^' Hoeeh.

ausserordentlich reiche Durchkreuzung feinster f^Lserchen kommt wesentlich die innere reticuläre Sdiicht zu Stande. Dass der AxencylinderfiDrtsatz unmittelbar in die Nerven- faserschicht sich fortsetzt, ist schon im Jahr 1854 von Corti nachgewiesen worden, und zweifelt seither kaum Jemand an der nervösen Natur der Ganglienzellen. Wäh- rend dieser Zusammenhang nur sehr ausnahmsweise auf gewöhnlichen Schnittpiüparaten zu sehen sein wird, gelingt es mittelst der Chromsilberimprägnation nicht allzu selten denselben in der für die Methode charakteristischen Schärfe zur Anschauung zu bringen. Meist entspringt der Neu- ritenfortsatz aus dem innem oder seitlichen Theil der Zelle selbst als varicöse Faser, die ohne sich zu yerzweigen parallel der Netzhautoberfläche oder flache Bögen be- sclu^ibend in die Nervenfaserschicht übergeht

Mit diesen drei über einander gelagerten Schichten, deren einzelne Componenten als echte Neurome, d. h. voll- ständig imabhängige Nervenelemente anzusehen sind, wäre der Bau der Netzhaut, so weit die Physiologie dessen Kenntniss bedarf, hinreichend festgestellt

Nun findet man aber in der Netzhaut noch andre Gebilde, die etwas abseits vom beschriebenen Wege lieg^, deren Natur daher nicht so klar vor Augen liegt Zu- nächst zahlreiche, in der äusseren reticulären Schicht be- findUche Zellen mit einer ausgedehnten horizontalen End- ausbreitung. Cajal, welcher sie horizontale Zellen nennt, fasst dieselben als nervös auf und meint ihre Auf- gabe sei wohl grössere und entferntere Gruppen von Seh- zellen und Bipolaren miter sich in Verbindung zu setzen. Andre Forscher z. B. Rauber bezweifeln dagegen sehr ihre nervöse Natur und weisen sie der Neuroglia zu. Granz räthselhaft ist einstweilen noch die physiologische Function der von W. Müller zuerst als Spongioblasten beschriebenen, von Cajal naher studirten und, um jedem Präjudiz vor- zubeugen, als Amakrinen (a prio.; fiaxQog lang; Ivoq Faser;

Bau der S&ugethiernetzhaut nach Silberprä[>araten. 95

d. h. ohne lange Faser, ohne Axencylinderfortsatz) bezeich- neten Zellen. Sie finden sich in der ganzen Dicke der innem reticulären Schicht (a d), entbehren scheinbar des Axencylinderfortsatzes und sind mit ihren zum Theil reich verzweigten protoplasmatischen Fortsätzen nach der Innen- seite der Netzhaut zu gerichtet Auch über die Dignität dieser Zellen gehen die Ansichten noch sehr aus einander. AVährend Cajal, Dogiel u. A. nicht daran zweifeln, dass es sich um nervöse Elemente handelt, deren Bedeutung zur Zeit aber noch unklar sei, betrachtet Rauber auch die

Fig. 4.

Amakrine Zellen (ohne Axencylinderfortaats).

Amakrinen als zum Stützgewebe gehörend und fasst sie, wie er sich ausdrückt, auf als eine Art Ordner- oder Wider- lagerzellen bei der Etagenaufreihung der Fibrillenbüsche in der Ganglienzellenschicht. Damit diese Frage endgültig entschieden werden könnte, müsste es schon geUngen solche Zellen einmal in zweifelloser Verbindung mit unbestritten nervösen Elementen z. B. GangUenzellen zu finden.

Endlich muss noch des sehr ansehnUchen Stütz- gewebes Erwähnung gethan werden, welches die Neuro- glia der Netzhaut darstellt, epithelialer Abkunft ist, und wohl, ausser der rein mechanischen Stützung schon die reiche Entwicklung lässt hierauf schliessen noch den Zweck hat nicht zusammengehörige Elemente von einander

96 F. Hosch.

zu trennen, zu isoliren. Das Stützgewebe besteht im Wesent* liehen aus den Herrschen Radiärfasern, lang gestreckten Zellen, welche in verschiedener Form und Ausdehnung die ganze Dicke der Retina durchsetzen, auf der Höhe der innem Kömerschicht je einen Kern tragen, in der äussern Kömerschicht korbartig die Innenglieder der Sehzellen um- fassen, an der Grenze zwischen diesen und den Aussen- gUedem die Membr. limit ext (Glasmembran) bilden und endUch kurze feine Nadeln zwischen die Aussenglieder der Sehzellen entsenden. Dazu kommen dann in der Nerven- fesei-schicht und im Opticus noch die sogen, spinnen- förmigen Neurogliazellen, welche in letzter Zeit v. Greeff im Arch. f. Augenheilk. Bd. 29 sind beschrieben worden. Die beiden Elemente des retinalen Stützgewebes färben sich sehr gut (zum Theil nur zu gut) nach Golgi, gar nicht jedoch mit Methylenblau.

Das ist imgefähr, was aus meinen Präparaten sich herauslesen lässt Es ist nicht mehr, in mancher Hinsicht sogar weniger als schon Cajal gesehen hat.

Sohlassfolgerangeu. Es wäi-e verfrüht, wollte man schon heute, gestützt auf die neuen Befunde, eine einlässliche physiologische Erklä- rung für die Lichtperception und die Function der einzel- nen beschriebenen Elemente zu geben versuchen. Immer- hin hat durch die Cajal'schen Untersuchungen das Ver- ständniss der Weiterleitung perdpirter Lichteindrücke wesent- lich gewonnen. Während durch den berühmten Versuch H. Müller^s längst nachgewiesen ist, dass in den Stäb- chen und Zapfen die eigentlichen, Licht percipirenden Organe zu suchen sind und andrerseits Niemand daran zweifelte, dass die Axencylinderfortsätze der Ganglienzellen in Sehnervenfasem sich fortsetzen, war man über das nähere Verhalten der zwischenliegenden Schichten noch sehr im Unklaren. Man sah wohl in der äussern reticulären Schicht

Bau der Sftngethierneizhaat nach Silberprftparaten. 97

•die Fortsätze der Sehzellen und der Bipolaren , in der innem reticulären Schicht diejenigen der Bipolaren und Ainakrinen^ sowie die Dendritenfortsätze der Ganglienzellen sich vertheilen und verlieren; dagegen war es mit den frühem Hil&mitteln, so schöne Färbungen sie auch ergaben, nicht möglich mehr zu erforschen und zu erfahren, ob die einen in unmittelbare Beziehung zu den andern treten oder nicht Auch über die Rolle, welche jedes dieser Elemente beim Sehact zu spielen hat, herrschte absolutes Dunkel.

Heute nun wissen wir, Dank den Arbeiten Cajal's, dass die in den Sehzellen durch den Lichtreiz hervor- gerufene Bewegung von den protoplasmatischen Fortsätzen der Bipolaren empfangen,- von ihren Axencylinderfortsätzen in centripetaler Richtung weiter geleitet und wiederum an die auüsteigenden (Dendriten-) Büschel der Ganglienzellen übertragen wird; von da wird der Reiz auf dem Wege der Opticusfasem dem Gehirn zugeführt.

Wie bereits angedeutet worden, bergen aber die beiden reticulären Schichten noch immer gewisse Fragen, deren Losung von grösstem Interesse wäre. So z. B. welches quantitative Verhältniss zwischen Sehepithelien und Bipo- laren einerseits, zwischen letztem und den Ganglienzellen anderseits besteht, ob zwischen den Fortsätzen der Bipo- laren imd andern Nervenzellen eine Contact- oder Netz- yerbindung die Regel ist, womit eben die Vorstellung die man sich über die Leitung von Zelle zu Zelle machen soll, zusammenhängt, welche Function den horizontalen, welche den amakrinen Zellen und ihren Ausläufern zuzuschreiben ist u. s. w.

Bis einmal diese Fragen beantwortet sind, müssen wir uns mit dem grossen Fortschritt begnügen, den die Cajal'- schen Forschungen insofern gebracht haben, als sie uns den bisher bloss geahnten directen Verlauf der nervösen Ele- mente von der Stäbchen -Zapfenschicht bis zu den Op- ticusfasem sicher nachgewiesen und gleichzeitig gezeigt

T. Graefe*» Aichlr fQr Ophthalmologie. XLT. 3. 7

98 F* Hosch. Bau der Säugethiemetzhaut nach Silberprftparaten.

haben y dass die Retina nicht das yermeintlich so compli« cirte, schwer verständliche Organ ist, sondern dass im Gegentheil ihr Bau sehr einfach und klar vor Augen li^t Wie es aber mit allen derartigen Errungenschaften zu gehen pflegt, hat auch hier die Speculation bereits von den neuen Entdeckungen Besitz ergriffen. So macht W. Nicati (Marseille) im Januarheft der Arch. d'Ophth. den Versuch dieselben für eine neue Theorie der Farbenperception zu verwerthen. Nach derselben würde jede der 3 Hauptfarben (roth, gelb, blau) von je einer besondem Bipolaren empfan- den, während der Eindruck der farblosen Lichtempfindung von den Amakrinen vermittelt würde. Schade nur, dass es mit den gemachten Voraussetzungen, namentUch was die letztem betrifft, so gar unsicher bestellt ist In erster Linie sollte doch wenigstens der bestimmte Beweis zu leisten ver- sucht werden, dass dieselben nervöser Natur sind.

Ein Beitrag znr Kenntniss der lenkämisehen Erkrankimg des Auges.

Von

Dr. Rosa Kerschbaumer in Salzbarg.

Hierzu Taf. VIII, Fig. 1—3.

Leukämische Erkrankungen des Auges kommen im Ganzen nicht häufig zur Beobachtung, insbesondere sind nur wenige leukämische Tumoren der Orbita beschrieben worden.

Im Handbuche von Graefe-Sämisch ist dieser Tu- moren als Theilerscheinung der Leukämie nicht gedacht Ebenso findet sich in Virchow's Werke über die krank- haften Geschwülste, wo die leukämischen Lymphome anderer Körperiheile ausfuhrlich besprochen sind, keine Notiz über leukämische Ablagerungen im Orbitalgewebe. Wenn wir von den primären Lymphomen der Orbita luid von solchen Fällen wo keine Allgemeinerkrankung an Leukämie nach- gewiesen wurde, absehen, so finden wir in der Literatur nur wenige Fälle, die in die Kategorie der leukämischen Lymphome der Orbita einzurechnen sind.

Im Jahre 1875 beschrieb Gallasch ^) einen Fall^ wo bei

^) GaUasch, Jahrbücher fQr Kinderheilkunde 1875. Ein sel- tener Befand bei Leukämie.

100 ^- Kerschbaumer.

emem 4 ^/yjährigen , an Lenkfimie erkrankten Kinde^ ExophÜia]- muB mit grosaen ThrSnendrQsen-Tumoren vorhanden war.

Delens^) berichtete über einen Fall von Leukfimie mit Exophthalmus bei einem 55jährigen Manne mit Lymphomen der Haladrüsen, der Tonsillen und des Phaiynx^ sowie in der Gegend der CubitaldrOsen.

Die Affection des Sehorgans bestand aus multiplen Neu- bildungen in den Udem und der Orbita. Die grösste Gesehwulst war in der Gegend der Thrftnendrttse zu finden. Femer hatte Guaita*) auf dem 12. italienischen Ophthahnologischen Con- gresse in Pisa über zwei FSIle von Leukämie berichtet, in den^i diffuse Lymphome der Coi]\junctiva bestanden.

Einige andere BUle wie die von Gayet*), Reymond*) und ChauveP) dürften möglicher Weise auch hierher gehören, jedoch ist dabei kein bestimmter Nachweis von leukämischen Erkrankungen geliefert worden. In den von Becker, Arnold*) und Bernheimer^) beschriebenen FäUen handelte es sich um primäre Lymphome der Orbita, ohne Zusammenhang mit einer allgemeinen Erkrankung.

Der erste genau beobachtete FaU ist der von Leber ^), wo es sich um eine lienale, myelogene und lymphatische Leukämie mit starker Milz- und Leberanschwellung handelte. Dabei waren alle vier Lider und die Thränendrüsen Sitze grosser leukämischer Tumoren. Ausserdem bestand eine Retinitis hämorrhagica die jedoch nicht mit Sicherheit auf die Leukämie zurückgeführt werden konnte, da gldchzdtig eine ausgesprochene Nephritis vorhanden war. Die Untersuchung der exstirpirten Coiyunctivalwucfaenmg ergab, dass es sich um eine dichte Infiltration mit LymphzeUen

*) Delens, Archives d'ophthalmologie 1886 Mars-Avril Obser- vations de tumeurs lymphatiques des deux orbites.

') Guaita, Bericht über den 12. ital. ophthalm. Gongress in Pisa 1890. Ref. im Centralblatte für pract. Augenheilkunde 1890, XI\\

•) Gay et, Archives d'opbthalmologie 1886. Janvier-F^vrier.

^) Reymond, Annali di ottalmologia 1883.

•) Chauvel, Gazette hebdom. 1877, Nr. 23.

«) Becker- Arnold, v. Graefe's Arch. f Ophthalm. XVm. 2. 1872.

') Bernheimer, 20. ophthalm. Versamml. in Heidelberg 1889.

■) Leber, v. Graefe's Arch. XXIV. 1. Ueber einen seltenen Fall von Leukämie mit grossen leukämischen Tumoren an allen vier Augenlidern ui^d ijut dpppe'soi tigern Exophthalmus.

Ein Beitrag zur Kenntniss d. leukäm. Erkrankung d. Auges. IQl

iiandelte. Diese Infiltration der Lider und Orbita fasst Leber als secondär^ nämlich als durch die Leukämie erzeugt auf. Sie ist als Analogon der Infiltration an anderen Organen anzusehen.

Leber spricht die Vermuthung aus, dass die Leukämie eine Infectionskranklieit sei.

Osterwald*), ein Schüler Leber's veröffentlichte einen ausgesprochenen Fall von Leukämie mit Exophtliahnus in Folge lymphatischer Orbitaltumoren ^ wobei die Localisation der leukä- mischen Infiltration anders war, als im ersten Falle Leber^s.

Die Infiltration befiel nämlich hauptsächlich Gewebe und Organe, die im normalen Zustande kein adenoides Gewebe ent- halten, wälirend die eigentlichen lymphoiden Gewebe an dem Proceese wenig oder gar nicht betheiligt waren.

So kamen leukämische Tumoren in den Sinus transversi et eavemosi, die mit kleinen gelbliclien Tumoren besät erschienen und in der Pial- und Duralscheide vor.

Besonders stark war die Infiltration an der Pleura und zwar hauptsächlich um die kleinen Venen herum. Die Milz wies dagegen keine anderen Veränderungen als einen reicheren Pig- mentgehalt auf. Die Lymphdrüsen waren nur wenig vergrössert. Das Rückenmai'k zeigte leukämische Veränderungen.

Leber und Nieren, die sonst bei Leukämie häufig Rund- zelleninfiltration zeigen, waren hier nur fettig degenerirt, ebenso die Herzmuskuktur. Die Orbita schien gleichmässig von der Infiltration eingenommen zu sein. Ein weiterer eigenthümlicher Beftmd war der Nachweis von Mikroorganismen, namentlich Kokken, die in der Milz besonders reichlich, femer in den Neu- bildungen der Pleura, sowie m den Tumoren der Pia und im Blute zu finden waren. Im Infiltrate der Orbita dagegen waren keine solchen nachweisbar. Die Localisation der leukämischen Infiltration in dem Bulbus und der Orbita bot manches Ana- logon mit meinem Falle, worauf ich später zurückkomme.

Treacher-Collins') beschreibt einen Fall bei emem 1^/4 jährigen Kinde, bei dem eine leukämische Allgemeinerkrankung wahrschemlich vorhanden war. Das Blut wui-de nicht unter- sucht. AufiTälüg war bei dem Falle, dass die Schwellung der

*) Osterwald, v. Graefe's Arch. XXVIL 3. Ein neuer Fall von Leukämie mit doppelseitigem Exophthalmus durch Orbitaltumoren.

•) Treacher-Collins, Opbthalm. Hospit. Reports 1891. Vol. XIU, part III. On a case with a Tumor in eacb Orbit, death Necropsy.

102 K- Kerschbaumer.

Lymphdrüsen nur im Abdomen und lliorax voriianden war, während die übrigen Lymphdrüsen intact waren.

Vergrösserung der Milz, Leber und Nieren mit einzelnen drcumscripten Lymphomen in diesen Organen. Bemerkenswerth ist das Vorhandensein der Neubildung um die Umbilicalgefliase herum.

Die leukämische Neubildung der beiden Orbiten erscheint in Form einzelner harter Tumoren, die die Thränendrüsen und die Ner\i optici freilassend, mit der Sklera fest verwachsen waren, jedoch sie nirgends durchbohrten.

Der Fall Axenfeld^), den dieser als F&eudoieukämie he* zdchnete, zeigte manches Analoge mit den oben dtirten FlUen. Die Affection am Auge glidi nämlich dem ersten EaUe Leber^s. Ausser der Lidinfiltration war auch eine solche im Orbitalgewebe, besonders m der Gegend der Thränendrüse, femer Exophthalmus und starke Beschränkung der Beweglichkeit des Bulbus vor- handen.

Das Blut wies zu Zeiten dne Vermehrung der weissen Blutelemente auf. Die Lymphdrüsen des Halses und Nackens waren vergi*ö8sert In der linken Leistengegend fand sidi dne Geschwulst vor, die aus vergrösserten Lymphdrüsen bestand. Die Untersuchung auf Mikroorganismen ergab ein negatives Re- sultat Bemerkenswerth war das glddizeitige Auftreten von Rhinosklerom. Auch in diesem Falle war Nephritis vorhanden, die Axenfeld als difiiises Lymphom der Niere aufifasst. Der ophthalmoskopische Befund war normal.

Mein Fall ist folgender.

Am 20, November 1889 wurde der 25jährige Hufechmied Josef Telser aus Bniggem in Obersteiermark wegen Doppd- bildem und beiderseitigem Exophthahuus in meine Anstalt auf- genommen.

Er gab an, etwa vor 2 Monaten das Auftreten von Doppel- bildern und eine Abnahme des Sehvemiögens namentlich am linken Auge bemerkt zu haben. Schon seit ungef^r 6 Mo- naten war sein AUgemeinbefinden gestört und zwar klagte er über Appetitlosigkeit, zunehmende allgemeine Schwädie und Schmerzen in den GUedem.

lieber seine Familienverhältnisse wusste der Patient nichts

*) Axenfeld, v. Graefe's Archiv XXXVII. 4. Zur Lymphom- bildung in der Orbita.

Ein Beitrag zur Kenntniss d. leukäm. Erkrankung d. Auges. 103

zu sagen ; er kannte weder Eltern noch Geechwister, lebte sehr kümmerlich und hatte als Hufschmied schwere Arbeiten zu ver- richten^ denen er bis zum Auftreten der Doppelbilder nachgehen konnte. Nach seiner Angabe war er früher immer gesund ge- ^-esen. ' Der Mann fiel durdi die ausserordentlidie Blässe der Haut und sein gedunsenes Aussehen auf.

Die Lymphdrüsen des Halses und Nackens erscliienen be- deutend vergrössert, bildeten weiche elastisdie Pakete^ die unter einander und mit der vergrösserten Schilddrüse confluirten, so dass der Hals den Umfang des Kopfes bedeutend übertraf. In- folge dessen war der Kopf wie eingekeilt und in seiner Beweg- lichkeit sehr beschränkt.

Auch die Axillar- und Inguinaldrüsen waren vergrössert, jedoch in geringerem Grade. Die Milz war auf Druck schmerz- haft und erwies sich auf Palpation und Percussion ebenfalls ver- ^rössert. Ebenso hatte die Leber ihre normale Ausdehnung über- schritten.

Die Untersuchung des Blutes ergab eine entschiedene Ver- mehrung der weissen Blutzellen. Im Urin war weder Eiweiss noch Zucker. Der Patient war somnolent, apathiscli; Fieber fehlte, Appetit war gering; in den übrigen Functionen nicht» Abnormes.

Das Störendste waren für ihn die Doppelbilder und die drückenden Schmerzen in den Orbiten. Der redite Bulbus war vorgetrieben und überragte den Orbitah'and um 1,85 cm. Die Beweglichkeit desselben war sehr beschränkt, er verharrte in der Convergenz, imd auf Geheiss konnte der Patient nur ganz mangel- hafte zitternde Bewegungen ausführen.

Der Imke Bulbus war noch mehr vorgetrieben, ganz starr und unbeweglich. Die Protrusion desselben betrug 2,2 cm.

Die Haut des linken Oberlides war geschwellt, zeigte wenig Falten und war von kleinen Hämorriiagieen durchsetzt und von dicken GefSssnetzen durchzogen. Die Conjunctiva bulbi erschien geröthet, faltig und mit capillaren Extravasaten besät

Derselbe Befond war auch am rechten Augenlide nur in schwädierem Grade zu constatiren. Die Sehschärfe betrug am

linken Auge - bei emmetropisdier Refraction mit -[- 4 D J. N 8 24

Buchstaben; am rechten Auge S Em., mit -j- 3 D J. N 5.

Die Lider konnten über beide Augen geschlossen werden.

104 R. Kerschbaumer.

OphthalmoBkopisch war am linken Ange das Bild einer Stauungspapille zu sehen, während am rechten Auge mige aus- gedehnte und geschlängelte Venen den einzigen Befund bildeten. Das Gesichtsfeld war an beiden Augen normal.

Die von Liebreich und von 0. Becker bei Leukämie beschriebene orangegelbe f^bung des Augengrundes konnte ich ebensowenig finden wie Leber.

Am 5. Tage nach der Aufnahme wurde der Patient in die hiesige medidnische Abtlieilung transferirt, wo er am 14. Deeem- her starb. Die Diagnose wurde auch dort auf Leukämie gestellt.

Die Präparate, die Herr Primarius Dr. Göttinger mir be- reitwilligst aberliess, wofür ich ihm hiermit meinen besten Dank ausspredie, ergaben folgenden Befund.

Der Inhalt der rechten Orbita, der in toto heraus- genommen wurde, misst von vorne nach hinten, vom Hornhaut- sclieitel bis zum Foramen opticum 587« mm, während sein grösster Breitendurchmesser 43 ^/g mm erreicht.

Entsprechend der Form der Orbita verjüngt sich der Orbi- talinhalt gegen das Foramen opticum zu, wo er am schmälsten wird. Ein Schnitt in horizontaler Bichtung trennt die Neubil- dung in eine obere und untere Hälfte. Die Neubildung umfasst den hinteren Theil des Bulbus und erstreckt sich nach vorne bis ca. 3*/2 mm vor dem Homliautrande, einen Theü der Sklera und die Hornhaut freilassend.

Sie ist mit der Sklera locker verwachsen und auf dersdben nur wenig verschiebbar.

Ihre Consistenz ist weich, elastisch, nur stellenweise resi- stent und derb elastisch. Die Farbe ist gelblichroth in den weicheren und schmutziggrau m den härteren Parthieen.

Heerdfbrmige Verdichtungen des Gewebes finden sich haupt- sächlidi um den Nerv, opticus herum, wo sie mit der Duräl- scheide im Zusammenhange zu stehen scheinen, sowie in der Gegend der Thränendrüse und in dem den Bulbus unmittelbm* umgebenden Gewebe.

Der Bulbus ist von nonualer Grösse und Form und bietet dem unbewaffiieten Auge nichts Abnormes. Die Sklera ist überall von normaler Dicke und wird vom Neoplasma nirgends durch- brochen.

Bei mikroskopischer Betrachtung erscheinen die einzel- nen Gewebe der Orbita in verschiedenem Grade verändert.

Am besten erhalten ist der Bulbus, dessen einzelne Be- standtlieile noch gut erkennbar sind.

Ein Beitrag zur Kenntniss d. leukäm. Erkrankung d. Auges. 105

Die Conjunctiva bulbi ist vom Homhautrande auB um das Doppelte, selbst Dreifache verdickt, vielfach gefaltet und nimmt von vorne nach hinten an Dicke stetig zu. Das Epi- thel ist nur in den vorderen Parthieen unverändert und fehlt nach hinten zu theilweise. Das Conjunctivalgewebe enthält gegen- über dem normalen viel fibrilläres Bindegewebe, aber wenig Zellen und elastische Fasern. Zahh-eiche sehr stark ausgedehnte Gefässe, meist mit verdickten, manche mit verdünnten Wan- dungen, durchziehen das Gewebe der Conjunctiva in verschie- denen Richtungen. In den oberflächlichen Conjunctivallagen und meist anschliessend an die dünnwandigen Gefösse begegnet man bald grösseren bald kleineren Blutextravasaten.

Zwischen Sklera und Conjunctiva schiebt sich eine klein- zeilige Infiltration ein, die von hinten nach vorne an Intensität abnimmt und sidi zwisdien den Bindegewebsfibrillen der Con- junctiva verbreitet

Die Conjunctiva palpebrae ist nicht verdickt, ilire Oberfläche ist bis auf einzelne kleinere Extravasate normal. Die Lider konnten nicht untersucht werden und zeigten makroskopiscli nichts Abnormes.

Die Hornhaut ist vollkommen normal, ebenso die Iris.

Die massig tiefe vordere Kammer enthält keine abnor- men Bestandtheile. Auch die Linse ist normal. Ebenso ist die Beschaifenheit des Ciliarkörpers im Ganzen normal, nur ist in seinem vorderen Theile und in den Ciliarfortsätzen zwischen den einzehien Fibrillen eine spärliche Rundzellen -Infiltration be- merkbar, die gegen die Chorioidea hin an Ausdehnung zunimmt.

In der Chorioidea selbst wird die Infiltration von vorne nach hinten immer stärker. Während man nämlich in den vor- deren Theilen dieser Membran an einzelnen Stellen die Chorio- capillaris, die Suprachorioidea und die Schichte der grösseren Gefässe trotz der Infiltration noch gut erkennen kann, ist der hintere Abschnitt der Chorioidea schon vollkommen von der Kundzellen-Infiltration eingenommen und der normale Bau unkennt- lich geworden. Die Infiltration beginnt, wie an den vorderen weniger stark ergriffenen Theilen der Chorioidea ersichtlich ist, in der Choriocf^illaris und in der Schichte der grösseren Ge- fässe, die auch am intensivsten ergriffen und nebst rotiien auch mit zahkeichen weissen Blutkörperdien gefüUt sind. Die Infil- tnition verbreitet sich sodann zwischen den Lamellen der Supra- diorioidea und wird nach hinten immer intensiver, dergestalt, dass im hinteren Abschnitte der Suprachorioidea nur mehr ein-

106 ^' Kersdibaumer.

zelne, meist in fettiger Metamorphose begriffene Pigmentzellen noch erkennbar sind. Die Zellen bilssen nämlich ihre Fortsätze ein, werden plump, degeneriren fettig und zerfallen schliesslich zu einem feinkörnigen Detritus , wälirend die Pigmentkömdien in diesem und zwischen den Rnndzellen des Infiltrates zerstreut zurückbleiben.

Von der Suprachorioidea greift die Infiltration auf die inneren Skleralschichten über. Die Ghorioidea und beziehungsweise das sie ersetzende Infiltrat ist im vorderen Abseimitte etwa doppelt und im hinteren etwa dreifach so dick als die normale Ghorioidea.

Das Infiltrat durchsetzen zahlreidie dünnwandige khiffende Gefässe, worin bei einigen nebst rotlien Blutkörperdien auch zahlreiche farblose Elemente zu sehen sind. Die Basahnembran der Ghorioidea ist überall erhalten und meistentheils verdickt An den grösseren, die Bn]busk2^>sel im hinteren Pole durch- bohrenden GefUssen sind die perivasculären Räume, wie die Ge- fässlumina selbst dicht mit Rundzellcn erfüllt, die sich bis in das Infiltrat der Ghorioidea verfolgen lassen.

Ich komme nodi auf diesen Befund zurück. Die Retina zeigt von der Ghorioidea aus eine massige Infiltration der Seh- zellenschicht, während die übrigen Schichten gut erhalten und vom Infiltrat frei sind.

Der Sehnerv zeigt bis auf eine geringgradige Papillitis keine Veränderungen. Dagegen erreicht die Infiltration in den Sehnervenscheiden einen ziemlich hohen Grad, namentlieh ist die Arachnoidealscheide in ihrer ursprüngtidien anatomi- schen Structur kaum mehr zu erkennen.

Vom Intervaginalraume aus erstreckt sidi die Rund- zeUen- Infiltration einerseits auf die Piascheide, anderseits auf die Durascheide, bei der sie etwa bis zur Mitte reicht An dem äusseren Tlieile der Durascheide heben sich die Faserbündd durch grössere oder kleinere Zellenanhäufiingen von einander ab, die offenbar aus der Infiltration der Orbita, die gerade in der Umgebung des Sehner\'en stärker ist, als an anderen Partliieen derselben hervorgegangen sind.

Es erscheinen dalier die äusseren und inneren Theile der Durascheide von der Zellen -Infiltration emgenommen, während die mittieren I>agen ziemlich frei davon sind. Der Supravagi- nalraum ist von Rundzellen dicht gefÜUt

So wie der Bulbus, zeigen audi die übrigen Gewebe der Orbita eine starke leukämische Infiltration. Die Thränendrüse ist erheblich vergrössert, hat aber ihren geU^pten Bau noch

Ein Beitrag zur Kenntniss d. leukäin. Erkrankung d. Auges. 107

beibehalten. Die einzelnen Acini sind durch mächtige Binde- gewebBzüge von emander getrennt Weite, mit verdickten Wan- dungen versehene Grefässe dordiziehen das Drüsengewebe und die Bindegewebszüge.

Die Randzellen -Infiltration durchsetzt die ganze Drüse und schiebt sich in grösseren oder kleineren Anhäufungen zwischen die einzeihen Drtisenschläuche ein, wodurch die charakteristische Structur der Drüse an vielen Stellen vöUig unkenntlich wird. Nur stellenweise ist das ursprüngliche anatomische Bild der Drüse noch sichtbar, w^ährend die übrigen Theile derselben im Zellen- infiltrate zerstreute Durchschnitte von Drüsensdiläuchen oder ein- zelnen, viel&ch in fettiger Degeneration begriffenen Drüsenzellen aufweisen. In den interacmösen Bindegewebszügen finden sich auch Rundzellen vor, weldie die im Bindegewebe verlaufenden Gefässe begleiten und sich zumeist an diese in Form einer peri- Tascnlären Infiltration anschliessen.

Sowohl hier wie in der Drüsensubstanz und in den Ge- fäflslumina sieht man zahlreiche farblose Blutzellen. Die Fascia tarso-orbitalis, die auf der temporalen Seite des Orbitalinhaltes theilweise haften blieb, sowie die übrigen den Orbitalinlialt durch- ziehenden Fascikel, enthalten zwischen ihren Bündehi zahh-eiche Rundzellen. Denselben Befund zdgen die Tenon'sche Kapsel und der Tenon'sche Raum, die in ihrer ganzen Ausdehnung von RundzeUen infiltrirt smd. Die Muskeln, von denen der Mus- culus rectus internus auf eine längere Strecke zu verfolgen ist, sind von normaler Dicke. Die meisten Muskelfasern haben ihr normales Aussehen und ihre Structur bewahrt und nur einzelne davon sind dünner geworden. Ihre Zahl scheint abgenommen zu haben, wälirend das intermuskuläi-e Bindegewebe zugenommen hat. Die Rundzellemnfiltration ist hier ganz unbedeutend und wo sie auftritt, begleitet sie die intermusculären Gefässe. Im orbitalen Fettgewebe ist die Infiltration ungleichmSssig in grösse- ren oder kleineren Heerden oder Inseln vertheilt, die verschiedene Formen zeigen. Im Anschlüsse an die Duralsdieide ist sie sehr bedeutend, so dass hier das Fettgewebe gar nicht mehr zu er- kennen ist und der Sehnerv sammt semen Scheiden gleichsam in die Neubildtmg eingebettet erscheint. Das den Sehnerven umgebende Infiltrat ist am Durchschnitte doppelt so breit als der Sehnerv selbst Im übrigen Fettgewebe findet sich die In- filtration besonders in den äusseren GefUsslagen der grösseren Gefässe oder um die GefSsse herum in grösseren oder kleineren Anhäofiingen. Die Formen der ZeUenanhäufungen im Präparate

108 H* Kenchbaumer.

Bind verediieden^ je nadidem die Geflsse qner oder längs durch- schnitten wurden.

Im Querschnitte erscheinen närolich die Formen rund oder oval und im Längsschnitte strangförmig. Die benachbarten Heoiie oder Zellenstränge confluiren mit einander, wodurch eine con- tinuirliche ausgedehnte Infiltration entstellt; in der eine grosse Menge wdtklaffender Gefitese sichtbar ist

Im AUgememen ist die Zahl der Gefässe vermehrt und sind in dem Inliltrate neugebildete Geflisse vorhanden. Die grösseren GefÜsse haben in Folge der Zunalmie der Adventitia eine ver- dickte Wandung, während die Intima mit der Media verschmilzt und an deren Stelle eine homogene glänzende Membran tritt. Die Fasern der Adventitia liaben m den meisten Geftssen zu- genommen. In den älteren Infiltraten ist die Adventitia manch- mal unkenntlich und das ganze Gefässrohr zu einer homogenen dicken Membran entartet

Die Ci^illargefässe sind mit mehr oder minder verdidct^i Wandungen versehen, die auch viel&ch von derselben homogenooL Beschaffenheit sind, wie die Wandungen der grösseren Gefässe. Die homogene GeflSsswand liefert oft die bekannte v. Reckling- hausen'sche Fuchsinreaction auf Hyalin, während eine Amyloid- reaction nidit hervorgerufen werden kann. Das Gefässrohr der grossen Ciefässe und CapiUaren enthält rotiie und häufig zahl- reiche weisse Blutelemente.

Um die CapiUaren herum ist die Infiltration sehr gering.

Was die Vertlieilung des Infiltrates im Orbitalgewebe an- belangt, so kommt dasselbe sowohl in den Fettbläschen, als auch in der bindegewebigen Zwischensubstanz vor, so dass auf grössere oder kleinere Strecken die Stnictur des Orbitalgewebes dem In- filtrate Platz maclit

Der Inhalt der linken Orbita (flg. 1), der ebenfalls in toto herausgenommen wurde, unterodieidet sich von dem der rechten Orbita durch seine derbere Consistenz und seine gelblich graue Farbe und misst von dem Homhautscheitel bis zum Fora- men opticum 62^/2 mm; wälirend sein grösster Breitendurch- roesser 46 mm beträgt.

Am horizontalen Durchschnitte ersclieint der Bulbus von einer derben Neubildung umgeben, die etwa 3 mm vom Hom- hautrande beginnt, den vorderen Abschnitt des Bulbus zwar frei- lässt, dagegen den übrigen Theii desselben, sowie den Opticus, die Augenmuskeln und ThränendrUse trichterförmig umgiebt und sich, immer schmäler werdend, bis zum Foramen opticum er-

Ein Beitrag zur Kenntniss d. lenkftm. Erkrankung d. Auges. 109

streckt Mit der Sklera ist sie so fest verwachsen; dass keine Verschiebung möglich ist.

Es fflnd daher alle Organe der Orbita in dem Infiltrate voll- kommen eingebettet, wie 'wenn in die Oi;bita eine später er- flEtarrte Flüssigkeit eingegossen worden wäre. Die einzeben Ge- webe der Orbita unterscheiden sich vom Infiltrate durch ihre verschiedenen Farben imd ihre Gonsistenz.

Das Fettgewebe ist nur stellenwdse zu erkennen.

Die peripheren Pailhieen des Neoplasma sind von einer dtinnen Membran überzogen und föhlen sidi etwas weicher an als die übrigen Theile, die derbelastisdi sind. Die Schnittflädie ist glatt und besteht aus verschieden grossen mit einander fest verwadisenen Substanzinseln , die von verschiedener Farbe, Ge- stalt und Dichtigkeit sind.

Die Conjunctiva bulbi fühlt sich derb an und bildet zahlreiche Falten, sie lässt sich auf der Sklera verschieben. Ihre Oberfläche ist von erweiterten Geigen durchzogen und von capülaren Hämorrhagieen durchsetzt. Mit Ausnahme der Chorioi- dea, die namentlich in ihrem hinteren Pole, auch dem unbewaff- neten Auge verdickt erscheint, bietet der Bulbus makroskopisch nichts Abnormes.

Mikroskopisch erscheint die Conjunctiva bulbi schon am Homhautrande in Folge der Zunahme des fibrillären Binde- gewebes erhebUdi verdickt und ihre Oberfläche gefaltet; nach hinten zu werden die Falten reichlicher und tiefer, so dass die Conjunctivaloberfläche am Durchsdmitte ein halskrausenähnliches Aussehen gewinnt.

Das Epithel der Conjunctiva fehlt, nur einzelne fladie, meist kernlose Sdiollen sind auf der Oberfläche zerstreut Die Con- junctiva und besonders die oberflächlichen Lagen derselben durch- setzen zahh^iche ausgedehnte Gefässe, die vieliach leer und klaffend sind; diejenigen, welche Blut enthalten, weisen nebst rothen auch viele weisse Blutelemente auf. Die GefJteswände sind dünn, homogen, mit spärlichen Wandkemen versehen, sie sind selten verdickt

Um einige Gefllsse sind massige Anhäufungen von Rund- zellen, während uro andere grössere Anhäufungen von rothen Blutkörperchen vorhanden sind.

In der Bindehaut ist die Infiltration vom Homhautrande ans unbedeutend, nimmt aber in den hinteren Parthieen an In- tensität zu und verbreitet sich in die oberflächlichen Lagen der Sklera, die sie auseinander drängt. Das Infiltrat der Conjunc-

110 R. Kerschbaumer.

tiva hängt mit dem den Bulbns umgebenden eng' zosammen nod geht in dieses über.

Die Cornea ist voUkommen normal, ebenso die Linse. Die Uvea ist von, allen intraoculfiren Gebilden am meisten in- filtrirt und hauptsächlich die hinteren Partlüeen derselben, die Chorioidea in dem hinteren Abschnitte sind am meisten davon ergriffen. Am wenigsten infiltrirt ist die Iris, obwohl in ihren peripheren Parthieen viele Rundzellen vorfindlich sind. Zwischen den Fasern des Ligam. pectinatum sind sie ebenfalls in grosserer Anzalil vorhanden. Der Canalis Schlemmü, sowie die in der Sklera verlaufenden Oefässe sind am Durchsdmitte erv^eitert und enthalten zahlreiche Kundzellen.

Im Ciliarkörper ist die Zellenanhäufung in den hinteren Parthieen intensiver als in den vorderen; die Zellen li^en zwi- schen den Fasern des Muscul. ciliaris und drängen diese an^ einander.

Die Proc. ciliares sind ebenfalls Sitz einer massigen ZeUen- infiltration.

Die Pars ciliaris retinae ist in ihrer Structur nicht mehr zu erkennen, nur wenige der ursprünglichen Zellen sind nodh sichtbar, die meisten haben ihren charakteristischen Bau ein- gebüsst, sind plump geworden, fettig degenerirt, während andere noch in Gestalt von flachen glänzenden, kernlosen Schollen zu sehen sind. Die Stelle der ursprünglichen Zellen haben das In- filtrat und fettiger Detritus eingenommen. Von den nonnal^ Bestandtlieilen der Chorioidea ist in den vorderen Parthieen dieser Membran am besten die Supradiorioidea erlialten, zwisdien deren Lamellen ebenfalls Rundzellen eingelagert sind. Die Schicht der grösseren (ref^usse wird nur durch einzelne weitklaffende Lumina angedeutet, während die Capillarschicht völlig unkennt- lich ist, jedoch nocli einige zerstreute Endothelzellen im Infil- trate aufweist Die hinteren Partlüeen der Chorioidea sind voll- kommen in ein Infiltrat umgewandelt, das die vierfache Dicke der normalen Chorioidea hat und von den Chorioidalelementen nur nocli einzelne Suprachorioidalzellen zeigt.

Die das Infiltrat durchsetzenden zahlreichen Gefässe haben meist weit klaffende Lumina, die entweder leer oder mit Blut gefüllt sind, das zalibeiche weisse Blutkörperchen enthält Bd einigen dieser Gefässe ist die Gef^Uiswand dicker als normal, meist homogen; selten sind die einzehien Gefässschichten noch zu unterscheiden. Andere Gefässe haben ganz dünne, eb^ifiiUs homogen aussehende Wandungen. Die Gefässe, welche die Sklera

Ein Beitrag zur Kenntniss d. leukftm. Erkrankung d. Auges. Hl

im hinteren Abschnitte durchbohren, um in den Bulbus zu ge- langen, erschemen stark ausgedehnt, ihre Lumina sind mit rothen und zahhreichen weissen Blutelementen erfüllt Die perivascu- iSren Sdieiden dieser Gefösse sind ausgedehnt und mit zahl- reichen Rundzellen erfüllt, die in die peripheren Schichten der GefSsswände eindringen (Fig. 2).

Die Retina erscheint ebenso wie die Chorioidea, beson- dere in den hinteren Parthieen vom Infiltrate eingenommen.

Dasselbe ist an den äusseren der Chorioidea zugewendeten Seilichten am reichlichsten vorhanden, die Stäbchenzapfenschicht, die Kömerschicbt und die äussere Faserschicht sind in den vor- deren Parthieen der Retina nm* noch da und dort zu erkennen, im hinteren Abschnitte aber vom Infiltrate vollständig verdrängt. Die übrigen Netzhantschichten enthalten wohl auch Rundzellen, aber in geringeren Mengen, so dass ihre Stinictur nocli zu er- kennen ist. Die meisten Rundzellen sind nodi in den inneren Theilen der Nervenfeserschicht vorhanden. Die Papille ist nur unbedeutend geschwellt und zeigt eine geringgradige Zelleninfil- tration. Das Gewebe des Nervus opticus ist nicht verändert, eine massige Rundzelleninfiltration umgiebt die Centralgefibase und breitet sich zwischen den Nervenbündeln aus und ist von hier aus zwischen die Nervenfaserbündel und auf die Papille zu ver- folgen.

Das den Sehnerven und dessen Scheiden umgebende In- filtrat ist mit der Duralscheide so fest verwachsen^ dass der Snpravaginalraum voUständig verschwunden ist; von hier aus greift das Infiltrat auf die Duralscheide über, indem es deren Fasern weit auseinander drängt, weshalb diese Membran am Durchschnitte eine di'eifache Breite erhält. An der Stelle des Intervaginalraumes befindet sich eine Rundzelleninfiltration, in der noch einige üeberbleibsel der Balken vorfindlich sind; von hier aus verbreiten sich die Rundzellen auf die Piascheide. Es ersdieinen daher alle Sehnervenscheiden durch die Infiltration mit einander und mit dem Sehnerven fest und unverschiebbar verbunden. Die Infiltration ergreift auch die Tenon'sche Kap- sel, die nur mehr an einzelnen, im Infiltrate nocli vorhandenen Fasern erkennbar ist, sie verbreitet sich dann im Tenon'schen Raum und greift über auf die äusseren Sklerabündel, so dass die Sklera im unmittelbaren Zusammenhange mit dem Orbital- infiltrate steht

Was die übrigen Gewebe der Orbita anbelangt, so weisen dieselben mikroskopisch folgende Veränderungen auf: Die

112 R. Kenchbaumer.

Fsscien haben durch das Infiltrat, das ihre Fascikehi aoseinander drflngt, an Mächtigkeit zagenommen.

Vom Muskelgewebe sind zwei Drittheiie infiltrirt Die Mo»- keb erscheinen auch bei schwacher YergrOsserung versdimilert, bei starker findet man sie fettig degenerirt und zwischen ihren Fibrillen zahlreiche Rundzellen eingelagert Die Nervenstämme, die in der Orbita verlaufen , sind eben&Us im Infiltrate einge- bettet und in verschiedenen Stadien der Degeneration begriffen. Die Markscheide ist getrübt, zericlttftet und theilweise zerMen, es finden sich auch Fettkömchenzellen darin , während die Schwann'schen Scheiden noch erhalten sind. Vom Fettgewebe smd nur noch vereinzelte Bläschen zwischen den Substanzinseln zu sehen.

Das an die Stelle der Thränendrflse getretene Infiltrat ist nodi von mächtigen Bindegewebssträngen mit hyalindegenerirten GefUssen durchzogen und von der Drüsenkapsel umgeben. Ausser den bindegewebigen Bestandtheilen ist von dem ursprünglichen Gewebe der Di*üse nichts mehr zu sehen.

Das Infiltrat besteht aus verschiedenartigen Zellen und zwar:

1) aus kleinen runden Zellen, die meist kiemer sind, als die Leukocyten und die Tinction schlecht annehmen. Diese Zellen besitzen einen, meistens aber zwei und nur selten mehrere Keine und einen sdimalen ProtopUsmasaum.

2) Aus Rundzellen, die den weissen Blutkörperchen voll- kommen gleichen und mit deutlidiem Kern oder öfter mit Doppel- kernen versehen sind.

3) Aus grossen Zellen, die mit glänzendem Protophisma und einem, meist aber mit mehreren gut tingirbaren ovalen Kernen versehen smd. Ihre Gestalt ist meistens oval und manchmal etwas abgeflacht, walirscheinlich in Folge des gegenseitigen Druckes.

4) Aus grossen, fladien, mit mehreren Fortsätzen versehenen, sternförmigen Gebilden, mit glänzendem Protoplasma, deutlichem Kern und Kemkörperdien.

5) Aus vereinzelten Riesenzellen.

()) Aus rothen Blutkörperdien, die in kleinen Anhäufungen auftreten.

7) Aus feinen im Infiltmte zerstreuten Kernen.

8) Aus Detritus.

Was die Yertheilung und Zahl dieser verschiedenen Ele- mente anbelangt, so sind die kleinen ad 1 beschriebenen Zellen

£in Beitrag zur Kenntniss d. leukäm. Erkrankung d. Auges. 113

die zahlreichsten. Diesen zunächst kommen die ad. 2 u. 3 an- geführten, die an Zahl nur wenig den ersten nachstehen. Diese drei Zellenarten mit dem fettigen Detritus bilden die Haupt- masse der Infiltration, während die anderen ad. 4, 5, 6 und 7 erwähnten Zellen nur vereinzelt auftreten. Alle diese verschie- denen ZeUenelemente liegen ohne bestimmte Anordnung neben- eiiumder, eine Intercellnlarsubstanz ist nur spärlich vortianden and wo sie zu finden ist hat sie den Charakter emes klein- maschigen Reticulums. Die Neubildung von Zellen im Infiltrate ist sehr lebhaft und man trifft zalilreiche mehrkemige Zellen, Zell- und Kemtlieilungsfiguren in versdiiedenen Stadien an. Neben dieser lebhaften Zellenvermehrung geht ein rascher Zer- &11 der zelligen Elemente einher, wofür die zahlreichen Stadien der fettigen Degeneration derselben und der in grosser Menge vorhandene Detritus einen Beleg bilden.

Mikroorganismen. Im Infiltrate der Orbita und des Bulbus, sowie in deren GeflüBsen finden sich zahlreidie Mikro- organismen vor und zwar:

1) Kurze Bacillen mit abgerundeten Enden und verschie- denen Grossen. An vielen ist eine hyaline Kapsel nachweisbar. Sie ähneln am meisten den Bacillen des Rliinoskleroms, wie sie von Paltauf und v. Eiseisberg*) sowie von Cornil und Babes^) und von Stepanoff^) beschrieben wurden und liegen meist vereinzelt oder bilden kurze Ketten, indem sie sicli mit ihren schmalen Theilen aneinander reihen. Sie widerstehen Säuren und Alkalien und färben sich nach der Gram'sdien, Weigert' sehen und Löffler'schen Methode, am deutlichsten sind sie in Meihylviolett, nehmen aber im Allgemeinen die Färbung schwer an. Diese Badllen finden sich auch in anderen Organen des Körpers vor (Fig. 3).

2) Vereinzelte Kokkengruppen, die in der Milz und den Lymphdrüsen, im Orbitalinhalte des erst erkrankten Auges und in sehr geringer Anzahl auch noch in anderen Organen des Körpers vorkommen.

*) Paltauf und v. Eiseisberg, Zur Aetiologie des Rhino- gkleroms, Fortschritte der Medicin. Bd. VII, 1886, Nr. 19 u. 20.

•) Cornil und 6 ab es, Las bacteries et leur röle dans r^thio- logie etc. 1886.

•) Stepanoff, lieber die Impfungen des Rhinoskleroms, Cen- tralblatt für Bakteriologie, Bd. V, 1889.

T. Qniefe's Archir flkr Ophthalmologie. XLI. 3. 8

114 R- Kerschbaumer.

Befund an den Übrigen Oiganen des Körpers.

Die Lymphdrüsen bilden am Hatae, Na<&en und in der Axilla Packete, die aus Drüsen von der Grösse ^er Mandel bis zu der einer Faust bestehen, während die Inguinaldrüsen nur die Grosse eines Hühnereies erreichen. .

Die Mesenterial- und Mediastinaldrüsen haben ebenfalls, ab^ in geringerem Grade an Umfang zugenommen, doch fiberschreitet keine die Grösse einer Nuss. Sie sind durch straffe Bindegewebs- züge miteinander verbunden und hängen auf diese Weise in der Form von Strängen zusammen.

Ihre Consistenz ist weichelastisch, ihre Oberfläche glatt, die Schnittfläche röthlichgrau und quellend, es lässt mch von der- selben eine trübe Flüssigkeit mit dem Messer abstreifen.

Die Rindensubstanz ist leicht von der Mariesubstanz am Durdischnitte zu unterscheiden; auch ist jene an den misten Di-üsen breiter geworden.

Mikroskopisch haben die Drüsen ihre normalen Elemente beibehalten, die Jedoch in mehr oder minder lebhafter Hyi)er- plasie beginffen sind und eine bedeutende Rundzelleninfiltnition aufweisen, die die Follikel ergi'eift und in den Zwischenräumen zwischen diesen grössere Zellenanhäufungen bildet, welche bis in die Mai'ksubstanz zu verfolgen sind. An diesen Stellen ist von einem Reticulum nichts zu sehen, während es in dem eigent- liclien Drüsengewebe h^'pertrophirt erscheint An den Gefassen der Lymphdrüsen ist keine Veränderung zu constatiren. Im (iewebe und innerhalb der Blutgefässe sind massenhaft BadUen, auch einzelne Kokkengruppen vorhanden.

Die Milz hat um das 3 4 fache ihres normalen Volumens zugenommen, ihre Oberfläche ist glatt, marmorirt, blässer als normal und zeigt vereinzelte hirsekomgrosse, rundliche, gelbliche Felder, die über die Oberfläche etwas vorragen und sich bei mikroskopisclier Betrachtung als Anhäufungen von I^eukocyten erweisen. Die normalen Gewebe der Milz sind in einer lebhafte Hypertrophie begriffen, indem die Follikel und die Pulpa, haupt- sächlich in Folge einer ausserordentUchen Vermehrung der fiirb- losen Elemente bedeutend zugenommen haben und audi das Bindegewebe an der Kapsel verdickt erscheint An einzehien ajieriellen Gef^issen ist eine hyaline Degeneration zu beobachten^ auf die ich später noch zurückkommen werde, die jedoch weniger bedeutend ist, als an anderen Organen. Auch hier sind zahl- reiche Mikroorjfanismen besonders in den Gefässen zu finden.

£in Beitrag zur Kenntniss d. leakftin. Erkrankung d. Auges. 115

Die Leber hat etwa um das Doppelte ihres Vohimens zugenommen nnd erscheint im GHesammteindruck blasser als nor- mal heUrotfa nnd schmutzig gelb mannorirt Ihre Oberfläche ist stellenweise mit grösseren oder kleineren flachen Erhabenheiten besetzt^ die von schmutziggelber Farbe und einer weicheren Gon- aistenz sind als daa Lebergewebe selbst Unter dem Mikro- skope erweisen sich diese Eriiabenheiten als Rundzelleninfiltrationen; die Yon den perivasculären Räumen des Pfortadersystems aus- gehen. Mit Ausnahme dieser Infiltrationen ist das Lebergewebe noch fiberali erkennbar. Bei schwacher Vergrösserung erscheinen die Leberacini in dnem feingranulirtem Gewebe zerstreut und heben sich von diesem als dunklere Substanzinseln hervor.

Nur wenige Adni sind unverändert, die meisten zeigen eine mehr oder minder intensive Infiltration, die an der Peripherie des Adnus am intensivsten ist und gegen das Centrum an In- tensität abnimmt Die Rundzellen infiltriren somit von der Peri- pherie aus den ganzen Acinus und mit dieser Infiltration Schritt haltend verändern sich auch die Leberzellen. Diese verlieren nämlich ihre regelmässige Gestalt und werden unförmig und plump. Der Kern wird in den meisten Zellen undeutlich oder verschwindet ganz und das Protoplasma ist feinkörnig granulirt. In vielen Zellen erscheint ein feinkörniges bräunliches Pigment in unregelmässigen Häufchen abgelagert und zwischen diesen veränderten Zellen und den Rundzellen sind vielfach fettiger Detritus und freie I^gmentkömchen sichtbar.

Die interlobulären Gefässe sind entweder ausgedehnt und dünnwandig, oder \ielfach mit verdickten Wandungen versehen. Manche Gefasswand erscheint sogar um das 3— 4 fache des Nor- malen verdickt, homogen glänzend, widersteht Alkalien und Säuren und zeigt mit der v. Recklinghausen'schen Fuchsinmethode die bekannte HyalinfUrbung. Im vorgesdirittenen Stadium bleibt das Centralgefäss als einziges Ueberbleibsei des Acinus zurück, während an die Stelle des Leberläppchens das Infiltrat tritt Hier ist die Zahl der Bacillen eine geringere als in der Milz und den Lymphdrüsen.

Die Herzmuskulatur ist durchweg normal, nur wenige Mnskelfibrillen erscheinen fettig degenerirt Zwischen den Muskel- Zellen sowie im Endocardium und dessen Gefässen und zwar hauptsächlich in den Lumina der Gefasse sind vereinzelte Bacillen zu sehen.

Wie m der Leber finden sich auch hier verschiedene Ge- fSsse mit verdickten homogenen Wandungen, die hyaline Dege-

S*

116 K. Kerschbaumer.

neration aufweisen. Ihr Lumen ist meist ent^eitert und häufig mit Blut gefüllt; das viele fiirblose Elemente enthält

Die Nieren sind in toto etwas vergrOasert, die Oberfläche ist uneben, mit grösseren oder kleineren flachen Erhabenheiten besäet, die sich, wenn sie grösser sind, weicher anfühlen, als das übrige (vewebe und eine gelbliche Farbe* haben. Die mikn>- skopische Untersuchung dieser Erhabenheiten ergiebt eine lym- phoide Infiltration, die tief in die Nierenrinde greift und die nor- malen Elemente derselben verdrängt

Die Rundzellen dringen nämlidi von der Nierenoberfläche zwischen die GlomeruH und die Hamkanälchen hmein, deren Epithelien fettige Degenerationsprocesse zeigen, die Zwischenräume werden immer grösser und so verdrängt die Infiltration allmäh- lich die normalen Nierengewebe und tritt an deren Stelle. Hie und da finden sich audi capillare Hämorriiagieen im Gewebe zer- streut Die Infiltration mit lymphoiden Elementen erstreckt sidi auch zwischen die nodi normalen Nierenelemente der Marksub- stanz. Die hyaline Degeneration ist gut sichtbar, besonders in den mittieren Gefitosen. Die Mikroorganismen sind am häufigsten in den lymphoiden Infiltrationen, in den Knötchen der Oberfläche und in den Gefässen zu finden. In der Marksubstanz sind die Veränderungen weniger vorgeschritten, audi die Anzahl der Bacillen eine geringe.

Das Gehirn und seine Häute waren makroskopisch nor- mal, dieselben konnten wie das Rückenmark und das Knochen- mark mikroskopisch nicht untersucht werden.

Im vorliegenden Falle handelt es sich also um eine typische leukämische Erkrankung und zwar um eine lieuale und lymphatische Leukämie. Die Hyperplasie aller Lymph- drüsen des l^örpers, die Zunahme der Lymphelemente in der Milz, die typischen leukämischen Infiltrationen in der Leber und den Nieren, sowie in anderen Organen; end- lich die Vermehrung der farblosen Elemente des Blutes, die nicht allein durch Untersuchung desselben in vivo, son- dern auch durch den Reichthum an weissen Blutkörper- chen innerhalb der Gefässe in allen Organen des Körpers post mortem nachgewiesen wurden, liefern Anhaltspunkte genug für die Annahme einer leukämischen Allgemeiner- krankung. Die durch die Leukämie gesetzten Verände-

Ein Beitrag zur Kenntniss d. leukäm. Erkrankung d. Auges. 117

rangen sind am intensivsten in den Lymphdrüsen und der Milz, wo auch die Zahl der zwei- und mehrkemigen Zellen am bedeutendsten ist Die Vermehrung der Rundzellen an Ort und Stelle in den einzelnen Organen des Körpers wird durch das Vorhandensein von Zell- und Kemtheilungs- figuren in grösserer oder geringerer Anzahl deutlich be- wiesen. Virchow*) betont die Aehnlichkeit leukämischer Neubildungen mit tuberculösen, besonders aber mit typhö- sen Wucherungen. Das diesen Erkrankungen zu Grunde liegende gemeinsame Bild ist die Vermehrung und Anhäu- fung von Rundzellen und die Bildung von Granulations- geschwülsten, die je nach ihrem Sitze und dem Einfluss der localen Verhältnisse, wahrscheinlich aber nach unserer heutigen Auffassung in Folge der verschiedenen, sie be- dingenden Mikrobien manche Verschiedenheiten zeigen, während der ursprüngliche Typus der Lymphzellen-Hyper- plasie bei Allen beibehalten bleibt Einen bemerkens- werthen Befund bilden vorwiegend die in allen untersuchten Organen mehr oder minder zahlreich vorgefiindenen Mikro- organismen, welcher Befund die Einreihung der Leukämie unter die chronischen parasitären Infectionskrankheiten be- rechtigt erscheinen lässt. Die Mikroorganismen fanden sich am zahlreichsten in der Milz und den Lymphdrüsen vor, wo sie wahrscheinlich den Reiz zur Vermehrung der farb- losen Zellen gebildet haben. Aus diesen Organen gelang- ten dann die lymphoiden Elemente und die Mikroorga- nismen durch die Blutbahn, in der beide mit Leichtigkeit nachgewiesen werden konnten, in die übrigen Gewebe und Organe des Körpers, wo sie sich weiter vermehrten. Seit der epochemachenden Entdeckung des Tuberkelbacillus, verbindet sich mit dem Begriffe der Dyskrasie die Voraus- setzung eines diese Dyskrasie verursachenden Mikroorga- nismus. Und in der That ist ein solcher für die meisten

*) Virchow, l. c.

118 R. Kerschbaumer.

Infectionskrankheiten mit mehr oder weniger Wahrschein- lichkeit nachgewiesen worden. So liegt auch bei der Leu- kämie die Yermuthung nahe, dass diese Krankheit durch Mikrobien verursacht werde.

Schon Leber ^) spricht die Vermuthung ans, dass die Leu- kämie eine Infectionskrankheit sei.

Nach ihm hat Osterwald^ bei der Untersuchung des oben erwälmten Falles grössere Anhäufungen von Mikrokokken besonders in der Milz gefunden, während er solche in der Infil- tration der Orbita nidit mit Sicherheit nachweisen konnte.

Weigert^ fimd in GranulationsgeschwOlsten Badlien, die den Tubericelbadllen ähnlich waren.

Verdelli^) gewann aus dem Blute zweier an Faeudoleu- kämie, resp. Leukämie leidenden Kranken, Remculturen von einer Mikrokokkenart, die sich auch in den Lymphdrüsen vor&nd und glaubte es mit einem abgeschwächten pyogenen Staphylococens zu thun zu haben.

Pawlovsky^) fand im Blnte von vier Leukämiekranken kurze Bacillen mit abgerundeten Enden, welche sich nach Gram schlecht, mit Methylenblau nur polar färbten. Dieselben Badllen fand er in drei weiteren F^en von Leukämie in den mikro- skopischen Schnitten verschiedener Organe, besonders zahhrdch in der Leber.

In meinem Falle ist der Nachweis von Mikroorganis- men in verschiedenen Organen, besonders in den Gefässen sicher gelungen, woraus sich ergiebt, dass auch in vivo Mikroorganismen im Blute vorhanden waren. Die Zahl der Mikroorganismen in den einzelnen Orgaiien stieg in dem- selben Verhältnisse, wie die Infiltration darin zunahm. Der Nachweis von Bacillen, sowie das Ergriflfensein der meisten

*) Leber, 1. c.

*) Ostervald, 1. c.

•) Weigert, Virch. Arch., Bd. 84.

*) Verdelli, Centralblatt für med. Wissenschaft 1893. Gazzeta medica di Torino 1892, Nr. 31. Contributo allo studio del eziologia della leukaemia della pseudoleukaemie.

*) Pawlowsky, Zur Lehre von der Aetiologie der Leukaemie, Deutsche med. Wochenschrift, Nr. 28, 1892.

Ein Beitrag zur Kenntniss d. leukftm. Erkrankung d. Auges. 119

Organe des Körpers ron denselben, der rapide Verlauf der Krankheit, schliesslich die Kachexie, alles das berechtigt zur Annahme, dass es sich hier um Veränderungen han- delte, die wahrscheinlich durch den Reiz der vorgefundenen Mikroorganismen bedingt waren.

Ijeider ist es wegen äusserer Hindemisse unmöglich gewesen Reinculturen anzulegen, so dass ich über Art und Eigenschaften des fraglichen Bacillus nichts Näheres be- richten kann. Der Widerspruch meines Befundes hinsicht- lich der Art des Mikroorganismus mit dem von Oster- wald und Verdelli gefundenen dürfte 'sich wohl daraus erklären, dass sich bei einer und derselben parasitären Er- krankung häufig verschiedene Formen und Arten von Mikro- organismen vorfinden. Auch in meinem Falle sah ich in einigen Organen vereinzelte Anhäufungen von Kokken, die aber nicht, wie die Bacillen einen constanten Befund bil- <leten, weshalb es auch nicht wohl anginge, sie als Ursache der Erkrankung anzusehen.

Welchen der bisher bei Leukämie nachgewiesenen Mikrobien als ätiologischem Momente die Hauptrolle zu- fällt, dies zu constatiren muss weiteren Untersuchungen vorbehalten bleiben.

Was die Infiltration der Orbita und des Bulbus an- belangt, so ist diese als Ablagerung der in der Milz und den Lymphdrüsen gebildeten und im Blute kreisenden Leukocyten anzusehen.

Die Rundzellen werden durch die Blutgefässe in die Orbita importirt: man beobachtet nämlich innerhalb der meisten Orbitalgefässe eine grosse Menge Rundzellen; auch um die Gefässwände herum sind, solche in wechselnder Menge abgelagert Somit bilden die Gefässe den Aus- gangspimkt der Lifiltration, um diese herum lagern sich die Leukocyten ab und bilden bald grössere bald kleinere Anhäufungen, die miteinander zu einem zusammenhängen- den Infiltrate confluiren. Dies ist der Vorgang, wie wir

120 ^- Kerschbaumer.

ihn im orbitalen Fettgewebe vorfinden. Einen ähnlichen Befund beschreibt Osterwald*) von den Venen des In- filtrates der Pleura, sowie von den Arterien da* Papille. Auch Axenfeld*) fand in seinem Falle von Pseudoleu- kämie die erste Ablagerung der Rundzellen um die 6e- fässe herum. Ob die Rundzellen aus den Grefässen per diapedesin austreten und so die adventitiellen Lagen der Gefässe und deren Umgebung infiltriren, oder ob sie als Ausdruck der Lymphstauung in den perivasculären Räumen aufzufassen sind^ vermag ich nicht mit Bestimmtheit zu sagen. Für die erste Annahme spricht die schon erwähnte Menge der in den Qefässen vorkonmienden Leukocyten, die jedenfalls eine Verlangsamung des Blutstromes verursachen, und ein Heraustreten der weissen Blutelemente aus der Gefässwand begünstigen.

Die zweite Annahme wird durch die grosse Menge der in den Lymphräumen der Orbita vorfindlichen Rund- zellen gestützt Wir finden nämlich am erst erkrankten linken Auge den Supravaginalraum und den Tenon'schen Raum durch die Infiltration vollständig ausgefüllt, welche einerseits mit der Duralscheide, anderseits mit der Sklera in directem Zusammenhange steht. Aehnlich ist der Be- fund im Intervaginalraum, wo die Rundzelleninfiltration eine etwas lockerere ist Am zweiterkrankten Auge sind der Tenon'sche wie der Intervaginalraum mit lockerem Rund- zelleninfiltrate ausgefüllt, während der Supravaginalraum ebenso wie am linken Auge von einem dichteren Infiltrate erfüllt ist

In den Bulbus selbst gelangt die Infiltration haupt- sächlich durch die Art dl. post breves, die im hinteren Pole die Sklera durchbohren und das Capillametz der Chorioidea bilden. Man kann diese Gefässe, die reichlich

') Osterwald, 1. c. ') Axcntcld, 1. i\

Ein Beitrag zur Kenntniss d. leukäm. Erkrankung d. Auges. 121

weisse Blutelemente enthalten, auf ihrem Wege in den Bulbus verfolgen.

Zwischen ihrer Gefässwaud und der Sklera besteht ein mit Bundzellen gefüllter erweiterter Raum, der peri* vasciüäre Lymphraum, der das Gefass umgiebt Sowohl aus diesen periyasculären Räumen, als auch aus den Ge- fassen selbst gelangen die Rundzellen in die hintere Parthie der Chorioidea, wo sie zunächst die Choriocapillaris und die Schicht der grossen Gefässe ergreifen, dann sich auf die übrigen Lamellen der Chorioidea verbreiten.

Somit weisen die perivasculären Räume, wie auch die den Bulbus umgebenden orbitalen Spalträume und der Peri- chorioidalraum, die alle als Lymphräume au&ufassen sind, eine beträchtUche Lymphstauung auf. Von der Chorioidea aus setzt sich die Rundzelleninfiltration einerseits auf die inneren Lamellen der Sklera, anderseits auf die äusseren Lagen der Retina fort Einen ähnlichen BeAind beschreibt Oeller').

Li seinem Falle entspricht die Dickenzunahme der Chorioidea ebenfalls der Eintrittsstelle der hinteren kurzen Ciliararterien. Auch Osterwald*) fand in seinem oben- erwähnten Falle die hinteren Parthieen der Chorioidea be- trächtlich infiltrirt Von der Chorioidea aus setzt sich die Infiltration nach vorne zu fort, wo sie bis in die vorderen Parthieen der Uvea reicht

Die Infiltration der inneren Retinallagen scheint sich nicht von der Chorioidea aus, sondern auch per continui- tatem aus den perivasculären Räumen des Opticus fort- zusetzen.

Wir finden dass am ersterkrankten Auge, wo die inneren Retinalschichten von Rundzellen eingenommen er- scheinen, die Infiltration aus den perivasculären Räumen

*) 0 eil er, Beitrftge zur patholog. Anatomie des Auges bei Leukämie, v. Graefe's Arch. XXIV. 3. *) Osterwald, 1. c.

122 ^ Kerechbaumer. Ein Beitrag zur Kenntniss etc.

um die Centralgef ässe herum in die inneren Retinalschicbten sich fortsetzt.

Am zweiterkraukten Auge, wo eine Infiltration im perivasculären Räume um die Centralgefasse herum nicht besteht, ist eine solche weder auf der Papille noch in den inneren Retinallagen zu finden. Femer entsteht die Frage, ob alle Zellen des Infiltrates in der Orbita und im Bulbus eingewandert seien, oder ob sie sich auch im Infiltrate selbst vermehren?

Dass Letzteres der Fall ist, lässt sich aus den zahl- reichen zwei- imd mehrkemigen Zellen und aus dem Vor- handensein von karyokinetischen Figuren nachweisen. Die Rundzellen, die in lebhafter Hyperplasie begrifien sind, zeigen auch grosse Neigung zur regressiven Metamorphose, dafür spricht die grosse Zahl der in den verschiedensten Stadien der fettigen Metamorphose begriffenen Zellen, femer und dies namentlich am ersterkrankten Auge, der in be- deutenden Mengen dem Infiltrate beigemengte fettige Detritus.

Erklärung der Abbildungen auf Tafel VIII.

Fig. 1. Horizontaler Durchschnitt durch den Inhalt der linken Orbita.

Fig. 2. Eintrittsstelle eines Astes der art. eil. post brev. durch die Sklera in die infiltrirte Chorioidea, mit Infiltration des peri- vasculären Raumes.

Fig. 3. Bacillen aus dem Infiltrate der Orbita. Homog. Imers. ^. Ocular 5. Zeiss.

Die nenropathiBche Natur des Nystagmos.

Von Alfred Graefe.

Mit 1 Figur im Text.

Bis vor Kurzem waren die Ophthalmologen überein- stimmend geneigt, abgesehen von der Richtung, dem Tempo, der Periodicität und allerlei andern individuellen Besonder- heiten der unter dem Namen „Nystagmos^^ zusammenge- fassten anomalen Augenbewegungen zwei grosse Haupt- gruppen dieser in vielfacher Beziehung noch so nlthsel- haften MotiUtätsstörung anzunehmen, nämlich eine an- geborene oder doch seit erster Kindheit bestehende Fonn einer erst in spätem Lebensperioden zur Ent¥Hicklung ge- langten, acquirirten, gegenüber zu stellen.

Beide Gruppen, so unterschied man, sind zunächst ätiologisch total verschiedener Natur. Behalten i^vir im Folgenden für die erstere Form die einmal eingebürgerte Bezeichnung „angeboren'^ bei, so sind wir hierzu doch nur zum Theil berechtigt. Nur da, wo kein Zweifel walten kann, dass congenitale AnomaUeen im Nervensystem dem Nystagmos zu Grunde hegen, ist dies der Fall, nicht aber dort, wo etwa die begleitende Schwachsichtigkeit, welche doch erst nach der Geburt ihren bestimmenden Ein- fluss zu entwickeln vermöchte, als das eigentiiche pathogenetische Moment betrachtet werden muss. Es wäre

124 A. Graefe.

darum wohl auch der Nachweis, ob der Nystagmos ein wirkKch congenitaler oder erst einige Zeit post partum ent- standener ist, im Einzelfalle für die diagnostische Eest- stellung seiner besondem Natur von grosser Bedeutung.

Allen diesen „angeborenen^' Nystagmen ist nun mit sehr seltenen Ausnahmen das eigen, dass an beiden Augen entweder congenitale oder doch sehr bald nach der Geburt zur Entwicklung gelangte AnomaUeen sehr mannigfacher Art sich zeigen, welche die Sehschärfe verschiedengradig, und häufig zwar auf dem einen Auge mehr als auf dem andern, beeinträchtigen. Wir finden als solche bekanntlich partielle Trübungen der brechenden Medien, Seste fötaler Erkrankungen, Bildungsfehler, Albinismus, hochgradige Be- fractionsanomalieen, auch Farbenblindheit Das allen diesen so verschiedenartig begründeten Zuständen Gemeinsame ist eben nur die Herabsetzung der Sehschärfe resp. eine Un- deutUchkeit der Netzhautbilder, und so lag es wohl nahe, in dieser optischen Störung hier das den Nystagmos be- dingende Causalmoment zu suchen. Jene seltenen Ausnahms- fälle, in welchen bei diesem eine normale oder dieser doch sehr nahe kommende Sehschärfe gefunden wird, würden nicht genügen, diese Annahme zu widerlegen, denn es ist daran zu denken, dass bei jenen grade in der für die Entwick- lung des Nystagmos bedeutungsvollen Lebensperiode ge- wisse mit Herabsetzung der Sehschärfe einhergehende Er- krankungszustände, welche zu einer allmähUchen Rückbil- dung gelangten, vorhanden gewesen sein können. Ich möchte hierbei unter andern namentlich an die während des Geburtsaktes, vorzugsweise bei etwas zu früh geborenen Kindern entstehenden Blutextravasate in der Netzhaut erinnern. Wie ausserordentiich häufig dieselben vorkommen, bezeugen die von den Autoren ') gemachten Angaben. Fand

*) Königstein, Wiener med. Jahresschrift 1881. Schleich, Mittheil, aus der ophthalm. Klinik in Tübingen, 1884. Naumof, V. Graefe's Archiv XXXVI, 3.

Die neuropathische Natur des Nystagmos. 125

Königstein bei Untersuchung von 281 Neugeborener nur 10®/o, so giebt Schleich auf eine Untersuchungsreihe von 150 gestützt, den Procentsatz der Erkrankungen auf 32 an, und Paul Bunge beobachtete nach mir gemachten münd- lichen Mittheilungen bei 130 Kindern, welche er in der Halle'schen Universitätsklinik untersuchte, in jedem dritten Fall Blutungen überhaupt, in jedem fünften deren sehr reichUche. Es kommen nach den bisherigen Beobachtungen diese Art der Netzhautblutungen nun allerdings viel schneller zur Resorption und scheinen in der Regel keine oder doch nur bei weitem seltner ophthalmoskopisch erkennbare Re- siduen zu hinterlassen, als dies durchschnittlich für die in spätem Lebensperioden acquirirten gilt, doch ist es sehr wohl denkbar, dass eine Behinderung der Netzhautfunc- tionen längere Zeit durch dieselben gegeben war, in einigen Fällen vielleicht eben lange genug, um, gleich jenen vor- erwähnten bleibenden Sehhindemissen, zur Entwicklung des Nystagmos Veranlassung zu geben*).

Während man also annahm, dass „mangelhaftes Sehen^^ das eigentlich causale Moment für die grosse Mehrzahl des „congenitalen", oder besser der in frühester Lebenszeit zur Entwicklung gelangten Nystagmoserkrankungen bilde, so dass man diesen darum auch kurzweg als „optischen" Ny- stagmos bezeichnen dürfte, so steht jene andre Gruppe unserer Erkrankungsform, der acquirirte Nystagmos,

0 Der Ausspruch Naumoffs (1. c. p. 130), dass jene intra partum entstehenden Extravasate, zum Theil wenigstens, die Ursachen der ihrer Begründung und Natur nach uns bisher noch wenig be- kannten „Amblyopia congenita" ich möchte ausdrücklich hinzu- fugen, auch der später befundlosen sein dürften, ist gewiss sehr zu beherzigen. Und falls jene mehr ausnahmsweise auch gröbere Ge- websstörungen hinterlassen sollten, worüber erst noch weitere Beobach- tungen entscheiden müssen, so wird man solchen gegenüber, wenn man sie später gelegentlich einmal entdeckt, recht wohl in Zweifel sein können, ob man es mit den Residuen abgelaufener Krankheits- processe oder mit angeborenen Anomalieen anderer Art zu thun hat.

126 A. Qraefe.

mit solchen Sehhindemissen durchaus nicht in einer ursäch- lichen Beziehung y sondern ist immer nur extrabulbär, und zwar in strengstem Sinne neuropathisch begründet

Nur kurz mögen hier zur Darlegung der Beziehungen, welche zwischen unserer Krankheitsform und dem Nerven- system herrschen, folgende Punkte in Erinnerung gebracht werden. Nystagmische Zuckungen sind durch das physio- logische Experiment zu insceniren. Ich möchte hier be- sonders auf die Versuche Hitzigs*) verweisen, welcher jene Bewegungen mittelst Leitung stärkerer galvanischer Ströme quer durch den Hinterkopf hervorrief und hierbei nachwies, dass dieselben nicht durch directe Reizung der betheiügten Augenmuskeln, auch nicht der diese versorgen- den Nervenstämme, sondern durch Beanspruchung centraler motorischer Gebilde angeregt werden. Auf dem Gebiete der Pathologie begegnen wir femer einer ganzen Beihe von Erkrankungsformen der nervösen Centralorgane*), welche mit Nystagmus einhergehen und ist die fimctionelle Ab- hängigkeit desselben namentlich von gewissen Theilen des Mittelhims (corpus striatum, corpora restiformia, corp. quadri- gemina, vierter Ventrikel) und des Kleinhirns, in Ueber- einstimmung mit den Resultaten des Thierversuchs, durch klinische Beobachtung und das Sectionsergebniss dargethan worden. Endhch galt immer auch schon jene acquirirte Nystagmosform, welche als eine Berufskrankheit der in Stein- kohlenbergwerken beschäftigten Arbeiter') das Interesse der Ophthalmologen während der letzten Decennien viel in An- spruch genommen hat, unzweifelhaft und unbestritten als auf neuropathischer Basis beruhend.

In seiner vorerwähnten inhaltreichen Arbeit sucht

*) Untersuch, über das Gehirn p. 209. 1874.

*) Zusammengestellt in der Arbeit Raehlmann*s, v. Graefe*s Archiv XXIV. 4.

') Ausfuhrliche Zusammenstellung des hier in Betracht kommen- den Materials, s. Nie den, Der Nyst. der Bergleute. 1894.

Die neuropathische Natur des Nystagmos. 127

Rachlmann nun den Nachweis zu führen, dass die bisher fest gehaltene Gegenüberstellung jener zwei Haupt- gruppen des Nystagmus nicht gerechtfertigt sei und dass vielmehr beiden eine gleiche Entstehungsweise zukomme. Nach ihm ist es nämUch durchaus nicht mangelnde Seh- schärfe, welche in der ersten Gruppe zur Entwickelung der MotiUtätsstörungen Veranlassung giebt, sondern beide Störungen, letztere sowohl als das der Beeinträchtigung der Sehschärfe zu Grunde hegende Augenleiden, sind viel- mehr zwei von einander unabhängige, verschiedene Manifestationsformen einer und derselben neuro- pathischen Grundaffection und ist der Nystagmos mithin immer eine Neuropathie. Andeutungsweise hatte sich Nakonz^) schon im gleichen Sinne ausge- sprochen.

Gewiss sind die zur Erklärung des Zustandekommens des „angebomen'S i'^^p. aus erster Kindheit stammenden Nystagmos bisher aufgestellten Hypothesen so ungenügend, dass jeder Versuch, uns hier eine bessere Erkenntniss zu er- schhessen, sehr wohl begründet ist Wie wenig die Böhm'sche*) den Thatsachen entspricht und das Verständniss zu fördern geeignet war, ist von Nakonz (1. c), von Kugel*) und von mir*) ausfuhrüch nachgewiesen worden. Der bekannte Arlt'- sche *) Erklärungsversuch kann gleichfalls nicht belGriedigen, denn es ist nicht einzusehen, wesshalb das sehschwache Auge, so lange sein centrales Sehen doch entschieden das leistungs- fähigste ist, behu& bessern Erkennens paracentrale Netzhaut- regionen zur Aushülfe heranziehen sollte. Und besitzt das- selbe nicht mehr die prädominirende Empfindhchkeit, wie z. B. bei beginnender Chorio-Betinitis und auch bei höheren

0 V. Graefe's Arch. f. Ophthalm. V. 1. p. 37« •) Boehm, Der Nyst. und seine Heüung. 1857. «) V. Graefe'B Arch. f. Ophthalm. XIU. 2. p. 413. *) Graefe-SämiBch, Handbuch Bd. 6, p. 230. *) Arlt, Knnkh. d. Auges, Bd. 3. p. 335.

128 A. Graefe.

Graden der Ambl yopia strabotica so sieht man, dies müsste den Deductionen Kugeis ^) entgegen gehalten werden das Auge bei Fixationsversuchen allerdings gewisse träge, offenbar suchende Bewegungen ausfuhren, welche indess, vom Willen geleitet, mit den typischen nystagmischen Zuck- ungen nichts gemein haben. Auch die von demselben For- scher*) gemachten Darlegungen, nach welchen conünuir- liche Blendung, mag sie von aussen her gegeben oder durch pathologische Zustände des Auges bedingt sein, zur Ent- Wickelung des Nystagmos führe, sind nicht berufen, über das eigentüche Wesen desselben licht zu verbreiten. So würde ich auch heute über die ätiologischen Beziehungen der in Bede stehenden Nystagmosformen kaum etwas anderes zu sagen vermögen, als vor achtzehn Jahren: „seine Ent- wickelung ist begründet diux^h Behinderung der Netzhaut- functionen zu einer Zeit, in welcher dieselben bei Erziehung und Festigung der normalen fixirenden Stellung der Augen bestimmend und regulirend einzugreifen haben.'' Das stimmt fast vollständig mit dem, was Kugel in seiner ersten Ar- beit (1. c. p. 425) ausspricht: ,4n dem Verhindern des Er- lemens einer genauen Fixation beim Kinde liegt der Grund dieser Form des Nystagmos." Doch sind in diesen Sätzen eben nur die Beobachtungen und Erfalirungen zusammen- gefasst, welche wir bei der Erforschung seiner ätiologischen Beziehungen gemacht haben, eine nähere Begriffsbestimmung, eine Erklärung desselben ist damit nicht gegeben. In der Erkenn tniss dessen haben Andere ') wie auch ich (1. c. p. 229) immer schon geltend gemacht, dass jene congenitale Seh- schwäche allein nicht genüge, um unsre Motilitätsstörung ins Leben zu rufen, sondern dass hierzu auch die Mitwirkung patho- logischer Zustände des motorischen Apparates erforderlich sei. Auch hiölinit war man jedoch kaum weiter gekommen.

») V. Graefe'8 Arch. f. Aphthalm. 1. c. p. 420.

«) ibid. XXXVI. 2. p. 129.

») Rueto, Lehrb. der Ophthalm., Bd. 2. p. 493.

Die neuTOpathiBche Natur des Nystagmos. 129

Nach jener näheren Begriffsbestimmung würde nun länger noch zu suchen nicht nöthig sein, wenn wir uns der von Raehlmann vertretenen Anschauung ohne weiteres anzuschliessen im Stande wären. Wir müssen auf diese nunmehr etwas näher eingehen. Wenn sich letzterer zur Stütze derselben zunächst auf die Aehnüchkeit der nystag- mischen Zuckungen mit dem bei Erkrankung des Nerven- systems, insonderheit der Centren desselben vorkommenden Tremor in andern Muskeln und Muskelgruppen des Kör- pers beruft und aus dieser auf eine gleiche semiotische Bedeutung des Nystagmos zu schliessen geneigt erscheint, so liegt hierin gewiss ein schwer wiegendes Argument, jenem allgemein einen neuropathischen Charakter zuzu- sprechen, nur wird dies nicht ganz in der Weise ge- schehen können, wie es Baehlmann hingestellt hat. Beide Bewegungsstörungen gleichen sich in der That vielfach, ]iicht allein ihrer Form nach, sondern auch in so fem, als sie bezügUch der Heftigkeit und Ausgiebigkeit ihrer Zuck- ungen nicht immer die gleichen sind und hierbei in über- einstimmender Weise eine entschiedene Abhängigkeit von seelischen Vorgängen, Einflüssen der Willensreize, psychi- schen Erregungs- und Depressionszuständen, auch künst- Uch bewirkten, erkennen lassen. Ein Einblick in die von Raehlmann sowie von mir mitgetheilten Krankenbeobach- tungen zeigt, wie verschiedener Natur die Reize, welche solche Reactionen veranlassen, und wie verschieden auch die Lebhaftigkeit und sonstige Beschaffenheit dieser letztem selbst sein können. Wie für den Tremor überhaupt, gilt dies also auch filr den Nystagmos, und zwar für unsre beiden Hauptgruppen desselben in etwa gleicher Weise. Nur auf zwei bemerkenswerthe Unterschiede zwischen diesen letztem möchte ich verweisen. Während nämUch der typische „angebome" Nystagmos mehr in continuo stattfindet, kommt es bei dem erworbenen, und zwar habe ich hierbei zunächst den der Bergleute im Sinne, zu mehr weniger lange dauem-

T. OraefeU Archiv Ar Ophthalmologie. XLI. S. 9

130 A. Gfaefe.

den Ruhepausen, und erst bestimmte Veranlassungen rulen einen neuen AnÜEill hervor. Weiter bedarf es besonderer Erwähnung, dass bei dem ersteren die willkürlichen, }^ysio- logischen Augenbewegungen, die acocxnmodativenConyei^nz- Stellungen, die Seitenwendungen etc. doch ganz correct zu Stande kommen, letztere nach der einen Richtung eventuell vollkommen mühelos, nach der andern wohl unter dem Bilde etwas vermehrter Anstrengung, und werden diese von dem Willen geleiteten Bewegungen und Stellungen eben nur von dem nystagmischen Zittern begleitet Bei dem acqui- rirten Nystagmos ist dies nicht der Fall. Ist derselbe ein- mal im Scene gesetzt, so ist imter seiner Herrschaft die Fähigkeit freier willkürlicher Augenbewegung äusserst be- schränkt imd besonders die einer fijdrenden Einstellung voll- kommen aufgehoben. Wie es sich in dieser Beziehung mit den andern unzweifelhaft neuropathischen, durch lÄsionen und Erkrankungen des Hirns erworbenen Nystagmosfbrmeu verhält, ist mir festzustellen bisher noch nicht möglich ge- wesen.

Nun findet in der That eine sehr ausgesprochene rein neuropathische Begründung, wie oben schon erwähnt wurde, bei einer recht erhebhchen Quote von mit „angeborenem" Nystagmos behafteten Individuen statt, dann nämhch, wenn mit diesem sich pathologische Zustände verbunden zeigen, welche auf eine anomale Entwickelung oder sonstige Schädigung der nervösen Centralorgaue, insbesondere des Gehirns, be- zogen werden müssen. Hier manifestirt sich die Abhängig- keit des Nystagmos von jenen in ganz directer Weise und würde der mit letzterem verbundenen Herabsetzung der Sehschärfe für dessen Entwickelung eine causale Bedeutung nicht zuzuschreiben sein. So ist es beispielsweise bei ano- maler Entwickelung der Kopfknochen, bei Difibrmitäten des Schädels, bei von erster Lebenszeit her datirenden Läh- mungszuständen, bei Idiotismus so wie psychischen Defecten mannichfacher Art, und nur mehr noch dürfte hier die

Die neuropathische Natur des Nystagmos. 131

Annahme gewisser dem Nystagmos zu Grunde liegenden Störungen in den motorischen Centralapparaten gesichert sein, wenn, wie es nicht selten der Fall ist, jenen Ano- malieen auch noch Entwickelungsfehler des Bulbus selbst, wie Mikrophthalmia, Colobombildungen etc. zugesellt sind. Sämmtliche hierher gehörigen Fälle unterstehen selbstredend der Raehlmann'schen Begrifisbestimmung, der Sehdefect und der Nystagmos sind hier coordinirte Symptome, und letzterer wie ersterer durch ein gemeinsames neuropathisches Moment begründet Auch ist dieses vielleicht (!) der Fall mit jenen Nystagmosformen, bei welchen die zuckenden Be- wegungen von gleichen tremorartigen Schwankungen des Kopfes begleitet erscheinen. Man ist, wie ich glaube mit Becht, mehr und mehr von der früher herrschenden An- sicht zurückgekonmien, dass beide Bewegungen immer in entgegengesetzter Bichtung stattfänden, und dass die Kopf- drehungen erst in Folge des Nystagmos compensatorisch eingeleitet würden, um die Bilder der fixirten Objecte auf der macularen Region festzuhalten. Ein Beweis hierfür hat sich indess nicht fuhren lassen und Raehlmann ist viel- mehr geneigt, jene wackelnden Mitbewegungen des Kopfes im Sinne des von ihm vertretenen Standpunktes, auch wenn weitere Manifestationen einer centralen Läsion vollkommen fehlen und nie da gewesen sind, als Symptom einer solchen zu betrachten. So vindicirt er allen mit jener einher- gehenden Nystagmen, gleichviel welcher Art die hier vorhan- denen Sehhindemisse sind, schon darum einen neuropa- thischen Ursprung. Weit schwieriger aber wären nun jene doch sehr zahlreichen Nystagmen in gleicher Weise zu deuten, bei welchen nur ein die Sehschärfe beeinträchtigen- des Residuum einer Erkrankung oder eine sonstige Ano- malie des Bulbus mit gleicher Wirkung vorhanden ist und bestimmtere Anhaltspunkte für die Annahme eines noch bestehenden oder früheren centralen Leidens weder bei der eingehendsten Untersuchung des Status präsens noch durch

9*

132 A. Graefe.

sorgfältige anamnestische Erörterungeu sich feststellen lassen. So müssen sehr fraglich schon jene Fälle erscheinen, bei denen der Nystagmos wälirend sonstigen Normalbefindens mit congenitalen Linsentrübungen, eben solcher fehlerhafter Pigmententwickelung, mit hochgradigen auf Form* und Grösseanomalieen des Bulbus zu beziehenden Refiractions- störungen verbunden ist Diese Erkrankungsarten könnten zwar, als Producte anomaler Bildungsvorgänge, zu der Ver- muthung fuhren, dass solch letztere auch anderweitig noch bei den betreffenden Individuen im Spiele gewesen sind, dass hierbei indess immer nur der den Augenbewegungen dienende Centralapparat betheiligt gewesen sein sollte, muss doch im höchsten Grade problematisch bleiben. Einer besondem Erwähnung werth ist an dieser Stelle auch das so häufige Nebeneinanderbestehen von Albinismus und Nystagmos. Bei vollkommenem Pigmentmangel ist derselbe wohl immer vorhanden. Dass nun Albinismus bei neuropathisch veranlagten oder belasteten Menschen auf- fälUg häufig vorkommt, so dass man Grund hätte, das ner- vöse Leiden und jenen Pigmentmangel etwa als Ausgänge anomaler Bildungsvorgänge mit einander in Beziehung zu bringen, ist durch Beobachtung und Erfahrung durchaus nichi bestätigt, und sind wir daher auch keineswegs be- rechtigt, aus einem bei sonstigem körperhchen Normalver- halten bestehenden Albinismus auf das gleichzeitige Vor- handensein einer Himläsion zu schliessen, welche ihrerseits zur Entwickelung des Nystagmos gefuhrt hätte. Arcoleo') erwähnt in seinen Mittheilungen über die Aetiologie des Albinismus auch keine derartigen Beziehungen, nur der Consanguinität schreibt er einige Beeinflussung zu, da er bei 60 auf 24 FamiUen vertheilten Albinos 5 mal Bluts- verwandtschaft der Eltern constatirte. Aus seiner Be- merkung, dass die Albinos ihren Mitmenschen an InteUi-

M Referat in Nagels Jahresbericht Bd. II, p. 167.

Die neuropathische Natur des Nystagmos. 133

genz nicht nachstehen, dürfte man viebnehr entnehmen, dass auch er nicht angenommen hat, dass der Albinismus noth- wendig mit angebomen Läsionen des Grehims verbunden sein müsse. Am wenigsten würden jene Arten des Nystag- mos als durch neuropathische Erkrankung bedingte gelten können, welche, wie ich dies selbst mehrfach beobachtet habe, unter dem Einfluss von nach Blennorrhoea neonatorum zurückgebliebenen Homhautnarben zur Entwickelung ge- langen, denn es ist hier das der Beeinträchtigung des Sehens zu Grunde hegende Leiden sicher doch nicht neuropathi- schen Ursprungs.

Der Raehlmann'schen Arbeit gebührt jedenfalls das Verdienst, wieder einmal das Unhaltbare und das Unzu- reichende der zur Erklärung des „congenitalen" Nystagmos constroirten Theorieen dargethan und zu einer correcteren Sichtung der verschiedenen Arten dieser Störung angeregt zu haben. Dass AnomaUeen und Läsionen im Nerven- systeme, insbesondere im Grehirn, auch bei jenem vielfach das causale Moment nicht allein für den Nystagmos selbst, sondern auch für die begleitende Schwachsichtigkeit sind, ist unbestritten, nur dürfte der Autor, wie ich in den vor- stehenden Darlegungen nachgewiesen zu haben glaube, zu weit gehen, wenn er alle Nystagmen aus solchen prä- oder coexistirenden neuropathischen Erkrankungen entstehen lässt und als Symptome derselben betrachtet Da indess der eigenartige Typus der nystagmischen Bewegungen und das gesammte sonstige Verhalten derselben (p. 129) doch ge- bieterisch dazu auffordert, die Mitwirkung eines neuropa- thischen Moments anzunehmen und nach einem solchen zu suchen, so gestatte ich mir, mit aller Reserve freihch, in nachstehender Darlegung den Versuch zu machen, jene scheinbaren Widersprüche auszugleichen.

Von der der Lichtempfindung dienenden Sphäre des Grosshims, welche zufolge des am Bulbus bestehenden Seh- hindemisses nur minderwerthige Eeize empfängt, werden

134 ^' (^ae£e.

diese den die Bewegung der Augen regulirenden Centren zugetragen/ und eben solche, den Bedürfiiissen nicht recht entsprechenden, sagen wir subnonnalen Erregungen, fuhren in diesen zu Veränderungen näher nicht definirbar^ Natur, deren fimctioneller Ausdruck die d^n Willen entzogenen, tremorartigen Bewegungen sind. Gerade die firüheste Lebens- periode dürfte vorzugsweise oder allein geeignet sdn, der- artige Vorgänge zu begünstigen. So würde also hier doch das mangelhafte Sehen den ersten Impuls zu jener Anomalisirung d«r motorischen Centren geben, welche, wenn sie zufolge continuirlicher Einwirkung jenes Faktors eine bleibende wird, den typischen Ny^gmos be- dingt. In solchem Sinne dürfen wir denselben dann auch als neuropathischen bezeichnen. Während jedoch Baehlmannin einer schon vorhandenen neu- ropathischen Läsion auch hier das wirkende patho- genetische Princip erblickt, möchte ich vielmehr in der zum Nystagmos führenden Anomali« der mo- torischen Centren einen in vorgedachter Weise erst entwickelten Folgeeustand vermuthen.

Es wäre hiermit auch, was mir sehr von Belang er- scheint, ^n allerdings nur zum Theil gemeinsames äüok)- gisches Fundament für unseni congenital«! resp. ^optischen'^ Nystagmos und den acquirirten der Bergleute gegeben, denn bei der Entwickelung des letzteren spielen bekannt- lich ebenfalls Anstrengung beim Sehen durch Licht- mangel, resp. Undeutlichkeit der Netahautbilder eine sehr wesentlidie Bolle, nur sind jene in letzterem Falle durch äussere Umstände^ in ersterem durch die dem Auge selbst anhaftenden Anomalieen gegeben. Da überdies bei beiden, wenn wir uns an die reinen, lypischen Fälle halten, sonstige cerebrale Symptome fehlen, so sind wir audi be- reclitigt, die bei ihnen der Motilitätsstörung zu Grunde liegenden, unserer nähern Kenntniss noch nicht ersdilosse- nen Veränderungen als acquirirte, streng auf die be-

Die neuropathische Natur des Nystagmos. 135

züglichen motorischen Centren beschränkte anzn- nehmen, wohl ein Grand mehr, nm ihre Entstehung so zu deuten, wie ich es versucht habe.

Noch möchte ich gelegentlich in Kürze einiger bei den Nystagmoskranken zp beobachtenden EigenthümUchkeiten im Vorgänge des Sehens gedenken. Während bekanntUch bei den angebomen Formen Schednbewegungen der Gesichts- objecte in der Begel nicht vorhanden sind und nur ganz ausnahmsweise unter besonderen Bedingungen sich zeigen, fehlen dieselben beim acquirirten Nystagmos nie, und ge- lingt ihr Nachweis auch immer, wenn nicht etwa tiefere sensorielle Störungen die Angabe verhindern. Unter physio- logischen Verhältnissen muss immer jede Stellungsveränderung des Bulbus, welche nicht das Product willkürlicher Muskel- action ist, eine Scheinbewegung zur Folge haben. Verschiebt man beispielsweise das einen bestimmten Punkt fixirende Auge mechanisch mit dem Finger nach oben, so scheint der- selbe nach imten zu wandern. "Wenn unter normalen Ver- hältnissen das Auge zunächst einen gradaus gelegenen ruhen- den Punkt a und hierauf einen darüber gelegenen fixirt, so vermittelt die hierzu eorforderliche Dr^ung, resp. die die- selbe ausfuhrende, von dem Willen geleitete Muskelcon- traction, ein richtiges Urtheü über die Ruhestellung dieser beiden Punkte. Würde indess diese Drehung plötzlich als eine der Willensintention entzogene sich automatisch voll- ziehen, so müsste die falsche Vorstellung entstehen, dass d^ Punkt a sich in entgegengesetzter Richtung, also nach unten, bewegt habe. Hierauf beruht bekanntlich eben jene Form des Gesichtsschwindels, welche bei dem acquirirten Nystagmos der Bergleute die empfindlichste Functk)n66tö- rung bildet. Nun sind die Augenbewegungen iieim .„con- genitalen** Nystagmos doch auch, gerade wie dort, unwill- kürliche, dennoch fehlen hier die Scheinbewegungen, und ruhende Objecte werden auch als solche wahrgenommeu ! Auch bei Prüfung der Verhältnisse des binocularen Sehens

136 A. Graefe.

mittelst der Versuche mit Prismen und dem Stereoskope bekunden die Augenmuskeln hier, trotz des nystagmisehen Tremors, eine intakte Thätigkeit, und findet die Ver- schmelzung beider Einzelbilder zu einem Sanmielbilde ganz nach den physiologischen Normen statt So wird durch- schnittlich dieser Nystagmos als solcher störend auch nicht empfunden, sondern nur die ihn begleitende Schwachsich- tigkeit.

Bei meinen diesbezüglidien Versuchen kam ich gelegent- lich darauf, Nystagmoskranke dieser Gruppe, und zwar wälilte ich zu denselben solche mit relativ guter Sehschärfe und sehr lebhaften Bewegungen, zu eigener Beobachtung des Verhaltens der Spiegelbilder ihrer Augen zu veranlassen. Die nystagmisclien Bewegungen werden hierbei von ihnen nicht walirgenommen und jene präsentiren sich vielmehr in voller Ruhestellung. Doch sind wir überhaupt, auch unter normalen Verhältnissen, nicht im Stande, die Bewegungen unserer Augen im Spiegel zu sehen. Es war mir dies lange ebenso wenig be- kannt, als den von mir darum interpellirten Collegen. In reclit verblüffender Weise zeigt sich dies Verhalten bei folgender Anord- nung des Versuchs. Kxirt man in einem et\^'a 25 cm vor die Gesichtsfiäche gehaltenen Spiegel binocnlar abwediselnd das Spiegelbild seines linken und dann des rechten Auges, so werd^ die zu diesem Wechsel erforderlichen doch sehr excm-siven Be- wegungen von dem Beobachter selbst nicht walirgenommen, son- dern es erscheint in dem einen Moment das linke, in dem fol- genden das reclite Spiegelbild, als das je central fixirte, deut- lich. Wir empfinden hierbei allerdings die sich vollziehende Bewegung, ganz wie dies auch bei geschlossenen Augen der Fall ist, vnr sdiliessen auch auf eine solche, da nach ausge- führter Bewegung das vorher central fixirte deutliche Bild als ein excentrisdi undeutliches erscheint, zu sehen aber vermögen wir jene nicht Das Verständniss dieses Phänomens ist sehr leicht, wenn man den Versuch in der Weise vereinfacht, dass man ihn zunächst mit nur einem Auge zur AusfQlirung bringt. Wenn das Imke Auge L un Spiegel S sein Bild JJ fixirt und sidi darauf dem Spiegelbilde R' des verdeckten rechten Auges E zuwendet, so sind die durch die Winkel 0=0^ gemessenen Drehungen des Auges und seines Spiegelbildes der Richtung und Geschwindigkeit nach mathematisch die gleichen. Eben darum vermag das beobaditende

Die neuropathische Natur des Nystaginos.

137

Auge nicht die Bewegung seines Spiegelbildes zu sehen, ebenso wenig, wie etwa ein auf einer von zwei in gleicher Richtung und mit gleicher Geschwindigkeit didit neben einander hinlaufen- den Locomotiven postirter Beobachter die Bewegung der andern wahrzunehmen im Stande sein würde, wenn er sein (behufs Ab- sperrung anderer Gesichtseindrücke event mit einer stenopäischen

Fig. 1.

Brille versehenes) Auge auf jene gerichtet hält Oefihen wir bd unserem Versuche nun auch das rechte Auge, so gilt ganz die gleiche Betrachtungsweise auch für dieses. Nur bei den sehr selten vorkommenden f^en von einseitigem Nystagmos wird man, natürlich nur bei Oeffiiung beider Augen, die Bewegungen des leidenden Auges im Spiegel walimehmen können.

Wie ist es nun zu erklären, dass die Gesichtsfelder jener Nystagmoskranken trotz der beständigen unwillkür- lichen Augenbewegungen doch als ruhende gesehen werden? Die Hauptschwierigkeit, welche sich der Beantwortung dieser Frage entgegenstellt, dürfte wohl darin begründet sein, dass in jener allerfiiüiesten Lebensperiode, in welcher unser „optischer** Nystagmos zur Entwicklung gelangt, functionelle Prüfiingen der Augen, so wie sie hier nöthig wären, ganz unmöglich sind und wir deshalb namentlich auch nichts

138 ^' Oraefe. Die neuropathische Katar des Nystagmos.

darüber wissen, in welcher Weise und wie weit zu jener Zeit überhaupt, auch im Normalzustande, die emp&ngenen Gresichtseindrücke bestimmend und reguBrend auf die Thätig- keit der Muskeln wirken oder bereits gewirkt haben. Schwer- lich werden wir in der Annahme irren, dass die Fähigkeit unserer Kranken, bei Verwerthung der Sinneseindrücke jene automatischen Bewegungen, so zu sagen, ganz zu ignoriren, oder besser noch, ihre Unfähigkeit, die sonst durch jene bedingten Störungen zu empfinden, ein Product und ein Triumph empiristischer Erziehung der Sinnesthätigkeit ist Etwas Analogem begegnen wir auf ophthalmologischem Ge- biete übrigens, bei dem typischen muskulären Schielen. Wenn hier, auch bei guter und gleicher Sehschärfe beider Augen, nur einfach gesehen und das Bild des abgelenkten Auges völlig „unterdrückt" wüd („regionäre Exclusion"), so beruht dies im Grunde ganz auf demselben Principe.

Zur Sehleistimg der Myopen.

Von

Dr. Hermann Triepel, Assistenten am anatomischen Institut in Giessen.

Mit 1 Figur im Text.

Die folgenden Zeilen sollen eine kurze Ergänzung bilden zu meinem in diesem Archiv veröfifenüichten Auf- satze „Ueber Sehleistung bei Myopie" *). Zu ihrer Nieder- schrift veranlasste mich u. a. auch eine Abhandlung Salz- mann's, die gleichzeitig mit meiner Arbeit erschien, und die mehr&ch Berührungspunkte mit meinen Ausführungen hat, aber in der Aufiassung einiger Erscheinungen von ihnen abweicht").

Zunächst möchte ich die von mir abgeleiteten For- meln (1. c, p. 91) für den Radius der Zerstreuungskreise und den Abstand ihres Mittelpunktes von der optischen Axe

Pl 8r 8s

Q =

62,882 + Zs

, t_ 62,882 4- er

^ ~ 2 313 735" 62,882 + 0.

<) T. QrMfe's Arch. f. OpMhahn. XL. 5. p. 50 £

*) Salz mann, Das Sehen in Zerstreuungskreisen, II. Theil, in

V. Graefe^s Arch. f. Ophthalm. XL. 5. p. 102 ff. Den ersten Tiieil

dieser Ablumdlung, der in XXXIX. 2. dieses Archivs erschienen ist,

hatte ich bereits in meiner früheren Mittheilung mehrfach zu citiren

140 H. Triepel.

noch nach einer bestimmten Bichtung hin discutiren. In den genannten Fonneln bedeutete pi den Durchmesser des Linsenbildes der Pupille, Zr die Brechkraft des vollkommen, Zg die eines unvollkommen corrigirenden Concavglases, in Meterlinsen ausgedrückt, und t die Entfernung, in der die Details eines Snellen'schen Probebuchstaben imter einem Winkel von einer Minute erscheinen; e bezog sich auf den Fall, dass das xmtersuchte myopische Auge gerade im Stande war, zwei benachbarte Zerstreuungskreise ge- sondert wahrzunehmen.

Eine allgemeinere Form erhalten diese Formeln, wenn man die Entfernung, in der sich die vorgehaltenen Objecte vom vorderen Brennpunkte des Auges befinden, und, was für viele Fälle zweckmässig ist, die Grösse der Objecte, die eben noch erkannt werden (ß^=2t.tg 30"), einführt Wenn man mit m die Objectsentfemung, in Metern ausgedrückt, bezeichnet, so ergiebt sich bei Berücksichtigung der früher (1. c, p. 89 ff.) gegebenen Ableitung:

^ 62,682+ ■*^- + ;Er, ^^'

m

-»1

62,682+ J^ + */

•»■''^'"1 62,682+1 + .,

(B)

Die Zahlen in diesen beiden Formeln sind jetzt nur noch von den Zahlenwerthen des älteren Helmholtz'schen

Gelegenheit. Im Folgenden will ich die beiden Arbeiten Salz- mann's der Kürze halber ohne nähere Bezeichnung unter I und n anführen.

Zur Sehleistung der Myopen. 141

schematischen Auges abhängig. Uebrigens gelten die For- meln nicht allein für das myopische, sondern auch für das hypermetropische Auge, wovon man sich leicht überzeugen kann, wenn man sich die verschiedenen Lagebeziehungen, die zwischen den Bildern ß^ und ß^ und den Brennpunkten des Auges bestehen können, und die daraus hervorgehen- den Aenderungen einiger Vorzeichen in der gegebenen Ab- leitung vergegenwärtigt. Die Formeln gelten aber nicht nur für jede beUebige Lage des Fempunktes, sondern auch für jede beliebige Lage der Probeobjecte, sowie für eine jede Grösse der Brechkraft des unvollkommen corrigirenden Glases. Dabei ist zu beachten, dass immer das von dem vorgehaltenen Glase entworfene Bild, auch wenn es hinter dem Auge liegt, als das qigenthch vom Auge betrachtete Object (ßf) anzusehen ist Bedeutet 0r oder iSg die Brech- kraft einer Convexlinse, so wird nichts geändert als das respective Vorzeichen, dieses wird negativ. Um zu ver- meiden, dass Q gelegentlich negativ wird, kann man den einen Factor seines Zählers, wie er sich auch bei der Ab- leitung zunächst darstellt, als die positive algebraische Summe der Brechkräfl^e des vollkommen und unvollkommen corrigirenden Glases bezeichnen. Unter jer,. ist immer die Brechkraft derjenigen Linse zu verstehen, die von einem in der Entfernung der Probeobjecte befindlichen Licht- punkte ein Bild im Fempunkte entwirft; bei der „unvoll- kommenen Correction'^ braucht es sich gar nicht um eine Verbesserung der Ametropie zu handeln, und umgekehrt kann die Ametropie durch das zweite Glas sogar über- corrigirt werden.

Von alledem soll aber im Folgenden abgesehen werden, ich beschränke mich auf die Sehleistung des Myopen beim Sehen von Objecten, die jenseits seines Fempunktes liegen.

Man kann den Radius des in einem myopischen Auge entstehenden Zerstreuungskreises bei gleichbleibender Pu- pillenweite nur dadurch vergrössera, dass man die unvoll-

142 H. Triepel.

kommen corrigirende linse von immer geringerer Brech- kraft wählt oder dass man die Entfernung m immer mehr vergrössert Den bedeutendsten Effect wird man s(»mt er- zielen, wenn man j?« = 0 und m = oo werden läset Nator- Hch wird der Zerstreuungskreis noch grösser, wenn man dem Auge Convexgläser vorsetzt; dieser Fall soll aber hier unerörtert bleiben. Wenn jer, =0 und = oo ist, dann lautet Formel (A)

Pi er

P =

2 62,682 '

Dieser Ausdruck gilt für unendliche Entfernung des Objectes, indessen wird schon bei einem Abstände von

einigen hundert Metern - so Wein werden und ausserdem

Zy sich so wenig mehr verändern, dass die Grösse von q sich nicht merklich von ihm unterscheidet. Die Formel führt uns demnach zu der interessanten Thatsache, dass für jedes mibewafinete myopische Auge bei einer gegebenen Pupillengrösse ein Maximum des Zerstreuungskreises existirt, das schon bei verhältnissmässig geringer Entfer^ nung des Objectes erreicht wird.

Es ist selbstverständlich, dass, wenn q keine merklicbe Veränderung ihehr erfährt, auch e sich nicht mehr merk- heb ändert, und dass in Folge dessen auch die von mir früher (1. c, p. 89) als R^ Rr bezeichnete Grosse .jetzt ab gleichbleibend angesehen werden kann. Das heisst nichts anderes, als dass von einer gewissen Entfernung an der kleinste Distinctionswinkel des myopischen Auges constast bleibt Ich habe auf empirischem Wege gefunden, dass bei geringen Abständen mit der Entfernung des Objectes der kleinste Distinctionswinkel zunimmt (1. c, p. 56), und bin theoretisch zu dem Schlüsse gelangt, dass die Grösse verschieden weit entfernter Objecte, wenn sie eben erkannt werden sollen, erhebUchere Veränderungen erfährt, als die

Zur Sehleistung der Myopen. 143

OlqeotBentfenntng (p. 98). Dieser Satz gilt auch, wie sich leicht übersehen lässt, für Entfernungen, die grösser sind ak die, in der ich meine Untersuchungen vornahm. Gtenau genommen nimmt demnach auch in grösseren Entfernungen der kleinste Distinctionswinkel des myopischen Auges noch zu, aber diese Zimahme ist schon sehr bald verschwin- dend klein.

Diese Thatsache bildet für den Myopen sicher einen nicht zu unterschätzenden Vortheil. Es darf indessen nicht übersehen werden, dass das Gesagte nur dann Geltung be- halt, wenn die zwischen einem Objecte und dem Grunde, von dem es sich abhebt, bestehende HeUigkeitsdifferenz bei allen Objecten gleich ist Denn Aenderungen dieser HeUig- keitsdifferenz bedingen, wie Salzmann betont (1. c. I. p. 109) eine Aenderung des Verhältnisses p:e und damit eine Aenderung der Sehleistung.

Besonderer Erwälmung bedarf es hier kaum, dass die beschriebene Erscheintmg sich nicht nur auf das Sehen zusammengesetzter Objecte bezieht, weil auch beim Sehen weit entfernter mathematischer Lichtpunkte oder leuchtender Linien der Zerstreuungskreis und somit auch die Grösse e verhältnissmässig zeitig ein Maximum erreicht. Es erübrigt nur zu untersuchen, welchen Werth im vorhegenden Falle das Yerhältniss Q\e überhaupt annehmen kann. Beim Sehen zusammengesetzter Objecte ist in Folge der Hellig- keitsunterschiede ün Zerstreuungsbild auch dieser Punkt ist von Salzmann gebührend gewürdigt worden (1. c. I, p. 109) die MögUchkeit gegeben, dass p grösser wird als e, d. h. dass Zerstreuungskreise, die unterschieden werden, sich theilweise decken können *). Bei einzelnen Zer- sireuungskreisen fehlen entsprechende Helligkeitsunterschiede,

^) Ich muss hier die von mir Mher geäusserte Ansicht (1. c, p. 98), dass es vielleicht ganz grosse Zerstreuungskreise gebe, bei denen (^ kleiner werde als e, dahin berichtigen, dass dieser Fall bei zusammengesetzten Objecten wohl höchstens dann eintreten kann,

144 H. Triepel.

und man sollte erwarten, dass die von punktförmigen oder nebeneinander angeordneten strichförmigen Objecten her- rührenden Zerstreuungskreise, wie gross oder wie klein auch die Objectsentfemung ist, sich nicht decken dürfen, wenn sie gesonderte Eindrücke hervorrufen sollen. Dass aber zu- nächst bei punktförmigen Objecten diese Ansicht nicht richtig ist, lässt sich leicht zeigen. Man wähle als Object eine Anzahl neben einander hegender Sterne (genügende eigene Helligkeit!) oder feine Löcher in einem gegen das Licht gehaltenen Papier, die Flammen von Strassenlatemen u. a. m. Das, was wir an Stelle der einzelnen Lichtpunkte zu sehen vermeinen, ist eine treue Wiedergabe des auf unserer Netzhaut erzeugten Bildes, denn wir pflegen in den Sinnesorganen entstehende Eindrücke nach aussen zu pro- jiciren. Wir sehen so unmittelbar, wie weit sich die von verschiedenen Lichtpunkten herstammenden Zerstreuungs- kreise decken, und selbst wenn das in hohem Maasse der Fall ist, so können wir doch die Anzahl der vorhandenen Lichtpunkte angeben, einfiach deswegen, weil wir aus Er- fahrung wissen, dass eine bestimmte Form des Zerstreu- ungsbildes von einer bestimmten Anordnung leuchtender Punkte herrührt Ja, unter Umständen sieht man in einem solchen Bilde ganz genau die Begrenzung der einzelnen Zerstreuungskreise, und man erkennt, dass diese Erschei- nung vom unregelmässigen Astigmatismus der Linse und der durch ihn bedingten ungleichmässigen Vertheilung der Helligkeit im einzelnen Zerstreuungskreis abhängig ist

Hingegen glaubte ich in der That erwarten zu dürfen, dass neben einander liegende strichförmige Objecto nur dann unterschieden würden, wenn ihre Zerstreuungsbilder vollkommen getrennt wären, und zwar müsste sein 2 (e q) gleich einer Seheinheit Dies suchte ich zu prüfen, indem

wenn die zwischen Object und Grund bestehende Helligkeitsdifferenz äusserst gering ist.

Zar Sehleistung der Myopen. 145

ich lange und sehr schmale Ausschnitte in einem yor einer leuchtenden Fläche hängenden Schirm als Object benutzte. Indessen £and ich auch hier regelmässig (>>-e, wenn auch das Yerhältniss (> : e oft wenig grösser als 1 war. Als Beispiel nenne ich zwei an meinem linken Auge (M= 6,25 D) gefundene Zahlen q = 0,1246, e = 0,1031. Dieser Miss- erfolg hängt wahrscheinUch ebenfalls mit der ungleich- massigen Yertheilung der HeUigkeit im einzelnen Zerstreu- ungskreise zusammen, vielleicht auch mit gewissen Beug- ungserscheinungen des Lichtes und endUch damit, dass ich wohl stets den Pupillenhalbmesser etwas zu gross ange- nommen habe (s. u. p. 148.) Am eigenen Auge wurde die Messung des Pupillenhalbmessers in ganz ähnKcher Weise vorgenommen, wie ich sie am fremden Auge geübt habe (1. c. p. 92.) Die Zirkelspitzen wurden auf einer spiegeln- den Fläche bewegt, und da das Spiegelbild genau ebenso weit hinter der spiegelnden Fläche hegt wie das Object vor ihr, und da die YisirUnien sich im Mittelpunkte des von der Cornea entworfenen Pupillenbildes schneiden, findet man durch die Messung den Halbmesser des Homhautbil- des der Pupille. Die möglichen Fehler sind hier fi:^ihch imgef ähr doppelt so gross wie bei den früheren Messungen. Beiläufig sei bemerkt, dass man an dem beschriebenen Schirm, ehe eine genaue Zählung der Ausschnitte möglich ist, sehr schön das Bezold'sche Phänomen^) wahrnimmt, sowohl bei Anwendung zu schwacher Concavgläser als bei Annäherung. Wie ich in meiner ersten Mittheilung ausführte (L c. p. 80), lässt das Yerhältniss zwischen Radius des Zerstreu- ungskreises und Abstand seines Mittelpunktes von der opti- schen Achse auf die Grösse der Sehschärfe und der beim Sehen in Zerstreuungskreisen aufgewandten psychischen

*) W. V. Bezold, lieber ZerBtreuungsbilder auf der Netzhaut, in T. Graefe's Arch. f. Opkthalm. XIY. 2, p. 1 ff. Auf die inter- essante Arbeit wurde ich durch ein Gitat Salzmann's aufmerksam gemacht.

T. Gnefe's AxchiT Ar Ophthalmologie. XLI. 8. 10

146 H. Triepel.

Leistung schliessen. Es wurde auch schon darauf hinge- ¥äeseny dass sich dieses Yerhältniss mit dem Salzmann- schen üebungscoefficienten deckt Es müssten hiemach Curven, die sich nach meinen Berechnungen (p. 94 96) entwerfen lassen, im Grossen und Ganzen mit den von Salzmann gegebenen Uebungscoefficientencurven (1, c U, p. 129 flf.) decken. Ich ¥dll zunächst angeben, welche Werthe

nach einander der Quotient in drei von den vier Fallen,

für die ich q und e berechnet habe, annimmt; die Beihe 3) will ich übergehen, weil sie wegen der grossen Zahlen, die sich in ihr für das Yerhältniss q : e ergaben, angreifbar

erscheinen könnte. Der Bruch soll hier als Uebungs-

6

quotient (u) bezeichnet werden, da er nicht als Coefficient in Rechnung gezogen wird. Ich beginne mit den kleinsten Zerstreuungskreisen.

1) M. E., lin

ks.

9

e

u

0,0084

0,0036

2M')

0,0345

0,0044

7,86

0,0526

0,0074

7,15

0,0623

0,0111

5,62

0,1099

0,0226

4,87

2) W. V. H.,

links

.

P

e

u

0,0089

0,0031

2,86

0,0183

0,0036

5,05

0,0284

0,0055

5,19

0,0590

0,0074

8,01

0,1026

0,0112

9,13

0,1608

0,0229

7,03

*) Für die Berechnung von u wurden die Mher für die Werthe von p und 0 gefundenen Logarithmen benutzt; wird die Rechnung mit den hier angegebenen, bereits gekürzten Zahlen für q und e aus- geführt, so ändert sich das Resultat höchstens um kleine Bruchtheile, die für die unten zu gebende graphische Darstellung bedeutungs- los sind.

Zur Sehleistung der Myopen. 147

Im T., rechts.

e

e

tt

0,0582 0,0730 0,0880 0,1031 0,1959

0,0037 0,0055 0,0074 0,0111 0,0227

15,9 13,3 11,9 9,29 8,62

Schliesslich wäre zu bemerken, dass jedesmal für (f = 0 auch = 0 werden muss. Jede Uebungsquotientencurve muss demnach im Anfangspunkt des Coordinatensystems beginnen.

Stellt man die Veränderung im Werthe von u im Ver- hältnis zurAenderung des Zerstreuungskreisradius graphisch dar, indem man q auf der Abscissen-, u auf der Ordinaten- achse eines rechtwinkligen Coordinatensystems abträgt, so erhält man folgende Uebungsquotientencurven*):

Die Aehnhchkeit dieser Curven mit den Salzmann*- schen Uebungscoeffidentencurven ist nicht zu verkennen; nur fällt es auf, dass sie sich zum Theil zu grösserer Höhe erheben, d. h. dass der Uebungsquotient verhältnissmässig grosse Werthe erreicht Man braucht zunächst gar nicht die

') Eb soll einem Radius von 0,002 1 mm der Abscissenaxe, einem Uebungsquotienten von 0,5 1 mm der Ordinatenaxe entspredien.

10*

148 H. Triepel.

mögliche Verschiedenheit der psychischen Thäügkeit herbei- zuziehen, um das abweichende Verhalten erklärhcher zu machen. Dieses wird nämlich wenigstens zum Theil auf den Gebrauch Sn eilen 'scher Probebuchstaben zurückzufuhren sein, der nach der Beobachtung Salzmann 's (1. c. II, p. 156) die Sehleistung besser und die Uebungsquotienten grösser erscheinen lässt Zum geringen Theil wird es auch jedenfalls mit der von mir befolgten Methode der Pupillen- messung in Zusammenhang zu bringen sein. Denn alle auf objective Beobachtung sich gründende Pupillenmessungen ergeben zu grosse Werthe, bei ihnen allen wird der das Sehloch unmittelbar imirahmende, zur Pigmentschicht der Iris gehörende, schwarze Saum mit der Pupille zusammen- gemessen. Wird nun der Pupillenhalbmesser zu gross an- genommen, so wird auch der für den Radius des Zerstreu- ungskreises und den Uebungsquotienten berechnete Werth zu gross ausfallen ^). Andererseits ist indessen zu bemerken, dass die erwähnten Differenzen nur bei den grösseren Zer- streuungskreisen vorhanden sind, bei den kleinsten dagegen fehlen. Hieraus kann man schliessen, dass bei verschie- denen Personen Sehschärfen und psychische Leistung sich beim Sehen in kleinen Zerstreuungskreisen weniger unter- scheiden als beim Sehen in grossen.

Eine grössere B.egelmässigkeit würde man in derar- tigen Uebungsquotientencurven erzielen, wenn man nicht der Sclave von Probeobjecten wäre, die sowohl in der Grösse ungenügend abgestuft sind, als auch wegen der Ungleichheit der Formen bei der Prüfung der Sehleistung keine hinreichende Sicherheit bieten. Zum Teil aber wer- den sich die Unregelmässigkeiten der Curven nicht aus-

') Solche Fehler sind zu vermeiden durch die Anwendung steno- pftischer Lücken (Salzmann, IL). Indessen ist es, wie ich selbst erfifthren habe, wenigstens bei der Untersuchung anderer, sehr schwer, die Lücke genau zu centriren.

Zur Sehleistang der Myopen. 149

gleichen lassen, soweit sie nämlich auf die periodischen Helligkeitsschwankungen zurückgeführt werden müssen, die bei Aenderung der Objectsentfemung auftreten^); und des- halb halte ich die Aufstellung von ,,idealen üebungscoefB- dentenciuTen" wie sie Salzmann angiebt (1. c. n,p. 129ff.) nur unter gewissen Einschränkungen für statthaft

Eine jede Ordinate der Uebungsquotientencurven ist nun zu vergleichen dem Producte aus der Summe aller Seh- schärfen, die an den Orten der Betina, auf die der Zer- streuungskreis fällt, vorhanden sind, und aus der Grösse der psychischen Leistung, die bei der Unterscheidung von Zerstreuungskreisen von dem gegebenen Badius aufge- wandt wird. Wie viel aber von jeder Ordinate auf Seh- schärfe und wie viel auf die psychische Leistung kommt, vermögen wir nicht zu sagen. Wenn wir auch wissen, dass in den untersuchten Fällen die centrale Sehschärfe = 1 war, so wissen wir doch nicht, ob die excentrische, d. h. die peri- pher vom Mittelpunkt der Fovea centralis vorhandene Seh- schärfe bei allen untersuchten Augen in gleicher Weise ab- nimmt, ja das ist sogar höchst unwahrscheinlich. Deshalb können für eine vergleichende Messung der psychischen Leistung nur jene Werte von e oder u verwandt werden, die bei ganz kleinen Zerstreuungskreisen gefunden wur- den. Ausschliesslich kleine Zerstreuungskreise bei der Prüfung der psychischen Leistung zu berücksichtigen, er- scheint auch deswegen geboten, weil so die Möglichkeit ausgeschlossen wird, dass die optischen Fehler des Auges das undeutliche Sehen in anderer Weise beeinflussen als das deutliche Sehen, dessen Schärfe in Rücksicht gezogen wird. Vielleicht wird es uns noch mögUch werden, durch Verfeinerung der einen oder anderen Methode, durch Unter- suchung mit einfarbigem Licht u, a. m., genügend kleine Zerstreuungskreise zu erzeugen.

*) W. v. Bezold, 1. c.

150 H. Triepel.

Die psychische Leistung beim Sehen in Zerstreuungs- kreisen, deren Wesen ich schon kurz zu kennzeichnen ver- suchte, ist, wie ich fiüher sagte (1. c. p. 101), bei konstantem Durchmesser kleiner Zerstreuungskreise, normale centrale Sehschärfe vorausgesetzt, dem Abstände ihres Mittelpunktes von der optischen Axe umgekehrt proportional; man kann aber auch als Maass der psychischen Leistung unter den- selben Bedingungen unmittelbar die Grösse des Uebungs- quotienten hinstellen oder besser die Tangente des Winkels zwischen erstem Abschnitte der üebungsquotientencurve

und Abscissenaxe {-* = —). \Q e/

Wenn man geneigt sein sollte, dem Anfange der oben gezeichneten Curven trotz der fehlenden Zwischenglieder zwischen dem Anfangspunkte des Coordinatensystems und dem zuerst gefundenen Werte von u Glauben zu schenken, so würde man finden, dass unter den drei Personen, deren Sehleistung geprüft wurde, einem jungen Studenten die grösste psychische Leistung beim Sehen in Zerstreuungs- kreisen zuzuschreiben ist, die geringste einem damals 12jährigen Schulmädchen, lieber dessen Leistung erhebt sich aber nur wenig die einer unverheiratheten 25jährigen Dame, die wohl selten, wie ich glaube, den Blick an der Femsicht übt

Die Verschiedenheit in der Veränderung der Werthe fiir Q und e oder, was dasselbe besagt, die Form der Üebungsquotientencurve habe ich durch die Abnahme der Sehschärfe nach aussen vom Orte des schärfeten Sehens zu erklären versucht (1. c. p. 97). Salzmann dagegen sagt (1. c. n, p. 144 f.) die Form solcher Curven hänge von der physiologischen monoculären Polyopie ab; er giebt an freihch ohne beweisende Zahlen die Polyopie sei gerade bei der Objectsentfemung am deutlichsten ausgeprägt, für die der XJebungscoefficient den grössten Werth erreicht

Zur Sehleistung der Myopen. 151

NachS. Exner') ist die physiologische monoculäre Polyopie dadurch zu erklären, dass die Oberfläche der Lichtwellen nach deren Austritt aus der linse leichte Abfiachungen (Dellen) zeigt, deren Brennpunkt hinter dem zweiten Haupt- brennpunkt des Auges liegt; analoges gilt für denVereinigungs- punkt von Strahlen, die nicht zu einander parallel sind. Wenn nun die von Salzmann gegebene Erklärung richtig wäre, so müsste der Uebungscoefiicient jedesmal dann am grössten sein, wenn die Netzhaut sich an einen ganz be- stimmten Querschnitt des Zerstreuungskegels befindet, d. h. wenn das Bild eines Objectes an einer ganz bestimmten Stelle im Auge entworfen wird. Das wäre der Fall immer bei ein und derselben Objectsentfemung oder demselben Einstellungsfehler, gleichviel welchen Durchmesser die dem (unbewafl&ieten) Auge vorgesetzte stenopäische Lücke hat. Das ist aber gerade, wie Salzmann besonders betont (L c. II, p. 143), nicht der Fall, dagegen stimmen die bei Anwendung verschiedener Lücken gefundenen Uebungs- coefficientencurven, wenn sie auf die Grösse der Zerstreu- ungskreise bezogen sind, fast vollkommen überein. Diese Erscheinung würde gerade für die von mir gegebene Er- klärung sprechen, in der ich die wechselnde Grösse der Zerstreuungskreise bez. ihre Lage für die Veränderung des üebungsquotienten verantwortUch machte. Dass die mono- culäre Polyopie die Sehleistung verbessert, ist wahrschein- hch, unwahrscheinlich ist es, dass sie die Form der üebungs- quotientencurve wesentlich beeinflusst

Auch meine Erklärung der üebungsquotientencurve nimmt gewisse EigenthümUchkeiten im Bau oder der Func- tion des Auges zu Hülfe. Doch scheint mir die Annahme nicht gerechtfertigt, dass die Grösse dieses Quotienten sich „zum grossen Theil, vielleicht auch ganz durch ge¥ä8se

*) S. Exner, lieber den normalen irregulären Astigmatismus, in V. Graefe's Arch. f. Ophthalm. XXXIV. 1., p. 1 ff. Die Arbeit wird auch von Salzmann citirt.

152 H. Triepel.

physikalisch-optiBche EinrichtuDgen'^ (Salzmann, ü, p. 157) oder auch durch functionelle Eigenschaften des Auges er- klären lasse. Ob und inwieweit die psychische Leistung beim Sehen in grösseren Zerstreuungskreisen für die Grösse des Uebungsquotienten von Bedeutung ist, wird, wie ich schon andeutete, schwer zu entscheiden sein; dass sie in der That grossen Einfluss hat, glaube ich aus meinen Unter- suchungen der Sehleistung verschiedener Personen schUessen zu müssen (1. c, I. Theil). Dass Unterschiede des Uebungs- quotienten beim Sehen in kleinen Zerstreuungskreisen bei gleicher centraler Sehschärfe auf Verschiedenheiten der psychischen Leistung beruhen, das zu erweisen, halte ich die angewandte Methode trotz gewisser Mängel für aus- reichend. Ich will nicht zu erwähnen versäumen, dass Salzmann in seiner ersten Mittheilung (I, p. 111), auf die Bedeutung des psychischen Momentes für die Sehleistung und den Uebungscoeffidenten hinge¥desen hat

Wenn sich somit herausstellt, dass die Grösse des Uebungsquotienten von verschiedenen Factoren abhängig ist, die gewiss nicht ohne weiteres mathematischen Regeln unterworfen werden dürfen, so ergiebt sich, dass der Ueb- ungsquotient jedenfalls nicht im mathematischen Sinn als Function einer anderen Grösse entwickelt werden kamu Selbst wenn man annehmen wollte, dass die Grösse der psychischen Leistung beim Sehen in verschieden grossen Zerstreuungskreisen dieselbe bliebe, was noch gar nicht be- wiesen ist, so müsste man immer noch bei einer solchen Darstellung voraussetzen, dass die Einrichtungen im Auge, die zur Erklärung der Form der Uebungsquotientencurve herangezogen werden, auch ihrerseits mathematischen Ge- setzen gehorchen. Undenkbar würde es mir insbesondere erscheinen, dass die Abnahme der Sehschärfe peripherie- wärts vom Orte des schärfeten Sehens, d. h. die Abnahme in der Dichtigkeit der Seheinheiten einer mathematischen Regel folgen sollte. Daher muss die Aufstellung eines

Zur Sehleistong der Myopen. 153

mathematischen Ausdruckes für den Uebungscoeffidenten; wie sie sich bei Salz mann findet (1. c. 11, p. 136), doch zum mindesten Bedenken einflössen; und infolgedessen muss es von vornherein zweifelhaft erscheinen, ob man die Curve der redproken Werthe der Sehleistungen als Hyperbel (oder überhaupt als Curve zwdter Ordnung) bezeichnen dar^ wenn deren Gleichung den Ausgangspunkt fiir die Ablei- tung der üebungscoefficientengleichung bildet

Salzmann findet nämlich, dass die Curve, die man erhält, wenn man in ein rechtwinkliges Coordinatensystem die Einstellungsfehler als Absdssen, die redproken Werte der bei den entsprechenden Objectsentfemuugen vorhandenen Sehschärfen (= Sehleistungen) als Ordinaten einträgt, ,4m Wesentlichen die Gestalt einer Hyperbel hat" (1. c. 11, p. 131); der Anfangspunkt des gewählten Coordinaten- systems ist um die Diflerenz der beiden Axen vom Mittel- punkt der Hyperbel und um die Länge der Nebenaxe vom Hyperb^scheitel entfernt Salzmann schliesst, dass die allgemeine Gtestalt der Sehschärfencmven (= Sehleistungs- curven) in der That auch eine Hyperbel ist (130, p. 131 unten). Er giebt die Gleichung der Hyperbel bei der be- schriebenen Lage des Coordinatensystems, wie folgt, an:

[(y - &)« + 2a (y - &)] (e« a») = xK

Nun ist «• a' = 6', und 6 ist bekannt als Ordinate des Hyperbelscheitels (p. 133). Ich kann daher die Gleichung nach a auflösen, und man kann darstellen

y-b

a =

Vi

+ 1 -1

Wenn nun jeder gefundene Punkt einer Sehleistungs- curve einem Punkte einer Hyperbel entsprechen soll, so muss sich immer aus zusammengehörigen Werthen von x und y die Grösse a berechnen lassen, und die gefundenen

154 H. Triepel.

Werthe müssen alle übereinstimmen oder doch wenigstens bei der Möglichkeit der Beobachtungsfehler einander sehr nahe kommen. Um hierauf die Salz mann 'sehen Cruren zu prüfen, berechnete ich a nach der angegebenen Formel für die drei ersten Curven Salzmanns -4^ A^ A^y B^ B^ B^^ Ci C^ Cj. In der folgenden Zusammenstellung will ich die Resultate dieser Bechnungen anfuhren, die dritte Columne enthält den von mir gefundenen Werth von a^).

Curve AiA^A^{b = 1,646).

X

y

a

4,1684

13,003

6,61

3,285

9,25

6,17

2,485

6,55

6,05

1,996

6,082

6,01

1,44

3,76

6,43

1,06

2,84

6,30

0,78

2,27

5,85

0,59

1,98

5,36

0,44

1,85

5,81

0,25

1,72

6,46 (6,45)

0

1,646

0 Ö

Curve B^B^B^{h

= 4,055).

X

y

a

4,123

15,29

26,37

2,972

12,027

33,24

1,29

6,601

51,54

0

4,055

0 0

Curve CiC^C^(b =

= 1,646).

X

y

a

2,593

15,194

15,65

1,891

10,618

17,15

1,284

6,614

18,52

0,78

3,81

20,30

0,658

3,145

19,48

0,408

2,294

21,41

0,228

1,954

32,26

0,16

1,761

24,43 (24,40)

0

1,646

0 0

^) Für die Rechnungen empfahl sich die Anwendung der

Zur Sehleistung der Myopen. 155

Es ist nun zwar anzuerkennen, dass in der ersten Curve die einzelnen Werthe für a sich zum grossen Theil sehr nahe kommen. Dem ist aber entgegenzuhalten,

dass die von Salzmann unter Zusammenziehung zweier Gleichungen berechnete Grösse von a (10, 93., 11, p. 133) von ihnen allen abweicht,

dass diese Zahl und der ebenso berechnete Werth von e (lineare Excentricität) nicht der Forderung genügen, dass «2 _ = ist,*)

dass bei den beiden anderen Curven, besonders bei Curve Bi B^ B^j die unterschiede in den einzelnen Zahlen der dritten Colunme beträchtUch sind,

dass Salzmann, wie er selbst angiebt (p. 129), noch dazu gerade in denjenigen Fällen die Untersudiung wieder- holte, die sich seinem Schema nicht einpassten.

Daraus folgere ich, dass die Curve der reciproken Werthe der Sehleistungen bisweilen Aehnlichkeit mit einer Hyperbel hat, aber jedenfalls keine Hyperbel ist; ich halte sie vielmehr für ein viel comphcirteres Gebilde, dass sich nicht ohne weiteres auf bekannte Formen zurückführen lässt Keiner besonderen Widerlegung bedarf wohl die Behaup- tung, die Sehleistungscurve müsse deswegen eine Hyper- bel sein, weil ihre Schenkel constant, also auch in der Unendlichkeit divergent sind (Salzmann, ü, p. 131 und 132).

GausB'schen Logarithmen. Unter den Fällen, in denen der Loga- rithmus der Wurzel sehr klein ist, ergab zweimal die ausführliche Rechnung (siebenstellige Logarithmen) Werthe, die von den mit Hilte der Gauss'schen Logarithmen gefundenen in der zweiten Decimale abweichen; sie sind in Klammem beigefügt.

') Die beiden erwähnten Punkte bedingen sich gegenseitig, denn die oben mitgetheilten Werthe von a wurden gerade dadurch ge- wonnen, dass in der hier geltenden Hyperbelgleichung 6* für «• a* eingesetzt wurde, während e und a, wenn ihrer Berechnung zwei Goordinatengleichungen zu Grunde gelegt werden, durch die Gleichung 6* =■ «• a* überbestinmit sein würden.

156 H. Triepel.

Zum Schluss möchte ich noch kurz darauf hinweisen, dass, wie Salzmann beobachtet hat (ü, p. 147), bei im- vollständiger Correction der Myopie die zu denselben Ehn- stellungsfehlem (nicht denselben Zerstreuungskreisradien!) gehörenden Sehschärfen (= Sehleistungen) und Uebungs- quotienten andere Werthe erreichen, so dass es auf den ersten Blick scheinen könnte, als ob die meinen Unter- suchungen zu Grunde liegende Methode der unTollständigen Correction der Myopie überhaupt nicht zulässig wäre. In- dessen betrachtet Salzmann das durch die C!ombination von Auge und linse neuentstandene System als ein Ganzes, und in diesem Systeme tritt in der That infolge dar Ver- legung des Knotenpunktes eine Herabsetzung der Seh- schärfe (trotz Gleichbleibens der Dichtigkeit der Sehein- heiten) ^) ein, auf die auch die Aenderung der Sehleistungs- und Uebungscoefficientencurve zurückzuführen ist Im Gegen- satz hierzu kam bei meinen Untersuchungen die Veränderung des optischen Systems durch vorgehaltene Linsen gar nicht in Frage, die Gläser waren nur dazu bestimmt, Objectgrösse und Objectsabstand zu verändern, in Wahrheit untersuchte ich die Sehleistung bei verschiedener Objectsentfemung.

Zu meinen Ausführungen über die psychische Leistung beim Sehen in Zerstreuungskreisen möchte ich noch hinzu- fügen, dass sicher auch die Schärfe des deutlichen Sehens zum Theil von einer psychischen Thätigkeit abhängig ist Nur ist der psychische Act beim deutlichen Sehen unter gewöhnlichen Umständen so innig mit der physiologi- schen Function der den Gesichtsempfindungen vorstehenden histologischen Elemente verknüpft, dass er bei der physio- logischen Erregung dieser Theile jedesmal ausgelöst wird und wir mis nachträglich überhaupt nicht davon Bechen-

^) Vgl. Nagel, in Graefe n. Sftmisch, Handb. d. ges. Augen- heilkunde VI, p. 392.

Zur Sehleistung der Myopen. 157

Schaft geben können, ob und in wie weit ein psychischer Process in uns abgelaufen ist Der psychische Vorgang ist fast ganz zum physiologischen, d. h. zum physikaUsch- chemi- schen geworden; das aber kann man sich nur dann recht vorstellen, wenn man sich unter dem psychischen Acte beim deutlichen Sehen selbst schon einen physikalisch- chemischen Vorgang denkt, der mit anderen solchen Vor- gängen auf irgend eine Weise in nähere Beziehung treten kann. Die Verschiedenheit in der psychischen Leistung beim deutiichen und undeutlichen Sehen glaube ich daraus schliessen zu müssen, dass die Sehleistung weit grösseren Schwankungen unterworfen ist als die Sehschärfe, und zwar im Grefolge von Einflüssen, die nachweisUch auf die psychische Thätigkeit des Individuums wirken (vgl. meine frühere Mittheilung, I. Theil). Auf der anderen Seite wird man nicht von der Hand weisen können, dass die psychi- schen Vorgänge beim undeutUchen und beim deutlichen Sehen ihrem innersten Wesen nach gleichartiger Natur sind, und so wird man zu dem Schlüsse gedrängt, dass die psychische Leistung beim Sehen in Zerstreuungskreisen von der Extensität oder Intensität materieller Vorgänge, die sich wahrscheinlich im Gehirn abspielen, abhängig ist

Ueber einen Fall von Graves'scher Krankheit

mit Exophthalmos monocnlaris nnd einseitiger Schilddrttsen-Anschwellnng^).

Von

Dr. Percy Fridenberg in New York.

Hierzu Tafel IX.

Seit der Zeit als die klassisch gewordenen Vorlesungen des Dubliner Klinikers zuerst die Aufmerksamkeit auf den Symptomencomplex von Kropfbildung, Herzklopfen und anämischer Hervorragung der Augäpfel lenkten und Base- dow wenige Jahre später und unabhängig dieselben Symptome als charakteristische Erscheinungen einer bestimmten „Grlotz- äugen -Cachexie" zusammenstellte, ist wohl keine Theorie aufgestellt worden, welche die Pathologie und Aetiologie dieser interessanten Affection in vollständig befriedigender Weise erklärt, obwohl die Graves'sche oder Basedow'sche Krankheit ein ganz bestimmtes und gar nicht seltenes khni- sches Wesen darstellt Bei einem solchen Stande unseres Wissens über diesen Gegenstand dürfte die Mittheilung eines Falles von Graves'scher Krankheit mit der seltenen Erscheinung von Beschränkung der Augensymptome auf

') Vortrag gehalten in der Section on Ophthalmology, New York Academy of Medicine, 18. März 1895.

Ueber einen Fall yon Grayes'Bcher Krankheit etc. 150

eine Seite, verbunden mit einer Hypertrophie des contra- lateralen Schilddrüsenlappens nicht ohne Interesse sein.

Die Patientin, welche diese interessante Variation dar- bot, stellte sich am 3. November 1894, asthenopischer Be- schwerden wegen im New Torker Eye and Ear Infinnary vor und wurde mir zur Feststellung des Refiuctionszustandes übergeben. Meinem verehrten Chef, Dr. E. Gruening, ver- danke ich die Erlaubniss, folgende Beobachtungen mitzu- theilen.

Die Patientin, Frau A. J., ist 24 Jahre alt. Vater und Mutter, 54 bezw. 48 Jahre alt, sind rüstig und ge- sund. 6 Brüder und 4 Schwestern anscheinend kräftig und wohl, leiden nach den Aussagen der Patientin an ner- vöser Schwäche. Die Patientin giebt an, immer gesund gewesen zu sein, obwohl seit Kindheit nervös, schüchtern, und ängstlich. Sie ist seit vier Jahren verheirathet. Vor drei Jahren erfolgte, im vierten Monate der Schwanger- schaft, ein Abortus, und eine zweite Schwangerschaft ist nicht eingetreten. Seit der Eheschliessung hat die Patientin durch unglückliche Familienverhältnisse zu leiden gehabt; vor ungefähr 6 Monaten wurde ihr Zustand der Reizbar- keit noch durch ein besonders peinliches Ereigniss ver- schlimmert Binnen einigen Wochen bemerkte sie eine ungewöhnliche Ermüdbarkeit nach einer, wenn auch noch so geringen Anstrengung, besonders nach dem Gehen und dem Treppensteigen, verbunden mit häufiger Röthung der Ge- sichtshaut und profusen Schweissen. Die nervöse Beizbar- keit nahm merklich zu, mit Herzklopfen und Athembe- schwerden, und zuweilen mit dem Gefühl von Klopfen und Schwirren in den Halsgef ässen. Die Patientin, eine Näherin, klagte über Schmerzen in den Augen und über eine Ab- nahme der Sehschärfe, wenn sie auch nur kurze Zeit nähte. Man sagte ihr, sie sehe „wild" aus, und „das eine Auge sei grösser als das andere." Noch ehe ich die Einzelheiten der Krankengeschichte erfahren hatte, lenkte der eigen-

160 P* Fridenberg.

thümliche Ausdruck der linken Gesichtshälfte meine Auf- merksamkeit auf den unheimlich starren Blick des linken Auges. Dieses charakteristische Merkmal, welches in der ungefähr zwei Monate nachher aufgenommenen Hiotogra- phie sehr deuüich hervortritt, Uess mich die Diagnose ver- muthen. Die linke Lidspalte war durch eine mezkliche Betraction des OberUdes erweitert, und bei geradeaus ge* richtetem Blicke sah man oberhalb des Comealrandes die weisse Sclera in einer Ausdehnung von 2 mm frei liegen. Der Augapfel war merklich, aber nicht hochgradig pro- minent; das Graefe'sche Symptom liess sich mit Leichtig- keit demonstriren. Der unwillkürhche Lidschlag war in seiner Häufigkeit vermindert, aber nicht aufgehoben. Die Sehschärfe war beiderseits normal; die Befraction emmetro- pisch. Eine Lisufficienz der inneren geraden Augenmuskeln von 2®, resp. von 5®, wurde für die Nähe und für die Feme constatirt. Bei der ophthalmoskopischen Untersuchung sah man Unks Pulsation der Venen auf der Papille, aber keinen Arterienpuls. Das rechte Auge zeigte nichts Abnormes; der Ausdruck dieser Gesichtshälfte war ein ganz natür- licher. Das Gesicht war geröthet, besonders die linke Seite, imd diese Erscheinung nahm bei der leichtesten psychischen Erregung in hohem Grade zu. Die Schilddrüse war nicht merkhch vergrössert; bei der Palpation aber fühlte man eine deutliche Schwellung des rechten Lappens und des Isthmus. Es zeigte sich ein feiner, fast fibrillär^ Tremor der Hand und der Zunge, ähnUch dem bei Paralysis agi- tans beobachteten, aber etwas langsamer, 5 6 mal in der Secunde. Der Herzschlag war kräftig und hebend, zuweilen aussetzend; der zweite Pulmonalton verstärkt Zeichen eines Klappenfehlers fehlten vollständig, aber die Herzdämpfiing war nach links vergrössert, der Spitzenstoss diffus. Ein deutlicher Capillarpuls war an der Brust und am Halse zu bemerken. An der Vena jugularis hörte man lautes Nonnensausen, und über dem vergrösserten rechten Schild*

lieber einen Fall von Orayes^Bcher Krankheit. 161

driteenl^pen ein blasendes Geräusch, agmchnm mit dem ersten Herztone. An den Lungen war nichts AbsKMmeSy aber die Inspiration oberflächlich und zuweilen keuchend; der Thorax etwas flach. Die Oarotiden pulsirten beider- seits sehr kräfiigy besonders hnks, aber der Badialpuls war klein und weich, 120 in der Minute, bei ruhendem Körper. Obwohl ich der Patientin die Wichtigkeit A&t geistigen und kOrp^Uchen Suhe und die yoraussichtliche Verschlimmerung der Symptome bei einer Vernachlässigung der Behandlung einschärfte, vergingen doch einige Wochen, ehe sie sich einer c(»isequenten Therapie unterzog. Es wurde bei Bett- ruhe eine Begulirung der Diät eingeleitet, und bdl Lästig- werden der Palpitationen das Auflegen eines Eisbeutels auf das PtäccMrdiimi und auf die vergrösserte Schilddrüse em- pfohlen. Ich yerschrieb neben einem, Ferrum, Stiychnin. sulphur. und Chinin enthaltendem Tonicum, sechs Tropfen einer DigitaUs-Tinctur dreimal tägUch. Die Herzaction wurde durch letzteres Mittel gar nicht yerbessert, obwohl die Dosis im Laufe der nächsten 3 Wochen bis auf 20 Tropfen viermal tägUch erhöht wurde, und auch die 'Eis- beutel, welche der Patientin sehr angenehm waren, schienen in dieser Beziehung keinen genügenden Einfluss zu haben. Die Digitalis wurde deshalb ausgesetzt, und die von Fräser so warm empfohlene Tinctura Strophanthi in Dosen von 6 Tropfen dreimal tägUch verabreicht Jeden Abend bekam die Patientin 1 g Bromkalium. Der Fall ist jetzt seit 6 Monaten unter meiner Beobachtung, und der Zustand hat sich entschieden gebessert Der Herzschlag ist weniger schnell; die Palpitationen, obwohl noch zuweilen vcHrhanden, weniger lästig. Die Protrusion des linken Auges ist fast nidnt mehr zu erkennen; die Betraction des Oberlides hat merkUch abgenommen. Die Besserung im Ausdruck der Patientin wurde von ihrer Umgebung gerühmt, was auf den psychischen Zustand der ersteren einen günstigen Einfluss gehabt zu haben scheint Die Prognose dürfte in Bezug

T. Gxmefe's Archiv Ar Ophthalmologie. XLI. 8. 11

162 P. Fridenberg.

auf eine dereinstige vollkommene Genesung ziemlich gün- stig sein.

In diesem Falle waren die klassischen Symptome der Graves'schen Krankheit nebst anderen vorhanden, welche, wenn auch nicht pathognomonisch, doch für diese Affection charakteristisch sind. Von diesen erwähne ich den Tremor (Marie), die nervöse Schwäche und fieizbarkeit (Charcot), die Insufficienz der Intemi (Möbius), die oberflächliche Respiration (Bryson) und die Röthung und Hyperhidrose der Haut mit der begleitenden Verminderung des Wider- standes gegen den galvanischen Strom. Die merkwürdigste Erscheinung in diesem Falle ist aber unbedingt die unge- wöhnUche Beschränkung der Augensymptome auf die linke Seite, verbunden mit einer „gekreuzten" Hypertrophie des rechten Schilddrüsenlappens. Einseitige Symptome sind nach den meisten Theorieen der Krankheit so unerklärUch, dass einige Autoren^) das Vorkommen einer derartigen Variation geleugnet haben, während Berger*) das Vorhan- densein von einseitigem Exophthalmus als entscheidenden Be- weis gegen die Diagnose von Graves 'scher Ejunkheit an- sieht. Es lässt sich gar nicht bezweifeln, dass in vielen Fällen, die als Morbus Basedowii s. Gravesii veröffentlicht wurden, besonders aus den ersten Jahren der Beobachtung auf diesem Gebiete, die Diagnose unrichtig war. Affectionen des Sympathicus-Grenzstrangs mit atypischen Symptomen *), complicirte Klappenfehler*), Erscheinungen hysterischer Art bei chlorotischen Mädchen und, in einigen Fällen, wahrer endemischer oder auch sporadischer Kropf mit einseitigen Drucksymptomen*) wurden alle in die bequeme Kategorie

0 Schott, Deutsche med. Zeitung Nr. 32, 1889. Marcus, ibid. Nr. 48, 1893.

«) Bull, de la Soc. de Chir., p. 277. 1884.

•) Chvostek, Wiener med. Presse, p. 497. 1872.

*) Schnitzler, Wiener Med.-Halle, Nr. 24, p. 245, 1864.

») Berger, Bull, de la Soc. de Chir., p. 277. 1884.

Ueber einen Fall von Graves'scher Krankheit etc. 163

des Morbus Basedowii hineingeworfen. In der Literatur- Zusammenstellung welche L. Hirschberg*) seiner histo- risch-kritischen Studie beigegeben hat, finden sich mehrere Fälle, die beim Nachschlagen der Originalartikel sich als gewöhnliche „bilaterale" entpuppen*), andere, in denen ein mehr oder weniger ausgesprochener Unterschied in dem Grade des Exophthalmus vorhanden war*), während in einer dritten Serie die Beschränkung der Symptome auf eine Seite nur eine vorübergehende war, indem die Pro- trusion an dem einen Auge etwas früher als an dem an- deren auftrat*).

Mit Ausschluss der zweifelhaften Fälle finden sich fol- gende Beobachtungen auf diesem Gebiete. Demours ^) sah bei einem 11 Jahre alten Mädchen eine Prominenz des linken Auges von ungefähr 2 Linien, welche 3 Jahre per- sistirt hatte. Die Patientin hatte seit Kindheit eine leichte Vergrösserung der Schilddrüse. Die Mutter zeigte auch eine Disposition zur Kropf bildung, imd nach der ersten Schwangerschaft stellte sich eine Schilddrüsenhypertrophie ein, welche stetig zunahm. Desmarres^ publicirte unter dem Titel „De l'exophthalmie produite par Thypertrophie du tissu cellulo-adipeux de l'orbite" mehrere Fälle Graves'- scher B[rankheit. In einem Falle wurde bei einem 30jäh- rigen Weibe, welches an nervöser Beizbarkeit, Herzklopfen und Schilddrüsen-Hypertrophie litt, ein einseitiger Exoph^ thalmus leichten Grades, und zwai» des rechten Auges be-

*) Wiener Klinik, 1894. Die Basedow'sche Krankheit.

•) Rosenberg, Berl. klin. Wochenschrift. 1865, II. p. 277. Sichel, Bull. g6n. de Therap. Tome XXX. 1853. Patchett, Laneet, 1872. p. 827.

•) Emmert, v. Graefe^s Archiv XVII. 1. p. 203.

'•) Jendrassik, Archiv f. Psychiatrie und Nervenkrankh. 1863. XVII.

<^) Trait^ des Maladies de Foeil. Paris 1818.

•) Gaz. des Höpitaux, 1853. Nr. 1, p. 2.

11*

164 P. Fridenberg.

abachtet. Das obere lid war retrahirt^ die Motilität vollkommen; die Sehschärfe nonnaL Nach Behandlung mit Jodkalium und örtlicher Application dner Jodsalbe verbesserte sich der Zustand erheblicL In seiner all- gemeinen Zusammen&ssung beschreibt Desmarres klar die eigenthümUche Physiognomie der Basedow-Kranken und macht besonders auf ein Symptom aufinerksam, welches Stell wag entdeckt haben soll, 6 Jahre nachdem Des- marres dasselbe folgendermassen beschrieben hatte: y^rsqu'on regarde attentivement un malade atteint de cette affection, on remarque, comme premier Symptome, que la paupi^re sup^rieure ne s'abaisse plus comme dans l'^tat physiologique sur la partie sup^rieure de la comee^ lorsque l'oeil regarde horizontalement; au contraire, la com^ reste d^ouverte en totaUte, ce qui donne k la physiognomie quel- que chose de hagard fort d&agr^abk ä voir. A un d^gre un peu plus avanc^ encore le malade a les yeux d'un homme en Aireur, et cela etabht un contraste choquant avec la tranquillitd du reste de la physiognomie.'^

Mackenzie^) sah einen Fall. Seine Patientin, eine schwächUche, anämische junge Frau, deren Schwester seit Jahren wegen Oraves'scher Krankheit in Behandlung war, litt an Amenorrhoe mit nervösen Symptomen, Yerdauungs- beschwerden und Verstopfung. Nach einigen Monaten psychi-^ scher Erregung und körperlicher Anstrengung während des Sommers fing das rechte Auge an zu prominiren, ufid die Schilddrüse vergrösserte sich. Die Symptome gingen zurück nach dem Grebrauch von Tinctura Jodi (Dosis nicht an- gegeben), und Einreibungen von Jodkaliurasalbe am Halse und in der Schläfengegend.

PraeP) beobachtete die Entwicklung eines rechts- seitigen Exophthalmus mit bilateralem Kröpfe in der Con- valescenz nach einer acuten Bronchitis, bei einem 50jährigen

^) Pract on the Diseases of tlie Eye, Ed. lY. 1854. •) V. Graefe's Archiv III. 2. p. 199.

Ueber einen Fall von Graves'scher Krankheit etc. 165

Manne, wricher seit dem 20. Jahre an Palpitationen und anderen Zeichen einer Herzaffection gelitten hatte. Nach langer Zeit fing das linke Auge auch an zu i»x)miniren. Der Fall endigte letal und bei der Section fanden sich ausgedehnte atheromatöse Yeränderungen an der Aorta, mit einer Insuffidenz und Stenose der Mitralis. In zwei anderen Fällen wurde rechtsseitiger Exophthalmus bei chloro« tischen Mädchen yon 19 resp. 15 Jahren constatirt In d^n einen Falle stellten sich später Herzklopfen und pro- fuse Schweisse ein und hielten mehrere Jahre lang an. Im anderen Falle ging ein schwerer psychischer Insult der Krankheit voraus. Der Exophthalmus nahm fünf Jahre später plötzlich zu, nachdem ein schwerer Anfall yon Blut- brechen einen Zustand acuter Anämie herbeigeführt hatte. Ein Kropf vrurde jetzt zum ersten Male bemerkt

Chvostek^) sah einen Fall bei einer 55jährigen Frau. Die Mutter war seit Kindheit nervös und schwächlich. Der Vater litt an einem Herzklappenfehler, und eine Schwester zeigte seit 25 Jahren ausgesprochene Symptome der Graves'- schen Krankheit Die Patientin hatte vor 8 Jahren eine starke psychische Erregung gehabt, und bald nachher stellten sich die klassischen Symptome, aber mit vorwiegend einseitigen Erscheinungen ein. Das rechte Auge war deut- lich prominent; die rechte Thyreoidea sehr vergrössert Hyperhidrose, Röthung der Haut und hochgradige Ab- magerung, alle auf die rechte Seite beschränkt, kamen später hinzu und der Allgemeinzustand wurde ominös. Trotzdem genas die Kranke im Laufe eines Jahres vollkommen.

Einen merkwürdigen Fall theilt Burney Yeo') mit Die Patientin» eine 36 Jahre alte Frau, war bis zur vierten Entbindimg immer gesund, obwohl nervös und reizbar. Im Puerperium stellten sich die Erscheinungen einer allgemein

») Wiener Med. Presse. 1872, p. 497. «) Brit. Med. Journal. Mch. 17, 1877.

166 !'• Fridenberg.

nen Sepsis ein, welche drei Wochen dauerten. Als die Kranke wieder aufetehen durfte, wurde ihr von der Um- gebung nicht gestattet, sich im Spiegel zu betrachten, „weil sie so wild aussehe". Das linke Auge prominirte hoch- gradig, das rechte war in seiner normalen Stellung ge- bUeben. Der rechte Lappen der GL thyreoidea war deut- lich vergrössert, der linke wenig oder gar nicht verändert Zur selben Zeit fingen die Wimpern und die Haare der Augenbraue links an auszufallen. Psychische Unruhe, Röthung der Haut, Hyperhidrose und Herzklopfen mit einem Pulse von 136 in der Minute, waren vorhanden. Kropf und Exophthalmus waren deutlich unilateral, aber „gekreuzt". Nach 6 Monaten wurde das rechte Auge auch prominent, und auch an diesem Auge wurde das merk- würdige Symptom der Alopecie der Wimpern und der Augenbraue beobachtet Gleichzeitig fing der gegenüber- stehende Schilddrüsenlappen an, sich zu vergrössem, und erreichte bald den Umfang des rechten. Yeo erwähnt einen zweiten Fall von einseitigem Exophthalmus, welcher bei einem fiiiher gesunden und kräftigen 23jährigen Mäd- chen seit einem Jahre bestand. Später kamen Herzklopfen und nervöse Symptome hinzu; der Puls schwankte zwischen 136 und 140, aber eine Vergrösserung der Schilddrüse Hess sich nicht constatiren.

Becker*) behandelte eine Dame von 28 Jalu^n, welche 7 Jahre verheirathet und Mutter eines kräftigen, gesunden Knaben war. Eine zweite Schwangerschaft war nicht ein- getreten, da Dysmenorrhoe mit ausgesprochenen nervösen Symptomen der Geburt gefolgt waren, welche schliessUch in einen Zustand wahrer Hysterie ausarteten. Seit einem Jahre klagte sie über Herzklopfen und bemerkte zuweilen eine Prominenz des linken Auges, während das rechte voll- kommen normal blieb. Die Schilddrüse war leicht ver-

') Klin. Monatsbl. f. Augenheilk. XVIII. 1880.

Ueber einen Fall von Graves'scher Krankheit etc. 167

grössert; die Sehschärfe normal. Am linken Auge Arterien- puls an der Papille und Exophthalmus massigen Grades. Das rechte Auge zeigte nichts Abnormes.

Abadie*) beschreibt folgenden Fall. Eine junge Dame, 28 Jahre alt, welche seit einigen Monaten an hochgradiger Ermüdbarkeit, allgemeinem Unbehagen, Herzklopfen und Nervosität litt, wurde eine Zeit lang auf Anämie behan- delt. Die Diagnose hatte man per exclusionem gestellt, da die klinische Untersuchung keine organischen Abnormitäten erwies. Später bemerkte die Patientin eine Prominenz des rechten Auges und stellte sich in der Abadie'schen Klinik Tor. Der charakteristische Ausdruck des Auges, durch die Retraction des oberen Lides bedingt, Hess sogleich die wahre Natur des Falles vermuthen. Der Puls war bei ruhendem Körper 96 m der Minute. Die Prominenz des rechten Auges war evident Das hnke Auge sah vollkommen normal aus. An der Schilddrüse wurde eine Vergrösserung des Isthmus leichten Grades festgestellt

Bei einem 24 Jahre alten Manne, welcher 3 Jahre lang an Palpitationen gelitten hatte, fEind Mäher*) eine besonders am rechten Lappen vergrösserte Schilddrüse und rechtsseitigen Exophthalmus. Auf dieser Seite prominirte der Homhautscheitel 2 3 mm. Dieser Zustand wurde von dem Patienten seit einem Jahre beobachtet Das Graefe'sche Symptom war nicht vorhanden.

Li Amerika ist kein Fall von Graves'scher Krank- heit mit einseitigen Symptomen pubhdrt und meines Wissens nur einer beobachtet worden. Dieser Fall wurde am 22. December 1893 in der wissenschafUichen Zusammen- kunft deutscher Aerzte von Dr. George W. Jacob y vor- gestellt, welcher mir freundUchst seine Daten nebst einer Photographie der Patientin zur Verfügung gestellt hat

») L'ünion mödicale 1880, Nr. 157. p. 859. «) Lancet, 1886, Nr. I. p. 1221.

168 P- Fridenbeig. üeber einen Fall von Graves'Bcher Krankheit etc.

Eate, P.y 33 Jahre alt, klagt seit ungefähr 2 Mo- naten über allgemeine nervöse Symptome, Herzklopfen mid Schweisse. Seit derselben Zeit bemerkt sie dn fremdes Aussehen des rechten Auges mit einer Prominenz des Bulbus. Bei der Untersuchung zeigt sich Betraction des oberen Lides mit Exophthalmus massigen Grades und das Graefe'sdie Symptom, alles am rechten Auge. Insufficienz der Intemi (Möbius) war vorhanden; der unwillkürliche Lidschlag war nicht vermindert Die rechte Hornhaut war vielleicht etwas anäsdietisch. Die Schilddrüse war etwas ven^pxissert, der rechte Lappen entschieden voller als der linke. Neben diesen Symptomen war Tremor und bronee- artige Yerförbung der Haut vorhanden.

Li diesen 13 Fällen war das rechte Auge nur drdmal affidrt Von diesen 3 Fällen war nur einer, der von Burney Yeo, mit einer Hypertrophie des contralateralai Schilddriisenlappens vergesellschaftet, und auch in diesem Falle vnirden schliesslich beide Lappen hypertrophisch. Rechtsseitiger Exophthalmus mit rechtsseitigem Kröpfe war nur in dem einen, von Chvostek mitgetheilten Falle vor- handen. Li meinem Falle ist bisher kein Zeichen eines Weitergreifens der AiEection auf die andere Seite bemerkt worden und die deutliche Abnahme der Symptome berech- tigt mich zu der Hoffiiung, dass der gegenwärtige gekreuzte Zustand schliesslich in Heilung übergehen wird, ohne dass irgend welche Veränderung in der auffallenden Beschränkung des Exophthalmus und des Kropfes eingetreten wäre.

Beitrag znr Kenntniss der AngenlidtamoreiL

Von

Dr. Max Becker ans Hannover.

(Aiifl der Augenklinik zu Jena.)

Hierzu Tafel X und XI, Fig. 1—3.

Ln S<»niaer 1893 kam ein Mann mit einer Geschwulst des rediten oberen Augenlides, die auch schon auf das untere lid überging, in der Jenaer Augenklinik zur Beob- achtung und Operation. Nach dem klinischen Krankheits- bild war es nicht möglich, eine sichere Diagnose über die Natur des Tumors zu geben. Aber auch bei der nach der Exstirpation voi^enommenen genauen pathologisch-anatomi- schen Untersuchung bot die Deutung des Befundes und die AufEassung des Processes gewisse Schwierigkeiten, so dass die Mittheilung des Falles von Interesse sein dürfte, zumal die lidgescfawülste an sich nicht sehr häufig sind, wenn man ycm den leicht erkennbaren Cardnomen absieht

Krankengeschichte.

Ernst S., Landwirth, 54 Jahre alt, aus B.

Anamnese:

Patient, der immer gesund gewesen sein wül, bemerkte Yor 3 Jahren, dass sein redites oberes Lid ohne bekannte Ur- sache blau geworden war. Die blaue Färbung ging allmählich zurftck, und es entwiekelte sich an genannter Stelle eine Ge- sdiwubt, die langsam wuchs und stets schmerzlos war. Die Blauf&rbung soll sieh ab und zu wiederholt haben, doch nie

170 M. Becker.

eine eigentliche Entzündung in Erscheinung getreten sein. Im Mai 1893 wurde von Herrn Dr. med. Rindfleisdi in Weimar ein Stück zur Probe exddirt und die Diagnose auf Lympho- sarkom gestellt Seit dieser Zeit; während welcher Patient zeit- weilig mit Jodkalium behandelt wurde, soll der Tumor etwas schneller zugenommen haben. Patient hat ausser SehstOrung nie Beschwerden gehabt, auch will er nicht magerer geworden sein. Schon früher am oberen Lid eine Verdickung oder ein warzen- ähnliches Gebilde gehabt zu haben, kann er sich nicht erinnern. Herr Dr. R. überwies dann im Juli 1893 den Patienten der Klinik.

13. VIL Status praesens: (Fig. 1).

Das rechte obere Lid ist in seiner ganzen Länge von emer weichen, bei Druck nicht schmerzhaften Geschwulst eingenom- men, welche sich vom inneren Lidwmkel nach aussen über den äusseren Lidwinkel hinaus erstreckt Die Länge beträgt 6,5 cm, die Breite 2,5 cm. Die Geschwulst prominirt etwa um 1 cm. Die Haut über derselben ist nicht verschiebbar, hängt vielmehr unmittelbar mit der Geschwulst zusammen und ist leicht ge- rötiiet Bei näherer Untersuchung macht es den Eindruck als sei die teigige Geschwulst von der Cutis selbst resp. vom sub- cutanen Gewebe ausgegangen. Die Härchen der Cutis stehen et^^as auseinander gerückt

Am äusseren Lidwinkel findet sich ein etwas härterer Strang in der Neubildung anscheinend die von der Probeexdsion herrührende Narbe. Ausserdem erstreckt sich em subcutaner Strang vom äusseren Lidwinkel auf das untere Lid entiang dem unteren Lidrand. Ein zweiter Strang erstreckt sich vom inneren Lid- winkel scliräg nach unten. Derselbe ist etwa 2 cm lang, aber von dem genannten durch eine gesunde Parthie getrennt lieber beiden Strängen ist die Haut bläulich verfärbt und etwas sulzig verdickt Nach der Schläfengegend zu fäUt die Geschwulst mehr allmählich ab; man fühlt noch zwei festere, nach der Seite aus- strahlende Stränge, die mit der Cutis zusammenhängen und sich mit ihr auf der Unterlage etwas verschieben lassen. Nach dem Lidrand zu endet der Tumor an der CUiengrenze. Der inter- marginale Theil ist intact Die verdickte Cutis hängt beutei- förmig etwas über.

Die Conjunctiva palpebralis erscheint vollkommen gesund. Die Tarsaldrüsen schimmern durch. Der Tarsus selbst scheint mit der Geschwulst fest zusammen zu hängen. Ueber- gangsfalte und Coiyunctiva sclerae ebenfalls normal.

Ebenso zeigt der Bulbus selbst normale Veriiältnisse.

Beitrag zur Eenntniss der Augenlidtumoren. 171

Mit 0,75D S = |; mit +1,75D = ^ (Schweigger)

S. fr. Ophäi. normal.

Das linke Auge bietet nidits Pathologisches.

Mit 0,75D S = |; mit +1,75D = ^ (Schweigger). 8 0,5

S. fr. Ophth. normal.

Die Operation wurde am 17. VII. von Herrn Professor Wagenmann in der folgenden Weise vorgenommen.

Am intermarginalen Theil wurde ein Schnitt vom äusseren bis zum inneren Lidwinkel geführt und bis auf den Tarsus, der sich nicht erkrankt erwies, eingeschnitten. Dann wurde ein bogen- förmiger Schnitt, welcher den Tumor nach oben hin im Gesunden umschrieb, angdegt, und hierauf der Tumor zunächst vom Orbi- cularis losgetrennt, wobei ein Theil des Muskels mit fortfiel, und weiter vom Tarsus abpräparirt

Hierbei zeigte sich, dass die Oeschwulst nach liinten gut abgegrenzt war, so dass sie grösstentheils stumpf vom Tarsus losgelöst werden konnte. Nach der äusseren und inneren- Seite wurde der Tumor ebenfalls im Gesunden umschnitten und von der Unterlage losgelöst. Die beiden schläfenwärts gerichteten Stränge wurden mit weggenommen, ebenso ein Theil der sich in's untere Lid erstreckenden Fortsätze. Um den Hautdefeet aber nicht zu gross zu machen, wurde darauf verzichtet, am untern Lid alles fort zu nehmen. Es blieb innen wie aussen noch ein Strang zurück.

Der Defect wurde durch die noch vom Lid stehen ge- bliebene Haut, die möglichst unterminhi wurde, gedeckt, indem sie mit dem Lidrand durch Naht vei*einigt wurde. Die seit- lichen Defecte Hessen sich ebenfalls einfach durch Heranziehung der mit dem Messer unterminirten Haut decken. Die Lidhaut war jetzt freilich etwas gespannt, aucli zeigte sich etwas Nei- gung zum Ectropium; doch wurde beim Verband das Letztere möglichst zurückgedrückt.

20. VII. Verbandwechsel. Der Lappen ist gut angeheilt. Es besteht geringes Ectropium. 3 Nähte werden bereits entfernt.

22. VII. Die Nähte werden sämmtlich entfernt Das Ectro- pium erscheint geringer. Verband weggelassen.

Am 28. VII. wurde der Rest des Tumors am inneren Lid- winkel und am unteren Lide unter Schonung der Tliränenkanäl- chcn entfernt An der Nasenwurzel und weiter abwärts bis zum

172 M. Becker.

Naflenflflgel wurde die Haut imtemunirt zwecks Deckung der Wunde. Die lineare Vereinigung der WundiSnder wurde durch eine Reihe Nähte erzielt

Die Heilung verlief gnt^ nur war am inneren Lidwinkel eine Sutur durchgeschnitten; so dass die Wunde etwas klaffte. Der Defect überdeckte mdi aber schnell. Am 8. August wurde der Patient entlassen. Der Bulbus war beim lidsdiluss gut gedeckt, der Rand des oberen Lides leicht exooriirt Die Stellung der Lader war flberrasdiend gut (vgl. Flg. 2).

Am 18. September stellt sich S. wieder vor. Der lidsdüuss ist gut; das Ectropium oben verschwunden. Am unteren Lid fühlt man aussen wie innen einen geringen verdickten Strang, der sich an die frühere Operationsnarbe anlehnt Zur Sicher- heit werden die verdickten Parthieen in Narkose excidirt und die Defecte durch Anziehen der Haut unter Anlegung sdtlidier Entspannungsschnitte gedeckt

Am 30. September wurde der Patient wieder entlassen. Die Wunde war fast ganz geschlossen , innen fand sich noch me kleine granulirende ParthiC; da hier eine Sutur durchgeschnitten hatte. Die Stellung der lider war gut

Bei der Wiedervorstellung am 20. October war vöBige

Vemarbung zu constatiren. Das untere Lid erschien ein wenig

vom Bulbus abgezogen.

g

S. mit 1,25 D beiders. .

Anatomischer Befund (Fig. 3).

Die mikroskopische Untersudiung wurde an Schnittpri^a- raten vorgenommen, welche mit Eosin-HämatoxyKn geftrbt waren. Der Tumor geht direet von der Cutis aus und stdlt eine be^ trichtiiche, geschwulstige Verdickung der bindegewebigen Hieile dersdben und des subcutanen Gewebes dar. Die fi^enais ist überall vollkommen gut eibalten. Die Haarbfilge und Haarbalg- drftsen sind deutlich von einander gedrftngt^ überall aber normal, nur erscheint hier und da das Epithel der Haarzwiebeln ge- wuchert

Der Tumor selbst besteht in der Hauptsache aus einem derben, bindegewebigen Netzwerk, welches von zahlrdehen Hohl- räumen durdisetzt ist

Man kann eine gewisse Unterscheidung machen sprächen den oberflftehlichen und den tiefen Parthieen der Geeebwutet, die offenbar mit dem Alter derselben zusammenhangt Die tiefcr

Beitrag zur Eenntnias der Augenlidtumoren. 173

liegende Zone stellt das jtiBgere Stadiuin dar, dort scheint die Oeeeiiwiibt weiter zu schreiten.

Der Uebergang zu der oberflächlichen Zime ist ein aflmSh- Meh^. Die oberffilchlidiea Schichten bestehen im Wesentlidien ans eineM £E»erigen; nicht sehr kemreichen Bindegewebe. Auch elastisdbe Fasern sieht man dazwischen. Die Zellen haben auf dem Dnrehschnitt meist eine spindelförmige Gestalt Die Binde- gewdbsbundel treten bald lüs solide langgestredcte Stränge anf, die ans festen Fibrillen bestehen, bald besitzen sie ein stark weilenförmigee Aussehen. An vielen Stellen ist das Oewebe deutlich sklerosirt und bietet geradezu ein hyalines Aussehen.

Die oben erwähnten Hohlräume stellen bald engere, bald weitere Spalten dar. Bald sind sie von unregelmässiger Gestalt^ so zwar, dass oft mehr, oft weniger Spalten zusammentreffen and ein m^ sternförmiges Bild hervorrufen. Die Hohlräume sind ausgekleidet, von einer dn&chen, eontinuirlichen Schicht von endotheloiden, spindelförmigen Zellen, welche zuwdlen ia das Lumen prominiren. Die Hohlräume sind durchweg leer und entir halten nirgends Blut

Ueberall sieht man einen ziemlidi rechlichen Gehalt an Gefässen, die zum Theil prall mit Blut gefOllt nnd. In der Umgebung der Gefösse liegt oft ein junges, concentrisch an- geordnetes Bindegewebe. An den verschiedensten Stellen sieht man kleine Hämorrhagieen im Gewebe; daneben finden sich in hämatogener Pigmentbildung begriffene, zerfallene Blutkörperchen. Sdbst bis in's Epithel hinein kann man Reste von Blut ver- folgen.

Besonders aujQallend sind einzehe, in der Geschwulst zer- streut liegende Parthieen, an denen man eine massenhafte An- sammlung grosser, intensiv sich färbender Kerne findet Man eriLennt sdbst bei starker Vergrössemng fitst nichts von Proto- plasma in dw Umgebung der einzelnen Kerne. Dagegen scheint ein feines reticuläres Stroma zwischen denselben zu liegen (Tau XI, Fig. 3). Auf den ersten Blick machten diese Stellen den Ein- druck des adenoiden Gewebes, möglich aber, dass es sich um Anhäufungen junger Bmdegewebszellen handdt Mehrfadi Hegt dieses kemreiche Gewebe gerade m der nächsten Umgebung der besdiriebenen Hohlräume und reicht direct bis zum Endothelbelag.

Ein etwas anderes Aussehen zeigen die tieferen, offenbar jüngsten Parthieen der Geschwulst Das Bindegewebe ist überall äusserst kemreich, mit zahlreichen spindelförmigen Zeüen durcli- selzt Die Fibrillen erscheinen lockerer und gewellt Daneben

174 M. Becker.

kommen lange Züge von grossen endotheloiden Zellen vor, die gewöhnlich in zwei oder drei Reihen neben einander liegen. Mehr- fach kann man zwischen ihnen Spaltränme entdecken. Daneben finden sich schon ausgebildete kleinere Hohlränme, die ganz den oben beschriebenen gleichen. Auch hier findet man ab und zu llämorrhagieen im Gewebe und Reste in Zerfall begriffener rother Blutkörperchen. Die oben erwähnten Plaques von Kemanhäu- fungen, die ganz an adenoides Gewebe erinnern, liegen etwas dichter zusammen. Nach den Seiten zu findet ein ganz alhnäh- licher Uebergang in die normale Cutis statt. Auch nach hinten zu zeigt der Tumor keine scharfe Grenze.

Ein besonderes Interesse verdienen noch die Stellen der Gesdiwulst, an denen diese auf den M. orbicularis palpebralis übergeht Die einzelnen Muskelbündel sind durch die hinein- wuchemden Zellenzüge und junges Bmdegewebe auseinander ge- drängt. Die Primitivbündel sind theilweise stark verdickt, ge- quollen, mehrfach deutlich gekörnt und offenbar in kömigem Zerfall begriffen. Daneben sieht man dann stark atrophische Bündel. Die Sarcolemmkeme scheinen hier und da vermelirt zu sein.

Von Nervengewebe war in der Geschwulst fast nichts zu sehen. Ebenso liess sich Amyloid nirgends nachweisen.

Wie die anatomische Untersuchung ergiebt, handelt es sich in dem mitgeiheilten Falle um eine geschwulstige Wucherung der Cutis und des subcutanen Grewebes, in der sich neben zahlreichen Hohlräumen Bindegewebe in allen Stadien der Entwicklung vorfand. Kein Zweifel kann ob- walten, dass die Hohlräume als Lymphräume au£su£ASsen sind. Und man wird auch mit Sicherheit sagen können, dass sie nicht etwa nur Ektasieen präformirter Lymph- gefässe und Lymphspalten darstellen, sondern dass sie grösstentheils neugebildet sind. Man findet alle Stadien der Entwicklung neben einander und sieht in den jüngsten Far- thieen der Geschwulst Züge von Endothelzellen, die nur als Lymphgefässsprossen aufge&sst werden können. Man wird entschieden eine active Wucherung der Lymphgefässe annehmen müssen.

Der zweite Hauptbestandtheil der Geschwulst wird

Beitrag zur Kenntniss der Augenlidtumoren. 175

durch das Bindegewebe dargestellt, das in allen Stadien der Entwicklung vertreten ist, und das der Masse nach den grössten Theil der Geschwulst ausmacht

Einer kurzen Erwähnung bedürfen auch die mehrfach in den altem und zahlreicher in den jungem Farthieen der Wuchemng vorkommenden Anhäufungen von Zellen mit grossen runden Kernen und kaum erkennbarem Protoplasma (Taf. XI, Kg. 3). Auf den ersten Bhck musste man über- legen, ob man es nicht mit sarkomatösen Stellen zu thun hätte; doch wird man diese Annahme auf Grund genauerer Untersuchung ausschliessen dürfen. Am meisten erinnern die Plaques an adenoides Gewebe oder an junges Binde- gewebe. Am richtigsten wird man die Zellansammlungen nicht mit dem Lymphgefässsystem in Zusammenhang bringen, sondem sie für Ansammlungen von Bindegewebszellen an- sehen. Bei der Charakterisirung der Neubildung ist noch wichtig, hervorzuheben, dass sie eine diffuse Wucherung dar- stellte imd keine schärfere Begrenzung zeigte. Das Ge- webe geht ohne deutliche Grenze in das der Cutis über und ebenso in das peri- und intermuskuläre Bindegewebe.

Bei der Entscheidung, wie man den vorUegenden Process am besten auffassen soll, könnte man daran denken, die sicher vorhandene active Wucherung der Lymphgefässe für das Bestimmende zu halten. Dann würde die Neubildung zu den Lymphangiomen gerechnet werden müssen. Berück- sichtigt man aber die massenhafte Wucherung des Binde- gewebes und femer den diffusen Charakter der Wuchemng, so würde man zu der Auffassung kommen, dass die Ver- ändemngen der Elephantiasis zuzurechnen sind.

Um der Deutung imseres Falles näher zu treten, dürfte es sich lohnen, die bisherigen Beobachtungen ähnlicher Fälle am Auge anzuführen und einen BUck auf die all- gemeine Pathologie zu werfen, imi zu sehen, in wie weit man auf Grund bisheriger Untersuchungen im Stande ist, pathologisch-anatomische und klinische Unterschiede zwi-

176 M. Becker.

sehen den reinen Ljmphgef ässgeachwiilsten «nd der Eiephan* tiasis anfisosteUen.

An der äusseren Kante der LidrSnder hat Michel^) zu- wdlen kleine Gesdiwülste gesehen^ welehe hei der Operation Flüfisigkeit entleerten. AnatcMnisch bestanden die Tunoren ans fibrilULr^n Bindegewebe^ welches grossere und kleinere EM- rfLume einschloss. Die Wandungen der letastem waren mit einem Endothelbelag versehen ^ während sich in ihrem Innern Lymph- körperchen vorfanden. Er fasste sie als Lymphangiome auf.

Bei einem von Wolf Sachs*) als Lymphangiom mitge- iheilten Falle handelte es sich um eine angeborene Geechwukty welche seit der Jugend langsam gewachsen war. Der Tumor hatte eine relativ weiche Consistenz und gab ein fluctuationsShn- liches Gefühl. Daneben bestand in der linken SchlSfengegend eine flache, drcumscripte Anschwellung, welche von einer gegen die Unterlage verschieblichen harten und sdunerzhaften Ge- schwulst herrOhrte. Dot Lidtumor wurde entfernt Die im Ge- folge hieran in Abscedimng übergegangene und er(yffiiete Ge- schwulst an der Schläfe erwies sich als eine vereiterte Lymph- drüse. Die mikroskopische Untersuchung der Neubildung am Lide ergab ein Gewurr von Muskelüeisem sowie reichlidiee, theÜB lockeres, theils festgefügtes Bindegewebe, das eine Menge vei^ schieden gestalteter Hohbräume in sich schloss. Die HohMiime waren bald durch reichliche bindegewebige Septa von dnander getrennt, bald fanden sich nur dünne Scheidewände zwisdien ihnen. Ausgeklddet waren sie mit einem mehr oder weniger continuh-lichem Endothelbelag. Daneben fimden sich mit Bhit gefüllte Blutgefässe, Nerven in rebitiv grosser Zahl, vereinzelle Fettzellen.

Weiter sind eine Reihe von Fällen unter dem Namen der Elephantiasis beschrieben. Beck^ iheilt zwei FSäe von bedeu- tender Oberlidgeschwulst mit, weldie durch mehrmalige Exdsion zur Heilung gelangten und von denen der eine angehöre war.

^) Graefe-Sämisch, Handbuch der gesammten Augenheil- kunde. Bd. IV, 2. p. 422.

*) Wolf Sachs, Ueber die von den Lymphgefässen ausgehenden Neubildungen am Auge. Beitrflge zur pathoL Anatomie und zur all- gemeinen Pathologie von Ziegler. Bd. V, 1889. p. 110 ff.

■) Beck, Die Elephantiasis des oberen Lides. Inaugnraldissert Basel 1878.

Beitrag zur Keimtniss der Augenlidtumoren. 177

In beiden flUlen handelte es sich nm Vermehrong der Binde- gewebs&sem und der elastischen Elemente. Daneben bestand eine enorme Erweiterung der Lymphr&ume. Der Muse, orbicu- laris war bedeutend vergrössert und zeigte amyloide Degeneration.

In den klinisdien Monatsblättem für Augenheilkunde findet sich femer ein von Walzberg') mitgetheilter Fall von Elephan- tiasis des Oberlides. Der von König operirte Tumor war an- geboren. Er hatte im Laufe von über 20 Jahren eine gewal- tige Grösse erreicht und zu Dickenzunahme auch des knödier- nen Schftdeis, besonders in der Stirn-, Schläfen- und Jochbein- gegend, geführt Die histologische Untersuchung ergab: Neu- bildung von jungem Bmdegewebe, das von elastischen Fasern und Gefäasen untermisdit war; die Cutis war entartet und von zahlreichen Talgdrüsen durchsetzt.

Ein etwas anderes Aussehen bot der Tumor dar, den Teillais^ beobachtet hat Eine 75jährige Frau hatte an beiden oberen Lidern eine grosse fluctuirende Geschwulst, welche bis auf die Wange herabreichte, und aus welcher sich Flüssigkeit entleerte. Es fand sich nach der Operation grob- und fein- maschiges Bindegewebe, Zellinfiltration und Hyperplasie der Lymphgefässe.

Van Duyse^) operirte eine angeborene Geschwulst des rechten oberen AugenÜdes. Im subcutanen Gewebe fand er stark verdickte Bindegewebsbündel. Es hatte eine Vermehrung von Blut- und Lymphgefässen stattgehabt, welche sich stark er- weitert fanden. Das retromusculäre Bindegewebe zeigte die stärkste Verdickung, enthielt Fettzellen und war vor allem reich an jungen Bindegewebszellen. Der Tarsus war unverändert

Bei einem von Fage^) beschriebenen Fall handelte es sicli um eine 22jährige Frau, bei welcher im Alter von 12 Jahren im Momente des Eintritts der Menstruation zum ersten Male eine erysipelartige Anschwellung des Gesichts sich bemerkbar gemacht hatte. Die Lider waren ebenfalls geschwollen und erlangten im

'} Walzherg, Die Elephantiasis des Oberlides. Klin. Monats- blatter für Augenheilk. 1879, p. 439 ff.

*) Teillais, El. des paupi^s. Arch. d'Ophth. 1882, p. 42 ff.

*) YanDuyse, Elephantiasis de la paupiäre sup^rienre. Annal. d'Oculist Th. CII, p. 157 ff.

*•) Fage, Un cas d'^l^phantiasis des paupi^res. Annal. d'Ocu- list CVII, p. 276 ff.

T. Oraefe'B Archlr Ar Ophthalmologie. XLI. 8. 12

178 M. Becker.

Verlaufe weiterer entzündlicher Nachschübe ein immer grösseres Volumen. Diese Anfälle wiederholten sich in den ersten Jahren fast allmonatlich z. Z. der Menstruation; Fieber und gastrische Störungen fehlten. Vom 17. Lebensjahre an wurden die Anfälle weniger regelmässig und weniger häufig^ aber die Anschwellung steigerte sich. Im 19. Jahre wurde die inzwischen verheirathete Patientin schwanger. Es nahm während der Schwangerschaft nach ihrer Aussage die Anschwellung der Lider m erheblichem Grade ab^ wenige Monate nach der Entbindung aber wieder zu.

Zur Zeit der Untersuchung bildeten die vier Lider weiche^ schmerzlose^ elastische Geschwülste. Die Haut war von normaler Farbe. Die Wangen zeigten eben&Us eine leichte Schwellung. Da Patientin die Operation verweigerte, so schritt Fage zum Galvanokauter. Unter Aussickern von Flüssigkeit verkleinerte sich die Geschwulst bald bis zum £ast normalen Aussehen der Lider. Recidive scheinen nidit eingetreten zu sein.

Endlich bleiben noch Mittheilungen von Gorand*) zu er- wähnen. Die Fälle betrafen di-ei Mäddien im Alter von 13 bis 15 Jahren. Bei dem ersten Falle war das Unke Oberlid der Sitz der Erkrankung, und die Geschwulst besass die Grösse einer Haselnuss. Die andere Patientin hatte Ansdiwellung beider Ober- lider in dem Um&nge einer gi'ossen Nuss. Die Haut zeigte eine leicht röthliche Verfärbung, die Geschwulst im Ganzen eine elastische Consistenz. Die dritte Beobachtung Gorand's bezog sich auf ein 15jähriges Mädchen, das seit 2 Jahi'en an Oberiid- Elephantiasis litt.

Virchow*) definirt die Elephantiasis als diffuse Fibro- matose mit chronisch -entzündlichem Charakter. Sie gehört nach ihm zu den Proliferationsgeschwülsten, d. h. die difiuse Bindegewebswucherung ist das die Greschwulst Bedingende, nicht etwa ein den Charakter derselben complicirendes Acci- dens. Die den Process meist begleitenden Verändenmgea des Lymphapparates sind erst das Secundäre. Die Ele- phantiasis ist bald nur auf kleine Stellen des Körpers be-

^) Gorand, Trois cas d'^Mphantiasis de la paupi^re. AnmJ. de la policlinique de Bordeaux. Nr. IX, p. 105. Ref. nach Revue gön^rale d'Ophth. XII, p. 101.

■) Virchow, Die krankhaften üeschwülste. Bd. I, 13. Vor« lesung 1863.

Beitrag zur Kenntniss der Augenlidtumoren. 179

schränkt, bald überzieht sie auch grössere Körperabschnitte. Ihre Entstehung ist, je grösser ihre Ausbreitung, wohl mehr allgemeinen Einflüssen zuzuschreiben weshalb auch gerade die am meisten diffusen Formen nicht blos als er- worbene und sporadische, sondern meist als congenitale und endemische vorkommen. Die Elephantiasis beginnt mit ent- zündlichen Vorgängen: leichter Röthung der Oberfläche und derber, ödematöser Anschwellung der Theile bei massigem Fieber. Die Ansammlung der klaren, gelblichen Oedem- flüssigkeit erklärt Virchow durch Aufhören der Leitung der Lymphgefässe, welche wiederum durch Anschwellung der Lymphdrüsen bedingt ist. Zuweilen geht der Ent- zündungsprocess ohne bleibende Veränderungen zurück, meist indess resultirt eine harte, roth verfärbte Anschwel- lung, welche vermöge ihrer grossem oder geringem Reiz- barkeit Anlass zu neuen gleichartigen Entzündungserschei- nungen werden kann. Sind diese des öflem wiedergekehrt, so entsteht allmählich eine bleibende bedeutendere Verdich- tung und Verdickung des Gewebes. Mit dem Fortschreiten des Processes pflegen dann die Anfälle mehr und mehr fieberlos zu verlaufen und die Krankheit mehr continuirlich zu werden. Der Grad der Ausdehnung des Processes ist ein ganz verschiedener. Oft bleibt nur die Cutis befallen, in anderen Fällen wieder dringt der Process bis zu dem subcutanen Gewebe, den Fascien, dem Fett, ja bis zum Knochen vor.

Ist also das Wesentliche der Elephantiasis die fort- schreitende Entwicklung von Bindegewebsmassen, so kommen daneben mehr oder weniger häufig Veränderungen auch anderer Organe vor. In erster Linie ist zu nennen das Gefässsystem. Unter den Blutgefässen, besonders den Venen, kommt es zuweilen zu bedeutender Entwicklung. Und genau derselbe Process kann sich auch im Lymphgefässsystem abspielen Elephantiasis teleangiectodes. Daneben findet man zuweilen Anschwellung der Lymphdrüsen, welche auch

12*

180 M. Becker.

in seltenen Fallen in Eiterung übergehen können. Die Nerven endlich sind nicht selten mit knotigen fibrösen Ver- dickungen versehen.

lieber die Aetiologie der Elephantiasis ist nach Vir- chow nichts bekannt

In der neueren Literatur ti-ennt König') die mit dem Lymphapparat in Beziehung stehenden Geschwülste in zwei Hauptgruppen, je nachdem dieselben in ihrer Hauptsache auf das Lymphgefäßssystem beschränkt bleiben, oder sie mit erhebUcher fibrillärer Hyperplasie einhergehen.

Mit der ei'steren Form der Geschwülste hat sich be- sonders Wegner beschäftigt. Wegner*) unterscheidet hier grob anatomisch zwei Formen; bei der einen findet sich eine diffiise, allmählich in das gesunde Nachbargewebe über- gehende Infiltration mit vielfach sich verzweigenden Spalt- räumen. Die zweite Form ist charakterisirt als abgegrenzte, mehr prominente Neubildung. Dieselbe ist bald von festerer, bald von weicherer Consistenz und kann in letzterem Fall sogar die Zeichen der Fluctuation darbieten.

Histologisch zieht Wegner einen Vergleich zu den Blutgefässgeschwülsten und statuirt die einfache, cavemöse und cystoide Lymphgefässgeschwulst je nach Grösse imd Anzahl der Lymphräume sowie der Entwicklung des inter- stitiellen Bindegewebes.

Principiell auszuschhessen wäre hier, streng genommen, das Lymphangioma simplex, s. Teleangiectasia lymphatica, wie sie infolge von behindertem Lymphabfluss sowie nach Entzündungen verschiedenster Art auftreten kann. Bei ihr handelt es sich nicht um eine Neubildung, sondern ledig- hch um Ectasie präformirter Lymphgefässe bez. Lymph- spalten. Und doch wieder ist es fast regelmässig unmög- lich, eine Sonderung von den wirkHchen Lymphangiomen

*) König, Lehrbuch der allgemeinen Chirurgie. 1889, p. 827 ff. *) Wegner, lieber Lymphangiome, v. Lange nbeck's Archiv für klinische Chimi^e. Bd. XX, p. 641 ff.

Beitrag zur Kenntniss der Augenlidtumoren. 181

vorzunehmen, da sich nicht feststellen lässt, ob bereits vor- handen gewesene oder neu gebildete Lymphgefässe zur Aus- dehnung gebracht sind.

Birch-Hirschfeld*) kommt aus diesem Grunde zu dem Schlüsse, man könne mit Sicherheit nur da von wahren Lymphangiectasieen reden, wo irgend welche plausible Ur- sachen vorlägen, welche zu ihrer Entstehung Anlass geben könnten Circulationsanomalieen, chronische Bindegewebs- schrumpfungen in der Umgebung etc.; und er stellt dann femer den Satz auf, dass principiell nur dort der Name Lymphangiom berechtigt sei, wo „Geschwülste durch erweiterte Lymphgefässe gebildet werden, welche normaler Weise an der betreffenden Stelle nicht präformirt sind".

Mit Recht weist Schmidt*) hier auf die doppelte Schwierigkeit hin, einmal den Beweis einer Lymphgefäss- neubildung zu erbringen, und sodann zu beweisen, dass diese Neubildung an Stellen stattfindet, wo normaler Weise keine Lymphgefässe existiren.

Die wahren Lymphangiome nun sind zusammen- gesetzt aus einer grossem oder geringem Anzahl von Hohl- räumen, welche durch Septen von einander getrennt sind. Das Linere der Hohlräume ist ausgekleidet mit einer ein- fachen Lage Endothel. Der Inhalt besteht der Hauptsache nach aus flüssiger oder geronnener Lymphe, welche spontan unter dem Bilde der Lymphorrhoe ausfliessen kann. Je nach dem Grade der Füllung haben die Geschwülste eine weiche oder prall elastische Consistenz; meist sind sie erectil. Das die einzelnen Hohlräume von einander trennende Ge- webe zeigt meist grossen Reichthum an Blutgefässen und mehr oder weniger reichliche Rundzelleninfiltration.

*) Birch-Hirschfeld, Lehrbuch der allgemeinen Pathologie. 4. Aufl., p. 162.

*) Schmidt, Beiträge zur Kenntniss der Lymphangiome. Arch. far Dermatologie und Syphilis. XXII, 1890, p. 546 ff.

182 ÄI- Becker.

Was den Entwicklungsmodus der Lymphangiome an- belangt, 80 stellt Wegner hierüber drei Theorieen auf:

1) Die Geschwülste entwickeln sich durch allmähliche Dilatation präformirter Grefasse unter gleichzeitiger Neu- bildung der Wandelemente d. h. durch Ectasie mit Hyperplasie. Aetiologisch kommt in Betracht die durch irgend welche Ursachen Lymphthromben, entzündliche Processe, Gefässoompression hervorgerufene Lymph- stauung.

2) Daneben können ausser den ursprüngUch vorhan- denen Lymphbahnen auch solche mit in den Process hinein- gezogen sein, welche durch Proliferation der Endothelzellen aus den ersteren neugebildet werden homoplastische Neo- plasie.

Und endlich

3) kann sich aus dem normal vorhandenem Binde- gewebe Granulationsgewebe entwickeln, welches durch secun- däre Umwandlung Hohlräume erzeugt, die den Charakter Lymphe führender Bahnen annehmen heteroplastische Neoplasie.

Was die Aetiologie anbelangt, so ist nichts Sicheres bekannt Die Geschwülste kommen sowohl angeboren ei Stauungen während der Fötalperiode (Wegner) als €i\\ eilen, hier zuweilen nach Traumen vor. Ihr häufig- ster Ausgangspunkt ist das subcutane Gewebe.

Die zweite Hauptgruppe der mit dem Lymphgefäss- System in Verbindung stehenden Geschwülste ist nach König, wie wir oben sahen, charakterisirt dadurch, dass dieselben mit erheblicher fibrillärer Neoplasie complicirt sind. Die Lymphräume sind durch derbe Bindegewebsbündel zu einem mehr oder weniger engen Lumen zusammengedrängt

Aber es kommt noch ein zweites Moment hinzu, wel- ches sie von den vorerwähnten Neubildungen unterscheidet: sie sind sämmtlich chronische Entzündungsprocesse. Unter schubweise auftretenden acuten Anschwellungen vergrössert

Beitrag zur Kenntniss der Augenlidtumoren. 183

sich das Volumen der Greschwulst, um hierauf wieder zu- sammen zu fallen. Die ursprüngliche Grestalt wird jedoch nicht wieder erreicht, vielmehr bleibt nach jeder Exacerba- tion die Geschwulst grösser und vor allem derber. Es ent- wickelt sich neues und stets reichlicher werdendes Binde- gewebe, welches aus einer fortschreitenden Hyperplasie des präexistirenden Bindegewebes hervorgeht Die entzünd- lichen Schübe sind in den verschiedenen Fällen verschieden intensiv, und ebenso ist ihre Häufigkeit keine gleichmässige. Auch diese Geschwülste kommen angeboren wie erworben vor. Sie sind circumscript, können sich aber auch über grössere Körperoberflächen diffus ausbreiten. Der Process beschränkt sich auf die Oberfläche oder greift in schwere- ren Fällen in die Tiefe; ja, er kann bis auf den Knochen vordringen und auch diesen in Mitleidenschaft ziehen.

Das geschilderte Bild ist das der bereits oben charak- terisirten Elephantiasis teleangiectodes lymphatica Yir- chow's. Es ist dieselbe Geschwulstart, welche in der an- geborenen Makroglossie vorUegt

Ueberbhcken wir die einzelnen Arten der Lymphgefäss- geschwülste noch einmal, so ist es in der That schwer, eine scharfe Grenze zwischen ihnen zu ziehen.

Zunächst ist schon mit Schmidt und Wegner die Lymphangiectasie nur theoretisch von dem wahren Lymph- angiom zu sondern. Der Nachweis, ob bereits vorhandene Lymphgefässe bez. Lymphbahnen durch Stauung ectatisch wurden, oder ob es sich zugleich um Neubildung von solchen handelt, ist eben nicht zu erbringen. Die Uebergänge zwi- schen den wahren Lymphangiomen selbst beruhen auf der Grösse der lymphatischen Hohlräume. Hier bleibt es selbst- verständlich wieder dem Anatomen überlassen, in welche Rubrik er eine Geschwulst einreihen will. Was endlich die lymphangiectatische Elephantiasis anbelangt, so ist sie

184 M. Becker.

allerdings in allererster Linie durch die massenhafte fibril- läre Hyperplasie charakterisirt weswegen Virchow sie überhaupt als Bindegewebsgeschwulst auffasst, bei der erst secundär zumeist das Lymphgefässsystem mitbetheiligt ist, aber auch hier ist eine strenge Trennung yon dem Lymph- angiom, speciell von dessen cavemöser Form, wo die Binde- gewebsentwicklung gegenüber der Anordnxmg der lympha- tischen Hohlräume mehr in den Vordergrund tritt, nur allzu oft nicht möglich.

Einer strikten anatomischen Classificirung der Tumoren können grosse Schwierigkeiten entgegenstehen. Von den Formen an, bei welchen der cystische Charakter das mikro- skopische Bild beherrscht, bis zu denen, bei welchen die Hohlräume durch das intensiv gewucherte Bindegewebe bis zu den engsten Spalten reducirt erscheinen, giebt es unzählige Uebergänge. Ja, der Walzberg'sche Fall zeigt, dass man unter Umständen von Lymphräumen überhaupt nichts zu Gesicht bekommt, und doch zweifellos die Ge- schwulst nur hier eingereiht werden darf (Elephantiasis dura, Virchow).

Hinzu kommt, dass die Neubildungen sämmtlich difius oder drcumscript vorkommen. Wenn man auch im All- gemeinen wohl annehmen kann, dass der Elephantiasis mehr der diffiise, den Lymphangiomen der mehr circumscripte Charakter eigen ist, so ist die Schwierigkeit der Diagnose um so grösser, wenn der Process an Stellen, wie in unserem Falle an den Augenlidern, localisirt ist, wo die Entschei- dung, ob circumscript oder diffus besonders im ersten Sta- dium an und für sich nicht leicht ist.

Auch die Entstehung giebt kein unterscheidendes Merk- mal ab, da beide Affectionen angeboren und erworben vor- kommen. Der Umstand femer, dass die Elephantiasis als chronischer Entzündungsprocess unter schubweiser Schwel- lung imd Röthimg der befallenen Parthieen auftritt, ist gewiss klinisch bei Localisation am Augenlid nur in wenigen

Beitrag zur KenntnisB der Augenlidtumoren. 185

Fällen diagnostisch verwerthbar. Die Symptome sind doch nur gering und schwer erkennbar. Fieber wird vollends ein kleiner Lidtumor nicht hervorrufen.

Dennoch werden wir den von uns mitgetheilten Fall mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit als eine Elephantiasis auffassen dürfen, wenn auch der chronisch entzündUche Charakter der Erkrankung klinisch nicht hervortrat Die blaue Verfärbung war durch Blutungen in den Tumor, die sich anatomisch nachweisen Uessen, bedingt Der diffuse Charakter, das TJeberwiegen des Bindegewebes, neben dem die Lymphräume doch erhebhch zurücktraten, das üeber- greifen des Bindegewebes auf die Umgebung besonders die Muskeln, dürften hinreichen, den Fall der Elephantiasis zuzurechnen. Damit stimmt überein, dass nach der letzten Operation kein Reddiv aufgetreten ist

Zum Schluss erlaube ich mir, Herrn Professor Dr. Wagenmann für die XJeberlassung des Materials und für die freundliche Unterstützung bei der Anfertigung der Ai-beit meinen verbindlichsten Dank auszusprechen.

Erklärung der Abbildungen auf Taf. X und XI, Fig. 1—3.

Fig. 1. Patient bei seiner Aufnahme in die Klinik. Fig. 2. Patient nach der Operation.

Fig. 3. Durchschnitt durch den Tumor. (Schwache Vex^grösserung). E Epidermis. LG ^^ Lymphgefässe. Z i— Zellen mit grossem Kern und fast nicht erkenn- barem Protoplasma.

Ein Fall von snbconjnnctiYalem Angiom.

Von

Dr. D. Bossalino und Dr. O. Hailauer, wissenschaftl. AssiBtenten Volontairarzt der Klinik.

(Aus der Augenklinik des Herrn Professor Schiess in Basel.)

Hierzu Tafel XH, Fig. 1—3.

Ein Fall von Buboonjiinotivalem Angiom« Nach Virchow^) sind die Angiome Geschwülste, die angeboren vorkommen oder kurz nach der Geburt ent- standen sind.

Ziegler*) iasst unter dem Namen Angiom geschwulst- artige Bildungen zusammen, an deren Zusammensetzung Blutgefässe einen hervorragenden Antheil nehmen, spedell passt nach Virchow') die Bezeichnung Angiom nur für solche Tumoren, welche ganz oder wesentHch aus einer Um- bildung von Gefässen oder Gefässelementen bestehen.

Nach dem Bau dieser Geschwülste werden verschie- dene Formen unterschieden. Für das Auge kommen jedoch in der Hauptsache nur zwei wichtigere Formen in Betracht:

1) Das Angioma simplex oder die Teleangiectasie.

2) Das Angioma cavemosimi.

Während die Gefässveränderungen bei Angioma sim- plex im WesentUchen auf eine circumscripte Dilatation prä-

*) Virchow, Krankhafte Geschwülste. Vol. III. p. 419,

») Ziegler, Pathol. Anatomie. Vol. I. p. 246.

») Virchow, Krankh. Geschwülste. Vol. III. p. 310.

Ein Fall von subco^junctivalem Angiom. 187

existirender oder neugebildeter Capillaren sich zurückführen lassen, besteht das cavemöse Angiom aus einem System weiter, mannigfach gestalteter Hohlräume, die von einander nur durch bindegewebige Scheidewände getrennt sind. Diese Letztem bestehen aus kernhaltigem Bindegewebe oder aus Spindelzellengewebe und zeigen da und dort Commu- nicationsöffiiungen, zwischen den einzelnen Bluträumen ^).

Was die Localisationsstellen der cavemösen Tumoren anbelangt, so iSnden wir dieselben hauptsä<ihlich auf der Haut und im subcutanen Gewebe.

Am Auge kommen ebenfalls Angiome vor, diese finden sich an den Ladern in der Orbita, am Bulbus und dessen Hüllen. Die palpebralen Formen sind häufig und meist teleangiectatischer Natur, während diejenigen des Bulbus und der Orbita voniehmUch zu den cavemösen Tumoren zählen.

Uns interessiren hauptsächUch die Angiome der dem Bulbus angehörigen Theile und wir haben dabei zunächst die conjunctivalen Formen.

Nach Virchow*) steUen die Angiome der Conjunetiva ent- weder eine Ausbreitung palpebraler Geschwülste dar, oder sie entwickeln sich primär in der Schleimhaut. Diese sind aber sehr selten und scheinen meist auf die Nävusstufe beschränkt zu bleiben. Sämisch*) erwähnt als Lieblingssitz der primären Bindehautangiome die innere Commissur, spedell die Plica semi- lunarls. Hier halten sie sich zunächst jahrelang unverändert, nehmen ganz allmählich an Umfang zu und wirken später durch ihre Grösse störend.

Celinsky*) beobachtete in der Gegend der Caruncula lacri- malis eines Patienten eine brombeerförmige, veilchenblaue Ge-

*) Ziegler, Pathol. Anatomie. Vol. I. p. 248.

*) Virchow, Krankh. Geschwülste. Vol. UI. p. 403.

') misch, Handbuch der ges. Augenheilkunde v. Graefe und Sämisch. IV. 157.

^) V. Ammon, Klin. Darstellung d. Augenkrankh. 1838. Bd. II. Taf. IX, Fig. 10.

188 I>- Bossalino und 0. Hailauer.

schwulBt; welche fast das ganze Auge bedeckte und beinahe bis zum Munde herabreichte.

Reich ^) sah bei einem Gymnasiasten temporal von der Cornea des rechten Auges ein Angiom der Oonjunctiva, das die Form „eines grossen hängenden Tropfens" zeigte und sich auf Fingerdruck entleerte.

Rampoldi und Stefanini ^ berichten über 2 BUlle von Angioma conjunctivae. In dem einen derselben handelte es sich um einen kleinen, maulbeerartigen Tumor „von der Farbe emer trockenen Kaffeebohne". Dieser sass am rechten Auge, in der Gegend der Carunkel und blutete leicht beim Reiben des Auges. In dem andern FaU war der kleine Tumor gestielt, gmg aus vom rechten Fomix conjunctivae und hing über die Hornhaut herab bis in die Gegend des untern Pupillarrandes; gleichzeitig bestand Thränensackblennorrhoe.

Ueber eine an der Greifswalder Augenklinik beobachtete Geschwulst der Conjunctiva angiomatöser Natur berichtet Kro- schinsky*).

Der Tumor stammte von emem siebenjährigen Knaben, hatte ungefähr die Grösse einer Erbse, war von eiförmiger Ge- stalt, von blutrother Farbe, sass in dem äussern Winkel des Conjunctivalsackes und war mit einem ca. 3 mm langen, grau- lich gefärbten Stiel am Ligamentum canthi extemum befestigt. Beim Versuch, den Tumor abzutragen, riss der Stiel, sobald die Geschwulst mit der Pincette ge&usst wurde, ab; es floss fast kein lYopfen Blut.

Von unsem 5 lUllen von conjunctivalen Angiomen nehmen drei (Rampoldi, Stefanini und Celinsky) ihren Ausgangs- punkt in der Carunkelgegend, an der als typisch bezeichneten Stelle, während Fall Kroschinsky und Reich in der äussern Lidspaltenzone sitzen. Mit Ausnahme von Fall Celinsky er- reichen diese Tumoren Erbsen- bis Kirschgrösse und sdieinen im Allgemeinen benigne Geschwülste zu sein, da sie nach Ab- tragung meist nicht recidiviren.

Ueber Angiome der Chorioidea existiren mehrere Beobach-

*) Nagel, Jahresbericht über Ophthalmologie 1880. pag. 252. •) ibid. 1885.

") Kroschinsky, Angiome der Conjunctiva (Beiträge zur Augen- heilkunde, Deutschmann, Heft XIV).

Ein Fall von subcoiyunctivalem Angiom. 189

tongen. Aus der uns zugänglichen Literatur konnten wir 6 f^le entnehmen ^).

Bei dem Fall von Nordenson scheint es sich um ein Angiosarkom zu handeln. In den Beobachtungen von Panas und Taylor sind die Hohhräume sehr regelmässig; die Balken bestehen aus selu* feinem Gewebe und darin finden sich nodi Pigmentzellen der Chorioidea. In dem Fall von Schiess scheint der cavemöse Charakter am meisten ausgeprägt; die Septen be- stehen daselbst aus Bindegewebe mit spindelförmigen Kernen.

Einen Fall von Angioma corneae erwähnt der ältere Graefe *); daselbst war ein sogenanntes angeborenes Staphylom bei einem 7 jährigen Mädchen so gewachsen ; dass die Augenlider nicht ge- schlossen werden konnten. Da die vordere Kammer ganz frei war; so trug er die Geschwulst ab; sie bestand aus kleinen; in sich verwebten Gefassen und milchweissen Ramificationen die er für Lymphgefässe mit geronnenem Inhalte nahm.

Muskelangiome der Augen wurden bis jetzt nicht bekannt gegeben.

Wir publiciren nun in extenso unsem Fall, da er uns in mehrfacher Hinsicht interessant erscheint

Patient; 17 Jahre alt, kommt Anfang Mai 1893 zum ersten Mal in die Augenpoliklinik und ^ebt an, seit ca. 5 Jahren auf seinem rechten Auge eine dunkle Geschwulst bemerkt zu haben. Diese sitzt der nasalen Parthie des rechten Bulbus auf und hat die Grösse einer mittleren Bohne. Schmerzen verursachte der Tumor nie, ebenso konnte kein Unterschied im Sehvermögen der beiden Augen constatirt werden. Patient war sonst immer gesund, ähnliche Geschwülste wurden in der Familie nie bemerkt.

S beiderseits =1, E., keine Doppelbilder, Beweglichkeit vollständig normal.

*) Sämisch, Handbuch der gas. Augenheilkunde v. Graefe und Sämisch IV. Anat pathol. de Toeil par F. Fannas VII. (Tumeur cavemeux de la choroide ou angiome caverneux pag. 60. . Taylor, Angioma cayemoso della corro\'de. (Lavori della clinica ocnlistica di Napoli HI.) SchiesH-GemuBeus, v. Graefe's Arch. f. Ophthalm. XXXIV. 3. p. 240. Nordenson, v. Graefe's Arch. f. Ophthalm. XXXI. 4. p 69. Guilini, v. Graefe's Arch. f. Ophthalm. XXXVI. 4. p. 247.

*) C. Graefe, Angiectasie. p. 30.

190 I>* BoBsalino und 0. Hallauer.

liLngere Zeit blieb Patient in poliklinischer Beobachtung. Bei Beliandlung durcli Compressen mit concentrirtem Acetnm Satumi blieb der Zustand längere Zeit stationär. In der letzten Zeit jedoch wui*de ein deutliches Wachsthum des Tumors nach unten bemerkt, wobei eine Art von lappigem, flachen Fortsatz sich bildete. Auch wurde das Auge bei strenger Arbeit leicht gereizt

Da sich trotz der erviälmten Behandlung die Gonjunctiva über dem Tumor zu verdicken begann, wurde Patient in die Anstalt aufgenommen.

Status praesens am 10. I. 95.

Kräftig aussehender, gut genährter Mann, Gesiclit etwas gedunsen, keine ectatischen Venen. Am Nacken zahlreiche Naevi pigmentosi, am Körper keine Angiome, Herz normal.

Rechtes Auge ist äusserlich reizlos, wird gut geöfihet und vollständig geschlossen, lider normal.

Bei geradeaus gerichtetem Blick kommt nasal, gerade unter dem Rande des obem Lides ein et^as prominenter blaurother Tumor zum Vorscliein. Beweglichkeit des Auges nach allen Seiten nonnal. Blickt Patient stark nadi auswärts und etwas nach unten, so zeigt sich eine nasalwärts von der Karunkel be- deckte, flache, etwa bohnengi'osse, von den Seiten allmählich sich emporhebende Gesdiwulst von bläulichrother Farbe, unter der Gonjunctiva bulbi sitzend. Ihre Grenzen smd scharf; nach unten zeigt sie einen flaclien, zungenförmigen Anhang neuem Datums.

Beim Blick nacli aussen übersieht man die Geschwulst in ihrer ganzen Ausdehnung; beim Blick nach innen verbergen sich die inneren Parthieen unter der Karunkel und der Plica semilu- naris. Ihre Oberfläche ist leidit uneben. Die Gesdiwulst fühlt sich elastisch an und lässt sich durch fingerdruck nicht entleeren.

Gegen den innem Lidwinkel ist die Gonjunctiva über dem Tumor verdickt, in der Umgebung der Geschwulst aber nicht verändert Bei geschlossenem Lid marldrt sich der Tumor als leichte, localisirte Erhebung der Lider. Tension des Bulbus wie links, normal. Geschwulst 3 mm dick, 4^/, mm im verticalen und 5 mm im horizontalen Durchmesser. R. S = 1 , II 0,5. L. S=l, H 0,5.

Operation am 12. I. 95 unter Gocain. Nach ausgiebiger Spaltung der den Uaupttheil des Tumors deckenden Bindehaut lässt sich der Erstere nach innen und oben vollständig von der Sklera ablösen. Es wird nun audi die Gonjunctiva über dem nach unten liegenden flachen Geschwulstfoi*tsatz gespalten; dabei

Ein Fall Yon subconjunctivalem Angiom. 191

zeigt sich die blossgelegte, dünne^ aus einzelnen kleinen Beerchen zusammengesetzte Geschwulst vollständig nackt; daneben noch ein völlig isollrter Drüsenacinus.

Beim Versuch die Geschwulst von ihrer skleralen Insertion abzupräpariren, geräth man in ein dichteres, stärker blutendes Gewebe und jetzt fällt die kleine Geschwulst zusammen.

Beim weiteren Ablösen von der Basis, kommt die verdünnte, unter der Insertion des Rectus internus gelegene Sklera zum Vor- schein. Es wird nun die zusammen gesunkene Geschwulst mög- lichst rein herausgesdinitten und der untere, flache Tlieil des Tumors eben&lls abgetrennt Während der ganzen Ablösung keine erhebliche Blutung. Erst nachher kommt aus dem ver- dichteten Gewebe unter der Karunkel etwaa mehr Blutung, die sich aber mit Eisschwämmen vollständig stillen lässt.

Ein deutlich erkennbarer Internus lässt sich nicht finden; es ist offenbar die Geschwulst ganz mit dem Muskelgewebe ver- wachsen.

Dafi dicke Bindegewebe unter der Karunkel wird nun durch eine Catgutnaht unterbunden; die beiden Fadenenden werden mit Nadeln unter der Conjunctiva am obem und untern Hom- hautrand durchgeführt und geschnürt, so dass die vorher deut- liche Insufficienz nasalwärts verschwindet Die klaffenden Con- junctivalwunden werden durch Suturen verbunden und Atropin und Druckverband applicirt. Homhautepithel während der Ope- ration eingetrocknet

Die ei-sten 2 Tage nach der Operation bestanden ziemliche Schmerzen, Conjunctiva war massig geschweUt und wenig ge- reizt Mittelstellung des rechten Bulbus gut, nach links ziem- liche Divergenz. Es wird wieder trockener Verband angelegt. Wundverlauf gut In der folgenden Woche geht der anfangs massige Reizzustand langsam zurück; Pupille blieb auf Ati'opin weit, Verband wurde weggelassen. Die Conjunctiva ist in der Gegend der frühem Geschwulst noch ziemlich stark geschwellt und geröthet

Am 22. Januar, also 10 Tage nach der Operation, be- standen keine spontanen Doppelbilder und mit Prisma waren schwach gekreuzte, unter rotiiem Glas nach links hervorzurufen. Eine genau ausgeführte Prismenprüfung ergab nachstehenden Befund.

In 30 cm Abstand:

Beim Blick 45^ nach links: gekreuzte Doppelbilder, die durch Prisma 12^ vereinigt werden.

192 ^* Bossalino und 0. Hallauer.

Beim Blick geradeaus: keine Insuffidenz. Beim Blick nach rechts: gleichnamige Doppelbilder^ die durch Prismen von 4*^ vereinigt werden.

Abduction 12<> Pr., Adduction 20<» Pr.

In Zimmerlänge:

Nach links: keine Doppelbilder.

Nach rechts: gleichnamige Doppelbilder durch Prisma 4^ vereinigt.

Abduction 4^ Pr., Adduction 10» Pr.

Status am 25. Januar, 14 Tage nadi der Operation:

R. A. Leichte lichtscheu, Conj. palpebr. leicht hyperä- misch. Leichte Schwellung und Röthung ün nasalen Theil der Conj. bulbi. Hornhaut klar, an ihrem nasalen Rand leichte Auf- lockerung des Epithels. Beim Blick nach rechts starke Span- nung der Conjunctiva sclerae mit leichter Bewegungsbehinderung nach aussen, nach innen kaum verminderte Excursion des rediten Auges.

Blickfelder temporal und nasal eingeschränkt, spontan keine Doppelbilder. Unter rothem Glas nach rechts gleichnamige, nadi links gekreuzte Doppelbilder. R. S = 1 , H 0,5.

Nach der Entlassung am 26. I. erheisdit eine kleine In- filtration am innem Homhautrand einen weitem Spitalaufenthalt von Ende Januar bis Mitte Februar. Patient blieb hernach unter Controle der Poliklinik. Ende April war die Stelle der Ge- schwulst glatt vernarbt, Cornea rein. Nur bei ganz excentrischer Stellung nach innen oder aussen können sehr wenig distante Doppelbilder mit rothem Glas hervorgerufen werden.

Pathologisch -anatomischer Theil.

Der Tumor wurde in 2^/^ Sublimatlösung fixirt, daiauf in Wasser gewaschen, mit Alcohol gehärtet und in Paraffin ein- gebettet

Die Schnitte werden mit Picrocarmin, Alauncarmin und Hämatoxylin-Eosin gefärbt

Unter dem Mikroskop sieht man bei schwadier Vergrösse- rung kleinere und grössere unregelmässige Hohlräume bald von rundlicher, bald von ovaler Gestalt und mit mehr oder weniger dicken Scheidewänden. Die grossem erreichen eine Länge von 1,2 mm bei einer Breite von 0,5 mm; die kleinem runden er- reichen 0,08 mm.

Ein Fall von 8ubcoi\iunctivalem Angiom. 193

Die Wände dieser Cavitäten variiren je naeh ihrer Grösse und bestehen aus einem dichten^ mit i^ärlichen Kernen ver- sehenem Bindegewebe, in welches bald dicht gedrängte, bald zerstreute, quergestreifte Muskelfasern eingebettet sind. Dazwischen finden sicli auch einzelne hyaline Heerde ohne irgend welche bestimmte Anordnung. Die Hohhräume selbst sind gefüllt mit rothen Blutkörperchen und deren Derivaten.

Der l\imor zerfällt in 2 deutlich getrennte Parthieen.

1) In einen, wo die grösseren Hohlräume beisammen liegen ; durdi ein ziemlich homogenes, wenig zellenreiches, fibrilläres Bindegewebe getrennt.

2) In einen andern, wo das Stroma mehr in den Vorder- grund tritt, die Hohh^ume kleiner werden, weniger communi- ciren und sich in ihrer Form und Grösse den hier reichlich ver- tretenen Gefässen nälieni. Dieser ganze Theil der Geschwulst ist von quergestreiften Muskelfasern reichlich durchsetzt. Die ganze Geschwulstmasse ist umgeben von einer deutlidien Kapsel, die im grossen Ganzen 0,018 mm breit ist, die aber an ein- zelnen Stellen eine Dicke von 0,048 mm erreicht

Das bindegewebige Stroma des Tumors zeigt bald wellige, bald streifige Fasern, mit spindelförmigen Kernen. In diesem Stroma liegen die mächtigen Wandungen der grossem Gefasse, welche eine sehr dicke und scharf raarkirte Muskelschicht be- sitzen. Es handelt sich dabei offenbar um bereits ectatische grössere Gefässe. Neben diesen Gefässen mit verdickten Wan- dungen finden sich einzelne kleinere Hohlräume mit ziemlidi homogener Wandung, offenbar den Uebergang bildend zu den grösseren Hohlräumen.

Die Wandungen der grossem Hohlräume sind gewöhnlich ausgekleidet mit einer Schicht jendothelialer Zellen. Sind aber die Hohlräume schon sehr erweitert oder setzen sidi 2—3 solcher zusammen, so kann man auch mit stärkster Vergrössemng keine endothelialen Zellen mehr beobachten.

In den Lumen einzelner Cavitäten sehen wir, eingeschlossen von einer grossen Menge rother Blutkörperchen, mndliche Massen von homogenem Bindegewebe, die mit Eosin und Alauncarmin sich fUrben. Es sind das offenbar ausgesparte Balken des Stroma, in welches einzelne feinere Gefässe sich hinein erstrecken. Es gehen von solchen Balken auch laterale Fortsätze in das um- liegende homogene Stroma hinein. Wenn diese Stromasepta atrophiren, so confluiren natürlich die von ihnen umgebenen kleinen Hohlräume zu einem grossen.

V. Oraefe's Archiv für Opbtbalinologie. XLI. 3. 13

194 ^- Bossalino und 0. Hailauer.

In die Hohlräume sieht man au einzelnen Stellen vom Rande her eigenthümliche, zapfenartige Fortsätze hineinnigen, welche mit dem umliegenden Stroma von ganz gleichartiger Struc- tur sind.

In der zweiten, dichteren Partliie der Geschwulst treten die Muskelfasern mehr in den Vorderginind. Die blutführenden Räume sind hier weniger gross, das Sti-oma weniger dick, üeberall sehen wir hier massenhaft auftretende, quergestreift« Muskelfasern. Sie liegen zerstreut durch das bindegewebige Stroma; man sieht aber auch einzelne inmitten eines kleinen Hohlraums. Hier Hnden wir auch zwischen den Muskeln und deren Endomysium zalil- reiche, fernere Blutgefässe mit gut erlialtenem endothelialem Ueber- zug; zwischen demselben in dem zarten Bindegewebe nicht sehr zahlreiche, ii*eie, rothe Blutkörper. Diese sind vollständig gut erhalten und unregelmässig mi CSewebe zerstreut. Man vnrä daher wohl annehmen müssen, dass dieselben während der Ope- ration aus den GefÜssen oder Hohlräumen in das Sti'oma ein- gedrungen seien.

Betrachtet man genauer das Stroma, auch an Stellen, wo dasselbe mächtig ist und rein bindegewebiger Natur erscheint, so findet man in demselben hie und da zersti'eute Derivate von quergestreiften Muskeln, die ein ziemlich homogenes Aussehen haben. Die Fasern haben ihr urspiiingliclies Gefüge zum ITieil eingebüsst. Die Streifung ist theilweise oder vollständig ver- loren gegangen; die Kerne des Sarcolems sind schwach gefärbt, oft zeigen sich die Muskelfasera nur als Kügelchen hyahner Sub- stanz. Solche gestreifte Muskelparthieen findet man auch in den Septen, welche inmitten der Hohlräume liegen; sie können dabei unmittelbar vom Blute umspült oder auch durch zarte Binde- gewebsschichten getrennt sein. Besonders bei den grösseren Hohlräumen kann man weitere Communicationsöflhungen zwi- schen denselben constatiren, so dass das Blut frei aus einer Höhlung in die andere dringt. Es sind das die Stellen, wo das Stroma gegenüber den blutgefüllten Räumen mehr in den Hinter- grund tritt. Da wo das Muskelgewebe massenhaft auftritt, sind die Hohlräume viel kleiner und näliem sicli in ihrem Kaliber den gewöhnlichen Blutgef^sen.

An einigen Stellen sieht man inmitten der Hohlräume kleinere Gefäjsse liegen, welche meist von sehr feinen und atro- phisdien Wänden begrenzt sind. Bei längerem Bestand würden dieselben wahrscheinlich in den Hohbräumen untergegangen sein; OS sind das wohl die letzten Reste der ehemaligen Zwisdien-

Ein Fall von subconjunctivalem Angiom. 195

wände ^ welclie am längsten Widerstand geleistet haben. Man sieht auch im Inhalt der Hohh^ume weisse Blutkörperchen, aber sclieinbar in normaler Quantität.

Es ist wohl kein Zweifel, dass der Tumor ein exqui- sites cavemöses Angiom ist Es zeigte das das hinzuge- hörige Stroma und die mit Blut gefüllten kleinen und grossen, theil weise communicirenden Hohlräume.

Von Anfang an war die Geschwulst als von der Con- junctiva ausgehend angesehen worden. An ein muskuläres Angiom wurde nicht gedacht, erstens, weil solche am Auge nie beobachtet worden; zweitens, weil die Functionen des Musculus internus, von dem allein die Kede hätte sein können, vollständig intact war.

Schon bei der Operation wai* es jedoch ausseiest auf- fäUig, dass bei der reinlichen Ausschälung der Geschwulst nichts mehr von der Insertionsparthie des Internus zu sehen war. Es lag die hier verdünnte Sklera nackt vor Augen. Es fehlte jetzt auch die Wirkung des Musculus internus und diese stellte sich erst wieder ein, nachdem die peri- phere Parthie des Muskels hervorgeholt und mit der Con- junctiva vereinigt wurde. Mit der Geschwulst war also ofifenbar auch ein Theil des Muskels entfernt worden. Damit stimmt auch die histologische Untersuchung.

Wie aus der Beschreibung hervorgeht, besteht die Ge- schwulst aus zwei deutlich getrennten Parthieen: eine mit grossen Hohlräumen und sehr wenig Muskulatur und eine andere mit kleinen Hohlräumen und mit reichUcher Mus- kulatur. Dass die zweite Parthie ganz als muskuläres Angiom bezeichnet werden muss, darüber kann wohl kein Zweifel bestehen. Ob dagegen die erstere mit mehr homo- genem, bindegewebigem Stroma und grossen Hohlräumen nicht dem subconjunctivalem Gewebe entspringt, kann frag- lich bleiben. Jedenfalls scheint es wahrscheinlich, dass diese Parthie die ältere ist, da hier die Ectasieen der Gefässe eine viel beträchthchere Ausdehnung gewonnen haben. Es

13*

196 D. Bossalino und 0. Hallauer.

würde sich dann auch leichter erklären, warum von Seiten des Muskels während des Lebens keinerlei Störungen vor- lagen. Die kleinen, secundären^ traubenförmigen Fortsätze der Greschwulst nach unten, die beim Lospräpariren als freie, nackte Träubchen zu. Tage traten, werden wir uns als im subconjunctivalen Gewebe entstanden, denken müssen. Auch wenn die erste Entwicklung der Geschwulst, die wir ja nicht verfolgen konnten, im subconjunctivalen Gewebe stattgefunden hätte, so ist im Moment der Operation der Tumor jedenfalls ein wesentlich muskuläres Angiom ge- worden. Dass der Muskel, dessen Gefa^se ja auch die Con- junctiva zum Theil versorgen und die Ursprungsstelle der vorderen Ciliargefässe sind, die Brutstätte eines cavemösen Angioms wird, ist a priori nicht erstaunlich. Nach der Conformation des Stroma's müssen wir mit Virchow an- nehmen, dass Hand in Hand mit der Entwicklung und Er- weitenmg der Gefässe auch eine Neubildung von Stronia stattgefunden habe.

Ihrer histologischen Natur nach als auch ihrer LocaU- sation wegen ist demnach unsere Geschwulst von grösstem Interesse. Wir sehen sämmtliche Uebergänge von den ectatischen Gefässen zu den kleinem Hohlräumen und zu den grossen Cavitäten. Lange Zeit bleibt die Geschwulst ungefähr auf derselben Höhe und zeigt sehr wenig Wachs- tlmmstendenz. Mit der Vergi'össening die sich endlich doch anbahnt, geht selbstverständlich auch ein gewisser Beiz- zustand Hand in Hand. Die Conjunctiva selbst lässt sich scharf von der Kapsel des Tumors ablösen; die Ausschälung imd Entfernung der Geschwulst erfolgt ohne irgend eine erhebliche Blutung. Trotz der innigen Verflechtung des Tmnors mit dem Muskelgewebe bleibt keine störende In- sufficienz zurück. Das Gewebe im nasalen Skleraldreieck bleibt einige Zeit allerdings verdickt und bedingt eine tem- poräre Störung der Homhautemährung mit Infiltrat, gleicht sich aber vollständig aus. Wir würden in einem ähnlichen

Ein Fall von subconjunctiTalem Angiom. 197

künftigen Fall mit der operativen Entfernung keinen Augen- blick mehr zuwarten.

In der uns zugänglichen Literatur konnten wir keinen Fall von Muskelangiom am motorischen Apparat der Augen auffinden. Nach unserer Ansicht dürfte dies demnach die erste pubUcirte Beobachtung sein^).

Herrn Prof. Schiess erlauben wir uns an dieser Stelle für die gütige üeberlassung dieses Falles und für die freund- hche Unterstützung an obiger Arbeit bestens zu danken.

Erklärung der Abbildungen auf Tafel XII.

Fig. 1. Querschnitt durch den ganzen Tumor (Picrocarminfärbung). aa Kapsel. && Hohlräume.

cc Stroma mit Muskelfasern. (Hartnack: Objectiv I, Ocul. I.) Fig. 2. Hohlraum zwischen den gestreiften Muskelfasern sich ent- wickelnd. aa quergestreifte Muskeln. h ectaslrte Gefässe.

V Grösseres Gefäss, angrenzend an einen Hohlraum. c Hohlraum mit Endothelauskleidung. d Querschnitte von Muskeln. (Koritska, Objectiv IV, Ocular I.) Fig. 3. Kleine Gefässe einen Hohlraum durchsetzend. a Capillargefäss.

h Reste von Scheidewänden iind Balken, die noch in der Blutmasse liegen ; einzelne weisse Blutkörperchen, c Stroma. (Koritska, Objectiv IV, Ocular I.)

'] Das Verhalten zur Intemussehne war klinisch ganz ähnlich in einem von mir beschriebenen Fall von Varix 8ubcoi\junctivalis mit umgebenden kleineren cavemösen und teleangiectatischen Bluträumen, die bis zum Aequator des Auges in die Tiefe reichten und sich sogar etwas in das Gewebe der Sklera hineinerstreckten. Eine mikroskopische Untersuchung der stark coilabirten Gewebsparthieen konnte nicht vor- genommen werden. Th. Leber.

lieber Eapselabhebimgen.

Von

Dr. Alfred Topolanski, Augenarzt im Barmherzigen Spital in Wien.

Hierzu Tafel XIII, Fig. 1—5.

Mit Kapselabhebung bezeichne ich jenen Zustand im Auge, bei welchem die Linsenkapsel mit der Linsensub- stanz nicht mehr ihren normalen, immittelbaren Contact hat, sondern von dieser durch eine dazwischen liegende Schicht mit mehr oder weniger wässerigem Lihalt losge- trennt erscheint. Jene Fälle also, in welchen durch eine Veränderung des Inhaltes des Kapselsackes die Linse zu krümüchen, in Flüssigkeit aufgeschwemmten Massen um- gewandelt wurde (auf deren Grund oft der Linsenkem herab- gesunken ist) halte ich davon ausgeschlossen. Es gilt nur eine Continuitätstrennung der Kapsel von der Linse.

L

Die angeborene Kapselabhebung. Li diesen Fällen zeigt die Linse das bekannte Bild der Linsen- colobome als einen Defect an ihrer Randcontinuität in Form von Einkerbungen (oder auch nur einer solchen), über welche die Kapsel in ihrem normalen Situs hinweg- zieht und so eine Art halbmondförmiger Haube über der Linse bildet. Sie scheint mit einer Flüssigkeit gefüllt zu sein, da auf ihr auch mit dem Uchtschwachen Spiegel keinerlei Streiftmg wahrzunehmen ist, die freilich auch nur sehr schwer zu beobachten wäre. Der Ldnsenrand erscheint als beschattete Contour am Grunde der Haube. Es hau-

üeber Kapselabhebungen. 199

delt sich hier also um ein blasenartiges Kapselsegment^ das dem linsencolobom aufsitzt.

Ich habe einen .solchen Fall gesehen, bei dem es sich um diese Form der Abhebung der Kapsel, um einen nicht mit Linsenmasse, sondern offenbar Flüssigkeit erfüllten Kapselabschnitt handelte und lese zu meinem Vergnügen, dass auch Th. Christen in einer PubUcation (Knapp's Archiv XXIX, Bd. 3 4, pag. 237) allerjüngsten Datums gleichfalls von einer solchen Beobachtung berichtet. Er sagt daselbst: „Besondere Erwähnung verdient das Ver- halten der Kapsel in zwei Fällen, wo der Kapselsack den Linsenrand überragt und seine normale Stellung beibehält, obwohl die ausfüllende Linsenmasse fehlt . . . ." In den beobachteten Fällen handelte es sich um Individuen mitt- leren Alters, bei denen keine Linsentrübung dadurch be- dingt war. Es kommt also der Zustand, dass Kapsel und linse von einander getrennt, der Zwischenraum zwischen beiden durch Flüssigkeit ausgefüllt ist, angeboren vor. Sehr richtig bemerkt Christen, dass dieses Verhältniss nicht unwichtig für die Frage der Abstammung der Kapsel ist; dieser Umstand würde dann für die alte Ansicht Arnold's sprechen, dass sie entstehe „durch Differenzirung des die linse umhüllenden und von dem mittleren Keimblatte ab- stammenden Gewebes". Entscheidend aber in der Frage der Genesis der Kapsel kann dieser Befund wohl nicht sein, denn ob nicht an dem durch das Colobom anders gelagerten linsenrande eine glasartige Kapsel als lieber- zug von den Epithelzellen ausgehend doch noch da ist, kann ohne anatomische Präparate nicht entschieden werden.

IL

a) Kapselabhebungen kommen auch in normalen Augen, die keinerlei Spuren irgend welcher Veränderungen weder durch Krankheit noch durch das Alter oder sonstwie zeigen, vor, und zwar am Bande der Linse. Auf dieses Verhalten

200 ^- Topolanski.

habe ich gleichzeitig mit Magens hingewiesen und diese Fälle näher beschrieben (s. Klinische Monatsblätter f. Augen- heilkunde, März 1892). Ich will daher darauf nicht naher eingehen, sondern nur in Kürze angeben, dass der Inhalt derselben im An£eingsstadium die Linsensubstanz selbst ist, und dass erst bei einer gewissen Vergrösserung bei der Bildung der eigentlichen Abhebung dann ein Kaum zwi- schen der linse und der Kapsel frei wird, der sich auf Präparaten als mit Resten einer offenbar flüssigen Masse, in der sich kleine Krümelchen befinden, erfüllt zeigt Diese Kapselabhebungen sind in der Form von der Ur- sache ihrer Entstehung dem Zug der Zonula auf die Kapsel abhängig und sind demnach zeltförmige Er- hebungen und haben ihren Platz am Aequator der Linse resp. dem Zonulaansatze an der Kapsel. Ich bin nicht im Stande zu sagen, ob diese Abhebungen stets ohne Be- deutung für die Linse sind, wie man nach dem äussern Ansehen glauben sollte, und auch Magens drückt sich nach dieser Richtung hin reseiTirt aus. Bei der Bedeu- tung des Ortes aber möchte man sie fast bei manchen Katarakten für nicht blos zufällige Erscheinungen halten, und so komme ich dadurch auf die

b) zeltförmigen Erhebungen des Linsenrandes zu sprechen, die an dieser Stelle mitunter bei kataraktösen Linsen zu finden sind. Ich habe einige Zeit hindurch sehr gerne der eigentlichen Extraction kataraktöser Linsen eine präparatorische Iridektomie vorausgeschickt imd dann oft zu sehen Gelegenheit gehabt, dass diese Erhebungen der Kapsel am Linsenrande gar nicht so sehr selten bei kata- raktösen Linsen vorkommen, und auch wiederholt gesehen, dass streifenförmige Trübungen der Linse sehr gerne vom linsenrande her ihren Urspnmg nehmen als Fortsetzung einer solchen Kapselabhebung an ihrem Rande.

Magnus („Entwicklung des Altersstaai-es", Breslau 1892) spricht den Verdacht aus, dass die grossen Schläuche

Ueber Kapselabhebungen.

Furchungen der Linsensubstanz an ihrer Oberfläche sein könnten, und es würde sich nun um die Frage handebi, entstehen die zellförmigen Abhebungen gern dort, wo die Schläuche sind, oder umgekehrt die Schläuche dort, wo schon Abhebungen sind. Vielleicht gehört beides dem- selben Process an; es erscheint mir am wahrscheinlichsten. Hat eine senile Katarakt Schrumpfung eingegangen, so sieht man die Abhebung fast ausnahmslos. Sie hat dann wieder dieselbe Ursache in dem Widerstände der Zonula. Die geschrumpfte Cataracta senilis bildet auch den Uebergang für die Gruppe

III. bei welcher es sich darum handelt, dass Abhebungen (nicht die eben erwähnten zellförmigen des Linsenäquators) an Linsenkapseln dadurch entstehen, dass in pathologisch ver- änderten Augen a) die linse einen Schrumpfiingsprocess mitmacht Wird aus irgend einer Ursache in einem schwer kranken Auge eine trübe Linse in ihrem Volumen zurück- gehen, so zieht sich der Kapselsack nicht immer entsprechend stark zusammen. Die Kapsel ist wohl sehr elastisch und wird sicher beim Schrumpfen einer linse ein wenig in sich zusammen gehen, jedoch nur in geringem Maasse.

Wird bei einer Discission die Kapsel geschlitzt, so rollen sich ja immer die Bänder um, sie ist kein steifer Sack. Wird aber die Kapsel durch eine Anheftung fest- gehalten, sei es durch eine Iiisvenvachsung oder dui'ch Fasern der Zonula, so bleibt sie in der Form noch als Sack bestehen, während die linsenmasse zurückweicht und es entsteht dadurch ein mit Flüssigkeit gefüllter Baum zwischen beiden, die Kapsel selbst hebt sich in Falten ab. Ein Fall mag hier als Beispiel erwähnt werden.

Ein junger Mann von 17 Jahren erlitt in der Weise eine Verietznng, dass eine auf ihn zugeworfene 1^/g cm grosse Heft- nadel ans Stahl die Cornea nach aussen unten von der Mitte

202 A. Topolanski.

perfoiirte. Die Iris proiabirte, die gleichfalls verletzte Linse war an die Hinterwand der Hornhaut angepresst. Idi machte nadi innen zu die Iris los und schnitt sie heraus. An der Veriet^ungs- narbe blieb rückwärts ein Stückchen Ins angeheilt, sonst war der l^pillarrand frei beweglich (s. Fig. 1, Taf. XIII). Die linse trübte sicli vom im Umfimge einer Hälfte des Radius zu einer weissen diditen, wie inkrustirten Masse das häufige Bild traumatischer Linsentrübung; von weldier Masse aus sich trübe Ausläufer in Flammenform gegen die durclisiclitig gebliebene Peripherie hin erstreckten. An&ngs blieb der ganze übrige Coitex der Linse normal; der Abstand zwischen diesen und den sichtbaren Cillai'- fortsätzen gleichfalls. Allmählich im Verlaufe von Monaten jedoch trat eine leichte oberflächliche Trübung auch dieses Linsentheiles eiU; und der Abstand des Aequators von den Fortsätzen wai- ein entschieden viel bi^eiterer, was nach einer genauen Zeiclmung constatirt werden konnte. Mit dem iichtschwachen Spiegel konnte man central vom Linsenäquator^ der sich entiiindete und zackige KapselabliebungeU; wie sie sub II beschrieben, zeigte , einen diesem parallel verlaufenden doppelt contourirten Saum beobadi- ten, der gleichfalls nicht vollkommen inmd, sondern ausgezackt erschien und sich durch seine Pai*allaxe mit der Umgebung und auch, durch einen lichten Schatten beim schiefen Beleuchten nach der andern Seite hin als Kapselabhebung documentirte. Es ist also durch einen Schrumpfungsprocess in der paüiologisdi ver- änderten Linse an jener Stelle, wo die vorderen Zonulastränge auf die Kapsel hin fächerförmig ausstrahlen ^ eine Abhebung in der ganzen Breite längs dieser Ausstrahlungszone entstanden (8. Fig. 1, Taf. XIII).

b) Es kann ferner in einem pathologisch veränder- ten Auge die Bildung einer circumscripten Kapselkatarakt die Veranlassung zu einer Kapselabhebung werden, und zwar dann, wenn die Kapselkatarakt einen regressiven Pro- cess mitmacht und an Volumen abnimmt, so dass dadurch die Kapsel, deren Elasticität allein nicht .mehr hinreicht, um diesem Schrumpfungsprocesse zu folgen, ein Ueber- gewicht als Continens gegenüber dem zurückgegangenen Contentum erhält Die Kapsel wird dann in Form von Blasen von der linse abgehoben bleiben. Die Kapsel- katarakt an und für sich führt dadurch, dass sie entsteht

Ueber Kapselabhebungen. 203

und wächst, schon zu einer Kapselabhebung in dem Sta- dium ihres Anwachsens; insofern aber, als das Gewebe der Katarakt ja nur von dem Epithel abstammt und den Inhalt der abgehobenen Kapsel bildet, möchte ich da nicht so sehr Gewicht darauf legen, als vielmehr auf das spätere Stadium der Schrumpfung, die in diesen neugebildeten Ge- weben eintritt Diese Verhältnisse der Schrumpfung sind von Becker in der Anatomie der gesunden und kranken Linse so erschöpfend beschrieben worden, dass ich mich wohl darauf beschränken darf, auf diese hinzuweisen.

Der Vollständigkeit wegen bringe ich hierzu die Figur 4 (Taf. XTTT), welche uns zeigt, wie auf einem regressiv ver- änderten Kapselkataraktgewebe die Kapsel in Form von grösseren und kleineren Blasen unregelmässig aufliegt, die im Durchschnitt als Schhngen resp. Falten anzusehen sind, Dass jene glasartige Membran, welche die Kapselkatarakt nach innen zu umgiebt, nicht durch Spaltung der alten Linsen- kapsel (Becker), sondern als eine Neubildung aus dem Kapselepithel aufzufassen ist, geht aus den Befunden Wa- genmanns imd Versuchen C. Schloessers u. a. hervor. Es handelt sich also hier nicht um eine Lamellenab- hebmig.

Wieso die Schrumpfung und Abhebung der Kapsel von grosser Wichtigkeit für die weitere Lagerung der ganzen Linse sein kann, ist von vorne herein klar; ist nämlich der Zusammenhang der Linse resp. Kapsel mit dem Auf hänge- apparat so sehr gelockert, dass dadurch ein Missverhältniss der Spannung entsteht, so liegt es wohl nahe, spontane Luxationen der Linse, so selten sie auch vorkommen können, darauf zu beziehen, um so mehr als man ja sehen kann, das^ in solchen Fällen die Erkrankungen, welche Ursache der Kapselkataraktbildung geworden sind, an den Ansatz- stellen der Zonula auch diese selbst lockern und die Luxa- tion unterstützen müssen Verhältnisse, auf die ich ein anderes Mal zurückkommen will.

204 A. Topolanaki.

IV.

Kapselabhebungen von Narben ausgehend. Nun kommen wir zu jener Gruppe von Fällen, bei welchen eine Narbe der Kapsel (und dem etwa angewachsenen Irisepithel) durch die Schrumpfung, welche sie ja wie eine Narbe der äussern Haut mitmacht, einen Zug aus- übt und durch diesen eine Abhebung veranlasst Da es hier nicht eine Verkleinerung des Kapselinhaltes ist, welche diese von der Linse sich trennen lässt, sondern ein auf sie ausgeübter Zug, so ist auch die Form eine andere, nämlich die von Falten, und zwar mit der Richtung vom Orte des Zuges aus, also in der Art, dass sich die Faltungen über die Oberfläche hin erstrecken, von der Narbe weg aus- laufend. Die Falten sind so beschaffen, dass sie an der Narbe eine breitere Basis haben und von dieser sich ver- schmälern mid endlich in feinsten Spitzen sich verlieren. Sie können einzeln stehen, können aber auch in ganzen Büschehi neben einander von der Narbe ausgehen, bis zu 12 und darüber.

Beim Ansehen eines solchen Auges von vorne oder bei seitlicher Beleuchtung sind sie gewöhnlich nicht sicht- bar, hingegen sind sie im durchfallenden Lichte bei licht- schwachem Spiegel sofort zu bemerken insbesondere dadm^ch, dass sie einmal als dunkle spitzige Figuren, das andere Mal bei einer Drehung des Spiegels gerade umgekehrt hell- glänzend, stark Licht reflectirend, wie Glassplitter, sich prä- sentiren. Eine geringe Bewegung mit dem Spiegel genügt, um diesen Wechsel zu veranlassen, so dass diese Stellen mitunter durch ihr Flimmern auffallen. Es sind mir Fälle dieser Art bei verschiedener Ursache von Narbenbildung vorgekommen. Ich will einige davon als besonders interessant anführen.

Ein Patient wurde wegen Glaukom von mir zuerst nach oben iridektomirt. Trotzdem die Iris sehr breit und bis zum Ansätze entfernt worden war, trat nadi einiger Zeit Reddiv auf. Da Eserin voilibergehend Erfolg hatte, wiederholte ich die Iri-

Ueber Kapselabhebungen. 205

dektomie nach aussen. An jener Stelle der Linse (Fig. 2, Taf. XIII), wo der äussere Colobomschenkel der ersten Iridektomie angelag^ war^ zeigte sich nach der zweiten^ dass eine Yerklebnng der Iris mit der Kapsel stattgefunden hatte, da Irispigment haften geblieben war. Nach Verlauf von ca. 6 Wochen, während welcher Zeit ich eine Ti-libung der Narbenstelle bemerkte, konnte ich mit dem lidit- schwachen Spiegel eine von dieser Stelle ausgehende kurze Falte gegen die Mitte der Unse zu entdecken, welcher sich in rascher Aufeinanderfolge innerhalb von ca. 14 Tagen eine grosse Anzahl gleicher anreihten, so dass schliesslich 9 kürzere und Iängei*e faltige Abhebungen zu constatiren waren, bei welcher Anzahl es auch blieb. Sie boten jene eingangs erwähnten Merkmale und bestehen nun seit vielen Monaten, olme dass die Linse in ihrem Aussehen hinter ihnen irgendwie eine Störung er&hren hätte; die übrige Linse ist nämhch durchsichtig. In wie weit sie selbst auf das Sehvermögen Einiluss nehmen, kann ich nicht sagen, da eben das Auge auch sonst durch den Glaukomprocess schwer erkrankt war.

Nicht uninteressant war es, zu sehen, wie diese Narbe die linse in ihrer Form beeinflusste. Die Narbe verlief nämlich (s. Fig. 2, Taf. XIII) zuerst entsprechend dem frülieren Colobom- schenkel gerade nach oben, dann nach aussen über die Linse, wo sie vor dem Linsenrande aufhörte. Der Linsenrand zeigte sidi von normaler Rundung. Allmählich aber und zwar nachdem schon die Kapselabhebungen in ihrer jetzigen Form vorhanden waren, schien es, als wenn die Narbe gegen den Linsenrand hin sich fortgesetzt hätte, indem nämlidi dort die Durchsichtigkeit durcli ein feines Bändchen, das offenbar ganz oberfläclilich war, unter- broclien wurde, imd gleichzeitig begann der Linsenrand eine Ein- schnünmg zu zeigen. Ich halte auch das Bild, wie der Linsenrand es auf Fig. 2 (Taf. XIII) darstellt, durch eine Einschnürung von der alten Narbe aus bedingt, an welcher Einschnürung auch die Kapsel Üieilnimmt^ wie m der Figur gezeichnet. Nachträglich änderte sich nur insofern etwas an diesem Zustande als der Ciliarfortsatz, welcher dem eingeschnürten Lmsenrande entsprach, viel weiter herunter rückte und aus der Reihe der andern hervorragte.

Ein anderer Fall zeigte mir diese Abhebungen nach einem Trauma (Fig. 3, Taf. XIII). Durdi ein an das Auge angeflogenes Stück Holz erlitt Patient eine Verletzung, in Folge deren bei der ersten Vorstellung nur eine Blutung in die vordere Kammer des linken Auges zu sehen war. Als diese sich allmählich aufsaugte, zeigte sich dahinter die Pupille entrundet und nach innen zu ver-

206 A. Topolanski.

lagert, so dass dort nur ein schmaler Theil Iris übrig geblieben war. Später wurde dieser Theil des Ringes noch schmäler und hinter- liess beim Zurückziehen an seinem früheren PupiUenrande dne kleine schwarze, nach innen convexe Linie auf der Kapsel als Reste adhärent gebliebenen Irispigmentes. Die linse selbst war nach aussen davon etwaB stärker getrttbt, nach innen nur ganz oberflächlich mit feinsten milchweissen Pünktchen besetzt, jedocli nicht so dicht, dass man den Fundus nicht hätte klar durch- sehen können. Ich bin nidit vollkommen sicher, ob diese TVü- bung der Linse oder der Kapsel angehörte; dod) davon später. Ueber diesen Theil hin zogen sich von der Narbe ausgehend 5 ungleich grosse Falten in der beschriebenen Form von Spiessen

mit feinsten Spitzen, die sich in die normal anliegende Kapsel

f*

verliefen. Die Sehschärfe war mit 5 D -— , welche Herab-

18

Setzung ich zum Theil auf die Abhebung zurückführe. Hier

sowie im vorhergehenden Falle erreichten die Falten eine ganz

ansehnliche Länge, T\ne aus der Zeichnung zu sehen.

Merk\iiirdig ist in beiden Fällen das Verhalten des Bildes der Abhebung, wenn die Linse durch Accommodationsbewegung ihre Krümmung ändert. Es springen nämlich die Schatten, welche man mit dem lichtschwachen Spiegel jede Abhebung begleiten sieht, plötzlich mit blitzschneller Bewegung an scheinbar eine andere Stelle, manchmal rasdi hinter einander, so dass das Bild flimmert Beim Verschieben des Spiegels dagegen in Ruhelage gehen die Schatten langsam der Bewegung entsprediend.

Bezüglich der Trübung der sonstigen Linsenoberfläche ist Folgendes, was ihren Sitz anbelangt, ob in der Kapsel, ob epithelial in der Linse, zu überlegen. Es ist zwar schwer, ohne Querschnitte der Kapsel und Linse selbst darüber zu entscheiden. Ich möchte aber doch glauben, dass es sich um Trübungen handelt, die in der Kapsel selbst ihren Sitz haben und zwar aus mehrfachen Gründen. Der Erste, welcher über solche Befunde in Präparaten berichtete war H. Müller, nach welchen die Kapsel Granulationen und kömige Anlagerungen zeigte (welch letzterer ßefiind sich auch in einigen meiner Präparate bei chronischer Ader- hautentzündung etc. fand), welche auch Becker beschrieb, später jedoch für einen Lrthuin hielt, da er glaubte, dass

Ueber Kapselabhebungen. 207

er diese Befunde hätte öfters antreffen sollen. In letzter Zeit hat Wagenmann bei der Beschreibung einer Kapsel- katarakt (v. Graefe's Archiv XXXV. 1, p. 186) jedoch neuerlich beschrieben, dass sich in der Kapsel Hohlräume l)efanden, die mit krümlicher Eiweisssubstanz ausgefüllt waren und bringt hierzu eine Zeichnung.

Ich kann mir ganz gut denken, dass es sich hier um ganz ähnhche Befunde handelt, die makroskopisch als feinste Pünktchen und Inselchen einer milchweissen, fleckigen Trü- bung imponiren. Gegen den Sitz im Epithel der linse spricht der Umstand, dass bei solchen Veränderungen des Ldnsenepithels wohl andere, schwerer Natur hätten nach- folgen sollen, so dass die Linse ihre sonstige Durchsichtig- keit nicht hätte bewahren können.

Anhangsweise möchte ich noch jener Möglichkeit einer Kapselabhebung Erwähnung thun, bei welcher nicht die Kapsel ihrer ganzen Dicke nach sondern nur in einer La- melle abgehoben erscheint Die Trennung der Kapsel in ihre Lamellen, die Berg er mit hypemiangansaurem KaU an der Leiche zeigte, kann in pathologisch veränderten Augen gleichfalls, intra vitam, zu Stande kommen.

So steht mir die Linse eines Auges, das an lang- dauernder Entzündung im Uvealtract mit ihren Folgen erkrankt war, zur Verfügung, an deren Kapsel sich Ab- spaltungen in mehreren Schichten finden; die Kapsel ist stellenweise wie aufgesphttert, in mehrere ungleich dicke Schichten zertrennt; stellenweise erscheint die oberste La- melle in grösserer Ausdehnung von den anderen abgehoben, wenn auch die Abhebung nicht eine sehr bedeutende ist. Ich glaube nicht, dass dies eine Leichenerscheinung oder ein Härtungsproduct sei, das man dann wohl bedeutend häufiger antreffen müsste, sondern glaube, dass eine gewisse Sprödig- keit der Kapsel und Tendenz zur Trennung in Lamellen durch stärkere Verbiegimgen der ganzen Kapsel im kranken Auge zur Lamellenabhebung Anlass gab (Fig. 5, Taf. XHI).

Ueber die Filtration ans der yorderen Kammer bei normalen nnd glaukomatösen Angen.

Von

Dr. Chr. F. Bentzen in Kopenhagen

und Professor Th. Leber m Heidelberg.

In seinen Studien über den Flüssigkeitswechsel ini Auge*) hat Th. Leber bewiesen, dass im Kammerwinkel eine stetige Filtration des Humor aqueus aus den Maschen des Fontana'schen Baumes in den Circulus venosus Schlemmii und in die damit zusammenhängenden Aeste der vorderen Ciliarvenen stattfindet Dass dieser Vorgang in der That als eine Filtration zu betrachten ist und im anatomischen Sinne kein offener Zusammenhang zwischen dem Schlemm- schen Venenkranz imd der vorderen Augenkammer existirt, wie manche Autoren angenommen haben, wurde neuerdings durch eine grössere Eeihe von uns gemeinschaftlich an- gestellter Versuche, über welche Th. Leber kürzlich in diesem Archiv*) berichtet hat, bestätigt.

Auf obiger Grundlage haben bekanntlich seiner Zeit Knies') und Ad. Weber*) zur Erklärung der Druck- steigerung bei dem Glaukom die Theorie aufgestellt, dass durch Anlagerung der Lisperipherie an den Homhautrand

^) V. Graefe's Archiv für Ophthalm. XIX. 2. (1873.)

«) Ibid. XLI. 1. (1895).

») Ibid. XXII. 3. (1876) und XXIII. 2. (1877). *) Ibid. XXIH. 1.

(1877.)

Ueber die Filtration aus der vorderen Kammer etc. 209

der Kammerwinkel verlegt und dadurch die Filtration des Kammerwassers gestört sei, woraus bei gleichbleibender Absonderung eine Steigerung des Augendruckes erfolgen muss. Diese Theorie ist bis heute, trotzdem sie später von anderer Seite, besonders durch die Untersuchungen von Priestley Smith wichtige Stützen erhalten hat, keineswegs sicher bewiesen. Man hat dagegen geltend gemacht, dass die Verlegimg des Kammerwinkels vielleicht nur eine Folge der Drucksteigerung sei, also über deren erste Entstehung keine Auskunft gebe, wenn sie auch im weiteren Verlauf zu deren Erhaltung beitragen könne; femer hat man ein- gewendet, dass der Kammerwinkel bei Glaukom zwar häufig, aber nicht ausnahmslos verschlossen ist, in manchen Fällen sogar trotz erheblicher Drucksteigerung erweitert gefunden wird. Man sieht leicht ein, dass über den hier in Betracht kommenden Vorgang, die Filtration aus der vorderen Kam- mer in die abführenden Venen, die anatomische Unter- suchung allein keinen genügenden Aufschluss geben kann.

Wenn auch die Irisperipherie mit dem Sklerocomeal- rand verwachsen ist, so folgt daraus doch nicht mit voller Sicherheit, dass das Kammerwasser seinen Weg an dieser Stelle nicht mehr nach aussen findet; andererseits ist die MögUchkeit zuzugeben, dass auch bei offenem Kammer- winkel durch eine Verdichtimg des Gewebes an der in Be- tracht kommenden Stelle die Filtration mehr oder minder stark gehindert sein kann.

Um unsere Einsicht in die Entstehung der glaukoma- tösen Drucksteigerung zu fordern, ist es daher von Wich- tigkeit, das Verhalten der Filtration aus der vorderen Kammer bei glaukomatösen Augen direct zu untersuchen.

Th. Leber hat diesem Funkte schon seit dem Jahr 1880 seine Aufinerksamkeit zugewendet 1881 theilte er mit'), dass er bei zwei frisch enucleirten glaukomatösen

') Transact. of the VII. sess. of the Internat med. congr. Lond. 1881. Vol. III. p. 88 (Discussion).

▼. Gnefe's Archlr fOr Ophthalmologie. XLI. 3. 14

210 Chr. F. Bentzen und Th. Leber.

Augen die Ritration durch Einführung eines Manometers in die vordere Kammer geprüft und im Vergleich mit der Norm erheblich verlangsamt gefunden habe. 1885 und 1888 konnte er gelegentlich über die Fortsetzung dieser Versuche berichten *). Er giebt an, dass er seitdem jedes enucleirte glaukomatöse Auge auf seine Filtrationsfahigkeit geprüft habe, und zwar sowohl Fälle von primärem als secundärem Glaukom, und dass ihm noch kein Fall vor- gekommen sei, wo sich die Filtration aus der vorderen Kammer nicht erheblich herabgesetzt gezeigt hätte. Er hält es daher für nachgewiesen, dass beim Glaukom ein Verschluss der Filtrationswege stattfindet Eine ausführ- hchere Mittheilung über diese Versuche musste bisher unter- bleiben, da die anatomische Untersuchung der dazu be- nutzten Augen noch fehlte, welche jetzt von Bentzen aus- geführt worden ist Zugleich wurden von letzterem noch einige neue Versuche angestellt, welche das Ergebniss der ersteren bestätigen und vervollständigen.

Sonst haben wir in der Literatur nur eine einzige hier- her gehörige Angabe finden können. Heisrath*) berichtet, dass er an einem Auge mit Secundärglaukom Berhnerblau in die vordere Kammer injicirt habe, ohne dass, abweichend vom normalen Auge, eine Injection des Circulus venosus zu Stande kam.

Die Zahl der von Th. Leber angestellten Ver- suche an glaukomatösen menschhchen Augen beträgt 9, nach Ausschluss zweier unvollständig gelungener, bei welchen der Apparat nicht fest genug schloss, wo aber das Ver- halten doch im WesentUchen ganz übereinstinmiend war; ausserdem wurde zum Vergleich noch ein Versuch an einem

») Bericht über die XVII. Vers, der Ophthalm. Ges. 1886. S. 131 132. (DiBcussion.) Bericht über den VII. period. intemat. Ophthalm. - Congress in Heidelberg 1888. p. 277. (Discussion.)

') Heisrath, Zur Frage nach der Unutche des Glaukoms. Gen- tralblatt f. d. med. Wiss. 1879, Nr. 43.

Ueber die Filtration aus der vorderen Kammer etc. 211

nicht glaukomatösen menschlichen Auge mit eitriger Glas- körperinfiltration angestellt Hierzu kommen zwei Ver- suche von Bentzen an glaukomatösen und 3 Versuche an möglichst frischen normalen menschlichen Augen.

Wir werden zunächst die letzteren Versuche mittheilen, welche über das Filtrationsvermögen des normalen menschlichen Auges Au&chluss geben, und dann zur Mittheilung der Versuche an pathologischen Augen übergehen, wobei wir sie nach der Form der Erkrankung ordnen und überall einige klinische Notizen und soweit möglich den pathologisch -anatomischen Befund beifügen werden. Zum Schluss werden wir prüfen, zu welchen Folge- rungen über die Entstehung des Glaukoms diese Versuche berechtigen.

Leider standen uns von den älteren Versuchen nur noch 8 Augen zur Verfögnng. Dieselben waren sämmtlich in Herr- scher Flüssigkeit und dann in Alkohol gehärtet; drei waren noch ganz, drei halbirt und drei weitere schon in Gelloidin eingebettet und zum Theil geschnitten. Die zwei Versuchsaugen Bentzen's wurden in Formol und Alkohol gehärtet Die von ihm unter- suchten Augen wurden sämmtUch im verticalen Meridian auf- geschnitten, nach Oelloidineinbettung in Serienschnitte zerlegt und jeder zehnte Serienschnitt untersucht Zu den Versuchen Leber's diente in 6 FSiXlen das von ihm beschriebene^) Quecksübermano- meter mit einem weiten und einem engen Schenkel (von 1 ^/^ mm Weite); der erstere stand mit dem Auge in Verbindung, während am letzteren der Hg-Druck abgelesen wurde; die Schwankungen an dem anderen Schenkel konnten wegen der Weite desselben vernachlässigt werden. Bei den übrigen fallen wurde ein Mano- meter mit zwei weiteren Schenkeln von 8 9 mm Durchmesser benutzt Während der Einführung der Stichcanüle war das Mano- meter vom Auge abgeschlossen; vor Herstellung der Communi- cation wurde der Druck im letzteren auf eine gewisse Höhe gebracht und nachher das Absmken beobachtet; ebenso wm^e das Manometer vom Auge abgeschlossen, wenn während des Versuchs eine Druduteigerung vorgenommen werden sollte. Am Ende des Versudis wurde inuner ein negativer Druck im Mano-

*) V. Graefe's Arch. f. Ophthalm. XIX. 2. p. 112—113.

14*

212 Chr. F. Bentzen und Th. Leber.

meter erzeugt, um so viel als möglich von der ii^icirten Fldnig- keit zu entleert y damit sich diese nicht späterhin weiter im Auge ausbreite, als es während des Venuches geschehen war.

Versuche über die FUtration aus der yorderen Augenkammer bei normalen menaohliehen Augen.

Zu den beiden ersten Versuchen wurde von Dr. Bentzen der Bequemlichkeit halber statt eines Hg-Manometers ein 50 cm langes und 5 mm weites, oben mit Triditer versehenes Glasrohr benutzt, welches durch einen Kautschuksdilaudi mit der Ein- stichscanüle in Verbindung stand. Dicht hinter der Ganüle be- fand sich eine Klemme zum Verschluss des Kautschukschlaudies. Der Apparat wurde an einem verstellbaren Stativ angebracht und mit der Injectionsflüssigkeit gefüllt Nach Einfü^^rung der Canüle in die vordere Kammer wurde die Klemme entfernt und während der späteren Drucksteigerungen die Communication nicht wieder unterbrodien. Die Messung der Filtration unter dnem be- stimmten Drucke erföhrt dadurch eine Störung, dass durdi die Drucksteigerung eine Ausdehnung der Bulbuswandung hervor- gerufen wird, was natürlich ein Sinken des Druckes bewirkt; um den dadurch bedingten Fehler möglichst zu beseitigen, wurde jedesmal sofort nachdem der Druck abgesunken war, wieder so viel Flüssigkeit nachgefüllt, bis der durch eme Marke bezeich- nete ursprüngliche Stand wieder erreicht war, und von da an erst das alimähliche Sinken beobachtet

Als Injectionsflüssigkeit diente theils Berlinerblaulösung, theils eine Mischung von diesem mit 20 ^/^ Lösung von Säurefodiffln. Die letztere wurde gegenüber der früher benutzten Karminlösung bevorzugt wegen ihi*er grösseren Difiusionsfähigkeit, die sidi sowohl bei Versuchen an normalen Kaninchenaugen, als auch bei DifPusion durch Pergamentpapier ergab. Während das Säure- fnchsin in einem Augenblick durch die Membran zu destilhrtem Wasser liindurchdrang, war von der benutzten Carminlösung selbst nach 24 Stunden nur sehr wenig difiundirt. Die Druck- hohen wurden auf Hg- Druck umgerechnet

Die beiden hier mitzutheilenden Versuche sollten zugleidi über das Verhältniss der vorderen Augenkammer zu dem Gir- culus venosus Schlemmii Aufschluss geben und die Frage eat" scheiden helfen, ob und unter welchen Bedingungen Berlinerblau aus der vorderen Kammer in den genannten Venenkranz über-

lieber die Filtration aus der vorderen Kammer etc.

213

zugehen vermag. Soweit sie für diese Frage von Bedeutung Bind, wurden sie schon in der ih v. Graefe's Archiv XLI. 1. enthaltenen Arbeit von Th. Leber verwerthet, so dass wir hier hauptsächlich nur dasjenige mitzutheiien brauchen^ was auf die quantitativen Verhältnisse der Filtration aus der vorderen Kammer Bezug hat.

Die Augen stammten von einem älteren Mann her, angeb- lich Potator, der plötzlich am 29. XII. 94 um 11 Uhr Vor- mittags gestorben und sofort auf das pathologische Institut ge- bracht worden war. Beide Versuche wurden gleichzeitig, zwei Stunden nach dem Tode, begonnen.

Versuch I.

R, A. Filtration euier violetten Mischung von Berlinerblau- lösung und 20 ^Iq Säureiuchsinlösung.

Zeit

Druck

im Manometer

bergesteUt

Druck gesunken auf

12.45 12.55

1.00 1.02 1.15

1.19 1.20

1.33

1.35

43 cm Wasser

48

62

47,8

Bemerkungen.

33,9 cm Wasser

I 33,85

Keine deutliche Gefössinjec-

tion, doch sind unterhalb

der Hornhaut die Gef&sse

wohl etwas mehr gefüllt

I als vorher.

Die schwach roth gefärbte Injection eines episkleralen Gefässes lässt sich mit dem Lid hin- und herschieben.

Die Coiyunctiva um den Homhautrand fängt an, sich röthlich zu färben.

Die rothe Färbung der Con-

junctiva nimmt noch zu.

Die Ii^jection einzelner Ge-

fitsse ist aber jetzt weniger

j deutlich als zuvor.

61,85

214

Chr. F. Bentzen und Th. Leber.

Die episklerale Gefiissinjection mit Säureiiichsin trat hier viel langsamer und schwächer ein als in den in Bälde mitzu- Üieilenden Versuchen Dr. Bentzen^s an normalen Kaninchen- augen mit reiner 20 % Säureiuchsinlösung; der Grund dazu ist in der Misdiung mit dem Beriinerblau, wie wir später zeigen werden, zu suchen.

Die Menge der durchfiltrirten FlOssigkeit betrug für eine Minute in diesem Falle:

bei 34 cm Wasser = ca. 25 mm Hg. Druck

bei 48 cm Wasser = ca. 35 mm Hg Druck

bei 62 cm Wasser = ca 45 mm Hg. Druck

15 = 2 cbmm

17 = 2,3 cbmm

15 = 2 cbmm

Versuch IL L. A. Titration von reiner Berlinerblaulösung.

Zeit

12.50 1.00

1.05

1.05Va

1.19

1.21

1.35

1.55

I>ruck

im Manometer

hergestellt

Druck gesunken auf

Bemerkungen

34 cm Wasser 62

33,9 cm Wasser

47,925

61,95 61,8

Keine Injection der circum- comealcn GefAsse.

Keine Injection.

Keine Injection. Die Menge der durchfiltrirten Flüssigkeit betrug in einer

Minute in diesem Falle:

bei 34 cm AVasser = ca. 25 mm Hg. Druck - -

15

15 = 1,3 cbmm

Ueber die Filtration aus der vorderen Kammer etc. 215

^.(|)'.0,75 bei 48 cm Wasser = ca. 35 mm Hg. Druck

= 1,1 cbmm

bei 62 cm Wasser = ca. 45 mm Hg. Druck

34

= 1,1 cbmm.

Beide Augen erwiesen sich nach Härtung in Salpetersäure und Einbettung m Gelloidin bei mikroskopischer Untersudiung als ganz normal.

Am linken Auge hatte das Beriinerblau vom Kammerwinkel aus die Masdienräume des Ligamentum pectinatum ausgefüllt und war an einigen Präparaten von hier aus in geringer Menge in den Circulus venosus eingedrungen, eben genügend, um die Gefässendothelien blau zu färben; auch in einigen der abführen- den Skleralvenen fanden sidi blaue Kömchen. Femer war der Farbstoff in die an den Kammerwinkd grenzenden Tlieile des Giliarkörpers und in die voiileren Gewebsschichten der Iris em- gedrangen und hatte dieselben diffus blau gefärbt

Am rechten Auge war das Berlinerblau nur in die vorderen Irisschiditen, in die an den Kammerwinkel grenzenden Theile des Giliarkörpers und in einige Venen des letzteren gelangt, aber weder in die Maschenräume des Ligamentum pectinatum, noch in den Gvculus venosus.

Zu den folgenden Versuchen wurde statt einer Lösung von Berlinerblau physiologische Na Cl-Lösung verwendet, da es uns darauf ankam, die Filtration möglichst ungestört zu beobachten, und da vorhergehende Versuche gezeigt hatten, dass das Berlinerblau ein wesentliches Hindemiss für die Filtration abgiebt. Es ergab sich dies schon aus unseren Versuchen über den Durchgang von Berlinerblaulösungen aus der vorderen Kammer in die vorderen Ciliarvenen, über welche Th. Leber kürzlich berichtet hat; es liegt auf der Hand, dass die Fällung, welche das Berlinerblau bei Be- rührung mit dem salzhaltigen Kammerwasser erfährt, die Poren der Endothelhäute verstopfen und die Filtration der Flüssigkeiten erschweren muss. Ueberdies haben wir uns

216 Chr. F. Bentzen und Th. Leber.

auch durch vergleichende Versuche an Kaninchenaugen direct tiberzeugt, dass die Filtration bei Anwendung von Berlinerblaulösung erheblich geringer ausfällt, als mit phy- siologischer Kochsalzlösung. Letztere Flüssigkeit wurde dann natürhch auch bei den weiteren Filtrationsversucheii an glaukomatösen Augen benützt.

Dr. Bentzen construirte sich einen Apparat, welcher eine genauere Messung der in das Auge eingedrungenen Flüssigkeit gestattete, als dies bei dem zuvor benutzten Trichterrohr möglich war, und bei welchem zugleich die Filtration unter mögUchst constantem Druck von Statten geht Da es sich hier um die Messung sehr kleiner Flüssig- keitsmengen handelt, werden bei Anwendung eines weiten Manometerrohrs, welches den Druck annähernd constant erhält, die Fehler beim Ablesen zu gi'oss; die Benutzung eines Manometers mit einem weiten und einem capillaren Schenkel, wo man die Menge der in das Auge eingedrungenen Flüssigkeit genau ablesen kann, hat aber den Uebelstand, dass der Filtrationsdruck unverhältnissmässig stark fällt, wenn auch nur geringe Mengen von Flüssigkeit in das Auge eingedrungen sind; dies machte sich bei den Versuchen von Th. Leber in störender Weise geltend, besonders wenn es sich um ein nicht glaukomatöses Auge handelte, oder wenn das Auge wegen abnormer Dehnbarkeit der Wandungen mehr Flüssigkeit aufzunehmen im Stande war. Um diesen beiden Mängeln abzuhelfen, benutzte Dr. Bentzen für die folgenden Versuche die von Priestley Smith*) angegebene Einrichtung das Manometers.

Bei seinem Appai*ate war zwischen die in das Auge ein- zuführende Canüle und den die Dmckhöhe herstellenden Gummi- schlauch ein horizontales, 1 mm weites und 50 cm langes Thermometerrohr eingeschaltet, welches auf einem Maassstab be- festigt ist Die Menge der durchfiltrirten Flüssigkeit wurde an

») Ophth. Rev. 1888, p. 199 ff.

lieber die Filtration aus der vorderen Kammer etc.

217

dieeem Rohr abgelesen, indem eine eingesaugte kleine Luftblase als Indicator benutzt wurde. Durch Wägung wurde gefunden, dass 1 mm Länge des Rohres einen Inhalt von ^/^ cbmm hatte. Die Oberfläche der Flüssigkeit im Trichter war so gross (5 cm Durchmessei*), dass der Xustritt des ganzen Inhaltes des Thenno- meterrohrs (375 cbmm) keinen nennenswerthen Einfluss auf die Dmckhöhe hatte.

Durch Einsdialtung kurzer Glasröhren und ganz kurzer Gummischläuche an beiden Enden des Thermometerrohres wurde eine genügende Beweglichkeit der Canüle und em exactes Ab- klemmen des Apparates erzielt und zugleidi vermieden, dass durdi Ausdehnung des Kautschuks nennenswerthe Fehler ent- stehen konnten. Der Versuch wurde in folgender Weise an- gestellt: Nachdem der Apparat gefüllt und die Luftblase eingesaugt ist, wird der Gummischlauch abgeklemmt, der Stand der Luft- blase notirt, die Canüle in die vordere Kammer eingeführt, und die Communication durch Entfernung der Klemme hergestellt; jetzt wird die Verachiebung der Luftblase vom einen Ende des Thermometerrohres bis zum anderen beobachtet.

Versuch III.

Filti*ation beim Leichenauge einer 45jährigen Frau, 13 Stun- den nach dem Tode begonnen, ^j^ ^/q NaCl-Lösung mit Säure- fnchsin gefärbt. Druck auf 25 mm Hg gestellt.

Zelt

stand

der

Luftblase

Bewegung der Luftblase in der Minute

3.56

7,3 cm

Communication

hergestellt.

3.57 3.68

33,6 cm 35,55

26,3 mm 19,6

3.59 4.00 4.01 4.02

36.6

37.7 38,9 39,6

10,6

11

12

7

4.03 4.14 4.15 4.18

40.5 47,9

48.6 49,8

9 ,.

7 6 4

Menge der in das Auge

eingesungenen FlQsaigkeit

in der Minute

Von 4.01 Uhr bis 4.18 Uhr 25 mm Hg Druck im Mittel 109, ;r. 0,5» _^ , "Yt = 5,0 cbmm.

bei

218 Chr. F. Bentzen und Th. Leber.

Das Auge war vorher etwas coUabirt, weahalb es bei Her- stellung der Communication viel Flüssigkeit aufhahm. Schon nach zwei Minuten trat eine rothe circumcomeale Gef^injection auf. Nach ^/^ Stunden wurde eme diffiise, drculäre Injeetion der Conjunctiva bulbi beobachtet

Das schnelle Auftreten drcumcomealer Injeetion in diesem Versuche bestätigt noch weiter die oben geäusserte Ansicht, dass die fUllung des Berlinerblaues auf die Filtration der FuchsinlOsung hemmend eingewirkt hat, indem die in diesem Falle zur f^bung der Kochsalzlösung benutzte Fuchsmmenge viel geringer war als die der Berlinerblaulösung zugesetzte. Es spricht dafür femer, dass die Flüssigkeitsmenge, welche durch dieses Auge filtrirte, bedeutend grösser war als in den zwei anderen Leichenaugen. Da, wie oben angegeben, von Dr. Bentzen durch vergleichende flltrations- versuche mit den beiden Rüssigkeiten an Kaninchenaugen ein entsprechender Unterschied in der Filtrationsmenge gefunden wurde, so scheint es, dass die 13 Stunden, die in diesem Falle zwischen dem Tode der Patientin und dem Versudie vergingen, die fUtrationsbedingungen nicht wesentlich verändert haben.

Ueberblicken wir die Resultate dieser an normalen Augen angestellten Versuche, so finden wir zunächst wieder den aus früheren Untersuchungen bekannten Unter- schied in der Filtrationsfähigkeit von Berlinerblau und diflfusionsfähigen Farbstoffen. Während das BerUnerblau niemals eine makroskopisch sichtbare Injeetion der circum- cornealen Gefässe lieferte, trat diese bei Anwendung von Säurefiichsin nach ^/, Stunde auf, doch war, wie die mikro- skopische Untersuchung ergab, in dem einen Vereuch mit Berlinerblau dieser Farbstoff in das Gewebe des Fontana'- schen Baumes und bis in den Circulus venosus eingedrungen. Diese Differenz beruht auf der Fällung des Berlinerblaus durch das salzhaltige Kammerwasser, in Folge deren die Filtration in die Gefässe des Circulus venosus bald erheb- hch erschwert, bald ganz verhindert wird.

Findet die Injeetion, wie bei den oben mitgetheüten Versuchen bei erhaltener vorderer Kammer statt, so ist die Fällung des Berhnerblaus weit vollständiger, als wenn man

Ueber die Filtration aus der vorderen Kammer etc. 219

das Kanimerwasser vorher abfliessen lässt Es kommt daher im ersteren Falle beim frischen Auge in der Begel keine sichtbare Injection der circumcomealen Gefässe zu Stande, welche im letzteren Falle auch mit Berlinerblau einzutreten pflegt Das Hindemiss ist aber kein absolutes, wie der obige Versuch zeigt, wo die blaue Flüssigkeit bis in den Circulus venosus eindrang. Hier Uess sich auch der Weg der filtrirenden Flüssigkeit aus den Maschen des Fontana'- schen Raumes zwischen den Endothelzellen der Yenenwand hindurch in das Gefässlumen hinein an den Präparaten direct verfolgen.

Was nun die Menge der in der Zeiteinheit nach aussen filtrirenden Flüssigkeit betrifft, so ergiebt sich deren Betrag, wenn wir von der Menge der in das Auge eingedrungenen Flüssigkeit diejenige abziehen, welche etwa im Auge zurückgeblieben ist und zur Ausdeh- nung desselben gedient hat. Ein etwaiger Verlust durch Verdunstung konnte nicht stattfinden, da die Augen dim)h eine Decke aus feuchtem Fliesspapier dagegen geschützt wiurden. Da der Druck im Auge zu Beginn des Versuches und vor jedesraaUger Steigerung auch im Verlauf desselben niedriger ist als derjenige, bei welchem die Filtration be- obachtet werden soll, so muss zunächst eine der Druck- zunahme entsprechende Dehnung der Augenhüllen erfolgen, und ein Theil der in das Auge eingedrungenen Flüssigkeit den so gewonnenen Raiun ausfüllen. Hierzu trägt auch der Umstand noch bei, dass bei zunehmenden Druck das Auge sich mehr der Kugelgestalt nähert und deshalb auch bei gleichbleibender Oberfläche mehr Flüssigkeit aufiiehmen kann. Es versteht sich daher von selbst, dass das anfäng- hche rasche Sinken des Manometerdruckes unberücksichtigt bleiben muss, und dass die Beobachtung streng genommen erst beginnen kaim, wenn bei gleichbleibendem Druck der Stand der Flüssigkeit gleichmässig absinkt. Die Verhält- nisse werden aber noch dadurch complicirt, dass bei orga-

220 Chr. F. Bentzen und Th. Leber.

nischen Substanzen immer auf einen gewissen Grad von elastischer Nachwirkung gerechnet werden muss, in Folge deren die Dehnung nicht mit einem Male aufhört, sondern in allmählich abnehmenden Maasse noch eine Weile fortdauert Auch lässt sich erwarten, dass die Filtration im Anfang, wenn die Gefässe noch leer sind, rascher erfolgen wird als später, wo sie schon Flüssigkeit enthalten. Durch alle diese Umstände wird es begreiflich, dass der Druck anfangs rasch und daim mit stetig abnehmender Geschwindigkeit absinkt, und dass erst nach längerer Zeit das Absinken bei con- stantem Druck ein continuirliches wird, oder dass während der Dauer des Versuchs eine völlige Constanz überhaupt nicht eintritt Ein zu langes Zuwarten bringt aber wieder den Uebelstand mit sich, dass der Zustand des Auges sich inzwischen geändert haben kann, und dass vielleicht auch durch den Versuch selber, z. B. durch Quellung der Gewebe, die Filtration mit der Zeit eine Aendermig erfährt Da es zunächst mehr darauf ankam, vergleichende Beobachtungen gegenüber dem Verhalten glaukomatöser Augen unter den- selben Versuchsbedingungen anzustellen, nicht aber möglichst genaue absolute Werthe der Filtrationsgrösse zu erhalten, 80 zogen wir vor, mit der Beobachtung des Absinkens der Flüssigkeit nach Beendigung des ersten raschen Abfalls zu beginnen. Wie schon angegeben, wurde bei den ersten mit dem Trichterrohr angestellten Versuchen in der Weise ver- fahren, dass unmittelbar nach dem raschen Absinken der Druck durch Nachfüllen von Flüssigkeit wieder auf die fiühere Höhe gebracht wurde, worauf das Absinken ganz langsam mid allmählich weiter ging. Bei der Weite des Rohres kam der geringe Abfall des Druckes, welcher während der weiteren Beobachtungszeit erfolgte, nicht wesentlich in Betracht; der Druck konnte vielmehr als annähernd con- stant betrachtet werden; dafür liess sich aber hier natürlich keine Messung der in kürzeren Zeittheilen eindringenden Flüssigkeitsmengen vornehmen. Bei dem letzten Vereuch

lieber die Filtration aus der vorderen Kammer etc. 221

wurde in der oben angegebenen Weise dafür gesorgt^ dass der Druck völlig constant blieb und die Menge der in jeder Minute in das Auge eindringenden Flüssigkeit beobachtet

Aus Versuch III ergiebt sich zunächst, dass nach Herstellung der Communication das rasche Absinken schon nach einer Minute beendigt war und dass Ton da ab während eii^er Beobachtungszeit von 20 Minuten die Menge der in der Minute in das Auge eintretenden Flüssigkeit all- mahhch auf etwas weniger als die Hälfte herabsinkt Wie viel hienron auf die elastische Nachwirkung zu beziehen ist, muss dahingestellt bleiben. Um Fehler möglichst aus- zuBchhessen, wurden nur die letzten 16 Minuten der Be- rechnung zu Grunde gelegt, während deren der Werth hin und her schwankte und die Abnahme jedenfalls geringer war. Es ergab sich hiernach als ungefährer Werth der Filtration von ^j^^lo NaCl-Lösung bei 25 mmHg Druck 5,0 cbmm in der Minute.

Leider ist es uns nicht gelungen, in der letzten Zeit andere ganz firische Leichenaugen oder frisch enucleirte menschliche Augen zu erhalten, weshalb diese Versuche bei günstigerer Gelegenheit zu wiederholen sind, um die bisher erlangten Besultate zu controliren und zu ergänzen.

Li den beiden ersten, mit Berlinerblau angestellten Versuchen wurde ein eAeblich geringerer Werth für die FQtration erhalten, und überdies bestand ein Unterschied um fast das Doppelte bei Anwendung verdünnter (zur Hälfte mit Säureftichsin vermischter) und concentrirter Lösung. Obwohl nur zwei Versiiche vorliegen, darf auf diesen Unter- schied doch Werth gelegt werden, weil die Versuche gleich- zeitig und unter sonst völUg gleichen Bedingungen bei den Augen desselben Lidividuums angestellt wurden. Diese Unterschiede beruhen tmzweifelhaft wieder darauf, dass das Berlinerblau durch das salzhaltige Kammerwasser gefallt und dadurch die Poren der Endothelhäute verstopft werden, was natürlich bei der concentrirtei*en Lösung in höheren

222 Chr. F. Bentzen und Th. Leber.

Maasse der Fall sein musste. Es Mrird dies auch durch die Beobachtung bestätigt, dass im dritten Versuch, zu dem mit Säureiuchsin gefärbte '/^^/oNaCl-Lösung diente, die Füllung der circumcomealen Gelasse mit gefärbter Flüssig- keit schon nach zwei Minuten auftrat, während bei dem Versuch I mit der Mischung von Berlinerblau- und Säure- fiichsinlösung nicht fiiiher als nach '/^ Stunde ein Beginn von Gefassinjektion bemerkbar war und diese erst nach einer Stunde in etwas ausgesprochenerem Maasse hervortrat Der etwa durch elastische Nachwirkung bedingte Fehler lässt sich bei diesen Versuchen noch weniger ausschUessen, als bei Versuch JH, doch wird derselbe bei den relativ geringen Druckhöhen nicht erheblich sein. Mit Vernach- lässigung dieses und etwaiger sonstiger Fehler ergab sich bei der verdünnteren Lösung eine Filtration von 2, bei der concentrirteren von l,3cbmm in der Minute, gegenüber 5^0cbmm mit physiologischer Kochsalzlösung, bei einem Druck von 25 mm Hg.

Weiter stellte sich heraus, dass die Filtration nicht zimahm, als der Druck im Verlauf des Versuches von 25 bis 45mm Hg. gesteigert wurde, sondern, von kleinen Schwankungen abgesehen, im Wesentlichen unverändert blieb. Dies deutet darauf hin, dass die Filtration störende Ein- flüsse gewirkt haben, in Folge deren bei gleich bleibendem Druck die Filtration vermuthlich abgenommen haben würde; als ein solcher kann jedenfieJls die schon hervorgehobene Fällung des Berlinerblaus angesehen werden; ausserdem kann aber wohl auch durch den mangelnden Salzgehalt der Injectionsflüssigkeit eine Quellung der Gewebe bewirkt worden sein, die ebenfeUs ein Hindemiss fiir die Filtration abgab. Wir halten es auch für möglich, dass selbst die '/i^/oNaCl- Lösung nach längerer Zeit in gleicher Weise wirkt, wodurch sich erklären würde, warum bei dem damit angestellten Versuch die Filtrationsgrösse im Verlauf der Zeit ebenfalls allmählich abnahm.

Ueber die Filtration aus der vorderen Kammer etc. 223

Da bei den Versuchen von Th. Leber niemals sehr concentriite Lösungen yon Berlinerblau und in einem Theil derselben eine Mischung mit Carminlösung benutzt worden war, so kann zum Vergleich angenommen werden, dass die normale Filtration yon Berlinerblaulösung unter den Bedingungen des Versuchs bei 25 bis 45 mm Hg ca. 2 cbmm in der Minute beträgt

B.

Filtration bei einem Auge mit eitriger CyolitiB

und normalem Angendrack.

Versuch IV.

Heinrich Henze, 70 Jahre, aus Imbsbaosen. L. A. Ver- letzung vor 4 Wochen diu-ch em Reis; alhnähüch zunehmende Entzündung mitVerlust von S. Ziemlich scharf begrenzte eitrige Glaskörperinfiltration nach imien unten. Keine deutliche Per- foration der Bolbuswand, aber wahrscheinlich kleine Narbe der Sklera neben dem medialen Homhautrand. Cornea im Wesent- lichen klar, linse unverletzt, Pupille mittelweit, leichte hintere Synechien, kein Hypopyon. Augendruck normal.

Enudeation am 22. Y. 83, 3 Uhr Nadunittags.

Filtrationsversuch 3 Stunden nach der Enudeation begonnen. Manometer mit 1,5 mm weitem Schenkel. Mischung von Berlinerblau- und Cannmlösung (s. Tabelle, S. 224).

Anatomische Untersuchung.

Auge fi:isch untersucht Hinterer Theil des Bulbus maki'o- skopisch normal. Vom umschriebene eitrige Glaskörperinfiitration. Unse klar, Eiter schalenartig hinter der linse ausgebreitet Zarte Eiterauflagerung aui der vorderen linsenkapsel. Keine perfo- rirende Verletzung gefunden, aber doch wohl eine solche anzu- nehmen. Auge nicht aufbewahrt

Obwohl seit der Enudeation erst drei Stunden verflossen waren, und das Auge wie gewöhnlich vor Verdunstung geschützt war, musste der im Leben normal gefundene Augendrud^ schon betrilditlich herabgesunken sein, da es einer dreimal wiederholten Injeetion von Flüssigkeit bedurfte, bis der Druck nach Herstellung.

224

Chr. F. Bentzen und Th. Leber.

Zelt

Druck im

btrgesteUt

Nach der

Hinkt der Druck auf

5.67

68

mm

iHff.

10

mm

Hk.

ö.57Vs

5

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6.24

26

11

11

625

25

it

11

Sinken i des Druckes in einer Minute I

_ I

I ' I

I 10 mm Hg. ! ■i- »1 ii

* 1* 11 2,7

Bemerkungen

2 8,7 .,

3,5

yy 1

2,0

11 1

2,0

11 1

2,0

ri 1

1,0

11 1

Anfang von Cannin- färbung der Sklera an einer kleinen Stelle

Sehr deutliche u. etwas ausgebreitetere Car- minhü'bung

Carminfärbung jetzt sehr stark und fast ringsum verbreitet. Man erkenntauch ein- zelne tiefe, carmin- farbige Gemse, im Ganzen ist aber die Färbung diffus; sie ist rein roüi; keine Spur von violetter Nuance.

der Gommunication einigermaassen die nonnale Höhe behielt; auch da erfolgte das weitere Absinken noch ziemlich rasch. Um ein ungeföhres Maass für die Filtration zu erhalten^ erechemt es deshalb gerathen, nur den letzten Thell des Versnches zu be- nützen, wo von 6 Uhr 19 bis 6 Uhr 25 der Druck von 36

■m-

11

auf 25 mmHg absank. Es drangen hierbei

ca. 3,2 cbmm Flttssigkdt in der Minute in das Auge ein.

Dieser Werth übertrifft den beim normalen Auge mit der- selben Flüssigkeit gefundenen von 2 cbmm, um mehr als die

üeber die Filtration aus der vorderen Kammer etc. 225

Hälfte; die FUtration ist daher mindestens als normal , vielleicht als vermehrt zu betrachten. Dem entsprechend kam auch die sichtbare FOUung der Ge&Bse mit Carminlösung sehr rasch, schon nach 8 Mmuten zu Stande. Es stimmt gleichfalls mit dem Ver- halten bei normalen Augen überein, wenn das Kammerwasser vorher nicht entleert wird, dass das Berlinerblau vollkommen in der vorderen Kammer zurückgehalten wurde, somit keine violette, sondern eine rdn rothe Injection der drcumcomealen Geftsse auftrat.

C.

Untersnohniigen über die FUtration bei

Frim&rglaiikom.

Versuch V. Glaucoma chronicum infiammatorium. Christian Knorr, 65 J. aus MühUiausen in Th. L. A. Früherer Krankheitsveriauf nicht beobachtet Kommt zur Behandlung mit absolutem Glaukom und ungenügender Iridek- tomie mit Iriseinklemmung. Neue breite Iridektomie bringt vorübergehende Entspannung. Nach 5 Wochen Enudealion wegen neuer Drucksteigerung (T 4~ ^) ^^^ Schmerzen, am 19. XI. 80. Noch viel Blut in der vorderen Kammer von der letzten Iridektomie.

Filtrafionsversuch Abends 5 Uhr 30, 4^/^ Stunden nach der Enucieation. Bulbus noch übemormal gespannt Manometer mit 8 mm weitem Steigerohr, Berlinerblaulösung.

Der Versuch wird zunächst durch ungenügende Communi- cation zwischen vorderer Kammer und Manometer gestört. Ob- wohl blaue Flüssigkeit in die vordere Kammer eingedrungen ist, bringt Druck auf das Auge nur zeitweise und dann gar nicht mehr em Steigen der Hg-säule hervor; die Stichöflftiung ist ver- muthlich durch ein Blutgerinnsel klappenartig verschlossen. Die conische Glascanüle wird herausgenommen und nach Erweiterung des Stichcanals wieder eingeführt, worauf die Gommunication vollkommen gut ist

7 Uhr 15 Min. Druck im Manometer auf 37 mm Hg gebradit

20 unverändert. Leichte Gompression der

Gomea bewirkt Schwankungen der Hg-

Säule.

22 n 1™ Manometer auf 70 mm Hg gesteigert.

T. OrMfe's Archiv für Ophthalmologie. XLI. 3. 15

226 Chr. F. Bentzen und Th. Leber.

7 Uhr 30 Min. Dnick 69 mmHg. Gommanication gut

35 7, yj 68^/4 mm Hg. Gommanication sehr gut.

Keine Spur von Injection der vorderen Ciliarvenen. Vordere Kammer ganz mit blauer Flüssigkeit gefüllt. Keine Filtration an der Oberfläche der Conjunctiva oder Cornea zu bemerken; wenn das Auge nidit vor Verdunstung geschützt ^ird, fängt die Oberfläche an abzutrocknen.

Der Versuch ist nicht geeignet, um zu berechnen, wie viel etwa unmerklich Flüssigkeit durch das Auge filtrirt sein kann; nachdem die Störung beseitigt wai*, musste zunächst der bei Herausnahme der Ganüle abgeflossene Humor aqueus durch die Injectionsflüssigkeit wieder ersetzt werden, was auch an der Färbung des Inhalts der vorderen Kammer direct zu beobachten war. Auch von dem Sinken in den letzten 5 Minuten des Ver- suchs kann noch ein Tlieil auf Dehnung der Bulbushüllen berulit haben und zudem gestattete die Weite des Rohrs keine hin- reichend genaue Ablesung, so dass wir eine Berechnung lieber unterlassen. Doch ergiebt der Versuch wenigstens, dass eine tttr die directe Beobachtung merkliche Filtration nicht auftrat

Anatomische Untersuchung.

Auge in M ü 11 er 'sclier Flüssigkeit gehäi-tet Venae vorticosae nicht deutlich zu sehen, also nicht- stark bluthaltig.

Durchschnitt im veiticalen Meridian. Nicht totale, trichter- förmige Excavation der Papille. Glaskörper von normaler Gonsistenz. Netzhaut von zahlreichen kleinen Blutungen durch- setzt Ghorioidea dünn, Pigmentepithel unverändert.

Die blaue Injectionsmasse hat sich von der vorderen in die hintere Kammer und bis in den P et i tischen Ganal verbreitet und ist auch in die bei dem Versuch verletzte Linse eingedrungen. Der Randtheü der Iris liegt übei*all dicht der Gornea an, nur in der Mitte befindet sich eine schmale, spaltförmige vordere Kammer. Doch lässt sich der Sklerah*and ebenso leiclit als m der Norm vom Güiarkörper und der Iris ablösen; man bemerkt jetzt an der Gornea, dass die blaue Färbung vom Rande etwas entfernt bleibt und ihn nur stellenweise eiTeicht Der Farbstofl' ist weder in die Maschen des Fontana'sdien Raumes, noch in den Girculus venosus eingedrungen.

Papille ganz von einer rothgeförbten Membran bedeckt Am Giliarköi-per und der Zonula keine makroskopischen Zeichen von Entzündung.

Ueber die Filtration aus der vorderen Kammer etc. 227

Sehnervenstamm etwas verdünnt; aber von weisser Farbe. Das Auge war leider nicht genügend erhalten, um zur mikroskopischen Untersuchung zu dienen.

Versuch VI.

Glaucoma chronicum absolutum, walu-scheinlich anfangs (ilaucoma simplex.

Heinr. Petersen, 65 Jahre alt R. A.

Der Patient bemerkte vor 2 Jahren zufällig, dass sein rechtes Auge vollständig ohne Lichtempfindung war. Einige Monate zuvor will er sicli in die Gegend des Auges gestossen haben, doch ist nicht sidier zu stellen, ob das Auge selbst dabei verletzt wurde. Schmerzen und Entzündung traten erst später auf.

Stat. pr. R. Massige Cüiarinjection, leidite Trübung der Hornhaut und etwas Epitheldefect in der Mitte. Pupille weit und starr. Lmse vollständig getrübt, schien einmal etwas zu zittern. Vordere Kammer seicht T + 4.

L. normal.

Enucleation am 16. IV. 84 wegen Schmerzen.

Filtrations versuch

3^/4 Stunden nach der Enucleation. Auge bis dahin vor Verdunstung geschützt gehalten, ist fast noch ebenso stark ge- spannt, wie unmittelbar nach der Operation.

Manometer mit zwei (9 Mm.) weiten Schenkeln. Punktion der Cornea, wobei nur ein Tröpfchen Kammerwasser anstritt. Conische Glascanüle eingefllhrt Druck im Manometer 48 mm Hg. Wässrige Berlinerblau-Lösung dringt bei Herstellung der Communi- cation in die vordere Kammer ein. Nach 2 Stunden 7 Minuten ist der Druck auf 44^/gmmHg gesunken. Man bemerkt keine Spur von Injection der circumcomealen Gefitese oder von Filtration an der Conjunctiva oder Cornea.

Leider wurde versäumt, die Druckhöhen vom Beginn des Versuches an von Zeit zu Zeit zu notiren, weslialb der Versuch über die Menge der Flüssigkeit, welche vennuthlich durch das Auge filtrirt sein kann, keine Auskunft giebt Da das Auge punktirt w^orden und etwas Flüssigkeit abgeflossen war, musste die lojectionsflüssigkeit zunächst zum Ersatz des verlorenen Humor aqueus dienen; nachher kam vielleicht auch eine leichte Ausdeh- nung des Bulbus zu Stande; es bleibt daher ungewiss, ob etwas und wieviel von der in das Auge eingedrungenen Flüssigkeit, deren

15*

228 Chr. F. Bentzen und Th. Leber.

Menge in 2 Stunden 7 Min. ca. 222cbmm betrag, nadi aussen ültrirt ist

Sectionsbefund. Auge im horizontalen Meridian durchschnitten, Diagnose be- stätigt^ insbesondere weder Spuren von Verietzung, noch Tumor zu finden. Vordere Kammer von normaler Tiefe, theilweise mit Beriinerblau gef)lllt. Kammerwinkel auf der einen Seite ver- legt, auf der anderen scheinbar frei. Linse auffallend platt. Retina im Allgemeinen anliegend, mit der Chorioidea leicht ge- faltet, an der Innenfläche eine dünne Schicht von Blut Chorioidea und Giliarmuskel von normaler Dicke, Ciliarfortsätze etwas ver- dickt Glaskörper von eiweisshaltigem Exsudat durchtränkt mit hämorrhagischen Streifen. Ablösung der Hyaloidea. Papille niclit tief excavirt Intervaginahraum des Opticus erweitert und Zwisdienscheidengewebe hypertropliirt

Mikroskopische Untersuchung.

Die (fast allein erhaltene) vordere Hälfte des Auges zeigt, an Serienschnitten untersucht, folgendes Verhalten:

Die vordere Kammer ist von normaler Tiefe und enthält im Kammerwinkel, auf der Vorderseite der Iris und vorderen Linsenkapsel, blaugefUrbte Masse, ausserdem etwas Blut Der Kammen^onkel ist nur ungefähr in der Hälfte des Umfangs ver- wachsen, in der anderen mehr oder weniger offen. Die blaue Masse füUt hier die ganze Kammerbucht aus. Das Gewebe des Fontana*schen Raumes ist stark verdichtet, quer und längs getroffene Faserztige liegen ohne merkliche Lflcken dicht aneinander. Vom Kammeminkel aus zieht eine neu- gebildete Bindegewebssdiicht der Vorderfläche der Iris parallel, um sich weiterhin mit dieser zu verbinden. Die Iris ist hier verkürzt und etwas gefaltet Das Endothel der Membr. Descemetii enthält Körner und Klümpchen von braunem Pigment eingelagert Die Descemefsche Membran selbst ist stark und unregehnässig ver- dickt Die Gefässe des Girculus venosus sind mit Blut ge- füllt, überall durch die kernhaltige Gefilsswand scharf abgegrenzt und durch einen ziemlicli grossen Zwischenraum von der vorderen Kammer getrennt. Nirgends findet sich eine Spur von blauer Masse in ihrem Lumen oder in den Maschen des Fontana^schen Raumes.

Die Ciliarfortsätze zeigen ausgesprochene Sderosirung ihres Gewebes, das durch Eosin stark gefärbt wird.

Ueber die Filtration aus der vorderen Kammer etc. 229

An der Linse sind kataraktöse Veränderungen der Cordcaüs und FortsetzuBg des Epithels auf die hintere Kapsel ^ an der Ghorioidea Drusenbildung, an der Retina .ausgesprochene Atrophie der Nervenfaser- und (langlienschicht zu constatiren.

Versuch VIT.

Glaucoma clironicum absolutum, anfangs Glaucoma acutum.

Frau Pr., 27 Jahre alt, aus Texas. L. A.

Patientin kommt zur Enucleation wegen Glaucoma absolutum, um etwaigen späteren Beschwerden an diesem Auge vorzubeugen, gegen die sie in ihrer Heimath keine Hülfe finden würde* Das Auge war vor längerer Zeit im Verlauf \ on einigen Tagen unter heftigen Schmerzen nahezu erblindet, wonach auch der Rest des Sehvermögens in den folgenden Monaten verloren ging. Das rechte Auge gesund, zeigte nur mittelgrosse, physiologische Ex- cavation. Keine sicheren Anhaltspunkte für die Annahme eines Tumors. Verletzung in Abrede gestellt. Wahi-scheinliclikeits- diagnose: Ausgang von acutem Primärglaukom.

Stat. pr. I^ipille weit und stan-, unterhalb derselben, durch eine sclmiale Brücke davon getrennt, eine zweite Pupille, die ziemlich bis zum Giliarrand reicht. Breite Eversion des Pigmentblattes. Die Ldnse kataraktös. Auge sehr hart und voll- standig amaurotisch. Massige Ausdehnung der subconjunetivalen Venen.

üeber die Entstehung der zweiten Pupille war nur zu er- faliren, dass schon im Alter von 14 Jahren neben der Pupille ein schwarzes Pünktchen auf der Iris gesehen wurde, das langsam grösser geworden sein soll (?).

Enucleation am IG. IV. 84.

Filtrations versuch

drei Stunden nach der Enucleation, Ganüle m der vorderen Kammer. Manometer mit engem Schenkel, Mischung von Ber- linerblau- und Garminlösung.

Druck im Manometer 25 mm Hg., nadi der Communication sinkt es auf 17,5 mra Hg, 3 Minuten nachher unverändert

Der Appai-at schliesst jetzt nicht, dalier Abklemmen der Kautschukverbindung zwischen der Canüle und dem Manometer und das Auge mit einem anderen Manometer von 9 mm Dnick- messer des Lumens in Verbindung gebracht. Druck in diesem Manometer auf 60 mm Hg gestellt, sinkt bei Herstellung der

230 Chr. F. Bentzen und Th. Leber.

Communication auf 59^5 mm. Nach 40 Minuten ist der Druck höchstens um 0725 mm gesunken.

Communication fortwahrend sehr gut Währöid des Vei*- suehes trat keine Spur von Injection der episkleralen Geftsse auf. liCgt man der Berechnung der Blltrationsgrösse das Absinken des Druckes während der letzten 40 Mmuten zu Grunde, so er- gibt sich, dass bei GO mm Hg Druck die Menge der in

^.(|)\0,25 einer Minute durch das Auge iiltrirten I*1üssigkeit

40

= 0,4 cbmm betrug.

Anatomische Untersuchung.

Der Kammerwinkel ist ringsum fest und ziemlich weit ver- wachsen durch eine Schicht von neugebildetem Bindegewebe^ das stellenweise eine beträchtliche Dicke erreicht. Die GefSsse des Circulus venosus sind überall schön sichtbar, ziemlich weit, und reichlich mit Blut gefiillt

Die blaue Injectionsmasse findet sich nur an den WSnden der vorderen Kammer, sie höit in der Regel im neuen Kammer- winkel auf; nur ausnahmsweise dringt sie noch eine Sti*ecke weit in das Gewebe vor, welches die Verwachsung unterhält, bleibt aber nodi weit vom Circulus venosus entfernt. Auch sonst nirgends Gefösse injidrt. Dagegen ist stellenweise die vordei-e (iewebssciücht der atrophisclien Iris von blauer Masse durchtränkt.

Die Iris ist zum Theil sehr stark ati'ophii't, was auch die Veranlassung zu der im Leben bemerkten Doppelpupille gegeben zu haben scheint. An Schnitten, welche durch den Rand der zweiten Pupille gefallen sind, zeigt sich das Irisgewebe bis auf das allein erhaltene l^gmentepitliel geschwunden. Auch die im Leben bemerkte Eversion des Pigmentblattes durch Schrumpfung neugebildeten Bindegewebes ist an den Präparaten zu sehen.

Ciliarfortsätze dünn, mehr oder minder sklerosirt und zum Theil unter einander venvachsen. Chorioidea im vorderen Ab- schnitt dünn, nach hinten hyperämisch. Retina verhältnissmässig gut erhalten, die Nervenfaserschicht etwas ati*ophisch, und der vordere Theil etwas von der Aderhaut abgelöst. Papille tief excavirt Sehnerv zeigt interstitielle Neuritis und Atrophie der Ner>'enbündel. Im vorderen Tlieil des Glasköipers ein Blut- extravasat.

Venae vorticosae normal.

Ueber die Filtration aus der vorderen Kammer etc. 231

Versuch VIII.

Glaucoma dironicum inflammatoriam, acut entstanden.

Jacob Schmitt, 67 Jahre alt R. A.

Am 23. Aug. 94 Beginn von Entzündung mit Giliameu- rose, mit E^^erin behandelt Jetzt Druck sehr hoch^ ausgedehnte parenchymatöse Hornhauttrübung. Pupille weit Eine hintere Synechie. Etwas rothes Licht vom Augenhintergnind. S nur Handbewegungen nach aussen. Linkes Auge zeigt Glaucoma incipiens (Excavation und verminderte Sehschärfe). Am 8. 3. 95 Enucleatio bulbi wegen Schmerzen.

Filtrationsversuch (Dr. Bentzen) ange&ugen 6 Minuten nach der Enucleation^ Canüle in der vorderen Kammer. Beim Ein^ren der Canüle ging, wegen der sehr weiten seitlichen Oeilnung derselben, etwas Kammerwasser verloren.

Der Druck auf 25 mm Hg gestellt

Zeit

Stand

der

Luftblase

Bewegung der Luftblase in der Minute

11.12V.

5,7 cm

11.18

16

11.15

16,1

0,5 mm

11.16

16,2

1,0

11.20

16,3

0,25

11.21

16,35

0,5

11.24

16,4

0,17

11.25

16,425

0,25

Blltrationsmenge in 1 Minute

Bei 25 mm Hg Druck, von 11.20 bis 11.26 Uhr, 0,19 cbmm.

Ohne die Gommunication zu unterbrechen, wird der Druck auf 50 mmHg gesteigert

Zeit

stand der

Bewegung der Luftblase

in 1 Minute

Luftblase

in der Minute

11.26

20,2 cm

11.27

20,35

1,5 mm

11.28

20,5

1,5

11.33

21

1,0

11.34

21,05

0,5

11.43

21,5

0,5

11.48

21,85

0,7

11.49

.21,875

0,25

12.10

23

0,5

12.11

23,025

0,25

12.38

24,6

0,6

Von 11.34 Uhr bis 12.39 Uhr bei

12.39

24,625

0,25

50 mm Hg Druck 0,41 cbmm.

232

Chr. F. Bentzen und Th. Leber.

Ohne die Commnnication zu unterbrechen, wird der Druck auf 90 mmHg gesteigert.

Zelt

12.44 12.45 12.50 12.51 1.09 1.10

stand

der

Luftblase

Bewegung der Luftblase in der Minute

FiltrationBmenge in 1 Minute

29,95 cm

30,1

30,825

30,95

32,75

32,85

1,5 mm 1,5 1,25

1,0 1,0

I

Von 12.50 Uhr bis 1.10 Uhr bei 90 mm Hg-Druck 0,76 cbmm.

Den vorgenommenen Berechnungen der Ultrationsgi-össe wurde immer derjenige Theil des Versuches zu Grunde gelegt, bei welchem die Versdiiebung der Luftblase in der Zeitemheit ganz oder annäJiemd gleich geworden war, da das anfängliche raschere Sinken mit auf Dehnung der Augenwand in Folge der Dnicksteigerung bezogen werden musste. Dass diese Annahme zutrifll, ergiebt sich besonders aus dem Umstand, dass das raschere Elmdringen von Flüssigkeit in das Auge sich nadi jedes- maliger Drucksteigerung wiederholte, während andere von dem Zustande des Auges abhängige Ursachen mehr gleiclimässig fort- gewirkt haben müssten.

Es ergiebt sich also folgendes Verhalten der Filtration:

Druckliöhe Wirkliche Filtration in Berechnete Filtration, der Minute

25 mmHg 0,19 cbmm

50 0,41

90 0,76 .

Die nitrationsgrösse war somit dem Druck einfach pro- poi-tional, denn die Abweichungen zwisclien den wirklichen und den unter Annahme der Proportionalität berechneten Werthen sind so klein, dass sie als innerhalb der Grenze der Verauchs- fehler fallend zu beti*achten sind.

Druckhöhe X 0,018 0,2 cbmm 0,4 0,72

Anatomische Untersuchung.

Der periphere Theil der Cornea vasculai-isirt und mit Zellen infiltrirt. Zwischen dem Cornealepithel und der Mb. Bowmani an einzehien Stellen etwas Bindegewebsbildung.

Der Circulus venosus mit Blut gefüllt Die vordere Kannner etwas flacher als normal. Der Kammerwinkel überall verwachsen, ungefähr im Bereich des peripheren Irisviertels.

lieber die Filtration aus der vorderen Kammer etc. 233

Das Irifigewebe atrophiscb und verdichtet Das Pigment- blatt und der Sphincter pupillae durch geschrumpftes Bindegewebe auf die Vorderfläche hinübergezogen. Die Pupille theilweise durch eine Membran verschlossen.

Das Corpus ciliare zeigt Rundzelleninliltration in der Um- gebung einiger Geflsse. Die Processus ciliai'es sind theilweise sklerosnt und verkürzt. Die Linse ist in gi'osser Ausdehnung kataraktös. Die Chorioidea ist in dem hinteren Theil ziemlich liyperämisch. Die Retina ist im vorderen Abschnitt bindegewebig degenerirt Ungefähr in der Mitte- sieht man gleichmässig faserige, zellenanne Parthieen, welche die Ganglienzellen-, Nen'enfaser- und Molecularschicht ersetzen, und die ofFenbai' von früheren Blutungen herrühren^ um so walirscheinlicher^ als man in der Nähe haema- togenes Pigment in der Retina findet. Der Glasköi-per ist fibrillär verdichtet. Die Excavation ist tief, mit tiberhängenden Rändern und die Nervenfaserschicht hier stark atrophisch. Der Sehnerv zeigt atrophische Nenenfaserbündel und verdickte Binde- gewebsbalken.

In allen diesen Fällen von Primärglaukom erwies sich die Filtration aus der vorderen Kammer erheblich vermin- dert Zunächst geht dies daraus hervor, dass weder bei Injec- tion von BerUnerblaulösung, noch einer Mischung dieser mit Carminlösung die mindeste Injection der circumcomealen Gefässe eintiat, obwohl die Versuche hinreichend lange Zeit fortgesetzt wurden xind obwohl jedesmal Kamnierwasser beim Einiiihren der Canüle abgeflossen war, wodurch beim normalen Äuge der Uebergang von Berlinerblaulösung in die Gefässe wesentlich erleichtert wird. Die anatomische Untersuchung zeigte an den mit Farbstofflösung injicirten Augen sehr deutUch, dass die Injectionsflüssigkeit wegen der Verlegung oder Verwachsung des Kammerwinkels weit von den Gefässen des Circulus venosus entfernt bUeb, dass also das Ausbleiben der Injection in der That auf den Verschluss des Kammerwinkels zu beziehen war. Im Fall V, wo die Krankheit vermuthUch noch nicht so lange bestand (leider fehlen anamnestische Angaben), war der Kammer- winkel ringsum verlegt, aber die Verbindung zwischen Iris

234 Chr. F. Bentzen und Th. Leber.

und Sklerocornealrand nur lose und ziemlich leicht zu trennen; im Falle VI war der Kammerwinkel in der einen Hälfte des Umfangs verwachsen, in der anderen zwar nicht, aber die Injectionsmasse war in das stark verdichtete Ge- webe des Fontana'schen Kaumes nicht eingedrungen. Im Falle Vn endlich besteht ringsum eine feste bindegewebige Verwachsung, in welche die Injectionsmasse zwar eine Strecke weit eingedrungen, aber noch weit vom Circulus venosus entfernt gebheben ist Die gleichzeitige Durch- tränkung der vordersten Gewebsschicht der Iris mit blauer Flüssigkeit zeigt, dass der Injectionsdruck lange und stark genug eingewirkt hatte und giebt zugleich eine Vorstellung von dem Widerstand, welchen das die Adhäsion unter- haltende Bindegewebe der Filtration entgegensetzte. In diesem Versuch wurde eine Mischung von Berlinerblau- und Carminlösung injicirt; man könnte es auffallend finden, dass weder das Berlinerblau, noch das difiusionsfähige Carmin in die circumconiealen Gefässe eindrang; doch erklärt sich dies leicht, wenn man bedenkt, dass durch Diffusion aUein nur eine gleichmässige Färbung der Gewebe entstehen kann, die mit der Entfernung rasch abnimmt, so dass die Zeit nicht ausreichte, um eine merkliche Färbung an der Bulbusoberfläche hervortreten zu lassen. Da der Circulus venosus in allen Fällen offen und zum Theil mit Blut gefüllt war, so kann das Hindemiss für die Filtration nicht in ihm gelegen haben.

Die verminderte Filtration geht auch aus dem Umstände hervor, dass die glaukomatösen Augen ihre Härte auch bei Schutz vor Verdunstung noch Stunden lang behalten, eine Beobachtung, welche in den Versuchen Th. Leber's seit 1880 ganz regelmässig verzeichnet ist. Unabhängig davon hat J. Jacobson*)

') J. Jacobson, Beitrag zur Lehre vom Glaukom, v. Graefe's .Vrch. f. Ophthalm. XXXII. 3. S. 113 (1886).

üeber die Plltration aus der vorderen Kammer etc. 235

dieselbe Beobachtung gemacht und dieses Verhalten als Zeichen einer Vermehrung des Augapfelinhaltes hervor- gehoben. Jacobson bemerkt zugleich, dass daraus zu schliessen sei, dass die vermehrte Härte des Auges nicht die Folge einer gesteigerten Höhe des allgemeinen Blut- druckes ist. Dasselbe scheint uns aber viel wichtiger als Merkmal, dass die abnorme Höhe des Augendruckes nicht einer vermehrten Secretion, sondern einer verminderten Fil- tration ihre Entstehung verdankt. An dem herausge- nommenen Auge würde eine durch gesteigerte Filtration bedingte Spannungszunahme ebenso rasch verschwinden, wie eine künstliche Drucksteigerung durch Injection in die vordere Augenkammer; dass die Drucksteigerung so lange bestehen bleibt, beweist, dass der Abfluss, die Filtration in die G^fässe, ein Hindemiss erfahren hat

Von den mit gefärbten Flüssigkeiten angestellten Ver- suchen ist nur der letzte (VII) einigermaassen zur Messung der Filtrationsgrösse geeignet. Wie schon früher hervor- gehoben wurde, sind die hier und in den folgenden Ver- suchen berechneten Werthe nur als ungefähre Maximal- werthe für die etwa unmerkHch durch das Auge filtrirte Flüssigkeit zu betrachten. Es ergab sich hier bei 60 mm Hg Druck 0,4cbmm in der Minute, dagegen für das normale Auge mit einer Mischung von Berlinerblau- und Säure- fiichsinlösung bei 45 mm Hg Druck 2cbmm, also das 5 fache.

Sehr beweisend ist auch der Vergleich der Filtrations- versuche m imd Vm mit •/^^/^jNaCl-Lösung:

Filtration in der Minute Druck in Beim normalen Beim glaukomatösen mm Hg. Auge Auge

25 4,8 cbmm 0,19 cbmm

bei gleichem Druck war also hier die Filtration beim nor- malen Auge 25 Mal grösser als beim glaukomatösen.

Es ist auf dieses Ergebniss besonderer Werth zu legen,

236 Chr. F. Bentzen und Th. Leber.

da die letzten Versuche mit Hilfe einer Methode angestellt wurden, welche eine viel genauere Beobachtung der Eil- tration gestattete, als bei dea früheren Versuchen, und da der dazu benutzte Fall von Glaukom nicht zu den höchstgradigen gehörte, indem die Krankheit noch kein volles Jahr bestand und noch etwas lichtemptindung vor- handen war. Die anatomische Untersuchung erwies als Ursache der gehinderten Filtration ringförmige Verwachsung der Irisperipherie.

Die Ciliarfortsätze waren in allen Fällen zum Theil atrophisch, oft auch ihr Gewebe sklerosirt; da der intrao- culare Druck trotzdem erhöht war, so muss man annehmen, dass die Secretion des Kammerwassers bei dem mangel- haften Abfluss gleichwohl ausreichte, um die Drucksteigerung zu unterhalten. Dasselbe gilt auch für die unten mitzu- theilenden Fälle von Secundärglaukom und Buphthalmus (Fall X).

Die Venae vorticosae erwiesen sich in den beiden Fällen, wo ihr Verhalten untei-sucht werden konnte, als normal.

D. Filtration bei Hydrophthalmus anterior.

Versuch TX.

Anna Brencher, 14 Jahre, aus Lichtenau. R. A.

Auge seit 4 Jaliren nach einer Entzündung erblindet, an- ^eblieli ohne Schmerzen. Keine Verletzung.

St. pr. Starke Injection. Hochgradige Ectasie der Cornea mit Betheiligung der umgebenden Sklera, Cornea diflFds und fleckig getrübt und fiisch vascularisirt Vordere Kammer tief, kleines Ilyphaema. Pupille nicht zu sehen. Vordere Synechie scheint nicht vorhanden. Druck sehr hoch. Das andere Auge gesund.' Enucleation am 24. II. 85. Sehnerv stark atrophirt

Filtrations versuch

Nachmittags, 4—5 Stunden nach der Enucleation. Mano- metier mit einem engen Schenkel. Berlinerblaulösung.

üeber die Filtration aus der Torderen Kammer etc.

237

z«it

Drnckim | Dmck

Mano- I nach der

meter \ Commimi-

hergwtellt catlon

mmHg mmHg

513,5 5.14

5-20 5.27 5.27,5

5.28

5.29 5.30

5.41 5.42

5.42,5 5.43

5.46 5.50 5.54 5.58

26

81

80

20 19

18,5

29,5 29

28,5

37

36 35 34 33,5

Sinken des Drackes In einer Minate mmHg

0,08

0,5 0,5

0,33

2,0

0,33 0,25 0,25 0,125

Bemerkongen

Man siebt, dass etwas blaue Flüssigkeit in die vordere Kam- mer eingedrungen ist.

Abgeklemmt und Druck im Ma- nometer gesteigert.

Mehr blaue Flüssigkeit in die vordere Kammer eingedrungen.

Communicirt fortwährend selir gut.

Nochmalige Drucksteigerung im Manometer bei unterbrochener Verbindung mit dem Auge.

Von Injection der Skleralge- fässe nicht das Mindeste zu be- merken. Honihaut stark vor- gebuchtet. Am Rande der Conjunctiva sickert keine Spui* von Flüssigkeit aus. Bei Ent- fernung der Decke aus feuch- tem ^iesspapier f&ngt das Auge sofort an abzutrocknen.

Verhalten des Auges noch genau wie oben angegeben.

Bei der Beurtheilung dieses Versuches ist es klar^ dass das dreimalige rasche Sinken nach einer Drucksteigerung im Mano- meter auf 26, 81 und 80 mm Hg auf Ausdehnung der Cornea und des ganzen vorderen Bulbusabsdmittes zu beziehen ist^ wie sich schon daraus ergiebt, dass das Eindringen einer grösseren Menge blauer Flüssigkeit in die vordere B^ammer direct zu be- obachten war. Erst bei dem darauf folgenden allmählichen Ab- sinken kann sich die Filtration betheiligt haben. Verwerthet man dabei das Ende des Versuches, wo das Absinken nur sehr lang- sam abnahm, so gingen bei einem Druck von 37 bis 33,5, also

238

Chr. F. Bentzen und Th. Leber.

im

Mittel von ca. 35 mm Hg^ in 15 Minuten jr

■(¥)■

3,5,

also in der Minute 0,4 cbmm durdi daa Auge hindurch, was aber wahrscheinlich noch zu hoch angenommen ist, da ein Theil des allmäliUchen Sinkens durch weitere, langsame Dehnung der Bulbuswand bedingt gewesen sein mag.

Die anatomische Untersuchung konnte leider nicht vorgenommen werden, da das Auge abhanden gekommen war.

Versuch X.

Elise Wenderotli. L. A. Doppelseitiger, angeborener Kerato- globus, auf dem linken Auge sehr stark. Rechts noch ziemhcli gutes Sehvermögen. Stat pr. L. vordere Kammer tief; Cornea leidit diffus getrübt, nach unten eine schwappende Blase. Limbus corneae stark verbreitert, aber die umgebende Sklera nur wenig ectatisch. Augendruck ziemlich stark erhöht Augengrund nicht zu erleuchten. Absolute Amaurose. Enudeation wegen Sdimerzen am 8. 5. 89.

Filtrationsversuch

4 Stunden nach der Enudeation begonnen. Canüle ohne Verlust von Flüssigkeit in die vordere Kammer eingeflihrt Mano- meter mit engem Schenkel. Mischung von Berlinerblau- und Carminlösung.

Zeit

Druck im Mano> meter

hergestellt mmHg

5.17

28

5.17%

5.20

5.21

70

5.21V,

5.23

5.43

6.15

6.16

71

6.16V,

6.18

6.37

6.55

Druck

nach der

Gommuni-

Cfttion

mmHg

13 13

19 19 18 16

21

20 18 17

Sinken | des Druckes 1 in einer Minute mmHg

Bemerkungen

0

0,05 0,06

0,7 0,1 0,06

Während des VerBuches keine farbige Ii\}ection der Gefässe der Bulbusober- fl&che.

Auch 4)ei diesem Versuch sank der Druck nach jedesmaliger Steigerung bei Herstdlung der Gommnnication sehr bedeutend

lieber die Filtration auB der vorderen Kammer etc. 239

lierab^ obwohl keine Spur von Filtration zu bemerken war, und die Ganüle in der Stichöffiiung sehr gut schloss. Das drei- malige Sinken ist sicher auf FlüssigkeitBaufiiahme durch Aus- dehnung des Bulbus zu beziehen, welche bei der Dehnbarkeit der Wandung im vorderen Abschnitt erfolgen konnte, ohne dass eine erhebliche Steigerung des Druckes eintrat Bei dem lang- sameren Absinken des Druckes von 6 Uhr 17 Min. bis 6 Uhr 55 Min., von 21 bis 17 mm Hg kann ausser der Filtration auch noch ein gewisser Grad von Dehnung der Augenkapsel betheiligt gewesen sein. Man wird dalier die Grösse der Titration bei ca. 20 mm Hg-Druck eher zu hodi annehmen, wenn man den ganzen Abfall des Druckes darauf bezieht Dieselbe würde dann

-©'•

38

4

= 0,18cbmm in der Minute beü-agen.

Anatomische Untersuchung.

Das Auge war in Celloidin eingebettet und zum llieil schon geschnitten. Unter Anderem fehlte auch der Sehnerv; im Ver- suchsprotokolle ist aber notift, dass sich eine tiefe Druckexcava- tion fand.

Die Cornea stark ectatisch, aber sonst wenig verändert Die Gegend der im Leben bemerkten Blase nicht mehr vor- handen. Die vordere Kammer ist tief, der Kammerwinkel überaus weit Die Descemet'sche Membran hört in richtigem Abstände davon auf. Die Maschen des Ligamentum pectinatum offen. Die Circulus venosus an den meisten Praeparaten nicht zu finden, an einigen aber ganz deutlich offen, mit Serum, zum kleineren Theil auch mit Blut geitlllt Ausserdem bemerkt man ein oder mehrere ungewöhnlich grosse Gefässe im vorderen Hieil des Corpus ciliare, dicht hinter dem Kammerwinkel. Die episkleralen Gefässe weit, bluthaltig, der Eandtlieil der Cornea vascularisirt. Die Iris ist theilweise atrophisch und hauptsächlich in der Peripherie sehr dünn. Die Processus ciliares sind lang und dünn, zum Theil unter einander verwachsen. Die blaue Injectionsmasse ist vom Kammerwinkel aus in die Maschen des Ligamentum pectinatum eingedrungen, nirgends aber in die Ge- fässe des Circulus venosus. Vom Fontana'schen Kaum dringt sie in das Gewebe der Iris ein, und zwar in ziemlicher Ausdehnung über die Fläche der Iris. Die blaue Färbung sitzt ganz diflus zwischen den stark gelockerten Elementen des Iiisgewebes. Die

240 Chr. F. Bentzen und Th. Leber.

Linse ist in sita^ zeigt kataraktöee VerSndenmgen der Corticalis. Chorioidea dünn. Die Retina zeigt in allen Schiditen atrophische Degeneration, nach vom Vacuolenbildung. Weder sie noch die Chorioidea sind von der Sklera abgelöst

Da«f Corpus vitreum ist fibrillar.

Die Sklera ist dünn. Venae vorticosae nicht gefunden.

In beiden Fällen von Hydrophthalmus anterior blieben, ^v^e bei dem gewohnlichen Primärglaukom, die sichtbare Injection der circumcomealen Gefässe und die sonstigen Zeichen der Filtration vollkommen aus. Die für die Fil- tration berechneten Werthe sind bei Mischung von Berliner- blau- und Canninlösung und 20 mm Hg-Druck 0,18 cbmm (Vers. X), gegenüber 2 cbmm beim normalen Auge (Vers. I), und mit reiner ßerlinerblaulösung und 35 mm Hg-Druck 0,4 cbmm (Vers. IX), gegenüber 1,3 cbmm bei 25 mm Hg- Druck und normalem Auge (Vers, ü), also ca. */jo, resp. ^/j der Norm. «

Das Verhalten des Kammerwinkels konnte leider nui' im Falle X untersucht werden. Es ergab sich, dass trotz der erheblichen Verminderung der Filtration der Kammer- winkel nicht verwachsen, und die Maschen des Ligamentum pectinatum sogar deutUch oflFen waren, so dass blauer Farb- stoff in sie eindiingen konnte. Kann auch die Druck- steigerung mit vollem Recht auf die verminderte Filtration als Ursache bezogen werden, so fragt sich doch, worin in diesem Falle das Hindemiss für die Filtration bestand. Ob dasselbe trotz dem geschilderten anatomischen Befunde gleichwohl im Fontana'schen Räume zu suchen war, oder in den abführenden Blutgefässen, müssen wir dahingestellt sein lassen ; für letztere Annahme lässt sich anführen, dass die Gefässe des Circulus vienosus schwach entwickelt und an vielen Präparaten nicht zu finden waren. Jedenfalls ergiebt sich aus diesem Versuch die wichtige Thatsache, dass die histologische Untersuchung der Sklerocomealgrenze nicht immer genügt, um das Verhalten der Filtration richtig

Ueber die Filtration aus der vorderen Kammer etc. 241

zu beurtheilen, dass diese vielmehr trotz Offenbleiben des Kammerwinkels erhebKch herabgesetzt sein kann.

Hierdurch verUeren die Einwände gegen die Eetentions- theorie ihre Beweiskraft, welche von manchen Autoren auf Grund von anatomischen Befunden erhoben worden sind, wo der Kammerwinkel trotz hochgradiger Drucksteigerung offen geftinden wurde. Man wird daher in Zukunft nur solche Fälle als beweiskräftig ansehen dürfen, in welchen ausser dem anatomischen Verhalten auch die Filtration untersucht worden ist.

E.

Filtration bei Augen mit Seoundarglaukom. Versuch XL

Herr Franz Bl. R. A. Verletzung vor 9 Jahren durcli einen Schuss mit einem Bogen. Rasch vorübergehende Ent- zündung, dann allmählicbe Erblindung im Verlauf von 2 Jahren; erst seit 3 Wochen wieder stärkere Entzündung und Sdunerzen.

Stat. pr. R. Tiefe Ciliarinjection; Cornea matt, fleckig ge- trübt; kleines Hyphaema; Iiis auf einen schmalen Saum redudrt; Verhalten der Linse nicht sicher zu erkennen; granlicher Reflex aus der Tiefe des Auges. Druck sehr hoch. Absolute Amaurose. Die Entstehungsweise des Glaukoms blieb unaufgeklärt.

Enudeation am 28. VL 82. Sehnerv stark verdünnt und grau.

Filtrations versuch

'/j Stunde nach der Enudeation. Bulbus noch sehr praü gespannt. Manometer mit 8 */, mm weitem Rohr. Berlinerblau- lösung.

Zeit

Druck

im Manometer

hergestellt

mmHg

Druck

nach der

Communication

mmHg

Bemerkungen

1.45

1.45V,

4.30

4.31

6.30

42,5

92^

42,5 41,5

91

Communication gut. Keine Spur von liyection der äusser- lich sichtbaren Gefftsse

▼. Oraefe's Archiv fOr Ophthahnologie. XLI. 8.

16

242 Chr. F. Bentzen und Th. Leber.

Die Durchstichscanüle wurde ohne Verlust von Humor aqueus eingeführt Nach Herstellung der Communication drang etwas blaue Flüssigkeit in die vordere Kammer ein. Kein merk- liches Sinken der Hg-Säule.

Bei 42,5 mm Hg Druck filtrirten somit in der Minute

Jt 4 25* 1

- ' ' ^ '- = 0,34 cbmm, und bei 92 91 mm Hg Druck 165

0,47 cbmm.

Anatomische Untersuchung.

Auge in Müll er' scher Flüssigkeit gehärtet, in Celloidin ge- schnitten. Die Untersuchung ergibt totale Netzfaautablösung und vollkommene ringförmige Verwadisung des Kammerwinkels, aber keine direkten Folgen der früheren Verletzung, insbesondere keine Narbe der Hornhaut oder Sclera und kerne Verletzung der Linse.

Die Vei-iÄ'achsung des Kammerwinkels erstreckt sich et^a auf '/g der Irisbreite. Das Pigmentepithel ist durch eine Schicht von neugebildetem Bindegewebe stark auf die vordere Seite der Iris hinübergezogen, auf einer Seite bis zur Verwachsungsstelle hin, audi der Sphincter pupillae evertirt. Die blaue Masse um- säumt überall die Wand der vorderen Kammer, dringt aber nicht in die Verwachsung hinein. Die Gefässe des Circulus venosus sind blutleer, zum Tlieil klaffend, ihre Wand kemreich; sie sind sehr weit von dem jetzigen Kammer^inkel entfernt In der Um- gebung des Stichcanals der Canüle ist die Descemet'sche Membi-an durch Einführung der Nadel eine Strecke weit abgelöst; von dem Stichcanal aus ist blaue Masse in die hier vorhandenen neugebildeten (leflLsse der Hornhaut eingedrungen und hat sich weiterhin in den GefäBsen der Sclera bis zum Aequator ver- breitet, stellenweise auch in den Circulus venosus liinein, in den aber vom Kammerwinkel aus kein Farbstoff eingedrungen ist

Ciliarfortsätze dünn, durch zartes Bindegewebe in die Länge und nach hinten gezogen. Die hintere Kammer ist tief, die Linse an Ort und Stelle, kataraktös verändert; die Kapsel und Zonula intact, das Epithel stellenweise gewuchert und auf die ganze hintere Linsenkapsel fortgesetzt Die blaue Masse ist auch bis in die Zonula und in den Glaskörperraum eingedrungen. An der Innenfläche des Ciliarkörpers findet sich bindegewebige Neu- bildung und Verdichtung des Glaskörpers; das vordere Ende der trichterförmig abgelösten und stark degenerirten Retina ist auf der einen Seite 'weit von der Ora serrata abgerissen und das Ende eingerollt

lieber die Filtration aus der vorderen Kammer etc. 243

Die Ghorioidea zeigt Dmsenbildung und am vorderen Ende umschriebene Rundzelleninfiltration und Neubildung von GeÜtesschlingen, die sich über die innere Fläche erheben, lieber das Verhalten der V^iae vorticosae liess sidi nichts ermitteln^ da sie an den untersuchten Schnitten nicht zu finden waren. Papille tief excavirt Sehnerv zeigt Atrophie der Nervenfasern und entzündliche Veränderungen.

Versuch XU.

Wilhelm Almstedt, 50 Jalire alt L. A. Secundärglaukom in Folge von Iritis. Das Auge ist schon seit dem Alter von 11 12 Jahren blind. Seit ^/^ Jahr Entzündung mit zeitweise heftigen Schmerzen. Massige Ciliarinjection. Bandförmige Horn- hauttrübung. Sklerosurende Trübung des Homhautrandes. Auf dem Boden der vorderen Kammer ein hypopyonähnliches, ca. 2 3 mm hohes Exsudat Pupiliarverschluss. Augendruck sehr erhöht

Enudeation am 22. V. 83. Sehnerv grau, stark verdünnt.

Filtrationsversuch

1 Stunde nach der Enudeation begonnen. Manometer mit einem engen Schenkel. Mischung von Beriinerblau- und Carmin- lösung. Bulbus noch sehr prall. Canüle ohne Verlust von Kammerwasser in die vordere Kammer eingeföhrt

Zeit

5.04 5.05 5.08

5.10 5.15

5.28 5.31

sinken | des Druckes! In 1 Min. mmUg

Bemerkungen

60 41 40

39 37

35 86

5.3Ö r 33

0^3

0,5 0,4

0,15 0,33 0,75

Druck sinkt

' Communication hergestellt sofort auf 41 mm.

Die vorderen Ciliarvenen blieben während des Versuches nur mit Blut gefüllt, keine Spur von violetter Iiyection.

Communication während des ganzen Ver- suches gut Nach Beendigung des Ver- suches stellt sich heraus, dass der Hahn, durch welchen Flüssigkeit in das Mano- meter eingepresst wurde, nicht voll- kommen schloss, so dass also das Ab- sinken deg Druckes vermuthlich nocli zu hoch gefunden wurde.

16*

244 Chr. F. Bentzen und Th. Leber.

Die anfÜDglidie Abnalune des Druckes von 60 bis 41 mm Hg wurde jedenfalls durch Flüssigkeitsaufnahme und Ausdehnung des Auges her\'orgerufen, und erst von da ab kann das ^nken auf Filtration bezogen werden. Von 5 Uhr 5 Min. bis 5 Uhr 35 Min., während der Druck im Manometer von 41 bis 33 mm Hg fiel,

ist in 1 Minute | \ 2 / * j = 0,47 cbmm Flüssigkeit durdi

das Auge filtrirt. Dieser Werth ist aber aus dem soeben an- gegebenen Grunde wohl noch etwas zu hoch.

Anatomische Untersuchung.

Auge in Müller'scher Flüssigkeit gehärtet, sdion dm*di- schnitten. Untersuchung an Celloidinschnitten. Coiyunctiva hyper- aemisch und mit Kundzellen infiltiirt. Coniealepithel sehr un- regelmässig, stellenweise verdünnt oder fehlend. Die Mb. Bow- niani fehlt fast ganz, an ihrer Stelle eine Sdiidit von neu- jrebildetem Bindegewebe, mit der eigenthümlichen, staubförmigen Tunktirung der bandförmigen Hornhauttrübung. Die Cornea propria ist vasculaiisirt und zelUg infilti'ii-t, hauptsädüich in der reripherie. In der vorderen Kammer eine dicke Schicht von neugebildetem Bindegewebe, die nadi unten die Hornhaut an Dicke übertrii)% und mit Iris und Descemefsdier Membran ver- wachsen ist. Der Kammer^inkel ist überall in grosser Aus- dehnung vein^achsen. An einigen Präparaten erscheint die Descemet'sche Membi'an durdi die Stichcanüle von der Hornhaut abgelöst und aufgerollt. Die vordere Flädie der Iris und hintere l^lädie der Horahaut, resp. des sie deckenden Bindegewebes, durch die Injectionsflüssigkeit blau gefärbt, aber nur bis zur Yerwadisungsstelle; mrgends blaue Masse weiter eingedrungen. Der Circulus venosus ist offen und theils leer, theils mit Blut gefüllt Die Iris ist grösstentheils stark atrophii*t, von zelliger Infiltration durchsetzt, ilire Dicke sehr ungleich. Pupille durch Bindegewebe verschlossen. An mehreren SteUen ist das Pigment- epithel zapfenförmig nach rückwäi-ts gezogen und mit den Ciliar- fortsätzen verwachsen.

Die Linse fehlt in allen Präparaten, man sidit nur einige Zonulareste, sie wnirde vemnithlich beim Aufsdmeiden des Auges

üeber die Filtration aus der vorderen Kammer etc. 245

entfernt. Die Processus cUiai-es sind kurz und dick; von Eosin stark geförbt (sklerosirt); an einigen Stellen mit einander ver- wachsen oder rückwärts gezogen. Im Corpus ciliare Zeileninfil- tration um ein Gefass.

Chorioidea dünn^ zeigt zerstreute Rundzelleninfiltrate und bindegewebige Exsudate, in deren Bei*eicti die Chorioidea mit der hier völlig ati'ophulen Retina verschmolzen ist; beide stellen hier nur eine pigmentirte Bindegewebsmasse dar. Nach vorn ist die Chorioidea mit der Retina zusammen von der Sklera abgelöst.

Die Retina zum grössten Theil stark degenerirt, nur stellen- weise gut erhalten.

Der Sehner\' ist atrophisch, stark zeUig inßltrirt. Die Papille tief excavii-t

Die Venae vorticosae wurden in den untersuchten Präparaten nicht gefunden.

Versuch XIIL

Margaretha Dieter, 20 Jahre. R. A. Im Alter von 6 Jahren 2 Monate lang Entzündung auf beiden Augen, in Folge deren das rechte Auge erblindete und allmählich grösser wui-de; später noch öfters vorübergehende Entzündung, jetzt wieder seit 3 Jahren, zuletzt mit heftigen Schmerzen.

Der Bulbus ist vergrössert, wü-d jedoch beim lidschluss noch völlig gedeckt; die Conjunctiva sehr stark injichi;; die Cornea dicht diffus getrübt, ectatisch, kegelförmig vorgetrieben, von zahh*eichen, dicken, baumförmig verzweigten Gef^en über- zogen; auf der Mitte des Kegels eine kleine ulcerirte, verdünnte Stelle, die offenbar perforirt war. Die vordere Kammer noch deutlich zu sehen. Eine vordere Synechie. Druck nicht erhöht, Lichtschein föi* mittiere Lampe. Enucleation am 8. L 95.

Filtrations versuch

mit ^/^^/^NaCl-Lösung und Thermometerrohrapparat ^/^ Stunden nach der Enucleation ange&ngen, Canüle in der vorderen Kammer.

Druck im Manometer 25 mm Hg.

246

Chr. F. Bentzen und Th. Leber.

stand

der

Zeit

Luftblase 1 i-in

2.21

1 34,8

2.22

; 35,6

2.23

1 36,2

2.24

36,7

2.25

37,1

2.26

37,65

2.27

1 37,95

2.28

38,25

2.29

38,55

2.30

38,8

2.40

, 41,85

2.50

' 44,65

3.00

1 47,1

3.10

49,4

3.12

1 49,95

Bewegung

dar

Fiastlgkeitosftule

in der Minute

in mm

8 6

5

4

4,5

4

3

3

2,5

3

2,25

1,5

Flftflsigkeitemenge

filtrirt in

einer Minute

Von 2.27 ülir bis 3.12 ühr bei 25 mm HgDruck2cbmm.

Der Druck wurde jetzt auf 50 mm Hg gesteigert. Durch Abnehmen des Gummischlauches vom Thermometerrohr und Aussaugen der Flüssigkeit im letzteren, während sowohl das Auge als der Trichter durcli Klemmen geschlossen waren, wurde eine neue Luftblase in das Thermometerrohr eingebradit, und die Communication im Ai)parate wieder hergestellt Die erste Luft- blase bheb im kleinen Glasrohr zwischen der Canüle und dem Tliennometerrohr stecken.

Die Drucksteigerung" wurde um 3 Llir 20 Mm. hergestellt Wie viel Flüssigkeit das Auge dadurch aufnahm, wurde leider nicht beobachtet.

1

stand

Bewegung der Luftblase

Zeit

der

Luftblase

In der Minute

3.23

8 cm

3.24

8,4

4 mm

3.25

8,75

3,5

3.26

9,05

3

3.43

14,55

2

3.51

16,65

3,23

4.05

20.025 »

2,41

4.39

27,825

2,29

Filtrationsmonge in 1 Minute

Von 3.26 Uhr bis 4.39 Uhr bei 50 mm I Ig Druck 1,9cbnim.

Ohne die Communication zu unterbrechen, wurde der Druck um 4 Uhr 42 Min. auf 70 mm Hg gesteigert, wodurch die Luftblase sich bis 32,9 ein verschob.

lieber die Filtration aus der vorderen Kammer etc. 247

Zeit

stand

der

Luftblase

Bewegung

der Luftblaee

FiltntioDsmenge In 1 Minute

4.42 4.43 4.44 4.54 5.07

32,9 cm

33,3

33,6

36,8

40,45

4 mn 3 3,2

2,8 .,

Von 4.44 Uhr bis 5.07 Uhr bei 70 mm Hg Druck 2,5 cbmm.

Ohne die Communication zu unterbrechen^ wurde der Druck um 5 ülir 7 Min. auf 90 mmHg gesteigert.

stand

Bewegung

Zeit

der

der

Luftblase

Luftblase

5.09

44,3 cm

5.10

44,7

4 mm

5.11

45,025

3,25

5.15

46,35

3,34

5.20

47,9

3,1

5.22

48,425

2,62

FUtiationsmenge in 1 Minute

Von 5.10 Uhr bis 5.22 Uhr bei 90 mm Hg Druck 2,3 cbmm.

Anatomische Untersuchung.

Conjunctiva hyperämisch und zellig infiltrirt Cornea fast überall mit Zeilen infiltrirt und vascularisirt, die tieferen Schichten des Epithels vesiculär degenerirt. Bowman'sche Membran fehlt grösstentheils.

Auf der einen Seite findet sich eme breite Verwachsung zwischen Iris und Homliaut in der Gegend des Pupillenrandes, der periphere Theil der vorderen Kammer in Folge dessen auf eine Spalte reducirt; auch auf der anderen Seite die vordere Kammer seicht In der Gegend der vorderen Synechie fehlt die Descemet 'sehe Membran in ziemlicher Ausdehnung, daneben ist sie noch von einer Schicht neugebildeten Bmdegewebes be- deckt

Der Kararaerwinkel überall verwachsen, ungefähr im Be- reich des äusseren Fünftels der Iris, die theilweise bis auf das Pigmentblatt atrophirt ist. Der Circulus venosus nicht von den anderen Gefässen am Horahautrande zu unterscheiden.

Auf der vorderen und hinteren Flache der Iris ist bis auf die Ciliarfortsätze lockeres eitrig-fibrinöses Exsudat mit bei- gemengtem Blut aufgelagert, welches eine vordere Synechie an dem nicht verwaclisenen Theil des Pupillenrandes unterhält Es

248

Chr. F. Bentzen und Th. Leber.

findet sich femer eine starke, diflnse Rundzeileninfiltration der Iris, des Giliarkörpers, der CiliarfortBätze, des vorderen Theils der Chorioidea und der Retina. Die etwas atrophischen Ciliai*- fortBätze sind mehr oder minder von eitrig-fibrinösem Exsudat bedeckt Der vordere Theil der Retina ist ganz degenerirt. Im Glaskörpen-aum und in der hinteren Kammer findet sich eine Menge grosser, vielkemiger Eiterzellen. Der Glaskörper ist faserig verdichtet Die Linse sah makroskopisch Aach und geschrumpft aus und war von dunkelgelber Färbung. Mlkroskopisdi erstreckte sich die Kemzone am Aequator, im Verhältnisse zum Alter der Patientin, zu wenig in die Tiefe, so dass man annehmen kann, dass es sich hier um eine Sklerosirung der Linse handelte, ob- wohl man eine Schrumpfung der Linsenfasem nicht direct nach- weisen konnte.

Die Venae vorticosae waren in den untersuchten Schnitten nicht vorhanden. An der hinteren Hälfte des Bulbus war fillher makroskopisch eine tiefe glaukomatöse Excavation con- s£atirt worden.

Versuch XIV.

Charlotte Ellies, 14 Jahre alt R. A. Vor Jahren Ver- letzung durdi einen Messerstich in der Ciliargegend. Grosses Cillarstaphylom mit massiger Ectasie und Leukom der Cornea. Enudeation 22. L 84.

Filtrationsversuch,

wn 4 Ulir angefangen, ca. 3 Stunden nach der Enudeation; Canüle m die hintere Kammer eingeführt. 8^/4 mm weites Manometer. Misdiung von Berlinerblau- und Garminlösung.

Zeit

4.00

4.0 V. ;

4.22 4.25 4.26V.

10.00

Druck im Manometer hei^^Btellt

mmHg

Druck

nach der

Communi-

cation

gesunken auf

mm Hg

Sinken | des Druckes I in einer Minute I mmHg I

27

25,5

0

25,5

60

68

66

0,006

Bemerkungen

Keine Iiyection der epi- skleralen Gefässe während des Versuches beobachtet

lieber die Filtration aus der vorderen Kammer etc. 249

Der Dniek im Auge war vermatfalich im Begimi des Verauckes nnge&hr = 25,5 mm Hg, da er nach dem ersten AbM von 27 mm auf dieser Höhe stehen blieb. Das Sinken von 60 auf 58 mm muss zum Theil auf Dehnung des Bulbus bezogen werden , da der Abfall später viel langsamer erfolgte. Bezieht man diesen auf Filtration^ so gingen bei 58 56 mm Hg Druck in der Zeit von 4 Uhr 25 Min. bis 10 Uhr, also in 5 Stunden 35 Minuten

335 hindurch.

cbmm in der Minute durch das Auge

Anatomische Untersuchung.

Bulbus durch Schrumpfung bei der Präpai-ation stark de- formirt; grosses Ciliarstaphylom, das auf etwa \ der Honi- hautoberfläche übergreift. Vordere Kammer fast überall aut- gehoben; dicke Bindegewebsschicht zwischen der stark atro- phirten Iris und den Resten der Descemet 'sehen Membran. Kammerwinkel vollständig verwachsen; die ihn bildenden Theile bis zur Unkenntlichkeit verändert. Der Circulus venosus nicht mehr zu finden. Die Injectionsmasse ist direct in die hintere Kammer gedrungen und hat sich auf der ganzen Innenfläche des Ciliarkörpers und der Retina verbreitet, und die an diese Theile grenzende Schicht des Glaskörpers durchtränkt; sie ist aber nirgends in die Bulbuswand eingedrungen.

In der Gegend der völlig verwachsenen Pupille ist in die dicke Bindegewebsmasse eine unregelmässig gestaltete Knochen- bildung eingeschlossen. Ciliai'körper und Ciliarfortsätze stark atrophirt. Von der kataraktösen linse ist nur ein ringförmig gestalteter Rest übrig geblieben. Die Kapsel in der Mitte stark gefaltet; jeden&Us bei der Verletzung mit betroffen gewesen.

Chorioidea dünn; die Retina zeigt Atrophie der Nervenfaser- und Ganglienzellenschicht, im vorderen Abschnitt cystoide Degeneration. Glaskörper fibrillär verdichtet Papille excavirt, Sehnerv atrophü^ und entzündlich verändeii. Die Venae vorticosae waren an den untersuchten Schnitten nicht mit Sicherheit zu finden.

Versuch XV.

Karl DörrieS; 62 Jahre, aus Negenbom. L. A. Ausgang schwerer Hypopyonkeratitis mit Zerstörung des grössten Theiles

250

Chr. F. Bentzen und Th. Leber.

der Hornhaut und grossem Irisvorfiedl, später Staphylonia corneae. Heftige Schmerzen und starke Drucksteigemng^ durch Punktion nicht gebessert. Schwacher Lichtsdiein. Einige Tage nachher, am 8. H. 1883 Enucleation.

Filtrations versuch

3^/, Stunde nach der Enucleation , Bulbus schon etwas coliabirty Canüle ohne Verlust von Humor aqueus in die vordere Kammer eingetülirt, Manometer mit einem engen Schenkel. Berlinerblaulösung.

Zeit

I Druck im

Manometer

I hergestollt.

' mmHg

I Druck „, - ,

nach der i Sinl^en

Communi- <*«» Drucke« I cation Re- ' *"^ «*^®'

■unken auf 1 Minute ! mmHg ™n»Hg I

Bemerkungen

4.56 4.67 5.00 5.00

23

100

8 30

("ommunication gut.

5.0 V,

25

1 1

5.01

100

1

5.01V,

63

5.03

58

; 3^

5.06

55

1,6

5.15

48

0,7

5.26

44

0,36

542

. 40

0,25

Die episkleralen GefiUsc blie- ben während des ganzen

{ Versuches blutgefüllt, ohne andere Färbung zu zeigen.

I Die Oberfläche der Cornea und Conjunctiva blieb trocken und zeigte keine Spur von Filtration, obwohl sie vor

] Verdunstung geschützt war.

Der Druck war bei Beginn des Versuches niedriger als 23 mm Hg, da das Auge bei Herstellung der Comunication bei dieser Druckhöhe Fltlssigkeit auihalim. Audi dajs rasche Ab- sinken des DiTickes um 5 Ulir ^a ^^Jö. und 5 Ulir 1*/, Min. wurde natürlich dm*ch Ausdelmung des Auges hervorgerufen. Das Sinken des Druckes nimmt von 5 Uhr 1 ^/^ Min. bis 5 Uhr 42 Min. ab, je länger die Zeit dauert Als Anhaltspunkt /.ur Berechnung der Filtration kann man daher wohl nur den VVertli annehmen, der aus dem Sinken des Druckes im Ijaufe

Ueber die Filtration aus der vorderen Kammer etc. 251 der letzten 37 Minuten, von 55 40 mm Hg zu beredmen ist:

\ 2 / , also ungefähr 0,71 cbmm für 1 Minute; legt man

37 nur die letzten 16 Minuten zu Giimde, so erhält man sogar nur 0,44 cbmm.

Anatomische Untersuchung.

Auge in Müll er 'scher Flüssigkeit gehärtet, in Celloidin ge- schnitten.

Grosses konisches Partialstaphylom der Hornhaut nach unten; die Randtlieile der Homliaut stark gedehnt. Stellenweise ist die ganze Iris querüber mit der Homhautnarbe verwachsen, an anderen Stellen findet sich noch ein mit . Blut erfllllter Kest der vorderen Kammer. Hier ist der Kammerwinkel auf einer Hälfte des Umfangs fest verwachsen; auf der anderen Hälfte er- sdieint er offen und mit Blut gefüllt, das audi in die Maschen des Lag. pectinatum eingedrungen ist Man sieht hier durch die Blutung zarte Bmdegewebszüge von der Iris zum Skleralrande hinüberziehen, woraus sich ergibt, dass auch hier früher eine Verwachsung im Kammerwinkel bestand, welche durch den Blut- erguss aus einander gerissen wurde. Das Gewebe des Ligamentum pectinatum ist verdiclitet. Die Gefässe des Cu*cu1us venosus smd zum Theil leer, zum Theil mit Blut gefüllt, in ihrer Umgebung viele Kerne.

Die Pupille ist verechlossen und die Iris mehr oder minder stark atrophisch. Die Ciliarfbrtsätze sklerosirt, theils verdünnt, tlieils knotig verdickt; im CiUarkörper umsdiriebene Rundzellen- Infiltration und eine Drusenbildung am Uebergang in die Iris. Linse verechwunden.

Die Injection ist durch das Staphylom direct in die hintere Kammer gegangen, in der vorderen finden sich nur Spuren von blauem Fai-bstofT, mehi- davon an der llinterfläche der Iins und der InneufilTche des Ciliarkörpers. Nirgends ist das Blau in das lig. pectinatum, die Gefasse oder sonst in die Bulbuswandung eingedrungen.

Die Papille zeigt glaukomatöse Excavation, die Retina die gewöhnliche Form der Atropliie und cystische Degeneration im vorderen Abschnitt. Chorioidea dünn und blutann.

Venae vorticosae unvei-ändert.

252

Chr. F. Bentzen und Th. Leber. Versuch XVI.

Riebard Grimme^ 19 Jahre alt, aus Gandersheim. L. A. Auge schon in der Kindheit verloren , vollständig amaurotisch. Die JViitte der Cornea staphylomatös, der Rand noch etwas durchscheinend. Die vordere Kammer aufgehoben. Das Staphylom nidit stark ausgedehnt , die Ciliargegend nur leicht ectatisch. Augendruck deutlich gesteigert. Keine Schmerzen. Die Enu- cleation wurde 26. VII. 83 gemacht, damit der Patient ein künstUches Auge tragen könnte.

Filtrationsversuch

3^/4 Stunde nach der Enucleation angefangen, Manometer mit 1,5 mm weitem Schenkel. Mischung von Berlinerblau- und Carminlösung. Canüle dui'cli das Staphylom in die hintere Kammer eingefilhrt, olme Verlust von Humor aqueus. Versuch ohne jeden Zufall gelungen.

Druck im

Druck

Sinken

Manometer

des Druckes

Zeit

hergestellt

auf

in einer Minute

Bemerkungen

mm Hg

mm Hg

mmHg

4.44

25

Während des Versuches sah

4.45

21

man keine Injection auf der

4.47

21

0

Oberfläche des Bulbus. Erst

4.50

21

0

nach Beendigung des Ver-

4.50V,

80

suchs ist an einer Muskel -

4.51

44

sehne eine schwache röth>

4.53

40

2

liehe Färbung zu bemerken,

4.54

39

1

die vermuthlich aus den

5.02

35

0,5

vorderen Ciliarvenen stammt

5.20

30

0,28

Venae vorticosae nicht in- jicirt.

Der Druck im Auge war am Anfang des Versuches ver- mutlilich gleich 21 mmHg; da er nach Herstellung der Com- munication diese Höhe annalim und 5 Minuten lang behielt. Das nachher erfolgende rasche Absinken des am Manometer auf 80 mm gesteigerten Druckes auf 44 mm wurde sicher durdi Ausdehnung des Auges ^ insbesondere des Staphyloms hervor- gerufen. Von da an sank der Druck von 44 bis 30 mm Hg und zwar mit abnehmender Geschwindigkeit, anfangs um 2 mm^ zuletzt um 0,28 mm in der Mmute. Ein Theil dieser Druck- abnahme ist daher gewiss noch auf Ausdehnung des Bulbus zu

Ueber die Filtration aus der vorderen Kammer etc. 253

bezielien; eB ersoheint deshalb gerathen, erst den letzten Hieil des VeimiclieB von 5 Uhr 2 Min. an znr Berechnung der Filtration zu benützen; dann Mürde sich ergeben, dass bei 32^5 mm Hg

Druck in der Minute \ 2 / = 0,49 cbmm Flüssigkeit

18 durch das Auge filüirt wären.

Anatomische Untersuchung.

Bulbus in Müller'scher Flüssigkeit gehärtet, in Celloidin geschnitten. Totales Homhautstaphylom. Hornhaut fast ganz durch Narbengewebe ersetzt, hier und da noch Reste der Mem- brana Descemetil, aber nicht bis zum Lig. pectinatum zu ver- folgen. Vordere Kammer völlig aufgehoben. Die Injection ist hinter die Iris gegangen; der blaue Farbstoff findet sich im ganzen hinteren Bulbusraum, aber nirgends im Gewebe oder in den Geissen. Der Circulus venosus nicht aufzufinden. Iris stark atrophisdi. Von der Linse nur geringe Reste vorhanden. Ciliarfortsätze lang und dünn. Corpus ciliare stark verdünnt und mit dem Limbus corneae etwas ausgebuchtet, an seiner Innenfläche neugebildetes Bindegewebe und Gefösse. Chorioidea unregelmässig verdickt, stellenweise mit der Retina verwachsen. Retina atrophisch degenerirt. Tiefe Druckexcavation der Papille. Sehnerv atrophirt Glaskörper geschrumpft und fibriOär. Venae vorticosae normal.

Von den 6 Augen mit Secundärglaukom, welche zu den im letzten Abschnitt mitgetheilten Versuchen gedient haben, ist das erstere (Versuch XI) nur mit Wahrschein- lichkeit hierher zu rechnen. Es handelte sich um eine Ver- letzung durch einen Bogenschuss, die anfangs zur Entzün- dung und dann zu allmähhcher Erblindung führte, wobei aber die 9 Jahre später vorgenommene Untersuchung sowohl des lebenden als des enucleirten Auges keinen bestimmten Au&chluss über die Entstehung des Glaukoms zu geben vermochte. Sicher ist, dass es sich weder um die Folgen einer adhärenten Homhautnarbe, noch eine Verletzung oder Dislocation der linse gehandelt hat Es muss dahingestellt bleiben, wie die Verwachsung des Kammerwinkels zu Stande

254 Chr. F. Bentzen und Th. Leber.

kam; gegen die etwaige Yermuthung, dass es sich um Hin- zutreten eines von der Verletzung xmabhängigen Piimär- glaukoms gehandelt habe, spricht, abgesehen von den be- stimmten Hinweisungen der Anamnese, dass es sich um ein jugendliches Individuum handelte, und das andere Auge normal war.

Der zweite Fall (Vers. XII) betrifft ein Secimdär- glaukom nach Iritis mit Pupillarverschluss; der dritte (Vers. Xni) einen Buphthalmus mit adhärenter Homhaut- narbe nach perforirtem Geschwür, comphcirt durch ein frisches eitriges Homhautulcus; der 4. Fall (Vers. XTV) ein Sklerocomealstaphylom nach perforirender Verletzung; der 5. Fall (Vers. XV) ein frisches und der 6. Fall (Vers. XVI) ein viele Jahre bestehendes Totalstaphylom der Cornea,

Bei den 3 letzten Fällen gelangte die Canüle wegen völlig aufgehobener oder nur zum kleinen Theil erhaltener vorderer Kammer durch das Staphylom direct in die hintere Augenkaramer.

Auch bei diesen Versuchen war das Verhalten in Bezug auf sichtbare Injection der circumcomealen Gefässe und Durchtränkung der Conjunctiva durchweg ebenso negativ ^vie bei denen der Reihe C und D. Bei den mit der Farb- stoffmischung injicirten Fällen XU und XIV ist noch be- sonders hervorzuheben, dass auch keine carminrothe In- jection zu Stande kam, im Vergleich mit Versuch IV bei eitriger Cyclitis, aus welchem hervorgeht, dass die entzünd- liche Gefässhyperämie das Gehngen dieser Injection keines- wegs erschwert

Der blaue Farbstoff blieb, wo in die vordere Kammer injicirt wurde, auf deren Gebiet beschränkt und drang nicht in den stets verwachsenen Kammerwinkel ein; im XII. Ver- such gelangte er allerdings zum Theil auch in die Venen, aber nicht durch den Kammerwinkel, sondern nachweislich durch neugebildete Gefässe der Hornhaut, die durch die eingestochene Nadel verletzt wurden. Dass in den letzten

Ueber die Filtration aus der vorderen Kammer etc. 255

Versuchen, wo die Injection direct in die hintere Kammer erfolgte und die vordere Kammer mehr oder minder voll- ständig aufgehoben war, der Farbstoff nicht in die Gefässe des CS^ulus venosus eindringen konnte, liegt auf der Hand.

Die Berechnung der Filtrationsgrösse findet auch in diesen Fällen wieder eine Schwierigkeit in dem Umstände, dass die Menge der in der Zeiteinheit in das Auge ein- dringenden Flüssigkeit rasch abnahm und zwar noch in höherem Maasse als bei den fiüheren Versuchen. Leider gaben die beim nonnalen Auge angestellten Versuche keinen genügenden Auischluss darüber, wie sich die Filtration von Berlinerblaulösung verhält, wenn der Versuch bei gleichem Druck längere Zeit fortgesetzt wird. Man ist daher im Unsicheren, welcher Theil des Versuches zur Beurtheilmig der Filtration am geeignetsten ist; wählt man eine zu frühe Zeit, so kann ein Theil des Absinkens der Flüssigkeit noch von Dehnung der Augenhäute herrühren, berücksichtigt man nur einen kleineren Theil am Ende des Versuches, so könnten hier schon Umstände eingewirkt haben, welche die Filtration vermindern, insbesondere eine durch die Farbstofflösung be- wirkte Quellung der Gewebe. Da es somit bis zu einem gewissen Grade willkürlich ist, wo man die Grenze setzen will, so sind die berechneten Werthe nur als ungefähre zu betrachten, die vielleicht durch weitere Untersuchungen der normalen Filtration sich noch etwas anders stellen würden. Unter diesem Vorbehalt stellen wir die berechneten Werthe zusammen (s. Tabelle, S. 256).

Von sonstigen Verhältnissen sei noch Folgendes her- vorgehoben. Die Gefässe des Gircidus venosus waren in drei Fällen offen und in vielen Präparaten mit Blut gefüllt, während sie in den übrigen Fällen wegen der starken Ver- änderungen an der Skleralgrenze sich nicht mehr als solche unterscheiden Hessen. Die Venae vorticosae wurden zwei Mal normal gefunden, (in den übrigen Fällen nicht beob- achtet). Die Sehnervenpapille war immer tief excavirt

266

Chr. F. Bentzen und Th. Leber.

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Ueber die Filtration aus der vorderen Kammer etc. 257

Das Gesammtergebniss der oben mitgetheilten Versuche lässt sich kurz claliin zusammenfassen, dass in allen unter- suchten Fällen von Glaukom, sowohl bei primärem Glaukom (acut oder chronisch entstanden), als bei Hydrophthalmus anterior, als bei secundärem Glaukom verschiedenen Ur- sprungs, eine beträchtliche Verminderung der Filtration aus der vorderen Kammer gegenüber dem normalen Auge zu constatiren war. Als Ursache dereelben war fast immer eine Verlegung oder Verwachsung des Kammemsinkels (zuweilen in Verbindung mit Pupillarverschluss) nachzu- weisen ; wo sie, wie bei Hydi-ophthalmus anterior, ausnahms- weise fehlte, bleibt die Ursache des Filtrationshindernisses noch aufzuklären.

Dies Ergebniss scheint uns eine wesentliche Stütze für die Retentionstheorie des Glaukoms abzugeben. Die Zahl der untersuchten Fälle ist zwar lange nicht gioss genug, um zu weit gehenden Schlüssen zu berechtigen und es wird noch zahlreicher Untersuchungen bedürfen, ehe das Ver- halten der Filtration bei den verschiedenen mit Hypertonie einhergehenden Augenaffectionen ausreichend bekannt ist. Doch scheint uns auch jetzt schon wenigstens für gewisse Kategorien der glaukomatösen Augenleiden die Ansicht die grösste Wahrscheinlichkeit zu haben, dass zwischen der Drucksteigerung und der Behinderung der Filtration ein ursächlicher Zusammenhang anzunehmen ist.

T. Qnefe'B Archiv Ar Ophthalmologie. XU. B. 17

Ueber eine lineare Form der stenopäischen Brille.

Von

Professor Hense» in Kiel.

Mit 1 Figur im Text.

Nachfolgend erlaube ich mh' eine Moditication des stenopäischen Diaphragmas vorzulegen, die, me ich glaube, eine praktische Prüfung verdient, weil sie in einigen Fällen von starkem, ref^ulären Astigmatismus mit nennens- weilhem Vortheil Vei-wendung finden könnte.

Das Dia])hrHgma des Brillenglases hat die neben- stehende Fonn. Die grösste Breite der Oefihung beträgt 1,2 mm, von da aus verläuft die Oefbung nach oben und unten in der Weise, dass ihre ganze Höhe 6 mm beträgt, dann setzt sie sich in einem Hnoaren Spalt von etwa 0,2 nun Breite bis an den Rand des Brillen- glases foi-t. In gewissem Sinne ist liier also die Pupille der Raubthiere nachgeahmt, mü- der lineare Spalt tritt hinzu. Ich habe auch vei-sueht. ob die halbmondförmige Pupille der Tintenfische einen Vortlieil gewähren könne, habe abei* damit durchaus nichts er- HMchen können, während die vorhegende Form schon bei

Ueber eine lineare Fonn der stenopäischen Brille. 259

grösserer Kurzsichtigkeit die Nummer der Concavgläser heraufzusetzen erlauben düi-fte.

Die gewählte Einrichtung bietet den gewöhnlichen stenopäischen Lochbrillen gegenüber etwa folgende Vor- theile. Man kann, durch die Mitte der Pupille sehend, noch ein recht grosses Feld überschauen, erhält noch recht viel licht oder hat doch schon Vortheil von der Enge der DiaphragmenöfiPnung, weil die Zerstreuungskreise erhebhch reducirt werden. Man gewinnt die mögUchst enge Oeffhung, wenn man den Kopf so neigt, dass che Sehaxe durch die obere und untere Spitze der Oeffnung geht. Dabei kann man die möglichst günstige Weite des Spaltes frei wählen. Geht man garausehr in die Spitze hinein, so werden die auftretenden InterferenzUnien zu lästig; man wird also den Kopf so neigen, dass die ja unvermeidlichen Interferenz- erecheinungen den durch die Enge der Oefl&iung zu er- zielenden Vortheil noch nur unerheblich beeinträchtigen. T3iese Stellung findet man unschwer und rein mechanisch, auch wird man sie nur vorübergehend benutzen. Der feine lineai-e Spalt erscheint im Sehfeld bei 25 cm Abstand als ein heller Baum, der mehrere, nicht mehr gut lesbare Worte enthält, der aber die Orientirung sehr erheblich er- leichtert, daher sehr wichtig ist.

Mein Wunsch, die Brille praktisch zu prüfen, hat sich hier nicht erreichen lassen, so dass mii* nur eine vereinzelte Erfahrung zu Gebote steht. Ein sehi* intelligenter Musiker klagte mir, dass er die Noten nicht sicher lesen könne, trotz aller möglichen Versuche mit Brillen, und dass seine Augen nur immer schlechter würden. Ihm zu Gefallen stellte ich die besprochene Einrichtung her, in der Hoff- nung, dass auch das Sehvermögen sich durch die Be- schaffung schärferer Bilder wieder bessern könnte. Leider habe ich damals keine Notiz über die Sehschärte gemacht. Nach einigen Versuchen, die Diaphragmen flir den be- sonderen Zweck möglichst richtig zu stellen, erklärte er

17*

260 Hensen.

sich Yon dem Besultat sehr befriedigt , er könne mit der Brille wieder gut und ohne Anstrengung arbeiten und merke keine weitere Abnahme seiner Sehschärfe. Er wusste mir grossen Dank und benutzt, worauf doch einiges G^e- wicht zu legen ist, jetzt, nach Verlauf von 10 Jahren, die Brille noch fortwährend beim Spiel. Solche Fälle könnten doch häufiger vorkommen, nur ist bisher nicht danach ge- sucht worden. Für gesunde Augen hat natürlich solche Brille keinen Vortheil, sondern nur etwas Nachtheil.

Der monoculare Versuch mit solchem Diaphragma ge- staltet sich sehr einfach, ich habe aber sofort eine Brille verwendet, weil auf jeden Fall das zweite Auge nicht heller beleuchtet sein darf, als das erste, auch muss das seitlich einfallende licht abgeblendet werden. Die Brille sieht hässUch aus, aber es würden sich wohl Mittel finden lassen, dem Uebelstand abzuhelfen.

Es wird sich nur darum handeln können, dass das Sehen in bestimmten Abständen, z. B. denen beim I^sen imd Schreiben, verbessert werden soll, denn bei Ver- änderung der Convergenz der Augen können die Dia- phragmen sich nicht mit ändern. Auch seitUche Bewegungen der Augen können nicht dienen, sondern anstatt ihrer wird der Kopf gedreht werden müssen, was übrigens keine Schwierigkeiten vei*ursacht Es kommt also darauf an, den Abstand der Diaphragmen so zu regeln, dass die Bilder auf den beiden Netzhäuten die gleichen Flächen bei der beabsichtigten Entfernung, z. B. des Buches umfassen. Dieser Abstand lässt sich berechnen, aber das ist nicht practisch. Wenn der Patient mit dem einen Auge einen Buchstaben fixirt, so muss die verstellbar eingerichtete Ver- suchsbrille so lange durch Näherung oder Entfernung der Diaphragmen von einajider veretellt werden, bis auch das andere Auge bei Verschluss des ersten, das gleiche Gre- sichtsfeld umfasst. Dies Verfahren sieht etwas complicirL aus, aber es gilt doch genau genommen für jede steno-

üeber eine lineare Form der stenopäischen Brille. 261

päische Brille. Nebenbei gesagt, wird man die Entfernung der Gläser für gewöhnliche oder Cylinder-BriUen mit meiner stenopäischen Brille viel genauer ermitteln können, als durch Messung der Abstände der Mitten der Pupille, wobei ja auch der Convergenz kaum Bechnung getragen wird. Den Spalt habe ich bisher in schwarzem Fimiss an der Innen- seite der Gläser herstellen lassen, im Falle des Bedarfe wird sich sicher das Verfahren verbessern lassen.

Ich fuge noch mein Beispiel für die Wirkung der Brille an. Feinste Schrift lese ich mit meinen kurzsichtigen Augen in 19 cm Entfernung, dagegen mit der Planglas- stenopäischen Brille in 32 cm. Der Patient Uest jetzt mit freiem Auge unter Kneifen der Lider Jäger D = l,5 in 15 cm Entfernung, also S = l/10, feinere Schrift überhaupt nicht oder nur mit grosser und ermattender Anstrengimg. Mit seiner Cylinderbrille hest er D = 1 m in 31 cm Ent- fernung, also S = 1/3 mit dem Diaphragma auf dieser Brille, Uest er dieselbe Schrift auf 46 cm, hat dann also beinahe halbe Sehschärfe; er kann damit noch die feinste Schriftprobe entziffern, aber dann ist die Sehschärfe nur 14/50. Dass er bis auf diese Nähe kommen kann, Avird durch das Diaphragma ermögUcht, denn bei seinen etwa 50 Jahren ist die Accommodation schon unvollkommen. Bei letzterem Versuch wird übrigens schon die Spitze der Diaphragmenöfibung benutzt

Durch Verengung des Spalts unter 1,2 mm würde ohne Zweifel noch eine, ein wenig bessere Sehschärfe zu erzielen sein, ich glaube indess, dass darauf verzichtet werden sollte.

Diaphragmenbrillen werden trotz der Empfehlung von Donders, wohl deshalb so wenig benutzt, weil man sofort bis an die äusserste Grenze der Feinheit der Oefhung geht Dabei verUert man zu viel vom Gesichtsfeld und zu viel Licht, so dass es richtiger sein dürfte, die Verengung nicht weiter zu treiben, als wie ich es hiermit in Vorschlag bringe.

Notiz zu meinem Aufsätze:

lieber den Lymphstrom ans der hinteren nach der vorderen Kammer^.

Von

Dr. W. Koster Gzn. aus Utrecht.

In der Einleitung zu dem genannten Aufsatz habe ich kurz die Versuche erwähnt, welche mit diflfiindirbaren Sub- stanzen angestellt woixien sind, um über die Richtung der Lymphbewegung im Auge Aufechluss zu erhalten. Ich bin dabei gar nicht daniuf eingegangen, in welchem Sinne die beobachteten Thatsachen von den verschiedenen Forschem gedeutet worden sind, weil ich der Ansicht bin, dass die Resultate der subcutanen Injectioii von Ferrocyankahum und von Fluorescein über den wirklichen Lymphstrom im Auge uns nicht belehren können; so hatte es keinen Zweck, die darauf bezüglichen Ansichten gesondert mitzutheilen. Es war mir nur darum zu thun, hervorzuheben, dass die diffimdirbaren Stoffe wirküch zuerst an der Lisperipherie zum Vorschein traten oder nachgewiesen werden konnten, und als Beleg dafür führte ich die Namen von Knies, Ulrich, Ehrlich und Pflüger an. Damit war aber gar nicht gesagt, noch auch gemeint, dass alle diese Forscher daraus den

») V. Graefe's Archiv f. Ophthalm. XLI. 2. p. 98.

Ueber den Lymphstroni etc. 263

Schluss gezogen hätten, dass dies auf eine Lymphströmung aus der hinteren nach der vorderen Kammer hinwiese, welche die Iriswurzel quer durchsetzte. Wie gesagt, hätte ich, lun die verschiedenen Meinungen über die Herkunft des in der Irisperipherie erscheinenden Fluoresceins mitzu- theilen, viel zu weitläufig werden müssen. Weil nun aber Herr Prof. Pflüger in einer mündUchen Mittheilung an Herrn Prof. Leber geäussert hat, dass ich ihn mit Unrecht als Anhänger der Irisdurchquerung citirt habe, welche er in der That gar nicht vertreten hat, so beeile ich mich, meine Meinung, wie oben geschehen, etwas deutlicher aus einander zu setzen, um jedes Missverständniss zu besei- tigen.

Billige Bemerkungen zu W. Koster's Aufsatz:

Beiti^ge zur Tonometrie und Manometrie des Auges ^).

Von

Dr. R Ostwalt in Paris.

Auf p. 134/135 seiner Arbeit sagt Herr Koster, ich hätte in meinem Aufsatz (v. Graefe's Archiv XL. 5) be- hauptet, dass es unumstössUch feststehe, dass wir zur Zeit kein Mittel besitzen, um mit Hilfe eines Manometers ab- solut genau den Druck im Auge zu messen.

Ich habe aber an der betreffenden Stelle (p. 38 39) wörtlich Folgendes gesagt:

„Wie dem auch sei, es hat sich für uns aus alle dem (he unumstössliche Thatsache ergeben, dass wir zur Zeit kein Mittel besitzen, um mit Hilfe eines so zu sagen intra- ocularen Manometers absolut genau den Druck zu messen, der in demselben Auge unmittelbar vorher*), d. h. im Momente der Anlegung des Maklakoff'schcu Tonometers geherrscht hat".

Dadurch dass Koster den hier gesperrt gedruckten Schlusstheil des Satzes einfach fortgelassen, hat er den

*) V. Graefe'ß Archiv f. Ophthalm. XLI. 2., pag. 113—158. ') d. h. wie aus dem Texte meiner Arbeit hervorgeht, unmittel- bar vor Einführung der Ganüle des Manometers in den Glaskörper.

Einige Bemerkungen zu W. Koster's Aufsatz etc. 265

Sinn des ganzen Satzes unrichtig wiedergegeben und mir ein Uriheil in den Mund gelegt, das ich nicht gefallt habe und zu dem ich mich, nach der relativ geringen Anzahl meiner diesbezüglichen Versuche, nie und nimmermehr für berechtigt gehalten hätte.

Wie ich in der Anm. 2 zu pag. 37 meiner Arbeit ausdrücklich hervorgehoben, fehlen mir persönliche Erfah- rungen über Leber's Manometer mit Vorderkammercanüle. Wie ich am gleichen Orte auseinandergesetzt, kam es mir darauf an, die Versuche von Wahlfors zu controliren und da dieser sich der von Schultön'schen Methode bedient hat, musste auch ich selbstverständlich dieselbe wählen.

Es lag eben nicht im Plane meiner Arbeit, die ver- schiedenen Ophthalmomanometer durchzuprüfen, sondern zu constatiren, in wie weit Wahlfors' manometrische Be- stimmung des intraocularen Druckes an dem von ihm daraufhin gemessenen normalen Menschenauge Anspruch auf Exactheit erheben konnte.

In dieser Hinsicht genügten mir die 3 am Kaninchen- auge mit negativem Erfolge ausgeführten Messungen. Trotz ihres negativen Erfolges kann man diese Versuche von meinem Standpunkte aus aber nicht als „misslungen^^ bezeichnen, wie Koster dies thut. Im Gegentheil, gerade der Umstand, dass ich nach der von Schulten 'sehen Me- thode stets einen zu niedrigen Druck fand, war für mich sehr interessant und zugleich sehr erwünscht, erhielt doch dadurch die auffallende Uebereinstmimimg des mittieren normalen Augendruckes, wie ihn Maklakoff nach einer sehr grossen Anzahl von Messungen mit seinem Tonometer berechnet, und dem Werthe, den Wahlfors durch directe Messung mittelst des Inti*aocularmanometers gefunden, ihre natüi^- liche Erklärung. Ich hatte eben experimentell für beide Methoden einen bedeutenden Fehler in gleichem Sinne nachgewiesen. Das war ja alles, auf das es mir ankam.

266 F. Ostwalt.

Koster hat ja im übrigen meine Erfahrungen über von Schulten 's Methode nur bestätigen können.

Was endlich das von mir modifidrte Fi ck 'sehe Tono- meter anbelangt, so sind die von Koster auf p. 126 gegen das Instrument, so wie ich es in der von ihm citirten Arbeit beschrieben, geäusserten Bedenken allerdings durchaus be- rechtigt Ich habe mich selbst bald davon überzeugt und das Instrument in ganz anderer Weise abgeändert In dieser neuen Form habe ich das Tonometer bereits vor Er- scheinen der Koster'schen Arbeit auf dem Congrös de la Societe Frangaise d'Ophtalmologie im Mai dieses Jahres und dann im August in Heidelberg demonstrirt (vergl. die beiden Sitzungsberichte). So wie es jetzt ist, ist mein In* strument entschieden der Kost er 'sehen Modification (vergl. pag. 127 seiner Arbeit) überlegen. Wie ich mich persön- lich überzeugt habe, ist eine Reibung der Tonometerstange an einer der beiden als Fangvorrichtung dienenden Federn während der Messung kaum zu vermeiden und dadurch werden die Messungsergebnisse durchaus gefälscht

Das von Koster beschriebene „neue Tonometer'* (p. 130 ff. seiner Arbeit) ist im Grunde genommen nur eine Modification des 1863 von Ad. Weber beschriebenen Instrumentes, bei dem Koster an die Stelle des mittleren Zapfens die Fi ck 'sehe Platte und an die Stelle der beiden äusseren Zapfen einen kleinen HohlcyKnder gesetzt hat Die Arretirungsvorrichtung ist im Wesenthchen dem Web er- sehen Tonometer nachgebildet Es ist das jedenfalls wieder ein compUcirter und darum kostspieliger Apparat, der sich schon aus diesem Grunde schwer in der Praxis einbürgern dürfte. Gerade die Einfachheit von Fick's Instrument ist einer seiner Hauptvorzüge. Wie ich es jetzt modificirt habe, leistet es alles, was man billigerweise von ihm ver- langen kann.

Leider konnte ich das Koster'sche Tonometer nicht in Heidelberg zu Gesicht bekommen, geschweige denn mir

Einige Bemerkungen zu W. Eoster's Aufsatz etc. 267

zur Nachpriifdng verschaffen. Das einzige Instrument, das in H. existirt, wurde nicht gezeigt, weil es nicht richtig fdnctionirte, ein Beweis, wie delicat dasselbe sein muss. Aber trotzdem glaube ich nach der blossen Schilderung be- haupten zu dürfen, dass es ungemein schwierig sein muss wenigstens für einen nicht sehr darauf Eingeübten , die innerhalb des Hohlcylinders verborgene Platte genau tan- gential auf den Bulbus au&usetzen. Bei der leichtesten Schiefhaltung derselben wird aber die Arretirungsfeder zu fiüh oder zu spät einschnappen und der Druck zu niedrig oder zu hoch gefunden werden.

Druck von Pöschel A Trepte in Leipzig.

V. Oraefe's Archiv Bd. XLI, 3.

Fig. 1.

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Lichtdriuk von Jos. Ai-HKRT in München.

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Druck von POschel A Trepte in Ldpsig.

V. (iraeft's Archiv Bd. XLl, 3,

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Lichtdruck von los. Ai.hert in München.

.KLMANN in Leipzij^.

V. Craefe's Archiv Bd. XLI, 3.

FUj. 3,

Verlag von Wilhelm

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Fhj. 4.

Lichtdruck von Jos. Aluert in München.

JdKLMANN in Leipzig.

Graefe'8 Archiv Bd. XLI 3.

Taf. IV.

Fig. 2.

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V. Graefts Archiv Bd. XU, 9.

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Verlag ron Wilhelm EngelinAnn in Leipzig.

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Taf.X.

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ALBRECHT VON GRJIFE'S ARCHIV

FÜR

OPHTHALMOLOGIE

HERAUSGEGEBEN

VON

PROF. TH. LEBER Prof. H. SATTLER

IN HBIDKLBBRO IN LBIPZIO

UND

PROF. H. SNELLEN

IN UTRECHT.

EINUNDVIERZIGSTER BAND

ABTHBILUNO IV. MIT 12 FIGUREN IM TEXT UND 5 TAFELN.

LEIPZIG

VERLAG VON WILHELM ENGELMANN 1895.

Iiihalts-Verzeichniss

zu Band XLT, 4. Abtheilung.

Ausgegeben am 31. December 1895.

Seite

I. Untersuchungen zur Lehre vom Farbensinn. Von

Dr. W. Koster Gzn. aus Utrecht 1—20

II. Ueber die Sensibilität der Hornhaut. Von Dr. Emil Krilekmanii, Assistent in Leipzig. (Aus der Uni- . versitäts -Augenklinik zu Leipzig.) 21—41

III. Ueber experimentelles Glaukom beim Kaninchen und über die Bedeutung des Kammerwinkels für den intraocularen Druck. Von Dr. Chr. F. Bentzen aus Kopenhagen. Experimentelle Untersuchungen aus dem Laboratorium des Herrn Professor Th. Leber in Heidelberg. Hierzu Tafel I II, Fig. 1—4 und 6 Figuren im Text 42—114

IV. Ein Beitrag zur Anatomie des entzündlichen Glau- koms. Von Dr. Eduard Zirin, Augenarzt in Olmütz.

Mit Tafel HI, Fig. 1—3 115—133

V. Unter welchen Umständen erscheinen Doppelbilder in ungleichem Abstände vom Beobachter? Von Dr. Riehard Fr9hlieb, Assistenten an Dr. A. E. Fick*8 Poliklinik in Zürich. Mit 5 Figuren im Text 134—157

VI. Zur pathologischen Anatomie der Skleritis und Epi- skleritis. Von I^of. Otto Sehirmer in Greifswald. Hierzu Tafel IV, Fig. 1 und 2 158—174

IV Inhalt

Seite VIT. Anatomische Untersuchung eines Falles von Retini- tis pigmentosa. Von Dr. 0. Bürstenbinder, I. Assi- stenten der Augenklinik zu Jena. (Aus dem Labo- ratorium der Jenaer Augenklinik.) Mit 1 Figur

im Text 175—186

VIII. Ueber die Bildung cystenartiger Hohlr&uine im Ge- biete der Retina. Von Prof. Francesco Falehl in

Pavia. Hierzu Tafel V, Fig. 1—4 187—228

IX. Ueber Episkleritis periodica fugax. Von Prof. Dr.

Ernst Fuehs in Wien 229—273

X. Erwiderung an Herrn Dr. F. Ostwalt in Paris. Von Dr. W. Koster Gzu. aus Utrecht. Mit 1 Figur

im Text 274—282

XI. Kritische Bemerkungen zur Frage nach dem Vor- kommen ungleicher Accomniodation. Von Dr. C Hess in Leipzig 283—292

Schluss des XLT. Bandes.

Untersiichungen zur Lehre vom Farbensinn.

Von

Dr. W. Koster Gzn. aus Utrecht.

Die Theorieen des Fiirhensiimes von Young-Helm- holtz, von Hering und von Donders lassen es dahin- gestellt, in welchen Theilen oder Elementen der percipireu- den Schicht der Netzhaut die photocheniischen Processe, welche die verschiedenen Farbeneinpfindungen hervomifrn, sich abspielen.

In den letzten Jaluvn ist von einigen Autoren versucht worden, die sogenannten Selisubstfinzen ilu-es theoretischen Charakters zu entkleiden, und sie mit wirkHch vorhandenen, unter dem Einflüsse des Lichtes sich verändernden Stoffen in der Retina zu identificiren. Hierbei stiessen diese Au- toren aber auf erhebliche Schwierigkeiten und niu* durch Aufstellung von neuen Hyi)othesen und diu^ch eingreifende Aenderungen der erwähnten Farbentheorieen konnten sie dieser Aufgabe einigennaassen gerecht werden.

Um die theoretischen Anschauungen zu prüfen, wurde eine Reihe neuer Experimente angestellt; es sind die Wieder- holung und theilweise die Weiterfüluomg dieser Versuche, welclie mich veranlassen, die genannten neuen Anschauungen einer Kritik zu untenveifeu. Bevor ich aber dazu über- gehe, möchte ich das Resultat einiger Messungen über das Vorkommen der Stäbchen und Zapfen in der G(»gend

V. Oraefe's ArchW fUr Ophthalmologie. XLI. 4. 1

2 W. KoBter.

der Fovea centralis iiiittheilen; wo es sich darum liandelt, die Bedeutung des Sehpurpurs und seiner Zersetzungs- producte, sowie die Function der Stäbchen und Zapfen zu erforschen, muss die genaue Kenntniss der centralen Parthie der Netzhaut die wichtigste Grundlage für die Beurtheilung der Versuchsresultate abgeben.

A.

Vorkommen der Stäbchen und Zapfen in der Gfregend

der Fovea centralis.

Wiewohl es eine längst bekannte Thatsache ist, dass in der centralen Netzhautgrube nur Zapfen vorkommen, so ist, so viel ich gesehen habe, die Ausdehnung dieser stäbchenfreien Zone niemals gemessen worden. Bei den vorliegenden Versuchen und Betrachtungen von König und von Kries wui-de vorausgesetzt, dass die stäbchenfreie Ziuie identisch sei mit der kleinen Grube in der Retina; unglücklicherweise stimmen aber die Messungen über die Breite der Netzhautgrube nicht genügend mit einander überein, und besonders die neueren Mittheilungen von F. Dimmer weichen erhebüch von den bis jetzt gültigen Zahlen ab. Hiemach schien mii' der Versuch unerlässlich, die Breite der stäbchenfreieii Stelle zu messen, bevor ich die Resultate meiner Versuche und die darauf gestützten kritischen Bemerkungen mittheilte.

Ich begann die Messungen in dem Laboratorium des Herrn Professor Leber, wobei ich mich der fixjundlichen Rathschläge dieses Forschei-s, sowie der liebenswürdigen Hülfe des Herrn Geheimrath Kühne zu erfreuen hatte. Ich wurde mir dabei hauptsächlich über die zu befolgende Methode der Untersuchung klai', und hatte nachher im Laboratorium des Herrn Professor Panas in Paris Ge- legenheit, einige definitive Messungen auszufiihren; auch dieser Gelehrte hat Anspruch auf meinen Dank.

Untersudiungen zur Lehre vom Farbensinn. 3

Bei seinen Versuchen über das Vorkommen des Seh- piupurs in der menschlichen Netzhaut hatte W. Kühne bemerkt, dass die Zapfen und Stäbchen in der Gegend der Macula lutea ausserordenthch scharf wahrgenommen wer- den konnten, wenn die ganz frische Netzhaut ohne Weiteres von der Fläche angesehen wurde; da indessen andere Zwecke verfolgt wurden, blieb keine Zeit liir die Messimg der Verhältnisse in der Fovea übrig. Ich benutzte dieselbe Methode *), wobei das Stückchen Retina, welches die Fovea und die Papilla nervi optici enthält, in einen hohlgeschliffenen Objectträger gebracht und derart mit einem Deckglas ver- sehen wurde, dass die chorioideale Seite der Retina gegen die XJnterfläche desselben angesogen lag, während wo nöthig etwas Glaskörper zugefugt wurde, um die Luft zu entfernen. Ich konnte mich von der Brauchbarkeit dieser Behandlungs- weise überzeugen; nur muss das Präparat ganz frisch sein, denn zwei Stunden nach dem Tode fand ich das Bild der Grenzen der Fovea schon zu viel getrübt, um zuverlässige Messungen auszuführen.

In der folgenden Tabelle sind die Resultate zusammen- gefasst (s. S. 4).

Die Retinae, welche in Pormol gehärtet waren, ergaben nur dann Bilder, welche die Stäbchen und Zapfen mit voller Sicherheit von einander unterscheiden Hessen, wenn sie parallel zu ihrer Oberfläche in Schnitte zerlegt wurden. Um dies zu ermöglichen, wurde die folgende Methode be- folgt In den Objecthalter des Mikrotoms wm'de ein Stück guten Korkes festgeschraubt und seine Oberfläche mit dem Mikrotommesser glatt geschnitten ; dann wurde das zu unter- suchende Stückchen Netzhaut, welches die gewöhnliche Be- handlung mit Alkohol, Aether und dünnem Celloidin

*) Für die ausführlichere Darstellung dieser Messungen siehe: ]*)tude sur les cönes et les bfttonnets dans la r^gion de la fov^a cen- tralis de la r^üne chez riiomme. Arch. d*Ophthalmologie, Juillet 1895.

1*

W. KoBter.

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B u P

0,44 mm i 0,552 mm

0,44 I -

I

I -

Verticaler Durchmesser der stÄbchen- i

freien Zone 0,828 mm

H orizontAler Durchmesser d. Stäbchen

freien Zone 0,874

Verticaler Durchmesser der Fovea,

die wenig stÄbchenfiihrende Zone

mit inbegriifen 0,77

Horizontaler Durchmesser der Fovea,

die wenig stähchenfuhrende Zone

mit inbegriflfen 0,88 |

Breite der Fovea, gemessen bis zum

^\jifang der Kreise von Stäbchen

um die Zapfen (vertical sowohl wie

horizontal) I,b4

Bei einem durch secundäres Glaukom erblindeten Auge eines 2Qjälirigen Mädchens maass ich für die grösste Breite der stäbchen- freien Zone (),fK)l mm (Härtung in 10% Formol).

durchlaufen hatte, während welcher Zeit es immer flach ausgespannt war, auf die mit Aether benetzte Fläche des Korkes gelegt und mit einigen Tropfen dicker Celloidin- lösung Übergossen. Die weitere Behandlung war dieselbe wie fiir Einbettung anderer Präparate, nur wurde der ganze Schhtten des Mikrotoms n)it dem Stück Kork von dem Appiirat entfernt, um das Celloidin in Alkohol von 70 ^/^ zu härten; man kann den Schlitten leicht so hinlegen, dass nur das Celloidin in dem Alkohol untergetaucht ist. Wurde nachher der SchlitttMi wieder an seine Stelle gebracht, so lag die Fläche der Schnittfiihiiing des Me^ssei-s parallel der Netzhaut, und es war möghch, Schnitte zu erhalten, welche die Fovea in ihrer gtinzen Ausdehnung durchsetzten.

Ueberblicken wir die Zahlen der Messungen, so ergiebt sich, dass eine gewisse Uebereinstimmung besteht zwischen den Zahlen der stäbchen freien Zone des Auges in der ersten

Untersuchungen zur Lehre vom Farbensinn. 5

Columne und denen für die Breite der Fovea, einschliess- lich der wenig stäbchenführenden Zone in dein Auge der zweiten Columne; es erscheint mir daraus hervoraugehen. dass vielleicht das Vorkommen dieser einzelnen Stäbchen zwischen den Zapfen individuellen Unterschieden unterUegt. Ich habe als wenig stäbchenfiüu-ende Zone jenen Theil berechnet, wo nach meiner Schätzung auf 10 15 Zapfen nur 1 Stäbchen vorkommt; begreiflicherweise sind also die gezogenen Grenzen hier einigernmassen willkiirUch. Jeden- falls aber scheint es nur berechtigt, für die Breite derjenigen Stelle der Netzhaut, wo die Function der Zapfen über- wiegend ist, die Zahl von 0,8 mm anzunehmen; besonders wenn wir noch in Beti'acht ziehen, dass die hier unter- suchten Augen denen des Erwachsenen an Grösse doch immer etwas nachstehen. Ebenso scheint es mir erlaubt, für die Stelle, wo nur die Function der Zapfen ihre Rolh» spielt, eine Bmte von 0,5 mm mizunehmen. Wir können da gewiss keine grossen Fehler machen, weil das Auftreten der Stäbchen zwischen den Zapfen sehr allmähhch anfängt.

Aus diesen wenigen Messungen, welche ich Gelegen- heit hatte, auszuführen, geht aber weiter hervor, dass es nothwendig ist, dieselben über eine grössere Zahl von Augen auszudehnen.

Von weniger Intei-esse für die Fragen, welche uns in den folgenden Seiten beschäftigen w^erden, ist die That- sache, dass in derjenigen Gegend der Fovea, welche ich als stäbchenfrei bezeichnet habe, vielleicht doch hier oder dort ein solches Gebilde zu finden war. Ich beobachtete nämlich ganz vereinzelt zwischen den regelmässig angeord- neten Zapfen zuweilen ein Element, welches der Form nach lebhaft an ein Stäbchen erinnei-te und welches gewiss kein Zapfen wai*, der auf einem anderen Niveau stand, wie sich bei verschiedener Einstellung des Mikroskopes zeigte. Ich habe aber keine anderen Mittel anwenden können, um die Natur dieser isolirten Gebilde festzustellen. Jedenfalls

6 W. Koster.

koniEueu sie aber so spärlich vor, über die ganze Breite der Fovea nur eins oder zwei, dass sie für die Untersuchung der Function dieses Theiles der Netzhaut ohne Weiteres vernachlässigt werden können.

Der Ansicht, dass die Ausdehnung der Stäbchen um che Fovea individuellen Unterschieden unterliegt, ist auch Kühne. Während dieser Untersucher bei einer Mitthei- lung*) „Ueber die Verbreitung des Sehpurpurs im menschlichen Auge^' angiebt, dass sich Stäbchen in der Macula lutea vorfanden, berichtet er später, dass bei der Untersuchung*) von einigen weiteren Augen sowohl die Macula wie die Fovea frei von Stäbchen gefunden wurden. Auch lesen wir hier, dass die Zone der stäbchenfreien Netzhaut, central, bei diesen Augen gewiss zweimal breiter war als bei den ei'sten zur Untereuchung benutzten.

Vergleichen wir die Zahlen, welche für die stäbchen- freie Stelle gefunden wurden, mit den Resultaten der Messung der Breite der Netzhautgrube, so ergiebt sich, <hi8S die Dimensionen der letzteren viel kleiner sind als die der ersteren. KöUiker*) fand für diese letztere 0,18 bis 0,225mm; M. Schnitze*) 0,2mm; Henle^) 0,2mm: Kuhnt®) 0,2 mm in horizontaler Richtung und 0,15 mm in verticaler; nur W ads worth '') und Dimmer**) fanden grössere

*) In: Untersuchungon aus dem physiologiHchen Institut der Universität Heidelberg. Bd. I, Heft 2.

") Weitere Beobaclitungen über den Sebpurpur des Menschen. Ibid. Bd. I, Heft 2.

•) Kölliker, Gewebelehre, 3. Auflage.

*) M. Schult ze, in Stricker's Handbuch der Lehre von den Geweben.

^) Henle, Anatomie Bd. 2. 2. Aufl.

®) Kuhnt, üeberdenBau der Fovea centralis. Sitz.-B. d. Ophth. Geselisch. Heidelberg 1881.

') Wadsworth, The fovea centralis in man.

*) Fr. Di mm er, Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Macula lutea des Menschen. 1894.

Untersuchungen zur Lehre vom Farbensinn. 7

Werthe; derErstei-e nämlich 0,4 bis 1 mm, je nach der Tiefe, worin gemessen wiuxJe; der Letztere von 1,4 bis 2 mm in horizontaler Richtung bei der Messung von 5 Augen, indem er als Grenze der Grube die Stelle annahm, wo die Netz- haut anfängt dünner zu werden. Diese letzteren Zahlen stimmen besser mit meinen Messungen überein; es ist demnach wahrscheinlich, dass die Grenze der Kreise von Stäbchen um die Zapfen ungefähr mit der Stelle der an- fangenden Dickenabnahme der Netzhaut zusammenfällt

B.

Hypothesen von A. König ^) über die Bedeatimg

des Sehpurpnrs und des Sehgelbs für das Farbensehen.

König ist mit Ebbinghaus der Ansicht, dass wir in (lern Sehpurpur und seinen Zersetzungsproducten eine der die Grundempfindimgen vermittelnden, photochemisch ver- änderlichen Sehsubstanzen zu erbhcken haben. Bekannt- lich hat Ebbinghaus*) die Hypothese aufgestellt, dass neben dem Sehpurpur, der sowohl in den Zapfen als in den Stäbchen vorkommen soll, eine zweite, grün gefärbte Sub- stanz in der Netzhaut, und zwar nur allein in den Zapfen anwesend sein soll, welche aber immer unsichtbar sei, weil ihre Farbe mit dem Purpur complementär ist, und beide gemischt also weiss aussehen. Beweise für das Vorhanden- sein dieses hypothetischen Stoffes hat Ebbinghaus nicht beibringen können. Die Zersetzung des Sehpurpurs resp. Sehgelbs soll die Gelb- und Blauempfindung hervorrufen, die Zersetzung der grünen Substanz die Empfindung von Both und Grün. König schUesst sich der Ebbing-

*) lieber den menschlichen Sehpurpur und seine Bedeutung für da» Sehen von Prof. Dr. Arthur König, Sitzungs - Ber. der Königl. Preuss. Akad. der Wissenschaften zu Berlin. XXX. Bd., Juni 1894.

■) Ebbinghaus, Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane. Bd. V. 1893.

8 W. Koster.

haus 'sehen Hypotliese über die Roth-Grünsubstanz nicht an, sondern sucht auf anderem Wege die aus dem Fehlen des Sehpuipurs in der Fovea centralis hervorgehende» Schwierigkeiten zu umgehen. Indem König auf Grund der HelHgkeitsvertheilung im farblosen, Uchtschwachen Spectrum, und der Intensitätsvertheilung der Grundempfin- dungen im farbigen Spectrum, im Verband mit den Resul- taten der Voi-suche über die Absorption in dem Sehpurpui* und dem Sehgelb für die Strahlen von verschiedener Wellenlänge, zu dem Schlüsse kommt, dass die Zersetzung des Sehpur[)m*s in Sehgelb nur Helligkeitsempfindung hervorruft, während die weitere VerUndei-ung des Sehgelbs die Giiindempfindung Blau vermittelt, wird er zu der Folgerung gefühlt, dass der centrale Theil der Netzhaut hinsichtHch der Ijichtempfindhchkeit der Peripherie der- selben nachstehen muss, und dass die Fovea centralis blau blind sei. Was die ei'ste Annahme anbelangt, so scheint diese zuzutreffen, obwohl auch hiergegen verachiedene Einwände zu machen sind. Die centrale Parthie der Netz- haut wird nämlich gewöhnlich, wenn wir das Auge für Jiicht adaptiren wollen, stärker beleuchtet als die periphei-en Theile und es liesse sich daraus erklären, dass wir einen ganz schwachen Lichteindruck in der Peripherie früher wahrnehmen. Für mich tiifit dies insoweit zu, als ich die centralen Theile hchtempfindhcher machen kann als die peripheren, wenn ich nach Aufenthalt im Dunkeln nicht durch das helle Fenster zum Himmel l)licke, sondern der dunkeln Umrahmung desselben mit dem Blicke entlang gehe; mein Auge erkennt danli die Helligkeit des farblosen Spectinims central früher als peripher.

Wenn wir das Auge für die Dunkelheit adaptirt haben^ so scheint allerdings die Umgebung der Fovea lichtempfind- licher als die Stelle, welche zum Fixiren benutzt wird; von einer Reihe farblos erscheinender viereckiger Feldchen ver- schwindet immer dasjenige, welches fixiii: wird, während die

Untersuchungen zur Lehre vom Farbensinn. 9

übrigen sichtbar bleiben oder nur dann und wann ver- schwinden. HeiT Professor Leber wies mich darauf hin, dass wir auch jetzt mit der Deutung dieser Erscheinung sehr vorsichtig sein müssten, weil es möglich sein könnte, dass nur die schnell eintretende Ermüdung der centralen Paiihie Ursache des Verschwindens wäre, während die peri- pheren Feldchen durch kleine Bewegungen des Auges um die Sehachse fortwährend ihre Stelle auf der Retina wechseln könnten. Dafür spricht gewiss, dass nach Schliessung des Auges, oder nach Abschweifung des Bückes und erneuerter Fixirung central immer für einen Augenblick eines der Feldchen gesehen werden kann. Doch schien mir die Empfindung peripher gewiss etwas heller, so dass doch inuner eine kleine Ueberlegenheit der Peripherie in dieser Hinsicht zu bestehen scheint.

Dass aber die centrale Parthie der Netzhaut, d. h. über die ganze Strecke, wo der Sehpurpur fehlt, blaublind sein sollte, ist so sehr im Widerspruch mit unserer tagtäghchen Erfahrung, dass nur die zwingendsten Gründe uns veran- lassen könnten, die König 'sehe Hypothese über deuvicari- irenden Fixirpunkt für blaue Objecto anzunehmen. Solche scheinen mir bis jetzt nicht vorzuliegen; die Einwände von Ewald Hering*) gegen die Versuche, welche König zum Beweis der centralen BlaubHndheit anführt, scheinen mir völlig zutreffend. Ebensowenig glaube ich, dass der Young- Hei mholtz 'sehen Theorie des Farbensinnes mit der An- nahme Königs, dass eine der Grundempfindungen gerade an der Stelle des deutlichsten Sehens ausfällt, und also bei allen Farbentüchtigen das System hier zu einem dicliroma- tischen, demjenigen der Bx)th- und Grünblinden ähnlichen, redudrt wird, besonders gedient sein kann. Denn es handelt sich nicht um eine punktförmige Stelle, sondern

*) lieber die angebliche Blaublindheit der Fovea centralis, von Ewald Hering. Bonn 1S94. Arch. f. d. ges. Phys. Bd. 59.

10 W. Konter.

lim einen ziemlich ausgedehnten Theil der Netzhaut. Nehmen wir nach den oben mitgetheilten Messungen für die stäbchenfreie Stelle eine Breite von 0,5 mm an, so ent- spricht dies einem Sehwinkel von 1^54'; die Stelle, wo die Function der Zapfen überwiegend ist, und wofür wnr eine Breite von 0,8mm angenommen haben, würde einem Seh winke! von 3^3' entsprechen; und wenn wir in Betracht ziehen, dass nach den Untersuchungen von Kühne sell)Kt diejenigen Stäbchen, welche in der Macula lutea zu ver- zeichnen waren, purpurfrei gefunden wurden, so müsste die ganze Stelle der Netzhaut von 1,84 mm Breite blaubünd sein, was mit einem Sehwinkel von 2' übereinstimmen würde. Auf einer Ebene in 1 M Distanz vom Auge entspricht ein Seh Winkel von 1®55' einer kreisförmigen Fläche von H3mm Durchmesser; ein Winkel von 3^3' einem Durch- messer von 53 mm, und ein Winkel von 7^2' einem Kreis- durchmesser von 123 mm. Solche ausgedehnte centrale farbenWinde, resp. für Farben wenig empfindUche Stellen sind in keinem normalen Auge zu beobachten, und wir kommen über diese Thatsache mit keiner neuen Hypotliese hinweg.

C.

Theorie von J. von Kries^) über die Function

der Stäbchen und Zapfen der menBchlidhen Netahaut.

von Kries ward auf Grund von Betrachtungen über das fiublose lichtschwache Spectrum und zur Erklärung des sogenannten Phänomens von Purkinje zu der Hypothese geführt, ,,dass wir neben dem, peripher durch die Zapfen repräsentirten trichromatischen Sehapparat, einen peripher durch die Stäbchen repräsentirten, monochromatischen, nur tai'blose Holligkeitseniptindungen liefernden, besitzen, welch

') J. V. Krieg, Ueber den Einfluss der Adaptation auf Licht- und Farbenenipfindung und über die Function der Stäbchen. Be- richte der naturf. Oesellsch. zu Freibur^ i. Br. 9. Band. Heft 2.

Untersuchungen zur Lehre vom Farbensinn. H

letzterer als lichtempfindliche Substanz den Sehpurpur führt, und in seiner Function durch Verbrauch und An- sammlung dieses Körpei-s beeinflusst wird." Weiter nimmt von Kries an, dass die Stäbchen, besonders wenn sie durch Dunkeladaptirung purpurreich sind, schon durch sehr geringes Licht erregt werden, dass sie aber andererseits auch bei starker Reizung nur die Empfindung eines massig hellen Grau zu Hefem vermögen.

Diese theoretische Annahme, so ganz in Einklang mit den anatomischen Verhältnissen der Netzhaut, giebt fiir die beiden mehr genannten Phänomene eine ungezwungene Er- klärung ab. Sie wird aber, wie von Kries hervorhebt, als erete Prüfung die zu bestehen haben, dass sowohl das Purkinje'sche Phänomen, wie die Erscheinungen des lichischwachen Spectrums für die purpurfreie Fovea cen- tralis nicht bestehen dürfen.

von Kries meint sich von der Richtigkeit dieser (,'onsequenz seiner Theorie überzeugt zu haben. Ich glaube aber, dass, wenn man die Versuchsanordnung etwas ver- ändert, der Beweis geliefert werden kann, dfiss zwischen den centralen und den angrenzenden peripheren Netzhaut- j)arthien nicht ein quahtativer, sondern höchstens ein quantita- tiver Unt^rachied in Bezug auf Licht- und Farbenempfin- dung nachgewiesen werden kann.

Für die folgenden Versuche wurden nm* die Farben des Spectrunis des diflfusen Tageslichtes benutzt. Um alle Fehlerquellen zu vermeiden, wurde die Intensität des Spectrums nicht geändert durch Verengerung der Spalte* des Heliostaten, sondern durch Schliessung oder Oefl&iung eines Diaphragmas, welches direct hinter der achromatischen Linse, welche auf dem Schirm ein Bild von der Spalte des Hehostaten entwirft, aufgestellt war. Man überzeugt sich leicht, dass bei dieser Anordnmig das von der Spalte ent- worfene Bild sich bis ziun vöUigen Verschwinden sehr gleichmässig verdunkelt, indem von jedem Strahlen kegel.

12 W. Koster.

den jeder Punkt der liclitspalte ausschickt, immer ein gleichgrosser Theil ausgeschnitten wird. Bekanntiich kann die Methode, das Spectrum durch Verengerung der Spalte des HeUostaten abzuschwächen, dadurch Anlass zu fehler- hafter Wahrnehmung werden, weil das Specüiim factisch aus einer unendUch grossen Zahl von Spectra zusammen- gesetzt ist, welche ein wenig gegeneinander verschoben liegen, und jetzt bei Verschmälerung der Spalte ein will- kürlicher Theil derselben herausgenommen wird, wodm'ch die relative Lage der verschiedenen Fai'ben sich etwas ändert Weiter wurde alles diffuse Tageslicht abgeschlossen, indem das Lichtbtindel von der Spalte des HeUostaten durch ein geschwärztes Rohr geleitet wmxie, während die achromatische linse mit ihrem bewegUchen Diaphragma genau in die Oeffiiung desselben passte.

Um das Purkinje 'sehe Phänomen für die Fovea centrahs zu prüfen, wurde die folgende Anordnung geti-offen. Das scharfe spectrale Bild der Spalte wurde auf einem Schirm aus weisser Pappe aufgefangen und in dem Roth und dem Blau mit Bleistift zwei Stellen markirt, welche bei der gröss- ten Weite des Diaphragmas gleiche Helhgkeit zu haben schienen. An diesen zwei Stellen wurden in dem Schiim zwei quadratische Fensterchen eingeschnitten, von 5 mm Seite, jedoch in der Weise, dass die Pappe auf einer der verticalen Seiten nicht ganz durchtrennt wurde, sodass zwei kleine Thürchen in dem Schirm entstanden; diese Thürchen wurden nach hinten geöffnet, derart, dass sie mit dem Schirm einen Winkel von etwas mehr als 30 " bildeten, und das spectrale Roth und Blau konnte von der Seite aus auf diesen kleinen Flächen gesehen werden; man kann das Auge leicht so aufstellen, dass diese beiden Felder, das rothe und das blaue, von gleicher Helligkeit, neben einander ihr Bild auf der Netzhaut entwerfen; die ganze Breite dieser Felder ist dann auch ungefähr 5 mm. Befindet sich das Auge des Beobachters in einer Entfernung von 0,5 m,

Untersuchungen zur Lehre vom Farbensinn. 13

SO fällt das halb blau, halb roth gef äi*bte Bild im Auge noch gänzlich auf eine Stelle der Retina, welche nur Zapfen fulirt, denn die Ausdehnung dieser Stelle ist auf 0,5 m pro- jicirt 16,6 mm, wenn wir 0,5 mm für die Breite auf der Retina annehmen. Wird nun die Intensität des Spectnims veimindert, so zeigt sich das Purkinje'sche Phänomen genau so schön wie für grosse Felder; das Blau ist viel heller als das Roth und ist noch längere Zeit zu sehen, wenn dass Roth schon verschwunden ist Der Versuch gelingt auch noch, wenn das Auge sich mehr als 0,5 m von den farbigen Feldern entfernt^). Weil bei diesen Ver- suchen das blaue Feldchen etwas weiter vom Auge ent- fernt war, als das rothe, waren die Versuchsbedingimgen überdies noch etwas zu Gunsten der Helligkeit des mit rothem Ijicht beleuchteten Viereckes.

Man kann auch die Fensterchen soweit öffnen, dass die Lichtbündel frei durch die beiden Oefl&iungen d(»s Schirmes hindurchtreten, und sie mittelst einer grossen, schwachen Convexliiise nebeneinander auf einem zweiten Schirm vereinigen; auch bei dieser Versuchsanordnung zeigt sich das Purkinje 'sehe Phänomen.

Um zu prüfen, ob kleine monochromatische Lichter <^entral farblos gesehen werden könnten, traf ich folgende Versuchseinrichtung. Das Spectrum wird aufgefangen auf einem weissen, undurchsichtigen Schirm, in welchem eine viereckige Oeffhung von 5 mm Seite ausgeschnitten ist; die- selbe ist mit einem Stückchen Seidenpapier zugeklebt. Durch Bewegung des Spiegels des Heliostaten kann mau jede Farbe des Spectnims auf das Fensterchen in dem

^) Die von v. Kries neuerdings mitgetheilte Thatsache, dass, wenn man sich von zwei gleich hellen roth- und hlaugefftrbten Feldern immer mehr entfernt, die Helligkeit sich zu Gunsten des rothen Feidos ändert, müsste also auf eine andere Weise als durch das Fehlen dos Purkinje'schen Phänomens für die Fovea erklärt werden. Zeitschrift für Psychologie und Phj'siologie der Sinnesorgane, Bd. IX pag. 81 . 1895.

14 W. Koster.

Schirm fallen lassen. Das so beleuchtete Viereck wiu-d(.* von hinten durch ein 2 m langes, innen geschwärztes Rohr beobachtet. Bei Asluig des Versuches war das die Hellig- keit regulirende Diaphragma ganz geschlossen; während der Beobachter in der Richtung der Oe&ung in den Schirm blickte, öffnete ein Assistent langsam das Diaphragma; peripher wurde immer zuerst eine HeUigkeit wahrgenommen; central kam die Empfindung später und verschwand im Anfang sofort wieder. Bei steigender Intensität blieb auch im Pixiipunkt ein Viei'eck sichtbar, und niemals konnte im Anfang die Farbe erkannt werden. Es wurde darauf ge- achtet, immer den Bhck wieder abschweifen zu lassen, um Ermüdungserscheinungen auszuschUessen. Bei steigender Intensität wurde zuerst die rothe Farbe erkannt; doch muss ich betonen, dass auch, wenn das Feldchen farbig erscheint, die Gesammtempfindimg hauptsächUch Helligkeit ist; die Sättigung der Farbe ist minimal. Das Gfelb erschien längere Zeit als Weiss, wenn Roth und Grün schon sehr deutlich erkannt wurden.

Bei dieser Anordnung des Versuches ist der Eiufluss unserer Erinnerungsbilder auf die Deutung des AVahr- genommenen vöUig ausgeschlossen, was nicht der Fall ist, wenn wir eine bekannte Farbe allmählig abschwächen. Zu erwähnen ist nur noch, dass ehe das Feldchen farbig er- schien, der Ton der HelUgkeit doch etwas verschieden zu sein schien von der Empfindung in der Peripherie der Netzhaut, indem es bei allen Farben, vielleicht Gelb aus- genommen, sehr schwach an ein schmutziges Grün-Blau erinnerte.

Dass bei meinen Augen kleine monochromatische Lichter nicht sofort farbig über die Schwelle treten, spricht nicht absolut gegen die Annahme von von Kries, dass die Stäbchen ein monochromatisches System darstellen; denn auch das trichromatische System könnte bei der ge- ringsten objectiven Helligkeit zuerst farblose Empfindung

Untersachungen zur Lehre vom Farbensinn. 15

hervorrufen; man kann mit v. Helmboltz') annehmen, dass wir Licht unterscheiden, wenn wir die gesammte vorhandene Lichtmasse vom Dunkel unterscheiden können, während wir Farben unterscheiden, wenn die Erregung von einer Fasergattung, also von einer der Grundempfindungen, ein gewisses Uebergevricht über die andere erlangt

Die Hypothese von von Kries stützt sich dann aber nur noch auf die grössere Empfindlichkeit der Netzhaut- peripherie für farblose Lichteindrücke. Doch auch diese scheint mir nicht mit Gewissheit dafür zu sprechen. Ich finde nämlich, dass diese Erscheinung schon zu nahe am Fixirpunkt auftritt, um auf der grösseren Erregbarkeit der Stäbchen für schwache Lichter beruhen zu können. Wenn ich in einer Distanz von 1 m das mittlere von drei kleinen, sehr schwach mit diffusem Tageslichte beleuchteten Feldern, deren Centra 1 cm von einander entfernt sind, fixire, so ver- schwindet dieses bald, während die beiden angrenzenden deutiich sichtbar bleiben; oder das centrale kann nur momentan wahrgenommen werden, während die mehr peri- pheren deutlich als helle Stellen wahrzunehmen sind. Nun fallen die drei Lichtbildchen noch innerhalb der Grenzen der stäbchenfi-eien Fovea, welche, auf Im projicirt, eine Breite von 33 mm hat, und es würde also daraus hervor- gehen, dass die Ueberlegenheit der Peripherie über das Centrum, was die Erkennung der schwächsten Helligkeiten anbelangt, auch noch für die stäbchenlose und wenig stäb- chenfiihrende Peripherie der Fovea gilt, wenn überhaupt die Vertheilung der Stäbchen keine abweichende ist.

von Kries stützt sich noch auf einen Versuch, wo- bei hinter einer blaideuchtenden, im Dunkeln im Kreis geschwungenen Kugel ein kurzes blauleuchtendes Nach- bild herläuft, welchem ein fünffach längerer, ein wenig gelblich leuchtender Schweif nachfolgt, der zuweilen

^) Helmholtz, Physiologische Optik. 2. Aufl. p. 472.

16 W. Kostcr.

durch eiuen dunkeln Zwischenraum von ihm getrennt i»t, während bei einem rothleuchtenden Punkte nur eine kurze rothe nachlaufende Linie beobachtet wird. Dieser Versuch scheint mir auch wohl einer anderen Deutung zugänglich zu sein, als durch die Annahme, dass wir in den Stäbchen ein monochromatisches System zu suchen haben. Schon die Erwähnung, dass das secundäre Nachbild gelblich aus- sah, beweist, das hier keine reine monochromatische Er- regung vorlag.

Alles zusammengenommen scheint die Hypothese von von Kries, w^enn auch nicht ganz mit den Versuchsergeb- nissen in Widerspruch, doch auch keine Vortheile für die Erklärung der unverstandenen Erscheinungen der Farben- erregung zu bieten, welche ihre Annahme wünschensweilh machen könnten.

D. Hypothese von H. Parinaud^) über die Fonction der Stäbehen und Zapfen und des Sehpuipors. Unabhängig von von Kries hat Parinaud dieselbe Hypothese aufgestellt wie Jener; die Stäbchen sollen nur farb- lose HeUigkeitsempfindung vermitteln, und die Erregung der Zapfen giebt nach ihm alle Empfindungen, sowohl die des Weiss, als die der Farben. Parinaud führt besonders als Beweis an, dass die Netzhautperipherie dem Centrum über- legen ist in Bezug auf die Wahrnehmung schwacher Lichter. In dem Sehpurpur sieht Parinaud eine Substanz, deren photochemische Zersetzung die Empfindung hervorruft; da- neben aber sollen auch die physikalischen Eigenschaften des Purpm*s, besonders die Fluorescenz, die Empfindlichkeit der Netzhaut fiir Licht von geringer Intensität erhöhen. Was ich gegen die Theorie von von Kries angeführt habe,

*) H. Parinaud, I^r sensibilit^ de l'oeil aiix couleurs spor- trales; fonctions des öl^ments i-iJtiniens et du pourpre visuel. Annales d'oculistique CXII. Oct. 1894.

Untersuchungen zur Lehre vom Farbensinn. 17

kann auch hier Anwendung finden. Ich möchte nur noch- mals hervorheben, dass die Unterschiede in der Empfind- Uchkeit schon innerhalb der piuTpurfreien Maculagegend auflxeten.

E. Das fiirblose Speotram.

Dass bei abnehmender Intensität das Spectrum erheb- liche Aenderungen in der Lage und Sättigung seiner ver- schiedenen Farben aufweist, während es bei immer fort- gesetzter Abschwächung nur noch die Empfindung der farblosen Helligkeit erregt, wurde schon von Th. Leber*) und von W. von Bezold*) mitgetheilt. Auf die Ueber- einstimmung zwischen der Empfindung des Farbentüchtigeft bei äusserst geringer objectiver HelUgkeit und der des total Farbenblinden bei gewöhnlicher Beleuchtung wurde vonHering*) hingewiesen; von Hillebrand und Hering*) wurden die Erscheinimgen des farblosen Spectrums weiter untersucht, und die Theorie der specifischen Helligkeiten der Farben auf dieser Grundlage aufgebaut.

Hillebrand und Hering stellten ihre Versuche über das lichtschwache Spectrum mittelst des Spectralapparates an und machten dabei die Beobachtung, dass, wenn mit dem einen, nicht geblendeten Auge die Farben im Spectrum noch eben erkannt werden konnten, mit dem anderen, während mehrerer Stunden an die Dunkelheit adaptirten

>) Th. Leber, v. Graefe's Arch. f. Ophthalm. XV. 3. 1869. p. 52—53.

«) W. V. Bezold, Ueher das Gesetz der Farbenmischung und die physiologischen Grundfarben. Poggend. Ann. der Phys. u. Chemie. Bd. 150, p. 237. 1873.

») E. Hering, Untersuchung eines Total - Farbenblinden. Pflüger's Arcli., S. 563. 1891.

*) üeber die specifische Helligkeit der Farben. Beiträge zur

Psychologie der Gesichtsempiin düngen von Dr. Franz Hillebrand,

mit Vorbemerkungen von Ewald Hering, Sitzungsber. der k. k. Akad.

der Wissensch. zu Wien. Math. Natura-. Kl. XCVni. Abth.3.; Febr.

T. Graefe's Arcbir für Ophthalmologie. XLI. 4. 2

18 W. Koster.

Auge dasselbe Spectrum ftirblos gesehen wurde, aber von grösserer subjectiver Helligkeit Als ich diese Angabe für meine Augen nachprüfte, kam ich zu einem einigennaassen verscliiedenen Resultat. Das Spectrum wurde wieder in der früher beschriebenen Weise auf einem Schirm ent- worfen. War die Intensität so weit herabgesetzt, dass es dem normalen Auge in 1 m Distanz gerade farblos er- scliien, so erschien es auch dem während 0,5, 1, 2 oder 13 Stunden ftir Dunkel adaptirten Auge farblos, aber viel h(?ller. Zuweilen meinte ich das Roth als Farbe er^ kennen zu können; wenn ich aber das normale Auge zum Vergleich heranzog, war es nicht sicher, ob für dieses nicht auch dann und wann das Roth etwas auftauchte. Merk- würdigerweise entsprach der grösseren Helügkeit des Dunkel- auges keine grössere Sehschärfe; in beiden Fällen fand ich

für die hellste Stelle des farblosen Spectrums nur 8 = ^.

Der von Helmholtz*) aufgestellte Satz, dass wir bei gleicher Helligkeit auch erwarten dürfen, gleich viel sehend zu erkennen, würde also unter diesen Verhältnissen nicht zutreffen; Helmholtz fuhrt zur Erklärung der Erschei- nungen bei grossen HeUigkeiten ein neues Empfindungs- element, den Lichtschmerz, ein und bemerkt dabei, dass die Annahme zur Zeit nicht zu widerlegen wäre, dass dieses andere Empfindungselement auch bei den niederen Lichtstärken nicht ganz fehle, und wenn auch nicht deut- lich unterscheidbar, doch in dem Gesammtausdruck des Auges mitwirke, wovon eine zweckmässige Regulirung der Pupillen- weite abhängen könne. Unter dieser Annahme wäre die Ei'scheinung einigermaassen begreiflich, insoweit als die Seh- schärfe bei schwacher Beleuchtung sehr stark von der ob- jectiven Lichtmenge beeinflusst wird; es bleibt aber immer- hin hier noch Vieles zu untersuchen übrig.

>) Physiol. Optik, S. 443. 2. Aufl.

UntPi-Riichungen zur Lehre vom Farbensinn. 19

Wurde das Spectnim nur so weit verdunkelt, dass die verschiedenen Farben für das nicht adaptirte normale Auge noch eben zu erkennen waren, so erschien dem Auge, w^elches 0,5, 1, 2 oder 13 Stunden för Dunkel adaptirt war, das Spectrum ebenfalls viel heller, aber niemals farb- los; im Gegen theil kamen die Farben, wenn auch nicht gesättigter, mir viel klarer vor. Auch die Herren Professor Leber und Professor Kühne, welche so freundlich waren, diesen Versuch mit zu machen, bezeugten, dass vom Parb- loserscheinen des dem nicht adaptirten normalen Auge noch eben einen farbigen Emdruck gebenden Spectrums nicht die Bede war.

Welche Einflüsse den Unterschied zwischen dem Hillebrand' sehen und unseren Yersuchsergebnissen ver- ursacht haben, kann ich nicht entscheiden; ich glaube aber, möglichst alle Fehlerquellen ausgeschlossen zu haben.

Nach den hier mitgetheilten Wahrnehmungen würden also die Farben nur über die Schwelle treten, wenn das Licht eine gewisse objective Helhgkeit erreicht hat, und würde dies von dem subjectiven Zustande des Auges weniger abhängig sein; der Einfluss der Dunkeladaptation auf die farbigen Empfindungen würde sich darin geltend machen, dass, wenn einmal die Schwelle überschritten ist, die In- tensität der Empfindungen schneller steigt in Bezug auf die Zunahme der objectiven Helligkeit als in dem normalen Auge.

Ob auch für Weiss eine ähnliche Beziehung besteht, davon konnte ich mich bis jetzt nicht überzeugen. Li den ersten Minuten nach der Einwirkung des Tageslichtes ist gewiss eine grössere objective Intensität nothwendig, um die Empfindung der Helligkeit zu erregen, aber man könnte dies noch als Blendungserscheinung auffassen. Es sei aber bemerkt, dass die sogenannte Blendmig auch im Wesen nichts anderes ist, als herabgesetzte Empfindlichkeit, mit, oder durch subjective Lichterscheinungen.

2*

20 W. Koster. Untersuchungen zur Lehre vom Farbensinn.

Für das VerstÄndniss des farblosen Spectrums ist es von Interesse, zu wissen, in wie weit das objective weisse licht, welches, wie Helmholtz nachgewiessen hat, den Spectral- färben immer noch beigemischt ist, und welches von der diffusen Zerstreuung des Lichtes im Prisma herrührt, an dem Auftreten der EIrscheinung Antheil hat. Es wurden daher nach Helmholtz ^s Angaben die verschiedenen Farben des Spectrums der Reihe nach durch ein zweites Prisma geleitet, wodurch man nahezu reines monochroma- tisches Licht erhält; auch jetzt trat bei genügender Ab- schwächung das Stadium ein, w^orin das betreffende Licht nur farblose Empfindung hervorruft. Dieses Resultat war schon im Voraus zu erwarten, weil sowohl das Diffi:*actions- wie das Laterferenzspectrum dieselbe Erscheinung au£seigen.

Abgesehen von den hier erörterten Einwänden gegen die neuen Hypothesen über Farben- und Lichtempfindung giebt es noch manche andere, welche aber theilweise schon bei dem Meinungsaustausch zwischen Hering, König, von Kries und Hillebrand hervorgehoben wurden, theil- weise aber auch nur dann Werth haben würden, wenn sie mit dem Beweismaterial weiterer Versuche belegt werden könnten.

Ueber die Sensibilität der Hornhaut.

Von

Dr. Emil Krückmann, Assistent in liCipzig.

(Aus der Universitäts- Augenklinik zu Leipzig.)

Die Uebersclirift Sensibilität der Hornhaut möge da- mit begründet sein, dass diese Bezeichnung schon seit lange usuell geworden, und als CoUectivbegriff fui- die einzelnen Empfindungen nichts bestimmtes präjudiciii;, mithin auch dann Geltung behält, wenn einzelne Sinneswahmehmungen einer isolirten Untersuchung unteraogen werden.

In jüngster Zeit hat Professor v. Frey durch seine Studien über die Physiologie des Schmerasinnes *) sowie durch seine Beobachtungen über die Sinnesphysiologie der Haut*) Resultate gewonnen, welche für die Augen- heilkunde von grossem Interesse geworden sind. Es gelang ihm vermittelst einer sehr einfachen Methode, äusserst umschriebene, sogenannte punktförmige mechanische Reize in ihrer Intensität so abzustufen, dass er die von

*) Beiträge zur Physiologie des Schnierzsinnes. Abdruck aus den Berichten der mathematisch-physischen Classe der Königl. Sachs. Gesellsch. der Wissensch. zu Leipzig. Sitzung vom 2. Juli 1894 und 3. Dec. 1894.

*) Ebenda, Sitzung vom 4. März 1895.

22 Emil Krückmann.

Fuchs*) und unter MicheTs Leitung von Molter*) be- schriebenen Untersuchungsergebnisse über die Sensibilität der Hornhaut und Bindehaut genauer zu präcisiren ver- mochte. Das Schlussergebniss seiner Untersuchungen gipfelt in den Thatsachen, dass die Cornea und Conjunc- tiva des Drucksinnes entbehren. Von den anderen Gemein- gefülilen ist der Schmerzsinn an beiden Häuten in grosser Dichte disseminirt vertheilt, während die Temperatur- empfindung sich auf die Bindehaut und die Randtheile der Hornhaut beschränkt Diese physiologischen Thatsachen scheinen nach v. Frey in einfacher Weise an das anatomische Verhalten der Nenenendigungen gebunden zu sein; denn an dem ausschliessUch für den Schmerzsinn bestimmten Homhautterritorium sind nur freie Nervenendigungen') zu finden, während sich an der für Temperaturempfindung perceptionsfähigen Conjunctivae) nebst der Randzone der Cornea*) ausserdem auch Endkolben nachweisen lassen.

Letzteres war übrigens auch schon Fuchs und Mol t er bekajmt; nur vemiochten sie mit ihren Methoden nicht die anatomische Trennung physiologisch zu analysiren. Es würde den Rahmen der Arbeit übersteigen, wollte ich hier auch diejenigen Untersuchungsmethoden besprechen, welche bei der Bestimmung des Temperatursinnes und seiner Sinnespunkte in Betracht kommen; es mag für den Zweck der Abhandlung ausreichen, in Kürze den Hergang zu

') Fuchs, Ueber die Wärmeempfindung der Hornhaut. Med. Jahrbücher Heft IV. 1878.

*) Molter, lieber die Sensibilitätsverhältnisse der menschlichen Cornea. Dissertation 1878. Erlangen.

«) Hoyer, Archiv für Physiologie 1866, p. 180 und Cohn- heim, Virchow*s Archiv Bd. 38. p. 343.

*) W. Krause, Die terminalen Körperchen der einfach sen- siblen Nerven 1860. Hannover.

*) Dogiel, Archiv für mikroskopische Anatomie Bd. 37. 1891. p. 602.

lieber die Sensibilität der Hornhaut. 23

schildern^ auf welchem der Autor zu seinen Befunden hin- sichtlich des Schmerzsinnes gelangte.

Er bediente sich sogenannter Reizhaare.

An ein Holzstäbchen, als Handgriff ynrd ein mög- Uchst wenig gekrümmtes Haar befestigt, und dessen freies Ende senkrecht gegen die zu untersuchende Homhautstelle gestossen, als wenn man in dieselbe einstechen wollte. Da das Haar ausweicht, kommt es nicht zu einer Verletzung, sondern nur zu einer ganz umschriebenen Deformation der Hornhaut, welche mit der Krümmung des Haares anfäng- Uch wächst, dann aber einen Grenz werth erreicht, welcher nicht überschritten werden kann. Stösst man das Haar statt gegen die Hornhaut gegen die Schale einer feinen Waage, so lässt sich dieser Grenzwerth in Gewichten aus- drücken, und daraus sowie aus dem Querschnitt des Haares die Intensivität des ausgeübten Druckes in gr/mm* berechnen.

Es scheint mir nicht allein für das Verständnis meiner Auseinandersetzungen noth wendig, sondern auch im Interesse der Leser wünschenswerth, die Herstellung der Beizhaare sowie ihre Auswerthung zu beschreiben, zumal dieselben als Untersuchungsinstrument jederzeit von Jedermann leicht angefertigt werden können. Ich werde daher am Schlüsse der Abhandlung die wörtliche Wiedergabe der Herstellungs- weise aus dem v. Frey 'sehen Berichte folgen lassen; es mag vorderhand die Mittheilung genügen, dass der Druckwerth in gr/mm* zum Ausdruck gelangt

Diese Methode hat sich seitens Willibald A. Nagel einer scharfen Kritik unterziehen müssen. Es üegt nicht in meiner Absidit, mich an der Polemik zu betlieiligen, welche aus dem Pro und Contra der beiden Autoren resultirte. Für mich genügt das Factum mit der v. Frey'schen Metliode übereinstimmende verwerthbare Resultate erreiciit zu haben, welche wegen ilires Constanten Verhaltens kaum modulationsföhig sind, und deshalb voraussichtlich Uiren Wertli behalten werden. Dabei wiU ich bemerken, dass mich die Nagerschen Auseinanderaetzungen

24 Emii Krückmann.

nicht ttberzeagen konnten ^ während ich den v. Frey'sdien An- sichten in jeder Beziehung beizustinimen veimag. Wegen des Näheren ven^eise icli auf die Aufsätze von Nagel*) und V. Frey.

Wegen der ausserordentlich präcisen Resultate, welche der Autor durch seine Untersuchungen gewonnen hatte, habe ich auf Anregung meines hochverehrten Lehrers, des Hemi Geheimrath Sattler, versucht, mit einer Anzahl Reizhaare, welche von Herrn Prof. v. Frey der Klinik zur Verfügung gestellt war, sowohl am normalen und be- sonders am pathologisch veränderten Auge Beobachtungen anzustellen.

Während der ganzen Ausführung meiner Arbeit habe ich mich der ständigen Leitung und Controle des Herrn Geheimrath Sattler zu erfreuen gehabt, wofür ich ihm auch an dieser Stelle meinen herzlichsten Dank sage.

Bevor ich zur Schilderung meiner Versuchsreihen über- gehe, möchte ich unter den vielen von v. Frey mitgetheilten Befunden die den Oi)hthalmologen interessii-enden recapitu- liren. Einen Theil derselben habe ich schon oben citirt Es bleibt mir noch übrig, zu erwähnen, dass an der Cornea und Conjunctiva der Ortssinn, das Orientirungs- und liOcalisationsvermögen äusserst mangelhaft ist, sowie dass die niedrigste bestimmbfire Reizschwelle an der Hornhaut 0,2 gr/mm*, an der Bindehaut 2,0 gr/mm* beträgt

Weiter ist wissenswerth, dass durch die Spannung der Haut die Schwellenweiilie für Druck- und Schmerzpunkte ein Emporsteigen erkennen lassen.

Im Ganzen benutzte ich 12 Borsten, von denen die ersten 8 in kui-zen Intervallen einander folgten; für die letzten 4 jedoch grössere Abstände gewählt waren.

') Willibald A. Nagel, Die Sensibilität der Conjunctiva und Cornea des menschl. Auges. Archiv für die ges. Physiologie Bd. 59. p. 563 und 595.

lieber die Sensibilität der Hornhaut. 25

Mein Untersuchungsmaterial an denjenigen Augen, welche äusserlich keine Veränderung zeigten, mithin für normal gehalten werden mussten, habe ich auf ca. 130 Per- sonen jeden Alters und Geschlechts ausgedehnt, und ich bin in der Lage, die v. Frey 'sehen Resultate in jeder Hinsicht zu bestätigen. Es ist sehr mühsam, die minimale Reizschwelle zu suchen, zumal die wenigen ihr gehörigen Sinnespunkte an der Hornhaut nur schwer zu finden und noch schwerer wiederzufinden sind; doch gelingt es bei jüngeren Personen in der Regel, einen Grenzwerth von 0,2 gr/mm* zu entdecken. Anderseits ist es bei allgemeiner Anämie oft überraschend, wie das Empfindlichkeitsniveau fallt, so dass in kurzer Zeit eine grosse Anzahl dissemi- nirter Punkte mit minimaler Reizschwelle beobachtet wer- den. Wegen dieser ausserordenthchen Vermehnmg von Schmerzpunkten mit minimaler Reizschwelle halte ich unter solchen Umständen die Möglichkeit nicht für aus- geschlossen, noch eine niedrigere Reizschwelle, als die bis jetzt als minimal normirte zu finden; doch reichten meine feinsten Borsten nicht aus, um hierüber eine Entschei- dung zu fällen. Ich werde imten diesen Punkt noch einmal streifen.

Wie schon gesagt, ist es mir nie gelungen, da Ver- suche über Temperaturempfindungen nicht angestellt wur- den, andere Sinnespunkte, als die des Schmerzes zu ent- decken. Allerdings wm-de bei der Wahrnehmung des Druckreizes nicht immer das Woit Schmerz gehört, noch wurden die Ausdrücke für seine Componenten, wie Stechen, Brennen, Ziehen etc. gebraucht, zumal ich es ängstUch vermied, in die Versuchspersonen diese oder ähnUche Aeusse- rungen hineinzuexaminiren; doch wurde ein sogenanntes Druckgefuhl, ein reiner Tasteindruck stets in Abrede ge- stellt, weil die Empfindung mehr den Charakter des ün- lustigen, Peinlichen, Unangenehmen ja selbst Widerlichen trug, und bei länger dauerndem Druck die anfänglicli

26 E^mil Krückmann.

minimale y mitunter kaum definirbare Empfindung in ein deutliches Schmerzgefühl sich umzuwandehi pflegte. Es entspricht dieser auf wissenschafUicher Grundlage gewonnene Befund auch völlig der klinischen Beobachtung, Die ge- ringste Fremdkörperwirkung, sei es eine Wimper, Schleim- flocke, circumscripte Hyperämie der Bindehaut etc. winl immer mit der Bezeichnung des Unangenelmien, meist Schmerzhaften dargestellt. Der Druck spielt nur dann eine Rolle, falls die Lider in Mitleidenschaft gezogen werden; und die circumscripte Empfijidung einer allgemeinen Platz macht, wovon man sich am häufigsten bei Papillarhyper- trophien überzeugen kann. Eine bestimmte LocaUsation wird aucli hier stets vermisst

Es ist zu bedenken, dass Schmerzempfindung und Empfindlichkeit gegen Schmerzen zwei sich nicht deckende Begriffe sind, weil letztere bei verschiedenen Personen nicht niu- ganz verschieden sich äussert, sondern auch beim Ein- zelnen unter dem Einfluss seiner Stimmung und anderer äusserer Verhältnisse zu wechseln pflegt. Hierin mag einer der Gründe liegen, warum beim schnellen Untersuchen die niedrigen Druckwerthe eine Constanz vermissen lassen; ganz abgesehen davon, dass bei stärkerem Druck die em- pfindlichen Sinnespunkte zu- und die unempfindlichen Stellen abnehmen.

Da der practische Werth einer jeden Methode im directen Verhältniss steht zui* Grösse und Zeit der Arbeit, welche erforderlich ist, um sie mit Exactheit anzuwenden, so unterscheidet sich die für Augenerkrankungen practisch- diagnostische Stellung dieser Methode von der allgemein wissenschaftlichen dadunih, dass ihre Grenzen enger ge- zogen sind. Bei der klinischen Untersuchungsmethode vei*- langen wir ausser der strengen wissenschaftlichen Begründung und der Zuverlässigkeit in den zu erlangenden Resultaten die Vermeidung von Zeitverlust und sonstigen Unbequem- hchkeiten. Mit dieser Erwägung steht eine andere in

Ueber die Sensibilität der Hornhaut. 27

engem Zusammenhang; nämlich bei schneller Handhabung einen Grenz werth zu kennen, mittelst dessen man mit Berücksichtigung von Besonderheiteji eine grosse An- zahl schmerzempfindlicher Punkte in kurzer Zeit zu eruiren vermag. Durch Uebung und Erfahrung glaube ich als brauchbares Werthmaass den Druckwerth von 1 2 gr/mm* gefunden zu haben.

Es ist nicht uninteressant, dass mit dem Alter der Beiz schliessUch ein stärkerer sein muss, um möglichst bald möglichst viele empfindUche Sinnespunkte ausfindig zu machen; doch kann ich wohl behaupten, dass diesseits des fünfzigsten Lebensjahres ein Druckwerth von 2 gr/mm* meist sofort empfunden wurde. Jenseits des sechzigsten bleibt beim schnellen Untersuchen dieser Beiz allerdings häufig wirkungslos. Diese practische Grenze ist im Alter zulässig, wenn ceteris paribus eine hohe Beizschwelle nicht durch verwickelte Verhältnisse beeinflusst wird, und durch den Vergleich am anderen Auge als eine nicht vorübergehende, sondern durch das Alter bedingte Erscheinung angesehen werden muss. Nur dann ist dieser concrete Druckwerth in eine abstracte Kraft umwandelbar, wenn er der Proportio- nalität entspricht, und sich nicht einem uncontrolirbaren Wechsel unterwirft.

Letzteres ist kUnisch leicht zu ersehen, und können bei einer gewissen Continuität in der Untersuchung kaum Fehler unterlaufen. Dabei betone ich, dass die Druck- werüie von 1 2 gr/mm* rein empirisch normirt worden sind, jedoch als reale Factoren trotz ihres provisorischen Charakters eine gewisse Berechtigung beanspruchen, weil ihre Wahl nach dem Grundsatz einer >volilüberlegten Aus- lese erfolgte.

Wenn ich jetzt zur Mittheilung derjenigen Fälle über- gehe, bei denen die Prüfung mit den Beizhaai-en am ausge- sprochensten ihren diagnostischen Werth zeigen kann, so darf ich den Anfang mit den Beobachtungen bei Glaukom

28 Emil Krückmann.

machen. Unter den klinisch wahrnehmbaren Erscheinungen des Glaukomanfalles, beziehentlich des sogenannten ent- zündUchen Glaukoms sind seitens der Hornhaut die Mattig- keit und die Anästhesie die zu berücksichtigenden Symptome.

Bei jeder Drucksteigenmg innerhalb eines kugelig oder kugelförmig abgesclilossenen Raumes mit dehnbai-en Hüllen ist die Annahme berechtigt, falls nicht besonders nachzu- weisende Vermittelungsprocesse eine Rolle spielen, die auf- tretenden Veränderungen an den Hüllen im mechanischen Sinne aufzufassen.

Auf Gnmd von Untersuchungen, die von Schelske*) und Bissen*) angestellt wui'den, ist es erwiesen, dass die Bulbushüllen auf Druckschwankungen im Augeninnern mit Pormverändeiningen antworten, von denen die an der Horn- haut auftretenden durch Feststellung des Krümmungsradius leicht zu messen sind. Durch die Befunde dieser Autoren wurde festgestellt, was Helmholtz's sicherer Blick schon 1855 erkannt hatte, dass „die Hornhautkrümmung, abgesehen von individuellen Verscliiedenheiten von dem Drucke der Flüssigkeit im Auge abhängt, so dass der Krümmungs- radius der Hornhaut desto grösser wird, je grösser der Druck ist."

Es würde gewagt sein, aus der jeweiligen Vergrösserung und Verkleinerung des Radius und der damit correspon- direnden relativen Entfernung und Annäheinuig der termi- nalen Xervenapparate die Auffindung der Schmerzpxmkte und den Wechsel der Reizschwelle zu erklären, weil wegen der grossen Dichtigkeit derselben die minimale locale Ver- schiebung k^um in Betracht kommen kann.

*) ScheUke, Ueber das Verhältniss des intraocularen Druckes und der Homhautkrümmung des Auges, v. Graefe's Archiv für Ophthalra. X. 2. pag. 1.

■) Bissen, Homhautkrümmung bei erhöhtem intraocularem Druck. Dissertation. Bern 1888.

üeber die Senuibilität der Hornhaut. 29

Diese geringe und mit dem Ja val' sehen Ophthalmo- meter schwerlich messbare Veränderung der Badiuslänge spielt nur insofern eine Rolle, als sie mit der Spannung der Augenhüllen, je nach dem im Augeninnem vorhandenen Druck, gleichen Schritt zu halten pflegt. Diese Spannung ist in erster Linie das ausschlaggebende Moment für den Werth der Reizschwelle; wie dies auch schon von V. Frey an der Haut beobachtet worden; und lassen sich einer solchen mechanisch-physiologischen Anschauung die beiden oben erwähnten, klinisch sichtbaren Homhautver- änderungen, als Producte der gleichen Affection, mit Leichtigkeit unterwerfen. Kanu man sich schon auf dem Operationstische davon überzeugen, dass eine matte und empfindungslos gewordene Cornea unmittelbar nach der Er- öfihung der vorderen Kammer ihren Glanz wieder erhält, so wird durch den Borstenversuch der Beweis für die Wiederherstellung ihrer Empfindlichkeit leicht erbracht. Vorsichtig angewandt, fällt es nicht schwer, zu constatiren, dass nach der Heilung der Iridektomiewunde die glänzend gewordene Hornhaut selbst bei den ältesten Lidividuen exacte Schmerzwahmehmung zeigt, und unter Ausschluss weiterer Drucksteigerungen auch bewahrt

Die Leistungsfähigkeit der Homhautnerven ist durch diese Spannimg und Dehnung der Augenhüllen sehr herab- gesetzt, so dass die peripheren nervösen Endapparate eines stärkeren Reizes bedürfen, um in Function zu treten. Dieses Steigen des Schwellenwerthes wird ausserdem noch durch ein anderes Moment unterstützt Bei der Anwendung stär- kerer Borsten entsteht ein tiefer, dellenartiger, trichter- förmiger Eindruck. Mit der Tiefe des Eindruckes wächst die Gestaltsveränderung und Niveauverschiebung der unter- suchten Stelle, und mit dieser congruirt ein Reiz auf die in dem Trichter vorhandenen nervösen Endapparate. Letz- terer ist beim Glaukom relativ gering, weil die durch die Borsten hervorgebrachte Honihautdelle dm*chweg kleiner ist,

30 Sntil KrQckmann.

ah an einem gleichaltrigen normalen und durch Cocaini- sirung anästhetisch gemachten Auge.

Im Allgemeinen war die Homhauthypästhesie bei allen glaukomatösen Zuständen, mit Ausnahme der als Glaukoma Simplex bekannten Erkrankungsform, nachzuweisen; und bUeb das Emporsteigen der Beizschwelle mitunter das ein- zige Symptom einer dauernden Dnicksteigerung. Am ecla- tantesten war diese Erscheinung bei raschen Linsenquel- hmgen zu beobachten. Erfolgte nach einem Trauma oder einer Discission eine Kataraktbildung, so war man meistens in der Lage, durch den Borstenversuch die Drucksteigerung zu bestimmen. Dieselbe erzeugte, je nach ihrer Ausdeh- nung dosirbare Differenzen, und man konnte nach einiger Uebung aus der Stärke der Borsten Anhaltspunkte ge- winnen, ob noch weitere Drucksymptome voraussichtlich zu erwarten waren oder nicht Freilich entschieden für chi- rurgische Eingriffe andere Kriterien; doch blieb dem Borsten versuch seine legale Berechtigung, weil er in einer grossen Anzahl der Fälle, besonders durch den Vergleich mit dem anderen Auge, sowohl in den frühesten wie in den spätesten Stadien der zunehmenden und verschwindenden Drucksteigerung als werthvoUes Reagens und sicherer Prüf- stein betrachtet werden konnte.

Auf Grund dieser Erfahrungen war es von Nutzen, sich der Borstenmethode in allen Fällen zu bedienen, wo der gewöhnliche Symptomencomplex zur Diagnose der Druck- steigerung nicht ausreichte.

Eine Controle der Borstenversuche mit den Tonometern von R A. Fick ujid Maklakoff ist absichtUch unter- blieben, weil die gleichen Mängel, welche Koster*) hervor- hebt, auch fiir uns massgebend waren, um auf dieselbe Ver- zicht zu leisten. Sollte das neue Tonometer von Koster')

') Koster, BeitrSge zur Tonometrie und Manometrie d. Auges. V. Graefe's Archiv f. Ophthalm. XLI. 2. p. 113. *) ibid., Ein neues Tonometer, p. 130,

Ueber die Sensibilität der Hornhaut. 31

die practischen und wissenschaftlichen Ansprüche befriedigen^ so werden die mit den Reizhaaren gewonnenen Resultate durch dasselbe eine ausgedehnte Prüfung erfahren.

Es würde ermüden, wollte ich in einer langathmigen Casuistik die Beweisbefugnisse des Borstenversuches erweitem und später präcisiren; es möge genügen, seinen Werth mit kurzen Worten an einem prägnanten Fall zu illustriren.

Bei einem 35jährigen Arbeiter stellten sidi auf dem linken Auge ohne besondere Veranlassung die Erscheinungen des Nebel- sehens sowie der Regenbogenfarben ein. Es fehlte ausser emer minimalen Erweiterung der prompt reagirenden linken Pupille jedes weitere Symptom, zumal die Funetionsprüfung den bis da- hin* unbeachtet gebliebenen myopischen Astigmatismus beider-

6 seits gleichmässig auf corrigirte, und der Kranke nach der

Correction eher eine Zunahme als eine Abnahme des Sehver- mögens erlangt zu haben meinte. Der Borstenversuch ergab ein Emporsteigen der I^eizsch welle, welches nach oben hin manchen Schwankungen unterworfen war; ein Sinken aber nur dann zeigte, wenn die längere Wirkung emes Myoticums durch die Pupillenenge constatirt werden konnte. Dieser Zustand hielt Bidi mehrere Wochen, bis plötzlich trotz I^locarpininstUla- tionen eine linksseitige Accommodationsparese gemeinschaftlich mit den oben erwähnten subjectiven Symptomen sowie dem Hinzutreten einer Ciliameurose die langgehegte Vermuthung eines Glaukomanfalles bestätigte. Aehnlich verlief die Sache unmittel- bar darauf am anderen Auge. Eine beiderseitige Iridektomie

brachte das Sehvermögen auf . Die Reizschwelle wurde und

bUeb normal.

Für diesen Fall haben wir sowohl in der Klinik wie in der Poliklinik manche Analoga, und wir sind in der angenehmen Lage, beim Fehlen markanter Symptome dmxjh die gradatim zu verfolgende Hypästhesie der Hornhaut die Walirscheinlichkeit eines Glaukomanialles beurtheilen zu können.

Allerdings darf man sich nicht darauf capriciren, einen solchen typischen Anfall stets erwarten zu wollen: wenn

32 Emil Erückmann.

weiter kein Symptom auffindbar ist; denn manche intra- oculare Erkrankung, welche noch keine sichtbaren Ver- änderungen zeigt, kann in ihrem Beginn von Drucksteigerung begleitet sein, ohne dass w^ir darum schon berechtigt wären, von Glaukom zu sprechen. Anderseits ist auch beim Fehlen anderweitiger Veränderungen der Verdacht auf Glaukom niemals von der Hand zu weisen.

Es wird nicht überraschen, dass bei dem jetzt als ein- heithch bekannten klinischen Bilde, welches wegen seiner mannigfachen anatomischen Varietäten früher imter die Namen der Keratitis vesiculosa und filamentosa geführt wurde, sowie als Herpes corneae in der Literatur figurirte, Sensibilitätsstörungen der Hornhaut vorhanden sind, zumal bei dem typischen Herpes zoster ophthalmicus ein directer Zusammenhang dieser Äffection mit den Alterationen der dazu gehörigen Bahnen*) schon längst nachgewiesen ist Fast ausnahmslos ist bei dieser Krankheitsfonn die Reiz- schwelle erhöht: und zw^ar nicht allein an den Eruptions- stellen, sondern auch an der übrigen Hornhaut Die unter- erapfindhchen Punkte sind in der ganzen Hornhaut fast von gleichem Schwellenwerthe, und unterscheiden sich von den direct erkrankten Stellen nur durch eine etwas nied- rigere Reizschwelle. Die Differenz ist meist eine geringe. Aehnlich verhält es sich bei der Keratitis bullosa. Mit dem Abheilen des Processes sinkt der Schwellen werth; doch bleibt das Empfindlichkeitsniveau noch längere Zeit auf einem höheren Stande, wie vor dem Ausbruch der Krankheit

Ich will nicht mit langen Auseinandei*setzungen ein- zelner Details langweilen, sondern mich darauf beschränken, den geschilderten Befund als pathognomonisch für die er- wähnten Homhauterkrankungen zu beschreiben. Bei fast allen Homhautaffectionen, gleichviel in welchen Schichten

*) Sattler, lieber das Wesen des Herpes ophthalmicus. Wiener medicin. Presse. 1875. p. 1044.

Ueber die Sensibilität der Hornhaut. 33

sie sich befinden, ist am, resp. über dem Orte der localen Erkrankung, mehr oder weniger eine Hypästhesie nach- weisbar; je nach der Ausdehnung und der Intensität des Processes. Diese Sensibilitätsstörung nimmt ab mit der Ent- fernung von der jeweiUgen erki*ankten Stelle. In der weiteren Umgebung sind die Reizschwellen meistens auffallend niedrig, so dass der Unterschied nicht zu übersehen ist. Am frap- pantesten tritt diese Erscheinung bei denjenigen Erkrankungen auf, welche ihre Domäne in den oberflächUchsten Schichten haben. Nur bei zahlreich vorhandenen und üächenhaft vertheilten Veränderungen, oder solchen, die mit aus- gedehnter Mattigkeit der Cornea einhergehen, vermisst man diesen Contrast in den Schwellenwerthen; doch geben gerade diese Fälle durchschnittUch klinisch so klare Bilder, dass diagnostische Zweifel kaum vorkommen können. Die hohe Reizschwelle der nicht betroffenen Homhautstellen bleibt unter den oberflächhchen Erkrankungen ausschUessÜch für die herpetischen und bullösen Formen reservirt, und ist als solche differentiell diagnostisch verwerthbar. Dabei muss en^'^ähnt werden, dass manuell sehr oft eine verminderte Tension des Bulbus bei den Herpesformen angetroffen wird; mithin die Anästhesie nicht als das Product einer mecha- nisch zustandegekommenen Leitungsunfähigkeit der Hom- hautnerven zu betrachten ist, welche, wie wir gesehen haben, gleiclifalls eine Erhöhung der Reizschwelle zur Folge haben kann; sondeni vielmehr als die Consequenz einer nervösen Systemerkrankimg aufgefasst werden muss. Hiermit steht die Thatsache im Einklang, dass an den ergriffenen Par- thieen noch lange Zeit hindurch eine grosse UnempfindUch- keit zurückbleibt. Auch dies ist in mancher Hinsicht ein Unterscheidungsmerkmal gegenüber anderen Processen, die mit der Bildung einer Macula abschliessen. Besondei-s im kindlichen Alter, aber auch bei Erw^achsenen kehrt bei nicht allzu dichten Maculis die Sensibilität in kurzer Zeit wieder in überraschender Weise zurück, so dass man beim

T. Graefe'8 Archly für Ophthalmologie. XLI. 4. 3

34 Kmil Krückmann.

Borstenversiich allein, wegen der niedrigen Reizschwelle, leicht in die Lage kommen könnte, kleine Narben zu über- sehen. Mit der Dichtigkeit der Narbe bleibt auch die SensibiUtät dauernd gestört.

Diese Verhältnisse sind im Allgemeinen seit lange bekaimt, und auch schon seiner Zeit von Molter aus- giebig beschrieben worden; nur mit der Modification , dass dieser Anten* der Cornea Druckpunkte vindicirte, und ihr die Fälligkeit einer localisirten Tastempfindung zusprach, obgleich nach seiner eigenen Angabe bei den von ihm ausgeführten Untersucliungen mittelst mechanischer Reize nur allzu häutig so schmerzhafte Reactionen sich einstellten, dass eine Prü- fung der einzelnen Sinneswahrnehmung unmöghch wunle.

Es ist nicht zu bezweifeln, dass das in dem Geluete eines Leukoma adhairens sowie eines Hornhautstaphylom so häufig beobachtete Em porstcM* gen der Reizschwelh» in einer gewissen Beziehung zu der Anästhesie steht, wie sie s(»hr häufig beim absoluten Glaukom beobachtet wird, und wie sie der Keratitis neuroparalytica und bis zu einem (Jrade auch der Keratomalacie eigen ist. Der Unterschied besteht nur darin, dass die Sensibilitätsstörungen bei jeder dieser Erkrankungsformen eine andere Aetiologie haben. Es mag deswegen gerech tfeiligt erscheinen, die bei den letzteren Affectionen fast regelmässig, und bei Uen drei ei-steren zu- weilen auftretenden ulcerösen Hornhautprocesse genetisch in einen theilweisen Zusammenhang zu setzen.

Die auffall(*nde Correlation zwischen Augendruck und Reizschwelle war die Ursache, die auf Sattler's Anregung von Höltzke*), Graser*) und Schlegel^) angestellten

*) Höltzke, Experimentelle Untersuchungen über den Druck in der Augenkammer, v. Graefo's Arch. f. Ophthalm. XXIX. 2. p. 1.

*) Gräser, Manometrische Untersuchungen über den intraocu- laren Druck und dessen Beeinflussung von Atropin und Eserin. Dissertation. Erlangen 1H83.

•) Schlegel, Manometrische Untersuchungen über die Beein-

Ueber die Sensibilität der Hornhaut. 35

niauometrischen Versuche sowie die Beobachtuugeu von Pflüger ^) und Stocker*) über den Einfluss von Atropin, E8erin und Pilocai-pin auf den intraocularen Druck, mittelst der Borstenmethode einer Nachprüfung zu unteraiehen. Dieselbe wurde auf Scopolamin und Hom atropin ausgedehnt. Zum besseren Verständniss sowie zum Vergleich und zur Orientirung wurden femer die erschöpfenden Arbeiten von Adamük^), Leber*), Schulten^) und Bellarminoff *^) in ausgiebiger Weise benutzt. Leider konnte die Cocain- wirkuug auf den intraocularen Druck mit dieser Methode nicht registrirt werden, weil die gleichzeitig einhergehende Anästhesie Deutungen in diesem Sinne illusorisch gemacht hätte; doch will ich in Kürze mittheilen, dass die durch Cocain zustandekommende Anästhesie im raschen Tempo sich entwickelt, das Abklingen des Processes dagegen langsam vor sich geht, so dass z. B. nach der Listillation eines Tropfens einer 10 ^/^ igen Lösung noch nach einer halben Stunde Sensibihtätsstörungen nacliweisbar sind. Die mit den vorher erwähnten ilitteln gewonnenen

flussiing des intraocularen Di-uckes durch Pilocarpin. Archiv für experiinent. Pathol. und riiarmakol. l^iib. ]). 271.

^) Pfltiger, Bericht über die XIV. Versammlung? der Ophthal- molog. Gesellschaft in Heidelberg, p. 134.

*) Stock er, Ueber den Plintluss der Mydriatica und Myotica auf den intraocularen Druck unter physiologischen Verhältnissen. V. Graefe'a Arch. f. Ophthalm. XXXIIl. 1. p. 112.

•) Adamük, Neue Versuche über den Eintluss des Synipathicus und Trigeminus auf Druck und Filtration im Auge. Sitzungs-Hor. der Wiener Akademie LIX. Abth. II. Febr. 1869.

*) Leber, Studien über den Flüssigkeitswechsel im Auge. V. Graefe's Arch. f. OphÜialm. XIX. 2. p. 111.

^) Schulti^n, Experimentelle Untersuchungen über die Circu- lationsverhältnisse des Auges etc. v. Graefe's Arch. f. Ophtlialm. XXX. 3. p. 19.

•) Bell arm in off, Anwendung der graphischen Methode bei Untersuchung des intraocularen Druckes. Pflüger's Archiv der ge- sammten Physiologie, XXXIX, p. 463.

3*

36 Emil Krückmann.

Ergebnisse zeigten eine erfreuliche Uebereinstimmung mit den manometrischen Befrinden. Die Aendeningen der me- chanischen Reizschwelle verliefen entsprechend der Erfahrung, dass Eserin und Pilocarpin zuerst den Druck erhöhen und dann herabsetzen, sowie dass nach Atropineinträufelungen die Erhöhung einer vorausgegangenen Erniedrigung folgt

Die Resultate der mit den Mydriaticis und Myoticis angestellten Versuche lassen sich generell behandeln, weil jedes dieser beiden Arzneimittel den allgemeinen Charakter und Typus seiner Wirkimg deuthch erkennen Hess, sowie weil ein jedes von dem ihm specifischen Einfluss war, und nur hinsichtlich seiner Intensität Schwankungen zeigte.

Die Mydriatica bedingen zuerst eine Erniedrigung des intraocularen Druckes, und dann erst folgt die Steigening. Die erste Phase dauert 5 Minuten bis 1^« Stunden; die zweite länger, je nach der Wirkung des Mittels. Bei den Myoticis ist es umgekehrt.

Diese Versuche, welche ui zahlreichen Fällen angestellt wurden, zeigten eine solche Gleichmässigkeit, dass es sich verlohnte, dieselben an solchen Personen zu wiederholen, bei denen ausser dem wünschenswerthen Interesse auch das richtige Verständniss vorauszusetzen war. Diese Freund- lichkeit erwiesen mir mehrere meiner CoUegen. Die prä- cisen, gleich lautenden Angaben derselben wai'en die Ver- anlassung der Erklänmg dieses auffallenden mid scheinbar per\'ersen Phänomens näher zu treten, zumal die Weite und Enge der Pupille mit der primären Erniedrigung und Er- höhung des inti*aocularen Druckes nicht zeitlich coincidirte, sondern meistens früher auftrat.

Wegen des ParalleUsmus v(m Pupillar- und Accom- m(Klations -Veränderungen lag es nahe, den Ausdruck des nach Befriedigung drängenden Erklänmgsbedürihisses in der Accommodation zu suchen. AufGnmd der Sattlerschen*)

*) Sattler, Bericht über die XIX. Versaramlung der Ophthalmol. Gesellsphaft zu Heidelberg, p. 13.

lieber die Sensibilität der Hornhaut. 37

Befunde über das Steigen des Augendruckes während der AcGommodation ist der causale Zusammenhang ausser- ordenthch einfach, und deckt sich genau mit den gefundenen Thatsachen.

Während der Wirkung der Myotica wiu'de von den Herrn CoUegen und mir functionell der zur myopischen Einstellung führende Kefractionszustand bestimmt und zeigte sich die Steigerung des Druckes in einem directen Ver- hältniss zum Wachsen der myopischen Kefractionsänderung, derart, dass die Dauer der Vergiftung und der Grad der Kurz- sichtigkeit die Höhe der Reizschwelle bestimmten. Ihren Höhepunkt en*eicht dieselbe, wie schon erwähnt, erst längere oder kürzere Zeit nach vollkommener Alyosis, um dann später zu fallen, und unter ihren vor der Instillation gefundenen Grenzwerth zu sinken. Diese Uebercompensation ti'at erst ein, wenn durch das längere Bestehen der Myosis in der Lage und Geräumigkeit der Gebilde am Kammerwinkel und vielleicht auch in Folge der Wirkung des Tensor chorioideae durch die Spannung der Suprachorioidea in den Abäusswegen der Aderhaut günstige Verhältnisse für das Entweichen der Lymphe geschaffen wurden.

Umgekehrt war die Wirkung der Mydriadrica; nur war dort das anfängliche Sinken der Keizsch welle, wenn auch stets vorhanden, so doch oft relativ gering; wahrscheinlich, weil die Lähmung des in wechselnder Contraction sich be- findenden Ciliarmuskels und die daraus resultirende Inacti- vität der Accommodation verbunden mit dem raschen Auf- treten einer completten Mydriasis weniger intensiv die Dnickverhältnisse beeinflusst, als wie eine unausgesetzte Anspaimung des gesammten Accommodationsapparates.

FreiUch lässt die mit dieser Methode gewonnene Rech- nung manche Lücke; doch scheint mit Sicherheit in Ab- rede gestellt werden zu können, dass die Pupillen weite in uninittelbarem Zusammenhang mit der primären Druck- veränderung stehe. Es ist sogar wahrscheinUch , dass die

38 Emil Krückmann.

VerbinduDgsbrücke die Accommodation dai-stellt, weil die- selbe nach der Vergiftung des Auges mit Mydriuticis und Myoticis docli nur bedingungsweise mit der Pupillenweite gleichen Schritt hält, und besondere in den ersten Phasen der VeriindeiTing ungleichmässig und unabhängig von ihr zu reagiren pflegt Ausser der mit der Accouunodation coordinii-t einherlaufenden specitischen Keaction auf die je- weiHge Instillation sind die Pupillarveränderungen in zweiter Linie als die physiologische Cousequenz und als das sichtbare Zeichen der durch die Ac<*ommodation in der Oeconomie des Auges primär ))edingten und im Fon- tiuia'schen Raum sich abspielenden regulatorisclien Vor- gänge aufzufassen.

Diese Anschauung soll allerdings als allgemeine Regel nicht gelten; denn es können nach der Lage der Dinge die vei*schiedensten Factoren, von denen ich nur die Ge- fässkahberschwankuiigcn erwiilmen will, bei der beschriebenen Erscheinung mitsprecthen; doch ist nicht zu leugnen, dass bei dem steten Abhängigkeitsverhältniss der Pu[)illenweite von der Accommodation unter den obwaltenden Umständen - wenigstens bei der Wirkung der ^Vlyotica der letzte- ren ein möglichst berechtigter Antheil an der Erklärung dieser Verhältnisse gelassen werden muss. Ich hebe her- vor „unt<ir den obwaltenden Umständen^', weil in ereter Linie der Augendruck vom Gesammtblutdruck abhängig ist, wofür unter anderen auch die mit dieser Methode an anämischen Pereonen gewonnenen Resultate einen An- haltspunkt gel)en.

Schliesslich noch eine kurze Notiz.

Als Vervollständigung seiner Symptomatologie der Augenveränderungen bei Tabes ^) hat Berger*) in einem jüngst erschienenen Aufsatze der Anästhesie der Honihaut

>) l^orgcr, Archiv f. Aiigonheilk. XIX. p. 391. 1889. ') Dcrs., Annalps d'oculistiquc CXIII. p. 74. Januarheft.

Ueber die Sensibilität der Hornhaut. 39

und der Lider grosses Gewicht beigelegt. Es ist mir nicht geglückt, in der Literatur sowie durch selbständige Unter- suchungen — wobei mir durch die Liebenswürdigkeit des HeiTn Geheimrath Curschmann das Kranken material der hiesigen medicinischen Klinik zur Verfügung stand, Beob- achtungen zu machen, in denen eine isolirte Sensibilitäts- stöiimg der Augen und ihrer Schutzapparate bei Tabes nachzuweisen war. Wohl fand ich häufig Veränderungen in der Reizschwelle der Hornhaut; aber nur dann, wenn im übrigen Trigeminusgebiet sich gleichfalls Parästhesieen nachweisen Hessen, resp. im Stadium paralyticum; doch will Letzteres ja nichts bedeuten.

Nach den neuesten Mittheilungen vpn Möbius\) können Trigeminusparästhcsieen im Beginne der Tabes auf- treten und die von Charcot als Hutchinson'sche Maske bezeichneten Sensibilitätsstörungen und Empfindungen des Gesichtes von grossem diagnostischem Werthe für die Tabes sein. Da von Schmerzpunkten sehr schnell Reflexe aus- gelöst weixlen können, und ausserdem die SchmerzschwTlle der Cornea absolut niedriger liegt, als jede Druckschwelle, so ist es nicht von der Hand zu weisen, dass die leichte Mühe, das Emi)orsteigen der Reizschwelle auf der Cornea und Conjunctiva zu erkennen, dann von Erfolg gekrönt sein kann, weim dieses Emporsteigen als Begleiterscheinung der meist doppelseitig auftretenden Trigeminusaffection mit den subjectiven Klagen über Gesichtsparästhesieen zeitlich coincidirt ]Möglicherweise würde es gelegentlich gelingen können, die Sensibilitätsstömng des Auges als das erste Zeichen der die Tabes mitunter einleitenden Trigeminus- parästhesieen zu entdecken.

Ich lasse jetzt die Herstellungsweise der Reizhaare aus dem v. Frey 'sehen Aufsatze über die Physiologie des Schmerzsinnes folgen.

>) Möbius, Neurologische Beitrüge. Heft III, 1895. p. 145. Vorlag von Joh. Ambrosius Barth.

40 ^inil Krückmann.

An das eine Ende eines leichten, etwa 8 cm langen Holz- Stäbchens wird ein möglichst wenig gekrümmtes Haar, oder ein Stück eines solchen, senkrecht zur Axe des Stäbchens festgeklebt, so dass es nach einer Seite ungefähr 20 30 mm, unter Um- ständen auch noch weiter, voreteht Man verfertigt sidi eine grössere Anzalil solcher Stäbchen, für welche man Haare ver- schiedener Stärke auswälilt. Jedes solche Stäbdien stellt bei richtigem Gebrauch ein Heizwerkzeug von ganz bestimmter und unveränderlicher Werthigkeit dar. Setzt man nämlidi das Haar möghchst senkredit zur Hautiläche auf, so lässt sich ein Dinick ausüben, der eine bestimmte Grenze nicht tiberschreiten kann. Jeder darüber hinausgehende Druck biegt das Haar krumm, wodurdi seine Wirkung auf die Unterlage sofort nachlässt Der Wertli dieses Maximum ist auf der Waage bestimmbar. Man braucht nur auf die eine Waagschale Gewichte aufzulegen, die Arretirung soweit zu lösen, dass die Zunge um ein Geringes, etwa einen Tlieilstrich ausschlägt und nun auf die andere Waagschale den Dnick des Haares wirken zu lassen. Man findet dann bald jene Belastung, welche an dem Haare eben noch gehoben wird. Um das Ausgleiten auf der glatten Waagschale zu vermeiden, ist es zweckmässig, zuvor ein tarirtes Stück Kautsdmkplatte aufzulegen. Sehr leichte Schalen pflegen dem Druck des Haares auszuweichen, besondere wenn es einigermaassen steif ist. Hier lässt sidi Abhilfe schaffen, indem man die Kautschukplatte näher dem Drehpunkte bezw. wenn die Construction es erlaubt, auf der oberen Seite des Ge- hänges anbringt Sehr steife Haai*e (Barthaai*e, Schweinsboreten) können auf einer Apothekerwaage oder auf einer Tafelwaage geprüft werden. Die Gewichte, die für diese Bestimmung in Frage kommen, bewegen sich von 1—2 Dekagi*amm bis herab zu 1 mgr und Bruditheile eines solchen. Für die schwächsten Drucke sind Frauen- und Kinderhaare sowie Stücke von Cocon- fäden brauchbar.

Der Wertli der Metliode ist natürhch abhängig von der Schärfe, mit der sich die Bestimmung ausführen lässt. Wieder- holte Prüfungen desselben Haares geben nun in der That nur um wenige Procente schM'ankende Wertlie, wodurch bewiesen wird, dass jene Stellung des Haares, in welcher es am besten geeignet ist, den Druck der Hand auf die Unterlage zu tiber- tragen, ohne Schwierigkeit zu finden und festzulialten ist.

Wird die Bestimmung des Wideratandes, welchen das Haar im günstigsten Falle leisten kann, in der eben geschilderten

Ueber die Sensibilität der Hornhaut. 41

Weise ausgeführt, so dient die Waage zur Kraftmessung, das Gramm in conventioneller Weise als Krafteinheit Da man nun aber annehmen muss, dass die ausgelösten Empfindungen ab- hängen von der Deformation, welche die in der Haut liegenden Nerven bezw. deren Endigungen erfahren, so wird die Wirkung des Reizes nicht allein von dem Widerstand des Haares ab- liängen, sondern auch von der getroffenen Fläche. Mit anderen AVorten: es ist zu bestimmen die auf die Flächeneinheit aus- geübte Kraft. Hat man also unter dem Mikroskop den Durdi- schnitt des Haares an der Schnittstelle gemessen, und den Quer- sclmitt berechnet, so erhält man durcli Division in den zuvor bestimmten Widerstand den gesuchten Werth in gr/mm*.

Von den mir zur Verfügung gestellten Keizhaiiren haben während der Versuchsperiode nur zwei an Druck- werth verloren, wovon ich mich durch Wägung leicht über- zeugen konnte. Die Abnahme ihres Werthes erklärte sich aus einer kleinen Einknickung.

Hieraus mag mit Anspruch auf Wahrscheinlichkeit geschlossen werden können, dass ein Haar so lange func- tionsfähig bleibt, als es in der Gleichmässigkeit seiner Elasticitätsverhältnisse nicht sichtbai* gestört ist

Da ich meine Versuche noch nicht für abgeschlossen halte, so werde ich dieselben fortsetzen, und gelegentlich darüber weiter referiren.

Heber

experimeutelles Glaukom beim Kaninchen

nnd über die Bedeutung

des Kammerwinkels für den intraocularen Druck.

Von

Dr. Chr. F. Bentzen auB Kopenhagen.

Exporimontellc Untorsucliungen Jius dem Laboratorium des Herrn Professor Th. lieber in Heidelberg.

Hierzu Tafel I— II, Fig. 1 4 und 5 Figuren im Text.

Trotz zahlreiclior Uiitorsucliiingen und Arbeiten sind die Är(»iniiiigon daniber noch sehr getheilt, wie die Dnick- steigerung l)eini Ghiukom zu Stande kommt. Es war daher sehon seit hinger Zeit erwünscht, eine Methode zu finden, womit man diesen Zustiind bei Thieren künsthcli hervor- ruf(*n könnte, um dadurch eine Grundlage für das weitere Studium der Krankheit zu gewinnen.

Auf Anregung von Prof. Leber habe ich eine Reihe von Versuchen daniber in seinem Ijaboratorium angestellt, deren Mittheilung der Zweck dieser Abhandlung ist. Ich werde zuerst die nach sehr verschiedenen Methoden unter- nommenen Versuche zur Erzeugimg ghiukomatöser Druck- steigei-ung und deren Ergebnisse beschreiben und dabei mit Rücksicht auf etwaige si^ätere Forschungen auch diejenigen, welche nicht zum Ziele fühlten, kurz erwälmen; sodann

lieber experimentelles Glaukom beim Kaninchen etc. 43

werde ich die Filtrationsversuche niittheilen, welche von mir zur Prülüng der Retentionstheorie an den Versuchsaugen angestellt worden sind.

I. Versuche zur Erzeugung glaukomatöser Druoksteigerung. Der Mittheilung meiner eigenen Vei-suche schicke ich Angaben über die bisher von anderen Autoren zu dem gleichen Zweck angestellten Untersuchungen voraus und werde die Berichte über diejenigen meiner Versuche, welche nach früher schon benutzten Prin- cipien unternommeji wurden, immer am zugehörigen Orte einfügen.

Ad. Weber ^), welcher 1877 gleiclizeitig mit Knies*) die Ketentionstbeorie aufgestellt hat, injicirte Olivenöl in die vordere Kanuner eines Kaninchens, um den Fontana'scben liaum mit Gel zu verstopfen und so diesel))e AVirkung wie die einer Ver- wacbsung des Kammerwinkels lier vorzurufen. Nach der Ein- spritzung beobachtete er inti'aoculare Drucksteigerung und Ectasie der Coi-nea. Der Vei*such war aber in der vorantisep tischen Zeit geniacht, und man erhält durch die Beschreibung des Ver- laufes den bestimmten Eindruck, dass es sicli um eine Pano])!!- thalmitis gehandelt hat; es kam zu Infilti-ation der Coniea, Iritis, llypopyon und P^xsudation im (Jlaskörpenaum, so dass Ad. Weber den Vei-such schon nach sieben l'aj^en unterbrechen musste; dereelbe ist dalier für die Olaukomtheoiie nicht viel zu ver- wertlien.

Um die Bedeutung der Venae vorticosae und der sie l>e- gleitenden Lymphbahnen für den intmocularen Dnick zu prüfen, unterband Ad. Weber ^) alle vier Venen und fand, dass diese Ojjeration nur für einige Tage Dnicksteigerung hervoiTuft und dass der Druck nachher subnonnal wird. Denselben Erfolg haben fast alle späteren Foi-scher erhalten. In der letzten Zeit hat W. Kost er Gzn*j diese Fi-age einer eingehenden Unter-

') v. Gracfe's Arch. f. Ophthalm. XXIII. 1.

*) Ibid. XXII. 3.

«) Ibid.

•) V. Graefo's Arch. f. Ophthalm. XLI. 2.

44 Chr. F. Bentzon.

Buchung unterworfen, wonach er die Angaben von Ad. Weber bestätigte und die tiefgreifenden Ernährungsstörungen, welche diese Operation hei-vorrutt, genau besclirieb. Bei Unterbindung von nur 2 oder 8 Vortexvenen erhielt er nur geringe oder gai* keine Drucksteigerung, und sah die Augen nach einiger Zeit vöUig zur Norm zurückkehren.

Unter den Versuchen, die Seh öl er*) im Jahre 1879 bei seinen experimentellen Studien über die Flüssigkeitsausscheidung des Auges madite, ist einer mit Bi*ennen der Limbusgegend durch eine glühende Stricknadel, wodurch eine starke, aber vorübergehende Dnicksteigeining entstand. Da Seh öl er diese Drucksteigerung, obwohl in geringerem Grade, auch bei Cauteri- sation der Cornea und anderer Tlieile der Sklera beobachtete, so dachte er, dass die Schrumpfung des Brandschorfes durch Verminderung des Bulbusinhaltes die Ui'sache der Drucksteige- rung wäre. Dm'ch vergleichende Illtrationsversuche bei ge- steigertem Druck mit normalen und cauterisirten Augen fand er, dass die Brennung des Limbus, wobei die vorderen Cilian'enen verschlossen wurden, sowohl bei lebenden als todten Kaninchen

die Kitration des Auges um ^ herabsetzte, und bei todten

2 Menschenaugen um , -wälirend die Cauterisation der Venae vor- o

ticosae die Filtration nicht beeinflusste, wenn der Limbus niclit vorher cauterisii*t war; in letzterem Falle wurde die Filtration um

- melir beschränkt. Die Cauterisation oder die Unterbin- 4 5

düng des N. opticus hatte keine ßlti^ationshemmende Wirkung.

Diese Drucksteigerung verminderte sich nach 10 Minuten

bis 2 Stunden, wobei der Brandschorf durchfeuchtet wurde.

Ueber den späteren Verlauf theilt Seh öl er nichts mit, was micii

veranlasste, diese Versuche zu wiederholen.

Versuche mit Cauterisation des Limbus corneae durch Glühhitze. Ich erhielt bei diesen Versuchen in den ersten zwei Stunden nach dem Brennen dieselbe Drucksteigerung wie

>) V. Graefe^s Arch. f. Ophtiialm. XXV. 4.

lieber experimentelles Glaukom beim Kaninchen etc. 45

Schöler, auf 60 100 mmHg; nachher wurden die Augen weich, in einem Falle für immer, indem sich Phthisis bulbi entwickelte, in 2 Fällen vorübergehend, für 4, bez. 30 Tage, wonach die Augen in jeder Beziehung normal wurden, indem die Conjunctiva über die Brandwunde hinüber heilte. Eines dieser Augen wurde mikroskopisch untersucht, und zeigte sich auch bei dieser Untersuchung, abgesehen von der Narbe in der Limbusgegend, normal; die Methode eignet sich also nicht zur Erzeugung von Glaukom. Ich hatte an die Möglichkeit gedacht, dui*ch Vernichtung der Circulation in den V. v. eil. ant. Glaukom zu erzeugen, der Plan wurde aber durch die Wiederherstellung der vorderen Ciliarvenen vemtelt Während der Dnicksteigerung bemerkte Schöler eine starke Blässe der Papille und Verschwinden der Re- tinalgefässe, was ich in meinen Versuchen nicht fand, indem die Papille sich hier hyperämisch zeigte und die Gefässe lebhaft roth, wenn auch nicht dilatirt. Schöler bemerkte auch eine Vergrösserung der Excavation, was ich auch nicht sah, und was auch nicht mit den Erfahrungen bei acutem Glaukom des Menschen stimmt, wo ja nie glau- komatöse Excavation nach einer einzelnen Drucksteigerung l)eobachtet wird. Zugleich führt er an, dass er nach Unter- bindung der Venae vorticosae nur eine Drucksteigerung von 2 mm Hg erhalten habe, was mit den Beobachtungen anderer Foi-scher durchaus nicht übereinstimmt; diese fanden alle nach dieser Operation eine mehrere Tage dauernde erhebliche Drucksteigerung, welche ich auch selbst gesehen habe; man muss daher annehmen, dass bei seinen Versuchen ein Fehler m der Operationstechnik gemacht wurde.

Die Dnicksteigei-ung, welche unmittelbar nach der Cauterisation des limbus eintrat, kann wohl der deut- lich wahrnehmbaren Schrumpfung des Brandschorfes zu- geschrieben werden, in Verbindung mit der plötzUchen Hem- mung der Filü^ation diurch Verschluss der Venae ciliares anteriores und einer vermehrten Kammerwassei-secretion als

46 Chr. F. Bentzen.

Folge der reflectorischeii Hyperämie, die ich wenigstens im Augengrund constatiren konnte. Ihr Aufliören lässt sich durch die Durchfeuchtung des Brandschorfes und die spätere AViederhei-stellung der Circulation erklären.

J. StillingM bat im Jahre 188() den Sehnerv unter- bunden, um den Lympbabfluss entlang den Central- j::e fassen zu unterbrechen. Er fand 2 Tage lang Dnick- steigerung mit Conti-action der Pui)ille, danach Panophthalmitis. IJei Wiederholung des Vei-suches eriiielt er wieder Dnicksteige- rung, die aber immer nacli kui*zer Zeit verachwand, weshalb er auch nicht behauptet, eigentliches Glaukom hervorgebracht zu haben.

Andere Foi*scher, 8chöler^), Marckwort*), Russi*) und Ulrich^) haben diese Drucksteigening bei Unterbindung des Opticus nicht gefunden und iialten die Methode für un- geeignet, weil die Ciliarnen en dadurch zu viel geschädigt werden.

H. Ulrich^) vei*suchte 1884 vergel)Iich, beim Kaninchen durch Erzeugung eines Leukoma adhaerens Secundär- glaukom hcrvorzui-uten. Durch einen Fall von totaler llom- hautnekrose bei Gonon-hoe, wo sich Secundib'glaukom ent- wickelte, nachdem die Iris nach 5 Monaten fibrös gewoitlen war, wurde er IHd'J"') zu dem Vei-such veranlasst, Glaukom in einer dem Fiül entsj)rechenden Weise henorzurufen. Er nahm an, dass, wenn die Iris durch Narbenbildung in einen sklerotischen Zustand übergeht, viele von ihren Gefäasen zu Gnnide gehen, was eine Stase in den Ciliarfortsätzen mit H}'persecrction von Kammenvasser und intraoculare Drucksteige- rung hervorrufen soll. Nach einigen misslungenen Vereuchen mit Totalexstiipation der Cornea ging er zu partiellen, succes- siven Comcaexstiipationen über, indem er l)ei Kaninchen zueret die Mitte der Hornhaut und darnach Sectoren des Uestes aus- schnitt. Die Iris heilte mehr oder weniger voUstündig den Hom- hautnarben an, und wurde hier sklerosirt. Die Ciliarfoi-tsätze

V) Arch. f. Augcnheilk. XVI.

■^) V. Graefe's Arch. f. OphtJiahn. XXV. 4.

') Arch. f. Augenheilk. X.

*) Inauguraldissertation, Bern 1880.

^) Arch. f. Augenheilk. XVII.

«) V. Graefe's Arch. f. Ophthalra. XXX. 4.

^) Arch. f. Augenheilk. XXV.

Ueber experimentelles Glaukom beim Kaninchen etc. 47

fand er zum Theil liyperämisch. Die voi-dere Kammer wurde flach, falls sie niclit ganz aufgelioben war, und der Pupillarrand gi'össtentheils der Homliaut adliäi*ent. In 4 Versuclien von 11 beobachtete Ulrich nach Verlauf von 1 bis 3 Monaten Dnick- steigerung, in 5 Verauchen war der Dnick beinahe normal und in 2 subnormal. Die vier Versuche, in welchen er Drucksteige- rung erhielt, unterbrach er kurze Zeit nach dem Einti*eten der letzteren, um weitere Untersuchungen mit den Augen zu maclien. An den anderen Augen setzte er die Operationen lange Zeit fort, ohne das Ziel zu eiTeichen. Er giebt an, dass die Ver- wachsung zwischen Iris und Cornea in den 4 gelungenen Ver- suchen am stärksten war, sowolil central als peripher. Es ist daiiim anzunehmen, dass die Drucksteigerang in diesen Fällen eher durch ein Hinderniss für die Excretion des Kammenvassere in Folge von Verwachsung der Pupille und des Kammerwinkels zu Stande gebracht wurde, als dm'ch Sklerose der Iris und der als Folge davon angenommenen Ilypereecretion von Kammer- wasser, weil man sicli voi-steilen muss, dass die Iris um so melir sklerosirt wurde, je länger die Operationen fortdauerten. Prof. Leber ^) hat schon im Jahre 1891 bei der Discussion über Ulrich's Vortrag über diese Versuche auf dem Ophthalmologen- congi'ess in Heidelberg auf diese Verhältnisse aufmerksam ge- macht. Als Methode, um künstliclies Glaukom hervorzurufen, kommt mir Ul rieh's Vertahren wenig geeignet vor, da es in das Auge zu stark eingreift und recht unzuverlässig zu sein scheint. Wagen man n^) hat im Jaln-e 18H8 zufallig zweimal (Ver- such 3 und 4) Drucksteigerung und einmal (Verauch 4) Ectasie des Bulbus und Druck excavation beobachtet, bei den Ver- suchen, die er über Ilornhauttransplantation anstellte. Er excidirte ein Stück, etwa 5 mm hoch und 6 mm breit, aus der Comealmitte eines Kaninchens, und befestigte es sofort in situ mit Suturen. In den zwei ei-wälmten Versuchen schloss sich die Wunde ei-st nach 10 14 Tagen, in welcher Zeit die vor- dere Kammer ganz flach blieb, und sich eine fast ringförmige vordere Synecliie bildete. Bei der mikroskopischen Unter- suchung zeigte sicli der Kammerwinkel ven^achsen, was offenbar die Drucksteigerung herbeigeführt hatte.

^) Bericht über die 21. Versammlung der ophthalm. Gesellsch. in Heidelberg 1891. p. 87—88.

«) V. Graefe's Arch. f Ophthalm. XXXIV. 1.

48 Chr. F. Bentzen.

Veranlasst durch diesen zufälligen Befund habe ich in älin- liclier Art folgende zwei Versuche angestellt.

Versuche mit Incisionen im Cornealrand. Versuch No. 62 (22. X. 94 bis 2. IL 95).

Mit einem Graefe'schen Messer wurden in 4 Sitzungen 8 Schnitte im Comealpigmentsaum gemacht, wonach die Comeal- narben zusammen einen gesclilossenen King bildeten. Bei den meisten Incisionen entstanden Vorfälle der Iris, die entweder spon- taner Heilung überlassen, oder abgesclmitten und mit dem Pac- (juelin gebrannt wurden. Walirend des Verlaufes entstand keine Drucksteigerung.

Mikroskopische Untersuchung: Der halbe Umfang des Kammerwinkels offen. Der übrige Theil entweder ganz ge- schlossen oder nur durch eine Irisverwaclisung in der Gegend des Pigmentsaums von dem Rest der vorderen Kammer ab- gespeiTt. Die Iris an vielen Stellen sehr defect und atrophisch in Folge der Abtragung der Vorfälle.

Versuch No. 63 (22. X. 94 bis 2. II. 95).

In 4 Sitzungen 7 Incisionen im Comealpigmentsaum. Der- selbe Verlauf wie hn obengenannten Versuch.

Schöler^) hat im Jahre 1881 ähnliche Versuche angestellt, um die Filti*ationsfaliigkeit der Skleralnarbe zu piiifen, erhielt aber dabei auch keine Drucksteigerung.

Die mikroskopische Untersudmng zeigte, dass die Sdinitte hätten mehr peripher gefUhi-t sein müssen; da diese Me- tliode aber docli nidit sicher zu Verwachsung zwischen Iris und Cornea zu fUhren sdieint, indem die Hälfte der Comeal- wunden frei von Iris zuheilten, so machte ich keine Versuche mehr damit

M. Knies*) hat im Jalire 1894 einige Versuche gemacht, bei Hunden, durch Einspritzung verschiedener, asepti- scher Entzündungserreger in den Glaskörperraum, Glau- kom hervorzurufen, indem er annalim, dass diese Stoffe auf ihrem Weg aus dem Auge heraus locale Entzündung an den Ausgangsstellen und besonders im Kammeminkel bewirken sollten. Mittels dieser Entzündung hoffte er den Kamnier-

>) Beriiner klin. Wochenschr. 1881. Nr. 36—37. «) Arch. f. Augenheilk. XXVIII.

lieber experimentelles Glaukom beim Kaninchen etc. 49

winkd zur Verwachsung zu bringen und dadui*ch Glaukom zu erhalten.

Er injicirte reines Olivenöl , Terpentinöl, Mischungen von Terpentinöl mit Olivenöl in verschiedenen Vei'hältnissen, und endlieh eine Mischung von Olivenöl, Terpentinöl und Unguentum hydrargyri. Es gelang ihm aber nicht, den Kammerwinkel zur Verwachsung zu bringen, und er erreichte auch keine dauernde Dmcksteigerung, was semer Ansicht nach davon herrtthrte, dass es ihm nicht gelungen war, einen Stoff zu ßnden, der längere Zeit reizend wh-kt, ohne zu starke allgemeine Entzündung zu geben. Der Ausgang seiner Versuche war entweder völlige Heilung oder Cyclitis mit üebergang in Netzhautablösung und Ritfaisis bulbi.

In einigen Versudien beobachtete er vorübergehende Druck- steigerung, walirscheinlich in Folge von beginnender Cyditis. Zwei Mal wurde die Drucksteigerung nach Einträufelung von Atropin beobachtet.

Um die Dehnung der Bnlbuswand bei künstlicher Steige- rung des intraocularen Druckes zu messen, machte W. Koster ^) einige Versuche an lebenden Kaninchen, deren Augen er durch Spaltung des Canthus externus und Durch- schneidung der Conjunctiva und aller Muskelanhef- tungen ganz frei präparirte. Die Steigerung des intraocularen Druckes wurde durch Einspritzung von ^/^^/o NaCl-Lösung m die vordere Kammer oder in den Glaskörperraum hergestellt und betrug in einigen Versuchen über 100 mm Hg. Nach Be- endigung der Versuche wurde der Augenwinkel wieder zu- sammengenäht und die Augen ihrem Schicksal überlassen. Nach Verlauf von ca. 10 Tagen nalimen die Augen ein normales Aussehen an, indem die Conjunctiva an den Comealrand an- heilte; dieser war anfangs leicht inültrirt und vascularisirt und zeigte nadi ein paai* Wodien eine Verbreiterung des Pigment- sauraes. Zur selben Zeit als die Augen ein normales Aussehen bekamen, bemerkte man eine bedeutende Dnicksteigening, welche zur Compression der Retinalarterien führte, und die in einem Fall eine geringe Atrophie des tempoi-alen Markflttgels bewirkte. Es trat aber keine Vergrösserang der physiologischen Ex- cavation ein. Nach Verlauf von 2 Monaten wurde der Augen- druck wieder normal. Eine wiederholte Durclischneidung der

*) V. Oraefe's Arch. f. Ophthalm. XLI. 2. T. Graefe's Archiv ftir Ophthalmologie. XLI. 4.

50 Clir. F. Bentzen.

Conjunctiva und Entfernung des Narbengewebes nach der ersten Operation bewirkte wieder eine schwächere Drucksteigerung.

Die mikroskopische Untersucliung dieser Augen zeigte nor- male Verhältnisse, abgesehen von der Conjunctivalnarbe.

Die in diesen Versuchen beobachtete Drucksteigeruiig beruhte augenscheinlich auf Hinderung der Filtration in Folge von Beschädigung der Venae ciliares anteriores. Dies veranlasste mich zu einigen weite- ren Versuchen, eine dauernde Verlegung dieser Bahnen hervorzubringen, um vielleicht Glaukom ohne Verwachsung des Kammerwinkels zu erzeugen, wie man es ja mitunter beim Menschen beobachtet. Diesem Plane gemäss schnitt ich in den drei ersten Vereuchen die Conjunctiva in einer 3 mm breiten Zone um den Comealrand weg, durchschnitt die Muskelanheftungen und entfernte mit einem Graefe'schen Messer die oberflächlichen Schichten der Sklera in der Breite von ca. 2 mm.

Nach Verlauf von ^/^ bis 2 Stunden nach der Be- endigung der Operation trat eine Drucksteigerung auf ca. 50 mmHg ein, welche B bis 14 Tage dauerte; nachher erhielten die Augen wieder normale Spannung.

So lange die Dnicksteigerung dauerte, war die Papille blass und die Retinalgefässe dünn. In dem Auge, au welchem die Dmcksteigerung 12 Tage gedauert hatte, wurde der temporale Markflügel leicht grau, sonst bekam der Augengrund nach ihrem Aufhören ein normales Aussehen. Nach Verlauf von drei Wochen war die Conjunctiva über die Skleralwunde hinüber geheilt, und hatte den Comeal- rand eiTeicht, der anfangs etwas infiltrirt war und später eine ca. ^/^ mm breite, graue Epithelverdickung zeigte. Der Pig- raentsaum nahm an mehreren Strecken an Breite zu. Nach Heilung der Wunde bildete sich dicht ausserhalb desHomhaut- randes ein circuläres Gefäss, von welchem aus Zweige nach hinten längs der Muskeln zogen. Die Skleralnarbe bekam ein grauschwarzes Aussehen in Folge von Durchschimmern

Ueber experimentelles Glaukom beim Kaninchen etc. 51

des dunkeln Augengrundes. In dem einen Versuch trat ein leichter Exophthalmus ein, und der Bulbus schien etwas vergrössert

Das eine Auge wurde mikroskopisch untersucht und zeigte bloss zellige Infiltration in der operirten Skleralparthie, die etwa nur halb so dick war als in der Norm.

In 5 Versuchen ätzte ich die auf dieselbe Weise wie oben erzeugte Skleralwunde mit dem mitigirten Lapisstift, um die Wirkimg der Operation zu verstärken. In 4 Fällen stieg der Druck nach Verlauf von '/^ bis 8 Stunden bedeutend an und hielt siöh in 3 Fällen 4 bis 6 Wochen lang zwischen 40 und 60 mm Hg. In einem Fall trat bei der Operation ein Irisprolaps ein, und es dauerte 5 Tage, ehe eine geringe Drucksteigerung entstand, die sich nur 2 Tage hielt, da wieder Perforation der Wunde eintrat In einem Versuch dauerte die Drucksteigerung nur 2 Tage, wonach die Wunde perforirte; zwei Tage später starb das Thier.

Die Wunde bekam in diesen Versuchen ein nekrotisches Aussehen, und nur in zwei Fällen, wo ich die abgetrennten Fetzen der Conjunctiva und Sklera weggeschnitten hatte, heilte sie nach Verlauf von 2 oder 3 Wochen auf dieselbe Weise wie in den fiüheren Versuchen.

Die Cornea wurde gleich anästhetisch, und schon einen Tag nach der Operation fing sie an trübe und ecta- tisch zu werden. Diese Comealinfiltration nahm stetig zu bis zur milchweissen Nekrose der ganzen Coniea; diese endigte mit Perforation, Panophthalmitis und Phthisis bulbi in allen Versuchen.

In dem Fall, in welchem das Thier schon 4 Tage nach der Operation starb, wurde das Auge mikroskopisch untersucht Es fand sich eine starke zellige Infiltration in der Conjunctiva und dem ganzen Wundboden. Die Comeo- skleralgrenze war bis zur Hälfte verdünnt und die Sklera an der Stelle braun gefärbt, während das Comealgewebe

4*

52 Chr. F. Bentzen.

zwischen den Fibrillen schwarzes Silberalbuminat zeigte. In geringer Entfernung von der Wunde sah man in der Cornea und der Sklera einen Einwanderungsring von Leu- kocyten. Im Fontana 'sehen Raum eine dichte Rundzellen- intiltration, und im Kammerwinkel, hauptsächlich nach oben, wo die Perforation stattgefunden hatte, eine Eiter- ansammliuig.

Da bei diesen Versuchen der Eingriff sich als zu stark gezeigt hatte, versuchte ich in 3 Fällen, nur die Con- junctiva und die Muskelanheftungen zu durch- schneiden und die entblösste Skleraloberfläche mit dem mitigirten Lapisstift zu ätzen, wonach ich die Wunde gleich mit einer Kochsalzlösung abspülte.

Im ersten dieser Versuche fing der Druck schon 10 Minuten nach der Operation an zu steigen, und hielt sich drei Wochen danach hoch, bis zu 60 70 mm Hg. Da trat eine Perforation nach oben in der Limbusgegend ein, wonach das Auge weich wiurde und durch Comeal- nekrose in Phthisis überging. In den beiden anderen Versuchen stieg der Druck am ersten Tag bis ca. 60 bis 70 mmHg, wonach er 3 4 Tage subnormal war, um dann wieder drei Wochen lang hoch zu werden; dann trat eine Perforation der Cornea nach unten ein, wo sich eine sehr starke Infiltration ent\vdckelt hatte. Selbst nachdem die Perforation geheilt war und die Comeahnfiltration durch Vascularisation im Narbengewebe übergegangen w^ar, blieben die Augen weich.

Die Conjunctiva war in allen Fällen 4 Wochen lang nekrotisch, wonach sie anfing über die Wunde hin zu heilen. Die Cornea wurde gleich nach der Operation an- ästhetisch; den Tag danach fing sie an, immer mehr trübe und ectatisch zu werden. Die beiden zuletzt erwähnten Augen blieben ectatisch, selbst nachdem die Comealperib-

Ueber experimentelles Glaukom beim Kaninchen etc. 53

ration eingetreten war. In allen Versuchen beobachtete man in den ersten Tagen nach der Operation Schwellung der Iris und Exsudatbildung in der vorderen Kammer.

Neben diesen Versuchen machte ich noch zwei ähn- liche.

In einem Versuch zog ich einen mit Schwefel- eisen imprägnirten Faden ca. IV2 n^ni ^f^ch aussen von dem Comeal-Rgmentsaum unter der Conjunctiva durch und Hess ihn liegen. Der Faden war zuei*st mit Eisenchloridlösung befeuchtet worden und wurde dann mit Schwefelammonium übergössen und abgespült, sodass er also mit Schwefeleisen durchtränkt war. Ich beabsichtigte, dadurch eine reizende Substanz in fester Form in dieser Gegend anzubringen. Nach diesem Eingriff entwickelte sich Iritis und Hypopyon, sammt diffuser Infiltration und Ectasie der Cornea, aber keine Drucksteigerung. Der Fa- den wurde dm*ch Conjunctivalnekrose abgestossen.

In einem anderen .Versuche zog ich einen dünnen, elastischen Faden unter der Conjunctiva sclerae im Umfang der Hornhaut durch, und knüpfte ihn, leise ziehend, zusammen. Dieser Eingriff bewirkte im Verlauf von 10 Tagen Drucksteigeiiing, Infiltration und Ectasie der Cornea; danach kam Perforation am unteren Comeal- rand und Ausgang in Phthisis.

Nachträglich habe ich noch gefunden, dass HeisratliM an- giebt, bei zwei Kaninchenaugen dauernde Drucksteigeiiing wesent- lich durch Aetzung der Sklerocornealgrenze erzielt zu haben. Nachdem er mit Erzeugung partieller oder totaler hin- terer und vorderer Synechieen seinen Zweck nicht erreiclit hatte, gelangen ihm unter zalih-eichen Versuchen deren zwei, bei wel- chen eine I^ösung von Gummi arabicum in die vordere Kammer injicirt worden war, ohne dass besondere Keaction erfolgte und wo einige Zeit darauf mehrere Tage lündurch die Gegend des

*) Heisrath, Zur Frage nach der Ursache des Glaukoms. Cen- tralblatt f. d, med. Wiss. 1879. Nr. 43.

54 Chr. F. Bentzen.

Selilemm'sdien Canales mit Samten cauteiisii-t wurde. Sehr bald trat unter mäasiger Chemosis starke Drucksteigerung aui; Homliaut di^s getrübt ^ ectatisch und unempfindlich, Pupille wenig reagb^nd und stark er^^eitert. Allmählich verlor sidi die Chemosis, während die Injection und Drucksteigerung zunahmen, letztere bis 80 mmHg. Die glaukomatösen Symptome wunlen fast 3 Monate lang olme wesentliche Aenderung beobachtet. Die unmittelbar post mortem vorgenommene Injection der vor- deren Kammer mit Berhnerblau ergab keinen Uebergang des Farbstoffes in die voi'deren Cihai-venen, es war nur eine Spur davon in den Font an ansehen Raum eingedrungen; H eis rat h gewann aus der mikroskopischen Untersuchung die Ueberzeugung, dass eine Beliinderung des Abflusses der intraocularen Flüssigkeit durch primäre Entzündung in der Gegend des Schlemm 'sehen Canals das Glaukom zm* Folge gehabt habe.

Endlich versuchten W. Koster und ich, jeder an einem Auge, eine totale Verwachsung zwischen dein Pupillarrand und der Cornea hervorzurufen, ohne dass es uns gelang.

Es wurden zu diesem Zweck zunächst gegenüber dem Pupillarrand ca. IVj mm breite, dem Band parallele Inci- sionen der Cornea gemacht und durch Hervorziehen der Iris mit einem scharfen Häkchen 3 Irisprolapse gebildet Nachdem diese im Verlaufe von ungefähi* einer Woche ge- heilt waren, wurden auf dieselbe Weise drei neue Prolapse zwischen den alten gebildet, und nach Verlauf von zwei weiteren Wochen wieder 4 Prolapse an den Stellen, wo man Lücken in der Verwachsung sehen konnte. Das centrale Comealstück innerhalb der Incisionen wurde trübe und in dem einen Versuch ectatisch. Die vordere Kammer blieb ganz flach. Der Dmck stieg nicht über die Norm, und die Augen wmden im Ganzen nicht ectatisch; wahrscheinlich rührte dies davon her, dass die Adhäsionen der Iris nach- gaben, so dass sich kleine Spalten zwischen ihnen bildeten, wodurch die vordere mit der hinteren Kammer communiciren konnte.

Ueber experimentelles Glaukom beim Kaninchen etc. 55

Versuche mit Einspritzung von todten Bakterien in die vordere Kammer.

Nach Einspritzung einer sterilisirten Reincultur von Staphylo- kokkus aureus in die vordere Kammer des Kaninchens beob- achtete Th. Leber') heftige exsudative Kerato-Iritis^ die im Verlauf von wenigen Tagen Perforation an der Comeoskleral- grenze veranlasste. Bei einem dieser Versuche trat diese Per- foration nicht ein, wogegen das Auge nach 4 Monaten Druck- steigerung, Ciliai-ectasie und glaukomatöse Excavation der Papille zeigte. Dieses Auge wurde später von L. Berberich •) mikro- skopisch untersucht; er fand eine starke bindegewebige Ver- wachsung des Kammerwinkels, neben den Veränderungen, die durch die Kerato-Iritis und die Drucksteigerung hervorgebracht waren.

Diese Beobachtungen veranlassten mich, zu versuchen, ob es gehngen würde, auf diese Weise Secundärglaukoui absichtlich hervorzurufen, und ob eine verdünntere Suspen- sion der Kokken eine Verwachsung des Kammerwinkels bewirken könnte, ohne zugleich die heftige Entzündung der Iris und Cornea zu erzeugen.

Versuche mit Einspritzung einer sterilisirten Reincultur des Staphylokokkus aureus in die vordere Kammer. Von Herrn Professor Leber erhielt ich eine Rein- cultur des Rlzes, die durch mehrmonatliche Einwirkung von absolutem Alkohol getödtet war. Ich dampfte den Alkohol langsam bis zur Trockenheit ab und suspendirte die Masse meder in 20 ccm destillirten Wassers, wodurch ich eine milchige Emulsion erhielt, die ich eine halbe Stunde lang im Dampftopf steriHsirte.

Diese Flüssigkeit injicirte ich an vier Augen mit einer Pravaz 'sehen Spritze, deren feine Canüle von hinten her

*; Die Entstehung der Entzündung und die Wirkung der ent- zündungserregenden Schädlichkeiten. 1891. S. 121 ff.

*) V. Graefe's Archiv f. Ophthalm. XL. 2., pag. 113—134.

56 Chr. F. Bentzen.

durch Sklera uüd Iris in die vordere Kammer eingeführt wurde, um das Ausfliessen der Flüssigkeit beim Heraus- ziehen der Canüle zu verhindern. Vor der Einspritzung wurde das Kammerwasser mit der Spritze abgesaugt Bei den ersten zwei Versuchen wurde die Flüssigkeit unverdünnt benutzt; bei den beiden letzten mit 10, resp. 200 Theilen Wasser verdünnt

Versuch No. 44. 19. IX. 1)4 bis 11. XII. 94.

Kleines graues Kaninchen No. 28. Linkes Auge.

Einspritzung einer sterilisirten Reincultur von Staphylokokkus aureus in die vordere Kammer.

Gleich nadi der Einspritzung entwickelte sich eine heftige exsudative Kerato-Iritis und der Druck stieg bis 70 mm Hg. Nach 48 Stunden trat eine Perforation an der Sklerocomealgi'enze nach unten und vorne ein, und ein grosser Irisprolaps, der erst nach 6 Wodien heilte, wonach das Auge seine noimaie Spannung wieder erhielt, und auch später, so lange die Beobachtung fort- gesetzt wurde, keine Drucksteigerung zeigte.

Mikroskopisch erschien das Comealgewebe mit Zellen infil- ti-irt und vascularishl^. Iris und Piocessus ciliares zum llieil stark atrophisch. Der Kammerwinkel überall durch eine reidi- liche Menge von bindegewebigem Exsudat verachlossen. Ketina ganz abgelöst und bindegewebig degenerii*t. Die Linse kataraktös, ihre Kapsel geboraten und im Exsudat eingelageit

Versuch No. 45. 19. IX. 94 bis 11. XII. 94.

Klemes graue« Kaninchen No. 23. Rechtes Auge.

Einspritzung einer sterilisirten Reincultur von Staphylokokkus aureus in die vordere Kammer.

Es entwickelte sich sogleich eine exsudative Kerato-Iritis mit Drucksteigerung auf ca. 60 mmHg, die sidi 7 Tage hielt; dann trat eine kleine Perforation an der Sklerocomealgrenze dn, die nach sechs Tagen heilte, ohne Bildung eines eigentiichen Irisvorfalls. Nach Heilung der Perforation die ganze Ciliargegend ectatisch und von grausdiwarzer Farbe, die immer deutlicher wurde, nachdem die Injection des Auges verschwunden war. Im ersten Monate nach der HeUung der Perforation war der Druck abwechselnd normal und subnormal; dann stieg er bis circa 40 mmHg und blieb so wälu^nd der übrigen Beobachtungszdt

Ueber experimentelles Glaukom beim Kanindien etc. 57

Die Cornea war während des ganzen Versuches so undurch- aiditig, dass die Augenspiegeluntersuchung unmöglicli war.

Bei der anatomischen Untersuchung fand sich das Auge vergrössert Die Cornea zellig infiltiirt und vascularisirt Die IiTS stark atrophisch, überall mit der Cornea durch bindegewebiges Exsudat verklebt; stellt last nur eine Pigmentschicht an der inneren Seite der Cornea und Sklera dar. Processus ciliares zum Theil stark ati'ophisch^ zum Tlieil gut erhalten. Die Ciliar- gegend ectatisch. Der vonlere Theil der Retina ist bindegewebig degenerirt Die Papille zeigt eine abnorm breite und tiefe Ex- cavation und Atrophie der Nen^enfasern.

Versuch Nr. 48. 21. IX. 94 bis 30. X. 94.

Graues Kaninchen Nr. 25. Rechtes Auge.

Einspritzung, in die vordere Kammer, einer sterilisirten Rein- cultur von Staphylokokkus aureus mit 10 Tlieilen Wasser verdünnt.

Um die Verwachsung des Kammerwinkels zu erleichtem, wurde versucht, am Tage nadi der Einspntzung eine Corneal- iistel mit dem Pacquelin anzulegen. Beim Luxiren des Auges, um diesen Eingriff leiditer ausführen zu können, trat eine Skle- ralniptur mit Vorfall von Iris und Corpus vitreum ein. Es ent- wickelte sich ein gi'osses Hypopyon und die Spannung des Auges war später fast immer subnormal, nie erhöht

Mikroskopisch fand sich die Retina durch Schrumpfung eines bindegewebigen Exsudates im Glaskörper ganz abgelöst. Der Kammens'inkel war überall durch ein noch nicht ganz binde- gewebig umgewandeltes Exsudat verklebt.

Versuch Nr. 47. 21. IX. 94 bis aO. X. 94.

Graues Kaninchen Nr. 25. Linkes Auge.

Einspritzung, in die vordere Kammer, einer sterilisirten Rein- cultur von Staphylokokkus aureus mit 200 Theilen Wasser verdünnt.

Nach der Emspritzung trat nur eine kleine und vorüber- gehende Entzündung der Cornea und Iris ein mit wenig Exsu- dat in der vorderen Kammer. Um die Verwachsung des Kam- merwinkels zu befönlem, wuixie ein dreieckiges Stück der Cornea gegenüber dem oberen Pupilleni-ande ausgeschnitten, und in den ersten acht Tagen das Kammei'Hasser täglich zweimal entieert. Trotzdem trat, nachdem die Comealwunde sich geschlossen hatte, keine Drucksteigerung ein, und bei der mikroskopischen Unter- suchung fand man den Kammerwinkel nur nach unten geschlossen.

58 Chr. F. Bentzen.

Betrachten wir diese Versuchsreihe, so finden wir durch die zwei ersten Versuche die Beobachtungen Th. Leber 's bestätigt, indem es mit dieser Methode gelingt, Secundärglaukom hervorzurufen, wenn die Perforation an der Comeoskleralgrenze nicht zu gross ist, und nicht heftige secundäre Entzündungen und tiefe Emäliruugsstörungen im Auge eintreten, wodurch der Einfluss der Verwachsung des Kammerwinkels auf die Drucksteigerung aufhört.

Der dritte Versuch zeigt, dass eine so verdünnte Cultur keine genügende Exsudation erzeugt, imi eine vollständige Verwachsung des Kammer winkeis hervorzurufen; aus dem zweiten Versuch, der ja zum Theil misslang, geht hervor, dass die Concentration der Suspension zwar wohl geeignet war, eine gute Verwachsung zu geben, die wahrscheinUch Drucksteigerung bewirkt hätte, wäre der Versuch nicht durch das Glaskörperleiden, in Folge der Sklerabuptur comphcirt worden. Da aber die Entzündung der Iris und Cornea auch in diesem P'alle sehr stark war, so ist anzu- nehmen, dass man auf diesem Wege wahrscheinHch den Zweck nicht erreichen wird, eine starke Verwachsung des Kammerwinkels zu bewirken, ohne gleichzeitige heftige Entzündimg der Iris und der Cornea.

Einige Zeit vorher hatte ich auch die Wirkung i n die vordereKammer eingespritzter todter Tuberkel- bacillen, gleichfalls ohne befriedigendes Besultat, unter- sucht, worüber ich eine kurze Mittheilung folgen lasse.

Versuche mit Einspritzung von todten Tuberkel- bacillen in die vordere Kammer.

Durch die Güte des HeiTn Professor Klebs in Kai-lsrulie erhielt ich eine Reincultur von Tuberkelbacillen, die durdi melu-ere Wochen in einer 2 ®/o Lösung von Ortho-Kresol gelegen hatte. Ich entfernte das Ivi-esol durch Decantiren und wieder- holte Verdünnung mit sterilisu^em Wasser, und steriüsirte zum Sdiluss die Suspension kurz vor dem Gebrauch im Dampftopf.

Ueber experimentelles Glaukom beim Kaninchen etc. 59

Die Einspritzung wurde auf dieselbe Weise ausgeführt wie bei den Versudien mit Staphylokokkus aureus.

In zwei Versuchen, No. 8 und 9 (26. V. 94 bis 18. VI. 94) wurde nur die trübe Flüssigkeit, die über dem Bodensatz stand, emgespritzt. Die Wirkung war nur gering, fibrinöse En- sudation im Pupillargebiet, die nach ein paar Wochen vollständig resorbirt wurde, wonach die Augen in jeder Beziehung ganz normal waren.

In den zwei anderen Versuchen, No. 10 und 11 (26. V. 94 bis 29. VI. 94) wurde der Bodensatz der Au&chwemmung eingespritzt Es entwickelte sich danach im Verlauf eines Mo- nates das typische Bild der Tuberculose der Iris und Cornea. Mikroskopisch fand ich in Cornea und Iris knotenförmige Rund- zelleninfiltrate, epitheloide Zellen und einzelne Riesenzellen, wo- gegen es mir nicht gelang, Tuberkelbacillen zu finden. Der Kammerwinkel war bis innerhalb des Comealpigmentsaumes ver- wachsen. Der hintere Abschnitt der Augen zeigte keine krank- haften Veränderungen.

Dieser Verlauf stimmt mit dem überein, was Prudden und HodenpyP) und mehrere andere Forscher nadi ihnen ge- iiinden haben, dass nämlich todte Tuberkelbacillen gif- tige Stoffe enthalten, die eine locale Entzündung, ganz ähnlich wie die lebenden, hervorrufen; nur haben diese Stoffe, wegen ihres Mangels an Reproductionsfäliigkeit, keine Wirkimg ausser der localen. Prudden und Hodenpyl spritzten Kaninchen mit Dampf sterilisirte Tuberkelbacillen sub- cutan, intravenös^ intrapleural und intraperitoneal ein und er- hielten als Resultat subcutane Abscesse, Tuberkelknoten in Lungen und Pleura und im Peritoneum. Mikroskopisch fanden sie in diesen Heerden Tuberkelbacillen neben den anderen charakte- ristischen Elementen.

Nach diesen vier Vei-suchen gab ich weiteres Experiraen- tiren mit sterilen Tuberkelbacillen auf, da die Fälle, wo Ver-

') Prudden and Hodenpyl, Studies on the action of dead bacteria in the living body. New York med. Joum. 1891. June 6. u. 20. Baumgarten's Jahresber. 1891, p. 778.

Gamale!a, De la vinilence des bacillos tuberculeux morts. Etudes exp^r. et clin. sur la tuberculose etc. T. III. 1892.

Baumgarten, Lehrb. d. path. Mycologie p. 406. Baum- garten's Jahresbor. 1892. p. 688 690.

60 Chr. F. Bentzen.

wachsung des Kammerwinkels eintrat, zu viel durch Entzündung der Cornea und Iris compticirt wurden.

Versuche mit neuen, von früheren Arbeiten unabhängigen Methoden. Indem ich jetzt zu der Schilderung meiner Versuche übergehe, bei welchen ich keine Beobachtungen fiüherer Forscher zum Vorbild hatte, schicke ich einige allgemeine Bemerkungen darüber voraus. Ich mache zugleich darauf aufmerksam, dass ich keine streng systematische oder chronologische Ordnung durchführen kann, da die verschie- denen Methoden in einander greifen. Ich will, soweit möglich, die misslungenen Versuche zuerst mittheilen, und danach die gelungenen. Bei allen Versuchen ging ich darauf aus, den Kammerwinkel zur Verwachsung zu bringen, ohne das Auge im Uebrigen zu schädigen.

Allgemeine Bemerkungen über die Versuche.

Alle Operationen wurden unter localer Anästliesie des Auges durch Einti-äufelung von 5®/q Cocainlösung ausgefülirt. Falls die Hornhaut nicht schon anästhetisch war, wurden auch die Bestimmungen des intraoculai-en Druckes mit dem Fi ck 'sehen Tonometer unter Cocainanästhesie ausgeführt. Ohne diese Vor- sichtsmaassrcgel contraliirt dasThier seine äusseren Augenmuskeln, wodurch der Bulbus in die Orbita zurückgezogen wird, und der intraoculare Druck um 10 bis 15 mmHg steigt

Alle Versuche wurden an KanincJien angestellt Bei den meisten Operationen wurde das Thier auf einem gewöhnlichen Operationstisch aufgebunden, und das Auge aus der Orbita lu2drt. Nur bei ganz kleinen Operationen, wie Function der vorderen Kammer, Abbrennen eines Imvorfalles u. dgl. war ich im Stande, an dem frei sitzenden Tliier oder nach Aufbinden und Einlegen eines Sperrelevators zu operiren. Beim Ophthalmoskopiren hat das Thier immer frei gesessen. Das luxirte Auge wurde w5li- rend der Operation durch eine elastische Schlinge nadi aussen gehalten.

Alle Operationen wurden unter antiseptischen Gautelen ausgeführt und gelangen auch mit einer Ausnahme ohne In- fection.

Ueber experimentelles Glaukom beim Kaninchen etc. 61

Versuche mit Einspritzung von Jod in die vordere Kammer.

Die benutzte Lösung enthielt 5^/^ Jod und 10®/q Jod- kalium in destillirtem Wasser gelöst. Die Einspritzung in die vordere Kammer wurde mit einer Pravaz 'sehen Spritze durch die Cornea ausgeführt, das Kammerwasser vor der Einspritzung entleert. Es wurde nur so viel eingespritzt, dass die Kammer eben gefüllt wurde und nachher das Jod wieder entleert, wobei die Conjunctiva durch Rltrirpapier geschützt und danach mit ^/^ ^/^^ Sublimatlösung abgespült wurde. Es wurden nur zwei Versuche damit gemacht; in beiden trat Hornhautnekrose ein, und die Augen wurden nach etwa andei-thalb Monaten phthisisch. Die Wirkung der Jodlösung war also viel zu stark.

Versuche mit multiplen Ignipunctionen im Cornealpigmentsaume.

Die Absicht bei diesen Versuchen war, Löcher an der Comealperipherie zu bilden, die sich nicht zu schnell schliessen bürden und das Kammerwasser eine Zeit lang aussickern liessen, damit die Iris und die Cornea mit ein- ander in Berührung bheben, während sich zugleich bei der Heilung der Löcher so viel bindegewebiges Exsudat zwischen Iris und Cornea bilden sollte, dass der Kammerwinkel ver- schlossen würde.

Die Operation wurde mit einem Pacquelin 'sehen Spitzbrenner ausgeführt, womit die Cornea an mehreren Stellen im Pigmentsaume punktirt wurde; die Zwischen- räume zwischen den Punctionen waren gleich gross. Das Kammerwasser win-de dadurch vollständig entleert Wenn sich zeigte, dass eine geringe Zahl von Punctionen nicht das gewünschte Resultat eraielte, wurden später in mehre- ren Sitzungen zahlreiche neue Punctionen zwischen den alten gemacht.

^2 Chr. F. Bentzen.

In den 6 Versuchen dieser Beihe wurden je 16 bis 28 Ignipunctionen an einem Auge gemacht Es kam aber nicht zu einer vollständigen Verwachsung des Kammerwinkels^ weil keine von den Voraussetzungen völhg zutraf. Erstens schlössen sich die Wunden zu früh, indem die Iris sich in die Löcher einlegte, so dass die vordere Kammer schon nach 5 Tagen ganz wieder hergestellt und der Druck nor- mal wurde. Zweitens wurde so wenig Bindegewebe in Folge der Operation gebildet, dass es die Räume zwischen und peripher von den Punctionsstellen nicht ausfüllte, ja nicht einmal starke Verwachsungen an diesen hervorriet Siehe Taf. 11, Fig. 4.

Um diesen Uebelständen abzuhelfen, beschloss ich einige Versuche anzustellen, bei welchen ich in mehreren Sitzungen so viele Ignipunctionen etwa l*/g mm ausserhalb des Pigmentsaumes anbrachte, dass die ganze Comealperi- pherie nach und nach durchgebrannt wurde.

In 3 Versuchen wurden je 43 bis 52 Ignipunctionen gemacht, aber es gelang auch hier nicht, eine vollständige Verwachsung des Kammerwinkels hervorzurufen, auch wurde der Druck nicht erhöht Ausserdem traten grosse Irisvor- falle durch Confluiren mehrerer Punctionsstellen ein, und Iris und Ciliarkörper wurden durch starke Entzündung ziem- lich atrophisch.

Versuche mit einem in den Kammerwinkel eingelegten Faden.

Bei dieser Methode suchte ich die locale Irritation und Exsudation, die von einem Fremdkörper hervorgerufen werden, in folgender Weise auszunutzen. Mit dem Pacque- lin wurden sieben Löcher im Band der Cornea dicht ausser- halb des Pigmentsaumes gebrannt Mit Hilfe einer geraden abgestumpften Nähnadel wurde durch diese Löcher ein sterilisirter Seidenfaden durchgeführt^ so wie es nebenstehende Figur 1 zeigt

Ueber experimentelles Glaukom beim Kaninchen etc. 6^

Der Theil des Fadens, der in der Kammer lag, wurde scv fest gezogen, dass er sich tief in den Kammerwinkel hineinlegte. Die beiden £nden des Fadens wurden ganz in der Nähe des Auges ab- geschnitten. Nach Verlauf von 13 Tagen wurde der Faden entfernt Zwei Versuche wur- den nach diesem Plan ge- macht.

In dem ersten Versuch, No. 26, trat sehr wenig Ex- sudatbildung, fast keine Ver- wachsung des Kammerwinkels Fig. 1. und keine Drucksteigerung

ein. Die vordere Kammer stellte sich nach 3 Tagen wieder her und wurde in den nächsten 5 bis 6 Tagen abnorm tief wegen eingetretener Ectasie der Hornhaut, die ebenso wie die Iris in einen leicht entzündUchen Zustand gerieth^ während der Faden im Kammerwinkel lag. Einige Zeit nach der Entfernung des letzteren wurde das Auge wieder ganz normal.

Der zweite Versuch, No. 27, hatte einen ganz ähn- Hchen Verlauf, nur trat hier eine leichte Drucksteigerung vom 4. bis zum 7. Versuchstag ein, was dem entzündlichen Zustand der Iris zugeschrieben werden muss. Der Kammer- winkel war in diesem Fall etwas mehr, aber doch unvoll- ständig und sehr locker verwachsen.

Verschiedene Versuche, einen mit Chemikalien durchfeuchteten, mit Dampf sterilisirten Faden durch den Kammerwinkel zu ziehen. Da sich gezeigt hatte, dass die Einspritzung von che- mischen Stoffen und todten Bakterien^ die durch ihren Toxingehalt eine ähnUche Wirkung haben, die Verwachsung des Kammerwinkels dadurch vereitelte, dass sie die ganze

66 Chr. F. BenUen.

kammer stattgefunden hatte, und dass die Iris und Cornea (in No. 33) in ziemlich weitem Umfange dicht an einander lagen. Da in allen diesen Fällen eine geringe Menge von Ammoniak in den angewandten Flüssigkeiten enthalten ge- wesen war, vermuthete ich, dass dies die Ursache der be- obachteten fibrinösen Exsudation und möglicher Weise auch der anscheinenden Verbindung zwischen Iris und Cornea sei, und beschloss darum zum gleichen Zwecke Versuche mit Einspritzung von Ammoniaklösung in die vordere Kammer zu machen.

Der erste Versucli damit war No. 49: Einspritzung von 5®/o Ammoniaklösung in die vordere Rammer. Die Wirkung der Einspritzung zeigte sich als zu eingreifend, indem es zu einer hefHgen Kerato-Iritis mit Bluhmg und Exsudatbildung in der vorderen Kammer und im Glaskörperraum kam. Der Kammer- winkel war nur theilweise verwachsen. Der Druck an den ersten 10 Tagen erhöht, später subnormal.

In Versuch No. 52 wurde 1 ®/q Ammoniaklösung in die vordere Kammer emgespritzt, und am folgenden Tag der Kammer- winkel mit einer stumpfen Nadel gekratzt und eine Function in der Comeoskleralgrenze gemacht, um eine Kammerfistel an- zulegen.

Die Peripherie der Iris legte sich der Cornea an, und der Druck war ein paar Wodien lang erhöht; dann trat eine reci- divirende Keratitis ein, die zur völligen Nekrose der Cornea ftlhrte, und das Auge \^'urde phtliisisch.

Der Verlauf dieses Versuches deutete anfangs darauf hin, dass die Methode vortheilhaft sein könnte; darum wur- den 3 Controlversuche gemacht, um zu sehen, welches von den 3 Momenten das wirksame war.

In Versuch No. 53 wurde einfach 1 ®/o Ammoniaklösung in die vordere Kammer eingespritzt und in Versuch No. 55 eine

1 ^/o Ammoniaklösung eingespritzt, und die Comeoskleralgrenze

2 Stunden nachher peiforirt. Beide Versuche hatten einen älm- lichen Verlauf: Entzündung der Iris und der Coniea, mit Ex- sudatbildung in der vorderen Kammer. Fast keine Ver^vachsung des Kammeminkels. Druck am ersten Tag leicht gesteigert.

Uebpr experimentelles Glaukom beim Kaninchen etc. 67

dann subnormal während 2 Wochen, wonach er mit der Heilung der Kerato-Iritis wieder normal wurde.

Im dritten Controlversuch, No. 54, wurde 1®/q Ammoniak- lösung eingespritzt, und der Kammerwinkel 2 Stunden später mit einer stumpfen Nadel gekratzt. Es kam hier zu einer un- vollständigen VerR^achsung des Kammerwinkels. Iris und Cornea wurden, wie in den vorigen Versuchen, stark entzündet, und der Druck blieb subnormal während des ganzen Monats, in dem der Versuch fortgesetzt wurde.

Dieser Versuch zeigt also, dass „das £[ratzen<^ das wirksame Moment im Versuch No. 52 gewesen war. Aus allen vier Versuchen geht aber hervor, dass die 1 ^/^ Am- moniaklösung zu stark auf das Auge ^drkt.

Ich unternahm es daher, den Kammerwinkel allein mit einer viel schwächeren Ammoniaklösimg zu ätzen, indem ich gleichzeitig „kratzte".

Die zwei hierher gehörenden Versuche, No. 78 und 79, wurden in folgender Weise ausgeführt: Eine feine Pravaz'- sche Canüle, deren Spitze abgefeilt war, wurde durch einen langen Gummischlauch mit einem gläsernen Trichterrohre verbunden und an der Canüle ein Heft befestigt Der Apparat wurde bis zu einer Höhe von 50 cm mit 2 ^/^ Ammoniaklösung gefüllt. Ein so hoher Flüssigkeitsdruck erwies sich als nothwendig, damit die Canüle während des „Kratzens" nicht verstopft wurde. Mit diesem Apparat wurde Kratzen im Kammerwinkel durch 3 radiäre Inci- sionen der Cornea ausgeführt.

Es trat in beiden Fällen eine Irisdialyse bei der Ope- ration ein, indem die Canüle sich in der Iris verfing. Trotzdem hatten die Versuche denselben Verlauf, wie die später zu erwähnenden gelungenen mit „Kratzen" allein: Vollständige Verwachsung des Kammerwinkels, continuirliche Drucksteigerung und Ectasie des Bulbus. Die Einwirkung des Ammoniaks auf die Iris war auf die Peripherie derselben beschränkt und viel schwächer als in den anderen Versuchen mit Ammoniak,

5*

68 Chr. F. Benteen.

in welchen die Iris am Ende des Versuches stark skleru- sirt war. Diese Methode hat den Vortheil, dass sich etwas mehr bindegewebiges Exsudat im Kammerwinkel bildet, als beim „Kratzen" allein, ist aber etwas schwieriger auszu- führen.

Versuche mit Kratzen im Kammerwinkel.

Das Kratzen wurde in den meisten Versuchen mit einer gewöhnlichen feinen Nähnadel ausgeführt, die an einem Heft befestigt und deren Spitze stumpf geschliffen war, um nicht während des Kratzens durch die Bulbuswand zu dringen. In einem Versuche, No. 38, benutzte ich eine Xadel, deren Spitze in eine 4 mm lange und ca, l'/i mm breite Platte ausgehämmert war, womit ich dachte, alle Gre- webe im Kammerwinkel auf ein Mal kratzen zu können; das Instrument zeigte sich aber als zu imhandUch. Zu einigen Versuchen diente eine abgestumpfte Discissions- nadel, von deren speerförmiger Spitze ich eine gleiche Wir- kung erwartete. Die Versuche zeigten aber, dass es nur darauf ankam, das Gewebe in der Comeoskleralgrenze zu schädigen und die Mb. Descemeti hier zu zerreissen, wes- halb ich in allen späteren Versuchen nur darauf ausging, mit der Nadelspitze auf der Innenseite der ca. 2 mm breiten Zone der Bulbuswand, die ausserhalb des Comealpigment- saumes liegt, zu kratzen.

Da die Nadel zu stumpf war. Um durch die Cornea gestochen zu werden, musste ich eine Function voraus- schicken. In den ersten Versuchen benutzte ich dazu einen Pacquelin 'sehen Spitzbrenner, indem ich aimahm, durch ein auf diese Weise gemachtes Loch Ireiere Beweghchkeit der Nadel zu erzielen, als durch eine spaltförmige Indsion. Später versuchte ich Functionen mit einem v. Graefe'schen Messer, erst äquatorial, später meridional, und fand, dass die letzteren die beste BewegHchkeit der Nadel gaben und weniger eingreifend waren als die Ignipunctionen, weshalb

Ueber experimentelles Glaukom beim Kaninchen etc. 69

ich sie in allen späteren Versuchen vorzog. Ich variii-te die Zahl der Functionen von 1 bis 5, und machte sie an verschiedenen Stellen der Cornea von der Nähe der Mitte bis ausserhalb des Pigmentsaumes, und fand, dass drei von einander gleich weit entfernte Indsionen der Cornea, gerade zwischen der Pupille und dem Pigmentsaume, am bequemsten das Kratzen des ganzen Kammerwinkels zuliessen.

Ich citire diese Einzelheiten der Methode, weil deren Erfolg von der gelungenen Ausführung abhängt; dies geht deutlich aus meinen 42 Versuchen hervor, indem ich im ersten Drittel der Versuche nur ausnahmsweise das Ziel erreichte, während ich später constante Resultate erhielt, die freilich zuweilen durch eingetretene Complicationen, die später berührt werden sollen, zum Theil oder ganz aufge- hoben wurden.

Ich gehe jetzt zur Beschreibung der einzelnen Ver- suche über.

Im ersten Versuch, No. 14, hofite ich die Irisvemachsung durch Anlegung einer Homhautfistel zu erleichtem. Durch zwei Punetionsöffhungen im oberen Tlieil der Cornea zog ich einen Faden, den ich 16 Tage liegen liess. Die voi^dere Kammer regenerirte sich indessen trotz des Fadens, da sich um ihn Iris- adhäsionen und Fibrinausscheidung bildeten. Es trat kein Zeichen intraocularer Drucksteigerung ein, und bei der mikroskopischen Untersuchung fand sich der Kammerwinkel nur nach oben, wo der Faden gelegen hatte, verwachsen.

In den nächsten Versuchen, No. 17 und 18, verfing sich die Nadel in der Iris beim Kratzen und brachte eme Irisdialyse her\'or. Es trat keine Drucksteigerung ein und mikroskopisch fand sich nur eine unvollständige Ver^'achsung des Kammer- winkels.

Im folgenden Versuche, No. 19 [^30. VII. bis 6. XL 94) gelang es beim erstmaligen Kratzen nicht, wohl aber bei wieder- holter Operation am 1. IX. 94, eine Verwachsung des Kammer- winkels mit einiger Steigerung des Drucks und Ectasie der Cihargegend hervorzurufen. Dagegen trat keine glaukomatöse Excavation der Papille em, wahrscheinlich, weil die Drucksteige-

70 ^hr. F. Bentzen.

Hing keine bedeutende war, und der Versuch ungefähr einen Monat nach dem letzten Kratzen unterbrochen innirde.

Die Versuche N(>. 24 und 25 wurden vor der Zeit durch den Tod des Versuchsthieres unterbrochen.

Die Versuche No. 19, 21, 22, 23, 34, 35, 36, 37, 40 und 41 führten trotz wiederholten Operationen auch nicht zum Ziel. Der Versuch No. 38 wurde, wie oben erwähnt, mit einer Nadel, deren Spitze in eine Platte ausgehämmert war, ausgeführt In den ersten 8 Tagen wurde dsß KammenA'aBser täglich durch eines der Löcher, die in die Cornea gebrannt waren, entleert» was auch in mehreren der vorhergehenden Versuche ge- schehen war. In diesem Falle trat etwas Drucksteigerung ein, und es bildete sich eine nur wenig ausgesprochene Ciliarectasie längs des temporalen Umfanges des Auges. Ein grosser Theil der Vorderfläche der Iris lag an der Cornea, die Verwachsung schien aber nicht sehr zuverlässig zu sein, und das Auge wurde nicht mikroskopisch untersucht, so dass das Verhältniss des Rammerwinkels hier nicht bekannt ist.

Der folgende Verauch wird ausführlich mitgetheilt, da es der erste gelungene Versuch ist.

Versuch No. 42. 15. IX. bis 12. XII. 94. Graues Kaninchen No. 22. Linkes Auge. Kratzen im Kammerwinkel.

15. IX. 94. Mit einem v. Graefe'sdien Messer werden drei äquatoriale Functionen in der Cornea, ca. 2 mm nach innen vom Pigmentsaume, gemacht Durch diese Kratzen im Karamer- winkel mit einer abgestumpften Discissionsnadel; dabei nur ge- ringe Blutung.

16. IX. 94. Das Auge ganz weich. Die Sklera injicirt. Die Cornea am Rande leiclit getrübt, nicht anästhetisch. In der Ciliargegend , nach unten temporalwärts, droht eine spontane Perforation. Die vordere Kammer ziemhch tief. Die Pupüle mit Blutresten bedeckt. Die Irisperipherie liegt in einer Breite von 1 bis 2 mm an der Cornea und hat ein graues Aussehen. Das Kammerwasser wird durch Oefihen einer der Comealinci- sionen mit emer Nadel entieei*t.

17. IX. 94. T 2. Deutiiche spontane Perforation mit drohendem Irisprolaps an der erwähnten SteUe. Flache Kammer.

22. IX. 94. T 20. Die Perforation schliesst sich. Tiefe Kanuner.

Ueber experimentelles Glaukom beim Kaninchen etc. 71

23. IX. 94. T 36. Die Cornea ectatisch.

27. IX. 94. T 50. Beginnende Ciliarectasie in der Form eines ca. 2 mm grossen, grauschwarzen Ringes um die Cornea.

28. IX. 94. T 50. Das Auge ectatisch. Die Ciliarectasie mehr ausgesprochen. Der Fundus sichtbar, aber so verschleiert dass die Einzelheiten der Papille nicht deutlich sichtbar sind.

I. X. 94. T 42. Die episkleralen Gefässe smd stark mit Blut gefüllt, und bilden einen Ring um die Cornea, von dem aus mehrere Gefasszweige nach hinten, besonders längs der Muskeln ziehen. Die Ciliarectasie bildet einen ca. l'/^ mm breiten Ring um die Cornea. Die vordere Kammer ist tief, die Cornea kuppelfbrmig hen'orgewölbt Nach oben ist die Ver- wachsung zwischen der Irisperipherie und der Cornea nur 1 mm breit, längs des übrigen Umkreises 2 bis 3 mm. Der freie Theil der Iris ist normal. Die Pupille reagirt und ist jetzt leidlich iTind, die etwas dreieckige Form, die sie früher wegen Synechieen an den Punctionsstellen gehabt hat, verhert sich nach und nach. Die Retinalgefässe sind sehr dünn und die Excavation der Papille geht näher bis zum Rande.

4. X. 94. T 52. Die Cornea anästhetisch, mit Ausnahme des Randes klar.

6. X. 94. T 46. Die Sklera ganz blass mit hervorti'eten- den vorderen Ciliargefössen.

13. X. 94. T 40. Die Cornea fängt an trübe zu werden.

15. X. 94. Um die Cornea zu schonen wird T vorläufig nicht mit Fick's Tonometer bestimmt.

18. X. 94. T scheint abzunehmen. Die Coraea wird klarer. Der grauschwarze Rand in der Ciliai-gegend verechmälert sich. Die Retinalgefässe sind mehr mit Blut gefüllt als früher.

25. X. 94. Die Linse zeigt sich im Kern etwas getiHbt. Ophthalmoskopisch ersdieint der tempoi'ale Markflügel grau.

27. X. 94. T 40. Die Retinalgefösse wieder dünn.

II. XL 94. Die Papille Ist blass, bis zum Rand ganz excavirt, aber weniger tief als zuvor. Die Retinalgefässe so dünn, dass sie last ganz verschwinden. Beide Markflügel sind grau, in Breite und Länge bedeutend verkleinert.

28. XL 94. T 22. Das Thier hat Diarrhöe bekommen, erhält Trockenfütterung.

29. XL 94. T 40. Die Dian-höe besser. Die Cornea in geringem Grad empfindlich.

72 Chr. F. Bentzen.

10. XII. 94. T 44. Die Cornea anäfithetisch. Oberhalb der Papille sieht man einen chorioiditischen Heerd. Das Thier war in der letzten Zeit sehr mager und elend geworden, hauptsächlich w egen einer sehr ausgebreiteten Scabies % woran es die ganze Zeit gelitten hatte, weshalb der Versuch am 12. XII. 94 unterbrochen wurde.

Anatomische Untersuchung. Siehe Tafel I, Fig. l und 2. Das Auge bedeutend vergrössert. Die Form wegen Schrumpfung wälu*end der Präparation unregelmässig. Um be- sonders die Stelle zu untersudien, wo die spontane Skieral- perforation gewesen w^ar, wurde das Auge im horizontalen Meridian durchschnitten. Die oberflächlichen Schiditen der Comealperipherie sind, so weit sich die Irisvei^wachsung erstreckt^ mit Zellen infiltrirt und vascularisirt. Der Comealpigmentsaum verbreitert. Die Memb. Descemeti ist in dem peripheren Theii der Verwachsung ganz verschwunden, während sie im centralen Theil nodi vorhanden ist, wo sich auch an mehreren Stellen offene Räume zwischen Iris und Cornea finden.

Die Ciliargegend ist dünn und ectatisch. Die inneren Schichten der Cornea und der Sklera zeigen hier eine unregel- mässige, wellenförmige Lockerung der Fibrillen und einen ab- normen Kemreichthum. Das Irisgewebe, das hier sehr atrophisch ist, geht ohne scharfe Grenze in dieses Gewebe über. Vergleidbt man an diesem und an einem normalen Auge das Stück der Uvea, das zwischen der Ora serrata und dem Pupillarrande liegt, so findet man, dass in diesem Falle ^j^ und im normalen Auge nur V4 davon mit der Bulbus wand verwachsen ist. Ver- gleicht man indessen die Länge des freien Iristlieiles mit dem eines normalen Auges, so findet man ihn hier nur etwas kürzer als im normalen Auge; woraus heiTorgeht, dass die anscheinend sehr grosse Irisverwachsung zum grössten Theil auf Ectasie der Ciliargegend beruht. Der freie Tlieil der Iris ist etwas atrophisch, aber in der Hauptsache normal. In der Ciliargegend sieht man im Gewebe einzehie runde Pigmentzellen, sonst findet sich aber kein Zeichen, das auf eine Entzündung hindeuten könnte. Die Processus ciUares sind zum Theil normal, zum Theil atrophisdi. An der Stelle, wo die spontane Perforation der Sklera eintrat^ ist die Ciliarectasie noch ausgesprochener, und man sieht, dass an der Anheftungsstelle des Ciliarmuskels eine Berstung der Uvea

*) Mikroskopisch bestimmt von Dr. med. Carl Rasch aus Kopenhagen.

lieber experimentelles Glaukom beim Kaninchen etc. 73

entstanden wai*. Das üvealgewebe ist hier durch Bindegewebe ersetzt.

Der vordere Theil der Retina ist bindegewebig degenerirt, der übrige Theil normal.

Der Opticus ist an Bindegewebe und Kernen abnorm reich. Die Excavation ist bedeutend breiter^ aber nicht so tief als im normalen Auge. (Siehe Flg. 4, Seite 85). Die Markflügel, die eben der Länge nach getroffen sind, zeigen noch eine bedeutende Dicke. Die Venae vorticosae sind ganz normal und mit Blut gefüllt.

Dieser Versuch war der erste, in dem es mir gebmg, wie aus der Beschreibung hervorgeht, ein vollständiges Bild des Glaukoms nur in Folge von Verwachsung des Kammer- winkels hervorzurufen. Betrachten wir jetzt die einzelnen Symptome näher, so finden wir, dass der Druck in den ersten 7 Tagen, wegen der Skleralperforation, die gleich nach dem Kratzen in der Ciliargegend eintrat, subnormal war. Diese Spontanperforation war in meinen früheren Ver- suchen nicht aufgetreten, da ja fast alle negativ ausgefallen waren. Sie zeigte sich zufälligerweise zur selben Zeit im Versuche Nr. 46 (19. IX. 94 bis 16. X. 94) und war hier auch von anhaltender Drucksteigerung gefolgt. Ich schloss daraus, dass sie deshalb von grosser Bedeutung für die Ver- wachsung sei, weil sie in der ersten Zeit als Fistel wirkte. Um diese Frage zu beantworten, machte ich eine Reihe von Versuchen mit künstlicher Peribration der Bulbuswand an dieser Stelle, welche später erwähnt werden sollen. Nachdem die Perforation sich geschlossen hatte, stieg der Druck wieder ein paar Tage bis zu 40 bis 50 mm Hg, und hielt sich auf dieser Höhe ca 3 Wochen. Dann sank er wieder in ungefähr 10 Tagen auf 30 bis 40 mm Hg, was ich mit einer eingetretenen Entzündung der Cornea in Zu- sammenhang brachte. Wegen ihrer Anästhesie war die Cornea leicht einer Infection ausgesetzt, und bei der mit der Entzündung verbundenen Ti*anssudation und Auflocke- ning des Gewebes lässt sich denken, dass die Filtration

74 Ohr. F. Bentzen.

leichter ertblgeii konnte. Wie sich dies nun auch verhalten mag, es wurde sowohl in diesem wie auch in mehreren späteren Fällen beobachtet, dass der Druck beim Eintritt einer parenchymatösen Keratitis abnahm, imd sich nach ihrem Aufhören wieder steigeiie. Nachdem diese Druck- verminderung vorüber war, bheb das Auge imgefähr einen Monat lang hart, um 50 mm Hg, wonach der Druck plötz- lich bis zur Norm fiel, während das Thier zugleich Diarrhöe bekam; beide Erscheinungen müssen mit einander in Verbindimg stehen, da der Druck gleich nach dem Ende der Diarrliöe wieder stieg. Dass der Druck in den letzten Wochen der Versuchszeit sich nicht auf derselben Höhe wie fiiiher hielt, hängt wahrscheinlich auch mit dem da- maligen elenden Allgemeinzustande des Thieres zusammen.

Was die Cornea betrifft, so stand ihre Sensibilität deut- Uch unter dem Einfluss des Druckes, indem sie anästheüsch gefiinden wurde, während der Druck hoch war, dagegen empfindlich sowohl in der Zeit zwischen dem Kratzen und der Drucksteigerung, als auch >vährend der Druckverminde- rung zugleich mit der Diarrhöe. Die Zellinfiltration und Vascularisation am Comealrande, welche diesem ein grau- liches Aussehen gaben, und die gleich nach dem Kratzen auftraten und sich nachher hielten, sind die Folge des Irritationszustandes, in den die circumcomealen Gefasse durch das Kratzen gebracht wurden. Dass die inneren Schichten der Sklera und der Cornea die oben genannte eigenthümliche Bildung zeigen, wo sie von der Mb. Descemeti entblösst und mit der Iris verschmolzen sind, kann als eine narbige Umbildung des Gewebes, durch die Verwundung bei dem Kratzen, in Verbindung mit der Dehnung des Ge- webes w ährend der Bildung der Ciliarectasie, erklärt werden.

Die Bedeutung ausgiebigen Kratzens für das Gehngen der Verwachsung des Kammerwinkels lernt man verstehen, wenn man den peripheren Theil der Verwachsung, wo die Mb. Descemeti entfernt ist und wo Iris- und Comealge-

Ueber experimentelles Glaukom heim Kaninchen et<*. 75

webe ohne sichtbare Grenze in einander übergeht, mit dem centralen Theil vergleicht, wo die Mb. Descemeti erhalten ist und wo kleine Räume zwischen der Iris und der Cornea gebUeben sind. In meinen firüheren Versuchen war der periphere Theil der Mb. Descemeti oft in grösserer Aus- dehnung erhalten; daher ist es ganz wahrscheinhch, dass die Verwachsung, auch wo sie vorhanden zu sein schien, doch zu locker war, um die Filtration zu hemmen. Siehe Tafel n, Fig. 3. Es bildet sich ja bei dieser Methode keine grössere Menge von Exsudat, das durch seine bindegewebige Umwandlung eine starke Zusammenlöthimg geben könnte.

Die Cihargegend und der Augengrund boten die auf- lalHgsten Zeichen der intraocularen Drucksteigerung. An der erstgenannten Stelle begann sich die Ectasie der Bidbus- wand schon 5 Tage nach dem Anfang der Drucksteigerung zu zeigen. Nachdem sich die Irritation, die dem Kratzen folgte, verloren hatte, und die Sklera wieder blass geworden war, trat die für Glaukom charakteristische Blutüberfüllung der vorderen Ciliarvenen sehr deutlich hervor. 'Die Ver- änderungen im Fundus waren in den ersten paar Wochen wegen Resten von Blut in der Pupille nicht sichtbar, sobald diese aber resorbirt waren, konnte man Compression der Retinalgefässe und die zunehmende Vergrösserung der Ex- cavation nachweisen. Die Atrophie der Nervenfasern be- gann sich nach sechs wöchentlicher Drucksteigerung zu zeigen.

Die graue Farbe, welche die Irisperipherie, wo sie an der Cornea anlag, zeigte, kann wohl zum Theil von der Fibrinausscheidung herrühren, die in Folge des Kratzens eintrat imd die in zwei Versuchen, Nr. 74 und 76, die wenige Stunden nach der Operation enucleirt waren, beob- achtet wurde; zum Theil trägt wohl auch die Trübung des Comealrandes dazu bei. Eine eigentUche Iritis wai- in diesem Falle ebenso wenig wie in den anderen gekratzten Augen vorhanden. Die Pupillarreaction war nicht aufge-

76 Chr. F. Bentzen.

hoben, wenn auch ziemlich träge. Die Pupille war in der Regel ziemlich weit, wenn auch nicht maximal dilatirt. Wegen der Homhautectasie war die vordere Kammer eher tief als seicht. Im Ganzen machte das Auge einen aus- gesprochen glaukomatösen Eindruck.

Bei den Versuchen mit Unterbindung der Venae vorticosae, die Dr. W. Kost er*) ausführte^ während ich mit den meinigen bescliäitigt war^ beobachtete er, dass der Rammerwinkel nadi der oben genannten Operation Neigung zu Verwachsung zeigte.

Auf diese Beobachtung gestützt, versuchte ich bei einigen Experimenten, Nr. 43 und 46, in den ersten Tagen nach dem Kratzen die Venae vorticosae täg- lich eine Viertelstunde zu comprimiren. Die Com- pression wurde mit Hülfe eines Streifens Kautschuk, in den eine Spalte geschnitten war, ausgeführt Das Auge wurde luxirt und so in die Spalte hinein gebracht, dass eben die vier Venae vorticosae comprimirt wurden, während der Kaut- schukstreif gespannt w^ar. So lange die Compression durch- geführt wurde, stieg der Druck im Auge bis 70 mmHg und trat •eine starke circumcomeale Injection ein. Beide Erscheinungen verloren sich beim Aufhören der Compression.

Im Versuche No. 43 (15. IX. bis 12. XII. 94) stieg der Druck am dritten Tage nach dem Kratzen und hielt sich zehn Tage über der Norm, in welchem Zeiträume sich eine CDiar- ectasie ent\\ickelte. Danach trat eine lange dauernde Keratitis ein, wodurch das Auge wieder weidi wurde.

Im Versuche No. 46 (19. IX. bis 16. X. 94) entstand in der Ciliargegend eine spontane Perforation der Sklera, die schnell heilte, so dass der Druck schon am 4. Tage nach dem Kratzen stieg und sich in der übrigen Versuchszeit hoch hielt. In diesem Auge fand sich eine Bindegewebsbildung auf der Vorderfläche der Iris, die eine älmliche Herliberziehung des Pigmentepithels und des Sphincter pupillae bewirkt hatte, wie man sie oft in menschlichen glaukomat^en Augen sieht Es trat Ciliarectasie ein und die gleichen Verhältnisse im Kammerwinkel wie in den

') T. GraetVs Arch. f. Ophthalm. XU. 2.

Ueber experimentelles Glaukom beim Kanineben etc. 77

anderen gelungenen Versudisaugen. Es kam aber zu keinen deutUcben glaukomatösen Veränderungen im Augengnind, da der Versuch ja nur so kurze Zeit dauerte.

Da die temporäre Compression der Venae vorticosae die Entstehung des Glaukoms nicht wesentlich zu befördern schien, so wurden keine Versuche mehr damit gemacht

Der nächste Versuch, No. 50, misslang wegen einer grossen Ruptur der Sklera, die beim Versuclie, das Auge 1 Tag nach dem Kratzen zu luxiren, eintrat Es entwickelte sich eine totale Retinalablösung und es trat keine Drucksteigerung ein, trotzdem der Kammerwinkel verwachsen war, was wohl mit der tiefen Ernährungsstörung des Auges in Verbindung gebracht wer- den kann.

Um die Bedeutung der spontanen Perforation der Sklera, die in den zwei wohlgelungenen Versuchen, Nr. 42 und 46, eintrat, zu prüfen, machte ich eine Reihe von Versuchen, in denen ich neben dem Kratzen im Kammerwinkel zu- gleich auf verschiedene Weise die Spontanperforation nach- zumachen versuchte. Da diese, ehe noch eine mikroskopische Untersuchung davon vorlag, sich einfach als eine, wenige mm grosse, Skleralperforation gezeigt hatte, so verbuchte ich zuerst eine solche zu bilden; entweder bohrte ich, nach Be- endigung des Kratzens im Kammerwinkel, von innen her mit der Nadel ein kleines Loch in die Sklera ca. 2 mm ausserhalb des Kgmentsaumes, da dies die Stelle war, wo sich die Perforation gezeigt hatte ; oder ich machte dasselbe mit einem Graefe'schen Messer von aussen her. Da ich später bei der mikroskopischen Untersuchung der Spontan- perforation fand, dass auch eine Ruptur der Uvea an der Uebergangsstelle zwischen Corpus ciliai*e und Chorioidea statt- geftmden hatte, so versuchte ich in einigen Fällen ein Grraefe'- sches Messer durch die Cornea in den Kammei'winkel ein- zuführen, wonach ich, durch Heben des Messerheftes und Einführen der Spitze gegen das Centrum des Auges, eine Function der Chorioidea an der genannten Stelle hervor- l)ra('Jiti'.

78 ^'hr. F. Bentzen.

Bei genauer Beobachtung der Sichtung, die die Spon- tanperforation, der Beschaffenheit der Narbe zu Folge, gehabt haben musste, fand ich, dass sie sich vom Corneal- pigmentsaume schräg durch die Sklera bis zum Anfang der Chorioidea erstreckt hatte. Ich machte darum einen ähn- lichen schrägen Schnitt durch die Sklera und Chorioidea, indem ich in einigen Fällen durch den Kammerwinkel ging, in anderen Fällen das Messer an demselben peripher vor- beiführte.

Neben diesen Verauchen mit Kratzen und Function suchte ich in zwei Versuchen, Nr. 72 und 73, nur die schräge Sklero-Chorioidealpunction auszuführen, und in einem Ver- suche, Nr. 65, nur die Grenze zwischen Corpus ciliare und Chorioidea zu perforiren. In keinem dieser drei Falle trat Dnicksteigerung ein, und die Augen blieben ganz normal, nachdem die Punctionswunden geheilt waren. Dies zeigt also, dass die Functionen an und für sich nicht Glaukom hervorbringen. Es zeigte sich femer, dass die spontane Perforation als Folge der starken Drucksteigerung und der localen Resistenzverminderung in Folge' des Kratzens auf- gefasst werden konnte, und dass sie auch keine Bedeutung hMe für die Entstehung des Glaukoms, indem dieses auch eintrat, ohne dass es zu Spontanperforation gekommen war. Dies wurde am deuthchsten durch die folgenden vier Ver- suche aufgeklärt.

Versuch Nr. 74. 12. XL 94.

Kleines schwarzes Kaninchen Nr. 38. Rechtes Auge.

Kratzen im Kammerwinkel und schräge Sklero-Chorioideal- punction.

12. XI. 94. Um 11 Uhr Operation beendet. Beim Kratzen nur geringe Blutung. Kein Glaskörpenorfall bei der Function. Das Auge weich. 11.45 Uhr T 60.

2..30 Uhr. T 60. Chemosis. Die Cornea klai«, anästhetisch. Die vordere Kammer flach. Die Irisperipherie liegt ca. 2 mm breit an der Cornea und hat hier eine schiefergraue Farbe. Blut in der Pupille, so dass der Augengrund nicht gesehen werden*kann.

üeber experimentelles Glaukom beim Kaninchen etc. 79

Enucleation.

Das Auge wird in Forraol aufbewahrt.

13. XL 94. 10.30 Uhr. Auge im horizontalen Meridian durchgesclmitten. Die Sklero-ChorioideaJpunction liegt tempoi-al, über dem horizontalen Meridian. Ihr Verlauf wird mit einer Sonde untersucht, und es zeigt sich, dass sie schräg durch die Sklera geht, ohne die vordere Kammer zu eröffnen, und die Cliorioidea 2 mm hinter der Ora serrata perforirt Von der Chorioidealpunction erstreckt sich ein kleines Blutcoagulum bis zur Spitze des temporalen Markflügels. Sonst keine Blutung im Glaskörperraume. Die Chorioldea und Retina nicht von der Sklera abgelöst In der Pupille sieht man ein Blutcoagulum. Zwischen der Iris und der Cornea ein wenig Blut auf der der Function entsprechenden Seite, während die Irisperipherie auf der entgegen- gesetzten Seite in ziemlich grosser Ausdehnung gegen die Cornea gepresst ist. Die obere Hälfte des Auges wird wieder äquatorial halbirt, die Retina vorsichtig von der Ora serrata abgelöst, da- nach die Uvea von der Sklera, und nun sieht man überall eine dünne Fibrinschicht auf der Aussenfläche der Irisperipherie und dem Ciliarkörper.

Die untere Hälfte des Auges wird weiter in Formol ge- härtet, in Celloidin eingebettet und an Serienschnitten untersucht.

Auf diesen sieht man, dass der äusserste Rand der Mb. Descemet! abgerissen ist, so dass sie plötzlich ungefähr vor dem Pigmentsaume aufhört, während sie sich normal noch ein gutes Stück peripher weiter erstrecken sollte. In einem Präpai'ate sieht man ein abgerissenes Stückchen zwischen Sklera und Chorioidea aufgeroUt. Die Irisperipherie liegt bis zu der Stelle, wo die Mb. Descemet! unterbrochen ist, der Cornea an, und auf dieser Strecke finden sich Fibrin und rothe Blutkörperchen zwisdien Cornea und Iris. Die Processus dliares sind im höchsten Grade hyperämisch.

Versuch Nr. 75. (12. XI. 94 bis 10. I. 95.)

Dieselbe Operation und derselbe Verlauf am ersten Tag wie im obigen Versuche. Später musste das Kratzen ein paar Mal wiederholt werden, da die Iri8ver>vachsung sich an einzelnen Stellen wieder gelöst hatte. Der Druck wechselte etwas während des Verlaufes, war aber mehrmals erhöht, sogar bis 50 und 60, und es entwickelte sich Ciliarectasie längs des ganzen oberen Umfangs.

80 ^hr. F. Bentzen.

Versuch Nr. 76. 13. XI. 94.

Kleines graues Kaninchen Nr. M9. linkes Auge. Kratzen im Kammerwinkel.

13. XL 94. 12.20 ülir die Operation vorüber. T 2. Keine vordere Kammer.

12.45 Uhr. T 30. Die Kammer videder hergestellt 3 ühi- T 60. Chemosis. Die Cornea anfisthetisch , am Rande leicht getrübt. Die Irisperipherie grau und an der Cornea adhärent Die Pupille contrahirt von Blut bedeckt.

Enucleation und Formolhärtung. Mikroskopisch finden sicli ganz ähnliche Veriiältnisse wie im Versuche Nr. 74. Die Veränderungen im Kammerwinkel reichen an gewissen Stellen sogar bis innerhalb des Pigroentsaumes. Man sieht zugleich wie sidi die Iris in eine der Comealindnonen, durch die das Kratzen ausgefülirt wurde, hineingelegt hat

Versuch Nr. 77. 13. XL 94 bis 30. L 95. Kleines graues Kaninchen Nr. 39. Rechtes Auge. Kratzen im Kammerwinkel.

13. XL 94. 12.45 Uhr Operation vorüber. T 4. Keine vordere Kammer. Die Pupille contnüiiil, entiiält ein wenig Blut

3 Ulir. T 60. Chemosis. Die Cornea anästhetisch, am Rande leidit getrübt. Die Kammer wieder hergestellt Die Iris- peripherie grau, liegt der Cornea an.

14. XL 94. T 70. Die Augenlider von schleimig-eitrigem Conjunctivalsecrete verklebt Die Cornea getrübt, anästhetisch. Die drei Comealpunctionen weisslich infiltrirt Die vordere Kam- mer ziemlich tief.

15. XI. 94. T 50. Die Conjunctivitis verliert sich.

18. XL 94. T 50. Die Conjunctivitis hat aufgehört.

19. XL 94. T 58. Die Cornea anästhetisch, ectatisdi, getrübt Die Infiltration an den I*unctionsstellen hat sidi ver- loren. Die Ciliargegend fängt an ectatisch zu wei-den und eine grausdiwarze Farbe anzunehmen. Die l^pille reactionslos, etwas dreieckig wegen vorderer Synechieen an den Punctionsstellen.

21. XL 94. T 50. Wieder starke Conjunctivitis. Ein 1 bis l^/j mm breiter, ringlbrmiger Pannus. Etwa 10 punkt- förmige, oberfläddiche, gelbe Comeaünfiltrate.

23. XL 94. Das Auge nodi hart Die Conjunctivitis we- niger stark. Die Coraealmitte infiltrirt und ulcerirt.

lieber experimentelleB Glaukom beim Kaninchen eto. gl

27. Xr. 94. T 32. Die Cornealulceration heilt 1. XII. 94. Der Pannus 4 mm breit, sdiwindet peripher. 30. I. 95. T 24. Das Auge vergrössert. Eine 2 mm breite Ciharectasie. Die vorderen Ciliarvenen mit Blut überfüllt, schicken noch Zweige in die Cornea hinein. Diese ist anästhe- tisch, ectatisch, am Rande weisslich getrübt, und zeigt in der Mitte eine grosse, grauliche Infiltration, die noch nicht vernarbt ist. Der Comealpigmentsaum ist breiter geworden, bis 1 ^/g mm. Die Iris, soweit man sehen kann, normal.

Wie man sieht, war der Verlauf dieser vier Versuche am ersten Tage ganz gleich, einerlei ob eine künstliche Sklero-Chorioidealpunction gemacht worden war oder nicht. Auch während des späteren Verlaufs war die Function ohne Bedeutung, indem der Versuch an dem Auge, das nur ge- kratzt war, sogar besser gelang, als am anderen.

Die übrigen Versuche, in denen, nebst Kratzen im Kammerwinkel, künstliche Perforation <Jer Sklera oder der Sklera und der Chorioidea gemacht war, müssen also als gewöhnhche Kratzversuche betrachtet werden. Die Con- junctivitis, die sich im Versuche Nr. 77 fand, und die sich mit Comealinfection und nachfolgender Druckverminderung comphcirte, trat auch in mehreren anderen Versuchen auf und wurde wohl von einem Thier zum anderen übertragen; dies ist um so wahrscheinlicher, als mehrere Thiere, wegen der zahlreichen Versuche die zur gleichen Zeit gemacht wurden, in demselben Käfig gehalten wurden. Die Con- junctivitis kann wegen der kleinen Substanzverluste, die leicht an einer anästhetischen Cornea entstehen, Anlass zu der Keratitis gegeben haben.

Selbst ohne eine Conjunctivitis als Zwischenglied, trat in meinen Versuchen oft eine traumatische Keratitis auf, und ich beobachtete immer eine Druck Verminderung, wenn sich eine bedeutende Infiltration oder ein Ulcerations- process an der Cornea fand.

Stellen wir die restirenden 17 Versuche zusammen, so finden wir in 10 Fällen eine gute Verwachsung des Kammer-

V. Onefe's Archiv fllr Ophtbalmologie. XLI. 4. 6

82 ^'^ir- F. Bentzep.

winkeis und, trotz der traumatischen Keratitis, die sich in mehreren Versuchen einfand und eine Zeit lang den Druck verminderte, doch eine länger dauernde intraoculare Drucksteigerung mit ihren Folgen. In mehreren Versuchen wurde während des Verlaufs ein kleines Hyphäma beobachtet Die folgenden 5 Versuche misslangen.

Im Versuche Nr. 56 wurde die Linse während des Kratzens in die vordere Kammer luxirt. Sie wurde cataractös und be- wirkte in 8 Tagen starke Dnicksteigenmg, bis sie wieder re- sorbirt wai*.

Im Vereuehe Nr. 57 gelang es trotz wiederholten Kratzens nicht, den Kammei*winkel zu vollständiger Verwachsung zu bringen.

Versuch Nr. 71 misslang wegen einer grossen Ruptur der Sklera beim Versudi das Auge zu luxiren. Es entwickelte «ich hier eine pai*tielle Retinaablösung.

Im Versudie Nr. 87 wurde die traumatische Keratitis so stai*k, dass die Mitte der Coiiiea nekrotisirte und perforirte.

Im Versuche Nr. 101 entstand zuerst ein grosser und lange dauernder Irisvorfall, danach eine infectiöse Conjunctivitis von starker Keratitis gefolgt, so dass der Druck gar nicht erhöht wurde.

Zwei Versuche, Nr. 80 und 81, waren nur Probeversuche mit Kratzen durch ein fein ausgezogenes, mit Lapislösung ge- fülltes Glasrohr. Diese Methode wurde mdessen gleich wieder aufgegeben, da die Spitze wegen ihrer Capillai-ität während des Kratzens sich mit Blut füllte, so dass die Lapislösung mit dem Kammerwinkel gar niclit in Berührung kommen konnte.

Die starke Hyperämie der Processus ciliares und zum Theil der Chorioidea in den Versuchen Nr. 74 und 76, wo drei Stunden nach der Operation Enucleatio bulbi gemacht wurde, ist hauptsächlich der Luxation des Bulbus und nur im geringeren Grad der Function der vorderen Kammer zuzuschreiben, was aus den folgenden zwei Versuchen her- vorgeht

Versuch Nr. 84. (4. XIL 94.)

Function der vorderen Kammer mit vollständiger Entleerung des Kammerwassers. 3 Stunden später Enucleatio bulbi.

Ueber experimentelles Glaukom beim Kani neben etc. 83

Anatom. Untersuchang zeigt die Processos ciliai'es etwas hyperämisch; ebenso den vorderen Theil der Chorioidea; die an der dicksten Stelle, in der Gegend der Ora serrata, 40 /m gegen 2^(1 normal, misst.

Versuch Nr. 85. (4. XII. 94.) Function der vorderen Kammer und Luxation des Bulbus

wälu*end einer halben Stunde. 3 Stunden später Enucleatio bulbi. Anatom. Untersuchung: Stärkere Hyperämie der Processus

ciliares und colossale Hyperämie der Chorioidea, die an der dicksten

Stelle no /i misst

Diese Hyperämie der Chorioidea verliert sich gewöhn- lich im Verlaufe von drei Tagen, vielleicht schon j&üher, was aus Versuch Nr. 91 hervorgeht, wo die Enucleation drei Tage, nachdem das Auge während der Operation eine halbe Stunde lang luxirt gewesen war, gemacht wurde.

Es ergiebt sich aus dem Vorhergehenden, dass es mir gelungen ist, durch Kratzen im Kammerwinkel in der oben angegebenen Weise in einer Reihe von Fällen eine dauernde Steigerung des Augendruckes hervorzurufen. Diese Steige- rung fängt schon etwa eine halbe Stunde nach der Be- endigung der Operation an und wurde in einem Versuch (Nr. 42) ca. 3 Monate lang beobachtet Siehe die Curve auf S. 84, in welcher die Versuchstage auf der Abscisse und die mit Fick's Tonometer gefundenen Werthe des Druckes auf den Ordinaten verzeichnet sind.

Die Drucksteigerung erweist sich als abhängig von der völligen Verwachsung des Kammerwinkels, die es mir ge- lungen ist, hervorzurufen. Die Versuche sind in soweit rein, dass keine anderen Veränderungen an den Augen ein- getreten sind, als diejenigen, welche man der Drucksteige- rung zuschreiben kann. Diese Veränderungen entsprechen genau denjenigen, welche sich an menschlichen Glaukom- augen finden. Die vorderen CSliargefässe wurden hyperä- misch, was sich sofort zeigte, nachdem sich die Conjunctival- injection, die der Operation folgte, nach einigen Tagen

84

Chr. F. Bentzen.

verloren hatte. Die Cornea wurde anästhetisch und ecta- tisch. Die Ciliarektasie trat nach 5 bis 6 Tagen ein. Die Iris wurde leicht atrophisch^ falls die Drucksteigerung lange

$0 70 80

Versuchstage.

Fig. 2.

genug wirkte. (Nur im Vereuch Nr. 42 beobachtet) Ophthal- moskopisch finden wir: Compression der Retinalgefässe, Vergrösserung der Opticusexcavation und Atrophie der Ner- venfasern; letzteres Symptom erst nach 4 bis 6 Wochen. Die Vergrösserung der Excavation zeigte sich in meinen Fällen als ein Breiter- und Flacherwerden; vgl. Fig. 3. Nor- male Verhältnisse; Fig. 4. Glaukomatöse Excavation und Verwachsung des Kammerwinkels. Diese Beobachtung stimmt mit dem was Schlösser*) im Jahre 1886 bei einem Kaninchen gefunden hat, wo es zu Glaukom in Folge von Luxation und kataraktöser Schwellung der linse kam. Der Kammerwinkel war auch in diesem Falle verwachsen. Der

^) Zeitschrift f. vergl. Augenheilk. 1886. p. 79.

Ueber experimentelles Glaukom beim Kaninchen etr. 85

Fig. 3.

Fig. 4

86 Chr. F. Bentzen.

Fall gehört zu einer Reihe von Versuchen, in welchen Schlösser traumatische Katarakt durch Discission hervor- brachte. Die späteren glaukomatösen Degenerationen wurden in meinen Versuchen nicht beobachtet, weil diese nicht so lange fortgesetzt wurden, bis jene Degenerationen eintreten konnten.

U.

Versnobe über die Filtration

ans der vorderen Kammer bei den Versnchsaugen.

Es bleibt noch übrig nachzuweisen, wie die Ausschei- dung der intraocularen Flüssigkeit in diesen Augen sich verhält. Um dies zu prüfen, habe ich eine Reihe von Fil- trationsversuchen in der Weise angestellt, dass ich die vor- dere Kammer mit einem Manometer in Verbindung brachte und maass, wie viel Flüssigkeit das Auge in einer gewissen Zeit bei einem gewissen Druck verliess.

Das physiologische Verhalten des Flüssigkeitswechsels in der vorderen Kammer kann ich als bekannt vorausetzen und verweise in dieser Beziehung auf die letzte Arbeit von Th. Leber*), an dessen dort mitgetheilten Versuchen ich theilgenommen habe. In einer gemeinschaftlichen Arbeit*) haben wir kürzlich nachgewiesen, dass bei verschiedenen Formen des Glaukoms beim Menschen die Filtration aus der vorderen Kammer erheblich vermindert ist.

An dieser Stelle sind auch die zur Messung der Fil- ti'ation verwendeten Methoden angegeben, welche auch bei den vorhegenden Versuchen benützt wurden, von denen ich aber noch einige Einzelheiten genauer hervorheben möchte.

Versuchsmethode und allgemeine Bemerkungen.

Zu den ersten 46 Versuchen benutzte ich den ein- fachen Apparat aus einem 50 cm langen imd 3 oder 5 mm

*) V. Graefe'8 Arch. f. Ophtimlm. XLI. 1. p. 235—280. •) Ibid XLI. 3.

Ueber experimen teile« Glaukom beim Kaninchon Ptr. 87

weiten Glasrohr mit Trichter, welches mit einem 1 m langen Gummischlauch in Verbindung gebracht wurde, an dessen anderem Ende sich die zur Einführung in die vor- dere Kammer dienende Leber'sche Durchstichscanüle mit seithcher Oefihung befand.

Vor Beginn des Versuches wurde der Apparat bis zu einer Marke an dem Glasrohr mit der zur Filtration be- stimmten Flüssigkeit gefüllt, der Gummischlauch abgeklemmt und das Stativ in der gewünschten Höhe eingestellt Es wurde dafür gesorgt, dass sich keine Luil im Apparate be- feiid. Darauf wurde die Canüle in die vordere Kammer geführt, die Klemme abgenommen, und jetzt beobachtet, wie viele mm die Flüssigkeit im Bohre nach und nach sank. Das Volumen der Flüssigkeit, die in einer bestimm- ten Zeit in das Auge eindrang, wurde durch Einfüllen neuer Flüssigkeit mit einer calibrirten Spritze bis an die Marke gemessen. Während der Versuche wurde häufig durch leichtes Drücken auf die Coniea controlirt, ob die Communication zwischen dem Apparate und dem Auge gut sei. Femer wurde mit Filtrirpapier geprüft, ob die Einstichs- und Ausstichsstelle der Canüle in der Cornea fest schloss.

Zu den Versuchen wurden folgende Flüssigkeiten be- nützt :

1) Eine violette Mischmig einer concentrirten Ber- linerblaulösung und einer neutralen Lösung von carmin- saurem Ammoniak.

2) Eine neutrale Lösung von carminsaurem Ammoniak. 8) Eine 20 ^/^ Lösung von Säurefuchsin in Wasser.

4) Eine Mischung von gleichen Theilen von dieser Säurefuchsinlösung und concentrirter BerUnerblaulösung, und endlich

5) 3///oNaCl-Lösung.

Die Versuche wurden immer angefangen, während das Auge unbeschädigt in der Orbita lag, mitunter während

88 <^l»r. F. Bentzen.

das Thier noch lebte. In einigen Fällen wuide das Auge einige Zeit vor dem Schluss des Versuches enucleirt.

Von dieser Versuchsreihe niisslangen 19 aus verschie- denen Ursachen.

In 11 Fällen zeigte sich die Communication mangelhaft, waa besonders leicht eintrat, wenn der Versuch begonnen wurde, während das Thier noch lebte (m 10 flUlen), indem die An- wesenheit der Canüle in der vorderen Kammer eme erhöhte Secretion von Kammerwasser und Ausscheidung von Fibrin her- vorrief, welches die Canttle verstopfte; dies kam namentUdi vor, wenn der Druck im Auge höher war als im Apparat, so dass Flüssigkeit aus dem Auge in diesen tiberging. In vier Ver- suchen schloss die Canüle in der Coi-nea nicht wasserdidit. In drei Versuchen war Luft in den Appai'at eingedrungen, und in einem Fall lag die Oeflftiung der Canüle an der Hinterfläche der Cornea, wodurch die freie Passage gehemmt wurde. Dies ver- mied ich in anderen Fällen dadurch, dass ich das Loch in der Canüle nach oben oder nach unten kehrte.

Unter den übrigen 27 Versuchen sind 16 Filtrations- versuche an operirten Augen und 11 Control versuche mit verschiedenen Flüssigkeiten au normalen Kaninchenaugen.

Diese erste Versuchsmethode leidet an mehreren er- heblichen Mängeln, die ich später erwähnen werde. Ich will daher nur einen Versuch aus der ganzen Reihe be- schreiben, und die übrigen in einer schematischen Ueber- sicht zusammenstellen.

Als Beispiel wähle ich Versuch No. 42, weil es der erste Versuch war, in dem es mir gelang, Glaukom durch E^ratzen im Kammerwinkel hervorzurufen.

Versuch No. 42.

Kratzen im Kammerwinkel, von totaler Verwachsung des- selben, von CiUarectasie und dauernder Drucksteigemng gefolgt. Am Tag des Versuches T 30 (Fick's Tonometer).

Um diesen Wertli zu conti'oliren, wurde die Canüle mittelst eines T- Rohres, sowohl mit einem feinen Hg-Manometer, in welchem sich */^ ^j^ Na Cl- Lösung zwischen dem Auge und

Ueber experimentelles Glaukom beim Kaninchen etc. 89

dem Quecksilber befand^ als auch mit dem oben erwähnten 5 mm weiten Filtrationsapparat; der mit einer Mischung von Berlinerblau- und Carminlösung 3:1 gef tlllt war, in Verbin- dung gesetzt. Während der Druck mit dem Hg-Manometer bestimmt wurde, war der Filtrationsapparat abgesperrt, und um- gekehrt Ehe die Communication mit dem Hg-Manometer ge- öfihet wurde, war ein Druck von 30 mm in diesem hervor- gebracht.

12. XII. 95. 2 Uhr 23 Communication zwischen Auge und Hg-Manom. wird geöffnet. 2 24 Manometer bleibt auf 30 mm Hg stehen.

Der Druck war also in diesem Fall mit dem Tonometer richtig bestimmt worden.

Die Communication mit dem Manometer wird jetzt unter- brochen, und die mit dem Filtrationsapparat, in welchem sich ein Flüssigkeitsdruck von 30 mm Hg befindet, hergestellt.

Uhr 2.25 Das Thier wird chloroformirt.

2.29 Der Tod eingetreten. In diesen vier Minuten ist die Flüssigkeit um 1 Va mm gesunken.

2.&0 Flüssigkeit gesunken um 3Va mm 3.18 57«

3.33 6*/,

^* » >i 9 «

4.30 „11

Während des Verauches wird keine gefärbte Injection der episkleralen Gefässe beobachtet Mittelst der calibrirten Spritze wird die 11 mm hohe Flüssigkeitssäule gleich 280 cbmm ge- tunden. Das Sinken der Flüssigkeit während des Sterbens des ^Oiieres kann der Filti-ationsfähigkeit des Auges nicht zugeschrie- ben werden, da es zu plötzlich eintrat und ausserdem in allen älmlichen Versuchen beobachtet wurde, weshalb es auf Ersatz des Verlustes an Inhalt durch Aufhören der Circulation bezogen werden muss. Daher ist die gesammte Flüssigkeitsmenge, die

9V in zwei Stunden durch daa Auge filtrirte, nur ^ . 280 cbmm

= 242 cbmm, oder durchschnittlich 2 cbmm in der Minute.

Um zu sehen, durch welche Wege die Flüssigkeit das Auge verliess, wm*de dasselbe enudeirt und in einem geschlossenen Glas aufgehängt, während der Druck im Apparat auf 55 mm Hg gesteigert wurde. Nach 18 Stunden fand sich nur ein un- gefärbter Tropfen am Ende des Opticus hängend. Letzterer hatte eine schwadi röthliche Farbe, sonst wurde nirgends eine Spur

90 ^*»r. F, Bentzen.

von gefärbter Flüssigkeit entdeckt Durch einen mit derselben Flüssigkeit an einem normalen Kaninchenauge angesteUten Control- versuch (No. 94) ergab sich aber^ dass das Garmin nidit ge- nügend gelöst gewesen war, da auch in diesem Versuch keine rosafarbene Gefässinjection auf der Oberflädie des Bulbus zum Vorschein kam, was sehr schnell eintritt, sobald die Carmtn- lösung hell ist.

Mikroskopisch fand sidi das Berlinerblau in amorphen Massen überall in der Cavität des Bulbus, aber nu*gends in den Wänden oder innerhalb der Rammerwinkelverwachsung.

Nach diesem Beispiel wird man die auf S. 92 97 folgenden Tabellen, wo ich zuerst die Filtrationsvereuche mit normalen und dann mit operirten Augen anführen werde, verstehen.

Sucht man sich aus diesen Tabellen eine Vorstellung über die Filtrationsverhältnisse in normalen und patholo- gischen Augen zu machen, so findet man bald, dass die einzigen Versuche, die mit einander übereinstimmende Kesultate gegeben haben, die Kitrationsversuche sind, die mit */4 ^Iq Na Cl-Lösung an normalen und an gekratzten todten Augen bei 37 mmHg Dmck angestellt wurden. Die zwei nonualen Augen, No. 68 und 69, filtrirten bezw. 4,2 und 4,3 cbmni in der Minute, und die vier gekratzten Augen, No. 23, 25, 36 und 37, bei denen die Verwachsung des Kanimerwinkels nur unvollständig war, filtrirten alle zwischen 3,2 und 3,7 cbmm in der Minute, was also darauf deut<»t, dass eine theilweise Heuimimg der Filtration bei einer tlieilweisen Verwachsung des Kammerwinkels statt- findet.

I)i(? Resultate der übrigen Versuche sind unter einander sehr widersprechend, was grösstentheils durch folgende Um- stände erklärt wird.

Erstens ist die Kltrationsmenge in der Minute be- deutend geringer in den Versuchen, wo gelöstes Berliner- blau zu der Filtrationsflüssigkeit zugesetzt war, ganz un- abhängig davon, ob das Auge normal war oder nicht

Ueber experimontelles Glaukom beim Kaninchen etc. 91

Diese filtrationsheminende Eigenschaft des Berlinerblaus be- ruht darauf, dass es von dem salzhaltigen Kanimerwasser als amorphe Masse niedergeschlagen wird und sich an den- jenigen Stellen, wo die Filtration vorgeht, anhäuft, weshalb es auch für Versuche dieser Ali nicht geeignet ist Ich habe es auch nur zu den ersten Versuchen als Hülfsmittel bei der späteren mikroskopischen Untersuchung benutzt, um die Festigkeit der Verwachsung des Karamerwinkels zu beurtheilen. Weil das Berlinerblau nicht diffiisionsfähig ist, so ist seine Anwesenheit innerhalb der Verwachsung zwischen Iris und Cornea, wie z B. in Versuch No. 3, ein Beweis ihrer UnvoUkommenheit ti'otz scheinbarer Festigkeit

Carmin, das ich mit dem Berliuerblau mischte, ist iu gelöstem Zustand difFiisionsfälüg und konnte mir also wegen seiner rothen Farbe während des Versuches Aus- kunft über die Filtrationswege geben. Es hat indessen den Nachtheil, dass es sich sehr schwierig in neutrale Lösung bringen lässt, so dass man entweder einen Ueberschuss von Ammoniak in der Flüssigkeit haben muss, was die Ge- webe des Auges angreifen wird, oder Gefahr läuft, unge- löstes Carmin in der Farbmischung zu haben, welches nicht in den Circulus venosus eindringt und in Folge dessen keine episklerale Gefassinjection während des Ver- suches (wie in Versuch No. 94) anzeigt, ausserdem aber ganz wie das niedergeschlagene Berhnerblau filtrations- hemmend wirkt In einigen Versuchen benutzte ich statt Carmin Säurefuchsin, das sehr leicht löshch ist; aber in fast allen späteren Versuchen gab ich jede gefärbte Flüssig- keit auf und benutzte nur die physiologische Kochsalz- lösung, welche den normalen Verhältnissen am nächsten kommt

Der wesentlichste Grund zu den ^vider8prechenden Resultaten muss sicher in dem Filtrationsapparat selbst und in der Messungsmethode gesucht werden.

92

Chr. F. Bentzen.

üeber experimentelles Glaukom beim Kaninchen etc.

93

>8.

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94

Chr. F. Bentzf^n.

Tabelle Piltratioiisversuche mit

Ver- suchs- Nr.

Operation

34

42

46

Multiple Ignipunc- ' tionen im Pigment- , Kaum der Cornea

Kratzen i. Kammer- winkel

Kratzen i. Kammer-

winkel

Verlauf

T (Flck)

am Tage

der

Durdi-

meoBer am Tage des i Beuutate der Glas- t Flüssigkeit

; Filtratioii ' robres mm

!-_:=

Unvollständige Ver- , wachsung des Kam- merwinkels. Keine : Dnicksteigerung i

Unvollständige Ver- wachsung.

Keine Druckst. Glaukoma

I Staphylokokkusin- i Glaukoma , jection in die vor- ' dere Kammer '

I

norm. | 5

I I j

I ; 30mm Hg' 5

'40 ' 5

I

; Berliner- blau und Carmin

Berliner- blau und Carmin

Berlbl. u. Carmin

Berliner- blau und Carmin

13 Ignipunctionen Unvollständige Ver- ausserhalb des Pig-, wachs, d. Kammer- mentsaumet; , winkeis. Keine

I Drucksteigerung

Tabelle

Filtrationsversnche mit

norm. 5 Carmin

14 [Kratzen i. Kammer- 1 Unvollst. Verwachs, j Winkel u. „Faden- i Keine Dnicksteige- , Fistel" I rung

Ueber experimentellps ßlaukom beim Kaninchen etc.

95

n.

operirten Augen.

Zustand Dauer Druck des Auges der i Im während Filtra- [Apparat

der I tion in in Filtration {Minuten mmHg

todt

lebend, I todt und enucleirt

todt

20

17 69

120

37 37

Menge der I

diuch- filtiirten Flüssigkeit

in einer

Minute

Bemerkungen

I Nicht gemessen

3,0 cbmm 2,0

29 , 37 1,6

30 2,0

Versuch erst 12 Stunden nach dem Tode des Thieres angestellt. Auge schon ziemlich collabirt. 3 Minuten nach der Communication wurde vio- lette episkl. Gefässinject. beobachtet, was darauf bezogen werden muss, dass nicht genügend Kammerwasser vorhanden war, um das Berlinerblau niederzuschlagen. Mikroskopisch fand sich Berlinerblau zwischen Exsudat und y orderflache der Iris im Kam- merwinkel, was die Lockerheit der Verwachsung zeigt.

Wahrend des Sterbens des Thieres (4 Minuten) hat das Auge ca. 20 cbmm Flüssigkeit in der Minute aufgenom- men.

Versuch als Beispiel oben angeführt.

80 65 ,2,2

Versuch während des Lebens ange- fangen, in welcher Zeit die Flüssig- keit im Apparat stieg bei 60 und sank bei 80 mm Hg. Wahrend des Sterbens (5 Minuten) hat das Augo 17 cbmm Flüssigkeit in der Minute aufgenommen.

IIL

operirten Augen, lebend 64

22—60 Nicht Die Flüssigkeit stand still im Appa- gemessen i rat bei 37 mm Hg, sank bei höherem ' und stieg bei niedrigerem Drucke.

lebend

78 I37-C

Nicht I Die Flüssigkeit stand still im Appa- gemessen | rat bei 41 mm Hg, sank bei höherem und stieg bei niedrigerem Drucke.

96

Chr. F. ßentzen.

Ver- I

sucbS' Operation

Nr.

VerlRuf

t Darch- < T (Fick) ! meiwer I am Tage des Benutste

der I Olas- i Flüssigkeit Filtration I rohrea

3 i Ignipnnctionen im ] ünvollst. Verwachs, i normal Pigmentsaum der' Keine DruckBteige- Cornea ) ning

23 ! Kratzen im Kammer- winkel

35 Kratzen i. Kamraerw.

36

37

Kratzen i. Kammer- winkel

Kratzen i. Kammer- winkel

27 Einlegen von einem Faden in den Kam- ! merwinkel

31 Ziehen eines Fadens durch den Kammer- [ Winkel

44 'Inject, von Staphy- lokokk. in d. vord. ' Kammer

47 ; Inject, von Staphy-

lokokk. in d. vord. I Kammer

48 I Inject, von Staphy- I lokokk. in d. vord. ' Kammer

Unvollst Verwachs. Keine Drucksteige - I Hing

ünvollst. Verwachs. Keine Drucksteige- rung

Unvollst. Verwachs. Keine Drucksteige- rung

Unvollst. Verwachs. Keine Drucksteige- rung

Lockere periphere Verwachs, im Kam- merw. Druckst, am 4. bis 7. Versuchs- tag I

Verwachsung gut. T| 10 mm Hg subnormal Retina- | ablösung.

j Verwachsung gut. ' 'Keine Drucksteige- ! I rung. Retinaablö- i I sung '

j Unvollkommene ,

I Verwachsung. Keine '

Drucksteigerung. |

1 Verw. gut Keine ! Druckst Retina- ' ablösung

6 mm Hg i 5

VANaCl.

lieber experimentelle» Glaukom beim Kaninchen otr. 97

Zustand des Auges während

der FUtnÜon

Dauer ' Druck

der I Im FUtra- Apparat tton in I in Minuten I mmHg

Menge der

dnrch-

fUtrlrten

Flüssigkeit in einer ' Minute I

Bemerkungen

enucleirt 30 ' 37

todt I 120 37

69 37

10

3,7

3,2

Dass die Messung mit der calibHrten Spritze ungenau ist, siebt man z. B. in diesem Versuch, wo das Sinken der Flüssigkeitssäule in dein H mm weiten Rohr 19 mm betrug, was zu 300 cbmm gemessen wurde, wahrend es berechnet nur 134 cbmm macht.

Berechnung statt Messung würde in diesem Fall 2,9 cbmm in der Minute statt 3,7 gegeben haben.

todt

lebend

114 37

102 I 37

120 37

enucleirt 60

lebend 23

todt 28

enucleirt 155

37

37 37 37

80 65

37

48

3,5

3,5

5,4

6,3

3,0 6,4 1,2

1,9

etwas 7,0

T zu 20 mm Hg mittelst eines feinen Hg - Manometers vor der Filtration bestimmt.

Dieses Auge hat im Gegensatz zu den

anderen Augen nach der Enucleation

mehr als vorher filtrirt, was vielleicht

von einer Ungenau igkeit der Messung

I abhängt.

, Die Messung hier sicher ungenau, in- dem ein Sinken der Flüssigkeits- säule von 6 mm vor der Enucleation zu 220 cbmm, während ein Sinken von 10 mm nach derselben nur zu

' 280 cbmm berechnet ist.

Versuch während des Lebens des > Thieres angefangen. Flüssigkeit im Apparat stieg bei 60 mm Hg und sank 1 bei 80 mm Hg Druck.

33

etwas

V. Graefe'8 Archiv für Ophthalmulogie. XLI. 4.

98 C'.hr. F. Bentzen.

Als ich mit diesen Versuchen anfing, hielt ich den Unter- schied zwischen dem Filtrationsvermögen normaler mid glau- komatöser Augen für so gross, dass der oben beschriebene Apparat genau genug sein würde. Da es sich aber heraus- stellte, dass es sich um Unterschiede zwischen sehr kleinen Flüssigkeitsmengen handelt, so giebt die Ablesung der Höhe der Flüssigkeitssäule zu den verschiedenen Zeiten des Ver- suches an einem 5 mm weiten Glasrolu* eine bedeutende Fehlerquelle ab und das spätere Nachfüllen mit der calibrirten Spritze eine zweite und nicht kleinere. Wie gross dieser Messungsfehler sein kann, sieht man schlagend aus Tab. IIT Versuch No. 31 (Anm ).

Femer kann der lange Gummischlauch zwischen Glas- rohr und Auge durch seine Elasticität Anlass zu Fehlem geben. Endlich wird der Dmck im Apparat während des Versuches nicht ganz constant gehalten, wenn die Flüssig- keit allmählich im Glasrohr sinkt Es war daher eine grosse Hülfe für mich, dass Dr. W. Koster Gzn. mich auf den Gedanken brachte, einen ähnlichen Filtrations- apparat, wie er von Priestley Smith ') angegeben ist, zu benutzen. Ich fügte ein horizontales, 50 cm langes und 1mm weites Thermometerrohr, dass auf einem Maassstab ruhte, zwischen den Gummischlauch und die Canüle ein und konnte nun die Filtration in folgender Weise vor sich gehen lassen. Der Apparat (siehe Fig. 5, S. 99) wird zuerst mit der Flüssigkeit bis zur Mitte des Trichters gefüllt und eine kleine Luftblase in das ThermometerTohr bis zu dem mit dem Gummischlauch in Verl)indung stehenden Ende ein- gesaugt; hierauf wird der Ap])arat bei K abgeklemmt, der Trichter in der gewünschten Höhe angebracht die Canüle in die vordere Kammer eingeführt, die Klemme bei K ab- genommen, und jetzt die Bewe^^ung der Luftblase im Ther- mometerrohr abgelesen.

') Ophth. Review, July 188«.

lieber experiraentelleB Glaukom beim Kaninchen etc.

99

Zwischen Oaniile und Tliermometerrohr niuss ein kleines Glasrohr eingeschaltet werden, das an jedem Ende mit einem ca. 5 mm langen Gummischlauch versehen ist um der Canüle genügende Beweglichkeit bei der Einführung zu geben.

Ebenso ist zwi- schen Gummi- schlauch u. Ther- mometerrohr eine conische Glas- spitze eingeschal- tet, deren dickes Ende mit dem Gummischlauch , lind deren dünnes Ende mittelst eines ca. 5 mm langen Gummirohres mit dem Thermo- meterrohr verbun- den wird. Auf die- sem kleinen dick- wandigen Schlauch wird die Klemme ange- bracht.

Bei dieser Ver- suchsanordnung erhält man den Dnick im Apparat ganz constant, indem die Flüssigkeitsoberfltäche im Trichter einen Durchmesser von 5 cm hat, so dass kein merkbares Sinken der Flüssigkeits- säule eintreten kann, während die ca. 350 cbmm Flüssigkeit, welche das Thermometerrohr enthält, das Auge passiren. Die Elasticität des Gummischlauches spielt auch keine Rolle, weil er jenseits der Luftblase in Ruhe gehalten wird.

100 ^^r. F. Bentzen.

Endlich ist die Messung der Filtrationsmenge für je eine Minute zu jedem beliebigen Zeitpunkt des Versuches durch eine einfache Ablesung an dem Maassstab mögUch. Durch genaue Wägung des ganzen Cubikinhalts des Rohres und durch Controliren der "Weite durch die ganze Länge desselben wurde gefunden, dass 1 mm Bohrlänge '/^ cbmm Inhalt entsprach.

In dieser neuen Versuchsreihe unterHess ich es, mit einer einzigen Ausnahme, die Filtration während des Lebens zu prüfen, theils weil es, wie oben erwähnt, leicht Ver- stopfung der Canüle durch Fibrin zur Folge hat, und theils weil die durch die Canüle in der vorderen Kammer be- wirkte Reizung das Bild der Filtration durch unberechen- bare Vermehrung der Kammerwassersecretion stört.

Ich machte daher die folgenden Versuche wenige Mi- nuten nach dem Tod des Thieres, während das Auge noch unbeschädigt in der Orbita blieb, und, falls keine bestimmte Veranlassung hiervon abzuweichen vorlag, benutzte ich ge- wöhnlich einen Druck von 30 mm Hg im Apparat, um einen so gleichartigen Maassstab wie möglich zu haben.

Mit diesem Apparat wurden im ganzen 42 Filtrations- vei-suche gemacht. Von diesen gelangen 34, während 6 wegen ungenügender Communication und 2 wegen mangel- hafter Schliessung zwischen Canüle und Cornea miss- langen.

Als ein Beispiel dieser Reihe führe ich an:

Versuch Nr. 66. Schwai'zes Kaninchen Nr. 84. Rechtes Auge. Kratzen im Kammerwinkel am 2. XL 94, von Drucksteigerung, 2 mm breiter Ciliai'ektasie und voll8tändifä:er Verwachsung des Kammerwinkels gefolgt.

9. I. 95. T 54. ratrationsversuch mit \ % NaCI- Lösung. Tliler mn 4 Uhr 29 durch Chloroform getötet. Druck im Apparat 30 mm Hg, Communication mit dem Auge um -4 Uhr 32 hergestellt.

Ueber experimentelles Glaukom beim Kaninchen etc. 101

Zelt

Ort

I des dem Auge

niheren Endes

der Luftblase

I cm

4 Uhr 32

44,7

4 33

36,0

4 43

32,7

4 44

32,5

4 49

31,7

4 50

31,5

4 59

30,2

5 -

30,1

5 0,4

29,5

Bewegung

der

Luftblase

in der Minute

Menge der durchfiltrirten

Fiasslgkeit

in der &linute>)

T

3,3

i

2,0

1,6

2,0

;

1,4

1,0

Von 4 Uhr 43 bis 5

1,6

1 1,1 cbmm

ühr 4

Ohne die Communication zu unterbrechen^ wurde der Druck aut 54 mm Hg (=T während des Lebens) gesteigert.

Zeit

Ort des dem Auge i nftheren Endes | der Luftblase

I

Bewegung

der

Luftblase

in der Minute

Menge der durchfiltrirten

FlQssigkeit

in der Minute

5 Uhr 07

25,7

'

5 12

24,5

2,9

5 13

24,0

2,5

5 18

23,0

2,0

5 19

22,775

2,25

5 32

20,55

1,7

Von 5 Uhr 12 bis 5 Uhr 33

5 33

20,4

1,5

1,4 cbmm.

Wir finden hier wie in den früheren f^ltrationsver- suchen mit todten Augen, dass das Auge sofort eine ansehn- Uche Menge Flüssigkeit aufiiiramt; in diesem Fall **/^.87 = 65,25 cbmm.

Nach Verlauf von einigen Minuten ist die Menge Flüssig- keit, die den Apparat in der ^ßnute verlässt, ziemlich con- stant, weshalb ich bei der Berechnung der Filtrationsmenge nur den Zeitraum berücksichtigte, in welchem ich die Bewegung der Luftblase am gleichmässigsten fand. In diesem Versuche

') Eigentlich ist dies nicht die in der Minute durchfiltrirte Flüssigkeit, sondern nur die Flüssigkeitsmenge, die in jeder Minute vom Apparat ins Auge eintritt. Nach einiger Zeit miiss sie aber ungefähr der Filtrationsmenge entsprechen.

102 Chr. F. Bentzen.

fing ich die Berechnung erst 12 Minuten nach Herstellung der Communicatioii und 9 Minuten nach Steigening des Druckes von 30 auf 57 mm Hg an. Sowohl in diesem wie in der überwiegenden Mehrzahl der anderen Versuche wurde eine Abnahme der Filtrationsmenge während des Fort- schreitens des Versuches beobachtet. Dies rührt wohl theil- weise von postmortalen Veränderungen und Aufquellung der Gewebe her, je nachdem sie mehr und mehr mit Kochsalz- lösung durchfeuchtet wurden. Diese Schwellung des Ge- webes wird, was die Conjunctiva betrifiFt, während des Ver- suches deutlich gesehen, und in den wenigen Fällen, wo ich Salpetersäure statt Formol als Härtungsmittel benutzte, trat keine Schiiimpfiing der Gewebe bei der folgenden Nach- härtung in Alkohol ein, so dass derselbe Zustand der Quel- lung in den mikroskopischen Präparaten wiedergefunden wurde.

Die erwähnte Abnahme der Filtration während des Versuches bringt eine Ungenauigkeit im Vergleich zwischen den verschiedenen Filtrationsmengen mit sich, da in den verschiedenen Versuchen eine ungleiche Zeit verging, ehe ich annahm, dass die Bewegung der Luftblase am gleich- massigsten war, und da ich ausserdem die Filtration un- gleich lange fortgesetzt habe. Um diese Ungleichheit in der Berechnung zu beseitigen, habe ich die Filtrations- mengen für 1 Minute in der Zeit von 3 Minuten nach Herstellung der Coramunication bis 33 Minuten nach der- selben berechnet, und die so gefundenen Werthe mit den vorher berechneten in den untenstehenden zwei Tabellen zusammengestellt, von welchen die eine die Versuche ent- hält, in welchen kein Filtrationshindemiss anwesend war, die andere diejenigen, wo ein solches vorhanden war. In einzelnen Versuchen war die Filtration nicht 33 Minuten lang beobachtet worden, weshalb die Berechnung hier nur von 3 Minuten nach der Communication bis zum Ende des Versuches gilt.

Ueber experimentelles Glaukom beim Kaninchen etc. 103

Tabelle IV. Filtrationsversuche ohne Hemmung der Filtration.

>

S "

all ijSS, 1 4.2 1

Druck im Apparat

Zwischen- zeit

, Filtraüons- ' menge j

Differenz i zwischen den i Filtrations- mengen

117 30

16 ' 20

133

30 1 17

6

6,0

^

3 30 4,3

+ 0,1 , -

- , 3 ' 20

6,2 +0,2

70

6 ' 5 . 8,6

45 ' 1

19

8,2 1

-—

3 1 8

8,3

0,3

- 1 3

17

8,3

+ 0,1

65

30

1 i 49

4.7

132

30 ' 3

39

6,9

3

30

4,6

0,2 1 -

- 3

30

6,8

-0,1

137

38

6

4

6,1

1

93

30 ! 10

30

6,7

3 7

5,3

+ 0,2 i

- 3

30

6,8

+ 0,1

45

13 33

5.1 i

i

- 3 1 30

6,1 ! Ol

107

30 i 17 1 24

7,0

1

1

1

3

30

7,1

+ 0,1

136

39

7 1 40

5,2

1

3 ' 30

6,3

+ 0,1 '

134

30

9

30

7,1

1

1

- 3 ( 30

7,2 -h 0,1

72 30 ! Va 1

48

5,6

f

- i 3

30

6,4

-0,1 73

30 ' 1

81

3,5

1

- 1

- i 3

30

3,7 +0,2

89

80 i 14 , 43

5,8

- - 3 : 30

6,9 +0,1 1

118

30 j 13

33

3,6

i ' ;

- 3

30

4,5 + 0,9

62 30 12 1 32 , 6,0 1

'

60 6

9

4,3,

- 1 1 3 ! 30 j 6,1

+.0,1 '

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- 1 3

12

5,0 ! +0,7

63 56

9 33

6,7

1

- !

3

30

6,1

+ 0,4 1

1 1

!

Die zwei letzten Versuche, Nr. 73 und 118, sind mit Säure- fuchsinlösung, alle anderen mit ■/4V0 Na Cl- Lösung angestellt.

Beim Vergleich der Piltrationsniengeii in der Zeit von 3 bis 33 Minuten nach der Communication mit den fiiiher ausgerechneten findet man, dass die ersteren etwas gi'össer als die letzteren sind, mit Ausnalime von 3 Fällen, Nr. 65, 72 und^61, wo die erste Berechnung einer Filtrationszeit

^) Zwischenzeit d. h. : Die Zeit zwischen Herstellung der Com- munication und Anfang der Zeit, für welche die Filtration berechnet wurde.

104

Chr. F. Benteen.

Tabelle V.

Filtrationsv ersuche mit FiltrationHhiiideniish.

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66

135

78

101

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30

23

3

30

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30

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70

7

3

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11 I 21

3 , 29

8 1 21

3 ' 26

34 30

85 30

20

23

100

30

53 30

16 30 53 30

I

30 i 14 58 1 3 ' 30

1,1

100 30 19 50

1,4 , + 0,3 '! ~ 1,4 '

1 3 30

1,8

2,1 ^ 0,3

1,4

2,1 -f 0,7

1,4

1,0

1,4 +0,4

0,8

1,4 I +0,6

1.6 ' I

1.7 I +0,1 I

w ;

2,1 I + 0,5 I

1,4'

1,7 +0,3 ;

1,7 +0,1 I

1,8;

1,7 . ^0,1 ;

1 38 30 18 , 94 I 1,5 ^

I

3 30 1 2,1 I + 0,6

70 30 ' 12 56 - ' 3 ' 30

|l 67

50 16 ; 68 - 3 ! 30

64 30 51 30 75 30

8 ; 57 3 ; 30

5 I 60 3 30

8 ; 35

3 30

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2^3 +0,4

2,3,

2.7 ' + 0,4

2,9 ;

3,3 I + 0,4

3,3

3,5 + 0,2

3,6

3.8 I + 0,2

77 30 22 , 42 , 2,9 ,

- ; 3 30 ; 4,0 I + 1,1

I

I

- I 3

3411,1

301 1,7 +0,6

50 , 30 1 15 . 36 , 1,6

' 3 1 30 ' 1,9 '+ 0,3

79 30 8 36 1 1,3

- -3 30 ' 1,4 +0,1

- 60 11 ! 54 ] 1,6 ,

- - 3 30 i 1,8 , + 0,2

Versuch Nr. 79 mit Sfturefuchsiii , alle übrigen mit ^/^^/q^siiO- Lösung angestellt.

gilt, die schon */g bis 1 Minute nach der Cominunicatioii anfängt, und 2 Fällen, Nr. 117 und 132, wo die Filtration unbedeutend zunahm, je länger der Versuch dauerte.

Der Unterschied zwischen den Werthen ist indessen

lieber experimentelles (ilaukom beim Kaninchen etc. 105

SO klein, 0 bis 0,9 cbmm in Tabelle IV und 0 bis 1,1 cbmm in Tabelle V, dass kein grosser Fehler bei der Anwendung der erwähnten Berechnungsmethode gemacht wird.

In den auf S. 106 109 folgenden Tabellen über die Versuche sind nur diese Werthe benutzt.

Bei Betrachtung der Zusammenstellung von Versuchen, in welchen sich kein Hindemiss für die Filtration fand (Tab. VI, S. 106 107), sehen wir, dass die Filtrationsmenge in der Minute bei Anwendung von '/^ ^j^ Na Cl- Lösung bei 30 mm Hg Druck zwischen 4,3 und 7,2 cbmm schwankt, und dass sie bei Steigerung des Druckes, obwohl nicht proportional damit, zunimmt Bei Anwendung von Säurefuchsin- statt Kochsalzlösung ist sie etwas geringer. Die zwei einzelnen Versuche, in welchen T übernormal war, No. 136 und 137, rührten von einem Versuchsthier her, bei dem die Durchschneidung der Conjunctiva wiederholt, und der Fil- trationsversuch während der darauf folgenden Drucksteige- rung vorgenommen wui'de. Diese zwei Augen haben etwas weniger als die drei anderen in gleicher Weise behandelten iiltrirt, trotz des höheren Dinickes im Apparat. Eine be- deutende Verminderung ihrer Filtrationsfähigkeit fand sich aber nicht, was ganz gut damit stimmt, dass keine CiUar- ektasie und nur eine sein* geringe Netzhautatrophie durch diese Operation hervorgerufen wurden.

Die Bedeutungslosigkeit der Chorioidal- und Sklero- chorioidalpunction für die Entstehung des Glaukoms wm'de auch durch die Filtrations Verhältnisse bestätigt. Ebenso unwirksam zeigten sich die Skleralexcision und das Brennen des Ldmbus, sowie die multiplen Incisionen im Comeal- pigmentsaum, welche nur eine höchst unvollkommene Ver- wachsung des Kammerwinkels bewirkten.

Alle diese Versuche können also als Beispiele nor- maler Filtration dienen im Vergleich mit der folgenden Vei-suchsreihe, in welcher alle Fälle zusammengestellt sind, wo die Verwachsung des Kammerwinkels gelang (s. Tab. VII).

106

Chr. F. Bentzen.

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Üeber experimentelles Glaukom beim Kaninchen etc. 107

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108

Chr. F. Bentzen.

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lieber experimentelles Glaukom beim Kaninchen et<*. 109

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110 Hir. F. BenUen.

Vergleichen wir diese Tabelle mit der vorhergehenden, so finden wir, dass alle Augen hier weniger fil- trirt haben als in jener. Die grösste Filtrationsnieugi» hier ist 4,0 cbmm in der Minute, während die kleinste dort 4,H ist. Der Mittel werth für die Versuche in Tabelle VII, bei Anwendung von ^U^k NaCl-Ixisung und 30 mm Hg Dnick, ist 2,18 cbmm in der Minute, während er in Tabelle VI 6,02 ist, so dass sich das Verhältniss zwischen ihnen ungefähr wie 1:3 stellt.

Ein höherer Druck im Apparat vermehrt die Filtra- tion hier viel weniger als unter normalen Verhältnissen, was ich auch bei einem Filtrations versuch mit einem mensch- lichen Glaukomauge*) beobachtet habe, wo ich bei An- wendung desselben Apparates mit ^/^ ^/^ Na Cl- Lösung folgende Wertlie fand:

Dn,ck i. Appan.t ^ÄTnX

25 mm Hg 2,0 cbmm

50 1,98

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90 2,33

In einem anderen ähnlichen Versuch fand ich ein mehr

pmportionales Steigen der Filtration:

25 mm Hg 0,2 cbmm

50 ., 0,5

90 0,75

Der Filtrations versuch mit Säurefuchsin, Nr. 79, zeigt dieselben Verhältnisse wie die anderen Versuche, wenn er mit seinem Controlversuch, Nr. 118, vergUchen wird.

Betrachten wir Tabelle VIT für sich, so finden wir. dass die 6 Versuche, in welchen die Filtration zu einem Zeitpimkt, wo die Augen hart waren, vorgenommen wurde, insgesammt übereinstimmend niedrige Filtrationswerthe, so- wohl bei niedrigem als bei hohem Dnick im Apparat ge-

M V. Graefe'8 Arch. XLI. 4.

üeber experimentelles Glaukom beim Kaninchen etc. Hl

geben haben. Wir sehen ferner, dass der Verlauf gelungen war, da eine vollständige Verwachsung des Kaiiunerwinkels, fortdauernde Drucksteigerung und circuläre Oiliarektasie eingetreten sind. Dies sind säramtlich „gekratzte** Augen, zw^ei von ihnen jedoch „mit tj^^ Ammoniaklösung gekratzt". Diese Versuche haben damit alle Bedingungen erfüllt, die ich zur Erreichung des Zieles dieser Untersuchungen auf- stellte: Glaukom durch Verwachsung des Kammer- winkels hervorzubringen, und einen Beweis dafür zu liefern, dass die Filtration in solchen glauko- matösen Augen gehemmt ist.

Wenn ich den zuletzt benützten Filtrationsapparat früher gehabt, oder noch länger mit dem Abschluss meiner Ver- suche gewartet hätte, so würde ich eine grössere Reihe von gelungenen Versuchen vorlegen können, weil mein früherer, ungenauer Apparat die Prüfung der Filtration an mehreren glaukomatösen Augen gestört hat, und weil die Untersuchung der Filtration, die mit diesem Apparat bei einer Reihe von Augen zu einer Zeit vorgenommen wurde, wo die Wirkmig der Hornhautentzündung den intraocularen Druck noch niedrig hielt, wahrecheinlich zu einer späteren Zeit niedrigere Filtrationswerthe gegeben haben würde. Indessen finden wir, dass, wenn auch der Druck an dem Tage, wo die Filtration gepiüft wurde, ungefähr normal, oder gar sub- normal gefunden wurde (im Falle Nr. 135), doch die Fil- tration in allen Fällen, wo die Verwachsung des Kammer- winkels gut ist, bedeutend vermindert war; ausgenommen sind nur die vier letzten Versuche bei 30 mm Hg, wo die Filtrationsmenge in der Minute zwischen S,H und 4,0 cbmm betrug. Obgleich auch diese Menge unter der Norm bleibt, so ist sie doch bedeutend grösser als der Mittelwerth l)ei glaukomatösen Augen, und scheint insofern gegen die Reten- tionstheorie zu sprechen. Sehen wir jedoch diese vier Ver- suche näher an, so finden wir Verhältnisse, die bis zu einem gewissen Grad die Sache erklären können.

112 rhr. V. Bentzen.

Im Versuch Nr. 64 war die Mb. Descemeti an einigen Stellen innerhalb der Venvachsung intact, was auf eine Schwäche der letzteren, wie früher erwähnt wui-de, hin- deutet.

Im Versuch Nr. 51 war zu einem früheren Zeitpunkte, während der intraoculare Druck noch über der Norm war, eine Filtrationsbestimmung während des Lebens versucht worden, ohne aber brauchbare Resultate zu erreichen. Nach dieser Bestimmung fiel der Druck bis zur Nonn herunter, bUeb da acht Tage lang und erlangte nie seine frühere Höhe wieder; daher ist es möghch, dass die Verwachsung des Kammerwinkels durch diesen Filtrationsversuch in irgend einer Weise gestört worden ist.

Im Versuch Nr. 75 wechselte der Druck etwas während des Verlaufes, und das „Kratzen" musste drei Mal wieder- holt werden, ehe es gelang, den Kammerwinkel zur Ver- wachsung zu bringen, und dann zeigte es sich doch bei der mikroskopischen Untersuchung, dass jene nach unten nicht ganz zuverlässig war.

Im Versuch Nr. 77 endUch war die Hornhautentzün- dung, die während des Verlaufes entstand, am Filtrationstag noch nicht geheilt, so dass auch hier ein störender Factor im Spiele war.

Uebrigens zeigt das Filtrationsvormögen menschUcher Glaukomaugen auch recht bedeutende Unterschiede, was aus den oben erwähnten Versuchen henorgeht.

Zum Schluss will ich die Ursachen zusammenstellen, welche wahrscheinhch daran Schuld waren, dass der Dinick in mehreren von den Versuchen, trotz guter Verwachsung des Kammerwinkels, am Tnge der Filtration nicht über der Norm gefunden wurde.

In den Versuchen Nr. 60, 83, 101, 82, 100 imd 77 war die Hornhautentzündung, die den Verlauf störte, noch nicht ganz geheilt.

In den Versuchen Nr. 50, 71 und 70 war der Dnick

Ueher experimentelles Glaukom beim Kaninchen eto. Il3

seit dem Auftreten der Netzhautablösung nicht erhöht gewesen.

In den Versuchen Nr. 38, 64 und 75 wechselte der Diiick etwas, was man ja auch bei menschlichem Glaukom sieht, und die Filtration fiel zufällig auf einen Tag mit niedrigem Druck.

Versuch Nr. 135, Leukoma totale als Ausgang von Pan- ophthalmitis, gehört ja eigentlich nicht zu dieser Vereuchs- reihe, imd dass der Druck hier subnormal ist, ergiebt sich von selbst

Die Versuche, in welchen ich bei Verwachsung des Kammerwinkels und verminderter Filtrationsfähigkeit Fehlen der Drucksteigerung fand, die durch tiefere Ernährungsstö- rung des Auges bedingt war, geben für manche Fälle eine Erklärung für den Einwand, den H. Pagenstecher') im Jahre 1877 gegen die Retentionstheorie machte, dass man Verwachsung des Kammerwinkels ohne Dnicksteigerung finden kann.

Weitere Schlüsse darüber, wie die Verwachsung des Kammerwinkels in den verschiedenen Formen von Glaukom beim Menschen zu Stande kommt, und über die eigentUche Ursache und Behandlung dieser Krankheit, ml\ ich nicht ziehen, da diese nur eine Grundlage für weitere Studien abgeben soll. Nur die Bemerkung will ich machen, das man schwerlich erwarten kann, etwas zu en^eichen durch tlie Behandlung des Glaukoms mit Incisionen in das ver- wachsene Gewebe des Kammerwinkels, worüber de Vin- centiis*) und B,omano*) berichten.

Zum Schluss erfülle ich die angenehme Pflicht, Herrn Professor Th. Leber für die Anregung zu dieser Arbeit und für die vielfältige Unterstützung, die er mir bei Aus-

M Bericht der ophth. Gesellsch. in Heidelberg 1877. ') Annali di Ottalm. XXII, p. 540. ») Arch. di Ottalm. I p. 57. Y. Graefe's Archiv fQr Ophthalmologie. XLI. 4. 8

114 ^'^i*' ^- Bentzen. IVbpr experim. Glaukom bei Kaninchen etc.

führung derselben in seinem Laboratorium zu Theil werden liess, meinen verbindlichsten Dank auszusprechen. Auch Herrn Dr. W. Koster Gzn. aus Utrecht danke ich hier- mit herzlichst für die guten Kathschläge, die er mir gab, als wir zur gleichen Zeit in Heidelberg arbeiteten.

Erklärung der Abbildungen auf Taf. T und TT. Kg. 1—4.

Fig. 1. Kamnierwinkel im normalen Kaninchenauge. Pigmentsaum der Cornea P, Conjunctiva C, Iris 1.

Fig. 2. Kammerwinkel nach gelungenem,, Kratzen*'. (^Versuch Nr. 66.) Pigmentsaum der Cornea (P.) verbreitert. Irisperipherie 80 weit mit der Cornea verwachsen, wie die Mb. Descemeti {Mb. D.) bei der Operation entfernt ist, d. h. bis an die centrale Grenze des Pigmentsaumes, wo man die losge- rissenen und aufgerollten Reste der Mb. Descemeti sieht. Die inneren Schichten der Comeo - Skleralgrenze (t. C.\ welche mit der Iris verwachsen sind, zeigen eine unregel- mässige Lagerung der Fibrillen und einen abnormen Reich- thum an Zellkernen; Narbengewebe. (S. 72).

Fig. 3. Kammerwinkel nach misslungenem „Kratzen". (Versucli Nr. 34.) Mb. Descemeti im Kammerwinkel nicht entfernt, wohl aber an einer Stelle central vom Pigmentsaum der Cornea. Iris nur mit der Cornea verwachsen , wo Mb. Des- cemeti fehlt. Kammerwinkel beim Filtrationsversuch mit Berlinerblaulösung gefüllt «S. 75).

Fig. 4. Kammerwinkel von Versuch Nr. 5. (Multiple Ignipunctionen im Comealpigmentsaume.) Beim Fi Itrations versuch ist das Berlinerblau zwischen Iris und Cornea eingedrungen, sowohl wo die Iris mit der Ignipunctionsnarbe (Ä)y als wo sie mit dem durch die Ignipunction hen-orgenifenen Exsudate ver- wachsen war (S. 62 1.

Ein Beitrag zur Anatomie des entzündlichen Glankoms.

Von

Dr. Eduard Zirm, Augenarzt in Olmütz.

Mit Tafel III, Fi^. 1—3.

Diese von mir bereits im Jahre 1891 in der vorlie- genden Form beendete Arbeit wurde von mir aus dem Grunde der VeröffentKchung noch nicht übergeben, weil ich mich mit der Absicht einer weiteren Ausgestaltung bisher getragen hatte. Insbesondere wollte ich noch ähn- hche Befunde anreihen, welche weiter ausgreifende Schlüsse zu ziehen gestattet hätten, als ein einziger Fall dies zu- lässt Da ich aber mit den weiteren Arbeiten vorläufig noch zu keinem Ende gehingt bin, wollte ich die Veröffent- lichung des bereits Vollendeten nicht noch länger ver- schieben, weil ich glaube, durch diesen kleinen Beitrag das nicht allzu reichlich vorliegende Material über die Ana- tomie des entzündlichen Glaukoms mit vervollständigen zu können.

Meine Untersuchung betrifft einen Bulbus, welcher 84 Tage nach dem Ausbruche des ersten acuten glauko- matösen Insidts ex vivo euucleirt worden wai\ Um überall entsprechend vergleichbare normale Verhältnisse zur Ver- fugxmg zu haben, habe ich gleichzeitig genau unter den-

116 K. Zirm.

selben Modalitäten zwei normale Bulbi, in deren Besitz ich durch die chirurgische Klinik gekommen war, mit ver- arbeitet Auf die Maasse derselben beziehen sich einige später unten vorkommende, des Vergleiches wegen an- geführte Zahlen.

Herrn Hofrath v. Stell wag, welcher mir den Bulbus damals zur Bearbeitung überlassen hatte, spreche ich hierfür meinen Dank aus.

Zunächst sei mir die Anführung der von meinem Vor- gänger auf der Augenklinik, dem damaligen Assistenten Heim Dr. Bock, sorgfältig verfassten Krankengeschichte gestattet.

Josef F., Fleischhauergehilfe, 28 Jahre alt, wurde am 30. Oc- tober 188Ü wegen Iridocyclitis oc. dextr. auf die Augen- klinik aufgenommen.

Der Kranke gab bei der Aufhalune an, vor 2 Wodien unter heftigen Schmerzen, welche vom rechten Auge gegen die Stirn- und Schläfegegend ausstrahlten, erkrankt zu sein. Vor 8 Jahren hat er Syphilis acquirirt. Seit etwa 2 Monaten leidet er zuweilen an nächtlichen Kopfschmerzen.

Status praesens: Sehr kräftiger Mann mit Kahlkopf und geringen Drüsenschwellungen.

Rechtes Auge: Massige Lichtscheu. Lebhafte conjuncti- vale, und besonders ciliare Injection. Homhautoberfläche deut- lich gestichelt; Hornhaut und Kanimerwasser leicht diffus getrabt. Iris gelbbraun, verwaschen und aufgelockert, insbesondere in der Umgebung des Pupillarrandes. Pupille queroval, nach Atropin ziemlich weit, durch eine breite Synechie an die vordere Linsen- capsel angelöthet. Tension noi-mal.

Linkes Auge vollständig normal, kleine physiologische Ex- cavation.

Therapie: Atropin, Verband. Inunctionscur.

3. November. Pupille nach Atropin maximal en^-eitert.

Tension deutlich erhöht. Fundus wegen Medientrübung nicht walimehmbar. Lichtempfindung scheint nur central vor- handen zu sem. Atropin wird ausgesetzt

8. November. Heftige Schmerzen. Tension bedeutend erhöht.

Ein Beitrag zur Anatomie des entzündlichen Glaukoms. 217

9. November. lichtemplindung fehlt vollständig^ peripher und central. Iridektomie (starke Blutung), Inunctionscur rbisher 6 Einreibungen) wird ausgesetzt.

10. November. Keine Schmerzen.

13. November. Halbe vordere Kammer voll Blut. Üia- phorese mit Natr. salicyl. Warme Ueberschläge.

21. November. Bulbus blass. Keine Schmerzen. Iridektomie- narbe in geringem Grade ectatisch. Cornea rein. In der Kammer kein Blut, dagegen auf der Vorderfläche der sonst normalen Linse ein sichelförmiges Coagulum. Nach unten bekommt man bei seitlicher Beleuchtung einen grauen Reflex^ dessen Ursache sicli nicht eruiren lässt Glaskörper diffus getrübt; jedoch sieht man die geschwollene Papille mit ganz verwaschenen Grenzen; auf ihr eine rothbraune Sprenkelung (Haemorrhagieen?). Tension normal.

23. November. Inunctionscur wffd fortgesetzt.

2. December. Nach weiteren 8 Einreibungen: Insultus glaucomatosus mit starker Stichelung der Cornea. Die ge- dehnte Iridektomienarbe hat sich dachförmig aufgestellt. Schmerzen. Warme Ueberschläge^ Inunctionscur ausgesetzt.

3. December. Euphorie.

5. December. Dieselben Erscheinungen wie am 2. December.

6. December. Intensive Ciliameuralgie, ringförmige Ciiiar- injection. Narbe keilförmig vorstehend; die Comeoskleralgrenze bleibt nach oben sattelförmig eingebogen. Cornea fast senkrecht elliptisch, tiberall gestichelt, von etwas unregelmässiger Wölbung, ganz zart angehaucht, Kammerwasser rein. Iris auf einen schmalen 1'/, mm breiten Saum reducirt, innen unten eine Synechie. Bei seitlicher Beleuchtung erhält man aus dem Papillargebiete einen hellgrauen Reflex; keine Linsentrübung. Vom Fundus schönes rothes Licht Details sind wegen inten- siver Medientrübung nicht zu erkennen. Bulbus beinhart. Amaurosis.

7. December. Enucleatio bulbi.

Patient wurde am 12. December 1886 entlassen.

Der Bulbus wurde nach der Enucleation sofort in Müller '- sehe Flüssigkeit gegeben, später in Alkohol nachgehärtet und zuletzt in absolutem Alkohol bis zu seiner Bearbeitung (1890 bis 1891) aufbewahrt. Dann wurde er in einen vorderen, äquatorialen und hinteren Abschnitt getheilt. Von einem Theile desselben, insbesondere von den Emissarien der Vortex venen wurden nach Einbettung in Paraffin lückenlose Schnittserien an-

118 E. Zinn.

gelegt. Das Uebrige wurde grösstentheils nach Einbettang in Celloidin geschnitten. Zur Färbung wurde vorzulegend Häma- toxylin und Alauncarminlösung verwendet.

Makroskopisoher Befund.

Die Configuration des Bulbus ist im Allgemeinen normal. Der Comeoskleralialz ist fast vollständig verstrichen. Die Operationsnarbe ist nicht deutlich markirt In der schmalen Iris nach oben ein breites Colobom. IJnse an normaler Stelle^ nur merklich nach vom gerückt. Retina und Chorioidea etwas abgehoben. Im äquatorialen Absdmitt ist das Pigmentepithel aussen und oben mit der Netzhaut fest verwachsen. Der ge- schrumpHte Glaskörper haftet zum Theil fest an der Innenfläche der Netzhaut. Im unteren Theil des Glaskörpers befindet sich vom ein hellbraunes Blutcoagulum. Die Aderhaut sieht an der Innenfläche trttb aus. An einigen Stellen ist sie mit der Sklera verwachsen. Mehrfach, am stärksten in den vorderen Ab- schnitten, besitzt sie eme trübe, etwas sulzige Beschaffenheit und ist ansehnlich verdickt. Diese sulzige Trübung verläuft ins- besondere längs der Geflisse, welche stellenweise darin vöUig verschwinden.

Es sind vier Vortexvenenstämme vorhanden: Oben innen oben aussen; Unten innen unten aussen.

Die den unteren äusseren Vortex bildenden Venen er- Schemen bereits makroskopisch dünner, die Aderhaut in ihrem Sammelbezirk besonders nach hinten etwas veitlünnt.

Zwischen diesem und dem inneren unteren Emissar, aber etwas nach rückwärts von beiden, befindet sich in der Chorioidea eine circa linsengrosse, gelblich weisse, rundliche Parthie, innerhalb welcher Sklera und Chorioidea fest verwachsen smd. Diese Stelle ist nicht prominent, ist ohne sichtbare Gefässe und fast ohne Pigment.

An der Papille besteht weder eine Excavation, noch eine nennenswerthe Hervorwölbung.

MikroBkopiBoher Beftind.

I. Vorderer Abschnitt Das Epithel der Augapfelbindehaut ist unverändert; ihre Gefässlichtungen sind sehr erweitert, dicht mit normal be- schaffenen Blutzöllen angefüllt, die Gefässwände sind unver-

Ein Beitrag zur Anatomie de» entzündlichen Glaukoms. 119

ändert; nm dieselben sind etwas reichlichere Kerne angehäuft. In erweiterten Lymphspalten ßndet sich kein sichtbarer Inhalt.

Das Epithel der Hornhaut ist intact; in der unveränder- ten Bowm an 'sehen Haut sind keine Nervencanäle sichtbar. Das Homhautparenchym zeigt keine Vermehrung der Zellen, die interlamellären Lücken sind nicht erweitert In der äusseraten Randzone des Homhautpai^enchyms befinden sich in verschiedenen Schichten aus der Sklera hineingewachsene zarte Gefässe. Der hinteren Fläche des ganz unveränderten Endothels der gleichfalls intacten Membr. Descemeti haften in grösserer Menge weisse, sowie einzehie farbige Blutkörperchen und reichliche feinkörnige, ungefärbte Detritusmassen an. Diese finden sich in grösseren Haufen an den imteren Parthieen der „neuen Kammerbucht" nebst theils vereinzelten, theils in Klumpen zusammengeballten grossen Pig- mentzellen, welche in ihrem Aussehen vollständig mit den pig- mentirten Zellen im Irisstroma übereinstimmen.

Die Regenbogenhaut ist mit ihrer Peripherie überall der Cornea genähert. Oben, innen und unten besteht in der Ausdehnung von 0,83 bis 1,08 mm (last einem Drittheil der versclunälerten Iris entsprechend) eine feste Verwachsung zwischen dem Endothel der Membr. Descemeti und der Iris- vorderfläche. Dieselbe vermittelt eine die Iris deckende Gewebs- schicht, deren Fasern der liinteren Homhautfläche fest anhatlen. Die Anwachsung reicht hier überall bis in den Fon tan ansehen Raum, so dass auch dieser vollkommen verschwunden ist Aussen ist die Irisperipherie in einer Breite bis zu 1,13 mm der hinteren Homhautfläche fast bis zur Berührung genäliert, jedoch nicht mit ihr verwaclisen. Nach oben und unten hin ist in den folgenden Schnitten derselben Seiie wieder eine Verwachsung in der an- fänglichen Breite von 0,37 mm sichtbar; an diesen Sclinitten reicht sie jedoch nicht bis in die alte Kammerbucht hin- ein, die hier als schmaler Spalt erhalten ist Es setzt sich somit der freie Kammeiraum in seinem äusseren Theil nach oben und unten blindsackartig hinter die verwachsenen Parthieen hinein fort In der „neuen Kammerbucht" weicht die Gewebsschicht der Irisvorderfläche, welche die Verwachsung vermittelt, in ein grob gefügtes Balkenwerk ausemander. In dem dadurch be- werkstelligten Lückenwerk befinden sich die oben erwähnten Zellen und Detritusmassen.

Das der Iris vorderfläche aufliegende Stratum besteht aus mehreren Lagen gi'ober Bindegewebsfasern, zwischen denen nebst

120 E. Zinn.

einzelnen eingewanderten Pigmentzeilen zahlreiche meist spindel- förmige Kerne liegen^ Seine Mächtigkeit sehwankt zi^-ischen 8 und 33 ^, Es reicht bis an den ektropionirten PupiUenrand und verliert sich^ ailmählicli sich verdünnend, unter der heraus- gezogenen l^gmentschidit. Die Ektropionirung bezieht sidi auf den ganzen pupillaren Rand, einschliesslich eines Theiles des Sphinkters. Das Tapet ist in grösserer Ausdehnung hervor- gezogen. Auch die Iländer des oben in der Iris vor- handenen Coloboms zeigen in Folge Schrumpfung der vorderen Faserschicht dieselbe Ektropionirung des ganzen Randes. Die Iris selbst ist in allen Meridianen verdünnt; ihr Stroraa besteht aus einem sehr dichten ^ überaus kemreichen Gefüge, welches ziemlich arm an Gefässen ist. Die Dicke der Regenbogenhaut beträgt nur 0,21 bis 0,25 mm; an ihrem ciliaren Theil, der schon normaler Weise der dünnste ist, nur 0,112 mm (gegen- über von 0,412 bis 0,5 mm respective 0,2 mm des normalen Vergleichsauges). Die oben beschriebene der Irisvordertläche anhaftende Schicht ist überall von dem eigentlichen Irisgewebe deutlich abgrenzbar. Der Sphinkter ist verschmächtigt und be- steht aus dichten, gut erhaltenen ßündehi. Fiische Zellinfiltra- tion besteht nur um einige IrisgefUsse. Das Tapet ist unver- ändert. An den Venen und besonders an den Arterien im ciliaren Theil der Iris ist eine En^eiterung des Lumens deutlich zu erkennen. Die Arterienwand erscheint dadurch verdünnt.

Der Ciliarkörper zeigt eine erhebliche Schwellung und Auflockerung seines Gefüges; seine grösste Breite beträgt zwischen 0,937 und 1,025 (während sie an dem gleichbehan- delten normalen Auge nur 0^688 mm beträgt). Die stark redu- cirten Bündel des Ciliarmuskels sind zum grösseren Theil an dem äusseren Rand des Ciliarköipers zusammengedrängt, während die mneren Bündel weit auseinandergedrängt sind, so dass da- durch zwischen ihnen weite Zwischeni'äume entstehen. Auch das Gefüge des Ciliarkörpers ist ziemlich kemi*eich; frische zelb'ge Infiltration findet sich jedoch nur um einzelne OapiUaren be- sonders in den hinteren Parthieen. Hier sind auch in denselben zahlreiche wandständige Leukocyten auffallend. Der Orbiculus dliaris enthält unmittelbar unter der Pigmentschicht lacu neu- artig erweiterte, strotzend mit Blutzellen angefüllte Venen. Auch die Ciliarfortsätze sind zum Theil geschwellt und auf- gelockert, wälirend andere im Gegentheil schmächtiger sind und aus dichtem, stellenweise geradezu sklerosirtem, zell- und gefäss- armem Gewebe bestehen.

Ein Beitrag zur Anatomie des entzündlichen Glaukoms. 121

Eine Annäherung der Ciliarfortsätze an die hintere IriBflfiche ist nirgends zu bemerken; im Gegentheil, der zwischen beiden gelegene Winkel, welcher die hintere Kammer bildet, ist durdiweg buchtartig erweitert.

Hmgegen ist die Stellung der Ciliarfortsätze und der Zonnla insofern eine alterirte, als die in einem Meridionalschnitt gegen- überliegenden Fortsätze einander in Folge der bedeutenden Anschwellung des Ciliarkörpers erheblich genähert sind und daher auch dem Linsenäquator näher liegen. Der Ab- stand des Ciliarkörpers vom Linsenäquator beträgt im Mittel 1,025 mm, der zwischen den Enden der Ciliarfortsätze und dem Linsenrand im Minimum 0,212 mm (am normalen Vergleidis- bulbus zwischen 1,563 und 0,500 mm).

Die Zonula zeigt einen mehr bogenförmigen Verlauf ihrer Fasern.

Der Aequator der Linse ist stärker gerundet. Die Linsen- kapsel und die periphere Parthie der Linse weisen keine Ab- normitäten auf. Das Centrum ist trüb und von staubartigen Pünktchen erfüllt, welche bei Stellungswechsel der Mikrometer- schraube bald dunkel, bald glänzend erscheinen.

Der vorderste Theil der Aderhaut ist sehr blutreich, stellenweise zellenreicher.

Der vonlere Theil der Netzhaut ist theilweise cystoid entartet

Der vordere Glaskörper unverändert

Die vordere Sklera zeigt etwas reichlichere Kerne zwischen den normal verlaufenden und scharf abgegrenzten Fasern.

Der Schlemm 'sehe Canal ist verschmälert und von Rund- zellenhaufen eingehüllt

II. Aequatoriale Zone.

Von der Aderhaut wurden Flächenpräparate und Quer- schnitte angefertigt. Speciell diejenigen Stücke, welche die Vortexvenen enthielten, wunlen im Zusammenhange mit dem das Emissarium enthaltenden Abschnitt der Sklera in lückenlose Schnittserien zerlegt. Die Schnittführung geschali in der Ebene eines Meridians.

Emissarium aussen oben. Dieses ist anfangs ein doppeltes; etwa im innera Drittel der Sklera kommen beide Stämmchen zur Vereinigung. Un- mittelbar nach derselben, nodi vor der Skleralmitte zeigen die Wandungen der Vene eine beträchtliche Infiltration,

122 E. Zirm.

wodurch das Gefftssiumen erheblich verengert ist Die um- gebende Sklera ist insbesondere an der inneren Wand mit Rund- Zellen durchsetzt, welche eine Anordnung in Längsreihen dentlidi erkennen lassen. In ähnlicher Weise decken Leukocytenreihen die Innenfläche des Geftoes. Infolge der Verengerung sinkt die Gefässbreite von 0^12 mm bis auf 0,075 mm. An den En- dotlieilen der Intima sind ausser knopfförmigen Hervorragungen ihrer Kerne an der stenosirten Stelle keine manifesten Verände- rangen zu erkennen. Wähi'end die Vene im äusseren Lederhaut- drittel wieder von noimaler Beschaffenheit ist, verengert sich ihr Lumen unmittbai* vor ihi'em Austritt neuerdings durch reichliche Zellintiltration ihrer Wand und Umgebung. Der extrasklerale Abschnitt dei-selben ist unverändert. Auch in etwas weiterem Umfange des Emissariums ist die Sklera etwas kornreicher , un übrigen von nonnaler Stnictur. Durch grösseren Kern- reichthum fallen auch die übrigen Skleralgefässe auf.

Der Stenosirung der Sammelvene in der Sklerahnitte ent- sprechend besteht vor ihrem Eintritt in die Sklera eine ampulien- fSrmige Erweiterung derselben und weit klaffende Venenlumina der Chorioidea. Diese ist hier der venösen Stauung entsprechend ansehnlidi dicker. In der Umgebung der Vortexvene ist ihre Dicke am beträchtlichsten und beträgt 525 (i. Das Stroma chorioideae ist ödematös, sein Gefüge gelockert durch weite, unregelmässige Gew ebsspalten , die auf dem Präparate leer sind. Der Kemreichthum der Aderhaut ist massig vermehrt, am stärk- sten in den inneren und mittleren Schichten. Die Zellen liegen Üieils im Parenchym zersti'eut, vorzugsweise aber in Zügen imd kleineren Nestern um die Capillaren. I^etztere sind vielfach ganz durch Leukocyten verstopft Auch in den kleineren Venen fallen \ielfach i-andständige Ijeukocyten auf, die grösseren sind von normal gemischten Blutzellen strotzend angefüllt und haben grösstentlieils normale Wandungen. Vor der Skleralmitte sind in der Vortexvene vielfach theils central, theils wandständig, kleinere lockere Gerinnungen in Form von lebhaft gefärbten un- regehnässigen, vei-ästelten Hguren sichtbar, welche vielleicht post- mortalen Ursprunges sind.

Die Suprachorioidea zeigt nichts Abnormes.

Emissarium aussen unten (Fig. 1 und 2). An dieser Wirbelvene sind die oben erwähnten Verände- rungen in noch erhöh terem Maasse ausgesprochen.

Bis in das mittlere Skleraldrittel hinein ist das Lumen der

Ein Beitrag zur Anatomie des entzündlichen Glaukoms. 123

Vene abnorm weit, auf den Schnitten oval, fast nind mit fast nonnalen Wandungen. Im inneren Drittel der Sklera misst es 0,775 und 0,300 mm in den Durdimessem. Gegen die Mitte verengert es sich allmählich, in der Skleralmitte selbst plötzlich auf einen ganz schmalen Spalt von 1 (i Länge und 3^ Breite auf dem betreffenden Schnitt. Nach innen convex treten hier die geschwellten Wandungen gegen das Lumen vor. Sie sind bis ziemlich weit in die Sklera hinein dicht von Leukocyten durchsetzt. Ihrer Innenwand haften in continuiriicher Beihe die letzteren an. Das Endothel der Intima ist gewuchert und bildet knopfifönnige Prominenzen durch Vermehrung der Zelllagen. Am stäi-ksten ist die Zell- infiltration der inneren und hinteren Wand.

Im äusseren Drittel ihres Verlaufes wird die Vene wieder plötzUch weit, indem die Infiltration ihrer Umgebung schwindet. Dieselbe erhält sidi noch eine Strecke weit an der vorderen Wand. Nacli ihrem vollständigen Austritt aus der Sklera ist die Vene wieder ganz normal.

Dem entsprechend besitzt die Samiuelvene vor ilirem Ein- tritt in die Lederhaut eine sackartige Erweitemng (1,875 mm und 0,625 mm im Durchschnitt). Die Dicke der Chorioidea ist etwas geringer als bei dem vorigen Emissarium. Sie beträgt hier bis 0,225 mm. Erheblich stärker ist hierttlr die frische zeliige Infiltration des Aderhautparenchyms. Fast allenthalben befinden sich umfangieiche Zellnester in den 6e- fässachseln und um die zumeist mit Leukocyten an- gestopften Capillaren. Die Wandungen und der Inhalt der grösseren Venen sind auch hier normal.

Auch die übrigen skleralen und episkleralen Gefässe zeigen eine annähernd gleich starke Infiltration in Wandung und Umgebung wie das Emissar. Im Zusammenhange damit ist auch die übrige Sklera hier ziemlich reich an sie allenthalben durchsetzenden rundlichen und spindelförmigen Zellen, ohne eine sonstige Veränderung dai-zubieten. Es ist bemerkenswerth, dass ebenso wie die Vortexvene vor ihrem Eintritt in die Lederhaut normale Gefässwände besitzt wie nach ihrem Austritt aus der- selben, auch die übrigen skeralen Gefässe nur innerhalb der Sklera entzündlidie Infiltration aufweisen, welche allem Anscheine nach jüngeren Datums ist

Emissarium innen oben (Fig. 3). Auch hier bestehen den vorigen analoge Veränderungen,

124 E. Zirm.

jedoch sind sie in geringerem Grade ausgebildet Im inneren Skleradrittel ist die Vortexvene normal^ in der Mitte verengt sie sich, indem namentlich in der inneren Wand eine frische Zell- infiitration diese gegen das Lnmen drängt. Dass es nur die Infiltration der Wand ist, welche die Stenosirung herbeiführt, sieht man auf einigen Schnitten, wo umschriebene hflgelartige (Eminenzen dort in das Lumen von'agen, wo die Zellanhäufun^ eine besonders dichte ist. Das äussei-e Drittel ist wieder voll- kommen normal.

Die Ad erbaut ist wie an den fi-üheren Venendurchlässen ödeniatös geschwellt, liyperäraisdi und kemreich (Fig. 3).

Die Sklera ist hier voUkonunen nonnal. mit Ausnahme des Emissärs nicht zellreicher.

Emissarium innen unten.

Dieses Emissarium ist beinahe nonnal. Eine nennenswerthe Verengerung besteht nirgends. Nur in der Mitte desselben zeichnet sich die innere und hintere Wand der Vene durch eine im Vergleich zu den Veränderungen an den anderen Venen gering zu nennende Infiltration mit Leukocyten aus. Vor dem Eintritt in die Sklera ist hier die Saramelvene sehr stark er- weitert, hier zeigen mehrere auf einander folgende Sclmitte eine umschriebene zellige Infiltration der hinteren Wand des Venen- sackes. Nach dem Austritt des Gefässes ans der Lederhaut be- steht eine analoge circumscripte Wandinfiltration eine kurze Strecke weit

An der Chorioidea bestehen dem vorigen Emissai* ganz analoge Veränderungen.

Die Sklera ist hier wieder kernreicher, insbesondere die übrigen skleralen und episkleralen GefUsse zeichnen sich durch eine Zellinfiltration aus, welche die der hier durchtretenden Vene bei Weitem überwiegt Auch in den Scheiden der die Sklera passirenden Nerven macht sich grösserer Zellreichthum be- merkbar.

In den schon eine gute Strecke hinter dem Emissarium gelegenen Serien zeigt sich sowohl die Sklera als Chorioidea in zunehmendem Grade zellig infiltrirt. In der letzteren nehmen die im Gewebe liegenden ZelUiaufen an Ausdehnung zu, grössere Mengen von Capillaren sind mit Leukocyten ausgestopft, und an kleineren Venen lässt sich stärkere Infiltration der Wand be-

Ein Beitrag zur Anatomie des entzündlichen Glaukoms. 125

merken. Die weissen Blntköiperdien haften hier wieder der Intima an und befinden sidi theils schon ausserhalb der Gelass- wand auf dem Wege ins umliegende Gewebe. Gegen die im makroskopischen Befunde beschriebene blasse Stelle hin, welche sich hier befindet, machen sich diese Erscheinungen immer mehr geltend. Die Aderhaut ist mit der Sklera verwachsen, wobei mehr und mehr ihre Textur verloren geht, indem ein lockerfaseriges Gefüge, welches zahh^che ovale und spindeltönnige Zellen einschliesst, es schliesslich vollkommen sub- stituirt. Diese junge bindegewebige Schicht ist gefössarm. In ihr befinden sich nur spärliche, meist unregelmässige, oft lacunen- artige Venenquerschnitte, kleine Arterien und Capillaren, um welche, insbesondere um Venen und Capillaren dichte Rund- zellenhaufen sich befinden. Diese Schichte ist nur von einer geringen Menge von Pigmentzellen durchsetzt, welche erst dort nieder zahlreicher werden und die ganz verwischte Grenze z^-ischen Lederhaut und Chorioidea wieder zu markiren beginnen, wo erstere zellärmer und derber wird, letztere wieder ihr fiüheres Gefüge erhält. In dem Bereiche der kernhaltigen Faserschidit ist auch Sklera und Episklera succulenter, lockerer, kemreicher und von Rundzellenhaufen um die Gefässe durchsetzt. Das Gefüge der Sklera und Chorioidea, die somit hier eine iden- tische Beschafi'enheit zeigen, sind deshalb, wie erwähnt, von einander nicht abgrenzbar. Als Ausdruck dessen sind viele Pigmentzellen in die der Sklera zugehörende Parthie der Ge- webswucherung übergetreten. Jjetztere hat eine Breite bis 2,400 mm.

An den Flächenschnitten der Chorioidea des äquatorialen Abschnitts tritt iln* grösserer Reichtlium an Zellen besondere schön heiTor. Man sieht, dass die vorzugsweise Zelleinwanderung die Clioriocapillaris betrifit.

Die einzelnen Schichten der Retina sind hier gut erhalten. An einer umschriebenen Stelle, wo sie eine ansehnliche Ver- dickung zeigt, fliessen die beiden Kömerschichten zu einem mächtigen Zeilhaufen zusammen. Die Stäbchen und Zapfen sind grösstentheils gut erhalten. Die Gefässe sind normal. In der Nervenfaserschicht befinden sich zahlreiche runde und ovale Lücken. Mehrfach bestehen Verklebungen zwischen Netzhaut, Pigmentepithel und Aderhaut

Die Sklera des äquatorialen Abschnittes zeigt grösseren Kemreichthum, msbesondere um die Gefässe, ist sonst normal.

126 E. Zirm.

III. Hinterer Abschnitt

Die Sklera zeigt hier eine durchwegs normale Beschaffen- heit; nur um den Sehnerven ist sie kemreicher.

Die Lamma crihrosa tritt nicht besonders im Sehnerven hervor und besitzt eine Vermehrung der normalen leichten Aus- biegung nach hinten. Nichtsdestoweniger besteht keine Excava- tion der Papille, sondern im Gegentheil eine deutliche, wenn auch nicht erhebliche Prominenz in Folge der Schwellung der- selben. Das mikroskopische Bild entspricht dem einer recenten Neuritis; die Central vene ist weit, die Arterie eng. Beider Gef^lssscheiden, insbesondere der Vene sind dicht mit Rundzellen umhüllt. Dieselben Zellen durchsetzen in grosser Masse den ganzen Nennen, am stärksten innerhalb der Siebmembran. Die Infiltration setzt sich von hier auf die verdickte Netzhaut fort. Insbesondere deren äussere Schichten sind hier in einen bis 0,375 mm breiten Zellhaufen vennandelt. In der Nervenfaser- schicht sind vielfadie Varicositäten bemerkbar. Sowohl die inneren, als die äusseren Opticusscheiden sind sehr zelheich. Im hinteren Glaskörpertheil befinden sich Rundzellen und Hämorrhagieen, welche zum 'Fheil den Glaskörper von der Retina abdrängen. Die Stäbchen-Zapfenschicht ist hier untergegangen.

Die Chorioidea ist um den Sehnerven an die Sklera an- gewachsen und gleichfalls ausserordentlich zellenreich.

Epikrise.

Während uns demnach der vordere Uvealtract zu- nächst die Anzeichen einer etwas älteren Entzündung darbietet, begegnen mr in den mittlem Abschnitten der Chorioidea und an den Emissarien einer erst im Beginne stehenden zelligen Infiltration, mit wel- cher sich die Folgen der Stenosirung der venösen Abflussw^ege, Hyperämie und Oedem combiniren. Es unterliegt keinem Zweifel, dass es sich bei 'der An- schoppung so vieler Aderhautcapillaren und kleiner Venen mit Leukocyten, der grösstentheils noch nesterartigen An- häufung letzterer Zellen um die Gelasse, der oflPenbar noch im Waclisthum gestandenen Wandschwellung und Wand- infiltration an den Venendurchlässen nur um erst kurze

Ein Beitrag zur Anatomie des entzündlichen Glaukoms. 127

Zeit bestehende entzündliche Veränderungen handeln kann. Dass die letzteren so gewaltige Stromhindernisse abgeben nmssten, wie es die venöse BlutüberfüUnug voraussetzen lässt, ist aus dem hohen Grade ihrer bereits vorhandenen Entwicklung ohne Weiteres klar. Ebenso verständlich ist das 'Oedem der hintern Uvea und die vermehrte Trans- sudation in die Binnenmedien des Auges, von welcher wir allerdings nur in der bedeutenden Ausdehnung der hinteren Kammer einen sichtbaren Beweis haben. Bucht- artig ist die letztere erweitert, und die Iris mit ihrem peripheren Abschnitt hierdurch nach vorn gedrängt, so dass die vordere Kammer enger ist, imd die Iris mit ihrem ciliaren Theil der Hornhaut anliegt. Die Ueberfüllung der hintern Kammer drängt die Bandzone der Iris nach vorn, wo sie im Contact mit der Endothelschicht der M. Descemeti durch das junge Fasergewebe an ihrer Vorderfläche mit derselben sich verklebt Dass die An- wachsung nicht vom Ldg. pectinatum aus erfolgt, habe ich in Uebereinstimmung mit Birnbacher aus Schnitten ent- nehmen können, wo eine Flächenverklebung und zugleich der alte noch offene Kammerwinkel bestand. Die Ver- mehrung der Glaskörperflüssigkeit drängt das ganze Linsen - System nach vorn, mit ihm die Iris. Die Schwellung des Ciliarkörpers und der Ciliarfortsätze verkürzt deren Abstand vom Linsengleicher, wodurch die Zonula erschlafft und die Verschiebung der Linse nach vom er« leichtert wird. Zu dem wird die Linse convexer. Alle diese Umstände vereinigen sich, um die vordere Kammer seichter zu machen, in welcher ein geringerer Druck herrscht mathematisch genommen , da hier eine ge- ringere Transsudation stattfindet, als von Seiten der hintern Uvea, Die Summe des Ganzen ist eine Vermehrung des Bulbusinhalts unter dem Einflüsse des fortwirkenden Ar- teriendrucks, welchen das Abströmen des venösen Blutes durch die verengten Emissarien nicht mehr ganz paralysirt,

128 E. Zirni.

bis die vermehrte Spannung der Bulbuskapsel durch Ver- mehrung der Widerstände schliessHch auch eine Verlang- sHinung des Arterienblutstromes herbeiführt, als dessen Aus- druck im Präparat vielleicht die gleichfalls vorhandene zellige Infiltration der Arterienwand zu deuten ist

Etwas älter als die Veränderungen an den Emissahen sind diejenigen, welche die oben Iwschriebene durch Granu- lationsgewebe substitiürte Stelle der Aderhaut in der hin- tern äquatorialen Zone betreffen, und ausserdem die weiter vorgeschrittene Entzündung am intrabulbären Abschnitte des Sehnerven.

Wenn wir dem histologischen Befunde die klinischen Erscheinungen gegenüber halten, fällt es wohl nicht schwer, zu erkennen, welche Veränderungen mit einander correspon- diren. Die älteren Veränderungen beziehen sich in beiden auf die Entzündung der Iris und des Strahlenkörpers, deren vielleicht specifische Natur histologisch nicht zum Ausdruck kommt und auch für die Beurtheilung der wei- teren Consequenzen nicht von Belang ist, von der aus Granulationsgewebe bestehenden Parthie der mittleren Ader- haut abgesehen, welche wohl als ein Gumma oder eine Papel zu deuten ist. Am 4. Tage der Krankengeschichte tritt zuerst Drucksteigerung auf, welche auf Iridektomie zurückgeht, worauf sich die Hornhaut bis zur Sichtbarkeit des Fundus und der bereits geschwollenen Papille aufhellt die entzündlichen Erscheinungen schwinden, und die Ten- sion normal wird. So erhält sie sich bis zum 38. Tage, an welchem ein glaukomatöser Insult auftritt und von einer km^en Remission abgesehen rasch den Bulbus destruirt Am 88. Tage, also fünf Tage nach dem Be- ginne des acuten glaukomatösen Anfalles erfolgte die Enucleatio bulbi. Während nun die erste geringere Tensionsvermehrung, welche durch die Iridektomie ver- schwand, wohl auf noch ausgleichbare Circulationsstörungen, tür die der histologische Nachweis fehlt, ziu'ückzufuhren ist,

Ein Beitrag zur Anatomie des entzündlichen Glaukoms. 129

liegt die Ursache des 5 Tage vor der Enucleation erfolgten Glaukomanfalls zweifellos in den zuletzt erst hinzugetretenen Veränderungen an den Emis- sarien und dem äquatorialen Abschnitt der Chori- oidea, welchen sich ihrer Beschaffenheit nach ein annähernd gleichlanger Bestand zusprechen lässt

Es erübrigt noch die Besprechung einiger Details. Es erschien mir im ersten Anfang als ein Paradoxon, dass im Gebiete der am meisten stenosirten unteren äusseren AVirbelvene eine schon makroskopisch deutUch erkenn- bare geringere Füllung ihrer Sammelvenen vorhanden war. AVenn man sich aber vor Augen hält, dass das gesammte Venenstromgebiet der Aderhaut bei seinen zahllosen Ana- stomosen wie ein Gefäss sich verhält, in. welchem unter allen Umständen überall der gleiche Binnendruck ob erhöht oder nicht herrschen muss, so wird es klar, dass die nach jedem Emissarium zu drängende Blutmenge sich genau nach den dort herrschenden Austrittsmöghchkeiten reguliren muss.

Die auffallend veränderte Configuration der hinteren Kammer wurde bereits hervorgehoben. Die Annäherung der geschwellten Ciliarfortsätze an die Irishinterfläche, deren Druck nach vom Birnbacher die Entstehung der flächen- haften peripheren vorderen Irissynechie zuschreibt, konnte ich in meinem Falle durchaus nicht constatiren. Vielleicht war dieses Stadium bereits vorüber.

Unter einem abgerundeten rechten Winkel biegt je- doch hier die Iris von den Ciliarfortsätzen nach vom aus, so dass ich nach den Präparaten viel eher den Eindmck gewinnen muss, dass hier in vivo angestaute Flüssigkeit diese Veränderungen bewirkte. In der dadurch verursachten Einengung der Abflusswege im Kammerfalz ist jedenfalls ein weiteres im fehlerhaften Kreise zu Stande gekommenes Moment zu sehen, wodurch sich die einmal erzeugte Ver- mehrung des Bulbusinhaltes resp. des Binnendruckes sta-

V. Gnefe'8 Archir fQr Ophthalmologe. XLI. 4. 9

130 E. Zirm.

bilisirte. Sollte nicht die Wirkung der Myotica zum Theil dahin gehen, da.ss sie durch Anspannung der Iriswurael abfiusserleichtemd diesen secundären Folgen entgegenwirken?

Die stiirkere Abflachung des Linsenäquators beschreibt auch Birnbacher.

Das Uebergreifen der Entzündung von der vorderen auf die rückwärtigen Abschnitte der Uvea ist wohl nicht als ein continuirüches zu denken. Da die Veränderungea vorzugsweise noch die Gefässe und ihre Umgebung be- treffen, ist wohl nur ein auf den Nervenbahnen über- tragener vasomotorischer Reiz als Vermittler vorstellbar. Beziehen sich ja die Veränderungen innerhalb der Sklera nicht auf die Wirbelvenen allein, sondern fast ebenso auf die übrigen Gefässe, welche die Sklera passiren. Bleibt nun das Uebergreifen der Entzündung auf die Conjunctival- und Episkleralgefässe z. B. nahezu belanglos, so führt es wegen der eigenartigen anatomischen Umstände an den Wirbelvenendurchlässen zu Druckvermehi-ung. Dass somit schon in den Anschoppungen zahlreicher Aderhautcapillaren und noch mehr in den Wandschwellungen an den Emis- sarien eine der Ursachen gelegen ist, welche acutes Glaukom herbeiführen können auf welches Moment V. Stellwag bereits hinwies, bevor noch histologische Be- funde vorlagen ist nach dem Vorausgehenden wohl zweifellos. Dass ein Fall mit so hochgradigen Verände- rungen an den Abflusswegen zu den durch Iridektomie irreparablen gehört, bedarf keiner weiteren Begründung. Bei den heilbaren können diese Veränderungen unmöghch so weit greifen.

Noch hervorheben möchte ich einem eventuellen Ein- wände gegenüber, dass die Iridektomie in meinem Falle der Enucleation um 28 Tage vorausging, also auf die Ver- änderungen, um welche es sich hier hauptsächlich gehandelt hat, wohl ohne Einfluss war.

Inwieweit die durch entzündliche Infiltration

Ein Beitrag zur Anatomie des entzündlichen Glaukoms. 131

jedenfalls hervorgerufene Elasticitätsverminderung der Sklera bei der Entstehung der Druckvermehrung mitwirkte, entzieht sich meiner Beobachtung. Schliesslich möchte ich noch hervorheben, dass es sich bei den geschilderten Ver- änderungen an den Emissarien sicher um wahre Gefäss- veränderungen gehandelt hat, durch welche die umgeben- den Lymphbahnen nur in zweiter Linie in Mitleidenschaft gezogen sein konnten.

Schlussbemerkungen.

Ich weiss wohl, dass gegen meine Auffassung von der Entstehung der Verwachsung zwischen Cornea und Iris zwei Einwendungen erhoben werden können: erstens die vorausgegangene Eröffnung der vorderen Kammer durch Iridektomie, zweitens die Möglichkeit des Ausweichens der Flüssigkeit aus der hinteren Kammer in die vordere durch die Iris und an der Pupille vorüber. Gegen den ersteren an sich sehr berechtigten Einwand, möchte ich geltend machen, dass die vordere Kammer nach Eröffnung sich ja bekannt- lich sehr rasch wiederherstellt, wodurch die Iris in ihre frühere Lage zurückkehrt, ohne genügend Zeit zu finden mit der Hornhaut zu verkleben; gegen den letzteren Einwand möchte ich hervorheben, dass sich ausgedehnte Verklebungen zwischen der Linse und der verdichteten Iris gewöhnlich ausbilden, wovon wir uns so ziemlich bei jeder Iridektomie bei acutem Glaukom überzeugen können. Birnbacher erklärt das in seinem Falle beobachtete Vorrücken der Ciliaifortsätze durch die Abrundung des Linsenäquators. Mir erschiene dieses Moment hierzu nicht ausreichend genug. Wenigstens in meinem Falle waren dieCiliarfortsätze nicht nach vom gezogen, obwohl ihre durch Messung constatirte gegenseitige Annähe- rung der Linse einen noch freieren Spielraum im Sinne des Vorrückens gegeben hatte.

Wenn ich in den Veränderungen der Chorioidea die im Werden begriffene zellige Infiltration sehe, glaube ich

132 E. Zirm.

hiermit nicht fehlgegangen zu sein. Der Befund deckt sich nicht mit der Annahme einer bloss serösen Chorioiditis. Die seröse Durchtränkung des Gewebes findet in der ve- nösen Stase ihre ungezwungene Erklärung. Die letztere war eine unausbleibliche Folge der Veränderungen an den Emissarien, welche eine incompensable Verminderung ihres Gesammtlumens nach sich ziehen mussten. Wenn somit die Blutabfuhr aus dem Augeninnem eine zweifellos verringerte war, ergiebt sich die Herkunft der Drucksteige- rung aus dem üeberdrucke des Arterienstroms von selbst. Es ist merkwürdiger Weise noch immer nicht allgemein anerkannt, dass die Druckquoten sammt und sonders ein- schliesslich des Druckes in den Venen- und Lymphbahnen nur Derivate des Herzdruckes sind. Ist es denn denkbar, dass innerhalb eines rings abgeschlossenen Gebietes, wie es das Auge durch die Bulbuscapsel ist, ein behindertes Ab- strömen bei ungehindertem Zuströmen des Blutes ohne Vermehrung des Binnendruckes abgehen kann? Dass hier- bei Verengerungen an den Venen ein viel grösseres Ge- wicht beizulegen ist, als etwa Veränderungen an den an- dern Abfluss wegen, den Lymph wegen, sollte nicht zweifel- haft sein. Diese Veränderungen als solche erscheinen mir zur Erklärung der glaukomatösen Drucksteigerung schon diurh- aus genügend. Ich glaube nicht, hierzu, wie es Birn- b ach er thut, noch der durch Chorioiditis bewirkten Trans- sudationen nöthig zu haben, welche mir vielmehr, wie bereits erwähnt, als uuerlässHche Folgen, nicht als Ur- sachen der Druckvermehrung erscheinen. Ich will jedoch hier immer nur in Bezug auf meinen Bulbus gesprochen hal>en, ohne damit leugnen zu wollen, dass anderen Fällen andere Modahtäten zu Grunde hegen können. Es ist ja wohl zweifellos, dass wir in dem vielgestaltigen Bilde des glauko- matösen Processes und bei der Mannigfaltigkeit der patho- logischen Vorgänge und anatomischen Verhältnisse nicht auf eine einzige allen zu Grunde hegende Ursache werden

Ein Beitrag zur Anatomie des entzündlichen Glaukoms. 133

rechnen können. Glaukom = Vermehrung des Bulbus- inhalts oder, was gleichbedeutend ist, des Binnendruckes ist nicht mehi' als ein khnisches Symptom, welches als Con- sequenz verschiedenartiger Erscheinungen auftreten dürfte. Ich möchte nun ziun Schlüsse noch bemerken, dass wohl nicht geleugnet werden kann, dass der Blutdruck in den CapiUaren und kleineren Venen der Aderhaut dem intraocularen Druck äquivalent ist oder richtiger ihn re- präsentirt Es wäre demnach eine Transsudation aus diesen Gefässen wieder nur unter Zunahme des in ihnen herr- schenden Blutdruckes gegenüber dem Aussendrucke an- nehmbar und zwar bis zum Ausgleiche dieser Differenz. Diese Zunahme ist nur durch das Auftreten von Strom- hindemissen denkbar wie Leukocytenansammlung, G^fäss- verengerung. Es steht somit Secretion und Excretion nie- mals ausser Zusammenhang mit dem Binnendruck in den Gefässen.

Erklärung der Abbildungen auf Taf. III, Fig. 1—3.

Fig. 1. Mitte des äusseren unteren Emissariums. Oc. 3, Obj. 4

(Hartnack). Fig. 2. Dasselbe Emissarium mit Endothelwucherung. Oc. 3, Obj. 7

(Hartnack). Fig. 3. Chorioidea vor dem oberen inneren Emissarium. Oc. 4,

Obj. 7 (Hartnack).

Unter welchen Umständen

erscheinen Doppelbilder in nngleichem Abstände

Tom Beobachter?

Von

Dr. Richard Fröhlich, ABsistenten an Dr. A. E. Fick's Poliklinik in Zürich.

Mit 5 Figuren im Text.

Die auf folgenden Blättern geschilderte Untersuchung ist von Herrn Dr. A. E. Fick und mir gemeinsam aus- geführt worden. Herr Dr. Pick hat mir die Veröflfent- lichung derselben freundlichst überlassen, wofür ich ihm meinen besten Dank sage.

I.

Kranke, die an Doppeltsehen leiden, geben zuweilen ganz von selber an, dass ihnen das eine Bild eines ge- wissen Gegenstandes näher vorkomme als das andere. Als erster hat vonGraefe^) auf diese Erecheinung aufmerksam gemacht Mit ihrer Erklärung haben sich ausser ihm noch Alfr. Graefe*), Förster*), Nagel*), Mauthner*) und in

») V. Graefe's Arch. f. Ophthalm. I. 1, p. 68.

•) ibid. VII. 2, p, 109.

') 37. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterländische Cultur. Med. Abth. 1859, p. 11.

*) V. Graefe's Arch. f. Ophthalm. VIII, p. 368.

^) Die Lehre von den Augenmuskell&hmungen. Wiesb. 1889. p. 500.

Unter welchen Umständen erscheinen Doppelbilder etc. 135

neuester Zeit Sachs *) beschäftigt. Schon die Ueberschriften ihrer Arbeiten lassen vermuthen, dass es sich in der Mehr- zahl aller Fälle, bei denen Näherstehen eines der Doppel- bilder angegeben wird, um „höhendistante" Doppelbilder handelt, und zwar erscheint in der S/egel das untere der beiden Bilder nälier.

Indess kommt das scheinbare Näherstehen keineswegs bloss bei höhendistanten Doppelbildern vor. Man läuft also Gefahr, auf Irrwege zu gerathen, wenn man, wie bis- her meistens geschehen, das Nähererscheinen des einen von zwei höhendistanten Doppelbildern, und nicht das Näher- erscheinen des einen von zwei Doppelbildern überhaupt als die zu erklärende Erscheinung betrachtet

Ehe ich meine Ansichten in dieser Frage darlege, will ich einige Bemerkungen vorausschicken über die Mittel, die zur Schätzung des Abstandes eines erschauten Gegen- standes zu Gebote stehen, wenn wir den Gegenstand so- wohl als den Beobachter und seine Augen ruhend denken.

Wenn ein heller Gegenstand der Aussenwelt auf der Netzhaut eines gesunden Auges sich abbildet, so hat der betreffende Mensch nicht etwa eine Empfindung im Auge, sondern eine Wahrnehmung in der Aussenwelt, mit anderen Worten, er verlegt das Netzhautbild in den äusseren Raum. Ob dies vermöge einer angeborenen Eigen- schaft unseres Sehorgans oder vermöge einer erleniten Thätigkeit des Gehirns geschieht, kommt für unseren Vor- wurf nicht in Betracht. Unsere Aufgabe beschränkt sich darauf, die Mittel zu untersuchen, mit deren Hilfe man einem erschauten Dinge auf der ProjectionsUnie einen ge- wissen Ort anweist, mit anderen Worten sich eine (richtige oder falsche) Vorstellung von der Entfernung des Dinges bildet

») y. Graefe's Arch. f. Ophthalm. XXXVIII. p. 193.

136 R- Fröhlich.

Die werthvollsten Anhaltspunkte über den Abstand eines Dinges sind vorhanden, wenn es sich in einem, mit wohlbekannten Gegenständen angefüllten Gesichtsfelde be- findet (1). Sobald man sich in einer fremden Umgebung befindet, wird das Urtheil über Abstände sehr unsicher. In dieser Lage befinden sich z. B. Bewohner der Ebene, die gezwungen sind Entfernungen im Hochgebirge zu schätzen.

Wenn die Umgebung eines Gegenstandes überhaupt nicht mit sichtbaren Dingen ausgefüllt ist, so z. B. wenn wir einem in die Lüfte aufsteigenden Luftscliififer nach- blicken, so sind wir lediglich auf die Grösse des op^i- tischen Bildes (2) angewiesen, das von dem Luftschiflfer auf unserer Netzhaut entsteht FreiKch können wir aus der Grösse des Netzhautbildes nur dann einen brauchbaren Schluss ziehen, wenn es sich um einen uns bekannten Gegenstand handelt So wird man den Abstand des Luft- schiffers noch einigermaassen richtig schätzen, so lange die Figur des Luftschiffers zu sehen ist; sobald dies nicht mehr möglich ist, wird die Schätzung ganz unsicher, da Luftballons eine auch nur einigermaassen gleichmässige Grösse nicht besitzen.

Ist der Gegenstand nicht in bekannter Umgebung, so giebt uns die Erkennbarkeit seiner Grenzen oder einzelnen Theile(3) einen Anhaltspunkt Wenn man z.B. durch einen Nebelflor nach einem Baum blickt, so giebt die grössere oder geringere Deutlichkeit, mit der man Aeste, Blätter, die Rinde und andere Einzelheiten erkennen kann, noch einigermaassen einen Anhaltspunkt für die Beurtheilung des Abstandes.

In ähnlicher Weise kann aus der scheinbaren Helligkeit (4) eines Gegenstandes^) auf seine Entfernung

*) Die unter (3) und (4) erwähnten Umstände werden gewöhn- lich unter dem Namen der „Luftperspective*' zusammen behandelt

Unter welchen Umständen erscheinen Doppelbilder etc. 137

geschlossen werden, indem (unter gewissen Voraussetzungen) ein Gegenstand auf kurzen Abstand heller aussieht als auf weite Entfernung. Da dieser Satz mit einem Grundgesetz der Photometrie in Widerspruch zu stehen scheint , so be- darf er einiger Worte der Erläuterung. Nimmt man zwei gleich grosse Blätter von derselben Papiersorte, belichtet sie beide gleichmässig und gleichstark und betrachtet sie, das eine aus 1 m, das andere aus 2 m Abstand , so wer- den sie beide gleich hell erscheinen. Der Grund der Er- scheinung liegt auf der Hand. Beide Blätter senden die gleiche Lichtmenge aus. Von dem weiter entfernten kommt nur dem vierten Theil soviel licht in das Auge, als von dem näheren Blatt; andererseits erzeugt das fernere Blatt ein nur den vierten Theil so grosses Netzhautbild als das nähere; mithin wird jeder Punkt des grossen Netzhautbildes vom nahen Blatt und des kleinen Netzhautbildes vom fernen Blatt gleich stark belichtet sein. An diesem Sachverhalt yrird nun offenbar gar nichts geändert, wenn ich neben das eine Blatt ein zweites oder drittes halte; auch sie wei-den gleich stark belichtete Netzhautbildchen liefern, mit anderen Worten die Grösse des näheren und ferneren Blattes darf beliebig sein und hat auf die scheinbare Helligkeit keinen Einüuss.

Dieser Versuch beweist aber durchaus nicht, dass unter allen Umständen zwei objectiv gleich helle Gegen- stände trotz verschiedenen Abstandes dem Beobachter gleich hell erscheinen müssen. Denn die eben beschriebene Ver- suchsanoi*dnung ist nicht geeignet, alle mitwirkenden Um- stände zur Geltung kommen zu lassen. Es kommt nämlich noch dreierlei in Betracht Wenn wir die beiden Gegen- stände statt in 1 m und 2m, in Im und 1000 m Ent- fernung aufstellen, dann darf die Absorption des Lichtes durch die Luft (Luftperspective), besonders aber durch den in der Luft schwebenden Staub nicht unberücksichtigt bleiben. Unter diesen Umständen wird also die Helligkeit

138 R. Fröhlich.

eines Gegenstandes schneller abnehmen, als das Quadrat seiner Entfernung zunimmt, während die Abnahme des Netzhautbildchens dem Quadrate der Entfernung nach wie vor umgekehrt proportional ist

Es kommt femer in Beti^acht, dass unter passenden Bedingungen eine Einwirkung einer beUchteten Netzhaut- stelle auf die ihr benachbarten Stellen nachweisbar ist. Denn ein Gegenstand, der zu lichtschwach ist, um im Dunkelzimmer wahniehmbar zu sein, wird sofort sichtbar, wenn man eine Anzahl ganz gleicher Gegenstände in seiner Nähe aufstellt. Das Belichten einer Netzhautstelle bewirkt also, dass jetzt in der Nachbarschaft vom gleichen Reiz eine stärkere Wirkung hervorgebracht wird als zuvor; was von getrennten Notzhautstellen gilt, gilt natürUch für an- einanderstossende erst recht.

Mithin ist bei grossem Netzhautbild die Sachlage günstiger als bei kleinem Netzhautbilde von gleicher ob- jectiver Lichtstärke. Andererseits darf aber auch nicht ver- hehlt werden, dass die Pupillengrösse ein Umstand ist, der in umgekehrtem Sinne wirkt, d. h. geeignet ist, den fernen Gegenstand heller, den näheren dunkler erscheinen zu lassen. Denn, unter sonst gleichen Bedingungen, wird die Pupille weit beim Bück in die Feme, eng beim Blick in die Nähe.

Uebrigens lässt sich der Satz, dass von zwei gleich hellen Gegenständen der weiter entfemte weniger hell er- scheint, durch Versuche beweisen. Einen Versuch kann man auf der Strasse anstellen. Man betrachte Nachts in einer recht langen Strasse die Gasflammen; die am weite- sten entfernten erscheinen zugleich weniger hell als die näheren. Oder man stelle im Dunkelzimmer zwei gleich grosse mit Leuchtfarbe bestrichene und gleich stark leuchtende Brettchen auf; das nähere erscheint entschieden heller als das fernere.

Unter weldien Umständen erscheinen Doppelbilder etc. 139

Bei diesem zweiten Versuch kann es sich unmöglich, wie es bei dem Latemenversuch vielleicht der Fall ist, um „Luftperspective" handeln, sondern nur um „gegenseitige Unterstützung benachbarter Netzhautstellen". Wenn dieser Schluss richtig ist, so müssen auch gleich helle Gegen- stände in der nämUchen Entfernung ungleich hell er- scheinen, falls sie ungleich gross sind. Das ist auch in der That der Fall, wie sich folgendermaassen leicht be- weisen lässt. Man schneide sich aus demselben Papier- bogen ein kleines und ein grosses Geviert oder Rechteck, z. B. das kleine 1,8 cm lang und 1,1 cm breit, das grosse 36 cm lang und 22 cm breit. Diese beiden weissen Flächen klebe man in 38 cm Abstand von einander auf einem ge- meinsamen dunklen Grund und stelle den Grund mit den zwei weissen Objecten so auf, dass alles gleichmässig be- leuchtet ist Nun stelle man eine Person den Objecten auf 4 m Abstand gegenüber und frage sie, welches der beiden weissen B/Cchtecke ist heller, das kleine oder das grosse? Von 24 Personen, die ich in dieser Weise befragte, erklärten 21 das grosse Rechteck für das hellere, zwei das kleine und eine Person erklärte beide für gleich hell. Mir schien dies Ergebniss völlig überzeugend, besonders da auch mir selber das grosse Blatt entschieden heller erscheint als das kleine. Ich bezweifle aber gar nicht, dass man durch planmässiges Aendem der Grösse, Helligkeit und des gegen- seitigen Abstandes der zwei weissen Flächen und der Dunkelheit des Grundes die Versuchsbedingimgen noch gün- stiger gestalten und das grössere weisse Feld jedem Be- obachter heller erscheinen lassen könnte.

Die beiden letzten Versuche berechtigen uns zu dem Satz, dass die Helligkeit eines Dinges vom Beobachter in erster Linie allerdings nach der objectiven Helligkeit der Elemente des Netzhautbildchens abgeschätzt wird, dass aber auch die Grösse des Netzhautbildchens einen nachweisbaren Einfluss hat, oder anders ausgedrückt: die

140 R- Fröhlich.

absolute Menge des zum Netzhautbildcfaeu verwendeten Lichtes. Da nun der Mensch, einerseits wegen dieser That- sache, andererseits wegen der Luftperspective von Jugend auf tausendfältige Gelegenheit hat zu bemerken, dass ferne Dinge (unter sonst gleichen Bedingungen) weniger hell er- scheinen als nahe, so wird er auch umgekehrt geneigt sein, von zwei sonst gleichen Dingen das hellere für näher zu halten, vorausgesetzt, dass es an anderen Umständen zur Beurtheilung der Sachlage gerade fehlt Hierauf beruht z. B. die bekannte Thatsache, dass man nächtUchen Feuer- schein, Laternen, Leuchtthürme und ähnliche stark leuchtende Gegenstände gewöhnlich viel zu nahe schätzt

Mit den vier aufgezählten Umständen sind aber die Mittel zur Abschätzung von Entfernungen nicht erschöpft. Es stehen uns noch Accommodation (5), Convergenz (6) und das Binocularsehen (7) zur Verfügung. Die letztgenannten drei Mittel sind aber aus naheliegenden Gründen nur für kurze Abstände zu brauchen, leisten dann freilich auch mehr als die Umstände (1) bis (4) zusammengenommen, wie bezügUch (7) durch Hering's Fallversuch leicht bewiesen werden kann.

IL

Es fragt sich, welche der aufgezählten Umstände für die Erklärung des Näherstehens eines Doppelbildes in Be- tracht kommen können. Zweifellos ist das bezüglich des ersten Umstandes der Fall. NageP) hat das Verdienst als erster durch völhg überzeugende Versuche dargethan zu haben, dass die Umgebung des in Doppelbildern er- scheinenden Gegenstandes entscheidet, ob das tiefere der beiden Bilder näher, gleichweit oder sogar ferner er- scheint als das obere. Der Versuch ist folgendermaassen anzuordnen. Man nehme einen auffallenden kleinen

») a. a. 0.

Unter welchen Umständen erscheinen Doppelbilder etc. 141

Gegenstand, dessen Doppelbilder leicht wahrzunehmen sind und bringe ihn in eine Umgebung, die so wenig auffallend ist, dass ihre Doppelbilder sich nicht von einander sondern; so z. B. eine weisse Kugel auf einer matten und wenig hellen Tischplatte. Betrachtet man jetzt die weisse Kugel, indem man vor das eine Auge, z. B. das linke, ein Prisma mit der brechenden Kante nach unten hält, so bemerkt man nur eine Tischplatte, aber zwei weisse Kugeln, und zwar erscheint die Kugel des linken Auges, die auf der oberen Netzhautoberfläche abgebildet ward, nicht etwa unter der des anderen, sondern vor ihr auf derselben Tischplatte zu hegen, also dem Beobachter näher.

Lässt man die Kugel an einem Faden von der Decke des Zimmers herab frei in der Luft schweben, so erscheint die Kugel des Unken Auges senkrecht unter der des rech- ten an dem gleichen Faden zu hängen, also in horizon- taler Richtung beide gleichweit vom Beobachter entfernt

Endhch, zieht man die Kugel an dem Faden in die Höhe, bis an die Decke oder wenigstens in ihre Nähe, und betrachtet sie, während das Prisma in gleicher Lage bleibt, so erscheint die Kugel des linken Auges jetzt hinter der des rechten an der Decke zu schweben; die „untere" Kugel ist also jetzt zur ferneren geworden. Da die Lage des Prismas unverändert blieb, ist bei Fixation mit dem rechten Auge auch die Lage des Bildes der Kugel im Unken Auge dieselbe gebUeben : die Kugel bildet sich im Unken Auge auch jetzt noch auf der oberen Netzhauthälfte ab.

Diese Versuche fallen ganz gleich aus, einerlei ob die Doppelbilder der Kugel durch Vorhalten eines Prismas vor ein Auge oder durch Verschieben eines Auges nach oben oder unten mittelst eines Fingers oder endUch durch Läh- mung eines hebenden oder senkenden Augenmuskels her- vorgebracht sind.

142 R. Fröhlich.

Diese, je nach der Umgebung ganz verscliiedene Pla- cirung der unteren Kugel schreibt Nagel einer „Thätigkeit des Verstandes" zu. Wenn das rechte Auge die weisse Kugel an ihrem wirklichen Ort auf der Tischplatte sieht, das linke Auge aber wegen des Prismas ein Netzhautbild oberhalb seiner Fovea centralis empfängt, so ist über die Richtung, in der das Trugbild nach aussen verlegt wird, eindeutig verfügt; dagegen ist es dem „Belieben des Ver- standes" anheimgestellt, wie weit er das Trugbild der Kugel auf der feststehenden Projectionslinie hinausschieben will. Nun sagt sich der Verstand, unter der undurchsichtigen Tischplatte kann sich ja die zw^eite Kugel nicht befinden, sonst wäre sie nicht sichtbar; also wird sie wohl da liegen, wo die ProjectionsUnie die Tischkante schneidet, d. h. vor der wirkUchen Kugel. Wenn dagegen die Kugel an einem Faden frei von der Decke in das Zimmer herabhängt, dann fällt ein Grund für das Vorrücken des Trugbildes fort, und man sieht sie senkrecht unter der ersten, an einem Punkt, auf den der Faden hinweist Dass der „Verstand" so verständige Ueberlegungen anstellt, ist ja recht ein- leuchtend; dass aber diese sich unbewusst in uns abspielen- den Ueberlegungen bei uns eine Vorstellung erzwingen, von der wir wissen, dass sie Trug ist, das ist eine höchst wunderbare Thatsache, deren Erklärung eine Aufgabe für sich bildet.

Der NageTsche Versuch ist von den späteren Bear- beitern der Frage bestätigt worden. Ja, Mauthner hat noch gezeigt, dass man ihn mit dem gleichen Erfolg auch einäugig anstellen kann. Man braucht nur das eine Auge zu schliessen und mit dem anderen nach der Kugel zu blicken, während man ein Prisma so vor das Auge hält, dass die obere Hälfte der Pupille vom Prisma gedeckt, die untere frei bleibt Man sieht dann die Kugel einäugig doppelt und die Doppelbilder ebenso angeordnet, wie es die eben angeführten „verständigen" Entsagungen verlangen.

Unter welchen Umständen erscheinen Doppelbilder etc. ]43

Des Weiteren hat Sachs*) Versuche angestellt, die beweisen, dass das Näher- oder Femererscheinen des einen Bildes an Tiefer- oder Nähei-stehen durchaus nicht gebun- den ist was ja aus dem Nagel 'sehen Versuch schon hervorging. Sachs stellt sich an das luitere Ende einer Treppe und betrachtet die auf einer der oberen Stufen aufgestellte Kerze, während er vor das rechte Auge ein Prisma mit abwärts gerichteter Kante hält; dann sieht er eine Treppe und zwei Kerzen und zwar steht die Kerze des rechten Auges einige Stufen tiefer und somit dem Beobachter näher. Hierauf stellt Sachs die Kerze auf eine der unteren Stufen, begiebt sich auf die oberste Stufe und blickt, in gleicher Weise wie vorhin mit dem Prisma bewafihet, treppab: jetzt erscheint die Kerze seines rechten Auges einige Stufen höher und natürlich wiederum näher am Beobachter. Man kann nicht wohl schlagender be- weisen, dass das Näherstehen des einen Doppelbildes mit seinem Hoch- oder Tiefstehen gar nichts zu thun hat Andererseits hat aber Sachs das Gewicht des NageTschen Vei^suchs und seiner eigenen Bestätigung desselben da- durch etwas vennindert, dass er noch zwei andere Um- stände zur Erklärung des Näherstehens eines Doppelbildes herbeizieht

Ehe wir uns mit diesen weiteren Umständen befassen, die etwa auf die Stellung des Trugbildes Einfluss haben könnten, wollen wir aus Nagel's Versuch und Versuchs- deutung folgern, dass auch bei bloss seitlichen Doppel- bildern ein Näher-, bezw. Femerstehen des Trugbildes hervorzubringen sein muss, wenn der Versuch passend an- geordnet ist Die Bichtigkeit dieser Folgerung ist durch folgende Versuche leicht zu beweisen.

Man stelle sich einen halben Cylindermantel (Fig. 1) aus Pappe her, beklebe ihn mit rothem Papier und klebe

«j a. a. 0., p. 205.

144

R Fröhlich.

auf die Mitte der hohlen Seite einen Streifen grünen Pa- piers. Nun bewaffne man das linke Auge mit einem grünen Glas und mit einem genügend starken Prisma in Ab-

ductionslage (Kante schläfenwärts). Dann sieht das rechte Auge einen rothen Cyliuder- mantel nebst grünem Streif, das linke Auge aber den grünen Streif allein und zwar auf der Innenfläche des

Fig. 1.

vom rechten Auge gesehenen Cyhnders, also dem Beob- achter genähert

Klebt man einen grünen Streif auf die gewölbte Seite des Cylinders und stellt jetzt den Versuch in sonst gleicher Weise an, so sieht man zwei grüne Streifen neben- einander auf dem Cylinder. Rückt man aber, durch Ver- stärken des Prismas oder durch Zurückgehen vom Cylinder das Trugbild des hnkeu Auges weiter nach links, so dass es, um auf der Cylinderfläche zu bleiben, sich vom Beobachter beträchtlich entfernen müsste, so thut es dies nicht, sondern es scheint vor dem Cylinder in der Luft zu schweben. Es widerspricht eben unserer Erfah- rung nicht, ein Ding vor einer undurchsichtigen Wand zu sehen.

Da dieser Versuch also nur zum Theil das erwartete Er- gebniss lieferte, so muss man eine andere Anordnung treffen. In einfacher und sicherer Weise geUngt der Nachweis des Näher- oder Femerstehens seitendistanter Doppelbilder je nach den Verhältnissen der Umgebung sehr leicht durch folgenden Versuch. Man stelle sich (Fig. 2) an die Wand A und betrachte ein an der Wand C hängendes Bild R; vor das linke Auge lege man ein Prisma mit der brechenden Kunte nach aussen und fixire mit dem rechten Auge.

Unter welchen Umständen erscheinen Doppelbilder etc. 145

Dann scheint das Bild des linken Auges näher zu stehen (in L'). Tritt man jetzt in derselben Armirung an die Wand B und betrachtet, wieder mit dem rechten Auge fixirend das Bild JJ,

so erscheint jetzt , j^-

das dem linken Auge zugehörige Trugbild f e r n e r (in L").

Es war nicht überflüssig, diese Beeinflussung der Stellung seiten- distanter Doppel- bilder durch die Um- gebung durch be- sondere Versuche zu erweisen, ob- gleich sie aus dem Nagel'schen Ver- such mit Nothwen- digkeit zu folgen scheint Aber Na- gel selbst hat fol- gende Sätze aus A. Graefe's Ab- Fig. 2.

handlung angeführt

und dadurch die Gültigkeit seiner Anschauung ausdrückUch auf höhendistante Doppelbilder beschränkt Die Stelle lautet^): „Gleicht man bei bestehender Trochlearisparalyse. die Höhenunterschiede der Doppelbilder durch Prismen aus, so rücken beide gleichzeitig in ein imd dieselbe, mit der Gesichts- fläche parallele Ebene." Man müsste doch hinzufügen, sofeme

^) Nagel, a. a. 0. p. 384. ▼. Giuefe's Archiv für Ophthalmologie. XU. 4.

10

146 R Fröhlich.

man die Doppelbilder ursprünglich auf eine wagerechte Ebene projicirte und sich nichts in der Umgebung geändert hat Denn ändert man die Umgebung in der Weise ab, dass die „Projection" der Doppelbilder nicht mehr auf eine wage- rechte, sondern auf eine senkrechte, mit der Medianebene des Beobachters parallele Ebene erfolgt, so dürfte wohl das von A. Graefe bemerkte Gleichweiterscheinen der Doppel- bilder eben nicht mehr eintreten. Das Näherstehen ver- schwindet fi-eilich, wenn man vorher auf eine wagerechte Fläche projiciiie, und dann die Höhen di stanz ausgleicht; projicirt man aber auf eine lothrechte, zur Medianebene parallele Fläche, so muss man die Seitendistanz aus- gleichen, um die Bilder in dieselbe Entfernung zu bringen.

III.

Ist nun mit dem Nagerschen Versuche bezw. mit der von Nagel angenommenen zwangsweisen und unbewussten Verstandesthätigkeit alles erklärt?

Zur Beantwortung dieser Frage müssten Versuche angestellt werden, bei denen ein sichtbarer Gegenstand ganz allein, im sonst völlig dunklen Gesichtsfelde doppelt gesehen wird. Von derailigen Versuchen ist meines Wissens bis jetzt in den Fachschriften nichts zu finden.') Wir haben sie deshalb und zwar in folgender Weise angestellt. Wir bestrichen Holzbrettchen von 10 cm Länge und 2,5 cm Breite mit I^euchtfarbe. Wenn man ein solches Brettchen eine Zeit lang dem zerstreuten Tageslicht aussetzt und dann ins Dunkelzimmer bringt, so hat man wirklich „einen hellen Gegenstand im sonst dunklen Räume*'. Die Ver- suche ergaben nun, dass die Ortsbestimmung eines Gegen- standes ohne das Hilfsmittel einer sichtbaren Umgebung

*) Sachs hat sie anstellen wollen, indem er (a. a. 0., p. 206) seine „Versuche mit einer brennenden Kerze im sonst dunklen Raum" aus- führte. Es liegt aber auf der Hand, dass ein Zimmer nicht mehr dunkel ist, wenn eine Kerze in ihm brennt. Die Bedingungen sind jetzt grundsätzlich nicht anders als bei NagePs Versuch.

Unter welchen Umständen erscheinen Doppelbilder etc. 147

sehr unsicher ist. Wohl alle unsere Beobachter haben den Abstand des Brettchens viel zu gross, um einen, selbst um mehrere Meter zu gross geschätzt, sowohl bei ein- äugigem als zweiäugigem Betrachten. Dies widerspricht keineswegs der früheren Behauptung, dass Accommodation, Convergenz und Binocularsehen die werthvoUsten Hilfe- mittel der Tiefenlocalisation sind. Denn bei unseren Ver- suchen handelt es sich um Abstände von mehr als einem Meter und um so unscharf begrenzte Gegenstände, dass der wichtigste Anhaltspunkt für genaue dioptrische Ein- stellung nicht zur Geltung kommen konnte.

Nun legen wir vor das linke Auge des Beobachters ein Prisma mit der Kante nach unten; wir fordern den Beobachter auf, das höherstehende Bild (das des rechten Auges) zu fixiren und fragen ihn, ob das tiefere Bild (das des linken Auges) in derselben Erontalebene stehe wie das höhere, oder aber vor oder hinter dieser Frontalebene. Die Antwort fällt nicht immer gleich aus; doch wird in der Mehrzahl der Fälle angegeben, dass das tiefere Bild näher, oft beträchtlich näher stehe, d. h. also diesseits einer, durch das höher stehende Bild gedachten Frontalebene ^). Nun kehren wir das Prisma vor dem Unken Auge um, so dass die Kante nach oben schaut, das Bild des linken Auges also über dem des rechten erscheint; wir fordern den Beobachter auf, das untere Bild zu fibciren und eine An- gabe über den Ort des oberen zu machen; die Antwort lautet jetzt, dass das obere näher stehe.

Entsprechende Versuche mit Prismen in Ad- und Ab- ductionslage *) lehren, dass das excentrisch gesehene Bild in der B/Cgel für näher gehalten wird!

*) „Näher" und „ferner" wird hier immer nur in diesem Sinn gebraucht und damit nichts ausgesagt über die geradlinige Entfer- nung der Bilder vom Auge des Beobachters.

*) Selbstverständlich müssen hier so starke Prismen gewählt wer- den, dass sie nicht mehr durch Gon-, bez. Divergenz zu überwinden sind.

10*

148 R Fröhlich.

Wenn dieser Satz der richtige Ausdruck der That- sachen ist, so niuss die Erscheinung einäugig gerade so leicht zu beobachten sein, wie zweiäugig. Das ist auch wirklich der Fall. Man kann sich einäugige Doppelbilder Terschafifen durch ein Prisma, das die Pupille nur halb deckt Diese Anordnung ist aber nicht zweckmässig, weil es nicht wohl möglich ist, das Prisma gerade so zu halten, dass die Pupille genau halbirt ist; in Folge dessen sind die beiden Bilder von ungleicher Lichtstärke. Besser thut man, zwei ganz gleiche Gegenstände zu nehmen, einen davon einäugig fixiren zu lassen und dem anderen bald diese, bald jene Stellung in der Frontalebene des fiürten Gegenstandes zu geben. Der Beobachter, der selbstver- ständlich von der ganzen Versuchsanordnung keine Ahnung haben darf und mit verbundenen Augen an seinen Platz im Dunkelzimmer geführt wird, giebt dann in der Mehr- zahl der Fälle an, dass der excentrisch gesehene Gegen- stand sich vor der Frontalebene des fixirten befinde.

Wir wären somit zu dem völlig neuen imd unerwarteten Satze gekommen, dass das Nähererscheinen eines der Doppel- bilder (von dem Einfluss der Umgebung abgesehen) in der ungleichen Leistungsfähigkeit von Netzhautmitte undSeitentheilen derNetzhaut begründet sein muss.

Wodurch unterscheidet sich nun das centrale von dem excentrischen Sehen? Einmal dadurch, dass die Sehschärfe (und der Farbensinn) von der Netzhautmitte nach dem Rande zu abnehmen und dann zweitens dadurch, dass der Licht- sinn, gemessen dm*ch die Reizschwelle, auf allen zu excen- trischem Sehen benutzton Netzhautstellen um ein Vielfexihes grösser ist als in der Netzhautmitto '). Es hegt auf der Hand, dass die geringere Sehschärfe der Seitentheile der Netzhaut das scheinbare Näherstehen excentrisch gesehener Gegenstände nicht erklären kann; andererseits wird aber

*) Vergl. A. E. Fick, Studien über Licht- und Farbenempfin- dung. Pflüger's Archiv. Bd. 43. p. 441.

Unter welchen Umständen erscheinen Doppelbilder etc. 149

die geringere Sehschärfe der Seitentheile das Nähererschei- nen des excentrisch gesehenen Gegenstandes nicht hindern, weil wir ja durch die Erfahrung des täglichen Lebens ganz gut wissen, dass seitliche Gegenstände erst deutlich werden, wenn wir ihnen den Blick zuwenden und da obendrein der Versuch so angeordnet ist, dass die grössere Sehschärfe der Netzhautmitte nur sehr unvollkommen zur Geltung kommt; Einzelnheiten sind ja an dem leuchtenden Brett- chen durchaus nicht wahrzunehmen, und die Helligkeit, die allein das Ding sichtbar macht, erscheint ja bei dem excentrisch Gesehenen unbedingt grösser. Dass aber eben diese grössere Helligkeit als ein Zeichen grösserer Nähe aufgefasst werden kann, ist ja früher (S. 137, unter [4]) eingehend dargelegt worden. Und dass dies thatsächüch vorkommt, beweist eine Versuchsreihe bei einem Studenten, der am Schluss der Versuchsreihe ganz unbefangen sagte, er habe sich bei seinen Angaben über den Ort der Gegenstände nach ihrer ungleichen (schein- baren) Helligkeit gerichtet!

Diese Vermuthung, dass die grössere subjective Helhg- keit des excentrisch gesehenen Bildes die Ursache seines scheinbaren Näherstehens ist, haben wir nun durch grössere Versuchsreihen geprüft. Die Versuche wurden an 14 Herren (meist Studenten) angestellt, die einmal von Plan und An- ordnung der Versuche nichts wussten und uns durch ihren Bildungsgrad ruhiges Fixiren des angewiesenen Gegen- standes und unbefangenes Antworten auf die vorgelegten, niemals suggestiven (!) Fragen zu verbürgen schienen.

Erste Versuchsreihe. Mit Hülfe eines Prismas vor dem einen Auge wird den Beobachtern im Dunkelzimmer ein leuchten- des Holzbrettchen in DoppelbUdem gezeigt. Der Beobachter kennt weder Grösse noch Entfernung des Brettchens; er fixirt stets das gerade vor ihm befindliche Bild, während das andere mit Hülfe des Prismas nach unten, oben und aussen gerückt wird. Der Erfolg zeigt

150

R. Fröhlich.

Tabelle 1.

Stellung des

exoentiisch gesehenen

Bildes

im Oedchtafeld

unten . . , oben . . . . schläfenwärts .

Dm exoen irische Bild erscheint

I

nlher

19 mal 16

11

Im Ganzen

46 mal d. h. in 74,27o

femer

6 mal 5 0

10 mal d. hin 16,1 7o

I unbestimmt oder I ebenso weit wie das i fixirie BUd

Imal 3

_2

6mal d. h. in 9,7 7o

Zweite Versachsreihe. Die Beobachter schliessen ein Auge, mit dem anderen fixiren sie ein geradeaus vor ihnen auf- gestelltes Leuchtbrettehen, während ein zweites gleichgrosses und gleichhelles in der Frontalebene des fixirten an verschiedenen Orten gezeigt wird. Die hierbei eriialtenen Aussagen sind zu- Baminengestellt in

Tabelle 2.

Stellung des excentrisch gesehenen

Gegenstandes im einAugigen Gesichtsfeld

unten ....

oben

nascnwärts . . .

8chläfenwärt,s . .

Im Ganzen

I

Der excentrische Gegenstand erscheint

naher

24mal 24 19 21

ferner

unbestimmt o<ler

gleichweit wie

der fixirte

- ^ -^

1

10 mal

5 mal

5

4

6

10

3

10

88 mal,

24 mal, | 29 mal,

I d. h. in 62,4 7o j d. h, in 17 | d. h. in 20,6 7o

Dritte Versuchsreihe. Die Beobachter haben beide Augen offen und fixiren das gerade vor ihnen ersclieinende Biid^ während mit Hilfe von Prismen ein zweites excentrisdies Bild hen'orgerufen und durch Vorsetzen von blauen Gläsern vor das Prisma verdunkelt wird. Den Einfluss der Verdunkelung durch blaue Glasscheiben, bezw. den Einfluss der Aufhellung beim Wegnehmen der Glasscheiben zeigt Tabelle 3.

Aus dieser Tabelle 3 geht zunächst hervor, dass das excentrisch gesehene Bild bei Verdunkelung nicht mehr in der gleichen Procentzahl der Fälle als näher angegeben

Unter welchen Umständen erscheinen Doppelbilder etc. 151 Tabelle 3.

Stellung des excentrisch

Das excentrisch gesehene Bild erscheint

gesehenen Bildes

bei objectir geringerer

Helligkeit desselben

näher

femer

unbestimmt oder

gleichweit wie das flxlrte

unten ....

oben

schläfenwärts . .

7 mal 7 6

8mal 6 3

2 mal 2

4

Im Ganzen

20 mal, d.h. in 44,5 Vo

17 mal, d.h. in37,87o

8 mal, d. h. in 17,8%

wurde. Während es bei gleicher objectiver Helligkeit (d. h. bei grösserer subjectiver HelUgkeit gegenüber dem auf die Fovea fallenden Bilde) als näher erschien in 74 % der Fälle, erschien es jetzt, nach der Verdunkelung, nur noch näher in 44 ®/o der Fälle. Während die Angabe, dass das periphere Bild femer erscheine als das centrale in der ersten Anordnung objectiv gleich heller Bilder entschieden zu den Ausnahmen (16,1 *'/o) gehörte, ist die Zahl dieser Angaben jetzt so weit gestiegen (auf 37,8 ®/q), dass man sagen darf, die Angaben „weiter^* und „näher** erscheinen jetzt etwa in gleicher Anzahl, 37,8 % weiter und 44,5 ^/^ näher.

Vierte Versuchsreihe. Die Beobachter haben ein Auge geschlossen, mit dem anderen fixiren sie ein gerade vor ilmen aufgestelltes Ijcuchtbrettchen; ebensolche Leuchtbrettchen werden nacheinander oben, unten, schlafen- oder nasenwärts vom fixirten in dessen Frontalebene aufgeteilt, durch Vorsetzen von rauch- grauen Scheiben verdunkelt, beziehungsweise durch Wegnehmen der Scheiben aufgehellt. Den Erfolg dieser Helligkeitsänderungen zeigt TabeUe 4 (s. S. 158).

Aus dieser Tabelle 4 geht hervor, dass eine deuthche Stellungsänderung bei Aufhellung erzielt wurde in 87 unter 117 Versuchen, d. h. in 74,4 ^Jq. Als ein Näherrücken wurde diese Stellungsänderung angegeben 74 mal unter 87 Versuchen, d. h. in 85 ®/o, und nur in 15 ®/o als ein Femer- rücken.

152

R Fröhlich,

Tabelle 4.

Das excentriscb gesehene Ol^ect machte

durch die Aufhellung eine Scheinbewegung,

die ee

Keine Wirkung wurde durch

Aufhellung erzielt,

bes. die Angaben bUeben

unbestimmt

annäherte!)

▼om Beobachter entfernte

74mal

13 mal

30 mal

IV.

Es bleibt noch zu untersuchen, ob es ausser dem von Nagel gefundenen (unter II) und dem von uns (unter ITE) gefundenen Umstände noch weitere giebt, die den Beob- achter veranlassen können, eines der Doppelbilder für näher zu halten als andere. Bei Erörterung dieser Frage werden wir das in Betracht ziehen, was andere Schriftsteller als bedeutungsvoll ansehen.

Was Nagel betrifft, so finden wir bei ihm die An- gabe, dass beim Fehlen aller äusseren Anhaltspunkte die Doppelbilder auf eine Kugelfläche versetzt würden, die man sich um einen, zwischen dem Augenpaare befindlichen Mittelpunkte beschrieben zu denken habe % So viel ich sehe, hat Nagel für diese Auffassung keinerlei Beweise beigebracht. Es ist daher nicht überflüssig einmal zu prüfen, ob sich eine Neigung zum „Verlegen der Doppelbilder auf Projectionssphären" nachweisen lässt, nachdem der Einfluss

') Wenn Verdunkelung eine scheinbare Vergrösserung der Ent- fernung, ein Fernemicken hervorbrachte, so wurde dies Ergebnis^ als positiv gebuciit.

*) Der Wortlaut klingt bei Nagel (a. a. 0., p. 374) freilich ganz anders. Nagel sagt nämlich: „Sphärische Flächen von gleichem Radius, deren Mittelpunkt die Kreuzungspunkte der Projectionslinie in beiden Augen sind, dienen im Allgemeinen zur Localisation der Doppelbilder", und in einer „Anmerkung" wird hinzugefügt: „Pro- jectionslinie oder Visirlinie nenne ich diejenige Gerade, welche den Objectspunkt mit seinem Bildpunkt verbindet". Demnach wäre daa Object selber, z. B. die weisse Kugel in NageTs Versuch der Mittel- punkt der Projectionssphäre; und die Kugel würde vom fixirendea

Unter welchen Umständen erscheinen Doppelbilder etc, 153

jeder Umgebung und das Hellererscheinen des excentrisch gesehenen Gegenstandes ausgeschaltet sind. Dabei dürfen wir als selbstverständlich betrachten, dass es gleichgültig ist, ob die Versuche einäugig oder zweiäugig angestellt werden, da ja diese von Nagel vermuthete Verlegung auf eine Projectionssphäre ein psychischer Vorgang sein soll, der mit dem Binocularsehen nichts zu thun hat Unsere hierauf bezüglichen Versuche wurden an 11 Personen an- gestellt Der Beobachter fixirte ein geradeaus vor ihm be- findliches Leuchtbrettchen, während unten, oben, schläfen- und nasenwärts ein zweites von objectiv geringerer Helligkeit gezeigt wurde. Die Ergebnisse zeigt

Tabel]

e 5.

stellang des

excentrisch gesehenen

Gegenstandes

von

geringerer Helligkeit

Der ezcentrische Gegenstand erscheint

naher

femer

unbestimmt

oder ebenso weit

wie der fixirte

unten ....

14 mal 15 mal

6 mal

oben

14 9

4

schläfenwärts . .

13

10

4

nasenwärts . . .

13

6

5

Im Ganzen

54 mal,

40 mal,

19 mal,

d.h. in 47,8 7o

d.h. in35,4Vo

d. h. in 16,7%

Zusammengehalten mit Tabelle 3 beweist dies, dass trotz der geringeren objectiven Helligkeit des excentrisch gelegenen Gegenstandes noch eine geringe Neigung be- stand, ihn für naher zu halten als die Frontalebene des fixirten. Allein das Nähererscheinen zeigte sich kaum noch in der Hälfte der Fälle und in einem ansehnlichen Bruch- theil erschien der excentrisch gesehene Gegenstand sogar femer*). Nimmt man dazu, dass Näherstehen doch noch

Auge nicht an ihrem wirklichen Orte, sondern auf der Kugelfläche gesehen ! ?

*) Wir begnügten uns bei diesen Versuchen mit der Ab- schwächung der Helligkeit des peripheren Objectes durch Vorlegen eines, höchstens zweier leicht rauchgrauer Gläser. Bei noch weiterer

154

H. Fröhlich.

nicht gleichbedeutend ist mit „auf einer Projectionssphäre liegen", so wird man in dem Ausfall unserer Versuche kaum eine genügende Stütze für die Na geloschen „Pro- jectionssphären" erblicken können.

Fig. 3.

Versuche mit einer Gnippe von Leuchtpunkten, die auf einem aus Holzleisten hergestellten Kreuze vertheilt waren, gaben gleichfalls kein für NageTs Auffiassung sprechendes Ergebniss. Wenn man den an der Kreuzungs- stelle der Holzleisten (Fig. 3) angebrachten Leuchtpunkt a fixirt, so erscheinen die übrigen Punkte keineswegs auf einer Kugeloberfläche vertheilt, sondern bilden ein ebenes frontal gestelltes Kreuz. Offenbar kommt hier schon wieder die Erfahrung zur Geltung, die uns an viele in einer Ebene hegende Kreuze erinnert, aber schwerUch ein Beispiel von

Abschwachung der Helligkeit wären die Ergebnisse leicht noch gün- stiger zu gestalten gewesen; doch ist schon so der Unterschied gegen Tabelle 3 beredt genug.

Unter welchen Umständen erscheinen Doppelhilder etc. 156

Fig. 4.

einem Kreuz auf einer Kugeloberfiäche zur Hand haben wird.

Immerhin wurde beim Pixiren des Leuchtpunktes a der Punkt c für näher erklärt als der Punkt b in etwa zwei Drittel der angestellten Versuche.

Einen wenn auch geringen Einfluss auf das Näher- erscheinen hat vielleicht die Stellung des Leuchtbrettchens zu dem Längenkreis ^ der die beiden Gegenstände enthält Wenn wir den Punkt a in Fig. 4 fixiren Hessen, so wurde im Allgemei- nen das senkrecht auf

ac stehende Brettchen

b für näher gehalten, und wenn wir die Stel- lung der Brettchen änderten, so dass b wag- recht und c senkrecht

auf ac stand (vergl. Fig. 5) so war die Neigung unver- kennbar, das Brettchen c für das nähere zu halten.

Endlich muss noch

erörtert werden, ob die ^^0~~*^

unter (5), (6) und (7) aufgezählten Umstände : Accommodation, Con- vergenz und Binocular- Yig. 5.

sehen hier in Betracht

kommen. Sachs spricht diesen drei Umständen einen ent- scheidenden Einfluss zu. Sein Gedankengang ist folgender: Beim Fixiren eines Punktes in der Medianebene ist die Schnittlinie der Medianebene mit der Horopterfläche eine liinie, die vom Fixationspunkt zum Fussende des Beobach- ters zieht. Alle Punkte dieser Linie werden binocular ein- fach gesehen; wird also ein Punkt unterhalb des fixirten

{F

156 R- Fröhlich.

wenn auch nur monocular einfach gesehen, so wird er in diese Linie verlegt, also dem Beobachter angenähert erscheinen, weil diese Linie eben gegen das Pussende des Beobachters zieht Da dieser Punkt aber noch ausser dem tiefer als der ursprünglich fixirte liegt, so wird, wenn man ihn nun zu fixiren trachtet, die mit dem BUck nach unten abwärts verbundene sogenannte physiologische Con- vergenz und hiermit eine Zunahme der Accommodation ins Spiel kommen „um beim Pehlen aller anderen für die Localisation bestimmenden Pactoren die Vorstellung zu er- wecken, dass das untere Bild näher liege".

Diese Ansicht geht von der Vorstellung aus, dass der Horopter Gegenstand der Erfahrung im gleichen Sinne sei, wie es etwa die äusseren Umstände sind. Dies muss aber auf das Entschiedenste bestritten werden. Wir er- fahren doch den Horopter nicht in demselben Sinne, wie etwa die Thatsache, dass eine Tischplatte undurchsichtig ist Deshalb kann der Horopter auch wenn überhaupt nur so lange einen Einfluss auf die Schätzung der Tiefen- distanz haben, als er unmittelbar besteht, d. h. so lange man zweiäugig einfach sieht, aber keinesfalls mehr beim Sehen in Doppelbildern oder gar, wenn man, wie bei einer Reihe unserer Versuche, einäugig sieht

Bezüglich der Convergenz muss man zugeben, dass die sogenannten „Convergenzgefühle" auch bei einäugigem Sehen noch bestehen müssen; dass also diese beim BUck nach unten auftretende stärkere Convergenz auch noch Zeichen für ein Näherstehen Uefem könnte. Nun haben wir aber imsere Versuchspersonen angewiesen, ein gerade vor ihnen erscheinendes Bild zu fixiren, d. h. also, wir haben den Blick nach abwärts, durch den Sachs das schein- bare Näherstehen erklären will, gar nicht ausführen lassen. Preihch könnte man sagen, dass unsere Versuchs- personen unwillkürUch abwärts blickten, wenn sie sich über den Ort des tiefer stehenden Bildes Rechenschaft

Unter welchen Umständen erscheinen Doppelbilder etc. 157

geben wollten. Aber diese Annahme wird ja sofort hin- fällig, wenn wir uns erinnern, dass bei der Aufforderung ein geradeaus stehendes Bild zu fixiren ein höherstehendes gleichfalls für näher erklärt wurde. So bliebe noch die Accommodation übrig. Auch sie muss ich im Widerspruch mit Sachs für völlig unbetheiligt an dem scheinbaren Näher- stehen eines der beiden Doppelbilder erklären. Denn die Erscheinungen bleiben ganz dieselben, wenn man die Accom- modation völUg ausschaltet, indem man die Gegenstände so aufstellt, dass sie jenseits des Fempunktes des Unter- suchten stehen, sei es, dass der Untersuchte kurzsichtig ist, oder dass man ihn durch ein passend gewähltes Sammel- glas für den Versuch km^ssichtig macht.

V.

Wir kommen also zu dem Schluss, dass der erste und weitaus wichtigste Umstsind für das Nähererscheinen des «inen von zwei Doppelbildern in dem Einfluss der Um- gebung zu suchen ist Für die Verhältnisse, unter denen Schielende gewöhnlich untersucht werden, dürfte sogar dieser umstand der ausschlaggebende, bez. allein maassgebende sein. Erst wenn er zufällig oder absichtiich ganz ausge- schaltet ist, macht sich als zweiter Umstand das schein- bare Heller- und darum Nähererscheinen eines ex- zentrisch gesehenen Gegenstandes bemerklich. Schaltet man auch diesen zweiten Umstand aus, so werden die An- gaben der Beobachter ganz unsicher. Vielleicht bleibt auch jetzt noch eine geringe „Neigung^* übrig, das excen- trisch erscheinende Bild für näher zu halten. Worauf sie beruht, wäre noch aufzuhellen; ein Beweis für die NageT- schen Projectionssphären ist damit jedenfalls nicht gewonnen. Geradezu und mit Sicherheit aber lässt sich die von Sachs vertretene Ansicht widerlegen, dass Accommodation, Con- vergenz und Horopter eine Bx)lle spielen.

Zürich, Juni 1895.

Znr pathologischen Anatomie der Skleritis nnd Episkleritis.

Von

Prof. Otto Schirmer in Greifswald.

Hierzu Tafel IV, Fig. 1 und 2.

Die Gelegenheit, Augen mit frischer Skleritis und Episkleritis zu untersuchen, hat sich bisher so selten ge- boten, dass die Mittheilung folgender zwei Fälle, die im vorigen Sommer hier zur Enucleation kamen, wohl gerecht- fertigt erscheint

Fall I. Friederike Fernow, unverheirathet, 67 Jahre aJi Keine Anhaltspunkte für Lues oder Rheumatismus. Wurde im Juni 1889 und October 1893 wegen Skleritis und Irido-CycHtiB des linken Auges mit secundärer Hornhauttrübung in hiesiger Klinik behandelt. Tlieils aus optischen Gründen, theils um Re- cidive zu verhüten, wurde am 20. X. 93 nach oben innen eine Iridektomie ausgeführt und Patientin am 4. XL mit blassem, reizireiem Auge entlassen. Entzündung und anfallsweise auf- tretende Schmerzen stellten sich aber bald wieder ein und nahmen schliesslich solche Heftigkeit an, dass Patientin am 3. IL 94 zur Enucleation wiederkommt

Stat pr. Starke Lichtscheu, etwas Lidödem und Epiphora« Sämmtliche conjunctivale und episklerale Gewisse stark injicirt Die Sklera in der ganzen oberen Hälfte von schmutzig gelb- brauner Farbe. Nach aussen dicht über der Horizontalen geht diese (Urbung in ein leicht durchschimmerndes Blauschwarz über.

Zur pathologischen Anatomie der Skleritis und Episkleritia. 159

Unterhalb dieser Parthie^ in welcher eine grosse Plngaenla sich befindet y liegt ein mittelgrosser, biaurother Buckel, der bis zum Comealrande reicht. Ein zweiter, weit grösserer nimmt den ganzen inneren unteren Quadranten ein. Seine blaurothe Farbe lässt sich auch mit der Zehender'schen Loupe nicht in einzelne Gcfässe auflösen. Er grenzt unmittelbar an den Gomealrand, hat in grösster Breite vielleicht 7 8 mm und ist von einer grossen Menge geschlängelter, ektatisclier Gefässe überzogen.

Die Cornea ist in ilirer Totalität diffus getrübt, hauptsäch- lich in den tieferen Schichten. Geringe oberfiädiliche Vasculari- sation, stellenweise leichte Epithelunregelmässigkeiten. lieber Iris und Linse sich ein Urtlieil zu bilden, ist wegen der Hornhaut- trübung unmöglich. Der Bulbus ist hodigradig druckempfindlich.

Am ü. II. 94 Enucleatio bulbi. Es wird die Conjunctiva über den skleritischen Buckeln intact erhalten.

Der Augapfel ist von normaler Grösse und zeigt nirgends Staphylombildung. Er wird (5 Wochen in MüUer'scher Flüssig- keit gehärtet, gewässert, in Alkohol naciigehäi-tet und dann ober- halb des hoiizontalen Meridians hoiizontal durchschnitten; ein zweiter Schnitt wird durch den inneren unteren Quadranten gelegt.

Schon makroskopisch fällt eine erhebliclie Verdickung des episkleralen Gewebes der Stelle auf, wo intra vitam der blau- rothe Buckel gesessen hatte; die Sklera selbst zeigt hier keine Veränderung. Hingegen weist sie an der nasalen Seite im hori- zontalen Meridian eine erhebliche Verdickung auf. Dieselbe be- ginnt kurz hinter dem Ansatz des Rectus internus auffallend zu werden und erreicht ihr Maximum im Aequator. Hier beträgt die Dicke der Sklera nasal l^/^ mm, temporal nur ^/^ mm. Die Cornea ist ebenfalls erheblich, besonders am nasalen Rande verdickt. Iris adhärirt ihr nu-gends. Der Bulbus wird noch mehrfach halbirt und in horizontale und verticale, zum Theil auch frontale Schnitte zerlegt

Was den mikroskopischen Befund anlangt, so werde ich nur auf die Veränderungen in der Sklera und Episklera nälier eingehen, die übrigen Gebilde des Auges aber nur soweit be- rücksichtigen, als ihre Vei-änderungen von Wiclitigkeit für das Verständniss des ganzen Krankheitsbildes sind.

Die Cornea ist überall von Epitliel bedeckt, die Bow- man'sche Membran völlig zu Grunde gegangen, das normale Ge- füge des Parenchyms nirgends erhalten. An seiner Stelle findet sidi ein ganz unregelmässig angeordnetes Bindegewebe mit zahl- reichen Gefässen und auffallendem Reichthum an Rundzellen.

160 ö. Schirmer.

Letztere sind stellen weise ^ besonders nm die Gefässe, zu Knöt- chen vereinigt. Descemetis mit Endothel ist überall normal er- halten, abgesehen von der Iridektomienarbe.

Die Iris weist Zeichen von Entzündung und Hyperplasie auf. Ilire Bindegewebszüge sind derber und straffer als in der Norm; stellenweise findet sich Gefässdegeneration. Daneben auf- fallender Reichthum an Kernen, die sidi zu kleineren bis sehr grossen Kundzellenknoten vereinigen.

Der Muskeitheil des Giliarkörpers zeigt analoge Ver- änderungen, wie die Iris; der Faltentheii erscheint dagegen ganz normal. Pigment- und Gylinderepithel überall wohl erhalten^ nirgends Exsudation.

Aderhaut nonnal bis auf die Partiiie, welche der vor- erwähnten äquatorialen Verdickung der Sklera entspricht Hier findet sicli ganz leichte, diffuse Kemvermehrung, auch einzelne kleine Knötchen.

Die Papille zeigt leichtes Auseinanderweichen der Nerven- fasern und Kern Vermehrung, keine Andeutung von Excavation. Die Retina ist entzündungsft*ei, bietet aber mannigfache Ver- änderungen in der Stäbchen- und Zapfenschicht.

Das episklerale Gewebe ist im inneren unteren Qua- dranten, also in der Region des grossen skleritischen Buckels über Vi nini dick trotz der Schrumpfung durch die vorangegangene Härtung und trotz des Blutverlustes bei der Operation. Es ist stark aufgelockert, gequollen und war intra \itam augenscheinlich von einer eiweissreichen Flüssigkeit durclisetzt, denn es ist jetzt in toto feinkörnig getrübt. Sein Kenireichthum ist ein sehr schwankender. Die fixen Bindegewebszellen sind an Zahl ent- schieden nidit vermehrt, das Gewebe erscheint eher arm an ihnen, da sie durch die ödematöse Schwellung auseinander gedrängt sind. Aber auch die Rundzellen finden sich durchaus nicht in erheblichen Mengen, zumal die mittleren Schichten des episkle- ralen Gewebes sind streckenweise fast frei davon. Nur unmittel- bar unter dem wohlerhaltenen Epithel finden sich massig viele, ganz besonders aber in den tiefsten episkleralen ebenso wie in den oberflächlichsten skleralen Schichten. Hier liegen sie Zelle bei Zelle in langen Streifen, die vielfach eine nicht uner- hebliche Breite haben. Die Ilauptmenge befindet sich über dem Ciliarkörpor, hinter demselben nehmen sie bald an Menge erheb- lich ab.

Wesentlich an Zahl vermehrt und strotzend geftült smd die Blutgefässe. Auch von ihnen finde ich die Hauptmenge un-

Zur pathologischen Anatomie der Skleritis und Episkleritis. 161

mittelbar unter dem Epithel und dann wieder dicht der Sklera anfliegend. Als Folge dieser starken H}^erämie finde ich vielfach im Gewebe zerstreut grossere und klemere Blutungen, in welchen die Blutkörperchen meistens noch recht gut erlialten sind. Ich vermuthe, dass dieselben schon intra vitam vorhanden gewesen sind, da bei der Enucleation mit peinlichster Sorgfalt jede Läsion des Buckels vermieden wurde. Auch finden sie sich an den Schnittstellen der Bindeliaut viel spärlicher, als näher der Cornea und schliesslich fehlten sie an entzündungsireien Stellen, z. B. in der oberen Hälfte dieses Auges fast völlig und ebenso in Fall II, wo der Bulbus ganz denselben mechanischen Läsionen ausgesetzt wurde.

Wie die Blutgefässe, so sind auch die Lymphgefasse zum grossen Theile ektasirt und vielleicht auch an Zalil vermehrt, obgleich nicht so erheblich, wie in den Uhthoff'schen Fällen. Sie zeigen sämmtlich einen deutlichen Endothelbelag und zum Theil feinkörnig geronnenen Inhalt; an den andern Gefössqnerschnitten ist er vermuthlich ausgefallen.

Die Sklera unterhalb dieses episkleralen Knotens lässt eine massige ödematöse Durchtränkung erkennen. Die einzelnen Faser- bündel sind ein wenig auseinander gewichen und zeigen erheb- lichere Schlängelungen, als in der Norm; schmale Lücken finden sich zwischen ihnen und den sie durchkreuzenden Fasern. Eine Aufquellung einzelner Faserbündel glaube ich stellenweise sicher constatirt zu haben, doch ist es schwer, über diesen Punkt be- stimmtes auszusagen. Hingegen lässt sich mit Sicherheit, zumal an den longitudinal ziehenden Bündeln vielfach eine Verschmäle- rung nachweisen; stellenweise sielit man sie auch sich in feinste Rbi-illen auflösen. Kleinzellige Infiltration massigen Grades findet sich durch die ganze Dicke der Sklera, am stärksten in den mittleren und oberflächlichen Parthieen; die ZeDen sind reihen- weise zwischen den Bündeln angeordnet. Die Entzündung ist nur über dem Giliarkörper stark ausgesprochen; bald hinter dem- selben normalisirt sich die Sklera wieder.

An Stellen, wo die Entzündung schon abgelaufen ist, also besonders in der oberen Bnlbushälfte, erschemt die Episklera wieder grösstentheils zur Norm zuiückgekehrt. Vor allem finde ich kein Oedem und keine ektatischen L^onphgefösse mehr. Hingegen sind. die oberflächlichen Blutgefösse noch abnorm zahl- reich und ausgedehnt, in ihrer Umgebung liegen noch kleine Haufen Bundzellen und einzelne Bindegewebszüge, sowie Zellen- ausläufer sind mit feinen Pigmentkömehen bedeckt« Kleine, unbe-

V. Graefe's Archiv fQr Ophthalmologie. XLI. 4. 11

162 0. Schimer.

deutende Hämorriiagieen finden sich auch liier in der Nälie der Schnittstellen der Bindehaut; sie sind walirscheinlidi während der Operation entstanden.

Die Sklera weist noch erhebliche Spuren der abgelaufenen Entzündung auf. Eine normale Faseranoixlnung ist nirgends wie- dergekehrt. Sämmtltche Bündel sind hochgradig verschmälert, z. Th. ist die Bündelanordnung völlig verloren gegangen, «e haben sich in feinste Fibrillen aufgelöst^ die einen vielfach gewundenen Veriauf zeigen. Ihre Oberfläche erscheint, wie leicht bestaubt, an anderen Stellen wie mit gröbei*en Klümpchen besetzt; nach der Iriswurzel finde Ich solche Klfimpclien auch zwischen den Bündeln liegend. Es scheint sich um eine colloide Degeneration zu handeln. Die Zalil der Kerne ist nocli hier und da vermehrt, auch finde ich an einzelnen Stellen dieselbe leichte Pigmentirung, wie in der Episklera, Dieselbe hat wahrscheinlich die leicht gelb- braune Farbe dieser Theile bedingt.

Im horizontalen Meridian innen und zwar in der Aequa- torialgegend 10 mm hinter dem Ligamentum pectinatum findet sich ein grosser, skleritischer Knoten, der in semem mikroskopi- schen Bilde durchaus von der oben beschriebenen Skleritis dif- ferirt (vgl. Taf. IV, Fig. 2). Er liegt in den mittleren Schichten der Lederhaut, die hier auf 1% mm verdickt ist und hat eine Länge von fast 5 mm. Die Sklera hat an dieser Stelle vöUig ihre normale Structur verloren und macht etwa den Eindrudc jüngeren Granulationsgewebes. Man sieht ein lockeres, sehr zell- reiclies Bindegewebe von ganz unregelmässiger Anordnung und von vielen dünnen, blutgefüllten, augenscheinlich neugebildeten Gef^Bsen durdizogen. Longitiidinale Bündel ziehen streckenwdse durch den Heerd; sie repräsenth*en augenscheinlich die präexis- tenten Sklerabündel, während das Gewebe zi;vischen ilmen neuer Bildung ist und die wesentliche Ursache der Verdickung der Sklera an dieser Stelle. Die inneren und besonders die äusseren Skleralagen hier sind stark aufgelockert, die inneren auch ab- norm kemreich. Ebenso weist die angrenzende Aderiiaut leichte kleinzellige Infiltration auf.

Fall IL Wüly Freund, 14 Jalire alt Im Alter von 2»/« Jahren wurde das linke Auge durch einen Holzsplitter verletzt Das Sehvermögen war sofort völlig verloren, Schmerzen will der Knabe niemals gehabt haben; eine Vergrösserung des Auges stellte sich ganz allmählich ein. Injection und Reizzustand be- stehen erst seit 14 Tagen.

Stat pr.: Rechtes Auge normal. E S=l.

Zur pathologischen Anatomie der Skleritis und Episkleritis. 163

Linkes Auge erheblich prominent Starke Epiphora und Lichtscheu. Cornea trägt unten innen ein Ulcus von Erbsengi'össe mit infiltrirtem Grund und Rändern. Randtheile der Hornhaut difiiis grau getrübt Oberhalb des Ulcus durchsetzt sie ein ver- ticalef; weiaBÜcher Streif^ die Stelle der früheren Verletzung.

Der ganze vordere Bulbusabschnitt ist in toto vergrössert und weist, zumal in der näheren Umgebung der Hornhaut, noch eine Anzahl besonders prominenter Buckel von blauschwarzer Farbe auf; die drei grössten derselben liegen oberhalb der Cornea. Die coi\junctivalen und gröberen episkleralen Gefässe smd stark injicirt Aussen oben tritt zu dieser Injection noch eine violette Verfärbung, welche dem horizontalen Meridian zu immer stärker wird, ihre grösste Intensität aussen unten erreicht und sich nach innen unten hin ailmäliUch verliert Diese ganze violette Zone, welche die Cornea in einem Durchmesser von fast 6 mm um* giebt, bildet einen massig prominenten Hügel. Der violette Farbenton ist sdiarf von dem schwarzblau der Buckel unter- schieden, deren sich auch in der unteren Hälfte zwei kleinere finden.

Am 10. III. 94 wird die Enudeation in Narkose vorgenom- men, und dabei die Conjunctiva über dem violetten Bn(&el und zum Theil über den Skleralstaphylomen geschont

Der Bulbus kommt für eine Stunde in 3Vf^/o Salpeter- säure und wird dann in Alkohol von steigender Concentration nachgehärtet Er hat einen Längsdurchmesser von 30 mm, äquatorial misst er in maximo 25 mm. Am 4. VI. 94 wird er oberhalb des horizontalen Meridians horizontal aufgeschnitten. Es zeigt sich, dass die Iris fast in ganzer Ausdehnung mit der Cornea ven^^aclisen ist, der Ciliarkörper ist höchstgradig atro- phisch, die linse fehlt bis auf ein klemes Rudiment, Chorioidea und Retina sind überall anliegend, tiefe glaukomatöse Excavation. An der Stelle des violetten Buckels aussen unten ist die Sklera nicht verdickt, hingegen das episklerale Gewebe in eriieblichem Maasse.

Mikroskopischer Befund: Auf die Cornea denke ich in dnem besonderen Aufsatz einzugehen, da das Ulcus in derselben sich als eine Schimmelpilzkeratitis auswies. Hier nur so viel dass ihr Gewebe viel&ch, besonders in den vorderen Schichten, doreh unregdmässig angeordnete, vascnlarisirte Bindegewebszüge ersetzt ist, und ihre Rfickflädie in grösserer Ausdehnung mit der höchst atrophischen Iris verwachsen ist Letztere weist überall, wo sie

11*

164 0. Schirmer.

noch hinreichend Stroma haty starke kleinzellige Infiltration auf. In den Resten der Vorderkamroer findet sich Eiter.

Oiliarkörper, Aderhaut und Retina zeigen höchstgradige Atrophie, dodi keine Andentungen frischer Entzündung, von einer geringen Kemvermehrung im Corpus ciliare abgesehen. Die Papille ist tief excavirt.

Das episklerale Gewebe ist an Stelle des intra vitam gefundenen violetten Buckels, also im äusseren unteren Quadran- ten (vgl. Taf. IV, Fig. 1) erheblich dicker, als an anderen Stellen der Comeacircumferenz ^j^ mm gegenüber '/, mm innen. Den Grund für diese Dickenzunahme finde idi in einer starken Auflockerung desselben und in der beträchtlichen Vennehmng und Ektasie der Gefässe. Sein Gehalt an Kernen ist em sehr wechselnder. Was zunächst die fixen Bindegewebskeme betrifit, so erscheint ihre Zahl eher vermindert, da sie durch das Oedem auseinander gerückt sind. Rundzellen finden sidi, in massig grosser Menge das ganze episklerale Gewebe durchsetzend, nur in der nächsten Umgebung der Hornhaut, in einer 2 mm breiten Zone, während der violette Buckel 6 mm breit war. Untermischt sind sie mit zahlreichen elastischen Fasern, wie man sie in IMn- gueculis findet; auch sind hier und in den oberfiächlichen Hom- hautschichten coUoide Massen abgelagert, die sich mit Häma- toxylin und Carmin intensiv färben, übrigens aber keine Amv- loidreaction geben. Auch hyaline Degeneration der Bmdegewelra- fasern findet sich an einzelnen Stellen. Weiter peripher nimmt die Zahl der Rundzellen fast plötzlich erheblich ab, und vnr finden die mittleren Schichten des episkleralen Gewebes annähernd frd von ihnen. Unmittelbar unter dem intacten Epithel liegen ne in massiger Anzahl, grosse Mengen sind dagegen wieder in den tie&ten Schichten unmittelbar auf der Sklera vorhanden, oft in langen Reihen Zelle bei Zelle liegend. Blutungen ins Gewebe fehlen vöUig.

Die GefUsse sind ausserordentlich an Zahl vermehrt und sehr ektatisch. Sämmtliche haben dünne Wandungen und sind strotzend mit Blut gefüllt. Die oberflächlich liegenden oonjuno- tivalen sind durch eine gefässarme Schicht ziemlich scharf von den zahlreichen tiefliegenden («efUssen getrennt Ektatische LymphgefSsse, die sämmtlich einen deutlichen Endothelbelag zeigen, finden sich in viel geringerer Anzahl als in Fall I.

Die Sklera unterhalb dieses blaurothen Buckels (vgl. Tai*. IV, Fig. 1), die zu einem grossen, flachen Intercalarstaphylom ver- dünnt und ausgezogen ist, lässt hochgradige Veränderungen er-

Zur pathologischen Anatomie der Skleritis und Episkleritis. 165

kennen, theils degenerative, theils entzündliche. Die ersteren sind jedenfalls auf Rechnung des glaukomatösen Processes zu setzen, der zum Buphtlialmus führte. Betrachte ich zunädist die tief- sten Scliichten, welche an der Entzündung fast gar nicht theil- genommen haben, so finde ich die einzelnen Faserbündel ver- schmälert und dicht auf einander gepresst; die circulären Fasern scheinen an Zahl erheblich verringert zu sein; die Kerne sind abnorm spärlich. Je nälier der Oberfläche, desto mtensiver wird die Entzündung. Es zeigt sich schon in den mittleren Schichten leichte ödematöse Durchtränkung des Gewebes, kenntlich an der Auflockerung desselben und an Veränderungen einzelner Faser- bündel selbst. Dieselben sehen gequollen aus und sind breiter als in der Norm. Ihr Inhalt erscheint leicht kömig und bis zu emem gewissen Grade mit Hämatoxylm geförbt Entlang ihrem Verlauf finden sich eine Anzahl grösserer und kleinerer intensiv mit Hämatoxylin tingirter kemartiger Gebilde, von welchen ich nicht mit Sicherheit sagen kann, ob sie m oder auf dem Bündel liegen. Noch weiter nach aussen nimmt die Einlagerung von Rundzellen so zu, dass die einzehien Faserbündel kaum noch zu unterscheiden sind. Die Zellen liegen ausserordentlich dicht aneinander gepresst, alle Spalträume ausfüllend; meist sind sie einkernig, doch sali ich auch 3 4 kernige Zellen nicht gerade selten. Geföase sind nur in den äusseren Schichten sichtbar; sie sind erweitert, scheinen aber nicht wesentlich an Zahl ver- mehrt Die Structur der Sklera an entzündungsfreien Stellen weist analoge degenerative Veränderungen auf, wie oben be- schrieben.

Hiemach haben wir in Fall I eine typische chronische Skleritis combinirt mit Uveitis vor uns, mit dem schleppen- den, zu Becidiven geneigten Verlauf, wie er die Regel bildet Wie lange die beschriebenen blaurothen Buckel schon vorhanden waren, lässt sich nicht feststellen; sicher aber nicht länger, als ^j^ Jahr; denn am 4. XI. 93 wurde die Patientin mit blassem, reizfreiem Auge hier entlassen, und am 3. TL. 94 die Enucleation gemacht

Ganz anders Fall TL. Hier erkrankte ein nach einer Ver- letzung vor llJahren buphthalmisch gewordenes Auge 14 Tage vor der Enucleation an einer acuten Entzündung der Cornea und Sklera. Als Ursache der ersteren fand ich eine Asper-

166 0. Schirmer.

gilluswucheruiig in der Hornhaut; was den blaurothen Buckel unten aussen auf der Sklera betrifil, so kann ich in Er- mangelung einer anderen plausiblen Ursache nur annehmen, dass er als eine Folgeerscheinung des Ulcus au£sufassen ist, obwohl er demselben nicht unmittelbar benachbart ist Es ist deshalb bei Beuitheilung der anatomischen Befunde Vorsicht geboten, doch lassen sich dieselben als früheste Stadien einer Sklero-Episkleritis ganz wohl zur Ergänzung und Vervollständigung des Falles I verwerthen, zumal die entzündUchen Erscheinungen scharf von den degenerativen, auf das Secundärglaukom zu beziehenden Veränderungen getrennt werden können.

Zunächst möchte ich nun unter Benutzung der bisher vorliegenden Pubhcationen die Befunde an der Episklera und der Sklera gesondert besprechen.

Anatomische Untersuchungen über die Episkleritis liegen bis- her in sehr spärlidier Anzalil vor. Im Jahre 188«S pubUcirte Uhthoff^) die ersten mikroskopischen Befunde. Das Material stammt von 3 Patienten, welchen Seh öl er die episkleritisdien Buckel excidirt hatte. Einmal handelte es sich um reme Epi- skleritis, während in den beiden anderen Fällen eine Gomplication mit chronisdier Uveitis vorlag. Nach der Art des Materials konnten sich die Untersuchungen nur auf die oberflächlichen und mittlei-en Schichten der Episklera erstrecken, nicht auf die tiefeten und auf die Sklera selbst Uhthoff fand starkes Oedem des episklenden Gewebes, welches in einem FaU von massenhaften Blutungen durchsetzt war, massige Kemvermehning besonders m den ober- flädilichen Schichten und starke Vennehrung und Ektasie der Blut- und Lymphgefasse.

Weiter hatKostenitsch *) einen Fall von du*onischer Uveitis mit Skleritis anatomisch untersucht und hier an einer Stelle, die intra \atam den bekannten blaurothen Buckel gezeigt hatte, Ver- änderungen der Episklera gefunden, die im Wesentlichen Uht-

') Beitrüge zur pathologischen Anatomie des Auges. I. Skleritis und Episkleritis. v. Graefe's Archiv f. Ophth. XXIX, 3, p. 167. 1883.

•) lieber einen Fall von Skleritis. Arch. f. Augenheilkunde. XXVIII, p. 27. 1894.

Zur pathologischen Anatomie der Skleritis und Episkleritis. 167

hoffs Befinden entsprachen. Die Blutungen waren sehr spärlich und sind nadi Kostenitsch wohl auf die Operation zu beziehen.

Mit diesen Befunden harmoniren die Veränderungen in meinen beiden Fällen sehr gut und ergänzen dieselben, insofern sie auch über das Verhalten der tiefsten episkle- ralen Schichten und der Sklera selbst Aufschluss geben. In beiden Fällen fand ich eine erhebliche Auflockerung und ödematöse Durchtränkung des episkleralen Gewebes, welches in Fall I in grosser Ausdehnung von einer Masse durch- setzt war, welche wohl nur als geronnenes, fibrinhaltiges Exsudat gedeutet werden kann; in Fall II suchte ich ver- geblich darnach.

Die auffallendste Veränderung in diesem ödematösen Gewebe ist die Kemvermehrung, und zwar zeigen die Kerne bestimmte Prädilectionsstellen. Bei weitem die zahlreichsten fand ich in den tiefsten Schichten, wo dieselben theils strichförmig der Sklera aufliegen, theils heerdformig um die Gefässe angeordnet erscheinen. Vielfach liegen sie so dicht aneinander, wie in einem Abscess. In zweiter Linie finde ich Rundzellen in den oberflächlichsten Lagen dicht unter dem Epithel, aber schon sehr viel spärlicher und haupt- sächlich in der nächsten Umgebung conjunctivaler Gefässe. Die mittleren Schichten der Episklera schliesslich sind fast völlig frei von zelliger Infiltration. Uhthoff s Präparate zeigen, wie besonders aus den Abbildungen zu ersehen ist, eine analoge Anordnung in den oberflächlichen und mittleren Lagen, die tiefsten fehlen in den Präparaten.

Auch die erhebliche Vermehiiuig und Ektasie der Blutge- fässe, welche sämmtlich strotzend mit Blut gefüllt sind, zeigt keine gleichmässige Vertheilung, sondern bevorzugt eben- falls die dicht unter dem Epithel gelegenen und die tiefsten episkleralen Schichten. Die Gefässwandungen sind im All- gemeinen sehr dünn und ein Zellmantel, wie schon erwähnt, um viele Gefässe nachweisbar. Bei dieser hochgradigen Hyperämie kann es nicht Wunder nehmen, dass sich Blu-

168 0. Schirmer.

tungeu zahlreich im ganzen Gewebe verstreut finden, obgleich in dieser Hinsicht die Fälle offenbar grosse Verscliieden- heiten zeigen. So fand ich in Fall I ausserordentlich aus- gedehnte, in Fall II keine einzige Blutung, und auch Uht- hoff sah unter seinen 3 Fällen nur einmal erheblichere Hämorrhagieen, die nicht auf den operativen Eingriff zu- rückgeführt werden konnten.

Weiter fanden sich die Lymphgefässe in hohem Grade ektatisch. Hauptsächlich lagen sie in den oberen Schichten der Episklera, wo sie auch Uhthoff gefunden hatte. Ihr zarter Endothelbelag war überall, ein feinkörniger Inhalt wenigstens an den meisten Gefässquerschnitten erhalten.

Diese sänmitlichen Veränderungen können wieder rück- gängig werden, wie die Untersuchung jetzt entzündungs- freier, früher entzündet gewesener Stellen im Fall Fernow beweist Ich fand dort nur die Blutgefässe noch ektatisch und die klinische Erfalirung lehrt, dass auch diese sich vollständig zur Norm zurückbilden können.

Ebenso spärlich wie von Episkleritis sind anatomische Untersuchungen von Skleritis. Ich fand nur drei Fälle in der Literatur.

Im Jahre 1852 hat Pilz ^) eine floride Skleritis unteraudit und die Skleralamellen durch ein sehr zellreiches Exsudat aus einander gedrängt gefunden, an einzehien Stellen Hessen sich be- reits Faserelemente nachweisen, so dass l^ofessor Bochdalek, welcher die mikroskopische Unterauchung ausftlhrte, eine bereits beginnende Organisation des Exsudates diagnosticirte. Aehnliche Exsudatmassen fanden sich auch zwischen Sklera und Aderhaut und im Glasköiper. Uhthoff, nach welchem ich den Fall dtire, da mir das Original nicht zugänglich war, bezweifelt übrigens, und wie mir scheint, mit Recht, dass es sidi um eine gewöhn- liche Skleritis hier gehandelt habe.

Der zweite Fall rührt von Baumgarten^ her. In einem Auge, welches an Iridocyclitis und sklerosirender Keratitis ge-

>) Prager Vierteyahresschrift Bd. XXXVI, p. 166—200. 1852, *) Ophthalm. histol. Mittheilungen. I. Ein Fall von sklero-

Zur pathologischen Anatomie der Skleritis und Episkleritis. I(i9

litten hatte, fand er eine hochgradige Verdickung der Sklera bis anf 4 mm. Dieselbe war bedingt z. Th. durch massenhafte In- filtration kiemer Rundzellen, welche heenlweise zwischen den kaum veränderten Sklerabündeln auftraten, z. Th. aber auch durch eine Zunahme der Sklerafasem an Zalil. Letztere schliesst Baum garten allerdings nur aus dem gesammten mikroskopischen Bilde; Zälilversuche misslangen.

Und drittens hat Kostenitsch^) den mikroskopischen Be- fund einer Skleritis publidrt, welche an emem Auge mit alter Uveitis aufgetreten war. Er fand besonders die mittleren Sklerar schichten stark mit Rundzellen infiltrirt, stellenweise auch poly- nudeäre Leukocyten und kleine Hämorrhagieen. Die Sklera- zellen und -gefSsse sind vermehrt, die Sklerafasem normal; zwischen ihnen liegt stellenweise Exsudat Das episklerale Ge- webe über diesem Heerde weist erhebliche leukocytäre Infil- tration, Ektasie und Vermehrung der Blutgefässe auf. Höchst wahrscheinlich war hier die Skleritis em Ausläufer der Uveitis; sie fand sich nur über dem Ciliarkörper, entsprechend dem Sitz des blaurothen Buckels.

An meinen Präparaten sehen wir die Skleritis unter zwei inikroskopisch durchaus verschiedenen Formen auf- treten. Die eine, welche an verschiedenen Stellen der Prä- parate in verschiedenen Stadien sich zeigt, würde man nach dem mikroskopischen Bilde jedenfalls als eine acute Ent- zündung bezeichnen, wie ja auch das klinische Aussehen mehr dem Bilde einer acuten Entzündung entspricht Doch zeigt der klinische Verlauf, wenigstens in Fall Fernow, dass die Entzündung eine recht langwierige sein kann. Das Charakteristicum dieser Form besteht darin, dass sie allmähhch zu Degeneration der Sklera führt, ohne dass es zu wesentlicher Proliferation kommt. Rein entzündliche Ver- änderungen für sich allein habe ich an keiner Stelle der Präparate gefunden, was bei dem chronischen Verlauf in

sirender Keratitis, t. Graefe's Archiv f. Ophthalm. XXII. 2, p. 185. 1876.

*) Ueber einen Fall von Skleritis. Archiv f. Augenheilkunde. XXVm, p. 27. 1894.

170 0. Schirmer.

Fall I und dem vorhergegangenen Glaukom in Fall II nicht auffedlend ist. Degenerative Veränderungen allein fanden sich dagegen in Fall I zahlreich an Stellen, die nach der Krankengeschichte früher Sitz von Entzündung gewesen waren, und ebenso in Fall 11 an vielen Stellen.

Die entzündlichen Vorgänge bestehen im WesenÜichen in einer ödematösen Durchtränkung und Auflockerung, sowie einer kleinzelligen Infiltration der Sklera; beides war in Fall Fernow, der für die typische Skleritis allein in Betracht kommt, am stärksten in den mittleren Schichten ausgesprochen. Während die kleinzellige Infiltration stellen- weise sehr hohe Grade erreicht, so dass die Kundzellen, dicht aneinander gepresst, in langen Strängen zwischen den Lamellen liegen oder in breitem Gürtel die Gefässe umgeben, hielt sich das Oedem stets in massigen Grenzen. Auch an den einzelnen Sklerabündeln selbst konnte ich, besonders in Fall Freund, Aufquellung und stärkere Färb- barkeit mit Hämatoxylin feststellen. Die Blutgefässe sind ausgedehnt und an Zahl erheblich vermehrt, zumal die äusseren Skleralagen sind sehr reichlich vascularisirt

Aus dieser Entzündung entwickeln sich nun Degene- rationsvorgänge, welche im Fall Fernow sich in allen Stadien finden; in Fall II ist die Degeneration, wie erwähnt, auf das Glaukom zu beziehen. Es handelt sich im Wesent- lichen um eine Auflösung der einzelnen Bündel in feine Fibrillen, um eine Entbündelung, wie sie auch Birnbacher und Czermak*) an den degenerirten Lederhäuten glau- komatöser Augen gesehen haben. Ich fand hauptsächlich die inneren Skleralagen davon betroffen; die einzelnen Fi- brillen haben einen höchst eigenthümlich gewundenen Ver- lauf, sie sehen wie geknittert aus; eine feinkörnige Trübung ist an vielen nachweisbar. Die Räume zwischen ihnen

*) Beiträge zur pathologischen Anatomie und Pathogenese des Glaukoms, v. Graefe's Archiv f. Ophthalm. XXXII. 2, p. 1. 1886.

Zur pathologischen Anatomie der Skleritis und Episkleritis. 171

Schemen ausschliesslich durch die circulären Fasern ausge- füllt zu sein, Exsudatreste und dergleichen konnte ich nicht nachweisen. Kerne sind an ihnen in normaler Grösse imd gut tingirbar vorhanden; sie scheinen aber an Zahl etwas vermindert zu sein. Dass diese degenerativen Vorgänge die Besistenz der Sklera vermindern imd so, unterstützt durch eine gewöhnlich sich einstellende Drucksteigerung, Veran- lassung zur Bildung von Staphylomen geben, wie man es so oft beobachtet, ist ohne Weiteres verständlich.

Diese Form der Entzündung ist in ihrer Ausdehnung beschränkt auf die Parthieen der Sklera, welche oberhalb des Ciharkörpers hegen, und erreicht ihre grösste Inten- sität an jener Stelle, wo die Cihargefässe die Sklera durch- brechen. So war es in dem Fall von Kostenitsch, so in meinem Fall Ferne w, und hier sehen wir auch kUnisch gewöhnUch jene violetten Buckel auftreten. Man muss .daraus schUessen, dass diese Skleritis eine Folge der be- stehenden Uveitis ist und durch directe Fortpflanzung der Entzündung entlang den Gefässscheiden entsteht

Nicht immer ist die Skleritis von Atrophie gefolgt, sondern sie kann auch Ausgangspunkt einer Proliferation, einer Gewebsbildimg in der Sklera werden und damit eine Verdickung der Membran bedingen. So verhält es sich in einem äquatorialen Knoten in Fall I, dessen Aussehen durchaus an jüngeres Granulationsgewebe erinnert, Neu- bildung zarten, unregelmässig angeordneten Bindegewebes, zahlreiche dünne, neugebildete Gefässe. Die alten Sklera- bündel durchziehen in leicht gewmidenem Verlauf diesen Heerd. Die Skleritis im Fall Baum garten massenhafte kleinzellige Infiltration und Vermehrung der Sklerabündel scheint zwischen diesen beiden Formen gestanden zu haben, wie es ja überhaupt nicht wahrscheinhch ist, dass wir hier zwei streng von einander geschiedene Typen vor uns haben. Wo Entzündung bestanden hat, werden wir wahrscheinlich meistens sowohl Degeneration, wie Prohferation an den

172 0. Schirmer.

Sklerabündeln beobachten, und eine Aufstellung zweier Tyijen ist nur insofern gerechtfertigt, als der eine oder andere Ausgang stark in den Vordergrund tritt und das mikroskopische Bild dominirt

Schliesslich würde noch erübrigen, das klinische Bild mit dem mikroskopischen Befunde in Einklang zu bringen und zu versuchen, etwas mehr Klarheit über das Verhältniss von Episkleritis ziu* Skleritis zu gewinnen.

In meinen beiden Fällen fand ich an Stelle der be- kannten blaurothen Buckel eine Entzündung sowohl der Sklera, wie der Episklera, imd ebenso war es in Kosteni tsch*s Fall. Fall Baumgarten kann hier nicht herangezogen werden, da der klinische Befund zu ungenau angegeben ist Die Schwellung beschränkt sich im WesenÜicheu auf die Episklera. Wenn auch die Sklera durch das Oedem viel- leicht eine Kleinigkeit verdickt war, so handelte es sich doch um eine ganz geringfügige, nicht messbare und vor allem, um eine ganz gleichmässige Dickenzunahme, die niemals zur Erklärung der doch nicht unerhebhchen und circum- scripten Prominenz jener Buckel herangezogen werden kann. An der Hervorbringung der charakteristischen blaurothen Farbe partidpiren Sklera und Episklera gleichmässig. Sie ist bedingt durch die zahlreichen ektasirten Gefasse der tiefsten episkleralen und der oberflächlichen skleralen Schichten, welche durch die darüber liegenden Parthieen trüben episkleralen Gewebes nur undeutlich durchschimmern, so dass ihre Contouren in einander fliessen und die Blut- farbe zugleich in Blauroth umgewandelt wird, wie es stets der Fall ist, wenn Blut durch halbdurchsichtige Massen gesehen wird. Die zahlreichen gröberen Gefasse, welche man ausserdem noch gewöhnlich über den Buckel hinweg- zieheu sieht, liegen in oder unmittelbar unter der Bindehaut

Ich behaupte also, dass, um das klinische Bild des blaurothen Buckels zu erklären, die Annahme einer Skleritis allein nicht genügt, sondern dass sich auch in Fällen, wo

Zur pathologischen Anatomie der Skleritis und Episkleritis. 173

die Skleritis von einer Uveitis fortgepflanzt ist, stets die Episklera an der Entzündung betheiligt. Wollen wir hier das Krankheitsbild erschöpfend bezeichnen, so müssen wir deshalb von einer Sklero- Episkleritis sprechen. Um reine Skleritis handelt es sich wahrscheinlich in den nicht so seltenen Fällen, wo wir lediglich eine blanrothe Verfärbung der Sklera ohne Prominenz finden.

Eine Episkleritis für sich allein könnte wohl genügen, das klinische Bild zu erklären, da in den tiefsten episkle- ralen Schichten genügend Gefässe vorhanden sind, die blau- rothe Farbe zu erzeugen. Ob sie in der That vorkommt, ist zunächst weder bewiesen, noch widerlegt. Wir würden sie am ehesten zu erwarten haben in Fällen, wo der Uveal- trakt völlig normal ist; doch hat sich bisher noch nicht Gelegenheit geboten, ein solches Auge mikroskopisch zu untersuchen. Den excidirten Buckel allein konnte Uht- hoff in einem Fall mikroskopiren; auf das Verhalten der Sklera gestattete das Präparat aber natürlich keinen Schluss.

Unrichtig ist es jedenfalls von oberflächlicher und tiefer Skleritis zu reden. Wenn die Sklera durch eine Uveitis in Mitleidenschafli gezogen wird tiefe Skleritis der Auto- ren — - so ergreift die Entzündung die ganze Dicke der Membran, wie alle bisher vorliegenden Untersuchungen Baumgarten, Kostenitsch, mein Fall I beweisen. Und die sogenannte oberflächliche Skleritis ist im Wesent- lichen Episkleritis, vielleicht mit Betheiligung der oberfläch- lichen Skleraschichten.

Ob die Skleritis, bei welcher die Proliferation über- wiegt, ebenfalls unter dem Bilde eines blaurothen Buckels auftritt, muss zunächst dahingestellt bleiben. In dem Baum- garten'schen Fall wird leider nichts Näheres über das klinische Bild berichtet, und in meinem Fall I war der äquatoriale Heerd, der allein diese Proliferation aufwies, intra vitam nicht diagnosticirt worden, da er 10 mm hinter dem Aequator lag. Entsprechend dem relativ geringen

174 0, Sehirmer. Zur patholog. Anatomie d. Skleritis u. Episklerit»

Gefässreichthura dieser Form skleritischer Heerde würde ich übrigens auch eine geringergradige Verfärbung erwarten. Eine merkliche und vor allen Dingen eine circumscripte Prominenz könnte nach meinen Präparaten anch diese Form nicht erzeugen. An der betrefiFenden Stelle war fast nur der innere Contour der Sklera abgeflacht, nicht der äussere stärker gekrümmt

Erklärung der Abbildungen auf Tafel IV.

Fig. 1. Sklera und Episklera von Fall Freund an Stelle des blau- rothen Buckels.

ES. u. Cj, Episklera und Conjunctiva. Sc. Sklera. E. Epithelschicht. Bl Blutgefässe. L. Lymphgefftsse. Fig. 2. Skleritischer Knoten von Fall Femow, äquatorial gelegen. Ueberwiegen der Proliferation. Sklera an der entsprechen- den Stelle stark verdickt

Anatomische Untersuchung eines Falles Yon Eetinitis pigmentosa.

Von

Dr. 0. Bürstenbinder I. Assistent der Augenklinik zu Jena.

(Aus dem Laboratorium der Jenaer Augenklinik.)

Mit 1 Figur im Text.

Durch die Versuchsresultate, welche Wagen mann*) bei experimentell erzeugter Circulationsstörung in der Ader- haut bei Kaninchen erzielte, wurde der Ausblick eröflfeet, dass durch sie das Verständniss einer Beihe von patho- logischen Processen des menschlichen Auges gefördert würde. Bald nach Abschluss dieser Arbeit hatte Wagen- mann Gelegenheit ein Auge mit Retinitis pigment*) ein- gehend zu untersuchen. Die Betina bot die bekannten Ver- änderungen. Sie war verdickt, hochgradig bindegewebig degenerirt, streckenweise fest mit der Aderhaut verklebt, ohne dass sich ein Gewebsaustausch der Membranen nach- weisen liess. Die nervösen Elemente waren bis auf die Gegend der Macula lutea zum grössten Theil degenerirt. Das Pigmentepithel war zum Theil in einfacher Lage, theils mehrfach geschichtet vorhanden, an einigen Stellen gut

1) V. GraefG's Archiv f. Ophthalm. XXXII. XXXVI. 4. ») ibid. XXXVII. p. 282—242.

176 0, Bürstenbinder.

pigmeutirty an anderen pigmentarm bis pigmentlos, strecken- weise fehlte es ganz. Von ihm zogen dicke Pigraentstränge in die Netzhaut, um stellenweise erst in ihren obersten Schichten brückenförmig sich nach verschiedenen Seiten zu verzweigen. Die Gefässe waren stark sklerosirt Wagen- mann achtete bei dieser Untersuchung besonders auch auf Veränderungen in der Aderhaut, mid konnte constatiren, dass dieselbe auf grosse Strecken verdickt war, was zum Wesentlichen auf einer reichlichen Vermehrung des inter- vasculären Stromas berulite. Die bedeutendsten Abwei- chungen boten die Gefässe dar. Die Wandungen derselben, sowohl der kleineren wie grösseren zeigten sich vielfach ver- dickt und sklerosirt. Die Adventitia wies undeutUche Fase- rung auf und erschien feinkörnig getrübt, während an der Intima deutliche Wucherungen wahrgenommen werden konnten. Daneben schien die Anzahl der Aderhautgefasse überhaupt herabgesetzt und die Choriocapillaris konnte nicht überall mit Sicherheit nachgewiesen werden. Am hinteren Augenpol fand sich dann noch ein Streifen knochenähn- lichen Gewebes, was wohl gleichfalls als Zeichen einer stattgehabten Sklerose zu deuten ist

Auf Grund dieser Befunde und gestützt auf die Thier- versuche gelangte Wagen mann zu der Veimuthung, dass der ursprüngliche Erkrankungssitz der typischen Retinitis pigmentosa vorwiegend in die Aderhaut zu verlegen sei. „Allerdings" sagt Wagen mann weiter, „bleibt nicht aus- geschlossen, dass die Krankheitsiu^ache auch gleichzeitig die Netzhautgefässe in der gleichen Richtung wie die Ader- hautgefässe raitergreift, aber jedenfalls scheinen die charak- teristischen Veränderungen, wie vor allem die Pigment- einwanderung, ausschliesslich durch die Erkrankung der Adorhautgefässe bedingt zu sein. Um zur Erklärung der Pathogenese der Retinitis pigmentosa den ursprünglichen Sitz der Erkrankung vomehmUch, wenn nicht ausschliess- lich, in die Aderhaut zu verlegen, wäre es erforderUch, dass

Anatomische Untersuchung eines Falles von Retinitis pigmentosa. 177

Veränderungen dieser Membran sich constant fänden. Es ist daher die Aufgabe erneuter anatomischer Untersuchungen, diesen Punkt klarzustellen."

Kurz darauf konnte Deutschmann ^) ein Auge unter- suchen, welches kUnisch das typische Bild der Retinitis pigmentosa dargeboten hatte. Die Untersuchung ergab eine vollkommene Bestätigung der Wagenmann'schen Befunde. In der Retina waren die nervösen Gebilde bis auf die Ma- culagegend fast vollständig geschwunden, die Gefässe stark sklerotisch verengt, und das Pigment erhob sich von der Schicht der Pigmentepithelien in breiten Zügen senkrecht in die Retina aufsteigend, um nach verschiedenen Rich- tungen auszustrahlen. Die PigmentepitheHen selbst waren theils hypertrophisch theils atrophirt. Ein Gewebsaustausch zwischen Aderhaut und Netzhaut konnte auch nicht nach- gewiesen werden. Die Glaslamelle, an einigen Stellen etwas breiter, an anderen schmäler, liess keine Unterbrechung wahrnehmen. Die Gefässe der Aderhaut waren theils sehr spärlich, theils zahlreich vorhanden, doch zeigten ihre Wan- dungen grösstentheils starke hyaline Verdickung. Ausser- dem fand Deutschmann sich direct an die Glaslamelle anschUessende, lange, kernhaltige Spindelzellen in mehrfacher Lage, welche an das Gewebe des Kapselstaares erinnerten. Er glaubt daher mit Wagenmann annehmen zu müssen, dass die Veränderungen grösstentheils einer Ernährungs- störung zuzuschreiben seien, deren Ursprung in einer Skle- rose der Aderhautgefässe zu suchen sein dürfte.

Vor einiger Zeit gelangte die hiesige KUnik in den Besitz eines Auges mit Retinitis pigmentosa, welches aus anderer Ursache entfernt werden musste. Die Veränderungen, welche die mikroskopische Untersuchung darbot, bringen eine erneute Bestätigung der Annahme Wagenmaiin*s,

') Beiträge zur Augenheilkunde III. p. 69 80. y. Qraefe's Archiv fUr Ophthalmologie. XLI. i. 12

178 0. BürBtenbinder.

und sind deshalb noch besonders interessant, als der Pro- cess offenbar noch in Entwicklung begriffen war. Die Krankengeschichte ist kurz folgende:

J. G. Scliütz aus Neugommla. 61 Jalne.

Anamnese: Patient hat im 10. Jahre Nervenfieber dui^ch- gemacht; im 25. Jahre erlitt er eine Kopfverletzung. Vor zwei Jaliren flog Patienten ein Nagel gegen das linke untere lid, ohne das Auge selbst zu schädigen. Am 30. IV. 94 flog Patienten bei der Arbeit in der Mühle ein Sackband gegen das linke Auge. Er ward 17 Tage hindurch mit Einträufelungen und Verband behandelt, und kam am 17. V. 94 in die Klinik zu Jena zur Aufnahme.

Seit ca. 5 Jahren bemerkte Patient eine Abnahme des Seh- veiinögens, wobei er besonders betont, dass er hauptsächlich in der Dämmerung sclilecht sähe, und sich nicht allein finden könne. Vor der Verletzung seien beide Augen vollkommen gleich ge- wesen. Seine Eltern sind nicht verwandt. Angeblich keine lue- tische Infection. Gehörevermögen hatte abgenommen, Patient war in mittlerem Grade schwerhörig.

17. V. 94. Status pr.:

Rechtes Auge: Aeusserlich nichts Abnormes zu bemerken. Pupille etwas weiter und queroval, reagirt wenig excursiv. linse und Glaskörper nicht getrübt. Mit dem Augenspiegel sieht man: Papille opak, verschwommen, Arterien ausserordentüdi verengt, Venen gleichfalls etwas eng. Augenhintergrund etwas blass^ orangegelb, pigmentarm, aber gleichmässig gefärbt In einiger Entfernung von der Papille findet man eine breite, concentriscli um die Papille verlaufen<le Zone, die in ganzer Ausdehnung feines netzföi-migea l^ignient aufweist, ttbei-all die Gefässe bedeckend, wobei die Papillengegend selbst jedoch frei von Pigmentver- änderungen bleibt. So weit wie die Pigmentzone reiclit, ist der Augenhintergrund heller, und treten die Aderhautgefässe als gelb- liche und röthliche Streifen henor. Nirgends finden sich indessen fleckförmige Entfärbungsheerde. Ganz in der Peripherie fehlen jegliche I*igmentveränderungen. Der Augenhintei-gi-und ist dort nonnal roth.

R. -f l>.0 D S l[: + 5,0 D ^% (Schweiggers Probe.) 1 8 ' 0,bO

Gesichtsfeld in der äussersten Peripherie und im Centrum er- halten. Dazwischen deutliches Hingskotom. cf. Perimeteraufnalime.

Anatomische Untersuchung eines Falles von Retinitis pigmentosa. 179

Zugleich besteht Hemeralopie und hochgradige Lichtsinnstörung. Förster Diagonale 15.

Linkes Auge: Lider geröthet und geschwollen. Starke Chemosis der Bindehaut Bulbus prominent. Die chemotische

Rechtes Auge

0

Conjunctiva überdeckt wallartig den Limbus corneae. Die Hora- haut ist fast total vereitert und breit perforii-t Aus der Per- forationsstelle liängen nach unten gi*össere Mengen^ zum Theil eitrig infiltrirten Exsudates, hervor. (Ob auch Glaskörper vorlag, ißt unsicher, da hierüber genauere Notizen fehlen). Die Iris' haftet an den übrig gebliebenen Homhautresten.

Das Auge wurde sofort in Narkose enudeirt, wobei Glas- körper aus der Perforationsstelle austrat. Die Wundheilung war gilt Zwei kleine Granulationsknöpfe der Narbe wurden entfernt.

Anfeng Mai 1895 stellte Patient sich wieder vor. Sehver- mögen etwas schlechter am rechten Auge. Patient sieht aUes bleich. Seit dem Herbste besteht stärkere Abnahme des Gehörs.

12*

180 0. Bürstenbinder.

R + 2,0 D S ^ nahezu; + 5,0 D ^.

Augenhinter^rund gegen früher kaum verändert. Skotom etwas grösser geworden.

Die Gestalt des enucleirten Bulbus hat durch die Häi-tung geringe Veränderungen erlitten, und zwar ist die Sklera an der nasalen Seite an zwei Stellen etwas eingedrückt Die Schnitt- fläche des gehärteten und in Celloidin eingebetteten Bulbus zeigt makroskopisch folgenden Befund: Cornea verdünnt, an mehreren Stellen eingesunken. Vordere Kammer von einem dichten gelb- lich-grauen Exsudat erfüllt Linse unregelmässig gestaltet, bis- cuitförroig; nasalwärts ist die Kapsel abgehoben und die Linsen- substanz scheint veningert Iris verdickt, an der temporalen Seite der Linse aufgelagert, nasalwärts von ihr abgehoben, und in die vordere Kammer ziemlich senkrecht nach der Cornea zu ver- lagert Zwischen Ciliarkörper und Linse, sowie hinter derselben liegt ein feiner Exsudatstreifen von hellgi-auer flU*bung. Vom Glaskörper nichts zu sehen. Aderhaut und Netzhaut sind nur zum vierten Tlieil der Lederhaut angelagert, so, dass medial vom Seimerveneintritt ein ganz kleiner Bezirk, temporal ein ungefähr doppelt so grosser Theil der Häute der Lederhaut anhaftet Die übrigen Parthieen der Aderhaut und Netzhaut sind total abge- löst Der Raum zwischen Sklera und den abgehobenen Mem- branen wii*d grösstentheils durch braungraue Massen ausgefüllt Die Netzhaut liegt von der Mitte des Bulbus an mehrfach ge- faltet frei im inneren Bulbusraum, wälirend die Aderhaut dem Exsudat anhaftend sich weiter nach vom zu erstrecken scheint; als abgrenzbare Membran lässt sie sich nur noch eine kurze Strecke verfolgen, weiterhin deutet strichförmig aufh-etendes, dunkelbraunes Rgment ihre Lage an. Der Sehnerv bietet bis auf eine Ver- breitening des Scheidenraumes nichts Auffallendes. Mikroskopischer Befund:

Die Bindehaut weist, so weit sie vorhanden, ebenso ^ne das episklerale Gewebe, eine enorme Hypei-ämie der Gefässe neben einer äusserst dichten Infiltration des Gewebes mit Rundzellen auf. Die Lederhaut ist nur in geringem Grade in ihren der Conjunctiva und Cornea benachbarten Theilen von entzündlichen Ver- änderungen ergriffen. Die Hornhaut befindet sich im Znstande der eitrigen Einschmelzung. Das Epithel fehlt in ganzer Aus- dehnung und der grösste Theil der Grundsubstanz ist bereits zerstört, so dass die Membran äusserst verdünnt ist, ja zum TheQ

Anatomische Untersuchung eines Falles von Retinitis pigmentosa. 181

nui' wenige Fasera noch bestehen. Die noch eiiialtenen Bündel der Gnmdsubstanz sind Üieils stark aufgetasert^ theils nehmen sie einen abnoi-men welligen Verlauf, überall aber sind sie von dichten Reihen und Streifen von Eiterkörperchen durchzogen und durchsetzt. Die Descemetis ist grösstentlieils erhalten, an einigen Stellen jedoch fehlt sie, so dass hier die Infiltrationsmassen zapfen- förmig in die vordere Kammer hineinragen. Die Befunde an der Glaslamelle an den Stellen ihrer Continuitätstrennung sind mannigfacher Art. Einmal sieht man einen ganz scharf sich ab- setzenden, ungleichmässigen Riss, wobei die Glashaut bis dicht an diese Stelle weder Veränderungen ihrer Structur noch ihrer Dicke aufweist. Ein anderes Mal geht dieser Riss nicht durch die ganze Dicke, sondern es verläuft noch ein feiner Streifen Glashaut eine geringere oder grössere Strecke weiter fort An anderen Stellen bemerkt man eine alhnählich auftretende Quellung der Membran mit Breitenzunahme und Trübung der Structur. Auf diese Weise sah ich stellenweise anstatt der Glas- haut einen doppelt so breiten Streifen stark getrübten Gewebes ohne deutlich erkennbare Structur und mit etwas verwaschenen Grenzen, welcher noch weiterhin geringe Köinung auf^es und vereinzelte Leukocyten aufgenommen hatte. In diesem Stadium glidi es vollkommen dem dicht daneben liegendem Fibrin der vorderen Kammer, eine Verwechselung mit llbrin ist aber aus- geschlossen, da ich den sicheren Zusammenhang dieses Streifens mit der Glaslamelle und die einzelnen Uebergangsstadien ver- folgen konnte. Die vordere Kammer selbst ist bis auf einen geringen Raum vollständig von Rundzellen, Fibrin und nekro- tisch zerfallenem, kömigem Deti-itus erfüllt. Die Regenbogen- haut ist verdickt, das Stroma aufgelockert und diffus von Leu- kocyten durchsetzt, nasal stärker als temporal. Das Pigment- blatt ist stellenweise abgetrennt und haftet auf der Linsenkapsel. Ciliarkörper nahezu frei. Die Veränderungen der Linse sind mehrfacher Art Die Kapsel ist abgehoben und ge£ältet, das vordere Kapselepithel stellenweise von der Glaslamelle abgehoben. In der hinteren Kapsel findet sich nasalwärts ein Riss mit Ein- rollung der Membran. Eine Aufquellimg wie bei der Desceme- tis konnte ich nirgends bemerken, überall war eine scharf con- turirte Trennung der Kapsel vorhanden. An dieser Stelle findet man in den cataractös zerfallenen Linsenresten Rnndzellen von geringer Menge. Auch entsprechend der Zerstörung des vor- deren Kapselepithels findet sich die Linsensnbstanz in Zerfall be- griffen. BlSschenzeUen, Theile von Linsenfasem, theils gänzlich

182 0. Bürstenbinder.

losgelöst, theils den übrigen linsentheilen anhaftend, aber in Quellnng begriffen. Zwischen Ciliarkörper und Linse finden sidi neben geringen fibrinösen Massen noch vereinzelte Reste von Corpus vitrenm und zwar stellenweise in fibrillärer Anordnung, an anderen Stellen ohne bestimmte Structur. In ihm liegen zerstreut einzehie Leukocyten und Pigmentkömehen, welche sich mandimal bis dicht an vereinzelte Theile der abgelösten Netzhaut verfolgen lassen. Die Masse, welche die Membranen total von der Sklera abgedrängt hat, und die schon makroskopisch durch einen gewissen gelblich -bräunHchen Farbenton auffiel, besteht durchweg aus Blut

Die Netzhaut bietet ein verschiedenes Verhalten dar. la- teral vom Eintritt des Opticus bis wenig über die Maculagegend hinaus erscheint sie ebenso wie in der Peripherie nur wenig verändert. Die Kömerschichten sind gut erhalten und weisen keine Verringerung der Elemente auf, desgleichen seheint die Ganglienzelienschicht nicht verschmälert Die Stäbchen und Zapfen sind zum Theil unversehrt, zum Theil verändert^ dodi macht es mehr den Eindruck, als ob die Veränderungen durdi die Per- foration hervorgerufen seien. So sieht man zwischen äusserer Kömerschidit und den in der Maculagegend unversehrt erhaltenen gut pigmentirten einreihigen PigmentepithelTen geronnenes Eiwetss, die Stäbchen und Zapfen stellenweise an den Pigmentepitlielien, theils an den durch das Eiweiss etwas abgehobenen übrigen Retinaltheilen haften. In den peripheren, frei im Bulbusinneren hegenden Netzhauttlieilen kann man gleichfalls noch Stäbchen und Zapfen nachweisen. Auch lassen diese Parthieen keine Bmde- gewebsvermehrung und nidit die geringste Andeutung von Pigment- wucherung erkennen. In den übrigen Theilen dagegen, von der Ma- cula bis ungefähr zum Bulbusäquator auf der lateralen Seite, medial gleidi vom Sehnerveneintritt bis zur Aequatorgegend finden sich die ftlr die Rgmentdegeneration charakteristischen Veränderungen.

Die erkrankte Netzhaut hat in diesen Parthieen im Ganzen die Dicke einer normalen, nirgends macht sidi eine stärkere Ver- breiterung oder Abnahme bemerkbar. Fast durchweg haftet sie hier innig der Aderhaut an, ohne dass aber eine directe Ver- bindung durch Gewebs£asem sich nachweisen liesse, überall tritt zwischen ihnen die helle Glaslamelle deutlidi hervor. Hochgradige Veränderungen bietet das Pigmentepithd dar. Gut pigmentirte, ^reihige Zellschichten smd selten, dagegen kommen übereinander- geschichtete, oder pigmentarme Zellen am meisten vor. Sehr vielfach sieht man auch den Platz von grossen, vollkommen pig- mentfreien Zellen besetzt Die Stäbchen und Zapfen sind voll-

Anatomische Untersuchung eines Falles von Retinitis pigmentosa. 183

ständig geschwunden. Die Kömerschichten sind grösstentheils zu einer Schicht venschmolzen^ welche eine genauere Trennung nicht zulässt; nur stellenweise kann man gesonderte Reste der äusseren Kömerschicht, die weit heftiger als die innere vom Degenerations- process ergriffen ist, erkennen. An ihre Stelle ist Bindegewebs- Wucherung getreten, welche mitunter einen arcadenartigen Bau büdet, und in der sich eigenartige Zellen mit grossen, stark ge- färbten Kernen vorfinden. Die Ganglienzellenschidit fehlt, während die Nervenfaserschicht überall relativ gut erhalten ist.

Die Pigmentwuchemngen nehmen ihren Ursprung von dem Pigmentepithel und lassen sidi in die inneren Netzhautschichten verfolgen. Zum grössten Theil an Zellen gebunden, liegt aber auch viel Pigment, bis zu den feinsten Kömchen, unregeimässig, durch alle Sdiichten zerstreut, frei in dem Gewebe. Die Ge- fasse der Netzhaut lassen eine Verdickung der Wandung und dadurch bewirkte Verringerung des Volumens constatiren, die Arterien sind in stärkerem Maasse ergriffen als die Venen. In einigen Fällen waren die verdickten Wandungen deutlich opak getrübt, während bei anderen Gef^en diese hyaline Metamor- phose nicht statt hatte. Vielfach bemerkt wurden Pigmentein- wanderungen in die Adventitia und selbst in das Gefässinnere, so dass das Lumen emlger kleiner Gefasse durch Pigment voll- ständig obturirt zu sein schien.

Die Aderhaut bietet in der Maculagegend keine besonderen Abweichungen dar, überall aber, wo sie mit der Netzhaut ver- klebt ist, und so weit die Veränderungen der Netzhaut reichen, walten in derselben Ausdehnung pathologische Processe in der Chorioidea vor. In diesen Gebieten ist Bie beträchüich verdickt, was zum grössten Theil auf einer Auflockerung des Stromas beruht. Diesem einher gehen sowohl eine diffuse Durchsetzung der Membran mit Leukocyten, welche aber nur einen geringen Grad erreicht, als auch besonders massenliafte kleinere drcumscripte Anhäufungen von Rundzelien, die sich ohne Regel in sämmt- lichen Schichten der Aderhaut finden und nicht immer, wenn auch vielfach, sich direct an ein Gef^ anschllessen. Diese selbst sind stellenweise recht spärlich vorhanden, und sind zum grösse- ren Theil in ihren Wandungen stark verdickt. An einigen Ge- fässen zeigte sich so hochgradige Sklerose, dass ein Lumen nicht wahrgenommen wurde. Nirgends hyaline Veränderung. Die ChoriocapiUaris konnte in den erkrankten Parthieen nicht nach- gewiesen werden. Das Verhalten der Glaslamelle ist insofern ein verschiedenes, als Verdünnung derselben mit entsdiiedener Ver-

184 0. Bürstenbinder.

breiterung abwechselt Keine Drusenbildang. Von der Aequator- zone an liegt die Aderhaut noch eine kurze Strecke dem blutigen Exsudat an, in welchem sie d&nn im vorderen Bulbusabschnitt nahezu vollkommen aufgeht

Bemerken muss ich hier^ dass sich weder in den Resten der Membran noch in dem kurzen, unversehrt dem Exsudat anliegen- den Theile derselben, irgend eine entzündlidie Anschoppung vorfand.

Der Sehnerv ist etwas veradimälert, der Zwischenscheiden- raum weit Der Opticus selbst erscheint relativ kemrdch infolge einer deutUcli nachweisbai^en Atrophie der Sehnervenbündel, die zum Tlieil durch etwas stärkere Bindegewebswuchemng ersetzt wurde'). Lamina cribrosa sehr deutlich. Die Wandungen der Centralarterie sind beträchtlidier, die der Vene geringer verdickt, aber nidit opak getrübt

Epikrise.

Als Patient sich nach der Verletzung in unsere Be- handlung begab, klagte er über hemeralopische Beschwerden und eine gleichuiässig auf beiden Augen aufgetretene Ab- nahme des Sehvermögens seit 5 Jahren. Es fand sieb rechts das typische Bild der Retinitis pigmentosa. Gleich- massig blass-röthlicher Augenhintergrund, nur in der äusser- sten Peripherie gab der Fundus rothen Reflex, blassgelbe Papille, stark verengte Gefässe, netzförmiges schwarzes Pig- ment von Knocbenkörperchen ähnlicher Form, stets die Getasse überlagernd,* nirgends fleckförmige Entfarbungs- heerde. Auch das deutlich nachweisbare Ringskotom und die Herabsetzung des Lichtsiunes nmssten uns in der Diag- nose befestigen, wenn auch eine noch in Entwicklung begriffene Retinitis pigmentosa mit Ringskotom bei einem 60jährigen Manne ohne luetische Infection etwas ungewöhnhch ist

Beachten wir die Angabe des Patienten, dass beide Augen vor der Verletzung ganz gleich gewesen seien, und berücksichtigt man die Erfalirung, dass^in den weitaus meisten Fällen die Retinitis pigmentosa als doppelseitige Erkrankung auftritt, so durfte a priori eine bestehende Hg-

') Ein Querschnitt vom Nerven wurde nicht untersucht

Anatomische Untersuchung eines Falles von Retinitis pigmentosa. 185

mentdegeneration auch des linken, der ophthalmoskopischen Untersuchung in Folge der Verletzung nicht mehr zugäng- lichen Auges vermuthet werden. Zweifellos erwiesen ward dieselbe durch die mikroskopische Untersuchung.

Etwas zweifelhafter ist die Frage, ob auch an diesem Auge ein Kingskotom bestanden habe. Das Ergebniss der Untersuchung scheint die Annahme zweifelsohne zu be- stätigen. In der Maculagegend sowohl wie in der äusseren Peripherie der Netzhaut sind die nervösen Gebilde und die Stäbchen und Zapfen mitsammt dem Pigmentepithel fast vollständig unversehrt, während sich in der dazwischen- liegenden, breiten Bingzone die schweren Veränderungen der Retinitis pigmentosa bei relativ gut erhaltener Nerven- faserschicht finden.

Die Veränderungen in der Retina, die genau der Beschreibung von Leber im Handbuch von Graefe- Saemisch entsprechen, bestehen in theilweiser Atrophie des Pigmentepithels und theilweiser Hypertrophie. Die Stäb- chen und Zapfen und die GangUenzellen sind gänzlich ge- schwunden. Von der äusseren Kömerschicht sind nur noch kleine Reste nachweisbar, während die innere Kömerschicht und Nervenfaserschicht relativ gut erhalten waren. Ueberall findet sich reichliche Bindegewebswucherung.

Das Pigment nimmt seinen Ursprung von den Pig- mentepitheUen und durchwuchert sämmtliche Schichten, Qndet sich noch besonders häufig in den stark verdickten Wandungen der theilweise obturirten Gefässe.

Besonderes Interesse erregen die Aderhautprocesse. Zunächst muss vor allem betont werden, dass hier die Ver- änderungen genau den erkrankten Netzhautparthieen ent- sprechen, wenn man von den durch das Trauma bewirkten, destruirten Theilen der Membran im vordersten Bulbus- abschnitt absieht. Jene Strecken zeigen eine Verbreiterung der Aderhaut mit stellenweiser Verringerung der Gefässe, einem vollständigen Fehlen der Choriocapillaris und einer

186 O. Bürstenbinder. Anatomische Untersuchung eines Falles etc.

Verdickung der Grefässwände, die mit stellenweise recht beträchtlicher Verengerong des Lumens einhergeht Dabei findet sich eine difiuse, massige Durchsetzung mit Leuko^ cyten neben massenhaften, kleineren circumscripten, ent- zündUchen Anschoppungen.

Hervorzuheben ist, dass sich die entzündlichen Ver- änderungen nicht als Folge der eitrigen Processe im vor- deren Bulbusabschnitt ableiten lassen, denn die Aderhaut weist vom Aequator ab so geringe Abweichungen vom nor- malen Zustande auf, welche sogar in den restirenden Mem- brantheilen am Corpus ciliare fast vollständig fehlen, dass eine derartige Erklärung ausgeschlossen werden muss. Müssten sich doch dann die stärksten Infiltrationen mit Rundzellen im vordersten Abschnitt finden, und nadi hinten zu abklingen, während sich in unserem Falle, mit Ausnahme der der Macula entsprechenden Theile, die pathologischen Processe im hinteren Bulbusabschnitt abspielen, um nach vorne vollkommen zu schwinden. Auch würden wir im Falle einer eitrigen Iridochorioiditis eitrige Exsudationen erwarten müssen, von denen auch nicht eine Andeutung besteht

Wagenmann ^) sagt: „In wie weit die Veränderungen der Aderhaut als entzündUche au&ufassen sind, ist nicht sicher zu sagen". In seinem Falle handelte es sich ja auch um einen abgelaufenen Process, während die Krankheit bei meinem Patienten oflFenbar noch im Fortschreiten begriffen war, was durch eine spätere Untersuchung für das erhalten^ rechte Auge nachgewiesen werden konnte. Das Sehver- mögen hatte sich noch etwas verschlechtert und das Sko- tom ein wenig zugenommen. Wir können daher mit Sicherheit für diesen Fall Ton Retinitis pigmentosa, bei dem der krankhafte Process noch in Entwicklung begriffen war, den Nachweis von entzündlichen Veränderungen in der Aderhaut erbringen.

») 1. c.

lieber die Bildung cystenartiger Hohlräume im Gebiete der Retina.

Von

Prof. Francesco Falchi in Pavia.

Hierzu Tafel V, Fig. 1—4.

Die Untersuchung der bisher beobachteten Cysten der Retina ergab, dass sie sich entweder in dem eigentlichen Parenchym der abgelösten Retina, als Folge eines Oedems oder eines Degenerationsprocesses in einigen ihrer Schich- ten entwickeln, oder dass die abgelöste Retina sich faltet und einen Sack mit verschiedenem Inhalt (wie z. B. nor- malem oder verändertem Glaskörper, oder einem Fremd- körper) bildet, während gleichzeitig die umhüllende Retina selbst pathologische Veränderungen eingeht

Die Bildung von Cysten im Retinaparenchym kam am häufigsten zur Beobachtung; sie beginnt gewöhnUch mit einem sogen. Oedem der Retina, welches zu einer Degeneration der Retina führt, und in der Bildung von leeren oder mit verschiedenem Inhalt gefüllten Hohlräumen ihren Ausdruck findet; die Hohlräume sind von MüUer'- schen Fasern begrenzt, getheilt und durchzogen. Hannover^) beobachtete derartige Cysten der Retina in verschiedenen

^) Das Auge. Beitrfige zur Anatomie, Physiologie und Patho- logie dieses Organs. Leipzig 1852, p. 98.

188 F. Falchi.

Scliichten derselben bei einem Colobom der Chorioidea an einem Auge, welches auch ein Colobom der Iris zeigte. Blessig*) und Saemisch*) fanden solche in den Kömer- schichten des zwischen der Papille und der Fovea liegen- den Theiles der Retina an Augen mit Verdickung der Retina an der Macula lutea in Folge einer Wucherung der Kömer und einer Ansammlung von Pigmentgewebe; Henle^ bemerkte sie häufig in der Nähe der Ora serrata, jedoch nicht constant und regelmässig, wesshalb er sie als patho- logisch ansah.

Iwanoff*) gab eine Darstellung der Pathologie dieser Cysten der Retina; er fand sie in Augen von Kindern bis zu 6 Jahren, bei Erwachsenen von 20 40 Jahren, jedoch häufiger bei solchen von 50 80 Jahren. Die ovalen oder runden Cystenräume der Retina (welche er Colloidcysten nannte) wurden von ihm in der inneren und äusseren Kör- nerschicht oder in beiden gleichzeitig beobachtet; sie waren begrenzt von dem Stützgewebe der Retina; manchmal waren sie so gelagert, dass von zwei Cysten sich eine hinter der anderen präsentirte, manchmal waren die Hohlräume mit einander verschmolzen, so dass sie eine einzige Höhle bil- deten, welche beinahe die ganze Dicke der Retina einneh- men konnte. Nach Iwan off sollte die Erkrankung mit einem Oedem der Retina beginnen und im weiteren Fort- schritt die Cystenräume bilden; für gewöhnlich sollten diese ihren Sitz 2 3 mm oder 7 8 mm hinter der Ora ser- rata haben und ein eiweissreiches Serum oder auch eine

^) De retinae textura disquisitiones microscop. Diss. inaug. Dorpat 1855.

*) Beiträge zur normalen und patholog. Anatomie des Auges. Leipzig 1862. p. 29.

') Handbuch der systematischen Anatomie des Menschen , 1866. 2. Bd., Eingeweidelehre, p. 669.

*) Beitrage zur normalen und pathologischen Anatomie des Auges. Das Oedem der Netzhaut, v. Graef e's Archiv f. Ophthalm. XV. 2. p. 8ö.

Ueber die Bildung cystenartiger Hohlräume etc. 189

gelatinöse Substanz enthalten. Iwanoff spricht auch von Gefässveränderungen, fettiger Degeneration und Ablage- rung von Kalksalzen. Die Retina sollte in Folge der cystischen Degeneration häufig aus zwei Lamellen bestehen, welche durch Ansammlung von Exsudat im Parenchym der Retina entständen, sich in der Folge vorwölbten und so eine Ablösung durch Ausdehnung hervorriefen.

Merkel*) nahm auch an, dass die cystische Entartung der Retina sowohl beim Menschen als bei den Hunden eine senile Erscheinung sei.

Nettleship*) fand die Retinacysten in Fällen von Staphylom; bei einem skleralen mit secundärem Glau- kom, bei einer durch hereditäre Lues bedingten Kerato- Iritis mit einer der Vorwölbung der Sklera entsprechenden Netzhautablösung; bei einem äquatorialen Staphylom an einem glaukomatösen Auge und auch bei einem Staphy- loma posticum mit secundärem Glaukom und ausgedehnter Netzhautablösung. In allen Fällen bestanden gleichzeitig mit dem Oedem und der cystischen Entartung der Retina umschriebene Entzündungsprocesse der Retina selbst und der Chorioidea. Nettleship nimmt, gerade wie Iwanoff, an, dass ein Entzündungsprocess zum Theil die cystische Entartung der Retina mitbedingen muss.

Landsberg ^) fand bei einem nach einem Messerstich blind gewordenen Auge traumatische Cataract, Ablösung der Netzhaut mit Bindegewebswucherung in der limitans interna retinae an der Ora serrata, Auszerrung der Ele- mente mit entzündlicher Verdickung der Radialbündel und Bildung von Hohlräumen in den Kömerschichten. Bei

') Ueber die Macula lutea des Menschen und die Ora serrata eines Wirbelthieres, 2 Taf. Leipz. 1870.

*) On oedema or cystic disease of the retina. With 1 plate. Ophth. Hosp. Reports VII. p. 343—351.

') Beitrage zur patholog. Anatomie der Netzhaut, y. Oraefe's Arch. f. Ophthalm. XXIIl. 1. p. 193.

190 F. Falchi.

einem andern Auge von einem an Herzfehler mit Hydrops gestorbenen Individuum, welches keine Verminderung des Sehvermögens geklagt hatte, beobachtete er mehr oder weniger grosse rundliche Hohlräume in der äusseren Kot- nerschicht. Aus diesen Befunden schUesst Landsberg ent- gegen der Ansicht Iwanoff 's, dass die Bildung der Cjrsten der Retina die Folge einer ursprünghchen Entartung der Zellenelemente in der äusseren Kömerschicht sei, während das Stützgewebe nach und nach degenerire und die Atrophie der Retinaschichten herbeiführe.

Leber') vervollständigte die Untersuchungen Iwa- noff's und betrachtete die cystische Entartung der Retina als die Manifestation einer Erkrankung ihres peripheren vorderen Theils in den beiden Könierschichten mit Bil- dung einer klaren Flüssigkeit. Er bestätigt die Ansicht Iwanoffs, dass die cystische Degeneration der Retina als senile Erscheinung auf ihr vorderes Ende locaUsirt ist und darum mit unbedeutender Störung des Sehvermögens ver- läuft und dass bei Augen von jugendUcheren Individuen die cystische Entartung mit Netzhautablösung zusammen auftritt. Entzündüche Veränderungen der Retina sollen bei diesem Cystenbildungsprocess in der Retina nicht noth- wendig vorkommen und bei den senilen Formen vollkommen fehlen. Nur in wenigen Fällen soll die cystische Degene- ration als Entzündungsprocess auftreten, wie z. B. nach Verwundungen und bei glaukomatösen Processen.

O. Becker*) untoi'suchte zwei Augen, eins mit Iritis und Verknöcherung dos Chorioidealtractus mit consecutivem Glaukom und ein anderes mit Tridocyclitis, Verknöcherung

*) Die Krankheiten der Netzhaut und des Sehnerven. Hand- buch der gesammten Augenheilkunde von Graefeu. Saemisch. Bd. V. p. 663-665, 702.

*) Atlas der patlio legi sehen Topographie des Auges, III. Lief. Taf. XX, Fig. 1. p. 69. 187H. - Taf. XXI, Fig. 4. p. 69.

Ueber die Bildung cystenartiger Hohlräume etc. 191

der Linse und Netzhautablösung und £and dabei eine cystische Degeneration der Ketina.

Lawford^) fand bei 6000 untersuchten pathologischen Augen 4 Cystenbildungen in der abgelösten Retina; in zwei Fällen lag ein Trauma als Ursache vor.

Webster*) beobachtete bei einer alten Frau mit Bron- chitis nach einem heftigen Krampfanfall eine beinahe totale Netzhautablösung; in dieser fand er eine seröse Cyste zwi- schen der Limitans externa und der äusseren Kömerschicht und eine andere in der Nähe der Papille gelegene Cyste.

Kamocki^) fiind im Auge eines Diabetikers cystische Gebilde in der Netzhaut an der Peripherie und am Aequator.

Naumoff*) constatirte in den Augen eines todtgebore- nen Mädchens um die Macula herum zwischen der inneren Kömerschicht und der Schicht der Spongioblasten Hohl- räume, welche eine kömige Substanz enthielten und durch Wandungen aus feinsten Faserbündeln von einander ge- schieden wurden. Sie waren in einer Reihe geordnet, welche über der ganzen Macula und in der Fovea centralis nicht unterbrochen war.

Manz^) fand Cysten in der äusseren Kömerschicht eines Kaninchen auges mit Colobom des Sehnerven.

Treacher Collins®) beschreibt 9 Fälle von cysti- scher Degeneration der Retina; bei einem Falle von Cysten

^) On cases of cystic degeneration of tlie retina. Ophth. Hosp. Rep. XL 2. p. 208.

*) A case of complete detachement of the retina with oedema and forraation of serous cystics. New York med. Journal, May 14.

') Pathologisch - anatom. Untersuchungen von Augen diabetischer Individuen. Arch f. Augenheilkunde Bd. XVII, p. 249.

*) Ueber einige pathol. -anatom. Veränderungen im Augenhinter- gninde von neugeborenen Kindern, v. Graefe's Arch. f. Ophthalm. XXXVI. 3. p. 206.

*) Ueber das angeborene Colobom des Sehnerven. Archiv f. Augenheilk. Bd. XXIII, 1. Heft, p. 14, Taf. I/II, Fig. 4.

«) The Royal London Ophth. IIosp. Rop. Vol. XIII, Part. I.

192 F. Falclii.

der Retina bei einem 7jährigen Mädchen kommt er zu der Ansicht, dasB wohl wahrscheinlich ein Lymphangiom der Betina der erste Ausgangspunkt der Cyste gewesen ist

R. Greef *) beobachtete 3 Cysten in der äusseren und inneren Kömerschicht und im Stratum intergranulare der abgelösten Netzhaut

Die andere Form der Reünacyste entsteht dadurch, dass sich das ganze Parenchym der abgelösten Retina in Form eines Sackes faltet und einen Inhalt von Glaskörper oder Blut enthält. Der Theil der Retina, welcher diesen Sack bildet und der daran grenzende sollen verschieden- gradige Veränderungen erfahren. So beobachtete Treitel*) an einem Auge mit vollständig verlorenem Sehvermögen in Folge von Buphthalmus mit Iritis und hinteren Syne- chieen bei einem syphilitischen Individuum in der abge- lösten Retina einen Tumor, welcher von der gefalteten Retina selbst und einem Inhalt von rothen Blutkörperchen, Pigment und einem Coagulum von glasigem Aussehen ge- bildet wurde.

An einem anderen Auge fand Treitel') an der voll- ständig abgelösten Retina nur unbedeutende Veränderungen in den verschiedenen Schichten mit Ausnahme der Stäb- chen und Zapfen, welche am wenigsten erhalten waren; in der Nähe der Papille enthielt ein Abschnitt der ge- falteten Retina eine homogene coagulirte Substanz, welche einen grossen, Rundzellen enthaltenden Kern oder Knoten einschloss; am Aequator bildete sie einen geschlossenen Sack, welcher im Innern von ihren äussersten Schichten ausgekleidet war, als Inhalt einen ovalen Körper zeigte und

^) Zur KenntnisB der intraocularen Cysten. Arch. f. Augenheilk. Bd. XXV. p. 410.

*) Beitrüge zur patholog. Anatomie des Auges, v. Graefe*8 Archiv f. Ophthalm. XXVI. 3. p. 91.

■) Ebenda p. 98.

Ueber die Bildung cystenartiger Hohlräume etc. 193

eine mediane Raphe hatte, von welcher dunkle , convexe, gegen die Basis gerichtete liuien ausliefen.

Doch kann die Retina auch einen Cystensack um einen in den Eulbus eingedrungeneu Fremdkörper bilden, sei es dadurch; dass sie n)it dem neugebildeten Bindegewebe, wie es in der Umgebung von Fremdköq>em gewöhnhch vor- kommt, eine unmittelbare Verbindung eingeht, sei es dadurch, dass in Folge einer ausgedehnten Bindegewebsneubildung eine Attraction aus der Ferne ausgeübt wird. In der That beobachtete Realing*) an einem von einem Zündkapsel- splitter getroffenen Auge, dass die vollständig abgelöste Retina einen Cystensack l)ildete, welcher eingedickten Glas- köq)er enthielt, in dessen Mitte sich der Kapselsphtter vor- fand. Die Retina der Cyste zeigte Zerstönmg der Stäb- chen und Zapfen und in ihren übrigen Schichten eine deut- liche Hypertrophie der bindegewebigen Elemente.

Meouro*) beobachtete an einem Auge, welches durch das Eindringen eines ZündhütchenkapselspUtters verletzt worden war, zwei Gebilde vom Aussehen einer Cyste, welche unter sich und mit der abgelösten Retina in Verbindung standen. Der Theil der Retina, welche die Wandung der cystischen Gebilde darstellte, war in ihrer vorderen Hälfte sehr dünn, ihre Stäbchen und Zapfen waren zerstört, die Kömerschichten waren gut zu sehen, doch war die innere verdünnt. Es fehlten die Ganghenzellen und auch die Nervenfasern waren wegen der Hyperplasie des Binde- gewebes nicht zu imterscheiden. Der Inhalt der cystischen Gebilde bestand aus rothen und weissen mehr oder weniger

^) Ein Fall von Pseudocyste der Retina, weldie einen Fremd- körper enthielt. Archiv f. Augenheilkunde X, 2. p. 211.

*) Kicerche anatomiche su di un occhio enucleato in seguito a penetrazione di frammento di Capsula di fulminante con speciale richiamo su una speciosa forma di cisti retinica e sulla struttura dellu cataratta capsulare. Istituto di Glinica Oculista della R. Universitil di Napoli, 1889. p. 45.

r. Onefe'8 Archiv für Ophthalmologie. XLI. 4. 13

194 y- Falchi.

gut erhaltenen Blutkörpereben und Spuren von Glaskörper. Meouro ist auf Grund seines Befundes der Ansicht, dass die beiden in der unteren Hälfte des Bulbus vorhandenen (iteschwülste nicht zwei Retinacysten sind, weil die Oysten- räume nicht in der Dicke der Retina lagen und weil sie nicht durch Ausdehnung eines oder mehrerer Theile der- selben gebildet wurden.

Greef *) beschreibt multiple Cysten im Corpus ciliare an einem durch einen Eisensplitier verletzten Auge mit chronischer Chorioiditis und operirter traumatischer Cata- ract Die Retina zeigte am hinteren Pole bindegewebige Entartung; in ihren peripheren Theilen fand sich inmitten der Bindegewebswucherung eine knöcherne Neubildimg.

Die spontan entstehenden Cysten, welche in der Pars retinalis iridis ihren Sitz haben, sind, soweit sie anatomisch festgestellt sind, viel weniger häufig, als diejenigen, welche sich in der Pars uvealis iridis entwickeln; sie entstehen entweder in Folge einer Degeneration der Elemente, welche die Pars retinalis iridis bilden oder einer Auseinander- trennung der beiden Zellenschichten, aus welcher sie be- steht. In der That hat Kamocki') am Auge eines 16jährigen, an Darmkatarrh gestorbenen Diabetikers unter den vorderen Zellen der Pigmentschicht der Iris eine An- zahl beobachtet, welche eine klare wässerige Flüssigkeit zeigten, wahrend die Kerne gegen die Peripherie gedrängt waren. Die Zellen der Ketzhautschicht der Iris waren auf- geschwollen und hatten das Pigment verloren. Wenn man sie anfasste, Hessen sie ihren flüssigen Inhalt ausfliessen, und es entstand dabei ein Cystenraum, dessen Wandung von der Gesammtheit der Membranen der Zellen gebildet wurde und in dessen Innerem man Kerne, Pigmenthaufen und farblose Tropfen bemerkte. Bei einem anderen Auge

') 1. c. p. 395. «) 1. c.

Ueber die Bildung cystenartiger Hohlräume etc. 195

eines Diabetikers mit Cataract fand K a m o ck i ausser den beim vorhergehenden Fall beschriebenen Epithelveränderangen an der Iris eine Cysteubildung in der Retina der Ora serrata.

Treacher CoUins*) beschreibt einen Fall von Iris- cyste, welche sich im hinteren Theil der Iris in Folge einer Trennung der beiden Pigmentschichten bildete, zwischen welchen ein Exsudat bestand.

0. F. Clark*) veröflFentlichte zwei Fälle von spontan entstandener Qyste der Iris jedoch ohne histologische Unter- suchung. Es ergiebt sich nur aus der Betrachtung einer Abbildung des ersten Falles, dass es sich um eine Cystcf handelt, welche die hintere Parthie der Iris betrifft, ohne dass man unterscheiden kann, wie weit diese an der Cysteu- bildung betheiligt ist.

Klinische Untersuchungen über die Cysten der Retina wurden angestellt von Merkel am Hunde, von Evers- busch') an einem alten Pferd und am Kalbe; diese Auto- ren fanden solche Cysten in der Region der Ora serrata; nur beim Kalbe fand Eversbusch sie auch in der des Corpus ciliare. Darier^) veröffentlichte einen klinischen Fall von cystischer Entartung der Retina bei einem Menr sehen, welchem früher das andere Auge wegen derselben Erkrankung enucleirt worden war.

II. Meine Untersuchungen über die Cysten der Retina betreffen zwei klinische Fälle, von welchen der erste in

') 1. c.

*) Two cases of serous cysto of the iris. Transactions of the 8 international ophthalmological Congress, held in Edinburgh, 1894. p. 141.

') Eine mit dem Augenspiegel aichtbare Gystenbildung (partielle cygtoide Degeneration) der Retina beim Pferde. Zeitschr. f. verj?l. Augenheilkunde, Jahrg. IV. p. 89.

*) D^^n^rescenoe cystoide bilaterale de la r^tine k evolution lonte et progressive. Archives d'Ophthalmologie, 1890.

13*

196 1*'. Kalchi.

meiner Privatpraxis, der zweite in der Augenklinik der Universität Pavia beobachtet wurde; diese Untersuchungen hatten besonders die Pathogenese dieser Cysten im Auge.

Fall L

C. D., 45 Jahre alt, litt in seinem 15. Jahre an einer schweren Krankheit des linken Auges ^ nach welcher das Seh- vermögen sich allmählich verminderte und endlidi fast voUständig verloren ging. Ein Jahr bevor der Patient in meine Beobachte ung kam, stellten sich öfters lieftige Schmerzen in diesem Auge ein.

Bei der objectiven Unterauchung zeigte das linke Auge noimale Verhältnisse der Lider und der Conjunctiva; die Cornea zeigte ein Leukom, welches sich unten und aussen fast bis zur Mitte eretreckt und an der Iiis adhärent ist Die vordere Kammer ist vollkommen verschwunden. T -f- 1- Die Trübung der brechen- den Medien des Auges verhindert die Untereudiung der tieferen Theile. Keine IJchtperception.

2

Das rechte Auge verhält sidi klinisch normal ^ V= ,

ö

M 1 D, liest 1 W auf 20 cm.

Urinuntersuchung: Keine Spm* von Eiweiss oder Zucker.

Diagnose: L. Irido-Cyclitis plastica, Trübung der Medien mit secundärem Glaukom und vollständiger Amaurose.

Enudeation im Mai 1888.

Der Bulbus wurde in der üblichen Weise in Müller'scher Flüssigkeit und Alkohol gehärtet

Makroskopischer Befund. Nach Anlegung emes von vom nach hinten gehenden Medianschnittes wird constatirt:

Optische Achse 2G mm. Querdurchmesser am Aequator 22 mm.

Die pericoineale Conjunctiva erscheint normal. Die Cornea ist theilweise ektasirt; in ihrer cenütüen und äusseren Zone ist sie um mehr als ^j^ des normalen verdickt. Die vordere Kammer ist verkleinert und enthält ein röthliches Coagulum. Die Skle- rotica zeigt normale Dicke. Die Iris ist an ihrer Peripherie der Cornea adhärent, während sie hinten beinahe ganz mit der vor- deien Linsenfläche verwachsen ist Die lanse ist nach vom ver- lagert; hinten ist sie in Contact mit einem röthlich-braunen Coa- gulum, welches einen grossen Theil des Glasköipergebiets ein- nimmt und auch zwischen der abgelösten Netzhaut und der

Ueber die Bildung cystenartiger llohlräume etc. 197

Oioiioidea vorhanden ist. Die Retina ist in ihrer Gesaninitheit his zur Ciliargegend abgelöst; ihre beiden hinteren Drittel, ein- Rchliesstich der Sehnervenausbreitung liegen längs der optischen Achse, während das vorderste Drittel zum Theil hinter der L»nse liegt

Histologische Untersuchung:

Die Schnitte wurden mit neutraieui Ammoniakearmm, mit Alauncarmin (Grenacher) mit Hämatoxylin und mit Picrocar- min (Weigert) gefärbt

Die pericomeale Conjunctiva ist stark mit lymphoiden Ele- menten infiltrirt und zeigt zahlreiche junge Bindegewebszellen und hjT)erämi8che Gefasse. Ihr Epithelialüberzug ist normal, hie und da sind in denselben I^ukocyten eingedrungen.

Das Epithel <ler Cornea ist zum gi-ossen Theil erhalten. In der äusseren Hälfte derselben ist die IJowman'sche Membran unter der reichlichen Bindegewebswucherung mit (ieflissneubil- dung vei-sch wunden ; einige dieser neugebildeten Gefässe, bescm- dera aber die Venen haben eine beträchtliche Entwicklung er- reicht und zeigen manchmal hyaline Degeneration der Intima und des in ihrem Lumen vorhandenen Blutes; Züge neugebil- deten Bindegewebes mit lymphoider Infiltration bemerkt man im Coraeaparenchym ; sie sind von oben nach unten und von innen nach aussen gerichtet und zeigen auch Spuren von Pigment. Die Descemet sehe Membran, welche diesem Theil der Cornea entspricht hat ihr Epithel verloren und besteht eine Adhärenz zwischen ihr und der Para ciliaris der Iris.

In ihrer inneren Hälfte hat die Cornea verhältnissiuäßsig normale Faserbündel, doch zeigen dieselben in einigen perii)heren Parthieen Gedem. Das Endothel der Descemefschen Membran ist erhalten und an derselben hängt ein weissliches Coagulum, welches rothe Blutkörperchen und I^eukocyten enthält

Am Limbus der Cornea enthalten die Faserbündel der Sklerotica zaiilreiche junge Bindegewebsz3llen, besonders in der Adventitia der Gefässe. Dasselbe bemerkt man in geringerem (Jrade am Aequator und am hinteren Pole an den Knötchen neugebildeten Bindegewebes, welche sich in der Chorioidea ent- wickelt haben.

Das Endothel der Iris ist an dem Tlieil der Iris, welclier von Verwachsungen mit der Cornea frei geblieben ist, eriialt«n; ihre Uvealschichten sind grösstentheils erhalten. Die Arterien des Circulus arteriosus iridis minor zeigen meistens Sklerosis ihrer Scheiden, docJi besteht an einigen eine reichliche Diapedesis. Die

198 *'. Falchi.

Pai*s diiaris, welche an der Cornea adh&ru% zeigt an ihrer Ober- itSehe Verhut des Endothels^ wie andi ein entsprechendes Yer schwinden der Descemet^schen Membran and ihres Endothels «in der adhärenten Hornhaut zu constatiren ist; hier erscheint das Uvealparenchyni der Iris verdickt und in ihrer (Jefässsehicht hat sicli ein Absoess fr^bildet.

Die Netzhautpaitliie der Iris ist mit der vorderen linsen- kapsel durch gewuchertes Bindegewebe verwaclisen (Flg. 1, a; Fig. 2j d)y welches auch pigmentirte bindegewebige Elemente enthält. Am Ciliarrand bemerkt man an der Pars retinalis iridis zwei cystenartige Gebilde (Flg. 1, h), Sie liegen in ge- ringer Entfernung von einander und sind von verschiedener (Jrösse; sie sind hervorgerufen durch eine Auseinandertrennong der beiden Zellenscbichten; welche die Pars retinalis bilden; die pignientirten Spmdelzellen (Flg. 2, a) bilden deshalb die vordere Wimd und adhäriren an der Uvealparthie der Iris, wälirend die polyedrisclicn Zellen ip) der pigmentirten Schicht die hintere innere Wand bilden, mit der das neugebildete Bindegewebe iß) verwachsen ist, welches seinereeits die Adhäi*enz zwischen der In's und der voitleren Linsenkapsel zu Wege bringt und sich in dasjenige Bindegewebe foiisetzt, welches sich in der Zonula Zinnii entwickelt hat.

Das grössere dieser cystenartigen Gebilde (Flg. 2) enthält eine glänzend weisse coagulirte Substanz, welche wie ein aus- gespanntes Häutclien {e) erscheint, an welchem man runde pig- mentirte Zellen (/) Leukocyten ig) im Pigmentationsproeees, rothe Blutkörperehen und spindelföimige Zellen (/*) beobachtet, welche sich aus der Pai-s retinalis iridis abgelöst haben; diese Zellen und zugleicli emige wenige ebenfalls losgelöste polyedrisdie Zellen liegen am inneren Ende des Cystem*aums gruppirt u)«

Der kleinere cystenartige Hohhraum (Flg. 1, A*) hat den- selben Inhalt wie der grössere, nur sind die losgelösten Netz- hautzellen der Iris in späiiicherer Zahl vorhanden.

Der Ciliarmuskel zeigt myopischen l\|)us. Seine Muskel- fasern sind grösstentheils ^'er8ohwunden, nur hie und da bemerkt nijui isolirte Bündel inmitten der Bindegewebsneubildung (F1g. 1, c\ welche zum gi'ossten Theil an ihre Stelle getreten ist und sich im inneren Segment deutlicher in die Bindegewebsneubildung (Flg. 1, d) der inneren Grenzschicht der Retina ciliaris (Flg. 1, e) fortsetzt, welche mit der Netzhaut des Orbiculus ciliaris die Wände des blut- cystenaitigen Hohlraums, die sich dort neugebildet hat, darstellen.

Ueber die Bildung cystenartiger Hohlräume etc. ]99

Die Ciliarfortaätze sind meist miteinander verKhhel und gegen den Linsenäquator durch nengebildete BindegewelbBzOge gedrängt (Fig. 1), welche von der Wucherung in der Kegion der Retina dliana sich auf die Zonula Zinnii fortsetzen und sich auf dem Linsenäquator ausbreiten. In diesen Wucherungen beson- ders an ihrer Periplieiie bemerkt man Zelleneiemente^ wel(^ in i'ettiger Degeneration begriffen sind, und von welchen man Spuren auch in den umliegenden Lympluräumen walimehmen kann.

In der Chorioidea des äusseren Bulbussegments bemerkt man sowohl am Aequator als am hinteren Pol, umschriebene Hindegewebswucherungen (Fig. 1, g) in der Form von ovalen Knötdien, mit der Basis nach den Schichten der Chorioidea und mit der Spitze gegen das Innere gerichteten Pyramiden und Kegeln im Contact mit dem Glaskörper und dem Blutextravasat, welches sich im Glaskörperraum gebildet hat. Diese Binde- gewebs wudierungen sehen verschieden aus; bald ist der grösste und llauptbestandtheil ein blasses amorphes im Innern der Supra- chorioidea gelegenes (lerinnsel; welches die Choriocapillaris Über- deckt hat, das ihm entsprechende Ketinalepithel nach Innen ver- drängt oder zaiu Verschwinden bringt und sich endlich auf das Extravasat des ( ilaskörpeiTaums fortsetzt; dieses Goagulum wird durchsetzt von Endotheleleraenten , welche durch ihre Fortsätze miteinander anastoiiiosiren, während es in seinem Innern von Pignientzellen und Bindegewebsbttndehi ausgekleidet ist, welche den Schichten der Chorioidea parallel gelagert und hie und da durch Hohlräume auseinander gedrängt sind, welche durch Dege- neration von rothen Blutkörperchen entstandene hyaline Tropfen enthalten. Diese letzteren waren aus dem Extravasat des Glas- köi*perraums hinein gedningen; lateral und einwärts von der Neubildung finden sich zahlreiche junge Bindegewebselemente.

An einer anderen Stelle der Chorioidea findet man, dass die Bindegewebswucherung von jungen Bindegewebselementen gebildet wird, welche hn Process der llgmentation begriffen sind, während sie an ihrer inneren Peripherie zaiilreiche hyaline Tropfen zeigt.

In kurzer Entfeniung vom Nervus opticus sieht man eine ums<'liriebene entzttndliclie Neubildung der Chorioidea besser ent- wickelt; sie besteht aus Bindegewebsbündehi mit zahhreidien runden Bindegewebszellen, welche vertical oder sdiräg zu den Chorioideaschichten gestellt sind und etwa m der Gestalt einer Pyramide bis in den Glaskörper eindringen; um die Basis dieser

200 1*'. Falchi.

Neubildung hemm entwickeln sicli neugebiklete GefSsse, welche Diapedesis zeigen.

Die Geilisse dieses Segments der Chorioidea sind an der Stelle der eben beschriebenen drcumscripten Bindegewebswucher- ungen zum grössten Theii >erechwunden; eine Vena vorticosa ist thrombosirt.

Die Chorioidea des Innern Bulbussegments zeigt i^lativ nor- Aiaie Verhältnisse, nur ihre Gefässe zeigen deutliche Skleroeis und geringe Endothelwucherung.

Die vordere Linsenkapsel zeigt Faltungen und Einbiegungen, welche von neugebildetem Bindegewebe eingenommen sind, welclies eine beinahe totale Adhärenz z^visclien ihr und der Hinterflädie der Iris heiT orbringt. Das Epithel ist hier verschwunden. Die peripheren Fasern der Linse sind auch verschwunden und an ihrer Stelle befindet sich eine amorphe Substanz^ welche sich weder mit den verschiedenen Canninfarben, noch mit Hämatoxy- Im färbt und Streifen zeigt, die oft junge Elemente e])ithelialer Natur enthalten. Weiter nadi innen zu findet sich im Parenchym der Linse eine andere amoriihe Substanz, weldie sich bis in die Nähe des Kerns ausdehnt und sich mit Alauncamiin intensiv färbt Zwischen diesen beiden hyalinen Substanzen finden sich hie und da Hohlräume, welche von IVoducten der myelinen Degeneration der Fasera occupirt sind. Weiter einwäi-ts von diesen pathologischen l\oducten findet man Linsenfasem, welche einen ITieil ihrer normalen Structur erhalten haben und nur spärUche Stellen mit myeliner Degeneration zeigen. Dei* Kern ist zum llioil >'on den übrigen linsenfasem isolirt und zeigt vollkommene Sklerosis seiner Fasern und hie und da umschriebene myeline Degeneration. Die hintere IJnsenkapsel ist von den linsenfasem abgelöst und zu äusserst feinen FSiäen reducirt, weldien aussen zalilreiche Bindegewebszellen und ausgedehnte Ablagerangen von Blutpigment anhängen.

Der Glaskörper ist Sitz eines Blutextravasates, welches einen gi'ossen llieil seines Baumes einnimmt; ebenso der subretinale Baum (Fig. 1, h) bis auf eine kleme Parthie in der Umgebung des Netzhautstiels (t), hängt aber mit dem Pigmentepithel der Betina zusammen. Die rothen Blutköiperchen des Extravasates entstammen zumeist der HämoiThagie, welche bei der Bildung der Cyste in der Begion der abgelösten Netzliaut des Corpus ciliare stattgefunden hat; sie sind zum grössten Theil gut er- halten, nur hie und da zeigen sie hyaline Degeneration in Form von farblosen Tropfen. Letztere madit sich am häufigsten da

Uebor die Bildung cystenartigcr Hohlräume etc. 201

bemerkbar, wo das Extravasat mit der abgelösten Retina und den beschriebenen Bindegew ebswuchei-ungen im Uvealtraetus in Beruhigung tritt, sie ist dagegen selten im Centrum der Masse des Extravasates. Ijenkocjten bemerkt man nur wenige in diesem Blutextravasat.

DieKetinaist bei*eits in ihi^er Gesammtheit vom Uvealtraetus abgelöst (Flg. 1,^) und bildet zusariimen mit der l^apille die Form eines Triditera; zwischen der Retina und Cliorioidea hat das Blutextravasat, welches sich in den (ilasköq^eiTaum ergossen hat, seinen Sitz.

Abgesehen von den bereits beschriebenen Hohlräumen in der Pars retinalis iridis bemerkt man in der übrigen Retina von vom nadi hinten fortschreitend in den verechiedenen Ebenen der Sclmitte folgendes: Die Ablösungen der Pai-s oiliaris retinae zeigen ve]*8Gliiedene Ausdehnung, man bemerkt sie sowohl im äussern als im inneren Segment des Bulbus; sie sind Folgeersclieinungen der Bindegewebswucherungen in der Region der Retina ciliaris: sie zeigen neugebildete Gefasse, deren Gefassscheiden grösstentheils pigmentirt sind: ebenso bemerkt man auch eine l^gmentirung der dort gewucherten zelligen Elemente, welche zum grossen llieil spindelförmige Bindegewebszellen sind. Diese Wuciierung erstreckt sich nach vom bis zur Ciliai'zone; nach hinten, wo ihre Ent- wicklung gerade eine bedeutende ist, beobachtet man eine aus- gedehnte Verknöcberung (Fig. 1, f).

In der Retina des Corpus ciliare ist die Orbiculuspai-tliie die- jenige, welche in der 'grössten Ausdehnung abgelöst ist; im äusseren Segment des Bulbus scheint die Retina in der That in Folge der dort stattgefundenen Bindegewebswucherung abge- löst worden zu sein. Diese letztere ei-scheint in der Form von mehr oder weniger ausgedehnten, von einander isolirten Zügen (Fig. 1, T) welclie, theils zusammengerollt («), tlieils zu ovalen Gruppen (§t) grupjjirt von cylindriscben Zellen der Retina ohne Pig- ment gebildet werden, wälnend andere hufeisenionnig angeordnet und von cylindriscben, vollständig pigmentirten (/) Zellen gebildet werden. Der grösste Theil dieser Netzhau tablösung ist jener, welcher zusammengerollt in seiner äusseren Parthie die Cylinder- zellen der Retina in ihrer I^änge zeigt, während diese Zellen weiter nadi innen zu senkrecht zu ihrem Ijängsdurchmesser durchschnitten sind und deshalb als runde F^'guren ei-scheinen; nach vorn bieten sie Sclirägschnitte dar und erscheinen deshalb oval. Nach innen zu ist diese zusammengerollte Netzhautparthie von einem Endo- thel begrenzt, während sie auf den anderen Seiten von Binde-

202 F. Falchi.

gewebsbündeln mit zahlreidien spindelförmigen Bindegewebssdlen umgeben ist

Im Innern Bulbussegment ist der Theii der Retina des Orbicolns ciliaris, welcher dnrdi die Bindegewebswncherong zur Ablösung gebracht wurde, ausgedehnter als die im äusseren Seg- ment beschriebenen abgelösten Theile und hilft ein neues patho- logisches Gebilde zu Stande bringen. In der Tliat ist die I^ars ciliaiis retinae im Bereiche des Orbiculus ciliaris in betriciit- lieber Ausdehnung abgelöst, nacli innen gedi-ängt und von der Bindegewebswucherung umgeben, welche sidi in der Regimi der Retina ciliaris entwickelt hat Dasselbe ist auch in das Innere des Bulbus in einen Theil des Glaskörpenaumes eingedrungen und bildet zusammen mit der Retina des Orbiculus ciliaris die Wandungen eines cystenartigen Hohfaraumes (Fig. 1, m), weldier Blut (») enthält und vermittelst emer Oeffiiung {o) in seiner inneren Wand seinen Inhalt mit dem in den subretinalen Raum ergossenen Blut in Verbindung treten lässt. Diese blutcystenartige Neubil- dung ist ein durch ein Extravasat entstandener Hohlraum. Ihre äussere Wand und ein Theil der vorderen und hinteren Wand werden gebildet von den Gylinderzellen der Pars ciliaris retinae des Orbiculus ciliaris, unten ist sie umgeben von gewuchertem Bindegewebe, während die ganze innere Wand (i) und der tlbrige Hieil der vonleren und hinteren Wand von einzehien neugebildeten Knde* gewebsbündeln gebildet wird; diese innere Wand der Cyste ist in den unterhalb des in Fig. 1 gezeichneten, von hinten nach vom gelegten Schnitts liegenden Ebenen continuirlieh und sseigt nicht mehr die Oefihung, so dass sie den Inhalt der Cyste von dem Extravasat des subretinalen Raumes trennt, dessen rothe Blut- körperchen da, wo sie in Beiühning mit dem inneren Rand dieser inneren Wand stehen, an zalih^eiclien Stellen hyaline De- generation zeigen (t/t). In einer Reihe von aufeinanderfolgenden Schnitten, welche sidi mehr und mehr von dem erwähnten, von hinten nach vom gelegten Schnitt entfemen, bemerkt man, dass die Dicke der inneren Wand der Cyste allmählich zunimmt, so dass sie schliesslich das Doppelte dessen beträgt, was zuerst an der Wand mit der Apeilur beobachtet wurde; hier bemerkt man einige prall mit Blut gefüllte neugebildete Gefässe und eine ver- mehrte I^giuentation der Elemente, welche diese Wand bilden.

Das in der Cyste enthaltene Blut besteht zum grossen Hidl aus rothen Blutkörperchen; Leukocyten giebt es nur wenige; die rothen Blutkörperchen sind verhältnissmässig gut erhalten, nur an der Peripherie des Extra\'asates bemerkt man Stellen mit gelb-

Ueber die Bildung cystenartiger Hohlräume etc. 2&3

liehem amorphem Gerinnsel^ wälirend an anderen Stellen die rothen Blutkörperchen hyaline Degeneration in Gestalt von blassen, ovalen manchmal in Gruppen geordneten Tröpfehen zeigen und zwar am häufigsten in der Nähe des innei*en Randes der inneren Wand der Cyste.

Diese Ablösung der Retina des Orbiculus ciliaris des inneren Bulbussegments hat einen Riss (Fig. 1^ p) an der Ora serrata henorgerufen, welcher Sitz einer reidilichen Wucherung der Nenroglia ist und zum Theil von dem Blutextravasat bedeckt ist welclies sich von dem zwischen der abgelösten Retina und der Chorioidea hegenden Glaskörperraum, die Oeffhung des Risses durchsetzend^ nach vorn ergossen hat und an der hinteren Lin- senk^^del {q) in BerOhning mit dem hinter diesem Theil der abgelösten äquatorialen Netzhaut (r) getreten ist.

Die abgelöste^ zum Theil hinter der Linse gelegene äqua- toriale Retina zeigt folgendes Bild: das mit der Lamina vitrea der Chorioidea verklebte Retinalepltiiel ist grösstentheils erhalten mit Ausnahme derjenigen ParthieeU; welche den Stellen der Chorioidea entsiirechen, an denen sich die umschriebenen Bindegewebs- wucherungen befinden; in diesen Parthieen fehlt es entweder^ oder es zeigt hyaline Degeneration. Die äusseren Glieder der Stäb- chen und Zapfen sind vollständig versdi wunden, die anderen Netzhautschichten sind Sitz einer reichlichen Neurogliawucherung, wesswegen man sie, mit Ausnahme einiger Stellen der äusseren Kömerschicht, nicht mehr einzeln unterscheiden kann; im Allge- meinen sind die Nervenzellen beinahe vollständig verschwunden; einige Stellen der Retina sind ödematös.

Verschiedene Gefässe, insbesondere Venen, dieser abgelösten, äquatorialen Retina, in ihrer hinter der Linse gelegenen Parthie, haben eine ausgedehnte Hämorrhagie (s) entstehen lassen, welche sicJi über viele Schichten der Retina ausbreitet; das ausgetretene Blut ist im Degenerationsprocess begiiffen; man bemerkt da und dort etwas Blutpigment. Einige Arterien haben rothe Blutkör- perchen in ihrem Lumen, während verschiedene Venen Throm- bose zeigen, manchmal mit Spuren von Blutpigment, welches sich in Häufchen gruppirt, während das Lumen und die Wände der genannten Gefösse in Folge hyaliner Degeneration nicht mehr zu unterscheiden sind; in einigen wenigen Arterien bemerkt man Endarteriitis obliterans emes grossen Theils des Lumens oder des ganzen Lumens, um diese Gefösse henim ist immer ein weiter Lyniphraum vorhanden.

Die Retina des hinteren Poles ist abgelöst und liegt längs

204 !*'• Falchi.

der optischen Axe; sie zeigt ebenfalls die in den anderen eben- falls abgelösten Regionen der Retina beschriebene Neuroglia- wucherung mit Verschwinden der ner\'ösen Elemente, wobei sie eine Dicke bekommt, welche beinalie das Doppelte der nonnalen beti-ägt.

An den gi-ossen (refässen der Papille ist folgendes zu be- merken: in dem Lumen der Vena centralis sieht man einen dem Endotiiel anhaftenden rothen Tlirombus, welcher das Lumen des (Sefasses vollständig verschliesst (l'hrombosis der Vena centralis >, während die Wandungen der Artotia centralis deutlich Sklerosis zeigen. Am hinteren Pol ebenso wie an den äquatorialen Par- thieen der Retina zeigen die Oefässe folgendes Bild: an den Arterien bemerkt man entweder eine Infiltration der Adventitia oder eine Sklerosis der Wände, während an den Venen zu diesen Verändenmgen eine endotheliale Wucheining der Intima und zu- weilen eine hyaline Degeneration derselben oder sämmtlicher Schichten der (iefässwand hinzutritt; manchmal ist auch die Vene vollständig versdiwunden und an der Stelle ihres Lumens sind nur kranzförmig angeordnete Häufchen von Pigment ge- blieben, ßemerkenswertii ist die 1^'gmentinßltration der ver- änderten Geföflswände, besondere ihrer zelligen Elemente, welche n(»cli zu finden sind, wie z. B. der Endotiiolien, deren Kerne meist pigmentirt sind; auf diese Weise bilden die Verzweigungen dieser (Jefasse ein sehr feines pigmentirtes Netzwerk; in dem Lumen des Getässes sind zaldreiclie I^gmentkömchen ange- sammelt. Audi in den End Verzweigungen der Venen bemerkt man (»rganisirte Tliromben, manchmal mit Pigment.

Die Nervenßisern der Seimervenausbreitung sind zum llieil erhalten. Die Papille ist nach vom gedrängt und stellt mit der peripapillären Retina der gegenüberliegenden Seite den hinteren llieil des Tinchters dar, welcher von der Gesammtiieit der Netz- hautablösung gebildet wird. Die Nervenbündel von der P^ille bis zurLamina cribrosa sind erhalten. Der Raum der Sehnerven- scheide erscheint verkleinert

Kpikrisis: Die klinische Untei-suchuiig eousttitirte bei diesem ersten Fall: Iridocyclitis j)lastica mit secundärem Glaukom und Vernichtung des Sehvemiögens.

Bei der histologischen Untersuchung fand sich: aus- gedehntes Leukoin mit Irisverwachsungen und Voi-schluss der Lacunen des Pontana'srhen Raumes; Iridocyclitis pla-

Ueber die Bildung cystenartiger Hohlräume etc. 205

stica mit ringförmiger hinterer Synechie des Pupillarrandes der Iris; cystoider Hohh'aum in der Pars retinalis iridis.

An der Bildung dieses cystenartigen Hohlraumes waieu folgende Factoren betheiligt: der von Seiten der vorderen und der hinteren Synechie gleichzeitig auf die Iris ausgeübte Zug, die Transsudation aus dem Circulus iridis major, me Schmidt-Rimpler') annimmt, aber wahrscheinlich auch ein hämorrhagisches Exsudat, wie das noch bestehende Vor- handensein eim'ger rother Blutkörperchen in der Cyste und die Pigmentirung der jungen Bindegewebselemente imd Leu- kocyten vermuthen lässt. Nach der Annahme von Mit- valsky') soll aus einem in einer Cyste eingeschlossenen Blutextravasat eine seröse Cyste entstehen können, indem die Blutflüssigkeit diffundirt, zum Theil resorbirt wird, zum Theil aber klar werden kann. Ausserdem weiss man, dass mit der Zeit die zelligen Elemente eines hämorrhagischen Exsudats zerstört werden, wobei ein Theil des Hämo- globins aufgelöst und resorbirt wird, während ein anderer Theil sich in ein bräunliches Pigment verwandelt.

Die ciliare blutcystenartige Neubildung wird umgrenzt von der abgelösten Retina des Orbiculus ciliaris und von der Bindegewebswucherung des Ciliarkörpers; diese Cyste ent- spricht in ihrer Pathogenese der Darstellung, welche Vir- chow^) bezüglich der Blutcysten gegeben hat. Nach der- selben liegen diese Cysten gewöhnlich in der Richtung der GefässslÄmme und können sich in einem präexistirenden Raum aber auch in einem neugebildeten Raum entwickeln; in diesem letzteren Falle würden sie keine einfachen durch Dilatation entstandene Timioren darstellen, sondern wahre Neubildungen

') V. Graefe's Arch. f. Ophthalmologie XXXV. 1.

') Zur Eenntniss der Blutcysten des orbitalen und subconjunc- tivalen Zellgewebes. Centralblatt für praktische Augenheilkunde. VII. Jahrgang 1893, p. 1.

■) Pathologie des Tumeurs. Trad. p. Aronsohn. T. I, p. 117 et 153, 1887.

206 F. Falchi.

sein, welche durch das Eindringeu der Elemente des Bluter charakterisirt werden. Nach Ziegler ^) können die Hämorr- hagieen der Gefässe der Wandungen des Chirstenraums den Inhalt der Cyste bilden und die Cyste ganz ausfüUen, aber sie können auch nur Both- und Bniunfärbung des Inhalts bewirken.

In dem von uns untersuchten Auge beobachtete man verbreitete Angiosklerosis; die G^fässe des Ciliarkörpers sind der Sitz von Circulationsstörungen. Diese letzteren wurden bedingt entweder durch die doi*t stattgefundene Bindegewebswucherung oder aber durch die Stauung, welche ihrerseits hervorgerufen wurde durch die behinderte Ent- leerung des Blutes in Folge der Thrombose einer Vena vorücosa. Der hierdurch erhöhte Druck und die dadurch herbeigeführte Hämorrhagie in der Bindegewebswucherung bewirkte dann die Entstehung einer Blutcyste oder nach dem Ausdruck Lücke's eines incistirten Blutextravasats.

Aus der Blutoyste hat sich das im Uebermaass darin enthaltene Blut durch eine Oefiftiung ihrer inneren Wand zwischen die Retina und Chorioidea ergossen, und ist dann in dem Maasse als die Retina allmählich abgelöst wurde in den Glaskörperraum eingedrungen, den es schUesslich zum grossen Theil occupirte; doch hat zur Bildung des Blutextravasats im Glaskörper auch die Hämorrhagie der abgelösten äquatorialen Retina beigetragen.

Das in der Cyste enthaltene und das in den Glas- körper ergossene Blut ist grösstentheils erhalten, doch zeigen sich hie und da an einzelneu Stellen in hyaliner Degene- ration begriflFene rothe Blutkörperchen, welche von Elebs') auch bei der Chorea hereditaria constatirt wurde, was^ freilich

M Lehrbuch der allg. und BpecieUen patholog. Anatomie. 5. AaÜ., Bd. I, p. 129.

*) Die krankhaften Störungen des Baues und der Zusammen- setzung des menschlichen Körpers, p. 113. 1889.

Ueber die Bildung cystenartiger Hohlräume etc. 207

nicht in Uebereinstimmung ist mit der Ansicht Reckling- hausen's, welcher behauptet, dass im Blute nur die weissen Blutkörperchen der hyalinen Degeneration unterliegen.

Vom morphologischen Standpunkt aus können diese Blutcyste und der von Blut erfüllte subretinale Raum als zwei bluterfüllte miteinander communicirende Hohlräume angesehen werden , von denen der erste eine cystoide Neu- bildung ist, entstanden durch Auseinandertrennung ge- wucherten Gewebes, in dessen Inneres sich das Blut er- gossen hat, während die andere von einem Bluterguss ge- bildet wird, welcher aus, der Blutcyste und der Hämorrhagie der äquatorialen Netzhaut in den subretinalen Kaum er- folgte und deshalb eine Blutcyste sein würde, welche sich in einem präexistirenden Hohlraum gebildet hätte.

Die Ablösung der Netzhaut und der in Folge davon entstandene ßis^s derselben wurde in der Parthie des Orbi- culus ciliaris zum grossen Theil durch das Blutextravasat hervorgerufen, welches aus der ciliaren Blutcyste sich zwi- schen die Chorioidea und die Retina ergossen hat, und ausserdem durch die Hämorrhagie im äquatorialen Theil der Retina sowie durch die Bindegewebsneubildungen der Chorioidea, welche einwärts über die Linie des Netzhaut- epithels vorragen; in dem Maasse als die Netzhaut sich ablöst, occupirte die Hämorrhagie den Glaskörper \md dringt zum Theil, indem sie durch den Riss der Retina tritt, nach vorn bis an die hintere Linsenkapsel, wo sie sich mit dem Blute vereinigt, welches aus der in der abgelösten äqua- torialen Netzhaut erfolgten Hämorrhagie stammt Leber ^) hatte auch Gelegenheit Fälle zu beobachten, in welchen auf demselben Auge gleichzeitig hämorrhagische Retinitis und Chorioiditis desseminata bestand, und er zog daraus den Schluss, dass gleiche Ursachen in den beiden Mem- branen nicht immer die gleichen Veränderungen hervorrufen.

1) Festschrift f. v. HelmholU. 1892.

208 !•'• Falchi.

Von den Veränderungen der abgelösten Retina sind folgende bemerkenswerth: die hyaline Degeneration des mit dein Glaskörper in Zusammenhang gebliebenen Retinalepi- thels an den Berühruugsstellen mit den Bindegewebsneu- bildungen der Chorioidea^ welche das Epithel durchsetzend, nach einwärts vorspringen; das Verschwinden der äusseren Glieder der Stäbchen und Zapfen, welches sich vielleicht auf Emähnmgsstönmgen in Folge der Netzhautablösung und der fiiihen Zeit ihrer Entstehung zurückführen lässt, Wucherung der Neuroglia der Retina und mehr oder weniger vollständiges Verschwinden der nervösen Elemente; im Allgemeinen besteht Angiosklerose der Netzhautgefässe, die Arterien zeigen Endarteriitis, die Venen Verdickung der Intima und Thrombose wie z. B. auch die Vena centralis; aber sowohl an den Arterien als an den Venen beobachtet man zuweilen hyaUne Degeneration ihrer Wände, welche sich oft auch auf ihren Inhalt erstreckt, wie man an der abgelösten äquatorialen Retina bemerken kann. Diese Tjetztere ist auch Sitz einer Hämorrhagie, da ja, wie Reck- linghausen bemerkte, der hyaline Thrombus in den Netz- hautgefässen hämorrhagische Infarktein der Netzhaut hervor- ruft; das extravasirte Blut zeigt in diesem Theil der Netz- haut meist zerti-ümmerte und in Kömchen verwandelte rothe Blutkörperchen.

Wein bäum ^) betrachtet als wichtigste Ursache des hämorrhagischen Glaukoms die Thrombose der Vena cen- tralis retinae, indem er annimmt, dass eine Periode ver- mehrten Druckes vorhanden sei, sobald die Stasis und die Thrombose erfolgt ist, und dies würde zu einer Retina- hämorrhagie führen, sobald die vis a tergo des arteriellen Druckes stärker einwirkt.

^) Ein Fall von Glaukoma haemorrhagicum mit Thrombose der Vena centralis retinae und Ectropium uveae. v. Graefe's Archiv f. Ophthalm. XXXVIII. 3. p. 190.

Ueber die Bildung cystenartiger Hohlräume etc. 209

Nach Wagenmann*) soll das Auftreten des Throm- bus secundär sein und ein neues mechanisches Hindemiss für die Circulation schaffen; die Steigerung des Druckes würde nur in dem AugenbUck vorhanden sein, in welchem die Hämorrhagie in der Retina erfolgt.

Nach unserer Ansicht ist das secundäre Glaukom eine Folge complicirter anatomisch -pathologischer Vorgänge, welche sich in verschiedenen Theilen des Auges abspielen. So hatten wir in dem von uns beschriebenen Fall aus- gedehntes Leukom der Cornea mit Irisverwachsung; Ver- schluss der Lacunen des Fontana*schen Lyraphraums, ring- förmige hintere Synechie, cystenartigen Hohlraum des reti- nalen Theils der Iris, blutcystenartige Bildung im Corpus ciliare, Hämorrhagie im Glaskörperraum, Bindegewebsneu- bildung im Uvealtractus mit Ossification am Orbiculus ciliaris, Thrombose einer Vena vorticosa, Angiosklerosis der Retina- gefässe und Thromben, Thrombose der Vena centralis reti- nae, Hämorrhagie in der abgelösten äquatorialen Retina und Verengerung der Lymphräume der Sehnervenscheide; alles dies bildete einen Complex, welcher eine Steigerung des intraocularen Druckes zum Resultat hatte, die Pathogenese des secundären Glaukoms ausmachte und die klinischen Er- scheinungen desselben bewirkte.

Wenn auch die Veränderung, welche der von der Hämorrhagie betrofifene Glaskörper eingegangen sein muss, die myeline Degeneration der Linse imd die totale Netz- hautablösung Factoren sind, welche eher den intraocularen Druck verminderten als dass sie ihn vermehrten, so bringt doch, wie Pries tley Smith*) bemerkt, der Riss eines Blut-

*) Anatomische Untersuchungen üher einseitige Retinitis haemorr- hagica mit Secundärglaukom nebst Mittheilungen über dabei beob- achtete Hypopyon-Keratitis. v. Graefe's Arch. f. Ophthalm. XXXVIII. 3. p. 213.

') Glaukoma-Pathology. Siebenter periodischer internationaler Ophthaimologencongress. Heidelberg 1888. p. 230.

T. Graefe'i ArchiT (Qr Ophthalmolodr. XLI. 4. 14

210 F. Falchi.

gefässes und ein Bluterguss, wenn er in den geschlossenen Bulbus erfolgt, eine beträchtliche Steigerung des intraocu- laren Druckes für längere Zeit zu Stande und es entsteht daraus demnach ein secundäres Glaukom. In der That traten in unserem Falle, bei welchem ähnUche Verhältnisse beobachtet wurden, schwere glaukomatöse Erscheinungen auf, während welcher sich der intraoculare Druck constant oberhalb der Grenze des normalen hielt

Fall IL

M. G., 51 jähr. Bauer aus Casatisma, trat am 18. XI. 1889 in die Augenklinik zu Pavia.

Im Alter von Y Jahren empfing er einen Stockschlag auf das rechte Auge. Es entstand danach eme traumatiache Cataract, weldie als inoperabel erklärt wurde. Auf einem Auge vermm- derte sich die Lichtperception allmählich bis zum beinalie voll- ständigen Erlöschen.

Im September 1889 zeigte, nach der Angabe des Kranken das rechte Auge eine pericomeale Injection der CoQJunctiva bulbi, wobei er bulbäre und supraciliare Schmerzen emp&nd.

Das linke Auge soll nach der Aussage des Patienten niemals Sehstörungen gehabt haben.

Bei der von mir vorgenommenen Untersuchung constatirte ich, dass der Patient in kümmerlichem allgemeinen Ernährungs- zustände wai*. Das rechte Auge zeigte pericomeale Injection, trans- parente Cornea, vordere Kammer sehr verkleinert, hintere Sjnae- chieen, atrophische Cataract; kerne Lichtperception; T+ 1, kein

bulbärer Schmerz OS V =| M 1.50 D. Uest 2 W auf

ö

15 cm.

Das linke Auge erweist sich bei der klinischen Untersuchung als normal.

Bei der Urinuntersuchung fand sich weder Eiweiss noch Zucker.

Diagnosis: Irido-cyclitis plastica und Cataracta atrophica mit secundäi'em Glaukom und Verlust des Sehvermögens auf dem rechten Auge.

Ich schlug die Enucleation des Auges vor; der Patient ging jedoch nicht darauf ein und verliess dabei die Klinik. Dodi trat

lieber die Bildung cystenartiger Hohlräume etc. 211

er am 2. XU. wieder ein, weil er von äusserst heftigen haupt- sächlich bulbären Schmerzen Im rechten Auge befallen worden war, welche sich in kurzen Zwischenräumen wiederholten. Jetzt eonstatirte man, dass das rechte Auge ausser dem bereits be- schriebenen pathologischen Zustand sehr lebhafte pericomeale In- jection und Trübung in der vorderen Kammer zeigte, während der Patient heftigen bulbären Schmerzen ausgesetzt war.

Am 3. XI F. wurde die Enudeation des erkrankten Auges gemacht und am 15. d. M. verüess der Patient hergestellt und gesund die Klinik.

Das enncleirte Auge kam zuerst in gewöhnlichen Alkohol, der an den nächsten Tagen erneuert wurde, und wurde schliess- lich in absolutem Alkohol conservirt

Makroskopischer Befund:

Optische Axe 25 mm.

Querdurchmessei* am Aequator 22 mm.

Die Conjunctiva bulbi, die Cornea und die Sklera zeigen keine Veränderungen. Die vordere Kammer ist von einem gelb- lichen Coagulum eingenommen (Flg. 3 a); neugebildetes Gewebe (h) im Pupillargebiet; die innere Hälfte der Iris hat im Pupillar- theil em grösseres Volumen als normal, während das Corpus ciliare und die Chorioidea ein normales Volumen zeigen.

Die linse (ß) hat die Gestalt einer 8, hervorgerufen dm-ch eine in gleicher Weise an ihren beiden Polen vorhandene Ein- buchtung.

Die Retina (t) ist vollständig bis auf die Parthie des Orbi- culus ciliaris abgelöst und bildet einen Trichter mit der Oefihung nach vom, welcher hinten in der im Centrum leicht vertieften Pi^ille endigt.

Im äusseren Segment der abgelösten Retina, sowohl hinter als vor der Linie des äquatorialen Bulbusdurchmessers bemerkt man zwei Gebilde (e) in Form von runden Knötchen, welche von einer feinen (k) Linie umgrenzt werden, die einen consisten- ten grauen Inhalt nmschliesst Das grössere dieser Gebilde hat einen Durchmesser von 2,5 mm, während das andere vor diesem gelegene im Durchmesser 1,5 mm misst; hinter diesen beiden Gebilden bemerkt man noch drei andere, deren Durchmesser zwischen 0,5 und l mm variurt.

Der von der Höhlung des Trichters umgrenzte Raum und derjenige zwischen der abgelösten Retina und der Chorioidea sind von einer grauen Substanz erfüllt

14*

212 F. Falchi.

Der hintere Pol zeigt zwei Hohlräume , einen auf jeiler Seite der abgelösten Papille.

HiBtologische UnterBUchung. Die Schnitte wurden mit neutralem Ammoniakcarmin, mit Grenacher's Älauncarmin, mit Weigert's Picrocarmin) mit Hämatoxylin, sowie mittelst der Doppelfärbung mit Hftmatoxylin und Eosin und derjenigen mit Alauncarmin und I^crinsänre gefärbt

Ebenso wurde auf Mikroorganismen untersucht.

Die pericorneale Conjunctiva zeigt in der Adventitia der Gefässe lymphoide Infiltration, welche sich an einzelnen Stella auf den sklero-comealen Ldmbus erstreckt.

Das Epithel, das Stroma und die Descemet'sche Membran der Cornea erscheinen relativ normal; nur an einer oberen Stelle des Homhautparenchyms in der Nälie des Limbus ist ein kleines Gefäss einige Millimeter tief in ihre äussere Zone eingedrungen. Die Gefässe des pericomealen Netzes zeigen lymphoide Infiltra- tion der Adventitia.

Die vordere Kammer enthält in der Reihenfolge von vom nach hinten ein an der Descemefschen Membran haftendes gelb- liches amorphes Gerinnsel, hinter diesem feinste Netzwerke von Körnchen aus coagulirtem Fibrin (F^g. 3, n), welche nach hinten von neugebildetem Gefässe enthaltenden, BindegewcbsbQndel (h) abgegrenzt werden, welche die Oberfläche der Iris fiberkleiden und in ihren Cihartheil an die Cornea fest haften, wobei sie in Gemeinschaft mit dem amorphen Gerinnsel die Lacunen des Fontana'schen Raumes verschliessen ; das Pupillargebiet (c) be- grenzen sie nach vom.

Die Sklera zeigt lymphoide Infiltration in den BOndehi des äussern Drittels an dem Limbus corneae.

Das Pupillargebiet ist vom von dem erwähnten neugebfl- deten Bindegewebe überzogen, während sein medianer Raum zum grossen Theil von einem wenig Lymphzellen ffihrenden amorphen Gerinnsel erfüllt wird, welches seitwärts von den Bfin- dek eines neugebildeten Bindegewebes begrenzt wird, welches die Fortsetzung des auf der Oberfiäche der Iris und im Pupillai^ gebiet vorhandenen Bindegewebes ist, die Verwadisung (e) des retmalen Theiles der Iris pupillaris mit der vorderen linsen- kapsei bewerkstelligt und durch einen Riss (A) dieser letzteren in das Innere derselben dringt und auf diese Weise mit den LinsenfiiBem in Berührung kommt

In der Pars uvealis iridis ist das Endothel an der Papille der äusseren Hälfte der Membrana iridis zum grossen Theil ver-

lieber die Bildung cystenartiger Hohlräume etc. 213

Bchwtinden; in dem Stroma der Iris bemerkt man ein deutliches Oedem, welclies in der Serie der Schnitte charakterisirt ist durch einen weiten Spaltraum oder mehrere Spaltränme in den Binde- gewebsbftndeln, welche meist von Epithel überkleidet sind und eine klare ^ glänzende Flüssigkeit als Inhalt besitzen; einige Ele- mente dieses Endotliels haben ein grösseres Volumen angenom- men, und in verschiedenen von ihnen ist der Kern versdiwun- den. Im Allgemeinen sind die Irisgefässe hyperämisch und zeigen lymphoide Infiltration ihrer Adventitia, besonders diejenigen des Circulus iridis minor; in einem derselben erscheint die Intima auf eine grosse Strecke des Gefässmulens abgelöst

Die Pars retinalis iridis ist in ihrem Pupillartheil von der Pars uvealis an der Stelle der durch die Bindegewebsneubildung bewirkten Verwachsung mit der vorderen Linsenkapsel abgelöst; diese Ablösung erzeugt eine ovale, seröse cystenartige Neubildung, (f) deren vordere Wand zum Theil von den Bindegewebsbündehi der Pars uvealis und zum Theil von den pigmentirten Spindel- zellen der Pars retmalis gebildet wuxl, während die hintere Wand vollständig von der Piu^s retinalis iridis geliefert wird.

Der übrige Theil der Pars retinalis iridis zeigt die nor- malen Beziehungen zu der Pars uvealis; nur hinten steht sie m Berührung mit einem Fibringerinnsel, welches den Glaskörper- raum ganz erfüllt und auch mit den Giliarfortsätzen, dem an der Lamina vitrea der Ghorioidea hängen gebliebenen Retinalepithel, wie auch mit der ganzen abgelösten Retina zusammenliängt.

Das Corpus ciliare hat myopische Gestalt, zeigt eine be- trächtliche Leukocyteninfiltration zwischen den meridionalen Muskel- fasern des Musculus ciliaris. Die Cüiarfortsätze der inneren Hälfte des Bulbus haben normale Structur, sind jedodi durch neu- gebildete Bmdegewebsbündel, welche in die an der Pars retina- lis der pupillaren Iris angehefteten Bündel übergehen, nach vom gedrängt; die Ciharfortsätze der äusseren Hälfte haben in der Pigmentsehieht der Pars ciliaris retinae an einzelnen Stellen das Pigment verloren, wähi*end an ihren Insertionen bindegewebige Neubildungen vorhanden sind, welche aus zu Knötchen grup- pirten jungen Elementen bestehen.

Ueber dem Grbiculus ciliaris der äusseren Bulbushälfl» be- merkt man ein ausgedehntes Gerinnsel, welches eine Ablösung desselben von der Sklera bewirkt; in seinen Maschen beobachtet man hyaline Degenerationsproducte, welche einige junge Binde- gewebszellen mit grossem ovalen Kern, sehr feine Kömchen und fibrinöse Fäden enthalten, in deren Ausläufern und Vereini^ngs-

214 ^^- Falchi.

punkten sich Leukocyten finden. Die Retina des Orbicolus dtia- ris ist vollkommen abgelöst

Der Orbiculus ciliaiis der inneren Hälfte des Bulbus er- scheint normal

Die Chorioidea ist zum grossen Ilieil bis zum Aequator normal; in der Umgebung des Nervus opticus bemerkt man am hinteren Pol in grosser Ausdehnung eine beträchtliche Dilatation der Venen y welche in ihrem Lumen eine grosse Anzahl von Blutplättchen enthalten.

Die Linse wird im Ganzen von zwei Segmenten gebildet, von welchen man nach ihrer topographischen Lage das eine als inneres (Fig. 3, g) das andere als äusseres (/) unterscheiden kann. Es ist dies eine Folge von zwei tiefen Einbuchtungen, welche am vorderen und hinteren Pole der Lmse entstanden sind. Am wenigsten tief ist die vordere Einbuchtung, in weldier man einen Riss (A) der vorderen Unsenkapeel sieht; durch diesen liin- durch dringt das neugebildete Bindegewebe, welches sich in das Linseninnerc fortsetzt Während die Vertiefung am vorderen Linsenpol zum grossen Theil von neugebiideten Bindegewebs- bündeln gebildet wird, welclie ausserhalb der vorderen Unsen- kapsei liegen, also extrakapsulär ist ist die hintere dagegen von euiem intrakapsulären amorphen Coagulum occupirt. Dieses Coagulum hat die Gestalt emer P}Tamide, deren Basis auf der Innenfläche der hinteren Linsenkapsel steht und deren Spitze gegen die zu einem Isthmus verschmälerte Stelle der linse ge- richtet ist, an welcher die beiden Segmente der Linsenfasem mit einander in Verbindung stehen. Diese Stelle besteht aus lieber- resten von Linsenfasem, welche in eine amorphe Substanz v^- wandelt sind und theilweise myeline Degeneration zeigen.

Im inneren Segment der Linse bemerkt man von vom nach hinten weitergehend, dass die vordere Linsenkapsel Faltungen zeigt, welche von dem an ihrer Oberfläche haftenden neugebil- deten Bindegewebe occupirt sind; das Epithel derselben ist bei- nahe vollständig zerstört und an ihrer ganzen inneren Fläche haflet eine Bindegewebswuchemng, welche eine Fortsetzung des Bindegewebes der Vorderfläche ist, welches durch den Riss der Kapsel eingedmngen ist; zwischen diesem neugebildeten Binde- gewebe und den peripheren Fasem der Linse besteht ein Raum, welcher von Fragmenten von Epithelzellen mit normalen oval^i Kernen, von zahlreichen polyedrischen EpiÜielzellen, welche haupt- sächlich in der Nähe der vorderen Enden der noch eriialtenen Linsenfasem liegen, von zahlreichen epithelialen Riesenzellen mit

Ueber die Bildung cy^tenartiger Hohlräume etc. 215

Belir feinkörnigem Protoplasma und kleinen länglidi-ovaien Kernen (gewöhnlich sind diese Kerne, weiche fflch mit Grenacher's Alaun- carmin intensiv färben, in der Anzahl von 3 9 vorhanden, aber in einer der grösseren konnte man 32 zählen) und endlich von Resten von linsenfasem erfüllt ist Gegen den Aequator der Linse hin bemerkt man einwärts von der vorderen Linsenkapsel grosse runde und ovale Elemente mit blassem protoplasmatischem Inhalt und manchmal ganz deutlichem Kern, während der letztere bei anderen versdiwunden ist, in welchem Fall dann das Pro- toplasma durch eine glänzende weisse Flüssigkeit ersetzt ist, welche sich mit Weigert's Picrocaimin gelb färbt.

Die peripheren Linsenfasem dieses inneren Segments zeigen kömigen Zer&ll oder myeline Degeneration. Veränderung der medianen Fasern sind selten, während in denjenigen des Kerns die myeline Degeneration eine beträchtliche Entwicklung hat. Die entBprediende hintere Linsenkapsel steht mit ihrer Innenfläche mit Linsenfasem in Contact, weiche zu feinstem Detritus oder Myelin degenerirt sind, während sie mit ihrer hinteren Fläche an den Bfindehi des neugebildeten Bindegewebes festhaftet, welches sich in das in der Zonula cUiaris entwickelte Bindegewebe fortsetzt

Im äusseren Segment der Linse kann man die vordere Linsenkapsel nur eine kurze Strecke nach aussen zu unterscheiden; der übrige Theil ist in der Bindegewebswucherung verachwunden, welche sich an ihrer Oberfläche entwickelt hat und sich durch den Riss der Kapsel in das Innere dieser letzteren fortsetzt Die peripheren und medianen Fasern, sowie diejenigen des Kernes zeigen dieselben Veränderangen , welche bei den entsprechenden Regionen des inneren Linsensegments bereits beschrieben worden sind.

Der ganze Glaskörperraum wird von fibrinösen Gerinnsehi (Ä) erfüllt, welche an der Obeiüädie der abgdösten Netzhaut an dem mit der Lamina vitrea der Chorioidea hängen gebliebenen Retinalepitliel festhaften; mitten in diesen Fibrinablagerungen finden sich hie und da spärliche Producte hyaliner Degeneration, und in der Nähe der limitans interna der abgelösten Retina bemerkt man vereinzelte junge Bindegewebselemente, welche im Pigmentationsprocess begrifien sind, sowie Lymphzellen. Vom Glaskörper konnte man keine Spur entdecken.

Ausser den in der Netzhaut der Iris und der Retina dliaris beschriebenen Verändemngen beobachtete man, dass der übrige Tlieil der Retina von der Ora serrata bis zum N. opticus voll- ständig abgelöst war und die folgenden Veränderungen zeigte.

216 F. Falchi.

Das RetinalepiÜiel ist normal. Die äusseren Glieds der Stäbchen nnd Zapfen sind verschwunden; man sielit eme Wuche- rung der zelligen Elemente der Neuroglia in der äusseren Röm^- sohicht, weldie an einzelnen Stellen so reichlich ist und sowdt nach innen vordringt, dass sie die innere Kömerschidit erreicht Hier wii'd sie so beträditüch, dass bei der Krhung mit Picro- carmin gleichsam ein unregelmässiger Kranz in der Dicke des Betinaparench^nns erscheint Die Nervenzellen der Gangliensdiicht sind zum Theil erhalten.

An einzeben Stellen der Retina ist jedoch diese Wucherung der Neuroglia so stark entwickelt, dass sie die ganze Dicke der Netz- liaut einnimmt und jede Begrenzung ihrer Schiditen zum Ver- seil winden bringt; namentlich versdi winden die Ganglienzellen und die Sehnervenausbreitung, an dessen Stelle man zalilrdche Lymphräume von versdiiedener Grösse sieht Diese Wucherung der Neuroglia bietet das vollkommenste Bild einer Ketinitis proliferans.

Bei dieser ganzen abgestuften Vermehrung von Elementen der Neuroglia der Retina kann man die Entwicklungsphasen der Retinacysten verfolgen; denn diese Wucherung der Betinanem*ogila bildet das Gnindterrain der Cystenentwicklung.

Im allgemeinen beobachtet man die Cysten in der abge- lösten Retina auf oder in der Nähe der Linie des aequatorialen Querdurchraessers und am hinteren Pol. Sie entwickein sich in folgender Weise:

Im Anfang bemerkt man in dem Stratum granuläre extemum, reticulare extemum und in dem Stratum granulai^e intemum der Retina eine Vermehrung der Zellenelementc der Neuroglia mit Ablagerungen fibrinöser Gerinnsel in der Gestalt von netz- förmig angeordneten Körnchen, welche Zerrungen und Trennungen an den Elementen der Neuroglia besonders an den Müller'sclien Radiärfasem hervorbringen; dadurdi fOlu-en sie zur Bildung kleiner länglicher Spalträume, welche meist nahe beieinander liegen und sowohl in ihrer Länge als in ihrer Breite variiren; die grösste Länge dieser Spalträume liegt jedoch in der Ridi- tung der Dicke der Retina; die am meisten entwickelten der- selben nehmen eine ovale Gestalt an und sind hauptsächlich im Stratum reticulare extemum gelegen. An der Stelle, an weldier sich diese zahlreichen Fibrin entlialtenden Räume bilden, bemerkt man eine Vene der aequatorialen Retina, welche einen weissen üirombus zeigt, welcher von Blutplättchen gebildet wird, zwisdien welchen man hie und da wenige Leukocyten findet Netzförmig

Ueber die Bildung cystenartiger Hohlräume etc. 217

angeordnete Fibringerinnsel, welche Leukocyten enthalten, hallen an der Oberflache der Retina.

Aber 'die zwischen den Maschen der gewncherten Retina- nem*oglia abgelagerten Fibringerinnsel dehnen nnd sprengen die- selben und zerreissen dabei die Müller'sdien Fasern in verschie- dener Weise, sodass mehr oder weniger zahlreiche kleine Spalt- räume (Fig. S, t) in den versdiiedenen Theilen der Retina ent- stehen, von denen jedoch der grösste Theil in verschiedenem Grad an der äussern Fläche der losgelösten Retina vorspringt, wesshalb sie in Serienschnitten ein verschiedenes Aussehen haben.

Indem sich immer mehr flbrinablagerung in den Spalten der Neuroglia in der Mitte der Dicke des Retinaparenchyms an- sammelt, entstehen in diesem Niveau der Retina eine Reihe unregelmässig ovaler, verschieden grosser Räume, welche ge- ronnenes Fibrin enthalten; später, wenn ihr Inhalt sich vermehii;, zersprengen sich ihre Wandungen und verschmelzen miteinander, und das Resultat ist schliesslich eine Spaltung des Retinaparen- chyms, welches eine Cyste (Fig. 4, a) von unregebnässig ovaler Gestalt bildet, deren grösstör Durchmesser der inneren Oberfläciie dei' Retina parallel läuft. Von den Wänden dieser Cyste wird die innere (h) gebildet von der Wucherung der Retinaneuroglia der inneren Kömerschicht, dem Stratum reticulare, der Ganglien- zellenschicht und Sehnervenfaserschicht; die Nervenelemente und die Begrenzungen dieser Schichten sind unter diesen Wuche- rungen, weldie zahlreiche neugebiidete Gefösse mit Angiosklerosis enthält, verschwunden; auch die äussere Wand (c) ist von Wucherungen der Retinaneuroglia gebildet, die jedoch inneriialb des äusseren Stratum reticulare und granuläre liegen. Die Wände der Cysten zeigen an ihren inneren Rändern die Enden (/) der zerrissenen Müller'schen Fasern.

Wenn es sich aber ereignet, dass ein solches Fibringerinn- sel sich in reichlicher Menge in eine nach aussen vorspringende üppige Wucherung der Neurogiiafibrillen der äusseren Retina- hälite ergiesst, dann beobachtet man, dass die Rbrillen der wuchernden Neuroglia sich mehr und mehr auseinander ti*ennen und auf diese Weise eine Cyste (flg. 4, y) bilden; im Innern deraelben findet man dann die zerrissenen MüUer'schen Fasern (Ä). Bei einer andern Cyste («) bemerkt man im Verlauf des W^adisthums in ihrem Innern Fortsätze der gewucherten Neuro- gha {k)y welche sich in die Cysten wandung fortsetzen. Durdi einen ähnlichen Vorgang entwickelt sich aucli die mit (/) be- zeichnete Cyste in der Wand einer grösseren Cyste durch Wuche-

218 F. Falchi.

rung der Neurogtia; diese letztere Cyste enthSlt auch fibrindeeä Gerinnsel und zeigt in ihrer Wand eine cystoide Spalte (m).

Das weitere Wachsthum des Volumens der gebildeten Cysten wird bedingt durch die stattfindende Vermehrung des fibrinösen InhaltSi durch welches die Wände, besonders die äussere an der äussern Fläche der abgelösten Retina vorspringende , mehr und mehr verdünnt werden; auf diese Weise entstehen Cysten von verscliiedener Grösse (flg. 3, k) (Fig. A, »), deren grösster Durdi- messer veiücal zur Dicke der Retina steht Die Wände dieser C^'sten werden bei vollständiger Entwicklung gebUdet: die äussere von der gewucherten Retinaneuroglia besonders von den Müller^- sehen Fasern, die innere von Wudieiningen der Nenroglia in der inneren Römerschidit

Die Foiin dieser Retinacysten ist mehr oder weniger rund.

Der Inhalt, sowohl der klemen Spalträume der Retina, wie der Retinacysten in den verschiedenen Phasen ihrer Entwicklung wu*d von geronnenem Fibrin in Gestalt von Körnchen und Netz- werken (Fig. 3, l) (flg. 4, d u. r) gebildet; doch beobachtet man m einer Spaltungscyste (Fig. 4, aj in der Retina des hintere Pols in ihrem fibrinösen Inhalt {d) Neurogliawucherungen {e) mit zahlreidien in Pigmentirung begriffenen Zellen und lue und da veremzelte Leukocyten im inneren Rand der inneren Wand der Cyste. Einige Cysten der abgelösten Retina des hinteren Pols enthalten ausser dem geronnenen Fibrin (o) ein Blutextravasat {p\ welches circa ^\^ des Cystenraums audÜUt, blasse Gerinnsd, welche mit alkohohscher Picrinsäurelösung sich intensiv gelb und mit Grenacher's Alauncarmin leiclit roth färben, und einen ziem- lidi ausgedehnten Hohlraum {q\

Im allgemeinen zeigen die Gefässe der abgelösten Retina Angiosklerosis. An den Stellen der Retina mit Neurogliawudie- rung und Cystenbildung, haben die Gefösse, besonders die Venen ausserdem um sich herum ein Gerinnsel mit Leukocyten (welches sich mit neutralem Caimin dunkeboth fai'bt), viel häufiger zeigen sie jedoch Thrombose und endotheliale Wucherungen, durch welche sie manchmal vollständig verstopft werden. Das Lumen der Arterien ist meist zum grossen Theil erhalten, in einigen derselben findet sich jedoch Endai'teriitis obiiterans und ein fibri- nöses Netzwerk, welches einzelne I^eukocyten enthält, und dann sieht man die Intima abgelöst, wie in Fällen von Embolie der Arterie; an anderen Arterien findet man fettige Degeneration der die Adventitia umgebenden NeurogUa oder auch einen gix)8sen Lymphraum.

lieber die Bildung cystenartiger Hohlräume etc. 219

An der Sehnervenpi^ille zeigt die Retina eine üppige Wuche- rung in der Neuroglia der inneren Kömerschicht, deren Aus- läufer sich auf die papilläre Sehnervenausbreitung, auf die Papille selbst ebenso wie auf den Sehnerven ausdehnt Die peripheren Fasern des letzteren sind Sitz einer interstitiellen Neuritis.

Der Nervus opticus zeigt nicht nur an der Peripherie son- dern auch an der Lamina cribrosa, besonders in den Achsen- bündeln, interstitielle Neuritis. An den centralen GefSssen ist die Adventitia mit Leukocyten infiltrirt

Die Lymphwege der Sehnervensdieide sind redudrt

Die histologischen- Untersuchungen wurden vervollständigt durch die Untersudiung auf Mikroorganismen in allen Regionen des Bulbus und in aUen in demselben beobachteten pathologischen Producten; die Resultate dieser bakteriologischen Untersuchungen waren negativ in Bezug auf die Gegenwart von Bakterien

Epikrisis: Die klinische Untersuchung dieses zw^eiten Falles constaürte Lido-cyclitis plastica, atropliische Cataract mit secundärem Glaukom und Verlust des Seh- vermögens.

Die histologische Untersuchung constatirte: die vordere und hintere Kammer von Gerinnsel erfüllt, Ver- schluss des Fontana'schen Lymphraums und des Pupillar- gebiets; Iridocyclitis; Oedem in dem uvealen Theil der Iris und seröse cystenartige Neubildung der Pars retinalis; ring- förmige hintere Synechie der PupiUarzone der Iris.

Diese seröse cystenartige Neubildung der Pars retinalis iridis ist in unserem Fall eine durch Transsudation ent- standene Cyste. Sowohl das Oedem in der Pars uvealis, wie der seröse cystenartige Hohlraum in der Pars retinalis der Iris können wahrscheinlich auf dieselbe Aetiologie zurück- geführt werden, d. h. auf ein angiosklerotisches Oedem des Irisstroma's, welches nach der Theorie von Thoma*) durch eine Erkrankung der Wandungen der Capillaren bedingt sein soll, deren Durchlässigkeit mit der Angiosklerosis ver- mehrt wird.

*) Lehrbuch der patholog. Anatoinie. Erster Theil 1894, p. 429.

220 F. Fdchi.

Die Segmentming der Linse vollzog sich so, dass bei dem Trauma des Bulbus ein Riss der vorderen Kapsel er- folgte und später in das Innere der letzteren Bindegewebe eindrang, welches von dem im Pupillargebiet gewucherten herstammt Eine derartige Segmentation der Linse bei einem Kapselstaar wurde bereits von H. Müller') bei einer traumatischen Cataract, von O. Becker*) und bei der getrübten Linse eines Auges mit Hydrophthalmus con- genitus von mir^) bei einem 8jährigen Knaben beobachtet

Die Entwicklung der Betinacysten und ihres Inhalts charakterisirt dieselben als Neubildungscysten mit fibri- nösem und fibrino- hämorrhagischem Exsudat im Innern einer Wucherung von Retinaneuroglia, entsprechend der Darstellung, welche Virchow*) von der Pathogenese der Cysten durch Anhäufung von Substanzen, welche direct aus dem Blut stammen, gegeben hat

Nach Thoma stammt die Hauptmasse der Exsudate aus dem Blute und besteht vorwiegend aus Albumin mit mehr oder weniger Fibrin und Producten des Fibrins so^ie rothen und weissen Blutkörperchen; diese Substanzen, welche an der Bildung des Exsudats theilnehmen, können Ver- ändenmgen erleiden durch chemische und infectiöse Stoflfe, welche die Production des Exsudats bewirken, und mit in dasselbe eindringen.

Die fibrinösen und fibrino -hämorrhagischen Exsudate, welche von mir beobachtet wurden, stammen zweifellos aus den Blutgefässen der Iris, des Ciliarkörpers aber haupt- sächUch der Retina; an der Fibrinbildung derselben be-

^) Gesammelte und hinterlassene Schriften zur Anatomie und Physiologie des Auges. Bd. I. p. 277.

') Atlas der patholog. Topographie des Auges. I. Lieferung, p. 8.

') Suir idroftalmo non congenito. Archivio per le Scienze Mediche, Vol. XII, p. 441. Ueber den nicht angeborenen Hydroph- thalmus. — Beiträge zur pathologischen Anatomie und zur allge- meinen Pathologie. Bd. VII. 3. p. 421.

*) L. c. p. 115.

üeber die Bildung cystenartiger Hohlräume etc. 221

theiligt sich jedoch nicht nur das fibrinogene Plasma (A. Schmidt) und die weissen Blutkörperchen, sondern auch die Blutplättchen. Um die Behauptung der Theil- nahme der Blutplättchen an der Bildung des fibrinösen Exsudats zu stützen, halte ich die von mir beobachtete Thatsache für wichtig, dass die meisten fibrinösen Exsu* date im Retinaparenchym in denjenigen Abschnitten der Betina gefunden wurden, welche die deutlichste Sklerose der Gefässe aufwiesen, wobei die Venen besonders einen weissen Thrombus, welcher, wie Bizzozero^) zuerst nach- wies, aus Blutplättchen zusammengesetzt ist, sowie" Gerinn- sel um die Adventitia herum und endotheliale Wuche- rungen zeigten, während die Arterien fibrinöse Coagula in ihrem Lumen, Endarteriitis proliferans und manchmal Ab- lösung der Intima aufwiesen. Durch diese Veränderung der Betinagefässe ist in einer gewissen Anzahl derselben die Durchlässigkeit ihrer Wand vermehrt und dalier können bei dem Zustandekommen des Exsudats auch die Blut- plättchen und die Umwandlungsproducte derselben durch Diapedese die Gefässe verlassen, gerade so wie man es bezüglich der Leukocyten und der Umwandlungsproducte derselben beobachten kann. Auf diese Weise betheiligten sich die Blutplättchen an der Bildung des von uns in den Spalträumen der Betina, in den Betinacysten und im Glas- körperraum gefundenen Exsudats. An der Bildung des- selben im letzteren Raum nahm jedoch auch dasjenige Exsudat theil, welches aus den angiosklerotischen Gefässen der Iris und des Corpus ciliare stammte, aus deren Blut auch das fibrinöse Exsudat, welches die vordere und die hintere Kammer einnimmt, herrührt.

Die fibrinösen Exsudate haben sich nach stattgefundener Bildung der Betinacysten zwischen die Retina und die Chori-

^) Di un nuovo elemento morfologico e della Bua importanza nella trombosi e nella coagulazione. Milano 1883. p. 72.

222 F. Falchi.

oidea abgelagert und auf diese Weise nach und nach die totale Ablösung der Retina bewirkt, während sie sich riel- leicht zur selben Zeit auch im Glaskörper ablagerten.

Ablagerungen von Fibrin im Stroma der Retina beob- achtete auch Weeks*) in einem besonderen Fall von Retinitis albuminurica, zu welcher ein Glaukom hinzu- getreten war, und Wagen mann*) in der Umgebung der Papille zwischen den Radiärbündeln jedoch zusammen mit albuminösen Massen bei einem Fall von haemorr- hagischem Glaukom. Keiner dieser Beobachter erwähnt jedoch den Zusammenhang der Entwicklung dieser Retina- cysten mit diesen Exsudaten, welchen ich in diesem Falle histologisch habe feststellen können.

Die Neuritis interstitiaUs in der Papille ist eine Fort- setzung der Neurogliawucherung der inneren Kömerschicht der peripapillären Retina, welche sich auch in den Achsen- bündeln des N. opticus bis an die Lamina cribrosa fort- setzt Gleichzeitig besteht eine Infiltration der Adventitia mit Leukocyten; diese letzteren centralen Verilnderungen des Nervus opticus tragen auch zu dem Verschluss des um die centralen Gefässe des Nervus gelegenen Lymphweges bei und sind desshalb eine der Ursachen der consecutiven Steigerung des intraoculären Druckes.

Die Untersuchungen auf Mikroorganismen in den ver- schiedenen Membranen und in den fibrinösen und tibrino- haemorrhagischen Exsudaten ergaben ein negatives Resultat in Bezug auf das Vorhandensein von Bakterien.

Das Vorhandensein von fibrinösen Gerinnseln in der vor- deren und hinteren Kammer, der Verschluss der Fontana'- schen Lymphräume, die Iridocyclitis mit Oedem und cysten- artige Neubildung der Iris, der Verschluss des Pupillargebiets und die ringfiinnigo hintere Synechie der Pars pupillaris iridis,

M Beitrag zur Pathologie der Retinitis albuminurica. Archiv f. Augenheilkunde, Bd. XXI, 1, p, 54.

«) 1. c.

Ueber die Bildung cystenartiger Hohlräume etc. 223

die Wucherung der ßetinaneuroglia und die Fibrinablage- rungen in derselben, welche hier im Zusammenhang mit der Angiosklerosis der Retinagefässe im aUgemeinen mit Throm- bose der Venen und Endarteriitis obliterans der Arterien und den dadurch bedingten Circulationsstörungen und Stauungen Spalträume und Cysten von verschiedener Grösse entstehen liessen, das fibrinöse Exsudat im ganzen Glaskörperraimi, die Reduction der Lymphräume in der Sehnervenscheide und die Neuritis interstitialis in dessen peripheren und centralen Bündeln, welche die Lymphbahn um die grossen Gefässe zum Verschwinden brachte, alles dies bewirkte eine Vermehrung des Bulbusinhalts und daher eine Steigerung des intraoculären Druckes und das Zustandekommen des secundären Glaukoms, wenn auch in demselben Bulbus die Degeneration der Linse, die Ablösung der Retina und die Veränderungen des Glaskörpers in Folge der in demselben stattgefiindenen Fibrinablagerungen wohl eine Druckver- minderung bewirkt haben.

Allgemeine Schlussfolgerungen.

Aus dem, was ich hier über die Bildungsweisen von cystoiden Hohlräumen im Gebiete der Retina, welche in diesen beiden Fällen von mir beobachtet wurden, geschrieben habe, ergibt sich folgendes:

I. In der Pars retinalis iridis findet man cystenartige Gebilde; im ersten Fall wai- der Sitz in der Pars ciliaris und der Inhalt ein wahrscheinlich hämorrhagisches Exsu- dat — im zweiten Falle handelte es sich um einen mit serösem Erguss erfüllten Hohlraum in der Pars pupillaris.

IL Blutcystenartige Bildung in einer entzündlichen Neubildung im Corpus ciliare, deren Wände zum grossen Theil von der Pars ciliaris retinae des Orbiculus ciliaris bekleidet waren, beim ersten Fall.

III. Neubildungs-Cysten am Aequator und am hinteren Pol der Retina mit fibrinösem und fibrinös-haemoriiiagischem

224 F. Falchi.

Inhalt, welche in der Neurogliawucherung der Retina liegen, beim zweiten Fall.

IV. Cyste mit fibrinösem Inhalt, welche sich in der Wandung der grösseren Retinacyste entwickelt hat, beim zweiten Fall.

Die Entwicklung der Retinacysten steht im Zusammen- hang mit der Angiosklei-osis und den Störungen der Blut- circülation in der Betina und in dem ganzen Uvealtractus oder in einem Theil desselben. Desshalb sind die eben be- schriebenen Cysten nicht auf senile Veränderungen zurück- zufuhren, wie die von Kuhnt') in einer peripheren Region der Retina beobachteten Cysten. Es unterscheiden sich daher die von mir im Retinaparenchym beobachteten Cysten in ihrer Pathogenese durchaus von der cystoiden Degeneration der Retina mit coUoidem Cysteninhalt, wie sie von Iwan off und Leber als Folgeerscheinung eines Retinaloedems be- schrieben worden ist, und ebenso von den Cysten, in wel- chen die abgelöste Retina sich um sich selbst faltet und einen Sack mit verschiedenem Inhalt, wie etwa Glaskörjjer oder einen Fremdkörper, bildet.

V. In beiden hier studirten Fällen wurden totale Ab- lösungen der Netzhaut constatirt. Im ersten Fall wurde die Netzhautablösung herbeigeführt durch eine Haemorrhagie, welche aus der blutcystenartigen Bildung des Corpus ciliare stammte und diu-ch eine Haemorrhagie in der äquatorialen Parthie der Retina, welche sich unter die Retina ergoss, wie es der Darstellung entspricht, welche v. Graefe*) von der Entstehung der Netzhautablösung gibt, und nach und nach erfolgte dann die Ablösung der Retina auch im Glaskörper- raum, wobei jedoch als Ursache für die Bildung der Ab- lösung auch die Bindegewebewucherungen des Ciliarkörpere

' ) Atrophie des Uvealtractus. Z e h e n d e r's Klin. Monatsbl. 188 1 , Beilageheft p. 38.

*) v. Graefe'g Archiv f. Ophthalmologie, Bd. I.

üeber die Bildung cystenartiger Hohlräume etc. 225

und der Chorioidea mitwirkten, welche einwärts über die Linie des Netzhautepithels hervorragten.

Die Ablösung im zweiten Fall wurde durch das fibri- nöse Exsudat bewirkt; indessen in der gewucherten Retina-* neuroglia gelegenen Ablagerungen sich Spalträume und Neubildungscysten entwickelten. Dieses Exsudat drang zwischen die Betina und die Chorioidea, indem es allmäh* lieh die Ablösung der ganzen Betina bewirkte und den ganzen Glaskörper occupirte.

Diese Entwicklung der Netzhautablösung entspricht im Grossen und Ganzen der Theorie von Eählmann') nach welcher die Ablösung eine Folgeerscheinung einer subi^tinalen Exsudation aus den Chorioidealgefässen sein soll. In unserem zweiten Falle kann man annehmen, dass an der Entstehung der fibrinösen Exsudation die Gefässe der Iris und des Corpus ciliare einen bedeutenden Antheil hatten. Einen geringfügigen Antheil hatten jedoch die meist fast normalen Gefässe der Chorioidea mit Ausnahme der in der Nähe des Sehnerven gelegenen, welche Dilatationen zeigten. Da- gegen betheiligten sich die Gefässe der Betina besonders activ an der Production der fibrinösen Exsudate. Besonders bemerkenswerth ist die Thatsache, dass die meisten fibri- nösen Exsudate des Betinaparenchyms an denjenigen Stellen der Betina zu finden sind, welche die deut- lichste Angiosklerosis der Gefässe zeigen, wobei an den Venen besonders weisse, aus Blutblättchen bestehende Thromben, um die Adventitia liegende Coagula und endotheliale Wucherungen beobachtet werden, während die Arterien fibrinöse Gerinnsel in ihrem Lumen, Endarteriitis proliferans und Ab- lösung der Intima aufweisen.

^ Th. Leber's Erklärung der Netzhautablösung und die Diffu- sionstheorie kritisch verglichen. Arch. f. Augenheilkunde, Bd. XXVII, Heft 1 und 2.

T. Graefe'B Archiy fOr Ophthalmologie. XLT. 4. 15

226 !•'• Falchi.

Nach allem diesem lässt sich nicht mehr leugnen, dass in unseren beiden Fällen an der Ablösung der Retina die Thatsache mitbetheiligt war, dass in Folge der Erkrankung der Chorioidea und der Retina der Glaskörper in Berüh- nmg mit der Haemorrhagie und den fibrinösen Exsudaten kam und in Folge dessen Veränderungen eingehen konnte, welche wahrscheinüch zu Schrumpfung und Retraction und daher zur Reduction seines Volumens führten. Diese Polgen der Veränderungen des Glaskörpers sollen nach der Theorie Leber's') welche auch von Nordenson*) verfochten wird, die Ursache der Netzhautablösung sein.

Das secundäre Glaukom wurde in beiden Fällen (ob- wohl Degeneration der Linse, vollständige Retinalablösung und wahrscheinlich Veränderungen des Glaskörpers mit Reduction seines Volumens vorhanden waren) durch die Vermehrung des Augapfelinhalts bewirkt, welche durch die Haemorrhagie und das fibrinöse Exsudat im Glasköiperraum, durch die cystoiden Bildungen der Iris, durch die Blut- und Neubildungscysten im Corpus ciliare und in der Retina, die Bindegewebsumbildungen und die Ossificationen im Uvealtractus mit gleichzeitigem Verschluss der Lymph- bahnen und der Abflusswege fiir die Flüssigkeiten des Auges zu Stande gebracht wurde.

Erklärung der Abbildungen auf Taf V, Fig. 1 4.

Fig. 1. Schnitt von vom nach hinten durch einen grossen Theil des Auges vom ersten Fall. Koritska's Präparationsmikroskop, apianatische Linse, 7 fache Vergrösserung, (a) neugebildetes Bindegewebe, welches die Ver- wachsung der Iris mit der vorderen Linsenkapsel bewirkt (b) Zwei

*) Ueber die Entstehung der Netzhautablösung. Bericht der XIV. Vers. d. ophthalm. Gesellschaft zu Heidelberg, p. 18. *) Dio Netzhautablösung. Wiesbaden 1887.

Ueber die Bildung cystenartiger Hohlräume ete. 227

cystenartige Gebilde in der Pars retinalis iridis; (1) die grössere, (2^ die kleinere. (c) Biudegewebswucherung an der Stelle des Musculus ciliaris im inneren Segment des Bulbus. (d) Bindegewebswucherung in der Membrana limitans interna des Corpus ciliare. (e) Bindegewebs- wucherung in der Retina ciliaris und Ossification (f) im Orbiculus ciliaris. {g) Umschriebene Stellen gewucherten Bindegewebes in der Chorioidea des äusseren Bulbussegments. (h) Blutextravasat im subretinalen Raum. (t) kleine Parthie des Glaskörpers (ib) beinahe vollständig abgelöste Retina. (l) Theile der abgelösten Retina des Orbiculus ciliaris, (ex) zusammengerollt, {ß) in ovaler Gestalt, (y) huf- eisenförmig gestaltet (m) Blutcystenartigen Hohlraum (n), welche durch eine Oeffhung (o) in ihrer inneren Wand einen Theil ihres blutigen Inhalts mit dem subretinalen Raum in Verbindung steht. {p) Riss der Retina des Orbiculus ciliaris an der Ora serrata. (q) hintere Linsenkapsel mit Ablagerupgen von Blutpigment. (r) Blut- extravasat vor der äquatorialen Parthie der Retina. («) Hämorr- hagie in der äquatorialen Parthie der Retina.

Fig. 2.

Schnitt von vom nach hinten durch den grösseren, in der Pars retinalis iridis des Falles I entwickelten cystenartigen Hohlraum.

Zeiss, Ocul. compens. 8, Obj. BB: (a) spindelförmige Pigment- zellen der Pars retinalis iridis, welche die vordere Wand der cysten- artigen Gebilde (6) bilden und mit der Pars uvealis iridis verwachsen sind. Polyedrische Zellen (c) der hinteren Pigmentschicht der Pars retinalis iridis, welche die hintere Wand der cystenartigen Gebilde bilden und mit dem neugebildeten Bindegewebe {d) der hinteren Synechie zusammenhängen. (e) blasse, glänzende geronnene Sub- stanz in Gestalt eines Häufchens, welches runde pigmentirte Binde- gewebselemente enthält (/"). liCukocyten {g) im Pigmentationsprocess begriffen. Spindelzellen (ä) von der Pars retinalis iridis losgelöst (t) Anhäufung dieser Spindelzellen und einiger ebenfalls von der Pars retinalis iridis losgelöster polyedrischer Zellen.

Fig. 3.

Medianschnitt von vom nach hinten durch einen grossen Theil

des Bulbus vom Fall II.

Koritska's Präparationsmikroskop; aplanatische Linse. 7 fache Vergrössemng: (a) Netzwerk von geronnenem Fibrin in der vorderen Kammer. (b) Bündel von neugebildetem Bindegewebe, welches das Pupillargebiet (c) nach vom begrenzt. Amorphes Gerinnsel (d) im

15*

228 F. Falchi. üeber die Bildung cystenartiger Hohlräume etc.

Pnpillarraum. (e) neugebildetes Bindegewebe der hinteren Synechie.

{f) Cystenartige Neubildung in der Pars retinalis iridis. (p) inneres Segment der Linse, {g') äusseres Segment. {h) ausgedehnte Ablagerungen von fibrinösem Gerinnsel im Glaskörperraum. (t) zahl- reiche Spalten in der gewucherten Retinaneuroglia, welche fibrinöses Gerinnsel enthalten. (k) Retinacysten, welche Ablagerungen von fibrinösem Gerinnsel (l) einschliessen.

Fig. 4. Yerticalschnitt der Retina des Bulbus des Falles II hinter der Linse des aequatorialen Querdurchmessers. Zeiss, Ocul. compens. 8, Obj. aa: (a) Cyste entstanden durdi Spaltung des Retinaparenchyms. (6) ihre innere Wand. (c) äussere Wand. (d) ihr fibrinöser Inhalt («) Wucherung der Retinaneuroglia. (f) zerrissene Enden der Mfiller'schen Fasern an den inneren Rändern der Gystenwände. (g) Anfang der Cyste durch Spaltenbildung in der gewucherten Neuroglia in der äusseren Hälfte der Retina und zerstörte Müller'sche Fasern {h) in ihrem Innern. (t) Cysten in fortschreitendem Wachsthum mit Fortsätzen (k) nach dem Innern der Retinaneuroglia. (Z) Cyste, welche sich in der Wand einer grossem Cyste durch cystoide Spaltenbildung (m^ in der Wand der letzteren entwickelt hat. (n) grosse Cyste der Retina des hinteren Pols, welche eine Ablagerung von fibrinösem Gerinnsel (o), extravasirtes Blut (p) und einen Hohlraum {q) enthält

(r) Ablagerungen fibrinöser Exsudate in der gewucherten Retina- neuroglia in den verschiedenen Entwicklungsperioden der Retina- Cysten. {s) fibrinöse Exsudate, welche an der abgelösten Retina und an den äusseren Rändern der Cysten der Retina haften, in den verschiedenen Entwicklungsperioden.

Ueber Episkleritis periodic» fugax.

Von

Prof. Dr. Ernst Fuchs in Wien.

Es giebt eine häufig recidivirende Entzündung, welche hauptsächlich die Bindehaut und das episklerale Gewebe betrifft, ohne erhebhche Exsudation verläuft und sehr flüch- tiger Natur ist Da dieselbe in vielen Fällen in überein- stimmender Weise auftritt, ist sie als eine wohl charak- terisirte Krankheit sui generis anzusehen, deren Verlauf so typisch ist, dass sich die Krankheit oft schon aus der Anamnese allein diagnosticiren lässt.

Ich habe diese Krankheit zum ersten Male in einem Vortrage beschrieben, welchen ich am 31. Juü 1895 in der ophthalmologischen Section der British Medical Asso- ciation in London hielt, und welcher in deutscher Ueber- setzung in No. 34 der Wiener KUnischen Wochenschrift 1895 erschienen ist. Ich erlaube mir jetzt, meine Beob- achtungen über diese Krankheit hier genauer und mit den Krankengeschichten als Erläuterung darzulegen. Die Krankengeschichten sind zum Theil unvoUsUindig, weil manche der Patienten nur ein einziges Mal sich zeigten und später nicht wieder ausgeforscht werden konnten.

Ich theile zunächst einige Fälle mit, in welchen sich die Krankheit auf intensive Röthung und Schwellung der Bindehaut des Augapfels und des episkleralen Gewebes beschränkte.

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1. Fall. J. F., 35jähiiger Mann, leidet erat seit 2 Jahren an Entzündungen, welche bald das reclite, bald das linke Auge, selten beide zugleich befallen. Die Entzündungen kommen in Zwischenräumen von 8 14 Tagen; wahrend derselben ist das Auge 2 4 Tage gerOthet und Uchtscheu, aber nicht schmerz- haft Im übrigen ist der Patient gesund. Ich sah denselben nur einmal mit einem frischen entzündlidien AnMe am rechten Auge. Dasselbe zeigte die Bindehaut und das episklerale Ge- webe an der inneren Seite der Hornhaut stark geröthet und ödematös geschwollen, ähnlich wie bei Episkleritis. Die^ gerötliete Stelle war gegen Berührung empfindlich, ein harter Knoten w^ar jedoch nicht vorhanden.

2. Fall. F. S., ein 27jäliriger Mann, wird seit 2 Jahren von häufig wiederkehrenden Entzündungen heimgesucht Die- selben nehmen bald das rechte, bald das linke Auge ein; nur ein einziges Mal, als die Entzündung besonders heftig war wurden beide Augen betroffen. Die Entzündungen kündigen sich durch Stechen im äusseren Augenwinkel an; nachdem dies ungefähr einen Tag lang gedauert hat, röthet sich das Auge, während die Schmerzen verschwinden. Die Entzündung dauert durchschnittlich 3 Tage. Sie kehrte anfänglich in Zwischen* räumen von 1 3 Monaten wieder, im letzten halben Jahre aber in Zwischenräumen von 2 3 Wochen. Als ich den Patienten sah, bestand die Entzündung seit 2 Tagen und war schon im Rückgange begriffen. Ich fand einen kleinen Bezirk an der äusseren Seite der Augapfels von umschriebener Röihung der Bindehaut und der episkleralen Geftsse eingenommen.

3. Fall. J. P., 34jähriger Mann, hatte zum ersten Male vor 14 Jahren eine Entzündung des rechten Auges, welche 8 Tage dauerte; nach achttägiger Pause entzündete sich das linke Auge, gleichfalls für 8 Tage. Bis vor 3 Jahren wieda*- holten sich die Entzündungen in der Weise, dass nach zwei- bis dreimonatlicher Pause ein Auge (bald das rechte, bald das linke) sich zu entzünden begann und nach kurzem Zwischenräume das andere Auge folgte; nur zwei Mal waren beide Augen gleich- zeitig erkrankt In den letzten 3 Jahren wurde die Krankheit insofern leichter, als jetzt immer nur ein Auge sich entzündet und erst nach zwei* bis dreimonatlicher Pause das andere. Wäh- rend der Entzündung bestehen nur unbedeutende Schmerzen, namentlich bei Bewegungen des Auges, aber starke lichtscheu. Als ich den Patienten sah, 3 Tage naclidem die Entzündung am rechten Auge begonnen hatte, zeigte dieses Auge tiefe In-

lieber EpiskleritiB periodica fugax. 231

jection der Conjunctiva bulbi und der episkleralen Gefässe, war aber im übrigen normal.

4. Fall. F. S., 39jähriger Mann, war zwei Mal, vor 18 und vor 2 Jahren, an acutem Gelenkrheumatismus sdiwer er- ki-ankt, ist aber jetzt vollkommen gesund. Seit 4 5 Jahren wird er von häufigen Augenentzündungen heimgesucht, welche immer beide Augen zugleich befallen und zwar zuerst das eine und bald darauf das andere Auge. Die Entzündung kündigt sich schon einige Tage vorher durch Drücken in den Augen an und besteht in Röthung des Augapfels, welche an einer Stelle beginnt und von dieser aus die Runde um die Hornhaut macht. Sdimerzen werden bloss bei Berührung des Auges empfunden, Absonderung besteht nicht Die Entzündungen kamen anfangs in Zwischenräumen von mehreren Monaten und dauerten 5 bis 6 Tage; jetzt kommen sie häufiger, nach 3 4 Wochen und halten oft bis zu 14 Tagen an, so dass die Augen manchmal nur durch 8 Tage vollkommen blass sind. Als sich der Patient vorstellte, bestand die Entzündung des rechten Auges seit 4, die des linken seit 3 Tagen. Rechts sind drei Viertel der Binde- haut des Bulbus, links bloss der äussere untere Quadrant ge- röthet; die Injection ist sehr dicht, läjsst aber keine harte An- schweUung fühlen. Die nichtergriffenen Theile der Augapfel- bindehaut sind vollkommen blass und ebenso schneidet die Röthung scharf an der Uebergangsfalte ab. Patient bekam 2 gr Natrcm salicylicum pro die, worauf die Entzündung nach 3 Tagen verschwunden war, also schneller, als dies sonst der Fall zu sein pflegte. Patient kam später nodi ein Mal mit einem Recidiv in die Khnik, entzog sich dann aber der weiteren Beobachtung.

5. Fall Frau K. W. kam zuerst, damals 40 Jahre alt, im Jahre 1888 zu mir. Sie giebt an, dass sie seit einem Jahre oft an Entzündungen leide, welche bald das eine, bald das andere, bald beide Augen gleichzeitig ergreifen. Der Entzündung gehen Schmerzen in der Tiefe voraus, welche aufhören, sobald sich das Auge röthet Nach zwei- bis dreiwöchentlicher Pause kehren die Entzündungen wieder, weldie in keinem Zusammenhange mit der Periode stehen sollen. Ich sah damals die Patientin 3 Tage nach dem Beginne der Entzündung; die Schmerzen, welche dies- mal durch 3 Nächte bestanden hatten, waren jetzt vorbei. Das rechte Auge zeigte massige Injection der Conjunctiva bulbi und sehr starke Injection der dliaren und episkleralen Gefilsse rings um die Hornhaut; am linken Auge war nur eine umschriebene Röthung im inneren Quadranten des Bulbus vorhanden. Im

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März 1895 kam die Patientin wiedei* zu mir, weil sie noefa immer Ton Entzündungen geplagt wui'de. Dieselben kommen nun ungefähr jeden Monat (die Patientin hat die Periode bereits verloren) und beginnen mit Schmerzen am oberen Augenliöhl^i- rande, welche in die Stime, Schläfe und Nacken ausstrahlen; dabei soll das obere Lid in seiner äusseren Hälfte, enteprecLend der Gegend der Thränendrüse, etwas geschwollen und sdimerz- haft sein. Etwa 24 Stunden später lassen die Sdimerzen nach und das Auge beginnt sich zu röthen. Die Injection betrifft ge- wöhnlich nur einen Tlieil des Augapfels und bleibt 3 8 Tage lang bestehen. Die Patientin befand sich, als sie damals zu mir kam, schon 8 Tage nadi dem Beginne des AnMes und zeigte nur eine ziemlich intensive, grobmaschige Injection der Augapfel- bindehaut im äusseren und oberen Quadranten des linken Auges. Die Frau ist im übrigen gesund; nur der Urin enthält bei Bchwacbsauerei* Reaction eine vermehrte Menge von Phosphaten, sowie eine Spur von Eiweiss.

6. Fall. H. A., 22jälmges Mäddien, leidet an Sklen> dermie, welche auch zur Verkürzung der Lider geführt hat, so dass dieselben während des Schlafes nicht vollkommen gesdilossen sind, dodi hat dieser Lagophthalmus bis jetzt nodi keine wettere Störungen verursadit Seit 3 4 Jahren wird die Patientin von Entzündungen befallen, wdche stets beide Augen glddizeitig, wenn auch nicht im gleichen Maasse, betreffen. Die Entzündungen wiederholen sich in Zwischenräumen von 3 4 Monaten, manch- mal auch häufiger, und dauern 2—4 Tage, selten 8 Tage an. Sie werden von Schmerzen, die aber nicht bedeutend sind, ein- geleitet und begleitet. Die Entzündung besteht in einer starken Röthung des Augapfels, welche aber nur auf einem Abschnitt desselben bescliränkt ist und meist an der Innenseite der Hom- haut beginnt So lautet die Beschreibung der Patientin, wdche ich nur einmal sah, als sie gerade keinen Anfall hatte.

In den vorstehenden Fällen betraf die Entzündung nur die Bindehaut und das episklerale Gewebe. In den fol- genden Beispielen findet man aber auch eine BetheiUgung der tieferen Gewebe, nämlich der Iris und des Ciliar- muskels.

7. Fall. L B. 51jähriger Mann, kam im Juli 1886 sa mir mit der Angabe, seit 13 Jahren an Entzündungen zu leiden, welche alle 4—6 Wochen recidiviren und bald das rechte, bald

lieber Episkleritis periodica fugax. 233

das linke Auge, niemals aber beide zugleich befallen. Dieselben dauern 3—4 Tage und sind mit heftigen Schmerzen verbunden, welche in die Stime bis in das Ilmterhaupt ausstrahlen. Er be- merkt die Entzündung in der Regel des Morgens beim En^adien. Als ich den Patienten sah, fand ich am rechten Auge eine In- jection der Bindehaut des Bulbus und besonders eine starke In- jection der episkleralen Gefässe, sowie eine massige Verengerung der Pupille. Tn. Der Patient bekam damals Natron salicylicum, von welchem er täglich 2 Gramm einnehmen sollte. Er that dies durch 6 Tage und hat seit jener Zeit bis heute keine Augen- entzündung mehr gehabt. Die Krankheit hatte also im Ganzen 13 Jahre gedauert

8. Fall. H. N. 50jähriger Mann, gibt an, dass seit 5 Monaten bald das eine, bald das andere Auge von Entzündung be&llen werde, welche auch öfter von einem Auge auf das andere übergeht Die Entzündung dauert 8 Tage und ist nicht mit Schmerzen, sondern nur mit einer unangenehmen Empfindung im Auge verbunden. Patient ist ein wohlhabender und etwas zu gut lebender Mann, dessen Urin beim Erkalten ein Sediment, bestehend aus KrystaQen von Harnsäure und oxalsaurem Kalk, fallen lässt Die Menge der Harnsäure betrug bei einer einmal vorgenommenen Untersuchung 0065 ^/q. Eigentlich gichtisclie Ersdieinungen hat Patient nie gehabt Als ich denselben zum ersten Male sah, hatte die Entzündung 10 Tage vorher am linken Auge, und zwar nach aussen von der Hornhaut begonnen; sie war von dort auf die innere Seite desselben Auges und dann auf das redite Auge hinübergewandert, wo sie an der äusseren Seite der Hornhaut begann. Ich fand jetzt das linke Auge wieder normal, am rechten Auge im oberen und äusseren Quadi-anten eine grobnetzförmige Injection der Bindehaut und eine sehr intensive, dunkelviolette Injection der ciliaren und episkleralen Gefässe, welche weiter als die Bindehautinjection, nämlich bis an die ümere Seite der Hornhaut reichte; an der unteren Seite der Hornhaut war das Auge vollkommen blass. Zwei Wochen später kam der Kranke wieder zu mir wegen einer Entzündung, welclie am rechten Auge begonnen und von diesem auf das linke hin- übergegriffen hatte. Er hatte jetzt zum ersten Male Schmerzen in Folge der Entzündung und zwar bei Berührung des Augapfels, bei raschen Bewegungen desselben und namentlich beim Accom- modiren. Wahrsdieinlich in Folge dessen war der Naliepunkt hinausgerückt Derselbe war bei der vor 14 Tagen vorgenom- menen Untersudiung für beide Augen in 25 cm Entfernung ge-

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fanden worden; jetzt lag er für das rechte Auge in 45, für das Unke in 33 cm. Die Refraction war unverändert emmetro- pisch. Es sind jetzt an beiden Augen die Lider, deren Binde- haut, sowie die Bindehaut des Fomix normal, die Bindehaut des Bulbus dagegen stark gerötliet und ödematös; gleichzdtig besteht starke Injection der episkleralen Gefässe.

9. Fall. G. B., ein 38jahriger Mann, hat seit dem Jalure 1887 alle 2 3 Wochen eine Entzündung des rechten Auges. Dieselbe beginnt in der Nacht, indem das Auge sich röthet und schmerzhaft wird, weshalb er sich kalte Umsdüäge auf dasselbe macht Des Morgens ist das Auge schon besser und nadi 24 Stunden ist alles vorüber. Wälirend der Entzündung sieht er sdilechter. Als der Kranke im Januar 1891 zum ersten Male zu mir kam, hatte die Entzündung eben in der vorhergehenden Nacht begonnen und das Sehvermögen war noch herabgesetzt Ich fand nur geringe Röthung der Augapfelbindehaut; beide Pu- pillen waren gleidi weit Das sclilechtere Sehvermögen des rechten Auges war, wie die Sehprüfung ergab, durch Astigma*

5 tismus bedingt Das linke gesunde Auge hatte S-^ mit

6.''

5 5

0,5Dcyl. Axe vert S -. Das rechte Auge hatte S-— 7

5 mit 2,50Dcyl.Axe70® nasal (also fast horizontal) S-. Es

o

wurde leider die Hornhaut nicht mit dem Ophthalmometer ge- messen; aber da der Patient angab, sonst mit diesem Auge gut zu sehen, ist es wahrscheinlich, dass es sich nicht um Hornhaut- astigmatismus handelte, sondern um Unsenastigmatismus, bedingt durch ungleiche Contraction des Ciliarmuskels; diese Annahme erklärt am besten die flüchtige Natur der Sehstörung ^). Im Juli

*) Wenn in diesem Falle ein skleritischer Knoten vorhanden gewesen wäre, hätte durch denselben allerdings auch Homhautastig- matismus erzeugt werden können. Ich habe einen Fall, welcher in dieser Beziehung lehrreich ist, bei einem ungeßLhr dQjährigen Manne beobachtet, welcher, mit schwerer hereditärer Lues behaftet, durch viele Jahre von immer wiederkehrender Skleritis mit ganz typischen Knoten geplagt wurde, bis endlich die Krankheit erlosch, ohne andere Folgen als die bekannte Verfärbung der Sklera zurück zu lassen. Das ursprünglich vorzügliche Sehvermögen war während der einzelnen Entzündungen oft sehr stark herabgesetzt, und zwar durch Astigma-

lieber Episkleritis peiiodica fugax. 235

1895 schrieb mir der Patient^ dass er seit 2—3 Jahren von den Anfällen befreit sei. Diese hatten also durch ungefähr 5 Jahre angedauert.

Ein weiterer Fall, in welchem die Hyperämie des Ciliai'körpers durch Accommodationskrampf und in Folge dessen vorübergehender Myopie sich verrieth, wird weiter unten unter No. 18 mitgetheilt werden.

In einigen der bis jetzt betrachteten Fälle bewies die Schmerzhaftigkeit bei Bewegungen des Auges, dass auch eine Hyperämie im Bereiche der Tenonischen Kapsel und der Muskeln bestand. Der folgende Fall zeigt, dass sich diese so weit steigern kann, dass es zur Vortreibung des Augapfels kommt.

10. Fall. A. S., ein 28 jähriger Mann, hatte die erete Entzündung vor 7 Jahren. Dieselbe befiel damals beide Augen, und zwar das rechte stärker als das linke; die folgenden Ent- zündungen betrafen aber nunmehr das rechte Auge allein. Sie kommen bald in Zwisdienräumen von 2 3 Monaten, bald häufiger, selbst mehrmals in einem Monate. Die schweren An- fälle kündigen sich schon 2 Tage vorher durch starke Kopf- sdimerzen und Stechen im Auge bei sonstigem Wolilbefinden des im übrigen gesunden Mannes an. Die Schmerzen ver- schwinden mit dem Ausbruche der Entzündung. Diese besteht in Röthung des Augapfels, zu welcher sich manchmal auch An- schwellung der Lider geseUt; einige Male hatte Patient Doppelt- sehen während der Entzündung gehabt Die Dauer des ent- zündüchen Anfalles beträgt durchschnittlich 8 9 Tage, zuweilen aber bis zu 14 Tagen.

tismuB. Dieser hatte, wie die regelmässig vorgenommene ophtha!- mometrische Untersuchung ergab, in der Hornhaut seinen Sitz und schwankte von 0,5 D bis zu 4,5 D ; auch änderte sich immer wieder die Lage der Hauptmeridiane, welche oft schräg (jedoch immer senk- recht aufeinander) standen. Die Correction des Astigmatismus durch

5 die entsprechenden Gläser ergab nicht selten wieder S -j. In diesem

Falle war der Gegenwart der grossen, nur langsam schwindenden Knoten in der Nähe der Hornhaut die Veränderung der Homhaut- wölbung zuzuschreiben.

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Als sich der Patient in der Klinik vorstellte; bestand seit 5 Tagen eine Entzündung des rechten Auges. Die beiden Lider desselben^ namentlich das obere, waren stark ödematös geschwollen, am oberen Lide bestand eine ausgedehnte, am unteren Lide eine geringfügige Sugillation. Die Bindehaut der D'der und d^ Uebergangsfalte war blass, die des Bulbus dagegen in der äusseren Hälfte stark ödematös geschwollen und dunkehroth sufitmdirt; an der inneren und oberen Seite dagegen war auch die Bindeliaat des Bulbus blass. Der Augapfel war um etwa 2 mm nach vom und um 3 mm nach abwärts verschoben, die Beweglichkeit des- selben nadi oben stai*k, nach aussen wenig eingeschränkt und es bestanden in den betreffenden Blickrichtungen die ent^rech^- den Doppelbilder. Die Betastung des äusseren Orbitalrandes war m geringem Maasse empfindlich, die Drüse vor dem rechten Ohre ein wenig vergrössert

In dem folgenden Falle bestand eine Älitbetheiligung der Hornhaut (ebenso wie auch in Fall 22); derselbe bildet einen Uebergang zu jenen Fällen, wo es sich nicht um Episkleritis, sondern um häufig recidivirende, randständige Homhautgeschwürchen handelt, von welchen am Ende dieser Arbeit noch die Rede sein wird.

11. Fall. B. B., eine jetzt nahezu 60jährige Frau, ist seit dem Jahre 1873 häufigen Augenentzündungen unterworfen. Zuerst treten Sdunerzen auf, welche verscli winden, sobald das Auge sidi entzündet Die Rötliung des Auges dauert etwa 8 Tage; die Zwischenräume zwischen den einzehien AnHlllen betragen 1—2 Monate. Bald wird das rechte, bald das linke, bald beide Augen gleichzeitig ergriffen, oder die Entzündung geht von dem einen Auge auf das andere über.

Als ich die Patientin zum ersten Male sah (im Jahre 1 888), fand ich eine auf den oberen äusseren Quadranten des linken Auges beschränkte starke Ii^jection der Bindehaut und episkleralen GefäBse; im übrigen war das Auge normal. Ich sah nun die Patientin öfter bei Gelegenheit neuer Anfälle. Dieselben ver- liefen entuv'cder so wie der schon geschilderte, dass unter Nach- lassen der heftigen Schmerzen eine unscheinbare Röthung und Schwellung der Augapfelbindehaut bei klarer Hornhaut sich ein- stellte. Andere Male fanden sicli dagegen gleichzeitig mit der Veränderung an der Bindehaut ein oder zwei punktförmige, graue Infiltrate am Homhautrande, entsprechend dem entzündeten

lieber Episkleritis periodica fugax. 237

Quadranten^ aus welchem kleinste, sehr rasch heilende Geschwttr- chen entstanden. Die Patientin ist eine gut genährte Frau, welche oft ein reichliches Sedimentum latericium im Urin hatte, aber keine deutlichen Anzeichen von Gicht darbot Ich ertheilte ihr damals den Rath, Vichywasser zu trinken, worauf sie durch verhältnissmässig lange Zeit von Anfällen verschont blieb. Sie setzte diese Kur nun alljährlich im Sommer fort und war seit jener Zeit viel seltener von Recidiven geplagt In den letzten 2 Jahren hat sie überhaupt keine Entzündung mehr bekommen, sondern höchstens ganz vorübergehend unbedeutende Köthimg der Augen ohne Schmerzen, so dass sie sich selbst als geheilt betrachtet Die Krankheit hat also m diesem Falle etwa 20 Jahre lang gedauert

In den bisher geschilderten Fällen handelte es sich um sonst gesunde Personen, bei welchen weder eine be- stimmte Veranlassung für die entzündhchen Anfälle zu linden war, noch diese selbst mit anderen pathologischen Erscheinungen sich verbanden. Ich komme nun zu einigen Fällen, welche mit gleichzeitigen Veränderungen in der Nase einhergingen; in einigen derselben wurden die Ent- zündungen des Auges durch raschen Temperaturw^echsel hervorgerufen.

12. Fall. N. S., 35 jähriger Mann, leidet seit 10 Jahren an den Augen. Er bekam die erste Entzündung, als er au& Land fuhr und sich am offenen Fenster des Eisenbahnwagens erkältete. Die Entzündungen folgten dann in Pausen von 1 2 Monaten, später noch häufiger, so dass manchmal nur wenige freie Tage zwischen je 2 Anfällen lagen. Der Patient wird auf das Herannahen einer Entzündung zuerst durch Schmerzen aufmerksam, welche er bei Bewegung des Auges fühlt; zu dieser Zeit bemerkt er am Auge selbst erst einige rothe Adern. Die Böthung nimmt allmählich zu und damit der Schmerz, welcher migräneartag ist und die ganze betreffende Kopfhäute einnimmt Wenn die Röthung ihren Höhepunkt erreicht hat, was nach 3 bis 4 Tagen der Fall ist, verschwinden die Schmerzen, die Böthung des Auges besteht aber noch fort und dauert im Ganzen etwa 8 Tage. Es wh-d bald das eine, bald das andere Auge beiaUen. An&ngs verhält es sich so, dass z. B. zuerst das rechte Auge an der äusseren Seite entzündet war, bei der folgenden

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Kecidive an der inneren Seite; bei der dritten llecidive trat die Entzündung an der inneren Seite des linken Auges und bei der vierten an der äusseren Seite dieses Auges auf. Diese regelmSasige Abwechslung verior sich später, so dass bald dasselbe Auge m^r- mals nadi einander, bald wieder beide Augen gladizeitig be- fallen werden können. Audi in den entzändungsfreien Zeiten sind die Augen des Morgens nach dem Erwachen durch einige Minuten geröthet.

Der Patient suchte midi zum ersten Mal im Jahre 1888 mit einer frischen Entzündung des linken Auges auf. Ich fand doe aui den äusseren Quadranten dieses Auges beschränkte ^ starke Injection der conjunctivalen und episkleralen Gefässe mit massi- ger diffuser Anschwellung, aber ohne Bildung eines harten, um- schriebenen Knotens vor; die geröthete Stdle war gegen Be- rührung empfindlich. Die übrigen Tlieile des Augapfels waren blass und von normalem Aussehen.

Der Kranke führt die dnzelnen Anfälle auf Verkühlung zurück. Er kann sie, wovon idi mich selbst überzeugt hal>e, willkürlich hervorrufen, wenn er sich bei kühlem Wetter mit der einen Körperseite an ein offenes Fenster setzt. Sogar das Oeflhen einer Thttre, die aus einem warmen in ein kaltes Ziniiner ftihii, genügt zuweilen zur Hervorbringung einer Entzündung. Der Kranke verkühlt sich auch sonst Idcht. Er muss bei ge- ringem Luftzuge sofort wiederholt niessen und hat fast immer etwas Nasenkatarrh, ohne dass jedoch die Verschlimmerungen desselben mit den entzündlichen Anfällen an den Augen zeitlidi zusammenfallen würden. Er ist im übrigen gesund, nur litt er früher häufig an MigiUne, die zuweilen mit Flimmerskotom ver- bunden war, aber in keinem zeitlichen Zusammenhange mit den Augenentzündungen stand.

Der Patient hat sich von verschiedenen Aerzten mit allen möglichen Mitteln behandeln lassen, doch ohne dauernden Erfolg. Nach einer kürzlich erhaltenen schriftlichen Mittlieilung sind jetzt die Anfälle seltener geworden, aber heftiger als früher, nament- lich was die Schmerzen anlangt Wenn er im Beginne eines Anfalles 2 3 gr Antip>Tin binnen 24 Stunden nimmt^ hören die Schmerzen auf und die Röthung verschwindet in den folgen- den Tagen. Auf der Höhe der Entzündung hat aber weder Antip\Tin noch Phenacetin, Chinin oder andere Mittel eine Wir- kung auf die Schmerzen.

13. Fall. H. F., 28jährige Frau, wurde vor 9 Jahren zum ersten Male von Augenentzündungen heimgesucht Dieselben traten

Ueber Episkleritis periodica fugax. 239

bei ihr verhältnissmässig selten^ nämlicli durchschDittlich nur zwei- mal im Jahre auf^ und zwar gewöhnlich im Frülijalir und im Herbste; ein Zusammenhang mit den Regeln bestand nicht Sie betrafen nur ein Auge und kündigten sich durch ein eigenthümliches Gefühl in demselben an, welches bald in Schmerz überging, der bis in das Hinterhaupt ausstrahlte und so heftig war, dass die Patientin durch 2 3 Nächte niclit schlafen konnte. Dann röthete sich das Auge und blieb durch ungefähr 8 Tage rotli, wälirend die Schmerzen sdion fi-tiher aufhörten. Nur ein ein- ziges Mal waren beide Augen gleiclizeitig angegriffen, als der An- fall besonders stark war. Die Patientin ßeberte damals, hatte beide Augen gesdiwoUen und musste durch 8 Tage das Bett hüten. Sie ist im übrigen gesund bis auf ein Nasenleiden, wel- dies jedoch üist ein Jalir später als das Augenleiden begann. Leider wurde, als sich im Jalire 1888 die Kranke bei mir vor- stellte, die Nase nidit genauer untersucht Die Patientin be^d sich damals am 4. Tage eines Anfalles; die Sdimerzen waren bereits verschwunden. Das rechte Auge zeigte massige Röthung der Bindehaut und sehr intensive Ciliai'injection rings um die HoiTihaut; die Pupille war um eine Spur enger als auf dem linken Auge. Dieses zeigte nur an der inneren Seite der Horn- haut eine unbedeutende Ciliarinjection.

Im Jahre 1892 heirathete die Patientin und bekam dar- nach noch einen Anfall. Vier Monate nach demselben wurde sie zum ersten Male schwanger und hat seitdem nie mehr eine Ent- zündung der Augen gehabt; auch das Nasenldden ist seither verschwunden. Die Dauer ihres Augenleidens betrug also im Ganzen 6 Jahre.

14. Fall. H. R., ein jetzt 3 3 jähriger Mann, hat seit 7 Jahren mit häufigen Entzündungen der Augen zu thun. Die- selben kommen in Pausen von 3—8 Wochen und dauern einige Tage; 2—3 Mal im Jahre, in der Regel am Be^nne und am Ende des Winters, kommen besondere heftige Anfälle, welche dann bis zu 4 Wochen anhalten können. Die leichten Entzün- dungen betreffen gewöhnlich nur ein Auge, in den eraten Jahren häufiger das linke, jetzt häufiger das rechte. Bei schweren An- fällen ergi'eift die Entzündung nach einigen Tagen auch das zweite Auge, wenn auch in leichterem Grade.

Der Kranke hat keine Veranlassung tlir die einzelnen ent- zündlichen Anfälle entdecken können; er hat nur beobachtet dass sie sidi in der Regel bei steigendem Luftdrucke, wenn auf schlechtes Wetter gutes folgt, einstellen. Denselben gehen vage

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rheumatoide Schmerzen im Kopfe und in den Extremitäten vor- aus; auch erkennt der Patient das Nahen eines Anfalles daran, dass er bei Fixiren seines eigenen vorgehaltenen Fingers, abo bei Convergenz und Accommodation; Schmerzen im Auge empfindet Mit dem Eintritte der Entzündung werden die Schmerzen hefti- ger, besonders des Nachts. Das Auge wird geröthet, bei starken Entzündungen schwellen auch die Lider an; das Sehvermögen ^nrd nur durch die begleitende Lichtscheu etwas beeinträchtigt Anfangs waren die Augenentzündungen regelmässig von starkem Schnupfen begldtet, welcher auch durch die galvanokaustische Zerstörung der hypertrophischen Schleimhaut der unteren Nasen- muschel nicht an der Wiederkehr verhindert werden konnte. Erst in den letzten 8 Jahren bleibt der begleitende Schnupfen ans, seitdem der Kranke täglich Morgens den ganzen Körper mit Wasser von 10® R. abwäscht

Ich sah den Kranken zum ersten Male im März 1892. Damals bestand am rechten Auge im äusseren und unteren Qua- dranten, am linken Auge im äusseren Quadranten starke con- junctivale und episkleralc Injection nebst massiger ödematöser Schwellung der Bindehaut Entsprechend den entzündeten Qua- dranten war aucli der Limbus etwas geschwellt und in dem Rande desselben, also noch nidit in der durchsichtigen Hornhaut waren sehr kleine, gelbliche Infiltrate, tlieils rund, theils längiich zu sehen. Rasche Bewegung des Auges nach der Seite war schmerzhaft. In den nächsten Tagen wanderte die Rötliung d^ Bindehaut und damit auch die Bildung kleiner Infiltrate im Lirabus nach dem früher verschont gebliebenen Quadranten des Augapfels hinüber. Bei anderen AnfäUen wurden solche In- filtrate am Limbus ofl vermisst; einmal fand ich inmitten des entzündeten Quadranten eine buckeiförmige Anschwellung vor, welche wie ein gewöhnlicher skleritischer Knoten aussali und gegen Berührung äusserst empfindlich war. Ich glaubte schon, eine gewöhnliche Skleritis vor mir zu haben, aber nach 2 Tagen war das Auge wieder vollständig blass und der Knoten spurlos verschwunden.

Der Patient, ein reicher Mann, lebte früher sehr gut und hatte im Urin eine geringe Vermehrung der Harnsäure. Seit 3 Jahren hält er eine gegen uratische Gicht berechnete Diät ziemlich genau ein und trinkt reichlidi Bilinerwasser. Seitdem sind die Anfälle etwas leichter geworden, auch ist das früher be- ständig vorhandene Sodbrennen verschwunden.

Ueber Episkleritis periodica fugax. 241

15. Fall. H. U., em 40jährig«r Mann; hat seit mehreren Jahren alle 3 Wochen eine Entzündung des linken Auges; das rechte war niemals erkrankt. Die Entzündung kündigt sieh einige Stunden vorher durch eine eigenthümliche Empfindung im Auge an; dann wird dasselbe stark geröthet und anfimgs aneh schmerzhaft; nach 2 3 Tagen ist alles vorüber. Ich sah den Patienten nui* emmal in dner anüdlsfreien Zeit Und &nd an den Augen nichts Abnormes. Die Imke Nasenöfinung war ekzematös und es bestand ein hypertrophischer Katarrh der Nasenschleim- liaut mit Verdickung derselben, besonders stark an der unteren Muschel.

16. Fall. L. F.; 46jähriger Mann^ war seit 1887 gegen Temperaturwechsel besonders empfindlich; so oft er sich dem- selben aussetzte, bekam er sofort starken Schnupfen und Augen- entzündnng. Es genügte dazu, dass er sich aus einem wannen Zimmer in ein kaltes begab; besonders nisch reagirte er auf jeden kühlen Luftzug, der seinen kahlen Kopf traf. In den er sten Jahren war seine Empfindlichkeit so gross, dass das blosse Anfassen einer kalten Thürklinke, oder das Aufetützen des EU- bogens auf eine marmorne Tischplatte (im Kaffeehause) hinreichte, um ihn zum Niessen zu bringen, manchmal 30 Mal hinter ein- ander, und um den Schnupfen und die Augenentzündung hervor- zurufen. Es schdnt gerade die Abkühlung einer umsdiriebenen Hautparthie in dieser Beziehung besonders wirksam gewesen zu sein, denn er konnte andererseits, in seiner Eigenschaft als Guts- besitzer, bei jedem Wetter im Freien, auf seinen Feldern, sich aufhalten und sich daba eriiitzen oder durchnässen, so viel er woUte, ohne sich zu erkälten.

Die durch den Temperaturwechsel hervorgerufenen Entzün- dungen der Nase und der Augen waren zwar heftig, aber am nächsten Morgen schon wieder verschwunden. Ich si^ den Pa- tienten öfter, aber nur einmal während einer solchen Entzün- dung; es bestand damals starker Schnupfen und eine starke katarrhalisch aussehende Röthung der ganzen Bindehaut, beson- ders der Gonjunctiva bulbi beider Augen, welche im übrigen normal waren. Der Befund an der Nase ergab starke Ver- dickung der Schleimhaut der unteren Nasenmuscheln, weshalb dieselben sowohl in Kissingen als auch in Wien wiederholt gal- vanokanstisch behandelt wurden. Es erfolgte darauf in der Regel Besserung, welche aber nur durch einige Monate anhielt Das Gleiche gut ftlr die verschiedenen, gegen die Augenentzündung angewendeten Mittel. Patient ist im übrigen gesund, wohl ge-

V. Onefe'8 Archiv f&r Ophthalmologie. XLI. i. IQ

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nährt; der Urin zeigt öfter vermehrte Ausacheidung von Harn- säure und Oxalsäure; gichtische Erscheinungen hat der Pädjent jedoch nie dargeboten. Seine Mutter litt an Arthritis deformans. Im Sommer 1894 las Patient einmal zuftUig, daas Neu* ralgieen durch Zähne hervorgerufen werden können. Nun beaass er selbst einen Zahn, welcher, abnorm gestellt, erst im 30. Lebeoi^ jähre zum Vorschein gekommen war, und er beschloss, sich den- selben ziehen zu lassen, obwohl er ihn nidit belästigte. Nach der Mittheilung des Zahnarztes, Herrn Dr. Gonka, wdcher den Zahn extrahirte, handelte es sich um den linken oberen Edczahn, welcher hinter der Zalmreihe, ans dem Gaumen, hervorgewachaen war. Der Zahn erwies sich nach der Extraction als gesund, nur wai* seine Wurzel ungewöhnlidi lang, jedoch nicht bis in die Oberkieferhöhle reichend. Seit der Entfernung dieses Zahnes ist der Patient frei von jeder Empfindliclikeit gegen Temperator> unterschiede, sowie von jeder Entzündung der Naae oder der Augen; auch geht er seitdem ohne das Käppchen, welches er hliher auf seinem Kahlkopfe zu tragen pflegte. Seine Krank- heit dauerte also im Ganzen 7 Jahre.

Die jetzt folgenden Fälle sind solche, wo eine Ver- bindung mit Malaria vermuthet werden konnte, sei es, dass die Anfälle mit Fieber einhergingen, oder die Patienten Milzvergrösserung zeigten, oder dass endlich Chinin von günstigem Einflüsse auf das Augenleiden war.

17. Fall. J. K., ein jetzt 39jähriger Mann, leidet seit dem Jahre 1883 an Entzündungen der Augen, welche er darauf zurückführt, dass er damals einen Tripper hatte, welcher von einem Arzte durch eine einzige Einspritzung sofort geheilt wurde; sehr bald darauf sei die erste Augenentzündung aufgetreten. Die Anfälle kamen anfangs alle 2 3 Wochen und dauerten nur 1 2 Tage; das Auge war dabei nur gerötliet, aber nicht schmerz- haft. Später verlängerte sich die Dauer der Anfälle auf 4 5, ja selbst 8 Tage; dieselben verbanden sich mit Schmerzen, welche in die Stime, Nase und Ohren ausstrahlten, den Patienten ver- hinderten zu arbeiten und ihm die Nachtruhe raubten; auch gegen Berührung war das Auge äusserst empfindlicli und das Sehvermögen war gestört. Während des Anfalles hatte der Patient l'ieber und grossen Durst, und klagte über dn Gefühl von Völle im Unken Hypocliondrium. In den letzten Jahren trat wieder eine Besserung ein. Es werden jetzt zwar beide Augen

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zugleich befallen, während früher immer in der Regel nur eines ergriffen wurde, und zwar in so regelmässiger Abwedislung, dass niemals dasselbe Auge zweimal hintereinander sich entzündete. Dafür aber sind die Anfälle jetzt viel milder, die Schmerzen un- bedeutend und eine Sehstörung nicht vorhanden, so dass Patient jetzt nicht gezwungen ist, seine Arbeit zu unterbrechen. Die AnfiUle kehren jetzt ziemlich regelmässig alle Monate einmal wieder.

Der Patient zeigte sicli zum ersten Male Mitte October 1887 in der Augenklinik. Er gab an, bis auf sein Augenleiden ge- sund zu sein, namentlich niemals an Wechselfieber gelitten zu haben, doch ergab die mteme Untersuchung eine sehr bedeutende >filzvergrö88erung, welche auch heute noch besteht. Er hatte damals gerade eine Entzündung des linken Auges , welclies eine sehr heftige conjunctivale und ciliare Injection darbot Pu- pillen, Augenhintergrund und Spannung waren wie rechts. Da- gegen zeigte sich das Sehvermögen herabgesetzt. Am rediten Auge war iS%, mit -{-0,5 ebenso; der Nahepunkt lag in 24 cm. Am linken entzündeten Auge war S^l^^y mit 2,o I) Ä^^/^g und F auf 18 cm hereingerückt Nach einigen Tagen war das linke Auge blass geworden und die Myopie verschwunden; es besteht jetzt auch hier S^Jq ohne Glas. Am 25. October 1887 trat ein entzündlicher Anfäll am rechten Auge auf) welches nun dasselbe Bild bot, wie früher das linke, ohne dass jedoch Myopie aufgetreten wäre. Patient begann mm Chinin einzunehmen. Dasselbe zeigte anfangs keine Wirkung, nachdem er aber gegen 40 g verbraucht hatte, trat eine 5 wöchentliche Pause in den Anfällen ein. Als er nun aber das Chinin, welches ihm zu theuer war, aussetzte, kam es wieder zu einem Anfalle, welcher am 6. April 1888 begann und jetzt zum eraten Male beide Augen betraf. Das linke Auge begann am Morgen, das rechte am Nachmittage desselben Tages sicli zu entzünden. Das Erstere war nur wenig geröthet und am nächsten Tage wieder gesund^ während die Entzündung des rechten Auges unter heftigen Schmerzen zunahm. Das linke Auge hatte -ft?%, das rediteAugc zählte ohne Glas nur Finger in 6 m und hatte mit SDiS^i^; der Augenspiegel ergab denselben Grad von Kurzsichtigkeit Während der ersten 2 Tage bestand erhöhte Temperatm-, Nacht- schweisse, Appetitlosigkeit und Durst Der Patient liess sich nun bis zum October 1889 von Zeit zu Zeit in der Klinik sehen. Wenn er Chinin nahm, erzielte er Pausen von 1 2 Monaten zwischen den AniäUen; wenn er dann das Chinin der Kost-

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spieligkeit halber aufisetzte, traten die AnfiUle wieder in Zwi8Gli6ii> Tftnmen von 14 Tagen ein. Zu wiederholten Malen wurde, wenn sich der Patient bei solclien AnflUlen zeigte, da^be Be- iiind wie oben constatirt^, nämlidi nebst Störung des Allgemein- befindens und Fieber starke Injection des Augapfels (einmal aach starkes Oedem der Lider), und Myopie verschiedenen Grade».

18. Fall. N. G., ein 43jShiiger Mann, leidet seit 16 Monaten an wiederholten Entzündungen der Augen, deren Hef^ tigkeit übrigens in der letzten Zeit bedeutend abgenommen hat Die Entzündung trat anfangs 2— 4 mal im Monate auf, jetzt aber seltener, so das» er nun seit einem Monate keine mehr gehabt hat. Sie befUllt gewöhnlich nur ein Auge, an&ngs häu- figer das linke, später häuüger das rechte; zuweilen wird aber bald nach Erkrankung des einen Auges auch das zweite ergriffen. Die Entzündung dauert 5—7 Tage und besteht in einer starken Köthung, welche sich gewöhnlich nur auf einen Thell des Augapfels beschränkt; nui* in sehr heftigen Fällen geht sie allmälüidi rings herum. Die Schmerzen beginnen gleichzeitig mit der Röthung und waren in der ersten Zeit sehr heftig; sie hatten ihren Sitz im Auge und sti^ahlten in die Stime aus. Jetzt sind sie weniger stark und nur auf das Auge selbst be- schränkt Besonders schmerzliaft sind Bewegungen der Augen, namentlich aber jeder Versucii, zu fixiren. Die Schmerzen ver- schwinden früher als die Entzündung, nämlich schon nach 2 3 Tagen. Das Sehvermögen ist wälirend der Anfälle nicht gestört Patient lebt in einer Fiebergegend. Er erinnert sich zwar nicht, typische Intermittensanf^e gehabt zu haben, giebt aber zu, dass er schon öfter Chinin einnehmen musste und hat auch vor Be- ginn seiner Augenkrankheit durch einige Zeit gefiebert Gegen das Fieber gebrauchte er Salipyrin mit gutem Erfolge. Der Kranke ist ein kräftiger Mann, dessen Milz massig vergrössert ist Ich sah den Patienten nur zweimal, und zwar jedesmal in einem entzündungsfreien Intervalle, in welchem die Augen normal aus- salien. Mein Assistent, der Gelegenheit hatte, den Exanken während eines Anfalles zu beobachten, giebt an, dass eine In- jection des Augapfels bestand, welclie sich auf einen Quadranten beschränkte und einer Episkleritis ähnlich sah, ohne dass jedoch ein deutlicher Knoten vorhanden gewesen wäre.

19. Fall. J. K., 45jährige Frau, gab an, vor einem halben Jahre zum ersten Male eine heftige Entzflndnng gehabt zu haben, welche beide Augen betraf nnd mit so heiligen

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Sdimerzen verbunden war, dass sie die ganze Nacht hindurch geschrieen habe. Seitdem sind die Entzündungen noch ungefälir 10 Mal wiedergekehrt; und zwar immer nur auf dem linken Auge. Die Veranlassung zu den Rückfällen soll Zugluft gegeben haben. Die Anfälle werden von Schmerzen eingeleitet und ei'st später röthet sich das Auge. Die Entzündung dauert ;]— 4 Tage, während die Sdimerzen nacli 2 Tagen vorüber sind. Als die Patientin zum ersten Male mit dem eben entzündeten linken Auge in die Klinik kam^ fand man an demselben nebst massiger Injection der Bindehaut intensive Injection der episkleralen Ge- fasse: die Pupille war etwas enger und die Iris zeigte einen Stich ins Grünliche. Das linke Auge war übrigens seit Geburt fast band, zeigte zwei hintere S}'nechieen anscheinend älteren Datums und ein Colobom des Sehnei*ven, \\;elcher atrophisch aussah. Die Patientin hatte vor einiger Zeit Syphilis aoqui- rirt, war aber im übrigen gesund; spedell hatte sie weder Wechselfieber gehabt^ noch besass sie einen Milztumor. Es wurde ihr Chinin verschrieben und sie war nun im Stande, durch das- selbe die AnflUle zu coupiren; ^/g Stunde nach Einnahme des Chinins waren Entzündung und Sehmerzen versdiwunden. Später bekam die Patientin auf dem rechten Auge (welches nur ein einziges Mal entzündet gewesen wai*), eine syphilitisclie Retinitis; die Entzündung des linken Auges kehrte, so lange Patientin in Beobachtung blieb, immer wieder von Zeit zu Zeit zurück.

20. Fall. J. S., ein jetzt 33jäliriger Mann, hatte durch 15 Jahre an Augenentzündungen gelitten, welche immer nur em Auge beti-afen und in 4—6 Wochen wiederkehrten. Zuerst röthete sich das Auge und einige Stunden später folgte dumpfer Schmerz; beides dauerte durch 4 5 Tage, wälirend welcher Zeit der Kranke verhindert war, zu arbeiten. Er kam vor drei Jahren einmal in die Klinik mit einem frischen Anfalle. Es be- stand leichtes (Jedem der Lider, massige Injection der Bindeliaut und starke Füllung der episkleralen Gefässe, namentlich im un- teren Quadranten. Vor Kurzem kam der Kranke auf meine schriftliche Aufforderung hin wieder zu nur. Er erzählte, dass er seit jener Zeit nur noch zwei Mal Entzündungen gehabt habe. Die letzte war im März 1893 gekommen und von ganz unge- wöhnlicher Heftigkeit; sie betraf zum ersten Male beide Augen und dauerte durch 14 Tage. Seitdem ist aber der Kranke von jeder Augenentzündung frei geblieben. Er giebt an, im übrigen iresund zu sein und namentlich niemals an Wechselfieber gelitten zu haben, obgleich sowohl bei der ersten Untersuchung vor

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3 .laliren^ als andi jetzt eine massige > ergrösseining der Milz nach- w(»isbar war.

21. Fall. N. 0.. 32 jährige Frau, wurde seit Anfang 1894 von Entzündungen, bald des rechten, bald des linken, bald bei- der Augen zugleich befallen. Die Anfälle treten ohne bekannte Veranlassung in der Regel nach Pausen von 1—2 Wochen aof: ein Zusammenhang mit den Regeln ist nicht vortianden. Die dnrdischnittliche Dauer der Entzündung beträgt 8 Tage. Die- selbe verlief in der ersten Zeit schmerzlos , in der letzten Zeit traten im Beginne der Entzündung Schmerzen in der Stirae über dem kranken Auge auf. Die Kranke liatte als Kind auf den Genuss von Erdbeeren regelmässig Urticaria bekommen, jetzt aber nicht mehr; desgleichen hat die Migräne, an weldier sie irülier häufig litt, aufgehört Sie fühlt sich jetzt gesund, speciell hat sie niemals VVechselfieber gehabt. Ich sah die Pa- tientin nur einmal wälirend eines leichten Anfalles im December 1894. Es bestand damals auf dem linken Auge eine massige Injection, von welcher nur der obere (Quadrant fi-ei war; im übrigen war das Auge normal. Ich verordnete der Patientin (-hinin und sie schrieb mir vor Kurzem, dass dasselbe den An- fall sofort beseitigt habe und dass seitdem kein Anfall mehr ge- kommen sei. Das Leiden hatte also im (lanzen etwas weniger als ein Jalir gedauert.

Während in dem eben beschriebenen Falle in der Jugend Urticaria dagewesen war, führe ich nun einen Fall an, in welchem der Nesselausschlag gleichzeitig mit (ItT Augenentzündung auftrat und mit dereelben imzweifel- haft in Zusammenhang stand.

22. Fall. E. M., eine .'{5jälmge, ziemlich coipulente tVau, litt seit März 1893 an Augenentzündungen. Dieselben beüelen nur ausnahmsweise bloss ein Auge; die Regel war, dnss die Ent- zündung an dem einen Auge begann und am nächsten Tage das andere Auge folgte. Die Entzündungen waren nach 4 bis 5 Tagen vorüber, um nach weiteren 4 5 Tagen wiederzukehren. Wälirend deraelben bestand ROthung der Augen, starke Lidit- scheu, Sdimerzen und Sehstörung. Gleidizeitig mit dem Aus- bruche der Entzündung fieberte die Patientin und bekam eine Urticaria auf den Wangen, Hals, Brust und Armen, welche nadi 1 2 Tagen wieder verschwand. In der letzten Zeit waren die Entzündungen noch hartnäckiger geworden und dauerten bis zu

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14 Tagen, weshalb sicli die Patientin entschloss, nach Wien zu reisen. Hier konnte ich Ende October 1893 einen typischen Anfall beobachten. Derselbe begann mit Temperatursteigerung, Frost und später Seh weiss, sowie mit heftigen Kop&chmei-zen. Gleichzeitig damit trat an beiden Augen starke Lichtscheu und 'lliräneniiuss auf. Die Lider wurden Odematös, die Bindehaut und die episkleralen Genüsse tief injidrt und die Bindehaut etwas ödematös geschwollen. Die Hornhaut war leicht matt und trübe; mit der Loupe konnte man ganz obei-flächhcli gelegene^ äusserst feine graue Pünktchen unterscheiden, welche ziemlich gleichmässig über die ganze Homliaut vertheilt waren; die Ober- fläche der Hornhaut war darüber nicht aiterirt Durch die Hom- liauttrübung wurde das Sehen etwas gestört; im übrigen war aber das Auge normal. Erst nachdem der Anfall schon in der Besserung begriffen war, kam eine reichliche Eruption von Urti- caria, welche mit Nachschüben ziemlich lang anhielt, ja sogar noch zunahm, als die Entzündung der Augen schon vorüber war. Diese hatten wieder eine vollkommen klare Hornhaut be- kommen, doch blieb eine zarte Ciliarinjection bis zum nächsten AnMe dauernd bestehen. Die Patientin ist aus einer Malaria- gegend, behauptet jedoch, niemals an Fieber gelitten zu haben und liatte auch keinen Milztumor. Von Seite der Verdauungsorgane war keine Störung vorhanden. Sie wurde mit Chinin und kalter Augendouche behandelt, was während ihres mehrwöchentüchen Aufenthaltes in Wien keinen auffallenden Erfolg hatte. Vor Kurzem antwortete sie mir auf eine schriftliche Anfi-age, dass unter Fortsetzung dieser Behandlung die AniäUe alimählich sel- tener und schwächer wurden und dass seit Januar 1895 keine Entzündungen mehr aufgetreten sind; nur eine zarte Röthe der Augen ohne weitere Beschwerden stellt sich noch von Zeit zu Zeit ein. Die Krankheit hätte demnach, wenn man sie jetzt als beendigt ansehen w\\\, ungefähr 2 Jalire gedauert.

Die vorstehenden Krankengeschichten zeigen so viel Gemeinsames, dass es leicht ist, daraus ein Kraukheitsbild abzuleiten, dessen Grundzüge in allen Fällen die gleichen sind. Es handelt sich um eine oft wiederkehrende Ent- zündung, deren Sitz die Bindehaut des Bulbus, besondei-s aber das darunterliegende, lockere und gefassreiche episklerale

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Grewebe ist Es besteht eine tiefe Injection von violetter Farbe und eine manchmal beträchtUche Schwellung des ent- zündeten Gewebes, doch ist weder Absonderung wie bei Katarrh, noch eine harte Infiltration wie bei der gewöhn- lichen Episkleritis vorhanden. Es handelt sich daher hi^^ mehr um ein entzündliches Oedem als um eine Entzun- dimg mit Exsudation.

Nur bei besondei-s schweren Anfallen nimmt die Ent- zündung die ganze Umgebung der Hornhaut ein; in der Kegel beschränkt sie sich auf einen oder einige Quadranten, wandert auch wohl in einigen Tagen von einer Stelle zur anderen oder von einem Auge auf das andere. Die gerade nicht von der Entzündung eingenommenen Theile der Bulbusoberfläche, sowie die Uebergangsfalte und die lid- bindehaut sind gewöhnhch ganz blass. Dies, sowie die violette Farbe der Injection und die mangelnde Seci-etion lassen die Krankheit leicht von einer acuten Ophthalmia catarrhalis unterscheiden. Viel mehr Aehnlichkeit hat die Affection wegen der genannten Eigenthümlichkeiten mit der gewöhnlichen Episkleritis. Mit dieser hat sie auch die häufigen Recidive gemeinschaftlich, welche aber bei ersterer nie mit einer solchen Regelmässigkeit wiederkehren, wie bei unserer Krankheit. Bei der gewöhnlichen Episkleritis besteht ferner ein harter entzündlicher Knoten, welcher wochenlang andauert und nach Verschwinden desselben bleibt oft eine verfärbte Stelle in der Sklera zurück. Alles dieses fehlt bei der Episkleritis ftigax, für welche gerade die grosse Flüchtigkeit der Erscheinungen, sowie deren spurloses Ver- gehen charakteristisch ist In einem einzigen Falle (14) habe ich enie dem episkleritischen Knoten ähnUche, um- schriebene Anschwellung gesehen, welche aber durch ihr rasches und spurloses Verschwinden bewies, dass sie nur eine äussere Aehnlichkeit mit dem gewöhnlichen episkleri- tischen Knoten hatte.

Die Episkleritis fiigax befällt entweder beide Augen

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abwechseludy manchmal in ganz regelmässiger Weise, oder es werden beide Augen zugleich Ton der Entzündung er- griffen, zumeist so, dass nach einigen Stunden oder Tagen das zweite Auge dem ersten folgt Häufig ist es so, dass manchmal nur ein Auge, manchmal, z. B. bei besonders schweren Anfällen, beide Augen erkranken. In 3 Fällen (4, 6 und 16) waren stets beide Augen, in 2 Fällen (9 und 15) immer nur ein und dasselbe Auge der Sitz der Ent- zündung.

Die Entzündung ist mit Beizerscheinungen wie Schmer- zen, Thränenfluss und Lichtscheu verbunden. Dieselben sind manchmal gering, andere Male wieder ziemlich stark. Häufig ist die entzündete Stelle des Augapfels besonders empfindUch, wenn man sie durch die Lider hindurch berührt Wenn die Schmerzen stark sind, nehmen sie einen neu- ralgischen Charakter an und strahlen in die Umgebung des Auges bis in das Hinterhaupt aus. Sie berauben den Patienten der Nachtruhe und machen ihn durch einige Tage arbeitsunfähig. Von einigen Patienten wurden die Schmerzen als migräneartig geschildert. WirkUche typische Migräne mit oder ohne Erbrechen war jedoch in keinem der Fälle mit Sicherheit während des entzündlichen An- falles selbst beobachtet worden.

Die Begel ist, dass die Schmerzen schon vor den äusserhch sichtbaren Zeichen der Entzündung auftreten und dieselbe ankündigen. Sie verschwinden dann entweder mit dem Auftreten der Röthung oder dauern wenigsten» nicht so lange wie diese. In einzelnen Fällen kamen die Schmerzen erst mit dem Eintritte der Röthung oder selbst später; ein Patient erzählte, dass er im Beginne des An- falles nur beim BUck in den Spiegel bemerke, dass sein Auge roth sei, aber noch keinerlei Beschwerden fühle; die Schmerzen kämen erst später nach.

Die hier geschilderten Züge sind mehr oder weniger allen Fällen gemeinsam. Einige derselben zeichneten sich

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aber noch durch besondere Eigeuthiimlichkeiten aus, weldie gleichfalls bemerkt zu werden verdienen. In manchen f^eu kam es bei den stärkeren Anfällen zu einer Schwellung der Lider, welche zuweilen ziemlich beträchtlich war, ja in einem Falle (10) mit Suffiision derselben, sowie mit Schwellung der Drüse vor dem Ohre sich verband. Doch ist die Schwellung der lider stets nur Begleiterscheinung einer besonders heftigen Entzündung des Auges selbst, nicht eine selbständige Erkrankung, wie in den Fällen von reddivirendem Ijidödeni; auf welches ich später zurückkommen werde.

Die Hornhaut zeigte nur in zwei Fällen Verände- rungen. In dem einem Falle (22) waren über die ganze Hornhaut verbreitete, sehr feine, graue Pünktchen zu sehen; in einem anderen Falle (11) wurden während einiger An- falle kleine, punktförmige Infiltrate, und daraus entstehende Geschwürchen am Bande der Hornhaut beobachtet Der letztere Fall hatte dadurch einige Aehnhchkeit mit den später zu besprechenden, häufig recidivirenden randständigen Geschwürchen der Honihaut

Besonders schwere Entzündungen kennzeichnen sich durch die Betheiligung der tiefer gelegenen Organe, näm- lich einerseits der Iris und des Ciliarkörpers, andererseits der Augenmuskeln und des retrobulbären Gewebes. Die Iris Hess manchmal deutUche Hyperämie erkennen, welche sich durch Verfärbung derselben und durch Verengerung der Pupille verrieth; wirkUche Iritis kam aber niemals zu Stande. Die Betheihgung der Iris und des CSüarköi-pers erhellt auch aus der oft tiefen CiUarinjection, welche noch manchmal fortbesteht, wenn die Bindehaut darüber schon abgeblasst ist Dass die Hyperämie des Ciliar- körpers zuweilen schon frühzeitig auftritt, ergiebt sich aus jenen Fällen, wo der Eintritt eines Anfalles durch die Schmerzen vorausgesagt werden konnte, welche bei Accommo- dationsanstrengung gefUhlt wurden. Die Schmerzhaftagkeit des Accommodirens war wohl der Gnmd, warum in eineiu

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Fixile (8) die Accommodationsbreite während des Anfedles herabgesetzt war. Die Hyperämie des Ciliarkörpers fuhrt zuweileu zu Accommodationskrampf und damit zu Myopie, welche mit dem Anfalle wieder vorüber geht (17). Durch ungleichmässige Contraction des Ciliarkörpers kann auch Linsenastigmatismus mit entsprechender Herabsetzung des Sehvermögens entstehen (Fall 9).

Dass auch die Augenmuskeln und das übrige den Bulbus umgebende Gewebe an der Hyperämie Antheil nehmen können , ergiebt sich daraus, dass nicht selten bei seiüichen Bewegungen der Augen, sowie bei Convergenz- anstrengung heftige Schmerzen empfunden wunlen (Fall 3, 8 und 14). Bei besonders starken Anfällen kann es durch Oedem der Tenon'schen Kapsel und ihrer Umgebung zu Exophthalmus mit entsprechender Beschränkung der Be- weglichkeit des Auges kommen (Fall 10).

Die Dauer des entzündlichen Anfalles wird in den einzelnen Fällen verschieden angegeben. Sie beträgt manch- mal nur 1 2, ',bei anderen Patienten aber 6^ 8 Tage. In demselben Falle wechselt die Dauer nach der Schwere des Anfalles. Es können z. B. die gewöhnlichen Anfälle 2 3 Tage dauern, während besonders schwere, welche nur ein- oder zweimal des Jahres wiederkehren, bis zu 4 Wochen sich ausdehnen können (Fall 14). Häufig war im Laufe der Jahre eine Aenderung zu constatiren, indem entweder die Anfälle leichter und kürzer, oder schwerer und damit länger wurden.

Eines der wichtigsten Kennzeichen der Krankheit sind (leren häufige, oft ziemlich regelmässige Recidiven. Die Pausen zwischen den Anfällen sind von verschiedener Dauer. Nur ausnahmsweise treten die Anfälle nur 2 3 mal im Jalu'e auf, in der Regel sind sie viel häufiger, so dass die Pausen nur 2 4 Wochen dauern. In einem und dem- selben Falle wechseln die fi'eien Intervalle an Dauer, je

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nachdem die Krankheit sich bessert oder verschUinmei% indem mit der Heftigkeit der Anfälle auch deren Häufigkeit zu- nimmt Nur in einem Falle (12) sind in der letzten 2jeit die Aiitälle heftiger und zugleich seltener geworden. Die» erinnert an ein Verhalten, welches nicht selten bei Migräne beobachtet wird, wo nach einem besonders heftigen Anfalle der Patient verhältnissmässig lange von Migräne frei bleibt. Das Leiden erstreckt sich in der Kegel über mehrere, oft über viele Jahre. Die gesammte Dauer der Krankheit lässt sich natüriich nur aus jenen Fällen entnehmen, welche schUessUch geheilt wurden, und ich habe deshalb getrachtet, von meinen Fällen Nachrichten über deren jetziges Befinden einzuziehen, was mir freiHch nicht bei allen gelungen ist. Von den 22 von mir beobachteten Fällen ist nachweisbar bei 8 die Krankheit zum Abschlüsse gekonunen; die Dauer des Ijeidens betrug 1 Jahr (Fall 21), 2 Jahre (Fall 22), 5 Jahre (Fall 9), 6 Jahre (Fall 13), 7 Jahre (Fall 16), 13 Jahre (Fall 7), 15 Jahre (Fall 20) und 20 Jahre (Fall 11). In weiteren 8 Fällen dauert die Krankheit noch fort, obwohl bei den meisten derselben das Leiden schon seit langer Zeit, 7 bis 10 Jahren, besteht (Fall 10, 14, 5, 12, 17). In den übrigen 6 Fällen endUch konnte ich über den gegeu- wäitigen Zustand der Patienten nichts erfahren.

Die Episkleritis i)eriodica fugax ist eine ziemhch seltene Krankheit und dies mag wohl erklären, dass dieselbe trotz der vortrefifhchen Beschreibung, welche A. v. Graefe vor mehr als einem Vierteljahrhunderte davon gegeben hat, doch so ziemlich in Vergessenheit gerathen ist, so dass ihrer in keinem der gcbräuchhchen Lehrbücher gedacht wird. Ich selbst bin auch erst, nachdem ich in London über diese Krankheit vorgetragen hatte, durch die Güte der Herren CoUegen E. Meyer und Hirschberg auf v. Graefe's Be- schreibung aufmerksam gemacht worden. Dieselbe findet sich in den von Hirschberg gesammelten klinischen Vor-

lieber Epigkleritis periodica fugax. 253

trägen A. v. Graefe's*). Die Krankheit wird daselbst als SubConjunctivitis bezeichnet und hinzugefügt^ dass auch der Name Tenonitis anterior partialis passen würde. Die Be- schreibung der Krankheit ist ziemUch ausführlich und in jeder Beziehung zutreflTend; die Aetiologie wird als unbe- kannt hingestellt. Dann finde ich erst wieder Nach- richten über die Episkleritis fugax bei zwei englischen Autoren, nämlich bei Hutchinson und bei Nettleship. Hutchinson*) beschäftigte sich in der Bowman Lecture, weiche er 1884 hielt, mit den Beziehungen der Augen- krankheiten zur Gicht. Er unterscheidet Gicht mit typi- schen Gichtanfällen und stille Gicht (quiet gout) mit leichte- ren, nicht typischen Aeusserungen. Zu Ijetzteren rechnet er das „hot eye", welches er in folgender Weise schildert:

„Es handelt sich um kurze, aber oft wiederiiolte Anfälle von Congestion des Auges. Gewöhnlich ist nur ein Auge er- griffen, zuweilen aber beide. Die Bindehaut röthet sich, das Auge wird heiss und juckend, als ob Sand darin wäre. Der Anfall kann einige Stunden oder 1 2 Tage dauern. Zuweilen wird durch BeÜieiligung des Ciliarmuskels etwas trübe gesehen und jede AccommodationsanBtrengung ist schmerzhaft. Die Patienten, welche an dieser Krankheit leiden, bekommen später nicht selten Iritis, und Andere haben wieder durch Jahre häufige Anfälle ohne ernste Folgen. Zwischen den Anilülen sind die Augen in der Hegel vollkommen normal.'^

Diese Schilderung ist ganz vortrefflich imd stimmt vollkommen mit meinen Beobachtungen überein, nur dass meiner Ansicht nach Hutchinson die Dauer der Anfälle etwas zu kurz angiebt, was vielleicht darin seinen Grund haben mag, dass er seine Beschreibung nicht nach ge- nauen Aufeeichnungen entwarf, sondern nach dem Ein- drucke, den er von der E^rankheit gewonnen hatte. Dass

>) Berlin, 1871, I. p. Itil.

') Transactions of tfae Ophthalmological Society of the united Kingdom, Vol. V. p. 8.

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dieselbe später in Iritis übergeht, habe ich selbst niemals

Der zweite Autor, Nettleship*) berichtet über einige hierher gehörigen Fälle, welche er als verwandt mit der recidivirenden Iritis ansieht, nur dass die Exsudation fehlL Gleich Hutchinson vermuthet er, einen Zusammenhang der Ej*ankheit mit Gicht oder Rheumatismus. Endlich giebt Swan M. Burnett*) die kurze Beschreibung eines

») Transactions of the Oph. Soc. Vol. VIII. p. 94. Die von Nettleship angeführten Fälle sind, so weit sie sich der Episkleritis fugax anreihen lassen, folgende:

1. Ein 35jähriger Mann leidet seit 2 Jahren an heftigen Ent- zündungen, häufiger am rechten, seltener am linken Auge, niemals an beiden zugleich. Am ersten Tage bestehen heftige Schmerzen, besonders sind Bewegungen des Auges schmerzhaft; am zweiten Tage wird das Auge roth und bald ist alles wieder vorüber. In der Fa- milie besteht Gicht

2. Eine 60jährige Frau hat seit 10 Jahren mindestens alle 14 Tage einen entzündlichen Anfall, welcher immer nur ein Auge be- trifft. Der Anfall dauert meist nur einen Tag und beginnt mit Schmerzen. Erst nachdem das Leiden jahrelang gedauert hatte, zeigte die Sklera in beiden Augen einen injicirten und verfärbten Fleck und einen trüben Bogen am oberen inneren Rande jeder Hornhaut. Die' Schwestei der Patientin hatte Gicht am Fuss.

3. Eine 52jährige Frau ist seit 8 10 Jahren Entzündungen unterworfen, welche gewöhnlich nur ein Auge befallen. Dieselben dauern durchschnittlich 14 Tage und gehen ohne Absonderung einher. Bei einem von Nettleship selbst beobachteten Anfalle bestand eine zum Theil umschriebene Röthung und leichte Verdickung der Binde- haut und des episkleralen Gewebes und ziemliche Schmerzhaftigkoit. Ihr Bruder litt an Gicht.

4. Ein 21jähriger Mann hatte in den letzten 5 Jahren 5 An- falle gehabt, welche in der Regel im Frühjahre aufgetreten waren. Beide Augen zeigten eine Röthung, welche in einiger Entfernung von der Hornhaut am stärksten war und nicht rings herum ging. Die Rüthe sah wie bei Episkleritis aus ; es bestand keine Secretion, wohl aber Schmerzhaftigkeit; die Entzündung dauerte ungefähr 14 Tage. Später erkrankte der Patient an Gelenksrheumatismus.

•) Archive« of ophthalmology XXI. Bd., No. 2. 1892. Eine über 50jährige Prau litt seit dem Klimakterium an Entzündungen der

Ueber Episkleritis periodica fugax. 255

Falles von Episkleritis fugax, von welcher er meint, dass sie als vasomotorische Störung aufzufassen sei.

Ein Fall, von welchem es nicht sicher ist, ob er hier- her zu rechnen ist, wird von Baas^) beschrieben. Es handelte sich um eine öfter wiederkehrende heftige Augen- entzündung, welche Baas als eine genuine nervöse Con- junctivitis bezeichnet Bronner*) und Manz') erwähnen jeder einen Fall, wo eine periodisch wiederkehrende Äugen- entzündung jedesmal mit Bildung kleiner Fleckchen oder Knötchen in der Hornhaut einherging, sich also wesentlich von der Episkleritis ftigax unterschied.

Bei der kurzen Discussion über den Vortrag, welchen ich in London über diese Krankheit gehalten hatte, er- wähnten einige Herren, dass sie FäUe von Episkleritis ftigax gesehen hatten; ich werde bei der Besprechung der The- rapie darauf noch zurückkommen*).

Bindehaut mit starker Giliarinjection. Die Entzündungen pflegten in Zwischenräumen von 2 Monaten aufzutreten und betrafen gewöhnlich nur ein Auge. Sie kündigten sich durch Kälte in den Extremitäten und ein Gefühl von Schläfrigkeit an und waren mit Congestion der betreffenden Kopfhälfte verbunden. Nach 3 Tagen war die Entzün- dung vorüber.

*) Z eben d er's klinische Monatsblätter für Augenheilkunde 1885. p. 238.

■) Transactions of the ophth. Society. VoL XII. p. 74.

•) Wiener medic. Wochenschr. 1891. No. 3 und 4.

*) Während des Druckes erhielt ich die Thfese de Paris, welche Herr Largeau am 18. Mai 1895 der Pariser Facultät präsentirt hatte. Derselbe beschreibt als Scl^rite rheumatismale mehrere Fälle eigener und fremder Beobachtung, welche sich dadurch auszeichneten, dass die Entzündung nicht in Form umschriebener Knoten, sondern über grössere Abschnitte ausgebreitet auftrat, und dass keine dauern- den Spuren in der Sklera zurückblieben. Zwei von diesen Fällen, nämlich Fall I und Fall XII (letzterer von Aguilar Blauch beob- achtet) dilrften vielleicht zur Episkleritis fugax zu rechnen sein. Ausserdem citirt Largeau eine Beschreibung Galezowski's. welche sich offenbar auch auf die Episkleritis fugax bezieht. Galezowski sagt, dass diese Episkleritis nicht umschrieben ist, sondern sich auf

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Die wichtigste Frage bezüglich unserer Sjuokheit gilt der Aetiologie, aus deren Erkenntniss allein eine wirk- same Therapie abgeleitet werden könnte. Anhaltspunkte für die Lösung dieser Frage gewährt uns die Untersuchtmg der Patienten in Bezug auf ihre Gesundheit im Allge- meinen, das Studium der veranlassenden Ursachen für die einzelnen Anfalle, sowie die Begleiterscheinungen dieser Anfälle.

Die von mir gesehenen Kranken waren überwiegend Männer (15 Männer auf 7 Frauen). Sie gehören alle dem mittleren Lebensalter an; der jüngste Patient war 21, der älteste 51 Jahre alt; das mittlere Alter aller Kranken betrug 35 Jahre. Das Aussehen und der Verlauf der Krank- heit ist nicht derart, dass man an eine von aussen kom- mende Infection, wie z. B. bei einer Conjunctivitis denk^i könnte; vielmehr ist die Ursache der Krankheit mit grosser Walirscheinhchkeit in einer Störung des Stoffwechsels zu suchen. Es wiu-de daher fn allen Fällen der Gresundheits- zustand der Patienten im Allgemeinen genau untersucht und viele der Kranken zu diesem Zwecke an die interne Klinik geschickt. Bei der Untersuchung musste man vor allem an solche Krankheiten denken, zu deren Eigenthüm- lichkeiten eine periodische Wiederkehr der Ej*ankheit8- ersclieinungen gehört, so an Gicht mit ihren typischen An- fällen und an Intermittens.

Die Episkleritis mit ihren Knoten stand von jeher im Verdachte, mit der Gicht in Zusammenhang zu stehen und sowohl Hutchinson als Nettleship nahmen auch für die flüchtige Form dieser Krankheit dieselbe Aetiologie an. Was meine Kranken anlangt, so war der Gresundheitszustand derselben im Allgemeinen recht

die ganze obere oder untere Hälfte des Bulbus erstreckt Die Ent- zündung verschwindet in 6—^ Tagen und kehrt sehr hAufig wieder, so dass manche Kranke ÜAt jeden Monat davon befallen werden. Galesowski nennt diese Krankheit Episkleritis periodica.

Ueber Episkleritis periodica fagax. 257

gut, ja viele der Patienten waren eher zu gut genährt Damit steht im Einklänge, dass eine aufiEallend grosse Zahl, nämlich mehr als die Hälfte, meiner Privatpraxis angehörte und sich darunter manche sehr wohlhabende und zu gut lebende Personen befanden. Eine Anzahl derselben hatte entsprechend der reichlichen Fleischnah- rung einen hamsäurereichen Urin, welcher beim Erkalten ein Sediment von Hamsäurekrystallen (oft auch von oxal- saurem Kalk) ausfallen Uess. Eine quantitativ nachweis- bare Vermehrung der Harnsäure in der 248tündigcjn Urin- menge war jedoch in den meisten jener Fälle, wo eine solche Bestimmung stattgefunden hatte, nicht constatirt worden. Diesen ftir Gicht sprechenden Anhaltspunkten muss gegenübergestellt werden, dass erstens kein einziger Kranker andere, unzweifelhaft gichtische Symptome darbot und zweitens, dass uratische Gicht überhaupt in Oester- reich eine ausserordentUch seltene Krankheit ist, mit der man in der Regel nicht zu rechnen braucht. Es ist also nicht mögüch, sich über die gichtische Natur der Episkle- ritis fugax mit Sicherheit auszusprechen. Ich habe in der Regel jenen Patienten, welche Anzeichen von Ueberer- nährung zeigten, eine mehr vegetabiUsche Diät sowie reich- lichen Genuss von Mineralwasser (von Bilin oder Vichy) empfohlen und bei längerer Fortsetzung dieser Behandlung in der Regel eine Besserung, doch niemals eine vollkommene Heilung der Krankheit beobachtet.

DeutUche Anzeichen von Rheumatismus waren nur in einem Falle (4) vorhanden. Der Kranke hatte bereits zweimal acuten Gelenkrheumatismus überstanden und als er während seiner Augenentzündung saUcylsaures Natix)n nahm, wurde die Dauer des Anfalles dadurch abgekürzt.

Gewichtige Anhaltspunkte ergaben sich in einigen Fällen für einen Zusammenhang der Episkleritis mit In- termittens. Es gab zwar keiner der Patienten zu, an typischen Intermittensanlällen gehtten zu haben, allein in

T. Graefe'8 Archiv fOr Ophthalmologie. XLI. 4. 17

258 ^- Fuchg.

3 Fällen (17, 18 und 20) war eine Y^gröeserung der Milz nachweisbar. Nur einer dieser Kranken (17) konnte durch längere Zeit beobachtet werden. Bei diesem begannen die Anfälle mit Fiebererscheinungen und das Chinin war ent- schieden im Stande ) die Wiederkehr der Anfälle zu ver- hüten. Erst wenn der Kranke aufhörte, das für seine Ver- hältnisse theuere Chinin zu nehmen, stellten sich die Ent- isüudungen wieder ein. In 2 Fällen (19 und 21) wurden die Anfälle durch Chinin coupirt, und zwar im zweiten Falle (21) so, dass niemals wieder ein Anfall eintrat Auch in dem Falle 22 wurde durch die lange fortgesetzte Be- handlung mit Chinin endUch Heilung des Leidens erzielt Es scheint mir also sicher, dass Malaria in der Aetiologie der Episkleritis fugax eine Bolle spielen kann. In der Literatur sind mehrere Falle von äusserlicher Augenent- zündung bei Intermittens mitgetheilt, welche aber in einer starken Conjunctivitis mit reichlicher Secreüon bestand ').

Ein pathologischer Zustand, welcher in typischen An- fällen periodisch wiederkehrt, ist die Migräne. Bei dieser wird oft, sowie bei der Quintus-Neuralgie, das Auge der befallenen Seite weniger frei geöfihet, thränt imd röthet sich etwas; zu einer eigentlichen Entzündung kommt es aber nie. In manchen meiner Fälle waren die Schmerzen

>) In der Regel verhielt es sich so, dass die Fieberanfälle mit starker Röthung der Bindehaut und namhafter Secreüon einher- gingen, w&hrend in den fieberfreien Tagen die Augen ganz normal waren. So war es in den Fällen von Hilbert (Centralblatt f. Augen- heilkunde, 1881, p. 131), von S^dan (Society fran^aise d'opht 1885, p. 808) und von Motais (Soc. trang. d'opht. 1887, 7. Mai). In dem Falle von Krassowski (referirt im Gentralblatte für Augenheil- kunde 1882, p. 395) trat die intermittirende Entzündung der Augen an Stelle der FieberanfUle auf. Bei dem Kranken war am 1. und 3. Tage die Bindehaut der Lider und des Bulbus stark geröthet und die unteren Lider ödematös, an den dazwischen liegenden Tagen aber das Auge normal; am 5. Tage erfolgte statt der Entzündung der Augen ein typischer Fieberanfall.

Ueber Epiakleritis periodica fugax. 259

während der entzündlichen Anfälle wohl migräneartig, doch bestand in keinem Falle ein immittelbarer Zusammenhang zwischen dem Augenleiden und einer Migräne. Zwei von den 22 Kranken litten wohl sonst zuweilen an Migräne, doch nicht zugleich mit den Augenentzündungen. Es über- schreitet schon die Dauer der Entzündung so sehr die einer Migräne, dass nicht daran zu denken ist, die Augenent- zündung als Begleiterscheinung oder Surrogat der Migräne anzusehen.

Wegen der periodischen Wiederkehr der Entzündungen musste man auch an einen Zusammenhang derselben mit den Menses denken, doch hat sich ein solcher in keinem der Fälle ergeben. In einem Falle (5) bestanden, als mit dem Klimacterium die Regeln verschwunden waren, (he Anfälle doch in unveränderter Weise fort In der Litera- tur finden sich zahlreiche FäUe von Augenerkrankimgen verzeichnet, welche entweder gleichzeitig mit den Menses wiederkehrten oder an Stelle derselben eintraten. Die meisten Fällen beziehen sich auf flüchtige Oedeme der Lider, auf die ich später noch zurückkomme. La- cambre und Costa berichten von Bindehautentzündungen während der Regeln'). Häufiger sind die Fälle von herpes- artigen Erkrankungen der Hornhaut, welche mit den Re- geln wiederkehren *) und nicht selten mit gleichzeitiger

') Lacambre (citirt bei Cohn, Uterus und Auge, p. 42) beob- achtete bei einem 2^fthrigen Mädchen seit 2 Jahren bei jeder Men- struation eine leichte Bindehautentzündung; als einmal die Regeln ausblieben, entstand eine Phlyktaene. Costa (Bolletino d'oculistica XI. Bd., p. 153) berichtet von 3 jungen Mädchen, von welchen 2 schon menstruirt waren, während das dritte die Menses erwartete, und welche durch mehrere Monate an Bindehautentzündungen litten, die regelmässig mit der Periode wiederkehrten.

•) Lerat (Th^se de Paris 1878) hat eine 29jährige Frau be- handelt, bei welcher auf einer von Goi^junctivitis scrophulosa herrühren- den Homhautnarbe durch 18 Monate regelmässig mit der Periode und zwar 2—3 Tage vor derselben eintretend, eine Herpeseruption

17*

260 E. Fuchs.

Schwellung der Nasenschleimhaut sich verbinden. Diese Fälle werden verständlich, wenn man sich erinnert, dass sowohl Herpes facialis, als Schwellungen der Nasenschleim- haut im allgemeinen in Zusammenhang mit den Regeln zuweilen beobachtet werden.

Die Menses verknüpfen sich bei manchen Frauen mit Eruptionen von Urticaria; die später zu beobachtenden flüchtigen liidödeme gehören, soweit sie mit den Menses

sich einstellte. Landesberg (Centralblatt für Augenheilkunde 1888, p. 134), sah ein löjfthriges gesundes Mftdchen, bei welchem mit jeder Menstruation auf einem oder beiden Augen wasserhelle Bläschen, oft in Gruppen stehend, entstanden. Stülp (Archiv für Ophthalmologie XL. Band, 2. Abtheilung, p. 224) beobachtete eine 48jährijre Frau, bei welcher regelmässig zur Zeit der Menses oder etwas vor denselben die Homhautaifection eintrat. Dieselbe bestand aus kleinen wasser- hellen Bläschen, welche bald am Rande, bald in der Mitte der Horn- haut Sassen und in der Regel rasch heilten; manchmal entstanden aber kleine Infiltrate und Geschwüre daraus. In einigen ähnlichen Fällen verband sich die Entzündung der Hornhaut jedesmal mit starkem Schnupfen, so in den beiden Fallen von Ransohoff (Kli- nische Monatsblätter für Augenheilkunde 1889, p. 318 und 1891, p^ 275), welche eine 28jährige Frau und ein ITjähriges Mädchen be- trafen. Das Gleiche war der Fall bei den beiden Kranken von Decker (Klinische Monatsblätter für Augenheilkunde 1890, p. 105 und 409). Die erste der Kranken war ein 17jähriges Mädchen, welches seit einem Jahre regelmässig mit den Menses eine Eruption von Bläs- chen auf der Hornhaut bekam, welche in 8 14 Tagen heilten. Die Augenentzündung begann stets mit Verstopfung der Nase, welche eine Rhinitis chronica hyperplastica aufwies. In dem 2. Falle, einem ISjährigen Mädchen, bestand die Hornhautentzündung seit 2 Jahren und kam nicht ganz regelmässig mit der Periode, war aber doch am stärksten während dieser. Auch hier verband sich die Augenentzün- dung mit starker Schwellung der Nasenschleimhaut. Decker sieht in der Erkrankung der Nase das Zwischenglied zwischen dem Uterus und dem Auge. Während der Menstruation schwillt häufig die Nasen- schleimhaut an, besonders wenn sie chronisch erkrankt ist Von der Nasenschleimhaut aus soll sich nach Decker die Entzündung längs der Trigeminusfasem bis zum Ganglion Gassen fortpflanzen , dasselbe verändern und dadurch die Augen beeinflussen.

Ueber Episkleritis periodica fugax. 261

in Zusammenhang stehen, in diese Gruppe. Was die Episkleritis Aigax anlangt, so war nur in zwei meiner Fälle Urticaria vorhanden. In dem einen Falle (21) war Urticaria nur in der Jugend da gewesen, und zwar auf besondere Veranlassung (Erdbeerengenuss) hin. In dem zweiten Falle (22) bestand ein Zusammenhang der Urti- caria mit dem Augenleiden, indem jeder Anfall von Augen- entzündung von einem Ausbruche von Urticaria begleitet war, wenn auch beide nicht immer zeitlich genau zusam- menfielen. Es scheint mir, dass in diesem Falle dieselbe Schädlichkeit sowohl die Augenentzündung als die Urti- caria veranlasste, ohne dass die beiden Processe deshalb als gleichwerthig anzusehen wären.

Die veranlassenden Ursachen, welche den ein- zelnen Entzündungsanfall auslösten, bUeben in den meisten Fällen unbekannt Nicht selten erwachten die Patienten mit entzündetem Auge, nachdem sie des Abends vor- her sich gesund zur Ruhe begeben hatten. In einigen Fällen dagegen konnte Temperaturwechsel, namenthch Luft- zug, als Veranlassung der Anfälle festgestellt werden und zwar besonders in jenen Fällen, wo sich neben dem Augen- leiden auch eine Erkrankung der Nase vorfand. Dies trifil für die Fälle 12, 13, 14, 15 und 16 zu, in welchen die Entzündung der Augen in der Regel mit einer Exacerba- tion des Nasenleidens einherging. Doch ist der Zusammen- hang zwischen Auge und Nase in diesen Fällen kein un- lösbarer; in Fall 12 fallen die Verschlimmerungen des Nasen- katarrhs nicht immer mit den Augenentzündungen zusam- men; in Fall 13 begann das Nasenleiden erst ein Jahr nach dem Auftreten der Augenentzündungen und in Fall 14 ist seit 3 Jahren die Nase gesund, während die Augen- entzündungen fortdauern. Von den Fällen mit begleiten- dem Nasenkatarrh sind es nun vor allem zwei, Fall 12 und 16, in welchem der Einfluss des Temperaturwechsels besonders deutUch war, so dass durch denselben geradezu

262 E. Fuchs.

absichtlich, nach Art eines fixperimentes, eine acute Entzün- dung der Nase und der Augen hervorgerufen werden konnte. Es handelte sich hier aber nicht um Erkältungen gröberer Art, sondern um locale Abkühlungen eines Theiles der Körperoberfläche. In dem Falle 16 trat die Baaction auf eine solche so rasch auf, dass sie als reflectorische be- zeichnet werden musste; das blosse Aufstützen des Ellen- bogens auf eine kalte Marmorplatte genügte, um häufig wiederholtes Niesen hervorzurufen, auf welches bald die Entzündung der Nase und der Augen folgte.

Wir sehen, dass es nicht möglich ist, für alle be- obachteten Fälle von Episkleritis fugax eine einheitliche Ursache aufzustellen. Ich möchte mir die Aetiologie dieser Krankheit am ehesten in der Weise zurecht legen, wie man es für die Migräne gethan hat, dass nämUch bei vorhan- dener Disposition durch äussere Veranlassungen der Anstoss zu den einzelnen Antällen gegeben wird. Die Disposition zur Episkleritis fugax muss in Störungen des StofiFv^echsels gesucht werden. Diese können durch Intermittens, durch gichtische oder rheumatische Diathese gegeben sein, wäh- rend in vielen Fällen die Ursache uns noch unbekannt ist In Folge dieser Störungen sammeln sich schädliche Stoffe an, welche endhch, wenn sie in genügender Menge aufge- häuft sind, zum Ausbruche einer Entzündung führen. (Man hat in Bezug auf die Migräne den Aiksdruck „explosions- artig^' gebraucht). Der letzte Anstoss zu einem solchen Ausbruche wird oft durch äussere Veranlassungen gegeben, unter welchen Temperaturwechsel obenan steht

Was die Therapie der Episkleritis fugax anlangt, so beweist die lange Pauer der meisten Fälle, dass die Be- handlung zumeist erfolglos ist Es wurde in manchen Fällen so ziemlich alles versucht, was nur halbwegs Erfolg zu versprechen schien; die Krankheit hörte dann zuweilen wohl schliesslich auf, oft aber erst, nachdem der Kranke schon jede Medication aufgegeben hatte. Eine gegen uratische

Ueber Episkleritis periodica fugax. 268

Diathese berechnete Diät oder eine Kaltwasserbehandlung brachte manchmal Besserung, indem die Anfälle seltener und leichter wurden. In einem Falle sistirte die Krank- heit sofort nach der Extraction eines anomalen Zahnes (Fall 16). Am meisten Erfolg hatten im Allgemeinen Chinin und salicylsaures Natron. Es gelang dadurch öfter, die Anfälle zu coupiren oder hinauszuschieben, oder durch längeren Gebrauch Heilung der Krankheit herbeizuführen. Dass diese wirklich jenen Mitteln zuzuschreiben ist, geht aus zwei Fällen hervor, in welchen durch diese Mittel so- fortige und dauernde Heilung erzielt wurde. Im Falle 7 hatte die Krankheit durch 13 Jahre gedauert und war nach 6 tägigem Gebrauche von Natron salicylicum für immer verschwunden; wenigstens hat die Heilung bis jetzt, durch 9 Jahre, angehalten. In dem Falle 21 waren durch Chinin die seit nahezu einem Jahre bestehenden Anfälle beseitigt worden und sind seitdem nicht wieder gekehrt.

In der Discussion über die Episkleritis fugax auf der Versammlung der British Medical Association wurden von verschiedenen Herren Mineralwässer, heisse Bäder, oder heisse Umschläge als wirksam empfohlen; Em ry Jones hatte bei einem 27jährigen Mädchen, bei welchem alle anderen Mittel fehlgeschlagen hatten, von derPeritomie einen dauern- den Erfolg.

Man hat sich daran gewöhnt, die Migräne als eine Angioneurose anzusehen und es liegt daher nahe, auch die Episkleritis fugax den vasomotorischen Erkrankungen zu- zuzählen. Es haben sich aber gerade in der letzten Zeit gewichtige Stimmen gegen die angioneurotische Natur der Migräne erhoben (Liveing, Gowers, Moebiua). Es liegt keinerlei Beweis vor, dass die Gefassveränderungen als das Primäre anzusehen sind; man kann sie mit eben solcher Berechtigung als Folge oder wenigstens als Begleit- erscheinung von Veränderungen betrachten, welche in der Hirnrinde selbst ihren Sitz haben. Was nun die Episkleritis

264 £• Fuchs.

fugax anlangt, so sprechen zwei Thatsachen gegen den angioneurotischen Ursprung derselben, nämlich erstens die starken entzündlichen Erscheinungen (im Gregensatze zum einfachen Oedem) und zweitens die verhaltnissmässig lange Dauer der einzelnen entzündlichen Anfälle. Welche Egen- schaften könnten wir bei einer äusseren Augenerkrankung erwarten, welche durch eine acut eintretende Veränderung in der Innervation der Grefässe hervorgerufen wird? Wir müssen in Folge von Erweiterung der Gefässe oder von vermehrter Durchlässigkeit ihrer Wandungen eine vermehrte Transsudation, also Oedem finden und die krankhaften Er- scheinungen müssen sehr rasch wieder vorübergehen. Diesen Anforderungen entsprechen vollkommen die flüchtigen Oedeme, welche an den Augen vorkommen imd mit welchen wir uns näher beschäftigen wollen. Sie finden sich einerseits als flüchtige Oedeme der Lider (ohne oder mit solchen der Bindehaut) und andererseits als flüchtige Oedeme des retro- bulbären Gewebes*).

Ueber das acute recidivirende Lidödem liegen zahlreiche Beobachtungen vor. Die geschwollenen Lider sind zumeist blässer, selten röther als die übrige Haut; die Anschwellung entsteht plötzlich und vergeht ebenso rasch wieder, in der Regel nach wenigen Stunden; selten hält sie durch 1 2 Tage an. Gleichzeitig mit den Anfällen be-

^) Als vasomotorische und secretorische Neurosen des Auges hat Nagel (Klinische Monatsbl&tter für Augenheilkunde 1878, p. 394) Falle zusammengefasst: 1) von Druckherabsetzung bei oft ganz unbe- deutenden Hornhautprocessen y 2) Fälle von Steigerung oder Herab- setzung der Temperatur des Auges, 3) von Zunahme der Refraction. Samelsohn (Archiv für Ophthalmologie XXI. Band, 3. Abth., p.29) beschreibt als vasomotorische Störungen zwei FÜle von tiefer Injection des Auges, resp. Gyclitis in Verbindung mit Herpes. Es ist klar, dass alle diese Fälle mit Episkleritis fugax nichts zu thun haben.

lieber Episkleritis periodica fugax. 265

steht oft leichte Fieberbewegung oder allgemeines Unwohl- sein. Wenn die Anfälle oft wiederkehren, bleibt zuweilen auch in der Zwischenzeit ein gedunsenes Aussehen der Lider oder eine Ausdehnung der Lidhaut zurück.

Die acuten Oedeme beschränken sich in einigen Fällen auf die Lider allein^). Sie können sich mit Suffusion der

*) In dem VIII. Bande der Transactions of the ophth. Society, p. 41 sind von Doyne, Gunn und Collins solche Fälle mitge- theilt Doyne beobachtete ein 15 jähriges Mädchen, welches seit 14 Monaten an Anschwellungen der oberen Lider, bald nur eines, bald beider litt In der letzten Zeit kamen diese Schwellungen ungefähr einmal im Monate; die Periode war bei dem Mädchen noch nicht ein- getreten. Ausserdem hatte dasselbe seit 6 Monaten typische Anfälle von Migräne mit Flimmerskotom und zeigte eine leichte Schwellung der Papillen. Gunn sah wiederholte Lidschwellungen bei einer jungen Frau. Dieselben begannen mit unerträglichem Jucken und entstanden hauptsächlich, wenn die Frau Fische gegessen hatte, weshalb Gunn diese Lidschwellungen der Urticaria an die Seite setzte. Collins hat recidivirende Lidschwellungen bei einem 15jährigen und bei einem 7jährigen Jungen gesehen. Riehl (Ueber acute umschriebene Oedeme der Haut, Wiener medicinische Presse 1888, Nr. 11) erzählt von einer Hebamme, dass sie im Jahre 1883 (damals 25 Jahre alt) an das Jochbein sich anstiess und kurz nachher eine Anschwellung der Lider des rechten Auges mit leichter Rothung bekam, welcher bald auch Schwellung der Lider des linken Auges folgte. Die Geschwulst hatte nach 3 Stunden ihren Höhepunkt erreicht und war nach Ablauf eines Tages vollständig verschwunden. In den folgenden 3 Tagen wiederholten sich dieselben Erscheinungen und recidiviren seitdem noch häufig, zuweilen fast täglich. Die Patientin erwacht des Morgens mit geschwollenen Lidern. Beim Aufstehen tritt häufig Schwindel, Ohrensausen oder Kopfschmerz auf und es wird ihr dunkel vor den Augen (Flimmerskotom?). Diese Erscheinungen zwingen sie, sich wieder fOr einige Minuten zu Bette zu legen, worauf die subjectiven Beschwerden verschwinden. Die Schwellung der Lider ist bis Abends wieder vorüber. Kach einer kürzlich von mir eingezogenen schrift- lichen Erkundigung bestehen diese recidivirenden Schwellungen auch jetzt noch fort, eine dauernde Veränderung hat sich jedoch an den Lidern noch nicht entwickelt Robinson ^British med. Joum. 1888, p. 1006) hat eine 46jährige Frau behandelt, welche seit 4 Mo-

266 £• Fucha.

Lider verbinden, so dass es aussieht, als ob das Auge einen Schlag erlitten hätte (Ormerod^) oder es kann auch die Bindehaut mit anschwellen, so dass sie einen chemotiachen Wulst um die Hornhaut bildet (Cuntz*). Es ist sehr ge-

naten nicht mehr menstruirt ist. Seit 5 Monaten sind ihre Lader, be- sonders des Morgens, oft so stark geschwollen, dass sie dieselben nicht öffnen kann. Die Schwellung dauert gewöhnlich durch 3 Tage und pflegt wiederzukehren, wenn die Kranke Kopfschmerzen hat. Ick selbst sah ein 16j&hrige8 Mftdchen, welches bis auf häufige Halsent- zündungen gesund war und angab, seit 4 Monaten an Anschw^ungen der Lider, bald des einen, bald des anderen Auges zu leiden, welche in Zwischenräumen von 2 Tagen wiederkehrten und jedesmal l^ii Tage andauerten. Die Anschwellung kündigte sich durch Schmerzen auf der betreffenden Seite an; einmal soll sie mit etwas Fieber eis- hex^gangen sein.

M Ormerod (Transactions of the ophth. Soo. Vol. VII. p. 101) berichtet über 3 Fälle: 1) Ein 72 jähriger Mann hatte binnen 2 Jahren 8 Anfälle, welche mit heftigen Kopfschmerzen begannen; am nächsten Morgen waren beim Erwachen die Lider eines Auges (gewöhnlich des linken) geschwollen und blau unterlaufen, wie nach einem Schlage. Die Blutunterlaufungen verschwanden nach 3 4 Tagen; 2) Bei einer 05jährigen Frau begannen die Anfälle mit Kopfschmerzen und Kloplen der Arterien am Kopfe; am nächsten Tage waren die Lider ge- schwollen. Die AnschweUung war nadi einem Tage wieder vorüber. Zuweilen bekam die Frau auch Schwellungen des Fasses oder eine& Fingers. 3) Ein ISjähriges, hysterisches Mädchen gab an, dass, nach- dem Kopfschmerzen vorausgegangen waren, ihre Augen wie nach einem Schlage blau und geschwollen werden. In einem meiner Fälle (10) von Episkleritis fugax verband sich die Schwellung der Lider gleichfalls mit Suffiision derselben.

*} Archiv f. Heilkunde, XV. Bd. p. 63, 1874. Der Patient leidet seit der Jugend an Urticaria, bekommt aber seit seinem 36. Lebens- jahre nebst den typischen Quaddeln auch ausgedehnte Anschwellungen an verschiedenen Stellen der Haut, sowie auch der Schleimhäute, wodurch Erstickungsanfälle eintreten. Die Hautsohwellungen betreffen oft auch die Lider; einmal wurde bei einem solchen An£gdle nebst Lidschwellung auch eine so bedeutende Schwellung der Bindehaut des Auges beobachtet, dass die Hornhaut von einem 5 mm hohen Walle umgeben war; bei anderen Anfällen fehlte die Schwellung der Bindehaut

Üeber Episkleritis periodica fugax. 267

wohnlich, dass die Lidschwellung nur eine Theilerscheinung multipler umschriebener Hautschwellungen bildet, welche bald das Gesicht, bald den übrigen Körper betreffen. Im Gesichte sind es namenthch die Wangen und die Lippen, vom übrigen Körper besonders die Extremitäten, an welcheu diese umschriebenen Oedeme auftreten (Cuntz'), Laudon*) Börner*)). Die ödematöse Schwellung erstreckt sich auch nicht selten auf die Schleimhaut des Bachens und Kehl- kopfes, in welchem Falle Schling- und Athembesch werden auftreten. Letztere können bis zu schweren Erstickungs- anfällen sich steigern, doch ist es in keinem der be* kannten Fälle wirklich bis zum Tode durch Erstickung

^) Ibidem. Ein 21j&hriger Mann bekam zum ersten Male in «einem 18. Leben^ahre groschengroBse 1cm hohe blasenartige An- schwellungen auf dem Handrücken und dem linken unteren Augen- lide, welche durch einige Stunden dauerten und nach 3—4 Tagen aich wiederholten. Aehnliche Beobachtungen werden von einem jungen Mädchen und einer 42jfthrigen Frau angeföhrt

») Berliner klin. Wochenschr. 1880, p. 23. Es handelt sich um eine 28jährige Frau, welche nach stärkerer körperlicher Anstrengung zuerst eine Schwellung der linken, am nächsten Tage der rechten Hand bekam, welche durch einen Tag dauerte. Nach 8 Tagen folgte Schwellung des linken, dann des rechten Fusses. Nach einer Pause von 4 Wochen entstand eine Anschwellung des Mundes und bevor diese verschwunden war, eine Schwellung des Lides des rechten Auges, sodass dieses nicht geöffnet werden konnte. Auch diese An- schwellung verschwand nach einem Tage. Derartige Schwellungen wiederholten sich im Ganzen durch 10 Wochen.

•) Börner, über nervöse Hautschwellungen als Begleiterschei- nung der Menstruation und des Klimax (Volkmann*s Sammlung klin. Vorträge, Nr. 312) führt eine ganze Anzahl von Frauen an, bei wel- chen zur Zeit der Periode an verschiedenen KörpersteUen, namentlich aber im Gesichte und auch an den Augenlidern rasch vorübergehende Schwellungen auftraten, die gewöhnlich nur einige Stunden anhielten und sich an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen wiederholten. Dabei können auch Congestionen oder Migräne vorhanden sein.

268 E. Fuchß.

gekommen (Cuntz*), Riehl*), Strübing*}, und Jamie-

*) In dem oben citirten Falle,

*) 1, c. Ein 51 jähriger Lehrer bekam zum ersten Male im Jahre 1874, wenige Tage nach dem Tode seiner Frau, über Nacht eine Schwellung der Lider des linken Auges, so dass er dasselbe nicht öffnen konnte. Die Schwellung war nach 24 Stunden vorüber, wieder- holte sich aber in den nächsten 3 4 Jahren in Zwischenräumen von 3 4 Wochen, und zwar stets auf dem linken Auge. Im Jahre 1878 er> krankte das rechte Auge in gleicher Weise und die Anfälle wieder- holten sich in Pansen von 2—3 Wochen. In den letzten Jahren trat nebst der Lidschwellung oder auch ohne dieselbe zuweilen Oedem an den Lippen und an der rechten Wange auf. Im Herbste 1885 bekam der Patient des Nachts plötzlich ein Oedem im Radien und Kehlkopfe mit Schling- und Athembeschwerden, die aber gleichfalls sehr rasch wieder verschwanden. In der letzten Zeit wiederiiolen sich die Lidschwellungen alle 10—12 Tage. W^ährend derselben sind die Lider prall gespannt und die Haut derselben ist wachsartig glänzend und etwas durchscheinend. Während der Pausen ist die Lidhant nicht verdickt, aber so gedehnt, dass die unteren Lider schlaff herab- hängende Säcke bilden, während die Haut der oberen Lider in Fonn einer vorhangähnlichen Falte bis vor die Lidspalte reicht, so dass der Kranke nur mit nach rückwärts gebeugtem Kopfe sehen kann.

») Zeitschrift für klinische Medicin 1886, p. 381. Ein 70jähriger Mann bekam in seinem 25. Lebensjahre nach einer Erkältung des Abends heftige Schmerzen beim Schlucken und bald darauf grosse Athemnoth, welche aber im Ijaufe der Nacht wieder verschwand. Darauf entwickelte sich eine Schwellung der Unterlippe und einige Stunden später der Oberlippe, der Wangen und der Augenlider bis zur vollständigen ünförmliclikeit. Die Schwellungen blieben durch einige Stunden auf ihrer Höhe stehen und verschwanden dann wieder, so dass nach 3 Tagen jede Spur von ihnen verschwunden war. Der- artige AnfiLlle wiederholen sich nun seitdem zuweilen, namentlich auf leichte Traumen hin. Die Schwellungen beginnen entweder im Ge- sichte und gehen dann auf die Schleimhaut über und führen zu Schlingbeschwerden und Athemnoth, oder es wird der umgekehrte Weg eingeschlagen; auch treten jetzt zuweilen Anschwellungen an den Extremitäten auf. Ausser diesen Anfällen bestehen seit dem 26. Lebensjahre Anfälle von Erbrechen, welche sich durchschnittlich alle 4 6 Wochen einstellen und in ausserordentlich heftigem und häufigem Erbrechen, verbunden mit Magenschmerzen und Benommen-

Ueber EpiskleritiH periodica fugax. 269

8on^)). Ich selbst sah durch Güte des Herrn Primarius Dr. Riehl einen 56jährigen Förster, welcher seit mehr als einem Jahre an recidiyirenden umschriebenen Anschwellungen im Gesichte leidet. Die Schwellung beginnt gewöhnUcb mit einem rothen Hecke, welcher sich auf der Stirne üb^r einem der Augen zeigt; dann beginnt das obere, später das untere Lid des betreffenden Auges anzuschwellen, worauf die Schwellung gewöhnhch noch auf die Wangen übergeht Die geschwollenen Theile sind eher blässer als die um- gebende Haut. Manchmal schwellen statt der Lider die Lippen, die Zunge oder der weiche Gaumen an, wodurch Schlingbeschwerden entstehen; Erstickungsanfälle oder Er- brechen hat der Kranke jedoch niemals dabei bekommen. Die Schwellungen sind nach 24 Stunden vorüber und pflegen in Zwischenräumen von 4 5 Wochen wiederzu- kehren. Der Kranke hatte im Jahre 1857, als er in einer Malariagegend lebte, Intermittensanfälle, ist aber jetzt frei davon und fühlt sich vollkommen gesund. Er und sein Bruder haben typische Roth- und Grünbhndheit Das acute Oedem der Mund- und Kachenschleimhaut scheint sich zuweilen bis in den Magen zu erstrecken, wodurch ausserordentUch heftige Anfalle von Erbrechen hervor- gerufen werden (Strübing^). Ich habe mich hier

heit bestehen; sie gehen gleichfalls sehr rasch vorüber. Von den 4 Kindern des Patienten litten zwei, ein Junge und ein Mädchen, an denselben wiederholten Schwellungen und BrechanföUen.

') Edinburgh med. Joum. 1883. Juni. Eine GÜjfthrige Dame litt an rheumatischen Beschwerden am Nacken und an den Extremi- täten und bekam wiederholte Anschwellungen des Gesichtes, haupt- sächlich der Lider y welche von Kopfschmerzen und leichten P'ieber- bewegungen begleitet waren. Die Anschwellungen dauerten 3 5 Tage. Zweimal nahm an denselben auch die Kachenschleimhaut theil, so dass das Schlingen erschwert war.

*) Derselbe erwähnt nebst den zwei oben citirten Fällen auch eine Dame, welche seit 15 Jahren an Anfällen von heftigem Er- brechen leidet, die besonders nach Aufregungen sich einstellen und

270 £< Fuchs.

begnügt, diejenigen Fälle von umschriebenem Oedem der Haut und der Schleimhäute anzuführen, bei welchen auch die Lider ergriffen waren; es finden sich ausserdem in der Literatur zahlreiche Fälle von umschriebenen flüchtigen Haut- und Schldmhautanschwellungen analoger Art nied^- gelegt, an welchen die Lider nicht theilnalimen.

An die Fälle Yon acutem recidivirenden Lidödem reihen sich die ausserordentlich seltenen Fälle von acutem recidivirenden Exophthalmus an (Gruss*)}, welche höchst wahrscheinlich einem acuten Oedem des retrobulbären Zellgewebes ihren Ursprung verdanken. Ich erinnere daran, dass auch in einem Falle von Episkleritis fugax die Ent- zündung des Auges mit etwas Protrusion desselben sich verband (Fall 10).

Die veranlassenden Ursachen dieser acuten düchtigen Oedeme sind sehr verschiedener Art Am häufigsten werden die Menses angeführt Bei diesen kommt es ja oft, sei es, dass sie regelrecht oder abnorm verlaufen, zu um- schriebenen Hautschwellungen, besonders an den Extremi- täten (Born er). Einigeraal wurden die Schwellungen durch Eingenommenheit des Kopfes, Kop&chmerzen oder durch

ungefähr alle 14 Tage wiederkehren. Zeitweilig treten auch starke, aber vorübergehende Oedeme der Lider auf.

^) Wiener medic. Bl&tter 1887, p. 26. Bei einem Söjfthrigen Manne trat der erste Anfall nach etwas reichlicherem Genüsse alko- holischer Getr&nke auf. Es entstand des Nachts in kürzester Zeit ein sehr starker Exophthalmus des rechten Auges, verbunden mit Oedem der Lider, sehr heftigen Schmerzen, Erbrechen und Pulsver- langsamung. Nach 24 Stunden waren alle Erscheinungen verschwun- den. In den folgenden 8 Wochen kamen noch 4 fthnliche, aber leichtere Anftlle, von welchen einer durch Aufregung hervoiigerufen worden war. Im Anschlüsse an diese F&Ue berichtet Adler über einen ähnlichen, von ihm beobachteten. Der Patient Adler's hatte innerhalb einiger Jahre 20 AnföUe von acuter, sehr rasch wieder ver- schwindenden Yortreibung des Augapfels, welche zumeist durch Auf- regung oder Ueberanstrengung hervorgerufen wurde. Zuletzt bildete sich EnophtJialmus und Selinervenatrophie aus.

Ueber Episkleritis periodica fugax. 271

typische Migräne eingeleitet, welche ja bei Frauen so häufig in innigem Zusammenhange mit den Regeln steht (Biehl, Hobinson, Ormerod, Jamieson und Holovtschiner*). . Auch bei Intemiittens sowie bei Morbus Basedowii kommen gleich anderen umschriebenen Hautschwellungen auch fiüch- , tige Lidödeme vor (Eichhorst*), Maude'). Besonders aber besteht eine nahe Beziehung zur Urticaria, indem das Oedem der lider entweder gleichzeitig mit einer solchen zum Aus- bruche kömmt (Cuntz) oder indem es gleich der Urticaria durch bestimmte Ingesta, z. B. Fische veranlasst wird (6unn). Das Zusammentreffen des acuten lidödems mit anderen umschriebenen Schwellungen der Haut und der Schleim- häute, sowie die gemeinschaftUche Aetiologie dieser Zu- stände beweist, dass das acute Lidödem in die Gruppe jener acuten Oedeme gehört, welche von den Autoren all- gemein als nervöser, und zwar als angioneurotischer Natur aufgefasst werden. Dieselben stehen der Urticaria und dem Erythema multiforme am nächsten und sind von Milton*) als Riesenurticaria, von Quincke*) und Riehl") als acutes umschriebenes Oedem der Haut, von Rapin^) als Urticaire massive und von Strübing^} als acutes angioneurotisches Oedem beschrieben worden. In dieselbe Kategorie gehört der nervöse Schnupfen, welcher darin besteht, dass plötzlich unter heftigem Niesen die Nasenschleimhaut anschwillt, die Nase sich verstopft und eine massenhafte seröse Secretion

*) AUgem. medic. Centralzeitung 1885, p. 1605. Ein ISjfthriges Mädchen leidet seit ihrem 15. Jahre an schweren Migrftneanfftllen, welche sich mit einem Gefühl von Taubheit der befallenen Gresichts- hälfte und mit Schwellung derselben verbinden.

•) Eulenburg's Encyclopädie, XII. Bd., p. 501.

') Oedema in Graves disease. The Practitioner. Dec. 1891.

*) Edinburgh med. Joum. 1876. December.

*) Monatshefte für praktische Dermatologie 1882, p. 129.

•) 1. c.

^) Revue m^d. de la Suisse romande 1886, 15. December.

•) 1. c.

272 E- Fuchs.

stattfindet, welche Erscheinungen binnen wenigen Stunden wieder vorübergehen. Auch diese Fälle sind häufig mit den Menses, mit Neuralgie, Migräne oder anderen nervösen Störungen verknüpft (Herzog'). Wir haben oben gesehen, dass sich mit solchem Schnupfen auch Augenerisrankungen, namentlich recidivirende Bläschenbildungen auf der Horn- haut verbinden können.

Es scheint mii* angezeigt, noch zweier, häufig recidi- virender Augenkrankheiten zu erwähnen, von denen ich nicht möchte, dass sie mit der Episkleritis fiigax Verwechselt werden.

Die erste derselben besteht in den recidivirenden Erosionen der Hornhaut. Es kann geschehen, dass ein durch leichte Verletzung entstandener Epithelverlust der Hornhaut vollständig verheilt ist, dass aber nach AVochen oder Monaten unter starken Reizerscheinungen das Epithel von derselben Stelle sich wieder abstösst, und zwar gewöhn- lich unter Bildung einer Blase. Dieser Vorgang kann sicli öfter wiederholen und scheint durch mechanische Einflüsse, namentUch durch Reiben des Auges durch die Lider hin- durch, veranlasst zu werden. Fälle dieser Art sind schon oft und unter verschiedenen Namen beschrieben worden und finden sich auch in den meisten Ijehrbücheni erwähnt

Die zweite häufig recidivirende Augenkrankheit, welche eine oberflächliche AehnUchkeit mit der Episkleritis fiigax zeigt, wird durch kleine randständige Infiltrate der Hornhaut gebildet. Die Kranken sind zimieist Personen im mittleren Lebensalter und werden Jahre hindurch von Entzündungen befallen, welche 2 3 mal, selten häufiger im Jahre aufisutreten pflegen und bald das eine, bald das

') Der acute und chronische Nasenkatarrh mit besonderer Berücksichtigung des nervösen Schnupfens (Rhinitis vasomotoria) Graz lb86.

Ueber Episkleritis peiiodica fugax. 273

andere Auge betreffen. Die Erkrankung beginnt mit ziem- lich heftigen Schmerzen und Lichtscheu, welche nach 1 2 Tagen verschwinden und nur noch durch einige Tage eine leichte Röthung des Auges zurücklassen. Diese zeigt nebst ciüarer Injection ein oder mehrere sehr kleine, graue Fleck- chen in der Hornhaut nahe dem Rande derselben. Das Epithel über denselben ist Anfangs matt und stösst sich später ab, so dass ganz kleine Geschwüreben entstehen, welche binnen wenigen Tagen verheilt sind. Ausser den frischen Infiltraten findet man' in der Nähe des Hornhaut- randes in der Begel zahlreiche kleinste graue Fleckchen meist nur mit der Loupe sichtbar über welchen die Ober- fläche spiegelt, welche also, die Reste früherer Anfälle der- selben Art darstellen. Ich habe in der Mehrzahl der von mir gesehenen FäUe die Ursache der Krankheit nicht fest- stellen können; nur in einigen Fällen schien mir eine gich- tische Anlage vorhanden zu sein. Der Fall 11 nähert sich diesen Fällen insofern, als hier nebst den Zeichen der Gpiskleritis fugax einigemal auch kleine randständige In- filtrate der Hornhaut zu sehen waren. Diese recidiviren- den randständigen Infiltrate der Hornhaut bilden eine nicht zu seltene und wohl charakteiisirte Krankheit, welche aber in den Lehrbüchern nicht die gebührende Erwähnung ge- funden hat

T. Gnefe't ArehW Ar Ophthalmologie. XLl. 4. 18

Erwiderung an Herrn Dr. F. Ostwalt in Paris.

Von

Dr. W. Koster Gzn. aus Utrecht

Mit 1 Figur im Text

Im 3. Hefte des XLI. Bandes dieses Archivs liefert Ostwalt einige Bemerkungen zu meinem im 2. Hefte des- selben Bandes erschienenen Aufsatze über die Tonometrie und Manometrie des Auges. Jedem Leser, der Ostwalt's und meine Arbeit zur Hand hat, wird klar sein, dass ich nicht zu viel gesagt habe; ich würde es daher für über- flüssig halten, auf diese angebliche Richtigstellung zu ant- worten, wenn mich nicht einige falsche Behauptungen Ost- walt's über mein Tonometer zu einer Erwiderung nöthigten.

Zuerst sagt Ostwalt, ich hätte den Sinn seiner Worte unrichtig wiedergegeben und ihm ein Urtheil in den Mund gelegt, das er nicht gefällt habe und zu dem er sich nie und nimmermehr für berechtigt gehalten hätte. Es ist sehr erfreulich, jetzt zu erfahren, dass Ostwalt einsieht, dass er viel mehr behauptet hat, als wozu das Resultat seiner Versuche ihn berechtigte, denn ich muss meine Behauptung ungeschwächt aufrecht erhalten, dass Ostwalt in seiner Arbeit im 5. Heft des XL. Bandes alle manometrischen Methoden als durchaus imzuverlässig hingestellt hat Es versteht sich von selbst, dass, wenn wir von der Möglich-

Erwiderung an Herrn Dr. F. Ostwalt in Paris. 275

keit sprechen, den Druck in einem Auge zu bestimmen, wir damit meinen, den Druck kennen zu lernen, der in jenem Auge vor der Einfuhrung der Canüle in den Glas- körper oder in die vordere Kammer geherrscht hat Der Druck, der nach längerer Zeit in dem Auge besteht, wäh- rend die Canüle darin verweilt, hat für uns wenig Interesse. Es war also ganz überflüssig, dass Ostwalt noch einmal mit viel Emphase darauf hinwies. Ich kann deshalb nicht einsehen, in welcher Hinsicht ich Ostwalt missverstanden haben sollte. Er sagt wörtlich: „es hat sich für uns aus alle dem die unumstössliche Thatsache ergeben, dass wir zur Zeit kein Mittel besitzen, um mit Hilfe eines so zu sagen intraocularen Manometers absolut genau den Druck zu messen, der in demselben Auge unmittelbar vorher, d. h. im Momente der Anlegung des Maklakoff'schen Tonometers geherrscht hat"; und ich habe dem gegenüber behauptet, dass wir zwar nicht absolut genau, aber doch bis auf Millimeter Hg den Augendruck messen können, wovon sich Jeder überzeugen werde, wenn er nur die richtigen Instrumente zur Verfügung hat und eine gute Methode anwendet. Hierin wird Jeder mir beistimmen, der die Theorie und die Praxis der jetzigen Mänometrie richtig versteht

Ostwalt will jetzt die Sache so darstellen, als hätte er nur die UnvoUkommenheit der Schult^n'schen Methode nachweisen wollen. Dies ist aber durchaus nicht der Fall. Ostwalt war der Ansicht, dass die Schulten 'sehe Me- thode von allen vorhandenen noch die leistungsfähigste sei, wie aus seiner Kote auf S. 39 hervorgeht, wo er be- hauptet, dass die Methoden von Adamük, Höltzke und Graser „auf keinen Fall vollkommener seien als die von Schulten". Die Methode von Leber wurde Anfangs von ihm nicht einmal erwähnt, wie aus der Note auf S. 37 hervorgeht; wir ersehen daraus, dass Herr Pro- IS*

276 W. Koster.

lehsor Leber Ostwal t gegenüber die Freundlichkeit hatte« ihn auf die Vortheile der Vorderkammercanüle hinzuweisen, aber demungeachtet hielt Ostwalt seine Behauptung auf- recht, weil die Einwände Schulten 's gegen dieses Ver- fahn*n ihm als stichhaltig oi-scbienen, ohne dass er jedoch durch persönhche Erfahrung sich davon überzeugt hatte. Dass der Manometrie des Auges ^ wie jeder Messungs- int'tl)ode gewisse Fehler anhaften, dass sie also keine absolut genauen Jlesultate liefem kann, habe ich selbst hervorge- hoben. Man hat aber nach den bekannten Erfahrungen über die Wirkungen indifferenter Fremdkörper kein Recht anzunehmen, dass die durch die blosse Einführung und das Verweilen einer feinen Stahlcanüle in der vorderen Kammer bewirkte Beizung die Höhe des Augendruckes derart beeinflusse, um zuverlässige Messungen zu vereiteln. War Ostwalt dieser Ansicht, so bedurfte es kein«* Ver- suche, um die Mattometrie zu venverfen, denn eine solche Behauptung würde sich durcli Versuche ebenso wenig direct beweisen, als widerlegen lassen.

Ostwalt hat gar nicht erkannt, was die Ursache war, wjuiim wir mit dem Schulten 'sehen Verfahren den Augen- druck nicht bestimmen können, und warum dieses Verfahren nicht einmal so viel leistet, dass wir damit den Druck kennen lernen, der in dem Auge besteht, während die Glaskörper- canüle in situ ist. Es scheint mir demnach dem Sachver- halt nicht ganz zu entsprechen, wenn Ostwalt jetzt be- hauptet, ich hätte im Uebrigen seine Erfahrungen über Schultön's Methode nur bestätigen können; ich glaube doch ein wenig weiter gekommen zu sein.

Ostwalt hätte zufrieden sein können, dass ich die vielen unrichtigen Behauptungen in seiner Arbeit nur kurz angedeutet habe. Da er jetzt noch einmal darauf zurück- kommt, dass seine manometrischen Messungen nicht miss- lungen seien, wie ich behauptet habe, sondern als mit einem negativen Erfolg ausgeführt zu bezeichnen seien.

Erwiderung an Herrn Dr. F. Ostwalt in Pari». 277

so zwingt er mich, noch kurz darauf hinzuweisen, dass seine Versuche auch als Beweis gegen Schulten 's Verfahren durchaus werthlos sind. Ich muss dafür wörtlich folgen lassen, was Ostwalt auf S. 38 seiner Arbeit sagt: „Alle Experimentatoren haben ausserdem festgestellt, dass sofort nach Einfiihrung der Canüle in den Glaskörper der intra- oculare Druck in Folge -Austritts einer gewissen Menge Augenflüssigkeit sehr stark gesunken ist. Erst allmählich steigt er dann von Neuem an. Bisher hat aber noch Nie- mand den Beweis geftihrt, dass er dieselbe Höhe wie vor der Operation erreicht. Dies ist sogar höchst unwahrschein- lich, denn einmal kann man nicht so ohne Weiteres an- nehmen, dass sich die Augenwandimgen absolut wasserdiclit um die Canüle zusammenziehen, und dann sind auch sicher- lich die Secretions- und Filtrationsbedinguugen der Augen- flüssigkeit erheblich beeinflusst durch Einführung der Canüle und besonders durch ihr Verweilen im Auge". Aus diesem Abschnitt geht her>'or, dass Ostwalt mit den Onnidprin- dpien der jetzigen Ophthalmomanometrie durchaus unb(^- kannt ist Wenn er die Canüle in das Auge einfuhi'te, trat Flüssigkeit aus demselben in das Manometer ein, der Druck sank dabei natürhch beträchüich, und dann wartete Ostwalt, bis sich wieder soviel neue Augenflüssigkeit ge- bildet hatte, dass er annehmen konnte, der Druck im Mano- meter bleibe constant. Bei dem weiten Rohr des Schul- ten'sehen Manometers kann dies erst nach vielen Stunden eintreten, vorausgesetzt, dass freie Communication zwischen Auge und Manometer besteht Ostwalt behauptet, sein Manometer sei dem Schulten 'sehen genau nachgelrildet gewesen; nach dem soeben citirten Satze scheint ihm aber der Zweck des mit einer Schraubenvorrichtung versehenen Quecksilben-eservoirs gar nicht bekannt zu sein. Er scheint nicht zu wissen, dass man bei einer richtigen manometri- schen Bestimmung den Druck im Manometer vor Anfang des Versuches ungefähr so hoch stellt, wie man erwai-t(^t,

278 W. Koster.

das» der Druck im Auge sein wird, und dass man, mittelst der Schraube am Quecksilberreservoir, sofort nachdem die freie Comniunication mit dem Auge hergestellt ist, den Indicator wieder an seine ursprüngliche Stelle zurückführt, wodurch man erreicht, dass wieder gerade soviel Flüssig- keit im Auge enthalten ist als vor der Einführung der Canüle, so da»ss der Druck dann sofort abgelesen werden kanTi. Aber nicht nur das Yerständniss der Theorie der manometrischen Messung geht ihm ab, er beherrscht auch nicht die Technik derselben, da er nicht einmal festzustellen versteht, ob seine Canülen wasserdicht in den Augenwandun- gei) schhessen. War es danach zuviel gesagt, dass ich diese Versuche als misslungen bezeichnet habe?

Was nun meine Modification des Fick^schen Tonometers anlangt, so meinte Ostwalt: „eine Reibung der Tonometerstange an einer der beiden als Fangvorricht- ung dienenden Federn wäre während der Messung kaum zu vermeiden, und dadurch würden die Messungsergebnisse durchaus gefälscht"; Ostwalt will sich hiervon persönlidi überzeugt haben. Um diesen Einwand zu entkräften, brauche ich nur darauf hinzuweisen, dass eine solche seit- Uche Ablenkung der Tonometerstange nur vorkommen kann, wenn das Instrument ausserordenüich schief an dem Auge angesetzt wird, so dass die eine Seite der Platte schon die Cornea eingedrückt hat, während die andere, diametnd gegenüberüegende Seite dieselbe noch lange nicht berührt In dem Falle hegt aber das ungenügende Resultat der Ab* messupg nicht an dem Instrumente, sondern an der Person, die es anwendet Die Stange bleibt schon deshalb in der Mitte, weil bei nicht allzu schiefer Lage der Platte die glatte Cornea keine derartige Reibung auf die Letztere ausübt, dass dadurch die Stange beträchtlich nach der Seite abgelenkt werden könnte. Dass man mit der Hand die Stange nach der Seite gegen die Fangfeder hin drücken k.-inn, ist selbstverständlich; daraus darf man aber nicht

Erwiderung an Herrn Dr. F. Ostwalt in Paris. 279

auf eine kaum zu vermeidende Keibung während der Appli- cation schliessen; eben weil Letzteres nicht eintritt, haben wir die Distanz zwischen den Fangfedern nicht grösser ge- nommen, was ja, wenn nöthig, beliebig geändert werden könnte.

Ueber mein neues Tonometer meint Ostwalt, dass es sehr schwierig sein müsse, die innerhalb des Hohl- cylinders verborgene Platte genau tangential auf den Bulbus aufzusetzen. Bei der leichtesten Schiefhaltung derselben soll aber die Arretirungsfeder zu früh oder zu spät ein- schnappen, und der Druck zu niedrig oder zu hoch ge- funden werden. Zur Widerlegung dieser Kritik diene Fol- gendes. Erstens braucht man sich gar nicht um die eigent- liche Platte des Tonometers zu kümmern, denn wenn der untere Rand des Cylinders überall den Bulbus berührt, liegt auch die Platte tangential am Bulbus. Und der imtere Band des Cyhnders stellt sich von selbst so, dass der ganze Bing den Bulbus berührt, wenn das Instrument nicht zu krampfhaft mit der Hand festgehalten und nicht so schief aufgesetzt wird, dass die Verlängerung des Cylinder- mantels (siehe Fig. 1) nach aussen vom Dreh- punkt des Auges fällt. Denn sei aep der imtere Theil des Tonometers und m der Mittelpunkt des Auges, so wirkt die Fig. 1.

Kraft ad^ womit wir das

Instrument auf das Auge drücken, in der Verlängerung der Durchschnittslinie af des Cylinders. Diese Kraft können wir immer zerlegen in zwei Componenten, eine ab, tan- gential an dem Bulbus in a, und eine ac in der Bich- tung des Radius des Auges. Die Letztere hat keinen Einfluss auf den Stand des Tonometers oder des Auges, die Erstere schiebt entweder das Tonometer ein wenig

280 W. Koster.

nach der richtigeu Seite, oder dreht das Auge ein wenig in derselben Bichtung, wobei das Tonometer folgt, je nachdem die Reibung der Augenoberfläche gegen den Rand des Cylinders grösser oder kleiner ist. Jedenfalls aber stellt sich der Ring des Cylinders dadurch richtig aul' das Auge, und dieselben Verhältnisse bleiben gültig, wenn die Platte soweit vorgerückt ist, dass sie antängt, auf das Auge zu drücken. Man sieht und man fühlt weiter auch schon, ob der richtige Stand erreicht ist, und wenn mau das Instniment ein klein wenig fester fasst und es in der Richtung seiner Axe vorschiebt, so muss die Messung gelingen. Es ist durchaus unrichtig, dass die Arretirung^- feder zu spät einschnappen kann, wie Ostwalt meint, und dass dadurch zu hohe Werthe für den Druck geAmden werden können; das Einschnappen kann nur zu früh statt- finden, wenn durch ungeschickte Bewegungen von Seiteu des Patienten oder des Arztes das Tonometer auf einmal aus seiner Lage gebracht wird; die Controle hat man aber immer in der Hand; wenn drei Abmessungen, mit einem guten Instrumente gemacht, genügend miteinander überein- stimmen, ist der dabei gefimdene Werth der richtige. Auch die Fick'sche Platte hat die Neigung, sich tangential an den Bulbus anzulegen, aber weil die Reibung gegen djis Auge bei diesem Instmniente imgefähr gleich Null ist, kann man es nicht lose aufeetzen, weil es dann seithch ab- rutscht, und zwar durch die Geschwindigkeit, welche der Platte durch die tangentiale Resultante des Druckes mit- getheilt wird; auch muss bei diesem Instrumente fortwäh- rend die Richtung des Theiles, welchen man in der Hand hat, zu dem Auge geändert werden, und gerade dieses Ver- fahren wird erst nach längerer Hebung gelernt

Es schien mir nicht zweckmässig, in meiner vorläufi- gen Mittheilung über das neue Tonometer mich schon über alle Einzelheiten der Anwendung und Construction weiter zu verbreiten , da bei fortgesetzten Vei-suchen sich immer kleine Aenderungen als zweckmässig erweisen. So wuixle ich z. B. bald überzeugt, dass es für die Anwendung in der Praxis dringend nothwendig ist, den kleinen Cylinder behufs griindhcher Reinigung des Instrumentes gänzHih entfernen zu kömien; auch stellte sich heraus, dass um auch auf der Conjunctiva bulbi Messungen auszufuhren, welche theoretisch und praktisch richtig sind, eine einfache

Ei-widenmg an Hemi Dr. F. Ostwalt in Paris. 281

Aenderung an der Zahnfeder vorgenommen werden luuss, wodurch die Reibung des Cylinders bei der Bewegung über die Platte beliebig geändert werden kann. Solche Dinge lassen sich aber brieflich mit einem Mechaniker schwer be- handeln, und ich habe daher die definitive Constructiou des Instrumentes bis zu meiner Rückkehr nach Utrecht verschoben. Das Instrument, welches ich selber besitze, liefert aber schon jetzt, ungeachtet einiger technischen Feh- ler, sehr befriedigende Resultate. Ich habe dasselbe in der ophthalmologischen Abtheilung der engUschen medicinischen Gesellschaft, welche im Juli dieses Jahres in London zu- sammenkam, den Herren CoUegen gezeigt und habe auch weiter oft Gelegenheit, das Urtheil von Fachgenossen über dasselbe zu vernehmen. Dass Herr Ostwalt in Heidel- berg kein richtiges Exemplar zu Gesicht bekommen konnte, wurde dadurch verursacht, dass der Mechaniker selbstver- ständlich nicht sofort alle theoretischen Einzelheiten zu würdigen versteht; das dort befindhche Instrument func- tionirte nicht richtig und hatte auch nicht richtig functio- nirt, in Folge kleiner Abweichungen in der Construction; Herr Ostwalt hat nicht das geringste Recht, daraus den Schluss zu ziehen, dass dasselbe sehr delicat sein müsse. Es ist mein Bestreben, die Einrichtung des Tonometers möglichst einfach zu machen, und dasselbe den Fachgenos- sen nicht zu übergeben, ehe ich selber damit ganz zufrieden bin. Auch die vorläufige Mittheilung über dasselbe hätte ich unterlassen, wenn ich nicht gefurchtet hätte, dass nach Allem, was ich über das Fick'sche Tonometer mitge- theilt habe, ein Anderer mir, durch Angabe desselben Priii- cips, zuvorkommen könnte.

Zum Schluss sehe ich micli gezwungen, darauf hinzu- weisen, dass zwischen meinem Tonometer und dem Webe ra- schen nicht mehr Aehnlichkeit besteht, als zwischen aUcMi anderen Tonometern. Das letztere war mir auch durchaus unbekannt, als ich das meinige herstellen liess. Das Ver- dienst Ad. Weber 's für die Aufstellung des Princips der Tonometrie habe ich völlig gewürdigt; aber sein Instru- ment entsprach durchaus nicht dem Gesetze, worauf es «ngeblich beruhte. Herr Ostwalt sagt nun: mein Tono- meter sei, im Grunde genommen, nur eine Modification des 1863 von Ad. Weber beschriebenen Instrumentes, bei dem ich an die Stelle des mittleren Zapfens die Fick'sche

282 W. Kobtor. Erwiderung an Herrn Dr. F. Ostwalt in Paris.

Platte, und an die Stelle der beiden äusseren Zapfen einen kleinen Hohlcylinder gesetzt habe; die Arretirungsvoirich- tung soll im Wesentlichen dem Weber 'sehen Tonometer nachgebildet sein. Ostwalt könnte mit eben soviel Becht behaupten, das linearmesser sei eine Modification des Lanzenmessers, oder das Schulten 'sehe Manometer eine Abänderung des Bai-ometers. Solche Vergleichungen lassen sich natürlich durchtühren, doch wird Niemand darin eine unparteiische Kritik erblicken. Ich kann dem Leser ruhig das Urtheil in dieser Sache überlassen.

Meine Einwände gegen den von Ostwalt an dem Fick' sehen Tonometer angebrachten Indicator erkennt Ost- walt als durchaus berechtigt an, und er hat die damals be- schriebene Neuerung auch schon wieder fallen lassen; statt des Schiebers hat er jetzt, an der Stelle des Indicators des Pick 'sehen Tonometers, einen kleinen Stift*) anbringen lassen, der sich über eine mit Russ angelaufene Glasplatte bewegt, wenn die Feder gespannt wird, und also graphisch anzeigen soll, wie gross der Ausschlag derselben gewesen ist. Dieselben Einwände, welche ich gegen den Schieber habe, bleiben auch gegen diese Einrichtung in Kraft, ab- gesehen von der UmständUchkeit derselben. Der Stift zeigt nur an, was der grösste Ausschlag gewesen ist und keines- wegs die Stellung, welche als die richtige angesehen wird; Ostwalt giebt gar nicht au, wie stark ungefähr die Bei- bung des Stiftes an der Glasplatte ist; constant ist dieselbe al>er jedenfalls nicht, eben wegen der minimalen seithchen Ablenkungen. Herr Ostwalt, der meine Modification des Fi ck' sehen Tonometers verurtheilt, nur weil er fürchtet, dass dabei eine Reibung auftreten könnte, sollte doch wohl der Meinung sein, dass durch diese inconstante Reibung die Resultate der Messung „durchaus gefälscht^* werden. ¥ür mich würde es darauf ankommen zu wissen, wie stark <he Feder an die Platte angedrückt wird, wenn ich ein Urtheil darüber abgeben sollte; doch, wie gesagt, scheint mir die Einrichtung sich nicht zu empfehlen, weil sie nur den maximalen Ausschlag angiebt.

^) £tude ophtalmo-tonom^trique pag. 435: Bulletin et M^moires de la Soc. frang. d'Ophtalmologie. 1895.

Kritische Bemerknngeii

zur Frage nach dem Vorkommen ungleicher

Accommodation.

Von Dr. C. Hess in Ijeipzig.

In einem kürzlich erschienenen Aufsätze^) ergreift Eugen Fick nochmals das Wort für die ungleiche Accommodation.

Gegen Ende dieser Arbeit sagt Fick (S. 119): ;,Es würde den Leser nur ermüde, wenn ich den Streit weiter spinnen wollte'^. Die gleiche Rücksicht auf den Leser hatte mich schon vor 3 Jahren, nach unserer letzten Polemik, veranlasst, Herrn Coliegen Fick den Vorschlag zu machen, unsere Memungs- versdiiedenheiten privatim, auf schriftlichem Wege zu erledigen. College Fick ging damals darauf ein, und ich nahm mir die Mühe, in einer ausführlichen Auseinandersetzung ihm eine Reihe von Irrthümem zu zeigen, deren öffentliche Erörterung ich ihm also auf diese Weise erspart habe. Nun tritt Fick wider mein Erwarten doch wieder an die Oeflfentlichkeit und behauptet <S. 118), dass die Gründe für das von mir früher über seme Arbeit gefäUte Urtheil („vernichtende Kritik^^, wie er an anderer Stelle sagt) zum grössten Theile nicht stichhaltig seien.

Fick zwingt mich dadurch zu der Erklärung, dass ich bei meiner letzten Publication *) nicht entfernt AUes gesagt habe, was gegen Fick's Arbeit zu sagen gewesen wäre. Ich hatte reich- liches liaterial zu einer noch viel „vernichtenderen^^ Kritik und

^) Einiges über Accommodation. Archiv für Augenheilkunde, Bd. XXXI, Ergänzungsheft, p. 113—127.

») V. Graefo'8 Arch. f. Ophthalm. XXXVIII. 3. p. 169.

284 C. Hess.

habe damit lediglich aus Rücksicht gegen Fick zurückgehalten, weil es mir peinlich für ihn erscliien^ alle Fehler und Wider- sprüche seiner Arbeit aufzudecken. Nach Fick's neuester Pabli- cation fällt diese Rücksicht weg, und ich habe den Beweis f&r die Richtigkeit meiner Behauptungen anzuti*eten.

In dem erwähnten Aufsatze hatte ich gezeigt, dass von den 3 Fällen, welche Fick in seiner kurz zuvor erschienenen Ab- handlung als Beweis für das Vorkommen ungleicher Acoomnu»- dation anführte, keinem einzigen wirklidie Beweiskraft inne- wohne. Von diesen 3 Fällen gieht Fick jetzt den einen FaJl Erb preis, weil ihm, wie er selbst zugesteht, die Refraction des Patienten nicht genau bekannt wai* und weil er einen Rechnungs- fehler begangen hat

Die beiden anderen Fälle Oeffinger und Steiner glaubt Fick noch vertheidigen zu können, wir müssen uns also etwas eingehender mit denselben beschäftigen.

Fall Oeffinger. Es handelt sich um einen 14jälirigen Knaben, der nach Homatropin

am linken Auge mit 1,0 1)= ,,

am rechten Auge mit 4,0D= . Sehschärfe hat

Fick hat die Sehpi*oben seines „Stereoskopleseversuchs'* bei einigen Versuchen in 42 cm, bei anderen in 50 cm aufgest^lt Die (xrösse der Sehproben ist (lateinisclier Druck) „zwischen J%er 4 und 5, näher dem letztei*en^^. Fick setzt nun dem Knaben verschiedene Gläser vor, um die RefractionsdifTerenz zn bestimmen, mit welclier der lieseversudi nodi bestanden wird. Ich stelle hier einige der interessanteren Leseversudie zu- sammen.

Versuch vom 15. Juli 1891. Leseprobe in 50 cm. 1. mit r— -2,25

/ kein GIba. Haploskop. Lesen nicht gelungeji. i), mit r 5,0

/ kein Cilas. Zögernd, aber vollkommen richtig, und beide Worthälften gychzdtjg gelesen, die linken deutlicher. Im 2. Falle (Versuch 6) ist die nöthige Acoommodations- leistung r = 3,0D

/=1,0D, also eine Ditferenz von 2D zu überwinden; damit liest der Patient „zögernd, aber vollkommen richtig^*.

Kritische Bemerkungen zur Frage nach dem Vorkommen etc. 285*

Im ersten Falle (Verauch 1) ist die AcGommodationsleistang r = 0,25

Also, eine Differenz von nur 0,75 D zu überwinden; das ver- mag Patient aba* nicht!

Am 29. Juli liest Patient Oe. mit r 5

l-^-l haploskopiscfa, also bei einei' unausgeglichenen Differenz von. 3,0 D, dieselbe Person^ die emige Tage zuvor bei einer Differenz von 0^7 5 nicht lesen konnte. Die Gonfiision wird noch grösser, wenn man erf^rt, dass an diesem 29. Juli Oe. die verhältnissmässig sehr grosse Accommodationsleistung des rechten Auges bei dem erwähnten Versuche an anem Tage aufbradite, an welchem nach Fick's Angaben der Ciliarmuskel eben dieses rechten Auges einen auf- fälligen Sdiwächezustand zeigte, während der linke gesund und kräftig war! (s. u).

Die gleichen Widersprüche zeigt der Vensudi vom 21. Juli.

Bei Versuch 8: r 2,25

/ 0,75 kann Oe. bei einer dioptrisdien Differenz von 1,5 D nicht mehr lesen; das rechte Auge würde nach Fick nur die minimale Accommodationsleistung von 0,25 D aufzubringen haben.

Bei 2 unmittelbar darauf folgenden Versuchen (13 und 14) hest Patient plötzlich haploskopisch, trotz einer diop- trischen Differenz von 2,25 bez. 2,5 D und es wurde dabei nach Fick dem rechten Auge eine viel grössere Accommodations- leistung zugemuthet, als dem linken, und doch war auch heute nach Fick's Ansicht der rechte Ciliarmuskel wieder müde und schwach, da bei der NahepunklBprüfung seine Leistungen um ^/5 geringer waren als am 15. Juli, w^ährend die Leistungen des linken Oiliarmuskels dieselben waren wie damals!

Idi citire hier Versuche, die Fick als besonders beweis- kräftig für seine Auffassung ausführlicher erörtert hat

Jeder Anfänger in der Refractionslelire sieht auf den ersten Blick, dass diese Angaben völlig werthlos sind, denn man kann unter den mit dem Knaben angestellten Versudien kaum einen finden, mit welchem nicht ein anderer in directem, unverein- barem Widerspruch stünde.

An demselben 29. Juli notirte Fick: „mit r 2,0

l-^\f) gdesen, die linken eine Spur deutlicher.'^

Da die Leseprobe sich in 50 cm befand, und Oe. rechts

286 C. Hess.

myopisch von 4,0 D, links myopisch von 1,0 D war, so befand sich für beide Augen die Sdirift genau im Fenipunkte nnd müsste gleich deutlich erscheinen, da das Sehvermögen bdder- seifB gleidi sem sollte (s. o.). Oe. sah aber die linken Worte „eine Spur deutlicher'', ein Widersprudi, den Fick an&n- klären versäumt.

Zur Beurtheilung der Messungen ist die Kenntniss des dioptrischen Fehlers sehr wichtig, mit welchem die Schrift noch gelesen werden kann, und Fick hat diesen Fehler bei den Ver- suchen im Juli 1891 wiederholt gemessen und dabei überan- stimmend geftmden, dass am rechten Auge ein dioptrischer Fehl^ von 0,^5 D die Leseprobe unleserlich madit*). 9 Monate später ist die Myopie an diesem Auge um 0,5 D gestiegen, abo = 4,5. Die in 52 cm Abstand befindliche Leseprobe fiest Oe. jetzt mit 2,25, also mit einem unausgeglichenen diop- trischen Fehler von mehr als 0,25 D „noch glatt durch!*^ Fick scheint diese höchst merk würdige Verändemng des ge- duldeten dioptrischen Fehlere gar nicht bemerkt zu haben.

Ich komme zu einem anderen Punkte.

Fick sagt bei Besprechung meiner Arbeit (S. 117): „Die zur Untersuchung gewählten Augen sollen unvollkommene Sdi- schärfe gehabt haben. Diese Behauptung ist falsdi.^

Ich habe also die Richtigkeit meiner Behauptung nadi- zuweisen.

Für den Fall FF. giebt Fick selbst zu, daas am rechten Auge die Sehschärfe nicht normal war.

Bei Fall Oeffinger erscheinen, wenn die Schrift für beide Augen genau im Fempunkte stand, die mit dem Imken Auge gesehenen Worte „eine Spur deutlicher als die rechten^. B& beiderseits gleich guter und normaler Sehschärfe hätten natflrlidi beide gleich deutlich erseheinen müssen.

') Ich selbst und mehrere emmetropische CoUegen mit normaler Sehschärfe sind im Stande, in einer Entfernung von 50 cm mit + 3,5D Jäger No. 5 noch leicht, Jäger No. 4 noch grossentheils zu lesen, also mit einem unausgeglichenen Refractionsfehler von 1,5 D. Wenn ich auch gerne zugebe, dass der geduldete dioptrische Fehler vielleicht nicht bei allen Personen genau gleich gross ist, so können so enorme Differenzen wie hier (0,25 D bei Oe., mehr als 1,5 D bei uns) unmöglich auf individuelle Verschiedenheiten zu beziehen sein. Entweder hajtte Fick die Refraction bei dem Knaben falsch be- stimmt, oder der Knabe war nidit normalsichtig.

Kritische Bemerkungen zur Frage nach dem Vorkommen etc. 287

Fall Erb hat rechts Myopie von 0,75D, links Emme- tropie; wenn vor dem linken Auge eine weisse Tafel stand, vor dem rechten Auge ein Glas von + 1?25, so war die in 50 cm Abstand befindliche Dmckscfarift-Grösse ,, zwischen JSger No. 4 and 5 näher dem letzteren ^^, genau im Fempunkte des be- treffenden Auges und musste natürlich bei einigermaassen guter Sehschärfe fliessend gelesen werden. Fick selbst aber giebt an, dass ,;nur das fettgedruckte Richtewort gelesen wurde, keines der klein gedruckten'^ Es muss schon eine starke Herab- setzung der Sehschärfe vorhanden sein, wenn man Druck zwischen Jäger No. 4 und 5 in dem in 50 cm Entfernung gelegenen Fempunkte nicht lesen kann. Nach dieser Beobachtung ist Erb ambljopisch; sie ist mit der früheren Angabe Fick's,

4 dass Erb beiderseits Sehschäife = habe, selbstverständlich

4

unverembar.

Aus der Erwähnung dieser 3 Fälle erhellt zur Genüge, dass es mehr als unvorsichtig von Fick war, mich einer falschen Behauptung zu zeihen.

Ganz unbegreiflich sind femer die Versuche, die Fick macht, um den Fall Steiner für seine Anschauung zu ver- werthen. Steiner hat links Emroetropie, rechts Myopie 1,5 D. Ich hatte die früheren Angaben Fick's als werthlos bezeichnet, weil Fick die unumgänglich nothwendige Messung des ge- duldeten dioptrischen Fehlers unterlassen hatte. Fick bezeichnet diese Messung hier als „ganz überflüssig''. Wenn er nach meiner früheren ausführlichen Auseinandersetzung die Nothwendigkeit dieser Messung nicht einsieht, so ist eine weitere Discussion über diesen Punkt unmöglich.

Nun sagt Fick weiter: „Hess übersieht offenbar, dass Steiner mit links plan, rechts 1,5 D, d. h. mit ausgeglichener Anisometropie eben nicht gelesen hat, was doch bei beider- seits gleicher Accommodation, bei beiderseits gleicher und nor- maler Sehschärfe unbedingt hätte der Fall sein müssen''.

Aus der früher mitgetheilten Beobachtung, dass Steiner zum Lesen in 50 cm links plan, rechts 0,5 D vorzog, hatte Fick f&lschlich geschlossen, die Wahl dieses zu schwachen Glases könne nur durch ungleichen „AccommodationsbefehP erklärt werden. Die Accommodationsbreiten waren nach Fick's Angabe R 10,55 D, L 11,11 D. Einem „Accommodationsbefehl" von 2,0 D am linken Auge entsprach wiederam nach Fick 's eigener Angabe am rechten

288 C. Hess.

ein solcher von 1,9 D. Patient war also iui Intei^esse des dent- lidien Sehens nicht un Stande, einen ungleichen ^^Acconiinodatioiia- befehl^^ von ^/, q D aufzubringen, was gut mit den Messungen von Neu mann und rair^) stimmen würde. In sdilagenderer Weise konnte also Fick die Unmöglichkeit ungleicliei' Accom- modation bei Steiner gai* nicht beweisen.

So gestalten sich die Dinge, wenn ich auf Fick 's aus- drüdvlichen Wunsch den „Accommodations befehlen^* Rechnung t)*age. Berücksichtigt man die Accommodationsbreiten^ so kommt man zu dem Sclüusse, dass Steiner trotz des Int^'esses am deutlichen Sehen nicht im Stande wai*, beiderseits gleich stark zu accommodiren. Fick steht also jetzt vor der Alternativ^ entweder diesen natürlich ganz absui*den Satz zu verteidigen, oder zuzugeben, dass der Fall Steiner ein schlagender Beweis gegen die von ihm vertretene Anschauung ist Dass Anisometropen in der Kegel die ihre RefractionsdifTerenz vollständig ausgleichenden Gläser verwerfen, ist eine altbekannte Tliatsadie und Fick Latte nicht nötig, mich bei Fall St darauf noch besonders aufmerksam zu machen. Ich glaube aber nicht, dass irgend Jemand in dieser Thatsache einen Beweis fiir die Möglichkeit ungleicher Accommo- dation sehen wird.

Ich komme zur Erorterang der Fick 'sehen Messungen der Accommodationsbreiten. Ich hatte geglaubt, dass die in meiner letzten Abhandlung gemachten Andeutungen (S. 18) genügen würden, um Fick von seinem Irrthume zu überzeugen. Dies ist leider nicht der Fall, denn Fick schreibt noch jetzt (S. 115): „Wir messen ja (bei der Bestimmung der Accommodationsbreiten) die Leistung eines Muskels, die er bei grösster Willensanstrengung vollbringen kann. Jeder weiss vom Turnplätze her, dass die grösste Kraftleistung, deren man fällig ist, an verschiedenen Tag^i sehr verschieden ausfällt, dass man audi nicht mehimals hinter- einander genau dieselbe grösste Leistung vollbringen kann. Es ist also gar nidit widersinnig, wie Hess zu glauben sdieint, wenn man zweimal hintereinander stärkste Accommodationsleistnng fordert, das eme Mal die Wirkung an einem, das andere Mal am anderen Auge misst, und nun bloss auf dem einen Auge die Wirkung der Ermüdung bemerklich wurd."

Fassen wü* die Messungen Fick's zusammen. Am 15. Juli

') Messende Versuche zur Frage nach dem Vorkommen un- gleicher Accommodation beim Gesunden, v. Graefe's Arch. f. Ophth. XXXVIII. 3. p. 184.

Kritische BeniPrkungen zur Frage nach dem Vorkommen etc. 280

1H91 findet Fick beim Knaben Oeitinger die Accommodation»- brate des rechten Auges = 12,66 D, was ungefälir der normalen Acoommodationsbreite eines 14 Jährigen entspricht Am 21. und am 29. Juli findet Fick nur noch eine Accommodationsbreite von 10,28 D ^), also ungefähr V5 weniger als vor 6 Tagen. Dies entspricht nach der Donders'schen Curve der normalen Accommodationsbreite eines etwa 20. fährigen. Nadi 9 Monaten (am 24. April 1892) findet Fick an demselben Auge des jetzt 15 Jährigen nur noch eine Aecommodationsbeite von 8,0 D, also kaum mehr */, der früheren. Dies entspricht der normalen Accommodationsbreite eines etwa 26 Jährigen.

Es hatte also nach Fick 's Angaben in den 9 Monaten die Accommodationsbreite am recliten Auge des Knaben Oeffinger um mehr als Vs ^^^^ ganzen Werthes abgenommen, sie war bei dem 15 Jährigen rechts nur noch so gross wie unter nor- malen Verhältnissen bei einem 26 Jährigen.

Auf dem linken Ange war am 15. Juli 1891 die Accommo- dationsbreite des Knaben nach Fick = 9,53 d. i. ungefähr die eines 23 Jährigen. Am 24. April 1892 war sie nur noch 6,45 D d. i. gleichfalls ca. ^/j kleiner, was bei einem normalen Menschen erst mit ca. 31 Jahren der Fall ist

Es sind offenbar nur zwei Möglichkeiten denkbar: Ent- weder Fick 's Messungen sind felsch, dann haben wir uns nicht weiter mit denselben zu beschäftigen, oder sie sind richtig, dann lag bei Oefßnger eine schwere Erkrankung des Accommodations- apparates, eme Parese um mehr als Vs ^^ gesanmiten verfüg- baren Accommodationsbreite vor. Fick hätte nach der Ursache (etwa diphtherischer Parese oder begmnendem Ilimleiden) fahn-

') Ich hatte hier auf einen von Fick begangenen Redmungs- fehlw um mehr als 1,0 D aufmerksam gemacht Fick sagt in seinem letEten Aufsätze, ich habe zu erwähnen „vergessenes dass Fick sich zu seinem Ungunsten verrechnet habe, dass also ohne den von ihm begangenen Rechnungsfehler der Betrag noch grösser werde, der nach seiner Ansicht auf ungleiche Accommodationsbefehle zu beziehen sei. Ich habe das selbstverständlich nicht „vergessen^', sondern ich hielt fftr vollkommen ttberflüasig es zu erwähnen, weil ich es nicht fOr möglich hielt, dass Fick diesen Fall Oeffinger noch als stich- haltig ansehen würde, nachdem ich ihm gezeigt hatte, dass die Accom- modationsbreite des Knaben innerhalb 6 Tagen um 2,4 D sich geän- dert haben sollte.

r Graefe*B ArcUy ftkr Ophthalmologie. XLI. 4. 19

290 C. Hess.

den mfissen; dass er davon Uberiiaupt nichts gemerkt hat, war ein sdiwerer Heobachtungsfehler. Es dürfen natürlich in keiiieni Falle die Untersuchungen f^r die schwebende Frage verwerthet werden.

Fick hat diese letzten Beobachtungen nach dem Vorgangs von Greeff mit dem einfachen Stäbchen- Apparate vorgenommen, und wie gesagt, die Accommodationsbreite kaum mehr ^/^ s^* gross gefunden wie früher. Femer konnte Oe. bei einem dioptri- schen Fehler von 0,25 D, der vor 9 Monaten die Leseprobe y^unleserlich'^ gemacht hatte, jetzt dieselbe glatt durchlesen (s. oben).

Die genaue Messung dieser dioptrischen Fehler ist for di« Würdigung der ganzen Versuche bekanntlich von entsdieidenda' Bedeutung.

Und doch macht Fick zu diesen Angaben die Bemer- kung: „Der Versuch ergiebt also mit diesem vervoUkommneteD Geräthe ganz die gleichen Ergebnisse wie früher mit dem Pris-

Es genügt, wie man sieht, die einfache Nebeneinand^^tel- lung der Fick 'sehen Zahlen, um zu zeigen^ mit welchem Mangel an Kritik Fick die widerspruchsvollen Angaben des Knaben ver- werthet hat zur Entscheidung einer Frage von grösster prin- dpieller Tragweite.

Fick sagt in seiner letzten Abhandlung: „Hess wirft mir „augenfUllige Beobachtungsfehler'^ vor. Was er damit gemeint hat, ist mir nicht klar geworden. Es lohnt wohl audi nicht darüber nachzudenken . . J^

Die vorstehenden Erörterungen dürften Fick zeigen, dasa das vielleicht doch nicht so ganz überflüssig gewesen wäre.

Fick 's Ansicht, dass die Differenzen um 2,4 D zwischen den Nahepunktsbestimmungen an zwei verschiedenen, kurz auf einander folgenden Tagen nichts Ungereimtes habe, kann nur auf sehr unklaren Begriffen Fick's über den Accommodations- vorgang beruhen. Fick macht hier die durchaus falsche Vor- aussetzung, dass die Accommodation auf den Nahepunkt der maximalen Kraftleistung des Giliarmuskels entspreche. Dies braucht nicht der FaU zu sein, und ist auch sicheriidi oft nicht der Fall. Ich habe dies an anderer Stelle ausführlich ge- zeigt, und kann mich hier auf die folgenden Andeutungen be- schränken.

Jeder sorgfältige Beobachter weiss, wie auffiülend genau die an verschiedenen Tagen, oder selbst die häufig hintereinander

Kritische Bemerkungen zur Fra^^e nach dem Vorkommen etc. 291

vorgenommenen Messungen des Nahepunktes bei einer und der- selben Person übereinstimmen, mit wie strenger Gesetzmässigkeit das Hinausrücken des Naliepunktes mit zunelimenden Jahren er- folgt Wenn dabei die Muskelleistung gemessen würde, wäre eine solche Genauigkeit gar nicht denkbar. Aber ich glaube auch nicht, dass irgend ein Ophthalmologe, ausser Fick, die Muskelleistung zu messen wähnt, wenn er den physiologischen Nahepunkt bestimmt (anders ist es bei Pai-ese des Ciliarmuskels).

Dann müsste man ja z. B. auch eine stetige Abnahme der Leistungsfähigkeit des Ciliarmuskels mit dem Alter annehmen, was sicher unrichtig ist. Thatsächlich habe ich gezeigt^), dass manche Leute leicht eine stärkere Giliarmuskeloontraction auf- bringen können, als der Einstellung auf den Naliepunkt ent- spricht, so dass die ganze Zonula schlaff wird, und die linse schlottert Wenn wir dabei den Nahepunkt bestimmen, so bleibt er natürlich da, wo er sich finden muss, sobald die IJnse ihre Eigenform ^) angenommen hat Nur so erklärt sich genügend die gute Uebereinstimmung, die man bei sorgfältigen Nahe- bestimmungen immer findet

Da Fick aber noch immer die Ansicht vertritt, dass die erwähnten Differenzen in seinen Naliepunktsmessungen nichts Widersinniges haben, möchte ich nur auf zwei nalieliegende Con- sequenzen hinweisen.

Es liegt auf der Hand, da^s Alles, was z. B. Donders und seine Sdiüler über Accommodation gearbeitet haben, vöUig werth- los wäre, wenn Fick redit hätte. Welchen Zweck hätten etwa Donders' Messungen über die gesetzmässige Abnalime der Ac- commodationsbreite mit zunehmendem Alter, wenn ein 14 jähriger Mensch mit gesundem Ciliarmuskel heute eine Accommodationsbreite hat, wie man sie gewöhnlicli in diesem Alter findet, aber mor- gen die eines 20 Jährigen, 9 Monate s])äter am einen Auge die eines 26 Jährigen, am andern gar die eines 31 Jährigen? Wel- chen Sinn haben alle Messungen über relative Accommodations- breite, wenn heute der rechte, morgen der linke Ciliarmuskel um 1 oder 2D stärker ermüdet sein kann, weil vorher eine Nahepunktsbestimmung vorgenommen worden war?

^) In einer demnächst erscheinenden Abhandlung über den Acoommodationsvorgang findet sich das Nähere hierüber.

*) So will ich kurz die Gestalt bezeichnen, welche die Linse hat, wenn keine äusseren Kräfte auf sie wirken. Dieselbe ist in den verschiedenen Lebensaltem bekanntlich sehr verschieden.

19*

292 C. Hess. Krit. Bemerkungen zur Frage nach d. Vorkommen etc.

Aber es ist F ick ganz entgangen^ dass ja auch seine eige- nen einschlägigen Arbeiten völlig wertiilos werden^ wenn wir annehmen, dass die Accommodationsbreite durch Errnndong des Giliannuskels bei einer Nahebestimmung um 2,4 1> und mehr schwanken kann. Wozu baut er complicirte Apparate mit den feinsten Visirmetlioden? Wozu bestimmt er noch Fehlergrenzen auf halbe und viertel Dioptrieen, wenn er selbst nicht im Stande ist, bei Messung der ^r ihn so wichtigen Aceommodationsbreiten Fehler von vier Dioptrieen zu vermeiden?

Fick steht jetzt also vor der Alternative, eutwed^ seine Messungen der Accommodationsbreite und die daraus gezogenen Folgerungen für fisüscli zu erklären, oder zuzugestehen, dass seine ganzen darauf bezüglichen Untersudiungen zwecklos und Ober- flüssig sind.

So lange er seine Messungen der Aceommodationsbreiten nodi vertheidigt, wäre es auch müssig, in eine Discussion üb^ einen neuen von ihm mitgetheilten Fall einzutreten, umsomdir, als ich die Hofihung, Flck selbst von seinem IrrÜiume zu überzeugen, jetzt endgUtig aufgegeben habe. Von den anderen FadicoUegen aber dürfte wohl kein objectiv Urtfaeilender mehr im Unklaren sein über den Werth der in Rede stehenden Arbeiten Fick's, nachdem in den letzten Jahren sorgfältige Beobachter wie Greeff, Ovio, Axenfeld die Richtigkeit meiner Anschauungen durdi- aus l>e6tätigt haben. Fick 's Fälle erhärten nur von Neuem die bekannte Thatsache, dass das Vorkommen ungleicher Accommoda- tion bisher noch nicht hat nachgewiesen werden können.

Ich schüesse mit dem Ausdrucke aufrichtigen Bedauerns darüber, dass ich durch die ungereditfertigten Angriffe des OoUegen Fick gezwungen worden bin, die zahkeicfaen Fehler seiner Arbeit vor der Oeffentlichkeit so ausf^rlich zu er- örtern, nachdem ich selbst ihm mit dem Vorschlage einer privaten Erledigung entgegengekommen war.

Onick von Pdsch«! & Trcpto in Leipsig.

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